Löwe-Rosenberg. Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz: Band 10/1 §§ 449-463e [27. neu bearb. Aufl.] 9783110275025, 9783110274813

Volume 10/1 provides commentary on enforching sentences (§§ 449-463e) of the German Code of Civil Procedure.

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German Pages 618 [620] Year 2021

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Table of contents :
Die Bearbeiter der 27. Auflage
Vorwort
Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Strafprozeßordnung
SIEBENTES BUCH Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens
ERSTER ABSCHNITT Strafvollstreckung
Vorbemerkungen
§ 449 Vollstreckbarkeit
§ 450 Anrechnung von Untersuchungshaft und Führerscheinentziehung
§ 450a Anrechnung einer im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung
§ 451 Vollstreckungsbehörde
§ 452 Begnadigungsrecht
§ 453 Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt
§ 453a Belehrung bei Strafaussetzung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt
§ 453b Bewährungsüberwachung
§ 453c Vorläufige Maßnahmen vor Widerruf der Aussetzung
§ 454 Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung
§ 454a Beginn der Bewährungszeit; Aufhebung der Aussetzung des Strafrestes
§ 454b Vollstreckungsreihenfolge bei Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafe; Unterbrechung
§ 455 Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit
§ 455a Strafausstand aus Gründen der Vollzugsorganisation
§ 456 Vorübergehender Aufschub
§ 456a Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung
§ 456b (aufgehoben)
§ 456c Aufschub und Aussetzung des Berufsverbotes
§ 457 Ermittlungshandlungen; Vorführungsbefehl, Vollstreckungshaftbefehl
§ 458 Gerichtliche Entscheidungen bei Strafvollstreckung
§ 459 Vollstreckung der Geldstrafe; Anwendung des Justizbeitreibungsgesetzes
§ 459a Bewilligung von Zahlungserleichterungen
§ 459b Anrechnung von Teilbeträgen
§ 459c Beitreibung der Geldstrafe
§ 459d Unterbleiben der Vollstreckung einer Geldstrafe
§ 459e Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe
§ 459f Unterbleiben der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe
§ 459g Vollstreckung von Nebenfolgen
§ 459h Entschädigung
§ 459i Mitteilungen
§ 459j Verfahren bei Rückübertragung und Herausgabe
§ 459k Verfahren bei Auskehrung des Verwertungserlöses
§ 459l Ansprüche des Betroffenen
§ 459m Entschädigung in sonstigen Fällen
§ 459n Zahlungen auf Wertersatzeinziehung
§ 459o Einwendungen gegen vollstreckungsrechtliche Entscheidungen
§ 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung
§ 461 Anrechnung des Aufenthalts in einem Krankenhaus
§ 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde
§ 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts
§ 463 Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung
§ 463a Zuständigkeit und Befugnisse der Aufsichtsstellen
§ 463b Beschlagnahme von Führerscheinen
§ 463c Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung
§ 463d Gerichtshilfe
§ 463e Mündliche Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung
Sachregister
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Löwe-Rosenberg. Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz: Band 10/1 §§ 449-463e [27. neu bearb. Aufl.]
 9783110275025, 9783110274813

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Großkommentare der Praxis

Löwe-Rosenberg

Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz Großkommentar

27., neu bearbeitete Auflage herausgegeben von Jörg-Peter Becker, Volker Erb, Robert Esser, Kirsten Graalmann-Scheerer, Hans Hilger, Alexander Ignor Zehnter Band Teilband 1 §§ 449–463e

Bearbeiterin: Kirsten Graalmann-Scheerer Sachregister: Christian Klie

ISBN 978-3-11-027481-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-027502-5 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038121-4 Library of Congress Control Number: 2021944872 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz/Datenkonvertierung: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Die Bearbeiter der 27. Auflage Jörg-Peter Becker, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a. D., Obernburg Dr. Johannes Berg, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Camilla Bertheau, Rechtsanwältin in Berlin Gabriele Cirener, Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof, Leipzig Dr. Volker Erb, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Dr. Robert Esser, Professor an der Universität Passau Dr. Karsten Gaede, Professor an der Bucerius Law School, Hamburg Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Richter am OVG Nordrhein-Westfalen im Nebenamt, stellvertretender Richter am VerfGH Nordrhein-Westfalen Kerstin Gärtner, Richterin am Kammergericht Berlin Dr. Oliver Harry Gerson, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Passau Dr. Dirk Gittermann, Richter am Oberlandesgericht Celle Dr. Sabine Gleß, Professorin an der Universität Basel Dr. Dr. h.c. Karl Heinz Gössel, em. Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht a. D., München Dr. Kirsten Graalmann-Scheerer, Generalstaatsanwältin in Bremen, Honorarprofessorin an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Bremen Klaus-Peter Hanschke, Richter am Kammergericht Berlin Dr. Pierre Hauck, Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen Dr. Hans Hilger, Ministerialdirektor im Bundesministerium der Justiz a. D., Bad Honnef Dr. Dr. Alexander Ignor, Rechtsanwalt in Berlin, apl. Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Christian Jäger, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Dr. Matthias Jahn, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Richter am Oberlandesgericht Frankfurt a. M. Dr. Björn Jesse, Richter am Landgericht Berlin Dr. Pascal Johann, Rechtsanwalt in Wiesbaden Dr. Daniel M. Krause, Rechtsanwalt in Berlin Dr. Matthias Krauß, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Heiner Kühne, em. Professor an der Universität Trier Detlef Lind, Richter am Kammergericht Berlin Dr. Holger Matt, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, Honorarprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main Dr. Markus Mavany, Richter am Landgericht Trier Dr. Eva Menges, Richterin am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Andreas Mosbacher, Richter am Bundesgerichtshof, Leipzig, Honorarprofessor an der Universität Leipzig Dr. Ali B. Norouzi, Rechtsanwalt in Berlin, Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Günther M. Sander, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Leipzig, Honorarprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin Dr. Frank Peter Schuster, Professor an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg Dr. Eric Simon, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Wolfgang Siolek, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Celle a. D. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg, Professor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Dr. Michael Tsambikakis, Rechtsanwalt in Köln, Honorarprofessor an der Universität Passau Dr. Brian Valerius, Professor an der Universität Bayreuth Marc Wenske, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Dr. Raik Werner, Richter am Bundesgerichtshof, Leipzig

V https://doi.org/10.1515/9783110275025-201

Vorwort Der LÖWE-ROSENBERG feierte 2019 seinen 140. Geburtstag und ist damit das älteste aktuelle Erläuterungswerk zur Strafprozessordnung und der mit ihr verbundenen Gesetze. Als Großkommentar hat er die Aufgabe, den Erkenntnisstand und die rechtlichen Probleme des Strafverfahrensrechts möglichst vollständig darzustellen und Wege zur Lösung auch entlegener Fragen aufzuzeigen. In einem an Praxis und Wissenschaft gleichermaßen gerichteten Werk muss dabei der Praxisbezug theoretischer Streitfragen und die historische Entwicklung heute gültiger Normen deutlich werden. Die Entwicklungsgeschichte der Strafprozessordnung und der Strafgerichtsverfassung seit dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze, nebst dem Strafverfahrensrecht der DDR und dem Recht der Vereinigung Deutschlands, sowie die Entstehungsgeschichte der einzelnen Vorschriften sind vor dem Hintergrund einer 2017 in die Wege geleiteten, von einer Expertenkommission des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vorbereiteten Reform des deutschen Strafprozessrechts sorgfältig darzustellen. Die über 140-jahrige Entwicklung des Strafprozessrechts in Deutschland, die fortlaufenden Änderungen sowie eine sich zunehmend verfeinernde und immer starker ausdifferenzierende wissenschaftliche Entwicklung und Rechtsprechung stellen eine stetige Herausforderung dar. Ein Großkommentar muss sowohl den Rückgriff auf die Grundprinzipien ermöglichen als auch die Ausdifferenzierung dokumentieren und soweit erforderlich, bewerten und systematisieren. Inhaltlich wird die Konzeption des LÖWE-ROSENBERG auch in der 27. Auflage im Wesentlichen beibehalten. Zudem werden der Einfluss der Menschenrechte, des Rechts der Europäischen Union und der Rechtsprechung internationaler und europäischer Gerichte auf das Strafverfahrensrecht und das Recht der Strafgerichtsverfassung sowie die Rechtsprechung nationaler Gerichte eingehend berücksichtigt. Die gesonderte Kommentierung der für das Strafverfahren bedeutsamen Vorschriften der EMRK und des IPBPR wird weitergeführt. Auf der Grundlage dieser Konzeption ist jeder Autor für den Inhalt seiner Kommentierung verantwortlich. Die zunehmende Flut der Veröffentlichungen hat inzwischen einen Umfang erreicht, der es nicht mehr in allen Bereichen möglich macht, den Grundsatz der vollständigen Dokumentation des Materials uneingeschränkt zu erfüllen. Es bleibt daher der Verantwortung eines jeden Autors überlassen, ob und in welchem Umfang er eine Auswahl trifft. Für die 27. Auflage sind derzeit zwölf Bande mit voraussichtlich etwa 14.000 Seiten geplant, wobei die Bande 3 bis 5 sowie 9 und 10 in Teilbände aus Gründen der Aktualität des Werks unterteilt werden. Sechs Herausgeber betreuen den Kommentar weiterhin, wobei jeweils zwei Herausgeber als Bandredakteure verantwortlich sind. Die Autoren sind im Autorenverzeichnis eines jeden Bandes aufgeführt. Verlag, Herausgeber und Autoren sind stets bemüht, die hohen Erwartungen zu erfüllen, die sich mit dem LÖWE-ROSENBERG seit jeher verbinden. Der hiermit vorgelegte Band 10 Teil 1 bespricht die im Ersten Abschnitt des Siebenten Buchs der StPO enthaltenen Vorschriften über die Strafvollstreckung. Diese haben seit der Vorauflage insbesondere hinsichtlich der Bestimmungen zur Vollstreckung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zunächst durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 und zuletzt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 eine umfangreiche Umgestaltung erfahren. Sie werden in diesem Band erstmalig im Rahmen eines Großkommentars grundlegend erörtert. Der Bearbeitungsstand ist Juli 2021. TeilVII https://doi.org/10.1515/9783110275025-202

Vorwort

weise wurden auch Rechtsprechung und Schrifttum berücksichtigt, die später erschienen sind. Berlin, im Oktober 2021

Die Herausgeber

VIII

Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg 1. Inhalt der Kommentierung Der LÖWE-ROSENBERG kommentiert die StPO, das EGStPO, das GVG und das EGGVG mit Ausnahme der nur den Zivilprozess betreffenden Teile, sowie – mit dem Schwerpunkt auf den strafverfahrensrechtlich besonders bedeutsamen Regelungen – die EMRK und den IPBPR. Wenig bekannte oder schwer auffindbare strafverfahrensrechtliche Nebengesetze, deren Wortlaut für die Kommentierung erforderlich ist, werden bei den einschlägigen Erläuterungen im Kleindruck wiedergegeben.

2. Erscheinungsweise und Stand der Bearbeitung Die 27. Auflage des LÖWE-ROSENBERG erscheint in Bänden, deren ErscheinungsReihenfolge von der des Gesetzes abweichen kann. Die Bände werden in der vom Gesetz vorgegebenen Reihenfolge durchnummeriert. Der Stand der Bearbeitung ist dem Vorwort jedes Bandes zu entnehmen. Die Autoren sind bemüht, besonders wichtige Änderungen und Entwicklungen auch noch nach diesem Stichtag bis zur Drucklegung des Bandes zu berücksichtigen.

3. Bearbeiter Jeder Bearbeiter (in der Fußzeile angegeben) trägt für seinen Teil die alleinige inhaltliche Verantwortung. Die Stellungnahmen zu Rechtsfragen, die an mehreren Stellen des Kommentars behandelt werden, können daher voneinander abweichen. Auf solche Abweichungen wird nach Möglichkeit hingewiesen.

4. Aufbau der Kommentierung Neben der umfassenden Einleitung zum Gesamtwerk sind den Untereinheiten der kommentierten Gesetze (Bücher, Abschnitte, Titel), soweit erforderlich, Vorbemerkungen vorangestellt, die das für die jeweilige Untereinheit Gemeinsame erläutern. Der den Vorbemerkungen und den Kommentierungen der einzelnen Vorschriften erforderlichenfalls vorangestellte Abschnitt Geltungsbereich enthält Hinweise auf zeitliche und örtliche Besonderheiten. Der Abschnitt Entstehungsgeschichte gibt, abgesehen von ganz unwesentlichen Änderungen, die Entwicklung der geltenden Fassung der Vorschrift vom Erlass des jeweiligen Gesetzes an wieder. Fehlt er, so kann davon ausgegangen werden, dass die Vorschrift unverändert ist. Der Hinweis auf geplante Änderungen verzeichnet Änderungsvorschläge, die sich beim Abschlusszeitpunkt der Lieferung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren befinden. Die Erläuterungen sind nach systematischen Gesichtspunkten gegliedert, die durch Überschriften oder Stichworte hervorgehoben sind. In der Regel ist den Erläuterungen eine systematische Übersicht vorangestellt. Soweit angebracht wird sie bei besonders umfangreichen Erläuterungen durch eine alphabetische Übersicht ergänzt. Bei den Erläuterungen selbst werden für jede Vorschrift (zur Erleichterung des Zitierens) durchlaufende Randnummern verwendet. IX https://doi.org/10.1515/9783110275025-203

Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg

5. Schrifttum Der Kommentar enthält am Anfang jedes Bandes ein allgemeines Literaturverzeichnis, das nur die häufiger verwendete oder allgemeine Literatur enthält. Den Vorbemerkungen und den Kommentierungen der einzelnen Vorschriften sind Schrifttumsverzeichnisse vorangestellt, die einen Überblick über das wesentliche Schrifttum zu dem jeweils behandelten Thema geben.

6. Zitierweise Literatur, die in diesen Schrifttumsverzeichnissen enthalten ist, wird im laufenden Text im allgemeinen nur mit dem Namen des Verfassers (ggfs. mit einer unterscheidenden Kurzbezeichnung) oder der sonstigen im Schrifttumsverzeichnis angegebenen Kurzbezeichnung zitiert, doch wird bei Veröffentlichungen in Zeitschriften vielfach auch die genaue Fundstelle nachgewiesen. Sonst sind selbständige Werke mit (gelegentlich verkürztem) Titel und Jahreszahl, unselbständige Veröffentlichungen (auch Beiträge in Festschriften u. ä.) mit der Fundstelle angegeben. Auflagen sind durch hochgestellte Zahlen gekennzeichnet; fehlt eine solche Angabe, so wird aus der Auflage zitiert, die im allgemeinen Schrifttumsverzeichnis angegeben ist. Hat ein Werk Randnummern, so wird nach diesen, sonst nach Seitenzahl oder Gliederungspunkten zitiert. Befindet sich beim Zitat anderer Kommentare die in Bezug genommene Stelle im gleichen Paragraphen, so wird nur die Randnummer oder (bei deren Fehlen) der Gliederungspunkt angegeben; wird auf die Erläuterungen bei einem anderen Paragraphen Bezug genommen, so wird dieser genannt. Entsprechend wird auch im LÖWE-ROSENBERG selbst verwiesen. Bei diesem wird, wenn nichts anderes angegeben ist, auf die gegenwärtige 27. Auflage verwiesen. Ist der Band mit den Erläuterungen, auf die verwiesen werden soll, noch nicht erschienen, so ist, soweit dies sachdienlich erschien, in Klammern ergänzend die genaue Fundstelle in der 26. Auflage angegeben. Zeitschriften werden regelmäßig mit dem Jahrgang zitiert. Ausnahmen (Bandangabe) bilden namentlich ZStW, GA (bis 1933) und VRS; hier ist regelmäßig die Jahreszahl zusätzlich angegeben. Bei der Angabe der Fundstelle eines amtlichen Verkündungsblattes wird die Jahreszahl nur angegeben, wenn sie von der Jahreszahl der Rechtsvorschrift abweicht. Entscheidungen werden im allgemeinen nur mit einer Fundstelle angegeben. Dabei hat die amtliche Sammlung eines obersten Bundesgerichtes den Vorrang, sonst die Fundstelle, die die Entscheidung mit Anmerkung oder am ausführlichsten wiedergibt.

7. Abkürzungen Die verwendeten Abkürzungen, namentlich von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, Entscheidungssammlungen, Zeitschriften usw. sind im Abkürzungsverzeichnis nachgewiesen.

X

Inhaltsverzeichnis Die Bearbeiter der 27. Auflage V VII Vorwort Hinweise für die Benutzung des Löwe-Rosenberg XIII Abkürzungsverzeichnis LI Literaturverzeichnis

IX

Strafprozeßordnung SIEBENTES BUCH Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens ERSTER ABSCHNITT Strafvollstreckung 1 Vorbemerkungen 22 § 449 Vollstreckbarkeit § 450 Anrechnung von Untersuchungshaft und Führerscheinentzie35 hung 47 § 450a Anrechnung einer im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung 54 § 451 Vollstreckungsbehörde 80 § 452 Begnadigungsrecht § 453 Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung 89 oder Verwarnung mit Strafvorbehalt § 453a Belehrung bei Strafaussetzung oder Verwarnung mit Strafvorbe114 halt 116 § 453b Bewährungsüberwachung 118 § 453c Vorläufige Maßnahmen vor Widerruf der Aussetzung 129 § 454 Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung § 454a Beginn der Bewährungszeit; Aufhebung der Aussetzung des Strafres182 tes § 454b Vollstreckungsreihenfolge bei Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafe; Un193 terbrechung 214 § 455 Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit 229 § 455a Strafausstand aus Gründen der Vollzugsorganisation 232 § 456 Vorübergehender Aufschub § 456a Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder Aus238 weisung 250 § 456b (aufgehoben) 250 § 456c Aufschub und Aussetzung des Berufsverbotes § 457 Ermittlungshandlungen; Vorführungsbefehl, Vollstreckungshaftbe256 fehl 270 § 458 Gerichtliche Entscheidungen bei Strafvollstreckung § 459 Vollstreckung der Geldstrafe; Anwendung des Justizbeitreibungsgeset283 zes 287 § 459a Bewilligung von Zahlungserleichterungen 294 § 459b Anrechnung von Teilbeträgen 296 § 459c Beitreibung der Geldstrafe 302 § 459d Unterbleiben der Vollstreckung einer Geldstrafe XI

Inhaltsverzeichnis

§ 459e § 459f § 459g § 459h § 459i § 459j § 459k § 459l § 459m § 459n § 459o

Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 308 315 Unterbleiben der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 319 Vollstreckung von Nebenfolgen 335 Entschädigung 344 Mitteilungen 352 Verfahren bei Rückübertragung und Herausgabe 359 Verfahren bei Auskehrung des Verwertungserlöses 364 Ansprüche des Betroffenen 368 Entschädigung in sonstigen Fällen 372 Zahlungen auf Wertersatzeinziehung Einwendungen gegen vollstreckungsrechtliche Entscheidun373 gen 380 § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung 406 § 461 Anrechnung des Aufenthalts in einem Krankenhaus § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Be414 schwerde § 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzli420 chen Gerichts 458 § 463 Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung 490 § 463a Zuständigkeit und Befugnisse der Aufsichtsstellen 510 § 463b Beschlagnahme von Führerscheinen 513 § 463c Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung 519 § 463d Gerichtshilfe 522 § 463e Mündliche Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung

Sachregister

529

XII

Abkürzungsverzeichnis AA a. A. a. a. O. Abg. AbgG

abl. ABl. ABlEG ABlEU ABMG Abs. Abschn. abw. AChRMV AcP AdG AdVermiG a. E. AEPC ÄndG ÄndVO a. F. AfkKR AfP AG AGIS

AGGewVerbrG AGGVG AGS AGStPO AHK AIDP AJIL AktG

AktO allg. M. Alsb.E Alt. a. M.

Auswärtiges Amt anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgeordneter Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz – AbgG) vom 18.2.1977 i. d. F. der Bek. vom 21.2.1996 (BGBl. I S. 326) zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 9.4.2021 (BGBl. I S. 741) ablehnend Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften; Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen; Ausgabe L: Rechtsvorschriften (zit.: ABlEG Nr. L … /(Seite) vom …) Amtsblatt der Europäischen Union (ab 2003); Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen; Ausgabe L: Rechtsvorschriften (zit.: ABlEU Nr. L …/(Seite) vom …) Autobahnmautgesetz für schwere Nutzfahrzeuge vom 5.4.2002 (BGBl. I S. 1234) aufgehoben durch Art. 6 Nr. 1 des Gesetzes vom 12.7.2011 (BGBl. I S. 1378) Absatz Abschnitt abweichend Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker vom 26.6.1981, deutsche Übersetzung EuGRZ 1990, 348 Archiv für die civilistische Praxis Adoptionsgesetz vom 2.7.1976 (BGBl. I S. 1749) Adoptionsvermittlungsgesetz vom 27.11.1989 (BGBl. I S. 2014) neugefasst durch Bek. vom 21.6.2021 (BGBl. I S. 2010) am Ende Association of European Police Colleges Änderungsgesetz Änderungsverordnung alte Fassung Archiv für katholisches Kirchenrecht Archiv für Presserecht, Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Amtsgericht; in Verbindung mit einem Gesetz: Ausführungsgesetz Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 22.7.2002 über ein Rahmenprogramm für die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen – AGIS (ABlEG Nr. C 203 vom 1.8.2002, S. 5) Ausführungsgesetz zum Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933 (RGBl. I S. 1000) Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes (Landesrecht) Zeitschrift für das gesamte Gebührenrecht und Anwaltsmanagement Ausführungsgesetz zur Strafprozessordnung (Landesrecht) Alliierte Hohe Kommission Association Internationale de Droit Pénal American Journal of International Law Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 6.9.1965 (BGBl. I S. 1089) zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 3.6.2021 (BGBl. I S. 1534) Anweisung für die Verwaltung des Schriftguts bei den Geschäftsstellen der Gerichte und der Staatsanwaltschaften (Aktenordnung) allgemeine Meinung Die strafprozessualen Entscheidungen der Oberlandesgerichte, herausgegeben von Alsberg und Friedrich (1927), 3 Bände Alternative anderer Meinung

XIII https://doi.org/10.1515/9783110275025-204

Abkürzungsverzeichnis

AMRK amtl. amtl. Begr. Anh. AnhRügG Anl. Anm. AnwBl. AöR AO

AOStrÄndG apf APR APuZ ArbGG ArchKrim. ArchPF ArchVR arg. Art. ASIL AsylG ATDG

AtG

AufenthG

aufg. Aufl. AUILR AUR AuR ausf. AuslG AusnVO

Amerikanische Menschenrechtskonvention vom 22.11.1969 (Pact of San José), deutsche Übersetzung EuGRZ 1980, 435 amtlich amtliche Begründung Anhang Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz) vom 9.12.2004 (BGBl. I S. 3220) Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Abgabenordnung vom 16.3.1976 (BGBl. I S. 613) i. d. F. der Bek. vom 1.10.2002 (BGBl. I S. 3866) zuletzt geändert durch Art. 24 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2154) Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 10.8.1967 (BGBl. I S. 877) Ausbildung Prüfung Praxis – Zeitschrift für die staatliche und kommunale Verwaltung Allgemeines Persönlichkeitsrecht Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) Arbeitsgerichtsgesetz vom 3.9.1953 i. d. F. der Bek. vom 2.7.1979 (BGBl. I S. 853) zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Archiv für Kriminologie Archiv für das Post- und Fernmeldewesen Archiv des Völkerrechts argumentum Artikel The American Society of International Law Asylgesetz i. d. F. der Bek. vom 2.9.2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 9.7.2021 (BGBl. I S. 2467) Gesetz zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern (Antiterrordateigesetz – ATDG) vom. 22.12.2006 (BGBl. I S. 3409) zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 30.3.2021 (BGBl. I S. 402) Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 31.10.1976 (BGBl. I S. 3053) i. d. F. der Bek. vom 15.7.1985 (BGBl. I S. 1565) zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 20.5.2021 (BGBl. I S. 1194) Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG), neugefasst durch Bek. vom 25.2.2008 (BGBl. I S. 162); zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 9.7.2021 (BGBl. I S. 2467) aufgehoben Auflage American University International Law Review Agrar- und Umweltrecht Arbeit und Recht (Zeitschrift) ausführlich Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz) vom 9.7.1990 (BGBl. I S. 1354), außer Kraft getreten am 31.12.2004 Ausnahme-(Not-)Verordnung (1) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1.12.1930 (RGBl. I S. 517) (2) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6.10.1931 (RGBl. I S. 537, 563) (3) VO zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutz des inneren Friedens vom 8.12.1931 (RGBl. I S. 743)

XIV

Abkürzungsverzeichnis

AV AVG AVR AWG Az AZR-Gesetz

BAFin BAG BAGE BÄO BAK BAMF BAnz. BaWü. Bay. BayAGGVG BayBS BayObLG BayObLGSt BayPAG

BayRS BayStVollzG BayVerf. BayVerfGH BayVerfGHE BayVerwBl. BayVGH BayVGHE

BayZ BB BBG

Bbg. BbgVerfG BC Bd. BDG BDH

XV

(4) VO über Maßnahmen auf dem Gebiet der Rechtspflege und Verwaltung vom 14.6.1932 (RGBl. I S. 285) Allgemeine Verfügung Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (Österreich) Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsgesetz vom 28.4.1961 (BGBl. I S. 481) Aktenzeichen Gesetz über das Ausländerzentralregister (AZR-Gesetz) vom 2.9.1994 (BGBl. I S. 2265) i. d. F. der Bek. vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) zuletzt geändert durch Art. 8 Gesetzes vom 9.7.2021 (BGBl. I S. 2467) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesärzteordnung, neugefasst durch Bek. vom 16.4.1987 (BGBl. I S. 1218); zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 15.8.2019 (BGBl. I S. 1307) Blutalkoholkonzentration Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Bundesanzeiger Baden-Württemberg Bayern, bayerisch Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes vom 23.6.1981 (BayGVBl. S. 188) Bereinigte Sammlung des Bayerischen Landesrechts (1802 bis 1956) Bayerisches Oberstes Landesgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) i. d. F. d. Bek. vom 14.9.1990 (GVBl. S. 397), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 10.12.2019 (GVBl. S. 691) Bayerische Rechtssammlung (ab 1.1.1983) Bayerisches Strafvollzugsgesetz vom. 10.9.2007 (BayGVBl. S. 866) zuletzt geändert durch § 6 des Gesetzes vom 8.7.2020 (BayGVBl. S. 330) Verfassung des Freistaates Bayern vom 2.12.1946 (BayBS. I 3) zuletzt geändert durch Gesetzes vom 11.11.2013 (BayGVBl. S. 638) Bayerischer Verfassungsgerichtshof s. BayVGHE Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, des Bayerischen Dienststrafhofs und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern (1905–34) Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz vom 14.7.1953 (BGBl. I S. 551) i. d. F. der Bek. vom 31.3.1999 (BGBl. I S. 675) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28.6.2021 (BGBl. I S. 2250) Brandenburg Brandenburgisches Verfassungsgericht Business Compliance (Zeitschrift) Band Bundesdisziplinargesetz vom 9.7.2001 (BGBl. I S. 1510) zuletzt geändert durch Art. 62 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) Bundesdisziplinarhof (jetzt Bundesverwaltungsgericht)

Abkürzungsverzeichnis

BDSG beA BeamtStG

Begr. BegrenzungsVO

BEG-SchlußG Bek. Bek. 1924 Bek. 1950 Bek. 1965 Bek. 1975 Bek. 1987 ber. BerHG

BerlVerfGH BerRehaG

Beschl. Bespr. BeurkG BewHi. BezG Bf. BFH BFHE BfJG

BGB

BGBl. I, II, III BGer BGH BGH-DAT BGH (ER) BGHE Strafs. BGHGrS BGHR BGHRZ BGHSt

Bundesdatenschutzgesetz i. d. F. der Bek. vom 14.1.2003 (BGBl. I S. 66) zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 23.6.2021 (BGBl. S. 1858) besonderes elektronisches Anwaltspostfach Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) vom 17.6.2008 (BGBl. I S. 1010) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 28.6.2021 (BGBl. S. 2250) Begründung Verordnung über die Begrenzung der Geschäfte des Rechtspflegers bei der Vollstreckung in Straf- und Bußgeldsachen vom 26.6.1970 (BGBl. I S. 992) i. d. F. der Bek. vom 16.2.1982 (BGBl. I S. 188) Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes vom 14.9.1965 (BGBl. I S. 1315) Bekanntmachung Strafprozeßordnung i. d. F. der Bek. vom 22.3.1924 (RGBl. I S. 299, 322) Strafprozeßordnung i. d. F. der Bek. vom 12.9.1950 (BGBl. I S. 629) Strafprozeßordnung i. d. F. der Bek. vom 17.9.1965 (BGBl. I S. 1373) Strafprozeßordnung i. d. F. der Bek. vom 7.1.1975 (BGBl. I S. 129) Strafprozeßordnung i. d. F. der Bek. vom 7.4.1987 (BGBl. I S. 1074) berichtigt Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) vom 18.6.1980 (BGBl. I S. 689) zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2154) Berliner Verfassungsgerichtshof Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet (Berufliches Rehabilitierungsgesetz – BerRehaG) vom 23.6.1994 (BGBl. I S. 1314) zuletzt geändert durch Art. 12a des Gesetzes vom 2.6.2021 (BGBl. I S. 1387) Beschluss Besprechung Beurkundungsgesetz vom 28.8.1969 (BGBl. I S. 1513) zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 26.6.2021 (BGBl. S. 2154) Bewährungshilfe (Zeitschrift) Bezirksgericht Beschwerdeführer Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Justiz = Art. 1 des Gesetzes zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamtes für Justiz vom 17.12.2006 (BGBl. I S. 3171) zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl. S. 195) i. d. F. der Bek. vom 2.1.2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738) zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. S. 2947) Bundesgesetzblatt Teil I, II und III Schweizerisches Bundesgericht Bundesgerichtshof Datenbank der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf CD-ROM, herausgegeben von Werner Theune Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen auf CD-ROM, herausgegeben von Mitgliedern des Gerichts Bundesgerichtshof, Großer Senat (hier in Strafsachen) BGH-Rechtsprechung in Strafsachen (Loseblattsammlung) BGH-Rechtsprechung in Zivilsachen (Loseblattsammlung) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

XVI

Abkürzungsverzeichnis

BGHZ BGSG

BGSNeuRegG BHRJ BinSchG

BinSchGG

BJM BJOG BKA BKAG

Bln. Bln.GVBl.Sb. Blutalkohol BMI BMinG

BMJV BNDG

Bonn.Komm. BORA BPolBG BR BRAGO

BRAK BRAK-Mitt. BranntWMonG BRAO BRat BRDrucks. BReg. Brem. BRJ BRProt. BS BSG

XVII

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzgesetz – BGSG) vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978) zuletzt geändert durch Art. 24 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) Gesetz zur Neuregelung der Vorschriften über den Bundesgrenzschutz (Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz – BGSNeuRegG) vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978) Business and Human Rights Journal Gesetz betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (Binnenschifffahrtsgesetz) vom 15.6.1895 i. d. F. der Bek. vom 15.6.1898 (RGBl. S. 868) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 5.7.2016 (BGBl. I S. 1578, 2019 I S. 196) Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachenvom 27.9.1952 (BGBl. I S. 641) zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 20.4.2013 (BGBl. I S. 831) Basler Juristische Mitteilungen An International Journal of Obstetrics and Gynaecology Bundeskriminalamt Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG) vom 7.7.1997 (BGBl. I S. 1650) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) Berlin Sammlung des bereinigten Berliner Landesrechts, Sonderband I (1806 bis 1945) und II (1945 bis 1967) Blutalkohol, Wissenschaftliche Zeitschrift für die medizinische und juristische Praxis Bundesminister(-ium) des Innern Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) vom 17.6.1953 (BGBl. I S. 407) i. d. F. der Bek. vom 27.7.1971 (BGBl. I S. 1166) zuletzt geändert durch Art. 7 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) Bundesminister(-ium) der Justiz und für Verbraucherschutz Gesetz über den Bundesnachrichtendienst vom 20.12.1990 (BGBl. I S. 2979) i. d. F. der Bek. vom 9.1.2002 (BGBl. I S. 361 ff.) zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 5.7.2021 (BGBl. I S. 2274) Kommentar zum Bonner Grundgesetz (Loseblattausgabe) Berufsordnung für Rechtsanwälte i. d. F. der Bek. vom 1.11.2001 Bundespolizeibeamtengesetz i. d. F. der Bek. vom 3.6.1976 (BGBl. I S. 1357) zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 23.6.2021 (BGBl. I S. 1982) s. BRat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 907); ersetzt durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) aufgehoben durch Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes vom 5.5.2004 (BGBl. I. S. 718, 850) Bundesrechtsanwaltskammer Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Branntweinmonopolgesetz vom 8.4.1922 (RGBl. I S. 405; BGBl. III 612-7) zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 10.3.2017 (BGBl. I S. 420) Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1.8.1959 (BGBl. I S. 565); zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Bundesrat Drucksachen des Bundesrats Bundesregierung Bremen Bonner Rechtsjournal Protokolle des Bundesrates Sammlung des bereinigten Landesrechts Bundessozialgericht

Abkürzungsverzeichnis

Bsp. BT BTDrucks. BtG

BtMG

BTProt. BTRAussch. BTVerh. BVerfG BVerfGE BVerfGG

BVerfGK BVerfSchG

BVerwG BVerwGE BV-G BW BWahlG bzgl. BZRG

2. BZRÄndG bzw. CAT Causa Sport CCBE CCC CCJE CCPR CCZ CD CDDH CDE CDPC CEAS CELJ CEPEJ CEPOL CERD CERT

Beispiel Bundestag Drucksachen des Bundestags Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz – BtG) vom 12.9.1990 (BGBl. I S. 2002) aufgehoben durch Art. 9 und 10 des Gesetzes vom 19.4.2006 (BGBl. I S. 866) Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) vom 28.7.1981 (BGBl. I S. 681) i. d. F. der Bek. vom 1.3.1994 (BGBl. I S. 358) zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 3.6.2021 (BGBl. I S. 1309) s. BTVerh. Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags Verhandlungen des Deutschen Bundestags Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12.3.1951 i. d. F. der Bek. vom 11.8.1993 (BGBl. I S. 1473) zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 20.11.2019 (BGBl. I S. 1724) Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz) vom 20.12.1990 (BGBl. I S. 2954) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 5.7.2021 (BGBl. I S. 2274) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundesverfassungsgesetz (österreichische Verfassung) Baden-Württemberg Bundeswahlgesetz neugefasst durch Bek. vom 23.7.1993 (BGBl. I S. 1288, 1594); zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 3.6.2021 (BGBl. I S. 1482) bezüglich Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz), neugefasst durch Bek. vom 21.9.1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195); zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 16.6.2021 (BGBl. I S. 1810) Zweites Gesetz zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes (2. BZRÄndG) vom 17.7.1984 (BGBl. I S. 990) beziehungsweise siehe UN-CAT Die Sport-Zeitschrift für nationales und internationales Recht sowie für Wirtschaft Council of the Bars and Law Societies of the European Union Constitutio Criminalis Carolina Consultative Council of European Judges siehe HRC Corporate Compliance Zeitschrift Collection of Decisions Bd. 1 bis 46 (1960 bis 1974), Entscheidungen der Europäischen Kommission für Menschenrechte über die Zulässigkeit von Beschwerden Steering Committee for Human Rights (Europarat) Cahiers de droit européen (Zeitschrift) European Committee on Crime Problems Common European Asylum System China-EU Law Journal European Commission on the Efficiency of Justice European Police College (Budapest) Internationales Übereinkommen zur Beseitigung von jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) vom 7.3.1966 Computer Emergency Response Team

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

CETS ChE

ChemG CJ CJEL CMLRev COSI COVuR CPP CPS CPT

CR CRC Crim.L.R. CrimeLawSocChange CSW CWÜAG DA DAG DAJV-Newsletter DAR DAV DB DDevR DDR ders. DERechtsmittelG DG Die Justiz Die Polizei dies. Diss. DiszO DJ DJT DJZ DNA-AnalyseG DNA-IFG DNP DNutzG DÖD DÖV

XIX

(vgl. CTS) Chiemsee-Entwurf (Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der Westlichen Besatzungszonen. Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23.8.1948) (1948) Chemikaliengesetz i. d. F. der Bek. vom 20.6.2002 (BGBl. I S. 2090) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 3.6.2021 (BGBl. I S. 1479) Corpus Juris Columbia Journal of European Law Common Market Law Review Ständiger Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (EU) COVID-19 und Recht (Zeitschrift) Code de procédure pénale Crown Prosecution Service Committee for the Prevention of Torture – Europäischer Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Europarat) Computer und Recht (Zeitschrift) Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 (BGBl. 1992 II S. 122) Criminal Law Review Crime, Law and Social Change (Zeitschrift) Cross-Border Surveillance Working Group Ausführungsgesetz zum Chemiewaffenübereinkommen vom 2.8.1994 (BGBl. I S. 1954) Dienstanweisung Deutsches Auslieferungsgesetz vom 23.12.1929 (BGBl. I S. 239), aufgehoben durch IRG vom 23.12.1982 (BGBl. I S. 2071) Zeitschrift der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung e.V. Deutsches Autorecht (Zeitschrift) DeutscherAnwaltVerein Der Betrieb (Zeitschrift) Deutsche Devisen-Rundschau (1951–59) Deutsche Demokratische Republik derselbe Diskussionsentwurf für ein Gesetz über die Rechtsmittel in Strafsachen, im Auftrag der JMK vorgelegt von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Strafverfahrensreform (1975) Disziplinargesetz (der Länder) Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Die Polizei (seit 1955: Die Polizei – Polizeipraxis) dieselbe Dissertation Disziplinarordnung (der Länder) Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik (1933–45) Deutscher Juristentag (s. auch VerhDJT) Deutsche Juristenzeitung (1896–1936) Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12.8.2005 (BGBl. I S. 2360) DNA-Identitätsfeststellungsgesetz vom 7.9.1998 (BGBl. I S. 2646; 1999 I S. 1242) aufgehoben durch Art. 4 des Gesetzes vom 12.8.2005 (BGBl. I S. 2360, 2362) Die Neue Polizei Gesetz zur effektiveren Nutzung von Dateien im Bereich der Staatsanwaltschaften vom 10.9.2004 (BGBl. I S. 2318) Der Öffentliche Dienst Die Öffentliche Verwaltung

Abkürzungsverzeichnis

DOGE DPA DR

DRechtsw. DRiG DRiZ DRpfl. DRsp. Drucks. DRZ DSB DSteuerR DStR DStRE DStrZ DStZ dt. DtBR DtZ DuD DuR DVBl. DVO DVollzO DVOVereinf.VO DVOZust.VO

DVP DVR DWiR E E. & P. ebda. EA EAG EAGV EAJLG EAkte EAkteJEG EAW EB EBA EBAO ECBA ECG ECJ

Entscheidungen des Deutschen Obergerichts für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Deutsches Patentamt Deutsches Recht (1931 bis 1945) Decisions and Reports (ab 1975): Entscheidungen über die Zulässigkeit von Beschwerden; Berichte der Europäischen Kommission für Menschenrechte; Resolutionen des Ministerkomitees des Europarates Deutsche Rechtswissenschaft (1936–43) Deutsches Richtergesetz, neugefasst durch Bek. vom 19.4.1972 (BGBl. I S. 713); zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2154) Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtspflege (1936–1939) Deutsche Rechtsprechung, herausgegeben von Feuerhake (Loseblattsammlung) Drucksache Deutsche Rechts-Zeitschrift (1946 bis 1950) Datenschutz-Berater Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Strafrecht (1934 bis 1944) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Strafrechts-Zeitung (1914 bis 1922) Deutsche Steuer-Zeitung deutsch Das Deutsche Bundesrecht, Gesetzessammlung mit Erläuterungen (Loseblattausgabe) Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift) Demokratie und Recht (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Dienst- und Vollzugsordnung Verordnung zur Durchführung der Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege vom 8.9.1939 (RGBl. I S. 1703) Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sonderstrafgerichte sowie sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften vom 13.3.1940 (RGBl. I S. 489) Deutsche Verwaltungspraxis – Fachzeitschrift für die öffentliche Verwaltung Datenverarbeitung im Recht (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entwurf International Journal of Evidence & Proof Ebenda Vertrag über Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft i. d. F. nach dem 1.5.1999 Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vom 25.3.1957, Ges. vom 27.7.1957 (BGBl. II S. 753), Bek. vom 27.12. 1957 (BGBl. 1958 II S. 1) European-Asian Journal of Law and Governance Elektronische Akte Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5.7.2017 (BGBl. I S. 2208) European Arrest Warrant, siehe EuHb Ergänzungsband Europäische Beweisanordnung Einforderungs- und Beitreibungsanordnung i. d. F. der Bek. vom 1.4.2001 European Criminal Bar Association European Cooperation Group on Undercover Activities (ECG) siehe EuGH (European Court of Justice)

XX

Abkürzungsverzeichnis

ECLAN ECOSOC ECPI ECPT

ECRI ECRIS EDS/EDU EDV EEA EFG EG EGBGB

EGFaxÜbk

EGFinSchÜbk

EGFinSchG

EGG EGGVG EGH EGInsO EGKS EGKSV EGMR EGMR (GK) EGMR (K) EGMR Serie A/B; Reports EGMRVerfO EG-ne bis in idem-Übk EGOWiG EGStGB 1870 EGStGB 1974 EGStPO EGV

XXI

European Criminal Law Academic Network Wirtschafts- und Sozialrat (UN) European Criminal Policy Initiative Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe vom 26.11.1987 (ETS 126; BGBl. 1989 II S. 946) European Commission against Racism and Intolerance/Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz European Criminal Records Information System Europäische Drogeneinheit (Vorläufer von Europol)/European Drug Unit Elektronische Datenverarbeitung Europäische Ermittlungsanordnung/European Investigation Order (EIO) Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Vertrag zur Gründung einer Europäischen Gemeinschaft i. d. F. nach dem 1.5.1999 (vor dem 1.5.1999: EGV); Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl. S. 604) i. d. F. der Bek. vom 21.9.1994 (BGBl. I S. 2494) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 2947) Abkommen vom 26.5.1989 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über die Vereinfachung und Modernisierung der Verfahren zur Übermittlung von Auslieferungsersuchen (BGBl. 1995 II S. 969) Übereinkommen vom 26.7.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (PIF-Übereinkommen; ABlEG Nr. C 316 vom 27.11.1995, S. 49) Gesetz zu dem Übereinkommen vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EG-Finanzschutzgesetz – EGFinSchG) vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2322) Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Gesetz – EGG) vom 14.12.2001 (BGBl. I S. 3721) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1.1877 (RGBl. S. 77) zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) Ehrengerichtshof in Anwaltssachen Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2911) zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3328) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der EGKS vom 18.4.1951 (BGBl. II S. 447) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (Große Kammer) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (Kammer) Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Sammlung in deutscher Übersetzung, Band, Seite; ab 1996: Reports of Judgments and Decisions) Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Rules of Court) i. d. F. der Bek. vom 1.1.2020 (www.echr.coe.int) Übereinkommen vom 25.5.1987 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über das Verbot der doppelten Strafverfolgung – EG-ne bis in idem-Übk (BGBl. 1998 II S. 2227) Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten vom 24.5.1968 (BGBl. I S. 503) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 31.5.1870 (RGBl. S. 195) Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469) Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung vom 1.2.1877 zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 30.3.2021 (BGBl. I S. 448, 1380) Vertrag zur Gründung einer Europäischen Gemeinschaft i. d. F. vor dem 1.5.1999 (nach dem 1.5.1999: EG)

Abkürzungsverzeichnis

EGVollstrÜbk EGWStrG EGZPO EhrenGHE EHRLR EhrRiVG Einf. EinigungsV

EinigungsVG

Einl. EIO EIS EJB

EJF EJG

EJKoV EJN EJTAnV

EJTN EKMR EKMRVerfO EL eIDAS eIDASDG

ELJ ELRev EMCDDA EmmingerVO EMöGG

Übereinkommen vom 13.11.1991 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft über die Vollstreckung ausländischer strafrechtlicher Verurteilungen Einführungsgesetz zum Wehrstrafgesetz vom 30.4.1957 (BGBl. I S. 393) zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 13.4.1986 (BGBl. I S. 393) Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung vom 30.1.1877 (RGBl. S. 244) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3328) Ehrengerichtliche Entscheidungen (der Ehrengerichtshöfe der Rechtsanwaltschaft des Bundesgebietes und des Landes Berlin) European Human Rights Law Review Gesetz zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Verfahrensvorschriften zur Wahl und Berufung ehrenamtlicher Richter vom 21.12.2004 (BGBl. I S. 3599) Einführung Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl. II S. 889) Gesetz zu dem Vertrag vom 31.8.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz – und der Vereinbarung vom 18.9.1990 vom 23.9.1990 (BGBl. II S. 885) Einleitung siehe EEA Europol-Informationssystem Beschluss des Rates (2002/187/JI) vom 28.2.2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (ABlEG Nr. L 63 vom 6.3.2002, S. 1), geändert durch Beschluss 2003/659/JI des Rates vom 18.6.2003 (ABlEU Nr. L 245 vom 23.9.2003, S. 44) und den Beschluss 2009/426/JI des Rates vom 16.12.2008 zur Stärkung von Eurojust (ABlEU Nr. L 138 vom 4.6.2009, S. 14) Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht (1951–1969) Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses (2002/187/JI) des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (Eurojust-Gesetz – EJG) vom 12.5.2004 (BGBl. I S. 902) Verordnung über die Koordinierung der Zusammenarbeit mit Eurojust (Eurojust-Koordinierungs-Verordnung –) vom 26.9.2012 (BGBl. I S. 2093) Europäisches Justitielles Netz/European Judicial Network Verordnung über die Benennung und Einrichtung der nationalen Eurojust-Anlaufstelle für Terrorismusfragen (Eurojust-Anlaufstellen-Verordnung –) vom 17.12.2004 (BGBl. I S. 3520) European Judicial Training Network Europäische Kommission für Menschenrechte Verfahrensordnung der Europäischen Kommission für Menschenrechte i. d. F. der Bek. vom 29.5.1991 (BGBl. II S. 838) Ergänzungslieferung elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/ 93/EG (eIDAS-Durchführungsgesetz) vom 18.7.2017 (BGBl. I S. 2745) European Law Journal European Law Review European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4.1.1924 (RGBl. I S. 23) Gesetz zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG) vom 8.10.2017 (BGBl. I S. 3546)

XXII

Abkürzungsverzeichnis

EMRK

ENeuOG

ENFSI EntlG Entsch. entspr. Entw. Entw. 1908 Entw. 1909

Entw. 1919/1920

Entw. 1930

Entw. 1939 EP EPA EPO EPPO EPZ ERA ERA-Forum ErbR erg. Erg. ErgBd. Erl.

XXIII

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. II S. 685, 953) i. d. F. der Bek. vom 22.10.2010 (BGBl. II S. 1198) 1. ZP-EMRK vom 20.3.1952 (BGBl. 1956 II S. 1880) 2. P-EMRK vom 6.5.1963 (BGBl. 1968 II S. 1112) 3. P-EMRK vom 6.5.1963 (BGBl. 1968 II S. 1116) 4. ZP-EMRK vom 16.9.1963 (BGBl. 1968 II S. 423) 5. P-EMRK vom 20.1.1966 (BGBl. 1968 II S. 1120) 6. ZP-EMRK vom 28.4.1983 (BGBl. 1988 II S. 662) 7. ZP-EMRK vom 22.11.1984 8. P-EMRK vom 19.3.1985 (BGBl. 1989 II S. 547) 9. P-EMRK vom 6.11.1990 (BGBl. 1994 II S. 490) 10. P-EMRK vom 25.3.1992 (BGBl. 1994 II S. 490) 11. P-EMRK vom 11.5.1994 (BGBl. 1995 II S. 578) 12. ZP-EMRK vom 4.11.2000 13. ZP-EMRK vom 3.5.2002 (BGBl. 2004 II S. 982) 14. P-EMRK vom 13.5.2004 (BGBl. 2006 II S. 138) 14bis P-EMRK vom 27.5.2009 15. P-EMRK vom 24.6.2013 (BGBl. 2014 II S. 1034) 16. P-EMRK vom 2.10.2013 Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz – ENeuOG) vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378) zuletzt geändert durch Art. 107 des Gesetzes vom 8.7.2016 (BGBl. I S. 1594) European Network of Forensic Institute Gesetz zur Entlastung der Gerichte vom 11.3.1921 (RGBl. S. 229) Entscheidung entsprechend Entwurf Entwurf einer Strafprozeßordnung und Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz nebst Begründung (1908), E 1908, MatStrR-Ref. Bd. 11 Entwürfe 1. eines Gesetzes, betreffend Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, 2. der Strafprozeßordnung (1909), E 1909 RT-Verhandl. Bd. 254 Drucks. Nr. 1310 = MatStrRRef Bd. 12; Bericht der 7. Kommission des Reichstags 1909 bis 1911 zur Vorbereitung der Entwürfe 1. eines Gesetzes betreffend die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes, 2. einer Strafprozeßordnung, 3. eines zu beiden Gesetzen gehörenden Einführungsgesetzes = MatStrRRef. Bd. 13 Entwürfe 1. eines Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes (1919), 2. eines Gesetzes über den Rechtsgang in Strafsachen (1920), E 1919/1920, MatStrRRef. Bd. 14 Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch und zum Strafvollzugsgesetz 1930, EGStGB-Entw. 1930, RT-Drucks. Nr. 2070 = MatStrRRef. Bd. 7 Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedens- und Schiedsmannsordnung (1939), StPO-Entw. 1939, Nachdruck 1954 Europäisches Parlament Europäisches Patentamt siehe ESA European Public Prosecutor's Office/Europäische Staatsanwaltschaft Europäische Politische Zusammenarbeit Europäische Rechtsakademie (Trier) ERA-Forum (Zeitschrift) Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis ergänzend Ergänzung; Ergebnis Ergänzungsband Erlass; Erläuterung(en)

Abkürzungsverzeichnis

ErwG ESA EStG ETS EU EuAbgG EuAlÜbk EUAlÜbk

EuArch EUBestG

EUC EUCARIS EuCLR eucrim EuDrogenÜbk

EuG EuGeldwÜbk EuGH EuGH Slg. EuGHG

EuGRAG

EuGRZ EuHb EuHbG

EuJCCCJ EuKonv EUMC EuOEÜbk EuR EuRAG

Erwägungsgrund Europäische Schutzanordnung/European Protection Order (EPO) Einkommensteuergesetz European Treaty Series; Übereinkommen des Europarates (fortlaufend nummeriert; www.coe.int; ab 1949) Vertrag über die Europäische Union Europaabgeordnetengesetz vom 6.4.1979 (BGBl. I S. 413) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 11.7.2014 (BGBl. I S. 906) Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13.12.1957 (ETS 024; BGBl. 1964 II S. 1369); 2. ZP EuAlÜbk vom 17.3.1978 (ETS 098; BGBl. 1990 II S. 118; 1991 II S. 874) Übereinkommen vom 27.9.1996 aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Auslieferung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABlEG Nr. C 313/11 vom 23.10.1996; BGBl. 1998 II S. 2253) Europa-Archiv Gesetz zu dem Protokoll vom 27. September 1996 zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (EU-Bestechungsgesetz – EUBestG) vom 10.9.1998 (BGBl. II S. 2340) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 20.11.2015 (BGBl. I S. 2025) Charta der Grundrechte der Europäischen Union Vertrag über ein Europäisches Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem European Criminal Law Review (Zeitschrift) Journal for the Protection of the Financial Interests of the European Communities Übereinkommen vom 31.1.1995 über den unerlaubten Verkehr mit Drogen auf hoher See zur Durchführung des Art. 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (ETS 156; BGBl. 2000 II S. 1313) Europäisches Gericht erster Instanz (Luxemburg) Übereinkommen vom 8.11.1990 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten (ETS 141; BGBl. 1998 II S. 519) Gerichtshof der Europäischen Union Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) – Amtliche Sammlung Gesetz vom 6.8.1998 betreffend die Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justitiellen Zusammenarbeit in Strafsachen nach Art. 35 des EU-Vertrages – EuGHG (BGBl. 1998 I S. 2035; 1999 II S. 728) Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der EG vom 22.3.1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte vom 16.8.1980 (BGBl. I S. 1453) Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäischer Haftbefehl/European Arrest Warrant (EAW) Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Europäisches Haftbefehlsgesetz – EuHbG) vom 21.7.2004 (BGBl. I S. 1748) und vom 20.7.2006 (BGBl. I S. 1721) European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice (Zeitschrift) Europäischer Konvent siehe ECRI Europäisches Übereinkommen vom 24.11.1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (ETS 116; BGBl. 2000 II S. 1209) Europarecht (Zeitschrift) Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9.3.2000 (BGBl. I S. 182) zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363)

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

EuRhÜbk

EURhÜbk

EurJCrimeCrLJ EURODAC Eurojust Europol EuropolG EuropolÜbk EuropolVO

EuroPris EUStA EuTerrÜbk EUV EUVEntw

EUVereinfAlÜbk

EuVKonv

EuZ EuZA EuZW evt. EWG EWGV EWiR EWR-Abk. EYHR EZAR EzSt

f., ff. FamFG

FAG

XXV

Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959 (ETS 30; BGBl. 1964 II S. 1369; 1976 II S. 1799); ZP EuRhÜbk vom 17.3.1978 (ETS 99; BGBl. 1990 II S. 124; 1991 II S. 909); 2. ZP EuRHÜbk vom 8.11.2001 (ETS 182) Rechtshilfeübereinkommen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29.5.2000, ABlEG Nr. C 197 vom 12.7.2000, S. 1; ZP EURHÜbk vom 16.10.2001 (ABlEG Nr. C 326 vom 21.11.2001, S. 1) European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice Daktyloskopische Datenbank im Rahmen von Asylantragsverfahren Europäische Justitielle Clearing- und Dokumentationsstelle (Den Haag) Europäisches Polizeiamt (Den Haag) Europolgesetz vom 16.12.1997 (BGBl. II S. 2150) zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2083) Übereinkommen vom 26.7.1995 auf Grund von Artikel K.3 des EUV über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes, ABlEG Nr. C 316 vom 27.11.1995, S. 1 Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI des Rates, ABlEU Nr. L 135 vom 23.5.2016, S. 53 European Organisation of Prison and Correctional Services Europäische Staatsanwaltschaft Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27.1.1977 (ETS 90; BGBl. 1978 II S. 321, 907) Vertrag über die Europäische Union Entwurf einer Europäischen Verfassung i.d.F des am 18.6.2004 zwischen den Staatsund Regierungschefs erzielten Konsenses (Dokument der Regierungskonferenz CIG 86/04 vom 25.6.2004) Übereinkommen vom 10.3.1995 aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ABlEG Nr. C 78 vom 30.3.1995, S. 1; BGBl. 1998 II S. 2229) Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa – vom Europäischen Konvent im Konsensverfahren angenommen am 13.6. und 10.7.2003 – dem Präsidenten des Europäischen Rates in Rom überreicht am 18.7.2003 Zeitschrift für Europarecht (Schweiz) Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957 (BGBl. II S. 766) Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Gesetz zu dem Abkommen vom 2.5.1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum European Yearbook on Human Rights Entscheidungssammlung zum Zuwanderungs-, Asyl- und Freizügigkeitsrecht Entscheidungssammlung zum Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 1983 bis 1990 (Loseblattausgabe) folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), Artikel 1 des Gesetzes vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586, 2009 I S. 1102); zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 2947) Gesetz über Fernmeldeanlagen vom 6.4.1892 i. d. F. der Bek. vom 3.7.1989 (BGBl. I S. 1455); ersetzt durch das TKG

Abkürzungsverzeichnis

FamPLG

FamRZ FAO FG FGG

FGO FGPrax 1. FiMaNoG

2. FiMaNoG

FinB FinVerwG FLF FlRG

FIU Fn. FN A FN B FO FoR FP-IPBPR 2. FP-IPBPR FPR FRA FRONTEX FS FS (Name) FuR G 10

GA GASP GBA GBl. GBl./DDR I, II

Gesetz über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung vom 27.7.1992 (BGBl. I S. 1398) nun Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) zuletzt geändert durch Art. 13a des Gesetzes vom 14.12.2019 (BGBl. 2789, 2816) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachanwaltsordnung i. d. F. der Bek. vom 1.7.2019, zuletzt geändert durch Beschluss der Satzungsversammlung vom 26.11.2018 (BRAK-Mitt. 2019, 81) Finanzgericht/Festgabe Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17.5.1898 i. d. F. der Bek. vom 20.5.1898 (RGBl. S. 771) aufgehoben durch Art. 112 Abs. 1 des Gesetzes vom 17.12.2008 (BGBl. I S. 2586) Finanzgerichtsordnung, neugefasst durch Bek. vom 28.3.2001 (BGBl. I S. 442, 2262, 2002 I S. 679); zuletzt geändert durch Art. 21 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz) vom 30.6.2016 (BGBl. I S. 1514) Zweites Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz) vom 23.6.2017 (BGBl. I S. 1693) Finanzbehörde Gesetz über die Finanzverwaltung vom 6.9.1950 (BGBl. I S. 448) i. d. F. der Bek. vom 30.8.1971 (BGBl. I S. 1426) Finanzierung Leasing Factoring (Zeitschrift) Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) vom 8.2.1951 i. d. F. der Bek. vom 29.10.1994 (BGBl. I S. 3140) zuletzt geändert durch Art. 339 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) Financial Intelligence Unit Fußnote Fundstellennachweis des Deutschen Bundesrechts, Bundesrecht ohne völkerrechtliche Vereinbarungen und Verträge mit der DDR Fundstellennachweis des Deutschen Bundesrechts, Völkerrechtliche Vereinbarungen und Verträge mit der DDR Fernmeldeordnung i. d. F. der Bek. vom 5.5.1971 (BGBl. I S. 541) Forum Recht (Zeitschrift) (1.) Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1992 II S. 1247) 2. Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe vom 15.12.1989 (BGBl. 1992 II S. 390) Familie Partnerschaft Recht Agentur der Europäischen Union für Grundrechte/Agency for Fundamental Rights Europäische Grenzschutzagentur Forum Strafvollzug – Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe (früher ZfStrV) Festschrift, auch Festgabe usw. (angefügt Name des Geehrten) Familie und Recht Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 26.6.2001 (BGBl. I S. 1254), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 5.7.2021 (BGBl. I S. 2274), (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz) Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, zitiert nach Jahr und Seite (bis 1933: Archiv für Strafrecht und Strafpolitik, zitiert nach Band und Seite) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Generalbundesanwalt Gesetzblatt Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil I und II (1949 bis 1990)

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

GDolmG

GedS gem. GemDatG

GemProt. GenG

GenStA GerS Ges. GeschlkrG GeschO GETZ GewO GewSchG

GewVerbrG GG ggf. GKG GKI GKÖD GLY GmbH GmbHG GMBl. GmS-OGB GnO GNotKG

GoJIL GoltdA GRC grds. GRECO GreifRecht GRETA GREVIO GrSSt Gruchot GRUR GRURInt

XXVII

Gesetz über die allgemeine Beeidigung von gerichtlichen Dolmetschern (Gerichtsdolmetschergesetz) vom 10.12.2019 (BGBl. I S. 2121, 2124) zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) Gedächtnisschrift (angefügt Name des Geehrten) gemäß Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder vom 22.12.2006 (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) (BGBl. I S. 3409) Gemeinsames Protokoll Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1.5.1889, neugefasst durch Bek. vom 16.10.2006 (BGBl. I S. 2230); zuletzt geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 3.6.2021 (BGBl. I S. 1534) Generalstaatsanwaltschaft Der Gerichtssaal (1849–1942) Gesetz Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 23.7.1953 (BGBl. I S. 700) Geschäftsordnung Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum Gewerbeordnung vom 21.6.1869, neugefasst durch Bek. vom 22.2.1999 (BGBl. I S. 202); zuletzt geändert durch Art. 34 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Gesetz vom 11.12.2001 zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung (Gewaltschutzgesetz – GewSchG; BGBl. I S. 3513) zuletzt geändert durch Art. 19 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933 (RGBl. I S. 995) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 (BGBl. S. 1) gegebenenfalls Gerichtskostengesetz vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718); zuletzt geändert durch Art. 16 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) Gemeinsame Kontrollinstanz (jeweils eingerichtet bei Europol und Eurojust) Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht German Law Journal (Internet-Zeitschrift; www.germanlawjournal.de) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20.4.1892 (RGBl. S. 477); zuletzt geändert durch Art. 18 des Gesetzes vom 3.6.2021 (BGBl. I S. 1534) Gemeinsames Ministerialblatt Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Gnadenordnung Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (Gerichts- und Notarkostengesetz) vom 23.7.2013 zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 2947) Göttingen Journal of International Law (Online-Zeitschrift) s. GA Europäische Grundrechtecharta grundsätzlich Group of States against Corruption Greifswalder Halbjahresschrift für Rechtswissenschaft Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings Expertengruppe zur Überwachung des Übereinkommens zum Schutz von Frauen vor Gewalt und häuslicher Gewalt (CETS 210) Großer Senat in Strafsachen Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

GS GSNW GSSchlH GStA GSZ GÜG

GuP GÜV GV GVBl. GVBl. II GVG GVGA GVGÄG 1971 GVGÄG 1974 GVG/DDR

GVO GVVG-ÄndG GVVO

GWB GwG

GWR GYIL Haager Abk. HalbleiterschutzG

Hamb. HambJVBl. Hans. HansGZ HansJVBl. HansOLGSt HansRGZ HansRZ HbStrVf/Verfasser HdR Hess.

Gesetzessammlung Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen (1945–56) Sammlung des schleswig-holsteinischen Landesrechts, 2 Bände (1963) Generalstaatsanwalt Zeitschrift für das Gesamte Sicherheitsrecht Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln mißbraucht werden können (Grundstoffüberwachungsgesetz – GÜG) vom 7.10.1994 (BGBl. I S. 2835) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 30.3.2021 (BGBl. I S. 402) Gesundheit und Pflege (Zeitschrift) Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24.5.1961 (BGBl. I S. 607) Gemeinsame Verfügung (mehrerer Ministerien) Gesetz- und Verordnungsblatt Sammlung des bereinigten Hessischen Landesrechts Gerichtsverfassungsgesetz vom 27.1.1877 i. d. F. der Bek. vom 9.5.1975 (BGBl. I S. 1077) zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 8.9.1971 (BGBl. I S. 1513) Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 25.3.1974 (BGBl. I S. 761) Gesetz über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik – Gerichtsverfassungsgesetz – vom 27.9.1974 (GBl. I S. 457), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.7.1990 (GBl. I S. 595) Gerichtsvollzieherordnung Gesetz zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 12.6.2015 (BGBl. I S. 926) Verordnung zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung vom 20.3.1935 (RGBl. I S. 403) in der im BGBl. III Gliederungsnummer 300-5 veröffentlichten bereinigten Fassung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27.7.1957 i. d. F. der Bek. vom 26.8.1998 (BGBl. I S. 2546) Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (Geldwäschegesetz – GwG) vom 25.10.1993 (BGBl. I S. 1770) zuletzt geändert durch Art. 6 Abs. 3 des Gesetzes vom 15.1.2021 (BGBl. I S. 530) Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) German Yearbook of International Law (Zeitschrift) Haager Abkommen über den Zivilprozeß vom 17.7.1905 (RGBl. 1909 S. 409) Gesetz über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) vom 22.10.1987 (BGBl. I S. 2294) zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 17.7.2017 (BGBl. I S. 2541) Hamburg Hamburgisches Justizverwaltungsblatt Hanseatisch Hanseatische Gerichtszeitung (1880 bis 1927) Hanseatisches Justizverwaltungsblatt (bis 1946/47) Entscheidungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Strafsachen (1879 bis 1932/33) Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift (1928–43), vorher: Hanseatische Rechtszeitschrift für Handel, Schiff-Fahrt und Versicherung, Kolonialund Auslandsbeziehungen sowie für Hansestädtisches Recht (1918 bis 1927) Handbuch zum Strafverfahren, hrsg. von Heghmanns/Scheffler Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, herausgegeben von Stier-Somlo und Elster (1926 bis 1937) Hessen

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

HESt HGB HKÜ h. M. HmbStVollzG HRC HRLR HRN HRR HRRS HRSt HRLJ Hs. HSOG HStVollzG HUDOC HuV-I HV IAGMR ICC ICC-Statut ICJ ICLQ ICLR ICPA ICTR ICTY i. d. F. i. d. R. i. e. S. IFCCLGE IGH i. H. v. IKV ILEA ILO InfAuslR INPOL InsO INTERPA IPBPR IPBPRG IPWSKR IRG

XXIX

Höchstrichterliche Entscheidungen, Sammlung von Entscheidungen der Oberlandesgerichte und der Obersten Gerichte in Strafsachen (1948–49) Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897 (RGBl. S. 219) Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 herrschende Meinung Hamburgisches Strafvollzugsgesetz Human Rights Committee – UN-Menschenrechtsausschuss Human Rights Law Review Hamburger Rechtsnotizen (Zeitschrift) Höchstrichterliche Rechtsprechung (1928 bis 1942) Online-Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht (www.hrr-strafrecht.de) Entscheidungen zum Strafrecht, Strafverfahrensrecht und zu den Nebengebieten (Höchstrichterliche Rechtsprechung) (ab 1996) Human Rights Law Journal Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Hessisches Strafvollzugsgesetz Human Rights Documentation des Europarates Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften Hauptverhandlung Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte siehe IStGH siehe IStGH-Statut siehe IGH The International and Cooperative Law Quarterly International Criminal Law Review International Corrections and Prisons Association Internationaler Strafgerichtshof für Ruanda Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in der Fassung in der Regel im engeren Sinne International Forum on Crime and Criminal Law in the Global Era (Peking) Internationaler Gerichtshof ICJ (Den Haag) in Höhe von Internationale Kriminalistische Vereinigung International Law Enforcement Academy International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) Informationsbrief Ausländerrecht Informationssystem der Polizei Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2866); zuletzt geändert durch Art. 24 Abs. 3 des Gesetzes vom 23.6.2017 (BGBl. I S. 1693) International Association of Police Academies Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1534) Zustimmungsgesetz zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 15.11.1973 (BGBl. II S. 1533) Internationaler Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte vom 19.12.1966 (BGBl. 1973 II S. 1570) Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen i. d. F. der Bek. vom 27.6.1994 (BGBl. I S. 1537); zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 23.11.2020 (BGBl. I S. 2474)

Abkürzungsverzeichnis

i. S. i. S. d. IStR i. S. v. IStGH IStGHG

IStGHSt ITRB Iurratio i. V. m. IWG i. w. S.

im Sinne im Sinne des/der Internationales Steuerrecht – Zeitschrift für europäische und internationale Wirtschaftsberatung im Sinne von Internationaler Strafgerichtshof ICC (Den Haag) Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof vom 21.6.2002 (BGBl. I S. 2144) zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 10.12.2019 (BGBl. I S. 2128) Gesetz vom 4.12.2000 zum Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 – IStGH-Statutgesetz (BGBl. II S. 1393) IT-Rechts-Berater Zeitschrift für Stud. Iur und junge Juristen in Verbindung mit International Working Group on Police Undercover Activities im weiteren Sinne

JA JahrbÖR JahrbPostw. JAVollzO

Juristische Arbeitsblätter für Ausbildung und Examen Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jahrbuch des Postwesens (1937 bis 1941/42) Jugendarrestvollzugsordnung vom 12.8.1966 i. d. F. der Bek. vom 30.11.1976 (BGBl. I S. 3270) zuletzt geändert durch Art. 53 des Gesetzes vom 8.12.2010 (BGBl. I S. 1864) JBeitrO Justizbeitreibungsordnung vom 11.3.1937 (RGBl. I S. 298) JBl. Justizblatt/Juristische Blätter (Österreich) JBlRhPf. Justizblatt Rheinland-Pfalz JBlSaar Justizblatt des Saarlandes JGG Jugendgerichtsgesetz vom 4.8.1953 i. d. F. der Bek. vom 11.12.1974 (BGBl. I S. 3427) zuletzt geändert durch Art. 21 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) JICJ Journal of International Criminal Justice JIR Jahrbuch für internationales Recht JK Jura-Kartei JKassO Justizkassenordnung JKomG Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) vom 22.3.2005 (BGBl. I S. 832) JKostG Justizkostengesetz (Landesrecht) JLCJ Journal of Law and Criminal Justice jM juris – Die Monatsschrift JMBl. Justizministerialblatt JMBlNRW, JMBlNW Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen JMK Justizministerkonferenz (Konferenz der Landesjustizministerinnen und -minister) JoJZG Journal der Juristischen Zeitgeschichte JOR Jahrbuch für Ostrecht JöR Jahrbuch des öffentlichen Rechts JP Juristische Person JR Juristische Rundschau JRP Journal für Rechtspolitik JSt Journal für Strafrecht JStVollzG (NRW) Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafe in Nordrhein-Westfalen (Strafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen – StVollzG NRW) vom 27.1.2015 (GVNRW S. 76) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 2.7.2019 (GVNRW S. 339) JStVollzG (SaarGesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe im Saarland(Saarländisches Strafvollland) zugsgesetz – SLStVollzG) vom 24.4.2013 (ABl. I S. 116) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 16/17.6.2021 (ABl. I S. 1822) JugG Jugendgericht JugK Jugendkammer

XXX

Abkürzungsverzeichnis

JugSchG JugStrafgG

Jura JUFIL JurBüro JurJahrb. JuS JustG NRW

Justiz JV JVA JVBl. JVEG

JVerwA JVerwB JVKostG JVKostO JVollz. JVollzGB JW JZ 1. JuMoG 2. JuMoG

Kap. KAS kes KFZ KG KGJ KJ KO KoDD KOM KonsG

KostÄndG KostRMoG

XXXI

Jugendschöffengericht Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (Jugoslawien-Strafgerichtshof-Gesetz) vom 10.4.1995 (BGBl. I S. 485) zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 10.12.2019 (BGBl. I S. 2128) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Journal on the Use of Force and International Law Das juristische Büro (Zeitschrift) Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung (Zeitschrift) Gesetz über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen – JustG NRW) vom 1.1.2011 (GVNRW S. 30) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 1.9.2020 Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Justizverwaltung Justizvollzugsanstalt Justizverwaltungsblatt Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718) zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2154) Justizverwaltungsakt Justizverwaltungsbehörde Gesetz über Kosten in Angelegenheiten der Justizverwaltung vom 23.7.2013 (BGBl. I S. 2586) zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 4.5.2021 (BGBl. I S. 882) Verordnung über Kosten im Bereich der Justizverwaltung vom 14.2.1940 (RGBl. I S. 357) – ersetzt durch das JVKostG mit Wirkung zum 1.8.2013 (BGBl. I S. 2586) Jugendstrafvollzugsordnung: s. auch JAVollzO Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Erstes Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) vom 24.8.2004 (BGBl. I S. 2198) Zweites Gesetz zur Modernisierung der Justiz (2. Justizmodernisierungsgesetz) vom 22.10.2006 (BGBl. I S. 3416) Kapitel Konrad-Adenauer-Stiftung Zeitschrift für Informations-Sicherheit Kraftfahrzeug Kammergericht/Kommanditgesellschaft Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen (1881–1922) Kritische Justiz (Zeitschrift) Konkursordnung vom 10.2.1877 i. d. F. der Bek. vom 20.5.1898 (RGBl. S. 612) Koordinierungsdauerdienst (Eurojust) Dokument(e) der Europäischen Kommission Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz) vom 1.9.1974 (BGBl. I S. 2317) zuletzt geändert durch Art. 20b des Gesetzes vom 28.3.2021 (BGBl. I S. 591) Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 861) Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004 – Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl. I S. 718)

Abkürzungsverzeichnis

2. KostRMoG KostMaßnG KostO

KostRÄndG 1994 KostRspr. KostVfg. K&R KrG Kriminalist Kriminalistik KrimJ KrimOJ KrimPäd. KriPoZ Krit. KritV/CritQ/RCrit

KronzG KronzVerlG

2. KronzVerlG

KSI KSZE KSzW KUG KUP KuR KUR k+v KVGKG KWKG

LDÜJG RP LegPer. Lfg. LFGB LG LJV LKA LKV

Zweites Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.7.2013 – 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BGBl. I S. 2586) Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet des Kostenrechts vom 7.8.1952 (BGBl. I S. 401) Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit i. d. F. der Bek. vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 861) – ersetzt durch das GNotKG mit Wirkung zum 1.8.2013 Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 – KostRÄndG 1994) vom 24.6.1994 (BGBl. I S. 1325) Kostenrechtsprechung (Loseblattsammlung) Kostenverfügung, Durchführungsbestimmungen zu den Kostengesetzen Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kreisgericht Der Kriminalist (Zeitschrift) Kriminalistik, Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis Kriminologisches Journal Kriminologie – Das Online-Journal Kriminalpädagogische Praxis (Zeitschrift) Kriminalpolitische Zeitschrift Kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft/Critical Quarterly for Legislation and Law/Revue critique trimestrielle de jurisprudence et de législation Gesetz zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Art. 4 des StGBÄndG 1989) vom 9.6.1989 (BGBl. I S. 1059) Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) vom 16.2.1993 (BGBl. I S. 238) Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (2. Kronzeugen-Verlängerungs-Gesetz) vom 19.1.1996 (BGBl. I S. 58) Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung (Zeitschrift) Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht Gesetz über das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie vom 9.1.1907 (RGBl. S. 7) Kriminologie und Praxis (Schriftenreihe der Kriminologischen Zentralstelle) Kirche und Recht (Zeitschrift) Kunst und Recht (Zeitschrift) Kraftfahrt und Verkehrsrecht, Zeitschrift der Akademie für Verkehrswissenschaft Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum GKG) Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen i. d. F. der Bek. vom 22.11.1990 (BGBl. I S. 2506) Landesgesetz über Dolmetscherinnen und Dolmetscher und Übersetzerinnen und Übersetzer in der Justiz (LDÜJG) vom 10.9.2008 (GVBl. 358) Legislaturperiode Lieferung Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch Landgericht Landesjustizverwaltung Landeskriminalamt Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

XXXII

Abkürzungsverzeichnis

LM LMBG

LMG (1936) LPartG

LPG LRE Ls. LuftFzgG LuftVG LuftVO LV LVerf. LVG LZ MABl. MarkenG

Mat. MatStrRRef. MBl. MDR MedR medstra MEPA MiStra. MittKV MMR MOG

MONEYVAL Mot. MR MRG MSchrKrim. MSchrKrimPsych. MStGO Muster-Entw.

XXXIII

Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs (Loseblattsammlung), hrsg. von Lindenmaier/Möhring u. a. Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) i. d. F. der Bek. vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2297) aufgehoben durch Art. 8 des Gesetzes vom 4.4.2016 (BGBl. I S. 569) Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen (Lebensmittelgesetz) vom 5.7.1927 i. d. F. der Bek. vom 17.1.1936 (RGBl. I S. 17) Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) vom 16.2.2001 (BGBl. I S. 266) zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639) Landespressegesetz Sammlung lebensmittelrechtlicher Entscheidungen Leitsatz Gesetz über Rechte an Luftfahrzeugen vom 26.2.1959 (BGBl. I 57) zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 4.5.2021 (BGBl. I S. 882) Luftverkehrsgesetz i. d. F. der Bek. vom 27.3.1999 (BGBl. I S. 550) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 5.7.2021 (BGBl. I S. 2287) Luftverkehrs-Ordnung i. d. F. der Bek. vom 27.3.1999 (BGBl. I S. 580) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 14.6.2021 (BGBl. I S. 1766) Literaturverzeichnis, Schrifttumsverzeichnis Landesverfassung Landesverwaltungsgericht Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht (1907 bis 1933) Ministerialamtsblatt Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz – MarkenG) vom 25.10.1994 (BGBl. I S. 3082, 1995 I S. 156, 1996 I S. 682); zuletzt geändert durch Art. 24 des Gesetzes vom 23.6.2021 (BGBl. I S. 1858) s. Hahn Materialien zur Strafrechtsreform, herausgegeben vom BMJ, Bd. 1–15 (1954–1960) (s. auch Entw.) Ministerialblatt Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Medizinstrafrecht Mitteleuropäische Polizeiakademie Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen vom 15.3.1985 i. d. F. der Bek. vom 29.4.1998, bundeseinheitlich Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (1889 bis 1914; 1926 bis 1933) MultiMedia und Recht (Zeitschrift) Gesetz zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisation vom 31.8.1972 (BGBl. I S. 1617) zuletzt geändert durch Art. 281 des Gesetzes vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) Committee of Experts on the Evaluation of Anti-Money Laundering Measures and the Financing of Terrorism Begründung zur Strafprozeßordnung bei Hahn (s. dort) Medien und Recht (Österreich) Militärregierungsgesetz Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (1904/05 bis 1936) Militärstrafgerichtsordnung i. d. F. der Bek. vom 29.9.1936 (RGBl. I S. 755) Muster-Entwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, verabschiedet von der JMK am 10./11.6.1976, geändert durch Beschluss der JMK vom 25.11.1977

Abkürzungsverzeichnis

MV m.w.B. m. w. N.

Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Beispielen mit weiteren Nachweisen

NachtrSichVG

Gesetz zur Einführung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.7.2004 (BGBl. I S. 1838) Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19.6.1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen (BGBl. 1961 II S. 1183, 1190), Bek. vom 16.6.1963 (BGBl. II S. 745) Niedersachsen Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 5.4.1963 (GVBl. S. 225) Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Neue Folge Niedersächsisches Gesetz und Verordnungsblatt, Sonderband I und II, Sammlung des bereinigten niedersächsischen Rechts Neue Justiz (bis 1990 DDR) New Journal of European Criminal Law Neue Juristische Online-Zeitschrift (nur über beck-online abrufbar) Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz Neue Juristische Wochenschrift Neue Kriminalpolitik (Zeitschrift) Newsletter Menschenrechte Nicht offen ermittelnder Polizeibeamter Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland s. Ausn. VO Neues Polizei-Archiv Nichtregierungsorganisation Nordrhein-Westfalen (österreichisches) Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (Nationalrats-Wahlordnung 1992) Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ – Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift, ab 1996) Natur und Recht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Nordrheinwestfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Neue Zeitschrift für Wehrrecht Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht

NATO-Truppenstatut Nds. NdsAGGVG NdsRpfl. n. F. N.F. Nieders. GVBl. Sb. I, II NJ NJECL NJOZ NJVollzG NJW NKrimpol. NLMR noeP NordÖR NotVO NPA NRO NRW NRWO NStE NStZ NStZ-RR NuR NVwZ NWB NWVBl. NZA NZA-RR NZI NZM NZS NZV NZWehrr NZWiSt OASG OBLG OECD OEG

Gesetz zur Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche der Opfer von Straftaten (Opferanspruchsicherungsgesetz) vom 8.5.1998 (BGBl. I S. 905) Oberstes Landesgericht Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 11.5.1976 (BGBl. I S. 1181) i. d. F. der Bek. vom 7.1.1985 (BGBl. I S. 1) zuletzt geändert durch Art. 11a des Gesetzes vom 2.6.2021 (BGBl. I S. 1387)

XXXIV

Abkürzungsverzeichnis

OER OG OGH OGHSt ÖJZ OLAF OLG OLG-NL OLGR OLGSt OLGSt N. F OLGVertrÄndG OPCAT OpferRRG 2. OpferRRG 3. OpferRRG OpferschutzG

OrgKG OrgStA ÖRiZ ÖRZ OStA ÖstAnwBl. öStVG ÖStZ OSZE ÖVerfG OVG OWG/DDR

OWiG OWiGÄndG

PaO ParlStG

PartG

XXXV

Osteuropa-Recht Oberstes Gericht der DDR Oberster Gerichtshof (Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen (1949/50) Österreichische Juristen-Zeitung Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (Office Européen de Lutte Anti-Fraude) Oberlandesgericht OLG-Report Neue Länder OLG-Report Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht (Loseblattausgabe, bis 1983) Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht, Neue Folge (Loseblattausgabe, ab 1983) Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung durch Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten vom 23.7.2002 (BGBl. I S. 2850) siehe UNCAT Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz – OpferRRG) vom 24.6.2004 (BGBl. I S. 1354) Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformgesetz) vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2280) Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz) vom 21.12.2015 (BGBl. I S. 2525) Erstes Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren (Opferschutzgesetz) vom 18.12.1986 (BGBl. I S. 2496) aufgehoben durch Art. 68 des Gesetzes vom 19.4.2006 (BGBl. I S. 866) Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15.7.1992 (BGBl. I S. 1302) Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften Österreichische Richterzeitung Österreichische Raiffeisen-Zeitung Oberstaatsanwalt Österreichisches Anwaltsblatt Österreichisches Strafvollzugsgesetz Österreichische Steuerzeitung Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Österreichischer Verfassungsgerichtshof Oberverwaltungsgericht Gesetz zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten (der Deutschen Demokratischen Republik) vom 12.1.1968 (GBl. I S. 101), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.6.1990 (GBl. I S. 526) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, neugefasst durch Bek. vom 19.2.1987 (BGBl. I S. 602); zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 7.7.1986 (BGBl. I S. 977) Patentanwaltsordnung vom 7.9.1966 (BGBl. I S. 557); zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Gesetz über die Rechtsverhältnisse der parlamentarischen Staatssekretäre vom 24.7.1974 (BGBl. I S. 1538) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17.7.2015 (BGBl. I S. 1322) Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) neugefasst durch Bek. vom 31.1.1994, (BGBl. I S. 149) zuletzt geändert durch Art. 13 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328)

Abkürzungsverzeichnis

PaßG PatG PAuswG

PD-I PD-IM PD-JS PD-RfA PD-SEF PD-WP PflVG

PJZS PKH PKHÄndG

PlenProt. PNR POGNRW PolGBW Polizei PostG PostO PostStruktG Pr. prALR PräsLG PräsOLG PräsVerfG PrGS PrG Prot. ProzeßkostenhG Pro-Eurojust PrPG PrZeugnVerwG PStR PsychPbG PTNeuOG

Paßgesetz vom 19.4.1986 (BGBl. I S. 537) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 5.7.2021 (BGBl. I S. 2281) Patentgesetz, neugefasst durch Bek. vom 16.12.1980 (BGBl. 1981 I S. 1); zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Gesetz über Personalausweise vom 19.12.1950 (BGBl. I S. 807) i. d. F. der Bek. vom 21.4.1986 (BGBl. I S. 548) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 5.7.2021 (BGBl. I S. 2281) Practice Direction – Institution of Proceedings (EGMR) Practice Direction – Interim Measures (EGMR) Practice Direction – Just Satisfaction Claims (EGMR) Practice Direction – Request for Anonymity (EGMR) Practice Direction – Secured Electronic Filing (EGMR) Practice Direction – Written Pleadings (EGMR) Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter i. d. F. der Bek. vom 5.4.1965 (BGBl. I S. 213) zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 6.2.2017 (BGBl. I S. 147) Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen Prozesskostenhilfe Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe (Prozeßkostenhilfeänderungsgesetz – PKHÄndG) vom 10.10.1994 (BGBl. I S. 2954) aufgehoben durch Art. 64 des Gesetzes vom 19.4.2006 (BGBl. I S. 866) Plenarprotokoll, Stenographische Berichte der Sitzungen des Deutschen Bundestages Passenger Name Record Polizeiorganisationsgesetz (des Landes NRW) i. d. F. der Bek. vom 22.10.1994 (GVNRW S. 852) zuletzt geändert durch Gesetze vom 8.10.2020 (GVNRW. S. 1008) Polizeigesetz (des Landes BW) i. d. F. der Bek. vom 13.1.1992 (GBl. S. 1) zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 6.10.2020 (GBl. S. 735) s. Die Polizei Gesetz über das Postwesen i. d. F. der Bek. vom 22.12.1997 (BGBl. I S. 3294) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 9.3.2021 (BGBl. I S. 324) Postordnung vom 16.5.1963 (BGBl. I S. 341) Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz – PoststruktG) vom 8.6.1989 (BGBl. I S. 1026) Preußen Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Präsident des Landgerichts Präsident des Oberlandesgerichts Gesetz über die Änderung der Bezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassungen der Gerichte vom 26.5.1972 (BGBl. I S. 841) Preußische Gesetzessammlung (1810–1945) Pressegesetz (Landesrecht) Protokoll Gesetz über die Prozeßkostenhilfe vom 13.6.1980 (BGBl. I S. 677) aufgelöst durch Art. 62 des Gesetzes vom 19.4.2006 (BGBl. I S. 866) Vorgänger- und Gründungseinheit von Eurojust Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie (PrPG) vom 7.3.1990 (BGBl. I S. 422) Gesetz über das Zeugnisverweigerungsrecht der Mitarbeiter von Presse und Rundfunk vom 25.7.1975 (BGBl. I S. 1973) Praxis Steuerstrafrecht Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren, Art. 4 des Gesetzes vom 21.12.2015, BGBl. I S. 2525, 2529 (Nr. 55). Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz – PTNeuOG) vom 14.9.1994 (BGBl. I S. 2325)

XXXVI

Abkürzungsverzeichnis

PUAG

PV PVG PVR RA RabelsZ RAG/DDR RAHG RANotz.PrG RAO RAussch. RB RBEuHb

RBerG

RdA RdErl. RDG

RDH RDIDC RdJB RdK RdM RDStH RDStO RDV Recht recht RefE Reg. RegBl. RegE RegE TKÜ

RehabG Res. RevMC Rev.trim.dr.h. RG RGBl., RGBl. I, II RGRspr. RGSt RGZ

XXXVII

Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz – PUAG) vom 19.6.2001 (BGBl. I S. 1142) Personenvereinigung Polizeiverwaltungsgesetz Praxis Verkehrsrecht Rechtsanwalt Rabels-Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rechtsanwaltsgesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 13.9.1990 (GBl. I S. 1504) s. RHG Gesetz zur Prüfung von Rechtsanwaltszulassungen, Notarbestellungen und Berufungen ehrenamtlicher Richter vom 24.6.1992 (BGBl. I S. 1386) Reichsabgabenordnung vom 13.12.1919, aufgehoben durch AO vom 16.3.1976 Rechtsausschuss Rahmenbeschluss (Art. 34 EU) Rahmenbeschluss des Rates (2002/584/JI) vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABlEU Nr. L 190 vom 18.7.2002, S. 1) Gesetz zur Verhütung von Mißbrauch auf dem Gebiet der Rechtsberatung vom 13.12.1935 (RGBl. I S. 1478); aufgehoben durch Art. 20 des Gesetzes vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) Recht der Arbeit Runderlass Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG) vom 12.12.2007 (BGBl. I. S. 2840) zuletzt geändert durch Art. 24 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2154) Revue des Droits de l’Homme Revue de droit international et de droit comparé Recht der Jugend und des Bildungswesens (Zeitschrift) Das Recht des Kraftfahrers (1926–43, 1949–55) Recht der Medizin Entscheidungen des Reichsdienststrafhofs (1939–41) Reichsdienststrafordnung vom 26.1.1937 (RGBl. I S. 71) Recht der Datenverarbeitung Das Recht, begründet von Soergel (1897 bis 1944) Information des Bundesministers der Justiz Referentenentwurf Regierung Regierungsblatt Regierungsentwurf Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/EG vom 18.4.2007 Rehabilitierungsgesetz (der Deutschen Demokratischen Republik) vom 6.9.1990 (GBl. I S. 1459), aufgehoben durch StrRehaG Resolution Revue du Marché commun et de l’Union européenne Revue trimestrielle des droits de l’homme Reichsgericht Reichsgesetzblatt, von 1922 bis 1945 Teil I und II Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen (1879 bis 1888) Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Abkürzungsverzeichnis

RheinSchA RHG RHGDVO RhPf. RiA RichtlRA RiG/DDR RiJGG RiStBV RiVASt RIW RKG(E) RL RMBl. RMilGE Rn. ROW RpflAnpG RpflAnpÄndG Rpfleger RpflEntlG RpflG RpflVereinfG RPsych Rs. Rspr. RT RTDE RTDrucks. RTh

RTVerh. RuP RVerf. RVG

RVO RW RZ R&P r+s

Revidierte Rheinschiffahrtsakte (Mannheimer Akte) i. d. F. der Bek. vom 11.3.1969 (BGBl. II S. 597) Gesetz über die innerdeutsche Rechts und Amtshilfe in Strafsachen vom 2.5.1953 (BGBl. I S. 161) Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen vom 23.12.1953 (BGBl. I S. 1569) Rheinland-Pfalz Recht im Amt Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts – Richtlinien gem. § 177 Abs. 2 Satz 2 BRAO vom 21.6.1973 Richtergesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 5.7.1990 (GBl. I S. 637) Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren vom 1.12.1970 (BAnz. Nr. 17/1971), i. d. F. der Bek. vom 1.2.1997 mit spät. Änderungen, bundeseinheitlich Richtlinien für den Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Reichskriegsgericht (Entscheidungen des RKG) Richtlinie Reichsministerialblatt, Zentralblatt für das Deutsche Reich (1923–45) Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts Randnummer Recht in Ost und West (Zeitschrift) Gesetz zur Anpassung der Rechtspflege im Beitrittsgebiet (Rechtspflege-Anpassungsgesetz – RpflAnpG) vom 26.6.1992 (BGBl. I S. 1147) Gesetz zur Änderung des RechtspflegeAnpassungsgesetzes – RpflAnpG vom 7.12.1995 (BGBl. I S. 1590) Der Deutsche Rechtspfleger Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1.1993 (BGBl. I S. 50) aufgehoben durch Art. 5 des Gesetzes vom 6.12.2011 (BGBl. S. 2554) Rechtspflegergesetz vom 5.11.1969 (BGBl. I S. 2065) zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I S. 2847) Rechtspsychologie (Zeitschrift) Rechtssache Rechtsprechung Reichstag Revue trimestrielle de droit européen Drucksachen des Reichstags Zeitschrift für Logik und Juristische Methodenlehre, Rechtsinformatik, Kommunikationsforschung, Normen- und Handlungstheorie, Soziologie und Philosophie des Rechts – eJournal Verhandlungen des Reichstags Recht und Politik (Zeitschrift) s. WeimVerf. Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 5.5.2004 (BGBl. I S. 718) zuletzt geändert durch Art. 22 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Reichsversicherungsordnung vom 19.7.1911 i. d. F. der Bek. vom 15.12.1924 (RGBl. I S. 779) Rechtswissenschaft – Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung siehe: ÖRiZ Recht und Psychiatrie (Zeitschrift) Recht und Schaden (Zeitschrift)

XXXVIII

Abkürzungsverzeichnis

S. Sa. SaAnh. SaBremR SächsArch. SächsOLG SAM SchAZtg SchiedsmZ SchiedsstG SchlH SchlHA SchrR SchrRAGStrafR SchRG SchrRBRAK SchwarzArbG

SchwGBG SchwJZ SchwZStr SDÜ

1. SED-UnberG 2. SED-UnberG SeeAufgG

SeemG SeuffBl. SFHÄndG SFHG

SGb SGB

XXXIX

Satz, Seite Sachsen Sachsen-Anhalt Sammlung des bremischen Rechts (1964) Sächsisches Archiv für Rechtspflege, seit 1924 (bis 1941/42) Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt Annalen des Sächsischen Oberlandesgerichts zu Dresden (1880 bis 1920) Steueranwaltsmagazin Schiedsamtszeitung Schiedsmannszeitung (1926 bis 1945), seit 1950 Der Schiedsmann Gesetz (der Deutschen Demokratischen Republik) über die Schiedsstellen in den Gemeinden vom 13.9.1990 (GBl. I S. 1527) Schleswig-Holstein Schleswig-Holsteinische Anzeigen Schriftenreihe Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein Gesetz über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken vom 15.11.1940 (RGBl. I S. 1499) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 21.1.2013 (BGBl. I S. 91) Schriftenreihe der Bundesrechtsanwaltskammer Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung vom 23.7.2004 (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG) (BGBl. I S. 1842) zuletzt geändert durch Art. 22 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung vom 28.4.2011 (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) (BGBl. I S. 676) Schweizerische Juristenzeitung Schweizer Zeitschrift für Strafrecht Übereinkommen vom 19.6.1990 zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande zur Durchführung des am 14.6.1985 in Schengen unterzeichneten Übereinkommens betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen; ABlEG Nr. L 239 vom 22.9.2000, S. 19) Erstes Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Erstes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 1. SED-UnberG) vom 29.10.1992 (BGBl. I S. 1814) Zweites Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Zweites SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 2. SED–UnBerG) vom 23.6.1994 (BGBl. I S. 1311) Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt (Seeaufgabengesetz – SeeAufgG) vom 24.5.1965 i. d. F. der Bek. vom 27.9.1994 (BGBl. I S. 2802) zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 3079) Seemannsgesetz vom 26.7.1957 (BGBl. II S. 713) aufgehoben durch Art. 7 des Gesetzes vom 20.4.2013 (BGBl. I S. 868) Seufferts Blätter für Rechtsanwendung (1836–1913) Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (SFHÄndG) vom 21.8.1995 (BGBl. I S. 1050) Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfe im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz) vom 27.7.1992 (BGBl. I S. 1398) Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Sozialgesetzbuch SGB I – Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil (1. Buch), vom 27.12. 2003 (BGBl. I S. 3022) zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 3.6.2021 (BGBl. I S. 1309), SGB II – Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitsuchende (2. Buch), vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2020),

Abkürzungsverzeichnis

SGG SGV.NW SIAK SichVG SIRENE SIS SJIR SJZ SkAufG

s. o. SortSchG

SozVw SprengG

SprengstG SpuRt SR

SGB III – Sozialgesetzbuch, Arbeitsförderung (3. Buch), vom 27.12. 2003 (BGBl. I S. 3022) zuletzt geändert durch Art. 2b des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 2970), SGB IV – Sozialgesetzbuch, Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (4. Buch) vom 24.7.2003 (BGBl. I S. 1526) zuletzt geändert durch Art. 2c des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 2970), SGB V – Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung (5. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 11.7.2021 (BGBl. I S. 2754), SGB VI – Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Rentenversicherung (6. Buch) vom 29.4.2004 (BGBl. I S. 678) zuletzt geändert durch Art. 2d des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 2970), SGB VII – Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Unfallversicherung (7. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3019) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 9.7.2021 (BGBl. I S. 2506), SGB VIII – Sozialgesetzbuch, Kinder- und Jugendhilfe (8. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zuletzt geändert durch Art. 8 Abs. 4 des Gesetzes vom 16.6.2021 (BGBl. I S. 1810), SGB IX – Sozialgesetzbuch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (9. Buch) vom 23.4.2004 (BGBl. I S. 606) zuletzt geändert durch Art. 8 Abs. 5 des Gesetzes vom 16.6.2021 (BGBl. I S. 1810), SGB X – Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren (10. Buch) vom 5.4.2004 (BGBl. I S. 718) zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 9.7.2021 (BGBl. I S. 2467), SGB XI – Sozialgesetzbuch, Soziale Pflegeversicherung (11. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zuletzt geändert durch Art. 2a des Gesetzes vom 11.7.2021 (BGBl. I S. 2754), SGB XII – Sozialgesetzbuch, Sozialhilfe (12. Buch) vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2020) Sozialgerichtsgesetz, neugefasst durch Bek. vom 23.9.1975 (BGBl. I S. 2535); zuletzt geändert durch Art. 2f des Gesetzes vom 16.7.2021 (BGBl. I S. 2970) Sammlung des bereinigten Gesetz- und Verordnungsblatts für das Land NordrheinWestfalen (Loseblattsammlung) Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (Österreich) Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwahrung (SichVG) vom 16.6.1995 (BGBl. I S. 818) Supplementary Information Request at the National Entry (nationale Kontaktstelle des SIS) Schengener Informationssystem Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht Schweizerische Juristen-Zeitung/Süddeutsche Juristenzeitung (1946–50), dann Juristenzeitung Gesetz über die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte bei vorübergehenden Aufenthalten in der Bundesrepublik Deutschland (Streitkräfteaufenthaltsgesetz – SkAufG) vom 20.7.1995 (BGBl. II S. 554) siehe oben Gesetz über den Schutz von Pflanzensorten (Sortenschutzgesetz) vom 20.5.1968 i. d. F. der Bek. vom 4.1.1977 (BGBl. I S. 105) zuletzt geändert durch Art. 40 des Gesetzes vom 23.6.2021 (BGBl. I S. 1858) Die Sozialverwaltung (Zeitschrift) Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz – SprengG) vom 13.9.1976 (BGBl. I S. 2737) i. d. F. der Bek. vom 17.4. 1986 (BGBl. I S. 577) zuletzt geändert durch Art. 232 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) vom 25.8.1969 (BGBl. I S. 1358, ber. BGBl. 1970 I S. 224), aufgehoben durch SprengG vom 13.9.1976 Sport und Recht (Zeitschrift) Soziales Recht (Zeitschrift)

XL

Abkürzungsverzeichnis

SRÜ StA StAG/DDR StaatsGH StaatsschStrafsG StÄG StAZ StBerG StGB StGB/DDR

StGBÄndG 1976

StGBÄndG 1989

StORMG StPÄG 1964 StPÄG 1972 StPÄG 1978 StPÄG 1986 StPÄG 1988 StPO StPO/DDR StraFo StrafrAbh. StraftVVG StRÄndG

XLI

Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (BGBl. 1994 II S. 1799) Staatsanwalt, Staatsanwaltschaft Gesetz über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik vom 7.4.1977 (GBl. I S. 93), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.7.1990 (GBl. I S. 635) Staatsgerichtshof Gesetz zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Staatsschutz-Strafsachen vom 8.9.1969 (BGBl. I S. 1582) s. StRÄndG Das Standesamt (Zeitschrift) Steuerberatungsgesetz, neugefasst durch Bek. vom 4.11.1975 (BGBl. I S. 2735); zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Strafgesetzbuch, neugefasst durch Bek. vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322); zuletzt geändert durch Art. 29 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.1.1968 in der Neufassung vom 14.12.1988 (GBl. I S. 93), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.6.1990 (GBl. I S. 526) Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, der Bundesrechtsanwaltsordnung und des Strafvollzugsgesetzes vom 18.8.1976 (BGBl. I S. 218l) Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten vom 9.6.1989 (BGBl. I S. 1059) Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs vom 26.6.2013 (BGBl. I S. 1805) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19.12.1964 (BGBl. I S. 1067) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 7.8.1972 (BGBl. I S. 1361) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 14.4.1978 (BGBl. I S. 497) Paßgesetz und Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 19.4.1986 (BGBl. I S. 537) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung vom 17.5.1988 (BGBl. I S. 606) Strafprozeßordnung vom 1.2.1877 i. d. F. der Bek. vom 7.4.1987 (BGBl. I S. 1074) zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Strafprozeßordnung der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.1.1968 in der Neufassung vom 19.12.1974 (GBl. 1975 I S. 61) Strafverteidiger Forum (Zeitschrift) Strafrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von Bennecke, dann von Beling, v. Lilienthal und Schoetensack Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten vom 30.7.2009 (BGBl. I S. 2437) Strafrechtsänderungsgesetz 1. ~ vom 30.8.1951 (BGBl. I S. 739) 2. ~ vom 6.3.1953 (BGBl. I S. 42) 3. ~ vom 4.8.1953 (BGBl. I S. 735) 4. ~ vom 11.6.1957 (BGBl. I S. 597) 5. ~ vom 24.6.1960 (BGBl. I S. 477) 6. ~ vom 30.6.1960 (BGBl. I S. 478) 7. ~ vom 1.6.1964 (BGBl. I S. 337) 8. ~ vom 25.6.1968 (BGBl. I S. 741) 9. ~ vom 4.8.1969 (BGBl. I S. 1065) 10. ~ vom 7.4.1970 (BGBl. I S. 313) 11. ~ vom 16.12.1971 (BGBl. I S. 1977) 12. ~ vom 16.12.1971 (BGBl. I S. 1779) 13. ~ vom 13.6.1975 (BGBl. I S. 1349)

Abkürzungsverzeichnis

14. ~ vom 22.4.1976 (BGBl. I S. 1056) 15. ~ vom 18.5.1976 (BGBl. I S. 1213) 16. ~ vom 16.7.1979 (BGBl. I S. 1078) 17. ~ vom 21.12.1979 (BGBl. I S. 2324) 18. ~ vom 28.3.1980 (BGBl. I S. 379) – Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität 19. ~ vom 7.8.1981 (BGBl. I S. 808) 20. ~ vom 8.12.1981 (BGBl. I S. 1329) 21. ~ vom 13.6.1985 (BGBl. I S. 963) 22. ~ vom 18.7.1985 (BGBl. I S. 1510) 23. ~ vom 13.4.1986 (BGBl. I S. 1986) 24. ~ vom 13.1.1987 (BGBl. I S. 141) 25. ~ vom 20.8.1990 – § 201 StG – (BGBl. I S. 1764) 26. ~ vom 24.7.1992 – Menschenhandel – (BGBl. I S. 1255) 27. ~ vom 23.7.1993 – Kinderpornographie – (BGBl. I S. 1346) 28. ~ vom 13.1.1994 – Abgeordnetenbestechung – (BGBl. I S. 84) 29. ~ vom 31.5.1994 – §§ 175, 182 StGB – (BGBl. I S. 1168) 30. ~ vom 23.6.1994 – Verjährung von Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen – BGBl. I S. 1310) 31. ~ vom 27.6.1994 – 2. Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität – (BGBl. I S. 1440) 32. ~ vom 1.6.1995 – §§ 44, 69b StGB – (BGBl. I S. 747) 33. ~ vom 1.7.1997 – §§ 177, 178 StGB (BGBl. I S. 1607) 34. ~ vom 22.8.2002 – § 129b StGB (BGBl. I S. 3390) 35. ~ vom 22.12.2003 – Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln (BGBl. I S. 2838) 36. ~ vom 30.7.2004 – § 201a StGB (BGBl. I S. 2012) 37. ~ vom 18.2.2005 – §§ 180b, 181 StGB (BGBl. I S. 239) 40. ~ vom 22.3.2007 – Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen (Anti-Stalking-Gesetz) (BGBl. I S. 354) 41. ~ vom 7.8.2007 – Bekämpfung der Computerkriminalität (BGBl. I S. 1786) 42. ~ vom 29.6.2009 – Anhebung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei Geldstrafen (BGBl. I S. 1658) 43. ~ vom 29.7.2009 – Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (BGBl. I S. 2288) 44. ~ vom 1.11.2011 – Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (BGBl. I S. 2130) 45. ~ vom 6.12.2011 – Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt (BGBl. I S. 2557) 46. ~ vom 10.6.2013 – Beschränkung der Möglichkeit zur Strafmilderung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (BGBl. I S. 1497) 47. ~ vom 24.9.2013 – Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (BGBl. I S. 3671) 48. ~ vom 23.4.2014 – Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung (BGBl. I S. 410) 49. ~ vom 21.1.2015 – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht (BGBl. I S. 10) 50. ~ vom 4.11.2016 – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (BGBl. I S. 2460) 51. ~ vom 11.4.2017 – Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (BGBl. I S. 815) 52. ~ vom 23.5.2017 – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften (BGBl. I S. 1226) 53. ~ vom 11.6.2017 – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern (BGBl. I S. 1612) 54. ~ vom 17.7.2017 – Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität (BGBl. I S. 2440)

XLII

Abkürzungsverzeichnis

StraßenVSichG

StREG StrEG STREIT StrFG

StRG

StRR StrRehaG

st.Rspr. StudZR StUG

StuR StuW StV StVÄG 1979 StVÄG 1987 StVÄG 1999 StVG StVO

XLIII

55. ~ vom 17.7.2017 – Wohnungseinbruchdiebstahl (BGBl. I S. 2442) 56. ~ vom 30.9.2017 – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr (BGBl. I S. 3532) 57. ~ vom 3.3.2020 – Versuchsstrafbarkeit des Cybergroomings (BGBl. I S. 431) 58. ~ vom 12.6.2020 – Strafrechtlicher Schutz bei Verunglimpfung der Europäischen Union und ihrer Symbole (BGBl. I S. 1247) 59. ~ vom 9.10.2020 – Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen (BGBl. I S. 2075) 60. ~ vom 30.11.2020 – Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland (BGBl. I S. 2600) 61. ~ vom 10.3.2021 – Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/713 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/413/JI des Rates (BGBl. I S. 333) 1. Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs (Straßenverkehrssicherungsgesetz) vom 19.12.1952 (BGBl. I S. 832) 2. Zweites ~ vom 26.11.1964 (BGBl. I S. 921) Gesetz über ergänzende Maßnahmen zum 5. StrRG (Strafrechtsreformergänzungsgesetz) vom 28.8.1975 (BGBl. I S. 2289) Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8.3.1971 (BGBl. I S. 157) Feministische Rechtszeitschrift Straffreiheitsgesetz – 1949 vom 31.12.1949 (BGBl. I S. 37) – 1954 vom 17.7.1954 (BGBl. I S. 203) – 1968 vom 9.7.1968 (BGBl. I S. 773) – 1970 vom 20.5.1970 (BGBl. I S. 509) Gesetz zur Reform des Strafrechts 1. ~ vom 25.6.1969 (BGBl. I S. 645) 2. ~ vom 4.7.1969 (BGBl. I S. 717) 3. ~ vom 20.5.1970 (BGBl. I S. 505) 4. ~ vom 23.11.1973 (BGBl. I S. 1725) 5. ~ vom 18.6.1974 (BGBl. I S. 1297) 6. ~ vom 26.1.1998 (BGBl. I S. 164) StrafRechtsReport – Arbeitszeitschrift für das gesamte Strafrecht Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz – StrRehaG) vom 29.10.1992 (BGBl. I S. 1814) i. d. F. der Bek. vom 17.12.1999 (BGBl. I S. 2664) zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 2.6.2021 (BGBl. I S. 1387) ständige Rechtsprechung Studentische Zeitschrift für Rechtswissenschaft Heidelberg Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Stasi-Unterlagen-Gesetz – StUG) vom 20.12.1991 (BGBl. I S. 2272) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 9.4.2021 (BGBl. I S. 750) Staat und Recht (Zeitschrift DDR, 1950 bis 1990) Steuern und Wirtschaft (Zeitschrift) Strafverteidiger (Zeitschrift) Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5.10.1978 (BGBl. I S. 1645) Strafverfahrensänderungsgesetz 1987 vom 27.1.1987 (BGBl. I S. 475) Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 vom 2.8.2000 (BGBl. I S. 1253) Straßenverkehrsgesetz vom 3.5.1909 i. d. F. der Bek. vom 19.12.1952 (BGBl. I S. 837) zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 7.5.2021 (BGBl. I S. 850) Straßenverkehrsordnung vom 16.11.1970 (BGBl. I S. 1565, ber. 1971, S. 38) zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 18.12.2020 (BGBl. I S. 3047)

Abkürzungsverzeichnis

StVollstrO StVollzG

StVollzGK StVollzK 1. StVRErgG 1. StVRG StVZO s. u. SubvG SVR SZ SZIER TerrorismusG TerrorBekämpfG

TerrorBekErgG

TFTP ThUG

Thür. TiefseebergbauG TierschG TKG

TKÜG

TKO TMG TREVI TVöD TV/L Tz. UCLAF UdG ÜAG

ÜberlG

Strafvollstreckungsordnung vom 1.4.2001 (BAnz. Nr. 87) bundeseinheitlich Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung – Strafvollzugsgesetz – vom 16.3.1976 (BGBl. I S. 581) zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) StrafvollzugsgesetzKommissionsentwurf, herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz Blätter für Strafvollzugskunde (Beilage zur Zeitschrift „Der Vollzugsdienst“) Gesetz zur Ergänzung des 1. StVRG vom 20.12.1974 (BGBl. I S. 3686) Erstes Gesetz zur Reform des Strafverfahrensrechts vom 9.12.1974 (BGBl. I S. 3393) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 13.11.1937 i. d. F. der Bek. vom 28.9.1988 (BGBl. I S. 1793) siehe unten Subventionsgesetz vom 29.7.1976 (BGBl. I S. 2034) Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift) Süddeutsche Zeitung Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus vom 19.12.1986 (BGBl. I S. 2566) Gesetz vom 9.1.2002 zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) (BGBl. I S. 361) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I S. 2) Gesetz zur Ergänzung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes (Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz) vom 5.1.2007 (BGBl. I S. 2) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 3.12.2020 (BGBl. I S. 2667) Terrorist Finance Tracking Program Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz) vom 22.12.2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 5.12.2012 (BGBl. I S. 2425) Thüringen Gesetz zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus vom 16.8.1980 (BGBl. I S. 1457) Tierschutzgesetz vom 24.7.1972 (BGBl. I S. 1277) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 18.6.2021 (BGBl. I S. 1828) Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 25.7.1996 (BGBl. I S. 1120) i. d. F. vom 22.6.2004 (BGBl. I S. 1190) zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 5.7.2021 (BGBl. I S. 2274) Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21.12.2007 (BGBl. I S. 3198) Telekommunikationsordnung vom 16.7.1987 (BGBl. I S. 1761) Telemediengesetz vom 26.2.2007 (BGBl. I S. 179) zuletzt geändert durch Art. 24 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 1309) Terrorisme, Radicalisme, Extremisme et Violence Internationale (1975) – Koordinierungsgruppe Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Teilziffer Unité de Coordination de la Lutte Anti-Fraude Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Gesetz vom 26.9.1991 zur Ausführung des Übereinkommens über die Überstellung verurteilter Personen vom 21.3.1983 – Überstellungsausführungsgesetz (BGBl. 1991 I S. 1954) Gesetz zur Überleitung von Bundesrecht nach Berlin (West) (Sechstes Überleitungsgesetz) vom 25.9.1990 (BGBl. I S. 2106)

XLIV

Abkürzungsverzeichnis

ÜberstÜbk Übk ÜF UFITA UHaftÄndG UN UNCAT

UN-CAT UN-FoltKonv. UNHCR UNO-Pakt UnterbrSichG UrhG UVollzO UZwG

UZwGBw

VA VBlBW VDA VDB VerbrbekG VerbringungsverbG VereinfVO

VereinhG

VereinsG

XLV

Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21.3.1983 (ETS 112; BGBl. 1991 II S. 1006; 1992 II S. 98); ZP ÜberstÜbk vom 18.12.1997 (ETS 167) Übereinkommen Übergangsfassung Archiv für Medienrecht und Medienwissenschaft Gesetz zur Abänderung der Untersuchungshaft vom 27.12.1926 (RGBl. I S. 529) Vereinte Nationen Übereinkommen (der Vereinten Nationen) gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12.1984 (BGBl. 1990 II S. 246) OPCAT – Fakultativprotokoll vom 18.12.2002 zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe; Gesetz vom 26.8.2008 (BGBl. 2008 II S. 854) United Nations Committee against Torture – UN-Anti-Folter-Ausschuss Siehe UNCAT United Nations High Commissioner for Refugees – Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen s. IPBPR Gesetz zur Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007 (BGBl. I S. 1327) Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9.9.1965 (BGBl. I S. 1273) Untersuchungshaftvollzugsordnung vom 12.2.1953 i. d. F. der Bek. vom 15.12.1976, bundeseinheitlich Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes vom 10.3.1961 (BGBl. I S. 165) zuletzt geändert durch Art. 43 des Gesetzes vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen vom 12.8.1965 (BGBl. I S. 796) Vorzeitige Anwendung (internationaler Übereinkommen) Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift) Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, Bd. 1 bis 6 (1908) Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Besonderer Teil, Bd. 1 bis 9 (1906) Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetz (Verbrechensbekämpfungsgesetz) vom 28.10.1994 (BGBl. I S. 3186) Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24.5.1961 (BGBl. I S. 607) Vereinfachungsverordnung 1. ~, VO über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und Rechtspflege vom 1.9.1939 (RGBl. I S. 1658) 2. ~, VO zur weiteren Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13.8.1942 (RGBl. I S. 508) 3. ~, Dritte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 29.5.1943 (RGBl. I S. 342) 4. ~, Vierte VO zur Vereinfachung der Strafrechtspflege vom 13.12.1944 (RGBl. I S. 339) Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12.9.1950 (BGBl. I S. 455) Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 5.8.1964 (BGBl. I S. 593) zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 30.11.2020 (BGBl. I S. 2600)

Abkürzungsverzeichnis

VerfGH VerfO Verh. 1. VerjährungsG 2. VerjährungsG VerkMitt. VerpflichtG

VerschG VersR VerständigungsG VerwArch VG VGH vgl. Vhdlgen VideokonfIntensG VIS VIZ VO VOBl. VOR VR VRR VRS VRÜ VStGB VStGBG VVDStRL VVStVollzG VwGO VwRehaG

VwVfG VwZG

WDO WehrbeauftrG

WeinG

Verfassungsgerichtshof Verfahrensordnung (siehe EGMRVerfO) Verhandlungen des Deutschen Bundestages (BT), des Deutschen Juristentages (DJT) usw. Gesetz über das Ruhen der Verjährung bei SED-Unrechtstaten vom 26.3.1993 (BGBl. I S. 392) Gesetz zur Verlängerung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 27.9.1993 (BGBl. I S. 1657) Verkehrsrechtliche Mitteilungen Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen (Verpflichtungsgesetz) vom 2.3.1974 (BGBl. I S. 469) zuletzt geändert durch § 1 Nr. 4 des Gesetzes vom 15.8.1974 (BGBl. I S. 1942) Verschollenheitsgesetz vom 15.1.1951 (BGBl. I S. 59) zuletzt geändert durch Art. 182 der Verordnung vom 31.8.2015 (BGBl. I S. 1474) Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2353) Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verfassungsgerichtshof; Verwaltungsgerichtshof vergleiche s. Verh. Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechtnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren v. 25.4.2013 (BGBl. I S. 935) Visa-Informations-System Vermögens- und Immobilienrecht (Zeitschrift) Verordnung; s. auch AusnVO Verordnungsblatt Zeitschrift für Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitenrecht Verwaltungsrundschau VerkehrsRechtsReport Verkehrsrechts-Sammlung Verfassung und Recht in Übersee Völkerstrafgesetzbuch Gesetz vom 26.6.2002 zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches (BGBl. I S. 2254) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz (bundeseinheitlich) vom 1.7.1976 Verwaltungsgerichtsordnung, neugefasst durch Bek. vom 19.3.1991 (BGBl. I S. 686); zuletzt geändert durch Art. 56 des Gesetzes vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz – VwRehaG) vom 23.6.1994 (BGBl. I S. 1311) zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25.5.1976 (BGBl. I S. 1253) zuletzt geändert durch Art. 24 des Gesetzes vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2154) Verwaltungszustellungsgesetz vom 3.7.1952 (BGBl. I S. 379) zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 7.7.2021 (BGBl. I S. 2363) Wehrdisziplinarordnung vom 15.3.1957 i. d. F. der Bek. vom 9.6.1961 (BGBl. I S. 697) Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages i. d. F. der Bek. vom 16.6.1982 (BGBl. I S. 673) zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 68 des Gesetzes vom 5.2.2009 (BGBl. I S. 160) Gesetz über Wein, Likörwein, Schaumwein, weinhaltige Getränke und Branntwein aus Wein (Weingesetz) vom 14.1.1971 (BGBl. I S. 893) zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 2.6.2021 (BGBl. I S. 1278)

XLVI

Abkürzungsverzeichnis

Wiener Übereinkommen

WiJ 1. WiKG 2. WiKG WiStG WisteV wistra WLR WoÜbG WRV WStG WM WuV WuW WÜD WÜK WVK WWSUV

WWSUVG WZG WzS

1. Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (Zustimmungsgesetz vom 6.8.1964, BGBl. II S. 957) 2. Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (Zustimmungsgesetz vom 26.8.1969, BGBl. II S. 1585) Journal der Wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. Erstes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 29.7.1976 (BGBl. I S. 2034) Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15.5.1986 (BGBl. I S. 721) Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) vom 9.7.1954 i. d. F. der Bek. vom 3.6.1975 (BGBl. I S. 1313) Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung e.V. Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Weekly Law Reports (Zeitschrift) Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohnraumüberwachung) vom 24.6.2005 (BGBl. I S. 1841) Weimarer Verfassung, Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.8.1919 (RGBl. S. 1383) Wehrstrafgesetz vom 30.3.1957 i. d. F. der Bek. vom 24.5.1974 (BGBl. I S. 1213) zuletzt geändert durch Art. 10 Abs. 8 des Gesetzes vom 30.10.2017 (BGBl. I S. 3618) Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Entscheidungssammlung der Zeitschrift Wirtschaft und Wettbewerb s. 1. Wiener Übereinkommen s. 2. Wiener Übereinkommen Wiener Vertragsrechtskonvention vom 23.5.1969 (BGBl. 1985 II S. 926) Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5.1990 (BGBl. II S. 537) Gesetz zu dem Vertrag vom 18.5.1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion … vom 25.6.1990 (BGBl. II S. 518) Warenzeichengesetz vom 5.5.1936 i. d. F. der Bek. vom 2.1.1968 (BGBl. I S. 29) Wege zur Sozialversicherung (Zeitschrift)

YEL YB

Yearbook of European Law Yearbook of the European Convention of the Human Rights, the European Commission and the European Court of Human Rights/Annuaire de la Convention Européenne des Droits de l’Homme; Commission et Cour Européenne des Droits de l’Homme, hrsg. vom Europarat

ZAG ZahlVGJG

Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz Gesetz über den Zahlungsverkehr mit Gerichten und Justizbehörden vom 22.12.2006 = Art. 2 des 2. Justizmodernisierungsgesetzes (BGBl. 2006 I S. 3416) zuletzt geändert durch Art. 175 des Gesetzes vom 31.8.2015 (BGBl. I S. 1474) Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (1934–44) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für Datenschutz Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft

ZAkDR ZaöRV ZAP ZAR ZBJV ZBlJugR ZBR ZCG ZD ZDRW

XLVII

Abkürzungsverzeichnis

ZER ZESAR ZEUP ZEuS ZEV ZfBR ZfC ZfDG

ZfDR ZfJ ZfL ZfRV ZfS ZFSH SGB ZfStrVo ZfWG ZfZ ZG ZInsO ZIP ZIR ZIS ZJJ ZJS ZKA ZKJ ZLR ZOV ZÖR ZollG. ZP ZPO ZRFC ZRP ZSchG

ZSE ZSEG

ZSHG

ZSR ZST ZSteu ZStW ZTR ZUM

Zeitschrift für Europarecht (Österreich)ZERP Zentrum für europäische Rechtspolitik (Universität Bremen) Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Compliance Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (Zollfahndungsdienstgesetz) vom 16.8.2002 (BGBl. I S. 3202) aufgehoben durch Art. 3 des Gesetzes vom 30.3.2021 (BGBl. I S. 402) Zeitschrift für Digitalisierung und Recht (ZfDR) Zentralblatt für Jugendrecht Zeitschrift für Lebensrecht Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für die sozialrechtliche Praxis Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe (jetzt: FS – Forum Strafvollzug) Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Interne Revision Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (Online-Zeitschrift) Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für das Juristische Studium (Online-Zeitschrift) Zollkriminalinstitut Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für Lebensmittelrecht Zeitschrift für offene Vermögensfragen Zeitschrift für öffentliches Recht Zollgesetz vom 14.6.1961 i. d. F. der Bek. vom 18.5.1970 (BGBl. I S. 529) mit der Vollendung des EU-Binnemarktes aufgehoben Zusatzprotokoll Zivilprozeßordnung vom 30.1.1877 i. d. F. der Bek. vom 12.9.1950 (BGBl. I S. 533) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3328) Zeitschrift für Risk, Fraud & Compliance Zeitschrift für Rechtspolitik Gesetz vom 30.4.1998 zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes (Zeugenschutzgesetz – ZSchG) (BGBl. I S. 820) Zeitschrift für Staats- und Europawissenschaften Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen vom 26.7.1957 i. d. F. der Bek. vom 1.10.1969 (BGBl. I S. 1756); abgelöst durch das JVEG vom 5.5.2004 Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen (Zeugenschutz-Harmonisierungsgesetz) vom 11.12.2001 (BGBl. I S. 3510) zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 10.12.2019 (BGBl. I S. 2121) Zeitschrift für Schweizerisches Recht Zeitschrift für Schweizer Recht Zeitschrift für Steuern und Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

XLVIII

Abkürzungsverzeichnis

ZUM-RD ZUR ZusatzAbk. Zusatzvereinb.

zust. ZustErgG

ZustG ZustRG ZustVO Zuwanderungsgesetz

ZVG

ZWehrR ZWF ZWH ZwHeiratBekG

ZZP

XLIX

Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtssprechungsdienst Zeitschrift für Umweltrecht Zusatzabkommen zum NATOTruppenstatut vom 3.8.1959 (BGBl. 1961 II S. 1183, 1218) Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zur Durchführung und Auslegung des am 31.8.1990 in Berlin unterzeichneten Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 18.9.1990 (BGBl. II S. 1239) zustimmend Gesetz zur Ergänzung von Zuständigkeiten auf den Gebieten des Bürgerlichen Rechts, des Handelsrechts und des Strafrechts (Zuständigkeitsergänzungsgesetz) vom 7.8.1952 (BGBl. I S. 407) Gesetz über die Zuständigkeit der Gerichte bei Änderung der Gerichtseinteilung vom 6.12.1933 (RGBl. I S. 1037) Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellung im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG) vom 25.6.2001 (BGBl. I S. 1206) Verordnung über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften vom 21.2.1940 (RGBl. I S. 405) Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 20.12.2008 (BGBl. I S. 2846) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) vom 24.3.1897 i. d. F. der Bek. vom 20.5.1898 (RGBl. S. 369, 713) zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3256) Zeitschrift für Wehrrecht (1936/37–44) Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzstrafrecht (Österreich) Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften vom 23.6.2011 (BGBl. I S. 1266) Zeitschrift für Zivilprozeß

Literaturverzeichnis Achenbach/Ransiek/Rönnau AE-EV

AE-EuStV AE-StuM

Ahlbrecht/Böhm/Esser/ Eckelmans AK

AK-GG AK-StGB AnwK AnwK-StGB AnwK-UHaft Albrecht Albrecht (Krim.) Alsberg Ambos Ambos/König/Rackow Arloth Arloth/Krä Aschrott

Artkämper Artkämper/Esders/Jakobs/ Sotelsek Aubert Barton Barton (Verfahrensg.) Barton (Strafverteidigung) Baumann Baumann/Weber/Mitsch/ Eisele Baumbach/Lauterbach/ Hartmann/Anders/Gehle Beck/Berr/Schäpe Beck/Müller Beck’sches Formularbuch Beling

Achenbach/Ransiek/Rönnau, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. (2019) Alternativ-Entwurf Reform des Ermittlungsverfahrens (AE-EV); Entwurf eines Arbeitskreises deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer (2001) Alternativentwurf Europäische Strafverfolgung; hrsg. von Schünemann (2004) Alternativ-Entwurf Strafjustiz und Medien (AE-StuM: Entwurf eines Arbeitskreises deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer (2004) Ahlbrecht/Böhm/Esser/Eckelmans, Internationales Strafrecht, 2. Aufl. (2017) Alternativkommentar zur Strafprozessordnung, Bd. I (§§ 1 bis 93; 1988), Bd. II 1 (§§ 94 bis 212b; 1992), Bd. II 2 (§§ 213 bis 275; 1993), Bd. III (§§ 276 bis 477; 1996) Alternativkommentar zum Grundgesetz, 2. Aufl., Bd. I (Art. 1 bis 37; 1989), Bd. II (Art. 38 bis 146; 1989) Alternativkommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. I (§§ 1 bis 21; 1990), Bd. III (§§ 80 bis 145d; 1986) Krekeler/Löffelmann/Sommer, AnwaltKommentar zur Strafprozessordnung, 2. Aufl. (2009) Leipold/Tsambikakis/Zöller (Hrsg.), AnwaltKommentar StGB, 3. Aufl. (2020) König (Hrsg.), AnwaltKommentar Untersuchungshaft (2011) Albrecht, Jugendstrafrecht, 3. Aufl. (2000) Albrecht, Kriminologie, 4. Aufl. (2010) Alsberg, Der Beweisantrag im Strafprozess, 7. Aufl. (2019) Ambos, Internationales Strafrecht, 5. Aufl. (2018) Ambos/König/Rackow (Hrsg.), Rechtshilferecht in Strafsachen, 2. Aufl. (2020) Arloth, Strafprozeßrecht (1995) Arloth/Krä, Strafvollzugsgesetz, 4. Aufl. (2017) Reform des Strafprozesses, kritische Besprechung der von der Kommission für die Reform des Strafprozesses gemachten Vorschläge, hrsg. von Aschrott (1906) Artkämper, Die „gestörte“ Hauptverhandlung, 5. Aufl. (2017) Artkämper/Esders/Jakobs/Sotelsek, Praxiswissen Strafverfahren bei Tötungsdelikten (2012) Aubert, Fernmelderecht I, 3. Aufl. (1976) Barton, Mindeststandards der Strafverteidigung (1994) Barton, Verfahrensgerechtigkeit und Zeugenbeweis (2002) Barton, Einführung in die Strafverteidigung, 2. Aufl. (2013) Baumann, Grundbegriffe und Verfahrensprinzipien des Strafprozeßrechts, 3. Aufl. (1979) Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Lehrbuch, 12. Aufl. (2016) Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, Kurz-Kommentar, 78. Aufl. (2020) Beck/Berr/Schäpe, OWi-Sachen im Straßenverkehrsrecht, 7. Aufl. (2017) Beck/Müller, Fälle und Lösungen zur StPO, 6. Aufl. (2020) Hamm/Leipold (Hrsg.), Beck’sches Formularbuch für den Strafverteidiger, 6. Aufl. (2018) Beling, Deutsches Reichsstrafprozeßrecht (1928)

LI https://doi.org/10.1515/9783110275025-205

Literaturverzeichnis

Bender/Nack/Treuer Benfer/Bialon Bernsmann/Gatzweiler Berz/Burmann Beulke/Swoboda Beulke/Ruhmannseder Binding Birkenstock Birkmeyer Bittmann/Köhler/Seeger/ Tschakert Bock Bockemühl Bohnert Bohnert/Bülte Bonn.Komm. Booß Bosbach Bouska/Laeverenz Böhm/Feuerhelm Böhm (Strafvollzug) Böse Böttger Brandstetter Brenner Brettel/Schneider Breyer/Mehle/Osnabrügge/ Schaefer von Briel/Ehlscheid Bringewat Brodag Brunner Brunner/Dölling Bruns/Schröder/Tappert Brüssow/Gatzweiler/ Krekeler/Mehle Buddendiek/Rutkowski

Burchardi/Klempahn/ Wetterich Burhoff (Ermittlungsv.) Burhoff (Hauptv.) Burhoff (StrV-OWi) Burhoff/Stephan

Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 5. Aufl. (2021) Benfer/Bialon, Rechtseingriffe von Polizei und Staatsanwaltschaft, 4. Aufl. (2010) Bernsmann/Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, 2. Aufl. (2014) Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Loseblattausgabe, 2 Bände, 43. Aufl. (2021) Beulke, Strafprozessrecht, 15. Aufl. (2020) Beulke/Ruhmannseder, Die Strafbarkeit des Verteidigers, 2. Aufl. (2010) Binding, Grundriss des Deutschen Strafprozessrechts, 5. Aufl. 1904 Birkenstock, Verfahrensrügen im Strafprozess – Rechtsprechungssammlung, 2 Bände (2004) Birkmeyer, Deutsches Strafprozeßrecht (1898) Handbuch der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung: Sicherstellung – Einziehung – Opferentschädigung (2020) Bock, Criminal Compliance, 2. Aufl. (2013) Bockemühl (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts Strafrecht, 8. Aufl. (2020) Bohnert, Beschränkungen der strafprozessualen Revision durch Zwischenverfahren (1983) Bohnert/Bülte, Ordnungswidrigkeitenrecht, 6 Aufl. (2020) Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Loseblattausgabe (ab 1950) Booß, Straßenverkehrsordnung, Kommentar, 3. Aufl. (1980) Bosbach, Verteidigung im Ermittlungsverfahren, 8. Aufl. (2015) Bouska/Laeverenz, Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl. (2004) Böhm/Feuerhelm, Einführung in das Jugendstrafrecht, 4. Aufl. (2004) Böhm, Strafvollzug, 3. Aufl. (2002) Böse (Hrsg.), Europäisches Strafrecht, Enzyklopädie Europarecht, Band 9 (2021) Böttger (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, 2. Aufl. (2015) Brandstetter, Straffreiheitsgesetz, Kommentar (1956) Brenner, Ordnungswidrigkeitenrecht (1996) Brettel/Schneider, Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl. 2020 Breyer/Mehle/Osnabrügge/Schaefer, Strafprozessrecht (2005) von Briel/Ehlscheid, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. (2000) Bringewat, Strafvollstreckung, Kommentar zu den §§ 449 bis 463d StPO (1993) Brodag, Strafverfahrensrecht, 13. Aufl. (2014) Brunner, Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft, 14. Aufl. (2019) Brunner/Dölling, Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 13. Aufl. (2017) Bruns/Schröder/Tappert, Kommentar zum strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (1993) Brüssow/Gatzweiler/Krekeler/Mehle, Strafverteidigung in der Praxis, 4. Aufl. (2007) Buddendiek/Rutkowski, Lexikon des Nebenstrafrechts, zugleich Registerband zum Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 43. Aufl. (2020) Burchardi/Klempahn/Wetterich, Der Staatsanwalt und sein Arbeitsgebiet, 5. Aufl. (1982) Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl. (2018) Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 9. Aufl. (2019) Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OW-Verfahren, 6. Aufl. 2021 Burhoff/Stephan, Strafvereitelung durch Strafverteidiger (2008)

LII

Literaturverzeichnis

Burhoff/Kotz Burmann/Heß/ Hühnermann/Jahnke Ciolek-Krepold Cirener/Jahn/Radtke Corstens/Pradel Cramer Cramer/Bürgle Cramer/Cramer Cryer/Friman/Robinson/ Wilmshurst Cullen/Jund Dahs (Hdb.) Dahs (Rechtl. Gehör) Dahs Daimagüler Dalcke/Fuhrmann/Schäfer Dallinger/Lackner Dannecker/Knierim Deckers Delmas-Marty Delmas-Marty/Vervaele Detter Diemer/Schatz/Sonnen Dölling/Duttge/Rössner/ König Dörndorfer Doswald-Beck/Kolb

Eb. Schmidt

Eb. Schmidt (Geschichte) Eb. Schmidt (Kolleg) Eberth/Müller/Schütrumpf Eidam Eisenberg/Kölbel

LIII

Burhoff/Kotz, Handbuch für strafrechtliche Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl. (2016) Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. (2020) Ciolek-Krepold, Durchsuchung und Beschlagnahme in Wirtschaftsstrafsachen (2000) Cirener/Jahn/Radtke (Hrsg.), Bild-Ton-Dokumentation und »Konkurrenzlehre 2.0« (2020) Corstens/Pradel, European Criminal Law (2002) Cramer, Straßenverkehrsrecht StVO – StGB, Kommentar, 2. Aufl. (1977) Cramer/Bürgle, Die strafprozessualen Beweisverwertungsverbote, 2. Aufl. (2004) Cramer/Cramer, Anwalts-Handbuch Strafrecht (2002) Cryer/Friman/Robinson/Wilmshurst, An Introduction to International Criminal Law and Procedure, 4th ed. (2019) Cullen/Jund, Strafrechtliche Zusammenarbeit in der Europäischen Union nach Tampere (2002) Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 8. Aufl. (2015) Dahs, Rechtliches Gehör im Strafverfahren (1963) Dahs, Die Revision im Strafprozess, 9. Aufl. (2017) Daimagüler, Der Verletzte im Strafverfahren – Handbuch für die Praxis (2016) Dalcke/Fuhrmann/Schäfer, Strafrecht und Strafverfahren, Kommentar, 37. Aufl. (1961) (Reprint 2020) Dallinger/Lackner, Jugendgerichtsgesetz und ergänzende Vorschriften, Kommentar, 2. Aufl. (1965) Dannecker/Knierim, Insolvenzstrafrecht, 3. Aufl. (2018) Deckers, Der strafprozessuale Beweisantrag, 3. Aufl. (2013) Delmas-Marty, Corpus Juris der strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union (1998) Delmas-Marty/Verwaele, The Implementation of the Corpus Juris in the Member States, 4 Bände (2001) Detter, Revision im Strafverfahren (2011) Diemer/Schatz/Sonnen, Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Aufl. (2020) Dölling/Duttge/Rössner/König, Gesamtes Strafrecht – Handkommentar 4. Aufl. (2017) (zit.: HK-GS/Verfasser) Dörndorfer, Rechtspflegergesetz, Kommentar, 3. Aufl. (2020) Doswald-Beck/Kolb, Judicial Process and Human Rights – United Nations, European, American and African Systems – Texts and summaries of international case law, 2004 Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Teil I: Die rechtstheoretischen und die rechtspolitischen Grundlagen des Strafverfahrensrechts, 2. Aufl. (1964); Teil II: Erläuterungen zur Strafprozeßordnung und zum Einführungsgesetz (1957); Teil III: Erläuterungen zum Gerichtsverfassungsgesetz und zum Einführungsgesetz (1960), Nachtrag I: Nachträge und Ergänzungen zu Teil II (1967), Nachtrag II: Nachtragsband II (1970) Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Aufl. (1965) Schmidt, Deutsches Strafprozeßrecht, ein Kolleg (1967) Eberth/Müller/Schütrumpf, Verteidigung in Betäubungsmittelsachen, 7. Aufl. (2018) Eidam, Unternehmen und Strafe, 5. Aufl. (2018) Eisenberg/Kölbel, Jugendgerichtsgesetz, Kommentar, 21. Aufl. (2020)

Literaturverzeichnis

Eisenberg (Beweismittel) Eisenberg (Beweisrecht) Eisenberg/Kölbel Endriß (BtM-Verfahren) Engländer Erbs/Kohlhaas Erhardt ERST Eser Eser/Hassemer/Burkhardt Esser Esser, EuStR Esser/Ida Esser/Tsambikakis Fahl Fahrner Feest/Lesting/Lindemann Fehn/Wamers Feisenberger Ferner Fezer FG Beulke Fischer Flore/Tsambikakis Franke/Wienroeder Freyschmidt/Krumm Fromm Frowein/Peukert FS 45. DJT FS Achenbach FS Adamovich FS AG Strafrecht DAV FS Amelung FS Androulakis FS Augsburg FS Baudenbacher FS Baumann FS Baumgärtel FS BayVerfGH

Eisenberg, Persönliche Beweismittel in der StPO, 2. Aufl. (1996) Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Spezialkommentar, 10. Aufl. (2017) Eisenberg/Kölbel, Kriminologie, 7. Aufl. (2017) Endriß, Verteidigung in Betäubungsmittelverfahren (1998) Engländer, Examensrepetitorium Strafprozessrecht, 10. Aufl. (2020) Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Kurzkommentar, Loseblattausgabe, 228. Aufl. (2020) Erhardt, Strafrecht für Polizeibeamte, 6. Aufl. (2020) Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 2017 Eser, Einführung in das Strafprozeßrecht (1983) Eser/Hassemer/Burkhardt, Die deutsche Strafrechtswissenschaft vor der Jahrtausendwende (2000) Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahrensrecht (2002) Esser, Europäisches und Internationales Strafrecht, 2. Aufl. (2018) Esser/Ida (Hrsg.), Menschenrechtsschutz und Zusammenarbeit im Strafrecht als globale Herausforderung (2018) Esser/Tsambikakis (Hrsg.), Pandemiestrafrecht (2020) Fahl, Rechtsmißbrauch im Strafprozeß (2004) Fahrner, Handbuch Internationale Ermittlungen (2020) Feest/Lesting/Lindemann (Hrsg.), Kommentar zum Strafvollzugsgesetz (AK-StVollzG), 7. Aufl. (2017) Fehn/Wamers, ZfdG – Zollfahndungsdienstgesetz – Handkommentar (2003) Feisenberger, Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz (1926) Ferner, Strafzumessung (2005) Fezer, Strafprozeßrecht, 2. Aufl. (1995) Strafverteidigung – Grundlagen und Stolpersteine: Symposion für Werner Beulke (2012) Fischer, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 68. Aufl. (2021) Flore/Tsambikakis (Hrsg.), Steuerstrafrecht, 2. Aufl. (2016) Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl. (2007) Freyschmidt/Krumm, Verteidigung in Straßenverkehrssachen, 11. Aufl. (2019) Fromm, Verteidigung in Straßenverkehrs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 2. Aufl. (2015) Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRKKommentar, 3. Aufl. (2009) Festschrift für den 45. Deutschen Juristentag (1964) Festschrift für Hans Achenbach zum 70. Geburtstag (2011) Staatsrecht und Staatswissenschaften in Zeiten des Wandels – Festschrift für Ludwig Adamovich zum 60. Geburtstag (1992) Strafverteidigung im Rechtsstaat – 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (2009) Grundlagen des Straf- und Strafverfahrensrechts – Festschrift für Knut Amelung zum 70. Geburtstag (2009) Festschrift für Nikolaos Androulakis zum 70. Geburtstag (2003) Recht in Europa – Festgabe zum 30-jährigen Bestehen der Juristischen Fakultät Augsburg (2002) Economic law and justice in times of globalisation – Festschrift für Carl Baudenbacher (2007) Festschrift für Jürgen Baumann zum 70. Geburtstag (1992) Festschrift für Gottfried Baumgärtel zum 70. Geburtstag (1990) Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (1997)

LIV

Literaturverzeichnis

FS Bemmann FS Bernhardt FS Beulke FS Binding FS BGH

FS II BGH FS Blau FS Bockelmann FS Böhm FS Böttcher FS Boujong FS BRAK FS Brauneck FS Breidling FS Bruns FS Burgstaller FS Burhoff FS Carstens FS Dahs FS Damaska FS Delbrück FS Dencker FS Doehring FS Dreher FS Dünnebier FS Eide FS Eisenberg FS Eisenberg II FS Engisch FS Ermacora FS Eser FS Eser II FS Europa-Institut FS Everling FS Faller FS Feltes

FS Fezer

LV

Festschrift für Günther Bemmann zum 70. Geburtstag (1997) Recht zwischen Umbruch und Bewahrung – Festschrift für Rudolf Bernhardt (1995) Ein menschengerechtes Strafrecht als Lebensaufgabe –Festschrift für Werner Beulke zum 70. Geburtstag (2015) Festschrift für Karl Binding zum 4. Juni 1911 Festschrift aus Anlass des 50-jährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof (2000) 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, hrsg. von Roxin/Widmaier, Bd. IV: Strafrecht (2000) Festschrift für Günter Blau zum 70. Geburtstag (1985) Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag (1979) Festschrift für Alexander Böhm zum 70. Geburtstag (1999) Recht gestalten – dem Recht dienen, Festschrift für Reinhard Böttcher zum 70. Geburtstag (2007) Verantwortung und Gestaltung, Festschrift für Karlheinz Boujong zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift zu Ehren des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (2006) Ehrengabe für Anne-Eva Brauneck (1999) Festschrift für Ottmar Breidling zum 70. Geburtstag (2017) Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag (1978) Festschrift für Manfred Burgstaller zum 65. Geburtstag (2004) Festschrift für Detlef Burhoff zum 70. Geburtstag (2020) Einigkeit und Recht und Freiheit, Festschrift für Karl Carstens zum 70. Geburtstag (1984) Festschrift für Hans Dahs zum 70. Geburtstag (2005) Festschrift for Mirjan Damaska (2008) Liber Amicorum Jost Delbrück (2005) Festschrift für Friedrich Dencker zum 70. Geburtstag (2012) Staat und Völkerrechtsordnung – Festschrift für Karl Doehring; Beiträge zum ausländischen Recht und Völkerrecht Bd. 98 (1989) Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag (1977) Festschrift für Hanns Dünnebier zum 75. Geburtstag (1982) Human rights and criminal justice for the downtrodden; Essays in honour of Asbjørn Eide (2003) Festschrift für Ulrich Eisenberg zum 70. Geburtstag (2009) Für die Sache – Kriminalwissenschaften aus unabhängiger Perspektive – Festschrift für Ulrich Eisenberg zum 80. Geburtstag (2019) Festschrift für Karl Engisch zum 70. Geburtstag (1969) Fortschritt im Bewußtsein der Grund- und Menschenrechte, Festschrift für Felix Ermacora zum 65. Geburtstag (1988) Menschengerechtes Strafrecht, Festschrift für Albin Eser zum 70. Geburtstag (2005) Scripta amicitiae – Freundschaftsgabe für Albin Eser zum 80. Geburtstag (2015) Europäische Integration und Globalisierung, Festschrift zum 60-jährigen Bestehen des Europa-Instituts (2011) Festschrift für Ulrich Everling (1993) Festschrift für Hans Joachim Faller (1984) Auf neuen Wegen. Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft aus interdisziplinärer Perspektive, Festschrift für Thomas Feltes zum 70. Geburtstag (2021) Festschrift für Gerhard Fezer zum 70. Geburtstag (2008)

Literaturverzeichnis

FS Fiedler FS Fischer FS Flume FS Friauf FS Friebertshäuser FS Frisch FS Fuchs FS Gallas FS Geerds FS Geiger FS Geiß FS Geppert FS Gollwitzer FS Gössel FS Graf-Schlicker FS Graßhoff FS Grünwald FS Grützner FS Hacker FS Haffke FS Hamm FS Hanack FS Hassemer FS Heinitz FS Heintschel-Heinegg FS Heinz FS Heldrich FS Helmrich FS Henkel FS Herzberg FS Heusinger FS Hilger FS Hirsch FS B. Hirsch FS H. J. Hirsch FS Höpfel FS HU Berlin FS Hubmann FS Huber

Verfassung – Völkerrecht – Kulturgüterschutz, Festschrift für Wilfried Fiedler zum 70. Geburtstag (2011) Festschrift für Thomas Fischer (2018) Festgabe für Werner Flume zum 90. Geburtstag (1998) Festschrift für Karl Heinrich Friauf (1996) Festgabe für den Strafverteidiger Dr. Heino Friebertshäuser (1997) Grundlagen und Dogmatik des gesamten Strafrechtssystems – Festschrift für Wolfgang Frisch zum 70. Geburtstag (2013) Festschrift für Helmut Fuchs zum 65. Geburtstag (2014) Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag (1973) Kriminalistik und Strafrecht, Festschrift für Friedrich Geerds zum 70. Geburtstag (1995) Verantwortlichkeit und Freiheit. Die Verfassung als wertbestimmende Ordnung; Festschrift für Willi Geiger zum 80. Geburtstag (1989) Festschrift für Karlmann Geiß zum 65. Geburtstag (2000) Festschrift für Klaus Geppert zum 70. Geburtstag (2011) Verfassungsrecht – Menschenrechte – Strafrecht, Kolloquium für Dr. Walter Gollwitzer zum 80. Geburtstag (2004) Festschrift für Karl Heinz Gössel zum 70. Geburtstag (2002) Festschrift zu Ehren von Marie Luise Graf-Schlicker (2018) Der verfasste Rechtsstaat, Festgabe für Karin Graßhoff (1998) Festschrift für Gerald Grünwald zum 70. Geburtstag (1999) Aktuelle Probleme des Internationalen Strafrechts, Festschrift für Heinrich Grützner zum 65. Geburtstag (1970) Wandel durch Beständigkeit, Festschrift für Jens Hacker (1998) Das Dilemma des rechtsstaatlichen Strafrechts: Symposium für Bernhard Haffke zum 65. Geburtstag (2009) Festschrift für Rainer Hamm zum 65. Geburtstag (2008) Festschrift für Ernst-Walter Hanack zum 70. Geburtstag (1999) Festschrift für Winfried Hassemer zum 70. Geburtstag (2010) Festschrift für Ernst Heinitz zum 70. Geburtstag (1972) Festschrift für Bernd von Heintschel-Heinegg zum 70. Geburtstag (2015) Festschrift für Wolfgang Heinz zum 70. Geburtstag (2012) Festschrift für Andreas Heldrich zum 70. Geburtstag (2005) Für Staat und Recht, Festschrift für Herbert Helmrich zum 60. Geburtstag (1994) Grundfragen der gesamten Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Heinrich Henkel zum 70. Geburtstag (1974) Strafrecht zwischen System und Telos, Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum 70. Geburtstag (2008) Ehrengabe für Bruno Heusinger (1968) Datenübermittlungen und Vorermittlungen, Festgabe für Hans Hilger (2003) Berliner Festschrift für Ernst E. Hirsch (1968) Mit Recht für Menschenwürde und Verfassungsstaat, Festgabe für Burkhard Hirsch (2007) Festschrift Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag (1999) Vielfalt des Strafrechts im internationalen Kontext – Festschrift für Frank Höpfel zum 65. Geburtstag (2018) Festschrift 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin (2010) Beiträge zum Schutz der Persönlichkeit und ihrer schöpferischen Leistung, Festschrift für Heinrich Hubmann zum 70. Geburtstag (1985) Recht als Prozess und Gefüge, Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag (1981)

LVI

Literaturverzeichnis

FS Imme Roxin FS Ismayr FS Jahrreiß FS II Jahrreiß FS Jakobs FS Jescheck FS Jung FS JurGes. Berlin FS Kaiser FS Kargl FS Katoh FS Arthur Kaufmann FS Kern FS Kerner FS Kielwein FS Kindhäuser FS Kirchberg FS Klecatsky FS Klein FS Kleinheyer FS Kleinknecht FS Klug FS Koch FS Kohlmann FS Kralik FS Krause FS Krauss FS Kreuzer FS Kriele FS Krey FS Kroeschell FS Kunert FS Kühl FS Kühne FS Küper FS Lackner FS Lampe FS Landau FS Lange

LVII

Festschrift für Imme Roxin zum 75. Geburtstag (2012) Analyse demokratischer Regierungssysteme, Festschrift für Wolfgang Ismayr zum 65. Geburtstag (2010) Festschrift für Hermann Jahrreiß zum 70. Geburtstag (1964) Festschrift für Hermann Jahrreiß zum 80. Geburtstag (1974) Festschrift für Günther Jakobs zum 70. Geburtstag (2007) Festschrift für HansHeinrich Jescheck zum 70. Geburtstag (1985) Festschrift für Heike Jung zum 65. Geburtstag (2007) Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin (1984) Internationale Perspektiven in Kriminologie und Strafrecht, Festschrift für Günther Kaiser zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Walter Kargl zum 70. Geburtstag (2015) Blick über den Tellerrand, Festschrift für Hisao Katoh (2008) Strafgerechtigkeit, Festschrift für Arthur Kaufmann zum 70. Geburtstag (1993) Tübinger Festschrift für Eduard Kern (1968) Kriminologie – Kriminalpolitik – Strafrecht, Festschrift für Hans-Jürgen Kerner zum 70. Geburtstag (2013) Dogmatik und Praxis des Strafverfahrens, Beiträge anläßlich des Colloquiums zum 65. Geburtstag von Gerhard Kielwein (1989) Festschrift für Urs Kindhäuser zum 70. Geburtstag (2019) Festschrift für Christian Kirchberg zum 70. Geburtstag (2017) Auf dem Weg zur Menschenwürde und Gerechtigkeit, Festschrift für Hans Klecatsky zum 60. Geburtstag (1980) Festschrift für Franz Klein zum 60. Geburtstag (1914) Festschrift für Gerd Kleinheyer zum 70. Geburtstag (2001) Strafverfahren im Rechtsstaat, Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 75. Geburtstag (1985) Festschrift für Ulrich Klug zum 70. Geburtstag (1983) Strafverteidigung und Strafprozeß, Festgabe für Ludwig Koch (1989) Festschrift für Günter Kohlmann zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Winfried Kralik zum 65. Geburtstag (1986) Festschrift für Friedrich-Wihelm Krause zum 70. Geburtstag (1990) Prozessuales Denken als Innovationsanreiz für das materielle Strafrecht, Kolloquium zum 70. Geburtstag von Detlef Krauss (2006) Mittler zwischen Recht und Wirklichkeit – Festschrift für Arthur Kreuzer zum 80. Geburtstag (2018) Staatsphilosophie und Rechtspolitik, Festschrift für Martin Kriele zum 65. Geburtstag (1997) Festschrift für Volker Krey zum 70. Geburtstag (2010) Wirkungen europäischer Rechtskultur – Festschrift für Karl Kroeschll zum 70. Geburtstag (1997) Freiheit, Gesetz und Toleranz, Symposium zum 75. Geburtstag von Karl Heinz Kunert (2006) Festschrift für Kristian Kühl zum 70. Geburtstag (2014) Festschrift für Hans-Heiner Kühne zum 70. Geburtstag (2013) Festschrift für Wilfried Küper zum 70. Geburtstag (2007) Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag (1987) Jus humanum: Grundlagen des Rechts und Strafrechts, Festschrift für Ernst-Joachim Lampe zum 70. Geburtstag (2003) Grundgesetz und Europa – Liber Amicorum für Herbert Landau zum Ausscheiden aus dem Bundesverfassungsgericht (2016) Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag (1976)

Literaturverzeichnis

FS Leferenz FS Lenckner FS Lerche FS Loebenstein FS Loewenstein FS von Lübtow FS Lüderssen FS Machacek und Matscher FS Maelicke FS Maihofer FS Maiwald FS Maiwald II FS Mangakis FS Manoledakis FS Maurach FS Mayer FS Mehle FS Merkel FS Meyer-Goßner FS Mezger FS Middendorf FS Miebach FS Miklau FS Miyazawa FS Möhring FS Mosler

FS E. Müller FS E. Müller II FS Müller-Dietz FS Nehm FS Neumann FS Nishihara FS Odersky FS Oehler FS Ostendorf

FS Otto

Kriminologie – Psychiatrie – Strafrecht, Festschrift für Heinz Leferenz zum 70. Geburtstag (1983) Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag (1998) Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag (1993) Der Rechtsstaat in der Krise – Festschrift für Edwin Loebenstein zum 80. Geburtstag (1991) Festschrift für Karl Loewenstein zum 80. Geburtstag (1971) De iustitia et iure – Festschrift für Ulrich von Lübtow zum 80. Geburtstag (1980) Festschrift für Klaus Lüderssen zum 70. Geburtstag (2002) Rechtsschutz gestern – heute – morgen, Festgabe zum 80. Geburtstag für Rudolf Machacek und Franz Matscher (2008) Wertschöpfung durch Wertschätzung, Festschrift für Bernd Maelicke zum 70. Geburtstag (2011) Festschrift für Werner Maihofer zum 70. Geburtstag (1988) Fragmentarisches Strafrecht, Für Manfred Maiwald aus Anlass seiner Emeritierung (2003) Gerechte Strafe und legitimes Strafen, Festschrift für Manfred Maiwald zum 75. Geburtstag (2010) Festschrift für Georgios Mangakis (1999) Festschrift für Ioannis Manoledakis (2005) Festschrift für Reinhard Maurach zum 70. Geburtstag (1972) Beiträge zur gesamten Strafrechtswissenschaft, Festschrift für Hellmuth Mayer zum 70. Geburtstag (1966) Festschrift für Volkmar Mehle zum 65. Geburtstag (2009) Recht – Philosophie – Literatur, Festschrift für Reinhard Merkel zum 70. Geburtstag (2020) Festschrift für Lutz Meyer-Goßner zum 65. Geburtstag (2001) Festschrift für Edmund Mezger zum 70. Geburtstag (1954) Festschrift für Wolf Middendorf zum 70. Geburtstag (1986) NStZ-Sonderheft – Zum Eintritt in den Ruhestand für Klaus Miebach (2009) Strafprozessrecht im Wandel, Festschrift für Roland Miklau zum 65. Geburtstag (2006) Festschrift für Koichi Miyazawa (1995) Festschrift für Philipp Möhring zum 65. Geburtstag (1965) Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte; Festschrift für Hermann Mosler zum 70. Geburtstag (1983) Opuscula Honoraria, Egon Müller zum 65. Geburtstag (2003) Festschrift für Egon Müller zum 70. Geburtstag (2008) Grundlagen staatlichen Strafens, Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag (2001) Strafrecht und Justizgewährung, Festschrift für Kay Nehm zum 65. Geburtstag (2006) Rechtsstaatliches Strafrecht, Festschrift für Ulfrid Neumann zum 70. Geburtstag (2017) Festschrift für Harua Nishihara zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Walter Odersky zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift für Dietrich Oehler zum 70. Geburtstag (1985) Strafrecht – Jugendstrafrecht – Kriminalprävention in Wissenschaft und Praxis – Festschrift für Heribert Ostendorf zum 70. Geburtstag (2015) Festschrift für Harro Otto zum 70. Geburtstag (2007)

LVIII

Literaturverzeichnis

FS Paarhammer FS Paeffgen FS Partsch FS Paulus

FS Pavisic FS Peters FS Peters II FS Chr. Pfeiffer FS Pfeiffer

FS Pfenniger FS Platzgummer FS Posser FS Pöttering FS Puppe FS Rebmann FS Reichsgericht

FS Reichsjustizamt FS Remmers FS Rengier FS Ress FS Richter FS Rieß FS Rill FS Rissing-van Saan FS Rittler FS Rogall FS Rolinski FS Rosenfeld FS Rowedder FS Roxin FS Roxin II FS Rössner

LIX

In mandatis meditari, Festschrift für Hans Paarhammer zum 65. Geburtstag (2012) Strafe und Prozess im freiheitlichen Rechtsstaat – Festschrift für HansUllrich Paeffgen zum 70. Geburtstag (2015) Des Menschen Recht zwischen Freiheit und Verantwortung, Festschrift für Karl Josef Partsch zum 75. Geburtstag (1989) Festgabe des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg für Rainer Paulus zum 70. Geburtstag (2009) Kazneno Pravo, Kazneno Postupovno I Kriminalistika, Festschrift für Berislav Pavisic zum 70. Geburtstag (2014) Einheit und Vielfalt des Strafrechts, Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag (1974) Wahrheit und Gerechtigkeit im Strafverfahren, Festgabe für Karl Peters zum 80. Geburtstag (1984) Kriminologie ist Gesellschaftswissenschaft, Festschrift für Christian Pfeiffer zum 70. Geburtstag (2014) Strafrecht, Unternehmensrecht, Anwaltsrecht, Festschrift für Gerd Pfeiffer zum Abschied aus dem Amt als Präsident des Bundesgerichtshofes (1988) Strafprozeß und Rechtsstaat, Festschrift zum 70. Geburtstag von H. F. Pfenniger (1976) Festschrift für Winfried Platzgummer zum 65. Geburtstag (1995) Anwalt des Rechtsstaats – Festschrift für Diether Posser zum 75. Geburtstag (1997) Processus Criminalis Europeus, Festschrift für Hans-Gert Pöttering (2008) Strafrechtswissenschaft als Analyse und Konstruktion, Festschrift für Ingeborg Puppe zum 70. Geburtstag (2011) Festschrift für Kurt Rebmann zum 65. Geburtstag (1989) Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, Bd. 5, Strafrecht und Strafprozeß (1929) Vom Reichsjustizamt zum Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des Reichsjustizamtes am 1.1.1877 (1977) Vertrauen in den Rechtsstaat, Beiträge zur deutschen Einheit im Recht, Festschrift für Walter Remmers (1995) Festschrift für Rudolf Rengier zum 70. Geburtstag (2018) Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, Festschrift für Georg Ress zum 70. Geburtstag (2005) Verstehen und Widerstehen, Festschrift für Christian Richter II zum 65. Geburtstag (2006) Festschrift für Peter Rieß zum 70. Geburtstag (2002) Grundfragen und aktuelle Probleme des öffentlichen Rechts – Festschrift für Heinz Peter Rill zum 60. Geburtstag (1995) Festschrift für Ruth Rissing-van Saan zum 65. Geburtstag (2011) Festschrift für Theodor Rittler zu seinem achtzigsten Geburtstag (1957) Systematik in Strafrechtswissenschaft und Gesetzgebung – Festschrift für Klaus Rogall zum 70. Geburtstag (2018) Festschrift für Klaus Rolinski zum 70. Geburtstag (2002) Festschrift für Ernst Heinrich Rosenfeld zu seinem 80. Geburtstag (1949) Festschrift für Heinz Rowedder zum 75. Geburtstag (1994) Festschrift für Claus Roxin zum 70. Geburtstag (2001) Festschrift für Claus Roxin zum 80. Geburtstag (2011) Über allem: Menschlichkeit – Festschrift für Dieter Rössner zum 70. Geburtstag (2015)

Literaturverzeichnis

Rudolphi-Symp. FS Rudolphi FS Rüping FS Rüter FS Salger

FS Samson FS Sarstedt FS Sauer FS G. Schäfer FS Schäfer FS Scharf FS W. Schiller FS Schindler FS Schlochauer FS Schlothauer FS Schlüchter

FS Schmidt FS H. Schmidt FS Schmidt-Leichner FS Schmitt-Glaeser FS Schneider FS Schomburg FS Schöch FS Schreiber FS Schroeder FS Schüler-Springorum FS Schünemann FS Schultz FS Schwind FS Seebode FS Seidl-Hohenveldern

FS Sellert FS Sendler FS Spendel FS Spinellis FS StA Schleswig-Holstein

Zur Theorie und Systematik des Strafprozeßrechts, Symposium zu Ehren von HansJoachim Rudolphi zum 60. Geburtstag (1995) Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi zum 70. Geburtstag (2004) Recht und Macht: zur Theorie und Praxis von Strafe, Festschrift für Hinrich Rüping zum 65. Geburtstag (2008) Festschrift für C. F. Rüter zum 65. Geburtstag (2003) Straf- und Strafverfahrensrecht, Recht und Verkehr, Recht und Medizin, Festschrift für Hannskarl Salger zum Abschied aus dem Amt als Vizepräsident des Bundesgerichtshofes (1995) Festschrift für Erich Samson zum 70. Geburtstag (2010) Festschrift für Werner Sarstedt zum 70. Geburtstag (1981) Festschrift für Wilhelm Sauer zu seinem 70. Geburtstag (1949) NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer zum 65. Geburtstag (2002) Festschrift für Karl Schäfer zum 80. Geburtstag (1980) Festschrift für Ulrich Scharf zum 70. Geburtstag (2008) Festschrift für Wolf Schiller zum 65. Geburtstag (2014) Im Dienst an der Gemeinschaft, Festschrift für Dietrich Schindler zum 65. Geburtstag (1989) Staatsrecht – Völkerrecht – Europarecht, Festschrift für Hans Jürgen Schlochauer (1981) Festschrift für Reinhold Schlothauer zum 70. Geburtstag (2018) Freiheit und Verantwortung in schwieriger Zeit, Kritische Studien aus vorwiegend straf(prozess-)rechtlicher Sicht zum 60. Geburtstag von Ellen Schlüchter (1998) Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag (1961) Kostenerstattung und Streitwert, Festschrift für Herbert Schmidt (1981) Festschrift für Erich Schmidt-Leichner zum 65. Geburtstag (1975) Recht im Pluralismus, Festschrift für Walter Schmitt-Glaeser zum 70. Geburtstag (2003) Kriminologie an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Festschrift für Hans Joachim Schneider zum 70. Geburtstag (1998) Justice Without Borders – Essays in Honour of Wolfgang Schomburg (2018) Festschrift für Heinz Schöch zum 70. Geburtstag (2010) Strafrecht, Biorecht, Rechtsphilosophie, Festschrift für Hans-Ludwig Schreiber zum 70. Geburtstag (2003) Festschrift für Friedrich-Christian Schroeder zum 70. Geburtstag (2006) Festschrift für Horst Schüler-Springorum zum 65. Geburtstag (1993) Festschrift für Bernd Schünemann zum 70. Geburtstag (2014) Lebendiges Strafrecht. Festgabe zum 65. Geburtstag von Hans Schultz (1977) Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen, Festschrift für Hans-Dieter Schwind zum 70. Geburtstag (2006) Festschrift für Manfred Seebode zum 70. Geburtstag (2008) Völkerrecht, Recht der Internationalen Organisationen, Weltwirtschaftsrecht; Festschrift für Ignaz Seidl-Hohenveldern zum 70. Geburtstag (1988) Zur Erhaltung guter Ordnung – Beiträge zur Geschichte von Recht und Justiz, Festschrift für Wolfgang Sellert zum 65. Geburtstag (2000) BürgerRichterStaat, Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt (1991) Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag (1992) Festschrift für Dionysios Spinellis zum 70. Geburtstag (1999–2003) Strafverfolgung und Strafverzicht, Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Staatsanwaltschaft Schleswig-Holstein (1992)

LX

Literaturverzeichnis

FS Steinberger FS Steinhilper FS Stober FS Stock FS Stöckel FS Strauda

FS Stree/Wessels FS Streng FS Szwarc FS Tepperwien FS Tiedemann FS Tondorf FS Trechsel FS Triffterer FS Tröndle FS Trusen FS Verdross FS Verdross II FS Verosta FS Volk FS von Simson FS Vormbaum FS Wassermann FS v. Weber FS Weber FS Weißauer FS Welp FS Welzel FS Wessing FS Widmaier

FS Winkler FS Wolff FS Wolter

LXI

Tradition und Weltoffenheit des Rechts, Festschrift für Helmut Steinberger (2002) Kriminologie und Medizinrecht, Festschrift für Gernot Steinhilper zum 70. Geburtstag (2013) Festschrift für Rolf Stober, Wirtschaft – Verwaltung – Recht (2008) Studien zur Strafrechtswissenschaft, Festgabe für Ulrich Stock zum 70. Geburtstag (1966) Strafrechtspraxis und Reform, Festschrift für Heinz Stöckel zum 70. Geburtstag (2010) Festschrift zu Ehren des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer anlässlich seiner 196. Tagung vom 13.–15.10.2006 in Münster (2006) Beiträge zur Rechtswissenschaft, Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag (1993) Festschrift für Franz Streng zum 70. Geburtstag (2017) Vergleichende Strafrechtswissenschaft, Frankfurter Festschrift für Andrzej J. Szwarc zum 70. Geburtstag (2009) NJW-Festheft zum 65. Geburtstag von Ingeborg Tepperwien (2010) Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht, Festschrift für Klaus Tiedemann zum 70. Geburtstag (2008) Festschrift für Günter Tondorf zum 70. Geburtstag (2004) Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte, Festschrift für Stefan Trechsel zum 65. Geburtstag (2002) Festschrift für Otto Triffterer zum 65. Geburtstag (1996) Festschrift für Herbert Tröndle zum 70. Geburtstag (1989) Festschrift für Winfried Trusen zum 70. Geburtstag (1994) Völkerrecht und zeitliches Weltbild, Festschrift für Alfred Verdross zum 70. Geburtstag (1960) Ius humanitas, Festschrift für Alfred Verdross zum 90. Geburtstag (1980) Völkerrecht und Rechtsphilosophie, Internationale Festschrift für Stephan Verosta zum 70. Geburtstag (1980) In dubio pro libertate, Festschrift für Klaus Volk zum 65. Geburtstag (2009) Grundrechtsschutz im nationalen und internationalen Recht – Festschrift für Werner von Simson zum 75. Geburtstag (1983) Strafrecht und Juristische Zeitgeschichte – Symposium anlässlich des 70. Geburtstages von Thomas Vormbaum Festschrift für Rudolf Wassermann zum 60. Geburtstag (1985) Festschrift für Hellmuth von Weber zum 70. Geburtstag (1963) Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag (2004) Ärztliches Handeln – Verrechtlichung eines Berufsstandes; Festschrift für Walther Weißauer zum 65. Geburtstag (1986) Strafverteidigung in Forschung und Praxis, Kriminalwissenschaftliches Kolloquium aus Anlaß des 70. Geburtstages von Jügen Welp (2006) Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag (1974) Unternehmensstrafrecht – Festschrift für Jürgen Wessing zum 65. Geburtstag (2015) Strafverteidigung, Revision und die gesamten Strafrechtswissenschaften – Festschrift für Gunter Widmaier zum 70. Geburtstag (2008) Beiträge zum Verfassungs- und Wirtschaftsrecht, Festschrift für Günther Winkler (1989) Festschrift für Ernst Amadeus Wolff zum 70. Geburtstag (1998) Festschrift für Jürgen Wolter zum 70. Geburtstag (2013)

Literaturverzeichnis

FS Würtenberger FS Würtenberger II FS Würzburger Juristenfakultät FS Yamanaka FS Zeidler FS Zoll Full/Möhl/Rüth Gaede Gaier/Wolf/Göcken GedS Bleckmann GedS Blomeyer GedS Blumenwitz GedS Bruns GedS Eckert GedS Geck GedS Heine GedS Joecks GedS A. Kaufmann GedS H. Kaufmann GedS Keller GedS Küchenhoff GedS Lisken

GedS Meurer GedS Meyer GedS Noll GedS H. Peters GedS Ryssdal

GedS Schlüchter GedS Schröder GedS Seebode GedS Tröndle GedS Trzaskalik GedS Walter GedS Weßlau GedS Vogler GedS Zipf

Kultur, Kriminalität, Strafrecht, Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag (1977) Verfassungsstaatlichkeit im Wandel, Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag (2013) Raum und Recht, Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät (2002) Rechtsstaatliches Strafen, Festschrift für Keiichi Yamanaka zum 70. Geburtstag (2017) Festschrift für Wolfgang Zeidler (1987) Rechtsstaat und Strafrecht, Festschrift für Andrzej Zoll zum 70. Geburtstag (2012) s. Rüth/Berr/Berz Gaede, Fairness als Teilhabe – das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK (2007) Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. (2019) Rechtsstaatliche Ordnung Europas – Gedächtnisschrift für Albert Bleckmann (2007) Recht der Wirtschaft und Arbeit in Europa. Gedächtnisschrift für Wolfgang Blomeyer (2004) Iustitia et Pax, Gedächtnisschrift für Dieter Blumenwitz (2008) Gedächtnisschrift für Rudolf Bruns (1980) Gedächtnisschrift für Jörn Eckert (2008) Verfassungsrecht und Völkerrecht, Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck (1989) Strafrecht als ultima ratio – Gießener Gedächtnisschrift für Günter Heine (2015) Strafrecht – Wirtschaftsstrafrecht – Steuerrecht – Gedächtnisschrift für Wolfgang Joecks (2018) Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann (1986) Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann (1986) Gedächtnisschrift für Rolf Keller (2003) Recht und Rechtsbesinnung, Gedächtnisschrift für Günter Küchenhoff (1987) Lauschen im Rechtsstaat – Zu den Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff, Gedächtnisschrift für Hans Lisken (2004) Gedächtnisschrift für Dieter Meurer (2002) Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer (1990) Gedächtnisschrift für Peter Noll (1984) Gedächtnisschrift für Hans Peters (1967) Protection des droits de l’homme: la perspective européenne/Protecting Human Rights: The European Perspective, Gedächtnisschrift für Rolv Ryssdal (2000) Gedächtnisschrift für Ellen Schlüchter (2002) Gedächtnisschrift für Horst Schröder (1978) Im Zweifel für die Freiheit – Gedächtnisschrift für Manfred Seebode (2015) Gedächtnisschrift für Herbert Tröndle (2020) Gedächtnisschrift für Christoph Trzaskalik (2005) Kriminologie – Jugendkriminalrecht – Strafvollzug, Gedächtnisschrift für Michael Walter (2014) Rechtsstaatlicher Strafprozess und Bürgerrechte – Gedächtnisschrift für Edda Weßlau (2016) Gedächtnisschrift für Theo Vogler (2004) Gedächtnisschrift für Heinz Zipf (1999)

LXII

Literaturverzeichnis

Geerds Geiger/Khan/Kotzur Gercke/Leimenstoll/Stirner Gerland Gerold/Schmidt/v. Eicken/ Madert/Müller-Rabe Gerson Gerst Glaser Göbel Göhler

Gössel Gössel/Dölling Goldschmidt Grabenwarter/Pabel Grabitz/Hilf/Nettesheim Graf Graf/Goers (BGH Jahr)

Graf/Jäger/Wittig Graf zu Dohna Greeve/Leipold Grote/Marauhn/Dörr Grunau/Tiesler von der Grün Grützner/Pötz/Kreß/Gazeas Guradze Gürtner Habschick Hackner/Schierholt Hahn Haller/Conzen Hamm/Hassemer/Pauly Hamm/Pauly Hanack-Symp. Hansens Hartmann/Toussaint Hartung/Schons/Enders Haupt/Weber/Bürner/ Frankfurth/Luxemburger/ Marth

LXIII

Handbuch der Kriminalistik, begr. von H. Groß, neubearbeitet von Geerds, 10. Aufl. (Bd. I 1977, Bd. II 1978) Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Kommentar, 6. Aufl. (2017) Gercke/Leimenstoll/Stirner, Handbuch Medizinstrafrecht (2020) Gerland, Der Deutsche Strafprozeß (1927) Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 24. Aufl. (2019) Gerson, Das Recht auf Beschuldigung (2016) Gerst (Hrsg.), Zeugen in der Hauptverhandlung, 2. Aufl. (2020) Glaser, Handbuch des Strafprozesses, in Binding, Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft (Bd. I 1883, Bd. II 1885) Göbel, Strafprozess, 8. Aufl. (2013) Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, Kurzkommentar erläutert von Erich Göhler, fortgef. von Peter König und Helmut Seitz, 17. Aufl. (2017) Gössel, Strafverfahrensrecht, Studienbuch (1977) Gössel/Dölling, Strafrecht, Besonderer Teil 1, 2. Aufl. (2004) Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage (1925) Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 7. Aufl. (2021) Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, begr. von Grabitz, Loseblattausgabe, 72. Aufl. (2021) Graf, Strafprozessordnung, 4. Aufl. (2021) Graf, BGH-Rechtsprechung Strafrecht 2010 (2011); 2011 (2012); 2012/2013 (2013); 2014 (2014); 2015 (2015); 2016 (2016); 2017 (2017); 2018 (2018); 2020 (2020) Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. (2017) Graf zu Dohna, Das Strafprozeßrecht, 3. Aufl. (1929) Greeve/Leipold, Handbuch des Baustrafrechts (2004) Grote/Marauhn/Dörr, EMRK/GG, Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2. Aufl. (2013) Grunau/Tiesler, Strafvollzugsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. (1982) von der Grün, Verdeckte Ermittlungen (2018) Grützner/Pötz/Kreß/Gazeas, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, Loseblattausgabe, Stand 2021 Guradze, Die Europäische Menschenrechtskonvention, 1968 Das kommende deutsche Strafverfahren, Bericht der amtlichen Strafprozeßkommission, hrsg. von Gürtner (1938) Habschick, Erfolgreich Vernehmen, 4. Aufl. (2016) Hackner/Schierholt, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl. (2017) Hahn, Die gesamten Materialien zur Strafprozeßordnung und dem Einführungsgesetz, Bd. I (1880), Bd. II (1881) Haller/Conzen, Das Strafverfahren, 9. Aufl. (2021) Hamm/Hassemer/Pauly, Beweisantragsrecht, 3. Aufl. (2019) Hamm, Die Revision in Strafsachen, 8. Aufl. (2020) Aktuelle Probleme der Strafrechtspflege, Beiträge eines Symposions anläßlich des 60. Geburtstags von Ernst Walter Hanack (1991) Hansens, RVG, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl. (2018) Hartmann/Toussaint, Kostengesetze, 51. Aufl. (2021) Hartung/Schons/Enders, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Kommentar, 3. Aufl. (2017) Haupt/Weber/Bürner/Frankfurth/Luxemburger/Marth, Handbuch Opferschutz und Opferhilfe, 2. Aufl. (2003)

Literaturverzeichnis

HdbStR HdbVerfR Hecker Heghmanns/Herrmann Heghmanns, Verteidigung Heghmanns/Scheffler Hellebrand Hellmann Henkel Henssler/Prütting Hentschel Hentschel/König/Dauer Herrmann Herrnfeld/Brodowski/ Burchard Herrnfeld/Esser Heselhaus/Nowak Herzog/Mülhausen von Hippel HK HK-GS Höflich/Schriever/Bartmeier Hömig/Wolff Hofmann von Holtzendorff HRRS-FG Fezer Ignor/Mosbacher IK-EMRK

Ipsen Isele Jacobs/White/Ovey Jahn/Krehl/Löffelmann/ Güntge Jahn/Nack (I) Jahn/Nack (II) Jahn/Nack (III) Jahn/Nack (IV)

Handbuch des Strafrechts, hrsg. von Hilgendorf/Kudlich/Valerius, ab 2018 Handbuch des Verfassungsrechts, hrsg. von Benda/Maihofer/Vogel, 2. Aufl. (1994) Hecker, Europäisches Strafrecht, 5. Aufl. (2015) Heghmanns/Herrmann, Das Arbeitsgebiet des Staatsanwalts, 5. Aufl. (2017) Heghmanns, Verteidigung in Strafvollstreckung und Strafvollzug, 2. Aufl. (2012) Heghmanns/Scheffler, Handbuch zum Strafverfahren (2008) (zit.: HbStrVf/Verfasser) Hellebrand, Die Staatsanwaltschaft (1999) Hellmann, Strafprozessrecht, 2. Aufl. (2005) Henkel, Strafverfahrensrecht, Lehrbuch, 2. Aufl. (1968) Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar, hrsg. von Henssler/Prütting, 5. Aufl. (2019) Hentschel, Trunkenheit, Fahrerlaubnisentziehung, Fahrverbot im Strafund Ordnungswidrigkeitenrecht, 10. Aufl. (2006) Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. (2021) Herrmann, Untersuchungshaft (2007) Herrnfeld/Brodowski/Burchard, European Public Prosecutor's Office, 2020 Herrnfeld/Esser, Europäische Staatsanwaltschaft (2021) Heselhaus/Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, 2. Aufl. (2020) Herzog/Mülhausen, Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung (2006) von Hippel, Der deutsche Strafprozeß, Lehrbuch (1941) Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Aufl. (2019) siehe Dölling/Duttge/Rössner Höflich/Schriever/Bartmeier, Grundriss Vollzugsrecht, 4. Aufl. (2014) Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 12. Aufl. (2018) Hofmann, IPBPR Erläuterung, in: Das Deutsche Bundesrecht I A 10c (1986) von Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafprozesses (1879) HRRS-Festgabe für Gerald Fezer zum 70. Geburtstag (2008) Ignor/Mosbacher, Handbuch Arbeitsstrafrecht, 3. Aufl. (2016) Pabel/Schmahl (Hrsg.), Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Loseblattausgabe, 21. Lfg., Kommentar, 8. Aufl. (2015) Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl. 2018 Isele, Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar (1976) Jacobs/White/Ovey, The European Convention on Human Rights, 7ed. 2017 Jahn/Krehl/Löffelmann/Güntge, Die Verfassungsbeschwerde in Strafsachen, 2. Aufl. (2017) Jahn/Nack (Hrsg.), Strafprozessrechtspraxis und Rechtswissenschaft, 1. Karlsruher Strafrechtsdialog (2007) Jahn/Nack (Hrsg.), Rechtsprechung, Gesetzgebung, Lehre: Wer regelt das Strafrecht?, 2. Karlsruher Strafrechtsdialog (2009) Jahn/Nack (Hrsg.), Gegenwartsfragen des europäischen und deutschen Strafrechts, 3. Karlsruher Strafrechtsdialog (2011) Jahn/Nack (Hrsg.), Rechtsprechung in Strafsachen zwischen Theorie und Praxis – zwei Seiten einer Medaille?, 4. Karlsruher Strafrechtsdialog (2013)

LXIV

Literaturverzeichnis

Jahn/Radtke (V)

Jahn/Radtke (VI) Jakobs Janiszewski Jansen Janssen Jarass Jarass/Pieroth Jescheck/Weigend Joachimski/Haumer Joecks Joecks/Jäger/Randt Johann John Jung Junker Junker/Armatage Kaiser Kaiser/Schöch/Kinzig Kamann Kammeier/Pollähne Karpenstein/Mayer Katholnigg Kämmerer/Eidenmüller Kindhäuser Kindhäuser/Schumann Kinzig Kirsch Kissel/Mayer KK KK-OWiG Klein/(Orlopp) Klemke/Elbs Klesczewski KMR Knierim/Rübenstahl/ Tsambikakis

LXV

Deutsche Strafprozessreform und Europäische Grundrechte – Herausforderungen auch für die Rechtsprechung des BGH in Strafsachen? – Referate und Diskussionen auf dem 5. Karlsruher Strafrechtsdialog (2015) Der Bundesgerichtshof im Spiegel der Öffentlichkeit – Referate und Diskussionen auf dem 6. Karlsruher Strafrechtsdialog (2017) Jakobs, Strafrecht Allg. Teil, Lehrbuch, 2. Aufl. (1991) Janiszewski, Verkehrsstrafrecht, 5. Aufl. (2004) Jansen, Zeuge und Aussagepsychologie, 2. Aufl. (2012) Janssen, Gewinnabschöpfung im Strafverfahren (2007) Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. (2021) Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. (2020) Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. (1996) Joachimski/Haumer, Strafverfahrensrecht, 7. Aufl. (2015) Joecks, Studienkommentar StPO, 4. Auflage (2015) Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht mit Zoll- und Verbrauchsteuerstrafrecht, 8. Aufl. (2015) Johann, Möglichkeiten und Grenzen des neuen Vermögensabschöpfungsrechts (2019) John, Strafprozeßordnung, Kommentar, Bd. I (1884), Bd. II (1888), Bd. III Lfg. 1 (1889) Jung, Praxiswissen Strafverteidigung von Ausländern (2009) Junker, Beweisantragsrecht im Strafprozess, 3. Aufl. (2019) Junker/Armatage, Praxiswissen Strafverteidigung (2009) Kaiser, Kriminologie, Lehrbuch, 3. Aufl. (1996) Kaiser/Schöch/Kinzig, Kriminologie, Jugendstrafrecht, Strafvollzug, Lehrbuch, 8. Aufl. (2015) Kamann, Handbuch für die Strafvollstreckung und den Strafvollzug, 2. Aufl. (2008) Kommentar zum Maßregelvollzugsrecht, hrsg. von Kammeier/Pollähne, 4. Aufl. (2018) Karpenstein/Mayer (Hrsg.) EMRK – Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. (2015) Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 3. Aufl. (1999) Kämmerer/Eidenmüller, Post- und Fernmeldewesen (1971) Kindhäuser, Strafgesetzbuch, Lehr- und Praxiskommentar, 8. Aufl. (2019) Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, 5. Aufl. (2019) Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität (2004) Kirsch (Hrsg.), Internationale Strafgerichtshöfe (2005) Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), 10. Aufl. 2021 Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, hrsg. von Hannich, 8. Aufl. (2019) Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, hrsg. von Senge, 5. Aufl. (2018) Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 15. Aufl. (2020) Klemke/Elbs, Einführung in die Praxis der Strafverteidigung, 4. Aufl. (2019) Klesczewski, Strafprozessrecht, 2. Aufl. (2013) Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, hrsg. von Heintschel-Heinegg/Stöckel, Loseblattausgabe (ab 1998) Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis (Hrsg.), Internal Investigations, 2. Aufl. (2016)

Literaturverzeichnis

Koch/Scholtz König Koeniger Körner/Patzak/Volkmer Kohlmann Kohlrausch Kraatz Krack Kramer Krause/Nehring Krekeler/Werner Krenberger/Krumm Krey/Heinrich von Kries Kühne Kunz Kunz/Zellner/Gelhausen/ Weiner Lackner/Kühl Laubenthal Laubenthal/Baier/Nestler Laubenthal/Nestler Laubenthal/Nestler/ Neubacher/Verrel Leitner/Michalke Lemke/Mosbacher Lesch von Lilienthal Lindemann Lingens/Korte Lisken/Denninger LK Löffler LR25 LR26

MAH MAH (WSSt) Malek Malek (BtMG) Malek/Popp (Internet) von Mangoldt/Klein/Starck Marberth-Kubicki

Koch/Scholtz, Abgabenordnung, Kommentar, 5. Aufl. (1996) König, Anwaltkommentar Untersuchungshaft (2011) Koeniger, Die Hauptverhandlung in Strafsachen (1966) Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, Kommentar, 9. Aufl. (2019) Kohlmann, Steuerstrafrecht mit Ordnungswidrigkeitenrecht und Verfahrensrecht, Loseblattausgabe, Stand November 2019 Kohlrausch, Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 24. Aufl. (1936) Kraatz, Ordnungswidrigkeitenrecht (2020) Krack, Die Rehabilitierung des Beschuldigten im Strafverfahren (2002) Kramer, Grundbegriffe des Strafverfahrensrechts, 8. Aufl. (2014) Krause/Nehring, Strafverfahrensrecht in der Polizeipraxis (1978) Krekeler/Werner, Verteidigung in Wirtschaftsstrafsachen, 2. Aufl. (2013) Krenberger/Krumm, Ordnungswidrigkeitengesetz, 6. Aufl. (2020) Krey/Heinrich, Deutsches Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. (2018) von Kries, Lehrbuch des Deutschen Strafprozeßrechts (1892) Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. (2015) Kunz, StrEG – Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, 4. Aufl. (2010) Kunz/Zellner/Gelhausen/Weiner, Opferentschädigungsgesetz, 6. Aufl. (2015) Lackner/Kühl, Strafgesetzbuch, Kommentar, 29. Aufl. (2018) Laubenthal, Strafvollzug, 8. Aufl. (2019) Laubenthal/Baier/Nestler, Jugendstrafrecht, 3. Aufl. (2015) Laubenthal/Nestler, Strafvollstreckung, 2. Aufl. (2018) Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, Kommentar, 12. Aufl. (2015) Leitner/Michalke, Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen (2007) Lemke/Mosbacher, Ordnungswidrigkeitengesetz, 2. Aufl. (2005) Lesch, Strafprozeßrecht, 2. Aufl. (2002) von Lilienthal, Strafprozeßrecht, Lehrbuch (1923) Lindemann, Voraussetzungen und Grenzen legitimen Wirtschaftsstrafrechts (2012) Lingens/Korte, Wehrstrafgesetz, 5. Aufl. (2012) Handbuch des Polizeirechts, hrsg. von Lisken/Denninger, 6. Aufl. (2018) Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Aufl., hrsg. von Laufhütte/Rissing-van Saan/Tiedemann (ab 2006) Löffler, Presserecht, 6. Aufl. (2015) Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, hrsg. von Rieß, 26. Aufl. (2012) Löwe-Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, hrsg. von Erb, Esser, Franke, Graalmann-Scheerer, Hilger, Ignor, 26. Aufl. (2006 bis 2014), 27. Aufl. (ab 2016) Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, hrsg. von Widmaier/ Müller/Schlothauer, 2. Aufl. (2014) Münchener Anwaltshandbuch Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, hrsg. von Volk, 3. Aufl. (2020) Malek, Verteidigung in der Hauptverhandlung, 5. Aufl. (2017) Malek, Betäubungsmittelstrafrecht, 4. Aufl. (2014) Malek/Popp, Strafsachen im Internet, 2. Aufl. (2015) von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, 7. Aufl. (2018), 3. Bd. Marberth-Kubicki, Computer- und Internetstrafrecht, 2. Aufl. (2010)

LXVI

Literaturverzeichnis

Marschner/Lesting/ Stahmann Marx/Roderfeld

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LXVII

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MüKo-BGB MüKo-StGB Niese Nipperdey/Scheuner NK-StGB Nobis Nobis/Schlothauer/Weider Nowak Oetjen/Endriß OK-GG OK-StGB OK-StPO Ostendorf Ostendorf (U-Haft) Ostendorf (JStVollzR) Ostendorf (Jugendgerichtsgesetz) Ostendorf/Drenkhahn Palandt Park Park (Kapitalmarkt) Partsch

Peter (Opferanwalt) Peter Peters/Altwicker (EMRK) Peters Peters (Fehlerquellen) Pfeiffer Pfordte/Degenhard Piller/Hermann Plötz (Fürsorgepflicht) Pohlmann/Jabel/Wolf Poller/Teubel Popp Potrykus Protokolle Püschel/Bartmeier/Mertens Putzke/Scheinfeld Quedenfeld/Füllsack Quellen

Radtke/Hohmann Randt Ranft

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Rixecker/Säcker/Limperg/Oetker, 8. Aufl. (2018) Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Joecks/Miebach (ab 2003), 3. Aufl. (2017) Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen (1950) Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, 4 Bände (ab 1954) Nomos-Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg. von Kindhäuser/ Neumann/Paeffgen, 5. Aufl. (2017) Nobis, Strafverteidigung vor dem Amtsgericht, 2. Aufl. (2018) Nobis/Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 5. Aufl. (2016) Nowak, CCPR – Commentary – Commentary on the U.N. Covenant on Civil and Political Rights, 2nd Edition (2005) Oetjen/Endriß, Leitfaden Untersuchungshaft (1999) Beck-Online-Kommentar zum GG Beck-Online-Kommentar zum StGB Beck-Online-Kommentar zur StPO Ostendorf, Strafprozessrecht, 3. Aufl. (2018) Ostendorf, Untersuchungshaft und Abschiebehaft (2012) Ostendorf (Hrsg.), Jugendstrafvollzugsrecht, 3. Aufl. (2016) Ostendorf, Jugendgerichtsgesetz, 11. Aufl. (2021) Ostendorf/Drenkhahn, Jugendstrafrecht, 10. Aufl. (2020) Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kurzkommentar, 80. Aufl. (2021) Park, Handbuch Durchsuchung und Beschlagnahme, 4. Aufl. (2018) Park, Kapitalmarktstrafrecht, Handkommentar, 5. Aufl. (2019) Partsch, Die Rechte und Freiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1966 (Sonderdruck aus Bettermann/Neumann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte der Welt Bd. I 1) Peter, Das 1x1 des Opferanwalts, 3. Aufl. (2017) Peter, Das 1x1 der Hauptverhandlung, 2. Aufl. (2011) Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. (2012) Peters, Strafprozeß, Lehrbuch, 4. Aufl. (1985) Peters, Fehlerquellen im Strafprozeß, Band I (1970), Band II (1972), Band III (1974) Pfeiffer, Strafprozessordnung, Kommentar, 5. Aufl. (2005) Pfordte/Degenhard, Der Anwalt im Strafrecht (2005) Piller/Hermann, Justizverwaltungsvorschriften, Loseblattsammlung Plötz, Die gerichtliche Fürsorgepflicht im Strafverfahren (1980) Pohlmann/Jabel/Wolf, Strafvollstreckungsordnung, Kommentar, 9. Aufl. (2015) Poller/Teubel, Gesamtes Kostenhilferecht, 3. Aufl. (2018) Popp, Grundzüge der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (2001) Potrykus, Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz, 4. Aufl. (1955) Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses (1905) Püschel/Bartmeier/Mertens, Untersuchungshaft in der anwaltlichen Praxis (2011) Putzke/Scheinfeld, Strafprozessrecht, 8. Aufl. (2019) Quedenfeld/Füllsack, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 5. Aufl. (2016) Quellen zur Reform des Straf und Strafprozeßrechts, hrsg. von Schubert/ Regge/Rieß/Schmid, I. Abt. – Weimarer Republik, II. Abt. NS-Zeit – Strafgesetzbuch, III. Abt. NS-Zeit – Strafverfahrensrecht (ab 1988) Radtke/Hohmann, Strafprozessordnung, Kommentar (2011) Randt, Der Steuerfahndungsfall (2004) Ranft, Strafprozeßrecht, (2005)

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Schorn/Stanicki Schroeder/Verrel Schröder Schröder (KapitalStR) Schroth Schulz/Berke-Müller/Händel Schünemann-Symp.

Schwind Schwind/Böhm/Jehle/ Laubenthal Schwinge Seier Sieber/Satzger/ v. Heintschel-Heinegg Simma/Fastenrath Sinn/Zöller/Esser SK SK-StGB Sommer Sowada SSW-StGB SSW Stegbauer Stein/Jonas Stern Strauda-Denkschrift

Streinz/Ohler/Herrmann Streng Tettinger/Stern Thomas/Putzo Tolzmann

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LXX

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Tondorf/Tondorf Trechsel Ulrich Ulsenheimer Umbach/Clemens/Dollinger Verdross/Simma Villiger Vogler/Walter/Wilkitzki Volckart/Pollähne/Woynar Volk (Prozessvoraussetzungen) Volk/Engländer Vordermayer/v. HeintschelHeinegg Wabnitz/Janovsky/Schmitt Wagner/Kallin/Kruse Wankel Wasmeier/Möhlig Weber Weidemann/Scherf Weiner/Ferber Welzel Wendler/Hoffmann Werle/Jeßberger Weyland Wieczorek/Schütze Wiesneth Wiesneth (U-Haft) Wiesneth (Bereitschaftsdienst) Wolf Zieschang/Hilgendorf/ Laubenthal Zieger/Nöding Ziegert Zipf Zöller (ZPO) Zöller Zöller/Esser Zwiehoff

LXXI

Tondorf, Psychologische und psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren, 3. Aufl. (2011) Trechsel, Human Rights in Criminal Prodeedings (2005) Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, Handbuch für die Praxis, 13. Aufl. (2019) Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 6. Aufl. (2020) Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz: Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2. Aufl. (2005) Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. (1984) Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), 2. Aufl. 1999 Vogler/Walter/Wilkitzki, Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Kommentar (1983) Volckart/Pollähne/Woynar, Verteidigung in der Strafvollstreckung und im Vollzug, 5. Aufl. (2014) Volk, Prozeßvoraussetzungen im Strafrecht (1978) Volk/Engländer, Grundkurs StPO, 9. Aufl. (2018) Handbuch für den Staatsanwalt, hrsg. von Vordermayer/v. HeintschelHeinegg, 6. Aufl. (2018) Wabnitz/Janovsky/Schmitt, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 5. Aufl. (2020) Wagner/Kallin/Kruse, Betäubungsmittelstrafrecht, 2. Aufl. (2004) Wankel, Zuständigkeitsfragen im Haftrecht (2002) Wasmeier/Möhlig, Strafrecht der Europäischen Union, 2. Aufl. (2008) Weber, Betäubungsmittelgesetz: BtMG, 5. Aufl. (2017) Weidemann/Scherf, Die Revision im Strafrecht, 3. Aufl. (2017) Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, 2. Aufl. (2016) Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. (1969) Wendler/Hoffmann, Technik und Befragung im Gerichtsverfahren, 2. Aufl. (2015) Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl. (2020) Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar, 10. Aufl. (2020) Wieczorek/Schütze, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 4. Aufl. (ab 2012) Wiesneth, Handbuch für das ermittlungsrichterliche Verfahren (2006) Wiesneth, Untersuchungshaft (2010) Wiesneth, Der amtsgerichtliche Bereitschaftsdienst, 2. Aufl. (2012) Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verfahrenszweige, 6. Aufl. (1987) Strafrecht und Kriminalität in Europa, hrsg. von Zieschang/Hilgendorf/ Laubenthal (2003) Zieger/Nöding, Verteidigung in Jugendstrafsachen, 7. Aufl. (2018) Ziegert, Grundlagen der Strafverteidigung (2000) Zipf, Kriminalpolitik, 2. Aufl. (1980) Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, 33. Aufl. (2020) Terrorismusstrafrecht, 2009 Zöller/Esser (Hrsg.), Justizielle Medienarbeit im Strafverfahren (2019) Zwiehoff, Der Befangenheitsantrag im Strafverfahren, 2. Aufl. (2013)

Strafprozeßordnung Vom 1. Februar 1877 in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319)

SIEBENTES BUCH Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens ERSTER ABSCHNITT Strafvollstreckung Vorbemerkungen Schrifttum Baldauf Wer vollstreckt das Bußgeld? NJW 1970 460; Bartmeier Die Zulässigkeit der sog. „Organisationshaft“, NStZ 2006 544; Böse Vorrang des Unionsrechts? FS Tiedemann (2008) 1321; Bringewat Bewährungshilfe und Strafverteidigung: ein Rollenkonflikt? MDR 1988 617; Dahs/Feigen Offizialverteidigung auch im Strafvollstreckungsverfahren? NStZ 1984 66; Gleß Verkehrsstrafrecht unter europäischem Einfluß, NZV 1999 410; Günther Wer vollstreckt das Bußgeld? NJW 1969 2273 und DAR 1970 41; Jaath Die Verordnung zur Änderung der Jugendarrestvollzugsordnung, JZ 1977 46; Kemper/Lehner Überprüfung rechtskräftiger Strafurteile der DDR, NJW 1991 329; Lagodny Absprachen in transnationalen Strafverfahren, FS Widmaier (2008) 311; ders. Zur Ermessensentscheidung bei einem Antrag eines ausländischen Verurteilten auf Strafverbüßung im Heimatland, JZ 1997 568; Laubenthal/Nestler Strafvollstreckung (2018); Litwinski/Bublies Strafverteidigung im Strafvollzug (1989); Morgenstern Die Anrechnung von „Organisationshaft“ bei Unterbringung nach § 64 und gleichzeitig verhängter Freiheitsstrafe, StV 2007 441; Müller-Dietz Aufgaben und Möglichkeiten der Verteidigung im Strafvollzug, StV 1982 83; Neidhart Die neuen Vollstreckungshilfeabkommen auf dem Prüfstand, NZV 2000 240; Neumann Befugnis der Strafvollstreckungskammer zur Anrechnung von Geldbußen, NJW 1977 1185; Paulus Dogmatik der Verteidigung, NStZ 1992 305; Pohlmann Wer vollstreckt das Bußgeld nach verspätetem Einspruch und in ähnlichen Fällen? Rpfleger 1970 200; Quintero Olivares Der Europagedanke und die Harmonisierung des Strafrechts sowie der Strafjustiz, FS Tiedemann (2008) 1339; Renzikowski Die nachträgliche Sicherungsverwahrung und die Europäische Menschenrechtskonvention, JR 2004 271; Sachs Rechtsschutzgarantie im Rechtshilferecht, JuS 1999 396; Schomburg Zum Stand der Vollstreckungshilfe durch Überstellung in das Heimatland, NStZ 1998 142; Schütz Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten oder Bestellung eines Pflichtverteidigers in Verfahren nach §§ 56f, 57, 57a StGB? NStZ 1985 347; Seitz Mildeste versus punitivste Strafrechtsordnung, FS Böttcher (2007) 675; Sieber Die Zukunft des Europäischen Strafrechts, ZStW 121 (2009) 1; Stadie Wer vollstreckt das Bußgeld? MDR 1970 386; Trennhaus Der Vollzug von Organisationshaft, StV 1999 511; Wesemann Verteidigung mit Blick auf die Strafvollstreckung, StraFo 2009 59; Wessels Zur Erzwingung von Ordnungsstrafen und Erzwingungshaftbeschlüssen, FS Mayer (1966) 587; Wohlers Zur gerichtlichen Beiordnung eines Rechtsbeistands in Strafvollstreckungs- und Strafvollzugssachen, FS Seebode (2008) 573; Zieschang Der Einfluss der Europäischen Union auf das deutsche Strafrecht, FS Tiedemann (2008) 1303.

Entstehungsgeschichte Der Abschnitt, der in der Ursprungsfassung der StPO als §§ 481 bis 495 Gesetz geworden war, hat seine jetzige Paragrafenbezeichnung durch die Bekanntmachung 1924 (RGBl. I S. 322) erhalten. Von diesen Bestimmungen gelten in unveränderter Fassung nur noch die §§ 449, 456 und 461. Alle übrigen Vorschriften haben in den letzten Jahrzehnten mehr oder weniger oft Änderungen erfahren. Darüber hinaus sind seither zahlreiche neue Bestimmun1 https://doi.org/10.1515/9783110275025-001

Graalmann-Scheerer

Vor § 449

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

gen in diesen Abschnitt eingestellt worden, nämlich (in gesetzlicher Reihenfolge) die §§ 450a, 453a, 453b, 453c, 454a, 454b, 455a, 456a, 456b (wieder wegfallen), 456c, 459a bis 459o, 462a, 463a bis 463e, wodurch sich die Zahl der Paragrafen von ursprünglich 15 auf inzwischen 45 verdreifacht hat. Änderungen haben namentlich erfahren: § 450 (Anrechnung der Untersuchungshaft und Führerscheinentziehung); §§ 453 bis 453c (nachträgliche Entscheidungen über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt sowie vorläufige Maßnahmen vor Widerruf der Aussetzung); § 454 (Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung); § 454a (Beginn der Bewährungszeit; Aufhebung der Aussetzung des Strafrestes); § 454b (Vollstreckungsreihenfolge bei Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen; Unterbrechung); § 455 (Strafausstand bei Vollzugsuntauglichkeit); § 455a (Strafausstand aus Gründen der Vollzugsorganisation); § 456a (Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung); § 456c (Aufschub und Aussetzung des Berufsverbots); § 457 (Ermittlungshandlungen; Vorführungsbefehl, Vollstreckungshaftbefehl); § 458 (Gerichtliche Entscheidungen bei Strafvollstreckung); § 459 (Vollstreckung der Geldstrafe; Anwendung des Justizbeitreibungsgesetzes); § 459g (Vollstreckung von Nebenfolgen); § 460 (Nachträgliche Gesamtstrafenbildung); §§ 462, 462a (Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde; Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts); § 463 (Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung); § 463a (Zuständigkeit und Befugnisse der Aufsichtsstellen); § 463b (Beschlagnahme von Führerscheinen); § 463c (Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung) sowie § 463d (Gerichtshilfe). Durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl. I S. 872) wurde die Vollstreckung von Nebenfolgen grundlegend in den §§ 459g bis 459o neu geregelt. Durch Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099) hat der Gesetzgeber die Vorschriften über die Vollstreckung von Nebenfolgen bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung den Bedürfnissen der Praxis angepasst. Wegen weiterer Einzelheiten zu diesen Vorschriften sowie der Entwicklungsgeschichte der übrigen Bestimmungen wird auf die Ausführungen zu den einzelnen Paragrafen verwiesen. Für die Vollstreckung strafgerichtlicher Entscheidungen früherer DDR-Gerichte, deren (grundsätzliche) Zulässigkeit sich schon aus Art. 18 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrags ergibt, gelten nach Anl. I Kap. III Sachgebiet A Abschn. III Nr. 14d bis f zum Einigungsvertrag einige Übergangsregelungen, denen aber inzwischen keine praktische Bedeutung mehr zukommt. Auf sie wird – soweit geboten – bei den einzelnen Paragrafen einzugehen sein.

A.

Übersicht Allgemeine Abgrenzungs- und Verfahrensfragen I. Begriff 1. Sammelbezeichnung 1 2. Vollstreckung bei Verlust von Rechten und Fähigkeiten 4 II. Strafvollstreckung und Strafvollzug 1. Allgemeines 5 2. Zuständigkeit a) Bei Rechtsfolgen, die nicht in Freiheitsentziehungen bestehen 6 b) Bei Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln 8

Graalmann-Scheerer

3.

III. IV. V.

Vollzugsbehörden und -anstalten 9 4. Unterscheidung von Vollstreckung und Vollzug a) Allgemeines 11 b) Jugendgerichtsgesetz 12 c) Frühere Entwürfe 13 d) StVollstrO 14 e) Ergebnis 15 Vollstreckung und Vollzug als Angelegenheiten der Justizverwaltung 16 Grundlagen der Strafvollstreckung 18 Grundlagen des Strafvollzugs 20

2

Vor § 449

1. Abschnitt. Strafvollstreckung

VI.

Grundlagen für den Vollzug von Freiheitsentziehungen gegen Jugendliche und Heranwachsende 21 VII. Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde 22 VIII. Regelungsbereich 23 IX. Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten 1. Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde 26 2. Gerichtliche Bußgeldentscheidungen 28 X. Nebengeschäfte der Vollstreckung 29 XI. Rechtshilfe 1. Inland 30 2. Internationale Strafvollstreckung a) Allgemeines 34 b) Vollstreckung ausländischer Urteile im Inland 36 c) Vollstreckung inländischer Urteile im Ausland 40

B.

XII. Strafvollstreckung an Soldaten der Bun46 deswehr XIII. Notwendige Verteidigung im Vollstreckungsverfahren 47 Besonderheiten in Bezug auf rechtskräftige Entscheidungen der früheren DDR I. Frühere Regelung 48 II. Jetzige Regelung 1. Bedeutung des Art. 18 EinigungsV a) Grundsätzliches 49 b) Einzelerläuterungen aa) Allgemeines 50 bb) Kassation 51 cc) Rehabilitierung 52 2. Bedeutung der Maßgaben zur StPO a) Einführung 53 b) Wortlaut 54 c) Einzelerläuterungen aa) Maßgabe d 55 bb) Maßgabe j 60

Alphabetische Übersicht Bindungswirkung 45 Einigungsvertrag 49 ff. Entziehung der Fahrerlaubnis 4 Ermessensentscheidung 41 Erzwingungshaft 27 Exequaturentscheidung 39 Fahrverbot 4 Gnadenverfahren 44 Heranwachsende 21 Internationale Strafvollstreckung 34 ff. Jugendliche 12, 21 Jugendrichter als Vollstreckungsleiter 12 Justizverwaltung 16 Justizvollzugsanstalt 9, 11 Kassation 51 Maßregeln der Besserung und Sicherung 8 Mitteilung an das Bundeszentralregister 38, 54, 60 Nebengeschäfte 29

Notwendige Verteidigung 47 Ordnungswidrigkeiten 26 f. Rechtsbehelfe 22, 41 Rechtshilfe 30 ff. Rechtsmittel 37 Rehabilitierungsgesetz/DDR 52 Soldaten 46 Strafvollstreckung 5 ff., 11 ff. StVollstrO 14, 18 f. Strafvollzug 5 ff., 11 ff. Überstellung 44 Verlust von Rechten und Fähigkeiten 4 Vollstreckungshilfe – durch das Ausland 34, 40 ff. – für das Ausland 34, 36 ff. – im Inland 30 ff. Vollzugsbehörde 9 Wiederaufnahmeverfahren 44 Zuständigkeiten 6 ff., 37

A. Allgemeine Abgrenzungs- und Verfahrensfragen I. Begriff 1. Sammelbezeichnung. Unter der zusammenfassenden Bezeichnung „Strafvoll- 1 streckung“ regelt der Erste Abschnitt des Siebenten Buchs eine Reihe von Obliegenheiten des Gerichts und der Staatsanwaltschaft, die nach Rechtskraft eines Urteils bei der 3

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Ausführung des Urteilsspruchs erforderlich werden. Dabei handelt es sich um z. T. recht unterschiedliche Maßnahmen, die nur sehr äußerlich unter der Sammelbezeichnung „Strafvollstreckung“ zusammengefasst sind. Zunächst war die Bezeichnung „Straf“vollstreckung von vornherein ungenau, denn Maßnahmen wie die Unbrauchbarmachung gesetzwidriger und die Vernichtung gefährlicher Gegenstände sind keine Strafen, sondern Sicherheitsmaßnahmen. Ihre Durchführung im Wege des Zwangs vollzog sich aber nach dem die Vollstreckung von „Vermögensstrafen“ regelnden § 463 a. F. (jetzt § 459g). 2 Zu eng wurde die Überschrift des Abschnitts in dem Augenblick, als das Gewohnheitsverbrechergesetz 1933 ein System von Maßregeln der Sicherung und Besserung (jetzt: Maßregeln der Besserung und Sicherung – § 61 StGB) in das Strafgesetzbuch einfügte – und der damals neu eingefügte § 463a (jetzt § 463) bestimmte, dass für die Vollstreckung die Vorschriften über die Strafvollstreckung sinngemäß gelten. Mit der Einführung der gerichtlichen Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung sind die im Zusammenhang damit nach Rechtskraft des Urteils erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen in den §§ 453, 453a, 453b, 453c geregelt worden. Wenn aber die Freiheitsstrafe von vornherein ausgesetzt wird, so handelt es sich bei der Belehrung (§ 453a), der Bewährungsüberwachung (§ 453b) und den nachträglichen Entscheidungen (§ 56e StGB, § 453) wohl eher um Maßnahmen, die der Durchführung (der Vollstreckung) des auf Strafaussetzung lautenden Urteils dienen, aber, wie immer man auch den materiellen (nicht: den rechtstechnischen) Gehalt einer mit Strafaussetzung verbundenen Verhängung einer Strafe wertet,1 eben nicht um Maßnahmen, die der Strafvollstreckung – die Vollstreckung ist ja gerade ausgesetzt – oder auch nur der Sicherung einer künftigen Vollstreckung dienen (eine Ausnahme bildet insoweit nur § 453c (vorläufige Maßnahmen vor Widerruf der Aussetzung)), denn die in §§ 453, 453a, 453b bezeichneten Maßnahmen sollen gerade die Bewährung fördern und damit eine Strafvollstreckung nach Möglichkeit entbehrlich machen.2 Noch deutlicher wird die Abweichung von der „Strafvollstreckung“, sofern sie dem 3 Wortsinn gemäß als Verwirklichung des Strafausspruchs verstanden wird, wenn über die Aussetzung des Strafrestes der Freiheitsstrafe zu entscheiden ist (§ 57 StGB, §§ 454, 462a). Denn hier wird in einem gerichtlichen „Nachverfahren“ – und auch meist durch ein anderes als das ursprünglich erkennende Gericht (§ 462a) – darüber befunden, ob die durch das frühere Urteil rechtskräftig verhängte Strafe überhaupt noch vollzogen werden oder nicht an ihre Stelle eine „Sanktion“ anderer Art treten soll.3 Andere Fälle einer solchen Inhibierung des ursprünglichen Spruchs in einem „Nachverfahren“ finden sich etwa in den §§ 459d, 459 f. Insgesamt handelt es sich also bei der umfassenden Bezeichnung „Strafvollstreckung“ in Wahrheit um einen vereinfachenden Sammelbegriff für die Summe der Maßnahmen, die auf Verwirklichung oder Abwandlung oder auch Aufhebung einer von einem Strafgericht erlassenen Entscheidung gerichtet ist. 4

2. Vollstreckung bei Verlust von Rechten und Fähigkeiten. Einer Vollstreckung bedarf es nicht, wenn die Wirkung von Nebenstrafen und Nebenfolgen sich unmittelbar an die Rechtskraft des Urteils knüpft, wie z. B. der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts (§ 45 i. V. m. § 45a Abs. 1 StGB), das Fahrverbot (§ 44 Abs. 2 Satz 1 StGB), die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 Abs. 3 Satz 1 StGB), das Berufsverbot (§ 70 Abs. 4 Satz 1 StGB), der Übergang des Eigentums an einer Sache oder eines Rechts auf den Staat als Folge der Einziehung der Sache oder des Rechts (§ 75 1 Dazu Bruns GA 1956 198 ff. 2 KK/Appl 1; Bringewat 2. 3 KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 3; Pohlmann/Jabel/Wolf Einl. 1; Röttle/Wagner Rn. 1.

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StGB).4 Doch fallen gerade auch in diesen Fällen bei der Vollstreckungsbehörde Aufgaben an,5 die darauf abzielen, die kraft Gesetzes geschaffene Rechtslage zu vollziehen,6 z. B. den eingezogenen Gegenstand in die Verfügungsgewalt des Staates zu bringen, wenn er sich im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft nicht im staatlichen Gewahrsam befindet, den Führerschein während der Dauer eines Fahrverbots in amtliche Verwahrung zu bringen (§ 44 Abs. 3 StGB). Ausnahmsweise gibt es aber auch nach Rechtskraft Aufgaben der Vollstreckungsbehörde, die die durch das rechtskräftige Urteil geschaffene Rechtslage unmittelbar betreffen, etwa wenn die Vollstreckungsbehörde nach § 456c Abs. 2 das Berufsverbot (§ 70 StGB) aussetzen kann. In diesem Sinn ist es auch zu verstehen, wenn § 360 Abs. 2 von „Aufschub oder Unterbrechung der Vollstreckung“ spricht. Damit wird dem Gericht die Befugnis zugesprochen, nach Stellung des Wiederaufnahmeantrags auch das Berufs- oder Fahrverbot auszusetzen.7

II. Strafvollstreckung und Strafvollzug 1. Allgemeines. Nach § 451 obliegt die Strafvollstreckung der Staatsanwaltschaft. 5 Sie ist „Vollstreckungsbehörde“. Aus dem Wortsinn von „Strafvollstreckung“ müsste gefolgert werden, dass der Begriff alle Maßnahmen umfasst, die zur Verwirklichung8 der im Urteil festgesetzten Unrechtsfolgen erforderlich sind. Die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde besteht nicht nur darin, die Vollstreckung einzuleiten, sondern vielmehr auch darin, sie durchzuführen und die Durchführung generell zu überwachen.9 2. Zuständigkeit a) Bei Rechtsfolgen, die nicht in Freiheitsentziehungen bestehen. Soweit es 6 sich nicht um Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung handelt, trifft die Vollstreckungsbehörde alle Maßnahmen, die zur Durchführung der Entscheidung erforderlich sind (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO). Ist die Durchführung nach gesetzlicher Vorschrift einer anderen Stelle übertragen, so beschränkt sich die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde darauf, die in ihrem Bereich möglichen und erforderlichen Schritte vorzunehmen, um der anderen Stelle die Ausübung ihrer Obliegenheiten zu ermöglichen. So obliegt die Überwachung der Lebensführung des Verurteilten während der Bewährungszeit nicht der Vollstreckungsbehörde, sondern dem Gericht (§ 453b Abs. 2)10 und ist, wenn das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht angeordnet hat (§ 68 StGB), die Überwachung des Verhaltens des Verurteilten und die Gewährung von Hilfe und Betreuung Sache der Aufsichtsstelle (§ 68a StGB). Die Mitwirkung der Vollstreckungsbehörde erschöpft sich in unterstützenden Maßnahmen (§ 463a; § 54a StVollstrO). Andernfalls hat die Vollstreckungsbehörde selbst für die Durchführung der Entscheidung zu sorgen.

4 5 6 7 8 9 10

5

Bringewat Einl. 38. So genannte flankierende Maßnahmen; KK/Appl 6. KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat Einl. 37. OLG Hamm GA 1970 309. KK/Appl 2: Vollstreckung im weiteren Sinn; Bringewat Einl. 23; Pohlmann/Jabel/Wolf § 3, 4. Bringewat Einl. 27; Röttle/Wagner Rn. 4. KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat Einl. 24.

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Die Vollstreckungsbehörde11 kann sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) bedienen. Sie kann auch im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften die Amtshilfe anderer Stellen innerhalb und außerhalb der Justiz – hier namentlich der Polizei – in Anspruch nehmen (§§ 160, 161 GVG; Art. 35 GG). Sie trägt aber in solchen Fällen die Verantwortung für die Maßnahmen der von ihr beauftragten oder ersuchten Stellen und Behörden in vollem Umfang und hat für Abhilfe zu sorgen, wenn diese nicht ordnungsgemäß verfahren. Ist z. B. auf Geldstrafe erkannt, so ist die Anordnung der Einforderung und Beitreibung Sache der Vollstreckungsbehörde (§ 459; § 2 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG; § 1 Abs. 4 EBAO). Mit der Beitreibung kann sie einen Vollziehungsbeamten beauftragen (§§ 9, 10 EBAO), dessen Maßnahmen sie zu überwachen hat. Ist auf Einziehung erkannt, so nimmt die Vollstreckungsbehörde den Gegenstand in Besitz und beauftragt, wenn der Verurteilte ihn in Besitz hat und trotz Aufforderung nicht herausgibt, den Vollziehungsbeamten mit der Wegnahme (§ 459g, § 61 StVollstrO). Zur Vernichtung eingezogener gemeingefährlicher Gegenstände nimmt die Vollstreckungsbehörde, soweit erforderlich, die Amtshilfe der Polizei oder der zuständigen Verwaltungsbehörde in Anspruch (§ 63 Abs. 5 StVollstrO).

8

b) Bei Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln. Anders liegt es bei der Durchführung von Urteilen, die auf Freiheitsstrafe oder auf eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung lauten. Insoweit ist zwischen Vollstreckung und Vollzug und dementsprechend zwischen Vollstreckungs- und Vollzugsbehörde zu unterscheiden. Beide arbeiten gemeinsam an der Verwirklichung des Urteilsinhalts.12 Die Vollstreckungsbehörde regelt alle Maßnahmen und trifft alle Entscheidungen, soweit nicht eine gerichtliche Zuständigkeit begründet ist, die zur Einleitung, Durchführung und Überwachung des rechtskräftigen Urteils erforderlich sind. Demgegenüber besteht die Aufgabe der Vollzugsbehörde in der Vollziehung der rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt bzw. der freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung in einer Maßregelvollzugseinrichtung.13

9

3. Vollzugsbehörden und -anstalten. Nach § 139 StVollzG und entsprechenden Regelungen in den Strafvollzugsgesetzen der Länder werden Freiheitsstrafe und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aufgrund eines Vollstreckungsplans, in dem deren jeweilige sachliche und örtliche Zuständigkeit im Voraus festgelegt worden ist (vgl. § 152 Abs. 1 StVollzG), in Anstalten der Landesjustizverwaltungen (Justizvollzugsanstalten) vollzogen, während sich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) gemäß § 138 StVollzG nach Landesrecht richtet, soweit und solange Bundesgesetze nichts anderes bestimmen.14 Die Justizvollzugsanstalten haben eine hauptamtliche Leitung, die grundsätzlich die Verantwortung für den gesamten Vollzug trägt (§ 156 StVollzG). Die Ausgestaltung des Vollzugs ist alleine Aufgabe der Justizvollzugsanstalt und der Vollzugsbehörde. Die Vollstreckungsbehörde hat hierauf grundsätzlich keinen Einfluss. In der Maßregelvollzugseinrichtung trägt bei der Vollziehung von Maßregeln nach § 63 und § 64 StGB die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung und die nach Landesrecht vorgesetzte Vollzugsbehörde die Verantwortung für den gesamten Maßregelvollzug.

11 12 13 14

Wegen der Zuständigkeit für die Wahrnehmung der Geschäfte s. § 451, 28 ff. OLG Hamburg JR 1996 247; Eb. Schmidt 1; Röttle/Wagner Rn. 2. Bringewat Einl. 25: zweckfunktionale Differenzierung; Röttle/Wagner Rn. 2 ff.; 90 ff. KK/Appl 9.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Nach § 151 Abs. 1 StVollzG sowie den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften 10 führen die Landesjustizverwaltungen die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten. Sie können Aufsichtsbefugnisse auf Justizvollzugsämter übertragen. Bei der hiernach zugelassenen Bildung zentraler Justizvollzugsämter ist namentlich an größere Bundesländer gedacht, bei denen die notwendige Besetzung der Aufsichtsbehörde die Organisation der obersten Landesbehörde zu stark ausweiten würde. § 151 Abs. 1 StVollzG fordert jedoch, dass mit der Aufsicht über die Vollzugsanstalten nicht etwa eine bereits bestehende Behörde betraut wird, sondern dass die Aufsicht hierfür ausschließlich zuständigen Justizvollzugsämtern übertragen werden muss, wenn nicht die Landesjustizverwaltung sie selbst ausüben will. Die Regelung soll gewährleisten, dass die Aufgaben des Vollzugs auch von der Ebene der Aufsichtsbehörden her fachkundig gefördert werden können. Dies setzt voraus, dass das zentrale Justizvollzugsamt oder die Justizvollzugsämter nicht im Nebenamt geleitet werden.15 Hiernach kann also die oberste Landesjustizbehörde sowohl die Leitung der Staatsanwaltschaften (§ 147 GVG) als Vollstreckungsbehörden als auch die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten bei sich vereinigen. Eine derartige organisatorische Ausgestaltung ist indessen nicht anstrebenswert, denn sie lässt eine Vermischung von Vollstreckungs- und Vollzugsaufgaben befürchten. Dass die Landesjustizverwaltungen entsprechende Überlegungen bislang nicht angestellt haben, dürfte aber wohl weniger auf inhaltlichen Erwägungen beruhen. Entscheidend dürfte vielmehr das nicht ganz unbeträchtliche Risiko sein, bei Fehlentscheidungen der Landesjustizverwaltung die Verantwortung nicht delegieren zu können. 4. Unterscheidung von Vollstreckung und Vollzug a) Allgemeines. Mit der Unterscheidung zwischen Vollstreckung und Vollzug ist die 11 Folgerung daraus gezogen, dass nach den heutigen, den Vollzug von Freiheitsstrafen beherrschenden Vorstellungen der Vollzugszweck nicht schlicht in der Durchführung der im Urteil angeordneten Freiheitsentziehung besteht, sondern mit einem Vollzugsziel verbunden ist, das primär darauf gerichtet ist, den Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 StVollzG). Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern (§ 3 Abs. 3 StVollzG). Dazu bedarf es erzieherischer und resozialisierender Einwirkungen, die einen dafür geschulten Stab von Mitarbeitern erfordern, über den wohl die Justizvollzugsanstalten und Aufsichtsbehörden, nicht aber die Vollstreckungsbehörden verfügen. Daraus folgt und wird insbesondere durch § 156 StVollzG bestätigt, dass die Justizvollzugsanstalt nicht ein mehr oder weniger selbständig handelndes Hilfsorgan für die Durchführung von Aufgaben ist, die „eigentlich“ nach § 451 der Vollstreckungsbehörde obliegen, die sich nur zur Erfüllung dieser Obliegenheiten der Vollzugsbehörden bedient. Die Justizvollzugsanstalt leitet zwar ihre Legitimation, an dem Verurteilten den Vollzug der ihm auferlegten Freiheitsstrafe durchzuführen, davon ab, dass der Verurteilte ihr von der Vollstreckungsbehörde zur Verfügung gestellt, nämlich durch Aufnahmeersuchen (§ 29 StVollStrO) in ihren Tätigkeitsbereich eingewiesen wird. Aber daraus folgt nicht, dass die Justizvollzugsanstalt bloßes Vollzugsorgan der Vollstreckungsbehörde wäre. Sie wird vielmehr, sobald ihre Zuständigkeit begründet ist, für die nunmehr zu entfaltende spezifische Tätigkeit aus eigenem Recht und in eigener Verantwortung tätig und erfüllt Aufgaben, die Eigenwert besitzen und selbständig ne-

15 Begr. RegEntw. BTDrucks. 7 918 zu § 38.

7

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ben der auf Durchführung des Urteilsspruchs gerichteten Tätigkeit der Vollstreckungsbehörde stehen.16 12

b) Jugendgerichtsgesetz. Auch das Jugendgerichtsgesetz unterscheidet zwischen Vollstreckung und Vollzug und weist die Aufgaben der Vollstreckung dem Vollstreckungsleiter (§ 82 JGG), die des Vollzugs aber dem Vollzugsleiter zu. Sind Jugendstrafe und Freiheitsstrafe gegen denselben Verurteilten zu vollstrecken, so ist für die Vollstreckung der Freiheitsstrafe dagegen die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zuständig.17 Aufgrund der Vorgaben des BVerfG18 ist der Gesetzgeber verpflichtet worden, unter Gewährung einer Übergangsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2007 eine den verfassungsrechtlichen Erfordernissen genügende gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe im Jugendstrafvollzug zu schaffen. Mit der Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Bundesländer19 übergegangen. Diese haben für ihre jeweiligen Geschäftsbereiche Jugendstrafvollzugsgesetze erlassen.20

13

c) Frühere Entwürfe. Das allgemeine Verhältnis der Aufgabe der Vollstreckung zu der des Vollzugs wollten frühere Entwürfe förmlich zum Ausdruck bringen. So umschrieb EStVollzG 1927 in § 2 die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde mit den Worten: „Die Vollstreckung der Entscheidungen (der Strafgerichte) wird von der Vollstreckungsbehörde veranlaßt und, soweit nichts anderes bestimmt ist, von ihr durchgeführt“, während § 4 die Aufgabe der Vollzugsbehörde dahin kennzeichnete: „Der Vollzug der Freiheitsstrafen und der mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregeln der Besserung und Sicherung liegt den Vollzugsbehörden ob“. Das wäre aber nur eine förmliche Verlautbarung eines schon damals bestehenden Rechtszustands gewesen. Es ist daher sachlich ohne Bedeutung, wenn das StVollzG sich solcher Begriffsbestimmungen enthält und die Begründung des Reg.Entw.21 die Aufgabe dieses Gesetzes dahin kennzeichnet, es beschränke sich auf die für den Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung notwendigen Regelungen und enthalte daher (von Ausnahmen – vgl. § 13 Abs. 5, § 122 StVollzG a. F.– abgesehen) im Gegensatz zu früheren Entwürfen keine Vorschriften über die Strafvollstreckung.

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d) StVollstrO. In konkreter Form bringt dagegen die StVollstrO – StVollstrO22 – die Abgrenzung der Vollstreckung gegenüber den Vollzugsaufgaben zum Ausdruck. Nach § 3 Abs. 1 StVollstrO prüft die Vollstreckungsbehörde, ob die Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sind. Sie trifft die Anordnungen, die zur Durchführung der Entscheidung erforderlich sind. Soweit es sich um Freiheitsstrafen handelt, umschreibt § 36 Abs. 1 StVollstrO die im Vollzugsstadium der Vollstreckungsbehörde generell obliegenden Aufgaben. Danach wacht die Vollstreckungsbehörde darüber, dass Art und Dauer der 16 OLG Hamburg JR 1996 247; KK/Appl 7, 9; Bringewat Einl. 26 ff., 36; Röttle/Wagner Rn. 90 f. 17 BGHSt 28 351 gegen BGHSt 26 375 im Anschluss an BGHSt 27 329; siehe aber BGHSt 64 273 ff., wonach die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung einer Restjugendstrafe auch dann nach § 88 JGG zu treffen ist, wenn die Jugendstrafe gemäß § 89b JGG nach den Vorschriften des Strafvollzuges für Erwachsene vollzogen wird und ihre Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 6 Satz 1 JGG an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgegeben ist; KK/Appl 7; Bringewat Einl. 30 ff. 18 NJW 2006 2093. 19 BGBl. I (2006) S. 2034. 20 Vgl. Abdruck bei Diemer/Schatz/Sonnen; Edinger DRiZ 2007 129; kritisch Köhne ZRP 2007 109; Ostendorf ZRP 2008 14. 21 BTDrucks. 7 918 S. 43. 22 Wegen der Bedeutung vgl. Rn. 16 f.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Strafhaft der zu vollstreckenden Entscheidung entsprechen. Sie ist an erster Stelle für die richtige Berechnung der Strafzeit verantwortlich. Das entspricht den in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen.23 Nach § 3 Abs. 2 StVollstrO erstreckt sich die Verantwortlichkeit der Vollstreckungsbehörde nicht auf den besonderen Pflichtenkreis der Vollzugsbehörde. Wie weit dieser Aufgabenkreis der Vollzugsbehörde reicht, ist jedoch nicht ausdrücklich gesagt. Indem aber § 36 Abs. 1 StVollstrO bestimmt, dass im Vollzugsstadium die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde sich darauf beschränkt, darüber zu wachen, dass Art und Dauer der Strafhaft der zu vollstreckenden Entscheidung entsprechen, wird hinreichend klar bestimmt, dass Gegenstand der vollstreckungsbehördlichen Überwachung nur die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ist, die die Art und Dauer der Freiheitsstrafe kennzeichnen. Die Vollstreckungsbehörde überwacht also, dass und wie lange die Freiheitsstrafe, dem Urteil entsprechend, als Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Strafarrest vollzogen wird und dabei die gesetzlichen Vorschriften beachtet werden, die im Vollzug die Art der Strafe kennzeichnen. Sie überwacht nicht – und hier beginnt der besondere Pflichtenkreis der Vollzugsbehörde – die Einhaltung der Vorschriften, die die Durchführung des Vollzugs im Einzelnen regeln (vgl. dazu Rn. 20). e) Ergebnis. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei Freiheitsstrafen und frei- 15 heitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung die nach § 451 der Vollstreckungsbehörde obliegende „Vollstreckung“ in der Herbeiführung des Vollzugs, in der Überwachung der Vollzugsdauer, im Übrigen aber in der Überwachung des Vollzugs nur insoweit besteht, ob die Freiheitsentziehung ihrer Art nach dem Urteil entspricht, während die von der Vollzugsbehörde in eigener Verantwortung wahrzunehmende und der Überwachung der Vollstreckungsbehörde entzogene Tätigkeit darin besteht, die Regeln des Strafvollzugsgesetzes bzw. der Maßregelvollzugsgesetze und die ergänzenden im Verwaltungsweg getroffenen Vollzugsvorschriften anzuwenden. Zu der der Vollstreckungsbehörde obliegenden Überwachung der Vollzugsdauer gehört auch ihre Mitwirkung bei der Herbeiführung der gerichtlichen Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe (§§ 57, 57a StGB) gegeben sind (§ 36 Abs. 2 StVollstrO). Bei der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 63, 64, 66, 66a, 66b StGB) veranlasst die Vollstreckungsbehörde rechtzeitig vor dem Ablauf bestimmter Fristen die Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e Abs. 1 Satz 1 StGB).

III. Vollstreckung und Vollzug als Angelegenheiten der Justizverwaltung Auch im Stadium der Vollstreckung und des Vollzugs sind gewisse Entscheidungen 16 dem Gericht vorbehalten.24 Im Übrigen obliegen beide Tätigkeiten grundsätzlich weisungsgebundenen Behörden und sind damit als Geschäfte der Justizverwaltung (= Gerichtsverwaltung i. S. des § 4 Abs. 2 Nr. 1 DRiG)25 gekennzeichnet. Die Rechtsetzungsbefugnis auf diesem Gebiet steht also, soweit nicht bundesrechtliche Vorschriften entgegenstehen, den Ländern zu (Art. 72, 74 Nr. 1 GG) und ist durch die Föderalismusreform für den Vollzug zugunsten der Länder erweitert worden. In diesem Rahmen haben die Justizverwaltungen zur Ergänzung der lückenhaften Vollstreckungsvorschriften der 23 RGSt 5 32; 30 137. 24 Beispiele §§ 453, 458, 459d, 459o, 460, 463 Abs. 2. 25 Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat Einl. 31.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

StPO Justizverwaltungsanordnungen erlassen. Das Bedürfnis dafür ist durch das Inkrafttreten des StVollzG und der Vollzugsgesetze der Länder keineswegs entfallen. Denn diese beschränken sich auf die notwendigen Regelungen und machen die zahlreichen bundeseinheitlichen oder auch unterschiedlichen verwaltungsrechtlichen Regelungen der Länder nicht überflüssig.26 17 Von der Notwendigkeit und Zulässigkeit solcher ergänzenden Regelungen geht auch § 4 Abs. 2 StVollzG aus. Die Länder haben daher „Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz (VVStVollzG)“ und „Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollzO)“ vereinbart, die am 1.1.1977 in Kraft getreten sind.

IV. Grundlagen der Strafvollstreckung Die die Strafvollstreckung betreffenden Justizverwaltungsvorschriften wurden erstmals einheitlich in der StVollstrO – StVollstrO – 193527 zusammengefasst. Nach dem Kriege vereinbarten die Justizverwaltungen des Bundes und der Länder eine neue StVollstrO,28 die seitdem vielfach geändert und ergänzt worden ist.29 Die StVollstrO 1956 wurde ergänzt durch die gleichfalls einheitlich vereinbarte „Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten“ vom 15.2.1956, die an die Stelle einer entsprechenden AV des RJM vom 28.5.193730 trat. Sie wurde mit Wirkung vom 1.1.1975 – wegen der Änderung der strafprozessualen Vorschriften über die Vollstreckung der Geldstrafe (§§ 459 ff.) – ersetzt durch die wiederum bundeseinheitlich vereinbarte „Einforderungs- und Beitreibungsanordnung“ (EBAO) vom 1.8.2011.31 Um die Einheit des Strafvollstreckungsrechts auch für die Zukunft zu erhalten, ver19 einbarten die Landesjustizverwaltungen, dass Änderungen der StVollstrO nur im allseitigen Einvernehmen der Justizverwaltungen von Bund und Ländern vorgenommen werden, soweit es sich nicht lediglich um ergänzende Vorschriften handelt.32 Soweit die StVollstrO die Auslegung gesetzlicher Vorschriften betrifft, bindet sie die Strafvollstreckungsbehörden nur bis zum Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung im Einzelfall. Die Gerichte sind bei der Gesetzesauslegung nicht an die StVollstrO als eine Verwaltungsvorschrift gebunden.33 Bei der Vollstreckung von Entscheidungen gegen Jugendliche und Heranwachsende gilt die StVollstrO nur insoweit, als nicht die Vorschriften des JGG, des OWiG und die von den Landesjustizverwaltungen vereinbarten „Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz“ vom 15.2.195534 in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.7.199435 etwas anderes bestimmen (§ 1 Abs. 3 StVollstrO; II 6 der Richtlinien zu §§ 82 bis 85 JGG).

18

26 27 28 29

Begr. RegEntw. BTDrucks. 7 918 S. 41. AV RJM vom 7.12.1935, DJ 1935 1800. Vom 15.2.1956 – BAnz. Nr. 42. Vom 1.8.2011 (BAnz. Nr. 112a S. 1), geändert durch ÄndVwV vom 10.8.2017 (BAnz. AT vom 18.8.2017

B6).

30 31 32 33

DJ 1937 840. BAnz. Nr. 112a S. 1, 22. Pohlmann/Jabel/Wolf Einl. 5. BVerfGE 29 315 = NJW 1970 2287; RGSt 74 388; OLG Bremen NJW 1951 84; OLG Hamm NStZ 1987 343; Dünnebier GA 1969 218; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4. 34 Ebenfalls mehrfach geändert, zuletzt mit Wirkung vom 20.1.1980. 35 ABl. Berlin 1994, S. 2313.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

V. Grundlagen des Strafvollzugs Wegen der Grundlagen der Regelung des Strafvollzugs sowie des Rechtsschutzes 20 des Gefangenen gegen Maßnahmen der Vollzugsbehörde vgl. die Erläuterungen in den Kommentierungen von Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal sowie Arloth/Krä.

VI. Grundlagen für den Vollzug von Freiheitsentziehungen gegen Jugendliche und Heranwachsende Für den Vollzug von Jugendarrest ist in § 90 JGG eine gesetzliche Regelung getroffen 21 worden. Ferner war in dem früheren (inzwischen weggefallenen) § 115 JGG der Bundesregierung die Ermächtigung erteilt, durch Rechtsverordnung eine Reihe wichtiger Vollzugsfragen zu regeln (wegen einer entsprechenden Regelung für den Vollzug von Strafarrest an Soldaten der Bundeswehr vgl. Rn. 31). Auf dieser Grundlage wurde die JAVollzO vom 12.8. 1966,36 zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.6.1990,37 erlassen (dazu bundeseinheitlich von den Landesjustizverwaltungen vereinbarte „Richtlinien zur JugendarrestvollzugsO“). Das BVerfG hat diese Praxis mit Urteil vom 31.5.200638 zu Recht beanstandet und dem Gesetzgeber unter Gewährung einer Übergangsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2007 aufgegeben, eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung für Grundrechtseingriffe im Jugendstrafvollzug zu schaffen. Nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug im Rahmen der Föderalismusreform zum 1.9.2006 haben die Länder für ihren jeweiligen Geschäftsbereich teilweise identische Jugendstrafvollzugsgesetze erlassen.39

VII. Rechtsschutz gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde Der Rechtsschutz des Verurteilten ist zunächst dadurch gewahrt, dass in dem in 22 §§ 458, 459o, 461 Abs. 2 bezeichneten Umfang das Gericht zur Entscheidung über Maßnahmen und Entscheidungen der Vollstreckungsbehörden berufen ist.40 Im Übrigen sieht § 21 StVollstrO vor, dass über Einwendungen gegen Entscheidungen oder andere Anordnungen der Vollstreckungsbehörden, soweit das Gericht nicht zuständig ist, die Generalstaatsanwaltschaft entscheidet, und dass gegen Entscheidungen oder Maßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft die oberste Behörde der Landesjustizverwaltung, gegen solche des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz angerufen werden kann.41 Außerdem sind auch Maßnahmen und Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde, soweit nicht das Gericht – erkennendes oder Strafvollstreckungskammer – nach §§ 458, 459f, 459o, 462, 462a, 463 zur Entscheidung zuständig ist, nach Maßgabe der §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar und 36 BGBl. I S. 505; geändert durch VO vom 29.11.1972, BGBl. I S. 2205, und – mit Wirkung vom 1.1.1977 – durch die VO vom 18.8.1976, BGBl. I S. 2349 in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.11.1976, BGBl. I S. 3270. 37 BGBl. I S. 1163, 1192. 38 NJW 2006 2093. 39 Vgl. Abdruck bei Diemer/Schatz/Sonnen. 40 Bringewat Einl. 39. 41 Bringewat Einl. 40; Röttle/Wagner Rn. 33 ff.

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können der Entscheidung des Oberlandesgerichts unterbreitet werden. Eine solche Anfechtung setzt nach § 24 Abs. 2 EGGVG voraus, dass, wenn die Maßnahme der Beschwerde oder einem anderen förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliegt, zunächst das Beschwerdeverfahren (sog. Vorschaltbeschwerdeverfahren) durchgeführt ist. Es ist anerkannt, dass das Beschwerdeverfahren nach § 21 StVollstrO ein solches Vorschaltbeschwerdeverfahren darstellt.42

VIII. Regelungsbereich Die §§ 449 ff. behandeln nur die Vollstreckung der von Strafgerichten festgesetzten Strafen, Nebenstrafen, Nebenfolgen oder Maßregeln der Besserung und Sicherung. Sie gelten auch – wenn auch zufolge des im Jugendstrafrechts vorherrschenden Erziehungsgedankens in modifizierter Anwendung43 – für die Vollstreckung von Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe nach § 2 JGG, soweit dieses Gesetz – wie z. B. in den §§ 82 bis 89b JGG – nicht abweichende Regelungen trifft. Der Abschnitt regelt nur die Vollstreckung der in einem Urteil oder in einer dem 24 Urteil gleichstehenden Entscheidung (§§ 410 Abs. 3, §§ 460, 462) verhängten Kriminalstrafen,44 während für die Vollstreckung von Ordnungs- und Zwangsmitteln45 in Strafund Bußgeldsachen (§§ 51, 70, 77, 95, 161a Abs. 2) neben den hierfür geltenden § 36 StPO und § 179 GVG die Art. 7, 8 EGStGB 197446 maßgebend sind.47 Von den letztgenannten Vorschriften sind einige den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des Siebenten Buchs nachgebildet; so Art. 7 Abs. 2, 3 EGStGB dem § 459a Abs. 2, 3, Art. 7 Abs. 4 dem § 459o, Art. 8 Abs. 1 dem früheren § 459, Art. 8 Abs. 2 dem § 459 f. Darüber hinaus sind einzelne Bestimmungen des Abschnitts (z. B. Begnadigungsrecht (§ 452), Aufschub der Vollstreckung (§ 455)) auch auf derartige Mittel entsprechend anwendbar, und es sind, wenn die Staatsanwaltschaft Ordnungs- und Zwangshaft vollstreckt, die für die Vollstreckung von Kriminalstrafen geltenden Vorschriften der StVollstrO sinngemäß anwendbar (§ 1 Abs. 2, § 88 Abs. 1 StVollstrO). Wenn aber der Vorsitzende des Gerichts unmittelbar die Vollstreckung veranlasst (§ 179 GVG, § 36 Abs. 2 Satz 2 StPO), so ist ihm auch die Entscheidung überlassen, ob und welche Vorschriften der StVollstrO anzuwenden sind (§ 88 Abs. 2 StVollstrO). Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass das Gericht in richterlicher Unabhängigkeit handelt.48 Betreibt die Staatsanwaltschaft die Vollstreckung von Ordnungsgeld, so ist sie allein auch zur Bewilligung von Ratenzahlungen zuständig.49 Wegen des Vollzugs einer gerichtlich angeordneten Ordnungs-, Sicherungs-, 25 Zwangs- und Erzwingungshaft (sog. Zivilhaft) vgl. §§ 171 bis 175 StVollzG. 23

42 OLG Hamm NJW 1961 141; JVBl. 1963 42; OLG Bamberg JVBl. 1963 175; OLG Oldenburg MDR 1968 782; Baumann MSchKrim. 1964 62 ff.; Lorenz NJW 1963 702; Peters JZ 1968 78; Pohlmann Rpfleger 1964 219; Eb. Schmidt NJW 1967 217; Weiß JZ 1967 584; Bringewat Einl. 39, 41; Pohlmann/Jabel/Wolf § 21, 2 ff.; a. A. OLG Nürnberg JVBl. 1961 190; OLG Celle MDR 1964 697; 1967 63; OLG Hamm NJW 1969 672; OLG Hamburg Rpfleger 1981 243; Altenhain Rpfleger 1963 370; DRiZ 1964 301; 1966 365; JZ 1966 17. 43 Bringewat Einl. 16. 44 KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat Einl. 15. 45 Röttle/Wagner Rn. 517 ff.; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 46 Sie betreffen Zahlungserleichterungen bei Ordnungsgeld (Art. 7) und nachträgliche Entscheidungen über die Ordnungshaft (Art. 8); vgl. näher die Erl. zu diesen Vorschriften in diesem Kommentar bei LR/ Ignor/Bertheau § 51, Anhang. 47 Pohlmann Rpfleger 1958 12. 48 Röttle/Wagner Rn. 10; KK/Appl 4. 49 OLG Hamm GA 1960 318; JMBlNRW 1971 274.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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IX. Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten 1. Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde. Ist durch rechtskräftigen Bußgeld- 26 bescheid der Verwaltungsbehörde auf Geldbuße und Nebenfolgen erkannt, so ist Vollstreckungsbehörde die Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat (§ 92 OWiG). Dies gilt auch, wenn der Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid verspätet oder nicht formgerecht Einspruch eingelegt oder einen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch zulässigerweise (§ 67 OWiG) zurückgenommen oder das Gericht den Einspruch nach § 70 oder nach § 74 Abs. 2 Satz 1 OWiG als unzulässig verworfen hat.50 Die Vollstreckung richtet sich gemäß § 90 OWiG, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, nach den Vorschriften des VerwaltungsvollstreckungsG vom 27.4.1953,51 wenn eine Verwaltungsbehörde des Bundes den Bußgeldbescheid erlassen hat, sonst nach den landesrechtlichen Vorschriften.52 Über Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung, gegen Anordnungen der Vollstreckungsbehörde über Zahlungserleichterungen und gegen die sonst bei der Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen der Verwaltungsbehörde getroffenen Maßnahmen entscheidet nach § 103 OWiG das Gericht (§ 104 OWiG). Das Gericht entscheidet auch auf Antrag der Vollstreckungsbehörde über die Anord- 27 nung der Erzwingungshaft gegen den zahlungsunwilligen Betroffenen (§ 96 OWiG). Wird sie angeordnet, so gilt für ihre Vollstreckung § 451 StPO, im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende gelten auch § 82 Abs. 1, § 83 Abs. 2, §§ 84, 85 Abs. 5 JGG sinngemäß (§ 97 OWiG).53 Die Vorschriften der StVollstrO über die Vollstreckung von Freiheitsstrafen sind entsprechend anzuwenden (§ 87 StVollstrO). Ferner sind weiterhin die §§ 455, 456 Abs. 1 und § 457 StPO sinngemäß anzuwenden. Da die Stellung des Antrags auf Anordnung der Erzwingungshaft in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt ist, ist sie auch als befugt anzusehen, den Antrag vor Anordnung der Haft zurückzunehmen.54 2. Gerichtliche Bußgeldentscheidungen. Für die Vollstreckung gerichtlicher Buß- 28 geldentscheidungen, d. h. der im gerichtlichen Bußgeldverfahren und im Strafverfahren ergangenen Entscheidungen, in denen eine Geldbuße oder eine Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit festgesetzt ist,55 gelten nach § 91 OWiG die § 451 Abs. 1 und 2, die §§ 459 und 459g Abs. 1 sowie Abs. 2 i. V. m. § 459, im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende auch § 82 Abs. 1, § 83 Abs. 2, §§ 84, 85 Abs. 5 JGG sinngemäß.56 Ergänzende Verwaltungsvorschriften enthält § 87 StVollstrO.57 Vollstreckungsbehörde i. S. des § 96 Abs. 1 OWiG, die von Amts wegen entscheidet, ist auch der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§ 82 JGG).

50 Göhler/Seitz/Bauer § 90, 1a; KK-OWiG/Mitsch § 90, 2; Baldauf NJW 1970 460; Pohlmann Rpfleger 1970 200; Stadie MDR 1970 386; Bringewat Einl. 19; a. A. Günther NJW 1969 2273; DAR 1970 41. 51 BGBl. I S. 157. 52 Eine Übersicht befindet sich bei Göhler/Seitz/Bauer § 90, 6. 53 Göhler/Seitz/Bauer § 96, 19; KK-OWiG/Mitsch § 97, 8; Bringewat Einl. 22; 34. 54 LG Mainz DAR 1974 108; Göhler/Seitz/Bauer § 96, 19; KK-OWiG/Mitsch § 89, 5 ff.; Bringewat Einl. 18; Röttle/Wagner Rn. 508. 55 Göhler/Seitz/Bauer Vor § 89, 4 ff.; KK-OWiG/Mitsch § 89, 6; Bringewat Einl. 20. 56 KK/Appl 15; Bringewat Einl. 20. 57 Pohlmann Rpfleger 1968 264; vgl. Erl. bei Pohlmann/Jabel/Wolf § 87; KK-OWiG/Mitsch § 89, 6; Bringewat Einl. 21.

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X. Nebengeschäfte der Vollstreckung 29

Nach Rechtskraft des Urteils obliegen der Vollstreckungsbehörde aufgrund gesetzlicher Vorschriften (z. B. § 479, § 480 § 481 Abs. 1 Satz 2, § 482 Abs. 2, § 487; §§ 14, 17 EGGVG) eine Reihe von Mitteilungspflichten. Mitteilungen vom Ausgang des Strafverfahrens an Behörden und Stellen zur Erfüllung von deren Aufgaben sowie die Mitteilungen zum Bundeszentralregister und Verkehrszentralregister haben als Nebengeschäfte der Strafvollstreckung damit nichts zu tun.

XI. Rechtshilfe 1. Inland. Die Vollstreckungshilfe im Inland richtet sich nach den §§ 162, 163 GVG und nach § 9 StVollstrO. Diese Vorschriften gelten nicht nur für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen (wozu auch die Vollstreckung von Ordnungshaft (§§ 51, 70; § 178 GVG) gehören), sondern auch für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 463 Abs. 1, § 9 StVollstrO). 31 Sofern eine Vollstreckungsanordnung außerhalb des Bundeslandes, in dem die Vollstreckungsbehörde ihren Sitz hat, durch eine Landesbehörde durchgeführt werden soll, hat die Vollstreckungsbehörde die hierfür örtlich zuständige Staatsanwaltschaft des anderen Bundeslandes um Vollstreckungshilfe (§ 9 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO) zu ersuchen. Kein Fall der Vollstreckungshilfe liegt danach bei Verschubungen oder Ladungen aus einem anderen Bundesland in eine Justizvollzugsanstalt vor, dem die Vollstreckungsbehörde angehört.58 Die Einschaltung einer anderen Staatsanwaltschaft im Wege der Vollstreckungshilfe ist auch danach nicht erforderlich, wenn nach Art. 5 EGWStG Strafen gegen Soldaten durch die Bundeswehr vollzogen werden sollen,59 denn in einem solchen Fall soll die Vollstreckungsmaßnahme nicht durch eine Landesbehörde durchgeführt werden. 32 Die Regelungen in §§ 162, 163 GVG und § 9 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO haben mit der Vereinbarung der Bundesländer zur Vereinfachung und Beschleunigung der Strafvollstreckung vom 13.1.196560 an Bedeutung verloren, denn darin gestatten die Bundesländer die Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen in ihrem Land durch Vollstreckungsbehörden eines anderen Bundeslandes. Ferner gestatten sie die Inanspruchnahme ihrer Polizeidienststellen und verzichten auf die den Strafvollzugsbehörden und Polizeidienststellen entstandenen Kosten.61 Soweit der Generalbundesanwalt Vollstreckungsbehörde ist, bedarf es keines Er33 suchens um Vollstreckungshilfe. Die §§ 162, 163 GVG finden nämlich insoweit keine Anwendung, da sein Bezirk das gesamte Bundesgebiet umfasst.62 Er kann nach § 9 Abs. 2 StVollstrO unmittelbar vollstrecken. Allerdings ist es ihm unbenommen, im Einzelfall die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft eines Bundeslandes um Vollstreckungshilfe zu ersuchen.63

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58 59 60 61 62 63

Röttle/Wagner Rn. 712. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 10. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 18. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 24. LR/Franke26 § 162, 9 GVG; Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 15 ff.; Röttle/Wagner Rn. 714. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 15; Röttle/Wagner Rn. 714.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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2. Internationale Strafvollstreckung a) Allgemeines. Im Rahmen der internationalen Strafvollstreckung ist zu unter- 34 scheiden zwischen der Vollstreckungshilfe für das Ausland (§§ 48 ff. IRG) und der Vollstreckungshilfe durch das Ausland (§§ 71 ff. IRG). Vollstreckungshilfe ist möglich aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder aber auch im vertragslosen Bereich. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen das Rechtsinstitut der Vollstreckungshilfe nicht.64 Die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für die Vollstreckungshilfe bestehen in 35 – Vorschriften des IRG (§§ 48 ff., 71 ff. IRG), – dem Übereinkommen über die Überstellung verurteilter Personen vom 21.3.1983 (Überstellungsübereinkommen), für die Bundesrepublik am 1.2.1992 in Kraft getreten,65 – dem Schengener Durchführungsübereinkommen vom 19.6.1990, in Kraft getreten am 26.3.1995,66 – das von der Bundesrepublik Deutschland gezeichnete, aber noch nicht ratifizierte Zusatzprotokoll vom 18.12.1997 zum Überstellungsübereinkommen,67 – das EG-Vollstreckungsübereinkommen vom 13.11.199168 und – teilweise entsprechender Anwendung von Vorschriften der StPO. Ergänzende Regelungen enthalten die Richtlinien über den Verkehr mit dem Ausland in Strafsachen (RiVASt) in den Nrn. 64 ff. und 105 ff. sowie die sie ergänzenden Durchführungserlasse der Bundesländer. b) Vollstreckung ausländischer Urteile im Inland. Nach § 48 IRG kann Rechtshil- 36 fe für ein Verfahren in einer strafrechtlichen Angelegenheit durch Vollstreckung einer im Ausland rechtskräftig verhängten Strafe oder sonstigen Sanktion geleistet werden. Die Zulässigkeit der Vollstreckung ist an Mindestvoraussetzungen geknüpft (§ 49 IRG). Insbesondere das Zustimmungserfordernis des Verurteilten (§ 49 Abs. 2 IRG) war höchst umstritten.69 Nach der deutschen Erklärung zu Art. 3 Abs. 3 ÜberstÜbk70 ist es erforderlich, dass ein deutsches Gericht das im Urteilsstaat ergangene Urteil für vollstreckbar erklärt. Nach Eingang eines förmlichen Ersuchens um Vollstreckungshilfe obliegt der 37 Staatsanwaltschaft die Prüfung der übermittelten Unterlagen (§ 50 Satz 2 IRG). Ggf. gibt sie dem ersuchenden Staat Gelegenheit, ergänzende Unterlagen beizubringen (§ 52 Abs. 1 IRG). Alsdann legt sie den Vorgang mit ihrem Antrag, der sich stets zu den einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen verhalten muss, dem Gericht vor. Sachlich zuständig ist das Landgericht (§ 50 Satz 1 IRG, § 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GVG). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Verurteilten (§ 51 IRG). Soweit die Vollstreckung des ausländischen Erkenntnisses zulässig ist, wird es für vollstreckbar erklärt (§ 54 Abs. 1 Satz 1 IRG). Zugleich wird die insoweit verhängte Sanktion in die ihr im deutschen Recht am meisten entsprechende Sanktion umgewandelt (§ 54 64 BVerfG NJW 1983 2757, 2761 f. 65 BGBl. II (1991) S. 1007. 66 BGBl. II (1993) S. 1013 und bezüglich des Beitritts von Italien, Spanien und Portugal BGBl. II (1993) S. 1902. 67 Vgl. BRDrucks. 220/02. 68 BGBl. II (1997) S. 1351. 69 Schomburg/Lagodny/Hackner § 49, 32 f. 70 BGBl. II (1992) S. 98.

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Abs. 1 Satz 2 IRG). Die Einzelheiten sind in § 54 IRG geregelt. Die Entscheidung ergeht stets durch Beschluss (§ 55 Abs. 1 Satz 1 IRG). Er ist zu begründen (§ 77 IRG i. V. m. § 34 StPO) und da er mit einem befristeten Rechtsmittel, nämlich der sofortigen Beschwerde (§ 55 Abs. 2 Satz 1 IRG), angefochten werden kann, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (§ 35a Satz 1) und dem Betroffenen durch Zustellung (§ 35 Abs. 2 Satz 1) bekannt zu machen. 38 Die rechtskräftige Entscheidung über die Vollstreckbarkeit teilt die Staatsanwaltschaft dem Bundeszentralregister mit (§ 55 Abs. 3 IRG; Nr. 71 RiVASt). Zugleich ist der obersten Justizbehörde wegen der Bewilligung der Vollstreckungshilfe (§ 56 IRG) zu berichten (Nr. 69 Abs. 2 RiVASt). Die Bewilligung obliegt in der Regel der obersten Justizbehörde. Die Entscheidung über die Bewilligung der Vollstreckungshilfe ist nach § 56 Abs. 2 IRG dem Bundeszentralregister mitzuteilen. 39 Mit der Überstellung des Verurteilten bzw. der Übernahme der Vollstreckung beginnt die Vollstreckungszuständigkeit im Inland. Das ausländische Straferkenntnis in der Form der Exequaturentscheidung wird wie ein deutsches Urteil vollstreckt. Es kommt inländisches Vollstreckungsrecht zur Anwendung (Art. 9 Abs. 3 ÜberstÜbk). Die Staatsanwaltschaft ist die zuständige Vollstreckungsbehörde. Für die Vollstreckung finden die Vorschriften des Strafgesetzbuches, des Jugendgerichtsgesetzes, der StPO und des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung, soweit das IRG keine Regelung trifft (§ 77 IRG). c) Vollstreckung inländischer Urteile im Ausland. Nach § 71 IRG kann ein ausländischer Staat um Vollstreckung einer im Geltungsbereich des IRG gegen einen Ausländer verhängten Strafe oder sonstigen Sanktion ersucht werden. § 71 IRG regelt also die Vollstreckungshilfe durch Vollstreckung der von einem deutschen Gericht gegen einen Ausländer verhängten Sanktion im Ausland und damit die Abgabe der Strafvollstreckung an den ausländischen Staat. Sinn, Zweck und Konzeption dieser Vollstreckungshilfe entsprechen im Wesentlichen den §§ 48 ff. IRG.71 Die Staatsanwaltschaft prüft als Vollstreckungsbehörde in eigener Zuständigkeit 41 zunächst die Zulässigkeit eines Ersuchens nach § 71 IRG. Schon die von der Vollstreckungsbehörde zu treffende Entscheidung, ob überhaupt das Verfahren weiter betrieben werden soll, setzt eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung voraus.72 Bei der insoweit vorzunehmenden umfassenden Abwägung sind maßgebliche vollstreckungsrechtliche Belange gegenüber dem Resozialisierungsinteresse, inzwischen bestehenden Sprachproblemen nach langjährigem Aufenthalt im Inland mit der Entfremdung von der Kultur des ursprünglichen Herkunftslandes sowie die Vollstreckungspraxis des ersuchten Staates zu berücksichtigen.73 Zur Vorbereitung der Entscheidung sollte eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt eingeholt werden. Eine ablehnende Entscheidung hat die Vollstreckungsbehörde unter Darlegung der der Gesamtabwägung zugrundeliegenden Gesichtspunkte zu begründen. Gegen die ablehnende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, ein Überstellungsersuchen bei der Bewilligungsbehörde anzuregen, ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.74 Will die Vollstreckungsbehörde die Stellung eines Überstellungsersuchens befürworten, so berichtet sie der Landesjustizver-

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Schomburg/Lagodny/Hackner § 71, 1. BVerfGE 96 100 = NStZ 1998 140 mit Anm. Schomburg NStZ 1998 142; BVerfG NStZ-RR 2005 182. Schomburg/Lagodny/Hackner § 71, 7 ff. m. w. N. BVerfGE 96 100 = NStZ 1998 140 mit Anm. Schomburg NStZ 1998 142 = JZ 1998 565 mit Anm. Lagodny; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002 310; Schomburg/Lagodny/Hackner § 71, 18; a. A. KK/Schoreit § 23, 108 EGGVG.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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waltung (Nr. 105 RiVASt), die als spätere Bewilligungsbehörde entscheidet, ob ein Vollstreckungshilfeersuchen gestellt werden soll. Soweit die Landesjustizverwaltung dies verneint, bescheidet die Vollstreckungsbehörde einen eventuellen Antragsteller. Andernfalls veranlasst sie entweder eine förmliche richterliche Anhörung (§ 71 Abs. 2 Satz 3 IRG, § 3 ÜAG) vor dem zuständigen Gericht (§ 77 IRG, § 157 GVG, Nr. 108 Abs. 1 RiVASt) oder legt die Akten der örtlich zuständigen Generalstaatsanwaltschaft vor. Diese stellt alsdann den Antrag bei dem OLG, über die Zulässigkeit der Vollstreckung in dem ausländischen Staat zu entscheiden. Der Antrag an das OLG ist zu begründen. Letzteres kann bei Zweifeln an der Zulässigkeit eines Vollstreckungshilfeersuchens auch selbst den Sachverhalt weiter aufklären (§ 30 Abs. 2 IRG), Beweise erheben (§ 30 Abs. 2 Satz 2 IRG) und auch eine mündliche Verhandlung durchführen (§ 71 Abs. 4 Satz 4, § 30 Abs. 3 IRG). Die Entscheidung des OLG über die Zulässigkeit ergeht durch Beschluss, der zu begründen ist. Erklärt das Gericht die Vollstreckungshilfe für nicht zulässig, so ist das Verfahren beendet. Wird die Vollstreckungshilfe für zulässig erklärt, so berichtet die Vollstreckungsbehörde bzw. die Generalstaatsanwaltschaft (Nr. 112 Abs. 1 RiVASt) auf dem Dienstweg der Bewilligungsbehörde und regt die Stellung eines Vollstreckungshilfeersuchens an. Damit geht das Verfahren vom rein innerstaatlichen Verfahren in ein zwischenstaatliches Verfahren über. Die Entscheidung der Bewilligungsbehörde ist, soweit sie allgemein- und außenpolitische Belange betrifft, nicht anfechtbar.75 Entscheidet die Bewilligungsbehörde hingegen in ihrer Eigenschaft als Fachaufsichtsbehörde an Stelle der Vollstreckungsbehörde in der Vollstreckungssache selbst, so ist die Entscheidung der Bewilligungsbehörde nach den §§ 23 ff. EGGVG überprüfbar.76 Im Falle der Bewilligung der Vollstreckungshilfe erfolgt die Überstellung des Verurteilten. Mit der Übernahme des Verurteilten durch seinen Heimatstaat wird die Vollstreckung im Inland ausgesetzt (Art. 8 Abs. 1 ÜberstÜbk). Es gilt nunmehr das Vollstreckungsrecht des Vollstreckungsstaates. Er ist für alle weiteren vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen zuständig. Nach Art. 12 ÜberstÜbk steht das Recht der Begnadigung oder der Amnestie auch dem Urteilsstaat zu. Zur Entscheidung über einen Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist ausschließlich der Urteilsstaat berufen. Die Erklärung des Vollstreckungsstaates, dass die Vollstreckung abgeschlossen ist (Art. 15 Buchst. a ÜberstÜbk), ist für den Urteilsstaat bindend.

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XII. Strafvollstreckung an Soldaten der Bundeswehr Nach Art. 5 Abs. 1 EGWStG 1957 i. d. F. des Gesetzes vom 21.8.197277 wird Strafarrest 46 an Soldaten der Bundeswehr von den Behörden der Bundeswehr vollzogen, auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde (§ 22 Abs. 3 StVollstrO) auch Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten sowie Jugendarrest.78 Sie sind dann wie Strafarrest zu vollziehen. Die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde und des Gerichts im Vollstreckungsstadium bleiben danach unberührt. Die Abweichung gegenüber dem für Zivilpersonen geltenden Recht besteht lediglich darin, dass an die Stelle der Vollzugsbehörden der Justizverwaltung die der Bundeswehr treten oder treten können. Den Vollzug des Strafar75 76 77 78

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Schomburg/Lagodny/Hackner § 71, 18. BVerfG NStZ-RR 2005 182. BGBl. I S. 1481. Art. 5 Abs. 2 EGWStG; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat Einl. 17; Röttle/Wagner Rn. 219 ff.

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rests regelt § 9 Abs. 2 WStG nur im Allgemeinen. Entsprechend der Regelung in (dem inzwischen weggefallenen) § 115 JGG (Rn. 21) erteilt Art. 7 EGWStG der Bundesregierung die Ermächtigung, durch Rechtsverordnung bestimmte wesentliche Punkte für den Vollzug des Strafarrests durch Behörden der Bundeswehr zu regeln. Dies ist geschehen durch die Bundeswehrvollzugsordnung (BWVollzO) vom 29.11.1972 betreffend den Vollzug von Freiheitsstrafe, Strafarrest, Jugendarrest und Disziplinararrest durch Behörden der Bundeswehr.79

XIII. Notwendige Verteidigung im Vollstreckungsverfahren 47

Auch wenn im Vollstreckungsverfahren lediglich für Verfahren nach § 463 Abs. 3 Satz 4 (§ 463 Abs. 3 Satz 5), § 463 Abs. 4 (§ 463 Abs. 4 Satz 8) und § 463 Abs. 8 die Bestellung eines Verteidigers vorgesehen ist, so geht aber auch § 454 Abs. 2 für die danach zu treffenden Entscheidungen von einer Mitwirkung eines Verteidigers aus (§ 454 Abs. 2 Satz 3 und 4), auch wenn dessen Bestellung nicht gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben ist. Dass auch im Vollstreckungsverfahren die Bestellung eines Verteidigers geboten ist, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig oder ersichtlich ist, dass sich der Verurteilte nicht selbst verteidigen kann, ist in der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung kaum noch streitig.80 Der Grundsatz des fairen Verfahrens gilt angesichts der Komplexität vollstreckungsrechtlicher Entscheidungen81 auch – und gerade – im Vollstreckungsverfahren.82 Die Bestellung eines Verteidigers ist daher regelmäßig vor Entscheidungen nach § 454 Abs. 2 und vor allen Entscheidungen nach § 463, soweit diese die Entscheidung über eine weitere Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung betreffen, geboten, um sicherzustellen, dass auch im Vollstreckungsverfahren die Verfahrensrechte des Verurteilten wahrgenommen und sichergestellt werden. Ob und in welchem Umfang etwa im Verfahren nach den §§ 455, 458 Abs. 2 oder § 459f eine Verteidigerbestellung in Betracht kommt, weil ersichtlich ist, dass sich der Verurteilte nicht selbst verteidigen kann (z. B. bei Analphabeten, sprachunkundigen Ausländern oder aktenkundiger Intelligenzminderung), bedarf der Prüfung im Einzelfall. Die Bestellung eines Verteidigers erfolgt im Vollstreckungsverfahren für jeden Verfahrensabschnitt mit Ausnahme der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 463 Abs. 8 StPO) gesondert.83 Eine mit Beginn der Vollstreckung getroffene Festlegung auf einen ganz bestimmten Verteidiger für die gesamte Dauer des Vollstreckungsverfahrens würde insbesondere bei lang andauernder Vollstreckung der Dynamik eines Vollstreckungsverfahrens nicht gerecht werden und unter Umständen sogar ein faires Vollstreckungsverfahren beeinträchtigen. Dass fiskalische Erwägungen bei der Frage des Erfordernisses der notwendigen Verteidigung im Vollstreckungsverfahren außer Betracht zu bleiben haben, versteht sich von selbst, da es sich um sachfremde Erwägungen handelt.

79 Wegen der Geltung der StVollstrO vgl. § 5 BWVollzO i. V. m. § 1 Abs. 3 StVollstrO. 80 Vgl. die umfangreichen Rechtsprechungsnachweise bei LR/Jahn § 140, 99 m. w. N. in Fn. 422; 115 ff. mit einer umfangreichen Kasuistik; Graalmann-Scheerer StV 2011 696, 700. 81 KG StV 2007 94; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004 19. 82 BVerfGE 86 288, 317; LR/Kühne Einl. Abschn. I 112. 83 OLG Celle StV 2021 258; OLG Düsseldorf StraFo 2011 371; OLG Zweibrücken NStZ 2010 470; OLG München StraFo 2009 527; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003 252; KG NStZ-RR 2002 63; a. A. OLG Stuttgart 2000 3367.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

Vor § 449

B. Besonderheiten in Bezug auf rechtskräftige Entscheidungen der früheren DDR I. Frühere Regelung Schon vor der Vereinigung der beiden Teile Deutschlands wurden Strafurteile 48 von Gerichten der früheren DDR in der Bundesrepublik grundsätzlich als wirksam und vollstreckungsfähig angesehen.84 Jedoch konnte ein Verurteilter nach § 15 RHG die Feststellung der Unzulässigkeit der Vollstreckung in der Bundesrepublik – und zwar selbst dann noch – beantragen, wenn die Strafe bereits vollstreckt war. Antragsgrund war entweder die Unangemessenheit von Art und Höhe der Strafe nach rechtsstaatlichen Grundsätzen oder die Unverträglichkeit mit dem Zweck eines Bundesgesetzes (§ 2 RHG). Dieses Gesetz ist durch die staatliche Vereinigung obsolet und aufgehoben worden.85 II. Jetzige Regelung 1. Bedeutung des Art. 18 EinigungsV a) Grundsätzliches. Art. 18 Abs. 1 EinigungsV stellt in Satz 1 klar, dass Entschei- 49 dungen von Gerichten der früheren DDR nicht generell als unwirksam oder überprüfungsbedürftig angesehen werden und nach Maßgabe des gemäß Art. 8 EinigungsV in Kraft gesetzten oder gemäß Art. 9 EinigungsV fortgeltenden Rechts nunmehr auch in den alten Bundesländern vollstreckt werden können.86 Aus seinem zweiten Halbsatz folgt weiter, dass für die Vollstreckung strafgerichtlicher Entscheidungen grundsätzlich die Vorschriften der §§ 449 ff., ergänzt durch das JBeitrG, sowie die hierzu getroffenen Maßgaben gelten.87 Entstehen Zweifelsfragen, kann der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 458, 462 oder §§ 23 ff. EGGVG herbeiführen,88 soweit nicht nach Nr. 14 Buchst. d bis f und j89 besondere Verfahren vorgesehen sind. b) Einzelerläuterungen aa) Allgemeines. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 EinigungsV richtet sich aufgrund des 50 in Rn. 49 dargelegten Rechts auch die Überprüfung der Vereinbarung von Entscheidungen und ihrer Vollstreckung mit rechtsstaatlichen Grundsätzen. Dem Betroffenen standen dafür neben den zulässigen Rechtsmitteln und -behelfen der StPO (z. B. Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 359 ff.; Überprüfung von Vollstreckungsmaßnahmen

84 LR/Schäfer24 Einl. Kap. 16 Rn. 38. Als nichtig angesehen wurden allerdings schon damals die Urteile des LG Chemnitz in den sog. Waldheimer Prozessen (Kemper/Lehner NJW 1991 329 Fn. 4). Durch § 1 Abs. 2 StrRehaG – das Gesetz ist als Art. 1 Teil des 1. SED-UnBerG vom 29.10.1992 (BGBl. I S. 1814) – ist dieser Standpunkt ausdrücklich bestätigt worden. 85 Anl. I Kap. III Sachgeb. C Abschn. II Nr. 5 EinigungsV; Kemper/Lehner NJW 1991 329; Bringewat Vor § 449, 5. Kommentierung des RHG von K. Schäfer zuletzt in der 23. Aufl. dieses Kommentars. 86 LR/Hilger24 Nachtr. II EinigungsV Teil C Rdn. 5; Kemper/Lehner NJW 1991 330; Bringewat Vor § 449, 6. 87 LR/Hilger24 Nachtr. II EinigungsV Teil C Rn. 7. 88 LR/Hilger24 Nachtr. II EinigungsV Teil C Rn. 31. 89 Der Anl. I Kap. II Sachgeb. A Abschn. III EinigungsV.

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Vor § 449

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

durch gerichtliche Entscheidung nach § 458) für eine begrenzte Zeit zunächst noch zwei weitere aus der Zeit der DDR-Gerichtsbarkeit stammende Verfahren zur Verfügung.90 51

bb) Kassation. Art. 18 Abs. 2 EinigungsV (i. V. m. Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 14 Maßgabe h, §§ 311 bis 327 StPO/DDR) räumte dem durch ein Strafgericht der früheren DDR Verurteilten ein eigenes Recht ein, die gerichtliche Kassation früherer rechtskräftiger Entscheidungen herbeizuführen.91 Mit diesem Verfahren wurde dem Verurteilten die Möglichkeit eröffnet, solche Entscheidungen korrigieren zu lassen, die auf einer schwerwiegenden Verletzung der im Zeitpunkt der Verurteilung geltenden DDR-Strafgesetze oder strafprozessualer Vorschriften beruhten oder gröblich unrichtige Rechtsfolgenaussprüche oder sonst rechtsstaatswidrige Verurteilungen betrafen.92

52

cc) Rehabilitierung. Mit dem Rehabilitierungsgesetz/DDR93 wurde dem Verurteilten durch ein besonderes Verfahren94 darüber hinaus ermöglicht, solche Strafurteile abändern zu lassen, die zwar im Zeitpunkt der Entscheidung möglicherweise materiellrechtlich und prozessual fehlerfrei zustande gekommen, letztlich aber doch „politische“ Urteile waren, weil sie Strafen für Handlungen enthielten, mit denen der Angeklagte nur Rechte wahrgenommen hatte, die durch die ihm zustehenden verfassungsmäßigen politischen Grundrechte gedeckt waren und deshalb strafrechtlich nicht geahndet werden durften.95 Für die Beseitigung solcher Fehlentscheidungen gilt nunmehr § 1 StrRehaG.96 Seit der Änderung durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes vom 22.11.201997 ist eine Antragstellung unbefristet statthaft (§ 7 Abs. 1 StrRehaG). 2. Bedeutung der Maßgaben zur StPO98

53

a) Einführung. Wie bereits den Ausführungen in Rn. 49 zur StPO zu entnehmen ist, gilt grundsätzlich das Recht der (alten) Bundesrepublik. Für die Strafvollstreckung folgt daraus, dass die §§ 449 ff. StPO sowie das Justizbeitreibungsgesetz nur dann nicht angewendet werden dürfen, wenn die Maßgaben ausdrücklich eine andere Regelung vorsehen.

54

b) Wortlaut. Nach Nr. 14 der Anlage I Kap. III A III Anlage I Kapitel III Sachgebiet A – Rechtspflege Abschnitt III des Einigungsvertrages gilt die StPO mit folgenden Maßgaben: „Nr. 14 a) bis c) (nicht mehr anzuwenden)

90 Zwar betreffen sie keine Strafvollstreckungsregelungen; gleichwohl soll auf sie zur Vervollständigung des Umfangs der Gesamtregelungen kurz eingegangen werden. 91 LR/Hilger24 Nachtr. II EinigungsV Teil C Rn. 8; Kemper/Lehner NJW 1991 330; Bringewat Vor § 449, 7. 92 LR/Hilger24 Nachtr. II EinigungsV Teil C Rn. 48, 50. 93 Vom 6.9.1990 GBl. I S. 1459 – in der Fassung der Zusatzvereinbarung vom 18.9.1990 BGBl. II S. 1239. 94 Nach Art. 9 Abs. 3, Art. 17 EinigungsV i. V. m. Art. 3 Nr. 6 Zusatzvereinbarung. 95 LR/Hilger24 Nachtr. II EinigungsV Teil C Rn. 51; LG Berlin DtZ 1991 157; Pfister NJW 1991 165 ff. 96 Das DDR-Rehabilisierungsgesetz ist durch § 27 Nr. 2 aufgehoben worden. 97 BGBl. I. S. 1752. 98 Gemäß Anl. I zum EinigungsV (Überleitung von Bundesrecht) Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 14.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

Vor § 449

d) Die Vollstreckung einer Rechtsfolge aus einer Entscheidung eines Strafgerichts der Deutschen Demokratischen Republik ist zulässig, es sei denn es wird durch ein Gericht festgestellt, daß die Verurteilung mit rechtsstaatlichen Maßstäben nicht vereinbar ist oder daß Art oder Höhe der Rechtsfolge nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht angemessen sind oder dem Zweck eines Bundesgesetzes widersprechen. Es kann auch festgestellt werden, daß die Rechtsfolge in einer milderen Folgenart zu vollstrecken ist. Der Antrag auf Feststellung kann von dem Verurteilten oder von der Staatsanwaltschaft gestellt werden. Der Antrag ist unzulässig, wenn ein Kassationsverfahren oder ein Rehabilitierungsverfahren durchgeführt worden ist oder ein Rehabilitierungsverfahren noch durchgeführt werden kann. Über den Antrag entscheidet das Gericht, das nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz vom 29. Oktober 1992 (BGBl. I S. 1814) für die Rehabilitierung zuständig wäre. § 458 Abs. 3 Satz 1 und § 462 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 gelten entsprechend. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Der Aufschub oder die Unterbrechung der Vollstreckung kann auch von der Staatsanwaltschaft angeordnet werden. e) bis h) (nicht mehr anzuwenden) i) Das Begnadigungsrecht steht dem Bund auch dann zu, wenn ein Gericht der Deutschen Demokratischen Republik in einer Sache entschieden hat, die der Gerichtsbarkeit des Bundes unterfallen würde. j) Die abschließende Entscheidung des Gerichts nach Maßgabe d) ist dem Generalbundesanwalt – Bundeszentralregister – mitzuteilen. Sie ist in ihm zu vermerken, wenn die Vollstreckung einer Rechtsfolge insgesamt oder in einer milderen Folgenart für zulässig erklärt worden ist. Ist die Verurteilung noch nicht im Bundeszentralregister eingetragen, so wird die Eintragung von der Registerbehörde entsprechend den Feststellungen in der abschließenden Entscheidung vorgenommen. Die Eintragung im bisherigen Strafregister der Deutschen Demokratischen Republik über eine Rechtsfolge, deren Vollstreckung für unzulässig erklärt worden ist, ist nicht in das Bundeszentralregister zu übernehmen. Bei bereits erfolgter Eintragung im Bundeszentralregister ist diese wieder zu entfernen. Eintragungen auf Grund der gerichtlichen Entscheidung werden hinsichtlich der Folgen nach dem Bundeszentralregistergesetz wie Eintragungen von Verurteilungen durch deutsche Gerichte im bisherigen Geltungsbereich des Bundeszentralregistergesetzes behandelt. k) (nicht mehr anzuwenden)“ c) Einzelerläuterungen aa) Maßgabe d. Die Maßgabe geht von dem Grundsatz aus, dass – entsprechend 55 Art. 18 Abs. 1 EinigungsV – Entscheidungen der früheren DDR – unter Beachtung der hierzu getroffenen Maßgaben – vollstreckt werden können und bestimmt als Ausnahme die Unzulässigkeit der Vollstreckung, falls ein Gericht feststellt, dass die Verurteilung mit rechtsstaatlichen Maßstäben nicht vereinbar ist, oder dass Art oder Höhe der Rechtsfolge nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht angemessen sind oder dem Zweck eines Bundesgesetzes widersprechen. Neben den der StPO zur Korrektur unrichtiger Entscheidungen sowie zur Überprüfung der Vollstreckung von Entscheidungen (z. B. nach § 458) zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln und -behelfen enthält die Maßgabe noch eine Auffangklausel, die sicherstellen soll, dass nicht trotzdem Unrechtsentscheidungen vollstreckt werden, weil dieses Instrumentarium nicht greift oder z. B. wegen Fristablaufs nicht mehr genutzt werden kann. Die gerichtliche Feststellung kann bewirken, dass die in einer Entscheidung ver- 56 hängte Rechtsfolge nicht, nicht in vollem Umfang oder dass nur eine mildere Folgenart vollstreckt werden darf. Die Regelung ist nach dem Vorgesagten nicht anwendbar, wenn 21

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

(soweit) eine vor dem 3.10.1990 ergangene Entscheidung nach diesem Stichtag durch ein Rechtsmittelgericht überprüft und nicht beanstandet wird. 57 Satz 1 und 2 sind § 2 Abs. 5 RHG nachgebildet, erfassen aber darüberhinausgehend auch den Fall, dass schon die „Verurteilung“, also der Schuldspruch oder das Verfahren, das zur Verurteilung geführt hat, nicht mit rechtsstaatlichen Maßstäben vereinbar ist. Letzteres kann z. B. der Fall sein, wenn der Schuldspruch auf einer rechtsstaatswidrigen Vorschrift des materiellen Strafrechts der früheren DDR beruht oder auf einem Verfahren, das nicht rechtsstaatlichen Maßstäben entspricht (z. B. Verletzung der Grundsätze des § 136a StPO oder des rechtlichen Gehörs). Dass eine Rechtsfolge dem Zweck eines Bundesgesetzes widerspricht (ein Umstand, der kein Kassationsgrund ist), ist anzunehmen, wenn sie bzw. ihre Vollstreckung nicht mit wesentlichen Grundgedanken oder Zielen des Rechts der Bundesrepublik vereinbar ist (z. B. Vollstreckung einer Jugendstrafe, die über die Begrenzung des § 18 JGG hinausgeht). 58 Die Sätze 3 bis 8 der Maßgabe enthalten im Wesentlichen Verfahrensvorschriften. Nach Satz 3 kann der Feststellungsantrag nur von dem Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft gestellt werden. Der Rechtspfleger ist nicht antragsbefugt, weil der Antrag nicht eine der Vollstreckungsbehörde obliegende Maßnahme im Sinne von § 31 Abs. 2 RPflG ist. Im Hinblick auf die Subsidiaritätsklausel in Satz 4 wird der Maßgabe in der Praxis kaum große Bedeutung zukommen. Denn der Antrag ist unzulässig, wenn ein Kassationsverfahren oder ein Rehabilitierungsverfahren durchgeführt worden ist, noch läuft oder Letzteres noch beantragt werden kann. 59 Zuständig ist nach Satz 5 das nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz für die Rehabilitierung zuständige Gericht. Dieses kann nach Satz 6 vorläufig einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung bis zur endgültigen Entscheidung anordnen (§ 458 Abs. 3 Satz 1 StPO). Die gleiche Befugnis steht nach Satz 8 der Staatsanwaltschaft zu. Das Gericht trifft gemäß Satz 6 seine nicht anfechtbare Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 462 Abs. 1 Satz 1), grundsätzlich nach Anhörung des Verurteilten bzw. der Staatsanwaltschaft. Ausnahmsweise kann von der Anhörung des Verurteilten abgesehen werden, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass die Anhörung nicht durchführbar ist (§ 462 Abs. 2). 60

bb) Maßgabe j. Maßgabe j enthält strafregisterliche Folgeregelungen.

§ 449 Vollstreckbarkeit Strafurteile sind nicht vollstreckbar, bevor sie rechtskräftig geworden sind. Schrifttum Beling Aufnahme der Einzelstrafen in den Urteilstenor bei Gesamtstrafenbildung, ZStW 38 (1916) 630; ders. Aus dem neuesten Bande der Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen, ZStW 39 (1918) 673; Doller Reststrafenaussetzung bei mehreren Strafen, ZRP 1978 55; Erich Zur Frage der Vollstreckbarkeit einer nicht im Urteil ausgesprochenen Einzelstrafe, GA 60 (1913) 410; Foth Zur Fristberechnung, wenn mehrere Freiheitsstrafen zu verbüßen sind, DRiZ 1976 277; Grünwald Die Teilrechtskraft im Strafverfahren, Göttinger rechtswissenschaftliche Studien Bd. 54 (1964); Hamann Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 in seinen Auswirkungen für die Strafvollstreckung, Rpfleger 1979 125; ders. Internationale Strafvollstreckung, Rpfleger 1985 13; Katz Das Verhältnis der Einzelstrafe zur Gesamtstrafe, GerS 36 (1884) 589; Kleinknecht Die selbständige und unselbständige Vollstreckbarkeitsbe-

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-002

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 449

scheinigung im Strafprozeßrecht, Rpfleger 1952 210; Knetsch Rechtskraftbescheinigung bei Gesamtstrafenund Widerrufsbeschlüssen? Rpfleger 1957 75; Krug Zur Frage der Vollstreckbarkeit einer nicht im Urteilstenor ausgesprochenen Einzelhaft, GA 60 (1913) 61; Küper Unzulässige Revision und formelle Rechtskraft des Strafurteils, GA 1969 364; ders. Der Eintritt der Rechtskraft bei verspäteter Revisions- oder Beschwerdebegründung, MDR 1971 806; Meister Die Vollstreckbarkeit rechtskräftiger Einzelstrafen, DRiZ 1954 46; D. Meyer Zur Frage der Berechnung der 2/3-Frist des § 26 StGB bei mehreren hintereinander zu verbüßenden Freiheitsstrafen, MDR 1974 540; H. Meyer Bundestag und Immunität (1954); Pohlmann Sind rechtskräftige Einzelstrafen vollstreckbar? Rpfleger 1958 105; Radtke Materielle Rechtskraft bei der Anordnung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung, ZStW 110 (1998) 297; Schneider Immunität und mitgebrachtes Verfahren, DVBl. 1955 350; G. Schwarz Vollstreckbarkeit und Rechtskraft der Strafurteile, NJW 1954 1228.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist im Wortlaut unverändert geblieben (RGBl. I S. 322). Bezeichnung bis 1924: § 481.

I.

II.

III.

IV.

Übersicht Vollstreckung erst nach Rechtskraft 1. Grundsatz 1 2. Ausnahmen a) § 56 JGG 2 b) Adhäsionsverfahren 4 Vollstreckungspflicht 1. Grundsatz 6 2. Ausnahmen 7 Vollstreckungshindernisse 1. Allgemeines 8 2. Immunität a) Bundestagsabgeordnete 9 b) Landtagsabgeordnete 10 Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit 1. Formelle Rechtskraft 11 2. Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft 12 a) Mit Ablauf der Einlegungs- bzw. Begründungsfrist 13 b) Mit Erlass des Verwerfungsbeschlusses des iudex a quo 14 c) Mit Erlass des Beschlusses des Revisionsgerichts 15 d) Ergebnis 16

3. 4.

Praktische Bedeutung 17 Wirksamwerden von Verwerfungsbeschlüssen 18 V. Vollstreckbarkeit bei Mehrheit von Angeklagten 19 VI. Absolute Rechtskraft 21 VII. Rechtskraft eines Teils der Urteilsformel 22 1. Beschränkung des Rechtsmittels auf Nebenfolgen einer Tat 23 2. Beschränkung des Rechtsmittels auf einzelne Taten bei Verurteilung zu mehreren gesonderten Strafen 24 3. Beschränkung des Rechtsmittels bei Verurteilung zu einer Gesamtstrafe a) Allgemeines 25 b) Eigene Ansicht 27 c) Bedeutung des § 56 JGG 31 d) Vollstreckbarkeitsbescheinigung 32 VIII. Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen 34 IX. Ordnungs- und Zwangsmittel 35

Alphabetische Übersicht Adhäsionsverfahren 4 Amnestie 7, 8 Begnadigung 7, 8 Bundestagsabgeordnete 9 Entziehung der Fahrerlaubnis 9 Ermessensentscheidung 7 Europäisches Parlament 10 Fahrverbot 9

23

Geldstrafe 9 Gesamtstrafe 25 ff. Immunität 9 f. Landtagsabgeordnete 10 Nebenfolgen 9 Ordnungswidrigkeitenverfahren 5 Rechtskraft – absolute 21

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

– Eintritt 12 ff. – formelle 11 Teilvollstreckung 22 ff. Teilvollstreckungsanordnung 3 – nach § 56 JGG 2 f. Vollstreckbarkeit

– Ausnahmen 2 ff., 7 – vorläufige 1 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 32 Vollstreckungsaufschub 8 Vollstreckungshindernisse 8 ff. Vollstreckungspflicht 6 ff. Vollstreckungsverjährung 6, 8

I. Vollstreckung erst nach Rechtskraft 1

1. Grundsatz. Nach dem vor dem 1.10.1879 in mehreren Bundesstaaten geltenden Recht war es im Interesse des Verurteilten unter gewissen Voraussetzungen gestattet, mit der Vollstreckung der Strafe schon vor dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils zu beginnen. Dies ist nach der Strafprozessordnung nicht statthaft, denn eine vorläufige Vollstreckbarkeit kennt die Strafprozessordnung nicht. Der Begriff des Strafurteils ist hier nicht im formellen Sinne des § 260 zu verstehen, sondern umfasst auch Urteilssurrogate, wie Strafbefehl, Entscheidungen nach §§ 460, 462 und solche in einem „Nachverfahren“ getroffenen Entscheidungen, die einem Strafurteil die ihm zunächst fehlende Vollstreckbarkeit erst verschaffen oder die ihm entzogene Vollstreckbarkeit wieder verschaffen wie der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 453 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 56f Abs. 1 StGB), des Straferlasses (§ 453 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 56g StGB), der Aussetzung des Strafrestes (§ 454 Abs. 4, § 453 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 57 Abs. 5 StGB) oder der Unterbringung (§ 463 Abs. 6 i. V. m. § 67g Abs. 1 bis 3 StGB) und die durch Beschluss erfolgende Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe nach Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 453 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 59b StGB).1 Wird ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil in der irrtümlichen Annahme vollstreckt, es sei bereits rechtskräftig, so rechnet die tatsächliche Verbüßung bei der Strafzeitberechnung in vollem Umfang wie eine ordnungsgemäß verbüßte Strafe.2 2. Ausnahmen

2

a) § 56 JGG. Nach § 31 JGG wird bei mehreren Straftaten eines Jugendlichen nur einheitlich die Reaktion festgesetzt. Das Gleiche gilt bei mehreren Straftaten eines Heranwachsenden, wenn Jugendstrafrecht angewendet wird (§ 105 JGG). Es wird also – abweichend von §§ 53 bis 55 StGB – nicht für jede der Taten eine besondere Strafe verhängt, aus denen sodann eine Gesamtstrafe gebildet wird, sondern die Mehrheit der festgestellten Straftaten wird für den Strafausspruch als Gesamtkomplex einheitlich bewertet (vgl. § 31 Abs. 1 JGG), so, als ob sie zusammen nur eine Straftat darstellten. Nach dem Grundsatz des § 449 käme eine Vollstreckung aus dem Urteil erst in Betracht, wenn die Einheitsstrafe rechtskräftig festgesetzt ist. Hier greift § 56 JGG ein. Er räumt bei Anfechtung eines Urteils, wenn die Schuldfeststellungen bei allen oder einem Teil der Taten nicht beanstandet worden sind, dem Rechtsmittelgericht die Befugnis ein, vor der Hauptverhandlung (durch Beschluss) das Urteil für einen Teil der Einheitsstrafe für

1 Wegen weiterer Nachtragsentscheidungen dieser Art vgl. § 14 StVollstrO. 2 KG JR 1964 310.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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vollstreckbar zu erklären, wenn es dem wohlverstandenen Interesse des Angeklagten entspricht (§ 56 Abs. 1 Satz 2 JGG).3 § 56 JGG war im Gesetzgebungsverfahren sehr umstritten. Insbesondere hatte der 3 Bundesrat die Streichung der Vorschrift vorgeschlagen, weil die Teilvollstreckung dem Grundsatz des § 449 widerspreche und sie deshalb aus rechtsstaatlichen Gründen nicht förderungswürdig erscheint.4 Im Bundestag setzte sich indessen die Auffassung durch, es sei wenig sinnvoll, eine Untersuchungshaft bestehen zu lassen, wenn dem Strafvollzug kein sachlich berechtigter Hinderungsgrund mehr im Wege stehe, weil die vom Beschwerdeführer als zutreffend anerkannten Schuldfeststellungen offensichtlich ausreichen, um eine Jugendstrafe – gegebenenfalls von kürzerer Dauer – aufrechtzuerhalten. Die Teilvollstreckung bedeute zwar einen Bruch mit dem Grundsatz des § 449, sie ergebe sich aber aus der rechtlichen Konstruktion der Einheitsstrafe. Die Richtlinien zu § 56 JGG empfehlen Zurückhaltung bei der Teilvollstreckungsanordnung. Danach ist vor allem zu bedenken, dass sich bei einem Wegfall einzelner Schuldfeststellungen ein anderes Bild von der Persönlichkeit des Jugendlichen (oder Heranwachsenden bei Anwendung des Jugendstrafrechts) ergeben und damit die Verhängung von Jugendstrafe überhaupt entbehrlich werden kann.5 Der Beschluss über die Anordnung der Teilvollstreckung ist nach § 56 Abs. 2 JGG mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. b) Adhäsionsverfahren. Eine weitere Ausnahme gilt für die Entscheidung im Ad- 4 häsionsverfahren (§ 406 Abs. 3), weil das Strafurteil hier die Funktion eines Urteils des Zivilrichters übernimmt. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar (§ 406 Abs. 3 Satz 2). Die §§ 708 bis 712, 714, 716 ZPO gelten entsprechend (§ 406 Abs. 3 Satz 2 2. Hs.). 3. Für Bußgeldentscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten enthält § 89 OWiG 5 eine dem § 449 entsprechende Vorschrift.

II. Vollstreckungspflicht 1. Grundsatz. § 449 verbietet seinem Wortlaut nach lediglich, die Vollstreckung aus 6 einem Strafurteil vor seiner Rechtskraft zu betreiben. Eine Pflicht zur Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils spricht er aber nicht ausdrücklich aus, auch nicht § 451, der lediglich bestimmt, welche Behörde Vollstreckungsbehörde ist und welcher formalen Voraussetzungen es zur Vollstreckung bedarf. Gleichwohl kann an der Vollstreckungspflicht kein Zweifel bestehen. Diese Pflicht erschien im Zeichen des Legalitätsprinzips (§ 152) dem Gesetzgeber so selbstverständlich, dass er einen besonderen Ausspruch für überflüssig hielt. Sie ergibt sich auch ohne weiteres aus § 258a StGB sowie aus den §§ 451, 455 ff.6 § 1 des Entwurfs eines StVollzG 1927 wollte in Anlehnung an § 152 Abs. 2 förmlich die Vollstreckungspflicht festschreiben. Auch § 84 Abs. 1 JGG bringt die Vollstreckungspflicht zum Ausdruck. Es ist nach alledem nur eine Klarstellung der Rechtslage, wenn die §§ 2, 3 StVollstrO die Vollstreckungsbehörden anweisen zu prüfen, ob die 3 Eisenberg/Kölbel § 56, 3 ff.; ähnlich auch Bringewat 4, der aber darüber hinaus verlangt, dass auch die Strafzumessungstatsachen zumindest teilweise unbeanstandet und damit rechtskräftig geworden sind, und auch diese Art der Vollstreckung deshalb als eine endgültige (Teil)vollstreckung wertet. 4 Eisenberg/Kölbel § 56, 4 ff.; a. A. Meyer-Goßner/Schmitt 6. 5 Bedenken erheben auch Eisenberg/Kölbel § 56, 6, 10; Bringewat 6. 6 Groß StV 1987 36; Küppers JR 1992 392; Bringewat 28. Allerdings gibt es keinen Vorrang im Sinne einer Vollstreckung um jeden Preis (Pohlmann/Jabel/Wolf § 2, 3).

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben sind, und die zur Durchführung der Entscheidung erforderlichen Maßnahmen mit Nachdruck und Beschleunigung zu treffen. Im Vollstreckungsverfahren gilt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht. Ob bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise die Vollstreckung wegen einer Verletzung des Vertrauensgrundsatzes unzulässig ist, bedarf einer Einzelfallprüfung.7 Grundsätzlich besteht für die Vollstreckungsbehörde bis zum Eintritt der Vollstreckungsverjährung (§§ 79 ff. StGB) Vollstreckungspflicht. 7

2. Ausnahmen. An die Stelle der Vollstreckungspflicht kann nach gesetzlicher Vorschrift Ermessensfreiheit treten (§ 455 Abs. 3, § 455a Abs. 1, §§ 456, 456a, 456c Abs. 2, § 459a; § 96 OWiG betr. die Erzwingungshaft), und zwar auch in der Form, dass es der Vollstreckungsbehörde freisteht, beim Gericht die Anordnung der Nichtvollstreckung anzuregen (§ 459f, 6). Die Vollstreckungspflicht ist gehemmt bei nicht endgültigen Vollstreckungshindernissen, z. B. in den Fällen des § 455 Abs. 1 und 2, sowie bei Strafaufschub und Strafunterbrechung im Weg der Gnade8 und wenn das Gericht eine Aussetzung oder Unterbrechung der Strafvollstreckung beschließt (z. B. nach § 360 Abs. 2, § 458 Abs. 3). Die Vollstreckungspflicht entfällt, wenn der staatliche Vollstreckungsanspruch erlischt: etwa durch Amnestie9 – insbesondere wenn im Zusammenhang mit einer umfassenden oder partiellen Strafrechtsreform der Erlass rechtskräftig verhängter und noch nicht vollstreckter Strafen wegen solcher Taten angeordnet wird, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar sind, so z. B. Art. 313 EGStGB 1974 – durch Einzelgnadenerweis oder Verjährung. Daraus folgt wiederum, dass die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde die erneute Vollstreckung betreiben muss, wenn das Vollstreckungshindernis wegfällt. Der gerichtliche Rechtsschutz wird alsdann nach § 458 Abs. 1, §§ 462, 462a gewährleistet.10

III. Vollstreckungshindernisse 8

1. Allgemeines. Vollstreckungshindernisse sind von Amts wegen zu beachten. Sie machen die Vollstreckung unzulässig. Als solche Hindernisse kommen der Erlass einer Amnestie, die Begnadigung des Verurteilten (§ 452), der Eintritt der Vollstreckungsverjährung (§§ 79 ff. StGB), aber auch der Grundsatz der Spezialität bei der Auslieferung einer Person aus einem ausländischen Staat in die Bundesrepublik in Betracht.11 Als Vollstreckungshindernisse im weiteren Sinne gelten die Gewährung von Vollstreckungsaufschub (§ 455 Abs. 1 und 2, § 456) sowie die Unterbrechung der Vollstreckung im Gnadenwege oder aufgrund eines ausdrücklichen oder auch stillschweigenden Verzichts eines die Abschiebung in die Bundesrepublik betreibenden ausländischen Staates,12 die Unterbrechung aufgrund einer gerichtlichen Anordnung nach § 458 Abs. 3 Satz 1 2. Hs., die rechtskräftige Aussetzung eines Strafrestes nach § 57 StGB i. V. m. § 454 Abs. 1. Bei einer Strafaussetzung zur Bewährung liegt bis zu einem rechtskräftigen 7 8 9 10

OLG Karlsruhe NStZ 1997 253. OLG Düsseldorf JR 1992 391; Küppers JR 1992 392; Meyer-Goßner/Schmitt 4. OLG Dresden NStZ 1993 557; OLG Rostock MDR 1993 1231. OLG Dresden NStZ 1993 557: Vollstreckung einer zunächst durch Amnestiebeschluss ausgesetzten Freiheitsstrafe zufolge erneuter Freiheitsstrafe während einer dreijährigen „Bewährungszeit“. 11 KK/Appl 23; vgl. im Einzelnen Röttle/Wagner Rn. 664 ff. 12 OLG Düsseldorf MDR 1992 1078: zur Abschiebung eines Verurteilten aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik.

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Widerruf nach §§ 56f, 57 Abs. 5 StGB kein vollstreckungsfähiges Urteil i. S. v. § 449 vor. Da es sich dabei um einen neuen Gestaltungsakt handelt, wird dieser erst mit dem Eintritt seiner Rechtskraft vollstreckungsfähig.13 2. Immunität a) Bundestagsabgeordnete. Zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer frei- 9 heitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen einen Bundestagsabgeordneten bedarf es nach Art. 46 Abs. 3 GG der Genehmigung des Bundestags.14 Eine früher erteilte Genehmigung zur Strafverfolgung (Art. 46 Abs. 2 GG) umfasst die Genehmigung zur Strafvollstreckung nicht (Nr. 192 Abs. 1 RiStBV).15 Einer Vollstreckungsgenehmigung bedarf es auch dann, wenn eine Strafverfolgungsgenehmigung nicht erforderlich war, weil das Verfahren bereits vor Erlangung der Abgeordneteneigenschaft eingeleitet war.16 Streitig ist, ob eine besondere Vollstreckungsgenehmigung auch dann erforderlich ist, wenn der Bundestag bei der Genehmigung der Strafverfolgung die Untersuchungshaft zugelassen hatte.17 Für die Vollstreckungsbehörde ist die Streitfrage bedeutungslos, da Nr. 192 Abs. 1 RiStBV sie anweist, in jedem Fall die Genehmigung einzuholen. War die Genehmigung erteilt, so bedarf es zur Fortsetzung des Strafvollzugs keiner Genehmigung des neuen Bundestags, wenn der Verurteilte auch in den neuen Bundestag gewählt worden ist und das Mandat angenommen hat. Der neue Bundestag kann aber nach Art. 46 Abs. 4 GG die Unterbrechung des Vollzugs verlangen. Hatte der Vollzug im Zeitpunkt der Wiedererlangung eines Mandats im neuen Bundestag noch nicht begonnen, so kann er aufgrund einer vom alten Bundestag erteilten Vollstreckungsgenehmigung nicht betrieben werden. Es bedarf vielmehr einer Vollstreckungsgenehmigung des neuen Bundestags.18 Zur Vollstreckung von Geldstrafe usw. und eines Kostenanspruchs ist keine Genehmigung erforderlich. Auch die Vollstreckung von nicht freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (z. B. Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB) oder Nebenstrafen (z. B. Fahrverbot nach § 44 StGB) oder Nebenfolgen bedarf keiner Genehmigung. b) Landtagsabgeordnete. Wegen der Einleitung von Strafverfahren gegen Abge- 10 ordnete der Länderparlamente vgl. § 152a. Diese Vorschrift betrifft nicht die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen. Daher sind Vorschriften des Landesrechts, die dem Abgeordneten auch Vollstreckungsschutz gewähren, nur für die Vollstreckungsbehörden des eigenen Landes verbindlich, sofern das Landesrecht den Vollstreckungsschutz nicht auch auf landesfremde Abgeordnete erstreckt.19 Zur Immunität von Mitgliedern des Europäischen Parlaments vgl. Art. 9, 10 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der EG (BGBl. II 1965 1453, 1482), § 5 EuAbgG, Nr. 192b RiStBV.20 Wer

13 Bringewat 29; KK/Appl 22. 14 Wegen des bei der Einholung der Genehmigung zu beachtenden Verfahrens vgl. Nr. 192 Abs. 1 bis 3 RiStBV. 15 Röttle/Wagner Rn. 661. 16 OLG Celle NdsRpfl. 1953 72; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1954 53; Bockelmann Unverfolgbarkeit der Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht (1951), 41; Eb. Schmidt I Nr. 153; H. Meyer 10 ff. 17 Verneinend Bockelmann 53 f.; Schneider DVBl. 1955 350; Pohlmann/Jabel/Wolf § 2, 13; bejahend H. Meyer 14; Maunz/Dürig/Klein Art. 46, 68 f. 18 Pohlmann/Jabel/Wolf § 2, 13; Röttle/Wagner Rn. 661. 19 Wegen weiterer Einzelheiten s. die Erl. zu § 152a, 18; Pohlmann/Jabel/Wolf § 2, 13. 20 Röttle/Wagner Rn. 663.

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sowohl dem Europäischen Parlament als auch dem Deutschen Bundestag angehört, verliert seine Immunität nur, soweit beide Parlamente diese aufheben (Nr. 192b Abs. 6 RiStBV).

IV. Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit 11

1. Formelle Rechtskraft. Die Vollstreckbarkeit des Urteils setzt formelle Rechtskraft, also Unanfechtbarkeit mit Rechtsmitteln voraus. Entscheidungen, gegen die ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, werden mit ihrem Erlass rechtskräftig. Die Vollstreckbarkeit eines Urteils, das nicht anfechtbar und deshalb sofort rechtskräftig ist, wie das in der Sache selbst entscheidende Urteil des Revisionsgerichts (§ 354 Abs. 1), beginnt mit der Verkündung des Urteils und ist von der Bekanntmachung (Zustellung) an den bei der Verkündung nicht anwesenden Angeklagten nicht abhängig.21 Bei Verwerfung der Revision durch Beschluss wird die Vollstreckbarkeit des angefochtenen tatgerichtlichen Urteils mit Ablauf des Tages der Beschlussfassung begründet, weil in diesem Zeitpunkt seine Rechtskraft als eingetreten gilt (§ 34a, 3). Wird eine Entscheidung, gegen die ein Rechtsmittel an sich zulässig ist, verspätet angefochten, so tritt die Rechtskraft mit dem ungenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist ein (§ 34a, 6, 8), da nur durch rechtzeitige Einlegung der Berufung (§ 316) und Revision (§ 343) die Rechtskraft gehemmt wird.22 Wird ein Urteil durch Rechtsmittelverzicht aller Rechtsmittelberechtigten rechtskräftig und legt der Angeklagte gleichwohl das ohne den Verzicht zulässige Rechtsmittel ein, so wird der Beginn der Vollstreckbarkeit nicht bis zu dem Zeitpunkt der Verwerfung des unzulässigen Rechtsmittels hinausgeschoben.23 Da mit der allseitigen Rechtsmittelverzichtserklärung das Urteil sofort rechtskräftig wird, wird die Vollstreckbarkeit auch schon in diesem Zeitpunkt begründet. Eine rechtzeitig angefochtene Entscheidung wird in dem Zeitpunkt rechtskräftig, in dem das Rechtsmittel zulässigerweise zurückgenommen wird.

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2. Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft. Streitig ist, wann die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung eintritt, wenn Revision zwar rechtzeitig, aber nicht formgerecht eingelegt oder nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist (§§ 344, 345) begründet wird. Hier werden drei Auffassungen vertreten:

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a) Mit Ablauf der Einlegungs- bzw. Begründungsfrist. Die Ansicht beruht auf dem Standpunkt, dass der die Revision verwerfende Beschluss des iudex a quo (§ 345 Abs. 1) und der Beschluss des zur Entscheidung angerufenen Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 nur deklaratorische Bedeutung haben. Sie stellen nur den Eintritt der Rechtskraft ex tunc fest.24 Das wird daraus gefolgert, dass § 346 Abs. 2 Satz 2 2. Hs. die Vollstreckung des Urteils für zulässig erklärt, obwohl die Entscheidung des Revisionsgerichts noch aussteht. Da aber § 449 nur eine Vollstreckung aus rechtskräftigen Entscheidungen zulasse, müsse die Rechtskraft des Urteils schon früher eingetreten sein, und 21 KK/Appl 5; Bringewat 11. 22 RGSt 53 235; BGHSt 22 219; ebenso KG GA 71 (1927) 43 = DJZ 1926 458; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1951 60; OLG Neustadt GA 1955 185; OLG Hamburg NJW 1963 265; Niese JZ 1951 757; 1957 77; Küper GA 1969 364; Bringewat 14. 23 OLG München NJW 1968 1001 = Rpfleger 1968 156 mit zust. Anm. Pohlmann; OLG Karlsruhe NStZ 1997 301; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 24 So KG HRR 1928 Nr. 580; Beling JW 1927 3060.

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zwar, da ein anderer Zeitpunkt nicht in Betracht komme, mit Ablauf der Begründungsfrist. Diese Auffassung läuft darauf hinaus, dass materiell die Hemmungswirkung (§§ 316, 343) nur einem Rechtsmittel zukommt, das nicht nur rechtzeitig eingelegt ist, sondern auch den weitergehenden Anforderungen über Form und Frist genügt. b) Mit Erlass des Verwerfungsbeschlusses des iudex a quo. Für diesen Stand- 14 punkt wird angeführt, der Beschluss des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 führe die Rechtskraft des Verwerfungsbeschlusses herbei, ändere aber nichts daran, dass die Rechtskraft des Urteils bereits mit dem Verwerfungsbeschluss des iudex a quo eingetreten sei.25 Zusätzlich wird diese Auffassung mit der weiteren Erwägung begründet, dass nach § 343 die rechtzeitige Einlegung der Revision die Rechtskraft des Urteils gehemmt habe. Da aber § 346 Abs. 2 nach Erlass des Verwerfungsbeschlusses die Vollstreckung zulasse, müsse im Hinblick auf § 449 die Rechtskraft mit dem Erlass des Verwerfungsbeschlusses eingetreten sein. c) Mit Erlass des Beschlusses des Revisionsgerichts. Zur Begründung dieser Auf- 15 fassung wird angeführt, erst der Beschluss nach § 346 Abs. 2 oder nach § 349 Abs. 1 stelle die Unzulässigkeit der Revision, sofern diese nicht auf verspäteter Einlegung beruhe, abschließend fest mit der Folge, dass die Hemmungswirkung des rechtzeitig eingelegten Rechtsmittels erst ihr Ende finde, wenn rechtskräftig über dessen Unzulässigkeit entschieden sei. Von diesem Standpunkt aus stellt sich dann § 346 Abs. 2 Satz 2, der die Vollstreckung aus dem Urteil vor der Entscheidung des Revisionsgerichts über den Antrag nach § 346 Abs. 2 zulässt, als eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 449 dar.26 d) Ergebnis. Der zu Rn. 15 dargestellten Auffassung über das Verhältnis des § 346 16 Abs. 2 Satz 2 zu § 449 ist zuzustimmen. Denn § 449 enthält keinen unabdingbaren Grundsatz über die Auslegung des § 346 Abs. 2. Das ergibt sich bereits daraus, dass auch § 56 JGG in engen Grenzen ausdrücklich die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Strafurteils vorsieht. Dagegen können die aus § 449 hergeleiteten Bedenken nicht dadurch ausgeräumt werden, dass man dem noch gar nicht rechtskräftigen Verwerfungsbeschluss nach § 346 Abs. 1 die Wirkung beimisst, die Rechtskraft herbeizuführen. Mit Recht bezeichnen dies Beling27 und Niese28 als eine „unerklärliche Halbheit“. Allerdings kann Niese (S. 77) nicht darin zugestimmt werden, durch den damaligen § 450 Abs. 2 habe der Gesetzgeber anerkannt, dass die Beschlüsse nach § 346 Abs. 2 konstitutiv (ex nunc) die Rechtskraft des angefochtenen Urteils herbeiführen. Denn es ist ja gerade die – vom Gesetz offen gelassene – Frage, ob auch der Beschluss nach § 346 Abs. 2 zu den Beschlüssen gehört, die unmittelbar die Rechtskraft herbeiführen.29 3. Praktische Bedeutung. Die praktische Bedeutung der in Rn. 12 bis 16 erörterten 17 Streitfrage besteht in erster Linie dann, wenn in der Zeit nach dem Urteil und vor der 25 So OLG Düsseldorf JMBlNRW 1955 251; OLG Hamburg NJW 1963 265; Kleinknecht Rpfleger 1952 210; Schwarz NJW 1954 1228. 26 So RGSt 53 235; 56 358; BGHSt 22 213, 218; BayObLG MDR 1971 238; OLG Neustadt GA 1955 185; OLG Schleswig NJW 1978 1016; Niese JZ 1951 757; Küper GA 1969 371; MDR 1971 806; Eb. Schmidt 12; LR/ Franke26 § 346, 24; KK/Appl 9; Röttle/Wagner 47; a. A. Bringewat 15: keine Ausnahme, sondern nur Regelwidrigkeit. 27 JW 1927 3060. 28 JZ 1957 78 Anm. 42. 29 So auch BayObLG MDR 1971 238; Dallinger JZ 1953 411.

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endgültigen Entscheidung über das zulässige Rechtsmittel ein Verfahrenshindernis eintritt, etwa Zurücknahme des Strafantrags bei absoluten Antragsdelikten (§ 77d StGB) oder Niederschlagung durch Straffreiheitsgesetz. Vom Standpunkt der Vollstreckbarkeit aus gesehen hat die Frage dagegen mehr dogmatische als praktische Bedeutung. Denn vor dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels kann der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckbarkeit nicht bescheinigen (§ 451, 42 ff.). Er kann der gerichtlichen Entscheidung nicht vorgreifen. Mit der Entscheidung aber ist die Vollstreckbarkeit nach gesetzlicher Vorschrift gegeben (§ 346 Abs. 2). Es versteht sich dabei von selbst, dass, wenn der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts über den Verwerfungsbeschluss gestellt ist, die Vollstreckungsbehörde vor Ergehen der Entscheidung von der „vorläufigen“ Vollstreckbarkeit nur Gebrauch machen und sich zur Vollstreckung entschließen wird, wenn ihr der Antrag als offensichtlich unbegründet erscheint.30 18

4. Wirksamwerden von Verwerfungsbeschlüssen. Von der Frage, welcher der Beschlüsse, die ein rechtzeitig eingelegtes Rechtsmittel als unzulässig verwerfen, die Rechtskraft des angefochtenen Urteils herbeiführt, ist die Frage zu unterscheiden, wann ein mit solcher Wirkung ausgestatteter Beschluss selbst wirksam wird. Diese Frage stellt sich auch, wenn durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 eine Revision als offensichtlich unbegründet verworfen wird.31

V. Vollstreckbarkeit bei Mehrheit von Angeklagten 19

Sind durch dasselbe Urteil mehrere Angeklagte verurteilt, so ist die Strafvollstreckung gegen den Einzelnen zulässig, sobald ihm gegenüber die Rechtskraft des Urteils eingetreten ist.32 Dies gilt auch, wenn die Möglichkeit besteht, dass nach § 357 infolge des von dem einen Angeklagten eingelegten Rechtsmittels das Urteil auch zugunsten eines anderen Angeklagten, der es nicht angefochten hat, aufgehoben wird (§ 19 StVollstrO).33 Denn nach § 449 beginnt die Vollstreckbarkeit des Urteils mit dem Eintritt der Rechtskraft. Nach § 343 aber hemmt die von dem einen Angeklagten eingelegte Revision die Rechtskraft nur für ihn, nicht auch für die Mitangeklagten. Erst wenn das Revisionsgericht das Urteil auch zugunsten dessen, der nicht Revision eingelegt hat, aufgehoben hat, wird auch die bereits eingetretene Rechtskraft wieder beseitigt. Hinzu kommt, dass sich erst aus der Begründung der Revision, nicht aber schon bei deren Einlegung erkennen lässt, ob die Anwendung des § 357 überhaupt in Frage kommen kann. Ist dies nicht der Fall, so fehlt auch jeder innere Grund, das Urteil gegen die Nichtanfechtenden nicht zu vollstrecken.34 Die Revisionsbegründung gelangt aber oft erst nach mehreren Wochen an das Gericht. Es würde also oft die Vollstreckbarkeit des Urteils gegen die Nichtanfechtenden längere Zeit ungewiss bleiben. Ist ausnahmsweise einmal zu erwarten, dass das Revisionsgericht das Urteil auch gegenüber dem Verurteilten, gegen den vollstreckt werden soll, als angefochten behandelt, so kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung aufschieben oder unterbrechen (§ 19 Abs. 2 StVollstrO).

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H. Arndt DRiZ 1965 369; Bedenken dagegen Bringewat 15. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. LR/Graalmann-Scheerer § 34a, 9. KG NStZ-RR 2004 286. Schlüchter 598 Fn. 8; KK/Appl 12; Meyer-Goßner/Schmitt 5, 10; Bringewat 16; a. A. Benecke/Beling 617. KK/Appl 12; Bringewat 16.

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Erfolgt zugunsten eines Mitangeklagten die Aufhebung des Urteils, so muss der 20 etwa schon begonnene Vollzug sogleich eingestellt werden, da ein Urteil, das rechtlich nicht mehr besteht, nicht mehr Gegenstand einer Vollstreckung sein kann. Der Verurteilte ist also zu entlassen oder in Untersuchungshaft zu nehmen.35 Nach § 357 Satz 2 gilt in einem solchen Fall § 47 Abs. 3 entsprechend. Das bedeutet, dass durch die Aufhebung des Urteils und die Erstreckung auf den Nichtrevidenten die Rechtskraft des gegen ihn ergangenen Urteils durchbrochen wird. Haft- oder Unterbringungsbefehle, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestanden haben, werden wieder wirksam (§ 357 Satz 2 i. V. m. § 47 Abs. 3 Satz 1). Bei einem Haft- oder Unterbringungsbefehl ordnet das die Aufhebung anordnende (Revisions-)Gericht dessen Aufhebung an, wenn sich ohne weiteres ergibt, dass dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Dieser Fall wird indessen nach bereits begonnener Vollstreckung gegen den Nichtrevidenten in der Praxis eher selten vorkommen. Nach § 357 Satz 2 i. V. m. § 47 Abs. 3 Satz 3 ordnet andernfalls das nach § 126 Abs. 2 zuständige Gericht, also das letzte Tatgericht, unverzüglich eine Haftprüfung an.36

VI. Absolute Rechtskraft Das Urteil muss, um vollstreckbar zu sein, nicht bloß gegenüber dem Angeklagten, 21 sondern auch gegenüber den sonstigen Rechtsmittelberechtigten (Staatsanwaltschaft, Nebenkläger, Privatkläger usw.) Rechtskraft erlangt haben (§§ 301, 390 Abs. 1). Es muss also absolut rechtskräftig sein.37 Ein gegenteiliger Antrag wurde in der Reichstagskommission abgelehnt.38 Danach begründet der Verzicht des Angeklagten auf das zulässige Rechtsmittel allein noch nicht die Vollstreckbarkeit des Urteils. Vielmehr bedarf es noch des gleichen Verzichts durch die Staatsanwaltschaft oder eines sonstigen Rechtsmittelberechtigten, etwa des Privat- oder Nebenklägers, des gesetzlichen Vertreters, Erziehungsberechtigten oder eines sonstigen Nebenbeteiligten.

VII. Rechtskraft eines Teils der Urteilsformel Bei der Frage, ob ein Urteil, das gegenüber einem Angeklagten teilweise rechtskräf- 22 tig ist (§§ 316, 318, 327, 343), auch teilweise vollstreckbar ist, sind folgende Fälle zu unterscheiden: 1. Beschränkung des Rechtsmittels auf Nebenfolgen einer Tat. Ist der Angeklag- 23 te nur wegen einer Tat verurteilt und hat er das Urteil in zulässiger Weise (vgl. die Erl. zu § 344) nur wegen einer der in der Urteilsformel enthaltenen Festsetzungen angefochten, z. B. nur wegen der Anordnung der Einziehung, dann steht der (teilweisen) Vollstreckung (in dem Beispielfall der Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe) nichts entgegen.39 Soweit in der Urteilsformel verschiedene, voneinander trennbare Festsetzungen enthalten sind, kann für den in Rechtskraft erwachsenen Teil die Beschei35 KK/Appl 12a; wegen weiterer Fragen zur Revisionserstreckung und deren Folgen s. Bringewat 18, 19; vgl. BVerfG NJW 2005 3131. Vgl. insoweit BVerfG NJW 2005 3131. KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 10. Prot. S. 1070 = Mat. Hahn 3 1436. KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Bringewat 20; Röttle/Wagner Rn. 51.

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nigung der Vollstreckbarkeit (§ 451) erteilt werden. Allerdings könnte es sich empfehlen, dass der Urkundsbeamte vor Erteilung der Rechtskraftbescheinigung eine unverbindliche Stellungnahme des Gerichts darüber herbeiführt, ob die Teilanfechtung sich auf abtrennbare Festsetzungen beschränkt.40 24

2. Beschränkung des Rechtsmittels auf einzelne Taten bei Verurteilung zu mehreren gesonderten Strafen. Ist der Angeklagte wegen mehrerer selbständiger Taten zu mehreren gesonderten Strafen (§ 53 Abs. 2 Satz 2 StGB) verurteilt worden und hat er das Urteil nur hinsichtlich einzelner der mehreren Straftaten angefochten, gelten die gleichen Grundsätze wie zu Rn. 23.41 3. Beschränkung des Rechtsmittels bei Verurteilung zu einer Gesamtstrafe

a) Allgemeines. Ist der Angeklagte wegen mehrerer Taten zu einer Gesamtstrafe (§ 53 StGB) verurteilt worden und hat er das Urteil nur bezüglich einer oder mehrerer der Taten angefochten, so ist streitig, ob auch in diesem Fall die Vollstreckung wegen des nicht angefochtenen Teils möglich ist. Die Frage wurde namentlich von der älteren Rechtsprechung und Literatur überwie26 gend verneint.42 Zur Begründung werden formelle Bedenken erhoben, die Vollstreckbarkeitsbescheinigung (§ 451) könne nur unter Rückgriff auf die Urteilsgründe erteilt werden, denn in der Urteilsformel erscheine nur die Gesamtstrafe, während die Höhe der Einzelstrafen sich erst aus den Urteilsgründen ergebe. In materieller Hinsicht wird aufgeführt, das Rechtsmittel könne auch die Aufhebung der nicht angefochtenen Einzelstrafen zur Folge haben,43 z. B. wenn das Rechtsmittelgericht im Gegensatz zur Vorinstanz nicht Tatmehrheit, sondern Tateinheit annehmen will. Auch verliere der Angeklagte die Vorteile der Gesamtstrafenbildung, wenn er die nicht angefochtene Einzelstrafe bis zur erneuten Aburteilung der angefochtenen Einzelstrafe voll verbüßt habe. In der neuen Rechtsprechung und Literatur wird die Frage dagegen fast ausnahmslos bejaht.44 25

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b) Eigene Ansicht. Der bejahenden Auffassung (Rn. 26 letzter Satz) ist zuzustimmen. Entscheidend dafür ist einmal, dass die Einzelstrafen – mag auch nur die Gesamtstrafe in der Urteilsformel erscheinen – doch nicht bloße Rechnungsfaktoren für die Bemessung der Gesamtstrafe bilden, sondern rechtliche Selbständigkeit besitzen,45 40 Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 64. 41 KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 21. 42 RGSt 74 388; BayObLGSt 7 (1907) 210; 10 (1911) 71; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1948 202; NJW 1960 62 mit abl. Anm. Dünnebier; OLG Frankfurt NJW 1956 1290; OLG Schleswig SchlHA 1957 314; Eb. Schmidt 7 f und Nachtr. I 11; LK/Vogler11 § 54, 15; Schönke/Schröder/Stree24 § 54, 24; Dreher/Tröndle47 § 54, 5. 43 RGSt 25 298. 44 Vgl. BGH bei Dallinger MDR 1956 528 (beiläufig); BayObLGSt 15 (1917) 180; 1952 70; HRR 1935 Nr. 915; KG GA 56 (1909) 339; NStZ-RR 2004 286; StV 2020 506; OLG Bremen NJW 1955 1243; OLG Hamm JMBlNRW 1956 68; NStZ 2009 655; NStZ-RR 2012 221 (Teilvollstreckung grundsätzlich bis zur geringst möglichen Gesamtfreiheitsstrafe möglich, sofern die Einzelfreiheitsstrafen bzw. die zu erwartende Gesamtfreiheitsstrafe mehr als zwei Jahre betragen; OLG Celle NJW 1958 153 = JZ 1958 509 mit zust. Anm. Pohlmann; OLG Hamburg Rpfleger 1963 194; OLG Düsseldorf Rpfleger 1965 48; LG Frankfurt NJW 1955 1000; Krille DR 1941 495; Meister DRiZ 1954 46; Kohlhaas NJW 1957 295; Unger Rpfleger 1957 222, 227; Pohlmann Rpfleger 1958 105; Dünnebier JR 1960 74; Grünwald 338 ff.; Pohlmann/Jabel/Wolf § 19, 5; KK/Appl 16; SK/Paeffgen 8; KMR/Paulus/Stöckel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 11 ff.; Bringewat 51; LK/Rissing-van Saan § 54, 20; Fischer § 54, 15. 45 BGHSt 1 252; 4 345, 346; 24 268, 269.

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so dass z. B. eine nicht angefochtene Einzelstrafe rechtskräftig bestehen bleibt, wenn die Verurteilung wegen der anderen mit abgeurteilten Taten aufgehoben wird und die Gesamtstrafe wegfällt.46 Kann aber die Einzelstrafe selbständig rechtskräftig werden, so muss sie auch vollstreckt werden können. Die aus § 451 hergeleiteten formalen Bedenken sind überwindlich. Dort ist vorge- 28 schrieben, dass Vollstreckungsgrundlage die mit der Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehene Abschrift der Urteilsformel bildet. Indessen hat diese Vorschrift nur den Regelfall im Auge, dass die ganze Strafe vollstreckt werden soll. Ebenso wie in den Fällen der Teilvollstreckung (Rn. 22 bis 25) die Bescheinigung der Vollstreckbarkeit den Umständen angepasst werden muss, ist dies auch in den Fällen der hier in Frage stehenden Art zulässig. Es ist nicht unzulässig, auf die Straffestsetzung der Einzelstrafen in den Urteilsgründen zurückzugreifen, was auch ohne weiteres möglich ist, zumal da diese materiell einen Bestandteil der Urteilsformel darstellen.47 Behebbar sind auch die Bedenken, der Angeklagte könne mit der Verbüßung der nicht angefochtenen Einzelstrafe bis zur erneuten Aburteilung der angefochtenen Einzelstrafe die Vorteile der Gesamtstrafenbildung einbüßen, wenn man der Lösung des OLG Bremen48 folgt, dass von jeder der nicht angefochtenen Einzelstrafen der zur Vollstreckung freigegebene Teil gesondert bestimmt wird.49 Aber auch weitere materielle Bedenken, das Rechtsmittel könne zur Aufhebung des 29 Urteils auch in seinen nicht angefochtenen Teilen führen, stellt kein durchgreifendes Hindernis gegen eine Teilvollstreckung dar. Die gleichen Bedenken ergeben sich im Hinblick auf § 357, wenn bei mehreren Mitangeklagten nur einer Revision einlegt, diese aber kraft der Fiktion des § 357 auch zugunsten der Nichtrevidenten wirken kann. Wenn dort (Rn. 19) die Zulässigkeit der Vollstreckung gegen den Nichtrevidenten heute nicht mehr in Zweifel gezogen wird, so kann das Bedenken, dass bei der Teilanfechtung das Rechtsmittel möglicherweise eine über den Umfang der Anfechtung hinausgehende Wirkungen haben könne, nicht schwerer wiegen. Es kann nur, wenn im Einzelfall die Möglichkeit nahe liegt, die Aufhebung könne auch den nicht angefochtenen Teil einschließen, der Vollstreckungsbehörde Veranlassung geben, mit der Vollstreckung innezuhalten.50 Ein solches Innehalten ist auch geboten, wenn die Möglichkeit besteht, dass die Gesamtstrafe nach §§ 56, 58 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird.51 Das praktische Bedürfnis spricht allerdings entscheidend dafür, die Teilvollstre- 30 ckung zuzulassen. Es kann sein, dass das auf Gesamtstrafe lautende Urteil wegen einer Einzelverurteilung angegriffen wird, die im Verhältnis zu den nicht angefochtenen Verurteilungen nur wenig bedeutend ist. Es ist nicht einzusehen, warum dadurch die Vollstreckung des Urteils, soweit der Verurteilte es durch Nichtanfechtung als richtig anerkennt, gehindert werden soll. Mit dem Grundsatz, dass im Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege die Vollstreckung mit Nachdruck und Beschleunigung betrieben wer-

46 RGSt 25 297; 26 169; 39 276; 52 146; BGHSt 1 252; BGH NJW 1951 610, Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 25 ff.; Röttle/Wagner 51.

47 KK/Appl 16. 48 NJW 1955 1243. 49 Wegen anderer Möglichkeiten, etwa drohende Beeinträchtigungen des Angeklagten zu vermeiden, OLG Celle NJW 1958 153; OLG Düsseldorf Rpfleger 1965 48 sowie KK/Appl 16; Bringewat 24. 50 OLG Bremen NJW 1955 1243; OLG Celle NJW 1958 153 = JZ 1958 508 mit zust. Anm. Pohlmann; OLG Düsseldorf Rpfleger 1965 48; KG StV 2020 506; KK/Appl 18; Pohlmann/Jabel/Wolf § 19, 6; a. A. Bringewat 25. 51 Pohlmann JZ 1958 510.

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den muss (§ 2 StVollstrO), wäre das schwerlich in Einklang zu bringen.52 Geht man gar davon aus, dass bei Teilanfechtung die Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 450 Abs. 1 ausgeschlossen ist (§ 450, 11), so würde ein Verbot der Teilvollstreckung auch die Lage des in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten verschlechtern. 31

c) Bedeutung des § 56 JGG. Die Teilvollstreckung bildet das Korrelat der Teilanfechtung. Letztere wiederum beruht auf dem Grundsatz des geltenden Rechts, bei Tatmehrheit eine Gesamtstrafe zu bilden. Die Entwürfe EStGB 1927 und EStGB 1939 wollten an die Stelle der Gesamtstrafe eine Einheitsstrafe treten lassen, ein Gedanke, der in § 31 JGG verwirklicht ist. Die Entwürfe für die entsprechenden Strafverfahrensvorschriften vertraten die Auffassung, dass mit dem Prinzip der Einheitsstrafe die Teilanfechtung unverträglich sei.53 Damit wäre eine Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil, soweit sich der Angeklagte mit den Schuldfeststellungen abfindet, ausgeschlossen gewesen. Gerade darin aber weicht § 56 JGG entscheidend ab. Er lässt unter den dort bezeichneten Voraussetzungen eine Teilvollstreckung zu, obwohl nur die nicht angefochtene Schuldfeststellung rechtskräftig ist, während es an jeder urteilsmäßigen Bemessung des auf diese Taten entfallenden Strafanteils fehlt. Diese Regelung, bei der die Bedenken nicht verkannt, dem praktischen Bedürfnis aber der Vorrang zuerkannt wurde (Rn. 2), ist auch für die Beantwortung der vorliegenden Streitfrage maßgeblich. Das Bedürfnis für eine Teilvollstreckung besteht im Erwachsenenstrafrecht in nicht geringerem Umfang als im Jugendstrafrecht, und es kann daher schlechterdings nicht dort unzulässig sein, was der Gesetzgeber im Jugendstrafrecht ausdrücklich für zulässig erachtet hat.54

d) Vollstreckbarkeitsbescheinigung. Die Ausstellung der Vollstreckbarkeitsbescheinigung (§ 451) bereitet keine Schwierigkeiten, wenn die Gesamtstrafe aus zwei Einzelstrafen gebildet ist und das Rechtsmittel sich auf eine der beiden Taten beschränkt. Die Bescheinigung lautet dann etwa: „Das Urteil ist hinsichtlich der Verurteilung wegen (betrifft den nicht angefochtenen Teil) in Höhe von (es wird die aus den Gründen entnommene Einzelstrafe eingesetzt) rechtskräftig“.55 Bei einer aus mehr als zwei Einzelstrafen gebildeten Gesamtstrafe wird die Bescheinigung nicht in der Weise auszustellen sein, dass die Höhe der Gesamtstrafe um die angefochtenen Einzelstrafen gekürzt wird, oder dass die nicht angefochtene Einzelstrafe als rechtskräftig bezeichnet wird. Die Bescheinigung beschränkt sich vielmehr, da dem Urkundsbeamten eine Entscheidung darüber nicht zusteht, in welchem Umfang eine Vollstreckung zulässig ist,56 etwa auf die Feststellung: „Das Urteil ist rechtskräftig, soweit wegen … auf Einzelstrafen von … und von … erkannt ist“.57 33 Die Zweifelsfrage taucht von vornherein nicht auf, wenn eine rechtskräftige (Einzeloder Gesamt-)Strafe gemäß § 55 StGB in eine Gesamtstrafe einbezogen wird. Hier

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52 OLG Bremen NJW 1955 1243; Meister DRiZ 1954 46; KMR/Paulus/Stöckel 13 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Pohlmann/Jabel/Wolf § 19, 5; Röttle/Wagner Rn. 55; enger KK/Appl 17 bis 19; a. A. Bringewat 26: Teilvollstreckung soll nur dann zulässig sein, wenn die rechtskräftige Einsatzstrafe mindestens zwei Jahre beträgt. 53 E 1930 EGStGB Art. 70 Nr. 172 (§ 318) und E 1939 StPO § 317. 54 KK/Appl 19a. 55 Zur Erläuterung kann der Urkundsbeamte vermerken, dass der Angeklagte oder die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel auf die Verurteilungen wegen … beschränkt habe; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt § 451, 14; zu Formulierungsvorschlägen vgl. Röttle/Wagner Rn. 58. 56 Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 33, 66; Röttle/Wagner 58. 57 Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 68; Röttle/Wagner 58.

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bleibt die rechtskräftige Einzelstrafe vollstreckbar bis zu dem Augenblick bestehen, in dem das Gesamtstrafenurteil Rechtskraft erlangt.58

VIII. Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen Wegen der Reihenfolge, in der mehrere selbständige rechtskräftig verhängte Frei- 34 heitsstrafen gegen denselben Verurteilten zu vollstrecken sind, vgl. die Erläuterungen zu § 454b.

IX. Ordnungs- und Zwangsmittel Beschlüsse und Verfügungen, die ein Ordnungs- und Zwangsmittel, auch wenn es 35 in Haft besteht, festsetzen (z. B. §§ 51, 70, 77), sind sogleich vollstreckbar, da sie nur mit der Beschwerde anfechtbar sind und diese keine aufschiebende Wirkung hat (§§ 304, 307; § 181 Abs. 2 GVG mit der dort bestimmten Ausnahme). Sie fallen im Übrigen nicht unter die §§ 449 ff. (Vor § 449, 24).

§ 450 Anrechnung von Untersuchungshaft und Führerscheinentziehung (1) Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist unverkürzt die Untersuchungshaft anzurechnen, die der Angeklagte erlitten hat, seit er auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen hat oder seitdem die Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne daß er eine Erklärung abgegeben hat. (2) Hat nach dem Urteil eine Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins auf Grund des § 111a Abs. 5 Satz 2 fortgedauert, so ist diese Zeit unverkürzt auf das Fahrverbot (§ 44 des Strafgesetzbuches) anzurechnen. Schrifttum Baumgärtner Die Auswirkungen der Neufassung des § 60 Abs. 1 StGB, MDR 1970 190; Dallinger Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz. Strafverfahrensrechtliche Vorschriften, JZ 1953 434; Dencker Die Anrechnung der Untersuchungshaft, MDR 1971 627; Dreher Zweifelsfragen zur Anrechnung der Untersuchungshaft nach der Neufassung des § 60 StGB, MDR 1970 965; Erb Überlegungen zum Rechtsmittelverzicht des Angeklagten unmittelbar nach der Urteilsverkündung, GA 2000 511; Groß Die Anrechnung der Untersuchungshaft bei Zurücknahme eines Rechtsmittels, NJW 1970 127; Horstkotte Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches nach dem 1. September 1969, NJW 1969 1601; ders. Die Vorschriften des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafrechts über die Strafbemessung (§§ 13–16, 60 StGB), JZ 1970 122, 128; Kaul Anrechnung von Untersuchungshaft aus einem anderen Verfahren, NStZ 1988 170; Krüger/Diether Die Anrechnung von nach Urteilsverkündung erlittener Untersuchungshaft, Rpfleger 1970 58; Lindner Sind Entscheidungen über Haftbefehle noch nach Rechtskraft zulässig? MDR 1948 453; Ostermann Haft ohne Rechtsgrundlage – Zum Übergang von der Untersuchungshaft in den Maßregelvollzug, StV 1993 52; Pentz Zweifelsfragen im Strafverfahren gegen Jugendliche, GA 1958 299; Pohlmann Notwendige Änderung der Strafvollstreckungsordnung aufgrund des 1. StrRG, Rpfleger 1969 378; ders. Änderungen der StrVollstrO

58 BGH NJW 1956 110; OLG Köln NJW 1955 1935; OLG Frankfurt NJW 1956 1932; KK/Appl 20; Bringewat 27.

35 https://doi.org/10.1515/9783110275025-003

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aus Anlaß des 1. Strafrechtsreformgesetzes, des neuen Rechtspflegergesetzes und des Gesetzes zur allgemeinen Einführung eines zweiten Rechtszuges in Strafsachen, Rpfleger 1970 265, 269; ders. Welche Bedeutung hat § 34a StPO für die Strafzeitberechnung? Rpfleger 1979 126; Schäpe Probleme der Praxis bei der Vollstreckung von Fahrverboten, DAR 1998 10; H. W. Schmidt Untersuchungshaft noch nach Rechtskraft des Urteils? NJW 1959 1717; Seebode Der Vollzug der U-Haft (1985); ders. Zwischenhaft, ein vom Gesetz nicht vorgesehener Freiheitsentzug (§ 345 StGB), StV 1988 119; Theuerkauf Untersuchungshaft bei Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung? MDR 1965 179; Wulf Zu den Änderungen des Verfahrens- und Jugendrechts und der Übergangsvorschriften im 1. StrRG, JZ 1970 160.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift enthielt ursprünglich nur den geltenden Absatz 1. Der durch Art. 4 Nr. 48 des 3. StRÄndG 1953 eingefügte Absatz 2 wurde durch Art. 1 Nr. 32 Buchst. a StVÄG 1979 wieder gestrichen. Durch Art. 2 Nr. 9 des 2. StraßenVSichG 1964 wurde Absatz 3 eingefügt, durch Art. 21 Nr. 119 EGStGB 1974 in Absatz 3 die Paragrafenzahl 37 in 44 geändert. Zufolge Streichung des Absatzes 2 wurde der bisherige Absatz 3 zu Absatz 2 (Art. 1 Nr. 32 Buchst. b StVÄG 1979). Bezeichnung bis 1924: § 482.

I.

Übersicht Anrechnung der Untersuchungshaft (Absatz 1) 1. Bedeutungswandel a) Früheres Recht 1 b) Geltendes Recht (§ 51 Abs. 1 StGB) 2 2. Folgerungen aus der materiell-rechtlichen Neuregelung für Absatz 1 a) Anfängliche Ansichten 3 b) Herrschende Meinung 5 3. Wirkung der Anrechnung a) Grundsatz 6 b) Beispiele 7 4. Bedeutung der absoluten Rechtskraft für die Untersuchungshaft a) Gesetzlicher Übergang in Strafhaft? 8 b) Übergang mit förmlicher Einleitung der Strafvollstreckung? 9 c) Regelung bei Urteilen, wonach eine freiheitsentziehende Maßregel vor der Strafe zu vollziehen ist 10 5. Bedeutung der Teilanfechtung 11 6. Wegfall der Rechtskraft durch Wiedereinsetzung 15

7.

II.

III. IV.

Anrechnung einer anderen Freiheitsentziehung a) Vollstreckungshaft- und Vorführungsbefehl 16 b) Entweichen aus dem Strafvollzug 18 8. Begriff der Untersuchungshaft 19 9. Anrechnung im Wege der Gnade 20 10. Wegfall der Anrechnung a) Urteilsaufhebung auf Rechtsmittel eines anderen Rechtsmittelberechtigten 21 b) Übernahme des Rechtsmittels des gesetzlichen Vertreters durch den volljährig gewordenen Angeklagten 22 Strafzeitberechnung bei Beendigung des Rechtsmittelverfahrens durch Beschluss 23 Verfahren gegen Jugendliche 24 Anrechnung der Führerscheinverwahrung auf die Dauer des Fahrverbots (Absatz 2) 26

Alphabetische Übersicht Abschiebehaft 19 Anrechung 1 ff., 16 ff. – Gnadenverfahren 20 – Wegfall 21

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Entweichen aus dem Vollzug 18 Fahrverbot 26 Früheres Recht 1 Führerscheinverwahrung 26

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

Geltendes Recht 2 Heranwachsende 24 Jugendarrest 25 Jugendliche 24 Maßregel 10 Rechtskraft – absolute 8 ff. – relative 6 ff. – Wegfall 15

§ 450

Teilanfechtung 11 Teilvollstreckung 12 Untersuchungshaft 6 ff., 19 Urteilsaufhebung 21 Vollstreckungshaft 8 Vollstreckungshaftbefehl 16 Vorführungsbefehl 16 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 15

I. Anrechnung der Untersuchungshaft (Absatz 1) 1. Bedeutungswandel a) Früheres Recht. Nach § 60 StGB a. F. in der ursprünglichen Fassung1 stand die 1 Anrechnung einer erlittenen Untersuchungshaft im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts („kann“). Die Gerichte der einzelnen Instanzen trafen die Entscheidung jeweils „bei Fällung des Urteils“ über die bis zu diesem Zeitpunkt erlittene Untersuchungshaft. Ihnen stand keine Entscheidung über die Anrechnung der künftigen Untersuchungshaft zu, die der Angeklagte erlitt, wenn er nach Fällung des Urteils in Untersuchungshaft blieb. Bei dieser Rechtslage hatte § 450 Abs. 1 die Bedeutung, dass mit Eintritt der Voraussetzungen dieser Vorschrift bei der Fällung eines späteren Urteils ein Ermessen ausgeschlossen, die Anrechnung vielmehr zwingend war. Damit wurden die Unbilligkeiten vermieden, die sich aus § 449 ergeben hätten, wonach ein Urteil erst vollstreckbar ist, wenn es für alle Beteiligten („absolut“) rechtskräftig ist (§ 449, 21). Wenn der Angeklagte die Entscheidung annahm, aber ein anderer selbständig Rechtsmittelberechtigter durch deren Anfechtung den Eintritt der absoluten Rechtskraft und damit die Vollstreckbarkeit hinausschob, sollte § 450 Abs. 1 verhindern, dass dem Angeklagten die ohne sein Zutun erfolgte Verlängerung der Untersuchungshaft zum Nachteil gereicht. Die zwingend angeordnete Anrechnung der Untersuchungshaft, die der Angeklagte erleidet, nachdem das Urteil für ihn („relativ“) unanfechtbar geworden ist, hatte zur Folge, dass, wenn das Urteil demnächst „absolut“ rechtskräftig wird, der Beginn der Strafzeitberechnung grundsätzlich auf den Eintritt der relativen Rechtskraft vorverlegt wurde.2 b) Geltendes Recht (§ 51 Abs. 1 StGB). Die jetzige Regelung hat den Sinn, dass 2 grundsätzlich – vorbehaltlich einer ausdrücklichen abweichenden gerichtlichen Anordnung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB – die gesamte erlittene Untersuchungshaft in vollem Umfang von Rechts wegen auf die Strafe angerechnet wird. Es soll dem Angeklagten kein Nachteil daraus erwachsen, dass er von seiner Befugnis, Rechtsmittel einzulegen, Gebrauch macht.3 Dabei spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob die Untersuchungshaft kraft Gesetzes, also ohne besonderen Ausspruch bei Fällung des Urteils angerechnet wird, soweit das Gericht nicht – ausnahmsweise – eine Nichtanrechnung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB anordnet oder Zweifel über die Art der Anrechnung zu

1 § 60 StGB in der Fassung vom 15.5.1871 – RGBl. S. 127, 138 lautete: Eine erlittene Untersuchungshaft oder einstweilige Unterbringung kann bei Fällung des Urteils auf die erkannte Strafe ganz oder teilweise angerechnet werden. 2 Vgl. § 39 Abs. 3, 4 Satz 2 StVollstrO in der vor dem 1.1.1975 geltenden Fassung. 3 Zweiter Bericht des Strafrechtssonderausschusses – BTDrucks. V 4095 S. 24.

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beheben sind,4 oder ob es zwar eines Ausspruchs über die Anrechnung im Urteil bedarf, das Schweigen aber als Anrechnung aufzufassen ist.5 Eine ausdrückliche Anrechnung im Urteil unterbleibt im Fall des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB,6 denn diese Vorschrift richtet sich unmittelbar an die Vollstreckungsbehörde.7 2. Folgerungen aus der materiell-rechtlichen Neuregelung für Absatz 1 a) Anfängliche Ansichten. Nach einer im Schrifttum vertretenen Meinung8 soll § 450 Abs. 1 gegenstandslos geworden sein, denn eine Nichtanrechnungsanordnung könne nur den Zeitraum bis zur Verkündung des Urteils betreffen; das Schicksal der weiteren Untersuchungshaft richtet sich nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB. Indessen wird mit gutem Grund die Auffassung vertreten, dass eine Nichtanrechnungsanordnung nicht nur die Zeit bis zur Verkündung, sondern bis zur Rechtskraft des Urteils umfasst.9 Dann besteht die Bedeutung des Absatzes 1 weiterhin darin, dass die Nichtanrechnungsanordnung ihre Wirkung für die Zukunft verliert, sobald die Voraussetzungen des § 450 Abs. 1 vorliegen. Im Übrigen lässt die hier abgelehnte Auffassung unberücksichtigt, dass auch das Rechtsmittelgericht auf ein zuungunsten des Angeklagten hin eingelegtes Rechtsmittel in der Lage ist, eine Nichtanrechnung nach § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB auszusprechen. Die fortdauernde Bedeutung des Absatzes 1 besteht dann darin, dass durch diese Vorschrift als lex specialis dem Rechtsmittelgericht die Verfügung über die nach dem ersten Urteil erlittene Untersuchungshaft entzogen ist, soweit gemäß § 450 Abs. 1 zugunsten des Verurteilten relative Rechtskraft eingetreten ist.10 Eine konstruktive Frage, an die sich keine praktischen Folgerungen anschließen, ist es, ob im Übrigen das Verhältnis des § 51 Abs. 1 StGB zu § 450 Abs. 1 so zu sehen ist, dass die positive Funktion des § 450 Abs. 1, die Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Strafe nach Eintritt der relativen Rechtskraft, jetzt durch § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB übernommen ist,11 oder so, dass der Anwendungsbereich des § 51 StGB nur so weit reicht, als nicht § 450 Abs. 1 eingreift, § 450 Abs. 1 also die lex specialis gegenüber § 51 Abs. 1 StGB darstellt.12 Nach einer anderen Meinung soll aus der Aufrechterhaltung des § 450 Abs. 1 zu 4 folgern sein, dass durch § 51 Abs. 1 StGB die Anrechnung der Untersuchungshaft kraft Gesetzes nur beschränkt, nämlich nur insoweit angeordnet sei, als es nach früherem Recht zur Anrechnung eines ausdrücklich richterlichen Ausspruchs bedurfte, denn andernfalls hätte der Gesetzgeber den § 450 Abs. 1 als gegenstandslos aufheben oder abändern müssen.13 Danach wäre also die Untersuchungshaft, die der Angeklagte in der Zeit 3

4 BGHSt 24 29; 27 287; BGH NJW 1972 730; BayObLG NJW 1972 1632; Baumgärtner MDR 1970 190; KK/ Appl 2. 5 LK/Schneider § 51, 39 ff.; Fischer § 51, 22; SSW-StGB/Eschelbach § 51, 16; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 6 BGHSt 24 29, 30; 27 287, 288. 7 BGH NStZ 1994 335; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997 25. 8 Baumgärtner MDR 1970 190; Dencker MDR 1971 627, 630. 9 Dreher MDR 1970 965; Dencker MDR 1971 627; LK/Schneider § 51, 40; Fischer § 51, 8; OLG Frankfurt NJW 1980 537; OLG Düsseldorf MDR 1990 172. 10 OLG Celle Rpfleger 1970 137; LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 1970 67 mit abl. Anm. Pohlmann; Dreher MDR 1970 965; Krüger/Diether Rpfleger 1970 58; Wulff JZ 1960 160; LK/Schneider § 51, 70; Fischer § 51, 8; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 80; KMR/Paulus/Stöckel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 3, 4. 11 OLG Stuttgart Rpfleger 1970 138 mit krit. Anm. Pohlmann; LK/Schneider § 51, 70. 12 OLG Celle Rpfleger 1970 137; Dreher MDR 1970 965 m. w. N.; a. A. Bringewat 4 a. E.: Nur Ergänzung der sachlich-rechtlichen Regelung für einen bestimmten Fall. 13 Baumgärtner MDR 1970 190; Dencker MDR 1971 627; Pohlmann Rpfleger 1969 379; Pohlmann/Jabel6 § 39, 1, 64; siehe auch Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 2.

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seit Erlass des Urteils bis zum Eintritt der relativen Rechtskraft erlitten hat, falls es nicht zu einer Entscheidung des Rechtsmittelgerichts kommt, von der automatischen Anrechnung nach § 51 Abs. 1 StGB ausgenommen. b) Herrschende Meinung. Die herrschende Meinung hat sich diesem Umkehr- 5 schluss aus § 450 Abs. 1 mit Recht versagt, weil er im Widerspruch zu den mit der Änderung des § 51 Abs. 1 StGB verfolgten gesetzgeberischen Absichten steht, den Verurteilten bei der Anrechnung der Untersuchungshaft in weitestem Maß zu begünstigen, und aus der Nichtstreichung (Nichtänderung) des § 450 Abs. 1 nichts Gegenteiliges hergeleitet werden kann, da er eine, wenn auch beschränkte Bedeutung behalten hat.14 Dem haben sich nach anfänglichem Schwanken die Landesjustizverwaltungen nach der Neufassung des § 39 Abs. 2 StVollstrO angeschlossen, wonach die Anrechnung des § 51 StGB sich vorbehaltlich einer abweichenden gerichtlichen Entscheidung auf die Untersuchungshaft erstreckt, die der Verurteilte bis zu dem Tag erlitten hat, an dem die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.15 3. Wirkung der Anrechnung a) Grundsatz. Nachdem sich die Bedeutung des Absatzes 1 praktisch darauf be- 6 schränkt, dass für die Zeit nach Eintritt der relativen Rechtskraft – sei es durch Rechtsmittelverzicht, Rücknahme des Rechtsmittels, Verstreichenlassen der Einlegungsfrist – zugunsten des Angeklagten einer vorangegangenen Nichtanrechnungsanordnung die Wirkung entzogen und dem Rechtsmittelgericht die Befugnis genommen ist, gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB die Nichtanrechnung der Untersuchungshaft anzuordnen, gelten für diesen Teil der Untersuchungshaft die gleichen Grundsätze, die allgemein für die Anrechnung von Untersuchungshaft nach Eintritt der absoluten Rechtskraft gelten,16 d. h. die Untersuchungshaft wird vom errechneten Ende der Strafzeit nach vollen Tagen rückwärts abgerechnet.17 Anzurechnen ist nur die Zeit vom tatsächlich wirksam erfolgten Rechtsmittelverzicht ab, auch wenn es dem verzichtsbereiten Angeklagten wegen Nichterreichbarkeit eines Urkundsbeamten (§ 299) nicht möglich war, die Erklärung früher abzugeben.18 b) Beispiele. Die Frage, in welcher Weise der Tag, an dem die relative Rechts- 7 kraft durch Rechtsmittelverzicht oder Rechtsmittelrücknahme eintritt, zu behandeln ist, regelt § 39 Abs. 2 Satz 2 StVollstrO dahin, dass er nach § 51 StGB nur angerechnet wird, wenn er nicht bereits nach § 37 Abs. 2 StVollstrO unverkürzt als Strafhaft zählt. Danach ist zu unterscheiden: Hat der Verurteilte noch mehr als eine Woche im Vollzug zuzubringen, so gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 StVollstrO Verzicht und Zurücknahme als zu

14 OLG Celle MDR 1970 345; NJW 1970 768; OLG Stuttgart MDR 1970 522; OLG Frankfurt und München NJW 1970 1140; Horstkotte NJW 1969 1605; Groß NJW 1970 127; Krüger/Diether Rpfleger 1970 58; Fischer § 51, 8; LK/Schneider § 51, 70. 15 Pohlmann Rpfleger 1970 265; Pohlmann/Jabel6 § 39, 1; KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 16 KK/Appl 2; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 86. 17 § 39 Abs. 4 StVollstrO, der die Ergebnisse der Rechtsprechung wiedergibt, z. B. RGSt 29 75; KG JW 1927 408; OLG Hamburg LZ 1916 1509; OLG Stuttgart DStRZ 4 (1917) 378; OLG Düsseldorf NJW 1969 430; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 11. 18 OLG Düsseldorf Rpfleger 1966 254; Meyer-Goßner/Schmitt 5.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Beginn des Tages eingetreten;19 dieser Tag rechnet also als Strafzeit. Bei kürzerer noch ausstehender Vollzugsdauer gelten Verzicht und Zurücknahme als zu Beginn der Stunde eingetreten, in deren Verlauf sie erklärt wurden. Ist dem Verurteilten die vor dem Urteil liegende Untersuchungshaft gemäß § 51 StGB anzurechnen und verzichtet er im Anschluss an die Verkündung auf Rechtsmittel, so wird dieser Tag nur als Strafhaft gerechnet, wenn die noch ausstehende Vollzugsdauer mehr als eine Woche beträgt; dieser Tag wird also nicht auch noch als Untersuchungshaft gerechnet (§ 39 Abs. 2 Satz 2 StVollstrO), da er sonst doppelt angerechnet würde. Beträgt die Vollzugsdauer in einem Fall dieser Art nicht mehr als eine Woche, so wird der Tag der Entscheidung voll als anzurechnende Untersuchungshaft gerechnet. Es erübrigt sich daher eine Teilung des Tages in der Weise, dass er bis zum Beginn der Stunde, in der das Urteil verkündet wird, als Untersuchungshaft, von da ab als Strafhaft rechnet.20 4. Bedeutung der absoluten Rechtskraft für die Untersuchungshaft 8

a) Gesetzlicher Übergang in Strafhaft? Befindet sich der Angeklagte in dem Zeitpunkt, in dem das Urteil durch Verzicht der Rücknahme des Rechtsmittels oder Verstreichenlassen der Einlegungsfrist – dazu zählt auch die verspätete Einlegung21 – rechtskräftig wird, weil für jeden Rechtsmittelberechtigten die Rechtsmittel erschöpft sind (absolute Rechtskraft), in Untersuchungshaft, so ist streitig, ob sich diese kraft Gesetzes in Strafhaft verwandelt. Die bejahende – auch hier vertretene – Auffassung macht geltend, die Untersuchungshaft diene dazu, die Durchführung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Aburteilung zu sichern. Für Untersuchungshaft ist daher begrifflich kein Raum mehr, wenn das Urteil die Rechtskraft erlangt hat. Von diesem Standpunkt aus entfällt mit dem Eintritt der Rechtskraft die Zuständigkeit des Gerichts nach § 119 Abs. 6 für die dort bezeichneten Maßnahmen, zur Aufhebung der Untersuchungshaft und zur Entscheidung über Haftbeschwerden.22 Eine Haftbeschwerde wird unzulässig.23 Allerdings wird diese Auffassung z. T. dahin eingeschränkt, dass die Einleitung einer formellen Strafvollstreckung nach § 451 nicht überflüssig werde24 und in dem Zeitraum bis dahin der Haftbefehl als Grundlage der fortdauernden Freiheitsentziehung fortwirke; diese Freiheitsentziehung sei aber weder Untersuchungshaft im technischen Sinn noch Strafhaft im engeren Sinn, sondern „Vollstreckungshaft“.25 Seebode bezeichnet sie als Zwischenhaft,26 hält sie aber deshalb für entbehrlich, weil die für die Vollstreckung des

19 Bringewat 12. Die Regelung gilt nicht, wenn die Rechtskraft des Urteils aufgrund eines unter § 34a fallenden Beschlusses, d. h. mit dem Ende des Tages, an dem der Beschluss erlassen worden ist, als eingetreten gilt (§ 34a, 3 f.); Pohlmann/Jabel/Wolf § 37, 24 ff. 20 Pohlmann/Jabel/Wolf § 37, 5 ff., 23; KMR/Paulus/Stöckel Vor § 449, 55; Bringewat 13. 21 KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 5; OLG München NJW 1968 1001. 22 BVerfGE 9 160 = NJW 1959 431; OLG Nürnberg SJZ 1950 141 mit zust. Anm. Kleinknecht; OLG Celle NJW 1963 2240; OLG München Rpfleger 1964 370; OLG Bremen MDR 1966 349; OLG Köln NJW 1966 1829; OLG Hamburg NJW 1977 210; OLG Stuttgart NJW 1979 884; OLG Schleswig SchlHA 1986 104; OLG Düsseldorf StV 1988 110; Seebode StV 1988 120; Eb. Schmidt Nachtr. I 11; KK/Appl 10a. Der BGH hat die Frage zunächst offen gelassen (BGHSt 20 64), dann aber (BGHSt 38 63; BGH NStZ 1993 31) entschieden, dass die Untersuchungshaft mit der Rechtskraft unmittelbar in Strafhaft übergeht. 23 OLG Hamburg NJW 1977 210; OLG Düsseldorf StV 1988 110. 24 Kleinknecht SJZ 1950 141. 25 OLG Celle NJW 1963 2240; NStZ 1985 188; OLG Hamburg NJW 1977 210; OLG Düsseldorf NStZ 1981 366; StV 1988 110; offen gelassen von OLG Bremen MDR 1966 349; im Ergebnis wie hier Bringewat 11. 26 StV 1988 119.

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Urteils erforderliche Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei „entsprechender Vorbereitung in Minuten erteilt werden“ könne.27 b) Übergang mit förmlicher Einleitung der Strafvollstreckung? Nach anderer 9 Auffassung28 dauert die Untersuchungshaft bis zur förmlichen Einleitung der Strafvollstreckung an. Dies wird damit begründet, dass von echter Strafhaft erst die Rede sein könne, wenn die Vollstreckungsbehörde aufgrund einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung (§ 451) die Vollstreckung betreibt. Dass eine solche „Untersuchungshaft“ auf die Strafzeit anzurechnen ist, ergibt sich dann ohne weiteres sowohl aus § 51 Abs. 1 StGB als auch aus der Erwägung, dass, wenn schon die relative Rechtskraft nach § 450 Abs. 1 kraft Gesetzes zur Anrechnung der Untersuchungshaft führt, dies erst recht bei der absoluten Rechtskraft der Fall sein muss.29 § 38 Nr. 3 StVollstrO bestimmt denn auch, dass bei einem Verurteilten, der sich im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft in Untersuchungshaft befindet, dieser Zeitpunkt als Beginn der Strafzeit anzusetzen ist („fiktive Strafverbüßung“).30 Der Untersuchungsgefangene ist, soweit sich dies schon vor der Aufnahme in den Strafvollzug durchführen lässt, bereits vom Eintritt der Rechtskraft des Urteils ab als Strafgefangener zu behandeln. c) Regelung bei Urteilen, wonach eine freiheitsentziehende Maßregel vor der 10 Strafe zu vollziehen ist. Befindet sich der Verurteilte im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft in Untersuchungshaft, so ist der Zeitraum zwischen Rechtskraft und Beginn des Maßregelvollzugs in entsprechender Anwendung des Absatzes 1 bzw. des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auf die Strafe anzurechnen.31 Befindet er sich dagegen zu diesem Zeitpunkt in einstweiliger Unterbringung nach § 126a, ist der oben genannte Zeitraum auf die Maßregel anzurechnen.32 Hat das Gericht den teilweisen Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe nach § 67 Abs. 2 StGB angeordnet, so ist Untersuchungshaft regelmäßig auf den vorweg zu vollziehenden Teil der Strafe anzurechnen.33 Befindet sich der zur Unterbringung Verurteilte bei Eintritt der Rechtskraft in Untersuchungshaft, ist er umgehend in den Maßregelvollzug zu verlegen.34 5. Bedeutung der Teilanfechtung. Es fragt sich, ob § 450 Abs. 1 mit der Wirkung, 11 eine Nichtanrechnung der Untersuchungshaft durch das Rechtsmittelgericht nach § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB auszuschließen, auch dann anwendbar ist, wenn der zu einer Gesamtstrafe verurteilte Angeklagte das Urteil nur zum Teil anficht oder ein in vollem Umfang eingelegtes Rechtsmittel nur zum Teil zurücknimmt. Die Frage, die früher vereinzelt verneint wurde,35 ist zu bejahen. Hat der Angeklagte das beschränkte Rechtsmittel eingelegt, so taucht das in § 450 Abs. 1 geregelte Problem der relativen Rechtskraft dann nicht auf, wenn man mit der in § 449, 27 vertretenen Auffassung annimmt, dass die nicht ange27 StV 1988 124. 28 OLG Köln LZ 1916 1510; OLG Braunschweig MDR 1950 755; OLG Frankfurt HESt 1 163; MDR 1979 75; OLG Hamm JZ 1967 186; Lindner MDR 1948 453; Pohlmann Rpfleger 1964 147, 371; Unger Rpfleger 1957 224; H. W. Schmidt NJW 1959 1717; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 37; KK/Appl 10e. 29 Ähnlich KMR/Paulus/Stöckel 7; Bringewat 10. 30 BGHSt 20 64, 67; KK/Chlosta2 10: formell Untersuchungs-, materiell schon Strafgefangener. 31 OLG Hamm MDR 1989 1120; KK/Appl 10 f. 32 OLG Hamm Beschluss vom 30.5.1978 – 6 Ws 265/78. 33 BGH NJW 1991 2431 mit Anm. Funck JR 1992 476; KK/Appl 10e; Fischer § 51, 10; a. A. OLG Schleswig NStZ 1990 407 mit Anm. Volckart StV 1990 458; LG Hagen StV 1991 218. 34 Ostermann StV 1993 52; KK/Appl 10e. 35 RMilGE 19 10, 17; OLG Schleswig SchlHA 1949 137.

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fochtenen Einzelstrafen rechtskräftig und vollstreckbar sind. Vielmehr geht insoweit die Untersuchungshaft in Strafhaft über oder wird bei der Strafzeitberechnung wie Strafhaft behandelt (Rn. 8 ff.). Für den Verurteilten ist es alsdann gleichgültig, ob die Vollstreckungsbehörde von der Möglichkeit förmlicher Teilvollstreckung Gebrauch macht oder nicht. 12 Wer eine Teilvollstreckung für unzulässig hält, muss berücksichtigen, dass dann eine der relativen Rechtskraft, wie sie bei Anfechtung durch einen anderen selbständig Rechtsmittelberechtigten eintritt, entsprechende Lage vorliegt. Für den Angeklagten ist alsdann, soweit er kein Rechtsmittel einlegt oder es zurückgenommen hat, das Urteil unanfechtbar geworden. Es liegt nicht an ihm, dass es hinsichtlich des unangefochtenen Teils nicht vollstreckt werden kann. Dieser Fall unterscheidet sich also in nichts von dem, dass bei einem auf eine Gesamtstrafe lautenden Urteil der Angeklagte es nicht anficht, aber die Staatsanwaltschaft das Urteil nur hinsichtlich einer Einzelstrafe anficht. Wenn Absatz 1 in diesem Fall Anwendung findet, weil der Angeklagte nichts dazu kann, dass das Urteil nicht alsbald in vollem Umfang rechtskräftig wird und vollstreckt werden kann, muss das auch für den Fall gelten, wenn der Angeklagte selbst nur beschränkt Rechtsmittel einlegt (oder das umfassend eingelegte Rechtsmittel nachträglich beschränkt) und sich im Übrigen der Vollstreckung unterwirft.36 13 Folgerichtig ist der Grundsatz des Absatzes 1 auch dann anzuwenden, wenn aus einer Gesamtstrafe eine oder mehrere Einzelstrafen nicht durch Rechtsmittelverzicht, sondern dadurch rechtskräftig werden, dass, nachdem der Angeklagte die Verurteilung zu einer Gesamtstrafe in vollem Umfang angefochten hat, das Revisionsgericht nur wegen eines Falls und im Gesamtstrafenausspruch das Urteil aufhebt und zurückverweist, im Übrigen aber die Revision verwirft.37 Dann sind die anderen Einzelstrafen rechtskräftig, und es liegt nicht an dem Angeklagten, wenn das Urteil insoweit nicht vollstreckt wird. Die an ein solches Urteil anschließende weitere Untersuchungshaft bis zur Rechtskraft des Gesamtstrafenausspruchs ist daher anzurechnen.38 14 Die Anrechnung der Untersuchungshaft in den vorgenannten Fällen muss, da nicht mehr Untersuchungshaft angerechnet werden kann, als die Strafe beträgt, ihre Grenze in dem Teil der Gesamtstrafe finden, der auf die rechtskräftig gewordenen Einzelstrafen entfällt.39 15

6. Wegfall der Rechtskraft durch Wiedereinsetzung. Ist durch ungenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist das Urteil rechtskräftig geworden, so wird durch verspätete Rechtsmitteleinlegung die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit auch dann nicht in Frage gestellt, wenn der Verurteilte das Rechtsmittel mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbindet, denn dieser Antrag hat nach § 47 Abs. 1 keine aufschiebende Wirkung. Wird die Wiedereinsetzung gewährt, so entfällt zwar mit rückwirkender 36 BGH MDR 1954 152; NJW 1955 1488; BayObLG HRR 1935 Nr. 1198; BayObLGSt 1952 69 = Rpfleger 1952 491; OLG Bremen NJW 1951 615; OLG Celle NdsRpfl. 1952 75; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1955 237; OLG Braunschweig NJW 1963 2239; Grünwald Die Teilrechtskraft im Strafverfahren 355; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 19; Eb. Schmidt 5; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Bringewat 15; a. A. OLG Schleswig SchlHA 1949 137. 37 Bringewat 16. 38 RGSt 39 275; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1955 237; OLG Braunschweig NJW 1963 2239; KK/Appl 5; MeyerGoßner/Schmitt 8; Bringewat 16; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 19. 39 BayObLG Rpfleger 1952 491; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1955 237; a. A. BGH bei Dallinger MDR 1956 529; OLG Düsseldorf Rpfleger 1965 48; Grünwald Die Teilrechtskraft im Strafverfahren 614; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Bringewat 14, 15: Anrechnung bis zur vollen Höhe der teilvollstreckbaren Einzelstrafen.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Kraft die Rechtskraft des Urteils. An der Tatsache, dass bis dahin eine vollstreckbare Entscheidung vorlag und demgemäß, auch wenn keine förmliche Vollstreckung eingeleitet wurde, die Untersuchungshaft als Vollstreckungshaft zu rechnen ist (Rn. 8), ändert sich dadurch aber nichts, sofern und solange das Gericht nicht eine Anordnung nach § 47 Abs. 2 getroffen hat. Wird demnächst das Rechtsmittel als unbegründet verworfen, so muss nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die während des Bestehens der Rechtskraft erlittene Haft auf die Strafe angerechnet werden. Das Gleiche gilt, wenn die rechtzeitig eingelegte Revision als unzulässig verworfen (§ 346), demnächst aber die Wiedereinsetzung gewährt wird. Es ist demgemäß die volle Zeit anzurechnen, wenn das Revisionsgericht mit der Gewährung der Wiedereinsetzung gleichzeitig die Revision nach § 349 Abs. 2 durch Beschluss verwirft.40 7. Anrechnung einer anderen Freiheitsentziehung a) Vollstreckungshaft- und Vorführungsbefehl. Wie in Rn. 8 ff. ausgeführt, wird 16 dem bei Eintritt der Rechtskraft in Untersuchungshaft befindlichen Verurteilten kraft Gesetzes die Zeit der Freiheitsentziehung angerechnet, die zwischen dem Tag des Eintritts der Vollstreckbarkeit des Urteils und dem Tag liegt, an dem der Strafvollzug unter Überführung des Angeklagten aus der Untersuchungshaftanstalt in die Vollzugsanstalt stattfindet. Hat der Angeklagte sich nicht in Untersuchungshaft befunden, sondern ist er aufgrund eines nach § 457 erlassenen Vollstreckungshaft- oder Vorführungsbefehls der Vollstreckungsbehörde ergriffen worden, so nahm die früher herrschende Meinung an, dass die Strafzeit erst vom Eintritt in die zur Strafverbüßung bestimmte Strafanstalt ab berechnet werde,41 doch sollte in Ausnahmefällen, namentlich bei niedrigeren Strafen und ohne Verschulden des Verurteilten erfolgter Verzögerung des Eintritts in die zuständige Vollzugsanstalt § 450 Abs. 1 entsprechend anzuwenden sein.42 Noch weitergehend wurde im Schrifttum43 die Auffassung vertreten, dass die ganze Zeit von der Ergreifung bis zur Ablieferung in die zuständige Anstalt anzurechnen sei. Nach einer vermittelnden Auffassung, der sich § 22a StVollstrO 1935 anschloss, war maßgebend der Zeitpunkt der Einlieferung in eine Strafanstalt, auch wenn sie nicht die zuständige war. § 38 Nr. 2 StVollstrO hat der Streitfrage praktisch dadurch ein Ende bereitet, dass 17 er die Strafvollstreckungsbehörden anweist – über § 22a StVollstrO 1935 hinausgehend –, als Beginn der Strafzeit bei einem aufgrund eines Vollstreckungshaft- oder Vorführungsbefehls nach § 457 (oder Sicherungshaftbefehls nach § 453c) Festgenommenen und sodann Eingelieferten den Zeitpunkt der Festnahme anzusetzen. Diese Regelung wird durch die Erwägung gerechtfertigt, dass auch die Ergreifung aufgrund eines Vollstreckungshaft- oder Vorführungsbefehls der Vollstreckungsbehörde letztlich auf der Grundlage und in Vollziehung der die Freiheitsentziehung zulassenden richterlichen Entscheidung erfolgt.44 Im Übrigen greift auch hier die Erwägung durch, dass kein einleuchtender Grund besteht, eine nach Rechtskraft des Urteils zwecks Vollstreckung der Strafe erlittene Freiheitsentziehung von der Anrechnung auf die Strafzeit auszuschließen, wenn nach § 51 Abs. 1 StGB grundsätzlich jede vor Urteilsrechtskraft aus Anlass der Tat erlittene Frei40 BGHSt 18 34 = Rpfleger 1963 49 mit Anm. Pohlmann; OLG Hamm NJW 1956 274; OLG Celle NdsRpfl. 1965 186; Pohlmann/Jabel/Wolf § 41, 10; KMR/Paulus/Stöckel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 8.

41 BayObLGSt 3 (1904) 107; BayObLG JW 1933 465; DRZ 1933 Nr. 134; KG GA 43 (1895) 137; OLG Kassel GA 52 (1905) 276; Pohlmann/Jabel/Wolf § 38, 3. 42 LR/Schäfer21 2a; Kreß BayZ 2 (1906) 410; Fumian BayZ 10 (1915) 117. 43 Nachw. in der 21. Aufl., § 450, 2a. 44 BGHSt 13 97, 100; Pohlmann/Jabel/Wolf § 38, 4.

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heitsentziehung auf die erkannte Strafe, nach § 450a grundsätzlich auch die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung, die der Verurteilte in einem Auslieferungsverfahren zum Zweck der Strafvollstreckung erlitten hat, auf die Strafzeit angerechnet wird.45 18

b) Entweichen aus dem Strafvollzug. In gleicher Weise behandelt § 40 Abs. 2 StVollstrO die Anrechnungsfrage, wenn ein Verurteilter aus dem Strafvollzug entwichen ist und zwecks weiteren Strafvollzugs aufgrund eines Haft- oder Vorführungsbefehls oder sonstiger Fahndungsmaßnahmen (§ 457) auf Veranlassung der Vollstreckungsbehörde oder sonst polizeilich festgenommen wird oder sich in einer anderen Anstalt als der zuständigen Vollzugsanstalt zur weiteren Verbüßung stellt. Dann gilt im ersteren Fall der Zeitpunkt der Festnahme,46 im letzteren der Zeitpunkt der Selbstgestellung als Fortsetzung des Strafvollzugs. § 24 Abs. 2 StVollstrO 1935 wollte die Zeit bis zur Wiederaufnahme in die zuständige Vollzugsanstalt nicht auf die Strafzeit anrechnen.47 Nachdem das OLG Celle48 sich auf den Standpunkt gestellt hatte, als Vollzugsfortsetzung müsse der Beginn der erneuten Inverwahrnahme zugrunde gelegt werden, die abweichende Weisung in § 24 Abs. 2 StVollstrO verstoße gegen Art. 2 Abs. 2, 104 Abs. 1 GG, wurde § 24 Abs. 2 StVollstrO dahin abgeändert, dass als Zeitpunkt der Fortsetzung des Vollzugs die Aufnahme in eine Justizvollzugsanstalt anzusehen sei, auch wenn sie nicht die zum weiteren Strafvollzug zuständige ist. § 40 Abs. 2 StVollstrO 1974 geht darüber hinaus, indem er bereits den Zeitpunkt der Festnahme als Vollzugsfortsetzungsbeginn ansetzt.49 Wegen der Anrechnung einer im Ausland durch das Auslieferungsverfahren zum Zweck der Strafvollstreckung erlittenen Freiheitsentziehung vgl. die Erl. zu § 450a.

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8. Begriff der Untersuchungshaft. Der Begriff der Untersuchungshaft, die nach Absatz 1 anzurechnen ist, umfasst neben der Untersuchungshaft im technischen Sinn auch jede „andere Freiheitsentziehung“, die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB angerechnet wird50 und die demgemäß vom Rechtsmittelgericht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB von der Anrechnung ausgeschlossen werden könnte, falls der Angeklagte nicht i. S. d. § 450 Abs. 1 die relative Rechtskraft herbeiführt.51 Dazu zählt nicht die von einem Gericht der Bundesrepublik angeordnete Abschiebehaft, die ein Ausländer nach Rechtskraft aus Anlass einer Strafhaft erlitten hat.52 Keine Untersuchungshaft ist die Zeit unzulässiger Strafvollstreckung bei vorzeitiger Überführung des Angeklagten in die Strafanstalt wegen eines Irrtums über den Zeitpunkt der Rechtskraft.53

45 Vgl. dazu besonders Pohlmann/Jabel/Wolf § 39a, 3 f. 46 Vorausgesetzt, dass der Verurteilte demnächst einer Vollzugsanstalt übergeben wird, Pohlmann/ Jabel/Wolf § 40, 18. 47 Im Gegensatz zu der überwiegend vertretenen Auffassung, wonach nur die Zeit des Polizeigewahrsams nach Ergreifung nicht anrechenbar ist: OLG Köln NJW 1955 234 zur damaligen Rechtsprechung und Literatur. 48 NdsRpfl. 1952 193. 49 Nach Nr. 7 (Stichwort Entweichen) und Nr. 47 Abs. 3 der Vollzugsgeschäftsordnung gilt eine Nichtrückkehr vom Freigang, Ausgang oder Urlaub nicht als Entweichen (vgl. dazu Pohlmann/Jabel/Wolf § 40, 9, 21). 50 Fischer § 51, 5; LK/Schneider § 51, 3 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 2. Zum Begriff „andere Freiheitsentziehungen“ vgl. namentlich auch Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 56 bis 85 sowie Bringewat 1. 51 Fischer § 51, 5; MüKo/Nestler § 450, 12. 52 OLG Frankfurt NJW 1980 557. 53 KG JR 1964 310; Meyer-Goßner/Schmitt 2.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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9. Anrechnung im Wege der Gnade. Anrechnung von Untersuchungshaft, deren 20 Nichtanrechnung das Gericht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB angeordnet hatte, im Wege der Gnade (durch die Gnadenbehörde nach Rechtskraft des Urteils) ist lediglich ein Straferlass in Höhe des Zeitraums, der auf die Untersuchungshaft entfällt.54 10. Wegfall der Anrechnung a) Urteilsaufhebung auf Rechtsmittel eines anderen Rechtsmittelberechtigten. 21 Wird auf die Revision eines anderen (selbständig) Rechtsmittelberechtigten das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, so entfällt mit dem Urteil auch dessen zugunsten des Angeklagten eingetretene relative Rechtskraft. Bei der erneuten Aburteilung kann das Gericht eine Nichtanrechnungsanordnung nach § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB treffen; andernfalls gilt § 51 Abs. 1 Satz 1. Der Angeklagte kann aber nach Erlass des neuen Urteils erneut die relative Rechtskraft herbeiführen und damit die Wirkung des § 450 Abs. 1 gegenüber dem Rechtsmittelgericht auslösen.55 Wird auf die Berufung eines anderen Rechtsmittelberechtigten das Urteil lediglich zugunsten des Angeklagten abgeändert (durch Herabsetzung der im ersten Rechtszug erkannten Freiheitsstrafe), so geschieht dies zwar nach § 328 Abs. 1 technisch in der Form der Aufhebung des Urteils, materiell handelt es sich aber lediglich um eine Änderung, so dass insoweit, als das erste Urteil materiell bei Bestand bleibt, es auch bei der gesetzlichen Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibt, sofern der Angeklagte auch das zweite Urteil unangefochten lässt und dadurch gleichzeitig für die nach dem Berufungsurteil liegende Untersuchungshaft die Anrechnung nach § 450 Abs. 1 herbeiführt.56 Hebt das Berufungsurteil aber gemäß § 328 Abs. 2 das erste Urteil auf oder erhöht es (in diesem Fall unter materieller Aufhebung) die Freiheitsstrafe des angefochtenen Urteils, so gilt das Gleiche wie bei Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht. b) Übernahme des Rechtsmittels des gesetzlichen Vertreters durch den voll- 22 jährig gewordenen Angeklagten. Ein volljährig gewordener Angeklagter kann auch dann das von seinem bisherigen gesetzlichen Vertreter eingelegte Rechtsmittel übernehmen, wenn er selbst vorher auf Rechtsmittel verzichtet hatte und damit die Voraussetzungen des § 450 Abs. 1 für ihn eingetreten waren.57 Die Anrechnung der Untersuchungshaft entfällt dann von dem Augenblick an, zu dem der Angeklagte erklärt, dass er das eingelegte Rechtsmittel übernehme.58 Eine solche Übernahmeerklärung hat aber keine rückwirkende Kraft für die vorangehende Zeit.59 Wie ein Rechtsmittel des Angeklagten zählt für die Anwendung des Absatzes 1 auch ein Rechtsmittel seines Verteidigers (§ 297), nicht aber das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Angeklagten eingelegte.60

54 55 56 57 58 59

OLG Hamm NJW 1957 920. Bringewat 7. Meyer-Goßner/Schmitt 7. BGHSt 10 174 unter Aufgabe der gegenteiligen Ansicht des Reichsgerichts in RGSt 42 342 und 47 159. Pentz GA 1958 303; Bringewat 6. LG Bamberg NJW 1967 68 mit zust. Anm. Kaiser = Rpfleger 1967 118 mit abl. Anm. Pohlmann; wie hier KK/Appl 9; KMR/Paulus/Stöckel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 6 und in der Tendenz Pohlmann/Jabel6 § 39, 43, die die Streitfrage zufolge der Neufassung des § 52a JGG durch Art. 26 Nr. 25 EGStGB 1974 nunmehr allerdings für praktisch gegenstandslos halten. 60 KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

II. Strafzeitberechnung bei Beendigung des Rechtsmittelverfahrens durch Beschluss 23

Der frühere Absatz 2, der für die Berechnung der Strafzeit eine dem § 34a entsprechende Regelung enthielt, ist als gegenstandslos gestrichen worden, weil der durch Art. 1 Nr. 8 StVÄG 1979 eingeführte § 34a eine allgemeine und damit auch die Strafzeitberechnung umfassende Regelung enthält, zu welchem Zeitpunkt die Rechtskraft einer angefochtenen Entscheidung als eingetreten gilt, wenn nach rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels ein Beschluss unmittelbar die Rechtskraft herbeiführt (vgl. Entstehungsgeschichte sowie die Erläuterungen zu § 34a).

III. Verfahren gegen Jugendliche In Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende, gegen die Jugendstrafrecht angewendet wird, richtet sich die Anrechnung der seit Eintritt der relativen Rechtskraft erlittenen Untersuchungshaft ohne weiteres (§ 2 JGG) nach § 450 StPO, wenn auf Jugendstrafe erkannt wird.61 Nach dem – § 51 Abs. 1 StGB inhaltlich nachgebildeten – § 52a Abs. 1 Satz 2 JGG62 kann der Richter die Nichtanrechnung der Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht nur im Hinblick auf das Verhalten der Verurteilten nach der Tat, sondern – abweichend von § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB – auch dann anordnen, wenn die Anrechnung aus erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist. Im Übrigen richtet sich die Auslegung des § 52a JGG nach den zu § 51 Abs. 1 StGB entwickelten Grundsätzen.63 Danach bezieht sich § 52a JGG nur auf die bis zur Urteilsverkündung des Tatgerichts erlittene Untersuchungshaft. Die Anrechnung der nach diesem Zeitpunkt erlittenen Untersuchungshaft richtet sich, soweit nicht § 450 Abs. 1 eingreift, gemäß § 2 JGG nach § 51 Abs. 1 StGB.64 25 Wird nur Jugendarrest festgesetzt, so ist § 450 nicht unmittelbar anzuwenden, da der Jugendarrest keine Freiheitsstrafe, sondern ein Zuchtmittel ist (§ 13 JGG). Deshalb bedurfte es der besonderen Vorschrift des § 87 Abs. 2 JGG, die § 450 für sinngemäß anwendbar erklärt. § 450 findet auch sinngemäß Anwendung, wenn gemäß § 71 Abs. 2, § 72 Abs. 4 JGG die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe angeordnet war.65

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IV. Anrechnung der Führerscheinverwahrung auf die Dauer des Fahrverbots (Absatz 2) 26

Ist in einem nicht rechtskräftigen Urteil ein Fahrverbot nach § 44 StGB ausgesprochen, so gibt es im Allgemeinen keinen Rechtsgrund mehr, um eine bis zum Urteil bestehende amtliche Verwahrung des Führerscheins vor dem Eintritt der Rechtskraft aufrechtzuerhalten. § 111a Abs. 5 Satz 2 gestattet jedoch, die Rückgabe des Führerscheins 61 62 63 64

OLG München NJW 1971 2275; KK/Appl 12; Bringewat 18. Eingefügt durch Art. 26 Nr. 25 EGStGB 1974. Begr. des RegE. zu Art. 24 Nr. 21, 22 – EGStGB – BTDrucks. 7 550. BGH NJW 1972 730 = Rpfleger 1972 251 mit Anm. Pohlmann; OLG München NJW 1971 2275; LG Osnabrück Rpfleger 1971 184 mit abl. Anm. Pohlmann, soweit es um die Anrechnung der während des Revisionsverfahrens erlittenen Untersuchungshaft geht; Eisenberg/Kölbel § 52a, 3. 65 Ebenso Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 67.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 450a

aufzuschieben, wenn der Beschuldigte nicht widerspricht (vgl. näher Erl. zu § 111a). § 450 Abs. 2 sieht vor, dass diese Zeit freiwilliger Aufrechterhaltung der Führerscheinverwahrung, die sich für den Beschuldigten praktisch wie ein Fahrverbot auswirkt, nach Rechtskraft des Urteils unverkürzt auf die Dauer des Fahrverbots (§ 44 Abs. 1, 3 StGB) angerechnet wird.66

§ 450a Anrechnung einer im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung (1) 1Auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist auch die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung anzurechnen, die der Verurteilte in einem Auslieferungsverfahren zum Zwecke der Strafvollstreckung erlitten hat. 2Dies gilt auch dann, wenn der Verurteilte zugleich zum Zwecke der Strafverfolgung ausgeliefert worden ist. (2) Bei Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung mehrerer Strafen ist die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung auf die höchste Strafe, bei Strafen gleicher Höhe auf die Strafe anzurechnen, die nach der Einlieferung des Verurteilten zuerst vollstreckt wird. (3) 1Das Gericht kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach dem Erlaß des Urteils, in dem die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten, nicht gerechtfertigt ist. 2Trifft das Gericht eine solche Anordnung, so wird die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung, soweit ihre Dauer die Strafe nicht überschreitet, auch in einem anderen Verfahren auf die Strafe nicht angerechnet.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 108 des 1. StVRG vom 9.12.1974 eingefügt.

I.

II.

Übersicht Bedeutung und Entwicklungsgeschichte 1. Allgemeines 1 2. Regelung des früheren § 38 Buchst. b StVollstrO 2 3. Ansicht des Bundesverfassungsgerichts 3 4. Folgerungen 4 Anrechnung der Auslieferungshaft 1. Begriff der ausländischen Auslieferungshaft (Absatz 1 Satz 1) 5 2. Anrechnung auch bei Nichtauslieferung 7 3. Exequaturverfahren 8 4. Gegenstand der Anrechnung a) Allgemeines 9

b)

III.

Anrechnung bei Zusammentreffen von Vollstreckungs- und Verfolgungsauslieferung (Satz 2) 10 c) Anrechnung bei Auslieferung wegen Vollstreckung mehrerer Strafen (Absatz 2) 11 d) Weiterer Fall 12 5. Anrechnungsmaßstab 13 6. Abschiebehaft 15 Nichtanrechnung (Absatz 3) 1. Antrag der Staatsanwaltschaft 16 2. Nicht gerechtfertigtes Verhalten 18 3. Gegenstand der Entscheidung nach Absatz 3 Satz 1 19

66 KK/Appl 11; KMR/Paulus/Stöckel 15; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 20; vgl. auch § 59a StVollstrO.

47 https://doi.org/10.1515/9783110275025-004

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§ 450a

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Alphabetische Übersicht Abschiebehaft 15 Anrechnungsmaßstab 13 f. Antrag der Staatsanwaltschaft 16 Auslieferungshaft 5 Auslieferungsverfahren 6 Bewilligungsbeschränkung 15 Ermessen 13 f. Exequaturverfahren 8

Nichtanrechnung 16 f. Sanktionsarten 13 Strafzeitberechnung 13 Verfahrenseinheit, funktionale 15 Verfolgungsauslieferung 10 Vollstreckungsauslieferung 10 Vollstreckungsverfahren 13

I. Bedeutung und Entwicklungsgeschichte 1

1. Allgemeines. Nach § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB wird eine Freiheitsentziehung, die der Verurteilte vor der Rechtskraft des Urteils aus Anlass der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Tat im Ausland erlitten hat (Auslieferungshaft usw.), in gleicher Weise behandelt wie nach § 51 Abs. 1 StGB eine im Inland erlittene Untersuchungshaft oder andere Freiheitsentziehung, d. h. sie wird grundsätzlich auf die Strafe angerechnet, soweit nicht das Gericht die Nichtanrechnung anordnet, weil sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.1 Dagegen fehlte es vor Schaffung des § 450a an einer gesetzlichen Regelung der Anrechnungsfrage, wenn der im Inland rechtskräftig Verurteilte im Ausland ergriffen und in einem Auslieferungsverfahren zum Zweck der Strafvollstreckung den deutschen Behörden übergeben wird. Diese Lücke wurde durch § 450a geschlossen.2

2

2. Regelung des früheren § 38 Buchst. b StVollstrO. Nach § 38 Buchst. b StVollstrO 1956 rechnete bei einem im Ausland Festgenommenen und zur Strafvollstreckung den deutschen Behörden übergebenen Verurteilten die Strafe erst von der Übernahme durch deutsche Beamte. Die Anrechnung der ausländischen Einlieferungshaft wurde mit der Erwägung verneint, dass nur eine in deutschem Gewahrsam verbrachte Zeit als Strafzeit gewertet werden könne.3 Auch bei ungewöhnlich langer Dauer der Einlieferungshaft, die der Verurteilte nicht zu vertreten hatte, war nach überwiegender früherer Auffassung eine Anrechnung nur im Gnadenweg auf die Strafzeit möglich.4

3

3. Ansicht des Bundesverfassungsgerichts. Nachdem § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB für das Erkenntnisverfahren bestimmt, dass eine im Ausland erlittene Freiheitsentziehung in der Frage der Anrechnung auf die Strafe einer im Inland erlittenen Untersuchungshaft oder anderen Freiheitsentziehung gleichzustellen ist, also grundsätzlich angerechnet wird, falls nicht ausnahmsweise das Gericht die Nichtanrechnung ausspricht, entschied das Bundesverfassungsgericht,5 es sei kein einleuchtender Grund erkennbar, bei einem Verurteilten, der sich der Strafvollstreckung durch Flucht ins Ausland entzogen hatte, die Anrechnung einer erst nach Rechtskraft des Urteils im Ausland erlittenen Auslieferungshaft (Einlieferungshaft) und selbst dann zu versagen, wenn dies zu einem Über1 KK/Appl 1; KMR/Paulus/Stöckel 1; Bringewat 1. Wegen weiterer Einzelheiten s. Rn. 3. 2 KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; KMR/Paulus/Stöckel 1; SK/Paeffgen 2. 3 OLG Celle GA 1955 184; OLG Schleswig SchlHA 1959 271; OLG Oldenburg GA 1961 189; OLG Hamburg MDR 1963 689. 4 Pohlmann3 § 38 Anm. I 2 c. 5 BVerfGE 29 312 = Rpfleger 1971 61 mit zust. Anm. Pohlmann; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39a, 1.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 450a

maß an Freiheitsentzug führen würde, das in keinem Verhältnis zu der erkannten Strafe stehe. Die Anrechnung schlechthin zu versagen, sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar. 4. Folgerungen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte alsbald 4 eine Änderung der Rechtsprechung zu der Regelung des damaligen § 38 Buchst. b StVollstrO zur Folge. Die Gerichte rechneten nunmehr ausländische Auslieferungshaftzeiten in entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB regelmäßig auf die Strafzeit an.6 Nachdem dieser Fall nunmehr seine gesetzliche Regelung in § 450a gefunden hat, ist für die entsprechende Anwendung des § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB kein Raum mehr.7 Ist die ausländische Auslieferungshaft gegen den Auszuliefernden zur Durchsetzung der Strafvollstreckung vollzogen worden, ist für die Anrechnung allerdings zunächst die Strafvollstreckungsbehörde zuständig.8 Erst bei Zweifeln über die Anrechnung und Berechnung der Strafzeit muss sie eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 1 herbeiführen.9 Auf Anregung des Bundesrats zum Regierungsentwurf 1. StVRG,10 dem die Bundesregierung zustimmte,11 beschloss der Rechtsausschuss des Bundestags,12 durch Einfügung der hier kommentierten Vorschrift eine dem – damaligen § 60, jetzt – § 51 StGB entsprechende Regelung zu treffen. Seit dieser Zeit ist der frühere § 38 Buchst. b 2. Hs. StVollstrO (jetzt: § 38 Nr. 2 StVollstrO) gegenstandslos.13 Bei anzurechnender Auslieferungshaft ist daher im Ausland erlittene Auslieferungshaft in vollem Umfang auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe anzurechnen.

II. Anrechnung der Auslieferungshaft 1. Begriff der ausländischen Auslieferungshaft (Absatz 1 Satz 1). Nach Absatz 1 5 wird eine im Ausland erlittene Freiheitsentziehung angerechnet, die der Verurteilte in einem Verfahren erlitten hat, das der Auslieferung an die deutschen Behörden zum Zweck der Strafvollstreckung dient. Der Begriff Ausland ist hier der gleiche wie in § 51 Abs. 3 StGB. Die frühere DDR war nicht Ausland i. S. dieser Vorschrift.14 Gleichwohl mussten dort erlittene Freiheitsentziehungen einer ausländischen gleichgestellt werden, da die Gerichte der DDR keine Gerichtshoheit der Bundesrepublik ausübten.15 Obgleich die StPO mit Wirkung vom 3.10.199016 nicht nur für zukünftige, sondern auch für damals anhängige Verfahren gilt, gleichgültig, in welchem Verfahrensabschnitt sie sich befinden,17 verbleibt es für noch nicht abgeschlossene Vollstreckungsverfahren aus der früheren Zeit bei der Anrechnungsregelung des § 450a.18

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

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OLG Karlsruhe Justiz 1971 251; LR/Schäfer22 § 450 Anm. I 6c; Pohlmann Rpfleger 1971 61. OLG Koblenz GA 1986 181 Ls. OLG Düsseldorf StV 1991 478; LG Bochum StV 1993 34. OLG Stuttgart MDR 1986 779. BTDrucks. 7 551 S. 147. BTDrucks. 7 551 S. 156. BTDrucks. 7 2600 S. 9, 44. Pohlmann/Jabel/Wolf § 39a, 9. Dreher/Tröndle42 § 51, 17. Schönke/Schröder/Stree22 § 51, 29. Anl. I Kap. III Sachgeb. A Abschn. III i. V. m. Maßgabe A Buchst. 9 des EinigungsV. LR/Hilger24 Nachtr. II EinigungsV Teil II C Rn. 18. Bringewat 3; KG JR 1992 523.

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6

Der Begriff des Auslieferungsverfahrens ist dabei weit auszulegen.19 Es ist weder erforderlich, dass im Ausland ein förmliches Verfahren zur Prüfung der Auslieferungsvoraussetzungen betrieben wird, noch dass die Auslieferung im Rahmen eines mit dem betreffenden Land bestehenden Rechtshilfeabkommens erfolgt, noch dass die Vollstreckungsbehörde bereits Fahndungsmaßnahmen (§ 457, §§ 33, 34 StVollstrO) ergriffen hätte oder ein Sicherungshaftbefehl (§ 453c) erlassen worden wäre. Ein Auslieferungsverfahren ist selbst dann gegeben, wenn eine ausländische Behörde den Verurteilten wegen Verdachts einer im Ausland begangenen Tat aus eigener Initiative ergriffen und, nachdem sich der Verdacht einer Flucht vor der deutschen Strafvollstreckung ergeben, die Haft zur Prüfung der Auslieferungsvoraussetzungen aufrechterhalten hat. Wesentlich ist nur, dass die behördliche Freiheitsentziehung im Ausland zu dem Zweck veranlasst worden ist, den Verurteilten der deutschen Strafvollstreckung zuzuführen.20 Die Voraussetzungen des Absatzes 1 sind also z. B. auch dann gegeben, wenn der Verurteilte nach vorausgegangener Inhaftierung nur als lästiger Ausländer abgeschoben wird.21 Die in einem solchen Fall vorgenommene „Auslieferung durch Abschiebung“ lässt sich rechtlich nicht eindeutig einordnen.22 Auch im Rahmen von § 450a kann in derartigen Grenzfällen eine Nichtanrechnung nicht allein mit dem Wortlaut begründet werden. Vielmehr sind bei der Auslegung von § 450a auch Sinn und Zweck sowie die gesetzgeberische Vorgeschichte zu beachten.23 Lagen der Freiheitsentziehung zunächst andere Erwägungen zugrunde, ist sie erst von dem Zeitpunkt ab anzurechnen, wo die ausländische Behörde die Freiheitsentziehung zwecks Auslieferung zur Strafvollstreckung aufrechterhalten hat.24

7

2. Anrechnung auch bei Nichtauslieferung. Die Anrechnung ist unabhängig davon, ob es tatsächlich zur Auslieferung kommt. Erlittene Freiheitsentziehung ist mithin auch anzurechnen, wenn der Verurteilte von der ausländischen Strafverfolgungsbehörde in Auslieferungshaft genommen, demnächst aber auf freien Fuß gesetzt wurde, weil das zuständige Gericht seine Auslieferung ablehnte.25

8

3. Exequaturverfahren. Bei einer Entscheidung über die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Straferkenntnisses nach Art. 11 ÜberstÜbk ist die Vorschrift des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB nicht – auch nicht entsprechend – anwendbar.26 Das gilt gleichermaßen für die Anrechnung einer im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung. Das ausländische Urteil ist von Deutschland daher grundsätzlich so hinzunehmen, wie es ergangen ist.27 Die Festsetzung eines Anrechnungsmaßstabes würde einen unzulässigen Eingriff in die Souveränität des Urteilsstaates bedeuten, der seine Strafausspruch in dem Urteil 19 20 21 22 23

BVerfG Beschl. vom 14.1.2005 − 2 BvR 1825/03. KK/Appl 3; KMR/Paulus/Stöckel 5; SK/Paeffgen 4; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4. A. A. LR/Wendisch25 6; vgl. aber BVerfG Beschl. vom 14.1.2005 − 2 BvR 1825/03. BGH NStZ 1997 385. BVerfG Beschl. vom 28.9.1998 − 2 BvR 2232/94 − und Beschl. vom 14.1.2005 – 2 BvR 1825/03; vgl. SK/ Paeffgen 4 f. 24 Bringewat 5; SK/Paeffgen 5. 25 BVerfGE 29 312; OLG Stuttgart Justiz 1971 251; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39a, 3; KK/Appl 6; KMR/Paulus/ Stöckel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4. 26 OLG Rostock Beschl. vom 2.8.2010 – I Ws 128/10; OLG Nürnberg Beschl. vom 18.11.2009 – 1 Ws 306/ 09; OLG Stuttgart Beschl. vom 11.7.2005 – 3 Ws 1/05; NStZ-RR 2017 257; OLG Köln Beschl. vom 10.12.2003 – 2 Ws 634/03; OLG Hamm NStZ-RR 1999 384; Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner § 54 IRG, 14; KG StraFo 2017 435; OLG Celle NdsRpfl. 2018 257 (analoge Anwendung der in Deutschland vollstreckten Auslieferungshaft auf die zu vollstreckende Strafe eines ausländischen Erkenntnisses). 27 OLG Stuttgart NStZ-RR 2017 257.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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bestimmt und diesen in seinem Land mit seinem Strafvollzug vollstreckt hat. In die Vollstreckungszuständigkeit des vollstreckenden Staates fällt daher nur die noch nicht verbüßte (Rest)Strafe. 4. Gegenstand der Anrechnung a) Allgemeines. Angerechnet wird jede Art der justizförmigen Freiheitsentziehung 9 im Ausland, also auch Untersuchungs- und Auslieferungshaft.28 Wird der Festgenommene den deutschen Beamten überstellt, so beginnt nach § 38 Nr. 2 StVollstrO die Strafzeit mit seiner Übernahme durch deutsche Beamte.29 Die Anrechnung ist unabhängig davon („auch … anzurechnen …“), ob eine Anrechnung nach § 450 Abs. 1 erfolgt war. Zuständig für die nach Einlieferung des Verurteilten zur Strafvollstreckung zu treffende Entscheidung ist zunächst die Strafvollstreckungsbehörde. Erst gegen deren Entscheidung kann der Verurteilte die Entscheidung des Gerichts nach § 458 Abs. 1 herbeiführen.30 b) Anrechnung bei Zusammentreffen von Vollstreckungs- und Verfolgungs- 10 auslieferung (Satz 2). Erfolgt die Auslieferung zugleich zur Strafverfolgung, so schließt dies nach § 450a Abs. 1 Satz 2 die Anrechnung auf die zu vollstreckende Strafe nicht aus. Ist eine Trennung der ausländischen Freiheitsentziehung in einen Teil, der auf die Vollstreckungsauslieferung, und den Teil, der auf die Verfolgungsauslieferung (§ 51 Abs. 3 Satz 2 StGB) entfällt, nicht möglich, so hat die Anrechnung nach § 450a den Vorrang.31 Nur der nicht verbrauchte Teil kann im künftigen Strafverfahren Gegenstand einer Anrechnung nach § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB sein.32 Eine Doppelanrechnung der ausländischen Freiheitsentziehung sowohl auf die zu vollstreckende als auch die noch zu erkennende Strafe ist im Übrigen naturgemäß ausgeschlossen.33 c) Anrechnung bei Auslieferung wegen Vollstreckung mehrerer Strafen (Ab- 11 satz 2). Für den Fall der Vollstreckung mehrerer Strafen enthält § 450a Abs. 2 eine Anrechnungsregel, nach der die Höhe der Strafe den Ausschlag gibt. „Höchste Strafe“ (d. h. höchste Freiheitsstrafe; vgl. Absatz 1 Satz 1) ist die höchste erkannte Strafe ohne Rücksicht auf die Höhe eines etwa noch zu vollstreckenden Restes. Wird die ausländische Freiheitsentziehung, weil ihre Dauer die der höchsten Strafe überschreitet, durch die Anrechnung nicht vollständig verbraucht, so erfolgt die Anrechnung der überschießenden ausländischen Freiheitsentziehung auf die nächst höhere noch zu vollstreckende Strafe.34 d) Weiterer Fall. Wegen eines weiteren Falles einer Anrechnung auf die Strafzeit 12 nach Rechtskraft des Urteils vgl. § 56f Abs. 3 Satz 2, § 56g Abs. 2 Satz 3 StGB und dazu OLG Hamburg MDR 1976 158.35

28 KK/Appl 7; Bringewat 2; BGHR StGB § 51 Abs 4 Anrechnung 5 und 6 (Gründe) Rn. 27. 29 KK/Appl 7; KMR/Paulus/Stöckel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Paeffgen 4; Bringewat 2; Pohlmann/ Jabel/Wolf § 39a, 9. 30 OLG Düsseldorf MDR 1989 90; LG Bochum StV 1993 33. 31 BGH NStZ 1985 497; OLG Braunschweig NStZ 1996 280; LG Bochum StV 1993 33; KK/Appl 5; KMR/ Paulus/Stöckel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 7; Röttle/Wagner Rn. 169; BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 1. 32 BGH NStZ 1985 497. 33 KMR/Paulus/Stöckel 10. 34 KK/Appl 9; KMR/Paulus/Stöckel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 7; Röttle/Wagner Rn. 169. 35 OLG Hamburg MDR 1976 158; KG Beschluss vom 1.4.1999 – 5 Ws 186/99.

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5. Anrechnungsmaßstab. Ob und in welchem Umfang eine im Ausland erlittene Freiheitsentziehung anzurechnen ist, richtet sich für das Erkenntnisverfahren nach § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB. Danach liegt die Entscheidung im Ermessen des Gerichts. Um überprüfen zu können, ob und wie dieses sein Ermessen ausgeübt hat, muss das Urteil sich ausdrücklich mit der Anrechnung und des dabei zugrunde gelegten Maßstabes befassen.36 Das Revisionsgericht hat auf die Sachrüge zu prüfen, ob dem Tatgericht bei seiner Entscheidung nach § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB Rechtsfehler unterlaufen sind. Für das Vollstreckungsverfahren fehlt es, soweit es um die Anrechnung einer nach Rechtskraft des Urteils im Ausland erlittenen Freiheitsentziehung i. S. von § 450a geht, an einer vergleichbaren Regelung. Da das Problem jedoch das Gleiche ist wie im Fall des § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB, gelten die dazu entwickelten Grundsätze bei der Frage der Anrechnung und des anzuwendenden Maßstabes sinngemäß.37 In welchem Umfang die Freiheitsentziehung anzurechnen ist, entscheidet, weil es sich dabei um eine Frage der Strafzeitberechnung handelt, zunächst die Vollstreckungsbehörde.38 Eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 1 ist auch hier erst zulässig, wenn die Vollstreckungsbehörde wegen eigener Zweifel eine solche beantragt oder der Verurteilte Einwendungen gegen den Anrechnungsmaßstab der Vollstreckungsbehörde erhoben hat.39 Die Vollstreckungsbehörde übt ihr Ermessen in zweifacher Weise aus: Zunächst wägt 14 sie das mit der ausländischen Freiheitsentziehung verbundene Strafübel mit der ihr entsprechenden inländischen Freiheitsstrafe ab, wobei sie namentlich unterschiedliche Sanktionsarten miteinander vergleicht.40 Alsdann berücksichtigt sie, wie die ausländische Freiheitsentziehung vollzogen worden ist. Denn nur bei in etwa vergleichbaren Sanktionssystemen und Vollzugsbestimmungen kommt ein Anrechnungsmaßstab von 1:1 in Betracht.41 Sonst ist je nach Gewichtung und Wertung ein anderer Maßstab zugrunde zu legen.42 13

15

6. Abschiebehaft. Die von dem später Verurteilten im Ausland erlittene Abschiebehaft wird bei der Strafzeit in der Regel nicht angerechnet, und zwar selbst dann nicht, wenn der Abschiebung eine Straftat zugrunde liegt, wegen der die Vollstreckung betrieben werden soll.43 Allerdings ist eine Anrechnung von Abschiebehaft entgegen dem Wortlaut von Absatz 1 Satz 2 immer dann geboten, wenn sie durch ein Auslieferungsersuchen deutscher Behörden veranlasst worden ist. Ist die Festnahme des Verurteilten im Ausland aufgrund eines internationalen Haftbefehls erfolgt, der aus Anlass des zu vollstreckenden Urteils erlassen worden ist, so liegt eine funktionale Verfahrenseinheit vor, auch wenn ein Auslieferungsverfahren in ein Abschiebeverfahren mündet.44 36 BGH NStZ 1982 326; wistra 1984 21. 37 OLG Karlsruhe Justiz 1983 467; OLG Stuttgart MDR 1986 779; OLG Frankfurt StV 1988 26; OLG Koblenz GA 1989 310; OLG Zweibrücken OLGSt § 450a StPO 1; LG Zweibrücken Beschl. vom 25.1.2011 – 2 AR 41/10; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Paeffgen 6; vgl. LK/Theune § 51, 65. 38 LG Bochum StV 1993 33; OLG Stuttgart MDR 1986 779. 39 OLG Stuttgart MDR 1986 779; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1988 250; wistra 1991 320. 40 BGHSt 30 282; BGH NStZ 1986 312; KG NStZ-RR 1997 350; KK/Appl 8; Bringewat 12. 41 OLG Düsseldorf MDR 1994 936; KG NStZ-RR 1997 350; OLG Hamm wistra 2008 120. 42 Vgl. zu den Maßstäben der Anrechnung hinsichtlich der im Ausland vollzogenen Auslieferungshaft in einzelnen Ländern Fischer § 51, 19 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen. 43 OLG Hamm NJW 1979 2484; OLG Frankfurt NJW 1980 537; OLG Koblenz GA 1981 575; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 2; HK/Pollähne 2; Bringewat 6. 44 BVerfG Beschl. vom 14.1.2005 – 2 BvR 1825/03 m. w. N.; BGH Beschl. vom 5.8.2020 – 3 StR 231/20; KK/Appl 4; MüKo/Nestler 4.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 450a

Ob eine funktionale Verfahrenseinheit gegeben ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Sie liegt etwa dann vor, wenn auf Betreiben der deutschen Strafverfolgungsbehörden zur Umgehung eines komplizierten Auslieferungsverfahrens von der zuständigen deutschen Auslandsvertretung passbeschränkende Maßnahmen vorgenommen werden, deren unausweichliche und vorhersehbare Folgen ein Verstoß des Verurteilten gegen die ausländerrechtlichen Bestimmungen des ausländischen Staates und seine Inhaftierung sowie Abschiebung nach Deutschland sind.45 Ist die Abschiebehaft dagegen nicht auf das deutsche Strafverfahren zurückzuführen, sondern auf andere Umstände, so besteht für eine Anrechnung kein sachlicher Grund, denn ein Beschuldigter soll dann durch die Anrechnung ausländischer Haft nicht besser gestellt werden.46

III. Nichtanrechnung (Absatz 3) 1. Antrag der Staatsanwaltschaft. Nach dem dem § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB nachge- 16 bildeten § 450a Abs. 3 Satz 1 kann das Gericht – regelmäßig die Strafvollstreckungskammer47 (§ 462 Abs. 1 Satz 1, § 462a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1) – anordnen, dass die Anrechnung ganz oder teilweise unterbleibt. Geht es dagegen um die Feststellung der zu vollstreckenden Strafe aufgrund einer Bewilligungsbeschränkung bei der Einlieferung, dann ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig.48 Verfahrensrechtliche Voraussetzung ist ein Antrag der Staatsanwaltschaft als 17 Strafverfolgungsbehörde.49 Soweit diese – wie z. B. nach §§ 82 ff. JGG – nicht Vollstreckungsbehörde ist, wirkt sie auf eine Prüfung hin, ob ein Antrag gestellt werden soll (§ 39a Abs. 2 StVollstrO).50 Im Übrigen kommt in zeitlicher Hinsicht als Nichtanrechnungsgrund nur ein solches Verhalten des Verurteilten in Betracht, das nach dem Erlass des Urteils liegt, in dem die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB), das also nicht mehr Gegenstand einer Nichtanrechnungsanordnung nach § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB sein konnte. Ein vorangegangenes Verhalten, das noch vor Rechtskraft der Verurteilung eine Nichtanordnung der Freiheitsentziehung im Erkenntnisverfahren hätte rechtfertigen können, scheidet als Nichtanrechnungsgrund im Vollstreckungsstadium aus.51 2. Nicht gerechtfertigtes Verhalten. Als ein Verhalten, das die Anrechnung der 18 ausländischen Freiheitsentziehung nicht gerechtfertigt erscheinen lässt, wird man die bloße Flucht ins Ausland, um sich der Strafvollstreckung zu entziehen, nicht ansehen können.52 Vielmehr dürfte das gerade der typische Fall sein, der die automatische Anrechnung nach § 450a Abs. 1 begründet.53 Genauso wenig wie sonst Fluchtvorbereitun-

45 OLG Jena Beschl. vom 17.12.2012 – 1 Ws 454/12; OLG Karlsruhe Beschl. vom 13.1.1998 – 1 Ws 314/97. 46 BGH Beschl. vom 5.8.2020 – 3 StR 231/20. 47 Katholnigg NStZ 1982 195; KK/Appl 11; KMR/Paulus/Stöckel 13; SK/Paeffgen 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 13. 48 OLG Hamm NJW 1979 603; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 49 Bringewat 13; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1988 250. 50 Pohlmann/Jabel/Wolf § 39a, 10. 51 Bringewat 13. 52 OLG Koblenz GA 1986 181 (Ls.); 1987 310; OLG Zweibrücken GA 1983 280; StV 1997 84; OLG Stuttgart StV 2003 629; OLG Bremen StV 1997 371; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 14. 53 OLG Zweibrücken GA 1983 280; OLG Karlsruhe MDR 1984 165; a. A. OLG Hamburg MDR 1979 603.

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gen oder auch ein Fluchtversuch regelmäßig die Versagung der Anrechnung von Untersuchungshaft zu rechtfertigen vermögen, erscheint auch die Nichtanrechnung einer ausländischen Freiheitsentziehung nur dann vertretbar, wenn erschwerende Umstände hinzutreten, wie etwa ein gewalttätiger Ausbruch aus der Justizvollzugsanstalt, die Verbringung der Tatbeute ins Ausland,54 eine böswillige Verschleppung des Strafvollstreckungsverfahrens,55 etwa durch missbräuchliche Verwendung von Geld zur Fortsetzung der Flucht. Ob ein Missbrauch von Vollzugslockerungen und Absetzen ins Ausland für sich genommen eine volle Anrechnung der Auslieferungshaft auf die noch zu vollstreckende Freiheitsstrafe verbieten,56 wird der Prüfung der Umstände des Einzelfalls vorbehalten bleiben müssen.57 Die Nichtanrechnung ist auch dann gerechtfertigt, wenn sich der Verurteilte nach Erhalt eines Flugscheins in ein anderes Land absetzt, wo er wiederum in Auslieferungshaft genommen worden ist, wenn ihm ein deutsches Konsulat den Flugschein auf seine ausdrückliche Zusicherung gegeben hatte, er werde freiwillig zur weiteren Strafvollstreckung in die Bundesrepublik zurückkehren.58 19

3. Gegenstand der Entscheidung nach Absatz 3 Satz 1 ist nur die Frage der Anrechnung oder Nichtanrechnung wegen des Verhaltens des Verurteilten. Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Freiheitsentziehung i. S. des § 450a Abs. 1 vorliegt, gehört zur Strafzeitberechnung (§ 458 Abs. 1).

§ 451 Vollstreckungsbehörde (1) Die Strafvollstreckung erfolgt durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde auf Grund einer von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilenden, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen, beglaubigten Abschrift der Urteilsformel. (2) Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung nur insoweit zu, als die Landesjustizverwaltung sie ihnen übertragen hat. (3) 1Die Staatsanwaltschaft, die Vollstreckungsbehörde ist, nimmt auch gegenüber der Strafvollstreckungskammer bei einem anderen Landgericht die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben wahr. 2Sie kann ihre Aufgaben der für dieses Gericht zuständigen Staatsanwaltschaft übertragen, wenn dies im Interesse des Verurteilten geboten erscheint und die Staatsanwaltschaft am Ort der Strafvollstreckungskammer zustimmt. Schrifttum Doller Organisation und Geschäftsgang der Strafvollstreckungskammern, DRiZ 1976 169; Engel Zuständigkeit und Stellung des Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung, NStZ 1987 110 und 499; Jabel Der Rechtspfleger in der Strafvollstreckung, Rpfleger 1983 140; Katholnigg Zur Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft in der Strafvollstreckung, NStZ 1982 195; ders. Zuständigkeit und Stellung des

54 OLG Karlsruhe MDR 1984 165; OLG Koblenz OLGSt StPO § 450a Nr. 2; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/ Schmitt 6; Bringewat 14. 55 OLG Zweibrücken GA 1983 280. 56 OLG Hamburg MDR 1979 603. 57 OLG Karlsruhe MDR 1984 165. 58 OLG Koblenz OLGSt StPO § 450a, 2; Bringewat 14.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-005

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 451

Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung – Erwiderung zum Beitrag von Engel, NStZ 1987 112; Lampe Anlaufschwierigkeiten des neuen Strafverfahrensrechts (Streitfragen beim Ausschluß des Strafverteidigers und im Strafvollstreckungsrecht), MDR 1975 529; Linhart Die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsorgan in Jugendstrafsachen, RpflStud. 1994 33; Lissner Strafvollstreckung – eine Übersicht, RpflStud 2012 148, 184; Reiß Nochmals – Der Rechtspfleger in der Strafvollstreckung, Rpfleger 1983 243; ders. Der Rechtspfleger in der Jugendstrafvollstreckung, Rpfleger 1987 54; Schmidt-Mende Die Rechtskraftbescheinigung im Strafverfahren, Diss. Münster 1965; Treptow Das Verfahren der Strafvollstreckungskammern, NJW 1975 1105; Unger Zur Problematik der Vorschriften des § 451 über die Grundlage der Strafvollstreckung, Rpfleger 1957 222.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift hat ihre jetzige Bezeichnung durch die Bekanntmachung 1924 erhalten. Vor diesem Zeitpunkt lautete ihr Absatz 2: Den Amtsanwälten steht die Strafvollstreckung nicht zu. Erstmalig – wenn auch in beschränktem Umfang – übertragen wurde sie ihnen durch Art. VI § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte vom 11.3.1921.1 Die jetzige Fassung beruht auf der Bek. 1924. Durch Art. 21 Nr. 120 EGStGB 19742 wurden in Absatz 1 hinter „Staatsanwaltschaft“ die Worte „als Vollstreckungsbehörde“ eingefügt und der bisherige Absatz 3 („Für die zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Sachen kann durch Anordnung der Landesjustizverwaltung die Strafvollstreckung den Amtsrichtern übertragen werden“) durch den jetzigen Absatz 3 ersetzt. Bezeichnung bis 1924: § 483.

I. II.

III. IV. V.

VI.

Übersicht Begriff 1 Vollstreckungsbehörde (Absatz 1) 1. Grundsatz 2 2. Ausnahmen a) Entscheidung über Aufschub eines Berufsverbots sowie über Zahlungserleichterungen 3 b) Überwachung der Lebensführung des Verurteilten 4 3. Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde 5 4. Vollstreckungsbehörde nach dem Jugendgerichtsgesetz (§§ 82 bis 89b, § 110 JGG) 6 5. Amtsanwälte (Absatz 2) 7 Sachliche Zuständigkeit 8 Notzuständigkeit 10 Örtliche Zuständigkeit 1. § 7 StVollstrO 12 2. Einzelfragen 13 Vollstreckungshilfe 1. Rechtsgrundlage 16 2. Verhältnis der §§ 162, 163 GVG zu anderen Vorschriften

a)

Vorschriften der Strafvollstreckungsordnung 17 b) Ländervereinbarung 2001 aa) Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten 20 bb) Ladung des nicht auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten 22 c) Vollstreckung von Urteilen gegen Soldaten 23 d) Freiheitsentziehende Maßregeln und andere Rechtsfolgen 24 e) Adressat des Vollstreckungshilfeersuchens 25 f) Generalbundesanwalt als Vollstreckungsbehörde (§ 4 Nr. 3 StVollstrO) 26 g) Jugendstrafe 27 VII. Wahrnehmung der Geschäfte der Vollstreckungsbehörde 1. Übertragung auf Rechtspfleger a) GeschichtlicheEntwicklung 28

1 RGBl. S. 229, 233. 2 BGBl. I S. 469, 502.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Abschluss der Entwicklung 30 c) Regelung im Jugendgerichtsgesetz 32 2. Aufhebung der Begrenzungsverordnung 33 3. Ergänzende Bemerkungen a) Selbständige Wahrnehmung der Geschäfte 34 b) Weisungsgebundenheit 37 c) Keine Ablehnung 38 d) Vorbereitende Tätigkeiten 39 e) Gnadenverfahren 40 f) Verzögerungen im Strafvollstreckungsverfahren 41 VIII. Vollstreckbarkeitsbescheinigung 1. Entscheidung des Urkundsbeamten 42 2. Anfechtungsmöglichkeiten 43 3. Wesen der Vollstreckbarkeitsbescheinigung 44 4. Ergänzende Vorschriften (§§ 13, 14 StVollstrO) 46 5. Verhältnis des § 451 Abs. 1 zu § 13 Abs. 2 StVollstrO 47 a) Allgemeines 48 b) Bedeutung des § 13 Abs. 2 StVollstrO 51 6. Zuständigkeit zur Erteilung der Bescheinigung 52 7. Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei anderen Entscheidungen

a) b) c)

b)

IX. X.

XI.

Strafbefehl 53 Gesamtstrafenbeschluss 54 Widerruf der Strafaussetzung 55 8. Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei Aktenverlust 58 Herbeiführen des Vollzugs 59 Strafzeitberechnung 1. Rechtsgrundlagen 61 2. Einzelheiten 62 a) Natürliche Berechnungsweise 63 b) Änderung durch die Urlaubs- und Entlassungsregelung der Strafvollzugsgesetze 66 c) Unterbrechung des Laufs der Strafzeit 69 d) Unterbrechung wegen anderweitigen Vollzugs 70 e) Selbstgestellung des Verurteilten 71 Verfahrensbeteiligte Staatsanwaltschaft bei der Strafvollstreckungskammer in einem anderen Bezirk (Absatz 3) 1. Grundgedanke 72 2. Aufgabenübertragung 75 3. Beteiligte Staatsanwaltschaft im Beschwerdeverfahren 76 4. Reformvorschläge 77

Alphabetische Übersicht Adressat des Vollstreckungsersuchens 25 Amtsanwalt 7, 28 Anfechtung der Entscheidung des Urkundsbeamten 42 Aufgabenübertragung 75 Aufschub über Berufsverbot und Zahlungserleichterungen 3 Bedeutung des § 13 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO 51 BegrenzungsVO 31, 33 Beitreibung 5 Berufsverbot (Aufschub) 3 Bußgeldentscheidungen 53 Entscheidung des Urkundsbeamten 42 Ergänzende Vorschriften zur Vollstreckbarkeit 46 ff. Freiheitsentziehende Maßregeln 24 Generalbundesanwalt als Vollstreckungsbehörde 26 Gesamtstrafenbeschluss 54

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Gnadenverfahren 40 Jugendstrafe 27, 32 Jugendvollzug 60 Kompetenzkonflikte 13 Ladung des Verurteilten 20 ff. Ländervereinbarung 2001 20 ff. Normalurlaub aus der Haft 66 Notzuständigkeit 10 f. Örtliche Zuständigkeit 12 ff. Rechtspfleger 28 ff., 34 ff. Rechtsprechungsaufgaben 2 Sachliche Zuständigkeit 8 ff. Sinn des § 451 Abs. 1 50 Sonderurlaub 65 Sondervollzugsformen 59 Staatsanwaltschaft 5 ff., 72 ff. Strafbefehl 53 Strafresterlass 64, 68 Strafvollstreckungskammer 72

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

StrafvollstreckungsO 16 ff., 46, 61 ff. Strafzeitberechnung 61 ff. Überwachung der Lebensführung 4 Unterbrechung des Laufs der Strafzeit 69 f. Verfahrensbeteiligte Staatsanwaltschaft bei fremder Strafvollstreckungskammer 72, 76 Verhältnis der §§ 162, 163 GVG zu anderen Vorschriften 17 ff. Verzögerungen 41 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 42 ff., 53 ff. – bei Aktenverlust 58 – bei Gesamtstrafenbeschluss 54 – bei Strafbefehl 54 – bei Widerruf der Strafaussetzung 56 ff.

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Vollstreckungsbehörde 8 Vollstreckungshilfe 16, 25 – nach dem JGG 6 Vollstreckungsleiter, Vollzugsleiter 6 Vollstreckungsstaatsanwaltschaft 77 Vollstreckung von Urteilen gegen Soldaten 23 Wahlmöglichkeit bei Vollstreckungshilfe 18 Wahrnehmung der Geschäfte der Vollstreckungsbehörde 30 ff. Weihnachtsamnestie 68 Weisungsgebundenheit des Rechtspflegers 37 Wesen der Vollstreckbarkeitsbescheinigung 44 Widerruf der Strafaussetzung 55

I. Begriff Wegen des Begriffs der Strafvollstreckung und, soweit es sich um Freiheitsentzie- 1 hung (Strafe, Jugendstrafe, freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung) handelt, der Abgrenzung der Strafvollstreckung vom Strafvollzug s. Vor § 449, 1 ff.; 5 ff. Wegen Einzelheiten, insbesondere über die der Vollstreckungsbehörde bei der Vollstreckung von Freiheitsstrafen obliegende Strafberechnung, s. unten Rn. 61 ff.

II. Vollstreckungsbehörde (Absatz 1) 1. Grundsatz. Der Gedanke, die Tätigkeit der Gerichte grundsätzlich auf Rechtspre- 2 chungsaufgaben zu beschränken (§ 4 Abs. 1 DRiG), hat nach dem in § 36 Abs. 2 Satz 1 geregelten Grundsatz (§ 36, 14 ff.) dazu geführt, die Vollstreckung der Staatsanwaltschaft – und zwar, wie sich aus § 451 Abs. 2 ergibt, der Staatsanwaltschaft bei den Kollegialgerichten – zuzuweisen und den Gerichten im Stadium der Strafvollstreckung nur insoweit Aufgaben zu übertragen, als gerichtliche Nachtragsentscheidungen und Nachverfahren erforderlich sind (Vor § 449, 1; § 453, 3), um ursprüngliche gerichtliche Entscheidungen zu verwirklichen, abzuändern oder aufzuheben. Dazu gehören aber auch Entscheidungen in Bezug auf vollstreckungsrechtliche Zweifelsfragen (z. B. nach § 458 Abs. 1 1. Hs.), bei denen eine Klärung durch Entscheidung des unabhängigen Gerichts wünschenswert erscheint. Jedoch ist dieser Grundsatz in zwei Richtungen durchbrochen: 2. Ausnahmen a) Entscheidung über Aufschub eines Berufsverbots sowie über Zahlungser- 3 leichterungen. Während die Entscheidung über Strafaufschub aus persönlichen Gründen nach § 456 zunächst der Vollstreckungsbehörde zusteht und eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 erst zulässig ist, wenn die Vollstreckungsbehörde ein entsprechendes Gesuch abgelehnt hat und der Verurteilte dagegen Einwendungen erhebt, kann nach § 456c schon bei Erlass des Urteils das Gericht das Wirksamwerden eines Berufsverbots aufschieben. Ebenso hat das Gericht dem Verurteilten eine Zahlungsfrist zu bewilligen und zu gestatten, eine Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, wenn ihm nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht 57

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

zuzumuten ist, die Geldstrafe sofort zu zahlen (§ 42 StGB). Ferner kann das Gericht in Härtefällen anordnen, dass die Vollstreckung der Geldstrafe (§ 459d) oder die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe (§ 459f) unterbleibt. Nach Rechtskraft des Urteils ist für solche Entscheidungen wiederum allein die Vollstreckungsbehörde zuständig (§ 459a Abs. 1). 4

b) Überwachung der Lebensführung des Verurteilten. Nach Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56 bis 58 StGB) obliegt die Vollstreckung, soweit sie in der Überwachung der Lebensführung des Verurteilten besteht, dem Gericht (§§ 453b, 454 Abs. 4). Hat das Gericht Führungsaufsicht angeordnet (§ 68 Abs. 1 StGB) oder ist diese kraft Gesetzes eingetreten (§ 68 Abs. 2 i. V. m. §§ 67b, 67c, 67d Abs. 2 bis 6 und § 68f StGB), so obliegt die Überwachung weder dem Gericht noch der Vollstreckungsbehörde, sondern der Aufsichtsstelle (§ 68a Abs. 3 StGB i. V. m. § 463a).

5

3. Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Um deutlicher zu machen, dass Vollstreckungsbehörde i. S. der Strafprozessordnung nur die Staatsanwaltschaft ist – und nicht etwa auch die im Justizbeitreibungsgesetz (§ 459, 2, 4, 6) ebenso bezeichneten Stellen, die bei der Vollstreckung von Geldstrafen mitwirken –, ist in der durch Art. 21 Nr. 120 EGStGB 19743 ergänzten Fassung des § 451 Abs. 1 geregelt worden, dass die Strafvollstreckung „durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde“ erfolgt.4

6

4. Vollstreckungsbehörde nach dem Jugendgerichtsgesetz (§§ 82 bis 89b, § 110 JGG). Das Jugendgerichtsgesetz hat mit Blick auf den Erziehungsgedanken dem Jugendrichter auch die Aufgaben der Vollstreckungsbehörde zugewiesen und ihm in dieser Eigenschaft die Bezeichnung Vollstreckungsleiter gegeben. Er vollstreckt insoweit auch die Entscheidungen, die gegen den Jugendlichen von einem Erwachsenengericht erlassen worden sind.5 Für den Jugendarrest ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter auch Vollzugsleiter (§ 85 Abs. 1, § 90 Abs. 2 Satz 2 JGG; § 2 JAVollzO). Bei dem Vollzug von Jugendstrafe ist zwar Vollzugsleiter der Leiter der Jugendvollzugsanstalt. Der Vollstreckungsleiter – der Jugendrichter eines in deren Nähe gelegenen Amtsgerichts (§ 85 Abs. 2 JGG) – hat sich aber nach Ziffer VI. Nr. 7 der Richtlinien zu §§ 82 bis 85 JGG mit der Wesensart der einzelnen Jugendlichen vertraut zu machen und deren Entwicklung im Vollzug zu verfolgen. Er hat mit der Anstaltsleitung und den Vollzugsbediensteten Fühlung zu halten und an Vollzugsangelegenheiten von größerer Bedeutung beratend teilzunehmen. Der Jugendrichter nimmt als Vollstreckungsleiter grundsätzlich Justizverwaltungsaufgaben wahr und ist insoweit weisungsgebunden (Ziffer II. Nr. 5 RiJGG zu §§ 82 bis 85 JGG).6 § 83 Abs. 1, § 112c Abs. 2 JGG erklären jedoch gewisse besonders bedeutsame Entscheidungen des Vollstreckungsleiters zu jugendrichterlichen Entscheidungen. Diese Entscheidungen trifft also der Vollstreckungsleiter in richterlicher Unabhängigkeit.7 Über Einwendungen gegen eine Entscheidung des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter entscheidet, soweit nicht das Gericht dafür zuständig ist (§§ 458, 459o; § 83 Abs. 1 JGG), die Generalstaatsanwaltschaft (§ 147 Nr. 3 GVG, § 21 Abs. 1 Nr. 1

3 4 5 6 7

BGBl. I S. 469, 502. Vgl. Begr. zu Art. 19 Nr. 110 des RegE BTDrucks. 7 550. OLG München MDR 1957 437. Eisenberg/Kölbel § 83, 2; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Pohlmann/Jabel/Wolf § 21, 6. Eisenberg/Kölbel § 83, 6.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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StVollstrO).8 Sind gegen denselben Verurteilten sowohl Jugendstrafe als auch Freiheitsstrafe zu vollstrecken, so sind für die Vollstreckung der Jugendstrafe der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter und für die Vollstreckung der Freiheitsstrafe die Staatsanwaltschaft und die Strafvollstreckungskammer zuständig.9 5. Amtsanwälte (Absatz 2). Wie schon in der Entstehungsgeschichte ausgeführt, 7 waren die Amtsanwälte zunächst von jeder Strafvollstreckung ausgeschlossen. Nach den Motiven10 war entscheidend die Erwägung, dass das Personal der Amtsanwaltschaft „vielleicht nicht überall die ausreichende Gewähr für eine angemessene Strafvollstreckung geben wird“. Wegen der Unhaltbarkeit dieser Begründung hat der Gesetzgeber mit der Bekanntmachung 192411 zwar eine beschränkte Übertragung auf die Amtsanwälte vorgesehen. Jedoch haben nicht alle Landesjustizverwaltungen davon Gebrauch gemacht. Eine Übertragung auf Amtsanwälte ist wegen § 145 Abs. 2 GVG nur in den zur Zuständigkeit des Amtsgerichts gehörenden Sachen möglich.12 Prozesserklärungen von Amtsanwälten gegenüber dem Landgericht sind grundsätzlich unwirksam, denn sie verstoßen gegen das für sie geltende gesetzliche Verbot, Verfahrensrechte der Staatsanwaltschaft vor den Landgerichten wahrzunehmen.13 Amtsanwälten ist es daher in Amtsanwaltssachen versagt, gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer Rechtsmittel einzulegen oder zurückzunehmen.

III. Sachliche Zuständigkeit Welche Staatsanwaltschaft sachlich als Vollstreckungsbehörde zuständig sein soll, 8 ist – von der negativen Vorschrift in § 451 Abs. 2 abgesehen – in der Strafprozessordnung nicht bestimmt, so dass insoweit die oberste Justizverwaltungsbehörde die Bestimmung treffen kann. Das ist in § 4 StVollstrO geschehen. Danach ist Vollstreckungsbehörde 1. die Staatsanwaltschaft, soweit nichts Anderes bestimmt; 2. die Generalstaatsanwaltschaft, wenn das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat und nicht ein Fall der Nummer 3 vorliegt; 3. der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Sachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist (Art. 96 Abs. 5 GG, §§ 120, 142a GVG). Der Jugendrichter ist als Vollstreckungsleiter, auch wenn im ersten Rechtszug 9 gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden ein Oberlandesgericht entschieden hat, nicht nur für die Vollstreckung der Jugendstrafe, sondern auch für die jugendrichterlichen Entscheidungen gemäß § 83 JGG sachlich zuständig. Die Regelung des § 462a Abs. 5 findet insoweit keine Anwendung. Für die Entscheidungen über Beschwerden gegen Entscheidungen des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter ist das Oberlandesgericht zuständig. Die Aufgaben, die der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren zugewiesen sind, werden in einem solchen Fall vom Generalbundesanwalt wahrgenommen, sofern nicht eine Abgabe der Sache an die Landesstaatsanwaltschaft erfolgt war.14 8 9 10 11 12 13 14

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Pohlmann/Jabel/Wolf § 21, 6. BGHSt 28 351. Hahn Mat. 1 253, 1123; 2 1436. RGBl. I S. 322. KK/Appl 5; KK/Mayr § 145, 6 GVG; Meyer-Goßner/Schmitt 19. OLG Bremen Beschl. vom 18.5.2020 – 1 Ws 49/20. OLG Düsseldorf NStZ 2001 616.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

IV. Notzuständigkeit Eine Durchbrechung der in § 4 StVollstrO bestimmten sachlichen Vollstreckungszuständigkeit (oben Rn. 8 f.) gestattet bei Dringlichkeit von Vollstreckungsmaßnahmen § 6 StVollstrO. Danach kann anstelle der Staatsanwaltschaft die Generalstaatsanwaltschaft dringende Strafvollstreckungsanordnungen treffen, wenn die sachlich zuständige Vollstreckungsbehörde nicht alsbald erreichbar ist. 11 § 6 StVollstrO enthält keine abschließende Regelung, sondern behandelt nur den praktisch wichtigsten Fall.15 So kann z. B. nach dem Grundsatz des § 143 Abs. 2 GVG – er betrifft an sich nur die örtliche Zuständigkeit; jedoch ist er auch auf Fälle anwendbar, bei denen zur örtlichen Unzuständigkeit die sachliche hinzutritt16 – die Generalstaatsanwaltschaft innerhalb ihres Bezirks bei Dringlichkeit die Vollstreckungsaufgaben des Generalbundesanwalts und der Staatsanwaltschaft, letztere (innerhalb ihres Bezirks) solche des Generalbundesanwalts wahrnehmen, während dem Generalbundesanwalt eine Notzuständigkeit für Aufgaben der Landesvollstreckungsbehörden nicht zukommt, da er insoweit nicht „innerhalb seines Bezirkes“ i. S. des § 143 Abs. 2 GVG handeln kann. Ausgeschlossen ist auch eine Notzuständigkeit des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter für Vollstreckungsaufgaben der Staatsanwaltschaft, da er auch in dieser Eigenschaft nicht die Rolle und Funktion der Staatsanwaltschaft i. S. von § 143 Abs. 2 GVG übernimmt. Aber auch die Staatsanwaltschaft ist nicht befugt, bei sonst möglicher Gefährdung des Vollstreckungszwecks an Stelle des Jugendrichters dringliche Vollstreckungsmaßnahmen anzuordnen. Eine solche Befugnis ist schon deshalb abzulehnen, weil sie dem jugendrichterlichen Prinzip der Einheit von Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren widerspräche.17

10

V. Örtliche Zuständigkeit 12

1. § 7 StVollstrO. Die örtliche Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörden wird bestimmt durch § 7 StVollstrO. Nach § 7 Abs. 1 StVollstrO bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde nach dem Gericht des ersten Rechtzuges (§ 143 Abs. 1 GVG). Sofern das Revisionsgericht in den Fällen des § 354 Abs. 2, der §§ 354a und 355 eine Sache unter Aufhebung des Urteils zur Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Gericht zurückverwiesen hat, bestimmt sich die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde nach diesem Gericht. Ist im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen, so bestimmt sich die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde in den Fällen des § 140a Abs. 1, 3 Satz 2 GVG nach dem Gericht, das die Entscheidung getroffen hat. Sofern die örtlich zuständige Vollstreckungsbehörde nicht alsbald erreichbar ist, so können dringende Vollstreckungsanordnungen auch eine örtlich unzuständige Vollstreckungsbehörde getroffen werden (vgl. § 143 Abs. 2 GVG).18 Die örtliche Zuständigkeit zur Vollstreckung einer nachträglichen Gesamtstrafe richtet sich nach dem Gericht, das sie gebildet hat (§§ 460, 462, 462a Abs. 3). 15 Pohlmann/Jabel/Wolf § 6, 2; KK/Appl 10; Bringewat 10; Röttle/Wagner Rn. 19. 16 Bringewat Einl. 10, 11. 17 Bringewat Einl. 12; a. A. Pohlmann/Jabel/Wolf § 6, 3, wonach eine möglicherweise unzweckmäßige Eilmaßnahme der im Jugendstrafverfahren zur Vollstreckung nicht berufenen Staatsanwaltschaft eher hingenommen werden kann als das Fehlen einer Notzuständigkeit überhaupt. 18 Wegen weiterer Erläuterungen s. Pohlmann/Jabel/Wolf § 7, 4, 10 bis 13; Röttle/Wagner Rn. 22; KK/Appl 11; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 13 bis 24.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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2. Einzelfragen. § 143 GVG regelt die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft 13 für alle Aufgaben, die ihr die Strafprozessordnung zuweist, also auch für die Strafvollstreckung. Im Fall eines Kompetenzkonflikts zweier Vollstreckungsbehörden entscheidet die höhere Vollstreckungsbehörde,19 d. h. regelmäßig die Generalstaatsanwaltschaft (§ 147 GVG, § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVollstrO). Das gilt auch, soweit die Strafvollstreckung dem Rechtspfleger übertragen ist. Auch der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§ 82 JGG) untersteht in dieser Eigenschaft der Dienstaufsicht der Generalstaatsanwaltschaft, es sei denn, dass er nach § 83 Abs. 1 JGG entscheidet.20 Eine gerichtliche Entscheidung findet nicht statt. Unanwendbar ist auch § 143 Abs. 3 GVG, der nur den Streit über die örtliche Zu- 14 ständigkeit bei der Verfolgung betrifft und dem Generalbundesanwalt die Entscheidung zuweist, wenn kein gemeinsamer Vorgesetzter der sich streitenden Staatsanwaltschaften verschiedener Länder vorhanden ist.21 Ein entsprechender Streit um die Vollstreckungszuständigkeit kann nur dadurch beigelegt werden, dass sich die betreffenden Landesjustizverwaltungen untereinander einigen. Die örtliche Notzuständigkeit aus § 7 Abs. 3 StVollstrO, § 143 Abs. 2 GVG kann (innerhalb der sachlichen Zuständigkeit – §§ 4, 6 StVollstrO – und innerhalb des Bezirks der eingreifenden Vollstreckungsbehörde, § 143 Abs. 2 GVG) auch zugunsten der örtlich zuständigen Vollstreckungsbehörde eines anderen Landes ausgeübt werden,22 ohne dass es eines Ersuchens um Vollstreckungshilfe (Rn. 16) bedarf. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungsbehörde bei der 15 Vollstreckung aus Urteilen deutscher Gerichte, an deren Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, bestimmt sich nach § 17 Abs. 2 ZustErgG. Danach tritt bei der Strafvollstreckung, wenn die bisherige Strafvollstreckungsbehörde bei einem Gericht bestand, an dessen Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird, an deren Stelle die Strafvollstreckungsbehörde bei dem Landgericht, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines im Bereich deutscher Gerichtsbarkeit gelegenen Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Regelung des § 143 Abs. 2 GVG entspricht den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen.23

VI. Vollstreckungshilfe 1. Rechtsgrundlage. Rechtsgrundlage ist § 9 StVollstrO. Soll eine Vollstreckungs- 16 anordnung außerhalb des Landes, in dem die Vollstreckungsbehörde ihren Sitz hat, durch eine Landesbehörde durchgeführt werden, so ist, sofern nicht durch die Vereinbarung der Länder der Bundesrepublik Deutschland zur Vereinfachung und zur Beschleunigung der Strafvollstreckung und der Vollstreckung anderer freiheitsentziehender Maßnahmen in Straf- und Bußgeldsachen vom 8.6.1999 eine einfachere und schnellere Durchführung ermöglicht wird, die hierfür örtlich zuständige Staatsanwaltschaft des anderen Landes um Vollstreckungshilfe zu ersuchen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO). Die Zuständigkeit bestimmt sich bei Ersuchen um Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach den §§ 162, 163 GVG. In den übrigen Fällen, insbesondere bei Anordnungen nach §§ 63, 64 19 Bringewat 17. 20 Pohlmann/Jabel/Wolf § 21, 6; KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 17. 21 Röttle/Wagner Rn. 23; KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 5, 10; Bringewat 18; Pohlmann/Jabel/Wolf § 7, 1 f.

22 Röttle/Wagner Rn. 22; KK/Appl 12; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 23 OLG Celle NdsRpfl. 1955 39; 1958 219; OLG Hamm Rpfleger 1956 339; OLG München MDR 1957 53.

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und 66 StGB, sind diese Bestimmungen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO sinngemäß anzuwenden (§ 463 Abs. 1). Ist eine Maßregelvollzugseinrichtung eines anderen Landes für den Vollzug der Unterbringung nach §§ 63 oder 64 StGB zuständig, so ist die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft dieses Landes um Vermittlung der Aufnahme in die Maßregelvollzugseinrichtung zu ersuchen. Die §§ 48 und 57 StVollstrO bleiben unberührt (§ 9 Abs. 1 Satz 4 StVollstrO). Der Generalbundesanwalt kann in den Fällen, in denen er Vollstreckungsbehörde ist, unmittelbar vollstrecken. 2. Verhältnis der §§ 162, 163 GVG zu anderen Vorschriften a) Vorschriften der Strafvollstreckungsordnung. § 9 Abs. 1 StVollstrO befasst sich nur mit dem Fall, dass Vollstreckungsmaßnahmen außerhalb des Landes, in dem die Vollstreckungsbehörde ihren Sitz hat, durchgeführt werden sollen, und es hierzu der Mitwirkung einer anderen Vollstreckungsbehörde bedarf. Nach §§ 162, 163 GVG hat die Strafvollstreckungsbehörde, wenn es um die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe geht und der Verurteilte sich außerhalb ihres Bezirks aufhält, gleichgültig ob in dem Land, dem die Vollstreckungsbehörde angehört, oder in einem anderen Land, die Wahl, ob der Vollzug in der für den Bezirk des Aufenthaltsorts oder in der für den Bezirk der Vollstreckungsbehörde nach dem Vollstreckungsplan (§ 22 StVollstrO) zuständigen Vollzugsanstalt durchgeführt werden soll. Im ersteren Fall ersucht sie die landgerichtliche Staatsanwaltschaft des Bezirks um die Vollstreckung der Strafe (§ 162 GVG), in dem sich der Verurteilte bei Einleitung der Vollstreckung befindet, im letzteren Fall ersucht sie diese nach § 163 GVG um Ergreifung und Überführung des Verurteilten in die für den Bezirk der Vollstreckungsbehörde zuständige Vollzugsanstalt.24 18 In diesen Rechtszustand greift die Strafvollstreckungsordnung ein. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO richtet sich, wenn sich ein Verurteilter bei Einleitung der Strafvollstreckung auf freiem Fuß befindet, die örtliche Zuständigkeit der Vollzugsanstalt nach dem Gerichtsbezirk, in dem der Verurteilte wohnt oder sich aufhält oder bei behördlicher Verwahrung sich zuletzt aufgehalten hat. Damit ist die aus §§ 162, 163 GVG sich ergebende Möglichkeit der Wahl zwischen einer Vollstreckung in der für den Bezirk des Aufenthaltsorts oder in der für den Bezirk der Vollstreckungsbehörde zuständigen Vollzugsanstalt beseitigt. Das ist unbedenklich zulässig, denn die vorgesetzte Vollstreckungsbehörde (die Landesjustizverwaltung) kann die Strafvollstreckungsbehörde allgemein anweisen, die Wahlmöglichkeit in einem bestimmten Sinn auszuüben.25 Im Übrigen geht § 24 Abs. 1 StVollstrO auch insofern über § 162 GVG hinaus, als letztere Vorschrift nur auf den Aufenthaltsort abstellt, während nach § 24 Abs. 1 StVollstrO der Aufenthaltsort gleichrangig neben dem Wohnort steht. Die Vollstreckungsbehörde kann sich also mit dem Ersuchen um Vollstreckungshilfe je nach Zweckmäßigkeit an die Staatsanwaltschaft des Aufenthaltsoder des Wohnorts wenden. Jedoch ist der Wohnort maßgebend, wenn durch den Vollzug in der Nähe der Heimat die Sorge für die Zeit nach der Entlassung und die Wiedereingliederung wesentlich erleichtert werden (§ 24 Abs. 2 StVollstrO). Auch diese Abweichung von § 162 GVG begegnet keinen Bedenken. Sie entspricht vielmehr seinem Zweck, nicht nur überflüssige Transporte zu vermeiden, sondern auch dem Verurteilten zu ersparen, dass er die Strafe weitab von dem bisherigen Bereich seiner Lebensbeziehungen verbüßen muss (vgl. die Erl. zu § 162 GVG). 19 Ist ein Verurteilter bei Einleitung der Vollstreckung behördlich verwahrt (z. B. in Untersuchungshaft oder in anderer Sache in Strafhaft), so ist nach § 24 Abs. 1 Satz 2 17

24 Bringewat 20, 21. 25 Pohlmann Rpfleger 1958 215; Pohlmann/Jabel/Wolf § 24, 6 ff., 22 ff.; KK/Appl 15; Bringewat 12.

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StVollstrO für die örtliche Zuständigkeit der Vollzugsanstalt der Verwahrungsort maßgebend, wenn es sich um eine Strafe mit einer Vollzugsdauer bis zu sechs Monaten handelt (§ 24 Abs. 2 StVollstrO). Anderenfalls richtet sich die Zuständigkeit nach dem Gerichtsbezirk des Wohnorts oder des letzten Aufenthaltsorts mit dem vorerwähnten Vorrang des Wohnorts bei wesentlicher Erleichterung der Resozialisierung. Wird eine Strafe mit einer Vollzugsdauer von mehr als sechs Monaten in einer für den Aufenthaltsort zuständigen Anstalt vollzogen, so ist der Verurteilte in die für den Wohnort zuständige Anstalt zu verlegen, wenn er es binnen zwei Wochen nach Vollzugsbeginn beantragt. Auf das Antragsrecht wird er bei Vollzugsbeginn hingewiesen (§ 24 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO). b) Ländervereinbarung 2001 aa) Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten. Befindet sich der Ver- 20 urteilte auf freiem Fuß und liegt die nach § 24 Abs. 1 StVollStrO örtlich zuständige Vollzugsanstalt innerhalb des Landes, dem die Vollstreckungsbehörde angehört, so lädt ihn die Vollstreckungsbehörde unmittelbar zum Strafantritt in diese Vollzugsanstalt (§ 27 Abs. 1 StVollstrO). Es bedarf also der in §§ 162, 163 GVG vorgesehenen Inanspruchnahme der Vollstreckungshilfe der Staatsanwaltschaft des Aufenthalts- oder Wohnorts nicht, wenn dieser Ort zwar außerhalb des Bezirks der Strafvollstreckungsbehörde, aber im eigenen Land liegt.26 Nach dieser Vorschrift wird auch verfahren, wenn der Verurteilte sich zwar außerhalb des Landes aufhält, sein Wohnort aber im Land der Vollstreckungsbehörde liegt und diese ihn gemäß § 24 Abs. 1 StVollstrO in die für den Wohnort örtlich zuständige Vollzugsanstalt lädt. Befindet sich der Aufenthalts- oder Wohnort dagegen außerhalb des eigenen Lan- 21 des und soll die Strafe in einer Vollzugsanstalt des anderen Landes vollzogen werden, so könnte die Vollstreckung an sich nur durch Ersuchen an die hierfür örtlich zuständige Staatsanwaltschaft des anderen Landes um Vollstreckungshilfe betrieben werden (§ 9 Abs. 1 StVollstrO). Nach der Ländervereinbarung zur Vereinfachung und Beschleunigung der Strafvollstreckung und der Vollstreckung anderer freiheitsentziehender Maßnahmen in Straf- und Bußgeldsachen27 sind indessen die Strafvollstreckungsbehörden befugt, Verurteilte, die sich innerhalb eines anderen Landes auf freiem Fuß befinden, unmittelbar (also ohne die Amtshilfe einer anderen Vollstreckungsbehörde in Anspruch zu nehmen) zum Strafantritt in die nach dem Vollstreckungsplan des anderen Landes zuständige Vollzugsanstalt zu laden und durch ein Aufnahmeersuchen in diese einzuweisen (§ 29 Abs. 1 StVollstrO), sofern die Voraussetzungen der vorgenannten Vereinbarung vorliegen. Hat sich der Verurteilte auf die unmittelbare Ladung nicht gestellt und hat die Vollstreckungsbehörde deshalb einen Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehl nach § 457 erlassen, so kann sie sogar die Polizeidienststellen eines anderen Bundeslandes unmittelbar um dessen Vollstreckung ersuchen (Nr. I Abs. 3 Ländervereinbarung). Zwar schließt § 33 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 StVollstrO eine solche unmittelbare Inanspruchnahme der Polizei eines anderen Bundeslandes aus, sieht vielmehr auch dafür die Einschaltung der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft vor, jedoch tritt diese Regelung gegenüber der in Nr. I Abs. 2 Ländervereinbarung zurück.28 Die abweichenden Vorschriften der §§ 9, 33 Abs. 5 StVollstrO finden danach erst wieder Anwendung, wenn ein 26 KK/Appl 10. Wegen der Zulässigkeit eines solchen Verzichts auf Vollstreckungshilfe s. die Erl. zu § 163 GVG. 27 Vom 8.6.1999, abgedruckt bei Pohlmann/Jabel/Wolf im Anhang. 28 Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 23; Bringewat 24.

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Land, wie dies nach Nr. IV Abs. 2 der Vereinbarung ermöglicht wird, diese kündigt.29 Eine solche Kündigung berührt aber nicht die Fortgeltung der Vereinbarung zwischen den anderen Ländern, die an ihr festhalten. Die Vereinbarung findet keine Anwendung für die Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung. 22

bb) Ladung des nicht auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten. Befindet sich der Verurteilte bei Einleitung der Strafvollstreckung nicht auf freiem Fuß, so richtet sich – je nach Vollzugsdauer der Freiheitsstrafe – die örtliche Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalt und damit der um Vollstreckungshilfe zu ersuchenden Staatsanwaltschaft bei einem anderen Landgericht desselben Landes nach § 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 bzw. nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 StVollstrO. Findet der Freiheitsentzug in einem anderen Bundesland statt, gelten die Ausführungen in Rn. 20 entsprechend. Auch in diesem Fall ist mithin die Strafvollstreckungsbehörde aufgrund Nr. I Abs. 1 Satz 1 Ländervereinbarung befugt, den Verurteilten unmittelbar nach § 28 Abs. 1, § 29 Abs. 1 StVollstrO in die nach dem Vollstreckungsplan des anderen Landes zuständige Vollzugsanstalt zu laden und in diese einzuweisen.30 Ist der Vollzug unterbrochen worden, so wird er in derselben Vollzugsanstalt fortgesetzt, in der sich der Verurteilte bis zu diesem Zeitpunkt befunden hat.31

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c) Vollstreckung von Urteilen gegen Soldaten. Urteile gegen Soldaten der Bundeswehr kann die Vollstreckungsbehörde im Rahmen des Art. 5 EGWStG ohne Rücksicht auf Landesgrenzen unmittelbar in einer Anstalt der Bundeswehr vollziehen lassen. Ein Ersuchen nach § 9 Abs. 1 StVollstrO ist nur erforderlich, wenn eine Vollstreckungsanordnung in einem anderen Bundesland durch eine Landesbehörde durchgeführt werden soll.32

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d) Freiheitsentziehende Maßregeln und andere Rechtsfolgen. Die §§ 162, 163 GVG betreffen nur die Vollstreckungshilfe bei der Vollstreckung von Freiheitstrafen.33 Sie sind aber sinngemäß auch für die Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung anwendbar (§ 463 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO).34 Unanwendbar ist § 9 StVollstrO dagegen bei der Vollstreckung von Geldstrafen und Nebenfolgen einer Tat, die zu einer Geldzahlung verpflichten,35 und ebenso bei Einziehung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung, soweit diese einer Vollstreckung durch Wegnahme des Gegenstandes aus dem Besitz des Verurteilten bedarf, da hier die Anordnung durch unmittelbare Beauftragung des Vollziehungsbeamten vollstreckt wird (§ 160 GVG, § 459g, § 61 StVollstrO). Wegen der Vollstreckung von Ordnungs- und Zwangsmitteln und der erforderlichen Vollstreckungshilfe für den Fall von damit verbundenen Freiheitsstrafen s. § 88 StVollstrO.36

29 30 31 32 33 34 35 36

Von dieser Möglichkeit hat bisher kein Bundesland Gebrauch gemacht. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 19 bis 22; Bringewat 25. Pohlmann Rpfleger 1963 1; Pohlmann/Jabel/Wolf § 24, 15; BVerfG NStZ 1993 300; Jabel/Wolf NStZ 1994 63. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 10. S. dazu die Erl. zu § 162 GVG. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 6; Bringewat 26. S. § 9 Abs. 1 Satz 3, §§ 48, 57 StVollstrO sowie die Erl. zu § 163 GVG. Näher dazu Pohlmann/Jabel/Wolf § 88, 6 ff.; Röttle/Wagner Rn. 511 ff.

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e) Adressat des Vollstreckungshilfeersuchens ist stets die Staatsanwaltschaft 25 beim Landgericht.37 f) Generalbundesanwalt als Vollstreckungsbehörde (§ 4 Nr. 3 StVollstrO). Der 26 Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof kann die in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes getroffenen Entscheidungen unmittelbar vollstrecken (§ 9 Abs. 2 StVollstrO). Die §§ 162, 163 GVG gelten für ihn nicht, da sein Bezirk als Strafvollstreckungsbehörde das ganze Bundesgebiet umfasst.38 Solange der Bund keine eigenen Justizvollzugsanstalten hat, stehen dem Generalbundesanwalt die Vollzugsanstalten der Länder zur Verfügung, und zwar weist er – vorbehaltlich besonderer Vereinbarung mit einer Landesjustizverwaltung39 – einen Verurteilten in die zuständige Vollzugsanstalt des Landes ein, in dem dieser zuletzt gewohnt oder sich aufgehalten hat (§ 24 Abs. 5 StVollstrO). In diese Anstalt kann der Generalbundesanwalt den auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten unmittelbar zum Strafantritt laden. Um die Vollziehung eines Vollstreckungshaft- oder Vorführungsbefehls kann er die Polizeibehörden unmittelbar ersuchen. Insoweit hat § 9 Abs. 2 StVollstrO, dessen Fassung zwischen dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und den Landesjustizverwaltungen abgestimmt ist, den Charakter einer Vereinbarung, die Art. 35 GG ergänzt.40 Art. 35 GG allein könnte die Inanspruchnahme der Polizeibehörden eines Landes durch den Generalbundesanwalt nicht rechtfertigen. Der Generalbundesanwalt kann sich selbstverständlich auch der Staatsanwaltschaft eines Landes bedienen. g) Jugendstrafe. Bei Jugendstrafe kann, wie aus § 85 Abs. 2 JGG zu folgern ist, der 27 Vollstreckungsleiter den Verurteilten unmittelbar in die zuständige Jugendstrafanstalt eines anderen Landes einweisen.41 VII. Wahrnehmung der Geschäfte der Vollstreckungsbehörde 1. Übertragung auf Rechtspfleger a) Geschichtliche Entwicklung. Nach § 451 Abs. 1 obliegt die Strafvollstreckung der 28 Staatsanwaltschaft. Da das Amt der Staatsanwaltschaft von Staatsanwälten ausgeübt wird (§ 142 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 1. Alt. GVG), folgt daraus, dass nur diese die Strafvollstreckungsaufgaben wahrnehmen können. Dass dies auch der Wille des Gesetzgebers war, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte. Die Regelung galt mehr als 40 Jahre. Ihre erste Änderung erfuhr sie durch Art. VI § 1 Nr. III des Gesetzes vom 11.3.1921,42 der die Landesjustizverwaltungen zur Entlastung des Staatsanwalts und des Richters43 ermächtigte zu bestimmen, dass an Stelle des Staatsanwalts Amtsanwälte oder andere Beamte bei der Staatsanwaltschaft, die nicht Staatsanwälte sind, selbständig die Befugnisse der Vollstreckungsbehörde wahrnehmen. Von der Übertragungsmöglichkeit machten in der Folgezeit die Landesjustizverwaltungen mehr oder weniger weitgehend Gebrauch. 37 38 39 40 41 42 43

Vgl. Erl. zu § 163 GVG. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 15 f. Wegen weiterer Einzelheiten dazu s. Pohlmann/Jabel/Wolf § 24, 37. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 15. Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 4. RGBl. S. 229. Soweit die Regelung auch den Richter betraf, ist sie gegenstandslos, weil die Zuständigkeit des Amtsrichters als Vollstreckungsbehörde seit dem 1.1.1980 entfallen ist.

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Eine reichseinheitliche Regelung brachte § 6 StVollstrO 1935,44 indem er den Kreis der übertragbaren Geschäfte festlegte und die Stellen bezeichnete, die die Übertragung und ihren Umfang anordneten. Für die Beamten, denen die selbständige Wahrnehmung von Aufgaben aufgrund des Entlastungsgesetzes vom 11.3.1921 übertragen war, bildete sich, soweit sie in Wahrnehmung dieser Befugnisse handelten, die Funktionsbezeichnung „Rechtspfleger“ heraus. Das Rechtspflegergesetz vom 8.2.195745 regelte nur die Wahrnehmung richterlicher Aufgaben durch Rechtspfleger, befasste sich aber nicht mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Vollstreckungsbehörde durch Rechtspfleger. Insoweit bildeten die Vorschriften in Art. VI § 1 Nr. III und § 3 Abs. 1 EntlG, die im Rechtspflegergesetz 1957 (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 RpflG a. F., der inzwischen weggefallen ist) aufrechterhalten wurden, weiterhin die gesetzliche Grundlage für die Übertragung von Geschäften der Strafvollstreckung zur selbständigen Wahrnehmung auf Rechtspfleger. Einen weiteren Schritt der Entwicklung vollzog § 10 StVollstrO 1956, indem – abweichend von § 6 StVollstrO 1935 – die Übertragung nicht mehr von einer besonderen Anordnung in den einzelnen Oberlandesgerichtsbezirken abhängig war, die Geschäfte der Strafvollstreckung den Rechtspflegern vielmehr unmittelbar übertragen wurden.

b) Abschluss der Entwicklung. Mit dem Rechtspflegergesetz vom 5.11.196946 wurde in § 22 RpflG a. F.47 geregelt, welche gerichtlichen Geschäfte in Straf- und Bußgeldverfahren Rechtspflegern übertragen sind. § 31 RpflG a. F.,48 der die Übertragung von Geschäften der Staatsanwaltschaft regelt, übertrug in Absatz 2 allgemein die der Vollstreckungsbehörde in Straf- und Bußgeldsachen obliegenden Geschäfte dem Rechtspfleger, soweit nicht durch Rechtsverordnung des Bundesjustizministers einzelne Geschäfte von der Übertragung ausgenommen sind oder ihre Vorlage an den Staatsanwalt angeordnet ist.49 Durch Art. 9 Nr. 5 des 1. JuMoG vom 24.8.200450 wurde § 31 RpflG weitgehend neu 31 gefasst und die Aufgaben des Rechtspflegers im Rahmen der Strafvollstreckung wurden erheblich ausgeweitet. Da das Gesetz zur Übertragung von Rechtspflegeraufgaben auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 16.7.200251 den Bundesländern die Möglichkeit eröffnet hatte, im Bereich der Geldstrafenvollstreckung einen Teil der bisherigen Aufgaben des Rechtspflegers auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu übertragen, ist durch die Änderung des § 31 RpflG die Grundlage für eine Verlagerung der Aufgaben vom Staatsanwalt auf den Rechtspfleger geschaffen worden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollten die im Bereich der Staatsanwälte freiwerdenden Kapazitäten stärker für deren Ermittlungstätigkeit eingesetzt werden.52 Die Aufrechterhaltung der in der Begrenzungsverordnung vom 26.6.1970,53 zuletzt geändert durch Verordnung vom 16.2.198254 und der in § 31 Abs. 2 Satz 2 RpflG a. F. genannten Gründe für die Zuständigkeitsvorbehalte hat der Gesetzgeber mit Blick auf die Qualität der Ausbildung der Rechtspfleger und die weitere Übertragung von einigen Aufgaben im Jahre 200255 auf

30

44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

Neu gefasst durch AV des RJM vom 13.9.1944, DJ 1944 241. BGBl. I S. 18. BGBl. I S. 2065 mit späteren Änderungen, zuletzt durch Gesetz vom 25.10.1982 – BGBl. I S. 1425. In der Fassung von Art. 94 Nr. 4 EGStGB 1974. In der Fassung von Art. 94 Nr. 6 EGStGB 1974. KK/Appl 7; Bringewat 31, 35. BGBl. I S. 2198, 2205. BGBl. I S. 1810. BRDrucks. 378/03 S. 30. BGBl. I S. 992. BGBl. I S. 188. BGBl. I S. 1810.

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den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle für weitestgehend nicht mehr zeitgemäß erachtet.56 Lediglich Entscheidungen nach § 114 JGG (vgl. früher: § 1 Nr. 4 BegrenzungsVO) sind von der Übertragung auf den Rechtspfleger auch weiterhin ausgenommen geblieben (§ 31 Abs. 2 Satz 2 RpflG). c) Regelung im Jugendgerichtsgesetz. Soweit es sich um die Vollstreckung auf- 32 grund des Jugendgerichtsgesetzes handelt, waren die Rechtspfleger zunächst von Geschäften der Vollstreckung ausgeschlossen. Dagegen bestimmte II 6 der „Richtlinien“ zu §§ 82 bis 85 JGG in der seit dem 1.1.1963 geltenden Fassung, dass dem Rechtspfleger die Geschäfte der Vollstreckung übertragen werden, durch die eine richterliche Vollstreckungsanordnung oder eine die Leitung der Vollstreckung nicht betreffende allgemeine Verwaltungsvorschrift ausgeführt wird. Das Nähere wurde durch eine Anordnung der Landesjustizverwaltung bestimmt. Diese Anordnung wurde in bundeseinheitlichem Wortlaut von den Landesjustizverwaltungen mit Wirkung vom 1.1.1963 gesondert erlassen. Auch nach der weitgehenden Übertragung der der Vollstreckungsbehörde in Strafund Bußgeldsachen obliegenden Geschäfte auf den Rechtspfleger durch Art. 9 Nr. 5a des 1. JuMoG vom 24.8.2004 ist eine Übertragung der durch § 1 Nr. 4 BegrenzungsVO ausgenommenen Entscheidungen nach § 114 JGG ausdrücklich in § 31 Abs. 2 Satz RpflG auf den Rechtspfleger unterblieben, weil die insoweit vorzunehmende Prüfung sich in erster Linie auf Kriterien erstreckt, mit denen der Rechtspfleger aus seiner täglichen Tätigkeit kaum vertraut ist.57 Nach Auffassung des Gesetzgebers hätte eine Zuständigkeitsänderung gerade in einem gesellschaftspolitisch wichtigen Bereich wie dem Jugendstrafrecht eher zu einem Kompetenz- und Erfahrungsverlust führen können.58 2. Aufhebung der Begrenzungsverordnung. Durch Art. 12 des 1. JuMoG vom 33 24.8.200459 wurde die Verordnung über die Begrenzung der Geschäfte des Rechtspflegers bei der Vollstreckung in Straf- und Bußgeldsachen vom 26.6.1970,60 zuletzt geändert durch die Verordnung vom 16.2.1982,61 aufgehoben.62 Der Begrenzungsverordnung bedurfte es nach der umfassenden Übertragung der Aufgaben der Vollstreckungsbehörde in Straf- und Bußgeldsachen auf den Rechtspfleger nicht mehr (vgl. Rn. 31). Der Vorbehalt des früheren § 1 Nr. 4 BegrenzungsVO ist jedoch bestehen geblieben und jetzt in § 31 Abs. 2 Satz 2 RpflG gesetzlich geregelt. 3. Ergänzende Bemerkungen a) Selbständige Wahrnehmung der Geschäfte. Nach § 10 StVollstrO 2011, geän- 34 dert mit Wirkung vom 1.10.2017 durch Bekanntmachung vom 10.8.201763 gilt für die Wahrnehmung der Geschäfte der Strafvollstreckung durch den Rechtspfleger § 31 RpflG. Die in § 31 Abs. 1 und 2 RpflG ausgesprochene Übertragung auf den Rechtspfleger bedeutet, dass die Strafvollstreckung ohne weiteres von dem Rechtspfleger zu besorgen ist. Eine Vorlagepflicht an den Staatsanwalt besteht nur dann, wenn der Rechtspfleger 56 57 58 59 60 61 62 63

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BRDrucks. 378/03 S. 78 ff. BRDrucks. 378/03 S. 81 f. BRDrucks. 378/03 S. 82. BGBl. I S. 2198. BGBl. I S. 992. BGBl. I S. 188. Zur früheren Rechtslage vgl. LR/Wendisch25 31 ff. BAnz. AT 18.8.2017 B 6.

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von einer ihm bekannten Stellungnahme des Staatsanwalts abweichen will (§ 31 Abs. 2a Nr. 1 RpflG). Ferner ist er zur Vorlage verpflichtet, wenn zwischen dem übertragenen Geschäft und einem vom Staatsanwalt wahrzunehmenden Geschäft ein so enger Zusammenhang besteht, dass eine getrennte Sachbearbeitung nicht sachdienlich ist (§ 31 Abs. 2a Nr. 2 RpflG). Hierdurch sollen vor allem einander widersprechende Entscheidungen des Staatsanwalts und des Rechtspflegers sowie eine Personalressourcen bindende Doppelbefassung vermieden werden. Schließlich hat der Rechtspfleger die ihm übertragene Sache dann dem Staatsanwalt vorzulegen, wenn dieser ein Ordnungs- oder Zwangsmittel verhängt hat und sich die Vorlage ganz oder teilweise vorbehalten hat (§ 31 Abs. 2a Nr. 3 RpflG). Damit ist letztlich die früher in § 2 BegrenzungsVO enthaltene Vorlagepflicht hinsichtlich der bisherigen Regelungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 5 BegrenzungsVO auch nach Aufhebung der Begrenzungsverordnung inhaltlich beibehalten worden. Im Übrigen ist die Vorlagepflicht für den Rechtspfleger, soweit ihm die der Vollstreckungsbehörde in Straf- und Bußgeldsachen obliegenden Geschäfte nach § 31 Abs. 2 Satz 1 RpflG übertragen worden sind, der Vorlagepflicht bei der Parallelregelung in § 5 RpflG angepasst worden.64 Der Rechtspfleger kann die ihm nach § 31 Abs. 2 Satz 1 RpflG übertragene Sache dem 35 Staatsanwalt vorlegen, wenn sich bei der Bearbeitung Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung ergeben (§ 31 Abs. 2b Nr. 1 RpflG). Ferner hat er die Möglichkeit zur Vorlage, wenn ein Urteil vollstreckt werden soll, das von einem Mitangeklagten mit der Revision angefochten ist (§ 31 Abs. 2b Nr. 2 RpflG). Damit hat der Gesetzgeber die frühere Vorlagepflicht in ein Vorlagerecht umgewandelt. Dabei hat die Überlegung eine Rolle gespielt, dass der Rechtspfleger aufgrund seiner Ausbildung in der Lage ist, im Einzelfall auftretende rechtliche Schwierigkeiten rechtzeitig zu erkennen und alsdann abzuwägen, ob er den Staatsanwalt mit der Sache befassen sollte.65 36 Der Staatsanwalt bearbeitet die vorgelegten Sachen, solange – und soweit – er es für erforderlich hält (§ 31 Abs. 2c Satz 1 RpflG). Er kann die Sachen dem Rechtspfleger zurückgeben (§ 31 Abs. 2c Satz 2 RpflG). Letzterer ist an eine dabei mitgeteilte Rechtsauffassung oder an eine erteilte Weisung des Staatsanwalts gebunden (§ 31 Abs. 2c Satz 3 RpflG). 37

b) Weisungsgebundenheit. Der Rechtspfleger ist weisungsgebunden.66 Der Staatsanwalt, an dessen Stelle er tätig wird, kann ihm Weisungen nach § 31 Abs. 2c Satz 3 RpflG erteilen.67 Gegen die Maßnahmen des Rechtspflegers ist der Rechtsbehelf statthaft, der nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist (§ 31 Abs. 6 Satz 1 RpflG). Sofern hiernach ein Rechtsbehelf nicht gegeben ist, entscheidet über Einwendungen gegen die Entscheidung des Rechtspflegers der Staatsanwalt oder Richter, an dessen Stelle der Rechtspfleger tätig geworden ist, durch förmlichen Bescheid bzw. der Richter durch Beschluss.68 Er kann dem Rechtspfleger Weisungen erteilen (§ 31 Abs. 6 Satz 3 RpflG). Nimmt der Staatsanwalt selbst ein übertragenes Geschäft wahr, so ist dieses wirksam. Die Befugnisse des Behördenleiters nach den §§ 145, 146 GVG bleiben unberührt (§ 31 Abs. 6 Satz 4 RpflG).

64 65 66 67 68

BRDrucks. 378/03 S. 83. BRDrucks. 378/03 S. 83. Röttle/Wagner Rn. 25. KK/Appl 9. KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt Vor § 449, 9; Bringewat 37.

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c) Keine Ablehnung. Die Vorschriften über die Ausschließung finden – anders als 38 beim Rechtspfleger des Gerichts nach § 10 RpflG – auf den Rechtspfleger ebenso wie auf den Staatsanwalt bei Wahrnehmung von Strafvollstreckungsgeschäften keine Anwendung (§ 32 i. V. m. § 10 RpflG). d) Vorbereitende Tätigkeiten. Die Heranziehung des Rechtspflegers zu vorberei- 39 tender Tätigkeit bei den von der Übertragung ausgenommenen Geschäften (Ermittlungen, Anfertigung des Entwurfs der Verfügung usw.) ist nicht ausgeschlossen.69 Da durch § 31 Abs. 2 RpflG dem Rechtspfleger aber nunmehr in Straf- und Bußgeldsachen die der Vollstreckungsbehörde obliegenden Geschäfte umfassend übertragen worden sind, dürfte es hierfür in der Praxis kaum noch Raum geben. e) Gnadenverfahren. Zur Mitwirkung im Gnadenverfahren ist der Rechtspfleger 40 nicht berufen, da es sich hierbei nicht um Geschäfte der Strafvollstreckung handelt und die StVollstrO auf diesen Bereich keine Anwendung findet. Die Nebengeschäfte der Strafvollstreckung (Vor § 449, 29) gehören nicht zu den dem Rechtspfleger durch § 31 RpflG übertragenen Geschäften der Strafvollstreckung.70 f) Verzögerungen im Strafvollstreckungsverfahren. Verzögerungen im Vollstre- 41 ckungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde berechtigen nicht zu einer Entschädigung nach §§ 198, 199 GVG. Insoweit liegt keine ausfüllungsbedürftige planwidrige gesetzliche Regelungslücke vor,71 denn nach § 199 Abs. 1 GVG ist § 198 GVG nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 lediglich für das Verfahren auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, nicht jedoch für das Vollstreckungsverfahren entsprechend anwendbar.

VIII. Vollstreckbarkeitsbescheinigung 1. Entscheidung des Urkundsbeamten. Nach § 451 Abs. 1 setzt die förmliche Voll- 42 streckung eine urkundliche Grundlage voraus,72 nämlich eine mit der Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehene beglaubigte Abschrift der Urteilsformel (§ 268 Abs. 2 i. V. m. § 260 Abs. 4),73 die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle erteilt. Die Erteilung dieser Bescheinigung ist zwar eine Voraussetzung, aber noch kein Bestandteil des Vollstreckungsverfahrens, vielmehr der letzte Akt des gerichtlichen Verfahrens.74 Der Urkundsbeamte handelt als Organ des Gerichts. Daraus folgt, dass, wenn er die Erteilung ablehnt, die Vollstreckungsbehörde und, wenn er sie erteilt, der Verurteilte bei Gericht die Änderung der Entscheidung des Urkundsbeamten beantragen kann.75

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Meyer-Goßner/Schmitt 2. Pohlmann/Jabel/Wolf § 10, 4. OLG Koblenz NStZ-RR 2017 323. OLG Braunschweig MDR 1950 757; Lindner MDR 1948 453; Unger Rpfleger 1957 224; H. W. Schmidt NJW 1959 1718; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 33. 73 Die Beurkundung der vollständig abgefassten Urteilsgründe ist nicht erforderlich: KK/Appl 17; MeyerGoßner/Schmitt 11; Bringewat 27. 74 Kleinknecht Rpfleger 1952 210; Schmidt-Mende 28 ff.; KK/Appl 18; KMR/Paulus/Stöckel 41; Bringewat 31; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 37. 75 Eb. Schmidt 14; KK/Appl 23; KMR/Paulus/Stöckel 45; Meyer-Goßner/Schmitt 17; Röttle/Wagner Rn. 56.

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2. Anfechtungsmöglichkeiten. Die Entscheidung des Gerichts ist mit der einfachen Beschwerde anfechtbar.76 Dem Verurteilten bleibt die Möglichkeit, wenn die Vollstreckungsbehörde aufgrund der erteilten Bescheinigung die Vollstreckung betreibt, Einwendungen dagegen nach § 458 Abs. 1 zu erheben.77 Gegen eine gerichtliche Entscheidung, die den Urkundsbeamten zur Erteilung der Bescheinigung anweist oder die ihn unter Aufhebung einer erteilten Bescheinigung anweist, sie künftig nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen, steht dem Urkundsbeamten keine Beschwerde zu.78 Ein Recht, bei Zweifeln, ob die Voraussetzungen der Erteilung vorliegen, die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen, hat der Urkundsbeamte nicht. Er kann sich nicht damit der ihm übertragenen Entscheidung entziehen.79 Der Urkundsbeamte kann und muss die von ihm erteilte Bescheinigung widerrufen, wenn er nachträglich zu der Überzeugung gelangt, dass er sie zu Unrecht erteilt hat.80

3. Wesen der Vollstreckbarkeitsbescheinigung. Der Urkundsbeamte hat die Vollstreckbarkeitsbescheinigung zu erteilen, wenn die absolute Rechtskraft des Urteils eingetreten ist (§ 449) oder wenn ausnahmsweise vor Eintritt der absoluten Rechtskraft das Urteil vollstreckbar geworden ist (§ 346 Abs. 2 Satz 2; § 449, 12). In aller Regel ist also die Vollstreckbarkeitsbescheinigung identisch mit der Rechtskraftbescheinigung.81 Das Vorliegen von Vollstreckungshindernissen (§ 449, 8 ff.) hat der Urkundsbeamte nicht zu prüfen.82 Ist die Vollstreckung der Strafe im Urteil zur Bewährung ausgesetzt, so darf er naturgemäß nur die Rechtskraft des Urteils bescheinigen, nicht etwa zugleich bescheinigen, dass das Urteil „vollstreckbar“ sei.83 Wenn (andere) Vollstreckungshindernisse aus den Akten ersichtlich sind, so steht es ihm frei, die Vollstreckungsbehörde auf diese und die für die Strafzeitberechnung wichtigen Umstände (vgl. insbesondere § 450 Abs. 1) hinzuweisen, und er muss dies tun, wenn bei Erteilung der Vollstreckbarkeitsbescheinigung die Akten, aus denen allein die Hindernisse ersichtlich sind, der Vollstreckungsbehörde nicht übersandt werden.84 45 Die Vollstreckungsbehörde ist nicht verpflichtet, die Rechtskraftbescheinigung des Urkundsbeamten auf ihre sachliche Richtigkeit nachzuprüfen.85 Die Prüfung, ob die Entscheidung rechtskräftig ist, soll ihr ja gerade durch die Rechtskraftbescheinigung abgenommen werden. Anders liegt es, wenn sie aus besonderen Gründen Veranlassung hat, an der Richtigkeit der Rechtskraftbescheinigung zu zweifeln. Dann muss sie eine

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76 LG Göttingen Rpfleger 1956 337; LG Hildesheim Rpfleger 1960 215; KK/Appl 23; Meyer-Goßner/Schmitt 17; Bringewat 32; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 51; a. A. LG Marburg NStZ-RR 2014 112. 77 Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 51; Bringewat 32. 78 Meikel BayZ 1905 57; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 52 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 32; a. A. KMR/Paulus/Stöckel 45. 79 Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 52; KK/Appl 22; Meyer-Goßner/Schmitt 16; a. A. Schmidt-Mende 36; KMR/ Paulus/Stöckel 45. 80 Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 53; KK/Appl 22; Meyer-Goßner/Schmitt 16; KMR/Paulus/Stöckel 44; Bringewat 32. 81 KK/Appl 17; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 82 LG Hildesheim Rpfleger 1960 215; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 47; Meyer-Goßner/Schmitt 18; Röttle/ Wagner Rn. 54; KMR/Paulus/Stöckel 39. 83 LG Köln Rpfleger 1971 227 mit Anm. Pohlmann; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 47 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 84 LG Hildesheim Rpfleger 1960 215; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 28. 85 Schmidt-Mende 84 ff.; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 39; Meyer-Goßner/Schmitt 18; Röttle/Wagner Rn. 57 (keine generelle Verpflichtung); a. A. Grau Die Strafvollstreckung durch den preußischen Rechtspfleger (1929) 22, 180; Bringewat 39.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Überprüfung der Rechtskraftbescheinigung durch den Urkundsbeamten herbeiführen.86 Die Entscheidung darüber, ob Vollstreckungshindernisse bestehen, obliegt aber nur der Prüfung der Vollstreckungsbehörde,87 und gegen deren Entscheidung steht der Weg des § 458 Abs. 1 offen. 4. Ergänzende Vorschriften (§§ 13, 14 StVollstrO). Über die Ausstellung der Voll- 46 streckbarkeitsbescheinigung enthalten die §§ 13, 14 StVollstrO ergänzende Vorschriften. Insoweit wird auf die Erläuterungen verwiesen.88 5. Verhältnis des § 451 Abs. 1 zu § 13 Abs. 2 StVollstrO. Nach § 451 Abs. 1 erfolgt 47 die Vollstreckung aufgrund einer von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erteilenden, mit Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehenen beglaubigten Abschrift der Urteilsformel.89 Demgegenüber bezeichnet § 13 Abs. 2 StVollstrO als Vollstreckungsgrundlage die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der (vollständigen) Entscheidung oder ihres erkennenden Teils. a) Allgemeines. Zunächst sollte nicht zweifelhaft sein, dass § 13 Abs. 2 Satz 1 StVoll- 48 strO als Verwaltungsanweisung sich nicht mit der gesetzlichen Vorschrift des § 451 Abs. 1 in Widerspruch setzt, wenn er die mit Rechtskraftbescheinigung versehene beglaubigte Abschrift des vollständigen Urteils als Vollstreckungsgrundlage bezeichnet. Denn nach dem Sinn des § 451 Abs. 1 ist schon das Vorliegen einer beglaubigten Abschrift der Entscheidungsformel ausreichend, um mit der Vollstreckung beginnen zu können. Es muss nicht abgewartet werden, bis das vollständige (mit Gründen versehene) Urteil vorliegt. So kann z. B. bei Rechtsmittelverzicht aller Beteiligten unmittelbar nach Verkündung des Urteils die beglaubigte Abschrift der Entscheidungsformel auf der Grundlage des Sitzungsprotokolls hergestellt werden. Wenn also die Abschrift der Formel genügt, so ist eine beglaubigte Abschrift des vollständigen Urteils (das ja stets auch eine Entscheidungsformel enthält) erst recht eine dem § 451 Abs. 1 entsprechende urkundliche Grundlage der Vollstreckung.90 § 451 Abs. 1 besagt aber auch nicht, dass die Vollstreckungsbehörde die Vollstre- 49 ckung nur betreiben darf, wenn ihr eine beglaubigte Abschrift der Entscheidungsformel (oder der vollständigen Entscheidung) vorliegt.91 Die Gesetzmäßigkeit der Vollstreckung hängt an sich lediglich davon ab, dass eine entsprechende rechtskräftige Entscheidung überhaupt vorhanden ist. Ist das der Fall, so könnte z. B. der Verurteilte keine Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung (§ 458) mit der Begründung erheben, es liege zwar ein rechtskräftiges Urteil vor, der Urkundsbeamte habe aber der Vollstreckungsbehörde bisher noch keine mit Vollstreckbarkeitsbescheinigung versehene beglaubigte Abschrift erteilt.

86 Pohlmann Rpfleger 1960 280; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 39; KK/Appl 18; Bringewat 28; Röttle/Wagner Rn. 57. 87 OLG Jena GA 39 (1891) 365; OLG Schleswig SchlHA 1957 314; Unger Rpfleger 1957 222, 227; Pohlmann Rpfleger 1958 108; 1960 280; 1971 227; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 47; KMR/Paulus/Stöckel 39; Bringewat 28. 88 Vgl. Erläuterungen bei Pohlmann/Jabel/Wolf zu §§ 13, 14. 89 KK/Appl 17. 90 Pohlmann Rpfleger 1957 123; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 33. 91 OLG Hamm Rpfleger 1957 213; Unger Rpfleger 1957 223; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 33; KMR/Paulus/ Stöckel 9 ff.; Röttle/Wagner Rn. 53 ff.; a. A. LG Oldenburg Rpfleger 1956 337.

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Der Sinn des § 451 Abs. 1 besteht darin, dass die Vollstreckungsbehörde, um die Vollstreckung betreiben zu können und zu dürfen, der zuverlässigen Kenntnis bedarf, dass ein rechtskräftiges Urteil vorliegt und welchen Inhalt es hat. Um ihr diese Kenntnis zu verschaffen, verpflichtet § 451 Abs. 1 den Urkundsbeamten („zu erteilenden“), der Vollstreckungsbehörde von Amts wegen eine beglaubigte Abschrift zu erteilen.92 Es wäre ein unverständlicher Formalismus, wenn die Vollstreckungsbehörde mit der Vollstreckung erst beginnen dürfte, wenn ihr eine solche beglaubigte Abschrift übersandt ist und vorliegt, obwohl sie bereits vorher auf anderem Wege, nämlich durch Einsicht in die Urschrift der Entscheidung (oder der Entscheidungsformel), zuverlässige Kenntnis von Inhalt und Rechtskraft der Entscheidung erlangt hat. Denn die Rechtskraftbescheinigung auf der beglaubigten Abschrift bietet ja keine größere Gewähr für die Richtigkeit als die auf der Urschrift. Auch auf die gemäß § 451 Abs. 1 erteilte Bescheinigung hin darf die Vollstreckungsbehörde nicht unbesehen die Vollstreckung betreiben, sondern muss auftauchenden Bedenken nachgehen (oben Rn. 45).

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b) Bedeutung des § 13 Abs. 2 StVollstrO. Die Bedeutung des § 13 Abs. 2 StVollstrO besteht also darin, dass er in Form einer Weisung an die Vollstreckungsbehörde das urkundliche Minimum93 kennzeichnet, mit dem sich die Vollstreckungsbehörde zur Erlangung von zuverlässiger Kenntnis über Inhalt und Rechtskraft der Entscheidung bei Einleitung der Vollstreckung begnügen darf. Unberührt bleibt aber stets das Recht der Vollstreckungsbehörde, eine genau dem § 451 Abs. 1 entsprechende Vollstreckungsurkunde von dem Urkundsbeamten zu verlangen – eine solche ist aber auch (vgl. Rn. 45) die mit Rechtskraftbescheinigung versehene beglaubigte Abschrift der vollständigen Entscheidung –, und dessen Pflicht, diesem Verlangen zu entsprechen. Der Urkundsbeamte kann also keinesfalls die Vollstreckungsbehörde auf die mit Rechtskraftbescheinigung versehene Urschrift der Entscheidung oder der Formel verweisen.94 Auch ein Recht des Urkundsbeamten, die Erteilung im Einzelfall abzulehnen, weil das Verlangen der Vollstreckungsbehörde missbräuchlich sei,95 besteht nicht.

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6. Zuständigkeit zur Erteilung der Bescheinigung. Die Zuständigkeit zur Erteilung der Bescheinigung regelt § 13 Abs. 4 StVollstrO. Danach ist grundsätzlich der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs zuständig, der Urkundsbeamte des Berufungsgerichts nur, wenn gegen das Urteil keine Revision eingelegt ist. Die in § 13 Abs. 5 StVollstrO vorgeschriebene Übersendung der Unterlagen durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Revisionsgerichts soll dazu dienen, dem Urkundsbeamten des Gerichts erster Instanz die beschleunigte Ausstellung der Vollstreckbarkeitsbescheinigung zu ermöglichen. Die in § 13 Abs. 4 StVollstrO aus Zweckmäßigkeitsgründen getroffene Zuständigkeitsregelung begründet aber keine ausschließliche Zuständigkeit. Daher ist auch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Revisionsgerichts befugt, die Bescheinigung selbst zu erteilen, insbesondere wenn die rasche Erteilung durch den Urkundsbeamten des Gerichts erster Instanz auf Schwierigkeiten stößt.96 Das LG Göttin92 OLG Hamm Rpfleger 1957 213; LG Göttingen Rpfleger 1956 337; LG Hildesheim Rpfleger 1960 215 mit zust. Anm. Pohlmann; Pohlmann Rpfleger 1957 123; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 33, 46; KK/Appl 17; KMR/ Paulus/Stöckel 41, 44; Bringewat 29; Röttle/Wagner Rn. 54. 93 Bringewat 29; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 33. 94 OLG Hamm Rpfleger 1957 213; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 46. 95 LG Göttingen Rpfleger 1956 337; 1960 217; Pohlmann Rpfleger 1957 123; Bringewat 30; anders wohl Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 46. 96 KMR/Paulus/Stöckel 41; Meyer-Goßner/Schmitt 12.

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gen (Fn. 91) sieht darüber hinaus, wenn in mehreren Instanzen Urteile ergehen, mit Recht den Urkundsbeamten eines jeden befassten Gerichts, bei dem sich gerade die Akten befinden, als zuständig an, wenn es sich darum handelt, Zeitverluste zu vermeiden. 7. Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei anderen Entscheidungen a) Strafbefehl. § 451 gilt, obwohl er nur von Urteilen („Urteilsformel“) spricht, auch 53 für den rechtskräftigen Strafbefehl und für den einem Urteil gleich gestellten Beschluss, der Nebenfolgen zum Gegenstand hat (§§ 434, 438 Abs. 3, §§ 439, 444 Abs. 2 und 3) sowie für gerichtliche Bußgeldentscheidungen.97 b) Gesamtstrafenbeschluss. Nach einer früher im Schrifttum vertretenen Auffas- 54 sung98 soll es bei Gesamtstrafenbeschlüssen nach § 460 deshalb keiner Vollstreckbarkeitsbescheinigung bedürfen, weil die urkundliche Unterlage für die Vollstreckung bereits in Gestalt der Vollstreckbarkeitsbescheinigung für die Einzelstrafen vorliege. Dagegen bestehen Bedenken, denn der Gesamtstrafenbeschluss bildet einen selbständigen neuen, einem Urteil entsprechenden Vollstreckungstitel, für den nichts Anderes gelten kann als für ein Urteil gleichen Inhalts.99 § 13 StVollstrO hat die Frage offen gelassen, entsprechend dem von der StVollstrO verfolgten Grundsatz, zu streitigen Fragen nach Möglichkeit nicht Stellung zu nehmen. Vom Zeitpunkt der Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses an bildet dieser die Grundlage für die Strafvollstreckung.100 Bis dahin wird aus den einzelnen Urteilen vollstreckt, aus deren Einzelstrafen die – unter Umständen neue – Gesamtstrafe gebildet worden ist.101 § 41 Abs. 2 StVollstrO weist jedoch die Vollstreckungsbehörde an, schon vor seiner Rechtskraft den Gesamtstrafenbeschluss der Strafzeitberechnung vorläufig zugrunde zu legen, wenn die Entscheidung dem Antrag der Staatsanwaltschaft entspricht oder diese von einer sofortigen Beschwerde absieht oder wenn das Strafende vor der Rechtskraft des Beschlusses eintritt. c) Widerruf der Strafaussetzung. Wird die Aussetzung der Strafe oder eines Straf- 55 restes zur Bewährung (§§ 56f, 57 Abs. 5 StGB) oder der Straferlass (§ 56g Abs. 2 StGB) widerrufen, so bildete nach früherer Auffassung zwar die Rechtskraft des mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Widerrufsbeschlusses eine Voraussetzung für die Vollstreckung der Strafe oder des Strafrestes und der Widerrufsbeschluss auch eine zusätzlich erforderliche urkundliche Grundlage der Vollstreckungsmaßnahme. Jedoch sollte es einer Bescheinigung der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses nicht bedürfen, da er keinen eigenen vollstreckungsfähigen Inhalt habe, sondern nur die Hindernisse beseitige, die der Vollstreckung des verurteilenden Erkenntnisses entgegenstehen.102 Die Vollstreckungsbehörde hat von diesem Standpunkt aus in eigener Verantwortung zu prüfen, ob die Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses eingetreten ist. Andererseits sei es aber auch dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht untersagt, eine Rechtskraftbescheini97 KK/Appl 20; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat (Bildung der Gesamtstrafe) Rn. 356. 98 Dalcke/Fuhrmann/Schäfer § 460, 4. 99 LG Bochum NJW 1957 194; Knetsch Rpfleger 1957 74; Eb. Schmidt JZ 1962 449 und § 460, 18; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 12; § 19, 5 ff.; Röttle/Wagner Rn. 54; KK/Appl 20; Bringewat 34.

100 Röttle/Wagner Rn. 54; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 63; KK/Appl 20; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 34.

101 OLG Frankfurt NJW 1956 1932. 102 OLG Karlsruhe Rpfleger 1964 145 mit Anm. Pohlmann; Kaiser NJW 1964 1946; Theuerkauf MDR 1965 179; Hanack JZ 1966 50; KK/Appl 20.

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gung zu erteilen. Geschieht dies, so brauche die Vollstreckungsbehörde ihre sachliche Richtigkeit nicht zu prüfen; sie habe aber keinen Anspruch auf eine solche Bescheinigung. § 14 StVollstrO 1956 nahm entsprechend der Tendenz der Strafvollstreckungsordnung, sich bei streitigen oder zweifelhaften Fragen einer Stellungnahme und einer Weisung an die Vollstreckungsbehörden zu enthalten, zu diesen Punkten keine Stellung. 56 Seither haben sich aber die Vorstellungen über die Bedeutung des Widerrufsbeschlusses gewandelt.103 Nach zutreffender Auffassung beseitigt, wenn im Urteil die verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt war, der Widerruf nicht ein der Vollstreckung aus dem Urteil entgegenstehendes Hindernis, sondern er verschafft dem Urteil erst die Vollstreckbarkeit, die ihm bis dahin durch die Aussetzung der Strafe zur Bewährung entzogen war. Erst der rechtskräftige Widerruf wandelt die bisherige „Aussetzungsstrafe“ in eine „Vollstreckungsstrafe“ um. Von diesem Standpunkt aus dient der Widerruf, was die Vollstreckung anbelangt, der Vervollständigung des bisher unvollständigen Urteils, und es muss folgerichtig auch der Widerrufsbeschluss mit einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung (= Rechtskraftbescheinigung) i. S. des § 451 Abs. 1 versehen werden.104 57 § 14 StVollstrO i. d. F. vom 1.4.2001 hat demgemäß die frühere Zurückhaltung aufgegeben und erklärt (§ 14 Abs. 2) die die Rechtskraftbescheinigung beim Urteil betreffenden Vorschriften des § 13 Abs. 2, 3 und 4 Satz 1 StVollstrO für entsprechend anwendbar. Das Gleiche gilt beim Widerruf der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung und beim Widerruf des Straferlasses (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 StVollstrO). Hier wird zunächst durch den rechtskräftigen Aussetzungs- und Straferlassbeschluss dem Urteil die Vollstreckbarkeit entzogen, und es bedarf daher eines actus contrarius, um die Vollstreckbarkeit wieder zu schaffen. Es wird durch den rechtskräftigen Widerruf nicht nur ein der Vollstreckung entgegenstehendes Hindernis beseitigt, sondern die beendete Vollstreckbarkeit des Urteils wird wieder begründet, sodass Urteil und Widerrufsbeschluss zusammen die Grundlage der Vollstreckbarkeit bilden, die gemäß § 451 Abs. 1 bescheinigt werden muss. Entsprechende Erwägungen gelten für die übrigen in § 14 StVollstrO bezeichneten Entscheidungen. 58

8. Vollstreckbarkeitsbescheinigung bei Aktenverlust. Im Fall des Aktenverlustes kann nach dem in Rn. 37 Ausgeführten das Gericht den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anweisen, eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen, falls die Feststellung ihres Inhalts möglich ist.105

IX. Herbeiführen des Vollzugs 59

Wie Vor § 449, 15 ausgeführt, gehört, soweit es sich um die Vollstreckung von Freiheitsstrafen handelt, zu den Aufgaben der Vollstreckungsbehörde die Herbeiführung des Vollzugs, eine Überwachung des Vollzugs jedoch nur in die Richtung, ob Art und Dauer der Strafhaft der zu vollstreckenden Entscheidung entsprechen. Bei der Herbeiführung des Vollzugs entscheidet die Vollstreckungsbehörde auch darüber, ob Abweichungen 103 OLG Karlsruhe Rpfleger 1964 145 mit Anm. Pohlmann; LG Mannheim NJW 1963 672; Knetsch Rpfleger 1957 75; Blösch NJW 1963 1296; Hanack JZ 1966 50; Schmidt-Mende 47; Pohlmann/Jabel/Wolf § 14, 11; a. A. Kaiser NJW 1964 1946. 104 Pohlmann/Jabel/Wolf § 14, 11; Meyer-Goßner/Schmitt 13, Bringewat 33. 105 OLG Hamm GA 62 (1915) 210; OLG Hamburg Alsb. E 1 209; Stuhlmann DStRZ 6 (1919) 229; s. auch Schmid FS Lange 793.

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vom Vollstreckungsplan in Betracht kommen (§ 26 StVollstrO) und ob Raum ist für eine Sondervollzugsform. Als solche kommt – nach der Beseitigung des früheren Wochenendvollzugs (§ 32 a. F. StVollzO) – der Vollzug an jungen Verurteilten in Betracht (§ 25 StVollstrO, § 114 JGG). Nach § 114 JGG darf in der Jugendvollzugsanstalt an Verurteilten, die das 24. Le- 60 bensjahr noch nicht vollendet haben und sich für den Jugendstrafvollzug eignen, auch Freiheitsstrafe vollzogen werden, die nach allgemeinem Strafrecht verhängt worden ist. Diese Vorschrift bezieht sich nicht nur auf Heranwachsende, die unter Anwendung des allgemeinen Strafrechts zur Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, sondern auch auf Erwachsene, die vom Erwachsenengericht abgeurteilt wurden. Nach den Richtlinien zu § 114 JGG, auf die § 25 StVollstrO verweist, weist die Vollstreckungsbehörde zu Freiheitsstrafe Verurteilte unter 21 Jahren grundsätzlich in die Jugendvollzugsanstalt, solche im Alter von 21 bis 23 Jahren in der Regel in die Justizvollzugsanstalt für Erwachsene ein. Die Letzteren überweist der Anstaltsleiter, wenn er sie als geeignet für den Jugendstrafvollzug ansieht, in die Jugendvollzugsanstalt. Ausnahmsweise kann die Vollstreckungsbehörde einen solchen Verurteilten sogleich in die Jugendvollzugsanstalt einweisen, wenn seine Eignung für den Jugendstrafvollzug offenkundig ist. Der Rechtspfleger kann nach § 31 Abs. 2 Satz 2 RpflG die Entscheidung nach § 114 JGG, ob ein zu Freiheitsstrafe Verurteilter unter 24 Jahren in die Erwachsenen- oder in die Jugendvollzugsanstalt einzuweisen ist, nicht treffen.

X. Strafzeitberechnung 1. Rechtsgrundlagen. Die der Vollstreckungsbehörde obliegende Überwachung, 61 dass die Vollzugsdauer der zu vollstreckenden Entscheidung entspricht, geschieht anhand der Strafzeitberechnung und der Mitteilungen der Vollzugsbehörde über Aufnahme und Beendigung des Vollzugs. Die besonders wichtige Frage der Strafzeitberechnung ist im Gesetz (§ 43 Satz 3, § 51 StGB, §§ 450, 450a) nur unvollkommen geregelt. Zur Ergänzung geben die §§ 36, 37, 38, 39, 39a, 40 und 41 StVollstrO106 zahlreiche ergänzende Weisungen, die allerdings nur gelten, solange und soweit nicht im Einzelfall das Gericht gemäß § 458 über die Berechnung der Strafe entschieden hat. Die Staatsanwaltschaft ist als Vollstreckungsbehörde auch für die Entscheidung zuständig, ob die Zeit des im Maßregelvollzug erlittenen Freiheitsentzuges auf verfahrensfremde Freiheitsstrafen anzurechnen ist.107 2. Einzelheiten. Die vorgenannten Vorschriften sind bereits z. T. jeweils im Zusam- 62 menhang an anderen Stellen erörtert. Ergänzend ist zur Erläuterung noch Folgendes zu bemerken: a) Natürliche Berechnungsweise. Eine dem § 37 Abs. 2 Satz 1 und 2 StVollstrO ent- 63 sprechende Regelung enthielt bereits § 21 Abs. 2 StVollstrO 1935 i. d. F. der AV vom 21.1.1942 (DJ 86). Sie konnte sich je nach den Umständen des Einzelfalls günstig oder ungünstig für den Verurteilten auswirken. Erhielt z. B. bei einer Vollzugsdauer von mehr als einer Woche der Verurteilte Urlaub aus der Strafhaft vom 5.8. vormittags 8 Uhr bis 8.8. nachmittags 18 Uhr, so galt für die Strafzeitberechnung die Strafe als vom 5.8. null Uhr bis zum 8.8. null Uhr unterbrochen. Dies war für den Verurteilten günstig, da nur 106 Vgl. insoweit die Erläuterungen bei Pohlmann/Jabel/Wolf zu §§ 37 bis 41. 107 OLG Hamm Beschl. vom 24.3.2015 – 3 Ws 114-116/15.

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drei Tage Unterbrechung gerechnet wurden, obwohl die Unterbrechung tatsächlich länger gedauert hatte. Begann dagegen der Urlaub aus der Strafhaft am 5.8. um 18 Uhr und endete er am 8.8. um 8 Uhr, so rechnete er ebenfalls vom 5.8. null Uhr bis zum 8.8. null Uhr, also drei Tage, obwohl die Dauer der Unterbrechung, nach Stunden gerechnet, keine drei Tage gedauert hatte. Das OLG Bremen108 erklärte diese Berechnungsweise des § 21 Abs. 2 StVollstrO a. F. für unvereinbar mit § 19 Abs. 1 a. F. StGB.109 Denn diese Vorschrift gehe von der sog. „natürlichen Berechnungsweise“ aus, wonach Unterbrechungen nach Tagen und Stunden genau der zu verbüßenden Strafe hinzuzuzählen seien. Ob im Einzelfall die Berechnung nach der StVollstrO sich günstig oder ungünstig auswirke, sei für die Gesetzwidrigkeit der genannten Verwaltungsanweisung ohne Bedeutung. 64 Demgegenüber hält § 37 Abs. 2 StVollstrO an der Regelung des § 21 Abs. 2 StVollstrO 1935 fest, jedoch mit der Maßgabe, dass statt Vorverlegung auf den Beginn des Tages, in dessen Lauf der für die Strafzeitberechnung maßgebende Umstand eintritt, eine Verlegung auf das Ende des Tages eintritt, wenn dies für den Verurteilten günstiger ist. In dem zweiten der oben angeführten Beispielsfälle wäre danach die Unterbrechung erst vom 5.8. 24 Uhr bis zum 8.8. null Uhr zu rechnen, so dass die Dauer der anzurechnenden Unterbrechung nur zwei Tage beträgt. Die Rechtfertigung dieser Regelung wird darin gesehen,110 dass eine Kürzung der nach „natürlicher Berechnungsweise“ zu verbüßenden Strafe durch eine dem Verurteilten günstige Strafzeitberechnungsmethode als Erlass des noch zu verbüßenden Strafrestes im Weg der Gnade aufzufassen sei. Der im Voraus ausgesprochene Erlass wäre dann darin zu sehen, dass die Landesjustizverwaltungen als die in der Regel zur Ausübung des Gnadenrechts ermächtigten Stellen die Strafvollstreckungsordnung vereinbart und jeweils für ihr Land erlassen haben. Eine solche Konstruktion erscheint vertretbar. 65 Eine andere Frage ist, ob es wirklich dieser etwas mühsamen Konstruktion bedarf, ob also der frühere § 20 StGB eine derartige Rechnung „auf Heller und Pfennig“ erforderte111 oder ob er sich nicht vielmehr mit einer vereinfachten Berechnungsmethode zufrieden gab, die aus beachtlichen praktischen Gründen geboten ist, die den Sinn des Strafausspruchs nicht verfälscht und den Verurteilten nicht in seinen Rechten verkürzt. Das OLG Köln (Fn. 106) spricht bei üblichen Abweichungen von der „natürlichen Berechnungsweise“ von einem durch die StVollstrO bestätigten, die Regel abändernden Gewohnheitsrecht.112 66

b) Änderung durch die Urlaubs- und Entlassungsregelung der Strafvollzugsgesetze. Die an die Gewährung eines Urlaubs aus der Strafhaft anknüpfenden Strafzeitberechnungsfragen verloren mit dem 1.1.1977 im Wesentlichen dadurch ihre Bedeutung, dass §§ 13, 15, 35, 134 StVollzG die Gewährung von Normalurlaub aus der Haft und von Sonderurlaub zur Entlassungsvorbereitung und aus wichtigem Anlass vorsehen. Nach § 13 Abs. 5, § 15 Abs. 4, § 35 Abs. 1, § 134 StVollzG wird durch „den Urlaub“ die Strafvollstreckung nicht unterbrochen. 67 Man wird diesem Willen des Gesetzgebers wohl zu entnehmen haben, dass jedenfalls eine Überschreitung eines Teilurlaubs, die sich noch im Rahmen eines Urlaubs 108 NJW 1951 84. 109 Dem späteren § 20 StGB, der seit dem 1.1.1975 ersatzlos weggefallen ist; s. aber § 37 Abs. 4 StVollstrO und dazu BayObLG MDR 1976 862.

110 OLG Stuttgart Rpfleger 1974 113. 111 Verneinend OLG Köln JMBlNRW 1959 33. 112 Dagegen Pohlmann Rpfleger 1959 146.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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von insgesamt 21 Tagen im Jahr (§ 13 Abs. 1 StVollzG) hält, die Anrechnung als Urlaub auf die Strafzeit nicht hindert, auch wohl – wie es scheint – nicht eine Überschreitung der insgesamt bewilligungsfähigen Urlaubszeit von 21 Tagen um „wenige Tage“, während eine längere Überschreitung und gar eine Aufgabe des „animus revertendi“ eine Unterbrechung des Strafvollzugs i. S. des § 40 StVollstrO darstellt.113 Zu einer weiteren Vertiefung der Anrechnungsfrage an dieser Stelle besteht kein Anlass. Anzufügen ist noch, dass die früher (bis zum 31.12.1976) in § 197 DVollzO geregelte 68 Befugnis des Anstaltsleiters, bei Strafende unter bestimmten Voraussetzungen den Entlassungszeitpunkt (auf den Freitag bei Strafende am Sonnabend oder Sonntag) vorzuverlegen, wie auch die bisher im Gnadenweg erfolgte sogenannte Weihnachtsamnestie, wenn das Strafende in die Zeit vom 22.12. bis 2.1. fällt, in § 16 StVollzG eine in erweitertem Umfang vollzugsrechtliche Grundlage gefunden haben. Nach OLG Stuttgart114 war in der Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts nach § 197 DVollzO ein kraft Delegation ausgesprochener Erlass des Strafrestes im Gnadenweg zu erblicken, der an sich auf die Zeit bis zum errechneten Strafende entfiel. Mit dieser Konstruktion sollte erreicht werden, dass, wenn die Beendigung der Strafzeit durch Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung eintrat, die bei einem späteren Widerruf der Aussetzung zu vollziehende Reststrafe nicht auch die durch die Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts ersparten Tage umfasst. Dieser Konstruktion bedarf es nun nicht mehr. Die Tatsache, dass die Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts mit dem Resozialisierungsgedanken, also mit dem Ziel des Vollzugs (§ 2 StVollzG) begründet worden ist, beseitigt jeden Zweifel, dass nach der Regelung des Gesetzes die Strafe als bis zum „eigentlichen“ Entlassungszeitpunkt vollzogen anzusehen ist und diese fiktive Form des Vollzugs auch bei einem späteren Widerruf der Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung ihre Bedeutung behält. c) Unterbrechung des Laufs der Strafzeit. § 37 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO stellt im 69 Hinblick auf § 40 Abs. 1 StVollstrO klar, dass es bei einer Unterbrechung des Laufs der Strafzeit für die Anwendbarkeit von Satz 1 oder Satz 2 nicht auf die Dauer des noch zu vollziehenden Restes, sondern auf die Gesamtvollzugsdauer ankommt. Eine Berechnung nach Stunden findet also nur statt, wenn die Gesamtvollzugsdauer nicht mehr als eine Woche beträgt, während eine Berechnung nach Tagen auch dann stattfindet, wenn bei längerer Gesamtvollzugsdauer die Unterbrechung erst in der letzten Vollzugswoche erfolgt. d) Unterbrechung wegen anderweitigen Vollzugs. In entsprechender Anwen- 70 dung des § 38 Nr. 4 StVollstrO wird auch die Strafzeit berechnet, wenn eine Strafvollstreckung oder Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB zur Vollstreckung einer in anderer Sache verhängten Strafe unterbrochen wird.115 e) Selbstgestellung des Verurteilten. Bei Selbstgestellung des Verurteilten wird 71 nach § 38 Nr. 1 StVollstrO als Strafzeitbeginn der Zeitpunkt gerechnet, in dem er in einer Anstalt „in amtliche Verwahrung“ genommen wird, während § 22a StVollstrO 1935 nur den Zeitpunkt der Aufnahme in eine – wenn auch nicht die zuständige – Justizvollzugsanstalt gelten lassen wollte. Es genügt also z. B. auch die Aufnahme in ein Polizeigefängnis, wenn die Anstalt bereit ist, den Verurteilten zu überführen oder ihn bis zur 113 A. A. – wenn auch mit Ausnahmen – Pohlmann/Jabel/Wolf § 40, 9: Überschreitung des Urlaubs hat grundsätzlich die Unterbrechung der Strafvollstreckung zur Folge.

114 Rpfleger 1974 113. 115 OLG Hamm Rpfleger 1961 354 mit Anm. Pohlmann; Pohlmann/Jabel/Wolf § 38, 22.

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§ 451

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Abholung in die zuständige Justizvollzugsanstalt zu behalten. Die Vorschrift geht weiter als § 27 Abs. 5 StVollstrO, wonach Verurteilte, die offenbar nicht die Mittel haben, um von ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort aus der Strafantrittsladung in die nach dem Vollstreckungsplan zuständige Vollzugsanstalt nachzukommen, in eine näher gelegene Anstalt geladen werden können. § 38 Nr. 1 StVollstrO ermöglicht es einem Verurteilten, der auch über die Mittel zur Reise in die nächstgelegene Vollzugsanstalt nicht verfügt, sich in der nächstgelegenen zur amtlichen Verwahrung geeigneten Anstalt zu stellen. Eine Verpflichtung, ihn aufzunehmen, ist aber für die Anstalt in § 38 Nr. 1 StVollstrO nicht ausgesprochen. Es kommt also, wenn der Verurteilte sich in einer nicht der Justizverwaltung angehörigen Anstalt meldet, darauf an, ob sie die amtliche Verwahrung zu übernehmen bereit ist.116

XI. Verfahrensbeteiligte Staatsanwaltschaft bei der Strafvollstreckungskammer in einem anderen Bezirk (Absatz 3) 1. Grundgedanke. Die Schaffung des § 451 Abs. 3 durch Art. 21 Nr. 120 EGStGB 1974117 wurde durch die gleichzeitige Einrichtung der Strafvollstreckungskammern (§ 462a; §§ 78a, 78b GVG) erforderlich. Die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde leitet sich aus ihrer Zuständigkeit im Vor- und Hauptverfahren ab und ändert sich im Stadium der Vollstreckung grundsätzlich nicht (§ 143 Abs. 1 GVG, § 7 Abs. 1 StVollstrO). Diese Staatsanwaltschaft gibt auch – nunmehr wieder als Strafverfolgungsbehörde – diejenigen Stellungnahmen ab und stellt diejenigen Anträge gegenüber dem Gericht, die sich im gerichtlichen Nachverfahren im Stadium der Strafvollstreckung nach der Strafprozessordnung aus ihrer Beteiligung an dem gerichtlichen Verfahren ergeben, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese dem Landgericht des eigenen Bezirks oder einem anderen Landgericht angehört.118 73 Dagegen richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, soweit sie für die Nachtragsentscheidungen zuständig ist, nach einem anderen örtlichen Anknüpfungspunkt, nämlich der Lage der Anstalt, in die der Verurteilte im Zeitpunkt der Befassung des Gerichts mit der Sache aufgenommen ist (§ 462a), so dass sich die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde, die „die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben“ (die im Vollstreckungsstadium der Vollstreckungsbehörde als Strafverfolgungsbehörde obliegenden Aufgaben) vorzunehmen hat, und die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer häufig nach unterschiedlichen örtlichen Anknüpfungspunkten richtet. 74 Für den Gesetzgeber stellte sich die Frage, welche Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall gegenüber der Strafvollstreckungskammer die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben wahrnehmen soll: die Staatsanwaltschaft, die nach den allgemeinen Vorschriften die örtlich zuständige Vollstreckungsbehörde ist, oder die – im Übrigen mit der Sache nicht befasste – Staatsanwaltschaft bei dem – u. U. auch einem anderen Bundesland angehörigen – Landgericht, bei dem die zuständige Strafvollstreckungskammer errichtet ist? Der Gesetzgeber hat sich in § 451 Abs. 3 für einen Mittelweg entschieden. Danach ist aus „Gründen der Praktikabilität“119 grundsätzlich die erstgenannte Staatsanwaltschaft 72

116 117 118 119

Näher dazu Pohlmann/Jabel/Wolf § 38, 2 f. BGBl. I S. 469, 502. KMR/Paulus/Stöckel 16; Bringewat 41. Begr. des RegE zu Art. 19 Nr. 10 – BTDrucks. 7 550.

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zuständig, die damit aus der früheren Sachbeteiligung gewonnenen Erfahrungen und Aktenkenntnis nutzbar machen kann.120 2. Aufgabenübertragung. Diese Staatsanwaltschaft kann aber ihre Aufgaben der 75 Staatsanwaltschaft am Ort der Strafvollstreckungskammer übertragen, wenn es „im Interesse des Verurteilten geboten erscheint“.121 Ein solcher Übertragungsgrund kann auch in der unter Umständen besseren Erfahrung der letzteren Staatsanwaltschaft bestehen. Um Missbräuche auszuschließen, ist eine (die Staatsanwaltschaft am Ort der Strafvollstreckungskammer) bindende Wirkung der Übertragung ausgeschlossen und vorgesehen, dass die Übernahme nur durch Vereinbarung, also mit Zustimmung der um Übernahme angegangenen Staatsanwaltschaft, zulässig ist.122 Während der Übernahme steht dann das Weisungsrecht der der übernehmenden Staatsanwaltschaft übergeordneten Stelle (§§ 146, 147 GVG) zu. Endet die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer (§ 462a, 22),123 so endet damit auch die durch Übernahme begründete Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft am Ort der Strafvollstreckungskammer. Sie entfällt auch, soweit die Strafvollstreckungskammer gemäß § 462a Abs. 1 Satz 3 einzelne Entscheidungen an das Gericht des ersten Rechtszugs abgibt. Eine einverständliche Beendigung der Übernahme ist stets möglich, wohl aber auch eine einseitige Rücknahme der Übertragung durch die übertragende Staatsanwaltschaft, wenn ihr die Aufrechterhaltung der Übertragung nicht mehr im Interesse des Verurteilten geboten erscheint.124 In der Praxis wird von der Übertragungsmöglichkeit kaum Gebrauch gemacht. Das ist grundsätzlich auch sachgerecht, denn die Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen geführt hat, kennt im Allgemeinen die Akten am besten. Im Falle der Übertragung müssten sich ein bisher mit dem Verfahren nicht vertrauter Staatsanwalt – und ggf. auch ein Rechtspfleger – unter Umständen in umfangreiches Aktenmaterial einarbeiten, um gegenüber der Strafvollstreckungskammer eine fundierte Stellungnahme begründen zu können. Von der Möglichkeit einer Übertragung sollte daher nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn besondere Umstände der einzelnen Vollstreckungssache es im Interesse des Verurteilten ausnahmsweise als sachgerecht erscheinen lassen.125 Letzteres kann etwa dann der Fall sein, wenn gegen einen Verurteilten mehrere Freiheitsstrafen für verschiedene Vollstreckungsbehörden zu vollstrecken sind. Auch wenn es in solchen Fällen im Interesse des Verurteilten und letztlich auch der beteiligten Vollstreckungsbehörden liegt, dass keine divergierenden Anträge der Vollstreckungsbehörden gestellt werden, wird von der Übertragungsmöglichkeit gerade auch in solchen Fällen in der Praxis nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. In der Regel scheitert eine Übertragung an der Zustimmung der um Übernahme ersuchten Staatsanwaltschaft. So kommt es in der Praxis nicht selten in derartigen Fällen nicht nur zu divergierenden Anträgen der beteiligten Staatsanwaltschaften, sondern auch zu – für einen Verurteilten kaum noch nachvollziehbaren – divergierenden Entscheidungen, z. B. wenn eine Staatsanwaltschaft gegen die Aussetzung des

120 LG Dortmund NStZ 1988 384. Bedauert wird diese Entscheidung des Gesetzgebers von Treptow NJW 1975 1105; MDR 1976 101; Doller DRiZ 1976 172; 1987 267; Peters GA 1977 107; Stromberg MDR 1979 354; Rotthaus FS Blau 336. 121 KK/Appl 26; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Bringewat 42. 122 Katholnigg NStZ 1982 195; KK/Appl 26; KMR/Paulus/Stöckel 18; Bringewat 46. 123 BGHSt 26 214, 217; KK/Appl 27; KMR/Paulus/Stöckel 18; Bringewat 45. 124 A. A. Bringewat 45. 125 A. A. LR/Wendisch25 72; KMR/Paulus/Stöckel 18 (Praxis erscheint sachwidrig); Treptow NJW 1975 1105 (bedauerlicherweise keine „Vollzugsstaatsanwaltschaft“ eingerichtet); MDR 1976 101; Doller DRiZ 1976 172; KK/Appl 26, 28; Bringewat 42 („sachwidriger Zuständigkeitswirrwarr“).

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§ 452

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Strafrestes zur Bewährung durch die Strafvollstreckungskammer erfolgreich sofortige Beschwerde einlegt, während eine andere Staatsanwaltschaft dies nicht tut. 76

3. Beteiligte Staatsanwaltschaft im Beschwerdeverfahren. Zu den Aufgaben der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde gehört nach Absatz 3 Satz 1 auch die Einlegung der zulässigen Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer. Aufgrund des Wegfalls der früheren § 306 Abs. 1 Satz 2 und § 311 Abs. 2 Satz 2 durch Art. 4 Nr. 1 des OWiGÄndG vom 7.7.1986,126 wonach in dringenden Fällen die Beschwerde oder sofortige Beschwerde auch bei dem der Strafvollstreckungskammer im Instanzenzug übergeordneten Oberlandesgericht eingelegt werden konnte, das für die Beschwerdeentscheidung zuständig ist, ist die Einlegung seit dem 1.7.1987 nur noch beim Erstgericht zulässig. Absatz 3 Satz 1 gilt auch, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die nach § 453 zu treffende Entscheidung nach § 462a Abs. 2 Satz 2 abgibt.127 Die weitere Beteiligung am Beschwerdeverfahren ist dann aber nach Wortlaut („gegenüber der Strafvollstreckungskammer“) und Sinn des Absatzes 3 Satz 1 Sache der bei diesem Oberlandesgericht bestehenden Staatsanwaltschaft und nicht etwa der Staatsanwaltschaft, die der Beschwerde führenden Staatsanwaltschaft übergeordnet ist.128

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4. Reformvorschläge. Reformvorschläge, die auf den bisher gemachten Erfahrungen beruhen, gehen dahin, unter Aufgabe der bisherigen Regelung zwecks Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung als Gegenstück zur Strafvollstreckungskammer eine Vollstreckungsstaatsanwaltschaft mit ausschließlicher Zuständigkeit zu schaffen, die bei einem Zuständigkeitswechsel der Strafvollstreckungskammer infolge Verlegung des Gefangenen ebenfalls wechselt. Von der Übertragungsmöglichkeit nach § 451 Abs. 3 Satz 2 sollte in solchen Fällen, in denen wenigstens zwei Staatsanwaltschaften in unterschiedlichen Vollstreckungssachen beteiligt sind, verstärkt Gebrauch gemacht werden.129

§ 452 Begnadigungsrecht 1 In Sachen, in denen im ersten Rechtszug in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist, steht das Begnadigungsrecht dem Bund zu. 2 In allen anderen Sachen steht es den Ländern zu.

Schrifttum Baltes Der Rechtsweg bei Gnadenentscheidungen, DVBl. 1972 562; Birkhoff/Lemke Gnadenrecht (2012); Brandt Überlegungen zur gerichtlichen Überprüfbarkeit negativer Gnadenentscheidungen, DVBl. 1974 925; Dimoulis Die Begnadigung in vergleichender Perspektive (1996); Drews Das deutsche Gnadenrecht (1971); Freuding Gnadenrecht – Ein Überblick über das Gnadenverfahren am Beispiel der Gnadenordnung für NRW, StraFo 2009 491; Geerds Gnade, Recht und Kriminalpolitik (1960); Geier Einsichtnahme

126 BGBl. I S. 977. 127 Katholnigg NStZ 1982 195; KK/Appl 20; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Bringewat 46; LG Dortmund NStZ 1988 381; a. A. LG München NStZ 1981 453; Engel NStZ 1987 110.

128 OLG Karlsruhe OLGSt § 451 Abs. 3 StPO 1; KK/Appl 26; KMR/Paulus/Stöckel 20; Meyer-Goßner/ Schmitt 21; Bringewat 46; a. A. offenbar Lampe MDR 1979 531. 129 Für eine generell häufigere Übertragung vgl. LR/Wendisch25 72; KMR/Paulus/Stöckel 18; Treptow NJW 1975 1105; MDR 1976 101; Doller DRiZ 1976 172; KK/Appl 26; Bringewat 44.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-006

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 452

in Gnadenakten, ZRP 1971 174; Graalmann-Scheerer Zur Reform des bremischen Gnadenrechts, FS Lissau (2012) 167; Grauhan Der Bundespräsident – aktiv oder neutral? JR 1965 379; Hall Überlegungen zur Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten, JZ 1965 305; Held Gnade und Recht, FS Odersky (1996) 413; Huba Gnade im Rechtsstaat? Staat 1990 117; Jekewitz Verfassungsrechtliche Aspekte des strafrechtlichen Zugriffs auf Geldvermögen und seine Rückgängigmachung auf dem Gnadenweg, GA 1998 276; Kauther Gnade vor Recht! Auch heute noch? VR 1978 193; Klein Gnade – ein Fremdkörper im Rechtsstaat? (2001); Knemeyer Auf dem Wege zur Justitiabilität von Gnadenakten, DÖV 1970 121; Laband Das Gnadenrecht in Finanzsachen nach preußischem Recht, AöR 7 169; Lemke Widerruf eines Gnadenerweises, FS Strauda (2006) 375; Maurer Das Begnadigungsrecht im modernen Verfassungs- und Kriminalrecht (1979); Merten Rechtsstaatlichkeit und Gnade (1978); Mickisch Die Gnade im Rechtsstaat (1995); Mittelbach Zur Frage einer Neuregelung des Gnadenrechts, NJW 1951 96; Müller-Dietz Recht und Gnade, DRiZ 1987 474; Oettle Überlegungen zur gerichtlichen Überprüfbarkeit negativer Gnadenentscheidungen, DVBl. 1974 927; von Olshausen Zur landesverfassungsrechtlichen Eröffnung des Rechtsweges gegen Gnadenentscheidungen der Länder und des Bundes, JZ 1974 440; Petersen Gnadenakt und Rechtsweggarantie, JuS 1974 502; Pieper Das Gnadenrecht des Bundespräsidenten – eine Bestandsaufnahme, FS Herzog (2009) 355; von Preuschen Rechtsschutz in Gnadensachen des § 452 StPO, Diss. Kiel 1968; Rinio Rechtsprechungsübersicht zum Widerruf von Gnadenerweisen, NStZ 2006 438; Schätzler Gnade vor Recht, NJW 1975 1249; ders. Handbuch des Gnadenrechts (1992); Schall Gnade vor Recht oder Recht vor Gnade? FS Herzberg (2008) 899; Schenke Rechtsschutz gegen Gnadenakte, JA 1981 588; Schmitz Gnadenbringende Weihnachtszeit …auch für sog. „Vollverbüßer“! StV 2007 608; Schütte Gnade vor Recht? Eine Betrachtung zur Entwicklung des Gnadenrechts, UBWV 2007 161; Sonnen Gnade, Gnade vor Recht, Gnadenrecht – auch in der Jugendkriminalrechtspflege, FS Streng (2017) 617; Trautmann Geltung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG bei Gnadenentscheidungen? MDR 1971 173; Volckart Zur Verrechtlichung der Gnade in Strafvollstreckung und Vollzug, NStZ 1982 496; Weyand Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Steuerstrafverfahren, PStR 2007 189; Wiontzek Handhabung und Wirkungen des Gnadenrechts (2008).

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift hatte ursprünglich in § 484 RStGB folgenden Wortlaut: „In Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt hat, steht das Begnadigungsrecht dem Kaiser zu.“ Ihre spätere Bezeichnung erhielt sie durch die Bek. 1924, mit der zugleich das Wort „Kaiser“ durch das Wort „Reiche“ ersetzt wurde. Durch Art. 3 Nr. 186 VereinhG 1950 erhielt sie folgende Fassung: „In Sachen, in denen der Bundesgerichtshof im ersten Rechtszug entschieden hat, steht das Begnadigungsrecht dem Bunde, sonst den Ländern zu.“ Die jetzige Fassung beruht auf Art. 2 Nr. 16 StaatsschStrafsG 1969. Bezeichnung bis 1924: § 484.

I.

II.

III.

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Übersicht Bedeutung und Reichweite der Vorschrift 1. Bedeutung 1 2. Reichweite 2 Zuständigkeiten 1. Bund 4 2. Länder 6 Gnadenverfahren 1. Einleitung 8 a) Antrag des Verurteilten 9 b) Antrag von Dritten 10 c) Von Amts wegen 11 2. Aufklärungspflicht der Gnadenbehörde 12 3. Entscheidung 13

a)

IV.

V.

Gewährung eines Gnadenerweises 14 b) Ablehnung des Gnadengesuchs 15 Rechtsweg 1. Unanfechtbare Gnadenentscheidungen 16 2. Anfechtbare Gnadenentscheidungen 17 Reformüberlegungen 1. Begründung ablehnender Gnadenentscheidung 19

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§ 452

2.

3.

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Unterrichtung von Behörden oder Stellen über die Gnadenentscheidung 21 Akteneinsicht in den Gnadenvorgang 22

4. 5.

Rücknahme eines Gnadenerwei24 ses Bestellung eines notwendigen Verteidigers im Gnadenverfahren 27

Alphabetische Übersicht Ablehnung des Gnadengesuchs 15 Akteneinsicht 18, 22 Amnestie 1 Anfechtung 16 ff. Antrag – Dritter 10 – Verurteilter 9 Aufklärungspflicht 12 Bedeutung 1 Begründung ablehnender Gnadenentscheidung 19 f. Berufsgerichtliche Verfahren 2 Einigungsvertrag 5 Einleitung des Gnadenverfahrens 8 ff. Ermessen 15, 17 Generalstaatsanwalt 7 Gnadenbefugnis 4 ff. Gnadenbehörden 6 f. Gnadenbescheid 14 f. – Begründung 15 Gnadenheft 13 Gnadenmaßnahme 1

Gnadenordnung 1, 6 f. Gnadenverfahren 8 Jugendrichter als Vollstreckungsleiter 7 Leitender Oberstaatsanwalt 7 Ordnungsmittel 2 Ordnungswidrigkeitenverfahren 2 Rechtliches Gehör 14, 18 Rechtsweggarantie 16 f. Reformüberlegungen 19 ff. Reichweite 2 f. Rücknahme eines Gnadenerweises 24 f. Subsidiarität des Gnadenverfahrens 8 Umfang des Begnadigungsrechts 2 Unterrichtung von Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen 21 Verteidiger 22, 27 f. Vollstreckungshindernis 14 Widerruf eines Gnadenerweises 17 f. Zuständigkeit – Bund 4 f. – Länder 6 f.

I. Bedeutung und Reichweite der Vorschrift 1

1. Bedeutung. Eine Gnadenmaßnahme bedeutet eine Milderung oder Aufhebung einer Strafe oder Maßnahme als Einzelfallentscheidung der Exekutive nach Eintritt der Rechtskraft.1 Das Gnadenrecht hat seine gesetzliche Grundlage in Art. 60 Abs. 2 GG, in den Landesverfassungen und den von den Justizministern der Länder erlassenen Gnadenordnungen.2 Von einer Gnadenentscheidung ist eine Amnestie zu unterscheiden, bei der es sich um eine abstrakt-generelle gesetzliche Regelung handelt.3 Bei einer Amnestie regelt der Gesetzgeber die Voraussetzungen, unter denen einem größeren Personenkreis Straffreiheit oder Strafermäßigung zu Teil wird, wobei eine Amnestie im Gegensatz zur Gnadenmaßnahme nicht auf rechtskräftig abgeurteilte Fälle beschränkt ist.

2

2. Reichweite. Das Begnadigungsrecht erstreckt sich nicht nur auf das Strafverfahren, sondern des Weiteren auch auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren sowie 1 BVerfGE 25 352, 358. 2 Vgl. Nachweise der Fundstellen für die Gnadenordnungen der Länder bei Schönfelder Deutsche Gesetze, § 452 Fn. 1 und Übersicht bei Röttle/Wagner Rn. 705; Texte der Gnadenordnungen des Bundes und der Länder bei Birkhoff/Lemke S. 202 bis 460. 3 BVerfGE 2 213, 219.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 452

auf berufsgerichtliche Verfahren und Ordnungsmittel. Im Strafverfahren setzt ein Gnadenerweis stets eine rechtskräftige gnadenfähige Entscheidung voraus. Der Verurteilte bzw. Betroffene muss durch die jeweilige Einzelfallentscheidung beschwert sein. Ferner muss die Beschwer fortbestehen. Das ist z. B. dann der Fall, wenn eine Strafe, Nebenstrafe, Nebenfolge oder Maßregel der Besserung und Sicherung – noch – nicht vollstreckt, erlassen oder verjährt ist. Der Schuldspruch ist einer Gnadenmaßnahme nicht zugänglich. Das gilt gleicher- 3 maßen für Eintragungen in das Bundeszentral-, Fahreignungs- oder Erziehungsregister, für die Festsetzung von Zwangsgeldern und Erzwingungshaft, für den Verfall der Sicherheit (§ 124) sowie die Bekanntgabe der Verurteilung (§§ 165, 200 StGB) und auch für die retrograde Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters in der DNA-Analyse-Datei (§ 81g Abs. 4).

II. Zuständigkeiten 1. Bund. Nach Art. 96 Abs. 5 GG kann ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bun- 4 desrates für Strafverfahren auf den folgenden Gebieten vorsehen, dass Gerichte der Länder Gerichtsbarkeit des Bundes ausüben: Völkermord, völkerstrafrechtliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, andere Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (Art. 26 Abs. 1 GG), auf dem Gebiet des Staatsschutzes. Durch das Gesetz vom 8.9.19694 wurde die frühere erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs in Staatsschutzstrafsachen auf die Oberlandesgerichte übertragen (§ 120 GVG). Der Bundesgerichtshof ist insoweit Revisionsgericht (§ 135 GVG). Die Oberlandesgerichte, die Gerichte der Länder sind, üben im Wege der Organleihe nach § 120 Abs. 6 GVG insoweit Gerichtsbarkeit des Bundes i. S. des Art. 96 Abs. 5 GG aus, als für die Verfolgung die Zuständigkeit des Bundes nach § 142a GVG begründet ist, d. h. der Generalbundesanwalt die Anklage erhoben hat.5 Soweit danach, weil „in Ausübung von Gerichtsbarkeit des Bundes entschieden worden ist“, das Gnadenrecht dem Bund zusteht, übt es nach Art. 60 Abs. 2 GG der Bundespräsident aus.6 Über die Ausübung des Gnadenrechts bei Gesamtstrafen, in die „Einzelstrafen verschiedener Gerichtsbarkeiten“ einbezogen sind (d. h. Einzelstrafen, bei denen das Begnadigungsrecht nach § 452 teils dem Bund, teils einem Land, oder bei denen es mehreren Ländern zusteht), haben die Gnadenrechtsinhaber am 27.10.1971 eine Vereinbarung dahin getroffen,7 dass das Gnadenrecht allein dem Staat zusteht, dessen Gerichtsbarkeit das Gericht bei der Entscheidung über die Gesamtstrafe ausgeübt hat.8 Das Begnadigungsrecht steht dem Bund gemäß Anlage I Kapitel III Sachgebiet A 5 Abschnitt III Nr. 14 Buchst. i des Einigungsvertrages auch zu, wenn ein Gericht der früheren DDR in einer Sache entschieden hat, die in den alten Bundesländern der Gerichtsbarkeit des Bundes unterfallen würde. In allen anderen Sachen steht es den Ländern zu.

4 BGBl. I S. 1582. 5 Wegen weiterer Einzelheiten s. die Erl. zu § 12 GVG (Begnadigungsrecht). 6 Näher dazu die AO über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes vom 19.10.1965 – BGBl. I S. 1573 – mit Änderung vom 3.11.1970 – BGBl. I S. 1513.

7 Abgedruckt bei Schätzler (Handbuch) Abschnitt 2.4 S. 26. 8 KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 7.

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2. Länder. Soweit der Bund die Gnadenbefugnis nicht innehat, liegt sie bei den Ländern. Nach den jeweiligen Landesverfassungen sind Träger des Begnadigungsrechts die Ministerpräsidenten, im Saarland die Landesregierung unter anderem bei lebenslangen Freiheitsstrafen und unbefristeter Sicherungsverwahrung, in den Stadtstaaten der Senat. Die Ausübung des Begnadigungsrechts ist in den Gnadenordnungen der Länder jedoch ganz überwiegend auf den Justizminister bzw. -senator mit einer weiteren Delegationsbefugnis auf ihm unterstellte nachgeordnete Justizbehörden übertragen worden. Die Justizminister bzw. -senatoren haben von der weiteren Delegationsbefugnis durchweg in den von ihnen als Allgemeine Verfügungen erlassenen Gnadenordnungen Gebrauch gemacht. 7 In den Gnadenordnungen werden die einzelnen Gnadenkompetenzen sowie der Gang des Gnadenverfahrens im Einzelnen geregelt. Die Gnadenbefugnisse werden regelmäßig bis auf bedeutende Einzelfälle (z. B. bei der lebenslangen Freiheitsstrafe) je nach Bedeutung und Art des Gnadenerweises auf den Generalstaatsanwalt, den Leitenden Oberstaatsanwalt und den Jugendrichter als Vollstreckungsleiter delegiert.

6

III. Gnadenverfahren 8

1. Einleitung. Das Gnadenverfahren kann auf Antrag von Verurteilten, Dritten oder von Amts wegen eingeleitet werden. Vor der Einleitung eines Gnadenverfahrens ist stets zu prüfen, ob die im Gnadenwege angestrebte Maßnahme auch durch eine Entscheidung des Gerichts, der Vollstreckungsbehörde oder der Vollzugsbehörde zu erreichen ist. Ist dies der Fall, so ist ein Gnadengesuch entsprechend auszulegen. Eine Entscheidung des Gerichts, der Vollstreckungs- oder Vollzugsbehörde ist gegenüber einer Gnadenmaßnahme stets vorrangig. Eine Gnadenentscheidung ist mithin subsidiär. Dies folgt aus dem Ausnahmecharakter von Gnadenerweisen.

9

a) Antrag des Verurteilten. In der Praxis wird ein Gnadenverfahren in der Regel durch einen Antrag von Verurteilten eingeleitet. Ein solcher Antrag ist weder an eine Frist noch an eine Form gebunden. Es empfiehlt sich jedoch die Schriftform. Sind Verurteilte des Schreibens oder der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, so kann der Antrag zu Protokoll der Rechtsantragsstelle der Vollstreckungsbehörde gestellt werden, die das Gesuch alsdann an die zuständige Gnadenbehörde weiterleitet. Anträge, die nach ihrem Sinngehalt als Gnadengesuch auszulegen sind, sind, sofern sie bei einer nicht zur Entscheidung berufenen Stelle eingegangen sind, von dort an die zuständige Gnadenbehörde weiterzuleiten.

10

b) Antrag von Dritten. Für einen Antrag von Dritten gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Als Dritter kommt jede natürliche Person (z. B. Ehepartner, Lebenspartner, Lebensgefährte, Eltern, Bewährungshelfer), aber auch ein Verantwortlicher einer juristischen Person (z. B. Geschäftsführer einer GmbH als Arbeitgeber) in Betracht.

11

c) Von Amts wegen. Von Amts wegen wird ein Gnadenverfahren durch die zuständige Vollstreckungsbehörde eingeleitet und der Gnadenbehörde zur Entscheidung vorgelegt, wenn besondere Umstände einen Gnadenerweis nahelegen, denen durch gesetzliche Regelungen – wie etwa nach den §§ 455, 455a, 456, 456c, 459a, 459d, 459f, 459g – nicht hinreichend entsprochen werden könnte oder konnte. Dabei wird es sich regelmäGraalmann-Scheerer

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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ßig um solche Umstände handeln müssen, die das Gericht bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht berücksichtigen konnte, weil diese im Zeitpunkt der letzten tatgerichtlichen Entscheidung nicht bekannt waren oder erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sind. 2. Aufklärungspflicht der Gnadenbehörde. Die Gnadenbehörde ist grundsätzlich 12 gehalten, vor einem Gnadenerweis eine aktuelle Auskunft aus dem Bundeszentral-, ggf. dem Fahreignungsregister oder dem Erziehungsregister einzuholen und ggf. die Akten neuer Verfahren anzufordern und auszuwerten. Auch wenn es sich bei Gnadenentscheidungen um Ermessensentscheidungen handelt, die ganz überwiegend einer gerichtlichen Nachprüfung nicht zugänglich sind (vgl. Rn. 16 ff.), so ist die Gnadenbehörde dennoch verpflichtet, ihre Entscheidung auf eine ausreichende Tatsachengrundlage zu stützen und unter Umständen den Sachverhalt auch vorab näher aufzuklären. Dabei wird zunächst einmal der Antragsteller erforderliche Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen beizubringen haben. Die Gnadenbehörde kann sich aber auch in entsprechender Anwendung des § 463d der Gerichtshilfe bedienen und diese um einen schriftlichen Bericht ersuchen. Die Gnadenordnungen der Länder sehen ferner die Anhörung des Gerichts des ersten Rechtszuges, ggf. des Berufungsgerichts, des Bewährungshelfers, des Leiters der Justizvollzugsanstalt und bei Jugendlichen des Jugendamtes vor. Hat ein Gnadengesuch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, so haben derartige Ermittlungen zu unterbleiben. 3. Entscheidung. Die Entscheidung der Gnadenbehörde ergeht stets schriftlich 13 und ist im Gnadenheft zu dokumentieren. a) Gewährung eines Gnadenerweises. Bei Gewährung eines Gnadenerweises ist 14 der Antragsteller über Art und Inhalt der getroffenen Entscheidung zu bescheiden. Ist der Antragsteller nicht der Verurteilte, so ist die Gnadenbehörde gehalten, vor beabsichtigter Erteilung eines Gnadenerweises dem Verurteilten als dem davon unmittelbar Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren.9 Ein Gnadenerweis gegen dessen Willen wird regelmäßig nicht in Betracht kommen. Soweit ein gewährter Gnadenerweis Rechtsfolgen beseitigt, führt er insoweit zu einem Vollstreckungshindernis. Bei einer Abänderung einer getroffenen Rechtsfolgenentscheidung bildet die Gnadenentscheidung die neue Vollstreckungsgrundlage. b) Ablehnung des Gnadengesuchs. Bei Ablehnung eines Gnadengesuchs ist der 15 Antragsteller schriftlich zu bescheiden. Soweit die herrschende Meinung eine Anwendung des § 34 verneint,10 kann dem nicht gefolgt werden. Eine Begründung ist vielmehr in entsprechender Anwendung des § 34 vorzunehmen. Bei einer ablehnenden Gnadenentscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die mit der sachlichen Dienstaufsichtsbeschwerde an die vorgesetzte Gnadenbehörde angefochten werden kann. Für die Gnadenentscheidung gelten insoweit die Grundsätze zur Begründung von Ermessensentscheidungen entsprechend.11

9 KK/Appl 1. 10 SK/Paeffgen 7; KMR/Paulus/Stöckel 11; Röttle/Wagner Rn. 706. 11 LR/Graalmann-Scheerer § 34, 11; dies. FS Lissau 167, 170 f., 175.

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§ 452

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

IV. Rechtsweg 16

1. Unanfechtbare Gnadenentscheidungen. Ablehnende und gewährende Gnadenentscheidungen unterliegen keiner gerichtlichen Nachprüfung. Sie unterfallen als rechtswegfreie Regierungsakte nicht der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.12

2. Anfechtbare Gnadenentscheidungen. Hingegen unterfällt der Widerruf einer positiven Gnadenentscheidung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, weil dem Verurteilten durch die positive Gnadenentscheidung eine Rechtsstellung eingeräumt worden ist, die nicht mehr der Disposition der Exekutive unterliegen soll, sondern nur nach Maßgabe der Gnadenentscheidung selbst widerrufen werden kann. Der Widerruf ist insoweit rechtlich gebunden und damit der gerichtlichen Kontrolle zugänglich.13 Daraus folgt, dass die Widerrufsentscheidung der Gnadenbehörde stets der Begründung bedarf. Ob die Gnadenbehörde den Gnadenerweis widerruft, steht in ihrem Ermessen.14 Bei dem Widerruf einer positiven Gnadenentscheidung handelt es sich um eine Maßnahme auf dem Gebiet der Strafrechtspflege nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG. Soweit nach den Gnadenordnungen der Länder gegen die Widerrufsentscheidung die sachliche Dienstaufsichtsbeschwerde an die vorgesetzte Gnadenbehörde statthaft ist, kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG erst nach vorausgegangenem Beschwerdeverfahren gestellt werden (§ 24 Abs. 2 EGGVG). Im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG darf das Gericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Gnadenbehörde setzen. Vielmehr obliegt dem Gericht lediglich die Überprüfung der Entscheidung der Gnadenbehörde auf Ermessensfehler.15 Bei einem Widerruf eines Gnadenerweises unterliegt auch das insoweit vorberei18 tende Verfahren im Gegensatz zur sonstigen Ausgestaltung des Gnadenverfahrens grundsätzlich der gerichtlichen Kontrolle. Es besteht in diesem Rahmen ein Anspruch auf rechtliches Gehör und Akteneinsicht.16 17

V. Reformüberlegungen 19

1. Begründung ablehnender Gnadenentscheidung. In den Gnadenordnungen der Länder sind die Regelungen zur Begründungspflicht einer ablehnenden Entscheidung der Gnadenbehörde unterschiedlich ausgestaltet. Während in einigen Ländern17 eine ablehnende Entscheidung gegenüber dem Gesuchsteller bzw. Beschwerdeführer ausdrücklich nicht begründet wird, sondern die der Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen in einem zum Gnadenheft zu nehmenden gesonderten Vermerk niedergelegt werden, enthalten die übrigen Gnadenordnungen insoweit weitgehend keine Regelung. 12 BVerfGE 25 352, 357 ff.; zum Streitstand LR/Böttcher26 § 23 EGGVG, 36; SK/Paeffgen 8; KMR/Paulus/ Stöckel 13; KK/Appl 6.

13 BVerfGE 30 108; 49 221; LR/Böttcher26 § 23, 37 EGGVG; SK/Paeffgen 9; KMR/Paulus/Stöckel 14. 14 KG NStZ 1993 54 mit Anm. Eisenberg. 15 KG NStZ 1993 54; OLG Hamburg NStZ-RR 2004 139; 2004 223; Lemke FS Strauda 377; Rinio NStZ 2006 438 mit Rechtsprechungsnachweisen zum Widerruf von Gnadenerweisen. 16 LR/Böttcher26 § 23, 38 EGGVG. 17 Baden-Württemberg: § 19 Abs. 2 GnO, Die Justiz 2001 506; Saarland: § 11 Abs. 1 GnO, ABl. 2006 474, 530; Sachsen: § 19 Buchst. b GnO, Sächs. ABl. 2001 1192; Sachsen-Anhalt: § 20 Abs. 3 Satz 2 GnO, JMBl. LSA 2004 171; Thüringen JMBl. 2008 58: § 16 Abs. 2 GnO; Hessen: § 15 Abs. 2 GnO, GVBl. 2009 S. 519; Mecklenburg-Vorpommern: § 11a Abs. 2 GnO, ABl. 1998 S. 1556; Nordrhein-Westfalen: § 17 GnO, GVNW. 1976 S. 16; Rheinland-Pfalz: Nr. 17.4, JBl. 1995 S. 229; 2009 S. 150.

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Der Verzicht auf eine solche mag darauf beruhen, dass es sich von selbst versteht, in der Regel jedenfalls den tragenden Grund der getroffenen ablehnenden Entscheidung eines Gnadenerweises in dem Gnadenbescheid mitzuteilen. Denkbar sind aber auch Fälle, in denen es z. B. aus vollzuglichen oder therapeutischen Gründen nicht zweckmäßig erscheint, dem Gesuchsteller bzw. Beschwerdeführer eine Begründung zu geben. Im Grundsatz ist dieser Auffassung zuzustimmen. Im Zuge von Reformüberlegungen 20 kann es aber durchaus bedenkenswert sein, eine Gnadenbehörde in der Regel zu verpflichten, ihre Entscheidung zu begründen. In besonders gelagerten Einzelfällen muss sie aber von dieser Regel abweichen und von einer Begründung absehen können. Eine grundsätzliche Pflicht zur Begründung von ablehnenden Gnadenentscheidungen würde dazu beitragen, dem nicht justiziablen Gnadenrecht zu etwas mehr Transparenz zu verhelfen.18 Eine solche Verfahrensweise kann nicht nur zu einer höheren Akzeptanz der getroffenen Entscheidung beitragen; sie ermöglicht auch eine substantiierte (weitere) Beschwerdebegründung. 2. Unterrichtung von Behörden oder Stellen über die Gnadenentscheidung. 21 Nur wenige Gnadenordnungen der Länder enthalten Regelungen zur Unterrichtung von Behörden oder Stellen über die getroffene Gnadenentscheidung.19 Während § 477 Abs. 2 Nr. 3 StPO die Übermittlung personenbezogener Daten aus Strafverfahren für Entscheidungen in Gnadensachen ausdrücklich gesetzlich regelt, ist eine umgekehrte Mitteilung aus dem Gnadenverfahren in den Gnadenordnungen nicht geregelt. Eine bereichsspezifische bundesgesetzliche Regelung in der Strafprozessordnung oder im EGGVG dürfte im Hinblick auf die Gnadenhoheit der Länder aus Rechtsgründen ausscheiden. Ebenso wenig kommen Art. 60 Abs. 2 GG oder die Landesverfassungen als Rechtsgrundlage für eine Datenübermittlung in Betracht. Ohne gesetzliche Grundlage ist eine Datenübermittlung, so sinnvoll sie auch gegenüber der Leitung der Justizvollzugsanstalt oder Maßregelvollzugseinrichtung, der Bewährungshilfe, dem eine Bewährungsaufsicht führenden Gericht oder der Führungsaufsichtsstelle auch sein mag, rechtlich nicht zulässig. Eine Regelung für eine Datenübermittlung in den Gnadenordnungen der Länder scheidet schon deshalb aus, weil es sich dabei nicht um förmliche Gesetze, sondern Verwaltungsvorschriften handelt.20 3. Akteneinsicht in den Gnadenvorgang. Die Gnadenordnungen der Länder sehen 22 überwiegend ausdrücklich keinen Anspruch auf Akteneinsicht in Gnadenvorgänge vor.21 Der Verteidiger hat ein Einsichtsrecht in die Hauptakten, das Vollstreckungsheft sowie das Bewährungs- und Führungsaufsichtsheft. Das Gnadenheft sollte er jedoch dann einsehen können, wenn besondere Umstände des Einzelfalls dies nahelegen, wobei ein Akteneinsichtsrecht für den Gesuchsteller bzw. Beschwerdeführer oder dessen Verteidiger über die Vorschriften der Strafprozessordnung auch in den Gnadenordnungen der Länder nicht hinausgehen dürfte. Da ein Verurteilter auch im Gnadenverfahren einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat, sind ihm bzw. seinem Verteidiger die Stellungnahmen angehörter Gerichte, Behörden oder sonstiger Stellen vor einer Entscheidung unter Fristsetzung mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis zu geben.22 18 Graalmann-Scheerer FS Lissau 171. 19 Mitteilungspflichten enthalten die Gnadenordnungen der Länder Sachsen-Anhalt (§ 20 GnO) und Sachsen (§ 22 GnO). 20 Graalmann-Scheerer FS Lissau 172. 21 Graalmann-Scheerer FS Lissau 172. 22 Graalmann-Scheerer FS Lissau 173.

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Sofern Dritte (z. B. Ehepartner/in, Lebenspartner/in, Eltern, Geschwister, Arbeitgeber, Freunde, Medienvertreter) Gesuchsteller bzw. Beschwerdeführer sind, scheidet ein Anspruch auf Akteneinsicht in aller Regel schon deshalb aus, weil sie nicht Verfahrensbeteiligte sind und überwiegend auch im Strafverfahren nach den Vorschriften der Strafprozessordnung und des EGGVG kein Akteneinsichtsrecht haben.23

4. Rücknahme eines Gnadenerweises. Die meisten Gnadenordnungen der Länder enthalten keine Regelungen dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Gnadenerweis zurückgenommen werden kann. Eine klare und für die Gnadenbehörde in der Praxis gut handbare Regelung sieht § 35 BayGnO vor mit einer obligatorischen Rücknahme eines Gnadenerweises, wenn dieser durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde. Die Gnadenbehörde muss ferner einen Gnadenerweis dann zurücknehmen kön25 nen, wenn sie von einer vor Gewährung desselben begangenen Tat keine Kenntnis gehabt hat. Solange keine Eintragung im Bundeszentralregister erfolgt ist, weiß die Gnadenbehörde in der Regel nichts von einer neuen Tat des Verurteilten. Von im Zeitpunkt der Gewährung eines Gnadenerweises anhängigen Ermittlungsverfahren hat sie üblicherweise keine Kenntnis, sofern nicht eine Zuständigkeit im eigenen Geschäftsbereich besteht, denn eine Auskunft aus dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister erhalten nach § 492 Abs. 3 Satz 2 grundsätzlich nur Strafverfolgungsbehörden und auch nur für Zwecke des Strafverfahrens. Gnadenbehörden bekommen hingegen keine Auskunft.24 In der Praxis hat dies zur Folge, dass die Gnadenbehörde von einem neu eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten, sofern er dies in seinem Gnadengesuch nicht selbst angibt, was die Regel sein dürfte, im Zeitpunkt der Gewährung eines Gnadenerweises oftmals keine Kenntnis hat. Für eine solche Konstellation sollten die Gnadenordnungen der Länder Regelungen für eine Rücknahme eines Gnadenerweises vorsehen. Denn wer schon in seinem Gnadengesuch nicht wahrheitsgemäß und vollständig vorträgt, ist grundsätzlich nicht gnadenwürdig. Die Zuständigkeit für die Rücknahme eines Gnadenerweises sollte bei der Gna26 denbehörde liegen, die den Gnadenerweis gewährt hat.

24

5. Bestellung eines notwendigen Verteidigers im Gnadenverfahren. Die Bestellung eines notwendigen Verteidigers im Gnadenverfahren in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 kommt im Hinblick auf den nach § 23 EGGVG eröffneten Rechtsweg in Betracht, wenn die Gnadenbehörde den Widerruf eines Gnadenerweises erwägt.25 Ferner wird eine Verteidigerbestellung analog § 140 Abs. 2 dann geboten sein, wenn 28 besondere Gründe in der Person des Verurteilten (z. B. Alter, geringe Intelligenz, Sprachbarriere) in einem von Amts wegen eingeleiteten Gnadenverfahren sie nahelegen, weil nach Aktenlage nicht zu erwarten ist, dass der Verurteilte in der Lage sein wird, seine Interessen in einem Gnadenverfahren selbst sachgerecht wahrzunehmen.26 27

23 Graalmann-Scheerer FS Lissau 173. 24 LR/Hilger26 § 492, 26. 25 LG Lübeck StraFo 2010 293; Graalmann-Scheerer StV 2011 696, 699; dies. FS Lissau 175; LR/Jahn § 137, 34; MüKo/Thomas/Kämpfer 9; SK/Wohlers 10. 26 Graalmann-Scheerer FS Lissau 175.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 453

§ 453 Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt (1) 1Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. 2Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. 3 § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. 4Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. 5Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt. (2) 1Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. 2Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. 3Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Schrifttum Baumann Die Auflagenkataloge im Strafrecht, GA 1958 193; Blösch Wann kann die Strafe nach dem Widerruf der Strafaussetzung vollstreckt werden? NJW 1963 1296; Boetticher Zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, NStZ 1991 1; Bringewat Die mündliche Anhörung gemäß § 454 I 3 StPO – eine mündliche Verhandlung eigener Art, NStZ 1996 17; Bublies Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe (1989); Dallinger Das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz – Gerichtsverfassung und Strafverfahren, JZ 1953 432; Dölling Das Dreiundzwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz – Strafaussetzung zur Bewährung, NJW 1987 1041; Doller Organisation und Geschäftsgang der StVK, DRiZ 1976 169; ders. Die mündliche Anhörung des Verurteilten durch die StVK, DRiZ 1977 80; Engel Zuständigkeit und Stellung des Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung, NStZ 1987 110; Frommeyer Aus der Rechtsprechung zum Widerruf der Strafaussetzung, StraFo 2018 493; Göke Wann ist ein die bedingte Entlassung anordnender Beschluß zu vollziehen? NJW 1958 1670; Greger Das 23. Strafrechtsänderungsgesetz, JR 1986 353; Hanack Rechtliches Gehör, Vollstreckbarkeit und Verhaftung beim Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, JZ 1966 43; Hillenbrand Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung – Voraussetzungen und Verfahren, ZAP-Fach 22 799; ders. Die Anhörung des Verurteilten im Widerrufsverfahren, StRR 2015 444; Horn Der Aussetzungswiderruf und das Absehen davon, JR 1981 5; Kaetzler Absprachen im Strafverfahren und Bewährungsauflagen, wistra 1999 253; Katholnigg Zuständigkeit und Stellung des Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung – Erwiderung zum Beitrag von Engel, NStZ 1987 112; Krause Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bei unbekanntem Aufenthalt des Verurteilten, NJW 1977 2249; Maetzel Anhörung vor der StVK ohne Benachrichtigung des Verteidigers? AnwBl. 1975 420; Miesen „Verlängerung“ der Bewährungszeit nach ihrem Ablauf (§§ 25 Abs. 2, 24 Abs. 2 Satz 2 StGB)? NJW 1974 1493; Oske Formelle Rechtsfragen zum Widerruf der Strafaussetzung (§ 25 Abs. 2 StGB), MDR 1966 290; Pusinelli Rechtsmittel gegen Ablehnung der Verkürzung der Bewährungszeit, NJW 1962 902; W. Schmidt Die Vollstreckungskammern in der Praxis, NJW 1975 1485 und NJW 1976 224 (Replik zu Treptow NJW 1976 222); Schrader Der Widerruf der Strafaussetzung nach Ablauf der Bewährungsfrist (§§ 25, 25a StGB), NJW 1973 1832; Theuerkauf Untersuchungshaft bei Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung? MDR 1965 179; Treptow Das Verfahren der Strafvollstreckungskammern, NJW 1975 1485; ders. Die Vollstreckungskammern in der Pra-

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§ 453

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xis, NJW 1976 222 (Erwiderung zu W. Schmidt NJW 1975 1485); Wegener Die mündliche Anhörung des Verurteilten vor der StVK, MDR 1981 617.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift des § 485 StPO 1877 hat ihre jetzige Bezeichnung durch die Bek. 1924 erhalten. Sie enthielt in ihrer ursprünglichen Fassung das Verbot, die Todesstrafe vor der Entschließung des Inhabers des Gnadenrechts über die Erteilung eines Gnadenerweises und das weitere Verbot, sie an schwangeren oder geisteskranken Personen zu vollstrecken. Sie wurde mit der Aufhebung der Todesstrafe durch Art. 102 GG gegenstandslos. Seinen neuen Inhalt erhielt § 453 durch das 3. StRÄndG 1953. Das 1. StrRG 1969 passte § 453 den Änderungen der materiell-rechtlichen Vorschriften über die Aussetzung der Strafe zur Bewährung an. Durch Art. 21 Nr. 121 EGStGB 1974 wurden Satz 3 des Absatzes 1 („Der Beschluß ist zu begründen“) und Absatz 2 betreffend Zuständigkeit des Gerichts, dessen Inhalt in geänderter Form nach § 462a n. F. übernommen wurde, gestrichen und wurden die Absätze 1 und 2 um die auf die Verwarnung mit Strafvorbehalt sich beziehenden Nachtragsentscheidungen erweitert. Durch Art. 2 Nr. 2 des 23. StRÄndG 1986 ist Absatz 1 durch die Sätze 3 und 4 erweitert worden. Durch Art. 9 des Justizmitteilungsgesetzes vom 18.6.1997 (BGBl. I S. 1430) wurde in Absatz 1 in Satz 4 der letzte Halbsatz eingefügt. Durch Artikel 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) vom 26.6.2013 (BGBl. I S. 1805) wurde in Absatz 1 ein neuer Satz 3 eingefügt und die bisherigen Sätze 3 und 4 wurden die Sätze 4 und 5.

I.

II.

Übersicht Nachträgliche Entscheidungen (Absatz 1) 1. Anwendungsbereich 1 2. Wesen 8 3. Gerichtliche Zuständigkeit 10 Verfahren 1. Aufklärungspflicht des Gerichts 11 2. Zulässigkeit mündlicher Verhandlung 13 3. Anhörung (Absatz 1 Satz 2) a) Grundsatz (Satz 2) 14 b) Mündliche Anhörung (Satz 4) aa) Grundsatz 16 bb) Absehen von der mündlichen Anhörung 17 cc) Ladung 21 dd) Teilnahmeberechtigte 22 ee) Ausbleiben 25 4. Zuziehung eines Sachverständigen (Absatz 1 Satz 3) zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs a) Zweck der Regelung 26 b) Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens 27 III.

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aa) Anklage wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen 28 bb) Erforderlichkeit 29 cc) Zeitpunkt für die Beauftragung des Sachverständigen 30 dd) Anhörung des Sachverständigen (Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 454 Abs. 2 Sätze 3 und 4) 31 c) Verfahrensmängel 32 5. Unterrichtung des Bewährungshelfers (Absatz 1 Satz 5) a) Zweck 33 b) Umfang der Unterrichtung aa) Erkenntnisse aus anderen Verfahren 34 bb) Zweckbindung 35 c) Zeitpunkt der Unterrichtung 36 d) Form der Unterrichtung 37 e) Unterlassene Unterrichtung 38 Entscheidung

90

1. Abschnitt. Strafvollstreckung

IV.

V.

1. Beschleunigungsgebot 39 2. Begründungserfordernisse 40 Rechtsmittel (Absatz 2) 1. Einfache Beschwerde (Sätze 1 und 2) a) Allgemeines 42 b) Gesetzwidrigkeit (Satz 2, 1. Alt.) aa) Grundsatz 43 bb) Ergebnis 45 c) Nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit (Satz 2, 2. Alt.) 46 d) Ablehnung von Anordnungen 47 2. Sofortige Beschwerde (Satz 3) a) Allgemeines 48 b) Widerruf der Aussetzung (Satz 3, 1. Fall) aa) Grundsatz 49 bb) Erweiterung 50 cc) Prüfungsumfang 51 c) Erlass der Strafe und dessen Widerruf (Satz 3, 2. Fall) aa) Anfechtbarkeit 52 bb) Beschwerdeberechtigte 53 cc) Wirkung 54 Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses als Vollstreckungsvoraussetzung 55

§ 453

VI.

Öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses 57 VII. Nachverfahren 1. Zulässigkeit 58 2. Zuständigkeit 59 3. Rechtsbehelfe a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand? 60 b) Sofortige Beschwerde? 61 c) Nachträgliche Anhörung? 62 d) Ergebnis aa) In Bezug auf den Verurteilten 64 bb) In Bezug auf die Staatsanwaltschaft 65 4. Änderung der Rechtslage aufgrund der Einfügung des § 453c? 66 VIII. Bescheidung von Anträgen Nichtverfahrensbeteiligter 67 IX. Erweiterte und entsprechende Anwendung des § 453 1. Bedeutung für Entscheidungen nach §§ 68a bis 68d StGB 68 2. Bedeutung für die Berufungsinstanz 69

Alphabetische Übersicht Ablehnung von Anordnungen 47 Anfechtbarkeit eines Straferlasses durch die Staatsanwaltschaft 52 Anhörung 14 ff. – Absehen 17 ff. – mündliche 16 ff. – nachträgliche 62 ff. – Sachverständiger 31 – Teilnahmeberechtigte 22 – Verzicht 19 Aufklärungspflicht 11 f., 28 Berufungsinstanz 69 Bescheidung von Anträgen Nichtverfahrensbeteiligter 67 Beschleunigungsgebot 39 Beschwerde – einfache 42 ff. – sofortige 48 ff. Bewährungshelfer 33 ff. – Form der Unterrichtung 37 – Unterrichtungsumfang 34 f. – Zeitpunkt 36 Bewährungsbeschluss – versehentlich unterbliebener 4

91

Entscheidung – Begründungserfordernisse 40 f. Erlass 52 ff. Ermessen 16 Führungsaufsicht 27 Ladung 21 Nachverfahren 58 ff. Nichtverfahrensbeteiligte 67 Öffentliche Zustellung 57 Rechtsbehelfe im Nachverfahren 60 ff. Rechtskraft – des Urteils 3 – des Widerrufsbeschlusses 55 ff. Rechtsmittel 42 ff. Sachverständigengutachten 26 – Erforderlichkeit 29 – Voraussetzungen 27 – Zeitpunkt für die Beauftragung 30 Sachverständiger 30 – Anhörung 31 – Zeitpunkt für die Beauftragung 30 Sofortige Beschwerde 48 ff., 61 Therapieweisung 27 ff. Unterrichtung 33 ff.

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§ 453

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Verfahrensmängel 32 Verwarnung mit Strafvorbehalt 9

Widerruf der Aussetzung 49 ff. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 60

I. Nachträgliche Entscheidungen (Absatz 1) 1. Anwendungsbereich. Nach § 260 Abs. 4 Satz 4 erfolgen die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (§ 56 StGB) und die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) im Urteil. Die Dauer der Bewährungszeit (§ 56a StGB), Bewährungsauflagen (§ 56b StGB), Bewährungsweisungen (§ 56c StGB) und Anordnungen von Bewährungshilfe (§ 56d StGB) werden durch Beschluss festgesetzt, der gleichzeitig mit dem Urteil zu verkünden ist (§ 268a). Gegen den Beschluss ist Beschwerde nach § 305a Abs. 1 statthaft, über die gegebenenfalls auch das Revisionsgericht als Tatsacheninstanz entscheidet (§ 305a Abs. 2). In gleicher Weise wird bei Verwarnung mit Strafvorbehalt gleichzeitig mit dem Urteil durch Beschluss nach § 268a über die Dauer der Bewährungszeit und über die Erteilung von Auflagen entschieden (§ 59a StGB). 2 Der Anwendungsbereich des § 453 wird erst dann eröffnet, wenn die zunächst durch den Beschluss nach § 268a getroffenen Entscheidungen (Dauer der Bewährungszeit, Anordnung von Auflagen, Erteilung von Weisungen, Unterstellung unter Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers) wegen nachträglich hervorgetretener Umstände1 zu ändern (§ 56a Abs. 2 Satz 2, § 56e i. V. m. §§ 56b bis 56d StGB) sind oder über den Widerruf der Strafaussetzung (§ 56f StGB), den Straferlass oder dessen Widerruf (§ 56g StGB) zu entscheiden ist, wenn bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt die Änderung von Auflagen (§ 59a Abs. 2 StGB), die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe oder der Ausspruch, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden habe (§ 59b StGB), in Betracht kommt. 3 Für Entscheidungen nach § 453 ist erst nach Rechtskraft des Urteils Raum, denn die Bewährungszeit beginnt nach § 56a Abs. 2 Satz 1 StGB mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafaussetzung.2 Mit Beginn der Bewährungszeit obliegt dem für die Entscheidungen nach § 453 zuständigen Gericht die Überwachung der Lebensführung des Verurteilten (§ 453b). Für die an die Verwarnung mit Strafvorbehalt anknüpfende Bewährungszeit fehlt es zwar an einer ausdrücklichen Vorschrift über deren Beginn, doch gilt auch hier sinngemäß § 56a Abs. 2 Satz 1 StGB, da die Sachlage die gleiche ist.3 Über das Verhältnis der Beschwerde nach § 453 Abs. 2 Satz 1 zur Beschwerde nach § 305a, wenn das Urteil rechtskräftig ist, vgl. die Erl. zu § 305a. 4 Die Frage, ob ein versehentlich unterbliebener Bewährungsbeschluss nach § 268a in entsprechender Anwendung von § 453 nachgeholt werden darf, ist umstritten. Die wohl noch herrschende Meinung geht nach Rechtskraft von einer entsprechenden Anwendung des § 453 aus.4 Dieser Auffassung ist nur eingeschränkt zuzustimmen. Die 1

1 2 3 4

OLG Stuttgart NJW 1969 1220; OLG Düsseldorf MDR 1991 367; KK/Appl 1; Bringewat 4. KK/Appl 2; Bringewat 5. LK/Hubrach § 59a, 4; Fischer § 59a, 1; Bringewat 3. KG NJW 1957 275; OLG Celle MDR 1970 68; NdsRpfl. 2007 332; OLG Koblenz MDR 1981 423; OLG Düsseldorf MDR 1982 1042; OLG Köln NStZ 1991 453; LG Osnabrück NStZ 1985 378; KK/Appl 3; MeyerGoßner/Schmitt 2; SK/Paeffgen 3; KMR/Stöckel 7; a. A. LG Kempten NJW 1978 839; LG Freiburg StV 1993 122; 1994 534; OLG Düsseldorf VRS 113 (2007) 304; StV 2001 225; OLG Hamm StV 1993 121; NStZ-RR 2000 126; OLG Köln NStZ-RR 2000 338; OLG Dresden NJ 2001 323 mit Anm. König.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Entscheidung über die verhängte Freiheitsstrafe oder die Verwarnung des Angeklagten mit Strafvorbehalt ist nach § 260 Abs. 4 Satz 4 in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Die Urteilsgründe müssen ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Entsprechendes gilt für die Verwarnung mit Strafvorbehalt. Sofern der versehentlich unterbliebene Bewährungsbeschluss nicht bis zur Rechtskraft des Urteils – etwa in der Berufungsinstanz durch das Berufungsgericht – nachgeholt worden ist – beginnt mit der Rechtskraft die gesetzliche Mindestdauer der Bewährungszeit von zwei Jahren (§ 56a Abs. 1 Satz 2 StGB) zu laufen,5 und zwar auch dann, wenn sie nicht in einem Beschluss nach § 268a festgesetzt worden ist. Einer – deklaratorischen – Feststellung durch das nach Rechtskraft des Urteils zur Entscheidung berufene Gericht (§ 462a) bedarf es insoweit daher nicht. Treten in der Bewährungszeit Umstände ein, die es nahelegen, Entscheidungen nach den §§ 56b bis 56d StGB nachträglich zu treffen, so ist das Gericht nicht gehindert, dem Verurteilten nach Anhörung ggf. mit dessen Einwilligung Auflagen und/oder Weisungen zu erteilen sowie ihn der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu unterstellen. Entsprechende Anwendung findet § 453 für die nach den § 67g und §§ 68a bis 5 68d StGB (§ 463 Abs. 1 und 2) zu treffenden Entscheidungen. Für die Entscheidung, ob eine Strafe nach Nr. 6 des Amnestiebeschlusses der DDR 6 vom 6.12.19896 zu vollstrecken ist, soll § 453 ebenfalls entsprechend anwendbar sein.7 Praktisch dürfte diese Frage allerdings inzwischen keine Bedeutung mehr haben. Im Widerrufsverfahren nach den §§ 26, 58 JGG ist § 453 nicht entsprechend anwend- 7 bar.8 2. Wesen. Nach früherer Betrachtungsweise wurde Recht „im eigentlichen Sinn“ 8 nur im Erkenntnisverfahren, endend mit der Rechtskraft des Urteils, gesprochen. Dogmatische Probleme entstanden, als mit der Einführung der gerichtlichen Aussetzung von Strafen und Strafresten zur Bewährung in der Zeit nach rechtskräftigem Abschluss des Erkenntnisverfahrens die in Rn. 1 bezeichneten nachträglichen Entscheidungen anfielen. Nach einer auch in diesem Kommentar9 vertretenen Meinung stand begrifflich nichts im Weg, das Stadium des Laufs der Bewährungszeit als das der Vollstreckung der „Aussetzungsstrafe“ anzusehen und in diesem Sinn das Gericht als Vollstreckungsbehörde im weiteren Sinn anzusprechen, und zwar nicht nur, soweit es belehrt (§ 453a) oder die Lebensführung des Verurteilten überwacht (§ 453b), sondern auch, soweit es die „nachträglichen Entscheidungen“ i. S. des § 453 erlässt. Das Gericht wird danach als „Vollstreckungsgericht“ tätig.10 Dabei wurde nicht verkannt, dass diese „Vollstreckungstätigkeit“ sich von der die „Vollstreckungsstrafe“ betreffenden, der Vollstreckungsbehörde nach § 451 obliegenden Vollstreckung entscheidend dadurch unterscheidet, dass sie in vollem Umfang nicht weisungsgebunden ist, sondern unter richterlicher Unabhängig-

5 KK/Appl 3; SK/Paeffgen 3; KMR/Stöckel 7; OLG Dresden NJ 2001 323 mit Anm. König. 6 GBl. I S. 266. 7 OLG Koblenz MDR 1992 1175; OLG Stuttgart NStZ 1993 359; BezG Chemnitz DtZ 1991 217; a. A. OLG Dresden NStZ 1993 557; OLG Rostock MDR 1993 1231, wonach die Staatsanwaltschaft zur Entscheidung berufen sein soll. 8 LG Frankfurt MDR 1966 353; LG Krefeld NJW 1974 1476; LG München NJW 1960 1217; LG Potsdam NStZ-RR 1996 285; a. A. LG Osnabrück NStZ 1991 533 mit Anm. Brunner; LG Hamburg NStZ 1996 250 mit abl. Anm. Sieveking/Eisenberg. 9 Vgl. LR/Schäfer22 § 453 Anm. I 2. 10 So OLG Karlsruhe Rpfleger 1964 145 mit Anm. Pohlmann; Kleinknecht/Meyer37 1; a. A. Hanack JZ 1966 44, 50.

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keit ausgeübt wird. Zur Kennzeichnung dieses Unterschieds wurde die richterliche Tätigkeit als „Rechtsprechung im weiteren Sinn“ oder als „justizförmiger Verwaltungsakt“ charakterisiert.11 Indessen kann diese strenge qualitative Unterscheidung zwischen Entscheidun9 gen im Erkenntnisverfahren und den nachträglichen Entscheidungen – unbeschadet mancher Unterschiede, insbesondere nach der Form der Entscheidung und der Beweisgrundlage, auf denen sie aufbaut – nicht aufrechterhalten werden. Das wird besonders deutlich seit der Einführung der Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB). Streng genommen ist das rechtskräftige auf Verwarnung lautende Urteil nur ein Torso. Erst die an den Verlauf der Bewährungszeit anknüpfende „Nachtragsentscheidung“ vervollständigt das Urteil, indem sie ihm mit der „Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe“ Vollstreckbarkeit im engeren Sinn verleiht oder mit der „Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat“, dem Verwarnungsurteil die Qualität eines das Verfahren endgültig abschließenden Urteils verschafft. Ebenso liegt es bei der Strafaussetzung zur Bewährung. Erst die in dem Verlauf der Bewährungszeit Rechnung tragende, auf Widerruf oder Erlass der Strafe lautende Nachtragsentscheidung vervollständigt das Urteil, dessen Gehalt zunächst in der Schwebe bleibt (§ 451, 55 f.). In prozessual veränderter Gestalt wird das Erkenntnisverfahren im Vollstreckungsstadium fortgesetzt.12 Daher kann man das Gericht, das die Nachtragsentscheidungen trifft, als „Vollstreckungsgericht“ bezeichnen, darf es aber jedenfalls nicht als eine Art Vollstreckungsorgan „im weiteren Sinn“ charakterisieren. 10

3. Gerichtliche Zuständigkeit. Wegen der (je nach Lage des Falls wechselnden) Zuständigkeit des Gerichts vgl. § 462a, 20 ff. Wird gegen den Verurteilten Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 462a Abs. 1 Satz 1 die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung die Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges schon mit der Entscheidung über den Widerruf befasst war. Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer verdrängt stets die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges. Es gibt insoweit keine Zuständigkeitsfixierung durch Befasstsein des Tatgerichts.13

II. Verfahren 11

1. Aufklärungspflicht des Gerichts. Das Gericht leitet das Verfahren über die nachträglichen Entscheidungen in der Regel auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen (§ 56f StGB), die Bewährungszeit zu verlängern (§ 56f Abs. 2 StGB), Anordnungen über Auflagen oder Weisungen nachträglich zu treffen, ändern oder aufzuheben (§§ 56b, 56c, 56e StGB) oder eine Entscheidung über die Unterstellung des Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu treffen, ein. Die Staatsanwaltschaft hat die Tatsachen zur Begründung ihres Antrags dem Gericht mitzuteilen. Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob das Ver11 Vgl. LR/Schäfer24 Einl. Kap. 8 Abschnitt IV. 12 Das alles gilt auch für die Befugnis der Strafvollstreckungskammer (§§ 462a, 463) bei Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung, die die Anpassung der im Urteil festgesetzten Rechtsfolgen an die Ergebnisse und Ziele des Resozialisierungs- und Behandlungsvollzugs zum Gegenstand haben. 13 BGH NStZ-RR 2019 160 Ls.

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fahren über nachträgliche Entscheidungen einzuleiten ist, wenn ihm Umstände bekannt werden, die eine nachträgliche Entscheidung gebieten können. Das ist etwa dann der Fall, wenn das Gericht durch Dritte (z. B. Verletzte, eine gemeinnützige Einrichtung, den Bewährungshelfer) Kenntnisse über einen Verstoß gegen Auflagen oder Weisungen erlangt oder wenn der Bewährungshelfer in einem Bericht neue Tatsachen mitteilt, die eine nachträgliche Entscheidung erforderlich machen können. Dem Gericht obliegt eine umfassende Pflicht zur Aufklärung aller für die eventuell zu treffende nachträgliche Entscheidung erforderlichen Tatsachen.14 Der Aufklärungspflicht sind jedoch Grenzen gesetzt. So sind Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen (§§ 94, 102) zur Sachaufklärung im Verfahren nach § 453 Abs. 1 nicht zulässig.15 Zwar gestattet § 457 Abs. 3 auch im Vollstreckungsverfahren strafprozessuale Zwangsmaßnahmen. Diese müssen aber der Festnahme des Verurteilten dienen.16 Die Aufklärungspflicht obliegt dem Gericht, das die Bewährungsaufsicht führt. 12 Zwar kann das Gericht die Staatsanwaltschaft um Hilfe ersuchen, wenn zu erwarten ist, dass diese über bessere Erkenntnismöglichkeiten verfügt. Es ist aber nicht zulässig, die Bewährungsaufsicht faktisch der Staatsanwaltschaft zu übertragen. Zur Vorbereitung seiner Entscheidung kann sich das Gericht der Gerichtshilfe (§ 463d) bedienen. Dies ist insbesondere vor einer den Verurteilten belastenden nachträglichen Entscheidung in den Fällen angezeigt, in denen kein Bewährungshelfer bestellt ist (§ 463d 2. Hs.).17 2. Zulässigkeit mündlicher Verhandlung. Die nachträglichen Entscheidungen er- 13 gehen durch Beschluss, der nach § 34 zu begründen ist, ohne mündliche Verhandlung. Die entsprechende Vorschrift in § 309, wonach das Beschwerdegericht über eine Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheidet, wird z. T. dahin verstanden, dass eine mündliche Verhandlung grundsätzlich nicht stattfinden dürfe.18 Ob diese Auslegung zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann sie für § 453 nicht gelten. Er besagt nur, dass es einer der mündlichen Hauptverhandlung im Erkenntnisverfahren mit den ihr eigenen Förmlichkeiten entsprechenden mündlichen Verhandlung nicht bedarf.19 Denn es kann dem Gericht nicht verwehrt sein, insbesondere bei einer so entscheidenden Maßnahme wie dem Widerruf, durch mündliche Erörterung mit den Beteiligten ein klares Bild über die zu treffende Entscheidung zu erstreben, wenn ihm der Akteninhalt nicht ausreichend zu sein scheint.20 Dies gebietet unter Umständen schon die dem Gericht obliegende Aufklärungspflicht. 3. Anhörung (Absatz 1 Satz 2) a) Grundsatz (Satz 2). Satz 2 schreibt zwingend vor, dass der Angeklagte und die 14 Staatsanwaltschaft zu hören sind.21 Die Staatsanwaltschaft wird als Strafverfolgungs-,

14 15 16 17 18

So auch SK/Paeffgen 6. KG NJW 1999 2979. LR/Menges Vor § 94, 21; LR/Graalmann-Scheerer § 457, 24, 27 ff. Röttle/Wagner Rn. 863, 890. So z. B. KK/Zabeck § 309, 2; einschränkend Meyer-Goßner/Schmitt § 309, 1; LR/Matt26 § 309, 1 ff.; vgl. auch BayObLGSt 1953 202 = NJW 1954 204. 19 KK/Appl 3; Bringewat 9. 20 Dallinger JZ 1953 435; Eb. Schmidt Nachtr. I 4; KK/Appl 5; KMR/Stöckel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Paeffgen 7; weitergehend Bringewat (Rn. 10): Bei Widerruf soll das Gericht aufgrund des Fairnessgebots zu einer mündlichen Erörterung verpflichtet sein; vgl. auch Rn. 16 ff. 21 KK/Appl 5; Bringewat 11.

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nicht als Strafvollstreckungsbehörde tätig.22 Der Begriff „Angeklagter“ wird hier nicht im Sinne von § 157 gebraucht, sondern als zusammenfassender Begriff, und zwar für den Verurteilten, soweit es sich um die Strafaussetzung zur Bewährung handelt, für den „Verwarnten“ (§ 59b Abs. 2 StGB), der – unbeschadet des § 465 Abs. 1 Satz 2 – nicht „Verurteilter“ ist,23 solange er nicht zu der vorbehaltenen Strafe rechtskräftig verurteilt ist. Zu den Anhörungsberechtigten gehören nicht der Nebenkläger und der beauftragte Gerichtshelfer.24 Vor Entscheidungen, die infolge der Aussetzung der Jugendstrafe erforderlich werden (§§ 22, 23, 24, 26, 26a JGG) ist auch der Bewährungshelfer zu hören (§ 58 Abs. 1 Satz 2 JGG). 15 Hören bedeutet hier – wie auch sonst – nur, dass dem Gehörsberechtigten von dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt Kenntnis und ihm darüber hinaus Gelegenheit zu geben ist, sich dazu zu äußern.25 In einer Hauptverhandlung wird sich der Berechtigte regelmäßig mündlich äußern; in Verfahren, die ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss beendet werden, wird er seinen Standpunkt dagegen im Allgemeinen schriftlich darlegen. Der Verurteilte muss dem Anhörungsschreiben des Gerichts eindeutig entnehmen können, welche konkrete Entscheidung es zu treffen beabsichtigt. Die bloße Angabe mehrerer Aktenzeichen des Gerichts reicht nicht aus, sofern sich nicht aus dem Inhalt des Anhörungsschreibens für den Verurteilten eindeutig ergibt, dass eine Anhörung zu allen mit Aktenzeichen aufgeführten Bewährungssachen mit dem betreffenden Schreiben erfolgt.26 b) Mündliche Anhörung (Satz 4) 16

aa) Grundsatz. Nach Absatz 1 Satz 4, der durch das 23. StRÄndG27 eingefügt worden ist, soll das Gericht, sofern es über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden hat, dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Sollvorschrift die Erwartung verbunden, dass es bei einem Auflagen- oder Weisungsverstoß fortan aufgrund der mit der mündlichen Anhörung des Verurteilten verbundenen Aufklärungsmöglichkeit seltener als bis dahin zum Widerruf der Aussetzung nach § 56f Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB kommt.28 Zwar steht es grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, ob es dem Verurteilten rechtliches Gehör durch unmittelbare Anhörung oder auf andere Weise gewährt. Allerdings führt die Sollvorschrift regelmäßig zu einer Ermessensreduzierung auf Null, wenn und soweit nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine mündliche Anhörung des Verurteilten zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen wird.29 Da Letzteres in aller Regel der Fall sein dürfte, ist die mündliche Anhörung des Verurteilten zwin22 LG München NStZ 1981 453; LG Dortmund NStZ 1988 381; Katholnigg NStZ 1982 195; Engel NStZ 1987 110; KK/Appl 5; KMR/Stöckel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Paeffgen 5; Bringewat 12. 23 Vgl. auch KK/W. Müller2 2. 24 KMR/Stöckel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Paeffgen 5; Bringewat 12; Rahn NJW 1976 838. 25 BVerfGE 34 7; Wendisch JR 1989 169. 26 OLG Hamm NStZ-RR 2015 182. 27 BGBl. 1986 I S. 1986. 28 BTDrucks. 10 2720 S. 14; vgl. zur Neuregelung Greger JR 1986 354 f.; Dölling NJW 1987 1048; OLG Düsseldorf StV 1987 257; OLG Stuttgart MDR 1987 342; KG JR 1988 39. 29 OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 92 mit Anm. Kropp NStZ 1998 536; NStZ-RR 2003 199; OLG Hamm NStZ 1987 247; LG Freiburg StV 1987 540; LG Bonn NStZ 1986 574; KG JR 1988 39; LG Berlin NStZ 1989 245; OLG Stuttgart NStZ 1987 43; OLG Düsseldorf NStZ 1988 243; LG Zweibrücken StV 2000 213; LG Hamburg StraFo 2002 275; OLG Karlsruhe StV 2003 344; VRS 101 (2001) 433; OLG Schleswig SchlHA 2007 292; 2003 194.

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gend,30 es sei denn, dass besondere schwerwiegende Gründe im Einzelfall entgegenstehen.31 Der Verurteilte ist auch dann mündlich anzuhören, wenn das Gericht erwägt, einen Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft abzulehnen. Denn auch in einem solchen Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine mündliche Anhörung zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beitragen und zu einer anderen als der ursprünglichen rechtlichen Bewertung führen wird.32 Die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen eines Auflagen- bzw. Weisungsverstoßes ohne Durchführung einer mündlichen Anhörung des Verurteilten stellt einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung führt.33 bb) Absehen von der mündlichen Anhörung. Ein Absehen von der mündlichen 17 Anhörung des Verurteilten ist dann zulässig, wenn er unbekannten Aufenthaltes oder untergetaucht ist.34 Allerdings ist das Gericht zunächst gehalten, zumutbare Nachforschungen nach dessen aktuellem Aufenthaltsort anzustellen. Eine Nachfrage bei dem Einwohnermeldeamt des letzten bekannten Wohnsitzes des Verurteilten reicht regelmäßig nicht aus. Das Gericht wird vielmehr ggf. über die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde zu klären haben, ob neue Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten im Bundesgebiet anhängig sind und nach Mitteilung der Aktenzeichen neuer Ermittlungsverfahren, die die Staatsanwaltschaft durch die Einholung einer Auskunft aus dem länder- übergreifenden staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister festgestellt hat, die entsprechenden Akten anzufordern und auszuwerten haben,35 um Erkenntnisse über eine ladungsfähige Anschrift des Verurteilten zu erlangen. Die Staatsanwaltschaft darf die Aktenzeichen neuer Ermittlungsverfahren, nicht aber die von ihr eingeholte Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister dem Gericht mitteilen, denn ansonsten würde § 492 Abs. 3 Satz 2 unterlaufen werden.36 Ein Absehen von der mündlichen Anhörung ist des Weiteren dann zulässig, wenn 18 der Verstoß gegen Auflagen oder Weisungen als Widerrufsgrund (§ 56f Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB) neben der Begehung einer neuen Straftat des Verurteilten in der Bewährungszeit (§ 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder in dem Zeitraum nach § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB nicht ins Gewicht fällt.37 Auch bei einem eindeutig und uneingeschränkt erklärtem wirksamen Verzicht des 19 Verurteilten auf sein Anhörungsrecht darf das Gericht ausnahmsweise von der mündlichen Anhörung absehen.38 Bei Zweifeln, ob ein wirksamer Verzicht des Verurteilten vorliegt, muss sich das Gericht die Überzeugung verschaffen, ob der Verurteilte tatsächlich nicht mündlich angehört werden will.39 Lassen sich bestehende Zweifel nicht sicher ausräumen, so ist die mündliche Anhörung des Verurteilten geboten. Eine einseitige 30 OLG Hamm Beschl. vom 28.3.2017 – III−2 Ws 38/17. 31 OLG München StV 2009 540 zu Weisungs- und Auflagenverstößen; LG Kleve Beschl. vom 20.8.2012 – 120 Qs 71/12; OLG Stuttgart Beschl. vom 29.1.2019 – 4 Ws 12/19; OLG Hamburg StV 2015 230 Ls.; KG StV 2018 360 Ls.; OLG Hamm Beschl. vom 28.2.2017 – 1 Ws 111-113/17. 32 OLG Jena NStZ 1998 216. 33 OLG Hamm Beschl. vom 28.3.2018 − III−2 Ws 38/17. 34 OLG Bremen MDR 1976 865; OLG Düsseldorf NStZ 1996 152. 35 LR/Hilger25 § 492, 40. 36 LR/Hilger25 § 492, 26. 37 OLG Hamm NStZ 1987 247; OLG Stuttgart NStZ 1987 43; OLG Düsseldorf NStZ 1988 243; OLG Koblenz MDR 1988 992; LG Bonn NStZ 1986 574; LG Berlin NStZ 1989 245. 38 OLG Karlsruhe StV 2003 344; LG Zweibrücken VRS 120 (2011) 338. 39 OLG Düsseldorf NStZ 1988 243; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 91; OLG Karlsruhe StV 2003 344.

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Ankündigung des Gerichts zum Verfahrensablauf, auf den der Verurteilte keinen Einfluss nehmen kann, genügt nicht, um einen ausdrücklichen Verzicht auf das Anhörungsrecht annehmen zu können.40 Das Gericht darf von der mündlichen Anhörung auch nicht deshalb absehen, weil 20 es schon einmal eine Anhörung vorgenommen hat, wenn seither ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Das gilt gleichermaßen, wenn dem Verurteilten im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor der Entscheidung über den Widerruf wegen Auflagen- oder Weisungsverstoßes eine Frist zur Erfüllung von Bewährungsauflagen nachgelassen wird und die erteilte Auflage wiederum nicht erfüllt wurde.41 Ergeben sich entscheidungserhebliche neue Tatsachen nach bereits erfolgter mündlicher Anhörung, so darf das Gericht diese seiner Entscheidung nicht zugrunde legen, ohne den Verurteilten erneut hierzu mündlich angehört zu haben.42 Das gilt umso mehr, wenn das Verhalten nach der früheren mündlichen Anhörung bei der Entscheidung berücksichtigt werden soll.43 Schließlich kann die mündliche Anhörung auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Verurteilte der Aufforderung des Gerichts, einen eventuellen Wunsch auf mündliche Anhörung dem Gericht mitzuteilen, nicht nachgekommen ist.44 21

cc) Ladung. Das Gericht hat den Verurteilten zu dem Termin zu seiner mündlichen Anhörung zu laden.45 Es reicht nicht aus, dem Verurteilten Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung oder Stellung eines schriftlichen Antrags auf eine mündliche Anhörung binnen einer vom Gericht bestimmten Frist zu geben.46 Es reicht auch nicht aus, dem Verurteilten unter Angabe von Anschrift und Telefonnummer der Geschäftsstelle des Gerichts mitzuteilen, er könne innerhalb einer Frist einen Termin für eine mündliche Anhörung vereinbaren.47 Zwar schreibt das Gesetz für die Ladung keine Form vor. Es versteht sich aber von selbst, dass eine Ladung zum Termin zur mündlichen Anhörung schriftlich zu erfolgen hat. Wenn auch die Ladung nicht nach § 35 Abs. 2 Satz 1 der Zustellung bedarf, so empfiehlt es sich gleichwohl, diese dem Verurteilten zuzustellen und nicht bloß formlos mitzuteilen. Denn dem Verfahrenserfordernis der mündlichen Anhörung des Verurteilten ist nach Absatz 1 Satz 4 nur dann genüge getan, wenn der Verurteilte auch tatsächlich Kenntnis von dem Termin nehmen konnte. Dieser Nachweis kann in aller Regel nur durch eine Zustellung der Ladung erbracht werden. Bleibt der Verurteilte im Falle einer ordnungsgemäßen – zugestellten – Ladung sodann dem Anhörungstermin fern, so ist dem Erfordernis von Absatz 1 Satz 4 hinreichend Rechnung getragen worden. Legt der Verurteilte dem Gericht eine aktuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder eine sonstige ärztliche Bescheinigung rechtzeitig vor, aus der hervorgeht, dass er infolge einer Erkrankung den anberaumten Anhörungstermin nicht wird wahrnehmen können, so darf das Gericht nicht in der Sache entscheiden, sondern muss einen neuen Anhörungstermin festsetzen.48

40 41 42 43

LG Saarbrücken StV 2011 169. OLG München StV 2012 481 Ls. KG StV 2018 360 Ls.; OLG Stuttgart Beschl. vom 29.1.2019 – 4 Ws 12/19. OLG Düsseldorf VRS 84 (1993) 345; OLG Stuttgart Beschl. vom 29.1.2019 – 4 Ws 12/19; OLG München StV 2014 493 Ls. 44 LG Berlin NStZ 1989 245; OLG Hamburg StV 2015 230 Ls. 45 LG Saarbrücken StV 2000 564; OLG Karlsruhe StV 2003 344. 46 LG Hamburg StraFo 2002 275. 47 OLG Hamburg StV 2015 230 Ls. 48 LG Zweibrücken VRS 105 (2003) 220.

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dd) Teilnahmeberechtigte. Hat der Verurteilte einen gewählten oder bestellten49 22 Verteidiger, so ist das Gericht gehalten, diesen von dem anberaumten Termin zur mündlichen Anhörung des Verurteilten zu benachrichtigen, damit er Gelegenheit hat, seinem Mandanten bei der mündlichen Anhörung mit anwaltlichem Rat beizustehen. Auch der Staatsanwaltschaft ist der Termin zur mündlichen Anhörung rechtzeitig mitzuteilen, denn deren Teilnahme kann im Einzelfall durchaus angebracht sein. Ob die Teilnahme des Bewährungshelfers an der mündlichen Anhörung sinnvoll 23 ist, hat das Gericht im Einzelfall zu entscheiden. Eine Teilnahme liegt insbesondere dann nahe, wenn das Gericht sich von ihm weitere Aufklärung erwartet und seine Unterstützung bei einer erwogenen nachträglichen Anordnung oder Abänderung von weiteren Auflagen oder Weisungen (§§ 56e, 56f Abs. 2 Nr. 1 StGB) erforderlich werden wird. Die Ladung von Dritten (z. B. Angehörigen, Lebensgefährten, Arbeitgeber, Betreuer) 24 kann in Betracht kommen, sofern sie zur weiteren Aufklärung mutmaßlich beitragen können.50 Hat das Gericht Anhaltspunkte aus den Akten, etwa durch einen schriftlichen Bericht des Bewährungshelfers oder durch entsprechendes Vorbringen des Verurteilten oder seines Verteidigers, so wird es sich damit nicht begnügen dürfen, sondern sich selbst ein vollständiges Bild über den Verlauf der Bewährung machen müssen.51 ee) Ausbleiben. Kommt der Verurteilte einer Ladung zur mündlichen Anhörung 25 nicht nach, kann das Gericht sein Erscheinen nicht erzwingen. Eine Vorführung ist nicht zulässig.52 Zwar sah der Regierungsentwurf eine solche Möglichkeit in einem Satz 4 ausdrücklich vor.53 Jedoch hat der Rechtsausschuss von der Übernahme dieses Vorschlags abgesehen, weil er eine solche Zwangsmaßnahme für nicht angemessen hielt.54 Für die Frage, ob für das Ausbleiben des Verurteilten im Termin zur mündlichen Anhörung beachtliche Gründe vorgetragen oder solche erkennbar sind, kommt es nicht darauf an, dass sich der Verurteilte selbst genügend entschuldigt hat, sondern dass er tatsächlich entschuldigt ist. Das Gericht ist im Rahmen der ihm obliegenden Aufklärungspflicht verpflichtet, bei entsprechenden Anhaltspunkten Nachforschungen anzustellen.55 4. Zuziehung eines Sachverständigen (Absatz 1 Satz 3) zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs a) Zweck der Regelung. Der Referentenentwurf des BMJ und auch der Gesetzentwurf 26 der Bundesregierung56 sahen keine Änderung des § 453 vor. Erst auf die Beschlussempfehlung des BTRAussch. wurden § 246a und in dessen Folge für das Verfahren über nachträgliche Entscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt § 453 Abs. 1 geändert. Nach dem neuen § 246a Abs. 2 soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und dessen Behandlungsaussichten vernommen wer49 50 51 52

Vgl. zu den Voraussetzungen im Widerrufsverfahren LR/Jahn § 140, 115 ff., 118, 121. Boetticher NStZ 1991 1, 3 ff. Boetticher NStZ 1991 1, 5. OLG Hamm MDR 1975 775; OLG Düsseldorf NStZ 1987 524; 1988 243; OLG Celle StV 1988 259; Wegener MDR 1981 620; KK/Appl 3; Bringewat 16. 53 Er lautete: Ist der Verurteilte zur mündlichen Anhörung unter der Androhung geladen, dass im Falle des Ausbleibens seine Vorführung erfolgen werde, so kann das Gericht die Vorführung des nicht erschienenen Verurteilten anordnen. 54 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 27.11.1985, BTDrucks. 10 4391: Zu Art. 2 Nr. 1 (§ 453 Abs. 1 StPO), S. 19. 55 LG Braunschweig Beschl. vom 11.12.2017 – 8 Qs 802 Js 7817/14 (197/17). 56 BTDrucks. 17 6261.

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den, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf, wenn Anklage wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat – also wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a und 182 StGB – zum Nachteil eines Minderjährigen erhoben worden ist und die Erteilung einer Therapieweisung in Betracht kommt. Durch den Verweis in Absatz 1 Satz 3 auf § 246a Abs. 2 findet diese Regelung auch in Verfahren bei nachträglichen Entscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt entsprechende Anwendung.57 27

b) Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Regelung des Absatzes 1 Satz 3 soll sicherstellen, dass die Soll-Vorschrift des § 246a Abs. 2 auch für die Begutachtung von Verurteilten gilt, die wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen verurteilt wurden und für die eine nachträgliche Therapieweisung im Rahmen einer laufenden Bewährung (Absatz 1 Satz 1) oder im Hinblick auf eine bestehende, insbesondere kraft Gesetzes angeordnete Führungsaufsicht (§ 463 Abs. 2 i. V. m. § 453 Abs. 1) in Betracht kommt. Der Anwendungsbereich des Absatzes 1 Satz 3 ist damit erst dann eröffnet, wenn die zunächst durch den Beschluss nach § 268a getroffenen Entscheidungen wegen nachträglich eingetretener Umstände zu ändern sind oder über den Widerruf der Strafaussetzung (§ 56f Abs. 1 und 2 StGB), den Straferlass oder dessen Widerruf (§ 56g StGB) zu entscheiden ist oder wenn bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt die Änderung von Weisungen (§ 59a Abs. 2 StGB) zu entscheiden ist. Hauptanwendungsfälle werden die nachträgliche Erteilung einer Therapieweisung nach § 56c StGB in Fällen der Strafaussetzung zur Bewährung (Absatz 1), der Strafrestaussetzung (§ 454 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 453 Abs. 1 Satz 3) sowie im Rahmen der Führungsaufsicht (§ 463 Abs. 2 i. V. m. § 453 Abs. 1 Satz 3) sein. Die Neuregelung in Absatz 1 Satz 3 führt für das Gericht eine Pflicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens vor einer nachträglichen Therapieweisung in allen Fällen ein, in denen der Verurteilte wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen verurteilt worden ist. Dabei stehen spezialpräventive Erwägungen im Vordergrund, denn mit Hilfe des Sachverständigen soll das Gericht klären, ob der Verurteilte einer Betreuung und Behandlung im Rahmen einer Therapieweisung während der Bewährungszeit bedarf.58

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aa) Anklage wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen. Während § 246a Abs. 2 auf eine Anklageerhebung wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen als Voraussetzung für die Vernehmung eines Sachverständigen abstellt, stellt sich in Fällen von Absatz 1 Satz 3 die Frage, ob in dem Verfahren, in dem die Strafaussetzung zur Bewährung gewährt worden ist, Voraussetzung eine Verurteilung wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat ist oder ob eine entsprechende Anwendung von § 246a Abs. 2 auch solche Fälle erfasst, in denen keine Verurteilung wegen einer Anlasstat nach § 181b StGB vorliegt, gegen den Verurteilten aber während des Laufs der Bewährungszeit in einem neuen Verfahren Anklage wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat erhoben worden ist. Der Wortlaut von Absatz 1 Satz 3 steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Allerdings kann der Beschlussempfehlung des BTRAussch. nichts dafür entnommen werden, dass der Gesetzgeber diese Fallkonstellation im Blick hatte.59 Der Normzweck hingegen legt es nahe, die Soll-Regelung des § 246a Abs. 2 auch auf diese Fallkonstellationen zu 57 BTDrucks. 17 6261 S. 22. 58 BTDrucks. 17 12735 S. 21. 59 BTDrucks. 17 12735 S. 22.

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erstrecken. Dessen ungeachtet hat das die Bewährungsaufsicht führende Gericht aber ohnehin aufgrund der ihm obliegenden umfassenden Pflicht zur Aufklärung60 bei der eventuell zu treffenden nachträglichen Entscheidung, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten ist, weil ggf. eine Therapieweisung in Betracht kommt, von Amts wegen alle erforderlichen Umstände stets zu prüfen. bb) Erforderlichkeit. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es 29 bei Vorliegen einer (neuen) Anlasstat nur dann, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Verurteilte einer psychiatrischen, psycho- oder sozialtherapeutischen Betreuung und Behandlung (Therapieweisung) bedarf. Der Sachverständige soll dem Gericht Rat und Hilfe geben, ob eine solche Weisung überhaupt angezeigt ist und wie sie ggf. ausgestaltet sein sollte, um eine bestmögliche Betreuung und Behandlung für den Verurteilten zu gewährleisten. cc) Zeitpunkt für die Beauftragung des Sachverständigen. Einen bestimmten 30 Zeitpunkt für die Beauftragung des Sachverständigen schreibt das Gesetz nicht vor. Nach dem Sinn und Zweck von § 246a Abs. 2 StGB und mit Blick auf die ihm obliegende Aufklärungspflicht ist das Gericht gehalten, einen Sachverständigen zu beauftragen, sobald Anlass für die Prüfung besteht, ob dem Verurteilten eine nachträgliche Therapieweisung erteilt werden soll. Ein solcher Anlass muss sich aufgrund bestimmter Tatsachen ergeben (z. B. Bericht des Bewährungshelfers, eigene Angaben des Verurteilten, neues (einschlägiges) Ermittlungsverfahren). dd) Anhörung des Sachverständigen (Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 454 Abs. 2 Sät- 31 ze 3 und 4). Der Sachverständige ist grundsätzlich bei nachträglichen Entscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt mündlich zu hören. Eine schriftliche Gutachtenerstattung reicht nicht aus. Vielmehr ist das Gericht verpflichtet, ihn – ebenso wie die Staatsanwaltschaft und den Verurteilten (Absatz 1 Satz 2) – mündlich zu hören (Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 454 Abs. 2 Satz 3). Nur wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft auf eine mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichten,61 darf das Gericht ausnahmsweise davon absehen. Es ist dazu aber nicht verpflichtet. Sofern es die Anhörung des Sachverständigen trotz eines wirksamen Verzichts im Rahmen der Aufklärungspflicht für geboten hält, hört es ihn mündlich an, wobei dann auch dem Verurteilten, dessen Verteidiger und der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Teilnahme zu geben ist. c) Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Beauftragung und Anhörung des 32 Sachverständigen nach Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 246a Abs. 2, § 454 Abs. 2 Satz 3 und 4 können auf eine (sofortige) Beschwerde des Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft (Absatz 2) zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung führen. Ein solcher Verfahrensmangel kann dann vorliegen, wenn das Gericht zu Unrecht eine Anlasstat angenommen hat oder von der Einschaltung eines Sachverständigen nach Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 246a Abs. 2 abgesehen hat, obwohl es dazu verpflichtet gewesen wäre. Ebenso stellt eine unterlassene mündliche Anhörung des Sachverständigen ohne wirksame Verzichtserklärung des Verurteilten, seines Verteidigers und der Staatsanwaltschaft stets einen Verfahrensmangel dar, der das Beschwerdegericht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung nötigt. 60 Rn. 11. 61 BTDrucks. 17 12735 S. 22; vgl. § 454, 62 f. zur Wirksamkeit von Verzichtserklärungen.

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5. Unterrichtung des Bewährungshelfers (Absatz 1 Satz 5) 33

a) Zweck. Der Zweck der Erweiterung des Satzes 5 besteht darin, dass das Gericht die ihm aus anderen Strafverfahren bekannt gewordenen Erkenntnisse dem zuständigen Bewährungshelfer mitteilen soll, wenn dies für den Zweck der Bewährungsaufsicht angezeigt erscheint. Durch die Ergänzung des Satzes 5 wird klargestellt, dass auch die nach § 477 Abs. 2 Nr. 1 und 3 übermittelten personenbezogenen Informationen, die dem für die Überwachung des Verurteilten während der Bewährungsaufsicht zuständigen Gericht übermittelt werden, der Zweckbindung des § 477 Abs. 1 unterliegen. Sie dürfen daher nur für die von dem Gericht zu treffenden Entscheidungen verwendet werden.62 Die Erweiterung ist erforderlich geworden, weil nach der bisherigen Regelung für das Gericht gegenüber dem bestellten Bewährungshelfer nur dann eine Pflicht zur Unterrichtung bestand, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlass in Betracht kam, nicht aber in solchen Fällen, in denen eine Unterrichtung des Bewährungshelfers aufgrund des Zwecks der Bewährungsaufsicht im Übrigen angezeigt war. Eine möglichst frühzeitige Unterrichtung des Bewährungshelfers über bewährungsrelevante Erkenntnisse ist aber angebracht, um unter Umständen zeitgerecht intervenieren zu können und ggf. durch Änderung von Auflagen oder Weisungen einen ansonsten wahrscheinlichen Bewährungswiderruf zu vermeiden. b) Umfang der Unterrichtung

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aa) Erkenntnisse aus anderen Verfahren. Die Pflicht zur Unterrichtung des Bewährungshelfers durch das Gericht bezieht sich auf Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren. Unter dem Begriff „Strafverfahren“ ist das gesamte Verfahren einschließlich der Vollstreckung zu verstehen.63 Die Unterrichtungspflicht umfasst mithin alle für den Zweck der Bewährungsaufsicht bedeutsamen Vorgänge, unabhängig von deren Verfahrensstand. Es dürfen damit Erkenntnisse aus jeder Lage eines anderen Verfahrens, von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bis zum Abschluss des Vollstreckungsverfahrens dem Bewährungshelfer übermittelt werden. Über Änderungen der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten, neue Ermittlungsverfahren gegen ihn, Umstände, aus denen sich ein Verstoß gegen eine Auflage nach § 56b StGB oder gegen eine Weisung nach § 56c StGB ergeben, soll das Gericht den Bewährungshelfer in Kenntnis setzen.

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bb) Zweckbindung. Die Unterrichtung über Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren an den Bewährungshelfer unterliegt einer engen Zweckbindung. Das Gericht soll ihn nur dann unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen lässt. Damit wird klargestellt, dass nicht jede Information aus anderen Verfahren an den Bewährungshelfer weitergegeben werden darf, sondern nur eine solche, die den Zweck der Bewährungsaufsicht berührt. Dieser besteht darin, den Verurteilten von (neuen) Straftaten abzuhalten (§ 56d Abs. 1 StGB), wobei der Bewährungshelfer seine Funktion der Aufsicht und Leitung in erster Linie so ausübt, dass er dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite steht (§ 56d Abs. 3 StGB). Das Gericht soll daher den Bewährungshelfer über alle diejenigen Erkenntnisse unterrichten, die dieser im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags für die fürsorgerische Betreuung des Verurteilten (z. B. hinsichtlich der Familien- oder Wohnungssituation, des Arbeitsplatzes, der Ausbildung) sowie für die Überwachung der Erfüllung von Auflagen oder Weisungen sowie Anerbieten und Zusagen benötigt. 62 BTDrucks. 13 4709 S. 30. 63 BTDrucks. 13 4709 S. 30.

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c) Zeitpunkt der Unterrichtung. Zu dem Zeitpunkt der Unterrichtung verhält 36 sich das Gesetz nicht. Es versteht sich von selbst, dass das Gericht alsbald nach Erlangung der bewährungsrelevanten Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren den Bewährungshelfer unterrichten soll. Nur durch eine zeitnahe Unterrichtung wird hinreichend sichergestellt, dass die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der Bewährungsaufsicht frühzeitig berücksichtigt werden können. d) Form der Unterrichtung. Satz 5 schreibt keine bestimmte Form der Unterrich- 37 tung vor. Die Unterrichtung erfolgt daher formlos. Sie kann mündlich oder fernmündlich vorgenommen werden. Allerdings dürfte es sich empfehlen, die Unterrichtung schriftlich vorzunehmen, um zum einen die übermittelten Erkenntnisse in den Akten zu dokumentieren und um zum anderen Missverständnisse bei der Unterrichtung zu vermeiden. Die Unterrichtung kann auch durch Übersendung einer Ablichtung aus den Akten eines anderen Strafverfahrens erfolgen, soweit sich daraus die bewährungsrelevanten Umstände ergeben. e) Unterlassene Unterrichtung. Eine unterlassene Unterrichtung des Bewäh- 38 rungshelfers über Erkenntnisse aus anderen Verfahren hat keine verfahrensrechtlichen Auswirkungen. Sofern eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung in Betracht kommt, ist eine Unterrichtung des Bewährungshelfers obligatorisch.

III. Entscheidung 1. Beschleunigungsgebot. Im Verfahren über den Widerruf ist der Verurteilte stets 39 zeitnah zur Entscheidung des Gerichts zu hören. Es gilt auch in diesem Verfahren das Beschleunigungsgebot. Liegen zwischen der Anhörung des Verurteilten und der Entscheidung des Gerichts mehr als vier Monate, so kann die Anhörung nicht mehr Grundlage für die gerichtliche Entscheidung sein.64 Im Einzelfall kann auch ein kürzerer Zeitraum zwischen (mündlicher) Anhörung und Entscheidung des Gerichts schon eine erneute Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich machen, denn es kann regelmäßig nicht ausgeschlossen werden, dass sich in dem Zeitraum zwischen der Anhörung des Verurteilten und der Entscheidung des Gerichts neue Umstände ergeben haben, die eine andere Entscheidung gebieten können. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots führt daher im Falle einer Anfechtung der Entscheidung in aller Regel zu deren Aufhebung und zur Zurückverweisung an das Erstgericht, das hinsichtlich der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklung des Verurteilten den Sachverhalt aufzuklären haben und ihn hierzu erneut anzuhören haben wird. 2. Begründungserfordernisse. Die nachträglichen Entscheidungen ergehen stets 40 durch Beschluss (Absatz 1 Satz 1). Dieser ist mit Gründen zu versehen (§ 34). Die konkreten inhaltlichen Anforderungen ergeben sich aus dem jeweiligen Entscheidungsgegenstand.65 Die Begründung muss den Verurteilten und die Staatsanwaltschaft als Anfechtungsberechtigte (§ 296 Abs. 1) in die Lage versetzen, ihr weiteres Prozessverhalten auf die Meinung des Gerichts einzustellen. Ferner muss die Begründung dem Beschwerdegericht ermöglichen, nachzuprüfen, ob das Gericht von zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist. Die Tatsachen, die belegen sollen, dass der Verurteilte durch die Bege64 OLG Hamm StV 2001 413. 65 LR/Graalmann-Scheerer § 34, 10.

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hung einer neuen Straftat in der Bewährungszeit die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat (§ 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB) bzw. dass er bei dem Widerrufsgrund des § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB durch einen gröblichen oder beharrlichen Verstoß gegen Weisungen oder bei beharrlicher Entziehung der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers Anlass zu der Besorgnis neuer Straftaten gibt, sind auf den Einzelfall bezogen konkret darzulegen. Gegen die Verwendung von Vordrucken und Dokumentvorlagen bestehen grundsätzlich keine Bedenken.66 Allerdings dürfen sich die Entscheidungsgründe nicht auf die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes67 oder allgemeine oder formelhafte Ausführungen ohne Fallbezug beschränken. 41 Mängel der Begründung führen, soweit der Sachverhalt hinreichend aufgeklärt und das Verfahren im Übrigen nicht mit Fehlern behaftet ist, nur ausnahmsweise zur Aufhebung und Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht.68 Grundsätzlich hebt das Beschwerdegericht eine mangelhaft begründete Entscheidung auf die – sofortige – Beschwerde hin zwar auf, setzt aber seine eigene Entscheidung an ihre Stelle (§ 309 Abs. 2). Ist die Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden, jedoch die Begründung rechtsfehlerhaft, so nimmt das Beschwerdegericht unter Verwerfung des Rechtsmittels einen Austausch der Begründung vor. IV. Rechtsmittel (Absatz 2) 1. Einfache Beschwerde (Sätze 1 und 2) 42

a) Allgemeines. Gegen die in Absatz 1 bezeichneten nachträglichen Anordnungen ist nach Absatz 2 Satz 1 Beschwerde zulässig. Satz 2 beschränkt diese jedoch dahin, dass mit ihr nur die Gesetzwidrigkeit der getroffenen Anordnung oder die nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit gerügt werden kann. Der Grund für diese Einschränkung ergibt sich aus folgender Überlegung: Absatz 2 Satz 2 stimmt – bis auf die Worte „oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist“ – wörtlich mit § 305a Abs. 1 Satz 2 überein, der die Anfechtbarkeit des Beschlusses regelt, in dem erstmals die auf die Aussetzung zur Bewährung sich beziehenden Anordnungen getroffen worden sind (§ 268a; §§ 56a bis 56d, 59a StGB). Der Sinn des § 453 Abs. 2 Satz 2 geht also dahin, die nachträglichen Änderungen des Auflagenbeschlusses hinsichtlich der Anfechtbarkeit in gleicher Weise zu behandeln wie die ursprünglich im Auflagenbeschluss getroffenen Einzelanordnungen.69 Die Anfechtbarkeit ist in gleicher Weise beschränkt, als seien die nachträglichen Änderungen bereits im Beschluss nach § 268a enthalten gewesen. b) Gesetzwidrigkeit (Satz 2, 1. Alt.)

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aa) Grundsatz. Gesetzwidrig ist eine Anordnung, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar ist.70 Satz 2 gilt, soweit er die Beschwerde auf die Rüge der Gesetzwidrigkeit der Anordnung beschränkt, für die nachträgliche Verkürzung der Bewährungszeit bis auf das Mindestmaß (§ 56a Abs. 2 Satz 2 StGB), für 66 67 68 69 70

LR/Graalmann-Scheerer § 34, 10 m. w. N. OLG Hamm StV 2001 413. LR/Matt25 § 309, 14 ff. OLG Düsseldorf MDR 1985 784. OLG Hamm MDR 1975 1041; VRS 104 (2003) 372, 374; JMBlNRW 1977 256; OLG Schleswig SchlHA 1985 120; OLG Düsseldorf MDR 1990 743; OLG Dresden StV 2008 317; OLG Frankfurt NStZ-RR 2006 327; KK/Appl 8; KMR/Stöckel 35; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Bringewat 33.

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die Nachtragsentscheidungen nach § 56e StGB, die den ursprünglichen mit dem Urteil verkündeten Beschluss des § 268a nachträglich ändern oder aufheben, sowie für Abänderungen, die die Art und Weise der Anrechnung nach § 56f Abs. 2 StGB betreffen.71 Die Aufhebung oder Einschränkung von Auflagen, Weisungen und Bewährungshilfe 44 ist, von Verfahrensverstößen abgesehen, praktisch unanfechtbar.72 Die Erteilung von Weisungen und Unterstellung unter einen Bewährungshelfer ist zwar nach dem Gesetzeswortlaut („erteilt Weisungen“, § 56c StGB; „unterstellt der Aufsicht …“, § 56d StGB) obligatorisch. Tatsächlich handelt es sich aber nach der Umschreibung der Voraussetzungen („wenn er dieser Hilfe bedarf…“, § 56c StGB, „wenn dies angezeigt ist, um.“, § 56d StGB) um Ermessensausübung, die nur unter dem Gesichtspunkt der Ermessensüberschreitung (Willkür, Missbrauch) gesetzwidrig sein könnte.73 Ferner bedarf es der Prüfung, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit74 und der Bestimmtheitsgrundsatz75 beachtet worden sind. bb) Ergebnis. Praktisch beschränkt sich die Zulässigkeit der einfachen Beschwer- 45 de wegen materieller Gesetzwidrigkeit auf die nachträgliche Erstanordnung oder die Erweiterung (Verschärfung) bereits angeordneter Bewährungsmaßnahmen. Hier kann z. B. gerügt (die Beschwerde darauf „gestützt“)76 werden, dass die allgemeine Voraussetzung einer nachträglichen Entscheidung – eine gegenüber der Ausgangslage eingetretene oder hervorgetretene Veränderung der Umstände – fehle, dass eine Verschärfung der zunächst getroffenen Maßnahmen zuungunsten des Verurteilten nicht oder nur mit Einschränkungen zulässig sei,77 dass die Auflage oder Weisung unzumutbar sei (§ 56b Abs. 1 Satz 2, § 56c Abs. 1 Satz 2 StGB), dass der Begriff des Schadens, dessen Wiedergutmachung dem Verurteilten obliegt, verkannt sei (§ 56b Abs. 1 Nr. 1 StGB), dass die nach § 56c Abs. 3 StGB zur Erteilung der Weisung erforderliche Einwilligung des Verurteilten fehle, dass die getroffene Entscheidung grundgesetzwidrig sei, z. B. eine die Berufungsausübung beschränkende Weisung (§ 56c Abs. 2 Nr. 1 StGB) mit Art. 12 GG nicht vereinbar sei.78 Unberührt bleibt stets die Möglichkeit, wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (fehlende Zuständigkeit bei Teilzuständigkeitsübertragung usw.) Beschwerde einzulegen, denn auch sie machen die Anordnung gesetzwidrig. Soweit der Verurteilte gegen Nachtragsentscheidungen Beschwerde einlegen kann, steht dieses Recht auch der Staatsanwaltschaft zu, und zwar wegen Gesetzwidrigkeit zu seinen Gunsten wie zu seinen Ungunsten, im Übrigen zu seinen Gunsten (§ 296 Abs. 2). c) Nachträgliche Verlängerung der Bewährungszeit (Satz 2, 2. Alt.). Die Be- 46 schwerde gegen die Verlängerung der Bewährungszeit kann sowohl auf Gesetzesverstöße (z. B. Verlängerung unter Überschreitung des Höchstmaßes) wie auch darauf gestützt werden, dass ein die Verlängerung rechtfertigender Grund überhaupt nicht vorliege.79

71 OLG Stuttgart MDR 1980 1037; OLG Celle NdsRpfl. 1982 222; a. A. LG Stuttgart MDR 1981 335; OLG Hamburg MDR 1983 953; OLG Düsseldorf MDR 1985 784. Bringewat 31. OLG Stuttgart NStZ-RR 2004 89; OLG Hamm VRS 104 (2003) 372. OLG Hamm JMBlNRW 1977 256; OLG Schleswig SchlHA 1985 120. OLG Jena NStZ 2006 39; StV 2008 88; OLG Dresden StV 2008 317. OLG München NStZ 1989 524. Fischer § 56e, 3; Wittschier Das Verbot der reformatio in peius im strafprozessualen Beschlussverfahren (1985), 152 ff. 78 OLG Hamburg NJW 1972 168 m. w. N. 79 Bringewat 30.

72 73 74 75 76 77

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Ebenso kann die Beschwerde gegen die Ermessensentscheidung nach § 56g Abs. 2 StGB auf fehlerhafte Ermessensausübung gegründet werden. In diesen Fällen ist das Beschwerdegericht unabhängig von der Beschwerdebegründung zur umfassenden Überprüfung der angefochtenen Entscheidung berufen und dabei – wie auch sonst bei Beschwerden – in seiner Entscheidungskompetenz nicht beschränkt.80 47

d) Ablehnung von Anordnungen. Die Ablehnung von Anordnungen unterliegt den Anfechtungsvoraussetzungen wie die Anordnung selbst.81 Entscheidungen, durch die Anträge auf Anordnungen nach § 56a Abs. 2 Satz 2, §§ 56e, 56f, 56g Abs. 2 StGB abgelehnt worden sind, unterliegen, weil die begehrte Entscheidung (wenn sie antragsgemäß ergangen wäre) nur eingeschränkt anfechtbar ist, auch den in Satz 2 angeführten Beschränkungen.82 Dem steht nicht entgegen, dass bei einer abgelehnten Entscheidung an sich keine Anordnung getroffen wird. Die unbeschränkte einfache Beschwerde muss dem Verurteilten gleichwohl versagt bleiben, weil die abgelehnte Anordnung materiell stets in einem unauflösbaren Wechselwirkungsverhältnis mit der Ursprungsentscheidung nach § 268a steht.83 2. Sofortige Beschwerde (Satz 3)

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a) Allgemeines. Absatz 1 Satz 3 sieht von der in den Rn. 42 bis 47 erörterten Regelung fünf Ausnahmen vor, indem er gegen den Widerruf der Aussetzung (§ 56f StGB), den Erlass der Strafe (§ 56g Abs. 1 StGB), den Widerruf des Erlasses (§ 56g Abs. 2 StGB), die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 59b Abs. 1 StGB) und die Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§ 59b Abs. 2 StGB), die sofortige Beschwerde eröffnet. In diesen Fällen darf die Vollstreckung mithin erst beginnen, wenn die Aussetzungswirkung der vorangegangenen Entscheidung beseitigt, d. h. der Beschluss nach Absatz 1 rechtskräftig ist.84 Dem entspricht die Regelung in § 453c, wonach der Sicherungshaftbefehl bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses zulässig ist.85 b) Widerruf der Aussetzung (Satz 3, 1. Fall)

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aa) Grundsatz. Der Widerruf der Aussetzung ist nach Absatz 2 Satz 3 mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar, es sei denn, dass das Gericht den Widerruf erst in zweiter Instanz auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft angeordnet hat. Denn auch § 453 Abs. 2 Satz 3 eröffnet keinen über die Regelung des § 310 hinausgehenden Rechtsmittelzug.86 Die Beschwerde kann, da hier die Beschränkung der Beschwerdegründe nicht gilt, von dem Verurteilten wie von der Staatsanwaltschaft (zu Gunsten des Verurteil-

80 KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 36. 81 OLG Nürnberg Beschl. vom 11.1.2019 – 2 Ws 855/18. 82 OLG Celle NStZ 1983 430; OLG München NStZ 1988 524; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 11; a. A. OLG Braunschweig NJW 1954 364; OLG Hamburg NJW 1963 1166; OLG Hamm NJW 1963 1165; LG Mainz NJW 1956 1249. 83 OLG Celle NStZ 1983 430; Bringewat 35. 84 OLG Karlsruhe NJW 1964 1085; OLG Hamm NStZ 1983 459 mit zust. Anm. Müller-Dietz; Hanack JZ 1966 50; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 37; Katzenstein StV 2003 362. 85 KK/Appl 10; Bringewat 37. 86 OLG Düsseldorf NStZ 1982 395; OLG Bremen NStZ 1986 524; s. auch OLG Hamm GA 1976 58; OLG Celle MDR 1977 74; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 38.

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ten) darauf gestützt werden, dass die in § 56f Abs. 1 StGB bezeichneten Voraussetzungen nicht vorliegen oder eine mildere Maßnahme nach § 56f Abs. 2 StGB ausreicht.87 Die Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses steht einer erneuten Nachprüfung im Verfahren nach § 458 Abs. 1, § 462 nicht entgegen, wenn Tatsachen geltend gemacht werden, die die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zulassen würden.88 bb) Erweiterung. Nach seinem Wortlaut sieht Satz 3 die sofortige Beschwerde nur 50 für den Fall der Anordnung des Widerrufs der Aussetzung vor. Jedoch neigt die neuere Rechtsprechung dazu, sie auch auf den Fall zu erstrecken, dass das Gericht einen Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt hat. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Denn was für den Widerruf ausdrücklich vorgesehen ist, muss auch für entsprechende Negativentscheidungen gelten, zumal wenn für diese hinsichtlich der Qualität des Rechtsmittels die gleichen Erwägungen bedeutsam sind wie im Fall eines ausgesprochenen Widerrufs.89 Das muss selbst dann gelten, wenn das Gericht aufgrund einer Abwägung zwischen dem beantragten Widerruf der Strafaussetzung und einer noch zulässigen Verlängerung der Bewährungszeit sich für die letztere Maßnahme entscheidet. Denn auch dann geht es darum, eine rechtskräftige Entscheidung darüber herbeizuführen, ob gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist oder nicht.90 Diese Frage darf nicht längere Zeit in der Schwebe bleiben.91 cc) Prüfungsumfang. Das Beschwerdegericht prüft die Entscheidung in vollem 51 Umfang, auch soweit sie im Ermessen des Gerichts steht.92 Es kann den Widerruf auch auf andere Gründe stützen, sofern es dem Verurteilten zuvor rechtliches Gehör gewährt hat.93 Wie auch sonst entscheidet es regelmäßig in der Sache selbst. Ist die mündliche Anhörung jedoch ohne rechtfertigenden Grund unterblieben, hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf und verweist die Sache an die Vorinstanz zurück.94

87 Wegen vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung der Vollstreckung, wenn Widerruf der Aussetzung in Betracht kommt, vgl. Erl. zu § 453c. 88 OLG Oldenburg NJW 1962 1169; LG Bremen StV 1990 311; LG Hamburg NStZ 1991 149; anders noch MDR 1975 246; H. W. Schmidt SchlHA 1963 109; Hanack JR 1974 115; Lemke ZRP 1978 281; Groth ZRP 1979 308 und MDR 1980 595; KK/Appl 11; Meyer-Goßner/Schmitt 17; Bringewat 39; a. A. LG Freiburg JR 1979 191 mit krit. Anm. Peters; AG Gießen MDR 1980 595 mit abl. Anm. Groth. 89 OLG Hamm NStZ 1988 291 mit abl. Anm. Funck NStZ 1989 46; NStZ 2010 105; OLG Düsseldorf MDR 1989 666; aufgegeben JMBlNRW 1994 142 = (gekürzt) MDR 1994 531; erneut aufgegeben: sofortige Beschwerde bei Ablehnung des Widerrufsantrags für die Staatsanwaltschaft nunmehr zulässig: OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002 28; OLG Hamburg MDR 1990 504 unter Aufgabe seiner Ansicht in MDR 1980 606; OLG Saarbrücken MDR 1992 505; OLG Stuttgart MDR 1994 195; aufgegeben NStZ 1995 53; NStZ 2000 500 (wenn die Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung des Widerrufsantrags vorgehen will); StraFo 2012 160; LG Bückeburg NStZ 2005 168; (für das Jugendstrafverfahren) mit Anm. Heinrich NStZ 2006 417; OLG Zweibrücken StV 1998 562 (unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung); Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 37; Funck NStZ 1995 568; Artkämper NJ 2002 102; a. A. nunmehr auch OLG Köln NStZ 1995 476 mit abl. Anm. Bringewat; LG Mainz NJW 1956 1249; LG Potsdam NStZ-RR 1996 285 (für das Jugendstrafverfahren); KK/Appl 10. 90 OLG Düsseldorf MDR 1989 666; OLG Saarbrücken MDR 1992 505. 91 OLG Hamburg MDR 1990 564. 92 OLG Braunschweig NJW 1954 364; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 14; Bringewat 38. 93 OLG Düsseldorf MDR 1983 68. 94 OLG Düsseldorf StV 1987 257; Meyer-Goßner/Schmitt 15.

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§ 453

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

c) Erlass der Strafe und dessen Widerruf (Satz 3, 2. Fall) 52

aa) Anfechtbarkeit. Der Erlass der Strafe war vor dem 1. StrRG hinsichtlich des sachlichen Inhalts der Entscheidung nicht anfechtbar. Da dieses Gesetz aber in § 25a Abs. 2 (jetzt: § 56g Abs. 2 StGB) den Widerruf des Erlasses zuließ, war es zwangsläufig, der Staatsanwaltschaft das Recht der sofortigen Beschwerde zu geben. Andernfalls hätte sie, wenn ihr alsbald nach dem Ergehen des Straferlasses ein Widerrufsgrund bekannt werden würde, das (als Ausnahmeregelung gedachte) Widerrufsverfahren betreiben müssen. Das Recht zur sofortigen Beschwerde ist aber nicht auf den Fall des Hervortretens eines Widerrufsgrundes i. S. des § 56g Abs. 2 StGB beschränkt.95 Die sofortige Beschwerde kann auch darauf gestützt werden, dass das Gericht zu Unrecht die Strafe erlassen habe, statt die Aussetzung nach § 56f Abs. 1 StGB zu widerrufen oder eine mildere Maßnahme nach § 56f Abs. 2 StGB zu beschließen. Auch schwerwiegende Verfahrensverstöße – Straferlass vor Ablauf der Bewährungszeit, Straferlass durch das Amtsgericht, dem die Zuständigkeit nach § 462a Abs. 2 Satz 2 nur teilweise übertragen wurde, indem sich das übertragende Gericht den Straferlass vorbehielt, Entscheidungen ohne Anhörung der Staatsanwaltschaft – können nur mit sofortiger Beschwerde geltend gemacht werden. Sofortige Beschwerde ist auch gegeben, wenn das Gericht einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf ablehnt oder statt des Widerrufs Maßnahmen gemäß § 56f Abs. 2 StGB beschließt.96

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bb) Beschwerdeberechtigte. Daraus, dass nach Absatz 1 Satz 2 außer dem Angeklagten nur die Staatsanwaltschaft zu hören ist, ist zu folgern, dass das Recht der sofortigen Beschwerde gegen den Erlass der Strafe nur der Staatsanwaltschaft, nicht etwa auch dem Privat- oder Nebenkläger, zusteht.

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cc) Wirkung. Der rechtskräftig gewordene Beschluss über den Erlass der Strafe bezieht sich nur auf die ausgesetzte Freiheitsstrafe, nicht auch auf Kosten und Nebenfolgen.

V. Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses als Vollstreckungsvoraussetzung 55

Es fragt sich, welche Rechtsfolgen die Anfechtbarkeit in der Zeit vom Erlass des Widerrufsbeschlusses und vor Eintritt seiner Rechtskraft hat. Die früher herrschende Meinung97 wertete den Widerruf als die Beseitigung eines der Vollstreckung entgegenstehenden Hindernisses, die mit dem Erlass des Widerrufsbeschlusses wirksam werde und es trotz Anfechtung bleibe, soweit nicht das Beschwerdegericht die Vollziehung aussetzte (§ 307). Zur Erzwingung des Strafantritts könne danach die Vollstreckungsbehörde die in § 457 bezeichneten Maßnahmen ergreifen. Diese Betrachtungsweise ist mit Recht von der heute herrschenden Meinung aufgegeben (Rn. 4 f.). Danach enthält das auf Strafaussetzung zur Bewährung erkennende rechtskräftige Urteil – insoweit der Verwarnung im Strafvorbehalt (§ 59 StGB) vergleichbar – zunächst noch keinen der Vollstre95 Meyer-Goßner/Schmitt 13. 96 OLG Hamm NStZ 1988 291; OLG Düsseldorf MDR 1989 666; OLG Hamburg StV 1990 370; OLG Saarbrücken MDR 1992 505; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 37; a. A. OLG Hamburg MDR 1980 60; LG Mainz NJW 1956 1249; Funck NStZ 1989 46. 97 Sie wurde noch von LR/Schäfer21 § 453 Anm. IX 5 vertreten; weitere Nachweise finden sich bei Hanack JZ 1966 43 Fn. 3.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 453

ckung fähigen Strafausspruch. Die Vollstreckbarkeit des Strafausspruchs wird dem Urteil vielmehr erst durch den gestaltenden Akt des Widerrufs der Strafaussetzung zuteil, der seinerseits nach dem Grundgedanken des § 449 den Strafausspruch erst vollstreckungsfähig macht, wenn der Widerrufsbeschluss rechtskräftig geworden ist.98 Für diese Auffassung spricht, dass der Grundsatz, ein rechtskräftiger Urteilsspruch, 56 eine rechtskräftig erkannte, aber zur Bewährung ausgesetzte Strafe sei sinnvollerweise bis auf Weiteres nicht zu vollziehen, erst dann hinfällig wird, wenn eine spätere Entscheidung, die die Vollstreckbarkeit begründet, ihrerseits rechtskräftig geworden ist. Das entspricht sowohl dem Grundrecht des Schutzes der persönlichen Freiheit (Art. 2, 104 GG) wie dem Grundgedanken des § 449, der – richtig verstanden – wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit die Vollstreckung der Freiheitsstrafe grundsätzlich erst zulässt, wenn nicht nur der Strafausspruch, sondern auch dessen Vollziehbarkeit rechtskräftig festgestellt ist, sofern es zusätzlich zur rechtskräftigen Bestimmung der Strafe einer besonderen Entscheidung bedarf, die die Vollstreckung erst zulässt. Andernfalls verlöre die in § 453 Abs. 2 Satz 3 statuierte Anfechtbarkeit des Widerrufsbeschlusses mit sofortiger Beschwerde ihre Bedeutung. Aus § 307 Abs. 1 kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Denn diese Vorschrift enthält die immanente Einschränkung, dass sie unanwendbar ist, wenn nach Sinn und Zweck der die Anfechtbarkeit regelnden Vorschrift eine beschwerdefähige Entscheidung Rechtswirkung erst entfalten soll, falls sie ihrerseits die Rechtskraft erlangt hat.99 So liegt es aber bei dem Widerrufsbeschluss: Indem er das rechtskräftige Urteil, soweit es in Form der Strafaussetzung die Nichtvollstreckbarkeit anordnet, widerruft, stellt er sich als urteilsähnliche Entscheidung dar, die die Vollstreckbarkeit des Strafausspruchs erst schafft. Erst jetzt liegt ein der Vollstreckung fähiges Strafurteil i. S. des § 449 vor. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StVollstrO ist die mit Rechtskraftbescheinigung versehene Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift des erkennenden Teils des Widerrufsbeschlusses weitere urkundliche Grundlage der Vollstreckung i. S. des § 451 (dort Rn. 55 ff.).

VI. Öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses Nach § 453 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 ist vor dem Erlass des Widerrufsbeschlus- 57 ses der Angeklagte zu hören. Nach bisher herrschender Meinung hindert dies aber rechtlich nicht, den Widerrufsbeschluss ohne vorherige Anhörung zu erlassen und öffentlich zuzustellen, um die Beschwerdefrist in Lauf zu setzen, wenn der Verurteilte flüchtig ist oder sich verborgen hält,100 weil derjenige, der durch sein Verhalten seine vorherige Anhörung schuldhaft unmöglich macht, das Recht auf vorheriges rechtliches Gehör verwirkt (§ 33, 37).101 Der Verurteilte hätte es sonst in der Hand, durch Vereitelung der vorherigen Anhörung den Erlass des Widerrufsbeschlusses unmöglich zu machen. Allerdings setzt ein solches Verfahren voraus, dass sich das Gericht aller ihm zu Gebote

98 So – von Einzelheiten der Begründung abgesehen – LG Mannheim NJW 1963 673; 1964 415; OLG Karlsruhe NJW 1964 1085; 1972 2008 und – im Ergebnis – auch OLG Braunschweig NJW 1971 1710; im Schrifttum mit ausführlicher Begründung Hanack JR 1966 45, 50 m. w. N. 99 Ebenso LR/Matt26 § 307, 3; KK/Zabeck § 307, 1; Meyer-Goßner/Schmitt § 307, 1. 100 OLG Bremen MDR 1976 865; OLG Düsseldorf VRS 75 (1988) 50; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Paeffgen 14; Bringewat 24. 101 BVerfGE 5 10; 15 267; OLG Köln NJW 1963 875; OLG Düsseldorf JR 1989 167; zu § 454 Abs. 1 Satz 4 OLG Hamm MDR 1989 75.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

stehenden zumutbaren Mittel zur Erforschung des Aufenthalts des Zustellungsadressaten bedient hat und diese Bemühungen erfolglos waren.102

VII. Nachverfahren 58

1. Zulässigkeit. Ist durch wirksame öffentliche Zustellung die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt worden, und wird der Verurteilte nach ihrem ungenutzten Ablauf ergriffen, so bleibt sein Anspruch auf rechtliches Gehör insofern gewahrt, als er trotz Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses nachträglich Einwendungen gegen diesen vorbringen kann. Insoweit besteht allgemeines Einverständnis.103 Über die Möglichkeit eines solchen „Nachverfahrens“ wird der Ergriffene spätestens bei seiner Aufnahme in die Vollzugsanstalt belehrt (§ 29 Abs. 3 StVollstrO).104

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2. Zuständigkeit. Zuständig für die Durchführung des Nachverfahrens ist stets das Gericht des ersten Rechtszugs (nicht: die Strafvollstreckungskammer), auch wenn sich der Verurteilte bereits in Strafhaft befindet, da es sich nur um die Nachholung des rechtlichen Gehörs handelt, das zu gewähren dem Gericht an sich vor dem Widerrufsbeschluss oblag.105 Streitig ist nur die Art der Durchführung des Nachverfahrens. 3. Rechtsbehelfe

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a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand? In aller Regel werden bei dem Verurteilten, der seine vorherige Anhörung selbst vereitelt hat, die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist nicht vorliegen, weil er nicht ohne Verschulden (§ 44) an der Einhaltung der Frist gehindert war.106

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b) Sofortige Beschwerde? Gleichwohl wird zum Teil dem Ergriffenen das Recht zugebilligt, mit der sofortigen Beschwerde eine Überprüfung des Widerrufsbeschlusses herbeizuführen. Die Begründung ist verschieden. Nach OLG Braunschweig107 gehört zu einer ausreichenden nachträglichen Gewährung des rechtlichen Gehörs die Eröffnung des Rechtsmittelwegs in der Weise, dass der Verurteilte binnen einer Woche nach seiner Ergreifung noch sofortige Beschwerde gegen den rechtskräftigen Widerrufsbeschluss einlegen kann; die mit einer solchen nachträglichen Überprüfung des Widerrufsbeschlusses verbundene Einschränkung der Rechtskraft rechtfertige sich aus dem höher zu bewertenden Interesse an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung und entspreche dem Grundgedanken der §§ 33a, 311a Abs. 1. Nach anderer Auffassung bedarf es

102 OLG Hamm MDR 1972 259; JMBlNRW 1974 106; OLG Stuttgart MDR 1973 950 und – betr. öffentliche Zustellung an einen Ausländer – Justiz 1976 305; OLG Celle MDR 1976 948; vgl. dazu auch die Kritik von Hanack JR 1974 114, dass bei unbekanntem Aufenthalt vielfach zu schnell und im Widerspruch zum geltenden materiellen Recht widerrufen werde. 103 Vgl. etwa Hanack JZ 1966 51; JR 1974 113; Theuerkauf MDR 1965 179; Weiß JZ 1967 584; Kallmann NJW 1972 1478; KK/Appl 6. 104 Pohlmann/Jabel/Wolf § 29, 2 f.; KK/Appl 6. 105 OLG Koblenz MDR 1976 598 unter Aufgabe von OLGSt § 33a StPO, 13; KK/Appl 6; Bringewat 26. 106 OLG Stuttgart NJW 1974 284; Justiz 1975 276 m. w. N.; Bringewat 25; vgl. aber Pohlmann/Jabel6 § 29, 4 a. E: kein Verschulden, wenn die öffentliche Zustellung unzulässig war. 107 OLG Braunschweig NJW 1971 1710.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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zwar einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, aber es stehe einem Wiedereinsetzungsgrund i. S. des § 44 gleich, wenn der Widerrufsbeschluss ohne vorheriges Gehör erlassen und öffentlich zugestellt sei, weil der verfassungsmäßige Grundsatz des rechtlichen Gehörs eine Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens in der Sache selbst fordere.108 c) Nachträgliche Anhörung? Dagegen ist nach überwiegend vertretener Auffas- 62 sung der Grundsatz des rechtlichen Gehörs genügend gewahrt, wenn in entsprechender Anwendung des § 33a dem Verurteilten nachträglich die Anhörung durch das Gericht eröffnet wird, das den Widerruf beschlossen hat.109 Der Überprüfungsbeschluss unterliegt dann grundsätzlich keiner Anfechtung, denn da § 33a nur Beschlüsse betrifft, die nicht mit der Beschwerde oder einem anderen Rechtsmittel anfechtbar sind, kann auch die in Anwendung dieser Vorschrift ergehende Nachprüfungsentscheidung keinem Rechtsmittel unterliegen.110 Wer die Beschwerdefrist nicht gewahrt hat und die Folgen der Versäumung nicht 63 durch Bewilligung von Wiedereinsetzung beseitigen kann, dem können die alsdann verloren gegangenen Rechte nicht auf dem Umweg über die nach § 33a getroffene, den Widerruf bestätigende Entscheidung wieder eingeräumt werden. Denn § 33a soll ausschließlich sicherstellen, dass einem Anhörungsberechtigten rechtliches Gehör gewährt wird. Eine darüberhinausgehende weiterreichende Wirkung sollte die Vorschrift nicht haben. Ansonsten würde der Betroffene gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten besser gestellt, indem ihm gewissermaßen trotz des von ihm verschuldeten Rechtsmittelverlusts eine weitere gesetzlich nicht zugelassene weitere Beschwerde eröffnet werden würde.111 d) Ergebnis aa) In Bezug auf den Verurteilten. Der zuletzt genannten Auffassung ist grund- 64 sätzlich zuzustimmen. Sie vermeidet die deutliche Hinwegsetzung über die Voraussetzungen des § 44 und trägt in angemessener Weise dem Gehörsanspruch dessen, der sich den Verlust vorgängigen Gehörs selbst zuzuschreiben hat, Rechnung. Wegen der Frage, wann ausnahmsweise ein Bedürfnis für eine Überprüfung der im Nachverfahren ergehenden Entscheidung im Weg der einfachen Beschwerde besteht, vgl. § 33a, 26 sowie Hanack112 und Bringewat.113 Der Bundesgerichtshof114 hat diese Frage offen gelassen. 108 OLG Frankfurt NJW 1972 1095; OLG Koblenz MDR 1972 965; OLG Celle NJW 1972 2097; OLG Hamburg MDR 1974 417.

109 So BGHSt 26 127; OLG Hamburg NJW 1972 219; 1973 2306 – anders noch NJW 1968 1391; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1972 245; OLG Celle JR 1974 112 mit zust. Anm. Hanack; MDR 1976 948; OLG Saarbrücken NJW 1974 283; OLG Karlsruhe MDR 1974 685; GA 1985 284; Justiz 2003 272; OLG Braunschweig NJW 1974 284; OLG Stuttgart Justiz 1975 276; OLG Koblenz MDR 1975 595; KK/Appl 6; Bringewat 26; a. A. Kallmann NJW 1972 1478. 110 § 33a, 26; OLG Karlsruhe GA 1975 284; OLG Hamm NJW 1977 61. 111 BGHSt 26 129 unter Hinw. auf OLG Hamburg NJW 1972 219; OLG Düsseldorf GA 1975 284; JR 1993 125; OLG Celle JR 1974 113 mit zust. Anm. Hanack; OLG Saarbrücken NJW 1974 283; OLG Karlsruhe MDR 1974 685; OLG Koblenz GA 1975 315; OLG Hamm NJW 1977 61; aber auch schon KG NJW 1966 991; a. A. (noch) OLG Braunschweig NJW 1971 1710; OLG Frankfurt NJW 1972 1095; OLG Stuttgart NJW 1974 284; Kallmann NJW 1972 1478; Bringewat 27. 112 JR 1974 114 f. 113 Bringewat 38. 114 BGHSt 26 131.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

OLG Hamm115 lässt einfache Beschwerde (nur) zur Nachprüfung des Verfahrens nach § 33a zu. 65

bb) In Bezug auf die Staatsanwaltschaft. Für die Staatsanwaltschaft gilt der angeführte Grundsatz der Unanfechtbarkeit der Überprüfungsentscheidung nicht, da sie – wie unter § 33a, 8 näher ausgeführt – nicht zu den Beteiligten dieser Vorschrift gehört. Daraus folgt dann aber auch, dass die aus deren Anwendung abgeleiteten Rechte und Beschränkungen die gerichtsverfassungsmäßige Stellung der Staatsanwaltschaft unberührt lassen, d. h. die ihr nach allgemeinem Verfahrensrecht zustehenden Rechte weder erweitern noch beschränken. Da der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung die sofortige Beschwerde nach Absatz 2 Satz 3 zusteht, muss daher dieses Recht ipso iure wieder aufleben, wenn das Gericht den zunächst rechtskräftig gewordenen Widerrufsbeschluss zufolge entsprechender Anwendung des § 33a wieder aufhebt.116 Zu dem gleichen Ergebnis gelangt auch Hanack mit der Begründung, dass gegenüber der Staatsanwaltschaft – anders als bei dem Verurteilten – kein Anlass bestehe, „ihr ein Rechtsmittel zu nehmen, das sie auch haben würde, wenn das Gericht erster Instanz den Widerruf von vornherein abgelehnt hätte“.117

66

4. Änderung der Rechtslage aufgrund der Einfügung des § 453c? An dieser Rechtslage hat die Einfügung des § 453c durch Art. 1 Nr. 110 des 1. StVRG nichts geändert. Zwar eröffnet diese Vorschrift nunmehr die Möglichkeit, sich durch Erlass eines Sicherungshaftbefehls, der auch ohne vorherige Anhörung erlassen werden kann (§ 453c Abs. 2 Satz 2, § 33 Abs. 4 Satz 1), der Person des Verurteilten zu versichern. Jedoch kann daraus nicht geschlossen werden, seit dem Inkrafttreten des § 453c sei der Erlass eines Widerrufs ohne vorherige Anhörung des Verurteilten sowie die öffentliche Zustellung des Beschlusses unzulässig.118 Eine solche Folgerung findet weder im Wortlaut des § 453c noch in den Materialien zu dieser Vorschrift eine Stütze. Nach seinem Wortlaut regelt § 453c in erster Linie vorläufige Maßnahmen (vgl. dazu § 453c, 4), um sich der Person des Verurteilten zu versichern. Den Erlass eines Haftbefehls sieht er nur notfalls vor. Das Gericht kann so verfahren, ohne dazu verpflichtet zu sein. Ausdrücklich schreibt das Gesetz keine Maßnahme vor. Nach der Begründung119 war für die Einfügung des § 453c entscheidend: „Die bei einer Flucht des Verurteilten notwendig werdende öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses sowie Fahndungsmaßnahmen könnten das Vollstreckungsverfahren erheblich verzögern, insbesondere unmittelbar vor und nach Erlass des Widerrufsbeschlusses könnten Maßnahmen gegen den Verurteilten erforderlich sein, um sich seiner Person zu versichern. Die Einfügung des § 453c soll diese Lücke schließen und damit zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen“. Von einer obligatorischen Verhaftung eines den Widerruf befürchten müssenden Verurteilten ist nirgendwo die Rede. Gesetzeswortlaut und Begründung lassen vielmehr eindeutig erkennen, dass der Widerruf – wie auch früher – auch ohne Erlass eines

115 116 117 118

NJW 1977 61. A. A. OLG Düsseldorf JR 1993 125 mit abl. Anm. Wendisch; wie hier LG Aachen MDR 1992 790. JZ 1966 48. So aber OLG Hamburg NJW 1976 1326; JR 1978 390; OLG Frankfurt StV 1983 113; OLG Koblenz OLGSt § 453c StPO, 5; OLG Schleswig OLGSt § 40 StPO, 1; OLG Celle NdsRpfl. 1985 48; StV 1987 30; LG München II NJW 1975 2307; Hanack JR 1974 113; Krause NJW 1977 2249; Burmann StV 1988 163. 119 Vgl. BTDrucks. 7 551: Begr. zu Art. 1 Nr. 117 (§ 453c), S. 96.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 453

Sicherungshaftbefehls gegen den untergetauchten Verurteilten ausgesprochen werden kann.120

VIII. Bescheidung von Anträgen Nichtverfahrensbeteiligter Anträge Verfahrensbeteiligter auf nachträgliche Anordnungen, z. B. der Staatsan- 67 waltschaft auf Widerruf der Strafaussetzung oder des Verurteilten auf sofortigen Straferlass nach Ablauf der Bewährungszeit, während nach Auffassung des Gerichts die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, muss das Gericht durch Beschluss bescheiden. Einer förmlichen Entscheidung bedarf es nicht, wenn ein Nichtverfahrensbeteiligter (etwa ein Angehöriger eines volljährigen Verurteilten) einen Antrag (z. B. auf Abkürzung der Bewährungsfrist) stellt. Ein solcher „Antrag“ ist lediglich eine Anregung, bei der formlose Bescheidung genügt, und bei der dem Antragsteller auch dann die Beschwerde nach § 453 Abs. 2 Satz 1 nicht zusteht, wenn das Gericht statt formloser Bescheidung die Form des Gerichtsbeschlusses gewählt hat.121

IX. Erweiterte und entsprechende Anwendung des § 453 1. Bedeutung für Entscheidungen nach §§ 68a bis 68d StGB. Wegen der Bedeu- 68 tung des § 453 für die nach §§ 68a bis 68d StGB zu treffenden Entscheidungen vgl. die Erläuterungen zu § 463 Abs. 2. 2. Bedeutung für die Berufungsinstanz. Nach überwiegend vertretener Auffas- 69 sung wird, wenn gegen ein Urteil Berufung eingelegt wird, in dem die erkannte Strafe zur Bewährung ausgesetzt war, der erstinstanzliche Auflagenbeschluss mit der die Strafaussetzung zur Bewährung anordnenden Entscheidungen des Berufungsgerichts hinfällig. Das Berufungsgericht muss über etwaige Auflagen neu entscheiden. Hat es dies versäumt, so muss es die Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 453 nachholen.122 Allerdings gilt diese Regelung nur, solange das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Nach Eintritt der Rechtskraft ist dagegen § 462a anzuwenden. Nach dessen Absatz 2 Satz 1 ist jedoch für die Nachholung der Entscheidung – auch soweit das Berufungsgericht hätte entscheiden müssen – das Gericht erster Instanz zuständig, da zufolge Fehlens der Voraussetzungen von § 462a Abs. 1 die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ausscheidet.123

120 So mit Recht OLG Bremen MDR 1976 865; OLG Celle MDR 1976 948; KG JR 1976 424; OLG Hamm JMBlNRW 1977 200; OLG Frankfurt MDR 1978 71; OLG Karlsruhe Justiz MDR 1981 159; OLG Hamburg StV 1988 161 mit krit. Anm. Burmann = NStZ 1988 292 mit krit. Anm. Johann/Johnigk; ähnlich auch OLG Düsseldorf JR 1989 167 mit zust. Anm. Wendisch; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt § 453c, 11; Bringewat 29 bis 31; Pohlmann/Jabel6 § 14, 4, der zusätzlich darauf hinweist, dass auch § 29 Abs. 3 StVollstrO von dieser Rechtslage ausgeht und im Ergebnis auch Pohlmann/Jabel/Wolf § 14, 4. 121 KG JR 1954 272; OLG München MDR 1955 248; OLG Schleswig SchlHA 1958 288. 122 KG VRS 11 (1956) 357, 365; OLG Celle MDR 1970 68; OLG Hamm GA 1970 88; OLG Koblenz MDR 1981 423; OLG Düsseldorf MDR 1982 1042; LG Osnabrück NStZ 1985 378; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 2; einschr. OLG Frankfurt StV 1983 24: nur wenn Urteilsgründe eine Entscheidungsgrundlage bieten. 123 OLG Köln JR 1991 473, 476 mit Anm. Horn; KK/Appl § 462a, 29 f.; Meyer-Goßner/Schmitt § 268a, 4.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

§ 453a Belehrung bei Strafaussetzung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt (1) 1Ist der Angeklagte nicht nach § 268a Abs. 3 belehrt worden, so wird die Belehrung durch das für die Entscheidungen nach § 453 zuständige Gericht erteilt. 2 Der Vorsitzende kann mit der Belehrung einen beauftragten oder ersuchten Richter betrauen. (2) Die Belehrung soll außer in Fällen von geringer Bedeutung mündlich erteilt werden. (3) 1Der Angeklagte soll auch über die nachträglichen Entscheidungen belehrt werden. 2Absatz 1 gilt entsprechend.

Entstehungsgeschichte § 453a wurde durch das 3. StRÄndG 1953 eingefügt. Die Änderung des Absatzes 1 Satz 1 (früher „durch das nach § 453 Abs. 2 zuständige …“) beruht auf Art. 21 Nr. 122 EGStGB 1974, die des Absatzes 1 Satz 2 (früher „Belehrung ein Mitglied des Gerichts beauftragen oder einen Amtsrichter darum ersuchen“) auf Art. 1 Nr. 109 des 1. StVRG 1974. 1. Nachträgliche Belehrung. Nach § 268a erfolgt in der Regel im Anschluss an die Verkündung des Beschlusses, der die auf die Aussetzung von Strafe (§§ 56, 57, 57a StGB) oder Maßregel (§ 67b StGB) zur Bewährung und die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) sich beziehenden Anordnungen enthält, durch den Vorsitzenden die Belehrung des Angeklagten, deren Inhalt § 268a Abs. 3 im Einzelnen bezeichnet. Ist diese Belehrung versehentlich (etwa nach einer umfangreichen Urteilsbegründung), aus Zweckmäßigkeitsgründen (z. B. wegen mangelnder Aufnahmefähigkeit des Angeklagten) oder wegen Unmöglichkeit (zufolge Abwesenheit des Angeklagten)1 unterblieben, so ist sie durch das nach § 462a Abs. 1, 2 zuständige Gericht nachzuholen. 2 Die Belehrung erfolgt grundsätzlich mündlich (Absatz 2) durch den Vorsitzenden, einen beauftragten Richter (ein Mitglied des Kollegialgerichts) oder im Weg der Rechtshilfe (§ 157 GVG) durch den ersuchten Richter beim Amtsgericht, also immer durch einen Richter. Eine Delegierung auf die Staatsanwaltschaft, Gemeindebehörde oder einen Bewährungs- bzw. Gerichtshelfer ist unzulässig.2 Wegen ihrer Bedeutung ist die Belehrung stets aktenkundig zu machen3 und hat auch in einer für den Angeklagten verständlichen Sprache zu erfolgen. Wird durch Strafbefehl auf Verwarnung mit Strafvorbehalt erkannt, so wird es sich im Allgemeinen um einen Fall von geringer Bedeutung i. S. d. § 453a Abs. 2 handeln. In einem solchen Fall kann daher mit dem Strafbefehl eine schriftliche Belehrung verbunden werden.4 Ist dies unterblieben, so ist ebenfalls nach § 453a zu verfahren. Die Unterlassung der Belehrung, aber auch eine ungenügende oder nichtrichterliche,5 zieht keine Rechtsfolgen nach sich. Steht aber ein Widerruf nach § 56f StGB in Frage, so kann für die zu treffende Entscheidung von Bedeutung sein, ob bei dem Verur1

1 2 3 4 5

KK/Appl 2; KMR/Stöckel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1. KMR/Stöckel 5; Bringewat 4. KMR/Stöckel 4; SK/Paeffgen 5; Bringewat 1. Pentz NJW 1954 142; KMR/Stöckel 4; KK/Appl 2; Bringewat 2. KMR/Stöckel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 1.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 453a

teilten die Erkenntnis der Bedeutung seines Verhaltens nicht durch fehlende Belehrung beeinträchtigt war.6 Die Anordnung der Vorführung (§ 457 Abs. 1) des Verurteilten zwecks Belehrung 3 über die Bedeutung der Strafaussetzung ist unzulässig.7 Erscheint er nicht, so kann nur schriftlich belehrt werden. Das Schreiben mit der schriftlichen Belehrung sollte aus Gründen der Rechtssicherheit zugestellt werden, damit die erfolgte Belehrung aktenkundig ist. Die Klarstellung des Charakters einer Weisung als strafbewehrt im Führungsauf- 4 sichtsbeschluss kann nicht durch eine mündliche Belehrung nach § 453a ersetzt werden.8 2. Absatz 3. Absatz 3 schreibt eine Belehrung auch bei den nachträglichen Ent- 5 scheidungen nach §§ 56e, 59a Abs. 2 StGB vor. Absatz 3 ist aber nur eine Sollvorschrift. Das bedeutet, dass eine weitere Belehrung, nachdem der Vorsitzende den Verurteilten über die Bedeutung der Strafaussetzung bereits belehrt hat, nur insoweit geboten ist, als ein Bedürfnis besteht, dem Verurteilten die Tragweite der neuen Anordnungen vor Augen zu führen. Bei der Aufhebung von Auflagen und Verkürzung der Bewährungszeit bedarf es demgemäß keiner Belehrung. Dagegen besteht bei Verlängerung der Bewährungszeit besonderer Anlass, den Verurteilten mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass ihm damit eine Möglichkeit gegeben wird, den Widerruf der Strafaussetzung abzuwenden.9 Durch die Begründung des Nachtragsbeschlusses (§§ 34, 453 Abs. 2 Satz 1) kann die Belehrung ersetzt werden, wenn in den Gründen nicht nur ausgesprochen wird, warum eine Verschärfung von Auflagen erforderlich war und welche Tragweite die neuen Anordnungen haben, sondern auch auf die Folgen ihrer Nichtbefolgung hingewiesen wird.10 Die Belehrung geschieht gemäß Absatz 3 Satz 2 auch hier stets durch den Richter. Der Richter kann sie, da Absatz 2 nicht für entsprechend anwendbar erklärt ist, nach freiem Ermessen schriftlich oder mündlich erteilen.11 Bei Widerruf der Aussetzung, Erlass der Strafe und Widerruf des Erlasses, Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und Feststellung, dass es bei der Verwarnung sein Bewenden hat, kommt eine Belehrung nicht in Betracht, da diese ja nur das Verhalten des Verurteilten während einer Bewährungszeit zum Gegenstand hat.12 Gibt das Gericht die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil 6 an das Amtsgericht des Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes des Verurteilten ab (§ 462a Abs. 2 Satz 2), so obliegt diesem nicht nur die Belehrung über die nachträglich von ihm getroffenen Anordnungen (§ 453a Abs. 3), sondern auch eine bisher unterbliebene Belehrung nach § 453a Abs. 1.13 Das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass § 453a Abs. 1 Satz 1 wegen der Zuständigkeit zur Belehrung allgemein auf die Zuständigkeitsregelung in § 462a, also auch auf dessen Absatz 2 Satz 2, verweist.

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KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1. OLG Celle MDR 1963 523; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 3. BGH StraFo 2015 471; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2016 243 f. m. w. N. KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 5. KK/Appl 4. KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Paeffgen 6; a. A. Bringewat 6. Bringewat 5. KMR/Stöckel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 4.

Graalmann-Scheerer

§ 453b

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

§ 453b Bewährungsüberwachung (1) Das Gericht überwacht während der Bewährungszeit die Lebensführung des Verurteilten, namentlich die Erfüllung von Auflagen und Weisungen sowie von Anerbieten und Zusagen. (2) Die Überwachung obliegt dem für die Entscheidungen nach § 453 zuständigen Gericht. Schrifttum Cornel Rechtliche Aspekte der Wahrnehmung der Dienst- und Fachaufsicht im Bereich der Bewährungshilfe, GA 1990 55; Engel Zuständigkeit und Stellung des Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung, NStZ 1987 110; Unger Gehört es zu den Aufgaben der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde, die Erfüllung der nach § 24 StGB angeordneten Bewährungsauflagen zu überwachen? Rpfleger 1955 304.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 10 StPÄG 1964 eingefügt. Durch das 1. StrRG 1969 wurde der Wortlaut des Absatzes 1 („namentlich die Erfüllung … Zusagen“) den Änderungen der materiell-rechtlichen Vorschriften über die Aussetzung zur Bewährung angepasst. Durch Art. 21 Nr. 123 EGStGB 1974 wurde der bisherige Absatz 2 („§ 453 Abs. 2 gilt entsprechend“) durch den jetzt geltenden Absatz 2 ersetzt.

1. 2. 3.

Übersicht Bedeutung der Vorschrift 1 Umfang der Überwachung 2 Mitwirkung anderer Stellen bei der Überwachung 4

4. 5.

5 Zuständigkeit des Gerichts Strafaussetzung im Wege der Gnade

7

1

1. Bedeutung der Vorschrift. 453 regelt die Zuständigkeit des Gerichts ausdrücklich nur für Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen. Der enge Wortlaut führte zu der Zweifelsfrage, wem – dem Gericht oder der Strafvollstreckungsbehörde? – die Überwachung der Lebensführung des Verurteilten während der Bewährungszeit obliegt. Sie wurde ganz überwiegend1 dahin beantwortet, dass die Überwachung Sache des Gerichts ist, weil es sich dabei um eine richterliche und nicht vollstreckungsrechtliche Aufgabe handelt.2 Doch fehlte es nicht an vereinzelten Gegenstimmen in Rechtsprechung und Schrifttum.3 § 453b bereinigt die Streitfrage im Sinn der schon früher herrschenden Meinung.

2

2. Umfang der Überwachung. Die Überwachung hat die Lebensführung des Verurteilten – also sein gesamtes Verhalten während der Bewährungszeit – zum Gegenstand, soweit dieses geeignet ist, den Widerruf der Bewährung nach § 56f Abs. 1 StGB, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe nach § 59b StGB oder nachträgliche Maß1 BGHSt 10 288; OLG Frankfurt Rpfleger 1955 318; OLG Köln JMBlNRW 1957 67. 2 Engel NStZ 1987 110; Bringewat 5. 3 Z. B. OLG Düsseldorf Rpfleger 1957 304; NJW 1958 1007; Unger Rpfleger 1955 304; 1956 190.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 453b

nahmen nach § 56e StGB zu rechtfertigen.4 Nach der Entstehungsgeschichte und der systematischen Stellung der Vorschrift handelte es sich ursprünglich nur um die mit der Aussetzung der ganzen Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung beginnende Bewährungszeit. Da das Gesetz jetzt aber auch die Aussetzung der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung zur Bewährung (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2, § 67e StGB) und die Aussetzung des Berufsverbots zur Bewährung (§ 70a StGB) kennt, gilt § 453b gemäß § 463 auch für diese Bewährungszeiten. Ist jedoch die Strafaussetzung oder Aussetzung des Strafrestes angeordnet oder das Berufsverbot zur Bewährung ausgesetzt und steht der Verurteilte (wegen derselben oder einer anderen Tat) zugleich unter Führungsaufsicht, so gelten nach § 68g Abs. 1 StGB „für die Aufsicht und Erteilung von Weisungen nur die §§ 68a und 68b StGB“, d. h., dass für die Aufsicht ausschließlich § 68a StGB (nicht: § 56d StGB; § 453b) und für etwaige Weisungen nur § 68b StGB (und nicht: § 56c StGB) gilt.5 Beginn und Ende der Überwachungspflicht richten sich nach Beginn und Ende 3 der Bewährungszeit. Es beginnt z. B. bei der Strafaussetzung zur Bewährung die Überwachungspflicht mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung (§ 56a Abs. 2 Satz 1 StGB), bei der Verwarnung mit Strafvorbehalt mit der Rechtskraft der Verwarnungsentscheidung. Sie endet bei der Strafaussetzung zur Bewährung mit dem Ablauf der – ggf. nach § 56a Abs. 2 StGB verlängerten – Bewährungszeit. Sie lebt wieder auf, wenn die Bewährungszeit erst nach ihrem Ablauf verlängert wird.6 Die Überwachung, ob nach Straferlass die Voraussetzungen eines Widerrufs (§ 56g Abs. 2) gegeben sind, ist nicht mehr Sache des Gerichts nach § 453b. Wegen „Anerbieten und Zusagen“ vgl. § 265a sowie § 56b Abs. 2, § 56c Abs. 4, § 56d Abs. 3, § 56f Abs. 3 StGB. 3. Mitwirkung anderer Stellen bei der Überwachung. Die Staatsanwaltschaft ist 4 an der Überwachung selbst nicht beteiligt.7 Dass sie, wenn sie von Umständen Kenntnis erhält, die den Widerruf der Aussetzung zur Bewährung (§ 56f StGB), die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 59b StGB) oder nachträgliche Entscheidungen nach § 56e StGB begründen können, diese dem Gericht bekanntzugeben hat, ergibt sich aus ihrer Amtspflicht, soweit sie im Fall des Widerrufs selbst die Strafe zu vollstrecken hätte (§ 477 Abs. 2 Nr. 3).8 Die Mitwirkung des Bewährungshelfers regelt § 56d Abs. 3 Satz 2 bis 3, Abs. 4 Satz 2 StGB; die Inanspruchnahme der Gerichtshilfe § 463d. Für das Zusammenwirken von Gericht, Bewährungshelfer und Aufsichtsstelle, wenn der Verurteilte unter Führungsaufsicht steht, gilt § 68a StGB. Eine gerichtliche Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme (§§ 94, 102) zur Überprüfung der Lebensführung des Verurteilten in der Bewährungszeit ist nicht zulässig.9 4. Zuständigkeit des Gerichts. Wegen der Zuständigkeit des Gerichts vgl. § 462a 5 Abs. 2. Danach ist bei Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe (§ 56 StGB) und bei Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59 StGB) für die Überwachung der Lebensführung während der Bewährungszeit nach § 462a Abs. 2 das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig.10 Die Strafvollstreckungskammer, die den Strafrest zur Bewährung ausgesetzt 4 5 6 7 8 9 10

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Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 1, 2. KK/Appl 1; KMR/Stöckel 5; Bringewat 4; Fischer § 68g, 6. OLG Hamm NJW 1971 719 im Anschluss an OLG Oldenburg NJW 1964 2434; Bringewat 3. Engel NStZ 1987 110, 499; Meyer-Goßner/Schmitt 4. Engel NStZ 1987 110; Bringewat 6. KG NJW 1999 2979. OLG Hamburg MDR 1975 774; KK/Appl 1b; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 8.

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§ 453c

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

hat, überwacht auch die Lebensführung. Wird aber ein ausgesetzter Strafrest danach mit einer anderen Freiheitsstrafe auf eine Gesamtstrafe zurückgeführt und diese zur Bewährung ausgesetzt, so ist für die Überwachung und die die ausgesetzte Gesamtstrafe betreffenden Folgeentscheidungen das erkennende Gericht zuständig, das die Gesamtstrafe ausgesprochen hat.11 Für die Überwachung der Lebensführung des Verurteilten in der Bewährungszeit und die insoweit nachträglichen Entscheidungen ist auch im Jugendstrafverfahren grundsätzlich das Gericht zuständig, das die bedingte Aussetzung der Vollstreckung für die Strafe oder die Maßregel bewilligt hat, mithin entweder das Gericht des ersten Rechtszuges oder im Falle des § 66 Abs. 2 Satz 4 JGG der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter.12 Sind die durch Urteile verschiedener Gerichte erkannten Strafen zur Bewährung 6 ausgesetzt, so ist nach § 462a Abs. 4 nur eines von ihnen zur Überwachung zuständig. Und zwar wird die nach § 462a Abs. 1 zuständige Strafvollstreckungskammer spätestens dann, wenn sie in einem dieser Verfahren mit einer Entscheidung über die bedingte Entlassung des Verurteilten befasst war (§ 462a, 14), auch für die Bewährungsaufsicht in einem anderen Verfahren zuständig, wenn die zunächst vollstreckte Strafe voll verbüßt ist. In entsprechender Anwendung des § 462a Abs. 4, namentlich des Satzes 3, ist nur die Strafvollstreckungskammer als zur Überwachung zuständig anzusehen, wenn der Verurteilte nicht von verschiedenen Gerichten, sondern zweimal von demselben Gericht verurteilt wurde und an sich für die Überwachung in der einen Sache die Strafvollstreckungskammer, in der anderen das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig wäre. Damit wird dem Gedanken der Einheitlichkeit der Resozialisierungsmaßnahmen (§ 462a Abs. 4 Satz 1) und des Vorrangs der Strafvollstreckungskammer (Satz 4) Rechnung getragen.13 7

5. Strafaussetzung im Wege der Gnade. § 453b gilt nicht bei einer Strafaussetzung im Wege der Gnade. Hier obliegt die Überwachung nicht der Vollstreckungsbehörde, sondern der Gnadenbehörde. Diese nimmt die Belehrung des Verurteilten (z. B. zur Bedeutung einer gnadenweisen Aussetzung, über Auflagen, Weisungen, einen möglichen Widerruf oder die Rücknahme einer bewilligten Aussetzung) vor und sollte, soweit sie die Belehrung mit dem Gnadenerweis vornimmt, die Gnadenentscheidung zustellen, um die erfolgte Belehrung im Gnadenheft zu dokumentieren.14

§ 453c Vorläufige Maßnahmen vor Widerruf der Aussetzung (1) Sind hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden, daß die Aussetzung widerrufen wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses, um sich der Person des Verurteilten zu versichern, vorläufige Maßnahmen treffen, notfalls, unter den Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 oder wenn bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, daß der Verurteilte erhebliche Straftaten begehen werde, einen Haftbefehl erlassen.

11 OLG Hamm NJW 1976 258; OLG Schleswig NStZ 1983 480; OLG Zweibrücken NStZ 1985 525; Doller MDR 1977 272; KK/Appl 1c; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 11.

12 BGH NStZ 1997 100. 13 OLG Hamburg MDR 1975 952. 14 Röttle/Wagner Rn. 706.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 453c

(2) 1Die auf Grund eines Haftbefehls nach Absatz 1 erlittene Haft wird auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe angerechnet. 2§ 33 Abs. 4 Satz 1 sowie die §§ 114 bis 115a, 119 und 119a gelten entsprechend. Schrifttum Burmann Die Sicherungshaft gemäß § 453c StPO (1980); ders. Zur Parallelität vorläufiger Freiheitsentziehungen im Erkenntnisverfahren und im Widerspruchsverfahren, StV 1986 80; Ellersiek Die Beschwerde im Strafprozeß (1981); Frommeyer Aus der Rechtsprechung zum Widerruf der Strafaussetzung, StraFo 2020 474; Hamann Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 in seinen Auswirkungen für die Strafvollstreckung, Rpfleger 1979 125; Hillenbrand Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung – Voraussetzungen und Verfahren, ZAP Fach 22 799; Klinger Der Sicherungshaftbefehl gem. § 453c StPO im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zum Widerruf der Strafaussetzung, NStZ 2012 70; Krause Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bei unbekanntem Aufenthalt des Verurteilten, NJW 1977 2249; Ostendorf Bewährungswiderruf bei eingestandenen, aber nicht rechtskräftig verurteilten Straftaten? StV 1992 288; Rieß Der Hauptinhalt des Ersten Gesetzes zur Reform des Strafverfahrensrechts (1. StVRG), NJW 1975 81; ders. Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979, NJW 1978 2265; Steinböck/Schlie Krisenintervention gemäß § 67h StGB – Auswirkungen in der Praxis, RuP 2015 132.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde 1974 durch Art. 1 Nr. 110 des 1. StVRG eingefügt. Durch Art. 1 Nr. 33 StVÄG 1979 sind in Absatz 1 hinter der Verweisung „§ 112 Abs. 1 Nr. 1 oder 2“ die Worte „oder wenn … begehen werde“ eingefügt worden. Durch das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29.7.2009 wurden in Absatz 2 Satz 2 die Worte „und § 119“ durch „119 und 119a“ ersetzt.

I. II.

III. IV.

V. VI.

Übersicht Bedeutung der Vorschrift 1 Anwendungsbereich (Absatz 1) 1. Begriff der Aussetzung 2 2. Aussetzung im Gnadenweg 3 Vorläufige Maßnahmen 4 Voraussetzungen für die Anordnung 1. Bei gröblichen oder beharrlichen Verstößen (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StGB) 5 2. Bei Begehung einer neuen Straftat (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) 6 Zeitliche Grenzen 8 Sicherungshaftbefehl 1. Flucht oder Fluchtgefahr 9 2. Erweiterte Haftbefehlsvoraussetzungen

a) b)

Allgemeines 10 Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten 11 3. Vollstreckung des Sicherungshaftbefehls 12 4. Anrechnung der Sicherungshaft (Absatz 2 Satz 1) 13 5. Verweisungen (Absatz 2 Satz 2) 14 6. Dauer der Sicherungshaft 15 VII. Zuständiges Gericht 1. Erwachsenenstrafrecht 16 2. Jugendstrafrecht 17 VIII. Rechtsmittel 18 IX. Entschädigung 19 X. Weitere Hinweise 20

Alphabetische Übersicht Anrechnung der Sicherungshaft 13 Anwendungsbereich 2 ff. Bedeutung der Vorschrift 1 Berufsverbot 2 Beschwerde 18 Dauer der Sicherungshaft 15

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Entschädigung 19 Erhebliche Straftaten 11 Flucht 9 Fluchtgefahr 9 Gerichtshilfe 5 Gnadenweg 3

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§ 453c

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Haftbefehlsvoraussetzungen 10 f. Jugendstrafverfahren 1, 17 Krisenintervention 2, 5 Maßregeln der Besserung und Sicherung 10 Öffentliche Zustellung 1 Rechtsmittel 18 Sicherungshaftbefehl 9 ff.

Unschuldsvermutung 6 Verhältnismäßigkeit 14 Verwarnung mit Strafvorbehalt 2 Vollstreckung des Sicherungshaftbefehls 12 Widerrufsgründe 5 ff. Zuständiges Gericht 16 f.

I. Bedeutung der Vorschrift 1

Vor Einfügung des § 453c bestand im Erwachsenenstrafrecht (im Gegensatz zum Jugendstrafverfahren, § 61 a. F. JGG) keine Möglichkeit, bei zu erwartendem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung oder der Aussetzung eines Strafrestes schon vor Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses Maßnahmen zu treffen, die den Verurteilten daran hindern konnten, sich der drohenden Strafverbüßung durch Flucht zu entziehen,1 denn Vollstreckungsmaßnahmen (§ 451) waren wegen der Aussetzung der Vollstreckung nicht möglich. Der Erlass eines Untersuchungshaftbefehls aber wurde – trotz vereinzelter Gegenstimmen im Schrifttum2 – deshalb als unzulässig angesehen, weil er nur bis zur Rechtskraft des Urteils möglich sei. Die bei einer Flucht des Verurteilten zur Herbeiführung der Rechtskraft notwendig werdende öffentliche Zustellung des Widerrufsbeschlusses sowie Fahndungsmaßnahmen konnten jedoch das Vollstreckungsverfahren erheblich verzögern. Die so bestehende Lücke sollte durch § 453c in Anlehnung an § 61 JGG a. F., auch im Interesse der Verfahrensbeschleunigung, geschlossen werden.3 § 453c gilt auch im Jugendstrafverfahren (§ 58 Abs. 2 JGG); der frühere § 61 JGG wurde als entbehrlich durch Art. 3 Nr. 6 des 1. StVRG4 aufgehoben.

II. Anwendungsbereich (Absatz 1) 2

1. Begriff der Aussetzung. Nach dem Wortlaut des Absatzes 1 kommt § 453c in denjenigen Fällen in Betracht, in denen eine „Aussetzung“ widerrufen werden kann. Aus dem Zusammenhang der Vorschrift ergibt sich, dass unter „Aussetzung“ nur die Aussetzung der Vollstreckung einer verhängten Rechtsfolge der Straftat zur Bewährung zu verstehen ist. Eine weitere Begrenzung folgt daraus, dass vorläufige Maßnahmen zugelassen sind, um sich der Person des Verurteilten zu versichern. Es ist also nur an die Fälle gedacht, in denen eine rechtskräftig erkannte und bisher ganz oder teilweise zur Bewährung ausgesetzte Rechtsfolge (Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel) nach Rechtskraft eines Widerrufsbeschlusses an dem Verurteilten körperlich vollzogen werden kann. Damit scheidet die Aussetzung eines Berufsverbots zur Bewährung (§§ 70a, 70b StGB) aus dem Bereich des § 453c aus.5 Das Gleiche gilt für die Verwarnung mit Strafvorbehalt. Bei dieser wird nicht die Vollstreckung, sondern die Verhängung der bestimmten Strafe ausgesetzt, und insofern stellt sie zwar eine „Aussetzung“ zur Bewäh1 Rieß NJW 1975 90; Bringewat 1. 2 LR/Schäfer22 § 453 IV 3c, bb. 3 OLG Karlsruhe NStZ 1983 92; LG Freiburg NStZ 1989 387; Brunner JR 1983 518; Eisenberg/Kölbel § 58, 15; Fischer NStZ 1990 53; a. A. Burmann (Sicherungshaft) 60 ff. 4 BGBl. I 1974 S. 3393, 3533. 5 KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 2.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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rung dar (§ 59a StGB), wobei dem Widerruf die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe entspricht (§ 59b Abs. 1 StGB). Für die im Fall der Verurteilung allein in Betracht kommende Vollstreckung der Geldstrafe bedarf es aber keiner Maßnahme, die darauf gerichtet ist, „sich der Person des Verurteilten zu versichern“. In Betracht kommt danach nur die Aussetzung von Freiheitsstrafen (§§ 56 ff., § 183 Abs. 3 und 4 StGB, §§ 20 ff. JGG, § 14a WStG) und Restfreiheitsstrafen (§§ 57, 57a StGB, § 454 Abs. 1 und 4), sowie die Aussetzung der Vollstreckung freiheitsentziehender Maßnahmen der Besserung und Sicherung zur Bewährung (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2, 67g StGB, § 463 Abs. 1).6 Liegen die Voraussetzungen für eine befristete Wiederinvollzugsetzung einer ausgesetzten Unterbringung nach § 63 StGB oder § 64 StGB im Rahmen einer Krisenintervention nach § 67h StGB vor, so ist diese Maßnahme gegenüber dem Erlass eines Sicherungshaftbefehls vorrangig7 und schließt letzteres aus.8 2. Aussetzung im Gnadenweg. Eine Aussetzung von Freiheits- und Restfreiheits- 3 strafen kann unter Bestimmung einer Bewährungszeit auch im Weg der Gnade bewilligt werden. Auch eine solche Aussetzung bewirkt ein Vollstreckungshindernis, das erst durch Widerruf seitens der Gnadenbehörde entfällt. Es fragt sich, ob auch diese Fälle von § 453c erfasst werden. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheidet aus, da sie sich nach ihrer Stellung und dem Zusammenhang der Vorschriften deutlich auf die Fälle gerichtlicher Aussetzung von Freiheitsstrafen (und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung) bezieht, so dass allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 453c in Betracht käme, und zwar in der Weise, dass dem zu erwartenden gerichtlichen Widerrufsbeschluss die Mitteilung der Gnadenbehörde von einem zu erwartenden Widerruf entspräche, dessen Voraussetzung in den Gnadenordnungen weitgehend den gesetzlichen Widerrufsvoraussetzungen bei der Aussetzung nach §§ 56 ff. StGB nachgebildet sind. Die Frage wird aber zu verneinen sein.9 Denn die Befugnis zum Erlass vorläufiger Sicherungsmaßnahmen nach § 453c stellt sich als Folgerung aus der dem Gericht nach § 453b obliegenden Überwachung der Lebensführung des Verurteilten während der Bewährungszeit dar. Die Entscheidung über die bedingte Aussetzung, die Überwachung (§ 453b Abs. 2), die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen und der Widerruf der Aussetzung sollen grundsätzlich dem gleichen Gericht zustehen. Die entsprechende Anwendung des § 453c in den Fällen einer von der Gnadenbehörde bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung würde dagegen bedeuten, dass das Gericht, indem es vorläufige Sicherungsmaßnahmen anordnet, eine Prognoseentscheidung in einer Angelegenheit trifft, in der letztlich die an gesetzliche Vorschriften nicht gebundene Gnadenbehörde frei darüber entscheidet, ob sie den Widerruf aussprechen will oder nicht.

III. Vorläufige Maßnahmen Das Gesetz begnügt sich damit, das Gericht zu vorläufigen Maßnahmen zu ermächti- 4 gen, die geeignet sind, „sich der Person des Verurteilten zu versichern“, ohne diese im Einzelnen zu nennen. Ein Haftbefehl (Rn. 7) kommt nur „notfalls“ in Betracht, d. h. – 6 Von dieser Betrachtungsweise geht auch die Begründung des RegE des 1. StVRG aus – BTDrucks. 7 551 zu Art. 1 Nr. 117 S. 97; vgl. auch Burmann 15, 46; KK/Appl 1.

7 LG Saarbrücken Beschl. vom 10.12.2008 – 1 BRs 4/08 – mit Anm. Peglau jurisPR-StrafR 6/2009 Anm. 2. 8 OLG Nürnberg Beschl. vom 8.10.2008 – 2 Ws 443/08 – mit Anm. Peglau jurisPR-StrafR 2/2009 Anm. 2; OLG Braunschweig Beschl. vom 11.9.2013 – 1 Ws 258/13.

9 KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 3, 11.

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nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – nur ausnahmsweise als ultima ratio, wenn das Gericht nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände zu dem Ergebnis kommt, dass minder schwere Maßnahmen nicht gegeben oder nicht ausreichend sind, um die Vollstreckung im Fall des mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden rechtskräftigen Widerrufs zu sichern.10 Als solche mildere Maßnahmen kommen z. B. die Auferlegung einer Meldepflicht (§ 56c Abs. 2 Nr. 2 StGB; s. auch § 116 Abs. 1) und solche Fahndungsmaßnahmen in Betracht, die lediglich der Ermittlung des Aufenthalts dienen.11 Ist der Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB zu erwarten, aber weder im Erkenntnisverfahren ein Urteil ergangen noch im Widerrufsverfahren ein Widerrufsbeschluss erlassen worden, so kann sowohl ein Untersuchungshaftbefehl (wegen der neuen Tat) nach §§ 112 ff. als auch ein Sicherungshaftbefehl (wegen des zu erwartenden Widerrufs) nach § 453c erlassen werden.12

IV. Voraussetzungen für die Anordnung 5

1. Bei gröblichen oder beharrlichen Verstößen (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StGB). Vorläufige Maßnahmen dürfen erst angeordnet werden, wenn hinreichende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Aussetzung widerrufen wird.13 Durch diese dem § 203 („hinreichend verdächtig erscheint“) angeglichene Fassung soll sichergestellt werden, dass erst dann Maßnahmen gegen einen Verurteilten ergriffen werden, wenn ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für den Erlass eines Widerrufsbeschlusses spricht.14 Das Gericht hat also, ggf. unter Inanspruchnahme auch der Gerichtshilfe (§ 463d), zu prüfen, ob mit Wahrscheinlichkeit die gesetzlichen Voraussetzungen eines Widerrufs einschließlich der subjektiven Voraussetzungen des „gröblichen oder beharrlichen“ Verstoßes gegen Weisungen und Auflagen oder des „beharrlichen“ Sichentziehens gegenüber der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, § 57 Abs. 5, § 67g StGB) gegeben sind.15 Das wäre z. B. nicht der Fall, wenn wahrscheinlich ist, dass das über den Widerruf entscheidende Gericht gemäß § 56f Abs. 2 StGB von einem Widerruf absieht, weil mildere Maßnahmen ausreichen.16 Die Voraussetzungen für einen Sicherungshaftbefehl (§ 463 Abs. 1 i. V. m. § 453c) liegen nicht (mehr) vor, wenn einer Krise des Untergebrachten durch eine befristete Invollzugsetzung der Unterbringung im Rahmen einer Krisenintervention (§ 67h StGB) begegnet werden kann.17

6

2. Bei Begehung einer neuen Straftat (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB). Streitig ist, ob ein Widerrufsbeschluss schon erlassen werden darf, wenn wegen der neuen Straftat, die an sich einen Widerruf rechtfertigt, noch kein rechtskräftiges Urteil ergangen ist. Das

10 Burmann (Sicherungshaft) 76; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 4, 7. 11 KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 4; OLG Celle NStZ 2004 627; LG Nürnberg StV 2018 341.

12 Burmann StV 1986 80; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 15. 13 OLG Zweibrücken OLGSt § 453c StPO, 1; Burmann (Sicherungshaft) 59; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/ Schmitt 3. 14 Begr. zu Art. 1 Nr. 117 Entw. 1. StVRG – BTDrucks. 7 551 S. 97; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 9; OLG Oldenburg StRR 2014 154, OLG Celle NdsRpfl. 2020 100. 15 OLG Oldenburg StRR 2014 154. 16 Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 10. 17 OLG Braunschweig Beschl. vom 11.9.2013 – 1 Ws 258/13.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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OLG Celle verneint diese Frage unter Hinweis auf den Grundgedanken des Art. 6 Abs. 2 EMRK, wonach „bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld“ vermutet werde, „dass der wegen der Straftat Angeklagte unschuldig sei“.18 Seiner Ansicht hat sich das OLG München mit der Einschränkung angeschlossen, dass der Widerruf die rechtskräftige Verurteilung grundsätzlich voraussetze.19 Das OLG Schleswig ist ihr sogar mit der Feststellung gefolgt, dass selbst ein vor dem Richter abgelegtes glaubwürdiges Geständnis keine Ausnahme rechtfertige.20 Inzwischen hat es seinen Standpunkt allerdings dahin modifiziert, dass eine Ausnahme von diesem Grundsatz zulässig sei, wenn das Schuldeingeständnis für den Widerrufsrichter glaubhaft, im Beisein eines Verteidigers vor einem Richter abgegeben und bis zur gerichtlichen Widerrufsentscheidung nicht begründet widerrufen worden sei.21 Damit hat es sich letztlich der bisher in Rechtsprechung und Lehre überwiegenden Auffassung angeschlossen, dass es für den Widerruf ausreicht, wenn das Gericht aufgrund zweifelsfreier Tatsachen in einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise zu der festen Überzeugung gelangt ist, dass der Betroffene die neue Tat begangen hat.22 Das wird auf jeden Fall anzunehmen sein, wenn das Widerrufsgericht aufgrund eigenständiger Beurteilung in einer „Quasi-Hauptverhandlung“ unter besonderer Wahrung der Rechte und insbesondere des rechtlichen Gehörs von der Tatbegehung des Verurteilten überzeugt ist.23 Der herrschenden Ansicht ist aufgrund folgender Erwägungen zuzustimmen: 7 Art. 6 Abs. 2 EMRK enthält zwar eine gesetzliche Unschuldsvermutung, jedoch schließt diese – wie die Möglichkeit, einen Haftbefehl zu erlassen, bestätigt – einen Freiheitsentzug nicht generell aus. Namentlich gibt es keine Bestimmung, wonach die Vermutung nicht widerlegt werden kann oder die Widerlegung eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt. Für diese Ansicht dürfte auch die Fassung des § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB sprechen. Denn dieser stellt für den Widerruf lediglich auf die Begehung einer neuen Straftat ab, wenn auch in Verbindung mit der Feststellung, dass sich die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, nicht erfüllt hat. Eine rechtskräftige Verurteilung verlangt er hingegen ausdrücklich nicht.24 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Ansicht – auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten – gebilligt.25 Schließlich hat selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, 18 StV 1990 504; ferner OLG Bamberg StV 1991 174; OLG Koblenz NStZ 1991 253; OLG Jena StV 2003 574; ebenso in der Literatur Frowein/Peukert MRK Art. 6, 5 (S. 152 f.); Mrozynski JZ 1978 255; Vogler NStZ 1987 127; ders. FS Tröndle 423; ders. FS Kleinknecht 442; Ostendorf StV 1990 230; 1992 288; Boetticher NStZ 1991 4; Blumenstein NStZ 1992 132; KK/Appl 3 sowie – mit nicht ganz eindeutiger Begründung Bringewat 10; Fischer § 56f, 6 m. w. N. 19 NJW 1991 2302. 20 NJW 1991 2303. 21 NJW 1992 2646 = JR 1993 39 mit teilw. krit. Anm. Stree; zust. Ostendorf StV 1992 289, 292; AG Bremen StraFo 2008 41. 22 OLG Bremen StV 1984 382; 1986 165; OLG Zweibrücken StV 1985 465; OLG Düsseldorf StV 1986 346; NStZ 1991 131 mit abl. Anm. Blumenstein; 1992 300; KG StV 1988 288; OLG Hamburg JR 1979 379; NStZ 1992 130; OLG Köln NJW 1991 505; OLG Hamm NStZ 1992 350; LG Osnabrück NStZ 1991 533 mit zust. Anm. Brunner; LG Kiel SchlHA 1991 205; Meyer-Goßner/Schmitt 4; LK/Hubrach § 56f, 6 ff.; Fischer § 56f, 4 ff. m. w. N. 23 OLG Düsseldorf NJW 1992 1280; so auch Ostendorf (StV 1992 288, 292), der zwar für den Widerruf einer Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat weiterhin grundsätzlich eine rechtskräftige Verurteilung für erforderlich hält, ausnahmsweise aber auch ein unter den in Rn. 6 angeführten Bedingungen zustande gekommenes Geständnis für ausreichend erachtet. 24 Näher dazu Stree NStZ 1992 153; Wendisch JR 1992 127. 25 NStZ 1987 118; 1988 21; 1991 30; NJW 1994 377; krit. dazu Boetticher NStZ 1991 4.

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dass bei Beachtung der vorstehend erörterten Grundsätze in keiner Weise auf eine Verletzung der Unschuldsvermutung, wie sie nach Art. 6 Abs. 2 EMRK garantiert ist, geschlossen werden könne.26

V. Zeitliche Grenzen 8

Für Anordnungen nach § 453c bestehen zeitliche Grenzen insofern, als diese nur bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses getroffen werden können. Damit ist klargestellt, dass der Eintritt der Rechtskraft nur den Endzeitpunkt bezeichnet, bis zu dem vorläufige Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können, und dass nicht etwa der vorherige Erlass eines Widerrufsbeschlusses Zulässigkeitsvoraussetzung für Sicherungsmaßnahmen, insbesondere den Erlass eines Sicherungshaftbefehls bildet.27 Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass gerade unmittelbar vor und nach dem Erlass des Widerrufsbeschlusses Maßnahmen gegen den Verurteilten erforderlich sein können, um sich seiner Person zu versichern. Das Gesetz bekräftigt damit – unter Klarstellung einer zu § 61 a. F. JGG entstandenen Streitfrage – die Auffassung, dass nicht schon der Erlass des Widerrufsbeschlusses wegen seiner sofortigen Vollziehbarkeit (§ 307 Abs. 1), sondern erst dessen Rechtskraft die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen ermöglicht. Maßnahmen nach § 453c können also auch gleichzeitig im oder mit dem Widerrufsbeschluss angeordnet werden, wie z. B. der Erlass eines Sicherungshaftbefehls, wenn der Verurteilte vor dem Erlass des Widerrufsbeschlusses flüchtig wird oder sich verborgen hält und es der öffentlichen Zustellung des Widerrufsbeschlusses bedarf (§ 453, 57).28 Sobald der Widerrufsbeschluss rechtskräftig geworden ist, kann ein Bedürfnis für Maßnahmen nach § 453c nicht mehr bestehen, da nunmehr Maßnahmen nach § 457 zu treffen sind.29

VI. Sicherungshaftbefehl 9

1. Flucht oder Fluchtgefahr. Der Sicherungshaftbefehl hat, da er erst nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens ergeht, begrifflich nichts mit dem Untersuchungshaftbefehl zu tun, technisch sind aber seine Voraussetzungen und seine Durchführung durch Verweisung auf bestimmte Vorschriften über den Untersuchungshaftbefehl geregelt. Der ergriffene Verurteilte wird demgemäß vor der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses wie ein Untersuchungshaftgefangener behandelt.30 Die Verweisung auf den entsprechend anwendbaren § 112 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ergibt, dass ein Sicherungshaftbefehl bei Flucht oder Fluchtgefahr zulässig ist. Bereits vor Verkündung eines Sicherungshaftbefehls können aber die Gründe für seinen Erlass entfallen, etwa wenn der Verurteilte wieder selbst Kontakt zu seinem Bewährungshelfer aufnimmt. Angesichts solcher Umstände sind dann Maßnahmen zur Sicherung der Strafvollstreckung und der Verhinderung der Flucht des Verurteilten vor Rechtskraft eines Widerrufsbeschlusses in der Regel nicht mehr angezeigt31 mit der Folge, dass der Sicherungshaftbefehl von Amts wegen aufzuheben ist. Die drohende Vollstre26 27 28 29 30 31

StV 1992 283; NJW 2004 43. LG München NJW 1975 2306, 2307. Wegen des Verhältnisses von § 453c zu § 40 LR/Graalmann-Scheerer § 40, 3 f. sowie § 453, 57. KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 14. KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 13; SK/Paeffgen 12. LG Magdeburg NJ 2016 40.

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ckung einer Restfreiheitsstrafe aus einem anderen Urteil vermag die Annahme der Fluchtgefahr im Widerrufsverfahren nicht zu begründen, wenn die Straferwartung wegen der den Gegenstand des Sicherungshaftbefehls bildenden Tat alleine nicht die Annahme von Fluchtgefahr rechtfertigt.32 Dem Erlass und Vollzug eines Sicherungshaftbefehls steht nach Überstellung des Verfolgten in einer nicht von der Auslieferungsbewilligung umfassten Sache die Spezialitätsbindung des Art. 14 EuAlÜbk entgegen.33 Ein Sicherungshaftbefehl kommt ferner bei Gefahr der Begehung weiterer Straftaten (vgl. dazu Rn. 10 und 11) in Betracht.34 Zweck der Sicherungshaft ist es dagegen nicht, die Gewährung rechtlichen Gehörs zu sichern.35 2. Erweiterte Haftbefehlsvoraussetzungen a) Allgemeines. Die erst im BTRAussch. eingefügte Ergänzung des § 453c Abs. 1 10 durch das StVÄG 1979 entspricht einem Vorschlag des Bundesrats, dem die Bundesregierung zugestimmt hatte.36 Nach der Begründung des Ergänzungsvorschlags hat die Praxis gezeigt, dass ein dringendes Sicherungsbedürfnis auch in den Fällen bestehen kann, in denen der Proband zwar nicht flüchtig ist oder sich verborgen hält oder Fluchtgefahr besteht, in denen aber bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Proband neue erhebliche Straftaten begehen werde (dazu § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB). Gemäß § 463 Abs. 1 gilt die Ergänzung des § 453c Abs. 1 auch in den Fällen, in denen der Widerruf der Aussetzung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung zu erwarten ist und bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Proband erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde.37 Gerade hier war es schon von Anfang an als eine Lücke der Ursprungsfassung empfunden worden, dass bei der Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt nach § 67g Abs. 2 StGB die Aussetzung auch zu widerrufen ist, wenn sich ergibt, dass von dem Verurteilten infolge seines Zustandes rechtswidrige Taten zu erwarten sind und deshalb der Zweck der Maßregel seine Unterbringung erfordert, der Erlass eines Sicherungshaftbefehls aber nur möglich war, wenn zugleich die Voraussetzungen der Flucht oder Fluchtgefahr vorlagen.38 Dem Vorschlag,39 die Lücke in der Zeit bis zur Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses durch eine Unterbringung nach Maßgabe der landesrechtlichen Unterbringungsvorschriften zu schließen, wurde – zu Recht – entgegengehalten, dass auf diese Weise Abhilfe nur in Ausnahmefällen möglich sei.40 b) Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten. Rechtsstaatlichen Grundsätzen 11 entsprechend ist der erweiterte Haftgrund der Gefahr der Begehung neuer Straftaten oder rechtswidriger Taten – abweichend von den solche Gefahren betreffenden materiellrechtlichen Widerrufsgründen des § 56f Abs. 1 Nr. 2, § 57 Abs. 5 Satz 1, § 67g Abs. 2

32 33 34 35

OLG Oldenburg StV 1987 110. OLG Karlsruhe NJW 1992 3115. KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 11. OLG Bremen MDR 1976 865; OLG Celle MDR 1976 984; OLG Karlsruhe MDR 1977 600; GA 1992 571; OLG Frankfurt MDR 1978 71; M. J. Schmid MDR 1978 99; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 8; a. A. OLG Hamburg NJW 1976 1327. 36 Vgl. BTDrucks. 8 976 S. 102, 110. 37 Bringewat 12. 38 Vgl. Rieß NJW 1975 91; 1978 2272. 39 LR/Schäfer23 § 453c, 7. 40 Begründung zu Art. 1 Nr. 33a – neu – (§ 453c Abs. 1 StPO) Entwurf StVÄG 1979 – BTDrucks. 8 976.

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StGB – dadurch beschränkt, dass die Gefahr durch bestimmte Tatsachen begründet sein muss, und dass nur die Gefahr der Begehung neuer erheblicher Straftaten (rechtswidriger Taten) ausreicht.41 Damit ist § 453c Abs. 1 dem § 112a Abs. 1 („… und bestimmte Tatsachen … weitere erhebliche Straftaten …“) angeglichen. Auch der Begriff der „erheblichen rechtswidrigen Taten“ ist der Gesetzessprache geläufig (vgl. z. B. §§ 63, 64, 70 Abs. 1, § 70a Abs. 1 StGB). Insoweit wird auf die Erläuterungswerke, in denen diese Begriffe erörtert werden, verwiesen.42 Es ist nicht erforderlich, dass es sich bei den neuen erheblichen Straftaten (rechtswidrigen Taten) um solche gleicher Art handelt, wie sie der Verurteilung (Anordnung der Unterbringung) zugrunde liegen.43 12

3. Vollstreckung des Sicherungshaftbefehls. Die Vollstreckung des Sicherungshaftbefehls gehört mangels Vollstreckbarkeitsbescheinigung noch nicht zur Vollstreckung i. S. des § 451 Abs. 1. Mangels besonderer Regelung gilt daher für die Vollstreckung § 36 Abs. 2.44 Jedoch setzt die Aufnahme in die Haftanstalt – wie bei Verhaftung vor Abschluss des Erkenntnisverfahrens – ein schriftliches Aufnahmeersuchen des Haftrichters voraus.45 Da die Vollstreckung des Sicherungshaftbefehls stets vor Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses erfolgt, ist der Rechtspfleger nicht zuständig,46 denn seine Zuständigkeit setzt erst mit der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses ein.

13

4. Anrechnung der Sicherungshaft (Absatz 2 Satz 1). § 453c Abs. 2 Satz 1, der die Anrechnung der aufgrund eines Sicherungshaftbefehls erlittenen Haft auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe und – über § 463 Abs. 1 – auf die Höchstfrist (§ 67d StGB) der zu vollstreckenden freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung vorschreibt,47 ist ein Gegenstück zu § 51 StGB und zu § 450a, unterscheidet sich aber von diesen Vorschriften dadurch, dass die Anrechnung stets stattfindet.48 Dem Gericht ist also nicht die Befugnis eingeräumt, ausnahmsweise die Nichtanrechnung anzuordnen. Haft i. S. der Vorschrift ist jede aufgrund des Haftbefehls erlittene Freiheitsentziehung, also auch eine aufgrund des Haftbefehls erlittene polizeiliche Haft, die der Aufnahme des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt vorausgeht (§ 38 Nr. 2 StVollstrO).49 Die Haft wird vom errechneten Ende der Strafzeit nach vollen Tagen rückwärts abgerechnet (§ 39 Abs. 4 StVollstrO).50 Ein möglicher früherer Entlassungszeitpunkt ist nicht zu berücksichtigen.51 Andere Maßnahmen können nicht angerechnet werden.

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5. Verweisungen (Absatz 2 Satz 2). Im Übrigen verweist Absatz 2 Satz 2 auf die entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 114 bis 115a und wegen des Vollzugs der Sicherungshaft auf § 119 sowie § 119a. Dem Verurteilten, der die deutsche Sprache nicht 41 KK/Appl 5; SK/Paeffgen 9; Meyer-Goßner/Schmitt 8 bis 11; Bringewat 13. 42 Vgl. z. B. wegen der Gefahr zur Begehung erheblicher rechtswidriger Taten Fischer § 63, 16 ff.; LK/ Schöch § 63, 79 ff. 43 Bringewat 13. 44 KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 16. 45 KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 16. 46 KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Röttle/Wagner Rn. 201; Bringewat 16. 47 Zum Verhältnis von Sicherungsunterbringung aufgrund eines Sicherungsunterbringungsbefehls und Krisenintervention nach § 67h StGB sowie der Dauer der Sicherungsunterbringung vgl. OLG Braunschweig Beschl. vom 25.8.2020 – 1 Ws 192/20. 48 KK/Appl 7a; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 17. 49 KK/Appl 11; a. A. Pohlmann/Jabel/Wolf § 38, 7. 50 A. A. Bringewat 17; Röttle/Wagner Rn. 190. 51 BGHSt 34 318; KK/Appl 11a; a. A. OLG Koblenz NStZ 1985 177 mit zust. Anm. Gallandi.

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hinreichend mächtig ist, ist danach nach § 114a Satz 1 2. Hs. eine Übersetzung des Sicherungshaftbefehls in einer für ihn verständlichen Sprache auszuhändigen. Da den Strafakten in aller Regel der Umfang der deutschen Sprachkenntnisse des Verurteilten zu entnehmen sein wird, hat das Gericht, wenn der Verurteilte nach Aktenlage nicht über hinreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügt, einen erlassenen Sicherungshaftbefehl sogleich in eine für den Verurteilten verständliche Sprache übersetzen zu lassen. Die Übersetzung des Sicherungshaftbefehls darf in einem solchen Fall nicht erst nach der Festnahme des Verurteilten nachgeholt werden. Auch die Belehrung über die Rechte (§ 453c Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 114b) muss unverzüglich und in einer für den Verurteilten verständlichen Sprache erfolgen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu den §§ 114 bis 115a, 119 und 119a verwiesen. Kraft der Verweisung in § 115 Abs. 4 gelten auch § 117 Abs. 1, 2 und § 118 Abs. 1.52 Diese Aufzählung der entsprechend anwendbaren Vorschriften des Rechts der Untersuchungshaft ist grundsätzlich abschließend.53 Insbesondere sind daher §§ 116, 116a – der Erlass des Sicherungshaftbefehls setzt ja gerade („notfalls“) voraus, dass mildernde Sicherungsmaßregeln nicht ausreichen – sowie § 117 Abs. 554 und § 121 (Sechsmonatsprüfung von Amts wegen) unanwendbar. Dagegen wird wegen Gleichartigkeit der Interessenlage eine Ausschreibung zur Festnahme (§ 131) als zulässig anzusehen sein.55 Stets anwendbar ist aber der allgemein geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Aus ihm ergibt sich, dass die Sicherungshaft nicht länger dauern darf als der bei Widerruf noch zu verbüßende Strafrest56 oder dass der Haftbefehl aufzuheben ist, wenn seine Voraussetzungen entfallen, insbesondere deshalb, weil nunmehr mildere Maßnahmen ausreichen.57 6. Dauer der Sicherungshaft. Die Sicherungshaft dauert bis zur Rechtskraft des 15 Widerrufsbeschlusses. Bis zu diesem Zeitpunkt wird der verhaftete Verurteilte wie ein Untersuchungsgefangener behandelt.58 Mit der Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses verliert der Sicherungshaftbefehl seine Bedeutung und die Sicherungshaft geht in die dem rechtskräftigen Urteil entsprechende Freiheitsentziehung über.59 Damit endet auch die Kompetenz des Gerichts nach § 453c (Rn. 16) und beginnt die Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde nach § 451.60 Führt jedoch der Vollzug der Sicherungshaft aufgrund Anrechnung zu einer vollständigen Verbüßung der Freiheitsstrafe, so hat dies nicht automatisch die Erledigung der laufenden Bewährung zur Folge. In einem solchen Fall gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nachträglich bis zum Entscheidungszeitpunkt die Bewährungszeit zu verkürzen und sodann die – schon vollständig verbüßte –Strafe zu erlassen.61

52 OLG Hamburg NStZ-RR 2002 381; OLG Karlsruhe Justiz 2002 23; Burmann (Sicherungshaft) 121; Fuchs NStZ 1983 388; Paeffgen NStZ 1989 250; Eisenberg/Kölbel § 58, 30; a. A. LG Freiburg NStZ 1989 387; NStZ 1990 52 mit Anm. Fischer NStZ 1990 53 und Anm. Fuchs NStZ 1989 388 (keine Haftprüfung nach § 117 Abs. 1 bei Sicherungshaftbefehl); KK/Graf § 117, 2; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 15. 53 A. A. Bringewat 16. 54 OLG Karlsruhe Justiz 1974 101; Burmann (Sicherungshaft) 122, 125; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 15; a. A. LG Flensburg Rpfleger 1984 112. 55 Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 15; a. A. Eisenberg/Kölbel § 58, 29. 56 Meyer-Goßner/Schmitt 8. 57 Bringewat 5, 8; OLG Celle NStZ-RR 2011 122. 58 KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 14 f.; ausführlich dazu Burmann (Sicherungshaft) 49, 56. 59 Meyer-Goßner/Schmitt 14; vgl. – als Parallele – auch § 450, 8. 60 KK/Appl 7; Bringewat 16; Röttle/Wagner Rn. 201. 61 OLG Celle NStZ-RR 2011 122.

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VII. Zuständiges Gericht 16

1. Erwachsenenstrafrecht. Im Erwachsenenstrafrecht entscheidet über Maßnahmen nach § 453c das für die Überwachung der Lebensführung nach § 453b zuständige Gericht (§ 453b, 5).62

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2. Jugendstrafrecht. Der durch Art. 3 Nr. 5 Buchst. a StVÄG 197963 eingefügte Absatz 2 des § 58 JGG bestimmt, dass der Jugendrichter auch die Vollstreckung der vorläufigen Maßnahmen nach § 453c StPO leitet.64 Die neue Vorschrift dient der Klarstellung der nach Schaffung des § 453c in der Praxis streitig gewordenen Frage, ob im Jugendstrafverfahren für die Vollstreckung vorläufiger Maßnahmen der Jugendrichter oder, wie im Erwachsenenstrafverfahren, die Staatsanwaltschaft zuständig ist.65

VIII. Rechtsmittel 18

Gegen die Anordnung der vorläufigen Maßnahmen ist einfache Beschwerde zulässig.66 Ob auch die weitere Beschwerde (§ 310) statthaft ist, ist umstritten.67 Die herrschende Meinung verneint das mit der Begründung, dass zum einen durch § 453c eine Lücke entsprechend der im Jugendstrafrecht bewährten Regelung des § 61 JGG geschlossen werden sollte, der eine dem besonderen Anliegen des Jugendstrafrechts entsprechende Ergänzung der Vorschrift über den Vollstreckungshaftbefehl des § 457 sei.68 Darüber hinaus sei aber unter Verhaftung i. S. des § 310 Abs. 1 nur die Freiheitsentziehung in einem Strafverfahren vor Rechtskraft des Urteils, d. h. Untersuchungshaft nach §§ 112 ff. oder ihr entsprechende Haftentscheidungen nach § 230 Abs. 2 und § 236, zu verstehen, eine zum Zweck der Strafvollstreckung angeordnete Sicherungshaft falle mithin nicht unter diese Vorschrift.69 Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Ihr ist namentlich entgegenzuhalten, dass § 453c die Regelung des § 61 JGG a. F. nur im Grundsatz übernommen hat, diesen jedoch in mehrfacher Hinsicht durch Einschränkungen, Verschärfungen und strengere Förmlichkeiten entsprechend den Regeln für die Un62 KK/Appl 5a; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Bringewat 18; weitgehend OLG Düsseldorf MDR 1982 958: auch das nach § 462a zuständige Gericht.

63 BGBl. I 1978 S. 1645. 64 KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Bringewat 18. 65 Röttle/Wagner Rn. 201; OLG Karlsruhe NStZ 1983 92 mit Anm. Brunner JR 1983 518; vgl. im Einzelnen Erl. zu § 58 JGG bei Diemer/Schatz/Sonnen/Schatz und Eisenberg/Kölbel.

66 Burmann (Sicherungshaft) 118 ff.; Fischer NStZ 1990 53; Paeffgen NStZ 1990 536; Bringewat 20; KK/ Appl 10. 67 Verneinend: OLG Stuttgart MDR 1975 951; OLG Bamberg NJW 1975 1526; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002 15; OLG Düsseldorf NJW 1977 968; OLG Köln JMBlNRW 2004 250; Beschl. vom 23.12.2010 – 2 Ws 845/ 10; OLG Karlsruhe NStZ 1983 92; OLG Braunschweig NStZ-RR 2013 317 Ls.; KK/Appl 10; bejahend: OLG Braunschweig NStZ 1993 604; OLG Hamburg NStZ-RR 2002 381; SK/Paeffgen 15; LR/Matt26 § 310, 44; Paeffgen NStZ 1990 531, 536. 68 OLG Hamburg NJW 1964 605: dass für ersteren der Richter, für Letzteren der Staatsanwalt zuständig ist, soll keinen Unterschied machen; OLG Düsseldorf NJW 1964 69; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 17. 69 BGHSt 25 120; OLG Hamm NJW 1974 511; OLG Karlsruhe Justiz 1974 101; NStZ 1983 92; OLG Stuttgart MDR 1975 951; OLG Bamberg NJW 1975 1526; OLG Düsseldorf NJW 1977 968; NStZ 1990 251; Kaiser NJW 1963 672; 1964 1946; KK/Zabeck § 310, 10; KK/Appl 10; KMR/Stöckel 27; Meyer-Goßner/Schmitt 17; Röttle/ Wagner Rn. 201; a. A. OLG Braunschweig NStZ 1993 604; Blösch NJW 1963 1296; Theuerkauf MDR 1965 179; Ellersiek 96 f.; Eisenberg/Kölbel § 58, 25; LR/Matt26 § 310, 44.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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tersuchungshaft modifiziert.70 Durch Verweisung auf § 119 stellt er klar, dass der in Haft Genommene wie ein Untersuchungsgefangener zu behandeln ist.71 Diese Gleichstellung gebietet es dann aber auch, ihm die gleichen Anfechtungsmöglichkeiten wie einem Untersuchungsgefangenen zu geben mit der Folge, dass die weitere Beschwerde statthaft sein muss.72

IX. Entschädigung Auch wenn das Gericht später einen Widerruf rechtskräftig ablehnt, weil es dessen 19 Voraussetzungen als von vornherein nicht gegeben ansah, ist für die erlittene Sicherungshaft im StrEG keine Entschädigung vorgesehen. Denn die Sicherungshaft ist weder Untersuchungshaft i. S. des § 2 Abs. 1 StrEG, noch fällt sie in den Katalog der „anderen Strafverfolgungsmaßnahmen“ i. S. des § 2 Abs. 2 StrEG.73 Zu denken wäre an eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 StrEG. Dem steht aber entgegen, dass § 453c nur in bestimmtem Umfang die für die Untersuchungshaft geltenden Vorschriften für entsprechend anwendbar erklärt und nach Art. 8 II Nr. 1 des 1. StVRG 197474 zwar der § 2 Abs. 1 StrEG neu gefasst wurde, diese Vorschrift aber gerade in dem hier in Frage stehenden Punkt unverändert geblieben ist.75

X. Weitere Hinweise Wegen der Berechnung der Strafzeit bei Anrechnung der erlittenen Sicherungshaft 20 auf die zu vollstreckende Freiheitsstrafe vgl. die Erläuterungen zu § 451; wegen der Zulässigkeit der öffentlichen Zustellung eines Widerrufsbeschlusses vgl. Erläuterungen zu § 40, 3 f.

§ 454 Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (1) 1Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. 2Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. 3Der Verurteilte ist mündlich zu hören. 4Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn

70 Vgl. BTDrucks. 7 551 S. 97: Begründung zu Art. 1 Nr. 117 (§ 453c StPO); näher dazu LR/Wendisch24 § 114, 46 und auch LR/Hilger26 § 112, 13 und OLG Braunschweig NStZ 1993 604. 71 Wovon auch KK/Appl 6 und Meyer-Goßner/Schmitt 4 ausgehen; ebenso Boetticher NStZ 1991 4. 72 Wegen weiterer Einzelheiten s. Wendisch FS Dünnebier 243 ff. sowie OLG Braunschweig NStZ 1993 604. 73 Burmann StV 1986 81; OLG Schleswig SchlHA 2004 272; Katzenstein StV 2003 359; KK/Appl 11; MeyerGoßner/Schmitt 15. 74 BGBl. I S. 3393, 3533. 75 OLG Karlsruhe MDR 1977 600; Justiz 1979 338; KG JR 1981 87; OLG Düsseldorf MDR 1982 958; a. A. von Meding NJW 1977 914; Bringewat 21.

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die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt, 2. der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung a) bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate, b) bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder 3. der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches). 5 Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird. (2) 1Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes 1. der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder 2. einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. 2 Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. 3Der Sachverständige ist mündlich zu hören, wobei der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben ist. 4Das Gericht kann von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichten. (3) 1Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. 2Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung. (4) 1Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. 2Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. 3Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden. Schrifttum Baier Probleme bei Vollstreckung und Vollzug der Sicherungsverwahrung, StraFo 2014 397; Birkhoff Probleme des Strafverteidigers mit Prognosegutachten, StraFo 2001 401; Bock Das Elend der klinischen Kriminalprognose, StV 2007 269; ders. Die Verwalter der Gefährlichkeit – eine Skizze zum forensischen Gutachterwesen, FS Heinz (2012) 609; Böhm Ausgewählte Fragen des Maßregelrechts, FS Schöch (2010) 755; Böhm/Boetticher Unzureichende Begutachtung gefährlicher Gewalt- und Sexualstraftäter im Strafverfahren, ZRP 2009 134; Boetticher/Dittmann/Nedopil/Nowara/Wolf Zum richtigen Umgang mit Prognoseinstrumenten durch psychiatrische und psychologische Sachverständige und Gerichte, NStZ 2009 478; Boetticher/Koller/Böhm/Brettel/Dölling/Höffler/Müller-Metz/Pfister/Schneider/Schöch/Wolf Empfehlungen für Prognosegutachten – Rechtliche Rahmenbedingungen für Prognosen im Strafverfahren, NStZ 2019 553; Boetticher/Kröber/Müller-Isberner/Böhm/Müller-Metz/Wolf Mindestanforderungen für Prognosegutachten, NStZ 2006 537; Bringewat Die mündliche Anhörung gem. § 454 I 3 StPO – eine mündliche Anhörung eigener Art? NStZ 1996 17; Bublies Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe (1989); Dahle/ Schneider/Ziethen Standardisierte Instrumente zur Kriminalprognose, ForensPsychiatrPsycholKriminol 2007 15; Dehne/Niemann Ist die Entscheidung über die Aussetzung einer Restjugendstrafe (§ 88 JGG) bei

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erwachsenen Verurteilten nach den Kriterien des § 57 StGB zu treffen? (§ 88 JGG), StraFo 2020 267; Dittmann Was kann die Kriminalprognose heute leisten? in: Häßler/Rebering/Schnoor/Schläfke/Fegert Forensische Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie – Aspekte der forensischen Begutachtung (2003) 173; Doleisch von Dolsperg Strafaussetzung zur Bewährung – Probleme aus der Praxis, StraFo 2005 45; Doller Organisation und Geschäftsgang der Strafvollstreckungskammern, DRiZ 1976 169; ders. Die mündliche Anhörung des Verurteilten durch die Strafvollstreckungskammer, DRiZ 1977 80; ders. Entlassung des Verurteilten vor Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses? NJW 1977 2153; ders. Reststrafaussetzung bei Ersatzfreiheitsstrafe? NJW 1977 288; Dreher Richterliche Aussetzung des Strafrestes auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe, FS Lange (1976) 323; Eichinger Videokonferenz in der Strafvollstreckung (2015); Elf Die Relativierung der lebenslangen Freiheitsstrafe für Mord durch rechtsgestaltende Wirkung der Rechtsprechung des BVerfG und der Strafgerichte, NStZ 1992 468; Erdmann/Degenhardt Ermessenseinschränkung und Begutachtungspflicht bei Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 88 III n. F. JGG? SchlHA 1999 293; Esser Videoanhörungen im Verfahren der Strafrestaussetzung, NStZ 2003 464; Foth Zur Fristberechnung, wenn mehrere Freiheitsstrafen zu verbüßen sind, DRiZ 1976 277; Franke Die Besetzung der Großen Strafvollstreckungskammer bei der mündlichen Anhörung nach § 454 I 3 StPO, JZ 1977 125; Frisch Dogmatische Grundfragen der bedingten Entlassung und der Lockerung des Vollzugs von Strafen und Maßregeln, ZStW 102 (1990) 707; Geis Die pragmatische Sanktion der „verfassungskonformen Analogie“: Kritische Anmerkung zur neuesten „Lebenslänglich-Entscheidung“ des BVerfG, NJW 1992 2938; Göke Wann ist ein die bedingte Entlassung anordnender Beschluss zu vollziehen? NJW 1958 1670; Groß Die Einwilligung des Verurteilten zu Weisungen und zur Reststrafenaussetzung, FS Rieß (2002) 691; Heinrich Die Strafrestaussetzung nach Abgabe der Vollstreckung gem. § 85 VI JGG, NStZ 2002 182; Herkmann Entlassung des Verurteilten bei Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung, Rpfleger 1976 424; Herzog Dauer der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, NJW 1976 1077; Immel Die Einholung und Verwertung von Prognosegutachten gemäß § 454 II StPO, JR 2007 183; Konrad Bemerkungen zur Stellungnahme des Psychologen im Strafvollzug nach dem Psychotherapeutengesetz, R&P 2006 13; Krahforst Zur Kooperation bei der Entlassungsvorbereitung nach § 57, DRiZ 1976 132; Kröber Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung, NStZ 1999 593; ders. Leugnen der Tat und Tatbearbeitung in der prognostischen Begutachtung, FPPK 2010 32; ders. Praxis der kriminalprognostischen Begutachtung: handwerkliche Mindeststandards und kasuistische Illustration, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 3 Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie 173; ders. Externe und interne Gutachten im psychiatrischen Maßregelvollzug, in: Häßler/Rebering/ Schnoor/Schläfke/Fegert Forensische Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie – Aspekte der forensischen Begutachtung (2003) 188; Kröber/Brettel/Rettenberger/Stübner Empfehlungen für Prognosegutachten – Erfahrungswissenschaftliche Empfehlungen für kriminalprognostische Gutachten, NStZ 2019 574; Kudlich Verschobener Reststrafenzeitpunkt und Härteausgleich bei Unmöglichkeit nachträglicher Gesamtstrafenbildung, FS Schöch (2010) 669; Kulisch Psychiater oder Psychologe? StraFo 2001 337; Kunert Gerichtliche Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe kraft Gesetzes, NStZ 1982 89; Laubenthal Die Einwilligung des Verurteilten in die Strafaussetzung zur Bewährung, JZ 1988 951; Leipold Vorzeitige Haftentlassung, NJW-Spezial 2006 519; Lesting Die Neuregelung der zivilrechtlichen Haftung des gerichtlichen Sachverständigen für ein unrichtiges Gutachten, RuP 2002 224; Leygraf Die Begutachtung der Gefährlichkeitsprognose, in: Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung (2009) 483; Maatz Die „Erstverbüßer-Regelung“ im Regierungsentwurf eines neuen § 57 Abs. 2 StGB, MDR 1985 787; ders. Noch einmal: Zur Erstverbüßer-Regelung des neuen § 57 II Nr. 1 StGB, NStZ 1988 114; Maetzel Anhörung vor der Vollstreckungskammer ohne Benachrichtigung des Verteidigers? AnwBl. 1975 421; Meurer Strafaussetzung durch Strafzumessung bei lebenslanger Freiheitsstrafe, JR 1992 441; D. Meyer Immer noch keine Zusammenrechnung mehrerer nacheinander zu verbüßender Freiheitsstrafen? NJW 1976 939; Müller Vergleich externer und interner Prognosegutachten im Maßregelvollzug Sachsen-Anhalts, R&P 2006 174; Nedopil Prognosen in der Forensischen Psychiatrie – Ein Handbuch für die Praxis (2005); ders. Rückfallprognosen bei Straftätern – Neue Gesichtspunkte für eine alte Fragestellung, in: Rode/Kammeier/Leipert Prognosen im Strafverfahren und bei der Vollstreckung (2004) 83; ders. Prognosebegutachtungen bei zeitlich begrenzter Freiheitsstrafen – eine sinnvolle Lösung für problematische Fragestellungen? NStZ 2002 344; Neubacher Die Einholung eines Sachverständigengutachtens bei der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes gemäß § 57 I StGB, § 454 II StPO, NStZ 2001 449; ders. Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach Abgabe der Vollstreckung gemäß § 85 VI JGG, GA 2006 737; Neumann Zur Bindungswir-

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kung einer Sperrfrist, NJW 1985 1889; Northoff Strafvollstreckungskammer. Anspruch auf Wirklichkeit (1985); Ostendorf Neue Rechtsprobleme bei der Entlassung auf Bewährung aus dem Jugendvollzug, NJW 2000 1090; Pohlreich Besonderheiten im Recht der Strafvollstreckung und des Strafvollzugs bei ausländischen Straftätern, ZStW 127 (2015) 410; Pollähne Kriminalprognostik zwischen richtigen Basisraten und falschen Positiven, in: Barton (Hrsg.) „weil er für die Allgemeinheit gefährlich ist“ (2006) 221; ders. Kriminalprognostik (2011); ders. Sonderregelungen für Vollstreckung und Vollzug lebenslanger Freiheitsstrafen, FS Ostendorf (2015) 687; Rose Qualitätsstandards der Begutachtung bei Sexualstraftätern, StV 2003 101; Rotthaus Neue Aufgaben für den Strafvollzug bei der Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten, NStZ 1998 597; ders. Die Pflichtverteidigung in Verfahren zur Strafrestaussetzung, NStZ 2000 350; ders. Strafrestaussetzung einst und jetzt. Vom vertraulichen Gnadenweg zur großen Anhörung nach § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO, FS Walter (2014) 773; Sandermann Setzt die Aussetzung des Strafrestes nach § 57 (§ 26 a. F.) StGB ein rechtskräftiges Urteil voraus? JZ 1975 628; Schall/Schreibauer Prognose und Rückfall bei Sexualstraftätern, NJW 1997 2412; Schatz Strafrestaussetzung zur Bewährung: Auch bei Ersatzfreiheitsstrafen, ZRP 2002 438; W. Schmidt Die Strafvollstreckungskammern in der Praxis, NJW 1975 1485 und (Replik) NJW 1976 224; Schneider Prognosevoraussetzungen und Rückwirkungsverbot bei der Strafrestaussetzung zur Bewährung – eine (noch) ungeklärte Problematik. Zugleich eine Besprechung von OLG Hamm, Beschluss vom 11.2.1999 – 2 Ws 42/99 StV 1999 216, BewHi. 1999 310; H. Schneider Das Leugnen der Tat bei der Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe, FPPK 2010 23; Schöch Mindestanforderungen für Schuldfähigkeits- und Prognosegutachten, FS Widmaier (2008) 967; Schwind/Blau Strafvollzug in der Praxis (1976) 364; Seifert Gefährlichkeitsprognosen – Eine empirische Untersuchung über Patienten des psychiatrischen Maßregelvollzugs (2007); Sonnen Die Bedeutung sozialtherapeutischer Maßnahmen für die Sozialprognose, JuS 1976 364; Stree Neue Probleme der Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe, NStZ 1992 464; Stromberg Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte, MDR 1979 353; Tondorf Behandler sind keine Sachverständigen, StV 2000 171; ders. Psychologische und psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren. Verteidigung bei Schuldfähigkeits- und Prognosebegutachtung (2005); Treptow Das Verfahren der Strafvollstreckungskammer, NJW 1975 1105 und (Eine Erwiderung) NJW 1976 222; Tröndle Unsere gesellschaftliche Wirklichkeit als Widersacherin der Resozialisierung, Justiz 1976 88; Ullenbruch Vollstreckung und erneute Aussetzung eines Strafrestes nach Bewährungswiderruf, NStZ 1999 8; Voigtel Zum Freibeweis bei Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer (1998); Volckart Die Aussetzungsprognosen nach neuem Recht, RuP 1998 3; Weber Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 57 StGB, GedS Schröder (1978) 175; Wegener Die mündliche Anhörung des Verurteilten vor der Strafvollstreckungskammer, MDR 1981 617; Wittschier Die Festsetzung einer Sperrfrist gemäß den §§ 57 V, 57a IV StGB und ihre Folgen, NStZ 1986 112; Wohlers Zur gerichtlichen Beiordnung eines Rechtsbeistands in Strafvollstreckungs- und Strafvollzugssachen, FS Seebode (2008) 573; W. Wolf Form des antraglosen negativen Gerichtsentscheids gem. § 57 Abs. 1 StGB, NJW 1975 1962.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift des § 486 StPO 1877 hat ihre jetzige Bezeichnung durch die Bek. 1924 erhalten. Sie betraf ursprünglich die Vollstreckung der Todesstrafe. Durch Art. 3 Nr. 187 VereinhG wurde sie aufgehoben. Ihren Inhalt erhielt sie 1953 durch Art. 4 Nr. 49 des 3. StRÄndG. Durch Art. 10 Nr. 11 StPÄG 1964 und Art. 9 Nr. 22 des 1. StrRG im Jahre 1969 wurden die Absätze 1 und 3 Änderungen des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung angepasst. Durch Art. 21 Nr. 124 EGStGB 1974 wurde die Vorschrift neu gefasst. Durch Art. 6 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 (BGBl. I S. 160) wurde der frühere Absatz 1 Satz 5 aufgehoben. Durch Art. 2 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Strafvollzuggesetzes vom 27.12.2000 (BGBl. I S. 2053) wurde ein neuer Satz 5 dem Absatz 1 angefügt, der vorschreibt, dass das Gericht zugleich mit der Aussetzungsentscheidung nach Absatz 1 Satz 1 entscheidet, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG ausgeschlossen wird. Durch Art. 6 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten ist ein neuer Absatz 2 eingefügt worden, Graalmann-Scheerer

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wonach eine bedingte Entlassung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an erhöhte Anforderungen geknüpft wird. Die bisherigen Absätze 2 und 3 sind sachlich unverändert Absätze 3 und 4 geworden. Durch Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21.8.2002 (BGBl. I S. 3344) wurde Absatz 2 Sätze 3 bis 6 durch einen neuen Satz 3 ersetzt. Absatz 2 Satz 7 wurde infolgedessen unverändert Absatz 2 Satz 4. Durch Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010 (BGBl. I S. 2300) wurde Absatz 4 Satz 1 ergänzt. Durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) vom 26.6.2013 (BGBl. I S. 1805) wurde in Absatz 4 Satz 1 nach dem Wort „sind“ die Angabe „§ 246a Absatz 2“ eingefügt.

I. II. III. IV.

V.

VI.

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Übersicht Anwendungsbereich 1 Zuständiges Gericht 4 Materiell-rechtliche Voraussetzungen 5 Einleitung des Verfahrens zur Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (Absatz 1) 1. Notwendigkeit der Entscheidung a) Auf Antrag? 6 b) Von Amts wegen? 7 2. Bedeutung der Streitfrage 10 3. Form der gerichtlichen Entscheidung (Satz 1) 12 4. Anträge Nichtverfahrensbeteiligter 14 5. Zeitpunkt der Entscheidung 15 6. Einwilligung des Verurteilten 16 Anhörung von Verfahrensbeteiligten (Absatz 1 Satz 2) 1. Staatsanwaltschaft 17 2. Justizvollzugsanstalt 18 3. Verteidiger 19 Mündliche Anhörung des Verurteilten (Absatz 1 Satz 3) 1. Zweck der Vorschrift 21 2. Form (Satz 3) a) Allgemeines 23 b) Anhörung durch die vollbesetzte Kammer? 24 c) Anhörung durch den beauftragten Richter? 25 d) Anhörung durch den ersuchten Richter? 27 3. Weitere Ansichten a) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 29 b) Schrifttum 30 4. Würdigung a) Anhörung durch den beauftragten oder ersuchten Richter 31 b) Notwendigkeit der Mitwirkung des mit der Anhörung beauftrag-

ten Richters bei der Entscheidung 33 c) Anhörung durch den ersuchten Richter 34 VII. Durchführung der mündlichen Anhörung des Verurteilten 1. Gestaltung 36 2. Anwesenheit der übrigen Verfahrensbeteiligten 38 3. Gegenstand der Anhörung 39 4. Dokumentation des Anhörungsergebnisses 40 VIII. Absehen von der mündlichen Anhörung des Verurteilten (Absatz 1 Satz 4) 1. Absehensgründe 41 2. Zulässigkeit einer erweiternden Auslegung 42 3. Einzelerörterungen a) Absatz 1 Satz 4 Nr. 1 43 b) Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 44 c) Absatz 1 Satz 4 Nr. 3 45 d) Kurzfristige Antragswiederholung und verfrühte Antragstellung 46 e) Fehlende Einwilligung 47 f) Missbrauch der Anhörung 48 g) Verwirkung 49 h) Sonstige Fälle 50 IX. Anwendungsbereich des Absatzes 2 1. Zweck der Regelung 51 2. Aussetzung der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafe 52 3. Aussetzung der Vollstreckung zeitiger Freiheitsstrafe 53 X. Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Absatz 2 Satz 1) 1. Erwägung einer Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes 54 2. Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafe (Absatz 2 Satz 1 Nr. 1) 55

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XIII.

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XV.

Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2) 56 4. Höhe der zeitigen Freiheitsstrafe (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2) 57 5. Fehlen entgegenstehender Gründe der öffentlichen Sicherheit 58 Sachverständigengutachten 1. Inhaltliche Anforderungen 59 2. Auswahl des Sachverständigen 60 Verfahren 1. Zeitpunkt für die Einholung des Sachverständigengutachtens 62 2. Mündliche Anhörung des Sachverständigen (Absatz 2 Satz 3) 63 3. Gelegenheit zur Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten (Absatz 2 Satz 3) 65 4. Durchführung der mündlichen Anhörung (Absatz 2 Satz 3) 66 5. Pflichtverteidigerbestellung 69 6. Verfahrensmängel 73 Änderung durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (Absatz 4 Satz 1) 1. Zweck der Regelung 75 2. Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Absatz 4 Satz 1 i. V. m. § 453) 77 a) Anklage wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil von Minderjährigen 78 b) Erforderlichkeit 79 c) Anhörung des Sachverständigen (Absatz 4 Satz 1 i. V. m. § 453 Abs. 1 Satz 2, § 454 Abs. 2 Satz 4) 80 3. Verfahrensmängel 81 Entscheidung über die Anrechnung der Freistellung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG (Absatz 1 Satz 5) 82 Anhörung bei Aussetzung des Strafrestes vor Rechtskraft des Urteils 86

XVI. Entscheidung 1. Zeitpunkt 87 2. Form 88 3. Inhalt a) Allgemeines 89 b) Besonderheiten bei Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe 90 4. Zeitpunkt der Wirksamkeit des Aussetzungsbeschlusses 93 5. Anordnung der Zustellung der Entscheidung 94 XVII. Rechtsmittel (Absatz 3) 1. Allgemeines 95 2. Wirkung des Rechtsmittels a) Staatsanwaltschaft 99 b) Verurteilter 100 3. Beschwerdeverfahren 101 XVIII. Rechtskraft ablehnender Entscheidung 1. Wirkung 102 2. Sperrfrist für erneute Aussetzungsanträge 103 XIX. Entsprechende Anwendbarkeit der § 246a Abs. 2, § 268a Abs. 3, § 268d, §§ 453, 453a Abs. 1 und 3 sowie der §§ 453b, 453c (Absatz 4 Satz 1) 1. Zweck der Regelung 105 2. Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes (Satz 2) 106 3. Belehrung entsprechend § 268d 108 a) Belehrungspflicht 109 b) Inhalt 110 c) Form 111 d) Zeitpunkt 114 e) Zuständigkeit 115 XX. Aussetzung des Strafrestes durch die Gnadenbehörde 116 XXI. Entlassungszeitpunkt 117 XXII. Aussetzung des Restes einer Jugendstrafe 119 XXIII. Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln 120

Alphabetische Übersicht Absehen von der mündlichen Anhörung 41 ff. Aktenvermerk 13 Anhörung – Gegenstand 39 – Justizvollzugsanstalt 18 – Missbrauch 48 – mündliche 21 ff.

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– Staatsanwaltschaft 17 – Verteidiger 19 – Verwirkung 49 Anrechnung der Freistellung nach § 43 Nr. 10 Abs. 3 StVollzG 82 ff. Antrag 6 Antragswiederholung 46

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

Anwendungsbereich 1 Audiovisuelle Anhörung 37, 67 Aussetzung – Lebenslange Freiheitsstrafe 52, 55, 90 – Zeitige Freiheitsstrafe 53, 56 f. – von Amts wegen 6 ff. Auswahl des Sachverständigen 60 Begründungserfordernis des Beschlusses 89 Belehrung über die Aussetzung 106 f. Beschwerdeberechtigte 95 Beschwerdeverfahren 101 Dokumentation des Anhörungsergebnisses 40 Einholung eines Sachverständigengutachtens 54 ff. – Zeitpunkt 62 ff. Einwilligung des Verurteilten 12, 16 – fehlende 47 Entscheidung – Zeitpunkt 87 Faires Verfahren 19 f. Gegenstand der Anhörung 39 Gericht – zuständiges 4, 23 ff. Gnadenerweis 119 Gnadengesuch 104 Jugendstrafe 119 Maßregeln der Besserung und Sicherung 120 Missbrauch der Anhörung 48 Mündliche Anhörung 21 ff.

§ 454

– Form 23 – Gerichtsbesetzung 24 ff. – Sachverständiger 63 ff., 66 ff. – Verurteilter 37 ff. Nichtverfahrensbeteiligte 14 Öffentliche Sicherheit 58 Pflichtverteidigerbestellung 69 ff., 74 Protokoll 68 Protokollierungspflicht 40 Rechtskraft 102 Rechtsmittel 95 ff. Rechtsschutzbedürfnis 98 Sachverständigengutachten 59 ff. – Inhaltliche Anforderungen 59 Sachverständiger – externer 60 – interner 61 – psychiatrischer 61 – psychologischer 61 Sofortige Beschwerde 95 Sperrfrist 103 Verfahrensbeteiligte 65 Verfahrenseinleitung 6 ff. Verfahrensmangel 73 Verwirkung des Anhörungsrechts 49 Videokonferenz 37 Wirkung des Rechtsmittels 99 f. Zustellung 94

I. Anwendungsbereich Absatz 1 regelt das Verfahren bei zwei Fällen von Entscheidungen: a) ob die Voll- 1 streckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, ob also die Voraussetzungen einer Aussetzung nach §§ 57 bis 58 StGB oder nach § 67 Abs. 5 StGB, der auf § 57 Abs. 1 verweist, vorliegen; b) dass vor Ablauf einer bestimmten Frist ein Antrag des Verurteilten auf Aussetzung zur Bewährung unzulässig ist. Dies dient der Durchführung des § 57 Abs. 7 und des § 57a Abs. 4 StGB, wonach das Gericht Fristen von höchstens sechs Monaten bzw. von höchstens zwei Jahren festsetzen kann, vor deren Ablauf ein Aussetzungsantrag des Verurteilten unzulässig ist.1 Nach § 463 Abs. 3 gilt § 454 auch für die in der erstgenannten Vorschrift angeführten, die Maßregeln der Besserung und Sicherung betreffenden Entscheidungen. Absatz 1 Sätze 2 bis 4 regeln das Verfahren für Entscheidungen nach Satz 1. Absatz 2 regelt die Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengut- 2 achtens über den Verurteilten und das Verfahren insoweit. Die Anfechtbarkeit von Entscheidungen nach Absatz 1 ist in Absatz 3 geregelt. Absatz 4 erweitert die Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigen- 3 gutachtens, wenn Anklage wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil von Minderjährigen erhoben worden ist und die Erteilung eine Therapieweisung in Be-

1 Bringewat 3.

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§ 454

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tracht kommt. Ferner regeln die Sätze 2 und 3 das Verfahren für die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes.

II. Zuständiges Gericht 4

Welches Gericht für Entscheidungen nach § 454 zuständig ist, regelt § 462a. Nach dessen Absatz 1 ist regelmäßig die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk der Verurteilte die Strafe verbüßt. Das erkennende Gericht setzt den Strafrest nur aus, wenn der Verurteilte den nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB maßgebenden Zeitpunkt durch Untersuchungshaft erreicht hat und sich bei Urteilsrechtskraft auf freiem Fuß befindet.2 Wegen weiterer Einzelheiten siehe die Erl. zu § 462a.

III. Materiell-rechtliche Voraussetzungen 5

Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen (§§ 57 bis 58 StGB) einer Entscheidung nach Absatz 1 sind hier nicht zu erörtern, insoweit wird auf die Erläuterungswerke zum StGB verwiesen. Dies gilt z. B. für die Umschreibung der Prognose in § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB.3 IV. Einleitung des Verfahrens zur Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes (Absatz 1) 1. Notwendigkeit der Entscheidung

6

a) Auf Antrag? Nach § 26 a. F. StGB stand die bedingte Entlassung im Ermessen des Gerichts („kann“). Bei dieser Sachlage wurde allgemein angenommen, dass das Gericht, wenn es den Verurteilten bedingt entlassen wollte, von Amts wegen – also ohne einen Antrag abzuwarten – tätig werden könne. Es war aber nicht verpflichtet, bei jedem Verurteilten, bei dem die formellen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung (Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe) vorlagen, auch die materiellen Voraussetzungen (günstige Prognose für die Zukunft) von Amts wegen zu überprüfen, sondern es konnte abwarten, ob der Verurteilte oder ein anderer Verfahrensbeteiligter einen Antrag auf bedingte Entlassung stellte.4 Durch Art. 1 Nr. 9 des 1. StrRG5 von 1969 wurde in § 26 Abs. 1 StGB (= jetzt § 57 Abs. 1 StGB) für den Normalfall (Verbüßung von zwei Dritteln) die Kann-Vorschrift in eine MussVorschrift umgewandelt („setzt die Vollstreckung … aus“). Nur für den Ausnahmefall des § 57 Abs. 2 StGB (Aussetzung des Restes schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe) und den Fall des § 67 Abs. 5 StGB ist es bei der Kann-Vorschrift geblieben.

7

b) Von Amts wegen? Die Umgestaltung des § 57 Abs. 1 StGB in eine Muss-Vorschrift führte zu der Frage, ob – wie vorher – eine Pflicht zur Entscheidung über das Vorliegen der Aussetzungsvoraussetzungen nur besteht, wenn der Verurteilte, dessen Einwilligung in die Aussetzung erforderlich ist, oder ein sonstiger Verfahrensbeteiligter einen Aussetzungsan2 OLG Hamm NStZ 2002 223. 3 Vgl. dazu Tröndle Justiz 1976 88. 4 OLG Hamm JMBlNRW 1981 238; 1982 32; OLG Düsseldorf NStZ 1982 467; MDR 1984 182; Dreher/Tröndle42 § 57, 5a; zu weiteren Einzelheiten vgl. Jabel MDR 1980 718 und Pohlmann/Jabel/Wolf8 § 43, 20 ff. 5 BGBl. I S. 645.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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trag stellt oder ob das Gericht rechtzeitig vor Verbüßung von zwei Dritteln von Amts wegen zu entscheiden hat, ob die materiell-rechtlichen Aussetzungsvoraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB gegeben sind. Nach Ansicht einiger Oberlandesgerichte ist auch nach der Rechtsänderung bei fehlendem Antrag das Gericht zu einer Prüfung von Amts wegen nicht verpflichtet, freilich an einer solchen auch nicht gehindert, wenn es sie aus irgendwelchen Gründen für geboten hält.6 Die in Rechtsprechung7 und im Schrifttum8 einhellig vertretene Auffassung geht jedoch im Hinblick auf die Regelung des § 454b und die Bedeutung der Aussetzung des Strafrestes für die Resozialisierung des Verurteilten mit Recht von einer Pflicht des Gerichts zur Prüfung von Amts wegen aus. Von Amts wegen zu entscheiden ist auch, wenn der Verurteilte die Strafe nur auf- 8 grund der Erstverbüßerregelung des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu verbüßen hat. Das folgt aus § 454b Abs. 2 Satz 1, wonach bei Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen die Vollstreckung der unter § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB fallenden Strafen nach Verbüßung der Hälfte der Strafen zu unterbrechen ist, um die einheitliche Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen nach § 454b Abs. 2 zu gewährleisten.9 Die Prüfung von Amts wegen unterbleibt mithin nur in den Fällen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB oder wenn der Verurteilte die nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderliche Einwilligung in die Strafaussetzung verweigert.10 Hat das Gericht die Aussetzungsvoraussetzungen nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB von 9 Amts wegen geprüft und eine ablehnende Entscheidung getroffen, muss es gleichwohl anschließend die Aussetzungsvoraussetzungen nach § 57 Abs. 1 StGB erneut von Amts wegen prüfen und darüber wiederum durch förmlichen Beschluss entscheiden.11 Dem Sinn und Ziel der §§ 57 ff. StGB zufolge befreit die Prüfung wegen der Aussetzungsvoraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB von Amts wegen nicht von einer erneuten Prüfung von Amts wegen im Zweidrittel-Zeitpunkt.12 2. Bedeutung der Streitfrage. Der Streit (Rn. 6 f.) ist praktisch durch § 454b Abs. 3, 10 § 36 Abs. 2 StVollstrO ohne Bedeutung. Denn wenn die Vollstreckungsbehörde nach § 36 Abs. 2 StVollstrO von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Aussetzung des Restes einer oder mehrerer Strafen in Betracht kommt (§ 57 Abs. 1, 2 Nr. 1, § 57a Abs. 1 StGB, § 454b Abs. 3), hat sie ferner darüber zu wachen, dass sich die Justizvollzugsanstalt rechtzeitig vor Ablauf der Mindestverbüßungszeit ihr gegenüber oder, wenn die Vollstreckung von einer ersuchten Staatsanwaltschaft betrieben wird, dieser gegenüber zur Aussetzung des Strafrestes äußert. Die ersuchte Staatsanwaltschaft leitet die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt – gegebenenfalls mit den Akten – unverzüglich der Vollstreckungsbehörde zu (§ 36 Abs. 2 Satz 2 StVollstrO). Diese oder die ersuchte Staatsanwaltschaft holt, falls im Einzelfall erforderlich, eine Stellungnahme der Gerichtshilfe (§ 463d) ein (§ 36 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO). Die Vollstreckungsbehörde gibt dann die Akten mit einem Ver6 KG JR 1972 430; 1973 120 mit Anm. Peters; OLG Bamberg MDR 1971 943; Bringewat 5. 7 BVerfG NStZ 1993 431; BGHSt 27 302, 304; OLG Celle NJW 1972 2054; OLG Hamm NJW 1973 337; OLG Zweibrücken MDR 1974 329; OLG München MDR 1987 84; LG Bremen MDR 1975 246; OLG Rostock NStZ 2001 278. 8 Kunert MDR 1969 711; Nöldeke MDR 1972 479; Peters JR 1973 120; Fischer § 57, 10; KK/Appl 5; KMR/ Stöckel 18; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SSW/Hanft 5; Bringewat 6; Pohlmann/Jabel/Wolf § 36, 12 bis 14. 9 OLG Oldenburg StV 1987 70; Maatz StV 1987 73; NStZ 1987 114; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 7; a. A. OLG München MDR 1987 84. 10 Meyer-Goßner/Schmitt 6; KK/Appl 7; BGH StV 2017 86; OLG Celle NdsRpfl. 2017 312; OLG Jena StV 2018 362 Ls. 11 Bringewat 9; a. A. OLG Oldenburg StV 1987 70. 12 Maatz StV 1987 73; Bringewat 9; a. A. Meyer-Goßner/Schmitt 5.

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merk darüber, wann die Hälfte oder zwei Drittel der Strafe oder bei lebenslanger Freiheitsstrafe fünfzehn Jahre verbüßt sein werden, an die Strafverfolgungsbehörde weiter (§ 36 Abs. 2 Satz 4 StVollstrO). Die Vollstreckungsbehörde hat dabei darauf zu achten, dass die Akten dem Gericht so rechtzeitig vorgelegt werden können, dass bei Bewilligung der Strafaussetzung die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung der verurteilten Person durchgeführt werden können (§ 36 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO). 11 Die Justizvollzugsanstalten sind ihrerseits durch Anordnungen der Landesjustizverwaltungen angewiesen, der Vollstreckungsbehörde rechtzeitig die Stellungnahme des Anstaltsleiters zur Aussetzungsfrage selbst dann zuzuleiten, wenn der Verurteilte keinen Antrag stellt, aber in die Strafaussetzung einwilligt. Dass die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde die Vorgänge mit eigener Stellungnahme, in der sie durch einen bestimmten Antrag die Voraussetzungen für eine Aussetzung befürwortet oder ihr entgegentritt, an das Gericht weiterleitet, konnte zwar in der lediglich an die Vollstreckungsbehörden gerichteten Strafvollstreckungsordnung nicht bestimmt werden, wurde aber offenbar als selbstverständlich vorausgesetzt, denn § 36 Abs. 2 StVollstrO wurde gerade zu dem Zweck geschaffen sicherzustellen, dass das Gericht die nach § 57 Abs. 1 StGB gebotene Entscheidung über die Aussetzung eines Strafrestes rechtzeitig treffen kann.13 Zu diesem Zweck kann die Staatsanwaltschaft zusätzliche Ermittlungen anstellen, z. B. Stellungnahmen des Bewährungshelfers oder der Gerichtshilfe anfordern, um auf diese Weise den sozialen Hintergrund des Verurteilten, namentlich stabilisierende Faktoren wie Wohnung, Arbeit, Angehörige usw. abzuklären.14 3. Form der gerichtlichen Entscheidung (Satz 1). Ein weiterer Zweifel betrifft das Verfahren des Gerichts, wenn ein förmlicher Antrag auf Aussetzung des Strafrestes von einem Verfahrensbeteiligten (vgl. Rn. 14) nicht gestellt ist, möglicherweise auch eine eindeutige Einwilligungserklärung des Verurteilten (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB) nicht vorliegt. Gegen eine Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen förmlich durch Beschluss über die Aussetzungsvoraussetzungen zu entscheiden, war für den Fall fehlender Einwilligung u. a. geltend gemacht worden,15 dann müsse zuvor der Verurteilte nach seiner Einwilligung gefragt werden, wodurch oft vergebliche Hoffnungen erweckt würden. Eine ablehnende mit Gründen versehene Entscheidung belaste den Verurteilten, wenn er später selbst einen Antrag stelle. Im Übrigen sei ein Bedürfnis, von Amts wegen die Einwilligungsfrage zu klären, zu verneinen, weil ein Verurteilter, der den Wunsch und auch die geringste Hoffnung auf Aussetzung des Strafrestes habe, in aller Regel selbst einen Antrag stellen oder seine Stellung veranlassen werde. 13 Ein Weg, solchen Bedenken Rechnung zu tragen, wird z. T. darin gesehen, dass bei Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes ein förmlicher, mündliche Anhörung des Verurteilten voraussetzender, begründungs- und zustellungsbedürftiger Beschluss nur erforderlich sei, wenn ein auf Aussetzung gerichteter Antrag eines Antragsberechtigten vorliege, während es bei Fehlen eines solchen Antrags genüge, dass das Gericht seine Entscheidung formlos in einem Aktenvermerk niederlegt.16 Da indessen § 454 bei allen Entscheidungen zu der Frage, ob die Vollstreckung ausgesetzt werden soll, die Beschlussform vorschreibt und keinen Unterschied macht, ob sie auf Aussetzung oder Ablehnung lauten, und ob ein Aussetzungsantrag vorliegt oder von Amts wegen entschie12

13 14 15 16

Pohlmann/Jabel/Wolf § 36, 12. Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 8. OLG Bamberg und LG Hof MDR 1971 943. OLG Düsseldorf NStZ 1994 454; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001 311; Arnoldi NStZ 2001 503; a. A. KG JR 1973 120 mit Anm. Peters; OLG Celle MDR 1973 695; OLG Hamm NJW 1973 337.

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den wird, lässt sich eine Umgehung der Beschlussform durch einen Aktenvermerk nicht rechtfertigen.17 Vielmehr bedarf es der Entscheidung des Gerichts durch Beschluss, der nach § 34 zu begründen und dem Verurteilten im Hinblick auf § 454 Abs. 3 mit Rechtsmittelbelehrung (§ 35a Satz 1) bekannt zu machen ist (§ 35 Abs. 2 Satz 1). Bei fehlendem oder bei – als Ergebnis der Anhörung – zurückgenommenem Antrag kann der Beschlusstenor dahingehend lauten, dass „die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung abgelehnt wird“. 4. Anträge Nichtverfahrensbeteiligter. Der Antrag eines Nichtverfahrensbetei- 14 ligten – dazu gehören auch der Privat- und Nebenkläger18 – hat nur die Bedeutung einer Anregung, von Amts wegen zu entscheiden. Das in § 453, 53 Gesagte gilt auch hier. 5. Zeitpunkt der Entscheidung. Die Entscheidung kann schon ergehen, bevor der 15 Verurteilte zwei Drittel (§ 57 Abs. 1 StGB), die Hälfte (§ 57 Abs. 2 StGB) oder fünfzehn Jahre (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) der Strafe verbüßt hat.19 Es ist auch nicht erforderlich, dass sich der Verurteilte im Zeitpunkt der Entscheidung im Strafvollzug befindet. Eine Entscheidung kann vielmehr auch ergehen, wenn er auf freiem Fuß ist.20 Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots kommt im Verfahren über die Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung nur dann in Betracht, wenn das Freiheitsrecht des Verurteilten nach den Umständen des Einzelfalls gerade durch eine sachwidrige Verzögerung der Entscheidung unangemessen weiter beschränkt wird. Ob die Verfahrensdauer noch angemessen ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.21 6. Einwilligung des Verurteilten. Die nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 57a Abs. 1 16 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderliche Einwilligung des Verurteilten zu einer Anordnung der Aussetzung des Strafrestes muss noch im Zeitpunkt der Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses vorliegen. Die Einwilligung muss eindeutig sein.22 Sie ist nicht formgebunden, bedarf daher nicht der Schriftform und kann auch mündlich, und zwar telefonisch gegenüber dem zuständigen Gericht erklärt und auch zurückgenommen werden.23 Führt die vorbereitende Befragung des Verurteilten durch Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt zur Frage der Einwilligung in eine Reststrafenaussetzung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB zu keinem eindeutigen Ergebnis und erschöpft sich das Erklärungsverhalten des Verurteilten in einer bloßen Weigerung, sich gegenüber den fragenden Personen abschließend zur Frage der Einwilligung zu erklären, so muss im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (Absatz 1 Satz 3) die gerichtliche Anhörung durchgeführt werden.24 Der Verurteilte kann eine zunächst verweigerte Einwilligung mithin noch mit einer sofortigen Beschwerde nachholen.25 Er kann aber auch eine zunächst erklärte Einwilligung bis zur

17 KG JR 1973 120; 1994 372; OLG Hamm NJW 1973 337; OLG Zweibrücken MDR 1974 329; LG Bremen MDR 1975 241; Peters JR 1973 121; W. Schmidt NJW 1975 1487; Laubenthal JZ 1988 955; Meyer-Goßner/ Schmitt 39; Bringewat 12; LK/Hubrach § 57, 22. 18 Oske MDR 1964 726; KK/Appl 4; KMR/Stöckel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SSW/Hanft 4; Bringewat 5. 19 OLG Braunschweig NdsRpfl. 1954 110. 20 OLG Düsseldorf NJW 1954 485; OLG Hamm JMBlNRW 1954 180; OLG München NJW 1956 2110. 21 BVerfG NStZ 2002 53. 22 OLG Celle NdsRpfl. 2017 312. 23 OLG Celle Beschl. vom 25.8.2016 – 1 Ws 373-375/16 mit Anm. Schulz-Merkel jurisPR-StrafR 4/2017 Anm. 5. 24 OLG Jena Beschl. vom 25.8.2016 – 1 Ws 358/16. 25 OLG Karlsruhe MDR 1977 333; Justiz 1980 91; KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 11.

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Rechtskraft des Beschlusses widerrufen.26 Nach Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses ist ein Widerruf unbeachtlich.27

V. Anhörung von Verfahrensbeteiligten (Absatz 1 Satz 2) 17

1. Staatsanwaltschaft. Die Pflicht des Gerichts, die Staatsanwaltschaft zu hören, folgt bereits aus § 33 Abs. 2.28 Äußerung und Antragstellung obliegen ihr nicht als Vollstreckungs-, sondern als Strafverfolgungsbehörde, zumal da es sich bei der Entscheidung um eine Ergänzung des erkennenden Verfahrens handelt. Aus diesem Grund kann der Staatsanwalt diese Aufgabe auch nicht auf den Rechtspfleger übertragen.29 Da die Staatsanwaltschaft eine bestimmte Entscheidung beantragen soll, wird sie ihren Antrag regelmäßig erst dann stellen, nachdem die sonstigen Beteiligten zuvor gehört worden sind.30 Sie kann auch eigene Ermittlungen anstellen, um ihren Antrag auf eine bessere Tatsachengrundlage stellen zu können.31

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2. Justizvollzugsanstalt. Außer der am Verfahren beteiligten Staatsanwaltschaft (§ 451 Abs. 3) ist auch die Justizvollzugsanstalt stets zu hören. Da das Gesetz – vom Fall eines unzulässigen Antrags (Absatz 1 Satz 4 Nr. 3) abgesehen – keine Ausnahmen vorsieht, ist die Anhörung auch dann erforderlich, wenn es nach den Umständen der Tat und der Persönlichkeit des Täters äußerst unwahrscheinlich ist, dass auch eine sehr günstige Stellungnahme der Vollzugsanstalt noch Einfluss auf die zu treffende Entscheidung haben könnte.32 Die Justizvollzugsanstalt gibt grundsätzlich ihre Stellungnahme durch ihren Leiter und bei dessen Verhinderung durch dessen Vertreter ab.33 Bei größeren Justizvollzugsanstalten kann der Anstaltsleiter auch eine Delegation auf den jeweiligen Vollzugsabteilungsleiter vornehmen, denn dieser dürfte in aller Regel am besten Auskunft über das Vollzugsverhalten des Verurteilten geben können. Örtlich zuständig ist die Justizvollzugsanstalt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist oder, wenn der Verurteilte infolge Unterbrechung des Vollzugs sich auf freiem Fuß befindet, zuletzt einsaß.34 Hat bei Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe die Justizvollzugsanstalt gewechselt und sitzt in dem Zeitpunkt, in dem die Vollzugsanstalt zu hören ist, der Verurteilte erst kurze Zeit in dieser Anstalt ein, so muss auch eine Äußerung von der Anstalt eingeholt werden, in der er den wesentlichen oder wenigstens einen längeren Teil der Strafe verbüßt hat, da nur sie aufgrund der im Vollzug gewonnenen Eindrücke in der Lage ist, eine fundierte Stellungnahme über sein Verhalten im Vollzug und über die Prognose i. S. des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 StGB abzugeben.35 Beruht der Strafrest nur auf angerechneter Frei26 OLG Celle NJW 1956 1608; OLG Koblenz MDR 1981 425; Meyer-Goßner/Schmitt 6; KK/Appl 8; Fischer § 57, 19a. 27 A. A. AG Schwäbisch-Hall Rpfleger 1972 313 mit abl. Anm. Pohlmann. 28 KK/Appl 12; KMR/Stöckel 38; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 17. 29 KK/Appl 12; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 17. 30 Bringewat 19. 31 KK/Appl 12; Bringewat 18. 32 OLG Hamm MDR 1974 1038; enger NJW 1980 2090; KK/Appl 11; KMR/Stöckel 39 ff.; Meyer-Goßner/ Schmitt 11, Bringewat 23. 33 Nach Meyer-Goßner/Schmitt 12 soll es genügen, die Stellungnahme durch einen dafür besonders beauftragten Beamten abgeben zu lassen. 34 OLG Hamm 1978 592; KK/Appl 11; KMR/Stöckel 41; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 22. 35 OLG Hamburg MDR 1957 311; KK/Appl 11; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 22.

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heitsentziehung (§ 57 Abs. 4 StGB), ist die Justizvollzugsanstalt, in welcher der Verurteilte eingesessen hatte, gleichwohl zu hören,36 es sei denn, dass sich der Verurteilte schon längere Zeit auf freiem Fuß befindet.37 Die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt ist kein Verwaltungsakt und kann daher nicht nach § 23 EGGVG angefochten werden.38 3. Verteidiger. Der Grundsatz des Absatzes 1 Satz 2 gilt nach § 33 Abs. 3 (vgl. dazu 19 § 33, 39) auch für den Verteidiger, d. h. auch ihm ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Da es sich – anders als im Fall des § 168c – bei der Anhörung nicht um eine Vernehmung oder mündliche Verhandlung oder eine sonstige richterliche Untersuchungshandlung handelt, hatten Rechtsprechung und Literatur überwiegend den Standpunkt vertreten, dass dem Verteidiger kein Anwesenheitsrecht zustehe und er deshalb auch von dem Anhörungstermin nicht benachrichtigt zu werden brauche,39 was allerdings nicht ausschließe, die Anwesenheit des Verteidigers aus fürsorglichen Gründen zu gestatten.40 Grundsätzlich sei es jedoch hinreichend, aber auch notwendig, dass dem Verteidiger Gelegenheit gegeben werde, für den Verurteilten schriftlich Stellung zu nehmen.41 Nachdem das Bundesverfassungsgericht wegen des Grundrechts auf ein faires Verfahren Bedenken gegen diese Verfahrensweise erhoben hatte,42 schränkte das OLG Düsseldorf seinen bisherigen Standpunkt dahin ein, dass die Anwesenheit eines Verteidigers jedenfalls dann geboten sei, wenn dieser von sich aus zum mündlichen Anhörungstermin des Beschuldigten erschienen sei, zumal wenn es sich dabei um einen Pflichtverteidiger handle.43 Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht durch eine weitere Entscheidung44 klargestellt, dass der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens dem Verurteilten (ohne Einschränkung) das Recht gibt, zu seiner mündlichen Anhörung im Verfahren zur Aussetzung eines Strafrestes einen Rechtsbeistand seines Vertrauens hinzuzuziehen.45 Eine Verpflichtung des Gerichts, diesen alsdann auch von dem Anhörungstermin zu benachrichtigen, verneint es jedoch mit dem Hinweis, dass das nicht Aufgabe des Gerichts sei.46 Nur bei einer kurzfristig anberaumten Anhörung soll das Gericht gehalten sein, den Verteidiger des Verurteilten

36 OLG Düsseldorf MDR 1975 863; 1977 424; JMBlNRW 1978 107; KMR/Stöckel 41; Meyer-Goßner/Schmitt 11; a. A. OLG Köln JMBlNRW 1960 107; OLG Karlsruhe MDR 1978 1046; KK/Appl 11; Fischer § 57, 15. 37 OLG Düsseldorf GA 1977 151; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 38 OLG Karlsruhe NJW 1965 1454; Meyer-Goßner/Schmitt 14. 39 OLG Karlsruhe MDR 1976 512; OLG Düsseldorf NJW 1976 158; GA 1983 566; 1989 570; StV 1989 355 mit Anm. Frank; OLG Schleswig SchlHA 1985 137; Treptow NJW 1975 1105; 1976 222; Rieß JR 1976 118; LR/ Wendisch24 16; KK/Appl 19; KMR/Stöckel 48; Meyer-Goßner/Schmitt 36; Bringewat 25, 31; a. A. W. Schmidt NJW 1975 1486; Maetzel AnwBl. 1975 421; Homann StV 1990 413. 40 OLG Düsseldorf NStZ 1989 291; StV 1989 mit Anm. Frank; LR/Wendisch24 16; KK/Appl 19; MeyerGoßner/Schmitt 36; Bringewat 32, 33. 41 OLG Karlsruhe MDR 1976 512; OLG Düsseldorf NJW 1976 158; GA 1983 566; Treptow NJW 1975 1105; NJW 1976 222; LR/Wendisch24 16. 42 BVerfGE 70 297. 43 OLG Düsseldorf StV 1989 355. 44 NStZ 1993 355 mit Anm. Homann NStZ 1993 555; NStZ 1994 552; OLG Zweibrücken StV 1993 315; Bringewat MDR 1996 17. 45 OLG Saarbrücken NStZ 2011 478. 46 So auch OLG Saarbrücken NStZ 2011 478; OLG Nürnberg Beschl. vom 2.12.2015 – 1 Ws 546/15; zu Recht kritisch Homann NStZ 1993 556; ähnlich Bringewat MDR 1996 18, der (S. 19 a. E.) einen Widerspruch gleichwohl verneint.

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zu benachrichtigen, weil ansonsten der Anspruch auf eine faire Verfahrensgestaltung nicht durchsetzbar ist.47 Dem kann so nicht zugestimmt werden. 20 Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es, nicht nur in Fällen der notwendigen Verteidigung im Vollstreckungsverfahren, sondern auch regelmäßig dann, wenn der Verurteilte einen Wahlverteidiger mit seiner Verteidigung beauftragt und bevollmächtigt hat, diesen zum Anhörungstermin zu laden.48 Über einen Antrag des Verurteilten oder seines Verteidigers auf Verlegung eines anberaumten Anhörungstermins hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminplanung, der Gesamtbelastung des Gerichts, des Beschleunigungsgebots, aber auch und gerade mit Rücksicht auf das Interesse und den Anspruch des Verurteilten auf eine effektive Verteidigung durch den bestellten Verteidiger oder durch den gewählten Verteidiger seines Vertrauens zu entscheiden.49 Ist ein Verlegungsantrag rechtzeitig gestellt und ist dem Verurteilten die Durchführung der mündlichen Anhörung wegen der Bedeutung der Sache oder aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten nicht zumutbar und liegen wichtige entgegenstehende Interessen an einer sofortigen Anhörung nicht vor, so darf das Gericht einen Verlegungsantrag des Verteidigers nicht ablehnen.50 Insbesondere reicht es nicht aus, dem Verteidiger das Protokoll der Anhörung mit Gelegenheit zur Stellungnahme zu übermitteln. Eine derartige Verfahrensweise ist nicht geeignet, den Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens zu heilen,51 sondern trägt vielmehr noch zur Verzögerung der Entscheidung bei.

VI. Mündliche Anhörung des Verurteilten (Absatz 1 Satz 3) 21

1. Zweck der Vorschrift. Nach § 454 Abs. 1 in der bis zum 31.12.1974 geltenden Fassung war eine Anhörung des Verurteilten nicht vorgeschrieben. Aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde damals lediglich gefolgert, dass aufgrund einer ungünstigen Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt die Aussetzung des Strafrestes nicht abgelehnt werden dürfe, ohne dass zuvor dem Verurteilten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben war.52 Durch die jetzt grundsätzlich zwingend vorgeschriebene mündliche Anhörung53 als einer besonders hervorgehobenen Form des rechtlichen Gehörs soll nach der Begründung des RegE54 erreicht werden, dass die Strafvollstreckungskammer den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten in der Anstalt aufnimmt, worin auch eine der wesentlichen kriminalpolitischen Zielsetzungen der Einrichtung der Strafvollstreckungskammer liegt.55 Daraus folgt, dass dem Erfordernis der mündlichen Anhörung nicht schon dadurch genügt ist, dass der Verurteilte von der Justizvollzugsanstalt mündlich gehört wird und diese die Niederschrift über die mündliche Anhörung an das Gericht weiterleitet, es bedarf vielmehr einer richterlichen Anhörung.56 47 48 49 50 51 52 53 54 55

BVerfG NJW 1993 355. Wie hier SK/Paeffgen 28. OLG Frankfurt NJW 2004 1680; OLG Oldenburg NStZ-RR 2007 156; KK/Appl 19. OLG Frankfurt NJW 2004 1680. OLG Oldenburg NStZ-RR 2007 156; OLG Köln StV 2006 430. BVerfGE 19 198. Wegen der Ausnahmen siehe Rn. 41 ff. BTDrucks. 7 550 S. 309. BGHSt 28 138, 141 = JR 1979 389 mit Anm. Peters; OLG Schleswig NJW 1975 1131; OLG Hamm MDR 1980 870; OLG Düsseldorf StV 1983 511; OLG Celle StV 1988 259; Rieß JR 1976 118; Wegener MDR 1981 620; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 27. 56 OLG Düsseldorf MDR 1975 597; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Bringewat 27.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Zur Anhörung gehört es an sich auch, dass der Verurteilte Beweisanträge (z. B. zur 22 Entkräftung einer ihm ungünstigen Stellungnahme der Vollzugsanstalt) stellen kann (entsprechende Anwendung des § 163a Abs. 2).57 Der Verurteilte hat aber kein förmliches Beweisantragsrecht i. S. des nur für die Hauptverhandlung geltenden § 244 Abs. 3 bis 6,58 denn die Entscheidung ergeht im Beschlussverfahren ohne mündliche Verhandlung, in dem Beweise grundsätzlich nach den Regeln des Freibeweises erhoben werden, mit der einzigen Einschränkung, dass dem Verurteilten nicht nur Gelegenheit zur Stellungnahme in irgendeiner Form zu geben ist, sondern dass die Gewährung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich in der Form der mündlichen Anhörung erfolgen muss, ohne dass dadurch im Übrigen das Wesen des Beschlussverfahrens ohne mündliche Verhandlung beeinträchtigt würde. 2. Form (Satz 3) a) Allgemeines. Da die Strafvollstreckungskammer nach § 78b Abs. 1 GVG bei ihrer 23 Entscheidung entweder in der Besetzung mit nur einem Richter (kleine Kammer) oder mit drei Richtern (große Kammer) entscheidet, stellt sich die Frage, ob sie im zuletzt genannten Fall, d. h. wenn sie die endgültige Entscheidung als Große Strafvollstreckungskammer trifft, auch die mündliche Anhörung des Verurteilten in dieser Besetzung vornehmen muss oder ob es auch zulässig ist, sie durch einen beauftragten Richter (Mitglied der Kammer) durchführen zu lassen59 und ob die Anhörung des Verurteilten durch den beauftragten oder ersuchten Richter im Verfahren nach Absatz 1 Satz 3 nur zulässig ist, wenn dieser Richter im Einzelfall durch Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in der Besetzung gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG bestimmt wird.60 Weiter geht es darum, ob unter bestimmten Voraussetzungen sowohl bei der mit drei Richtern wie bei der mit einem Richter besetzten Strafvollstreckungskammer die Anhörung durch einen ersuchten Richter (§ 156 GVG) ausreicht. b) Anhörung durch die vollbesetzte Kammer? Nach der strengsten Auffassung 24 muss, soweit die Große Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung berufen ist, diese den Verurteilten in voller Besetzung61 anhören mit der Folge, dass die Anhörung wiederholt werden muss, wenn ein ausgeschlossener Richter mitgewirkt hat62 oder die spätere Entscheidung nur von den an der Anhörung beteiligten Richtern getroffen werden kann. Diese strenge Auffassung geht davon aus, dass das Beschlussverfahren nach § 454 Abs. 1 Satz 3, soweit es um die Anhörung gehe, gewissermaßen der Hauptverhandlung angeglichen worden sei. In gleicher Weise wie dort dem Angeklagten solle auch hier dem Verurteilten die Möglichkeit gegeben werden, seine Persönlichkeit darzulegen. Die Anhörung durch die vollbesetzte Kammer entspreche mithin am ehesten dem Zweck

57 58 59 60 61

Anders Bringewat 37: Folge der „Erörterungsfunktion“ der mündlichen Anhörung. KK/Appl 18; Meyer-Goßner/Schmitt 34; Bringewat 37; a. A. Sonnen JuS 1976 367. Vgl. dazu ausführlich Wegener MDR 1981 617. OLG München StV 2014 159 Ls.; OLG Jena OLGSt GVG § 78b Nr 6; Beschl. vom 8.12.2015 – 1 Ws 449/15. So z. B. OLG Schleswig NJW 1975 1131; OLG Stuttgart NJW 1975 2355; 1976 2274; Justiz 1975 397; OLG Köln NJW 1975 1527; OLG Celle NJW 1975 2254; OLG Nürnberg MDR 1975 684; OLG Hamm JMBlNRW 1975 191; 1975 225; GA 1977 221; NJW 1978 284; OLG Koblenz JR 1976 117 mit zust. Anm. Rieß; NJW 1977 1071; MDR 1980 956; GA 1981 91; OLG Frankfurt StV 2009 303 (Anhörung durch die gesamte Kammer bei wahrscheinlicher Fehleinweisung nach § 63 StGB); Franke JZ 1977 126 f. (Abschn. III), vgl. aber auch 127 (Abschnitt IV); grundsätzlich auch Wegener MDR 1981 618 r. Sp. 62 OLG Köln NJW 1975 1527.

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der Bestimmung, dass sich alle Mitglieder des Gerichts jeweils einen eigenen persönlichen Eindruck von dem Anzuhörenden verschaffen könnten.63 Aus diesem Grunde müssten auch Unzuträglichkeiten wie etwa Zeitverlust durch eine längere Reise einer weiterhin zuständigen Strafvollstreckungskammer in eine entfernt gelegene Justizvollzugsanstalt oder wenig aussichtsreiche Anhörungen eines Untergebrachten hingenommen werden.64 c) Anhörung durch den beauftragten Richter? Nach anderer Auffassung65 genügt die mündliche Anhörung durch einen beauftragten Richter, ein vom Vorsitzenden zum Berichterstatter bestelltes Mitglied der Kammer, das das Ergebnis der Anhörung in das Beschlussverfahren einbringt. Allerdings soll nach OLG München66 diese Form der Anhörung nur genügen, wenn der anhörende Richter auch an der späteren Beratung teilnimmt.67 Ferner muss er an der Entscheidung dann auch mitwirken.68 Gegen die Vergleichbarkeit der mündlichen Anhörung mit der mündlichen Verneh26 mung des Angeklagten vor dem erkennenden Gericht (§ 243 Abs. 5 Satz 2) wird geltend gemacht, dass die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes gerade nicht in einem der Hauptverhandlung angeglichenen Verfahren, sondern nach § 454 Abs. 1 Satz 1 im grundsätzlich schriftlichen Beschlussverfahren getroffen werde. Dieses solle dem Verurteilten die Möglichkeit verschaffen, sich unbefangen dem Gericht gegenüber zu äußern und auf entscheidungserhebliche Fragen zu antworten. Dazu genüge aber die mündliche Anhörung durch eines der mitentscheidenden Mitglieder der Kammer.69 25

d) Anhörung durch den ersuchten Richter? Schließlich wird in den Fällen, in denen die Große oder Kleine Strafvollstreckungskammer kraft Befassung mit der Sache auch zuständig bleibt, wenn der Verurteilte nach Eingang der Sache und vor seiner Anhörung in eine weit entfernte Justizvollzugsanstalt in einem anderen Landgerichtsbezirk verlegt worden ist (Rn. 24), auch die mündliche Anhörung durch den ersuchten Richter (§ 156 GVG) am Ort der neuen Vollzugsanstalt als ausreichend angesehen. 28 Begründet wird die Zulässigkeit der mündlichen Anhörung im Wege der Rechtshilfe namentlich damit, dass diese Form – wenn auch in Ausnahmefällen – aus zwingenden praktischen Gründen geboten sein muss.70 Verlegungen des Gefangenen in 27

63 OLG Celle NJW 1975 2254. 64 OLG Nürnberg MDR 1975 684; OLG Celle NJW 1975 2255. Wegen weiterer Einzelheiten zu dieser Auffassung siehe LR/Wendisch24 § 454, 21 bis 23, aber auch Bringewat 38. 65 OLG Schleswig SchlHA 1975 115; OLG Düsseldorf NJW 1976 158; 1976 256; OLG Karlsruhe MDR 1976 513; Justiz 1976 37: – anders bei Anhörung wegen Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe: Justiz 1983 161; OLG München NJW 1976 254; OLG Koblenz MDR 1977 160; offen gelassen JR 1976 117: Entscheidung betraf einen ersuchten Richter; Peters JR 1977 397, 399; 1979 391; GA 1977 97, 104 f.; Wegener MDR 1981 627; Meyer-Goßner/Schmitt 22; ohne eigene Stellungnahme KK/Appl 15 f. 66 NJW 1976 254. 67 Ebenso Bringewat 43. 68 OLG Hamburg NStZ 2003 389; OLG Nürnberg NStZ-RR 2004 318; OLG Rostock NStZ 2002 109; OLG Schleswig SchlHA 2003 205. 69 OLG München NJW 1976 254. Wegen weiterer Einzelheiten zu dieser Auffassung siehe LR/Wendisch24 § 454, 25 und Bringewat 38, 41: nur, wenn ganz bestimmte Ausnahmekriterien vorliegen, und bei Entscheidungen nach § 57a StGB. 70 BGHSt 28 142; OLG Düsseldorf NJW 1976 256; NStZ 1981 454; 1985 94; OLG Schleswig MDR 1979 518; OLG Hamm NJW 1980 2090; OLG Stuttgart MDR 1987 324; Herzog NJW 1976 1077; Meyer-Goßner/Schmitt 23; Bedenken dagegen OLG München NJW 1976 254; OLG Karlsruhe MDR 1976 513; OLG Koblenz JR 1976 117 mit zust. Anm. Rieß; OLG Hamm MDR 1977 952; NJW 1978 284; Peters GA 1977 105; Bringewat 42.

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eine andere weit entfernte Justizvollzugsanstalt, die nach Befassung der Strafvollstreckungskammer mit der Sache deren fortdauernde Zuständigkeit unberührt lasse, machten es „in der Praxis fast undurchführbar“, den Verurteilten zwecks Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer zurückverlegen zu lassen. Das verbiete sich schon wegen des erheblichen Zeitaufwands und der damit verbundenen Verzögerung der Entscheidung, der selbst bei Einzel-, erst recht aber bei Sammelverlegung entstehe.71 Zwar entfalle bei einer Anhörung durch den ersuchten Richter die Möglichkeit einer unmittelbaren Kontaktaufnahme durch die entscheidende Strafvollstreckungskammer und damit die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks von dem Verurteilten. Jedoch träten bei einer notwendigen Abwägung diese Nachteile gegenüber denen zurück, die sich für den Verurteilten selbst, aber auch für das Gericht ergäben, wenn die Inanspruchnahme eines ersuchten Richters nicht möglich wäre.72 3. Weitere Ansichten a) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der BGH fordert eine an bestimmten 29 Kriterien orientierte Einzelfallentscheidung. Je nach Sach- und Verfahrenslage kann danach die mündliche Anhörung des Verurteilten vor der Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes auch vor dem beauftragten oder ersuchten Richter stattfinden.73 Zwar lasse sich die mit der zwingend vorgeschriebenen mündlichen Anhörung des Verurteilten verfolgte kriminalpolitische Zielsetzung am besten verwirklichen, wenn der vollbesetzte Spruchkörper den Verurteilten selbst anhöre. Jedoch gebe es Sachverhalte, bei denen es auch unter Berücksichtigung des kriminalpolitischen Anliegens des Gesetzes ausreiche, wenn ein beauftragter Richter den Verurteilten anhöre, weil dem persönlichen Eindruck des Gerichts nach Lage des Falls nur geringe Bedeutung zukomme.74 Darüber hinaus gebe es sogar Fälle, in denen die Anhörung sogar durch den ersuchten Richter namentlich im Hinblick auf die Entfernung zwischen dem Sitz der Strafvollstreckungskammer und der Vollzugsanstalt allein angemessen erscheint. Maßgebend sei stets der Einzelfall. Entscheidend sollen danach vor allem die Entfernung und die Verkehrsverbindung zwischen Gericht und Vollzugsanstalt, die Bedeutung der Sache und die Schwierigkeit der Entscheidung sein.75 b) Schrifttum. Wegener,76 an sich ein Anhänger der strengen Auffassung, nach der 30 die Anhörung stets durch den entscheidenden Spruchkörper zu erfolgen hat, räumt ein, dass die praktischen Konsequenzen dieser Meinung kaum tragbar sind.77 Er schlägt als 71 Näher dazu Doller DRiZ 1976 169; 1987 269. 72 Wegen weiterer Einzelheiten zu dieser Auffassung s. LR/Wendisch24 § 454, 27 bis 29. 73 So der Leitsatz BGHSt 28 138 = JR 1979 389 mit krit. Anm. Peters; ebenso OLG Stuttgart MDR 1987 342.

74 BGHSt 38 138, 141. Als Beispiele dafür führt der Senat an, dass die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten schon einmal in voller Besetzung gehört habe und er alsbald danach mangels Bestimmung einer Sperrfrist einen neuen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes gestellt habe; dass es um die Anhörung eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten gehe, mit dem eine Verständigung nicht möglich sei, oder dass es sich um Fälle aus dem Bereich des § 57 Abs. 2 StGB handele, bei denen nach dem Urteil keine besonderen Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters vorlägen. 75 So auch OLG Koblenz GA 1981 93 und – unter Aufgabe seiner früheren Ansicht (NJW 1975 1131) – nunmehr auch der 1. Strafsenat des OLG Schleswig MDR 1979 518 und – auch für den Fall des § 453 Abs. 1 Satz 3 OLG Stuttgart MDR 1987 342. 76 MDR 1981 617 ff. 77 Wegener MDR 1981 619.

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Ausweg vor, in den Fällen, in denen die Anhörung vor dem beauftragten oder ersuchten Richter erwogen werde, dazu die vorherige schriftliche Zustimmung des Verurteilten einzuholen.78 Er hält diesen Lösungsweg für vereinbar mit ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen, hier des fairen Verfahrens und des Resozialisierungsanspruchs des Strafgefangenen,79 zumal da die Entscheidung, wie das Recht der mündlichen Anhörung verwirklicht werden solle, stets der Inhaber dieser Rechte treffe. Bestehe dieser auf seinem Recht auf Anhörung durch die vollbesetzte Kammer, müsse letztere entweder zur Justizvollzugsanstalt fahren oder müsse der Verurteilte zum Gericht gebracht werden; verzichte er darauf, könne er durch den beauftragten oder auch ersuchten Richter – je nachdem welcher Anhörungsart er zustimme – angehört werden.80 4. Würdigung a) Anhörung durch den beauftragten oder ersuchten Richter. Die Anhörung des Verurteilten durch den beauftragten Richter oder ersuchten Richter begegnet keinen rechtlichen Bedenken.81 Sie ist nur dann zulässig, wenn dieser im Einzelfall durch Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in der Besetzung gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG damit beauftragt oder ersucht wurde.82 Die Beauftragung kann nicht allgemein durch eine kammerinterne Geschäftsverteilung für das jeweilige Geschäftsjahr erfolgen.83 Eines förmlichen Beschlusses für die Beauftragung oder das Ersuchen bedarf es nicht. Die Beauftragung kann auch durch die Strafvollstreckungskammer mündlich angeordnet werden. In einem solchen Fall ist aber eine ausreichende Dokumentation in den Akten erforderlich.84 Zwar soll nach der Begründung des RegE85 mit dem Erfordernis der mündlichen Anhörung erreicht werden, dass die Strafvollstreckungskammer den unmittelbaren Kontakt mit dem Verurteilten aufnimmt. Das bedeutet aber nicht, dass diese Kontaktaufnahme durch eine Anhörung in Gegenwart aller drei Mitglieder erfolgen muss. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so müsste folgerichtig z. B., wenn die vollbesetzte Kammer die Anhörung in der Justizvollzugsanstalt durchgeführt hat, Beratung und Entscheidung aber erst am nächsten Tag im Gerichtsgebäude erfolgen soll und an diesem Tage ein Mitglied durch Erkrankung oder Unfall auf längere Zeit ausfällt, die Entscheidung entweder bis zum Wiedereintritt dieses Mitglieds ausgesetzt werden, was sich im Interesse des Verurteilten und mit Blick auf das Beschleunigungsgebot verbietet oder es müsste die Anhörung alsbald nochmals in Gegenwart des Vertreters durchgeführt werden, obwohl sich nach aller Wahrscheinlichkeit an der zu treffenden Entscheidung nichts ändert und ein u. U. beträchtlicher Kosten- und Zeitaufwand nutzlos vertan ist. Aus diesen Erwägungen folgt aber auch, dass damit der Grundsatz, die Anhörung durch die vollbesetzte Kammer durchführen zu lassen, auf keinen Fall aus rein arbeitsökonomischen oder gar Bequemlichkeitsgründen beiseitegedrängt werden darf. 32 Weitere Argumente für diese Auffassung ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte der §§ 454, 462a. Denn diese zeigt, dass der Rückgriff auf einen Willen des 31

78 79 80 81 82 83 84 85

Wegener MDR 1981 619. Wegener MDR 1981 620. Wegener MDR 1981 621. OLG Jena OLGSt GVG § 78b Nr 6. OLG München StV 2014 159; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2015 20. OLG München StraFo 2011 371. OLG München NStZ 2011 716; OLG Jena Beschl. vom 8.12.2015 – 1 Ws 449/15. Vgl. BTDrucks. 7 550 S. 309 sowie BGHSt 28 141; OLG Schleswig NJW 1975 1131; OLG Nürnberg MDR 1975 684 und Rieß JR 1976 118.

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Gesetzgebers wonach stets die Anhörung durch den vollbesetzten Spruchkörper geboten sei, nicht zutreffend ist.86 Nach § 462a Abs. 5 ist für die nach § 454 zu treffenden Entscheidungen an Stelle der Strafvollstreckungskammer das Oberlandesgericht zuständig, wenn das Urteil von ihm im ersten Rechtszug erlassen ist. Es hat dann auch den Verurteilten nach § 454 Abs. 1 Satz 3 mündlich zu hören, wenn es nicht vorzieht, nach § 462a Abs. 5 Satz 2 die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes an die Strafvollstreckungskammer abzugeben. In dem in der 6. Wahlperiode eingebrachten RegE des EGStGB waren in § 462a Abs. 5 weitere Fälle (u. a., wenn lediglich eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird) vorgesehen, in denen anstelle der Strafvollstreckungskammer das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig sein sollte. Bei ihnen sollte wegen der mitunter großen Entfernung zwischen dem Sitz des Gerichts des ersten Rechtszugs und der Justizvollzugsanstalt von der mündlichen Anhörung abgesehen werden können. Das Oberlandesgericht als Gericht des ersten Rechtszugs aber sollte nicht von der mündlichen Anhörung absehen können, weil sich hier die zwingende mündliche Anhörung des Verurteilten durch ein Mitglied des Strafsenats oder sogar den ganzen Senat empfehle.87 Diese weitergehenden Vorschläge einer Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts anstelle der Strafvollstreckungskammer sind zwar in dem erneut eingebrachten RegE nicht aufrechterhalten worden. Demgemäß enthält die Begründung dieses Entwurfs88 keine die mündliche Anhörung bei erstinstanzlicher Verurteilung durch das Oberlandesgericht betreffenden Ausführungen mehr. Gleichwohl kann aus dieser Entstehungsgeschichte als Absicht des Gesetzgebers aber gefolgert werden, dass, wenn das Oberlandesgericht als Gericht des ersten Rechtszugs anstelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet, die mündliche Anhörung des Verurteilten auch durch ein beauftragtes Mitglied des Strafsenats erfolgen kann. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum für die mündliche Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer andere Grundsätze gelten sollten als bei Anhörung durch das Oberlandesgericht als Gericht des ersten Rechtszugs in Wahrnehmung der Aufgaben der Strafvollstreckungskammer. b) Notwendigkeit der Mitwirkung des mit der Anhörung beauftragten Richters 33 bei der Entscheidung. Die Auffassung des Oberlandesgerichts München,89 dass im Fall einer Anhörung durch den beauftragten Richter eine dem Gesetz entsprechende mündliche Anhörung nur vorliege, wenn dieser Richter auch an der Beratung und Entscheidung teilnehme, ist überzeugend.90 Denn der Zweck der mündlichen Anhörung besteht gerade darin, dass der Betroffene sich unbefangen und ohne Behinderung durch die Umstände des Freiheitsentzugs dem sachkundigen beauftragten Richter als dem Repräsentanten der Strafvollstreckungskammer gegenüber äußern kann. Zwar kann eine Übermittlung des Inhalts der mündlichen Anhörung auch durch eine ausführliche Protokollierung der Angaben des Verurteilten erfolgen. In ihr lässt sich aber regelmäßig der gewonnene persönliche Eindruck des beauftragten Richters von dem Verurteilten nicht so detailgenau abbilden wie durch Ausführungen des beauftragten Richters gegenüber den übrigen Mitgliedern der Strafvollstreckungskammer in der Beratung.

86 So im Ergebnis auch BGHSt 28 140, 142; Meyer-Goßner/Schmitt 22 f.; Franke JZ 1977 125 ff.; Wegener MDR 1981 617 ff. 87 BTDrucks. 6 3250, Begründung zu Art. 19 Nr. 11 – §§ 462, 462a – S. 300. 88 BTDrucks. 7 550, Begründung zu Art. 19 – §§ 462, 462a – S. 314. 89 NJW 1976 354; ebenso OLG Hamburg NJW 1977 1071; OLG Karlsruhe MDR 1976 512; Bringewat 39. 90 So auch BVerfGE 86 288 ff. Rn. 162; BVerfG NJW 2012 516 Rn. 23; OLG Nürnberg StraFo 2008 440; OLG Bremen StV 2015 231; OLG Stuttgart NStZ-RR 2015 230; a.A. LR/Wendisch25 33.

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c) Anhörung durch den ersuchten Richter. Eine Anhörung durch den ersuchten Richter ist in engen Grenzen zulässig.91 Eine solche kann insbesondere bei einer sehr großen Entfernung des Aufenthaltsorts des Verurteilten vom Sitz der Strafvollstreckungskammer in Betracht kommen, wenn die Anhörung durch das Gericht entweder für den Anzuhörenden einen – ihm ggf. selbst aus beachtlichen Gründen unerwünschten – tage- oder gar wochenlangen Hin- und Rücktransport oder für das Gericht eine lange Dienstreise mit der Folge des Ruhens des übrigen Dienstbetriebs zur Folge hätte und dieser Aufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu der vielfach nur kurze Zeit dauernden Anhörung steht.92 35 Das Gesetz fordert mithin nicht unter allen Umständen zwingend eine mündliche Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer, sondern lässt in Ausnahmefällen Raum für eine andere Handhabung, wenn nur wenigstens eine mündliche Anhörung durch einen Richter vor der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer erfolgt.93 Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, wenn in den gedachten Ausnahmefällen der Gedanke der Entscheidungsnähe des Gerichts, der ja jedenfalls sachlich bei der Entscheidung selbst kraft der Sachkunde der Spezialkammer ungeschmälert bleibt, in seiner örtlichen Bedeutung bei der Anhörung zurücktritt gegenüber dem Bestreben, unnötige Belastungen für den Verurteilten und (oder) einen übermäßigen Zeit- und Kostenaufwand für das Gericht in einer Zeit zu vermeiden, in der Verfahrensbeschleunigung eine herausragende Bedeutung in jedem Verfahrensstadium zukommt.

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VII. Durchführung der mündlichen Anhörung des Verurteilten 36

1. Gestaltung. Mangels gesetzlicher Bestimmungen ist die Durchführung der mündlichen Anhörung im Rahmen des schriftlichen Beschlussverfahrens dem pflichtgemäßen richterlichen Ermessen überlassen.94 Dies gilt insbesondere für die Frage, an welchem Ort (in der Justizvollzugsanstalt oder im Gerichtsgebäude), aber auch in welcher Form95 die Anhörung stattfindet. Aus den Gedanken der „unmittelbaren Kontaktaufnahme“ und der „Entscheidungsnähe“ ergibt sich nicht, dass der Anhörung in der Vollzugsanstalt grundsätzlich der Vorzug gebührt.96 Nach W. Schmidt97 sollte mit Rücksicht auf die Sicherheit und die Entlastung der Polizei von vermeidbaren Vorführungsdiensten und auch im Interesse der „Vollzugsnähe“ die Anhörung in der Justizvollzugsanstalt erfolgen. Nach Treptow98 soll dagegen die Gerichtsstelle in der Regel der geeignete Anhörungsort sein. Wurde der Verurteilte mündlich nach Absatz 1 Satz 3 gehört, so genügt es, wenn er zu einer kurz nach der mündlichen Anhörung eingegangenen – weiteren – Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vor der Entscheidung hierzu schriftlich Gelegenheit zum rechtlichen Gehör erhält.99 91 92 93 94

Anders Bringewat 42: unter keinem Gesichtspunkt vertretbar und deshalb ausgeschlossen. Doller DRiZ 1976 170. Wegener MDR 1981 618. OLG Nürnberg MDR 1975 684; Doller DRiZ 1977 80; KK/Appl 17; Meyer-Goßner/Schmitt 34; Bringewat

28.

95 Z. B. früher mit Einwilligung des Verurteilten in Form der audiovisuellen Anhörung (Videokonferenz) OLG Karlsruhe NJW 2005 3013; OLG Frankfurt NStZ-RR 2006 357; Esser NStZ 2003 464; vgl. nun aber Erl. zu § 463e. 96 Treptow NJW 1975 1105; KK/Appl 17; Meyer-Goßner/Schmitt 33; Bringewat 29. 97 NJW 1975 1486. 98 NJW 1976 223. 99 OLG Hamm Beschl. vom 27.1.2014 – III – 1 Ws 600/13.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 454

Die mündliche Anhörung des Verurteilten nach Absatz 1 Satz 3 in Form einer au- 37 diovisuellen Anhörung ist unter den Voraussetzungen des § 463e zulässig (vgl. Erl. zu § 463e).100 Eine nur telefonische Anhörung (im Hinblick auf die Corona-Pandemie) genügt grundsätzlich nicht den Anforderungen an eine mündliche Anhörung nach Absatz 1 Satz 3.101 2. Anwesenheit der übrigen Verfahrensbeteiligten. Wegen der Anwesenheit der 38 übrigen Verfahrensbeteiligten vgl. Rn. 17 ff. 3. Gegenstand der Anhörung. Was im Einzelnen Gegenstand der mündlichen An- 39 hörung ist, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Gewährung des rechtlichen Gehörs102 sowie nach dem Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung. Der Verurteilte muss danach Gelegenheit erhalten, unbefangen und ausführlich darzutun, was nach seiner Auffassung eine Aussetzung nach § 57 StGB rechtfertigt und dabei auch über seine Zukunftserwartungen, seine Pläne und ihre Verwirklichungsmöglichkeiten zu sprechen.103 Die mündliche Anhörung eines Verurteilten nach Absatz 1 Satz 3 hat auch dann zu erfolgen, wenn das Gericht ihn erst wenige Monate zuvor im Verfahren nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB mündlich angehört hatte.104 Das Gericht hat nämlich im Rahmen der ihm obliegenden bestmöglichen Sachaufklärung dem Verurteilten zu dessen Entwicklung seit der letzten mündlichen Anhörung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ihn deshalb in dem neuen Verfahren nach § 57 Abs. 1 StGB erneut mündlich anzuhören. Dazu gehört auch, entsprechend dem vor dem 1.1.1975 bestehenden Rechtszustand,105 dass er jeweils Gelegenheit erhält, sich zu einer ihm ungünstigen Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt zu äußern und diese gegebenenfalls zu widerlegen oder zu entkräften.106 In diesem Bereich hat auch die frühere Rechtsprechung ihre Bedeutung behalten, dass ausnahmsweise eine Bekanntgabe der ungünstigen Stellungnahme der Vollzugsanstalt unterbleiben oder beschränkt werden kann, wenn sie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls den Strafzweck (die Erreichung der Vollzugszwecke bei Fortsetzung des Vollzugs nach Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes) vereiteln oder ernstlich gefährden würde.107 4. Dokumentation des Anhörungsergebnisses. Da die Anhörung im Stadium der 40 Strafvollstreckung keine richterliche Untersuchungshandlung, namentlich keine Vernehmung i. S. des § 168 ist, bedarf es weder der Zuziehung eines Urkundsbeamten noch der Anfertigung eines förmlichen Protokolls.108 Auch fehlt es an den Vorausset100 OLG Karlsruhe NJW 2005 3013, OLG Frankfurt NStZ-RR 2006 357; OLG Stuttgart StV 2012 613; Esser NStZ 2003 464; kritisch KK/Appl 17a; Glauch StraFo 2016 407. 101 OLG Karlsruhe Beschl. vom 5.5.2020 – 2 Ws 84/20 (ausnahmsweise); OLG Brandenburg NJ 2020 511 (telefonische Anhörung genügt nicht dem Erfordernis einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nach Absatz 1 Satz 3). 102 Vgl. dazu die Erl. bei LR/K. Schäfer24 Einl. Kap. 13 Abschnitt XI. 103 OLG Jena NJW 2006 3794; vgl. dazu Doller DRiZ 1976 170 mit Angaben über die durchschnittliche Dauer der Anhörungen. 104 OLG Bremen NStZ 2010 106; OLG Hamm Beschl. vom 6.3.2014 – III – 1 Ws 129/14. 105 Vgl. LR/Schäfer22 § 454 Anm. II 4b. 106 OLG Hamm MDR 1960 424; OLG Karlsruhe Justiz 1968 146; Beschl. vom 3.8.2017 – 2 Ws 225/17; KK/ Appl 18; Bringewat 36. 107 BVerfGE 17 139, 144; 19 198 202; OLG Hamm JMBlNRW 1962 294; OLG Nürnberg StV 2003 683; Meyer-Goßner/Schmitt 18; Bringewat 37. 108 OLG Celle StV 2020 509 Ls.; KG BeckRS 2020 40652.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

zungen für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften.109 Eine andere Frage ist, ob sich der Richter unter Verzicht auf einen Urkundsbeamten mit einem bloßen Aktenvermerk über die Aussagen des Verurteilten begnügen soll, wenn er sich dadurch späteren Behauptungen des Verurteilten aussetzt, der Aktenvermerk gebe seine Äußerungen unrichtig, entstellt oder unvollständig wieder oder ob er sich nicht besser dagegen wenigstens dadurch schützen soll, dass er einen möglichst ausführlich gehaltenen Vermerk über die Anhörung an Ort und Stelle anfertigt, vorliest und unterschreiben lässt.110 Auch wenn ein förmliches Protokoll über die mündliche Anhörung nach Absatz 1 nicht vorgeschrieben ist, so ist zumindest ein − ausführlicher − Aktenvermerk zu erstellen, aus dem sich die von dem Verurteilten vorgebrachten Gesichtspunkte entnehmen lassen111 oder eine Wiedergabe der wesentlichen Ausführungen anlässlich der mündlichen Anhörung (auch des Sachverständigen) in den Beschlussgründen erforderlich.112 Ansonsten ist auch ein Beschwerdegericht nicht in der Lage zu prüfen, ob das Gericht seiner Entscheidung zutreffende Tatsachen und Erwägungen zugrunde gelegt hat.113 De lege ferenda erscheint es erwägenswert, in Absatz 1 eine Protokollierungspflicht für das Gericht gesetzlich zu regeln.

VIII. Absehen von der mündlichen Anhörung des Verurteilten (Absatz 1 Satz 4) 41

1. Absehensgründe. § 454 Abs. 1 Satz 4 zählt in den Nummern 1 bis 3 die Gründe auf, aus denen die sonst zwingend vorgeschriebene mündliche Anhörung (nicht die Anhörung selbst in anderer Form) unterbleiben kann. Auch wenn die mündliche Anhörung des Verurteilten in jedem Fall einen für spätere Entscheidungen unter Umständen nützlichen Kontakt zwischen Richter und Verurteiltem schafft, so sollte sie jedoch nicht zwingend vorgeschrieben werden, wenn etwa die Möglichkeit naheliegt, dass sie für die Entscheidung ohne Bedeutung ist (Absatz 1 Satz 4). Das gilt in besonderem Maße für die Fälle der Nummern 2 und 3, in denen für eine Aussetzung von vornherein kein Raum ist. Auch in diesen Fällen mag es sich im Einzelfall empfehlen, dass der Richter den Verurteilten im Hinblick auf eine zukünftige Aussetzung anhört. Hieran ist er auch nicht gehindert. Auf jeden Fall sollte aber vermieden werden, dass die Anhörung dadurch, dass sie in derartigen Fällen zwingend vorgeschrieben wird, zu einer inhaltlosen Formalie herabsinkt.114 In Anlehnung an § 57 Abs. 7 StGB wird daher ein maximaler Zeitraum von sechs Monaten nach der letzten mündlichen Anhörung für ein Absehen von der mündlichen Anhörung für zulässig erachtet, wenn neue Gesichtspunkte für die Entscheidung nicht ersichtlich sind und der gewonnene persönliche Eindruck aus der früheren Anhörung fortdauert.115

109 OLG Nürnberg MDR 1975 684; OLG Düsseldorf NJW 1976 158; Treptow NJW 1975 1105; 1976 223; KK/ Appl 20; Meyer-Goßner/Schmitt 35; Bringewat 34. 110 KK/Appl 20. 111 KG StraFo 2014 306; BeckRS 2020 40652; OLG Celle StV 2020 509 Ls. (kurze zusammenfassende Darstellung ist unerlässlich). 112 KG BeckRS 2020 40652; OLG Celle StV 2020 509 Ls. 113 KG NStZ 2007 119; OLG Stuttgart StraFo 2005 17; 2005 127; OLG Hamm NStZ-RR 2004 383. 114 OLG Celle NStZ 2019 364, 365. 115 OLG Celle NStZ 2019 364, 365; OLG Stuttgart NStZ 1986 574 (bereits nach drei Monaten); OLG Zweibrücken Beschl. vom 24.8.1989 – 1 Ws 439/89 – (nach mehr als sechs Monaten).

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2. Zulässigkeit einer erweiternden Auslegung. Die enumerative Aufzählung der 42 Gründe für das Absehen von der mündlichen Anhörung könnte dahin gedeutet werden, dass in Absatz 1 Satz 4 die Umstände, unter denen die mündliche Anhörung unterbleiben darf, abschließend aufgeführt sind. Wenn indessen in der Begründung als ratio des Absatzes 1 Satz 4 angeführt wird, eine zwingende Anhörung solle entfallen, wo sie zur Formalie herabsinkt, weil die Möglichkeit nahe liegt, dass sie für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, so muss eine wenn auch vorsichtig erweiternde Auslegung oder entsprechende Anwendung des Absatzes 1 Satz 4 auf andere Fälle zulässig sein, in denen die mündliche Anhörung für die Entscheidung ohne Bedeutung ist.116 Auch in anderen als den im Gesetz genannten Fällen kann von einer mündlichen Anhörung des Verurteilten daher ausnahmsweise abgesehen werden.117 3. Einzelerörterungen a) Absatz 1 Satz 4 Nr. 1. Nach dieser Vorschrift kann bei der Entscheidung über die 43 Aussetzung einer zeitigen – nicht auch einer lebenslangen118 – Freiheitsstrafe von der mündlichen Anhörung abgesehen werden, wenn Staatsanwaltschaft und Justizvollzugsanstalt die Aussetzung befürworten und das Gericht sie beabsichtigt (und auch tatsächlich beschließt). Eine solche Übereinstimmung liegt nicht vor, wenn das Gericht einer gleich lautenden Befürwortung der Aussetzung des Strafrestes durch Staatsanwaltschaft und Vollzugsbehörde nur in Verbindung mit einer Geldbuße entsprechen will.119 Nach Krahforst120 soll es sich bei beabsichtigter Unterstellung unter Bewährungsaufsicht in der Praxis als zweckmäßig erwiesen haben, den Verurteilten, wenn möglich, unter Zuziehung des voraussichtlich beizuordnenden Bewährungshelfers, mündlich zu hören. b) Absatz 1 Satz 4 Nr. 2. Nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 2 kann die mündliche Anhörung 44 unterbleiben, wenn der Verurteilte im Zeitpunkt der beantragten Aussetzung, nicht schon der Antragstellung,121 noch nicht die Hälfte der zeitigen oder bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Stellung ablehnt. Im Einzelfall kann bei lebenslanger Freiheitsstrafe eine Entscheidung über den Zeitpunkt der Aussetzung auch schon vor Ablauf von dreizehn Jahren Verbüßungsdauer erforderlich sein. In einem Antrag auf entsprechend frühzeitige Entscheidung hat der Verurteilte dann aber konkret und nachvollziehbar darzulegen, warum andernfalls seine Chance auf eine frühestmögliche Entlassung nach Ablauf der Mindestverbüßungsdauer von fünfzehn Jahren in Gefahr geriete.122 Damit zieht das Gesetz die Folgerung aus § 57 Abs. 2 Nr. 1 und § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB, wonach vor Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe eine gerichtliche Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung unzulässig ist. Über diese Vorschrift hinausgehend soll gemäß der ratio legis auch dann die mündliche Anhörung unterbleiben können, wenn der

116 BGH NStZ 1995 610; NJW 2000 1663; OLG Düsseldorf NStZ 1982 437; 1987 524; OLG Karlsruhe MDR 1991 661; OLG Frankfurt NStZ-RR 1997 28; KK/Appl 26 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 24, 29; a. A. Bringewat 44. BGH StraFo 2015 482. KK/Appl 44. OLG Düsseldorf MDR 1985 868; KK/Appl 22; Meyer-Goßner/Schmitt 26; Bringewat 52. DRiZ 1976 134; ebenso Bringewat 52. OLG Stuttgart Justiz 1976 396; KK/Appl 23; Bringewat 53. Zur Frage des angemessenen Zeitpunkts der Entscheidung siehe OLG Karlsruhe MDR 1994 390 und OLG Hamburg JR 1995 299 sowie JR 1996 247 mit Anm. Kintzi. 122 KG Beschl. vom 31.7.2019 – 5 Ws 135/19.

117 118 119 120 121

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Verurteilte schon mehr als die Hälfte, im Zeitpunkt der beantragten Aussetzung aber noch nicht zwei Drittel der Strafe (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) verbüßt hat, sofern sich aus den für die Strafvollstreckungskammer verbindlichen Feststellungen des zugrunde liegenden Urteils zur Tat und ihren Umständen zweifelsfrei ergibt, dass besondere Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Verurteilten, wie sie nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB neben der Entwicklung während des Strafvollzugs als Voraussetzung einer Aussetzung des Strafrestes vor Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe gegeben sein müssen, nicht vorliegen.123 Nur dann, wenn das Urteil eine abschließende Beurteilung zur Frage besonderer Umstände in der Tat und in der Persönlichkeit des Täters nicht zulasse, sei die mündliche Anhörung geboten. Diese Entscheidungen sind auf Ablehnung gestoßen,124 doch dürfte ihnen angesichts des sehr engen Bereichs, in dem sie ein Absehen von der mündlichen Anhörung für zulässig halten, zuzustimmen sein. Zweifellos bedarf es – der Wortlaut des § 454 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 ist offenbar zu eng – dann keiner mündlichen Anhörung, wenn der Verurteilte im Zeitpunkt der beantragten Entlassung zwar die Hälfte der Strafe, aber noch nicht sechs Monate (§ 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB) verbüßt hat.125 45

c) Absatz 1 Satz 4 Nr. 3. Nach Absatz 1 Satz 4 Nr. 3 kann von der mündlichen Anhörung auch abgesehen werden, wenn der Antrag unzulässig ist. Das ist der Fall, wenn das Gericht bei seiner letzten ablehnenden Entscheidung über die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe eine Frist von höchstens sechs Monaten (§ 57 Abs. 7 StGB) – bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe eine solche von höchstens zwei Jahren (§ 57a Abs. 4 StGB) – festgesetzt und bestimmt hat, dass vor Ablauf dieser Frist ein erneuter Antrag unzulässig ist, der Verurteilte aber gleichwohl einen solchen Antrag gestellt hat,126 wenn der Verurteilte schon nach Verbüßung der Hälfte einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr127 einen Antrag stellt oder wenn es im wohlverstandenen eigenen Interesse des geistig erkrankten Verurteilten ist, von dessen Anhörung ohnehin keine Beeinflussung der zu treffenden Entscheidung zu erwarten ist.128

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d) Kurzfristige Antragswiederholung und verfrühte Antragstellung. Hat die Strafvollstreckungskammer einen Entlassungsantrag nach vorheriger mündlicher Anhörung abgelehnt und wiederholt der Verurteilte in aller Kürze darauf seinen Antrag, so ist, auch wenn das Gericht keine Frist nach § 57 Abs. 7 oder § 57a Abs. 4 StGB bestimmt hat, keine erneute mündliche Anhörung erforderlich, sofern der persönliche Eindruck fortwirkt129 und weder einer Auffrischung bedarf noch – da der Verurteilte nicht Neues vorbringt – ergänzungsbedürftig ist.130 In einem solchen Fall würde eine erneute münd123 OLG Karlsruhe NJW 1976 302 mit abl. Anm. Kuckuk NJW 1976 815; OLG Hamburg MDR 1978 331; OLG Hamm NJW 1980 2090; OLG Stuttgart OLGSt § 462a StPO, 10; KK/Appl 23.

124 OLG Hamm NJW 1976 1907; OLG Stuttgart Justiz 1976 396; OLG Düsseldorf NStZ 1981 454; OLG Frankfurt NStZ 1981 454; OLG Hamburg MDR 1981 599; OLG Koblenz OLGSt § 454 StPO, 1; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1984 84; KK/Appl 23. 125 OLG Düsseldorf GA 1977 120; NStZ 1981 454; OLG Stuttgart MDR 1976 1041; Treptow NJW 1976 222; KK/Appl 23; Meyer-Goßner/Schmitt 27; a. A. OLG Düsseldorf GA 1982 88; OLG Frankfurt NStZ 1981 454 Ls. 126 Wegen des Beginns der Frist s. Rn. 103. 127 OLG Düsseldorf GA 1977 120. 128 OLG Düsseldorf NStZ 1985 94; Meyer-Goßner/Schmitt 32. 129 OLG Düsseldorf StV 1996 558. 130 OLG Stuttgart Justiz 1975 478; NStZ 1986 574; OLG Düsseldorf NStZ 1982 437; 1988 95; StV 1996 44; VRS 80 (1991) 285; einschränkend StV 1983 115: bis zu 4 1/2 Mon.; OLG Zweibrücken StV 1990 412: allenfalls bis zu 6 Mon.; KK/Appl 25; Meyer-Goßner/Schmitt 31.

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liche Anhörung einer reinen Formalie gleichkommen.131 Das gilt gleichermaßen im Falle einer deutlich verfrühten Antragstellung bzw. Aktenvorlage.132 In diesem Fall bedarf es auch keiner erneuten Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt.133 Einer gerichtlichen Entscheidung bedarf es auch in diesen Fällen.134 Ein zunächst unzulässiger Antrag wird nachträglich zulässig, wenn die Frist während des gerichtlichen Verfahrens abläuft.135 Wird der Antrag erst während des Beschwerdeverfahrens zulässig, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. e) Fehlende Einwilligung. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 47 StGB kann das Gericht die Aussetzung des Strafrestes nur beschließen, wenn der Verurteilte einwilligt. Eine mündliche Anhörung bei der von Amts wegen (Rn. 5) vorzunehmenden Prüfung, ob eine bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, kann daher unterbleiben, wenn der Verurteilte kurz vor Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit zu Protokoll der Justizvollzugsanstalt erklärt, er sei mit einer Aussetzung des Strafrestes nicht einverstanden.136 Die bloße fernmündliche Mitteilung eines Vollzugsbeamten, dass der Verurteilte auf eine mündliche Anhörung verzichte, genügt nicht.137 Erst recht erübrigt sich eine mündliche Anhörung, wenn der Verurteilte eine mündliche Anhörung, deren Termin bereits anberaumt war, ausdrücklich und eindeutig abgelehnt hat138 oder eine Vorführung zur Anhörung verweigert.139 Denn das Gericht ist nicht verpflichtet, eine mündliche Anhörung gegen den Willen des Verurteilten zu erzwingen. Dem Verurteilten ist in diesen Fällen die mündliche Anhörung angeboten worden. Er hat keinen Anspruch, auf andere Weise gehört zu werden.140 Dagegen entbindet eine bloße Weigerung des Verurteilten auf Vorführung zum Gericht die Strafvollstreckungskammer grundsätzlich nicht von der Pflicht, diesen mündlich anzuhören,141 und auch dann nicht, wenn er den Anhörungstermin versehentlich versäumt hat.142 Eine solche Weigerung ist nämlich noch nicht als Verzicht auszulegen. Das Schweigen des Verurteilten und/oder seines Verteidigers auf eine Ladung zum Anhörungstermin mit 131 BGHR StPO § 454 Anhörung 1; OLG Hamm StraFo 1998 354; OLG Düsseldorf NStZ 1988 95; OLG Bremen NStZ 2010 106; KG Beschl. vom 19.9.2012 – 2 Ws 269/12.

132 KG Beschl. vom 13.12.2013 – 2 Ws 579/13 (2 Jahre vor Ablauf der Mindestverbüßungsdauer). 133 OLG Düsseldorf NStZ 1988 95; Meyer-Goßner/Schmitt 14. 134 KG JR 1973 120 mit zust. Anm. Peters; OLG Celle MDR 1973 695; OLG Hamm NJW 1973 337; OLG Zweibrücken MDR 1974 329; OLG Düsseldorf MDR 1979 956; AG Bremerhaven MDR 1975 241; Meyer-Goßner/Schmitt 39; Bringewat 10, 51; a. A. OLG Celle NJW 1972 2054; OLG Hamburg MDR 1979 516; LG Mainz MDR 1974 857; LG Zweibrücken MDR 1991 173; Nöldeke MDR 1971 479; W. Schmidt NJW 1975 1487; Wolf NJW 1975 1962; KK/Appl 7. 135 KG NStZ 1985 523; KK/Appl 24. 136 OLG Hamburg MDR 1979 956; OLG Düsseldorf MDR 1981 1039; 1986 255; Treptow NJW 1976 222; Doller DRiZ 1977 80; KK/Appl 26; Meyer-Goßner/Schmitt 39; Fischer § 57, 19a; a. A. OLG Koblenz GA 1977 246; MDR 1985 426; W. Schmidt NJW 1975 1485; Laubenthal JZ 1988 955; Bringewat 45. 137 OLG Düsseldorf StV 1996 558. 138 BGH NStZ 1995 610; NJW 2000 1663; StV 2018 345; OLG Hamburg NJW 2000 2758; OLG Hamm MDR 1975 775; 1980 870; 1982 692; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1976 221; OLG Düsseldorf MDR 1981 1039; NStZ 1987 524; 1988 243; StV 1983 115; VRS 88 (1995), 370; OLG Celle NStZ 1994 205; BerlVerfGH NJW 2018 2252; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 30. 139 BGH NStZ 2000 279 m. abl. Anm. Bung/Romund StV 2018 346 ff.; BerlVerfGH NJW 2018 2252; OLG Hamm NStZ-RR 2009 223, 224 m. w. N. 140 Meyer-Goßner/Schmitt 30. 141 OLG Hamm MDR 1980 870; OLG Düsseldorf StV 1995 538; Wegener MDR 1981 617; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 38; Bringewat 48; enger OLG Düsseldorf StV 1983 511. 142 OLG Celle StV 1988 259; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 30.

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dem Zusatz, dass von einem Verzicht auf die mündliche Anhörung ausgegangen wird, sofern der Termin nicht binnen einer gesetzten Frist bestätigt wird, reicht für die Annahme eines konkludenten Verzichts nicht aus. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die im Verfahren nach § 454 geltende Aufklärungspflicht es gebieten, den Gründen für eine Weigerung nachzugehen.143 48

f) Missbrauch der Anhörung. Schließlich darf eine mündliche Anhörung auch dann unterbleiben, wenn nach dem vorangegangenen eindeutigen Verhalten des Verurteilten, namentlich bei früheren Anhörungen, offenbar nichts anderes zu erwarten ist, als dass der Verurteilte seinen Anhörungstermin missbraucht, sich z. B. nur in Schimpfkanonaden, Hetzreden oder anderen unsachlichen Unmutsäußerungen ergehen wird.144 Denn wenn selbst im Erkenntnisverfahren unter solchen Umständen das Anhörungsund Anwesenheitsrecht des Angeklagten Beschränkungen unterliegt,145 kann für das Vollstreckungsverfahren bei § 454 wohl nichts Anderes gelten.146

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g) Verwirkung. Auf eine mündliche Anhörung kann auch verzichtet werden, wenn der Verurteilte sein Anhörungsrecht aus sonstigen ihm zuzurechnenden Gründen verwirkt hat.147 Hat der Verurteilte vor dem Anhörungstermin ausdrücklich und eindeutig erklärt, nicht mündlich angehört werden und deshalb an der Anhörung nicht teilnehmen zu wollen, so hat er sein Recht auf eine mündliche Anhörung verwirkt.148 Dass ein solcher Fall schon anzunehmen ist, wenn sich ein Verurteilter weigert, sich bei der Vorführung Fesseln anlegen zu lassen,149 oder es entgegen einer aus berechtigten Gründen ergangenen Hausverfügung des Anstaltsleiters ablehnt, seine Sportkleidung zu wechseln und die Anstaltskleidung zu tragen,150 erscheint zumindest fraglich. Ein Verzicht auf Teilnahme an der mündlichen Anhörung liegt dann nicht vor, wenn der Verurteilte der Strafvollstreckungskammer mitteilt, er könne die Reisekosten nicht aufbringen. In einem solchen Fall ist zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs ein Reisegutschein auszustellen und ggf. der Anhörungstermin zu verschieben.151 Sofern der Verurteilten sich weigert, zum Anhörungstermin zu erscheinen, weil er erkennbar irrtümlich davon ausgeht, es solle noch nicht über die Aussetzung aller Strafreste entschieden werden, ist seine mündliche Anhörung nicht entbehrlich.152

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h) Sonstige Fälle. Von einer mündlichen Anhörung des Verurteilten kann ferner dann abgesehen werden, wenn diese aus tatsächlichen Gründen nicht durchgeführt werden kann, etwa wenn der Verurteilte aus Deutschland ausgewiesen worden und ihm seine

143 OLG Düsseldorf StV 1983 511; OLG Karlsruhe NStZ 1996 302; OLG Frankfurt NStZ 2003 59; OLG Hamm NStZ-RR 2009 223; KK/Appl 27; SK/Paeffgen 29; KMR/Stöckel 66; a. A. Meyer-Goßner/Schmitt 30; KG Beschl. vom 18.8.2014 – 5 Ws 2/14. 144 OLG Düsseldorf NStZ 1987 524; 1988 243; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 32. 145 Vgl. § 231b sowie LR/Schäfer24 Einl. Kap. 10 Abschn. III. 146 KK/Appl 28; Meyer-Goßner/Schmitt 32. 147 OLG Hamm MDR 1988 75. 148 OLG Düsseldorf Beschl. vom 1.4.2019 – 5 Ws 50/19; BGH NStZ 2000 279; StraFo 2015 482; StV 2018 345 m. abl. Anm. Bung/Romund StV 2018 346 ff. 149 OLG Hamm MDR 1978 692. 150 OLG Hamm MDR 1990 653; NStZ 1996 303 a. E.; Meyer-Goßner/Schmitt 30. 151 OLG Köln Beschl. vom 21.12.2015 – III 2 Ws 786/15. 152 OLG Celle NdsRpfl. 2015 98 f.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Einreise wegen der drohenden weiteren Vollstreckung (§ 456a) nicht zuzumuten ist.153 Im Rahmen der Sachaufklärungspflicht hat die Strafvollstreckungskammer in derartigen Fällen aber grundsätzlich die Frage der Einreisebereitschaft des Verurteilten aufzuklären und die Entscheidung bis zum Eingang einer entsprechenden Erklärung zurückzustellen. Auch die Prüfung, inwieweit Fragen einer Aufhebung oder Aussetzung eines bestehenden Vollstreckungshaftbefehls oder freien Geleits berührt werden, obliegt der Strafvollstreckungskammer154 und nicht der Staatsanwaltschaft. Sie hat zu entscheiden, ob es Sache des Verurteilten ist, bei der Vollstreckungsbehörde die Aufhebung oder Aussetzung des Vollstreckungshaftbefehls für die Dauer des Aussetzungsverfahrens zu erwirken, sofern er das Risiko seiner Verhaftung bei der Einreise nicht in Kauf nehmen will.155 Der Umstand, dass die bisher verbüßte Strafe nur aus angerechneter Untersuchungshaft besteht und der Verurteilte sich im Zeitpunkt der Entscheidung über die Strafrestaussetzung auf freiem Fuß befindet, rechtfertigt hingegen ein Absehen von der mündlichen Anhörung nicht.156 Eine erneute mündliche Anhörung des Verurteilten hat jedoch zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dann zu erfolgen, wenn der Strafvollstreckungskammer nach erfolgter mündlicher Anhörung, aber vor der Entscheidung über die Strafrestaussetzung, neue, entscheidungserhebliche Tatsachen (z. B. Drogenkonsum in der Justizvollzugsanstalt, Missbrauch von Vollzugslockerungen) bekannt werden,157 denn in diesem Fall greift § 57 Abs. 5 StGB nicht, weil ein Widerruf lediglich auf eine in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung begangene neue Straftat abstellt, nicht aber auf ein sonstiges prognoserelevantes Fehlverhalten des Verurteilten.

IX. Anwendungsbereich des Absatzes 2 1. Zweck der Regelung. Das frühere Recht sah nur für das Verfahren über die Aus- 51 setzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe die obligatorische Einholung eines Sachverständigengutachtens vor. Die Einholung eines Gutachtens war jedoch auch in anderen Fällen möglich und in einigen Bundesländern bei besonderen Tätergruppen (z. B. bei Vollstreckung mehrjähriger Freiheitsstrafe und/oder bei schwerwiegenden Sexualstraftaten) auf der Grundlage ministerieller Weisungen sogar die Regel. Eine entsprechende bundesweite Übung bestand aber nicht. Vor diesem Hintergrund sollte die Neuregelung die Begutachtung des Verurteilten nicht nur im Falle der vorzeitigen Entlassung bei Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe, sondern nunmehr bei allen Tätern gesetzlich verankern, bei denen nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.158 Da das Gericht im Aussetzungsverfahren alle ihm möglichen Erkenntnisquellen über eine etwa fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten ausschöpfen muss, wäre es ohne eine sachverständige Beratung, abgesehen von den Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten, nur auf sei-

153 OLG Düsseldorf NStZ 2000 333, KG Beschl. vom 18.8.2014 – 5 Ws 2/14; OLG Saarbrücken Beschl. vom 18.12.2014 – 1 Ws 164/14.

154 OLG Hamm NStZ-RR 2010 339; a. A. OLG Bamberg StV 2011 421; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005 223; KG Beschl. vom 13.9.2013 – 2 Ws 445/13 (Klärung ist Sache des Verurteilten).

155 OLG Bamberg StV 2011 421; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005 223; OLG Köln StV 2009 261; KG Beschl. vom 18.8.2013 – 5 Ws 2/14; OLG Bremen NStZ 2010 718 f. (bei Reststrafengesuch keine Benachteiligung des nach § 456a abgeschobenen Verurteilten). 156 OLG München StV 2000 213. 157 LG Traunstein Beschl. vom 2.1.2018 – 1 Ws 1159/17. 158 BTDrucks. 13 9062 S. 14.

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ne Berufserfahrung und seine subjektive Menschenkenntnis angewiesen. Ein wissenschaftlich begründetes (psychiatrisches, psychologisches, kriminologisches oder soziologisches) Gutachten kann es dem Gericht ermöglichen, die Art der von dem Verurteilten zu erwartenden Straftaten und das mit einer vorzeitigen Entlassung verbundene Risiko für die Allgemeinheit wesentlich zuverlässiger einzuschätzen.159 Ob diese Erwartung in der Praxis tatsächlich auch erfüllt wird, ist bislang empirisch nicht nachgewiesen,160 denn es fehlt an Langzeitstudien zur Rückfälligkeit von nach Absatz 2 begutachteten Verurteilten, denen Sachverständige und Gericht eine günstige Prognose gestellt haben. 52

2. Aussetzung der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafe. Erwägt das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafe, so muss es nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der neue Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 entspricht damit insoweit dem aufgehobenen Absatz 1 Satz 5, als er die Aussetzung der Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstrafe von der vorherigen Einholung eines Sachverständigengutachtens abhängig macht, das nach Absatz 2 Satz 2 bestimmten inhaltlichen Anforderungen genügen muss (vgl. Rn. 59).

53

3. Aussetzung der Vollstreckung zeitiger Freiheitsstrafe. Soweit das Gericht erwägt, die Aussetzung der Vollstreckung zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen, muss es das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Die Verpflichtung des Gerichts beschränkt sich damit nicht auf – ggf. zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilte – Sexualstraftäter. Dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit soll vielmehr bei all jenen mutmaßlich gefährlichen Verurteilten Rechnung getragen werden, die wegen schwerwiegender Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind. Die Neuregelung des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 entspricht damit der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages,161 die eine Kompromisslösung darstellt zwischen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung,162 in dem bewusst davon abgesehen wurde, die Verpflichtung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens auf eine bestimmte Strafhöhe und bestimmte Straftatbestände zu beschränken und dem Gesetzentwurf des Bundesrates,163 der die obligatorische Einholung eines Sachverständigengutachtens bei Aussetzung der Vollstreckung des Restes von Freiheitsstrafen von mehr als zwei Jahren wegen Sexualstraftaten sowie in Fällen der Sicherungsverwahrung vorsah.

X. Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Absatz 2 Satz 1) 54

1. Erwägung einer Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes. Nur bei Erwägung einer Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes ist das Gericht verpflichtet, das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Nicht jede Prüfung, ob der Rest einer 159 160 161 162 163

BTDrucks. 13 9062 S. 14. KK/Appl 2b. BTDrucks. 13 8989 S. 8 und Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 13 9062 S. 14. BTDrucks. 13 8586 S. 5, 10. BTDrucks. 13 7559 S. 3, 6, 13 f.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen ist, löst daher die Pflicht zur Begutachtung des Verurteilten aus. Vielmehr ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Einschaltung eines Sachverständigen sowie den Gesetzesmaterialien,164 dass das Gericht ein Gutachten nur dann einholen muss, wenn es überhaupt erwägt, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen,165 nicht jedoch, wenn wegen besonderer Umstände eine Strafrestaussetzung offensichtlich nicht verantwortet werden kann und das Gericht sie daher auch nicht in Betracht zieht. Das Sachverständigengutachten soll es dem Gericht im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot bestmöglicher Sachaufklärung nämlich ermöglichen, die von dem Verurteilten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit im Falle einer beabsichtigten Strafrestaussetzung zur Bewährung zuverlässiger einschätzen zu können. Wenn aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall eine Aussetzung der Reststrafe offensichtlich nicht in Betracht kommt, ist eine Beurteilung der von dem Verurteilten ausgehenden Gefahr mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich.166 Ohne Einholung eines Gutachtens kann das Gericht die Strafrestaussetzung auch ablehnen, wenn schon die formellen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 3 StGB nicht erfüllt sind.167 Ob es der Einholung eines Gutachtens auch dann nicht bedarf, wenn eine Begutachtung aussichtslos erscheint, weil der Verurteilte sich weigert, daran mitzuwirken,168 dürfte zweifelhaft sein. Zwar ist eine Mitwirkung des Verurteilten wünschenswert. Eine Weigerung darf für sich genommen aber wohl nicht zur Verneinung der materiell-rechtlichen Aussetzungsvoraussetzungen führen, denn auch ohne Mitwirkung des Verurteilten ist für einen Sachverständigen eine Gutachtenerstattung, etwa durch Auswertung der Straf- und Gefangenenpersonalakten, wenn auch eingeschränkt, möglich. Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens kann das Gericht schließlich dann ausnahmsweise absehen, wenn nach Aktenlage, insbesondere aufgrund der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Justizvollzugsanstalt hinreichend sicher erkennbar ist, dass der Verurteilte dem Vollzugsziel der Resozialisierung nicht näher gekommen ist und deshalb für den Fall der Strafrestaussetzung nicht unerhebliche Straftaten von ihm zu befürchten sind169 und damit zweifelsfrei Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Haben aber sowohl die Justizvollzugsanstalt als auch die Staatsanwaltschaft eine Strafrestaussetzung befürwortet, bedarf es bei Vorliegen der sonstigen formellen Voraussetzungen grundsätzlich der Einholung eines Gutachtens. Nur wenn die Möglichkeit einer Strafrestaussetzung völlig fernliegend und von vornherein ausgeschlossen erscheint, darf das Gericht von der Einholung eines Gutachtens absehen.170

164 BTDrucks. 13 8586 S. 10. 165 So auch Neubacher NStZ 2001 453; BVerfGE 109 133, 163; BGH NStZ 2000 279; NJW 2000 1663, 1664; BeckRS 2020 36456; OLG Frankfurt NStZ 1998 639 mit abl. Anm. Cramer, der dem Gericht eine Vorprüfungspflicht auferlegen will; NStZ-RR 2008 237; OLG Hamm NJW 1999 2453; OLG Zweibrücken NJW 1999 1124; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004 61; OLG Bremen StV 2015 233; OLG Koblenz Beschl. vom 25.3.2019 – 2 Ws 156/19. 166 BVerfG NJW 2002 2773; NStZ-RR 2003 251; BGH NStZ 2000 279; OLG Celle NStZ-RR 1999 179; OLG Köln StV 2001 31; OLG Jena StV 2001 26; Immel JR 2007 183, 185 ff.; OLG Bremen StV 2015 233; OLG Frankfurt Beschl. vom 12.11.2013 – 3 Ws 053/13; OLG Braunschweig Beschl. vom 14.7.2014 – 1 Ws 191/14; OLG Celle StV 2018 344; a. A. OLG Celle NStZ 1999 159; OLG Koblenz StV 1999 496. 167 Neubacher NStZ 2001 453. 168 Neubacher NStZ 2001 453. 169 Neubacher NStZ 2001 453. 170 OLG Dresden NJW 2009 3315; OLG Jena StV 2001 26; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2016 189.

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2. Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafe (Absatz 2 Satz 1 Nr. 1). Bei der Aussetzung lebenslanger Freiheitsstrafe (Absatz 2 Satz 1 Nr. 1) ist die Regelung des früheren Absatzes 1 Satz 5 vollinhaltlich in der Neufassung des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 aufgegangen. Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 stellt klar, dass von der Anhörung eines Sachverständigen abgesehen werden kann, wenn das Gericht, aus welchen Gründen auch immer, die Aussetzung ablehnen möchte.171 Erst wenn die Strafvollstreckungskammer zu der Auffassung gelangt, das Verhalten des Verurteilten innerhalb und außerhalb des Vollzugs lasse eine Aussetzung verantwortbar erscheinen, hat sie seine Begutachtung zu veranlassen, um die dann noch von ihm ausgehende Gefahr zuverlässig einschätzen zu können.172 Bei einer erstmaligen Prognoseentscheidung im Rahmen der Prüfung einer Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe (§§ 57a, 57 StGB) nach einer Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren darf das Gericht nur ausnahmsweise von der Einholung eines Gutachtens absehen, da es nach einem solch langen Zeitraum in der Regel an ausreichenden Beurteilungsgrundlagen fehlt, die es ihm erlauben, ohne sachverständige Beratung eine gesicherte Prognose darüber abzugeben, ob die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht.173 Gebietet die besondere Schwere der Schuld zweifelsfrei die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe, so bedarf es der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht.

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3. Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2). Bei Verurteilung zu einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art ist die Strafvollstreckungskammer nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 verpflichtet, das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten einzuholen, wenn es die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes erwägt und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung entgegenstehen. Die Verpflichtung des Gerichts zur Einholung eines Sachverständigengutachtens beschränkt sich nicht auf Sexualstraftäter, sondern erfasst alle diejenigen Straftäter, die wegen eines Verbrechens oder wegen einer Straftat nach den § 89a Abs. 1 bis 3, § 89c Abs. 1 bis 3, § 129a Abs. 5 Satz 1 1. Alt., auch i. V. m. § 129b Abs. 1, §§ 174 bis 174c, 176, 177 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a StGB, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind. Die Begehung eines Verbrechens oder einer der anderen in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Straftaten wird als Indiz für die Gefährlichkeit des Verurteilten gewertet,174 das das Gericht bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 zur Einholung eines Sachverständigengutachtens grundsätzlich verpflichtet.

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4. Höhe der zeitigen Freiheitsstrafe (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2). Von der Höhe der zeitigen Freiheitsstrafe (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2) hängt es unter anderem ab, ob das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen ist. Dabei ist nicht auf die Höhe der verhängten oder nachträglichen gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe, sondern auf die Höhe der Einzelfreiheitsstrafe wegen einer in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Straftat abzustellen. Eine Verpflichtung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nach 171 BTDrucks. 13 9062 S. 14; BGH NJW 2000 1663; OLG Hamburg NJW 2000 2758; OLG Celle NStZ-RR 1999 179. 172 OLG Celle NStZ-RR 1999 179. 173 OLG Hamm Beschl. vom 27.6.2017 – 1 Vollz (Ws) 190/17. 174 BTDrucks. 13 9062 S. 14.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 besteht mithin bei Vollstreckung einer zwei Jahre übersteigenden Gesamtfreiheitsstrafe nur dann, wenn mindestens eine der dieser Gesamtfreiheitsstrafe zugrunde liegenden Einzelstrafen, die für die Begehung einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art verhängt wurde, zwei Jahre übersteigt.175 Erwägt das Gericht die Aussetzung der Reststrafenvollstreckung aus einer Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art, ist in der Regel zumindest dann ein Sachverständigengutachten über die Gefährlichkeit des Verurteilten einzuholen, wenn der Vollstreckungsleiter die weitere Vollstreckung an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgegeben hat.176 5. Fehlen entgegenstehender Gründe der öffentlichen Sicherheit. Umstritten 58 ist, ob das Gericht auch dann zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet ist, wenn entgegenstehende Gründe der öffentlichen Sicherheit (Absatz 2 Satz 1 Nr. 2) nicht vorliegen.177 Die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass 1. das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe erwägt, 2. die zeitige (Einzel-)Freiheitsstrafe mehr als zwei Jahre beträgt, 3. die Verurteilung wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art erfolgt ist und 4. nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, so bedarf es einer Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht. Bei der verfahrensrechtlichen Prüfung, ob nicht auszuschließen ist, dass (nicht: ob) Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen, darf das Gericht keine vorweggenommene Prognoseentscheidung nach § 57 Abs. 1 und 2 StGB treffen. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 kommt es auf die sich aus der als Indiz für die Gefährlichkeit begangene Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art an. Liegt der Verurteilung eine zeitige Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer derartigen Straftat zugrunde, so ist schon dadurch in aller Regel indiziert, dass nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Dem insoweit missverständlichen Wortlaut der gesetzlichen Regelung steht der eindeutige Wille des Gesetzgebers gegenüber.178 Die Voraussetzungen, unter denen das Gericht von der Einholung eines Gutachtens absehen kann, sind damit enger als diejenigen, unter denen eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes nach § 57 StGB möglich ist.179 In der Praxis ist daher grundsätzlich bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Nur in besonders begründeten Ausnahmefällen180 wird davon abgesehen werden können.

175 OLG Stuttgart StV 1999 385; NStZ-RR 2000 86; OLG Zweibrücken StV 1999 218; Immel JR 2007 183. 176 OLG Celle StraFo 2008 310; a. A. OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 310. 177 Entbehrlichkeit des Prognosegutachtens: OLG Karlsruhe StV 2000 156; OLG Zweibrücken NJW 2005 3439; OLG Köln StV 2000 155; Rotthaus NStZ 1998 599; Erforderlichkeit des Prognosegutachtens: OLG Frankfurt NStZ 1998 640; OLG Zweibrücken NJW 1999 1124; KG NStZ 1999 319 (in seltenen Fällen aber wohl doch nicht); OLG Hamm NJW 1999 2453; OLG Koblenz StV 1999 496. 178 BTDrucks. 13 9062 S. 14; OLG Frankfurt NStZ 1998 640; OLG Hamm NJW 1999 2453; KG NStZ 1999 319; OLG Zweibrücken NJW 1999 1124. 179 Vgl. aber OLG Hamm Beschluss 3 Ws 635/07 vom 5.11.2007. 180 KG NStZ 1999 319.

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XI. Sachverständigengutachten 59

1. Inhaltliche Anforderungen. Nach Absatz 2 Satz 2 muss das Gutachten bestimmten inhaltlichen Anforderungen genügen.181 Es hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Für die Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden Prognoseentscheidung gilt von Verfassungs wegen das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung.182 Das Gutachten erfordert daher eine umfassende und nachvollziehbare Darstellung des Erkenntnis- und Wertungsprozesses.183 Hierzu gehören unter anderem Angaben zu den von dem Sachverständigen herangezogenen und ausgewerteten Erkenntnismitteln sowie die Darstellung der für das Gutachten relevanten Anknüpfungstatsachen. Dabei sind die Feststellungen des tatgerichtlichen Urteils, das der Vollstreckung zugrunde liegt, für den Sachverständigen – ebenso wie für die Strafvollstreckungskammer – grundsätzlich bindend. Soweit die tatrichterlichen Feststellungen sich zu den Hintergründen und der Dynamik der Tat nicht verhalten, ist es dem Sachverständigen allerdings nicht verwehrt, seine in der Exploration hiervon gewonnenen Erkenntnisse in seinem Gutachten mitzuteilen und seiner Prognose zugrunde zu legen, sofern sie nicht im Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen stehen. Hierin liegt keine – unzulässige – Ergänzung des Urteils, sondern die zur Absicherung der Prognose gebotene, genauere Herausarbeitung der strafrechtlichen Delinquenz des Verurteilten im Kontext seiner damaligen Lebenssituation.184 Bei Prognosegutachten bedarf es der Mitteilung der prognoserelevanten Daten, insbesondere detaillierter Angaben zu (einschlägigen) Vorstrafen, der Darstellung und der Entwicklung der Tatmodalitäten, der Ergebnisse früherer Begutachtungen und von Auffälligkeiten während des Vollzuges. Das mit dem Verurteilten geführte Untersuchungsgespräch sollte thematisch strukturiert wiedergegeben werden. Untersuchungsbefunde sollten getrennt aufgeführt werden. Mit den Ergebnissen früherer Gutachten hat sich der Sachverständige auseinanderzusetzen und dabei die weitere Entwicklung des Verurteilten, namentlich weitere einschlägige Straftaten, Therapieversuche und -erfolge, Verhalten im (Maßregel-)Vollzug sowie sonstige soziale und persönliche Rahmenbedingungen wie den sozialen Empfangsraum und mögliche Risikofaktoren für einen Rückfall zu betrachten.185 Die gutachterliche Beurteilung muss aus den Anknüpfungstatsachen und dem Explorationsinhalt ableitbar und inhaltlich nachvollziehbar dargestellt werden. Nur ein solchen inhaltlichen Anforderungen genügendes Gutachten ermöglicht es dem Gericht, im Rahmen der ihm obliegenden umfassenden Sachaufklärungspflicht im Aussetzungsverfahren den Sachverständigen zu kontrollieren, der eigenen Entscheidungsverantwortung gerecht zu werden und auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeitsaussage die Rechtsfrage zu beantworten, ob eine Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung zu

181 Boetticher/Kröber/Müller-Isberner/Böhm/Müller-Metz/Wolf NStZ 2006 537; Boetticher/Koller/Böhm/ Brettel/Dölling/Höffler/Müller-Metz/Pfister/Schneider/Schöch/Wolf NStZ 2019 553; Kröber Praxis der kriminalprognostischen Begutachtung: handwerkliche Mindeststandards und kasuistische Illustration, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Sass Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Band 3 Psychiatrische Kriminalprognosen und Kriminaltherapie (2006) 173; Kröber/Brettel/Rettenberger/Stübner NStZ 2019 574; Dittmann 173. 182 BVerfGE 70 297, 309; OLG Hamm Beschl. vom 14.8.2018 – 3 Ws 355/18. 183 OLG Koblenz StV 1999 497; KG NJW 1999 1797; OLG Zweibrücken NStZ 2018 605. 184 KG NStZ-RR 2009 323. 185 OLG Hamm Beschl. vom 14.8.2018 – 3 Ws 346/18; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2016 189 mit Anm. Kubiciel und Peglau jurisPR-StrafR 13/2016 Anm. 2; BVerfG NJW 2017 1933.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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verantworten ist.186 Eine bloße Zusammenfassung von Vorstrafen oder ein Bericht über den Verlauf des Vollzuges unter Hervorhebung gewisser Verhaltensauffälligkeiten des Verurteilten und erlittener Rückschläge wird danach den an ein (Prognose-)Gutachten zu stellenden inhaltlichen Anforderungen nicht gerecht.187 Ebenso wenig reicht eine Untersuchung der diagnostischen und prognostischen Einschätzung der den Verurteilten behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten zu den entscheidenden Fragen auf Fehler aus.188 Es gehört auch nicht zu den Qualitätsstandards einer Begutachtung, Rückfallrisiken in Prozentzahlen zu beziffern. Vielmehr reicht es aus, ist aber auch erforderlich, dass ein forensisch-psychiatrisches Gutachten alle an ein Prognosegutachten zu stellenden Anforderungen erfüllt.189 2. Auswahl des Sachverständigen. Die Auswahl des Sachverständigen ist Sache 60 des Gerichts (§ 73 Abs. 1).190 Einem gerichtlich bestellten Sachverständigen ist es zwar gestattet, Hilfskräfte und Mitarbeiter zu einzelnen Untersuchungen hinzuziehen. Es ist jedoch nicht zulässig, wenn der bestellte Sachverständige faktisch den ihm erteilten Gutachtenauftrag an einen unterstellten Mitarbeiter weitergibt und dessen Untersuchung und Beurteilung ohne eigene Prüfung billigt und abzeichnet.191 Von einer gesetzlichen Festlegung zur Einschaltung eines externen Sachverständigen ist im Gesetzgebungsverfahren bewusst abgesehen worden,192 weil hierdurch nicht zwingend die Prognosesicherheit erhöht werden kann. Ob die Beauftragung eines externen Sachverständigen im Rahmen der dem Gericht obliegenden umfassenden Sachaufklärungspflicht angezeigt erscheint, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab.193 Bei langer Vollzugsdauer wird regelmäßig eine Begutachtung durch einen externen Sachverständigen zu erwägen sein.194 In derartigen Fällen kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass bei einem internen Sachverständigen, der zugleich der Behandler des Verurteilten im Vollzug war, ein Vorverständnis aufgrund des Behandlungsprozesses erzeugt worden ist, das einer unvoreingenommenen Begutachtung entgegensteht.195 Der Umstand, dass externe Sachverständige für die Erstattung von Prognosegutachten nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen,196 rechtfertigt es für sich genommen nicht, von vornherein von der Beauftragung eines solchen Sachverständigen abzusehen. Vielmehr hat das Gericht im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht im Aussetzungsverfahren alle nur

186 KG NJW 1999 1797; OLG Hamm RuP 2004 42 mit Anm. Pollähne; vgl. auch BGHSt 8 113; BVerfGE 58 208 und 70 297, 313; BVerfG Beschl. vom 26.8.2013 – 2 BvR 371/12; BVerfGE 109 133, 165. OLG Koblenz StV 1999 497. OLG Koblenz StV 2003 686. OLG Karlsruhe Beschl. vom 5.1.2018 – 2 Ws 379/17 = StV 2018 364 Ls. Wegen der dazu entwickelten allgemeinen Auswahlkriterien s. LR/Krause § 73, 9 ff. sowie BGH JR 1994 30. 191 OLG Nürnberg StV 2007 596. 192 Begründung RegE BTDrucks. 13 8586 S. 5 f.; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BTDrucks. 13 8989 S. 8; Bericht des Rechtsausschusses BTDrucks. 13 9062 S. 14; demgegenüber Gesetzentwurf des Bundesrates BTDrucks. 13 7559 S. 3, 6, 14. 193 Zur Problematik allgemein Kröber Externe und interne Gutachten im psychiatrischen Maßregelvollzug, in: Häßler/Rebering/Schnoor/Schläfke/Fegert Forensische Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie – Aspekte der forensischen Begutachtung (2003) 188. 194 OLG Koblenz StV 1999 497; OLG Karlsruhe NStZ 1999 254; BVerfG Beschl. vom 8.7.2010 – 2 BvR 1771/09. 195 Neubacher NStZ 2001 454. 196 BTDrucks. 13 9062 S. 14; Eisenberg/Hackethal ZfStrVo 1998 201; Rotthaus NStZ 1998 600.

187 188 189 190

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denkbaren Anstrengungen zu unternehmen, um einen für den Einzelfall hinreichend qualifizierten Sachverständigen rechtzeitig zu finden. 61 Die Erstattung des Gutachtens durch einen internen Sachverständigen wird von der Rechtsprechung für zulässig erachtet.197 Im Grundsatz ist dem zuzustimmen. Der Gesetzgeber ist bewusst dem Entwurf des Bundesrates198 nicht gefolgt, der vorsah, dass der Gutachter im Rahmen des Vollzuges nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein sollte. Nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates war damit die Erstattung des Gutachtens durch einen internen Sachverständigen aber nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern nur in solchen Fällen, in denen der Gutachter im Vollzug mit der Behandlung des Verurteilten betraut war. Zu Recht hat der Gesetzgeber von einer derartigen gesetzlichen Regelung Abstand genommen, denn es bedurfte ihrer nicht. Ein Sachverständiger kann nämlich nach § 74 Abs. 1 Satz 1 aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden, d. h. auch wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 74 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1). Dabei ist es nicht entscheidend, ob er wirklich befangen ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus verständlicherweise ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen gerechtfertigt erscheint.199 Allein der Umstand, dass ein interner Sachverständiger den Verurteilten im Vollzug ärztlich oder psychologisch behandelt oder betreut hat, vermag eine Befangenheit noch nicht zu rechtfertigen. Es wird vielmehr auf die Art der Behandlung und Betreuung im Einzelfall ankommen. Eine Behandlung durch einen Anstaltspsychiater oder Anstaltspsychologen dürfte jedoch in aller Regel deren Befangenheit aufgrund des sich aus der Patientenbeziehung ergebenden besonderen Vertrauensverhältnisses begründen. Von der Beauftragung eines Anstaltspsychiaters und/oder Anstaltspsychologen sollte daher jedenfalls dann Abstand genommen werden, wenn sie den Verurteilten, auch bei früheren Verbüßungen, im Vollzug psychiatrisch oder psychologisch behandelt oder betreut haben.200 Ob es im Rahmen der dem Gericht obliegenden umfassenden Aufklärungspflicht ausreicht, anstelle eines Psychiaters einen forensisch erfahrenen Psychologen mit der Erstattung des Prognosegutachten zu beauftrage, ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Es ist jedenfalls nicht von vornherein unzulässig.201

XII. Verfahren 62

1. Zeitpunkt für die Einholung des Sachverständigengutachtens. Einen bestimmten Zeitpunkt für die Einholung des Sachverständigengutachtens schreibt das Gesetz nicht vor. Entscheidend ist, welcher Zeitraum für die Erstattung des Gutachtens nach den Umständen des Einzelfalls voraussichtlich benötigt werden wird. Mit dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot, das auch im Aussetzungsverfahren gilt,202 ist es nicht vereinbar, wenn das Gericht den Sachverständigen erst unmittelbar vor dem möglichen Entlassungszeitpunkt beauftragt. Eine solche Sachbehandlung führt in aller Regel zu einer sachwidrigen Verzögerung der Entscheidung. Mit welchem zeitlichen Vor197 OLG Celle NStZ 1999 160; OLG Hamm NJW 1999 2453; KG NJW 1999 1797; OLG Karlsruhe StV 1999 495; OLG Zweibrücken NJW 1999 1125. BTDrucks. 13 7559 S. 6, 14. LR/Krause § 74, 11. Tondorf StV 2000 173; Neubacher NStZ 2001 454; Endres ZfStrVo 2000 81; KG NJW 1999 1797. OLG Hamm StV 2006 424; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2000 125. BVerfG NStZ 2001 502; StV 2016 375 Rn. 14, 16 f.

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lauf das Gericht den Sachverständigen mit der Gutachtenerstattung beauftragen sollte, um dem Beschleunigungsgebot Genüge zu tun, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei werden Art, Umfang und Schwierigkeit des von dem Sachverständigen auszuwertenden Aktenmaterials, die Persönlichkeit des zu untersuchenden Verurteilten sowie eine dem Gericht bekannte Belastungssituation des Sachverständigen zu berücksichtigen sein. Eine Zeitspanne von mehr als vier bis fünf Monaten für die Erstattung eines Gutachtens erscheint im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot ausnahmsweise dann vertretbar, wenn kein anderer gleichermaßen qualifizierter Sachverständiger in einem angemessenen Zeitraum zur Gutachtenerstattung in der Lage ist und insbesondere Umstände die Beauftragung gerade dieses Sachverständigen, etwa dessen besondere Sachkunde203 bei der Begutachtung von bestimmten Tätergruppen, angezeigt erscheinen lassen. Das Gericht ist nach § 73 Abs. 1 Satz 2 gehalten, mit dem Sachverständigen eine Absprache zu treffen, innerhalb welcher Frist das Gutachten erstattet werden kann.204 2. Mündliche Anhörung des Sachverständigen (Absatz 2 Satz 3). Nach Absatz 2 63 Satz 3 ist die mündliche Anhörung des Sachverständigen obligatorisch.205 Das Gericht kann aber ausnahmsweise nach Absatz 2 Satz 4 aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung206 von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen absehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft unmissverständlich und ausdrücklich darauf verzichten.207 Eine übereinstimmende Verzichtserklärung bindet das Gericht jedoch nicht. Vielmehr steht es ihm frei, den Sachverständigen trotz übereinstimmender Verzichtserklärungen gleichwohl mündlich zu hören, wenn es dies etwa aus Gründen der Sachaufklärungspflicht im Aussetzungsverfahren für geboten hält.208 Soweit der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft auf die mündli- 64 che Anhörung des Sachverständigen verzichten (Absatz 2 Satz 4), muss ihre Erklärung eindeutig sein.209 Der Verzicht auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen ist eine bedingungsfeindliche Prozesshandlung. Eine Äußerung der Staatsanwaltschaft, dass sie eine eingeholte Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt für nichtssagend erachte und die Einholung eines Sachverständigengutachtens anheimstelle, stellt keinen Verzicht auf die mündliche Anhörung dar.210 Das bloße Schweigen des Verurteilten auf eine Zuschrift des Gerichts, das ohne ausdrücklichen Antrag von einer stillschweigenden Verzichtserklärung ausgehen will, stellt keinen wirksamen Verzicht auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen dar.211 Die Verzichtserklärung des Verteidigers ersetzt diejenige des Verurteilten grundsätzlich nicht.212 Die Teilnahme des Verteidigers an der mündlichen Anhörung des Verurteilten stellt keinen konkludenten Verzicht auf die An203 OLG Karlsruhe StV 1999 496. 204 LR/Krause § 73, 29 ff. 205 OLG Koblenz StraFo 2009 394; KG StV 2014 359 Ls.; OLG Jena Beschl. vom 8.12.2015 – 1 Ws 449/ 15; OLG Hamm NStZ-RR 2011 190; KG StraFo 2014 36. 206 BTDrucks. 13 906 S. 14. 207 OLG Jena NStZ 2007 421; OLG Hamm NStZ-RR 2008 189; KG StraFo 2014 36; KG StV 2018 340 Ls. und Beschl. vom 9.9.2019 – 2 Ws 141/19. 208 BTDrucks. 13 9062 S. 14; OLG Jena StV 2018 376 Ls. 209 KG Beschl. vom 22.11.2013 – 2 Ws 558/13; Beschl. vom 25.7.2017 – 2 Ws 131/17; Beschl. vom 9.9.2019 – 2 Ws 141/19; StV 2018 340 Ls.; OLG Hamm NStZ-RR 2008 189. 210 KG NStZ 1999 319. 211 OLG Hamm NStZ-RR 2008 189; OLG Hamm Beschl. vom 30.8.2018 – 3 Ws 363/18; KG Beschl. vom 22.11.2013 – 2 Ws 558/13. 212 OLG Jena NStZ-RR 2007 421.

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hörung des Sachverständigen dar.213 Zweifel an der Eindeutigkeit und Wirksamkeit der Verzichtserklärung kann das Gericht im Wege des Freibeweises aufklären. Verbleiben Zweifel, ob eine Verzichtserklärung eindeutig und wirksam ist, so ist der Sachverständige mündlich zu hören. 65

3. Gelegenheit zur Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten (Absatz 2 Satz 3). Absatz 2 Satz 3 verpflichtet das Gericht, der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung bei der mündlichen Anhörung des Sachverständigen zu geben. Das gilt unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens auch für einen von dem Verurteilten beauftragten Privatsachverständigen.214 Diese Formulierung lehnt sich an die in § 255a Abs. 2 Satz 1 an. Die insoweit zu § 255a Abs. 2 Satz 1 entwickelten Grundsätze215 sind entsprechend anzuwenden. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte, sein Verteidiger und die Justizvollzugsanstalt sind von dem Termin zur mündlichen Anhörung des Sachverständigen zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung ist von Gesetzes wegen an keine Frist und auch an keine Form gebunden. Das auch im Aussetzungsverfahren geltende Beschleunigungsgebot verpflichtet das Gericht jedoch, unverzüglich nach der Vorlage des Sachverständigengutachtens Termin zur mündlichen Anhörung anzuberaumen und die Verfahrensbeteiligten hiervon zu unterrichten. Einer förmlichen Ladung bedarf es nicht, weil die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte, sein Verteidiger und die Justizvollzugsanstalt zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, an der mündlichen Anhörung teilzunehmen und aus einer Nichtteilnahme für sie keine Folgen erwachsen. Die Benachrichtigung sollte in aller Regel schriftlich erfolgen. Sie kann aber auch mündlich oder fernmündlich oder per Mail vorgenommen werden, etwa wenn dies aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung geboten erscheint.

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4. Durchführung der mündlichen Anhörung (Absatz 2 Satz 3). Die Durchführung der mündlichen Anhörung des Sachverständigen regelt Absatz 2 Satz 3 im Gegensatz zu der früheren gesetzlichen Regelung im Einzelnen nicht mehr. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte, sein Verteidiger und die Justizvollzugsanstalt sind zwar zur Teilnahme berechtigt, aber nicht verpflichtet. Auf die Verlegung eines anberaumten Anhörungstermins haben sie keinen Anspruch.216 Im Rahmen des ihm obliegenden pflichtgemäßen Ermessens kann das Gericht aber stets von Amts wegen bei Verhinderung eines Verfahrensbeteiligten einen bereits festgesetzten Anhörungstermin verlegen, wenn es aus Gründen der Sachaufklärungspflicht oder wegen des Gebots des fairen Verfahrens die Teilnahme eines ganz bestimmten Verfahrensbeteiligten bei der Anhörung des Sachverständigen für geboten erachtet. Die mündliche Anhörung des Sachverständigen ist auch dann nicht entbehrlich, wenn dieser schriftlich lediglich eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zu einem von ihm erstellten früheren Gutachten zu dem Verurteilten vorgelegt hat und zwischen jenem Gutachten und der Anhörung ein Zeitraum von fast zwei Jahren und die ergänzende Stellungnahme eigenständige und bedeutende Aussagen grundlegender Art enthält.217 Wird im Rahmen der Aussetzungsentscheidung nach Ab213 KG Beschl. vom 16.9.2019 – 2 Ws 144/19; OLG Hamm NStZ-RR 2016 319; OLG Düsseldorf NStZ 2011 716 (für von der Vollzugseinrichtung eingeholtes externes Gutachten); ebenso OLG Braunschweig NStZ 2011 125. 214 OLG Hamm NStZ-RR 2016 319; OLG Düsseldorf NStZ 2011 716; ebenso OLG Braunschweig NStZ 2011 125. 215 KK/Diemer § 255a, 10; Meyer-Goßner/Schmitt § 255a, 8a. 216 BTDrucks. 14 8586 S. 14. 217 OLG Celle Beschl. vom 18.2.2019 – 2 Ws 21/19.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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satz 2 ein Sachverständigengutachten verwandt, so ist der Sachverständige auch dann mündlich anzuhören, wenn es sich um ein in einem früheren Verfahren erstattetes Gutachten handelt.218 Die mündliche Erörterung des Sachverständigengutachtens in Anwesenheit der Ver- 67 fahrensbeteiligten soll Letzteren Gelegenheit zur Mitwirkung im Anhörungstermin bieten und insbesondere ermöglichen, das Sachverständigengutachten eingehend zu diskutieren, das Votum des Sachverständigen zu hinterfragen219 und zu dem Gutachten Stellung zu nehmen. Es ist stets derjenige Sachverständige mündlich zu hören, der das Gutachten erstattet hat. Die vorangegangene mündliche Anhörung des Sachverständigen durch andere Richter genügt der gesetzlichen Vorgabe nicht, weil die Verpflichtung, den Sachverständigen mündlich zu hören, nicht nur der Verwirklichung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör dient, sondern vor allem die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vorbereiten und ihre materielle Richtigkeit gewährleisten soll. Das setzt voraus, dass die zur Entscheidung berufenen Richter den Sachverständigen mündlich anhören.220 Hat das Gericht bei Zweifeln an der Tragfähigkeit des Prognosegutachtens einen weiteren Sachverständigen beauftragt, so sind beide Sachverständige mündlich zu hören.221 Die mündliche Anhörung des Sachverständigen kann trotz eines wirksamen Verzichts aller Verfahrensbeteiligten zur Sachaufklärung insbesondere dann geboten sein, wenn das Gericht erwägt, die Vollstreckung eines Strafrestes trotz eines entgegenstehenden schriftlichen Prognosegutachtens zur Bewährung auszusetzen.222 Was im Einzelnen zum Gegenstand der mündlichen Anhörung gemacht werden kann, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Gewährung rechtlichen Gehörs223 sowie nach der dem Gericht obliegenden umfassenden Verpflichtung, alle ihm möglichen Erkenntnisquellen über eine etwa fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten auszuschöpfen.224 Eine mündliche Anhörung des Sachverständigen ist im Verfahren nach § 57 Abs. 1 StGB auch dann erforderlich, wenn das Gericht ihn nur wenige Monate zuvor im Verfahren nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB mündlich angehört hatte.225 Die Sachaufklärungspflicht gebietet es nämlich, alle für die zu treffende Prognose relevanten Tatsachen für die Entscheidung zu erheben, zu bewerten und einzubeziehen. Zur Durchführung der mündlichen Anhörung des Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung vgl. Erl. zu § 463e, 10. Zur Durchführung der Anhörung des Sachverständigen bedarf es weder der Zuzie- 68 hung eines Urkundsbeamten noch der Anfertigung eines förmlichen Protokolls.226 Aus Gründen der Aktenvollständigkeit, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 74 Abs. 1, § 24), erscheint es aber angebracht, einen hinreichend ausführlich verfassten Vermerk über die Anhörung an Ort und Stelle anzufertigen und zu den Akten zu nehmen, in dem die von den Verfahrensbeteiligten an den Sachverständigen gerichteten Fragen und dessen Antworten sowie abgegebene Erklärungen und sonstige Reaktionen festgehalten werden. Ansonsten kann auch das Beschwerdegericht auf eine sofortige Beschwerde des 218 219 220 221 222 223 224 225 226

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OLG Brandenburg StV 2020 509 Ls. BTDrucks. 13 9062 S. 14. KG StraFo 2014 36. OLG Frankfurt NStZ-RR 2003 315. OLG Celle NdsRpfl. 2003 324. BTDrucks. 13 9062 S. 14. BTDrucks. 13 9062 S. 14. OLG Bremen NStZ 2010 106. Vgl. Rn. 39.

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Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft nicht prüfen, ob die Entscheidungsgründe nach dem Ergebnis der mündlichen Anhörung des Sachverständigen und des Verurteilten tragen.227 5. Pflichtverteidigerbestellung. Ob die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Erkenntnisverfahren im Vollstreckungsverfahren fortwirkt und ob verneinendenfalls § 140 Abs. 2 direkt oder analog im Vollstreckungsverfahren anwendbar ist,228 ist umstritten. Die – vornehmlich im Schrifttum geführte – Diskussion führt letztlich nicht weiter. Im Vollstreckungsverfahren ist in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 die Bestellung eines Verteidigers stets dann geboten, wenn die Sach- oder Rechtslage dessen Mitwirkung erforderlich erscheinen lässt oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Verurteilte – aus welchen Gründen auch immer − nicht selbst verteidigen kann.229 Im Verfahren nach § 454 Abs. 2 ist die Bestellung eines Verteidigers grundsätzlich 70 geboten, sofern der Verurteilte einen Verteidiger nicht bereits gewählt hat.230 Angesichts der Komplexität des Verfahrens nach § 454 Abs. 2 ist der Anspruch eines Verurteilten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip) nur bei Bestellung eines Verteidigers hinreichend sichergestellt, denn bei dem Überprüfungsverfahren nach Absatz 2 ist regelmäßig von einer besonderen Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage auszugehen. Demgemäß wird in der Praxis kaum Raum für die Bestellung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 2 1. Alt. (wegen der Schwere der Tat) und 3. Alt. (Verteidigungsunfähigkeit des Verurteilten) bestehen. Allerdings werden Gesichtspunkte, die danach die Bestellung eines Verteidigers gebieten würden, auch bei der Frage, ob die vollstreckungsrechtliche Sach- oder Rechtslage schwierig ist, eine Rolle spielen (z. B. Alter, intellektuelle Fähigkeiten, mangelnde deutsche Sprachkenntnisse).231 Ihren Zweck, den Anspruch des Verurteilten auf ein faires Verfahren im Vollstre71 ckungsverfahren zu sichern, wird die Bestellung eines Verteidigers nur dann gerecht, wenn sie zeitgerecht erfolgt. Das bedeutet, dass sie rechtzeitig vor der Einleitung des Überprüfungsverfahrens anzuordnen ist. Der bestellte Verteidiger muss nämlich in die Lage versetzt werden, die oftmals umfangreichen Akten (einschließlich Vollstreckungsheft) einzusehen und Gelegenheit erhalten, sich zu der Auswahl des Sachverständigen dem Gericht gegenüber zu äußern.232 Das Gericht ist aufgrund des auch im Vollstreckungsverfahren geltenden Anspruchs 72 auf ein faires Verfahren gehalten, den übrigen am Überprüfungsverfahren Beteiligten, namentlich dem Verurteilten, seinem – bestellten – Verteidiger und der Staatsanwaltschaft vor Beauftragung des Sachverständigen Gelegenheit zur Stellungnahme zur Auswahl des Sachverständigen zu geben.

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227 KG NStZ 2007 119; OLG Hamm RuP 2004 42 mit Anm. Pollähne. 228 Direkte Anwendung: LR/Jahn § 140, 115; Laubenstein Verteidigung im Strafvollzug, Diss. Frankfurt/M. 1984, 183; Hartmann-Hilter StV 1988 312; Litwinski/Bublies Strafverteidigung im Strafvollzug (1989) 146 ff.; analoge Anwendung: KK/Willnow § 141, 11; Meyer-Goßner/Schmitt § 140, 33. 229 OLG Schleswig NStZ-RR 2008 253; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004 19; KG StV 2007 94. 230 Zurückhaltender KK/Willnow § 141, 11; Meyer-Goßner/Schmitt § 140, 33, 33a m. w. N. 231 OLG Frankfurt StV 2015 229; KG NStZ-RR 2006 284 f.; StraFo 2006 342; OLG Hamm StraFo 2005 391 f.; Beschl. vom 9.12.2014 – III – 3 Ws 432/12 mit Anm. Janssen/Rueber-Unkelbach jurisPR-StrafR 16/ 2015 Anm. 4; OLG München StV 2015 49; bei dissozial-narzistischer Persönlichkeitsstörung OLG Hamburg StraFo 2018 86 f.; OLG Zweibrücken Beschl. vom 18.8.2016 – 1 Ws 198/16; umfassende Kasuistik bei LR/ Jahn § 140, 118 m. w. N. 232 OLG Braunschweig StV 2008 590 mit zust. Anm. Steck-Bromme.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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6. Verfahrensmängel. Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Einholung 73 eines Sachverständigengutachtens können auf eine sofortige Beschwerde des Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft (§ 454 Abs. 3) zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer führen.233 Ein derartiger Verfahrensmangel liegt etwa dann vor, wenn das Gericht von der Einholung eines Gutachtens absieht, obwohl es hierzu nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 oder Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 verpflichtet gewesen wäre.234 Die Heilung des Mangels im Beschwerdeverfahren ist zwar im Hinblick auf § 308 Abs. 2 nicht von vornherein ausgeschlossen, denn danach kann das Beschwerdegericht Ermittlungen anordnen oder selbst vornehmen.235 Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ist das Beschwerdegericht nach dessen Eingang jedoch nicht in der Lage, die Entscheidung in der Sache selbst (§ 309 Abs. 2) zu treffen. Vielmehr müsste es die mündliche Anhörung des Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 selbst durchführen. Dabei handelt es sich gerade nicht um Ermittlungen, die das Beschwerdegericht nach § 308 Abs. 2 anordnen oder selbst vornehmen kann, sondern vielmehr um eine gesetzlich verankerte Pflicht für die Strafvollstreckungskammer.236 Eine unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 stellt daher einen Verfahrensmangel dar, der auf eine sofortige Beschwerde stets zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer führt.237 Soweit die Strafvollstreckungskammer eine Prognoseentscheidung trifft, die von einem zeitnah erstellten Sachverständigengutachten abweicht, hat sie sich grundsätzlich nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen mit dem Gutachten in den Beschlussgründen auseinanderzusetzen.238 Unterlässt die Strafvollstreckungskammer die mündliche Anhörung des Sachverständigen, so führt dies im Beschwerdeverfahren regelmäßig zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung, selbst wenn alle Verfahrensbeteiligten wirksam auf dessen mündliche Anhörung verzichtet hatten. Nach Durchführung eines gesetzlich gebotenen Anhörungstermins durch die Strafvollstreckungskammer ist es erforderlich, dass die an der Anhörung teilnehmenden Richter die nachfolgende Entscheidung auch selbst treffen.239 Eine unterlassene Verteidigerbestellung im Überprüfungsverfahren nach Absatz 2 74 stellt regelmäßig einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, der auf eine sofortige Beschwerde zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer führt.240 Die Bestellung eines Verteidigers ist nach § 140 Abs. 2 im Vollstreckungsverfahren bei Entscheidungen über die

233 LG Zweibrücken StV 2002 434. 234 Zu einzelnen Verfahrensmängeln, vgl. OLG Köln NStZ-RR 2000 317; OLG Hamm Beschl. vom 14.8.2018 – 3 Ws 355/18; OLG Naumburg Beschl. vom 17.11.2017 – 1 Ws(s) 328/17 (Weigerung der Mitwirkung des Verurteilten an der Begutachtung); OLG Bremen StV 2015 233 f. (Berücksichtigung eines von der Justizvollzugsanstalt in Auftrag gegebenen Gutachtens); OLG Celle StraFo 2017 344 (Absehen von der Einholung eines Prognosegutachtens nach § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 nach Absehen von der weiteren Vollstreckung nach § 456a Abs. 1); BGH NStZ-RR 2012 8 (Zugrundelegung eines 1 ½ Jahre alten Prognosegutachtens ohne mündliche Anhörung des Sachverständigen oder Einholung eines neuen Gutachtens); OLG Zweibrücken NStZ 2018 605 (bei erheblichen Mängeln des Sachverständigengutachtens). 235 LR/Matt26 § 309, 1, 12; KK/Zabeck § 309, 2. 236 BTDrucks. 13 9062 S. 14. 237 Einschränkend OLG Köln NStZ-RR 2000 317. 238 KG StraFo 2014 306. 239 KG StraFo 2014 437. 240 OLG Bremen StV 2008 531.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Aussetzung des Strafrestes nach § 57 StGB zulässig,241 bei Entscheidungen über die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57a StGB sogar in aller Regel geboten.242 Im Überprüfungsverfahren nach Absatz 2 gebietet das Gebot des fairen Verfahrens die Bestellung eines Verteidigers, sofern der Verurteilte selbst einen solchen nicht gewählt hat, ohne dass es eines förmlichen Antrags des Verurteilten insoweit bedarf. Bei der obligatorischen Anhörung eines Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3, die der mündlichen Erörterung des Gutachtens dient und die in der Praxis mit der Anhörung des Verurteilten nach Absatz 1 Satz 3 überwiegend zusammen durchgeführt wird, kann Letzterer die gesetzlich geregelte Gelegenheit zur Mitwirkung in aller Regel nur mit Hilfe eines Verteidigers sachgerecht wahrnehmen. Einer dem Gericht nach Erhalt der Ladung mitgeteilten Verhinderung des Verteidigers im Anhörungstermin wird das Gericht in der Regel durch Anberaumung eines neuen Termins Rechnung zu tragen haben,243 sofern nicht wichtige Gründe entgegenstehen. Vor Anberaumung eines neuen Anhörungstermins empfiehlt sich eine in den Akten zu dokumentierende Terminabsprache mit dem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und dem Sachverständigen sowie der Justizvollzugsanstalt, um unnötige Terminkollisionen von vornherein zu vermeiden. Denn nach den Intentionen des Gesetzgebers soll der Anhörungstermin den Verfahrensbeteiligten gerade die Gelegenheit geben, das Sachverständigengutachten eingehend zu diskutieren und auch das Votum des Sachverständigen zu hinterfragen.244 Dass der von dem Gutachten über seine Person unmittelbar betroffene Verurteilte zu einer distanzierten Auseinandersetzung nur schwerlich in der Lage sein dürfte, liegt auf der Hand.

XIII. Änderung durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (Absatz 4 Satz 1) 1. Zweck der Regelung. Der Referentenentwurf des BMJ und auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung245 sahen keine Änderung des § 454 vor. Erst auf die Beschlussempfehlung des BTRAussch. wurden § 246a und in dessen Folge für das Verfahren über die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung § 454 geändert. Nach dem neuen § 246a Abs. 2 soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf, wenn Anklage wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat – also wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a und 182 StGB – zum Nachteil eines Minderjährigen erhoben worden ist und die Erteilung einer Therapieweisung in Betracht kommt. Durch den Verweis in Absatz 4 Satz 1 auf § 246a Abs. 2 findet diese Regelung auch im Verfahren über die Vollstreckung von Restfreiheitsstrafe zur Bewährung entsprechende Anwendung.246 76 Der Regelung in Absatz 4 Satz 1 hätte es nicht bedurft, denn durch den darin bereits enthaltenen Verweis auf § 453 wäre § 246a Abs. 2 ohnehin im Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung entsprechend anwendbar 75

241 OLG Hamm NStZ-RR 1999 319; KG StV 2007 94; Rotthaus NStZ 2000 350. 242 BVerfG NJW 1992 2947, 2954. 243 OLG Köln StV 2006 430; OLG Frankfurt NJW 2004 1680 Ls. = StV 2005 279 Ls. für den Antrag auf Verlegung des Anhörungstermins nach § 454 Abs. 1 Satz 3; OLG Oldenburg NStZ-RR 2007 156.

244 BTDrucks. 13 9062 S. 14. 245 BTDrucks. 17 6261. 246 BTDrucks. 17 6261 S. 22.

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gewesen. Die jetzige Regelung hebt aber noch einmal die entsprechende Anwendung von § 246a Abs. 2 ausdrücklich hervor. 2. Voraussetzungen für die Einholung eines Sachverständigengutachtens (Ab- 77 satz 4 Satz 1 i. V. m. § 453). Die Regelung des Absatzes 4 Satz 1 erweitert die Voraussetzungen, unter denen ein Sachverständigengutachten eingeholt wird. Nach dem bisherigen Recht war das Gericht nur unter den Voraussetzungen von Absatz 2 Satz 1 verpflichtet, das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder einer zeitigen Freiheitsstrafe wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen. Die Neuregelung in Absatz 4 Satz 1 erweitert die Pflicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens auf alle Fälle, in denen der Verurteilte wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen verurteilt worden ist. Auf die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe kommt es nicht mehr an. Damit besteht über die Pflicht zur Einholung eines Sachverständigengutachten aus generalpräventiven Erwägungen („Gründe der öffentlichen Sicherheit“) nach Absatz 2 Satz 1 hinaus jetzt die Pflicht („… soll ein Sachverständiger … vernommen werden …“), einen Sachverständigen dann zu vernehmen, wenn der Verurteilte zu einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen verurteilt worden und eine Aussetzung der Restfreiheitsstrafe nach Absatz 1 zu prüfen ist. In diesen Fällen stehen spezialpräventive Erwägungen im Vordergrund, denn mit Hilfe des Sachverständigen soll das Gericht klären, ob der Verurteilte einer Betreuung und Behandlung im Rahmen einer Therapieweisung bedarf.247 a) Anklage wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil von 78 Minderjährigen. Während § 246a Abs. 2 auf eine Anklageerhebung wegen einer in § 181b StGB genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen als Voraussetzung für die Vernehmung eines Sachverständigen abstellt, bedarf es bei der Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, einer Verurteilung wegen einer solchen Straftat. Sofern es im Erkenntnisverfahren – aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auch immer – nicht zu einer entsprechenden rechtskräftigen Verurteilung gekommen ist, besteht jedenfalls nach Absatz 4 Satz 1 i. V. m. § 453 keine Pflicht, aus spezialpräventiven Erwägungen einen Sachverständigen nach § 246a Abs. 2 hinzuziehen. Vielmehr hat das Gericht aufgrund der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Sachaufklärungspflicht stets auch über Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 i. V. m. § 453 hinaus von Amts wegen unabhängig von der der Verurteilung zugrunde liegenden Straftat zu prüfen, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens angezeigt erscheint. b) Erforderlichkeit. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es bei 79 Vorliegen einer Anlasstat nur dann, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Verurteilte einer psychiatrischen, psycho- oder sozialtherapeutischen Betreuung und Behandlung (Therapieweisung) bedarf. Der Sachverständige soll dem Gericht Rat und Hilfe leisten, ob eine Therapieweisung überhaupt angezeigt ist und wie sie ggf. ausgestaltet sein sollte, um eine bestmögliche Betreuung und Behandlung des Verurteilten zu gewährleisten. Ist es aufgrund der Anlasstat und/oder des Verhaltens des Verurteilten 247 BTDrucks. 17 12735 S. 21.

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im Vollzug offenkundig, dass dieser eine entsprechende Betreuung und Behandlung im Rahmen einer Therapieweisung benötigt, so kann ein Sachverständiger dem Gericht allenfalls noch bei der Frage der Ausgestaltung der Betreuung beratend zur Seite stehen. 80

c) Anhörung des Sachverständigen (Absatz 4 Satz 1 i. V. m. § 453 Abs. 1 Satz 2, § 454 Abs. 2 Satz 4). Der Sachverständige ist grundsätzlich im Aussetzungsverfahren mündlich zu hören. Es reicht nicht aus, dass der Sachverständige sein Gutachten schriftlich erstattet. Nur wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft auf eine mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichten,248 kann das Gericht ausnahmsweise davon absehen. Es ist dazu aber nicht verpflichtet. Hält das Gericht vielmehr eine mündliche Anhörung des Sachverständigen zur Aufklärung im Aussetzungsverfahren für geboten, so hört es den Sachverständigen an, wobei es aber dann auch dem Verurteilten, seinem Verteidiger, der Staatsanwaltschaft und Vollzugsanstalt Gelegenheit zur Mitwirkung geben sollte, auch wenn dies für den Verteidiger und die Vollzugsanstalt nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, da Absatz 2 Satz 3 nicht entsprechend anwendbar ist.

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3. Verfahrensmängel. Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Anhörung des Sachverständigen nach Absatz 4 Satz 1 i. V. m. § 246a Abs. 2, §§ 453, 454 Abs. 2 Satz 4 können auf eine sofortige Beschwerde des Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft (Absatz 3) zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer führen. Ein solcher Verfahrensmangel kann dann vorliegen, wenn das Gericht von der Einschaltung eines Sachverständigen nach Absatz 4 Satz 1 i. V. m. § 246a Abs. 2 abgesehen hat, obwohl es dazu verpflichtet gewesen wäre. Ebenso stellt eine unterlassene mündliche Anhörung des Sachverständigen ohne wirksame Verzichtserklärung des Verurteilten, seines Verteidigers und der Staatsanwaltschaft stets einen Verfahrensmangel dar, der das Beschwerdegericht zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nötigt.

XIV. Entscheidung über die Anrechnung der Freistellung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG (Absatz 1 Satz 5) 82

Zugleich mit der Aussetzungsentscheidung nach Absatz 1 Satz 1 hat das Gericht die Entscheidung über die Anrechnung der Freistellung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG nach Absatz 1 Satz 5 zu treffen. Nach § 43 Abs. 6 Satz 1 StVollzG wird ein Gefangener nach zweimonatiger zusammenhängender zugewiesener Tätigkeit auf Antrag einen Werktag von der Arbeit freigestellt. Stellt der Gefangene keinen Freistellungsantrag oder kann die Freistellung nicht gewährt werden, so wird die Freistellung nach § 43 Abs. 6 Satz 1 StVollzG von der Justizvollzugsanstalt auf den Entlassungszeitpunkt des Gefangenen angerechnet (§ 43 Abs. 9 StVollzG). Eine Anrechnung ist jedoch unter anderem dann ausgeschlossen, wenn dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung die Lebensverhältnisse des Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern (§ 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG). Das Gericht entscheidet damit zugleich mit der Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 darüber, ob dem Verurteilten während des Strafvollzuges erworbene Ansprüche auf nicht-

248 BTDrucks. 17 12735 S. 22.

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monetäre Vorteile nachträglich wieder entzogen werden und der Verurteilte damit auf die Möglichkeit der Ausgleichsentschädigung nach § 43 Abs. 11 StVollzG verwiesen wird. Das Gericht ist nach Absatz 1 Satz 5 verpflichtet, zugleich mit der Aussetzungsent- 83 scheidung darüber zu befinden, ob eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG ausgeschlossen ist. Sofern die Voraussetzungen von § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG vorliegen, ist ein Ausschluss der Anrechnung obligatorisch. In einem solchen Fall kommt in aller Regel eine Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung nicht in Betracht. Die fehlende Kompatibilität der Voraussetzungen von Haftverkürzung nach § 43 Abs. 9 StVollzG einerseits und Strafrestaussetzung nach §§ 57 ff. StGB249 andererseits schließt jedoch bei gleichzeitigem Ausschluss der Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG nicht zwingend auch eine Strafrestaussetzung aus, wenngleich dies in der Praxis nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht kommen dürfte. Nach § 43 Abs. 9 StVollzG wird die Freistellung des Gefangenen von der Arbeit (§ 43 84 Abs. 6 Satz 1 StVollzG) bereits von der Justizvollzugsanstalt auf den Entlassungszeitpunkt des Gefangenen angerechnet. Ordnet das Gericht zugleich mit der Aussetzungsentscheidung an, dass eine Anrechnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG ausgeschlossen ist, so ist die Strafzeit unter Ausschluss der Anrechnung der Freistellung neu zu berechnen. Die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 5, die stets zugleich mit der Aussetzungsent- 85 scheidung nach Absatz 1 Satz 1 ergeht, kann nur mit ihr zusammen angefochten werden, denn es handelt sich um eine einheitliche Entscheidung.

XV. Anhörung bei Aussetzung des Strafrestes vor Rechtskraft des Urteils Über die Aussetzung des Strafrestes kann ausnahmsweise schon vor der absoluten 86 Rechtskraft des die Freiheitsstrafe festsetzenden Urteils entschieden werden, nämlich dann, wenn infolge von Anrechnung – meist von Untersuchungshaft, aber auch sonstigen Freiheitsentziehungen oder Geldstrafen – ein Teil der festgesetzten Freiheitsstrafe erledigt ist und dieser Teil als verbüßte Strafe i. S. von § 57 Abs. 1 bis 3 StGB gilt (§ 57 Abs. 4 StGB) und durch Rechtsmittelverzicht der Staatsanwaltschaft relative Rechtskraft eingetreten ist. In diesem Fall kann das erkennende Gericht im Anschluss an die Urteilsverkündung durch Beschluss die Aussetzung des Strafrestes anordnen.250 Hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung beantragt, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, so genügt das Gericht seiner Pflicht, die Staatsanwaltschaft zu hören, dadurch, dass es dem Sitzungsvertreter Gelegenheit gibt, zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Einer Anhörung der Vollzugsanstalt bedarf es in diesem Fall nicht.251

XVI. Entscheidung 1. Zeitpunkt. Das Verfahren nach den Absätzen 1 und 2 hat das Gericht so rechtzei- 87 tig einzuleiten, dass dem auch im Aussetzungsverfahren geltenden Beschleunigungsge249 Radtke ZfStrVo 2001 9. 250 BGH MDR 1959 1022; OLG Köln NJW 1954 205; OLG Koblenz MDR 1975 666; Sandermann JZ 1975 628; a. A. OLG Schleswig SchlHA 1976 44; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1972 214; JR 1976 31, wonach zur Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes die Strafvollstreckungskammer des Bezirks zuständig ist, in dem sich die Untersuchungshaftanstalt befindet, und der Verurteilte vor dieser Strafvollstreckungskammer zu hören ist. Dagegen mit Recht Peters JR 1976 32. 251 OLG Köln JMBlNRW 1960 107.

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bot genüge getan wird. Dabei kommt es hinsichtlich des genauen Zeitpunkts der Einleitung des Aussetzungsverfahrens auf die Umstände des Einzelfalls an. 88

2. Form. Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren durch förmlichen Beschluss.252 Die Verkündung im Anhörungstermin ist unzulässig. § 35 Abs. 1 Satz 1 ist mithin nicht anwendbar.253 Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Verurteilte und die Justizvollzugsanstalt gleichzeitig Kenntnis davon erlangen, ob der Vollzug fortzusetzen ist oder ob Entlassungsvorbereitungen beschleunigt eingeleitet werden müssen. 3. Inhalt

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a) Allgemeines. Zu einer umfassenden Wertung ist grundsätzlich die Kenntnis der Hauptakten (nicht nur die des Vollstreckungshefts) erforderlich.254 Der nach Absatz 3 Satz 1 mit sofortiger Beschwerde anfechtbare schriftliche Beschluss ist zu begründen (§ 34). Er muss, sofern sich das Vorbringen des Verurteilten nicht schon aus einem entsprechenden Aktenvermerk ergibt, die wesentlichen Gesichtspunkte wiedergeben, die der Verurteilte für eine vorzeitige Aussetzung des Strafrestes vorgebracht hat.255 Formelhafte Wendungen ohne Eingehen auf den konkreten Sachverhalt genügen nicht zur Begründung.256 Die Verwendung von Vordrucken oder Dokumentvorlagen erfordert Umsicht.257 Es reicht nicht aus, sich formelhaft auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten, eine (ablehnende) Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt258 oder einen unzureichend begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft zu beziehen. Das Gericht hat vielmehr die seine Entscheidung tragenden Gründe mitzuteilen. Andernfalls kann im Falle einer sofortigen Beschwerde das Beschwerdegericht die gerichtliche Entscheidung nicht hinreichend prüfen. Tatsächlich sind aber knappe und formelhafte Beschlussbegründungen nicht selten.259 Die die Aussetzung des Strafrestes ablehnende Entscheidung kann mit einer Antragssperre (Rn. 103 f.) verbunden werden.260

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b) Besonderheiten bei Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die für die Entscheidung über die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bedeutsame Frage, ob eine besondere Schwere der Schuld vorliegt, hat zufolge des Prozessgrundrechts auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das Schwurgericht in der Hauptverhandlung zu treffen.261 Dieses muss – entgegen der früheren Rechtsprechung, wonach die Verhängung einer absoluten (lebenslangen) Freiheitsstrafe keine ins Einzelne gehende Schuldabwägung erforderte – die für die Bewertung der Schuld erheblichen Tatsachen nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, und zwar mit für das Vollstreckungsgericht bindender Wirkung, bereits im Er-

252 KK/Appl 31; Meyer-Goßner/Schmitt 38. 253 Meyer-Goßner/Schmitt 40; KMR/Stöckel 69; SK/Paeffgen 38; OLG München NJW 1976 254; Treptow NJW 1975 1105. OLG Karlsruhe Justiz 1976 132; OLG Saarbrücken StraFo 2007 390. OLG Düsseldorf NJW 1975 1526; Bringewat 59. OLG Düsseldorf StV 1995 538; OLG Hamburg StV 2010 83. OLG Hamm GA 1970 220; Bringewat 59. BVerfG NJW 1998 2202; StV 2003 677. Vgl. dazu und wegen der Gründe und Nachteile eines solchen Verfahrens Doller DRiZ 1976 170. Meyer-Goßner/Schmitt 41; Bringewat 59. BVerfGE 86 288.

254 255 256 257 258 259 260 261

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kenntnisverfahren feststellen und im Urteil würdigen.262 Wenn danach auch die eigentliche Schuldgewichtung dem erkennenden Gericht obliegt, so verbleibt der Strafvollstreckungskammer gleichwohl auch weiterhin eine eigene auf den Entscheidungszeitpunkt bezogene vollstreckungsrechtliche Gesamtwürdigung. Sie muss weiterhin prüfen, ob die vom Schwurgericht festgestellte besondere Schuldschwere mit Rücksicht auf den Schutzzweck des Strafrechts die weitere Vollstreckung der Strafe noch gebietet.263 Dabei darf sie auch tatirrelevante sowie in der Person des Verurteilten liegende Umstände berücksichtigen.264 Soweit die Vollstreckungsgerichte über Aussetzungsanträge von Verurteilten zu ent- 91 scheiden hatten, die vor dem 3.6.1992 ergangen waren und in denen das Tatgericht die Schuld des Angeklagten noch nicht in der nunmehr geforderten Weise gewichtet hatte (Altfälle), hat das Bundesverfassungsgericht eine dahingehende Übergangsregelung – diese konnte einen Zeitraum bis zum Jahre 2007 umfassen – getroffen, dass das Vollstreckungsgericht zu Lasten des Verurteilten nur das dem Urteil zugrunde liegende Tatgeschehen und nur solche Umstände berücksichtigen darf, die einer revisionsrechtlichen Überprüfung zugänglich sind. Ausführungen über Beweggründe, Ziele und Gesinnung des Täters hatten mithin, falls sie nicht der Annahme eines Mordmerkmals dienten, außer Betracht zu bleiben.265 Für die Schuld mindernde Gesichtspunkte galt diese Einschränkung nicht.266 In allen Fällen (Verurteilung vor oder nach dem 3.6.1992) verlangt das Bundesver- 92 fassungsgericht in verfassungskonformer Auslegung des § 454 darüber hinaus,267 dass die Strafvollstreckungskammer im Falle der Ablehnung der Strafaussetzung bestimmt, bis wann die Vollstreckung fortzusetzen ist. Der Entlassungszeitpunkt muss so rechtzeitig festgelegt werden, dass die bedingte Entlassung durch die Vollzugsbehörde nicht verzögert wird.268 4. Zeitpunkt der Wirksamkeit des Aussetzungsbeschlusses. Streitig ist, ob der 93 die Aussetzung des Strafrestes anordnende Beschluss mit seinem Erlass oder, wenn ein bestimmter Entlassungstag festgesetzt ist, mit dessen Erreichung wirksam wird – mit der Folge, dass der Verurteilte ggf. alsbald zu entlassen ist269 – oder ob die Wirksamkeit erst mit der Rechtskraft des Beschlusses eintritt und eine Entlassung vor Rechtskraft nur in Betracht kommt, wenn die Staatsanwaltschaft eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie keine sofortige Beschwerde einlegen werde.270 Den Vorzug verdient die 262 BVerfGE 86 318; OLG Frankfurt NStZ 1992 54; Meurer (Zusammenfassung der Leitsätze) JR 1992 443 I 1 bis 9, (Kritik namentlich zur Bewertung der Schuldschwere und deren revisionsrechtliche Überprüfung) 446 II 6; Stree NStZ 1992 464 f; Elf NStZ 1992 470; KK/Appl 45; Meyer-Goßner/Schmitt 41a; Fischer § 57a, 14 ff. 263 BVerfGE 86 323; Stree NStZ 1992 466 f.; Elf NStZ 1992 459 I B 2; Bringewat 59; Fischer § 57a, 14 ff. 264 BVerfGE 72 116; OLG Karlsruhe NStZ 1983 75; 1990 338; 1991 38; StV 1984 26; MDR 1991 893; JR 1988 163 mit Anm. Müller/Dietz; OLG Frankfurt NJW 1986 598; NStZ 1987 329; OLG Hamm NStZ 1986 315; OLG Düsseldorf NStZ 1990 510; Fischer § 57a, 7. 265 BVerfG NJW 1993 1124; Meurer JR 1992 449 II 10; Stree NStZ 1992 668; KK/Appl 47; Meyer-Goßner/ Schmitt 41a; Fischer § 57a, 9. 266 OLG Frankfurt NStZ 1994 54; Meurer JR 1992 450 II 10d; Stree NStZ 1992 467. 267 Kritisch dazu Geis NJW 1992 2938. 268 BVerfGE 86 331 ff.; zum Zeitpunkt der Antragstellung OLG Karlsruhe StV 1984 29; OLG Hamm NStZ 1993 452; LG Marburg StV 1994 196. 269 So Göke NJW 1958 1671; Pohlmann/Jabel/Wolf § 37, 34. 270 So OLG Saarbrücken JBl. Saar 1961 147; OLG Karlsruhe NJW 1976 814; Krause SchlHA 1961 43; Doller NJW 1977 2153; Eb. Schmidt 21 und Nachtr. 18; KK/Appl 31; Bringewat 60.

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letztere Auffassung, weil die Entlassung vor Rechtskraft und bei noch ausstehender Entschließung der Staatsanwaltschaft über die Beschwerde den Verurteilten in schwierige Lagen bringen kann. Denn abweichend von § 307 hat eine sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufschiebende Wirkung (§ 454 Abs. 3 Satz 2).271 Es soll dadurch vermieden werden, dass der Verurteilte aufgrund des angefochtenen Beschlusses in Freiheit gesetzt, aufgrund einer die Aussetzung des Strafrestes versagenden Beschwerdeentscheidung aber wieder in den Strafvollzug überführt wird. Ist der Verurteilte vor Einlegung der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft bereits entlassen worden, so bewirkt der Suspensiveffekt, dass bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts die Vollstreckungsbehörde den auf freien Fuß befindlichen Verurteilten wieder in Haft nehmen kann.272 94

5. Anordnung der Zustellung der Entscheidung. Der Beschluss ist zuzustellen, und zwar stets auch dem Verurteilten.273 § 36 Abs. 2 Satz 1 gilt nicht. Die Zustellung hat mithin der Vorsitzende des Gerichts anzuordnen (§ 36, 22).274

XVII. Rechtsmittel (Absatz 3) 1. Allgemeines. Gegen den Beschluss, der förmlich auf Versagung oder auf Anordnung der Aussetzung des Strafrestes lautet, ist nach Absatz 2 Satz 1 sofortige Beschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt sind der Verurteilte und die Staatsanwaltschaft, nicht auch ein Dritter275 und auch nicht die Vollzugsbehörde.276 Vorbereitende Entscheidungen – wie die Einholung eines Gutachtens – unterliegen in entsprechender Anwendung des § 305 Satz 1 nicht gesondert der sofortigen Beschwerde. Sie können aber mit der gegen die Entscheidung selbst eingeleiteten sofortigen Beschwerde beanstandet werden.277 Die an Entscheidungen über die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe mitwirkenden Richter sind keine erkennenden Richter mit der Folge, dass gegen die Ablehnung eines gegen sie gerichteten Befangenheitsgesuchs die sofortige Beschwerde statthaft ist.278 Die sofortige Beschwerde279 unterliegt naturgemäß nicht den Beschränkungen 96 nach § 453 Abs. 2 Satz 2 und kann insbesondere auch darauf gestützt werden, dass die gebotene mündliche Anhörung des Verurteilten unterblieben oder zu Unrecht als nicht erforderlich angesehen worden sei oder dass sie, weil dies nicht genüge, nur durch einen beauftragten oder ersuchten Richter (vgl. Rn. 24 f.) durchgeführt worden sei. Die Verweisung in Absatz 3 auf § 453 betrifft, soweit sie sich auf § 453 Abs. 2 Satz 2 bezieht, nur die Anfechtung der bei Anordnung der Aussetzung gemachten Bewährungsauflagen usw. und die Dauer der Bewährungsfrist (§ 57 Abs. 3, § 57a Abs. 3 StGB). Die Entschei95

271 KK/Appl 33; Bringewat 67. 272 OLG Köln NJW 1954 206; OLG München NJW 1956 1210; OLG Karlsruhe MDR 1976 620; Bringewat 67; a. A. Göke NJW 1958 1671; Herkmann Rpfleger 1976 424. 273 OLG Celle MDR 1978 71; KK/Appl 31. 274 Näher dazu Wendisch JR 1978 445; Meyer-Goßner/Schmitt 40. 275 KG JR 1954 272; 1972 430; OLG München MDR 1955 248; OLG Schleswig SchlHA 1958 288; KK/Appl 34; Meyer-Goßner/Schmitt 44. 276 OLG Koblenz StraFo 2017 345. 277 OLG Hamm NStZ 1987 93; Meyer-Goßner/Schmitt 43; Bringewat 64. 278 OLG Hamm StV 2008 530. 279 Wegen der Beschwerdehäufigkeit und Erfolgsquote vgl. die statistischen Angaben bei Doller DRiZ 1976 170.

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dung über die Gewährung oder Versagung der Aussetzung des Strafrestes aber ist in gleicher Weise ohne inhaltliche Beschränkung anfechtbar wie die über die Strafaussetzung nach § 56 StGB.280 Ficht die Staatsanwaltschaft eine ohne Bewährungsauflagen (§ 56b StGB) angeord- 97 nete Aussetzung des Strafrestes an, weil sie nur eine solche unter Bewährungsauflagen für vertretbar hält, so liegt – weil es sich um eine unterlassene Anordnung handelt – eine sofortige Beschwerde i. S. des Absatzes 3 vor, die ohne Beschränkung zulässig ist.281 Wird die Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes mit einer Frist nach § 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 StGB, (§ 454 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2) verbunden und will der Verurteilte nur die Fristsetzung anfechten, so ist ebenfalls nur sofortige Beschwerde zulässig, denn die Fristsetzung gehört zu den „Entscheidungen nach Absatz 1“. Dies ist aus der Erwägung gerechtfertigt, dass mit der Fristsetzung gewissermaßen bereits die während der Frist gestellten Entlassungsanträge im Voraus abgelehnt sind. Wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses ist die sofortige Beschwerde gegen 98 den die Aussetzung des Strafrestes ablehnenden Beschluss unzulässig, wenn der Beschwerdeführer sich nicht gegen die Ablehnung, sondern lediglich gegen die von ihm als diskriminierend empfundenen Gründe der Ablehnung wendet.282 Nichts Anderes gilt für den Fall, dass der Verurteilte sich nicht gegen die Versagung der Aussetzung als solche wehrt, sondern nur die verfrühte Prüfung rügt;283 wenn der Entscheidungsmangel aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann284 oder wenn der Verurteilte noch während des Rechtsmittelverfahrens nach Verbüßung der vollen Strafe aus dem Strafvollzug entlassen wird.285 2. Wirkung des Rechtsmittels a) Staatsanwaltschaft. Soweit die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft 99 sich gegen den Beschluss richtet, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat sie aufschiebende Wirkung. Hat das Gericht für mehrere Freiheitsstrafen eine Strafaussetzung angeordnet, erfasst die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft nur die von ihr angefochtene Entscheidung, so dass es bei der Aussetzung der übrigen verbleibt.286 b) Verurteilter. Die gleiche Wirkung wird man trotz der Beschränkung des Sus- 100 pensiveffekts auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft umgekehrt auch einer sofortigen Beschwerde des Verurteilten einräumen müssen, mit der dieser sich ausnahmsweise – etwa mit der Begründung, dass seine Aussichten auf Unterkunft und Arbeitsplatz für die Zeit nach seiner Entlassung sich zerschlagen hätten – gegen den die Aussetzung anordnenden Beschluss wendet. Denn eine solche Beschwerde enthält einen – bis zur Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses möglichen287 – Widerruf seines Einverständnisses, der zum Erfolg seiner Beschwerde führen muss.

280 281 282 283 284 285 286

OLG Braunschweig NJW 1954 364; Bringewat 64. KK/Appl 38; Bringewat 69. OLG Stuttgart Justiz 1971 146; LG Mainz MDR 1974 857. OLG Düsseldorf JMBlNRW 1982 70; KK/Appl 36. BGH NJW 1973 2035. KK/Appl 36; Meyer-Goßner/Schmitt 45; Bringewat 69. OLG Stuttgart NStZ 1984 363 mit Anm. Ruß; OLG Bamberg Beschl. vom 16.3.2021 – 1 Ws 75/21; Bringewat 67. 287 OLG Celle NJW 1956 1608; OLG Koblenz MDR 1981 425; KK/Appl 34; Bringewat 67.

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3. Beschwerdeverfahren. Absatz 1 Satz 3, der die mündliche Anhörung des Verurteilten vorschreibt, gilt, was mit dem Grundgesetz vereinbar ist,288 nicht in der Beschwerdeinstanz,289 und zwar auch dann nicht, wenn das Oberlandesgericht auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den die Aussetzung des Strafrestes gewährenden Beschluss der Strafvollstreckungskammer die Aussetzung versagen will. Im Einzelfall kann zwar eine mündliche Anhörung zweckmäßig oder sogar geboten sein, so z. B. wenn die Strafvollstreckungskammer schon eine Anhörung vorgenommen hat, das Beschwerdegericht sich aber von einer erneuten mündlichen Anhörung weitere wesentliche entscheidungserhebliche Gesichtspunkte verspricht.290 Im Übrigen gilt aber, dass das Ergebnis der mündlichen Anhörung bereits seinen Niederschlag in den Gründen des erstinstanzlichen Beschlusses gefunden hat und das Gesetz keine Bestimmung enthält, die das Beschwerdegericht zu einer Wiederholung der mündlichen Anhörung zwingt.291 Ist die ordnungsgemäße mündliche Anhörung zu Unrecht in der Vorinstanz unterblieben, so ist es nicht Sache des Beschwerdegerichts, sie selbst nachzuholen. Es liegt vielmehr ein schwerer Verfahrensverstoß vor, der dazu führt, die Sache – abweichend von der Regel des § 309 Abs. 2 – an die Vorinstanz zurückzuverweisen.292 Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, wenn sie objektiv willkürlich ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Entscheidung durch ein sachlich oder örtlich unzuständiges Gericht ergangen ist. Auch wenn die Anhörung nicht von dem erkennenden Gericht durchgeführt worden ist,293 kann eine Aufhebung und Zurückverweisung in Betracht kommen. Die Mitwirkung eines befangenen Richters führt ebenfalls regelmäßig zur Aufhebung und Zurückverweisung.294 Eine rechtsfehlerhaft unterlassene Beauftragung eines Sachverständigen führt in aller Regel aufgrund unzureichender Aufklärung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung.295

XVIII. Rechtskraft ablehnender Entscheidung 102

1. Wirkung. Nach prozessualen Grundsätzen besagt ein Beschluss, der die Aussetzung des Strafrestes aus tatsächlichen Ermessensgründen versagt und infolge Nichtanfechtung oder Verwerfung der sofortigen Beschwerde rechtskräftig wird, nur, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für eine Entlassung zur Bewährung nicht gegeben seien. Dies würde auch gelten, wenn in den Gründen ausgeführt wird, dass eine Entlassung erst erheblich später in Betracht kommt oder überhaupt nicht ge288 BVerfG NStZ 1988 21. 289 BVerfG NJW 1988 1715; OLG Hamm NJW 1975 701; OLG Koblenz GA 1985 235; OLG Düsseldorf NJW 1989 2339; KK/Appl 37; Meyer-Goßner/Schmitt 46; Bringewat 66.

290 OLG Düsseldorf NStZ 1993 407; KK/Appl 37. 291 OLG Hamm NJW 1975 1131; KK/Appl 37; Meyer-Goßner/Schmitt 46; Bringewat 66; a. A. Rieß JR 1976 118: bei abändernder Sachentscheidung ist mündliche Verhandlung notwendig.

292 BGH NStZ 1995 611; OLG Karlsruhe Justiz 1975 477; 1980 91; 1981 365; OLG Düsseldorf NStZ 1981 454; 1993 407; StV 1995 538; StV 1996 221; OLG Hamburg StV 2010 83; OLG Braunschweig StV 2014 158; KG NStZ-RR 2015 323; KK/Appl 10, 37; Meyer-Goßner/Schmitt 47; Bringewat 66. 293 OLG Rostock NStZ-RR 2000 14. 294 OLG Brandenburg NStZ 2005 296; dagegen OLG Hamm StV 2008 530 (Richter der Strafvollstreckungskammer sind keine erkennenden Richter mit der Folge der isolierten Anfechtbarkeit der Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs nach § 28 Abs. 2 Satz 1). 295 BGH NStZ-RR 2012 8; OLG Köln NStZ-RR 2000 317; OLG Stuttgart Justiz 2004 123; OLG Celle NStZRR 2012 29; KG StraFo 2014 306.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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rechtfertigt und volle Verbüßung der Strafe erforderlich ist. Denn diese Gründe nehmen an der Rechtskraft nicht teil. Daraus wurde früher ganz überwiegend296 die Folgerung gezogen, die rechtskräftige Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes hindere die alsbaldige Erneuerung eines solchen Antrags nicht, und zwar unabhängig davon, ob der Beschluss die Aussetzung des Strafrestes nur allgemein als verfrüht oder ob er einen bestimmten frühesten Entlassungszeitpunkt bezeichnet und ob der Verurteilte zur Begründung seines Antrags neue Umstände geltend macht. 2. Sperrfrist für erneute Aussetzungsanträge. Um eine zwecklose Befassung des 103 Gerichts mit alsbald wiederholten aussichtslosen Aussetzungsanträgen auszuschließen, sehen § 57 Abs. 7 und § 57a Abs. 4 StGB vor, dass das Gericht im Versagungsbeschluss – das Gleiche gilt für einen Widerrufsbeschluss – Fristen von höchstens sechs Monaten bzw. zwei Jahren festsetzen kann, vor deren Ablauf ein erneuter Aussetzungsantrag des Verurteilten unzulässig ist. An diese Vorschrift knüpft Absatz 1 Satz 1 an.297 Im Fall der Ablehnung der Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe hat die Strafvollstreckungskammer dabei – unbeschadet sonstiger Voraussetzungen und Möglichkeiten ihrer Aussetzung – zufolge der verfassungsmäßigen Auslegung des § 454 Abs. 1 aus dem Gebot der Rechtssicherheit und der Aufgabe der Wiedereingliederung des Verurteilten den Gesichtspunkt der besonderen Schuldschwere zu berücksichtigen und danach zu entscheiden, bis wann die Vollstreckung fortzusetzen ist.298 Die Frist beginnt mit dem Erlass des Beschlusses, nicht erst mit seiner Rechtskraft.299 Bei wesentlich veränderten Umständen kann das Gericht die Frist abkürzen oder die Fristbestimmung aufheben.300 Einer förmlichen Verwerfung des während des Fristablaufs gestellten unzulässigen 104 Antrags bedarf es nicht.301 Sinngemäß bedarf es auch keiner Nachprüfung der von nicht antragsberechtigten Dritten während der Frist gestellten Anträge. Ein aus besonderem Anlass gestellter früherer Antrag der Staatsanwaltschaft wird durch die Fristbestimmung nicht ausgeschlossen. Richtet der Verurteilte nach gerichtlicher Ablehnung seines Entlassungsantrags eine ausdrücklich als Gnadengesuch bezeichnete Eingabe an die Staatsanwaltschaft, so darf das Gericht sie nicht als erneuten Antrag auf Aussetzung des Strafrestes behandeln.302 Wird der Verurteilte nach einer Fristbestimmung gemäß § 57 Abs. 7 oder § 57a Abs. 4 StGB in den Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer verlegt, so ist diese an die Fristbestimmung nicht gebunden, da sie unter der selbstverständlichen Voraussetzung getroffen wurde, dass sich an der bisherigen Zuständigkeit des Gerichts nichts ändert.303

296 Nachweise bei LR/Schäfer21 § 454, 4; Katholnigg NStZ 1982 397; Wittschier NStZ 1986 112; s. auch KK/Appl 33; Bringewat 63.

297 Zu den Grenzen eines solchen Beschlusses – kein Zusammentreffen des Fristendes mit dem Strafende oder starke Annäherung des Fristendes an das Strafende – s. OLG Stuttgart Justiz 1976 212.

298 BVerfGE 86 332. 299 OLG Hamm NJW 1971 949; MDR 1976 159; OLG Braunschweig NJW 1975 1847; OLG Stuttgart Justiz 1976 212; OLG Düsseldorf MDR 1983 247; Wittschier NStZ 1986 113; KK/Appl 24; Bringewat 55; Fischer § 57, 35; zu der entspr. Vorschrift in § 67e Abs. 3 Satz 2 StGB: OLG Hamm MDR 1976 159. 300 OLG Hamm JMBlNRW 1976 93; OLG Schleswig SchlHA 1984 85; OLG München MDR 1987 783; Wittschier NStZ 1986 112; KK/Appl 24; Bringewat 56; a. A. Neumann NJW 1985 1889. 301 A. A. Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 10, 57. 302 OLG Koblenz NJW 1957 113; Wittschier NStZ 1986 113; Bringewat 57. 303 BGHSt 26 278; Neumann NJW 1985 1889; Wittschier NStZ 1986 113; KK/Appl 24; Bringewat 57; Fischer § 57, 35; a. A. OLG Zweibrücken NJW 1976 258.

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XIX. Entsprechende Anwendbarkeit der § 246a Abs. 2, § 268a Abs. 3, § 268d, §§ 453, 453a Abs. 1 und 3 sowie der §§ 453b, 453c (Absatz 4 Satz 1) 105

1. Zweck der Regelung. Zum Zweck der Regelung vgl. Erl. Rn. 75 f. Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP304 sah eine Ergänzung des Absatzes 4 Satz 1 um § 268d zunächst nicht vor. Erst die Beratungen im Rechtsausschuss des Bundestages haben zu der Ergänzung des Absatzes 4 Satz 1 geführt.305 Danach werden die Regelungen zu den Belehrungspflichten in Absatz 4 Satz 1 um eine Belehrung zur Fortdauer des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66a Abs. 1 StGB) bei zwischenzeitlicher Strafrestaussetzung ergänzt. Erfolgt die Aussetzung des Strafrestes der gegen den Verurteilten verhängten Freiheitsstrafe, neben der im Urteil der Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, so ist der Verurteilte im Falle der Aussetzung des Strafrestes neben der Belehrung über die Bedeutung der Strafrestaussetzung auch über das Fortbestehen des Vorbehalts nach § 66a Abs. 1 StGB und die Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung im Falle des Widerrufs der Strafrestaussetzung anzuordnen, zu belehren. Die Belehrungspflicht bei Vorbehalt der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung nach § 268d im Zusammenhang mit der Urteilsverkündung wird mit der Regelung des Absatzes 4 Satz 1 für das Vollstreckungsverfahren fortgeschrieben. Der Gesetzgeber hat insoweit nach sachverständiger Beratung im BTRAussch. Anregungen der Praxis306 aufgegriffen und sich gegen einen Verbrauch des Vorbehalts im Falle einer Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung entschieden.307 Die Belehrung entsprechend § 268d nach Absatz 4 Satz 1 soll dem Verurteilten verdeutlichen, dass trotz der Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes der Vorbehaltsausspruch bestehen bleibt und er bei einem schwerwiegenden Bewährungsversagen, namentlich bei Begehung einschlägiger Straftaten und sich dadurch verdeutlichender prognosewidrig fortdauernder Gefährlichkeit, nicht nur mit einem Bewährungswiderruf, sondern auch noch mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung rechnen muss.

2. Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes (Satz 2). Der Verurteilte ist – abweichend von § 453a Abs. 2 – über die Aussetzung des Strafrestes stets mündlich zu belehren. Mit der Belehrung kann der Vorsitzende ein Mitglied des Spruchkörpers beauftragen. Er kann aber auch das Amtsgericht nach § 157 GVG darum ersuchen oder sie sogar der Justizvollzugsanstalt übertragen (Satz 2 letzter Hs.). Letzteres wird sich namentlich dann empfehlen, wenn das Gericht die Aussetzung zu einem späteren Zeitpunkt angeordnet hat, zumal da nach Absatz 4 Satz 3 die Belehrung (möglichst) unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden soll.308 Die vor dem 1.1.1975 geltende Fassung der Vorschrift lautete dahin, dass die Be107 lehrung auch dem Leiter der Justizvollzugsanstalt übertragen werden könne. Dies wurde dahin verstanden, dass der Leiter der Vollzugsbehörde – bei Verhinderung sein ständiger Vertreter – sich dieser Aufgabe persönlich zu unterziehen habe und sie nicht auf

106

304 BTDrucks. 17 3403 S. 7. 305 BTDrucks. 17 4062 S. 3, 15 f. 306 Vgl. Stellungnahme von Wankel S. 3 f.; Stellungnahme des Deutschen Richterbundes Nr. 38/10 S. 12 und Nr. 45/10 S. 5.

307 So noch BTDrucks. 17 3403 S. 41. 308 KK/Appl 41: weil sie dann nachhaltiger wirkt, was Bringewat (72) für fraglich hält; Meyer-Goßner/ Schmitt 50.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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einen anderen Beamten der Justizvollzugsanstalt abwälzen könne.309 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs310 trägt die jetzige elastischere Fassung der Organisation großer Justizvollzugsanstalten Rechnung. Es kann darauf vertraut werden, dass die Justizverwaltungen nur Personen mit diesen Aufgaben betrauen, deren Ausbildung und Erfahrungen denen eines Leiters einer kleineren Vollzugsanstalt entsprechen.311 Hat die Belehrung ein nicht von der Justizverwaltung damit betrauter Beamter vorgenommen oder ist sie gar unterblieben,312 so steht dies dem Widerruf aus den in § 57 Abs. 5 Satz 1, § 57a Abs. 3 Satz 2, § 56f Abs. 1 StGB bezeichneten Gründen nicht entgegen. Eine unzulängliche oder unterbliebene Belehrung kann höchstens die Wirkung haben, dass der Entlassene sein Verhalten nicht als gröbliche Verletzung der Bewährungsauflagen und weisungen (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 StGB) erkennen konnte.313 3. Belehrung entsprechend § 268d. Nach § 268d belehrt der Vorsitzende den Ange- 108 klagten, sofern in dem Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 1 oder 2 StGB vorbehalten ist, im Anschluss an die Urteilsverkündung, aber vor der Rechtsmittelbelehrung, über die Bedeutung des Vorbehalts sowie über den Zeitraum, auf den sich der Vorbehalt erstreckt. Absatz 4 Satz 1 schreibt vor, dass § 268d im Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes entsprechend anzuwenden ist. Das bedeutet, dass nunmehr der Verurteilte (nicht mehr der Angeklagte) über die Fortdauer der Anordnung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ein weiteres Mal zu belehren ist. a) Belehrungspflicht. Die Belehrung entsprechend § 268d ist – wie auch die sons- 109 tigen Belehrungen nach Absatz 4 Satz 1 – obligatorisch.314 b) Inhalt. Mit dem Beschluss nach Absatz 1 Satz 1 belehrt der Vorsitzende des Ge- 110 richts des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 3) den Verurteilten über die Bedeutung des Vorbehalts nach § 66a Abs. 1 und 2 StGB sowie über den Zeitraum, auf den sich der Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (noch) erstreckt (§ 268d). Der Vorsitzende muss den Verurteilten darüber in Kenntnis setzen, dass mit der Strafrestaussetzung noch nicht über die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 3 StGB entschieden wird, weil für das Gericht nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass der Verurteilte eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und dass das Gericht des ersten Rechtszuges zu einem späteren Zeitpunkt bis zur vollständigen Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe darüber entscheiden kann (§ 66a Abs. 3 Satz 1 StGB). Die Belehrung muss den Hinweis enthalten, dass das Gericht die Sicherungsverwahrung anordnet, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder Taten und ergänzend seiner Entwicklung, insbesondere in der Bewährungszeit bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe, ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Dem Verurteilten muss mit der Belehrung deutlich gemacht werden, dass er bei einem Bewährungsversagen und einem Widerruf der 309 310 311 312 313 314

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OLG Celle NJW 1958 1009; LR/Schäfer22 § 454 Anm. V 3. BTDrucks. 7 550, Begründung zu Nr. 114 – § 454 StPO – S. 309. Bringewat (73) hält diese Begründung nicht für überzeugend. OLG Dresden Rpfleger 2019 421. OLG Celle NJW 1958 1009; OLG Dresden Rpfleger 2019 421 Rn. 31 f.; Bringewat 73. Vgl. Erl. zu § 268d.

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Strafrestaussetzung mit der Prüfung der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 3 StGB rechnen muss. Er muss weiter darüber belehrt werden, dass das Gericht über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheidet (§ 275a Abs. 5). c) Form. § 268d schreibt keine Form für die Belehrung vor. Die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 ergeht im schriftlichen Verfahren durch Beschluss. Die Verkündung im Anhörungstermin ist nicht zulässig.315 Die Belehrung entsprechend § 268d hat demgemäß mit der Bekanntmachung der Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 (§ 35 Abs. 2 Satz 1) schriftlich zu erfolgen. Durch die Zustellung des Beschlusses nebst Rechtsmittelbelehrung und Belehrung nach § 268d befindet sich ein Nachweis über die erfolgte Belehrung entsprechend § 268d in den Akten. Die Belehrung darf das Gericht (§ 462a Abs. 2 Satz 3) nicht auf die Vollzugsanstalt 112 übertragen, denn nach Absatz 4 Satz 2 2. Hs. kann nur die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung sollte in der Praxis mittels eines Vordrucks erfolgen, dessen Inhalt 113 in den RiStBV vorgegeben werden könnte, um eine einheitliche Belehrung im Vollstreckungsverfahren möglichst zu gewährleisten. Der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszuges ist an eine solche Vorgabe nicht gebunden; sie stellt nur eine mögliche Arbeitshilfe dar. 111

114

d) Zeitpunkt. Die Belehrung entsprechend § 268d hat das Gericht (§ 462a Abs. 2 Satz 3) zeitgleich mit der Bekanntmachung der Entscheidung über die Strafrestaussetzung (Absatz 1 Satz 1) vorzunehmen. Ist die Belehrung versehentlich unterblieben, so ist sie unverzüglich im schriftlichen Verfahren nachzuholen.

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e) Zuständigkeit. Die Erteilung der Belehrung obliegt dem Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 3). Letzteres ist demnach nicht nur zur Entscheidung über die Strafrestaussetzung, sondern auch zu den nachfolgenden Vollstreckungsentscheidungen berufen.316 Diese Regelung, die auf einen Vorschlag des BTRAussch. zurückgeht, hat der Gesetzgeber vor allem deswegen als sachgerecht angesehen, weil auch die nachfolgenden Entscheidungen (z. B. Widerruf der Strafrestaussetzung nach § 57 Abs. 5 Satz 1, § 56f Abs. 1 StGB; § 57 Abs. 5 Satz 1, § 56f Abs. 2, § 56g StGB) unmittelbare Auswirkungen auf einen im Urteil angeordneten Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung haben.317 Die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges endet erst dann, wenn die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 3 Satz 1 StGB nicht mehr möglich ist, was nach vollständiger Vollstreckung der Freiheitsstrafe der Fall ist.318

XX. Aussetzung des Strafrestes durch die Gnadenbehörde 116

Die Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes durch das Gericht schließt an sich nicht aus, dass die Gnadenbehörde die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung aus315 316 317 318

§ 454, 88. BTDrucks. 17 4062 S. 16. BTDrucks. 17 4062 S. 16. BTDrucks. 17 4062 S. 16.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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setzt.319 Die Gnadenbefugnisse der Gnadenrechtsinhaber auszuschließen lag nicht in der Macht des Bundesgesetzgebers. Es mag sein, dass es ganz ausnahmsweise Fälle geben kann, die einen Gnadenerweis aus Gründen rechtfertigen, deren Berücksichtigung im Rahmen der §§ 57, 57a StGB dem Gericht nicht möglich ist. Grundsätzlich wäre es aber eine unerträgliche Missachtung der richterlichen Gewalt und ein Missbrauch der Gnade, die mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren wäre, wenn die Gnadenbehörde, weil ihr gerichtliche Entscheidungen nicht gefallen, etwa zu hart erscheinen, diese im Wege der Gnade „korrigieren“ wollte.320 Der Sinn der Regelung der Aussetzung des Strafrestes im Strafgesetzbuch besteht gerade darin, diese Entscheidungen aus dem Bereich der Gnade herauszunehmen und umzugestalten. Damit ist, von Ausnahmefällen abgesehen, grundsätzlich ein Gnadenerweis in derartigen Fällen nicht zu rechtfertigen, und schon gar nicht, wenn mehr oder weniger ausgesprochen i. S. einer Korrektur die Außerkraftsetzung der gerichtlichen Entscheidung bezweckt wird. Für einen – ausnahmsweise – zu gewährenden Gnadenerweis werden daher regelmäßig neue, nunmehr eine Aussetzung des Strafrestes im Gnadenwege rechtfertigende besondere Umstände vorliegen müssen.

XXI. Entlassungszeitpunkt Bei der Bewilligung der Aussetzung des Strafrestes kann das Gericht so verfahren, 117 dass es die Entlassung „nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe“ (oder eines kleineren – § 57 Abs. 2 StGB – oder größeren Bruchteils) anordnet. Empfehlenswert ist das jedoch nicht, da die Berechnung des Entlassungstags Schwierigkeiten bereiten kann.321 Vielmehr kommt entweder die Festsetzung eines kalendermäßig bestimmten Entlassungstags322 oder die Anordnung in Betracht, dass der Verurteilte mit Rechtskraft des Beschlusses zu entlassen ist.323 Zweckmäßigerweise sollte der Entlassungszeitpunkt so gewählt werden, dass der 118 Justizvollzugsanstalt noch genügend Zeit für notwendige Entlassungsvorbereitungen bis zu diesem Zeitpunkt bleibt. Allerdings darf dieses berechtigte Anliegen nicht dazu führen, dass der an sich mögliche Termin deshalb hinausgeschoben wird. Das kann vermieden werden, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Anträge mit den Akten so rechtzeitig – in Normalfällen zwischen sechs Wochen und drei Monaten (vgl. § 454a Abs. 1) vor Ablauf der Zweidrittelfrist – stellt, so dass Entscheidung und Entlassungsvorbereitungen fristgemäß ergehen und ordnungsgemäß abgewickelt werden können.324 Das gilt namentlich auch bei Entscheidungen über die Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe.325

XXII. Aussetzung des Restes einer Jugendstrafe Ist ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender zu Jugendstrafe verurteilt, so ent- 119 scheidet über die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung (§§ 88, 110 JGG) der Jugend319 KK/Appl 41. 320 A. A. KK/Appl 41. 321 Zur Frage der zweckmäßigsten Berechnungsmethode in einem solchen Fall s. Pohlmann/Jabel/Wolf § 37, 39 ff. KK/Appl 32. Göke NJW 1958 1672. Bringewat 61. BVerfG bei Berkemann JR 1992 451; Meyer-Goßner/Schmitt 41a; Bringewat 63.

322 323 324 325

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richter als Vollstreckungsleiter, nicht die Strafvollstreckungskammer nach § 57 StGB, §§ 454, 462a StPO,326 und zwar gleichgültig, ob ein Jugend- oder ein Erwachsenengericht die Strafe verhängt hat (§§ 102, 103, 112 JGG). Nach Aussetzung des Restes einer Jugendstrafe entscheidet der Jugendrichter auch dann über den Widerruf als Vollstreckungsleiter – und nicht die Strafvollstreckungskammer –, wenn sich der Verurteilte bei Stellung des Widerrufsantrags der Staatsanwaltschaft in anderer Sache in Strafhaft befindet. Die Zuständigkeitsvorschriften in § 88, §§ 26, 82 Abs. 1, § 83 Abs. 1, § 84 Abs. 1 JGG stellen sich als eine den §§ 462a, 463 StPO vorgehende Sonderregelung für solche Entscheidungen dar, die im Zusammenhang mit der Vollstreckung einer Jugendstrafe zu treffen sind.327 Soweit der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung einer nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogenen Jugendstrafe nach § 85 Abs. 6 Satz 1 JGG an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgegeben hat, hat der BGH die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum viele Jahre umstrittene Frage der Zuständigkeit dahingehend entschieden, dass die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung einer Restjugendstrafe auch dann nach § 88 JGG zu treffen ist, wenn die Jugendstrafe gemäß § 89b JGG nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen wird und ihre Vollstreckung gemäß § 85 Abs. 6 Satz 1 JGG an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgegeben worden ist.328

XXIII. Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln 120

Wegen der Anwendung des § 454 auf Entscheidungen, die die Aussetzung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung zur Bewährung und andere Vollstreckungsmaßnahmen betreffen, vgl. § 463 Abs. 3.

§ 454a Beginn der Bewährungszeit; Aufhebung der Aussetzung des Strafrestes (1) Beschließt das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe mindestens drei Monate vor dem Zeitpunkt der Entlassung, so verlängert sich die Bewährungszeit um die Zeit von der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung bis zur Entlassung. (2) 1Das Gericht kann die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann; § 454 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 3 Satz 1 gilt entsprechend. 2§ 57 Abs. 5 des Strafgesetzbuches bleibt unberührt. Schrifttum Greger Das 23. Strafrechtsänderungsgesetz, JR 1986 353; Hamann Neuordnung der Strafaussetzung zur Bewährung, Rpfleger 1986 354; Maatz Aufhebung eines Aussetzungsbeschlusses wegen „neuer“ Tat-

326 OLG München MDR 1957 437. 327 OLG Stuttgart Justiz 1975 478. 328 BGHSt 64 273 ff. m. w. N. zu dem früheren Streitstand.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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sachen – zugleich Anmerkung zu OLG Schleswig, Beschl. vom 15.2.1988 – 2 Ws 63/88 –, StV 1989 39; Reichenbach Die Erzwingung von Vollzugslockerungen zur Vorbereitung einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug. Besprechung von BVerfG, Beschl. vom 30.04 2009 – 2 BvR 2009/13, NJW 2009 1941.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift war schon Gegenstand des Regierungsentwurfs eines 23. Strafrechtsänderungsgesetzes.1 Allerdings bestand sie damals nur aus einem Absatz. Die Unterteilung der Vorschrift in zwei Absätze beruht auf einem Änderungsantrag des Bundesrats,2 mit dem dieser das Ziel verfolgte, dem Gericht auch in den Fällen, in denen es die Aussetzung früher als drei Monate vor dem Entlassungstag beschlossen hat, die Aufhebung zu ermöglichen. Die Möglichkeit, die Aussetzung des Strafrestes wieder aufzuheben, wenn aufgrund neuer Tatsachen nicht mehr verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird, sollte nicht von dem mehr oder weniger zufälligen Zeitpunkt der Entscheidung abhängen. Die Bundesregierung hat diesem Vorschlag zugestimmt.3 Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 4 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 eingefügt. Durch Art. 6 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 (BGBl. I S. 160) wurde in Absatz 2 der erste Halbsatz neu gefasst. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Folgeänderung zu Art. 1 Nr. 2a. Vielmehr werden die Voraussetzungen für die Aufhebung der Aussetzungsentscheidung erweitert. Absatz 2 Satz 2 wurde durch Art. 14 Nr. 8 des 2. JuMoG vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3416) durch Ersetzung der Angabe „§ 57 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 56f“ durch die Angabe „§ 57 Abs. 5“ redaktionell der Neufassung des § 57 Abs. 5 StGB angepasst.

I. II.

III.

Übersicht Bedeutung der Vorschrift 1 Frühzeitige Aussetzungsentscheidung und Dauer der Bewährungszeit (Absatz 1) 1. Entscheidungszeitpunkt 2 2. Aussetzungsentscheidung 4 3. Entlassungszeitpunkt 5 4. Bedeutung für die Bewährungszeit 6 Aufhebung der Aussetzungsentscheidung (Absatz 2 Satz 1) 1. Zweck der Regelung 7 2. Voraussetzungen für die Aufhebung der Aussetzungsentscheidung (Absatz 2 Satz 1) a) Neu eingetretene Tatsachen 8

b)

3. 4. 5. 6. 7.

Neu bekanntgewordene Tatsachen 10 c) Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit 11 d) Nichtverantwortbarkeit der Aussetzung 12 e) Ermessen 13 Verfahren (Absatz 2 2. Hs.) 14 Aufhebung der Aussetzungsentscheidung 15 Verhältnis zu § 57 Abs. 5 StGB (Absatz 2 Satz 2) 17 Rechtsmittel 18 Zuständigkeit 20

Alphabetische Übersicht Anhörung 14 Aufhebung der Aussetzungsentscheidung 7 ff., 15 f., 18

Aussetzungsentscheidung 4 Bagatellverstoß 12

1 Vgl. BTDrucks. 10 2720, Art. 2 Nr. 3, S. 6; vgl. auch Greger JR 1986 354. 2 Siehe Anl. 2 zu BTDrucks. 10 2720 (Stellungnahme des Bundesrates) Nr. 17: zu Art. 2 Nr. 3, S. 25. 3 Siehe Anl. 3 zu BTDrucks. 10 2720 (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates): zu Nr. 17, S. 30; s. auch Dölling NJW 1987 1048.

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Entlassung 16 Entlassungszeitpunkt 5 Entscheidungszeitpunkt 5 Führungsaufsicht 13 Maßregeln der Besserung und Sicherung 1 Mündliche Anhörung 14 Nichtverantwortbarkeit der Aussetzung 12 Protokollierungspflicht 14 Rechtskraft 6, 15 Rechtsmittel 18 Richtlinien 3

Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit 11 Sofortige Beschwerde 18 Sperrfrist 19 Tatsachen 8 – neu bekannt gewordene 10 – neu eingetretene 9 Verfahren 14 Vollzugslockerungen 1 Vorläufiger Aufschub der Haftentlassung 16 f. Zuständigkeit 20

I. Bedeutung der Vorschrift 1

Mit der Vorschrift will der Gesetzgeber die rechtzeitige Vorbereitung der Entlassung des Verurteilten erleichtern,4 ohne dass diesem damit etwa ein Anspruch auf eine möglichst frühzeitige Entlassung oder ein sonstiger ungerechtfertigter Vorteil gewährt wird.5 Dafür ist auf jeden Fall nicht nur die Kenntnis des Entlassungszeitpunkts,6 sondern in den Fällen der §§ 57 und 57a StGB auch eine möglichst frühzeitige Entscheidung7 über die Aussetzung des Strafrestes erforderlich.8 Die Vorschrift ermöglicht es damit den Vollstreckungsgerichten, dem Freiheitsgrundrecht des Verurteilten über eine effektive Begrenzung der nachteiligen Folgen des Prognosedefizits praktische Wirksamkeit zu verleihen, ohne damit unverantwortbare Risiken auf die Allgemeinheit zu verlagern. Vielmehr kann das Gericht die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung anordnen, ohne dass dies zur sofortigen Entlassung des Verurteilten führt. Die Regelung erlaubt dem Gericht, den Entlassungszeitpunkt so festzulegen, dass der Vollzugseinrichtung ein angemessener Zeitraum für die Erprobung des Verurteilten in Vollzugslockerungen bleibt.9 Dadurch wird zum einen eine sachgerechte, die soziale Wiedereingliederung des Verurteilten fördernde Entlassungsvorbereitung ermöglicht und zum anderen die Justizvollzugsanstalt besser in die Lage versetzt, auf der Grundlage dieser Entscheidung die notwendigen Entlassungsvorbereitungen und ggf. zusätzliche Vollzugslockerungen durchzuführen.10 Die Vorschrift gilt für freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung entsprechend (§ 463 Abs. 1).

II. Frühzeitige Aussetzungsentscheidung und Dauer der Bewährungszeit (Absatz 1) 2

1. Entscheidungszeitpunkt. Die Fassung des Absatzes 1, die bewusst von der Zulässigkeit frühzeitiger Entlassungsentscheidungen ausgeht bzw. diese voraussetzt, sieht 4 5 6 7 8

BVerfG NJW 2001 2247; OLG Celle NStZ 2016 99. Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 3. OLG Düsseldorf MDR 1987 1046. OLG Zweibrücken NStZ 1991 207; 1992 148. BTDrucks. 10 2720, Begründung zu Art. 2 Nr. 3, S. 15; von Bülow BewHi. 1968 264, 267; KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1, 2. 9 BVerfG NJW 1998 2202, 2204; StV 2012 543 Rn. 36; kritisch hierzu KK/Appl 2. 10 BVerfG NJW 1998 2202, 2204; OLG Hamm Beschl. vom 11.2.2010 – 1 Ws (L) 479/09 Rn. 61; OLG Celle StV 1995 90; NStZ 2016 99.

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gleichwohl von einer gesetzlichen Festlegung des Entscheidungszeitpunkts ab.11 Das mag zunächst überraschen, zumal da namentlich bei Verurteilten, die eine längere oder sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verbüßen haben, ein besonderes Bedürfnis für eine möglichst frühzeitige Entscheidung durchaus besteht, wird aber verständlich, wenn man den nicht völlig von der Hand zuweisenden Gesichtspunkt berücksichtigt, dass bei einer zu frühen Entscheidung das Verhalten des Gefangenen für einen längeren Zeitraum nicht mehr für die Prognose verwertet werden kann, obwohl dieses gerade mit fortschreitender Vollzugsdauer und in den letzten Monaten vor dem Entlassungszeitpunkt häufig einen besonders guten Aufschluss über den Erfolg der Strafverbüßung geben kann.12 Daher sollte von der gesetzlichen Möglichkeit, die Aussetzung schon mehrere Monate vor der Entlassung des Verurteilten zu beschließen, vor allem dann Gebrauch gemacht werden, wenn die Justizvollzugsanstalt es bis dahin abgelehnt hat, die Aussetzung der Vollstreckung durch Vollzugslockerungen vorzubereiten, denn dadurch werden ihr solche Maßnahmen besonders nahe gelegt.13 Auch bei einem über viele Jahre andauernden Vollzug kann eine frühzeitige Entscheidung geboten sein, weil in derartigen Fällen die für eine erfolgreiche Wiedereingliederung des Verurteilten erforderlichen Maßnahmen in aller Regel einen größeren und längeren Aufwand erfordern.14 Diese Erfahrung lässt es angemessen erscheinen, den Entscheidungszeitpunkt nicht 3 in der Strafprozessordnung durch Festlegung bestimmter fester Zeitabschnitte zu regeln, ihn vielmehr durch eine dem Einzelfall besser Rechnung tragende flexiblere Regelung zu bestimmen.15 Am einfachsten kann das durch Richtlinien an die Vollstreckungsbehörde erreicht werden, die diese etwa verpflichten, die Akten mit der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt dem Gericht so rechtzeitig vorzulegen, dass dieses die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes frühzeitig genug treffen kann, um der Justizvollzugsanstalt die rechtzeitige Durchführung der für die Vorbereitung des Gefangenen auf sein Leben nach der Entlassung erforderlichen Maßnahmen zu ermöglichen. Nach den derzeitigen Erfahrungen wird die Zeitspanne für eine gewissenhafte Vorbereitung der Entlassung bei Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren mit etwa drei Monaten, bei höheren Freiheitsstrafen mit bis zu sechs Monaten angesetzt werden können.16 Davon scheint auch der Gesetzgeber auszugehen, wie sich aus der Formulierung des Absatzes 1 ergibt, die dafür spricht, dass das Gericht die Entscheidung regelmäßig etwa drei Monate vor dem Zeitpunkt der Entlassung treffen wird, was nicht ausschließt, dass in Einzelfällen auch eine frühere Entscheidung zulässig und sinnvoll sein kann.17 Das Gericht ist dabei aber nicht berechtigt, der Vollzugseinrichtung bindende Weisungen für die Gewährung von Vollzugslockerungen zu erteilen.18 Empfehlungen hingegen sind zulässig. Im Zeitpunkt der Entscheidung nach Absatz 1 muss eine günstige Sozialprognose bestehen.19 Aller11 Bringewat 1; BVerfG NJW 2009 1941, 1945; KG NStZ-RR 2006 354 Ls.; OLG Frankfurt NStZ-RR 2001 311.

12 13 14 15 16

Näher dazu Maatz StV 1989 39, 42; Bringewat 3 (kontrollierte Vorbewährung). BVerfG NJW 1998 2202, 2204; StV 2012 543 Rn. 36; OLG Celle StV 1995 90; NStZ 2016 99. OLG Zweibrücken StV 1992 26. BVerfG NJW 2009 1941, 1945; OLG Celle NStZ 2016 99 Rn. 67. LG Traunstein NStZ-RR 1996 94 (in einfach gelagerten Fällen Entscheidung bis zu drei Monate vor der Entlassung aus dem Justizvollzug; in schwierigen Fällen bis zu sechs Monate vorher); OLG Düsseldorf NStZ 1993 406. 17 OLG Düsseldorf MDR 1987 1046; OLG Zweibrücken (bis zu 9 Monate vor Zweidrittelzeitpunkt) NStZ 1991 207; StV 1992 26; Bringewat 2. 18 OLG Frankfurt FS 2013 328 ff. 19 OLG Braunschweig Beschl. vom 14.7.2014 – 1 Ws 191/14; OLG Frankfurt FS 2013 328 ff.; NStZ-RR 2001 311.

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dings kann aus verfassungsrechtlichen Gründen ausnahmsweise eine Anwendung des Absatzes 1 auch ohne gesicherte günstige Prognose dann in Betracht kommen, wenn diese nur von der Bewährung des Verurteilten in Vollzugslockerungen abhängt und ihm solche zu Unrecht durch die Vollzugsbehörden verweigert wurden.20 Zu einer eigenen Anordnung von Vollzugslockerungen ist das Gericht im Verfahren nach Absatz 1 mangels Rechtsgrundlage nicht berechtigt.21 4

2. Aussetzungsentscheidung. Nach § 56a Abs. 2 Satz 1 StGB, der nach § 57 Abs. 3 Satz 1, § 57a Abs. 3 Satz 2 StGB auch für die Aussetzung des Restes einer Freiheitsstrafe gilt, beginnt die Bewährungszeit bei einer Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe mit der Rechtskraft dieser Entscheidung, bei einer Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes mit der Rechtskraft des Aussetzungsbeschlusses.22 Absatz 1 ändert an dieser Rechtslage nichts, nimmt namentlich nicht zu der Rechtsmeinung Stellung, ob und wie das Verhalten des Verurteilten oder Gefangenen zwischen Erlass und Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung zu bewerten ist.23 Bei ihm geht es allein um die Frage, ob und in welchem Umfang die Zeit zwischen der (frühzeitigen) Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes und der tatsächlichen Entlassung des Gefangenen auf die Bewährungszeit anzurechnen ist.

5

3. Entlassungszeitpunkt. Es ist unangebracht, die Bewährungszeit erst mit dem tatsächlichen Entlassungszeitpunkt beginnen zu lassen, weil auch Taten, die der Verurteilte in der die Entlassung vorbereitenden Phase begangen hat, den Widerruf der Aussetzung nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB auslösen können.24 Auch kann es im Einzelfall durchaus sinnvoll sein, den im Rahmen der Entlassungsvorbereitungen beurlaubten oder als Freigänger eingesetzten Gefangenen schon durch einen Bewährungshelfer betreuen zu lassen.25 Das ist aber nur während des Laufs einer Bewährungszeit möglich.

6

4. Bedeutung für die Bewährungszeit. Der Gesetzgeber entscheidet die Frage der Dauer der Bewährungszeit dahin, dass diese sich, wenn das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe mindestens drei Monate vor dem Zeitpunkt der Entlassung beschließt, um die Zeit von der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung bis zur Entlassung verlängert, d. h. die Bewährungszeit erst mit der Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft beginnt.26 Mit dem Begriff „beschließt“ i. S. v. Absatz 1 ist der Zeitpunkt der Rechtskraft des (vorzeitigen) Beschlusses über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes gemeint.27 Durch die Worte „mindestens drei Monate“ wird klargestellt, dass die Verlängerung auch solche Entscheidungen erfasst, die das Gericht länger als drei Monate vor der Entlassung getroffen hat,28 nicht dagegen Entscheidungen, die bis zu drei Monaten vor dem Entlassungszeitpunkt rechtskräftig geworden sind.

20 OLG Braunschweig Beschl. vom 14.7.2014 – 1 Ws 191/14; BVerfG StV 2012 543 Rn. 35; NJW 1998 2202, 2204. KK/Appl 2; a. A. OLG Hamm NStZ 2014 541 mit zust. Anm. Ahmed. BVerfG NJW 2009 1941, 1945; LK/Hubrach § 56a, 3; Fischer § 56a, 2. Vgl. dazu OLG Celle NJW 1957 113; OLG Zweibrücken MDR 1976 333 m. w. N. KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 5. BTDrucks. 10 2720; Begr. zu Art. 2 Nr. 3 S. 15. A. A. KK/Appl 4: Tag der Beschlussfassung; gleichwohl legt auch er für die Frist der Verlängerung die Zeit zwischen Eintritt der Rechtskraft und dem Entlassungstag zugrunde. 27 OLG Frankfurt NStZ-RR 2013 293. 28 OLG Koblenz Rpfleger 1994 381.

21 22 23 24 25 26

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Diese Regelung erschien dem Gesetzgeber „angemessen“.29 Aufgrund der vorhergehenden Ausführungen ist sie auch durchaus vertretbar, zumal da sie mit dem Mindestabstand von drei Monaten einen zusätzlichen Anreiz zu einer früheren Entlassungsentscheidung schafft. Wegen der Berechnung der Frist vgl. § 43, 2 ff.

III. Aufhebung der Aussetzungsentscheidung (Absatz 2 Satz 1) 1. Zweck der Regelung. Die in Rechtsprechung30 und Schrifttum31 umstritten gewe- 7 sene Frage, ob auch solche Tatsachen bei der Aufhebung der Aussetzungsentscheidung nach Absatz 2 Satz 1 berücksichtigt werden dürfen, die schon vor Erlass des Aussetzungsbeschlusses eingetreten, aber dem Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannt waren, wird durch die Änderung des Absatzes 2 Satz 1 klargestellt. Der Gesetzentwurf des Bundesrats32 sah keine entsprechende gesetzliche Regelung vor. Nach dem Regierungsentwurf33 sollte der erste Halbsatz des zweiten Absatzes als reine Folgeänderung der beabsichtigten Änderung in § 57 Abs. 1 StGB angepasst werden. Erst aufgrund der Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses des Bundestages34 ist Absatz 2 Satz 1 neu gefasst worden. Damit ist dem Anliegen, bei veränderter Beurteilungsgrundlage die mehr oder weniger lange vor dem vorgesehenen Entlassungszeitpunkt gestellte und später als falsch erkannte Prognose vor der Entlassung des Verurteilten zu revidieren und dem aktuellen Erkenntnisstand anzupassen, Rechnung getragen worden. Nunmehr sind bei der Entscheidung über die Aufhebung einer bereits angeordneten Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes auch solche Tatsachen zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung zwar schon vorgelegen haben, dem Gericht aber erst nachträglich bekannt geworden sind.35 2. Voraussetzungen für die Aufhebung der Aussetzungsentscheidung (Absatz 2 Satz 1) a) Neu eingetretene Tatsachen. Mit dem Begriff der neu eingetretenen oder be- 8 kanntgewordenen Tatsachen hat der Gesetzgeber die bereits in § 88 Abs. 3 Satz 2 JGG seit dem 1. JGG-Änderungsgesetz vom 30.8.199036 bestehende Formulierung übernommen und die Voraussetzungen für eine Aufhebungsentscheidung nach Absatz 2 Satz 1 weitgehend denen des § 88 Abs. 3 Satz 2 JGG angepasst. Das Gericht kann die schon angeordnete Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe wieder aufheben, wenn die Aussetzung durch neu eingetretene Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann. Neu eingetretene Tatsachen sind solche, die erst nach der Aussetzungsentscheidung, aber

29 BTDrucks. 10 2720, Begründung zu Art. 2 Nr. 3, S. 15 1. Sp.; siehe auch OLG Düsseldorf GA 1987 511; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 6; a. A. KK/Appl 4: von dem im Rubrum des Beschlusses genannten Tag an. 30 OLG Schleswig NStZ 1988 243 und 293; OLG Karlsruhe Justiz 1989 31; OLG Stuttgart MDR 1989 1016; OLG Hamm StraFo 1998 69; a. A. LG Köln StV 1986 542. 31 Greger JR 1986 357; Maatz StV 1989 39; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KK/Appl 5. 32 BTDrucks. 13 7559. 33 BTDrucks. 13 8556 S. 10. 34 BTDrucks. 13 8989 S. 8; BTDrucks. 13 9062 S. 15. 35 BTDrucks. 13 9062 S. 15. 36 BGBl. I S. 1853.

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vor der Entlassung des Verurteilten, eingetreten sind und die, hätten sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung schon vorgelegen, zur Versagung der Strafrestaussetzung geführt hätten.37 Der Verurteilte ist nämlich sogleich mit der Aussetzungsentscheidung verpflichtet, durch sein Verhalten zu zeigen, dass die ihm gestellte günstige Prognose gerechtfertigt war. 9 Es muss sich um Tatsachen handeln. Tatsachen sind alle gegenwärtigen oder vergangenen Verhältnisse, Zustände oder Geschehnisse. Vermutungen oder Schlussfolgerungen stellen keine Tatsachen dar. Als neu eingetretene Tatsachen kommen namentlich der Missbrauch von Vollzugslockerungen, etwa Nichtrückkehr aus dem Urlaub oder Ausgang aus der Strafhaft, Alkohol- und/oder Betäubungsmittelkonsum in der Strafhaft oder während Vollzugslockerungen in Betracht. Ob von dem Verurteilten nicht zu vertretende neue Tatsachen, wie etwa Verlust des künftigen Arbeitsplatzes aus betriebsbedingten Gründen oder infolge von Insolvenz des Arbeitgebers, Verweigerung der Aufnahme in einem Männerwohnheim,38 Verweigerung des Krankenversicherungsschutzes durch eine gesetzliche Krankenversicherung,39 Ablehnung der Kostenübernahme für eine Heimunterbringung,40 Trennung seitens der Ehefrau oder Lebensgefährtin und damit einhergehender Verlust eines festen Wohnsitzes nach der Entlassung, ausreichen, um die Aussetzungsentscheidung aufzuheben, erscheint zweifelhaft. Derartige neue Tatsachen vermögen für sich genommen in aller Regel das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit nicht zu beeinträchtigen, können aber im Einzelfall eine andere Beurteilung rechtfertigen. 10

b) Neu bekanntgewordene Tatsachen. Von neu eingetretenen Tatsachen sind neu bekanntgewordene Tatsachen zu unterscheiden. Bei den neu bekannt gewordenen Tatsachen handelt es sich um solche, die im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung zwar bereits vorlagen, dem Gericht aber erst nachträglich bekannt geworden sind.41 Neu bekanntgewordene Tatsachen können insbesondere neue Straftaten sein, die der Verurteilte während Vollzugslockerungen vor der Aussetzungsentscheidung begangen hat und die dem Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannt waren. In derartigen Fällen kommt ein – vorrangig zu prüfender – Widerruf der Aussetzung des Strafrestes nach § 57 Abs. 5, § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht in Betracht, weil die neue Straftat nicht in der Bewährungszeit begangen ist, die erst mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Strafrestaussetzung beginnt (§ 57 Abs. 3, § 56a Abs. 2 Satz 1 StGB). Ein Widerruf der Strafrestaussetzung nach § 57 Abs. 5, § 56f Abs. 1 Satz 2 StGB scheidet aus, weil die neue Straftat nicht in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafrestaussetzung und deren Rechtskraft begangen ist. Für eine Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses reicht es aus, dass eine Wahrscheinlichkeit für die Begehung einer neuen Straftat besteht. Absatz 2 Satz 1 setzt nicht voraus, dass der sichere Nachweis einer neuen Straftat geführt ist, ein hinreichender oder dringender Tatverdacht besteht oder gar eine rechtskräftige Aburteilung insoweit vorliegt,42 denn bei Prognoseentscheidungen kommt die

37 38 39 40 41 42

OLG Köln OLGSt StPO § 454a Nr. 5; OLG Nürnberg OLGSt StPO § 454a Nr. 6. BVerfG Beschl. vom 14.12.2011 – 2 BvR 68/11. OLG Nürnberg OLGSt StPO § 454a Nr. 6. OLG Nürnberg OLGSt StPO § 454a Nr. 6. BTDrucks. 13 9062 S. 15. OLG Jena NStZ-RR 2007 283; OLG Schleswig SchlHA 1999 186; BVerfG NJW 1994 377 (kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung durch ungünstige Sozialprognose wegen Verdachts einer strafbaren Handlung während der Strafvollstreckung).

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Unschuldsvermutung nicht zum Tragen.43 Auch aufgrund jeden sonstigen Missbrauchs von Vollzugslockerungen kann das Gericht die Aussetzungsentscheidung bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn letztere aufgrund der neu bekanntgewordenen Tatsachen unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann. Eine anderweitige Nutzung eines zweckgebundenen Ausgangs aus der Strafhaft zur Teilnahme an einer ambulanten Therapie oder der Verstoß gegen eine erteilte Weisung kann, sofern der Missbrauch der Lockerung zwischen Aussetzungsentscheidung und Entlassung des Verurteilten bekannt wird, zur Aufhebung der Aussetzungsentscheidung führen. c) Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit. Die Neufas- 11 sung des ersten Halbsatzes im Übrigen ist eine Folgeänderung, die sich aufgrund der Änderung des § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB durch Art. 1 Nr. 2a des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten ergibt.44 Aufgrund der neu eingetretenen oder neu bekanntgewordenen Tatsachen muss danach die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden können. Durch die Änderung wird klargestellt, dass bei der nach Absatz 2 Satz 1 zu treffenden Entscheidung eine Abwägung zwischen dem Resozialisierungsinteresse des Verurteilten und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit vorzunehmen ist. Dabei wird insbesondere darauf abgestellt, dass es von dem Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts und dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit abhängig ist, welches Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit zu verlangen ist.45 Bei der vorzunehmenden Abwägung sind die Grundsätze entsprechend anwendbar, die von der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum zu der inhaltsgleichen Voraussetzung des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB entwickelt worden sind.46 d) Nichtverantwortbarkeit der Aussetzung. Aufgrund der neu eingetretenen oder 12 bekanntgewordenen Tatsachen muss sich unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit die Nichtverantwortbarkeit der Aussetzung ergeben. Die neu eingetretenen oder bekanntgewordenen Tatsachen müssen von einem solchen Gewicht sein, dass ein bei der Aussetzungsentscheidung noch verbleibendes Restrisiko47 nicht mehr verantwortet werden kann. Verstöße mit objektivem Bagatellcharakter im Zusammenhang mit der Gewährung von Vollzugslockerungen reichen in aller Regel nicht aus, um die Aussetzungsentscheidung aufzuheben. e) Ermessen. Nach dem Wortlaut des Absatzes 2 Satz 1 kann das Gericht die schon 13 getroffene Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe aufheben. Dem Gericht wird damit ein Ermessen eingeräumt. Sofern die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Aussetzungsentscheidung vorliegen, wird jedoch ein Ermessenspielraum für das Gericht kaum noch denkbar sein. Macht das Gericht gleichwohl von seinem Ermessen in der Weise Gebrauch, dass es entgegen einem Antrag 43 BVerfG NJW 1994 377; OLG Jena NStZ-RR 2007 283; OLG Hamm NStZ-RR 2005 154; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 248; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4. BGBl. I S. 160. BTDrucks. 13 8586 S. 8; BTDrucks. 13 9062 S. 9 m. w. N. Fischer § 57, 12 ff. BVerfG NJW 1998 2202 mit abl. Anm. Th. Wolf NStZ 1998 590; KG NJW 1999 1797; OLG Hamm NJW 1999 438 und 439.

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der Staatsanwaltschaft trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen eine Aufhebung der Aussetzungsentscheidung ablehnt, so unterliegt die Entscheidung einem erhöhten Begründungsbedarf. Eine rechtskräftige Entscheidung über das Entfallen der Führungsaufsicht gemäß § 68f Abs. 2 StGB kann im Hinblick auf eine Änderung der Tatsachengrundlage zwischen Entscheidung und vollständiger Vollstreckung der Strafe nicht aufgehoben werden, denn Absatz 2 (i. V. m. § 463 Abs. 1) ist insoweit nicht entsprechend anwendbar.48 14

3. Verfahren (Absatz 2 2. Hs.). Nach Absatz 2 2. Hs. gilt hinsichtlich des Verfahrens § 454 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Die Entscheidung, ob die Aussetzungsentscheidung nach Absatz 2 Satz 1 wieder aufgehoben wird, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Der Verweis in Absatz 2 2. Hs. auf § 454 Abs. 1 Satz 2 verpflichtet das Gericht, die Staatsanwaltschaft, den Verurteilten und die Vollzugsanstalt zu hören. Die Anhörung erfolgt schriftlich. Allerdings kann sich aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls die mündliche Anhörung des Verurteilten und/oder der Justizvollzugsanstalt empfehlen.49 Im Falle einer mündlichen Anhörung sind die Beteiligten sowie der wesentliche Inhalt der Anhörung zu protokollieren. Diese Protokollierungspflicht ergibt sich aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit und dem Umstand, dass die auf das Ergebnis einer mündlichen Anhörung gestützte Entscheidung des Gerichts für das Beschwerdegericht nachprüfbar sein muss.

15

4. Aufhebung der Aussetzungsentscheidung. Das Aufhebungsverfahren nach Absatz 2 Satz 1 setzt eine rechtskräftige Aussetzungsentscheidung voraus;50 es ist bis zur Rechtskraft der Entscheidung nach § 57 StGB über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gegenüber der Möglichkeit der sofortigen Beschwerde nach § 454 Abs. 3 Satz 1 StPO subsidiär.51 Die Aufhebung der Aussetzungsentscheidung durch das Gericht setzt keinen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft voraus. Allerdings sollte Letztere im Rahmen der (schriftlichen) Anhörung zu der von dem Gericht erwogenen Aufhebung der Aussetzungsentscheidung Stellung nehmen und detailliert begründen, ob und aus welchen Erwägungen sie die Voraussetzungen von Absatz 2 Satz 1 für gegeben erachtet. Selbstverständlich steht es der Staatsanwaltschaft frei, von sich aus jederzeit einen Antrag auf Aufhebung der Aussetzungsentscheidung bei Gericht zu stellen, wenn sie die Voraussetzungen für gegeben erachtet. Mit der Aufhebung der Aussetzungsentscheidung wird zugleich die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes abgelehnt.52 Einer Anordnung der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe bedarf es daher nicht. Hat das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes wegen der nach der Entscheidung neu eingetretenen oder bekanntgewordenen Tatsachen und des darin zutage getretenen Fehlverhaltens des Verurteilten wieder aufzuheben, so wird es erneut über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes entscheiden müssen, sobald die Voraussetzungen dafür wieder vorliegen. Allerdings kann das Gericht mit der Aufhebungsentscheidung, da diese zu-

48 OLG Stuttgart Beschl. vom 6.3.2018 – 6 Ws 29/17. 49 So auch KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 50 OLG Saarbrücken NStE Nr. 4 zu § 454a; OLG Frankfurt NStZ-RR 2013 293; OLG Bremen StV 2015 245 Ls.; OLG Hamburg StV 2018 350 Ls.

51 KG Beschl. vom 25.11.2003 – 5 Ws 560/03; OLG Bamberg Beschl. vom 20.1.2021 – 1 Ws 32/21. 52 Ebenso KK/Appl 8; a. A. LR/Wendisch25 § 454a, 11.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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gleich eine Ablehnung der Strafrestaussetzung enthält, Fristen nach § 57 Abs. 7 StGB festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.53 Das Gericht kann die Aufhebung der Aussetzungsentscheidung nur bis zur Entlas- 16 sung des Verurteilten54 treffen. Erlangt das Gericht unmittelbar vor der Entlassung erst Kenntnis von neu eingetretenen Tatsachen oder werden ihm zu diesem Zeitpunkt erstmals neue Tatsachen bekannt, so kann es, wenn eine ausreichende Klärung bis zu dem vorgesehenen Entlassungszeitpunkt nicht herbeigeführt werden kann, auch einen vorläufigen Aufschub der Haftentlassung jedenfalls dann anordnen, wenn noch ungeklärt ist, ob vorrangig ein Widerruf der Strafrestaussetzung anstelle einer Aufhebung der Aussetzungsentscheidung auszusprechen ist.55 5. Verhältnis zu § 57 Abs. 5 StGB (Absatz 2 Satz 2). Nach Absatz 2 Satz 2 bleibt § 57 17 Abs. 5 StGB unberührt. Danach wird nicht nur klargestellt, dass statt der Aufhebung der Aussetzungsentscheidung auch der Widerruf der Aussetzung des Strafrestes zulässig ist, sondern zugleich entschieden, dass letzterer vorrangig zu prüfen ist.56 Liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf unter Beachtung der vom EGMR57 und Bundesverfassungsgericht58 entwickelten Grundsätze vor, etwa weil der Gefangene während der Zeit der Entlassungsvorbereitungen eine neue Straftat begangen und dadurch gezeigt hat, dass die Erwartung, die der Aussetzung des Strafrestes zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, so ist das Gericht verpflichtet, die Strafrestaussetzung nach § 57 Abs. 5 Satz 1, § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB zu widerrufen, es sei denn, dass die Voraussetzungen für ein Absehen vom Widerruf nach § 57 Abs. 5 Satz 1, § 56f Abs. 2 StGB vorliegen. Das Gericht darf nicht etwa seine Aussetzungsentscheidung (nur) deshalb aufheben, weil die Begehung der neuen Straftat zugleich erwiesen hat, dass nunmehr ernsthafter Anlass besteht, an einer günstigen Sozialprognose für den Gefangenen zu zweifeln. Dies folgt schon aus der Ergänzung des nach § 57 Abs. 5 Satz 1 StGB entsprechend anwendbaren § 56f Abs. 1 StGB um Satz 2, wonach das Gericht jetzt die Strafaussetzung widerruft, wenn der Verurteilte die – neue – Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafrestaussetzung und deren Rechtskraft begangen hat oder die Voraussetzungen von § 57 Abs. 5 Satz 2 StGB vorliegen.59 Zum vorläufigen Aufschub der Haftentlassung bei Unklarheit hinsichtlich des Vorrangs der Widerrufsentscheidung vgl. Rn. 16. 6. Rechtsmittel. Nach Absatz 2 Satz 1 2. Hs. gilt § 454 Abs. 3 Satz 1 entsprechend. 18 Die Aufhebungsentscheidung ist danach für den Verurteilten mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Auf53 Ebenso KK/Appl 8; a. A. LR/Wendisch25 § 454a, 11. 54 Zum Begriff der Entlassung BVerfG NJW 2001 2247; demgegenüber die vom BVerfG überprüfte Entscheidung OLG Dresden NStZ 2000 614; OLG Hamm NStZ-RR 1996 30; OLG Nürnberg OLGSt StPO § 454a Nr. 6; OLG Rostock Beschl. vom 11.1.2017 – 20 Ws 8/17. 55 OLG Hamburg NStZ 1999 55; OLG Nürnberg OLGSt StPO § 454a Nr. 6; OLG Rostock Beschl. vom 11.1.2017 – 20 Ws 8/17. 56 OLG Düsseldorf NJW 1993 1282; OLG Saarbrücken NStE Nr. 4 zu § 454a; OLG Frankfurt NStZ-RR 199 176; LG Kleve Beschl. vom 12.2.2014 – 182 StVK 31/12; Maatz StV 1989 41; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; im Ergebnis ebenso Hamann Rpfleger 1986 358 (im Grundsatz vorzuziehen); Bringewat 12 (ein über die Aufhebung einer Strafaussetzung und neben ihr bestehendes Mittel). 57 NJW 2004 43. 58 NJW 2005 817. 59 KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4.

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§ 454a

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

hebung der Strafrestaussetzung steht der Staatsanwaltschaft ebenfalls die sofortige Beschwerde zu. Weder die sofortige Beschwerde des Verurteilten noch die der Staatsanwaltschaft hat aufschiebende Wirkung. Da Absatz 2 Satz 1 2. Hs. lediglich auf § 454 Abs. 3 Satz 1 und nicht auch auf Satz 2, wonach die Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufschiebende Wirkung hat, verweist, kann die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde weder bei Einlegung durch den Verurteilten noch durch die Staatsanwaltschaft auf Absatz 2 Satz 1 2. Hs. i. V. m. § 454 Abs. 3 Satz 2 gestützt werden. Vielmehr finden die allgemeinen Vorschriften über die sofortige Beschwerde Anwendung. Nach § 311 Abs. 1 gelten für die Fälle der sofortigen Beschwerde die dort nachfolgenden besonderen Vorschriften. Für das Verfahren gelten die §§ 307, 308 Abs. 2 und § 309 Abs. 2 entsprechend (§ 311a Abs. 2). Das bedeutet für die Einlegung der sofortigen Beschwerde durch den Verurteilten gegen die Aufhebungsentscheidung, dass der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nach § 307 Abs. 1 nicht gehemmt wird. Der Verurteilte kann mithin durch die Einlegung der sofortigen Beschwerde seine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft nicht erreichen. Soweit die Staatsanwaltschaft vor der Entlassung des Verurteilten einen Antrag auf Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses gestellt und das Gericht diesen als unbegründet zurückgewiesen hat, steht der Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung die sofortige Beschwerde zu. Da nach § 307 Abs. 1 durch deren Einlegung der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt wird, ist zugleich mit der Einlegung der sofortigen Beschwerde ein Antrag nach § 307 Abs. 2 auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung bei Gericht zu stellen. Stellt die Staatsanwaltschaft einen solchen Antrag nicht oder lehnt das Gericht ihn ab, so ist der Verurteilte zum Entlassungszeitpunkt aus der Strafhaft zu entlassen, auch wenn das Verfahren zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung der Aufhebung der Aussetzungsentscheidung noch nicht abgeschlossen ist. Da das Aufhebungsverfahren nach Absatz 2 bis zur Rechtskraft der Entscheidung nach § 57 StGB über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes nach § 454 Abs. 3 Satz 1 subsidiär ist, ist ein innerhalb der Beschwerdefrist des § 311 Abs. 2 gestellter Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung des Bewährungsbeschlusses als sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung auszulegen (§ 300).60 Das Unterlassen der Anhörungen nach Absatz 2 Satz 1 2. Hs. oder einer im Aufhebungsverfahren nach Absatz 2 gebotenen Tatsachenaufklärung stellt regelmäßig einen derart schweren Verfahrensmangel dar, dass eine eigene Sachentscheidung des Beschwerdegerichts nach § 309 Abs. 2 im Verfahren nach Absatz 2 ausscheidet und die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist.61 Die zugleich mit der Aufhebung der Aussetzungsentscheidung zulässige Anordnung 19 einer Sperrfrist nach § 57 Abs. 7 StGB62 kann der Verurteilte nicht isoliert, sondern nur mit der Aufhebungsentscheidung zusammen mit der sofortigen Beschwerde anfechten, denn die Fristsetzung ist Bestandteil der Aufhebungsentscheidung.63 20

7. Zuständigkeit. Wegen der Zuständigkeit siehe die Erläuterungen zu § 462a.

60 OLG Bamberg Beschl. vom 20.1.2021 – 1 Ws 32/21. 61 OLG Hamburg StV 2018 350 Ls. 62 KK/Fischer4 8; KMR/Stöckel 9; a. A. KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 5; LR/Wendisch25 13; SK/Paeffgen 8. 63 Vgl. § 454, 97.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 454b

§ 454b Vollstreckungsreihenfolge bei Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafe; Unterbrechung (1) Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen sollen unmittelbar nacheinander vollstreckt werden. (2) 1Sind mehrere Freiheitsstrafen oder Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen nacheinander zu vollstrecken, so unterbricht die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe, wenn 1. unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuches die Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate, 2. im übrigen bei zeitiger Freiheitsstrafe zwei Drittel, mindestens jedoch zwei Monate, oder 3. bei lebenslanger Freiheitsstrafe fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind. 2Dies gilt nicht für Strafreste, die auf Grund Widerrufs ihrer Aussetzung vollstreckt werden. 3Treten die Voraussetzungen für eine Unterbrechung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe bereits vor Vollstreckbarkeit der später zu vollstreckenden Freiheitsstrafe ein, erfolgt die Unterbrechung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckbarkeit. (3) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckungsbehörde von der Unterbrechung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 absehen, wenn zu erwarten ist, dass nach deren vollständiger Verbüßung die Voraussetzungen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes für eine weitere zu vollstreckende Freiheitsstrafe erfüllt sein werden. (4) Hat die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung nach Absatz 2 unterbrochen, so trifft das Gericht die Entscheidungen nach den §§ 57 und 57a des Strafgesetzbuches erst, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen gleichzeitig entschieden werden kann. Schrifttum Eisenberg Auslegungsprobleme des § 57 II Nr. 1 StGB n. F., NStZ 1987 167; Graul Zur Fiktion der rückwirkenden Vollstreckungsunterbrechung, GA 1991 11; Greger Das 23. Strafrechtsänderungsgesetz, JR 1986 353; Jabel Vollstreckung und Vollzug mehrerer Freiheitsstrafen nacheinander, MDR 1980 718; Maatz Die „Erstverbüßer-Regelung“ im Regierungsentwurf eines neuen § 57 Abs. 2 StGB, MDR 1985 797; ders. Noch einmal: Zur Erstverbüßer-Regelung des § 57 II Nr. 1 StGB, NStZ 1988 114; ders. Die Folgenbeseitigung verspäteter oder unterlassener Unterbrechung der Vollstreckung (§ 454b II 1 StPO), NStZ 1990 219; D. Meyer Immer noch keine Zusammenrechnung mehrerer nacheinander zu verbüßender Freiheitsstrafen? NJW 1976 939; Sonnen Die zeitlichen Voraussetzungen der Aussetzung des Strafrests zur Bewährung bei mehreren selbständigen Freiheitsstrafen, NJW 1977 614; Treptow Die Berechnung der Fristen des § 57 StGB bei mehreren nacheinander zu verbüßenden Freiheitsstrafen, MDR 1976 99; Wolf Die Nichtbeachtung des Zwei-Drittel-Zeitpunkts in der Vollstreckung des strafgerichtlichen Freiheitsentzugs, KrimStudien Bd. 7 (1988) 65 (Nichtbeachtung); ders. „Folgenbeseitigung“ bei Mißachtung des § 454b II StPO – zu Ende gedacht, NStZ 1990 575; Zeitler Vollstreckungsreihenfolge bei Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln, Rpfleger 2011 10.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 4 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 eingefügt. Durch Art. 14 Nr. 9 des 2. JuMoG vom 22.12.2006 wurde in Absatz 2 der Satz 3 angefügt. 193 https://doi.org/10.1515/9783110275025-013

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§ 454b

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Durch Artikel 3 Nr. 36 Buchst. a des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I S. 3202, 3210) wurde nach Absatz 2 ein neuer Absatz 3 eingefügt und der bisherige Absatz 3 wurde nach Artikel 3 Nr. 36 Buchst. b zu Absatz 4 (BGBl. I S. 3630).

I.

II.

III.

IV.

Übersicht Vollstreckung mehrerer Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen 1. Früherer Rechtszustand 1 2. Jetziger Rechtszustand 5 Reihenfolge (Absatz 1) 1. Allgemeines 6 2. Anwendungsbereich a) Freiheitsstrafen 9 b) Zusammentreffen von Freiheitsund Ersatzfreiheitsstrafen 10 Unterbrechung (Absatz 2) 1. Allgemeines 13 2. Gesetzgebungsgang a) Vorschlag der Bundesregierung 14 b) Prüfungsempfehlung des Bundesrats 16 3. Unterbrechungsfälle (Satz 1) a) Allgemeines 17 b) Zeitige Freiheitsstrafen 18 aa) Erstverbüßer 19 bb) Andere Fälle 22 c) Lebenslange Freiheitsstrafen 23 d) Freiheitsstrafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung 24 4. Verspätete Vollstreckungsunterbrechung a) Allgemeines 25 b) Rückwirkungsmodell 26 c) Anrechnungsmodell 27 d) Bevorzugte Lösung 29 e) Weitere Voraussetzung 30 Ausnahmen 1. Strafreste aufgrund Widerrufs einer Aussetzung (Satz 2)

a) Gesetzgebungsgang 31 b) Inhalt 32 2. Sonderfälle a) Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) 34 b) Widerruf einer Zurückstellung der Vollstreckung (§ 35 Abs. 5 BtMG) 35 c) Widerruf der Aussetzung des Strafrestes im Anschluss an eine Therapie (§ 36 Abs. 4 BtMG) 38 V. Absehen von der Unterbrechung der Vollstreckung (Absatz 3) 1. Zweck der Regelung 39 2. Voraussetzungen a) Anwendungsbereich 40 b) Antrag des Verurteilten 41 c) Prognose 42 3. Verfahren a) Ermessen der Vollstreckungsbehörde 43 b) Gesonderter Beschluss über die Aussetzung der vorab zu verbüßenden Freiheitsstrafe zur Bewährung 44 c) Verteidigerbestellung 45 VI. Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung (Absatz 4) 1. Gleichzeitige Entscheidung 46 2. Rechtzeitigkeit vorbereitender Maßnahmen 47 3. Entscheidungsinhalt 48 VII. Weitere Verfahrensfragen 1. Rechtsbehelfe 50 2. Rechtsmittel 53 3. Zuständigkeit 54

Alphabetische Übersicht Absehen von der Unterbrechung 39 ff. Anrechnungsmodell 27 Antrag des Verurteilten 41 Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG 52 Auslieferungshaft 21 Ausnahmen 31 ff. Beschluss 44

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Entscheidungsinhalt 48 f. Entscheidungszeitpunkt 46 Ermessen 43 Ersatzfreiheitsstrafe 10, 21 Erstverbüßer 19 Früherer Rechtszustand 1 ff. Gesamtstrafe 6 Jugendstrafe 7, 21

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

Lebenslange Freiheitsstrafe 23 Maßregeln der Besserung und Sicherung 24 Prognose 42 Rechtsbehelfe 50 ff. Rechtsmittel 53 Rückwirkungsmodell 26 Sicherungsverwahrung 24 Sofortige Beschwerde 53 Sonderfälle 34 ff. Strafarrest 21 Unterbrechungsmodell 3 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus 24

§ 454b

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt 24 Untersuchungshaft 21 Verteidigerbestellung 45 Vollstreckungsreihenfolge 6 ff. Vollstreckungsunterbrechung 25 ff. Widerruf – einer Aussetzung nach § 36 Abs. 4 BtMG 38 – einer Zurückstellung nach § 35 Abs. 5 BtMG 35 – einer Strafaussetzung 34 Zuständigkeit 38, 54

I. Vollstreckung mehrerer Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen 1. Früherer Rechtszustand. Die Frage, was zu geschehen hat, wenn gegen den Ver- 1 urteilten mehrere selbständige rechtskräftig verhängte Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafen zu vollstrecken sind, war bis 1986 ausschließlich in der Strafvollstreckungsordnung geregelt. Maßgebend für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen war § 43 StVollstrO. Nach § 50 Abs. 1 StVollstrO galt § 43 StVollstrO auch für die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen. § 43 Abs. 1 StVollstrO a. F. wiederholte den Grundsatz des § 454b Abs. 1, dass meh- 2 rere gegen denselben Verurteilten erkannte Freiheitstrafen, die nicht auf eine Gesamtstrafe zurückgeführt werden können, in unmittelbarem Anschluss nacheinander zu vollstrecken sind. Nach § 43 Abs. 2 StVollstrO a. F. sollten ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Verurteilung alle gegen denselben Verurteilten erkannten und zu vollstreckenden Freiheitsstrafen in der Reihenfolge ihrer Dauer, und zwar kürzere grundsätzlich vor längeren, vollstreckt werden. Die Regelung in Absatz 3 des § 43 StVollstrO a. F. ging auf die seit Jahren in Recht- 3 sprechung und Lehre strittige Frage zurück, ob bei mehreren nacheinander zu vollstreckenden Freiheitsstrafen für jede gesondert über eine Aussetzung des Strafrestes nach § 57 StGB zu entscheiden sei oder ob die einzelnen Freiheitsstrafen für die Berechnung des Zwei-Drittel-Zeitpunkts und des Entscheidungszeitpunkts zusammenzurechnen seien. Während die Verfechter der letzten Ansicht den Standpunkt vertraten, im Interesse einer spezialpräventiv einheitlichen Behandlung des Verurteilten sei es geboten, die einzelnen Strafen zusammenzurechnen und über die Aussetzung des Strafrestes erst nach Ablauf von zwei Dritteln der gesamten Strafzeit zu entscheiden,1 meinten die Vertreter der anderen, dass die Strafvollstreckungskammer auch in diesem Fall2 die Entscheidung für jede einzelne Freiheitsstrafe gesondert zu treffen habe,3 dass es allerdings zulässig sei, die Vollstreckung der einzelnen Freiheitsstrafen zunächst jeweils zum Zwei-DrittelZeitpunkt zu unterbrechen und die endgültige Aussetzungsentscheidung erst zum Zwei1 Sog. Ganzheitsmodell: Vgl. dazu OLG Hamm – 4. StS – MDR 1975 1043; 1976 159; D. Meyer MDR 1974 540; NJW 1976 939; Treptow NJW 1975 1105; 1976 222; MDR 1976 99; Ruß JR 1975 336; Foth DRiZ 1976 277; Sonnen NJW 1977 614; Peters GA 1977 97, 104; JR 1977 397, 399; Doller ZRP 1978 55; Fischer § 57, 1. 2 Nämlich der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen. 3 Vgl. OLG Hamm – 1. StS – NJW 1979 2259; – 3. StS – NJW 1975 1714; – 5. StS – JMBlNRW 1975 222; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1975 283; OLG Bremen NJW 1975 2031; 1976 69; OLG Schleswig SchlHA 1976 12; W. Schmidt NJW 1975 1485.

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§ 454b

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Drittel-Zeitpunkt der letzten zu vollstreckenden Freiheitsstrafe, aber nunmehr für alle noch nicht endgültig vollstreckten Strafen, zu treffen.4 Diese Auffassung hatte sich mehr und mehr durchgesetzt.5 Einige Landesjustizverwaltungen übernahmen sie ausdrücklich in besonderen Anordnungen an ihre Vollstreckungsbehörden. Seinen endgültigen Durchbruch erzielte das Unterbrechungsmodell (Fn. 6), als es im Januar 1980 als Absatz 3 in § 43 StVollstrO eingestellt und zugleich vorgeschrieben wurde, dass die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der einzelnen Freiheitsstrafen so rechtzeitig zu unterbrechen hat, dass die Strafvollstreckungskammer nach Teilverbüßung der letzten Strafe über die Aussetzung für alle Strafen einheitlich entscheiden kann.6 Dieses Verfahren ist auch heute noch als herrschend anzusehen.7 § 43 Abs. 4 StVollstrO a. F. enthielt Bestimmungen über die sachliche Vollzugszu4 ständigkeit bei mehreren Freiheitsstrafen; § 43 Abs. 5 StVollstrO a. F. traf eine Regelung für den Fall, dass mehrere Vollstreckungsbehörden sich nicht über die Reihenfolge der Vollstreckung einigen konnten. 5

2. Jetziger Rechtszustand. § 454b greift insoweit in den früheren Rechtszustand ein, als er Teilbereiche des früheren § 43 StVollstrO, nämlich dessen Absätze 1 und 3, wenn auch in teilweise abgeänderter Form, in die StPO übernimmt, die übrigen Regelungen dagegen – so zur Reihenfolge der Vollstreckung (Absatz 2) und zur Vollstreckungsund Vollzugszuständigkeit (Absätze 5 und 7) – unberührt lässt. Warum der Gesetzgeber diesen Weg gewählt hat, ist den Materialien nicht zu entnehmen. Dass er ihn aufgrund gerichtsverfassungsrechtlicher Bedenken hätte beschreiten müssen oder dass sich eine gesetzliche Regelung aus anderen Gründen aufgedrängt hätte, kann nicht festgestellt werden. Sowohl die Reihenfolge der Vollstreckung als auch die Frage der Unterbrechung der Vollstreckung betreffen zunächst Gebote an die Strafvollstreckungsbehörde und nicht an das Gericht, was an sich für eine Regelung in der Strafvollstreckungsordnung sprechen könnte. Schließlich hätte eine solche Lösung gegenüber der neuen gesetzlichen Regelung sogar gewisse Vorteile. Denn zum einen können Verwaltungsvorschriften leichter an neue Sachverhalte angepasst werden, und zum anderen sind – anders als bei der Regelung in der StPO – die Anfechtungsmöglichkeiten gegen Maßnahmen aufgrund verwaltungsmäßiger Anordnungen nur beschränkt nachprüfbar.8 Wenn es dem Gesetzgeber gleichwohl geboten erschien, einer gesetzlichen Regelung den Vorzug zu geben, dann ist das aus rechtsstaatlichen Gründen durchaus zu begrüßen. Zu fragen ist allerdings, warum er sie dann auf zwei Teilbereiche beschränkte. Es erscheint nicht gerade sinnvoll, die Unterbrechung der Vollstreckung gesetzlich, die damit zusammenhängende ebenso wichtige Frage zur Reihenfolge der Vollstreckung dagegen – abgesehen von der Aufnahme des Grundsatzes – in ihren Einzelheiten wie bisher durch eine Verwaltungsanordnung zu regeln.

4 Sog. Unterbrechungsmodell: Vgl. dazu OLG Karlsruhe MDR 1975 1039; Justiz 1980 479. Es begründet seinen Standpunkt mit dem Hinweis auf § 43 Abs. 2 Satz 3 (jetzt Absatz 4) StVollstrO a. F., wonach die Vollstreckungsbehörde aus wichtigem Grund eine andere Reihenfolge der Vollstreckung bestimmen kann. 5 OLG Hamm – 4. StS – NJW 1979 1053 unter Aufgabe seines früheren Standpunkts; ausführlich mit der Frage befassen sich Doller ZRP 1978 55 und Jabel MDR 1980 718; aber auch Pohlmann/Jabel/Wolf § 43, 30 ff. 6 Vgl. zur Entwicklungsgeschichte des § 43 Abs. 3 StVollstrO a. F. Jabel MDR 1980 718 sowie OLG Karlsruhe Justiz 1981 322; NStZ 1982 396 mit krit. Anm. Katholnigg. 7 Vgl. OLG Hamm JMBlNRW 1981 238; 1982 32; OLG Düsseldorf MDR 1981 246; NStZ 1982 467; 1983 286; MDR 1984 162; LK/Hubrach § 57, 46 ff.; Fischer § 57, 10. 8 Sie setzt nach § 24 EGGVG eine Rechtsverletzung voraus, die nach § 454b nicht erforderlich ist.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 454b

II. Reihenfolge (Absatz 1) 1. Allgemeines. Absatz 1 betont – wie § 43 Abs. 1 StVollstrO – den Grundsatz, dass 6 Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen unmittelbar nacheinander zu vollstrecken sind. Obwohl das Gesetz es nicht besonders erwähnt, erfasst die Vorschrift nur Freiheitsstrafen, die nicht auf eine Gesamtstrafe zurückgeführt werden können. Die Vollstreckungsbehörde hat daher, wenn mehrere Strafen zu vollstrecken sind, zunächst zu prüfen, ob aus ihnen eine Gesamtstrafe gebildet werden kann.9 Mit dieser Prüfung soll verhindert werden, dass der Verurteilte zu seinem Nachteil mehrere für eine Gesamtstrafenbildung geeignete Strafen einzeln verbüßt. Nach Absatz 1 ist mithin immer erst dann zu verfahren, wenn die Voraussetzungen für eine Gesamtstrafenbildung nicht vorliegen. Die Jugendstrafe ist keine Freiheitsstrafe i. S. der Vorschrift.10 Ihre Vollstreckung 7 richtet sich nach §§ 84, 85, 89a JGG. Danach ist für die Vollstreckung von Jugendstrafe der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig. An dieser Zuständigkeit ändert sich auch dann nichts, wenn Jugendstrafe gegen einen Heranwachsenden verhängt (§ 110 Abs. 1 JGG) und nach § 89b JGG nach den Vorschriften des Erwachsenenvollzugs vollzogen wird11 oder wenn gegen den Verurteilten neben einer Jugendstrafe Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist. Der Gesetzgeber hat bei der Neufassung des § 462a durch Art. 21 Nr. 132 EGStGB 197412 davon abgesehen, auch die Vollstreckung von Freiheits- und Jugendstrafe in einer Hand zu konzentrieren.13 Mangels einer solchen Konzentrationsregelung hat der Bundesgerichtshof14 entschieden, dass – wenn Freiheits- und Jugendstrafe gegen denselben Verurteilten zu vollstrecken sind – für die Vollstreckung der Jugendstrafe der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter und für die Vollstreckung der Freiheitsstrafe die Staatsanwaltschaft und die Strafvollstreckungskammer zuständig sind. Dieser Rechtszustand ist durch die Einfügung des § 454b nicht geändert worden.15 8 Zwar enthält dieser im Gegensatz zum früheren § 43 Abs. 3 StVollstrO a. F. in seinen Absätzen 1 und 2 nicht mehr den Klammerzusatz „§ 38 StGB“, mit dem klargestellt werden sollte, dass die Unterbrechung nur für Freiheitsstrafen i. S. dieser Vorschrift, nicht aber auch für Ersatzfreiheitsstrafen zulässig sein sollte.16 Nachdem § 454b nunmehr die Ersatzfreiheitsstrafe ausdrücklich in seine Regelung einbezieht, musste der Klammerzusatz mithin allein deshalb entfallen. Eine Erweiterung im sachlichen Geltungsbereich durch Einbeziehung auch der Jugendstrafe war dagegen nicht beabsichtigt. Erhärtet wird dieser Standpunkt durch die Regelung in Absatz 4, wonach das Gericht, und zwar eine Vollstreckungskammer (§ 78a Abs. 1 Satz 3 GVG), in den Fällen, in denen die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung nach Absatz 2 unterbrochen hat, die Entscheidungen nach §§ 57, 57a StGB zu treffen hat. Wenn die Vollstreckungskammer aber für die Vollstreckung von Jugendstrafe in keinem Fall zuständig ist, ist auch für die Qualifizierung der Jugendstrafe als Freiheitsstrafe i. S. dieser Vorschrift kein Raum. Bei Zusam-

9 Vgl. § 460, 1 ff. sowie KK/Appl 2; Bringewat 4; Pohlmann/Jabel/Wolf § 43, 2 ff. 10 OLG Düsseldorf GA 1987 511; MDR 1990 744; OLG Stuttgart Justiz 1987 436; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000 95; Maatz NStZ 1990 21; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 5. 11 Eisenberg NStZ 1987 167, 169; KK/Appl 3; OLG Düsseldorf MDR 1988 79. 12 BGBl. I S. 469, 502. 13 Eisenberg/Kölbel § 85, 11. 14 BGHSt 28 351; BGH NStZ 1985 92; BGH NStZ-RR 2007 190; ebenso OLG Düsseldorf MDR 1988 80; 1990 744; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 5; so auch schon zu § 43 Abs. 3 StVollstrO a. F. OLG Hamburg NStZ 1986 336 mit zust. Anm. Jabel; Böhm NStZ 1981 252. 15 OLG Düsseldorf MDR 1988 80; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000 95. 16 Vgl. dazu Jabel MDR 1980 719; Pohlmann/Jabel/Wolf § 23, 14; § 43, 21.

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mentreffen von Jugendstrafe und Freiheitsstrafe und Abgabe der Vollstreckung durch den Jugendrichter als Vollstreckungsleiter an die Staatsanwaltschaft nach § 89a Abs. 3, § 85 Abs. 6 JGG hat im Falle der Anschlussvollstreckung die hierfür zuständige Strafvollstreckungskammer nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Entscheidung rechtzeitig vor dem nach § 89a Abs. 1 JGG, § 454b Abs. 2 und 4 zu bestimmenden Termin über die Strafaussetzung zu entscheiden.17 Die Vollstreckung der Jugendstrafe ist in einem solchen Fall nach § 89a Abs. 1 Satz 2 JGG spätestens nach Verbüßung der Hälfte dieser Strafe zu unterbrechen.18 2. Anwendungsbereich 9

a) Freiheitsstrafen. Wie unter Rn. 6 ausgeführt, gebietet Absatz 1 nur, Freiheitsund Ersatzfreiheitsstrafen nacheinander zu vollstrecken, ohne festzulegen, nach welchen Gesichtspunkten die Reihenfolge zu bestimmen ist. Sie sind weiterhin § 43 Abs. 2 StVollstrO zu entnehmen.19 Nach dessen Absatz 2 Nr. 1 sollen die Strafen in der Reihenfolge ihrer Dauer, und zwar die kürzere vor der längeren, gleich lange in der Reihenfolge, in der die Rechtskraft eingetreten ist, vollstreckt werden.20 Beim Zusammentreffen von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung bestimmt sich die Reihenfolge der Vollstreckung weiterhin nach §§ 44, 44a, 44b StVollstrO.21

b) Zusammentreffen von Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen. Nach § 50 Abs. 1 StVollstrO gelten für die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen zwar die Bestimmungen des II. Abschnitts (§§ 22 bis 47 StVollstrO), mithin auch die §§ 43 ff. StVollstrO. Bis zur Neufassung des § 43 Abs. 2 Nr. 2 StVollstrO durch die Bekanntmachung vom 28.3.2001 stand damit zwar die Reihenfolge der Vollstreckung beim Zusammentreffen unterschiedlich langer Ersatzfreiheitsstrafen fest, wurde aber nichts zu der Frage gesagt, in welcher Reihenfolge bei einem Zusammentreffen von Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen diese zu vollstrecken sind, d. h. ob die Ersatzfreiheitsstrafe vor oder nach der Freiheitsstrafe zu vollstrecken oder ob diese nach Vollzugsbeginn ganz allgemein wie eine Freiheitsstrafe zu behandeln ist. 11 Um diese Frage abschließend und eindeutig zu klären, hatte der Bundesrat beantragt, Absatz 1 Satz 1 um folgenden Satz 2 zu ergänzen: „Ersatzfreiheitsstrafen sollen nach Freiheitsstrafen vollstreckt werden“. Begründet hatte er den Antrag mit der Erwägung, dass der Verurteilte auch während des Vollzugs die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen noch häufig durch Entrichten der Geldstrafe abwende, der Gesetzesvorschlag mithin in einem gewissen Umfang auch dazu beitrage, die Justizvollzugsanstalten zu entlasten.22 12 Die Bundesregierung hat die Anregung aber nicht aufgegriffen, sondern sie vielmehr mit der Begründung abgelehnt, dass die Reihenfolge der Vollstreckung mehrerer Strafen schon nach bisherigem Recht im Verwaltungsweg i. S. des Anliegens des Bundesrats erreicht werden könne und es aus systematischen Erwägungen nicht angezeigt

10

17 18 19 20 21 22

OLG Dresden NStZ-RR 2000 381; OLG Jena NStZ 2005 167. OLG Dresden NStZ-RR 2000 381. OLG Hamm NStZ 1987 343; OLG Karlsruhe NStZ 1992 302; OLG Hamburg MDR StV 1993 256. Wegen der Ausnahme von diesem Grundsatz siehe Pohlmann/Jabel/Wolf § 43, 20 bis 24. Bringewat 5. BTDrucks. 10 2720, Anl. 2 (Stellungnahme des Bundesrats) Nr. 18: Zu Art. 2 Nr. 3, S. 26; seiner Auffassung neigt auch Meyer-Goßner/Schmitt zu (Rn. 1).

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sei, aus dem Gesamtkomplex „Vollstreckungsreihenfolge“ eine Einzelfrage gesetzlich zu regeln.23 Dass der Rechtsausschuss sich noch einmal mit der Frage befasst hätte, ist weder dem Sitzungsprotokoll noch dem abschließenden Bericht zu entnehmen.24 Die Frage ist nunmehr dahin geregelt, dass Ersatzfreiheitsstrafen nach Freiheitsstrafen vollstreckt werden (§ 43 Abs. 2 Nr. 2, 1. Hs. StVollstrO) und beim Zusammentreffen mehrerer Ersatzfreiheitsstrafen hinsichtlich der Reihenfolge der Vollstreckung die Regelung für Freiheitsstrafe entsprechend gilt (§ 43 Abs. 2 Nr. 2 letzter Hs. StVollstrO).

III. Unterbrechung (Absatz 2) 1. Allgemeines. Der Grundsatz, dass Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen unmittel- 13 bar nacheinander vollstreckt werden sollen (Absatz 1), schließt es nicht aus, die Vollstreckung in Einzelfällen aus wichtigem Grund zu unterbrechen, eine andere Reihenfolge zu bestimmen (§ 43 Abs. 4 StVollstrO) oder gar von der weiteren Vollstreckung abzusehen, wenn dies gesetzlich bestimmt (§§ 57, 57a StGB) oder sachlich geboten ist. Insoweit bestand in Rechtsprechung und Lehre von jeher Einigkeit. Streitig war allein die Frage, wie dieses Problem am besten gelöst werden kann, nämlich durch eine gesetzliche Regelung, sei es im StGB25 oder in der StPO,26 oder auf andere Weise durch bundeseinheitliche Regelung in der StVollstrO.27 Solange eine gesetzliche Regelung fehlte, musste der letztere, an die prozessrechtliche Lösung anknüpfende Weg beschritten werden. Nachdem der Gesetzgeber nunmehr eine gesetzliche (Teil-)Lösung getroffen hat, ist die Regelung in dem früheren § 43 Abs. 3 StVollstrO a. F. insoweit gegenstandslos geworden. 2. Gesetzgebungsgang a) Vorschlag der Bundesregierung. § 454b Abs. 2 Satz 1 des Regierungsentwurfs 14 enthielt in seiner ursprünglichen Fassung nur die jetzigen Nummern 2 und 3. Obwohl die Bundesregierung die Aufnahme der Unterbrechungsvorschriften mit der Erwägung begründet, damit den Vorschriften des materiellen Strafrechts über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes Genüge zu tun,28 glaubte der Entwurf – ohne das allerdings näher zu begründen –, die Unterbrechung auf die zwingend vorgeschriebenen Aussetzungsfälle des § 57 Abs. 1 Satz 129 und § 57a Abs. 1 StGB30 beschränken zu sollen. Das wäre vertretbar gewesen, wenn der Gesetzgeber nicht auch die Fassung des bisherigen § 57 Abs. 2 StGB31 geändert hätte, zumal da diese die Aussetzung des Strafrestes schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe zur seltenen Ausnahme machte. Zwar unterscheidet sich auch die neue Fassung des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB dadurch 15 weiterhin von der in § 57 Abs. 1 Satz 1 und § 57a Abs. 1 StGB, dass der Gesetzgeber sie 23 BTDrucks. 10 2720, Anl. 3 (Gegenäußerung der Bundesregierung): Zu Nr. 18, S. 30. 24 BTDrucks. 10 4391 (Bericht): Zu Art. 2 Nr. 3, S. 19; vgl. auch Greger JR 1986 357, der – ohne Begründung – von der Rechtslage ausgeht, die dem gerade nicht Gesetz gewordenen Vorschlag des Bundesrats entspricht. 25 Sog. materiell-rechtliche Lösung i. S. einer Einheitsstrafe nach dem Vorbild des § 31 JGG. 26 Sog. prozessrechtliche Lösung durch Bildung einer Art unechten Gesamtstrafe durch Addition der einzelnen Freiheitsstrafen. 27 So die frühere Fassung des § 43 Abs. 3 StVollstrO a. F. 28 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 3, S. 15. 29 Aussetzung des Strafrestes einer zeitigen Freiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe. 30 Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach Verbüßung von fünfzehn Jahren der Strafe. 31 Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe nach Verbüßung der Hälfte der Strafe.

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im Gegensatz zu letzteren Vorschriften nicht als Muss-, sondern als Kann-Vorschrift ausgestaltet hat. Jedoch dürfte es dieser Umstand nicht mehr ausschließen, § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB gleichwohl in die Unterbrechungsregelung einzubeziehen, nachdem die (erleichterte) Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung der Hälfte der Strafe ohnehin die Verbüßung von sechs Monaten voraussetzt und – im Gegensatz zur früheren Regelung – nunmehr auf Erstverbüßer beschränkt ist.32 16

b) Prüfungsempfehlung des Bundesrats. Der Bundesrat hat seine Empfehlung, auch den Fall des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB in die Unterbrechungsregelung einzubeziehen, namentlich damit begründet, dass das Gericht bei einem Erstverbüßer mit günstiger Sozialprognose die weitere Vollstreckung ohnehin regelmäßig nach Verbüßung der Hälfte der Strafe aussetzen werde. Da eine Ablehnung der Halbzeitentlassung aus generalpräventiven Gründen hier die Ausnahme sein werde, sei es angezeigt, diesen Fall in die Unterbrechungsregelung des § 454b Abs. 2 aufzunehmen, zumal da mit seiner Einbeziehung sichergestellt werde, dass auch dieser Fall bei der einheitlichen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Aussetzung aller Strafreste berücksichtigt werde.33 Die Bundesregierung hat die empfohlene Prüfung im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens durchgeführt.34 Der Rechtsausschuss des Bundestags hat sie mit geringen redaktionellen Abänderungen in der Formulierung übernommen.35 3. Unterbrechungsfälle (Satz 1)

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a) Allgemeines. Die Vorschrift bestimmt, dass die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe unter den in den in Satz 1 unter Nr. 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen unterbrechen muss.36 Mit der zwingend vorgeschriebenen Strafunterbrechung soll dem Verurteilten hinsichtlich aller Strafen die Chance zur Restaussetzung erhalten bleiben. Unter zunächst zu vollstreckende Freiheitsstrafe ist die unter Berücksichtigung der nach § 43 Abs. 2 StVollstrO festgelegten Reihenfolge jeweils vollstreckte Freiheitsstrafe zu verstehen.37 Ausgeschlossen ist es, die Vollstreckung nur zum Vollzug von Untersuchungshaft zu unterbrechen.38 Die Vollstreckungsbehörde hat die Freiheitsstrafe selbst dann zu unterbrechen, wenn eine Aussetzung des Strafrestes dieser Strafe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt denkbar ist. Denn diese Frage hat allein die Strafvollstreckungskammer, und zwar erst im Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung nach Absatz 3, zu treffen. Eine Unterbrechung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe sowohl zum Halbstrafenzeitpunkt als auch zum Zweidrittelzeitpunkt ist bei Erstverbüßern nicht vorgesehen. In den Fällen des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB ersetzt die Prüfung von Amts wegen nach Verbüßung der Hälfte die Prüfung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe und tritt nicht neben sie. Eine Prüfung von Amts wegen hat daher nur einmal zu erfolgen.39 Hat ein Verurteilter mehrere Freiheitsstrafen von jeweils nicht mehr als sechs Monaten zu verbüßen, so kommt eine Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung der Hälfte nach § 57 Abs. 2 StGB nicht 32 33 34 35 36 37 38 39

BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 1 Nr. 7a, S. 11. BTDrucks. 10 2720, Anl. 2 (Stellungnahme des Bundesrats) Nr. 19: Zu Art. 2 Nr. 3, S. 26. BTDrucks. 10 2720, Anl. 3 (Gegenäußerung der Bundesregierung): Zu 19, S. 30. BTDrucks. 10 4391 (Bericht): Zu Art. 2 § 454b, S. 19. BVerfG NStZ 1988 474; OLG Dresden NStZ 2016 109. OLG München MDR 1988 601. OLG Düsseldorf VRS 81 (1991) 120. OLG Oldenburg StV 1987 70; NStZ 1998 271, 272; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2016 125.

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in Betracht, weil nach der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestverbüßungszeit nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 von sechs Monaten kein Strafrest mehr übrig bleibt. Es ist nicht zulässig, für die Berechnung der Mindestverbüßungszeit die einzelnen Freiheitsstrafen zusammenzurechnen.40 Absatz 2 schafft auch nicht die Grundlage, die Strafvollstreckung zur Ermöglichung einer Therapie nach Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zu unterbrechen.41 Vielmehr stellt eine nach Absatz 2 unterbrochene, nicht nach § 35 BtMG zurückstellungsfähige Strafe eine im Sinne des § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG zu vollstreckende Strafe dar, die die Zurückstellung einer weiteren Strafe nach § 35 BtMG hindert.42 b) Zeitige Freiheitsstrafen. Für zeitige Freiheitsstrafen bestimmt das Gesetz zwei 18 unterschiedliche Unterbrechungszeitpunkte. Nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 hat die Vollstreckungsbehörde eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren nach Verbüßen der Hälfte der Strafe, mindestens aber von sechs Monaten, zu unterbrechen, wenn der Verurteilte erstmals eine Strafe verbüßt.43 aa) Erstverbüßer. In Rechtsprechung und Lehre umstritten ist die Frage, was unter 19 dem Begriff Erstverbüßung i. S. von § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu verstehen ist. Nach einer Meinung gilt die Erstverbüßerregelung für Verurteilte, die sich erstmalig im Strafvollzug befinden, nur hinsichtlich der in der Reihenfolge der Vollstreckung an erster Stelle stehenden Strafe.44 Nach anderer inzwischen eindeutig überwiegender Ansicht, die auf der vollstreckungsrechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Strafen aufbaut,45 wird die Erstverbüßung unabhängig von der Reihenfolge der Vollstreckung allein durch die Tatsache begründet, dass der Verurteilte erstmals Strafe verbüßt mit der Folge, dass die Halbstrafenunterbrechung auch bei mehreren nacheinander zu vollstreckenden Freiheitsstrafen für jede einzelne dieser Strafen gilt.46 Dieser Ansicht ist schon deshalb zuzustimmen, weil sie für die Unterbrechungsent- 20 scheidung allein darauf abstellt, ob die erstmalige Strafverbüßung den Verurteilten so beeindruckt, dass sie eine günstige Prognose erlaubt und damit eine mögliche Halbstrafenaussetzung rechtfertigt. Eine solche Möglichkeit ist trotz der Tatsache, dass gegen den Verurteilten eine weitere Freiheitsstrafe vollstreckt wird, weil er sich durch die erste Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe nicht von der Begehung einer neuen Straftat hat abhalten lassen, nicht von vornherein auszuschließen.47 Eine Ausnahme ist allerdings für den Fall anzuerkennen, dass die mehreren Freiheitsstrafen nicht in eine fortlaufende Anschlussvollstreckung einbezogen sind, sondern mit vollstreckungsfreien Zwischenphasen vollzogen werden. In einem solchen Fall liegen allerdings die Voraussetzungen

40 41 42 43 44 45 46

OLG Hamm NStZ-RR 2013 61 Ls. BGH StraFo 2010 473. BGH StraFo 2010 473; BGHSt 55 243 ff. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2016 125. OLG Hamm NStZ 1987 367; NStZ-RR 2010 60 Ls.; Greger JR 1986 356; NStZ 1986 573; Fischer § 57, 25. BGHSt 34 159, 161; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 3; a. A. Eisenberg NStZ 1987 167. OLG Oldenburg NdsRpfl. 1986 279; MDR 1987 602; StV 1987 70 mit Anm. Maatz; OLG Zweibrücken NStZ 1986 572 mit Anm. Greger; StV 1987 70 mit Anm. Maatz; OLG Karlsruhe Justiz 1987 319; OLG Stuttgart NStZ 1988 128; 2000 593; OLG München MDR 1988 601; OLG Düsseldorf StV 1989 215; OLG Celle StV 1990 271; OLG Köln StraFo 2007 479; LG Heilbronn StV 1986 346; Maatz MDR 1985 797, 800; NStZ 1988 144; OLG Bremen StV 2009 260; Bringewat 13; KK/Appl 11 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 47 OLG München MDR 1988 601; Maatz StV 1987 71; KK/Appl 12; a. A. OLG Hamm GA 1987 269.

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für die Annahme einer Erstverbüßung nur hinsichtlich der zuerst vollstreckten Freiheitsstrafe vor.48 Keine Erstverbüßung liegt mehr vor, wenn der Verurteilte zufolge einer strafgerichtli21 chen Entscheidung bereits einmal einen Freiheitsentzug erlitten hat, sei es durch Verbüßung einer Jugendstrafe,49 oder Verbüßung von Strafarrest (vgl. §§ 9, 14 WStG).50 Erstverbüßung ist auch dann zu verneinen, wenn der Verurteilte eine von einem früheren DDR-Gericht verhängte Freiheitsstrafe wegen einer Straftat verbüßt hat, die auch nach Bundesrecht strafbar gewesen wäre, es sei denn, dass die frühere Verurteilung nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbaren ist.51 Die Frage, ob auch angerechnete Untersuchungshaft und Auslieferungshaft als Erstverbüßung anzusehen ist, ist umstritten.52 Diese Frage wird zu verneinen sein, denn weder erlittene Untersuchungshaft noch Auslieferungshaft sind in ihrer Wirkung auf den Beschuldigten vergleichbar mit der Verbüßung von Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder Strafarrest. Der Vollzug von Untersuchungsoder Auslieferungshaft hindert mithin die Anwendung der Erstverbüßerregelung nicht.53 Die Vorverbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe54 führt ebenfalls nicht zum Ausschluss der Erstverbüßerregelung nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Ihre Einbeziehung in § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB würde für einen mittellosen Verurteilten eine besondere Härte bedeuten. 22

bb) Andere Fälle. In anderen Fällen (höhere Freiheitsstrafe als zwei Jahre oder wiederholte Strafverbüßung) darf – muss sie dann allerdings auch – die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der Freiheitsstrafe erst mit dem Ablauf des Tages unterbrechen, an dem der Verurteilte zwei Drittel der Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt hat (Nr. 2). Damit steht fest, dass eine Freiheitsstrafe, die zwei Monate oder weniger beträgt, stets voll zu vollstrecken ist und kann es auch nicht zweifelhaft sein, dass schon eine Strafe von zwei Monaten und einer Woche nach Ablauf von zwei Monaten, mithin wegen der verbleibenden einen Woche, zu unterbrechen ist. Nach dem klaren Wortlaut der Gesetzesfassung ist es nicht erforderlich, dass die zwei Monate auch zwei Drittel der verhängten Strafe ausmachen müssen, d. h. diese nicht auf mindestens drei Monate lauten muss.55 Aus dieser Beschränkung folgt zugleich, dass Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Halbstrafenunterbrechungen nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB, für die im Übrigen weiterhin ein Antrag vorausgesetzt wird,56 ausschließt.57 Für sie gilt auch nicht die Entscheidungskonzentration nach Absatz 3.58

48 Bringewat 13; KK/Appl 13. 49 OLG Stuttgart MDR 1988 251; OLG Karlsruhe NStZ 1989 323; OLG Düsseldorf MDR 1990 744; Fischer § 57, 23; LK/Hubrach § 57, 30; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 3; MüKo-StGB/Groß § 57, 25; Bringewat 13. 50 KK/Appl 14; LK/Hubrach § 57, 30; a. A. MüKo-StGB/Groß § 57, 25. 51 OLG Zweibrücken MDR 1992 175; KK/Appl 13a. 52 Gilt nicht als Erstverbüßung: KK/Appl 14; Fischer § 57, 24 ff. m. w. N.; OLG Stuttgart NStZ 1990 103; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996 186; OLG Zweibrücken StV 1998 670; OLG Braunschweig NStZ 1999 532; OLG Bremen StV 2009 260; Maatz MDR 1985 800; a. A. OLG Karlsruhe MDR 1989 1012; LR/Wendisch25 21. 53 OLG Bremen StV 2009 260; KK/Appl 14. 54 OLG Zweibrücken MDR 1988 984; OLG Stuttgart StV 1994 250; Fischer § 57, 23; LK/Hubrach § 57, 30; KK/ Appl 14; a. A. OLG Karlsruhe Justiz 1987 319; OLG Stuttgart Justiz 1988 376; NStZ 1988 128; JZ 1987 185. 55 OLG Köln NJW 1959 783; StK b. d. AG Bremerhaven MDR 1975 241; LK/Hubrach § 57, 7; Fischer § 57, 6. 56 OLG München MDR 1987 74. 57 OLG Oldenburg MDR 1987 75; Bringewat 14; Meyer-Goßner/Schmitt 18; a. A. OLG Zweibrücken JR 1990 212 mit abl. Anm. Wendisch. 58 OLG Oldenburg MDR 1987 75; OLG Düsseldorf NStZ 1991 103; LG Hamburg MDR 1991 666; Bringewat 14, 24.

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c) Lebenslange Freiheitsstrafen. Die Vollstreckung lebenslanger Freiheitsstra- 23 fen darf erst nach Verbüßung von 15 Jahren unterbrochen werden (Nr. 3). Dem eindeutigen Wortlaut des Absatzes 2 („unterbricht die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe, wenn … 3. bei lebenslanger Freiheitsstrafe fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind“) steht es entgegen, bei Zusammentreffen von zum Zweidrittelzeitpunkt zu unterbrechender zeitiger Freiheitsstrafe und lebenslanger Freiheitsstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld auf den Ablauf der von der Strafvollstreckungskammer festgesetzten erhöhten Mindestverbüßungszeit abzustellen.59 Das kann zu unterschiedlichen Entscheidungen führen.60 Abhilfe kann insoweit nur der Gesetzgeber schaffen. Trifft eine lebenslange mit einer zeitigen oder treffen mehrere zeitige Freiheitsstrafen zusammen, sind die Voraussetzungen der §§ 57, 57a StGB für jede von ihnen gesondert zu prüfen.61 Um sicherzustellen, dass auch in diesen Fällen eine gleichzeitige und einheitliche Entscheidung gegen Ende der Anschlussvollstreckung getroffen werden kann, ist die Vollstreckung der zunächst zu vollstreckenden zeitigen Freiheitsstrafe auch hier nach Absatz 2 Satz 1 zu unterbrechen, sobald die zeitlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 oder § 57a Abs. 1 StGB oder – bei Erstverbüßern – des § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB (nicht auch des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB) erfüllt sind.62 Sind mehrere lebenslange Freiheitsstrafen aus verschiedenen Urteilen nacheinander zu vollstrecken und wurde die zunächst vollstreckte lebenslange Freiheitsstrafe nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 unterbrochen, so hat das Gericht die Entscheidung nach § 57a StGB für beide Strafen gleichzeitig zu treffen.63 d) Freiheitsstrafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung. Die unter 24 Rn. 18 bis 23 erörterten Grundsätze gelten zufolge der Verweisung in § 463 Abs. 1 auch, wenn das erkennende Gericht neben einer oder auch mehreren der nacheinander zu vollstreckenden Freiheitsstrafen freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet hat.64 Beim Zusammentreffen von Freiheitsstrafe und freiheitsentziehender Maßregel aus verschiedenen Urteilen ist für die Entscheidung über die Reihenfolge der Vollstreckung nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zuständig.65 Bei der Sicherungsverwahrung folgt das schon daraus, dass diese stets zuletzt vollstreckt wird (§ 44 Abs. 1 und 2 StVollstrO). Damit wird der Strafvollstreckungskammer die Möglichkeit gegeben, im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nach Absatz 4 außer über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen zugleich auch darüber zu entscheiden, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67c Abs. 1 StGB noch erfordert.66 § 454b bleibt auch bei einer Anordnung eines Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 1 StGB unberührt. Da die gleichen Erwägungen auch für den Fall gelten, in dem das Gericht die Vollstreckung der Strafe vor einer an sich zunächst zu vollziehenden Maßregel nach §§ 63, 64 StGB angeordnet hat

59 60 61 62

So Widmaier NStZ 2010 593; OK-StPO/Coen 6. OLG Jena StraFo 2012 242, 244; Meyer-Goßner/Schmitt 18. OLG Hamm NJW 1979 1053; OLG Düsseldorf NStZ 1982 467; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 14. OLG Oldenburg MDR 1987 75; OLG Hamm MDR 1993 262; LG Hamburg MDR 1991 666; Meyer-Goßner/ Schmitt 2 und 18; a. A. LG Itzehoe SchlHA 1989 144; zweifelnd OLG Zweibrücken JR 1990 211 mit abl. Anm. Wendisch; OLG Karlsruhe Beschl. vom 15.8.2018 – 2 VAs 37/18. 63 OLG Nürnberg NStZ 1999 269. 64 OLG Karlsruhe Justiz 1988 602. 65 OLG Celle NStZ 1983 188. 66 KK/Appl 20 f.; OLG Hamburg OLGSt EGStGB Art 316e Nr 1.

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(§ 67 Abs. 2 StGB), besteht auch keine Veranlassung, die Frage der Unterbrechung der Vollstreckung hier anders zu behandeln. Aber auch dann, wenn die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) entsprechend dem Grundsatz des § 67 Abs. 1 StGB vor der Strafe vollzogen wird, bestehen keine Bedenken, die Maßregel wie eine Freiheitsstrafe zu behandeln, zumal da sie ohnehin auf die Strafe anzurechnen ist (§ 67 Abs. 4 StGB) und die Vollstreckungskammer bei Erreichen des Maßregelzwecks den nach der Anrechnung der Zeit des bisherigen Maßregelvollzugs noch verbleibenden Strafrest sogar aussetzen kann, wenn zufolge der Anrechnung die Hälfte der Strafe erledigt ist (§ 67 Abs. 5 Satz 1 StGB). Das gilt auch dann, wenn freiheitsentziehende Maßregeln aufgrund verschiedener Entscheidungen zu vollstrecken sind.67 4. Verspätete Vollstreckungsunterbrechung 25

a) Allgemeines. Das Unterbrechungsgebot des Satzes 1 ist strikt zu beachten. Es gilt auch, wenn das Gericht die Aussetzung nach § 57 oder § 57a StGB bereits abgelehnt hatte, sich aber dann herausstellt, dass eine weitere Strafe zu vollstrecken ist.68 Ein Verschulden der Vollstreckungsbehörde darf dem Verurteilten nicht zum Nachteil gereichen, da die grundrechtliche Verbürgung der Freiheit der Person es in verfassungsrechtlicher Hinsicht gebietet, dass die Vollstreckungsbehörde bei mehreren nacheinander zu vollstreckender Freiheitsstrafen die ihr gemäß § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO von Amts wegen auferlegte Verpflichtung zur Unterbrechung strikt beachtet.69 Streitig ist, ob und wie ein zurechenbarer70 Fehler der Vollstreckungsbehörde beseitigt werden kann. Dass er entgegen der früheren Auffassung der obergerichtlichen Rechtsprechung, die eine Heilung weder für erforderlich noch tatsächlich und rechtlich für möglich hielt,71 beseitigt werden muss, was heute auch nicht mehr in Frage gestellt wird, ergibt sich aus der Begründung des Bundesverfassungsgerichts. Denn wenn ein Fehler dem Verurteilten nicht zum Nachteil gereichen darf, muss er so gestellt werden, als sei der Fehler nicht geschehen, d. h. muss der Verurteilte so behandelt werden, als ob die Behörde rechtzeitig unterbrochen hätte.72

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b) Rückwirkungsmodell. Gegensätzliche Auffassungen bestehen allerdings hinsichtlich der Frage, auf welche Weise die Fehlerbeseitigung zu geschehen hat. Rechtsprechung und Lehre haben dazu zwei Modelle entwickelt, das auf einer vollstreckungsrechtlichen Lösung aufbauende Rückwirkungsmodell73 und das auf einer materiellrechtlichen Lösung beruhende Anrechnungsmodell. Ersteres74 will im Fall des Auseinanderfallens des rechtlich möglichen und des tatsächlichen Unterbrechungszeitpunkts den Unterbrechungsfehler durch eine rückwirkende Korrektur beseitigen, nämlich durch eine nachträgliche auf den rechtlich gebotenen Unterbrechungszeitpunkt rückdatierte

67 KK/Appl 22; OLG Hamm – 3. StS – Rpfleger 2008 332; a. A. OLG Hamm NStZ 1988 430. 68 OLG Hamm NStZ 1985 144; OLG Düsseldorf StV 1990 121; OLG Karlsruhe StV 1996 220; Maatz NStZ 1990 218; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 69 BVerfG NStZ 1988 474; OLG Naumburg NStZ 1997 56; Maatz NStZ 1990 214; Wolf NStZ 1990 575; Graul GA 1991 11; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 11. 70 Den das Bundesverfassungsgericht allerdings schon dann bejaht (NStZ 1988 475), wenn die Ursachen der Verzögerung „allein im Verantwortungsbereich der Staatsanwaltschaft“ liegen. 71 OLG Zweibrücken JR 1977 292; OLG Stuttgart Justiz 1981 322; MDR 1985 160; Justiz 1987 437. 72 Graul GA 1991 14. 73 Von Graul auch als Rückdatierungsmodell bezeichnet. 74 OLG Frankfurt NStZ 1990 254; KG StraFo 2011 108 Rn. 17; Graul GA 1991 11.

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und auf diesen Zeitpunkt zurückwirkende Anordnung erreichen. Das OLG Frankfurt sieht darin keinen unzulässigen Versuch, ein tatsächliches Geschehen (Freiheitsentziehung durch Strafvollzug) nachträglich zu beseitigen, sondern nur eine Änderung in der Bezeichnung des weiterhin andauernden Strafvollzugs, nämlich die Ersetzung des „Etiketts Strafe aus dem Urteil A durch Strafe aus dem Urteil B“.75 c) Anrechnungsmodell. Die Anhänger des Anrechnungsmodells meinen dagegen, 27 dass die Folgen einer von der Vollstreckungsbehörde zu vertretenen Versäumung des Unterbrechungszeitpunkts und damit des Widerspruchs zwischen § 454b Abs. 2 Satz 1 und den §§ 57, 57a StGB nur durch eine korrigierende Auslegung der Voraussetzungen für die Strafaussetzung in den materiell-rechtlichen Strafvorschriften behoben werden können.76 Eindeutig erreicht werde das dadurch, dass die zeitlichen Voraussetzungen der §§ 57, 57a StGB für die Anschlussstrafe um die Dauer der verspäteten Unterbrechung gemindert würden.77 Einen weiteren Lösungsweg schlägt Maatz vor. Obwohl er an sich eine vollstre- 28 ckungsrechtliche Lösung für wünschenswert hält, betrachtet er diesen Weg deshalb als nicht begehbar, weil einmal verbüßte Strafhaft de facto nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, darüber hinaus die Zulassung einer rückwirkenden Anordnung der Vollstreckungsunterbrechung mit der vollstreckungsrechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Strafe unvereinbar sei.78 Nach seiner Ansicht könnte der Fehler am besten dadurch beseitigt werden, „dass die Vollstreckungsbehörde den frühestmöglichen Entlassungszeitpunkt nach Maßgabe fingierter (!) Unterbrechung entsprechend der gesetzlichen Bestimmung des § 454b Abs. 2 StPO neu berechnet und die Vorgänge dem Vollstreckungsgericht rechtzeitig zur einheitlichen Entscheidung nach § 454b Abs. 4 StPO zuleitet“.79 d) Bevorzugte Lösung. Beide Modelle bezwecken das gleiche Ergebnis. Sie wollen 29 sicherstellen, dass die für den Verurteilten nachteilige verspätete Unterbrechung dadurch wieder beseitigt wird, dass von der Zweitstrafe mehr als verbüßt gilt, als tatsächlich verbüßt wurde. Beide Modelle bauen mithin auf einer Fiktion auf, indem sie zur Beseitigung des Nachteils den gegebenen Fall der verspäteten Vollstreckungsunterbrechung mit dem nicht vorliegenden, gedachten, Fall der rechtzeitigen Unterbrechung (zumindest partiell) gleichsetzen.80 Mit dieser Rechtskonstruktion entfallen die Bedenken, die gegen die rückwirkende Beseitigung einer einmal verbüßten Freiheitsstrafe erhoben werden.81 Denn diese beruhen auf dem selbstverständlich nicht angreifbaren Satz, dass in tatsächlicher Hinsicht Vergangenes nicht beseitigt werden kann. Einer aufgrund einer Fiktion rechtlich zulässigen rechtlichen Umgestaltung steht sie dagegen nicht entgegen. Sind aber beide Lösungswege denkbar, sollte man sich für das einfachere und prakti-

75 Ähnlich OLG Celle JR 1991 77 (2a aa) mit insoweit zust. Anm. Müller-Dietz. 76 OLG Zweibrücken JR 1977 292; OLG Stuttgart Justiz 1981 321; 1987 436; MDR 1985 160; NStZ 1991 150; OLG Düsseldorf StV 1993 88; OLG Hamburg StV 1994 195; LG Marburg NStZ 1988 273; Maatz NStZ 1990 216; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 77 OLG Stuttgart NStZ 1991 150; OLG Karlsruhe StV 1996 220; KK/Appl 6. 78 NStZ 1990 216 r. Sp.; ähnlich OLG Karlsruhe StV 1996 220. 79 NStZ 1990 217 l. Sp.; seine Lösung dürfte daher im Ergebnis als ein Unterfall des Anrechnungsmodells einzustufen sein. 80 Graul GA 1991 16; ähnlich Wolf NStZ 1990 575 r. Sp. oben. 81 Besonders deutlich OLG Stuttgart Justiz 1981 322, aber auch OLG Zweibrücken JR 1977 292; LG Marburg NStZ 1988 273 sowie Maatz NStZ 1990 216; Wolf (Nichtbeachtung) S. 125 bis 127; Hamann Rpfleger 1986 358; s. auch Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 11 ff.

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kablere Modell entscheiden.82 Das ist aber das vom OLG Frankfurt in der in Fn. 74 genannten Entscheidung vertretene Rückwirkungsmodell. Ihm ist daher auch der Vorzug zu geben, weil es die eigenverantwortliche und originäre Entscheidungszuständigkeit der Vollstreckungsbehörde nach § 454b Abs. 2 unberührt lässt. Das hat der Gesetzgeber letztlich auch so gesehen. Mit der Anfügung des Satzes 3 in Absatz 2 hat sich der Gesetzgeber inzwischen nämlich nach vorheriger Praxisbefragung83 für das Rückwirkungsmodell entschieden, weil es sich dabei um die überwiegend gehandhabte und bewährte Praxis handelt. 30

e) Weitere Voraussetzung. Weitere Voraussetzung für die Unterbrechung einer laufenden Vollstreckung wegen eines weiteren auf unbedingte Freiheitsstrafe lautenden Urteils ist auf jeden Fall dessen Rechtskraft (§ 449). Vor diesem Zeitpunkt scheidet sie schon deshalb aus, weil die Vollstreckung erst dann unterbrochen werden kann, wenn die in §§ 57, 57a StGB bestimmten Mindestverbüßungszeiten erreicht und die weitere Freiheitsstrafe vollstreckbar ist. Ein Fall des Anschlussvollzugs liegt auch dann vor, wenn der Rechtsfolgenausspruch des weiteren Straferkenntnisses nur teilweise, nämlich hinsichtlich des Schuldspruchs und der verhängten unbedingten Freiheitsstrafe, nicht aber hinsichtlich des Maßregelausspruchs rechtskräftig ist.84 Ist auch nur eine dieser Voraussetzungen zu verneinen, kann die Vollstreckungsbehörde die laufende Vollstreckung nicht nach § 454b unterbrechen. Wird die weitere Strafe erst nach Ablauf der gesetzlichen Mindestverbüßungszeit in der ersten Sache rechtskräftig, ist mithin eine Unterbrechung erst zu diesem Zeitpunkt möglich,85 dann aber auch vorzunehmen, weil anderenfalls die gemeinsame Aussetzung der Reststrafen zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausgeschlossen wäre. Tritt die Rechtskraft erst nach Vollverbüßung der ersten Strafe ein, kommt eine Folgenbeseitigung durch Rück- oder Anrechnung nicht mehr in Betracht. Dem Verurteilten bleibt dann allenfalls die Möglichkeit, einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen.86 IV. Ausnahmen 1. Strafreste aufgrund Widerrufs einer Aussetzung (Satz 2)

31

a) Gesetzgebungsgang. Satz 2 war schon im Regierungsentwurf enthalten,87 fehlte dann aber in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses.88 Das Versäumnis dürfte auf ein Missverständnis über die Reichweite der Formulierungshilfe vom 9.9.1985 zurückzuführen sein, in der das Bundesministerium der Justiz diese – weil nur das während der Beratungen des 6. Ausschusses streitig gewesen war – auf § 454b Abs. 1 und 2 beschränkt hatte. Das Versäumnis wurde auch während der zweiten und dritten Lesung des Bundestags nicht bemerkt89 und konnte erst im Rahmen der Anrufung des Vermitt-

82 Dazu näher Graul GA 1991 18 ff., 25 f.; vgl. OLG Hamburg StV 1994 196. Das OLG Naumburg (NStZ 1997 56) will offenbar beide Möglichkeiten zulassen. BTDrucks. 16 3038 S. 50. OLG Karlsruhe Justiz 1988 602. Maatz NStZ 1990 217; OLG Karlsruhe StV 1996 220. Wolf NStZ 1990 575; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 2. BTDrucks. 10 2720, Art. 2 Nr. 3, § 454b Abs. 2 Satz 2, S. 6. BTDrucks. 10 4391, zu Art. 2 Nr. 3 (§ 454b), S. 10, 19. S. Sitzungsprotokoll – 10. Wahlp. 181. Sitzung – v. 5.12.1985 Nr. 13793 (A) bis (C) sowie Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom 5.12.1985 – BRDrucks. 5/86, Art. 2 Nr. 4.

83 84 85 86 87 88 89

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lungsausschusses durch den Bundesrat90 durch jenen noch wieder gutgemacht werden.91 b) Inhalt. Satz 2 schließt eine (nochmalige) Unterbrechung von Strafresten aus, die 32 aufgrund Widerrufs ihrer Aussetzung vollstreckt werden.92 Diese sind mithin voll, und zwar an erster Stelle zu vollstrecken.93 Die Grundlage dafür bildet § 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO mit der weiteren Folge, dass gegen die ablehnende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, die Vollstreckung zum Zweidrittel-Zeitpunkt nochmals zu unterbrechen, (nur) der Rechtsweg nach § 23 EGGVG gegeben ist.94 Unter „Strafreste“ i. S. dieser Vorschrift sind – wie sich schon aus der Paragrafenfolge und deren Standort ergibt – nur solche Teile einer nach Rechtskraft vollstreckten Freiheitsstrafe zu verstehen, die aufgrund der Aussetzung der weiteren Vollstreckung nach Verbüßung entweder der Hälfte, von zwei Dritteln oder von 15 Jahren (§ 454 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 57, 57a StGB) bisher nicht vollstreckt worden, nunmehr aber aufgrund eines Widerrufs durch die Strafvollstreckungskammer (§ 453 Abs. 1 i. V. m. § 57 Abs. 5, § 57a Abs. 3 [§ 56f] StGB) zu vollstrecken sind. Zu ihnen zählen auch solche Strafreste, die eine Gnadenbehörde nach Strafantritt ausgesetzt hat, die dann aber widerrufen worden sind. Strafreste, deren Aussetzung das Gericht bereits rechtskräftig abgelehnt hat, fal- 33 len nicht darunter, da die Ablehnung, einen Strafrest auszusetzen, nicht dem Widerruf einer Aussetzung gleichzusetzen ist.95 Ihre erneute Aussetzung ist allerdings wegen ihres Vorwegvollzugs nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 StVollstrO praktisch ausgeschlossen,96 da die erneute Prüfung der Reststrafenaussetzung in diesen Fällen nur und erst im Zweidrittel- oder Halbstrafenzeitpunkt der Anschlussvollstreckung in Betracht kommt.97 Soweit in solchen Fällen ausnahmsweise die Prüfung der erneuten Aussetzung erwogen werden sollte, kann nur die Vollstreckungsbehörde nach § 43 Abs. 4 StVollstrO durch Änderung der Vollstreckungsreihenfolge aus wichtigem Grund abhelfen.98 Dieses Ergebnis kann weder als unbefriedigend bezeichnet werden, noch rechtfertigt es den Schluss, dass die Vorwegvollstreckung solcher Strafreste unzulässig sei.99

90 Anl. zu BRDrucks. 5/86, Nr. 2: zu Art. 2 Nr. 4 (§ 454b Abs. 2 StPO). 91 Beschlussempfehlung v. 20.2.1986, BTDrucks. 10 5061, Anl. zu … Strafrechtsänderungsgesetz – Strafaussetzung zur Bewährung – (StRÄndG), Nr. 2. 92 BGH NStZ 1991 205; BGHSt 57 155; OLG Hamburg StV 1993 256; OLG Hamm MDR 1993 262; OLG Düsseldorf StV 1993 257; LG Heilbronn NStZ 1988 291 mit zust. Anm. Wendisch; OLG Braunschweig Beschl. vom 17.1.2014 – 1 Ws 400/13; OLG Jena Beschl. vom 23.1.2014 – 1 Ws 1/14; KK/Appl 19; Meyer-Goßner/ Schmitt 7; Bringewat 21; a. A. LG Hamburg NStZ 1992 253 mit zust. Anm. Volckart 254 und abl. Anm. Funck 511. 93 BGHSt 57 155 Rn. 9. 94 BGH NStZ 1991 205; OLG Hamburg MDR 1993 261; KK/Appl 28; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 28. 95 OLG Hamm NStZ 1985 144; OLG Oldenburg StV 1985 68, 69; OLG Düsseldorf StV 1990 121; Maatz NStZ 1990 218; Meyer-Goßner/Schmitt 7; zum früheren Rechtszustand OLG Karlsruhe NStZ 1982 396 mit krit. Anm. Katholnigg; Volckart StV 1982 32; a. A. zum früheren Rechtszustand OLG München StV 1982 30. 96 KK/Appl 17; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 97 Bringewat 21. 98 OLG Hamburg StV 1993 256; OLG Hamm MDR 1993 262; LG Heilbronn NStZ 1988 291 mit zust. Anm. Wendisch; a. A. OLG Düsseldorf StV 1993 257; LG Hamburg NStZ 1992 253 mit zust. Anm. Volckart (254) und abl. Anm. Funck (511). 99 Bringewat 21.

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2. Sonderfälle 34

a) Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB). Keine Strafreste i. S. von Satz 2 sind Strafen, die das erkennende Gericht zur Bewährung ausgesetzt hat (§ 56 StGB),100 und zwar selbst dann nicht, wenn der Verurteilte bei einem Widerruf (zufolge Anrechnung von Untersuchungshaft) tatsächlich nur noch einen Strafrest verbüßen müsste. Einmal steht der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56, 56f StGB) der Aussetzung des Strafrestes nach § 57 StGB nicht entgegen.101 Denn der Widerrufsbeschluss nach § 56f StGB i. V. m. § 56 StGB hat nicht die Wirkung, dass die ursprünglich verhängte Strafe auf jeden Fall voll verbüßt werden muss. Abgesehen davon, dass die Aussetzungsvoraussetzungen in beiden Fällen verschieden sind, können sich – wie die Erfahrung zeigt – die Verhältnisse beim Verurteilten seit dem Widerruf aufgrund des Behandlungsvollzugs in der Justizvollzugsanstalt so erheblich zu seinen Gunsten verändert haben, dass die Voraussetzungen des § 57 StGB nach Ablauf der dort angegebenen Zeiten durchaus zu bejahen sind. Ist aber die Aussetzung zulässig, muss auch die Unterbrechung möglich sein, zumal da diese der Vorbereitung jener Entscheidung dient.

b) Widerruf einer Zurückstellung der Vollstreckung (§ 35 Abs. 5 BtMG). Nach § 35 Abs. 1 BtMG kann die Vollstreckungsbehörde (mit Zustimmung des Gerichts) die Vollstreckung gegen einen Verurteilten für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn dieser wegen einer Straftat, die er aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, zu einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren verurteilt worden ist, sich in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung seiner Abhängigkeit befindet oder zugesagt hat, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen. Das Institut der Zurückstellung ergänzt mithin das der (vorrangigen) Strafaussetzung zur Bewährung. Es erlaubt der Vollstreckungsbehörde, bei einem betäubungsmittelabhängigen Verurteilten die Vollstreckung trotz zweifelhafter Prognose aufzuschieben oder nach Teilverbüßung zu unterbrechen. 36 Die Vollstreckungsbehörde muss die Zurückstellung widerrufen, wenn der Verurteilte die Behandlung nicht begonnen, nicht fortgeführt oder die alsbaldige Aufnahme und Fortführung der Behandlung nicht zu erwarten ist oder der Nachweis über die Aufnahme oder Fortführung der Behandlung nicht erbracht worden ist, wenn bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung zurückgestellt wird oder wenn gegen den Verurteilten eine weitere Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel zu vollstrecken ist (§ 35 Abs. 5, 6 BtMG).102 Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, muss sie die Vollstreckung der Strafe oder des Strafrestes einleiten. Eine erneute Zurückstellung der Vollstreckung bleibt möglich. 37 Aus dieser Darstellung der Verfahrensmöglichkeiten bei der Zurückstellung der Vollstreckung sowie ihres Widerrufs, aber auch der Zulässigkeit einer erneuten Zurückstellung ergibt sich eindeutig, dass dieses Institut mit dem der Aussetzung des Strafrestes nach § 57 StGB nicht vergleichbar ist mit der Folge, dass es auch nicht der Ausnahmeregelung des § 454b Abs. 2 Satz 2 unterstellt werden kann.103 35

100 OLG Frankfurt NStZ-RR 2000 282; 2002 28. 101 OLG Bremen MDR 1958 263; OLG München MDR 1959 324; LK/Hubrach § 57, 14; Fischer § 57, 14; KK/ Appl 19; Bringewat 22. 102 OLG Bamberg StraFo 2014 261. 103 KK/Appl 19; Bringewat 23.

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c) Widerruf der Aussetzung des Strafrestes im Anschluss an eine Therapie 38 (§ 36 Abs. 4 BtMG). Obwohl das Gesetz hier von dem Widerruf der Aussetzung des Strafrestes spricht, wird auch dieser Fall nicht von der Ausnahmeregelung des § 454b Abs. 2 Satz 2 erfasst. Zwar trifft die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes nach § 36 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 BtMG – anders als im Fall des § 35 Abs. 1 BtMG – nicht die Vollstreckungsbehörde, sondern das Gericht. In diesem Zusammenhang streitig ist allerdings die Frage, welches Gericht – das des ersten Rechtszugs oder die Strafvollstreckungskammer – für die Widerrufsentscheidung zuständig ist. Inzwischen hat sich in Rechtsprechung und Lehre die Auffassung durchgesetzt, dass bei dem in Freiheit befindlichen Verurteilten zufolge der Verweisung in § 36 Abs. 4 BtMG auf die §§ 56a bis 56g StGB das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig ist. Begründet wird dieser Standpunkt mit der Erwägung, dass dieser Fall inhaltlich eher dem des § 56 StGB entspricht.104 Anders ist die Zuständigkeit jedoch zu beurteilen, wenn sich der Verurteilte im Entscheidungszeitpunkt in Haft befindet, zumal da die nach der Strafaussetzung zur Bewährung zu treffenden Entscheidungen nicht in § 36 Abs. 5 BtMG, sondern in dessen Absatz 4 angesprochen sind, so dass schon deshalb kein Anlass besteht, von der regelmäßigen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer abzuweichen.105

V. Absehen von der Unterbrechung der Vollstreckung (Absatz 3) 1. Zweck der Regelung. Absatz 2 ermöglicht eine Unterbrechung der Vollstreckung 39 der Freiheitsstrafe zum Zweidrittelzeitpunkt lediglich zum Zweck der Vollstreckung weiterer Freiheitsstrafen. Die Vorschrift schafft hingegen nicht die Grundlage, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, um eine Therapie nach Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zu ermöglichen. Ein Verurteilter, der sich nach § 35 BtMG einer Therapie unterzieht, befindet sich nicht mehr Strafvollzug, wie sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 35 Abs. 1 BtMG ergibt, denn danach wird die Vollstreckung der Strafe „zurückgestellt“, also die Strafe gerade nicht vollstreckt. Die Therapiezeit stellt mithin keine Strafvollstreckung dar. Sie ist unter den Voraussetzungen von § 36 BtMG lediglich auf die Strafe anzurechnen. Demgegenüber belässt die Unterbrechung der Vollstreckung nach Absatz 2 die betreffende Strafe weiterhin im Stadium der Vollstreckung und stellt damit eine zu vollstreckende Strafe i. S. d. § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG dar, die eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG hindert.106 Eine vollständige Vorabvollstreckung einer nicht zurückstellungsfähigen Strafe, um eine Therapie zu ermöglichen, ist nach Absatz 2 nicht zulässig. Bis zu der neuen gesetzlichen Regelung in Absatz 3 hat sich die Praxis damit beholfen, mit Einverständnis des Verurteilten zunächst die nicht mit der Drogenabhängigkeit zusammenhängende Freiheitsstrafe vollständig vorab zu vollstrecken, um dann die Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung zu schaffen. Teilweise wurde aber auch die Vollstreckung der nicht zurückstellungsfähigen Strafe zum Zweidrittelzeitpunkt unterbrochen und bereits zu diesem Zeitpunkt eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG gewährt. Nach erfolgreich absolvierter Therapie wurden dann die Freiheitsstrafen nach § 57 Abs. 1 StGB oder § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG zur Bewährung ausgesetzt. Diesen Vorgehensweisen in der Praxis hat der BGH allerdings schon im Jahre 2010 eine Absage erteilt mit der 104 BGHSt 32 58; OLG Düsseldorf MDR 1987 520; 1993 464; KK/Appl 19; Bringewat 23. 105 Wegen weiterer Einzelheiten s. § 462a, 26 bis 28 und die dort angegebene Rechtsprechung und Lehre; BGHSt 37 338 f.; BGH JR 2004 81 mit Anm. Immel.

106 BGHSt 55 243, 246; OLG München NStZ 2000 223.

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Folge, dass der bis dahin beschrittene Weg in der Folgezeit versperrt war. Erst mit der Einfügung des neuen Absatzes 3 hat der Gesetzgeber etwa sieben Jahre nach der Entscheidung des BGH eine von diesem für erforderlich gehaltene gesetzliche Regelung107 geschaffen. 2. Voraussetzungen 40

a) Anwendungsbereich. Mit Absatz 3 wird für die Vollstreckungsbehörde die Möglichkeit geschaffen, von der Unterbrechung der Strafvollstreckung zum Halb- bzw. Zweidrittelzeitpunkt abzusehen, wenn zu erwarten ist, dass nach der vollständigen Verbüßung der Freiheitsstrafe für eine weitere Freiheitsstrafe die Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG erfüllt sein werden.108

41

b) Antrag des Verurteilten. Das Absehen von der Unterbrechung der Vollstreckung setzt einen Antrag des Verurteilten voraus. Zu der Form des Antrags verhalten sich weder der Wortlaut des Absatzes 3 noch die Gesetzesmaterialien.109 Der Antrag sollte möglichst schriftlich gestellt werden, um der Dokumentationspflicht im Vollstreckungsheft zu genügen. Es reicht aber auch aus, den Antrag fernmündlich zu stellen. In einem solchen Fall bedarf es aber der Dokumentation durch einen zu den Akten zu nehmenden Vermerk desjenigen, demgegenüber der Antrag gestellt worden ist. Dies kann ein Mitarbeiter der Serviceeinheit der Vollstreckungsbehörde, aber auch der zuständige Vollstreckungsrechtspfleger oder auch der Staatsanwalt sein. An eine Frist ist der Antrag zwar von Gesetzes wegen nicht gebunden. Er sollte aber rechtzeitig vor den nach Absatz 2 Nr. 1 oder 2 erforderlich werdenden Entscheidungen angebracht werden.

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c) Prognose. Der Antrag ist zu begründen, denn nur so kann die Vollstreckungsbehörde prüfen, ob zu erwarten ist, dass nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafen die Voraussetzungen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG für eine weitere zu vollstreckende Freiheitsstrafe erfüllt sein werden.110 Die Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde über das Absehen von der Unterbrechung einer nicht zurückstellungsfähigen Freiheitsstrafe zwar noch nicht sicher feststehen. Es reicht aus, wenn ihre Erfüllung erwartet werden kann.111 Bemühungen des Verurteilten während des Vollzuges um einen Therapieplatz und Teilnahme an Therapieangeboten der Justizvollzugsanstalt zur Vorbereitung auf eine beabsichtigte Therapie können einen Indiz für eine günstige Prognose sein. 3. Verfahren

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a) Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Die Entscheidung über das Absehen von der Unterbrechung der Strafvollstreckung steht im Ermessen der Vollstreckungsbehörde. Hiermit soll insbesondere eine flexible Regelung erreicht und ein Missbrauch möglichst vermieden werden. Eine Ablehnung des Antrags kommt etwa dann in Betracht, wenn der Verurteilte das Verfahren nach Absatz 3 schon mehrfach in Anspruch genommen hat, aber die beabsichtigten Therapien tatsächlich nie angetreten hat. Vorrangig ist 107 108 109 110 111

BGHSt 55 243, 247. BTDrucks. 18 11272 S. 34. BTDrucks. 18 11272 S. 34. BTDrucks. 18 11272 S. 34. BTDrucks. 18 11272 S. 34.

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aber zu prüfen, ob zu erwarten ist, dass nach der vollständigen Verbüßung der Freiheitsstrafe die Voraussetzungen für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG vorliegen werden. Ist dies nicht zu erwarten, so sind die Voraussetzungen nach Absatz 3 nicht erfüllt mit der Folge, dass der Antrag abzulehnen ist. b) Gesonderter Beschluss über die Aussetzung der vorab zu verbüßenden Frei- 44 heitsstrafe zur Bewährung. Im Falle des Absehens von der Unterbrechung der Strafvollstreckung ist eine gleichzeitige Entscheidung über die Strafrestaussetzung zur Bewährung nach § 57 StGB für sämtliche zu verbüßenden Freiheitsstrafen nicht mehr möglich. Daher muss über die Aussetzung der vorab zu verbüßenden Freiheitsstrafe zur Bewährung ein gesonderter Beschluss nach § 57 StGB ergehen. Eine Entscheidung ist nur dann entbehrlich, wenn der Verurteilte die hierzu nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderliche Einwilligung nicht erteilt. Ein vorheriger Verzicht des Verurteilten auf die Entscheidung nach § 57 StGB zum Zeitpunkt der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde über das Absehen von der Unterbrechung der Vollstreckung nach Absatz 3 ist aber nicht statthaft.112 c) Verteidigerbestellung. Für die Durchführung des Verfahrens nach Absatz 3 ist 45 es regelmäßig geboten, dem Verurteilten wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nach § 140 Abs. 2 StPO einen Verteidiger zu bestellen.113 Ein Verurteilter wird in aller Regel nicht ohne anwaltliche Beratung in der Lage sein zu beurteilen, ob ein Antrag auf Absehen von der Unterbrechung der Vollstreckung im konkreten Einzelfall zweckmäßig ist. Dabei wird unter anderem zu berücksichtigen sein, dass eine Vorabvollstreckung auch für den Verurteilten nachteilig sein kann, wenn nämlich eine Zurückstellung der Strafvollstreckung doch nicht gewährt werden kann, weil etwa der Therapiebeginn infolge Ablehnung der Finanzierung der Therapie durch den Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträger nicht gewährleistet ist.

VI. Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung (Absatz 4) 1. Gleichzeitige Entscheidung. Absatz 4 schreibt vor, dass das Gericht die Ent- 46 scheidungen nach §§ 57, 57a StGB erst trifft, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung aller Strafen gleichzeitig entschieden werden kann.114 Das ist erst dann der Fall, wenn der Zeitpunkt für die Aussetzung des Strafrestes auch in Bezug auf die zuletzt vollstreckte Freiheitsstrafe – bei Bestehen einer Sperrfrist nach deren Ablauf – gegeben ist.115 § 78a Abs. 1 Satz 3 und § 78b Abs. 1 Nr. 1 letzter Hs. GVG,116 die ihn ergänzen, stellen klar, dass für diese gleichzeitigen Entscheidungen nur eine Strafvollstreckungskammer zustän-

112 BTDrucks. 18 11272 S. 35. 113 BTDrucks. 18 11272 S. 35. 114 KG NStZ-RR 2011 260 mit Anm. Deutscher jurisPR-StrafR 8/2011 Anm. 4; OLG Frankfurt NStZ-RR 2012 189; OLG Düsseldorf RuP 2014 108 Ls.; KG Beschl. vom 10.9.2014 – 2 Ws 326/14 mit Anm. Peglau jurisPR-StrafR 5/2015 Anm. 3. 115 OLG München MDR 1987 782; StV 2000 264; OLG Hamburg NStZ-RR 2004 134; OLG Schleswig SchlHA 2003 173 (zur Zurückstellung der Strafvollstreckung gegen einen betäubungsmittelabhängigen Verurteilten bei Notierung einer Anschlussvollstreckung); OLG Stuttgart NStZ-RR 2003 253 (Grundsatz der Entscheidungskonzentration nach § 454b Abs. 4 gilt auch für Halbstrafenentscheidungen); OLG Düsseldorf NStZ 1991 103; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 116 Eingefügt durch Art. 3 Nr. 1 und 2 des 23. StRÄndG (BGBl. 1986 I S. 393).

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dig ist.117 Dass mit der Bestimmung der Zuständigkeit nur einer Strafvollstreckungskammer für alle Aussetzungsentscheidungen der Verfahrensaufwand verringert wird, ist unbestreitbar. Fraglich ist jedoch, ob dieser insgesamt zu einer spürbaren Verringerung118 führt, zumal da es – abgesehen von der Möglichkeit der Übertragung der Zuständigkeit nach § 451 Abs. 3 Satz 2 (§ 451, 72 ff.) – für die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde an einer entsprechenden gesetzlichen Zuständigkeitsregelung fehlt. Zwar hatte der Arbeitsentwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes eine solche Anpassung durch Einfügung eines Absatzes 2 in § 451 vorgesehen.119 Jedoch hatten sowohl die Strafprozess- als auch die Strafvollstreckungsreferenten der Landesjustizverwaltungen den Vorschlag, dessen Zielvorstellungen sie durchaus als richtig anerkannten, abgelehnt, weil das Problem einer ausschließlichen Zuständigkeit nur einer Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde prozessual nicht lösbar sei.120 47

2. Rechtzeitigkeit vorbereitender Maßnahmen. Wegen der erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung des Gefangenen s. § 454a, 2 ff. Danach muss die Strafverfolgungsbehörde die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt so rechtzeitig einholen und die Akten der Strafvollstreckungskammer so rechtzeitig vorlegen, dass diese ihre und im Fall einer Ablehnung der Aussetzung das Beschwerdegericht seine Entscheidung frühzeitig genug treffen kann, um eine gewissenhafte und zeitlich angemessene Entlassungsvorbereitung durch die Vollzugsanstalt zu gewährleisten.121

3. Entscheidungsinhalt. Wie bereits ausgeführt, trifft das Gericht die Entscheidungen zwar gleichzeitig,122 aber für jede der aufgrund der Unterbrechung der Vollstreckung teilweise verbüßten Strafen getrennt.123 Daraus folgt, dass das Gericht, wenn die Voraussetzungen für eine gleichzeitige Entscheidung gegeben sind, diese auch treffen muss. Es ist ihm auf jeden Fall versagt, sie hinsichtlich einer der Reststrafen ausdrücklich oder stillschweigend zurückzustellen.124 Die Entscheidung kann wohl in einem Beschluss ergehen, muss allerdings die ver49 schiedenen Aussetzungsfälle einzeln behandeln. Auch wenn es die Aussetzung des Strafrestes in allen anstehenden Fällen anordnen will, befreit dieser Umstand das Gericht nicht von dieser Verpflichtung. Das ergibt sich daraus, dass das Gericht nicht nur zwei Möglichkeiten hat, nämlich die Aussetzung des Strafrestes der mehreren verbüßten Strafen anzuordnen oder sie abzulehnen, sondern die Aussetzung vielmehr auch auf eine der nacheinander vollstreckten Strafen beschränken kann mit der Folge, dass die übrigen aufgrund der Unterbrechung zunächst teilverbüßten Strafen weiter zu vollstre-

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117 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 3 Nr. 1 und 2, S. 17. 118 So die Begr. zu Art. 2 Nr. 3 BTDrucks. 10 2720 S. 15; OLG Düsseldorf StV 1990 122; 1993 257; OLG Rostock StV 1994 194.

119 Er sollte folgenden Wortlaut haben: Sind gegen einen Verurteilten mehrere Freiheitsstrafen zu vollstrecken, so übernimmt die Vollstreckung aller Freiheitsstrafen diejenige Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde, die die längste Strafe, bei gleichlangen Strafen diejenige, die die zuerst rechtskräftig gewordene Strafe zu vollstrecken hat. Die Vollstreckung anderer Strafen kann ihr mit ihrem Einverständnis übertragen werden. 120 OLG Düsseldorf MDR 1995 194. 121 Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 27. 122 KG Beschl. vom 10.9.2014 – 2 Ws 326/14 mit Anm. Peglau jurisPR-StrafR 5/2015 Anm. 3. 123 OLG Hamm MDR 1987 512; OLG Düsseldorf StV 1993 257; Maatz MDR 1985 801; NStZ 1990 216; Greger JR 1986 356; KK/Appl 24; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 3, 24; Fischer § 57, 10. 124 OLG Düsseldorf NStZ 1983 286; StV 1989 315; 1990 122; 1993 257; OLG Hamm MDR 1985 248; MeyerGoßner/Schmitt 6; Bringewat 24; JR 1994 349.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 454b

cken sind.125 Allerdings kann der Verurteilte wegen eines abgelehnten Falls die erneute Aussetzung beantragen. Lehnt das Gericht die Aussetzung in allen Fällen ab, weil es der Ansicht ist, es könne noch nicht verantwortet werden zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde, und hält es auch in näherer Zeit eine günstige Veränderung der Prognose nicht für wahrscheinlich, dann kann das Gericht auch in diesem Fall eine Sperrfrist nach § 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 StGB festsetzen.126 Die noch nicht verbüßten Strafreste sind alsdann entsprechend der ursprünglichen Reihenfolge weiter zu vollstrecken.127

VII. Weitere Verfahrensfragen 1. Rechtsbehelfe. Der Verurteilte kann die Unterbrechung der Vollstreckung nicht 50 anfechten, da er durch sie in keinem Fall beschwert ist, und zwar selbst dann nicht, wenn er eine Aussetzung des Strafrestes grundsätzlich ablehnt.128 Zwar kann das Gericht den Strafrest nur mit Einwilligung des Verurteilten aussetzen (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 57a Abs. 1 Satz 2 StGB), muss die Aussetzung daher im Entscheidungszeitpunkt ablehnen, wenn der Verurteilte nicht einwilligt (vgl. § 454, 11, 16, 47). Da die vorhergehende gesetzlich vorgeschriebene Entscheidung über die Unterbrechung der Vollstreckung durch die Vollstreckungsbehörde, und zwar nach § 31 Abs. 2 Satz 1 RpflG durch den Rechtspfleger,129 diese Regelung unberührt lässt,130 ist es weder erforderlich, den Verurteilten zuvor zu hören, noch die Unterbrechung von dessen Zustimmung abhängig zu machen, zumal da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verurteilte seine Meinung bis zur Entscheidung über die Aussetzung noch ändert. Wohl aber kann der Verurteilte Einwendungen gegen die Reihenfolge der Vollstreckung, die Ablehnung der Unterbrechung oder die Berechnung des Unterbrechungszeitpunkts geltend machen, über die alsdann das Gericht zu entscheiden hat (§ 458 Abs. 2 i. V. m. § 454b Abs. 1 und 2).131 Hat die Strafvollstreckungskammer mehrere Reststrafen zur Bewährung ausgesetzt, für die verschiedene Staatsanwaltschaften als Vollstreckungsbehörde zuständig sind, so ist nur die betroffene Staatsanwaltschaft zur Anfechtung, und zwar nur hinsichtlich „ihrer“ Reststrafe, berechtigt und muss das Gericht über die Anfechtung der Aussetzung dieser Reststrafe gesondert entscheiden.132 Einer vorherigen Nichtabhilfeentscheidung durch den Staatsanwalt – wie nach § 31 51 Abs. 6 Satz 1 RpflG a. F. – bedarf es nicht mehr.133 Nach § 31 Abs. 6 Satz 1 RpflG ist vielmehr der Rechtsbehelf gegeben, der nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vor125 A. A. Greger JR 1986 357: nur einheitliche Entscheidung möglich, weil die Prognose stets dieselbe sei; ebenso OLG Düsseldorf StV 1993 257; KK/Appl 24; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 24. 126 KK/Appl 25; Bringewat 26. 127 Zur Strafzeitberechnung bei unmittelbarer Anschlussvollstreckung s. OLG Karlsruhe NStZ 1992 407; zur Frage der Zulässigkeit einer entsprechenden Anwendung des Absatzes 3 a. F. auf Fälle, in denen eine Unterbrechung der Vollstreckung nach Absatz 2 Satz 1 nicht stattgefunden hat, vielmehr nach der derzeit vollstreckten Freiheitsstrafe weitere Strafreste nach Widerruf der für sie ursprünglich gewährten Aussetzung zur Bewährung zur Vollstreckung anstehen, s. OLG Düsseldorf JR 1994 347 mit krit. Anm. Bringewat. 128 OLG Düsseldorf MDR 1994 934; KK/Appl 26; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 11, 28; Neuhaus/ Putzke ZAP 2008 389, 391. 129 Müller-Dietz JR 1991 79; KK/Appl 23; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 130 Bringewat 11. 131 KK/Appl 26; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 28. 132 OLG Düsseldorf MDR 1995 194. 133 BTDrucks. 15 1508 S. 35.

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§ 455

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

schriften zulässig ist. Das ist vorliegend die gerichtliche Entscheidung nach §§ 458 Abs. 2, 462. Durch die Änderung des § 31 Abs. 6 Satz 1 RpflG durch das 1. JuMoG vom 24.8.2004 sollte das Rechtsbehelfsverfahren im Vollstreckungsverfahren gestrafft werden.134 Nach der herrschenden Meinung ist der Rechtsbehelf nach § 23 EGGVG und nicht 52 der nach § 458 Abs. 2 gegeben, wenn die Vollstreckungsbehörde es ablehnt, die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zum Halbstrafenzeitpunkt mit dem Ziel zu unterbrechen, zu einer Strafrestaussetzung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB zu kommen.135 Der Antrag nach § 23 EGGVG und nicht die Einwendung nach § 458 Abs. 2 ist ferner eröffnet, wenn die Vollstreckungsbehörde es abgelehnt hat, die Vollstreckung eines widerrufenen Strafrestes zum Zwecke nochmaliger Aussetzung zu unterbrechen.136 53

2. Rechtsmittel. Der Verurteilte kann die Entscheidung des Gerichts, mit der dieses seine Einwendungen nach § 458 Abs. 2 zurückgewiesen hat, mit sofortiger Beschwerde anfechten.137 Ordnet das Gericht entgegen einer Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde aufgrund einer Einwendung des Verurteilten die Unterbrechung der zunächst zu vollstreckenden Freiheitsstrafe an, so steht der Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung die sofortige Beschwerde zu. Nach § 462 Abs. 3 Satz 2 hat sie aufschiebende Wirkung.138

54

3. Zuständigkeit. Wegen der gerichtlichen Zuständigkeit bei Entscheidungen über Einwendungen gegen Anordnungen über die Reihenfolge oder die Unterbrechung der Vollstreckung nach § 454b Abs. 1 und 2 s. die Erl. zu § 458 Abs. 2 i. V. m. § 462; wegen der Zuständigkeit für Entscheidungen nach Absatz 4 siehe die Ausführungen zu § 462a, 77 ff.139

§ 455 Strafausstand wegen Vollzugsuntauglichkeit (1) Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist aufzuschieben, wenn der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt. (2) Dasselbe gilt bei anderen Krankheiten, wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist. (3) Die Strafvollstreckung kann auch dann aufgeschoben werden, wenn sich der Verurteilte in einem körperlichen Zustand befindet, bei dem eine sofortige Vollstreckung mit der Einrichtung der Strafanstalt unverträglich ist. (4) 1Die Vollstreckungsbehörde kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrechen, wenn 1. der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt, 2. wegen einer Krankheit von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist oder 134 BTDrucks. 15 1508 S. 35. 135 LR/Böttcher26 § 23, 103 EGGVG m. w. N.; OLG Hamm NStZ 1999 56; StraFo 2003 276; OLG Celle Beschl. vom 20.11.2015 – 2 Ws 194/15; OLG Dresden NStZ 2016 109; OLG Karlsruhe NStZ 2017 116. 136 LR/Böttcher26 § 23, 103 EGGVG m. w. N.; KK/Appl 28; OLG Karlsruhe StV 2003 348. 137 KK/Appl 27; Bringewat 28. 138 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 9, S. 17; Greger JR 1986 357; KK/Appl 27; Bringewat 28. 139 Wegen der Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde s. Pohlmann/Jabel/Wolf § 23, 4 ff.; § 43, 40, 41.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-014

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 455

3.

der Verurteilte sonst schwer erkrankt und die Krankheit in einer Vollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus nicht erkannt oder behandelt werden kann und zu erwarten ist, daß die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbestehen wird. 2Die Vollstreckung darf nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen. Schrifttum Altenhain Die Rechtsprechung der Strafsenate zum Rechtsschutz im Strafvollzug, JVBl. 1964 158; 1965 265; ders. Die strafgerichtliche Rechtsprechung zum Rechtsschutz gegen Justizverwaltungsakte, JZ 1965 756; ders. Die Rechtsprechung der Strafsenate zum Rechtsschutz gegen Justizverwaltungsakte auf dem Gebiet des Strafrechts, DRiZ 1970 105; Burghardt Die Strafsache „Oskar Gröning“ vor dem Bundesgerichtshof, ZIS 2019 21; Gatzweiler Haftunfähigkeit – Chancen und Versagen von Strafverteidigung und Strafvollzug, StV 1996 283; Heischel § 455 StPO – Die Haftverschonung aus Gesundheitsgründen in ihren rechtlichen Grundlagen und in der Praxis, Diss. Aachen 1998; ders. „Haftverschonung“ aus Gesundheitsgründen gemäß § 455 StPO, ZfStrVo 1998 40; Kaltenhäuser Privilegierung aufgrund Alters, HRRS 2018 104; Kiesecker Arzt und Gewahrsam/Haftfähigkeit, MedR 1999 51; Lesting Wohin mit den psychisch kranken Strafgefangenen, R&P 1992 81; Olbricht Verhältnis mehrerer gleichzeitiger Haftbefehle zueinander und zur Strafvollstreckung, GA 48 (1901) 393; Rixen Wann liegt eine rechtsgültige Aussetzung der Strafhaft (Strafunterbrechung) bei Verfall eines Strafgefangenen in Geisteskrankheit vor? MSchrKrimPsych. 11 (1914/18) 542; Spitzner Sind die Behörden der inneren Verwaltung befugt, in ihren Anstalten vollstreckte Strafen zu unterbrechen? GA 64 (1917) 87; Zilkens Datenschutz im öffentlichen Gesundheitsdienst, RDV 2008 103.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift hat ihre jetzige Bezeichnung durch die Bek. 1924 (RGBl. I (1923) S. 322) erhalten. Sie bestand ursprünglich nur aus den Absätzen 1 bis 3. Absatz 4 ist durch Art. 2 Nr. 5 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 eingefügt worden. Bezeichnung bis 1924: § 487.

I. II. III.

IV.

Übersicht Anwendungsbereich 1 Begriffsbestimmungen 4 Strafaufschub (Absätze 1 bis 3) 1. Allgemeines 5 2. Kein Antragserfordernis 8 3. Gesetzliche Aufschubgründe a) Verfall in Geisteskrankheit (Absatz 1) 9 b) Besorgnis naher Lebensgefahr (Absatz 2) 10 c) Körperlicher Zustand (Absatz 3) 11 4. Sonstige Krankheiten 13 5. Dauer 14 Strafunterbrechung (Absatz 4) 1. Einführung 15 2. Gesetzgebungsgang 16 3. Allgemeines 17 4. Unterbrechungsgründe (Satz 1)

a)

V.

VI.

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Verfall in Geisteskrankheit (Nr. 1) und Besorgnis naher Lebensgefahr (Nr. 2) 18 b) Sonstige schwere Erkrankung (Nr. 3) 19 c) Dauer der Erkrankung 20 d) Ermessensentscheidung 21 5. Ausnahme (Satz 2) 22 6. Besonderheiten bei Vollzug durch Bundeswehrbehörde (Art. 6 WStrGEG) 23 7. Unterbrechung nach § 19 StVollstrO 27 8. Gewaltsame Strafunterbrechung 28 9. Kosten 29 Zuständigkeit 1. Vollstreckungsbehörde 30 2. Gericht 31 Rechtsbehelfe

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§ 455

1. 2. 3.

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Entscheidung nach § 458 Abs. 2, 3 32 Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG 33 Dienstaufsichtsbeschwerde 34

VII. Aufschub und Unterbrechung durch Gnadenakt 35 VIII. Regelungen im Strafvollzugsgesetz 36 IX. Anwendung des § 455 auf Geldstrafen und sonstige Rechtsfolgen 38

Alphabetische Übersicht Antrag nach § 23 EGGVG 33 Antragserfordernis 8 Anwendungsbereich 1 Aufschubgründe 9 ff. Begriffsbestimmungen 4 Bundeswehrangehörige 23 Dauer 14, 20 Dienstaufsichtsbeschwerde 34 Ermessen 6, 21, 25 Ermessensentscheidung 21 Geldstrafe 38 Gewaltsame Strafunterbrechung 28 Gnadenmaßnahme 35 Körperlicher Zustand 11 Kosten 29 Krankheiten 13, 19, 24

Lebensgefahr 10, 18, 24 Maßregeln der Besserung und Sicherung 1 Öffentliche Sicherheit 22 Öffentliches Interesse 7 Prüfung von Amts wegen 8 Rechtsbehelfe 32 ff. Schwangere 12 Schwere Erkrankung 19, 24 Strafaufschub 4 ff. Strafausstand 4 Strafunterbrechung 2, 4, 15 ff. Strafvollzugsgesetz 36 Unterbrechungsgründe 18 ff. Verfall in Geisteskrankheit 9, 18 Vollzugsuntauglichkeit 1, 13, 26 Zuständigkeit 30 f.

I. Anwendungsbereich Bis zum Inkrafttreten des 23. StRÄndG am 1.5.1986 regelte § 455 nur den Aufschub der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe wegen Vollzugsuntauglichkeit (Absatz 1 bis 3). Aufgrund der Verweisung in § 463 Abs. 1 gilt er grundsätzlich auch für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung (hier: von freiheitsentziehenden Maßregeln; vgl. § 463, 1 ff.), soweit nicht dessen Absatz 5 Satz 1 den Aufschub für den Fall ausschließt, dass der Verurteilte in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist und Satz 2 weiter bestimmt, dass der nachträgliche Verfall in Geisteskrankheit – anders als nach § 455 Abs. 1 – kein zwingender Aufschubgrund ist, der Aufschub der freiheitsentziehenden Maßregel vielmehr in das Ermessen der Vollstreckungsbehörde gestellt ist. 2 Dagegen war die Unterbrechung der Vollstreckung wegen Vollzugsuntauglichkeit früher nicht gesetzlich, sondern in §§ 45, 46 StVollstrO geregelt. Da die Unterbrechung aus Gründen der Vollzugsorganisation bereits eine gesetzliche Grundlage in § 455a (vgl. Rn. 22) erhalten hatte1 und nunmehr auch die Unterbrechung bei Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen in § 454b geregelt wurde,2 hielt es der Gesetzgeber für geboten, auch den dritten Fall, die Unterbrechung wegen Krankheit, gesetzlich zu regeln und dadurch zugleich den Grundsatz deutlicher als bisher zum Ausdruck zu bringen, dass Strafen zu vollstrecken sind, soweit nicht das Gesetz etwas anderes vorschreibt oder zulässt.3 Die Neufassung der §§ 45, 46 StVollstrO trägt der geänderten Rechtslage dadurch 1

1 Eingeführt durch § 181 StVollzG. 2 Eingefügt durch Art. 2 Nr. 4 23. StRÄndG (BGBl. 1986 I S. 393). 3 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 4. Wegen weiterer Einzelheiten zum Gesetzgebungsgang s. Rn. 15.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Rechnung, dass sie sich jetzt auf technische Regelungen in Bezug auf die Voraussetzungen (§ 45 StVollstrO) und das Verfahren (§ 46 StVollstrO) beschränkt. Für den Vollzug der Untersuchungshaft gilt § 455 nicht.4 Bei dem Vollzug der 3 Abschiebehaft sollen die Grundsätze zu § 455 entsprechend gelten.5

II. Begriffsbestimmungen Terminologisch ist zu unterscheiden zwischen Strafausstand, Strafaufschub und 4 Strafunterbrechung. Der Oberbegriff Strafausstand umfasst jede vorübergehende Aussetzung der Strafvollstreckung. Strafaufschub ist die vor Beginn des Vollzugs, Strafunterbrechung die nach Vollzugsbeginn angeordnete Aussetzung der Vollstreckung.6 Die Vorschriften über den Strafaufschub finden auch Anwendung, wenn bereits ein Teil der Strafe vollstreckt war und nach einer Unterbrechung die Fortsetzung der Vollstreckung des Strafrestes in Frage steht.7

III. Strafaufschub (Absätze 1 bis 3) 1. Allgemeines. Die Absätze 1 bis 3 behandeln den Strafaufschub. Sie regeln mithin, 5 in welchen Fällen der Beginn der Vollstreckung einer – zeitigen, aber auch lebenslangen – Freiheitsstrafe wegen Erkrankung aufzuschieben ist oder aufgeschoben werden kann. Das Gebot, den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen,8 findet nämlich seine Grenzen im Grundrecht des Verurteilten auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das insoweit bei Gesundheitsgefährdungen des Verurteilten entstehende Spannungsverhältnis ist dabei nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Abwägung der widerstreitenden Interessen aufzulösen. Die Vollstreckungsbehörde hat im Rahmen ihrer Entscheidungskompetenz die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Darüber hinaus ist die Vollstreckungsbehörde nach Art. 1 Abs. 1 GG verpflichtet, die Würde des Menschen in allen ihren Erscheinungsformen zu achten und zu schützen. Mit der Menschenwürde ist es unvereinbar, die vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung geforderte konkrete und grundsätzlich auch realisierbare Chance, die Freiheit wieder zu erlangen, auf einen von Siechtum und Todesnähe gekennzeichneten Rest des Lebens zu reduzieren.9 § 455 trägt damit dem Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zur Durchsetzung seines Strafanspruchs einerseits und dem Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner Gesundheit und der Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit andererseits Rechnung.10 Ein Vollstreckungsaufschub setzt insoweit 4 KK/Appl 1. 5 OLGR Zweibrücken 2008 853. 6 Röttle/Wagner Rn. 673 ff.; KK/Appl 2; Bringewat 1 bezeichnet diese Terminologie als ungenau und irreführend; da beide Fälle die Vollstreckung betreffen, kennzeichnet er sie als Vollstreckungsaufschub bzw. -unterbrechung. 7 OLG Hamm NJW 1973 2075; OLG Schleswig MDR 1983 865; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1 und § 456, 3; a. A. OLG Oldenburg NStZ 1983 139; OLG München NStZ 1988 295; KMR/Stöckel 2; Bringewat 2. 8 BVerfGE 51 324, 343 f.; BVerfG NStZ-RR 2003 345. 9 BVerfGE 72 105, 116 f.; BVerfGK 17 133 ff.; BVerfG Beschl. vom 6.6.2011 – 2 BvR 1083/11; OLG Köln OLGSt GVG § 78b Nr 5 Rn. 30 ff., 39. 10 BVerfG NJW 2018 289 (Fall Oskar Gröning) mit Anm. Bertlings jurisPR-Strafrecht 6/2018 Anm. 3; BVerfG Beschl. vom 6.6.2011 – 2 BvR 1083/11; BVerfGK 17 133; OLG Celle StraFo 2010 351 mit Anm. Schäfer jurisPR-Strafrecht 17/2010 Anm. 2.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

eine mangelnde gesundheitliche Verfassung voraus, dass der Verurteilte weder in der Justizvollzugsanstalt noch ambulant außerhalb der Anstalt noch in einem Anstaltskrankenhaus in der erforderlichen Weise behandelt werden kann.11 Wegen der Zulässigkeit des Strafaufschubs aufgrund dem Verurteilten oder seiner Familie bei einer sofortigen Vollstreckung drohenden, außerhalb des Strafzwecks liegenden Nachteile vgl. § 456. 6 Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Umstände machen einen Aufschub der Vollstreckung notwendig und begründen für den Verurteilten ein Recht darauf. Der Aufschub aus den Gründen des Absatzes 3 – aber auch der nach § 456 – ist hingegen in das Ermessen der Vollstreckungsbehörde gestellt.12 Die Absätze 1 bis 3 sowie § 456 enthalten keine erschöpfende Regelung des Strafaufschubs. Sie bestimmen nur, wann aus Gründen, die in der Person des Verurteilten liegen, ein Strafaufschub notwendig oder zulässig ist. Gründe, aus denen im öffentlichen Interesse Strafaufschub gewährt werden kann, und zwar teils vom Gericht, teils von der Vollstreckungsbehörde, ergeben sich aus § 47 Abs. 2, § 307 Abs. 2, § 360 Abs. 2; §§ 455a, 456a. 7 Darüber hinaus kann die Vollstreckungsbehörde aufgrund der aus dem Vollstreckungsauftrag (§ 451) sich ergebenden Befugnisse aus Gründen des öffentlichen Interesses den Beginn der Strafvollstreckung hinausschieben,13 z. B. wenn bei Soldaten der Bundeswehr zwingende dienstliche Gründe (Teilnahme an einer größeren Truppenübung) der alsbaldigen Vollstreckung entgegenstehen, wenn der Verurteilte unmittelbar vor dem Abschluss eines Universitätsexamens oder einer sonstigen Ausbildung steht oder wenn nach Auffassung der Vollstreckungsbehörde mit dem Erfolg eines eingereichten Gnadengesuchs mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist,14 wenn die Verkündung einer vom Parlament beschlossenen Amnestie in Kürze bevorsteht oder wenn zu erwarten ist, dass sich die Aufhebung des Urteils auf Revision hin auf den bereits rechtskräftig abgeurteilten Mitangeklagten erstrecken wird (Rn. 27). Eine solche Befugnis entspricht dem Grundgedanken, auf dem die Aufschubbefugnis des Gerichts nach § 47 Abs. 2, § 307 Abs. 2, § 360 Abs. 2 beruht. Hier handelt es sich aber um Ermessensentscheidungen, die nicht der gerichtlichen Nachprüfung nach § 458 unterliegen.15 8

2. Kein Antragserfordernis. In den Fällen der Absätze 1 bis 3 ist der Aufschub der Vollstreckung von Amts wegen zu verfügen. Ein Antrag des Verurteilten ist nicht erforderlich. Andererseits gilt das Vollstreckungsverbot auch dann, wenn der Verurteilte die Vollstreckung selbst wünschen sollte, etwa um sie endlich hinter sich zu bringen.16 Wegen des Antragserfordernisses in § 456 Abs. 1 vgl. die dort. Erläuterungen. 3. Gesetzliche Aufschubgründe

9

a) Verfall in Geisteskrankheit (Absatz 1). Darunter ist ein solcher Grad von Geisteskrankheit zu verstehen, dass der Verurteilte für die Zwecke der Strafvollstreckung nicht mehr ansprechbar ist.17 Bei geringeren Graden kann die Einweisung in eine Justiz11 12 13 14

OLG München MDR 1981 426; Bringewat 5. Bringewat 5; OLG Koblenz Beschl. vom 17.2.2014 – 2 Ws 22/14. Bringewat 7; ablehnend KK/Appl 5 (abschließende Regelung); ebenso KMR/Stöckel 3; SK/Paeffgen 3. Allerdings ist die Entscheidung über die Einstellung der Vollstreckung aus Anlass eines Gnadengesuchs in erster Linie Sache der Gnadenbehörde. 15 Bringewat 7; a. A. KK/Appl 5. 16 Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 6. 17 OLG München NStZ 1981 240; 2013 127; KK/Appl 6; KMR/Stöckel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 8.

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vollzugsanstalt mit entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten in Betracht kommen (vgl. § 152 Abs. 2 StVollzG). Bei Geisteskrankheit, die in Schüben auftritt, kommt ein Aufschub nur für die Dauer eines Schubs in Betracht.18 b) Besorgnis naher Lebensgefahr (Absatz 2). An die Besorgnis naher Lebensge- 10 fahr (Absatz 2), die aus einer anderen Krankheit im Fall einer Vollstreckung droht, sind strenge Anforderungen zu stellen. Keinesfalls genügt es, wenn sich nur die Möglichkeit nicht ausschließen lässt, dass die Krankheit sich durch den Vollzug lebensbedrohlich verschlechtert.19 Vielmehr ist dafür ein höherer Grad an Wahrscheinlichkeit erforderlich. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe muss darüber hinaus für die zu besorgende Lebensgefahr ursächlich sein.20 Krankheitsbedingte Vollzugsuntauglichkeit scheidet daher auch aus, wenn die sich aus der Krankheit ergebenden Gefahren durch den Vollzug nicht erhöht werden, sondern außerhalb des Vollzugs in gleicher Weise bestehen würden.21 Schon bei Vollzugsbeginn wird der Gefangene von Amts wegen alsbald ärztlich untersucht. Die Gefahr, dass sich ein Verurteilter selbst tötet, ist im Allgemeinen kein Grund für einen Strafaufschub, denn ihr kann regelmäßig durch geeignete Maßnahmen im Strafvollzug begegnet werden.22 Die Suizidankündigung naher Angehöriger des Verurteilten rechtfertigt schon deshalb keinen Vollstreckungsaufschub, weil dadurch keine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist.23 Eine HIV-Infektion ohne Ausbruch der Krankheit rechtfertigt einen Vollstreckungsaufschub regelmäßig nicht.24 c) Körperlicher Zustand (Absatz 3). Die Vorschrift bezweckt in erster Linie, den 11 Justizvollzugsanstalten Schwierigkeiten zu ersparen, die eine geordnete Durchführung des Vollzugs unmöglich machen.25 Sie ist aber auch im Interesse des Verurteilten geschaffen worden,26 der im Vollzug nicht die notwendige Rücksichtnahme auf seinen Zustand erwarten kann, weil der Anstalt die nötigen Mittel nicht zur Verfügung stehen.27 Eine Behinderung vom Schweregrad einer Querschnittlähmung sowie einer Blasen- und Mastdarmlähmung führt nicht per se zur Vollzugsuntauglichkeit.28 Der Verurteilte kann deshalb auch in seinem Interesse den Aufschub beantragen und bei Versagung die Entscheidung nach § 458 herbeiführen.29

18 KK/Appl 6a; Meyer-Goßner/Schmitt 4. 19 OLG Hamm MDR 1976 778; OLG München NStZ 1981 240; OLG Düsseldorf NStZ 1991 151; OLG Schleswig SchlHA 2007 292; KK/Appl 7; KMR/Stöckel 12; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 9. 20 OLG Düsseldorf NStZ 1991 151 KG Beschl. vom 7.9.2020 – 5 Ws 97/20 und 5 Ws 105/20. 21 OLG Düsseldorf NStZ 1991 151; KG Beschl. vom 7.9.2020 – 5 Ws 97/20 und 5 Ws 105/20 zu Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2; LG Ellwangen NStZ 1988 331: zur Frage der Vollstreckung bei einem AidsKranken; KK/Appl 7, 13; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 9. 22 KG NStZ 1994 255; OLG Schleswig SchlHA 2007 292; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 8. Auch die Drohung eines nahen Angehörigen, sich im Fall der Verweigerung eines Aufschubs zu töten, scheidet als Aufschubgrund aus: OLG Köln MDR 1985 695; OLG Hamm NStZ-RR 2010 191; OLG Koblenz StRR 2015 387. 23 OLG Köln NStZ 1985 381. 24 LG Ellwangen NStZ 1988 330. 25 OLG Celle StraFo 2011 524. 26 BVerfGE 51 324; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 10. 27 BGHSt 19 150. 28 OLG Köln Beschl. vom 7.8.2012 – III – 2 Ws 575-576/12. 29 Bringewat 5.

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Schwangere, Frauen, die unlängst entbunden haben und stillende Mütter fallen in der Regel nicht unter Absatz 3.30 Die in solchen Fällen nach den Vollstreckungsplänen zuständigen Justizvollzugsanstalten dürften meistens über die Möglichkeit verfügen, den besonderen Anforderungen, die sich aus diesem Zustand ergeben, ausreichend Rechnung zu tragen. Doch sollte die Justizvollzugsanstalt sich selbst stellende Frauen, deren Schwangerschaft bereits bis zum sechsten Monat fortgeschritten ist, sowie solche bis zum Ablauf von sechs Wochen nach der Entbindung und stillende Mütter nur aufnehmen, wenn die Vollstreckungsbehörde in Kenntnis des Zustands der Frau um Aufnahme ersucht.31 An dieser Regelung sollte – auch aus Kostengründen – festgehalten werden.

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4. Sonstige Krankheiten. Bei Krankheiten, die nicht unter Absatz 2 fallen, kann Vollzugsuntauglichkeit in Betracht kommen, wenn die notwendige ärztliche Behandlung in der Justizvollzugsanstalt nicht möglich ist,32 gegebenenfalls können entsprechende Bedenken durch die Aufnahme in eine geeignete Justizvollzugsanstalt unter Abweichung vom Vollstreckungsplan (§ 26 StVollstrO) behoben werden.33 Bei der Frage der Vollzugstauglichkeit sind auch die Zumutbarkeit des Vollzugs unter den gegebenen Umständen und das öffentliche Interesse an beschleunigter Vollstreckung zu berücksichtigen.

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5. Dauer. Anders als nach § 456 Abs. 2 ist die Dauer des Aufschubs hier schon der Natur der Sache nach nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt. Seine Dauer hängt von dem Aufhören oder Fortbestehen des der Strafvollstreckung entgegenstehenden Hindernisses, d. h. dem Wiedereintritt der Vollzugstauglichkeit, ab.34 Es ist daher unter Umständen auch ein neuer und mehrmaliger Aufschub statthaft. Gegen die Ablehnung eines solchen kann der Verurteilte wiederum das Gericht nach § 458 Abs. 2 anrufen.35 Dauert das Hindernis ununterbrochen fort und ist es unmöglich, es zu beseitigen, so kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe tatsächlich unmöglich werden. Während des Strafaufschubs ruht die Vollstreckungsverjährung (§ 79a Nr. 2 Buchst. a StGB).

IV. Strafunterbrechung (Absatz 4) 15

1. Einführung. Wie unter Rn. 1 ausgeführt, enthielt die Strafprozessordnung bis zum Inkrafttreten des 23. StRÄndG keine allgemeinen Vorschriften über die Unterbrechung einer schon begonnenen Strafvollstreckung. Nur einzelne Fälle waren geregelt. So gestattet § 455a die Unterbrechung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung aus den dort genannten Gründen (Rn. 2). § 456a lässt es zu, dass die Vollstreckungsbehörde unter den dort bezeichneten Voraussetzungen sich auch mit der Vollstreckung eines Teils der Strafe begnügen und zu diesem Zweck die Strafvollstreckung unterbrechen kann. § 456c Abs. 2 gibt der Vollstreckungsbehörde das Recht, ein Berufsverbot auszusetzen, also auch zu 30 Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 12. 31 Besondere Vorschriften für den Frauenstrafvollzug enthalten nunmehr §§ 76 ff. StVollzG sowie die Strafvollzugsgesetze der Länder. 32 BGHSt 19 148; OLG Hamm NJW 1973 2076; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 11. 33 Bringewat 12. 34 KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 6. 35 Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 6.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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unterbrechen. Ferner ist in § 458 Abs. 3 neben dem Aufschub auch die Unterbrechung erwähnt. Jedoch ist dort, abgesehen von den besonderen Fällen des § 458 Abs. 1, Voraussetzung, dass ein Aufschub des Beginns der Vollstreckung beantragt war und vor der endgültigen Erledigung dieses Antrags der Strafvollzug angefangen hatte. Diesem unbefriedigenden Zustand – teilweise Regelung in der Strafprozessordnung, teilweise in der Strafvollstreckungsordnung – wollte der Gesetzgeber abhelfen. Allerdings gelang das erst nach Ausschöpfung aller für ein Gesetzgebungsverfahren vorgesehenen Möglichkeiten. 2. Gesetzgebungsgang. Absatz 4 war bereits im Regierungsentwurf eines StrÄndG 16 enthalten.36 Auch der Bundesrat hatte keine Bedenken gegen seine Aufnahme in § 455. Dagegen hatte der Rechtsausschuss des Bundestags empfohlen, die Vorschrift zu streichen, weil er sie im Hinblick auf die Regelung der Materie in der Strafvollstreckungsordnung für entbehrlich hielt.37 Der Bundestag folgte der Empfehlung. Das am 5.12.1985 beschlossene 23. StRÄndG enthielt also keinen Absatz 4.38 Auf Vorschlag seines Rechtsausschusses beschloss alsdann der Bundesrat, den Vermittlungsausschuss auch mit dem Ziel anzurufen, die Streichung der schon im Regierungsentwurf enthaltenen und auch vom Bundesrat gebilligten Strafunterbrechung aus Gesundheitsgründen wieder rückgängig zu machen. Zum einen sei die Aufnahme dieses Unterbrechungsgrundes in die Strafprozessordnung aus rechtsdogmatischen Gründen angezeigt; zum anderen bleibe nach der Übernahme des § 43 StVollstrO in die Strafprozessordnung (§ 454b Abs. 2) sonst nur dieser Unterbrechenstatbestand, dem große praktische Bedeutung zukomme, ohne gesetzliche Regelung.39 Nachdem der Vermittlungsausschuss dem Antrag des Bundesrats gefolgt war,40 billigte auch der Bundestag die Aufnahme der Strafunterbrechung in § 455 als Absatz 4.41 3. Allgemeines. Zwischen einer Unterbrechung und einem Aufschub der Strafvoll- 17 streckung besteht ein wesentlicher Unterschied. Er schließt es aus, die Vorschriften über den Aufschub auf die Unterbrechung entsprechend anzuwenden, macht es vielmehr erforderlich, sie eigenständig zu gestalten.42 Daher kann die Ablehnung eines Vollstreckungsaufschubs nach Absatz 3 wegen krankheitsbedingter Vollzugsuntauglichkeit nicht darauf gestützt werden, dass der Verurteilte zum Strafantritt in ein Anstaltskrankenhaus geladen sei, wo er medizinisch betreut werden könne. Damit würde nämlich die Ablehnung des Vollstreckungsaufschubs auf einen Grund gestützt, den das Gesetz nur für die Ablehnung einer Vollstreckungsunterbrechung nach Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 vorsieht.43 Wäre es anders, müsste die Vollstreckung bei Vollzugsuntauglichkeit in jedem Fall unterbrochen werden. Dieses Ergebnis will Absatz 4 – auch im Interesse des 36 Vgl. BTDrucks. 10 2720, Art. 2 Nr. 4, S. 6. 37 BTDrucks. 10 4391 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 27.11.1985: Zu Art. 2 Nr. 4 (§ 455), S. 19. Wie schwer dem Rechtsausschuss die Entscheidung gefallen ist, erhellt sich auch daraus, dass er in seiner 63. Sitzung am 23.10.1985 der Fassung des Regierungsentwurfs bei nur einer Enthaltung zugestimmt hatte – Prot. 63/17 –, sie dann aber in der folgenden Sitzung einstimmig abgelehnt hatte – Prot. 64/10 –. 38 Vgl. BRDrucks. 5/86 – Art. 2 Nr. 4 und 5. 39 BRDrucks. 5/86 – Beschluss vom 31.1.1986. 40 Vgl. BTDrucks. 10 5061 – Anl. zum Beschluss vom 20.2.1986; Nr. 3: Zu Art. 2 Nr. 4a – neu – (§ 455 Abs. 4 StPO). 41 BTDrucks. 10 5061 vom 20.2.1986 – BRDrucks. 107/86 vom 28.2.1986. 42 OLG Celle StraFo 2011 524. 43 OLG Celle StraFo 2011 524.

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Verurteilten – vermeiden. Er baut auf dem Regelfall auf, dass eine einmal begonnene Strafvollstreckung zu Ende geführt und im Allgemeinen nicht unterbrochen wird44 und stellt eine abschließende Regelung dar, unter welchen Voraussetzungen eine Strafunterbrechung aus in der Person des Verurteilten liegenden Gründen möglich ist.45 In besonders gelagerten Einzelfällen kann ausnahmsweise bei der Auslegung von Absatz 4 im Hinblick auf eine Schwerstpflegebedürftigkeit eines Strafgefangenen eine Vollstreckungsunterbrechung über den Wortlaut der Norm hinaus in Betracht kommen, um den Grundrechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Artikel 1 Abs. 1 GG zu gewährleisten. Auch wenn keine akute Lebensgefahr besteht, sind die Fragen der verbleibenden Lebenserwartung sowie die der aktuell bestehenden Gefährlichkeit zu prüfen.46 4. Unterbrechungsgründe (Satz 1) 18

a) Verfall in Geisteskrankheit (Nr. 1) und Besorgnis naher Lebensgefahr (Nr. 2). Die Nummern 1 und 2 schließen sich materiell eng an die Voraussetzungen für den Aufschub der Strafvollstreckung an, soweit diese zwingend sind und für die Strafunterbrechung Bedeutung haben können.47 Wegen der sachlichen Voraussetzungen kann daher auf die Ausführungen unter Rn. 8 f. sowie auf § 461, 10 verwiesen werden.

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b) Sonstige schwere Erkrankung (Nr. 3). Die Regelung in Nummer 3 knüpft statt an die Aufschubregelung in Absatz 3 an die Voraussetzungen für die Verlegung in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs (§ 65 Abs. 2 StVollzG bzw. die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen) an.48 Damit schließt der Gesetzgeber nicht nur leichtere Krankheitsfälle von vornherein als Unterbrechungsgründe aus, sondern stellt zugleich auch sicher, dass selbst schwere Krankheitsfälle eine Unterbrechung nur dann rechtfertigen, wenn sie nicht in einem Anstaltskrankenhaus oder in einer Justizvollzugsanstalt mit entsprechender Krankenabteilung behandelt oder erkannt werden können.49 Ein solcher Fall ist auch anzunehmen, wenn gegenwärtig die Haftfähigkeit zwar nicht tangiert ist, es sich aber um eine schwere Erkrankung handelt, die langfristig mit Erfolgsaussichten nur außerhalb des Strafvollzugs behandelt werden kann.50 Eine Strafunterbrechung nach Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 zur Durchführung einer schweren Herzoperation ist nicht von vornherein ausgeschlossen, auch wenn eine Verlegung in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs nach § 65 Abs. 2 StVollzG grundsätzlich möglich wäre. Eine Verlegung in ein Hochleistungskrankenhaus, in dem ein entsprechender Eingriff durchgeführt werden kann, kommt regelmäßig nicht in Betracht, da dort ein Patient mit Gefangenenstatus und entsprechender vollzuglicher Begleitung das therapeutische Klima empfindlich stören würde.51 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 stellt keine gesetzliche Grundlage für 44 OLG München NStZ 1988 294; OLG Karlsruhe NStZ 1991 54; KK/Appl 10; Bringewat 14; zur Frage der Zulässigkeit einer Überweisung eines Lebenslänglichen wegen paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie in den Maßregelvollzug s. OLG Karlsruhe NStZ 1991 302. 45 OLG Hamm NStZ-RR 2011 221. 46 BVerfG Beschl. vom 6.6.2011 – 2 BvR 1083/11; OLG Celle StV 2018 350 Ls.; OLG Celle StraFo 2010 351 mit Anm. Schäfer jurisPR-StrafR 17/2010 Anm. 2; OLG Köln Beschl. vom 2.8.2012 – III 2 Ws 523/12. 47 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 4, S. 16, dritter Absatz. 48 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 4, S. 16, vierter Absatz; BVerfG NStZ-RR 2003 345; OLG München StV 1997 262; KG Beschl. vom 5.2.2013 – 2 Ws 4/13. 49 OLG Karlsruhe NStZ 1991 54; LG Ellwangen NStZ 1988 331; KG Beschl. vom 22.7.2016 – 2 Ws 185/16; KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 19. 50 OLG Stuttgart StV 1991 478. Wegen weiterer Beispiele s. Gatzweiler StV 1996 284 f. 51 OLG Stuttgart StV 1991 478.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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eine Ablehnung eines auf eine schon bestehende Erkrankung gestützten Gesuchs um Vollstreckungsaufschub dar, denn einen Strafantritt in einem Vollzugskrankenhaus oder in einer Justizvollzugsanstalt zum Zwecke der sofortigen Verlegung in ein (Vollzugs-)Krankenhaus sieht das Gesetz nicht vor.52 Dass der Gesetzgeber den unbestimmten Rechtsbegriff „schwere Erkrankung“ nicht besonders definiert, schadet nicht, zumal da dieser nicht absolut bestimmt und die Vollstreckung auch dann unterbrochen werden kann, wenn es zwar ein für die Behandlung der schweren Krankheit geeignetes Anstaltskrankenhaus gibt, der Gefangene aber – etwa weil seine Krankheit keinen längeren Transport erlaubt – wegen zu großer Entfernung nicht dorthin verlegt werden kann. Die Frage einer internen Verlegung (§ 65 Abs. 1 StVollzG) ist daher stets vorrangig zu prüfen. Ist sie möglich, entfällt eine Unterbrechung der Vollstreckung schon deshalb.53 c) Dauer der Erkrankung. Die Vollstreckung darf in allen Fällen nur unterbrochen 20 werden, wenn die Krankheit voraussichtlich für eine erhebliche Zeit fortbesteht. Der Gesetzgeber verzichtet auch hier auf eine gesetzliche Definition dieses Begriffs.54 Auch das erscheint sachgerecht, zumal da auch diese Frage stets aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden sein wird und die Entscheidung darüber hinaus auch von der Dauer der noch zu verbüßenden Strafe abhängen kann. Sie mag bei einem nur noch kurzen Strafrest kürzer zu bemessen sein. Bei längerer Strafdauer wird sie dagegen eine längere Zeitspanne erfordern.55 Eine absolute Grenze festzusetzen, ist nicht möglich. Sie endet jedoch, sobald Maßnahmen getroffen werden, die dazu dienen, den Verurteilten wieder unter die Verfügungsgewalt der Justizvollzugsanstalt zu bringen.56 d) Ermessensentscheidung. Absatz 4 Satz 1 ist nach dem Vorbild des § 45 Abs. 1 21 StVollstrO als Ermessensregelung ausgestaltet.57 Der Gefangene hat also kein Recht auf Unterbrechung, wohl aber darauf, dass das Ermessen fehlerfrei ausgeübt wird.58 Im Rahmen dieses Ermessens muss im Einzelfall unter Abwägung der in Rn. 18 f. aufgeführten Gesichtspunkte eine Unterbrechung vertretbar sein. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Strafunterbrechung nach Absatz 4 vorliegen, hat die Vollstreckungsbehörde auf der Grundlage sämtlicher ihr im Entscheidungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse eine Gesamtabwägung vorzunehmen, bei der die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs einerseits und das Interesse des Verurteilten an der Wahrung seiner verfassungsmäßig verbürgten Rechte, insbesondere seiner durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Gesundheit sowie die Achtung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) andererseits gegenüberzustellen sind und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach zureichender Sachaufklärung59 ein Interessenausgleich herbeizuführen ist.60 Die Vollstreckungsbehörde hat sich daher (vgl. Rn. 5 m. w. N.) in ihrer Entschei52 OLG Koblenz StraFo 2003 434. 53 OLG Karlsruhe NStZ 1991 53; 1991 302; KK/Appl 13. 54 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 4, S. 16, zweiter Absatz; zu den Unterbrechungsgründen s. auch Dölling NJW 1987 1048; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 15. 55 OLG München StraFo 2003 323. 56 OLG Celle NStZ 1987 552; OLG Stuttgart MDR 1989 1124; KK/Appl 11. 57 KG Beschl. vom 22.7.2016 – 2 Ws 185/16. 58 KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 1, 7; OLG Hamm NStZ-RR 2009 189; KG Beschl. vom 5.12.2013 – 2 Ws 555/13. 59 BVerfGE 70 297, 308; 109 133, 162; BVerfG Beschl. vom 6.6.2011 – 2 BvR 1083/11; BVerfGK 17 133; OLG Celle StraFo 2010 351. 60 BVerfG NStZ 2003 345; StV 2008 87; OLG Hamburg StV 2008 86 = ZfStrVo 2006 244 mit Anm. Fiedeler ZfStrVo 2006 245; KG Beschl. vom 22.7.2016 – 2 Ws 185/16.

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dung zu der Schwere der Erkrankung des Verurteilten, der Dauer und der Art und Weise der erforderlichen Behandlung, der Möglichkeit der Behandlung in einer Justizvollzugsanstalt oder einem Anstaltskrankenhaus sowie über die Erwartung der Fortdauer der Erkrankung für eine erhebliche Zeit im Einzelnen zu verhalten,61 um dem Gericht die Überprüfung der Ermessensentscheidung zu ermöglichen. In der amtlichen Begründung wird besonders darauf hingewiesen, dass dazu auch die Prüfung gehört, ob Maßnahmen nach § 65 Abs. 1 oder 2 StVollzG ausreichen oder – etwa unter Sicherheitsgesichtspunkten – erforderlich sind oder ob im Interesse des Verurteilten von einer Unterbrechung abgesehen werden soll, dem die Zeit der Unterbrechung nicht auf die Strafzeit angerechnet wird, während die ohne Unterbrechung in einem Krankenhaus außerhalb des Vollzugs nach § 65 Abs. 2 StVollzG verbrachte Zeit grundsätzlich nach § 461 StPO in die Strafzeit eingerechnet wird.62 Wegen des Verfahrens vgl. § 46 StVollstrO. 22

5. Ausnahme (Satz 2). Satz 2 enthält eine zwingende Einschränkung. Die Vollstreckung darf, auch wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 1 bis 3 gegeben sind, nicht unterbrochen werden, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen. Die Fassung lehnt sich an den Hinderungsgrund des § 455a Abs. 1 letzter Hs. bei der Unterbrechung aus Gründen der Vollzugsorganisation an. Er geht in seinem Umfang weiter als § 455a, der eine Unterbrechung nur bei überwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit ausschließt (§ 455a, 3), während § 455 Abs. 4 Satz 2 – wie sich aus der Formulierung „namentlich“ ergibt – auch andere Gründe, namentlich solche zulässt, die über die Zwecke der Regelvollstreckung hinaus trotz der für längere Zeit erwarteten Vollzugsuntauglichkeit die durchgängige Strafvollstreckung gebieten.63 Im Ergebnis entspricht seine Regelung der des früheren § 45 Abs. 4 StVollstrO, so dass sowohl die Gefahr der Begehung neuer schwerwiegender Straftaten als auch Fluchtgefahr64 die Unterbrechung ausschließen können.65

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6. Besonderheiten bei Vollzug durch Bundeswehrbehörde (Art. 6 WStrGEG). Für Fälle, in denen Strafarrest – nicht Jugendarrest66 – oder Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten (Art. 5 Abs. 2 WStrGEG) von einer Behörde der Bundeswehr vollzogen wird, enthält Art. 6 WStrGEG67 in Bezug auf die Unterbrechensregelung in Absatz 4 ergänzende Bestimmungen. Nach Artikel 6 Abs. 1 WStrGEG unterbricht die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung eines Strafarrestes und einer Freiheitsstrafe, die durch Behörden der Bundeswehr vollzogen wird, wenn der Unterbrechung keine überwiegenden Gründe entgegenstehen und der Verurteilte in Geisteskrankheit verfällt oder wenn von der Vollstreckung eine nahe Lebensgefahr für den Verurteilten zu besorgen ist oder er in einer Sanitätseinrichtung der Bundeswehr oder in einer anderen Krankenanstalt stationär aufgenommen wird. Nach Art. 6 Abs. 2 WStrGEG ist § 458 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 anzuwenden. 24 Bei einem Vergleich mit § 455 Abs. 4 sind namentlich folgende Unterschiede festzustellen: Art. 6 Satz 1 WStrGEG schreibt in den Nummern 1 und 2 die Unterbrechung der 61 62 63 64 65 66

OLG Jena StV 2004 84; 2011 680 Ls. BTDrucks. 10 2720; Begr. zu Art. 2 Nr. 4, S. 16, sechster Absatz. Bringewat 17. OLG Köln OLGSt GVG § 78b Nr. 5 Rn. 43. KK/Appl 15; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Pohlmann/Jabel/Wolf § 45, 11; OLG Karlsruhe NStZ 2000 279. Für den Jugendarrest verbleibt es bei den sich aus dem Jugendgerichtsgesetz ergebenden Regelun-

gen.

67 Eingeführt durch Art. 6 des 23. StRÄndG (BGBl. I S. 393). Wegen des Gesetzgebungsgangs wird auf die Ausführungen zu Rn. 16 verwiesen.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Vollstreckung für den Regelfall vor, wenn eine der in § 455 Abs. 1 und 2 bezeichneten schweren Erkrankungen eintritt, auch wenn dies ausnahmsweise nicht zu einem Krankenhausaufenthalt führen sollte. In Nummer 2 wird darüber hinaus auch auf solche Fälle von Lebensgefahr abgestellt, die medizinisch nicht als Krankheit gewertet werden. Damit berücksichtigt der Gesetzgeber, dass der Bundeswehr im Gegensatz zum Strafvollzug geeignete Unterbringungs- und Behandlungsmöglichkeiten für solche Verurteilte fehlen (vgl. Rn. 9). Nummer 3 erfasst die Fälle, in denen der erkrankte Verurteilte innerhalb oder außerhalb der Bundeswehr stationär untergebracht wird. Der Unterschied zur Ermessensregelung in § 455 Abs. 4 hängt mit den besonderen 25 Gegebenheiten im Bundeswehrvollzug zusammen. Der Vollzug der Strafe ist auf eine Teilnahme am militärischen Dienst ausgerichtet. Wird ein Bundeswehrsoldat in eine Krankenabteilung verlegt, hat die weitere Fingierung des Vollzugs mithin keinen Sinn mehr. Art. 6 WStrGEG knüpft nicht mehr an die Vollzugsuntauglichkeit an, nachdem die- 26 ser Begriff auch im Strafvollzugsgesetz nicht mehr verwendet wird. Aus überwiegenden Gründen kann die Vollstreckungsbehörde von der Unterbrechung absehen, wenn etwa der Rest der Freiheitsstrafe für sich genommen im Verhältnis zum verbüßten Teil unerheblich ist. Im Gegensatz zu § 455 Abs. 4 Satz 2 werden dabei Gründe der öffentlichen Sicherheit im Allgemeinen nicht im Vordergrund stehen. Satz 2 sieht die Anfechtungsmöglichkeit nach § 458 mit den an sie anknüpfenden Verfahrens- und Zuständigkeitsregelungen in §§ 462, 462a auch hier vor.68 7. Unterbrechung nach § 19 StVollstrO. Die Vorschrift regelt einen Sonderfall. Sie 27 sieht den Aufschub oder die Unterbrechung der Strafvollstreckung vor, wenn von mehreren Verurteilten nur Einzelne Revision eingelegt haben, während das Urteil gegen die übrigen rechtskräftig geworden und wenn zu erwarten ist, dass das Revisionsgericht die Aufhebung auf einen der Letzteren, der sich schon im Vollzug befindet, erstrecken wird (§ 357).69 Nachdem der Gesetzgeber durch das 23. StrÄndG die Unterbrechung beim Zusammentreffen mehrerer Freiheitsstrafen nunmehr in § 454b selbständig und abschließend geregelt hat, kann § 19 StVollstrO für diese Fälle nicht mehr – auch nicht entsprechend – herangezogen werden.70 Die Pflicht der Staatsanwaltschaft, jeweils vor Verbüßung von zwei Dritteln der einzelnen Strafen die Vollstreckung zu unterbrechen und anschließend die nächste Strafe zu vollstrecken, um vor Erreichen von zwei Dritteln der letzten Strafe eine einheitliche Entscheidung über die Restaussetzung zur Bewährung bei allen Strafen zu ermöglichen, folgt nunmehr unmittelbar aus § 454b Abs. 2 (vgl. dort. Rn. 13 ff.). Wegen der Unterbrechung durch Gnadenakt vgl. Rn. 35. 8. Gewaltsame Strafunterbrechung. Eine Strafunterbrechung im technischen Sinn 28 liegt nicht vor, wenn Strafgefangene durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt freigepresst werden, wenn etwa Terroristen die Tötung entführter Geiseln oder die Verübung anderer Gewaltakte für den Fall androhen, dass ihrem Verlangen nach Freilassung bestimmter Strafgefangener nicht stattgegeben werde. Beschließen die zuständigen Regierungsorgane, einer solchen Forderung aus wohlerwogenen Gründen stattzugeben, um Schlimmeres zu vermeiden, so kommt es auf eine Unterbrechensanordnung der Strafvollstreckungsbehörde nicht an und liegt noch weniger ein Gnadenakt vor. Es tritt vielmehr eine faktische Beendigung des Vollzugs ein, die den staatlichen Strafvollstreckungsan68 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 7, S. 19. 69 Vgl. dazu § 449, 19 f.; § 455a, 6 (keine abschließende Regelung der in Betracht zu ziehenden Fälle). 70 So noch LR/Schäfer23 § 455, 10.

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spruch nicht berührt. Die veranlassenden Regierungsorgane sind ihrerseits durch § 34 StGB gedeckt.71 29

9. Kosten. Die Auslagen eines zur Überprüfung der Haftfähigkeit eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens sind keine Kosten des Verfahrens,72 denn die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ist Aufgabe der Justizverwaltung, so dass die damit verbundenen Kosten und Auslagen nur nach der Justizverwaltungskostengesetz festgesetzt werden dürfen. Dieses aber sieht die Erhebung von Gebühren oder Auslagen für Amtshandlungen, die durch Anträge in Angelegenheiten der Strafvollstreckung veranlasst werden, nicht vor (§ 3 Nr. 1 JVKostG).

V. Zuständigkeit 30

1. Vollstreckungsbehörde. Zuständig für die Entscheidung über einen Strafaufschub oder eine Strafunterbrechung (§§ 455, 456) – im letzteren Fall, soweit es um die Vollstreckung von Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln geht – ist kraft der sich aus § 451 ergebenden Befugnisse die Vollstreckungsbehörde, nach der Aufhebung der Verordnung über die Begrenzung der Geschäfte des Rechtspflegers bei der Vollstreckung in Straf- und Bußgeldsachen vom 26.6.197073 durch Art. 12 des 1. JuMoG vom 24.8.2004 dort der Rechtspfleger (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RpflG).

31

2. Gericht. Das Gericht kann den Aufschub oder die Unterbrechung einer Vollstreckung nur anordnen, wenn dies in gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehen ist.74

VI. Rechtsbehelfe 32

1. Entscheidung nach § 458 Abs. 2, 3. Ob eine der Voraussetzungen des § 455 vorliegt, entscheidet zunächst die Vollstreckungsbehörde. Werden gegen eine Ablehnung Einwendungen erhoben, so hat die Vollstreckungsbehörde die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen (§ 458 Abs. 2).75 Während Entscheidungen nach Absatz 1 und 2 in vollem Umfang der Überprüfung unterliegen, werden solche nach Absatz 3 und Absatz 4 Satz 1 nur auf Ermessensfehler überprüft,76 insbesondere, ob die Staatsanwaltschaft die Grenzen des Ermessens eingehalten und alle hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat.77 Betreffen die Einwendungen einen Strafaufschub, entscheidet das nach §§ 462, 462a zuständige Gericht auch dann, wenn zwischenzeitlich die Vollstre-

Vgl. LR/Schäfer24 Einl. Kap. 10 Abschn. V 5; Krey ZRP 1975 97. OLG Koblenz NStZ 1997 256. BGBl. I S. 992. Wie z. B. in § 47 Abs. 2: Aufschub der Vollstreckung; § 307 Abs. 2: Aussetzung der Vollziehung; § 360 Abs. 2, § 458 Abs. 3 Satz 1 letzter Hs.: Aufschub oder Unterbrechung der Vollstreckung. 75 OLG Karlsruhe NStZ 1988 525; KK/Appl 17; Bringewat 5, 20. 76 KG NStZ 1994 255; Beschl. vom 7.9.2020 – 5 Ws 97/20 und 5 Ws 105/20; OLG Jena StV 2004 84; zur Ermessensreduzierung bei todkranken Strafgefangenen OLG Hamburg NStZ-RR 2006 285. 77 KG NStZ 1994 255; OLG Jena StV 2004 84; OLG Hamm NStZ-RR 2009 189; OLG Celle StraFo 2011 524.

71 72 73 74

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 455

ckung bereits begonnen hat.78 Im Fall einer Strafunterbrechung hat die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft aufschiebende Wirkung (§ 462 Abs. 3 Satz 2). 2. Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG. Auf eine Entscheidung der Strafvollstre- 33 ckungsbehörde, durch die sie eine Unterbrechung nach § 19 StVollstrO (Rn. 27) abgelehnt hat, ist § 458 nicht anwendbar. Der Gefangene kann also eine solche ablehnende Unterbrechungsentscheidung nur nach den §§ 23 ff. EGGVG anfechten.79 Die Rechtmäßigkeit der Ladung zum Strafantritt ist nicht in dem Verfahren nach § 458, sondern nach Durchführung des Vorschaltbeschwerdeverfahrens nach § 21 StVollstrO nach §§ 23 ff. EGGVG zu überprüfen.80 3. Dienstaufsichtsbeschwerde. Der Verurteilte kann stets den Weg der Dienstauf- 34 sichtsbeschwerde beschreiten. Eine gerichtliche Entscheidung geht allerdings einer im Dienstaufsichtsweg getroffenen vor. Schließlich kann der Verurteilte, wenn Gericht oder Dienstaufsichtsbehörde das Vorliegen eines gesetzlichen Aufschub- oder Unterbrechungsgrundes verneinen, die Gnadenbehörde anrufen, die Strafausstand auch dann gewähren kann, wenn keine gesetzlichen Vollstreckungsaufschub- oder -unterbrechungsgründe vorliegen.81

VII. Aufschub und Unterbrechung durch Gnadenakt Die unter Rn. 9 ff., 18 ff. aufgezeigten Möglichkeiten, die Vollstreckung einer Frei- 35 heits- oder Ersatzfreiheitsstrafe aufzuschieben oder zu unterbrechen, stehen einer (weitergehenden) gnadenweisen Regelung nicht entgegen. Sie kommt namentlich in den Fällen in Betracht, in denen ein über § 456 hinausgehender Aufschub mit Rücksicht auf persönliche Belange des Verurteilten oder eine Unterbrechung der Vollstreckung aus den in § 456 genannten Gründen erwogen wird. Danach ist eine nicht durch besondere gesetzliche Vorschrift zugelassene vorübergehende Aussetzung der Vollstreckung (Strafausstand) Ausübung des Begnadigungsrechts, gleichgültig, ob sie vor dem Vollzug (Vollstreckungsaufschub) oder während des Vollzugs (Vollstreckungsunterbrechung) eintritt. Inhaltlich entsprechende Vorschriften enthalten auch die an die Stelle der Reichsgnadenordnung getretenen Gnadenordnungen der Länder. Bei Maßregeln der Besserung und Sicherung kommt ein Gnadenakt nur in seltenen Ausnahmefällen und jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Gefahr, die durch die Maßregel abgewendet werden soll, noch besteht. Gnadenentscheidungen können weder nach § 458 Abs. 2 noch nach § 23 EGGVG angefochten werden.82 Gegen eine ablehnende Gnadenentscheidung ist lediglich der Dienstaufsichtsweg eröffnet. Zur Anwendung von Gnadenrecht bei hochbetagten ehemaligen SS-Angehörigen vgl. BVerfG Beschl. vom 21.12.2017 – 2 BvR 2772/17 mit Anm. Bertlings jurisPR-StrafR 6/2018 Anm. 3. 78 79 80 81

OLG Schleswig MDR 1983 865; KK/Appl 17; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 20. KK/Appl 18. OLG Hamm NStZ-RR 2016 60. Wegen der früheren Unterscheidung zwischen Vollstreckungsmaßnahmen und Gnadenakt vgl. OLG Celle GA 43 (1895) 419; OLG Colmar GA 39 (1891) 189; OLG Bremen Rpfleger 1961 162; OLG Hamm NJW 1964 176; OLG Oldenburg NdsRpfl. 1965 23; OLG München NJW 1968 609; OLG Hamburg NJW 1969 671; OLG Stuttgart NStZ 1985 332; Rixen MSchrKrimPsych. 11 (1914/18) 548; Olbricht GA 48 (1901) 406; Pohlmann Rpfleger 1962 442; JZ 1964 661; Altenhain JVBl. 1964 158; 1965 265; JZ 1965 760; DRiZ 1970 108. 82 OLG Stuttgart NStZ 1985 331; KK/Appl 18; Bringewat 21.

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§ 455

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

VIII. Regelungen im Strafvollzugsgesetz Neben den prozess-, verwaltungs- und gnadenrechtlichen Aufschub- und Unterbrechungsmöglichkeiten gewähren das Strafvollzugsgesetz sowie die Strafvollzugsgesetze der Ländern den Vollzugsbehörden zusätzlich weitere Befugnisse in Form von Beurlaubungen, also ebenfalls Strafunterbrechungsbefugnisse, die nach klassischer Auffassung nur dem Gnadeninhaber und den von ihm zur Ausübung des Gnadenrechts ermächtigten Stellen zustanden, jetzt aber Vollzugsmaßnahmen darstellen, die die Strafvollstreckung nicht unterbrechen. Abgesehen von der Unterbringung eines Gefangenen in einer Anstalt oder Abteilung des offenen Vollzugs (§ 10 StVollzG) liegt schon nach bisherigem Recht ein Strafvollzug auch bei Lockerungen des Vollzugs vor; so wenn der Gefangene ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten eine regelmäßige Beschäftigung außerhalb der Justizvollzugsanstalt verrichten darf (Freigang) oder wenn er die Justizvollzugsanstalt für eine bestimmte Tageszeit ohne eine solche Aufsicht verlassen darf (Ausgang; §§ 11, 39 StVollzG). Darüber hinaus aber dauert rechtlich der Strafvollzug auch bei Regelurlaub des Gefangenen (§ 13 StVollzG), bei Sonderurlaub zur Vorbereitung der Entlassung (§ 15, vgl. auch § 134 StVollzG), bei Urlaub aus wichtigem Anlass (§ 35 StVollzG) oder zur Teilnahme an einem gerichtlichen Termin (§ 36 StVollzG) an. In all diesen Fällen wird nach ausdrücklicher Vorschrift durch den Urlaub die Strafvollstreckung nicht unterbrochen.83 Bevor das Strafvollzugsgesetz sowie die Strafvollzugsgesetze der Länder diese Rege37 lungen trafen, galt – anders als im Jugendstrafvollzug – im Erwachsenenvollzug nicht nur eine Beurlaubung aus der Strafhaft als Gnadenakt,84 sondern sahen Rechtsprechung85 und Justizverwaltungen selbst Lockerungen des Vollzugs wie den Freigang als Gnadenerweis an, die der Leiter der Justizvollzugsanstalt (als vom Inhaber des Gnadenrechts dazu ermächtigt) erteilte, während das Strafvollzugsgesetz den Urlaub, vor allem wegen der Möglichkeit, die während des Urlaubs bestehende Freizügigkeit des Gefangenen durch Weisungen zu begrenzen und den Urlaub bei Nichtbefolgung der Weisungen oder Missbrauch zu widerrufen (§ 14 StVollzG), als eine weitest gehende gelockerte Form des Vollzugs ansieht (vgl. § 451, 66 ff.). Demgemäß rechnet auch der Urlaub als verbüßte Strafe i. S. des § 57 StGB. Vorübergehende Unterbrechungen des Vollzugs in dem im Strafvollzugsgesetz vorgesehenen Umfang sind danach keine Strafvollstreckungs-, sondern reine Vollzugsmaßnahmen. Die Vollstreckungsbehörde besitzt insoweit keine Zuständigkeit, und es besteht auch kein Bedürfnis mehr, ihr in diesem Bereich Unterbrechungsbefugnisse zuzubilligen.86

36

IX. Anwendung des § 455 auf Geldstrafen und sonstige Rechtsfolgen 38

Die Vorschrift findet nach ihrem eindeutigen Wortlaut keine Anwendung auf die Vollstreckung von Geldstrafen, Nebenfolgen wie Einziehung, aber auch nicht von Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§ 459g Abs. 2). Wegen Aufschub und Unterbrechung bei Ordnungs- und Zwangshaft s. § 456, 15.

83 KK/Appl 3. Im Einzelnen s. § 13 Abs. 5, § 15 Abs. 3, 4, § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 StVollzG; für die Sicherungsverwahrung: § 130 StVollzG. 84 So OLG Hamburg NJW 1974 962; Müller-Dietz NJW 1974 1476. 85 OLG Saarbrücken NJW 1973 2037; OLG Nürnberg MDR 1975 949. 86 Bringewat 3.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 455a

§ 455a Strafausstand aus Gründen der Vollzugsorganisation (1) Die Vollstreckungsbehörde kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung aufschieben oder ohne Einwilligung des Gefangenen unterbrechen, wenn dies aus Gründen der Vollzugsorganisation erforderlich ist und überwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit nicht entgegenstehen. (2) Kann die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nicht rechtzeitig eingeholt werden, so kann der Anstaltsleiter die Vollstreckung unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 ohne Einwilligung des Gefangenen vorläufig unterbrechen. Schrifttum Fabricius Gesetzeswidrige Verhältnisse im Strafvollzug: Infrastrukturverwaltung im rechtsfreien Raum, StV 1998 447.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des GKG, des Gesetzes über die Kosten der Gerichtsvollzieher, der BRAGO und anderer Vorschriften vom 20.8.1975 eingefügt (BGBl. I S. 2189).

1. 2. 3.

Übersicht Normzweck 1 Gründe der Vollzugsorganisation 2 Überwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit 3

4. 5. 6. 7.

4 Zuständigkeit Vollstreckungsverjährung 5 Keine abschließende Regelung Rechtsbehelfe des Verurteilten

6 7

1. Normzweck. Schon vor Einfügung des § 455a war anerkannt, dass die Befugnis 1 zum Aufschub der Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach § 455 Abs. 1 bis 3, § 456 nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist sowie dass ein solcher im Fall des § 456 außerdem einen Antrag des Verurteilten (oder wenigstens sein Einverständnis) erfordert und dass auch die Unterbrechung der Strafvollstreckung (und damit erst recht ein Aufschub) aus vollzugstechnischen Gründen oder aus Bedürfnissen der Strafrechtspflege oder des öffentlichen Interesses zum Inhalt der Strafvollstreckung und damit zu den aus § 451 sich ergebenden Befugnissen der Strafvollstreckungsbehörde gehört. § 455a legalisiert und konkretisiert diesen Gedanken für einen Teilbereich. 2. Gründe der Vollzugsorganisation. Aufschub und Unterbrechung der Vollstre- 2 ckung von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung kann die Vollstreckungsbehörde von Amts wegen – und ohne Einwilligung des Verurteilten – anordnen,1 wenn dies aus Gründen der Vollzugsorganisation erforderlich ist. Mit dieser Fassung ist negativ zum Ausdruck gebracht, dass Gründe, die in der Person des Verurteilten liegen, eine Anordnung nach § 455a nicht rechtfertigen,2 und 1 KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 1. 2 BTDrucks. 7 918, Begründung zu § 167 StVollzG, S. 103; KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1; OLG Karlsruhe Rpfleger 2005 162.

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§ 455a

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

positiv, dass es sich um Gründe handeln muss, die sich aus den Bedürfnissen und Anforderungen eines geordneten, den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Vollzugs in der Anstalt ergeben.3 Nach der Begründung des Regierungsentwurfs bezweckt die Vorschrift in erster Linie, das dem Verbot der Überbelegung (vgl. § 146 StVollzG), dem für eine menschenwürdige Unterbringung4 und eine den Vorschriften des Entwurfs entsprechende Behandlung der Gefangenen wichtige Bedeutung beigemessen wird, schon im Bereich der Strafvollstreckung zu berücksichtigen.5 Eine Unterbrechung der Vollstreckung kann notwendig werden, um bei einer Überbelegung der Justizvollzugsanstalten für Gefangene schwerer Kriminalität Haftplätze freizumachen. Die Vorschrift hat Bedeutung auch für Katastrophenfälle,6 z. B. bei Ausbruch einer Seuche oder bei Baufälligkeit einer Justizvollzugsanstalt. Die Bestimmung ist darüber hinaus zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in besonderen Notzeiten erforderlich, in denen die Räumung einzelner Justizvollzugsanstalten notwendig werden könnte. Ein Aufschub kommt schließlich auch dann in Betracht, wenn ein sogenannter Mutter-Kind-Platz“ nicht zur Verfügung steht.7 Verwaltungsmäßig zu behebende Personalschwierigkeiten zählen hingegen nicht zu den Gründen der Vollzugsorganisation.8 3

3. Überwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit. Aus der Person des Verurteilten, aber auch aus allgemeinen Umständen, können sich überwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit ergeben. Auch wenn Erfordernisse der Vollzugsorganisation zu bejahen sind, rechtfertigen sie den Aufschub oder die Unterbrechung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht, wenn dem bei einer Abwägung der kollidierenden Interessen überwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. Es würde z. B. nicht angängig sein, bei einem Großbrand, der die Justizvollzugsanstalt weitgehend bedroht oder vernichtet, die Gefangenen einfach auf freien Fuß zu setzen, wenn von ihnen Ausschreitungen, Plünderungen usw. zu befürchten sind.9 Ein mit Überbelegung der Justizvollzugsanstalt begründeter personell und zeitlich weitgehender Vollzugsstopp könnte sich so negativ auf die (auch den Vollstreckungs- und Vollzugsbehörden obliegende) Verteidigung der Rechtsordnung auswirken, dass eine zeitweilige Überbelegung als das kleinere Übel anzusehen ist.10

4

4. Zuständigkeit. Die Entscheidung trifft die Vollstreckungsbehörde, und zwar die Staatsanwaltschaft,11 nachdem sie zuvor die Zustimmung der obersten Justizbehörde eingeholt hat.12 Die Zustimmung entfällt, wenn diese – namentlich in Katastrophen- oder anderen Eilfällen – nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Jedoch ist der obersten Justizbehörde in solchen Fällen unverzüglich über die getroffenen Maßnahmen zu berichten. In Eilfällen ist gemäß Absatz 2 der Anstaltsleiter zur Anordnung vorläufiger Unterbrechung 3 4 5 6 7 8 9 10 11

LG Oldenburg StV 2004 610 (Vollstreckungsaufschub bei Mangel an Einzelhaftplätzen). BVerfG StraFo 2011 142; BGH StraFo 2011 157; Roth NStZ 2012 432. KG NStZ 1983 334; KK/Appl 2; Bringewat 2. KK/Appl 2; KMR/Stöckel 3; SK/Paeffgen 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 3. LG Leipzig StV 2013 39. Bringewat 3; a. A. KMR/Müller 2. KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4. KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 4. So im Ergebnis auch Bringewat 5; abweichende Ansicht Röttle/Wagner Rn. 676: Entscheidung des Behördenleiters; KK/Appl 4: Rechtspfleger nach Zustimmung der obersten Justizbehörde; Meyer-Goßner/ Schmitt 4: Rechtspfleger, der aber die Zustimmung der obersten Justizbehörde einzuholen hat. 12 § 46a Abs. 1 StVollstrO.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 455a

befugt. Er trifft hierbei nicht eine Vollzugsmaßnahme, sondern nimmt als Notvollstreckungsbehörde (Parallele: § 165) die Aufgaben der zuständigen Vollstreckungsbehörde wahr.13 Er hat die Vollstreckungsbehörde unverzüglich über die von ihm getroffenen Maßnahmen zu unterrichten, damit diese die weiteren erforderlichen Maßnahmen treffen kann. Fernmündliche Unterrichtung reicht zunächst aus. Die insoweit in § 46a Abs. 2 StVollstrO noch vorgesehene fernschriftliche Unterrichtung hat durch neue Kommunikationsformen inzwischen keine praktische Bedeutung mehr.14 Zu den von der Vollstreckungsbehörde alsdann zu treffenden Maßnahmen gehört auch, soweit sie nicht bereits von dem Anstaltsleiter getroffen ist, die Bestimmung einer Frist über die Dauer der Unterbrechung.15 Will die Vollstreckungsbehörde die vorläufige Unterbrechung fortsetzen, muss sie zuvor wiederum die Zustimmung der obersten Justizbehörde einholen.16 5. Vollstreckungsverjährung. Die Dauer der Unterbrechung wird (anders als bei 5 den im Strafvollzugsgesetz vorgesehenen Beurlaubungen, § 455, 36) nicht auf die Strafzeit angerechnet.17 Die Vollstreckung wird daher nach Behebung der Unterbrechungsvoraussetzungen fortgesetzt. Die Vollstreckungsverjährungsfrist läuft während der Unterbrechung nicht. Denn nach § 79a Nr. 2 Buchst. a StGB ruht die Vollstreckungsverjährung, solange dem Verurteilten Aufschub und Unterbrechung der Vollstreckung bewilligt worden ist.18 Es ist kein Grund erkennbar, warum diese Vorschrift, mag die Unterbrechung auch unter dem Druck der Verhältnisse erfolgen, nicht auch im Fall des § 455a (einschließlich der Unterbrechungsfälle des Absatzes 2) gelten soll. Gegenüber § 79a Nr. 2 Buchst. a StGB erscheinen die Ausführungen in der Begründung des Regierungsentwurfs des Strafvollzugsgesetzes19 überholt, von einer das Ruhen der Vollstreckung betreffenden Vorschrift sei deshalb abgesehen worden, weil die „in § 70 [a. F.] StGB für die Vollstreckungsverjährung vorgesehenen Fristen“ als ausreichend anzusehen seien. 6. Keine abschließende Regelung. § 455a enthält keine abschließende Regelung 6 der Fälle, in denen aus Gründen, die nicht in der Person des Verurteilten liegen, Aufschub und Unterbrechung einer Freiheitsstrafe von der Vollstreckungsbehörde bewilligt werden kann (vgl. § 455, 22; § 456, 13).20 7. Rechtsbehelfe des Verurteilten. Der Verurteilte kann das Gericht, wenn die 7 Staatsanwaltschaft die Vollstreckung ohne seine Einwilligung unterbrochen hat, nicht anrufen. § 458 sieht eine solche Möglichkeit nicht vor.21 Eine Unterbrechung kann jedoch für ihn eine Belastung bedeuten, etwa wenn er wegen eines verhältnismäßig kleinen Strafrestes eine Wiederaufnahme des Vollzugs zu späterer ungelegener Zeit zu erwarten hat. Daher kann er durchaus in seinen Rechten verletzt sein, so dass der Rechtszug nach den §§ 23 ff. EGGVG eröffnet sein kann.22

13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Pohlmann/Jabel/Wolf § 46a, 4; Röttle/Wagner Rn. 676; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 7. Pohlmann/Jabel/Wolf § 46a, 4. Röttle/Wagner Rn. 676; KK/Appl 5; Pohlmann/Jabel/Wolf § 46a, 5. Röttle/Wagner Rn. 676; Bringewat 7. Pohlmann/Jabel/Wolf § 46a, 6; Bringewat 8. Pohlmann/Jabel/Wolf § 46a, 6; KK/Appl 4; Bringewat 8. BTDrucks. 7 918 S. 103. Bringewat 3. KG NStZ 1983 334; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 9. KK/Appl 6; SK/Paeffgen 8; KMR/Stöckel 10; KG Rpfleger 2005 162; SSW/Hanft 5; a. A. LR/Wendisch25 7; Meyer-Goßner/Schmitt 6.

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§ 456

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

§ 456 Vorübergehender Aufschub (1) Auf Antrag des Verurteilten kann die Vollstreckung aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen. (2) Der Strafaufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen. (3) Die Bewilligung kann an eine Sicherheitsleistung oder andere Bedingungen geknüpft werden. Schrifttum Heimann Vollstreckungsaufschub gem. § 456 StPO: Die oft unterschätzte Chance, StV 2001 54; Herbst Ab wann rechnet die Frist des § 456 Abs. 2 StPO? MDR 1969 277; Lemberg Neue Probleme beim Strafaufschub nach § 456 StPO, DRiZ 1965 265; Pietsch Die rechtlichen Grundlagen des Strafaufschubes und der Strafunterbrechung, ZStW 36 (1915) 399; H. W. Schmidt Beginn der Strafaufschubfrist des § 456 Abs. 2 StPO, NJW 1958 210; Schweichel Der Strafausstand durch den Amtsrichter, DRiZ 1964 367; Volckart Zur Verrechtlichung der Gnade in Strafvollstreckung und Vollzug, NStZ 1982 496; Wohlfahrt Die Vollstreckung jugendrichterlicher Arrestentscheidungen, StraFo 2017 438.

Bezeichnung bis 1924: § 488 Übersicht 1. 2. 3. 4. 5.

1 Anwendungsbereich Aufschub nach vorangegangener Strafvollstreckung 3 Voraussetzungen des Aufschubs (Absatz 1) 5 Antrag des Verurteilten 7 Zeitpunkt der Stellung des Antrags 8

6. 7. 8. 9. 10. 11.

9 Zuständigkeit Berechnung der Aufschubdauer (Absatz 2) 11 Sicherheitsleistung (Absatz 3) 12 Aufschub im Wege der Gnade 13 Rechtsbehelfe 14 Anwendbarkeit bei Ordnungs- oder Zwangshaft 15

Alphabetische Übersicht Antrag 7 Anwendungsbereich 1 Aufschubdauer 11 Bußgeldverfahren 15 Einwilligung 7 Einziehung 2 Erheblicher Nachteil 6 Ermessen 9 Ersatzfreiheitsstrafe 1 Fahrverbot 2 Geldstrafe 1 Gnade 13 Jugendrichter 10

1

Jugendrichterliche Maßnahme 10 Jugendstrafe 10 Nebenfolge 1 f. Nebenstrafe 1 f. Ordnungshaft 15 Rechtsbehelfe 14 Verlust der Amtsfähigkeit 2 Vollstreckungsleiter 10, 14 Voraussetzungen 5 Wochenendvollzug 4 Zeitpunkt der Antragstellung 8 Zuständigkeit 9 Zwangshaft 15

1. Anwendungsbereich. § 456 gilt – anders als § 455 – nicht nur für Freiheitsstrafen, sondern auch für die einer besonderen Vollstreckung bedürftigen Nebenstrafen und Nebenfolgen.1 Er gilt nach § 463 Abs. 1, Abs. 5 Satz 3 entsprechend auch für Maßre1 KK/Appl 2; KMR/Stöckel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 456

geln der Besserung und Sicherung mit Ausnahme der Sicherungsverwahrung.2 Für das Berufsverbot ist jedoch § 456c Abs. 2, 3 lex specialis.3 Bei Geldstrafen hat § 456, mag der Gesetzeswortlaut auch keine Ausnahme vorsehen, keine Bedeutung, da hier der Vollstreckungsbehörde die weitergehenden Möglichkeiten des § 459a zur Verfügung stehen, zu deren Anwendung es keines Antrags des Verurteilten bedarf; s. auch § 459d.4 Auch bei Ersatzfreiheitsstrafen hat § 456 gegenüber dem § 459f keine Bedeutung, denn einmal decken sich praktisch die Voraussetzungen des § 459f („unbillige Härte“) mit denen des § 456 Abs. 1. Im Übrigen ergibt sich daraus, dass § 459f das Gericht für zuständig erklärt, dass inhaltlich entsprechende Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde nicht zustehen sollen, dass also § 459f lex specialis gegenüber § 456 ist.5 Unanwendbar ist § 456 bei Nebenstrafen und Nebenfolgen, die kraft Gesetzes mit 2 der Rechtskraft wirksam werden, wie bei der Nebenstrafe des Fahrverbots gemäß § 44 StGB,6 beim Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts (§§ 45 bis 45b StGB) und bei Einziehung im Hinblick auf § 75 StGB.7 2. Aufschub nach vorangegangener Strafvollstreckung. Ein vorübergehender 3 Vollstreckungsaufschub kann nur vor Beginn einer Strafvollstreckung gewährt werden. § 456 ist daher weder direkt noch analog anwendbar, wenn unmittelbar nach Unterbrechung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach § 454b Abs. 2 eine Anschlussvollstreckung einsetzt.8 § 456 bezieht sich in erster Linie auf den Erstantritt der Strafe,9 aber auch auf die Vollstreckung des Strafrestes nach vorangegangener Strafunterbrechung, z. B. wegen Krankheit (§ 455 Abs. 4).10 Denn wenn es zulässig ist, nach Widerruf einer gemäß § 56 StGB bewilligten Strafaussetzung Strafaufschub zu gewähren, so ist nicht einzusehen, warum eine solche Vergünstigung ausgeschlossen sein sollte, wenn die Aussetzung eines Strafrestes (§ 57 StGB) widerrufen wurde. Dies gilt auch für die Fälle, in denen nach § 455a die Vollstreckung (ohne Einwilligung des Verurteilten) unterbrochen wurde und sie nach mehr oder weniger langer Zeit fortgesetzt wird (§ 455a, 7). Dagegen bietet § 456 nicht die Grundlage, eine Freiheitsstrafe von vornherein in Raten zu vollstrecken. Die Zulässigkeit des früheren Wochenendvollzugs, bei dem auf Antrag des Verur- 4 teilten und zur Vermeidung besonderer außerhalb des Strafzwecks liegender Nachteile die Vollstreckung von vornherein in Teilabschnitten durchgeführt wurde, wurde allerdings vereinzelt als ein Anwendungsfall des § 456 verstanden, bei dem jeweils für einen späteren Teilabschnitt nach teilweiser Vollstreckung der Strafe Strafaufschub gewährt werde. Diese Auffassung hat sich aber nicht durchgesetzt. Nach herrschender Meinung war die Gewährung von Wochenendvollzug ein Gnadenakt.11

2 3 4 5

KK/Appl 2; Bringewat 4; Röttle/Wagner Rn. 677. KK/Appl 2; KMR/Stöckel 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 5; Röttle/Wagner Rn. 677; SK/Paeffgen 3. KK/Appl 3; KMR/Stöckel 1; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4; SK/Paeffgen 3. OLG Schleswig SchlHA 1976 13; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4; a. A. von Selle NStZ 1990 119; KMR/Stöckel 3. 6 AG Mainz MDR 1967 683; KK/Appl 3; KMR/Stöckel 3; Bringewat 5; Röttle/Wagner Rn. 677. 7 AG Mainz MDR 1967 683; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 5; Pohlmann Rpfleger 1967 380. 8 OLG Oldenburg NStZ 2011 535; OLG Hamm NStZ-RR 2011 221. 9 OLG München NStZ 1988 294 mit Anm. Preusker. 10 OLG Oldenburg NStZ 1983 139; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 3; offen gelassen von OLG Hamm NJW 1973 2076. 11 LR/Schäfer22 § 456, 1b.

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§ 456

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

3. Voraussetzungen des Aufschubs (Absatz 1). Nach §§ 2, 3 StVollstrO sollen die Vollstreckungsbehörden die Vollstreckung mit Nachdruck und Beschleunigung betreiben. Aufschub kommt nur in Betracht zur Vermeidung außerhalb des Strafzwecks liegender erheblicher Nachteile, die durch sofortige Vollstreckung erwachsen. Strafzweck ist hier schlicht – ohne Rücksicht auf die an §§ 46, 47 StGB anknüpfende Diskussion über Sinn und Zweck der Strafe – die Verwirklichung der im rechtskräftigen Urteil festgesetzten Rechtsfolgen der Tat.12 Außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile sind Nebenwirkungen der Vollstreckung, die nicht begrifflich zum Wesen des Strafübels gehören, und zwar muss es sich um Nachteile handeln, die vermeidbar sind, wenn der Vollzug nicht sofort, sondern erst später stattfindet.13 Nachteile, die auch bei Ablauf der in Absatz 2 bestimmten Höchstdauer unvermindert erwachsen würden, berechtigen demgegenüber nicht zur Aufschubgewährung.14 Das Gleiche gilt für den Fall, in dem der Verurteilte die Nachteile erst nach dem letzten tatgerichtlichen oder verstärkt nach Rechtskraft des Urteils verursacht hat.15 6 Die erheblichen Nachteile können sowohl wirtschaftlicher Natur sein als auch auf ideellem Gebiet liegen,16 z. B. wenn die Ehefrau des Verurteilten schwer erkrankt ist und es sich darum handelt, dass ihr der Mann nicht gerade in diesem kritischen Augenblick genommen wird.17 Ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil kann bei einem Selbständigen gegeben sein, wenn ihm durch den sofortigen Antritt der Strafe ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Bloße Vermutungen reichen insoweit jedoch nicht aus.18 Ein Vollstreckungsaufschub kann auch dann in Betracht kommen, wenn ein Verurteilter im Falle einer sofortigen Vollstreckung der Strafe eine durch die Bundesagentur für Arbeit geförderte und bereits weit fortgeschrittene Umschulungsmaßnahme nicht beenden kann,19 wenn ein Verurteilter ein Semester verlieren würde,20 wenn eine geordnete Übergabe der bisherigen Berufstätigkeit an einen Nachfolger erfolgen soll,21 wenn durch psychotherapeutische Maßnahmen bei Kindern psychische Schäden wegen der bevorstehenden Trennung von der Mutter infolge deren Inhaftierung vermindert werden können.22 Weitere praxisrelevante Fallkonstellationen siehe Fn.13. 5

12 A. A. Bringewat 7. 13 BVerfG NStZ 1985 357; OLG Zweibrücken NJW 1974 70; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 7; OLG Schleswig NStZ 1992 558; OLG Düsseldorf NStZ 1992 149. Beispiele: Bevorstehende Niederkunft oder Operation der Ehefrau des Verurteilten, die deshalb nicht in der Lage ist, die kleinen Kinder allein zu versorgen (OLG Zweibrücken a. a. O. mit Anm. Kaiser); kurz bevorstehender Abschluss der Berufsausbildung (LG Stralsund ZJJ 2010 81); Einbringung der Ernte (Volckart NStZ 1982 496); Fehlen eines eingearbeiteten Vertreters für den verurteilten Betriebsleiter (OLG Düsseldorf NJW 1966 1767); Suche nach einem geeigneten Geschäftsführer für den Gewerbebetrieb oder – als Alternative – einem Kaufinteressenten (OLG Frankfurt NStZ 1989 93); geordnete Übergabe der bisherigen Geschäftsführertätigkeit an einen Nachfolger (OLG Stuttgart StV 2012 736). 14 OLG Köln MDR 1985 695; OLG Frankfurt NStZ 1989 93; OLG Schleswig NStZ 1992 558; OLG Düsseldorf JR 1992 435 mit zust. Anm. Wendisch; OLG Koblenz OLGSt § 456 StPO Nr. 1; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/ Schmitt 3; Bringewat 8, 9; Röttle/Wagner Rn. 677. 15 OLG Schleswig NStZ 1992 558. 16 KK/Appl 5; Röttle/Wagner Rn. 677. 17 OLG Düsseldorf NStZ 1992 149. 18 OLG Frankfurt NStZ 1989 93; OLG Düsseldorf NStZ 1992 149; OLG Karlsruhe StV 2000 213; LG Itzehoe StV 1993 206. 19 LG Regensburg StV 2000 383. 20 LG Bochum StV 2008 88. 21 OLG Stuttgart StV 2012 736. 22 OLG Celle RuP 1991 185.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Nachteile, die regelmäßig mit einer Vollstreckung verbunden sind, rechtfertigen dagegen keinen Vollstreckungsaufschub. Eine Erkrankung von Verlobten rechtfertigt schon deshalb keinen Vollstreckungsaufschub, weil Verlobte keine Familienangehörigen i. S. v. Absatz 1 sind.23 Die mit dem Vollzug für einen Verurteilten verbundene psychische Belastung, ihm nahestehenden Personen während der Haftzeit nicht helfen zu können, gehört zu dem notwendigen Strafübel und stellt daher keinen außerhalb des Strafzweckes liegenden erheblichen Nachteil dar.24 4. Antrag des Verurteilten. § 456 setzt einen Antrag des Verurteilten voraus, der 7 selbstverständlich auch kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Ermächtigung von einem Dritten gestellt werden kann.25 Ein ohne solche Ermächtigung gestellter Antrag genügt nur, wenn ihn sich der Verurteilte durch Zustimmung zu eigen macht; denn die Hinausschiebung der Vollstreckung kann sich auch zum Nachteil des Verurteilten auswirken, so dass es wenigstens seiner Einwilligung bedarf. Ein Strafaufschub im technischen Sinn liegt nicht vor, wenn die Vollstreckungsbehörde ihr bekannte Härtegründe von Amts wegen in der Weise berücksichtigt, dass sie im Rahmen des Ermessensspielraums den Beginn der Vollstreckung etwas verlegt. 5. Zeitpunkt der Stellung des Antrags. Der Antrag muss – bei Freiheitsstrafen –, 8 wenn auch erst nach Beginn der Vollstreckung (der Strafantrittsladung), so doch jedenfalls vor Beginn des Vollzugs gestellt sein,26 da er gerade auf Aufschub des Vollzugs gerichtet ist. Er hat keine aufschiebende Wirkung. Wird schon ausnahmsweise vor der Entscheidung des Antrags mit dem Vollzug begonnen, so wird der Aufschubantrag nicht gegenstandslos. Er verwandelt sich auch nicht etwa in einen Antrag auf eine unzulässige (§ 455, 35) Strafunterbrechung, sondern ist weiter als Aufschubantrag zu behandeln.27 Gibt dann die Vollstreckungsbehörde dem Antrag statt, so liegt zwar technisch eine Unterbrechung des Vollzugs, begrifflich aber eine Maßnahme in Ausübung der Aufschubermächtigung vor. Lehnt in einem solchen Fall die Vollstreckungsbehörde den Aufschubantrag ab, so kann das angerufene Gericht (§ 458 Abs. 2) und, wenn es ebenfalls ablehnt, das Beschwerdegericht (§ 462 Abs. 3) dem Aufschubantrag mit der Maßgabe stattgeben, dass die schon verbüßte Zeit nicht auf die zulässige Aufschubdauer (§ 456 Abs. 2) angerechnet wird.28 Eine solche Entscheidung ist dann keine Anordnung der Unterbrechung i. S. des § 458 Abs. 3, da sie nicht eine vorläufige Maßnahme bis zur Entscheidung, sondern die Entscheidung über den Aufschubantrag selbst darstellt. 6. Zuständigkeit. Über den Antrag entscheidet die Vollstreckungsbehörde nach 9 pflichtgemäßem Ermessen („kann“).29 Zuständig ist der Rechtspfleger (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RpflG).30 Anders als etwa im Fall des § 455 Abs. 1, 2 oder des § 459f (dort Rn. 1) besteht je-

23 24 25 26 27

OLG Rostock OLGSt StPO § 456 Nr 4. OLG Rostock OLGSt StPO § 456 Nr 4; LG Limburg StV 2016 377 mit krit. Anm. Höffler. KMR/Stöckel 8; Bringewat 6; a. A. SK/Paeffgen 5; OLG Stuttgart NStZ 1985 331. OLG Zweibrücken NJW 1974 70; OLG Schleswig SchlHA 2000 149; Meyer-Goßner/Schmitt 4. OLG Hamm NJW 1973 2075; OLG Zweibrücken NJW 1974 70 mit krit. Anm. Peters; OLG Stuttgart NStZ 1985 311; OLG Koblenz OLGSt § 456 StPO Nr. 1; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 6; Pohlmann/Jabel/Wolf § 10, 24; a. A. OLG München NStZ 1988 294 mit abl. Anm. Preusker. 28 OLG Zweibrücken NJW 1974 70; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 6: darf auf keinen Fall angerechnet werden. 29 LG Waldshut-Tiengen StV 2016 377 Ls. 30 KK/Appl 7; Bringewat 12; Röttle/Wagner Rn. 677.

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doch kein Rechtsanspruch auf Aufschub bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1.31 Die pflichtgemäße Ermessensentscheidung gebietet es aber, den erbetenen Strafaufschub zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 bejaht werden; nur in diesem Sinn ist, wie auch jede andere „Kann“-Vorschrift, § 456 zwingender Natur.32 Zur Entscheidung über einen Antrag auf Vollstreckungsaufschub einer Jugend10 strafe oder jugendrichterlichen Maßnahme ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter nach § 82 Abs. 1 Satz 1 JGG berufen. Er entscheidet insoweit als Organ der Justizverwaltung.33 11

7. Berechnung der Aufschubdauer (Absatz 2). Streitig ist, von welchem Zeitpunkt ab die in Absatz 2 bestimmte Höchstdauer des Aufschubs zu rechnen ist. Zum Teil wird angenommen, sie rechne von dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung ab, aufgrund deren die Vollstreckung stattfindet.34 Diese Auffassung wollte § 48 Abs. 2 EStVollzG 1927 – unter Erhöhung der Aufschubdauer auf sechs Monate – legalisieren („Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.“). Nach anderer Auffassung35 soll der Ausspruch des Aufschubs durch die Vollstreckungsbehörde maßgebend sein. Auch diese Ansicht hat in früheren Entwürfen Anerkennung gefunden (Entw. 1908 und 1909 § 473; Entw. 1920 § 475: „Die Aussetzung soll in der Regel nicht über sechs Monate dauern“). Schließlich wird auch die Ansicht vertreten, dass für den Beginn der Höchstdauer der Zugang der Ladung zum Strafantritt maßgebend sein soll.36 Zutreffend erscheint es, den in der Strafantrittsladung vorgesehenen Tag des Strafantritts als Ausgangspunkt anzusehen.37 Denn der Vollstreckungsaufschub soll dazu dienen, die besonderen Nachteile aus dem Weg zu räumen, die die sofortige Vollstreckung zur Folge hätte (oben Rn. 5) und Vorsorge für die durch die Strafvollstreckung entstehende Lage zu treffen. Das kann der Verurteilte aber in aller Regel erst dann, wenn er weiß, wann die Strafvollstreckung beginnen soll. Die Strafvollstreckungsordnung hat sich – offenbar wegen des Auslegungsstreits – einer Stellungnahme enthalten. Auch bei mehrfacher Gewährung von Vollstreckungsaufschub darf die Grenze von insgesamt vier Monaten nicht überschritten werden.38 Die Höchstfrist nach Absatz 2 endet auch dann vier Monate nach dem in der Strafantrittsladung bestimmten Tag des Strafantritts, wenn bis zu diesem Zeitpunkt über den beantragten Vollstreckungsaufschub noch nicht entschieden ist39 oder wenn der Verurteilte diese Frist durch bloßen Nichtantritt der Strafe ohne förmliche Gewährung von Vollstreckungsaufschub ausgeschöpft hat.40 31 32 33 34 35 36 37

Lemberg DRiZ 1965 265; Bringewat 11. OLG Karlsruhe StV 2000 213; SK/Paeffgen 8; Heimann StV 2001 54, 56 f. OLG Saarbrücken StV 2017 724 Ls. Schweichel DRiZ 1964 367; Herbst MDR 1969 277. H. W. Schmidt NJW 1958 210; LR/Lingemann19 Anm. 5a. OLG Köln JMBlNRW 1971 11. OLG Frankfurt NJW 1954 1580; OLG Zweibrücken NJW 1974 70 mit Anm. Kaiser; OLG Stuttgart MDR 1982 601; OLG Düsseldorf JR 1992 435 mit zust. Anm. Wendisch unter Aufgabe seiner früheren Ansicht in NJW 1966 1767; VRS 88 (1995) 52; Eb. Schmidt 5 und Nachtr. I 1; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 10; Pohlmann/Jabel/Wolf § 10, 24; Röttle/Wagner Rn. 677. 38 OLG Düsseldorf VRS 88 (1995) 52; vgl. auch AG Niebüll MDR 1981 340: Die Zeit eines wegen einer Strafe gewährten Vollstreckungsaufschubs soll nach ihrer Einbeziehung in eine Gesamtstrafe nicht angerechnet werden können, wenn es um die Gewährung eines Vollstreckungsaufschubs wegen der Gesamtstrafe geht. 39 OLG Stuttgart MDR 1982 601; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 10. 40 OLG Düsseldorf VRS 84 (1993) 463.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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8. Sicherheitsleistung (Absatz 3). Auf die Sicherheitsleistung (Absatz 3) finden 12 § 116 Abs. 1 Nr. 4, §§ 116a, 123, 124 entsprechende Anwendung; insbesondere ist für die den Verfall der Sicherheitsleistung aussprechende Entscheidung das Gericht (§§ 124, 462a Abs. 2) zuständig.41 9. Aufschub im Wege der Gnade. Ein Strafaufschub, der den Zeitraum von vier 13 Monaten übersteigt, kann – ebenso wie ein Aufschub, der nicht im Interesse des Verurteilten oder seiner Familie, sondern im Interesse eines Dritten erbeten wird42 – nur im Weg der Gnade bewilligt werden.43 Das Gleiche gilt für eine Strafunterbrechung (§ 455, 35) aus den Gründen des § 456 Abs. 1.44 10. Rechtsbehelfe. Gegen Entscheidungen des Rechtspflegers ist der Rechtsbehelf 14 gegeben, der nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Gegen seine Entscheidung kann der Verurteilte das Gericht nach § 458 Abs. 2 anrufen. Die gerichtliche Entscheidung ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar (§ 462 Abs. 3 Satz 1). Über Einwendungen gegen die ablehnende Entscheidung des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, sofern nicht der Ausnahmefall nach § 83 Abs. 2 Nr. 1 JGG vorliegt.45 Gegen die Ablehnung von Vollstreckungsaufschub im Weg der Gnade (Rn. 13) findet nur Beschwerde an die nächst höhere Gnadeninstanz nach Maßgabe der jeweiligen Gnadenordnung statt. Eine Entscheidung des Gerichts ist ausgeschlossen.46 Das Beschwerdegericht ist in der Nachprüfung der Ermessensentscheidung der Vollstreckungsbehörde beschränkt. Es darf die Entscheidung lediglich auf Ermessensfehler überprüfen, nicht aber die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde durch eine eigene Ermessensentscheidung ersetzen.47 Das Beschwerdegericht kann die Vollstreckungsbehörde auch nicht unmittelbar verpflichten, vom Vollstreckungsplan abzuweichen oder eine bestimmte Art der Unterbringung des Verurteilten zu ermöglichen.48 11. Anwendbarkeit bei Ordnungs- oder Zwangshaft. Bei der gerichtlich erkann- 15 ten Ordnungs- oder Zwangshaft in Straf- oder Bußgeldsachen (Vor § 449, 23 ff.) ist § 455 entsprechend anwendbar.49 Dagegen sind der entsprechenden Anwendung des § 456 durch den Zweck der Maßnahme, den Ungehorsam des Pflichtigen zu brechen, Gren41 OLG Colmar GA 38 (1891) 370; Alsb. E 3 229; OLG Dresden SächsOLG 20 481; Alsb. E 1 298; OLG Hamburg DRZ 1927 Nr. 1003; ZStW 48 (1928) Beil. 252; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 13. 42 Etwa eines Arbeitgebers, der den Verurteilten als Facharbeiter für eine wichtige Arbeit nicht entbehren kann. 43 OLG Stuttgart NStZ 1985 331; OLG Düsseldorf JR 1992 435; KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 3, 6; Bringewat 2; Röttle/Wagner Rn. 678; Heimann StV 2001 54, 55. Wegen des Unterschieds zwischen einer Gnadenentscheidung und einer Ermessensentscheidung nach Absatz 1 s. auch Lagodny StV 1989 94 Abschnitt III. 44 OLG Oldenburg NStZ 2011 535. 45 OLG Saarbrücken StV 2017 724 Ls. 46 BVerfGE 25 352; 66 377, 363; OLG Stuttgart NStZ 1985 332; KK/Appl 10; Bringewat 15; Röttle/Wagner Rn. 678; anders für den Widerruf eines Gnadenerweises BVerfGE 30 108, 111; noch weitergehend Hess. StaatsGH NJW 1974 791. 47 OLG Jena ZfStrVo 2003 309; OLGSt StPO § 456 Nr. 4 mit Anm. Kalmbach jurisPR-StrafR 19/2014 Anm. 3. 48 Deutsche Lebensmittel-Rundschau 2008 439. 49 Und zwar auch, soweit es um die Unterbrechung der Vollstreckung geht, zumal da das schon dem bisherigen Recht entsprach (§ 88 i. V. m. §§ 45, 46 StVollStrO).

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zen gesetzt. Es bedarf hier umso weniger eines längeren Strafaufschubs, als der Ungehorsame es in der Hand hat, durch Erfüllung seiner Pflicht den Nachteilen eines sofortigen Vollzugs zu entgehen. Immerhin ist es auch hier zulässig und durch die Amtspflicht geboten, in vertretbaren Grenzen auf die Vermeidung wesentlicher Nachteile Bedacht zu nehmen. Wegen der Erzwingungshaft nach dem OWiG vgl. Vor § 449, 27 ff.

§ 456a Absehen von Vollstreckung bei Auslieferung, Überstellung oder Ausweisung (1) Die Vollstreckungsbehörde kann von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung absehen, wenn der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn er aus dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird. (2) 1Kehrt der Verurteilte zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden. 2Für die Nachholung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gilt § 67c Abs. 2 des Strafgesetzbuches entsprechend. 3Die Vollstreckungsbehörde kann zugleich mit dem Absehen von der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anordnen, daß der Verurteilte zurückkehrt, und hierzu einen Haftbefehl oder einen Unterbringungsbefehl erlassen sowie die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme veranlassen; § 131 Abs. 4 sowie § 131a Abs. 3 gelten entsprechend. 4Der Verurteilte ist zu belehren. Schrifttum Bammann Die Unterbrechung der Strafvollstreckung bei Auslieferung oder Ausweisung, MSchrKrim. 2001 91; Giehring Das Absehen von der Strafvollstreckung nach § 456a StPO und Strafverzicht, FS StA Schleswig-Holstein (1992) 469; Groß Zum Absehen von der Strafvollstreckung gegenüber Ausländern nach § 456a StPO, StV 1987 36; Hammerstein Die Ermessensspielräume des § 456a Abs. 2, StraFo 2002 208; Heghmanns Strafrestaussetzung nach Abschiebung und mündliche Anhörung bei Vollstreckungshaftbefehl, StV 2005 679; Jung Die Strafverteidigung eines Ausländers nach seiner Abschiebung und einige Hinweise zum geltenden Ausweisungsrecht, StV 2007 106; Kirsch Die Überstellung an den Internationalen Strafgerichtshof, FS Strauda (2006) 271; Marx Strategische Überlegungen zur Befristung von Ausweisung und Abschiebung, InfAuslR 2003 374; Morgenstern Strafvollstreckung im Heimatstaat – der geplante EURahmenbeschluss zur transnationalen Vollstreckung von Freiheitsstrafen, ZIS 2008 76; Peglau Rechtsschutz gegen Justizverwaltungsakte auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, NJW 2015 677; Pfaff Von der zweckwidrigen Anwendung des § 456a StPO, ZAR 2006 121; Pohlreich Besonderheiten im Recht der Strafvollstreckung und des Strafvollzugs bei ausländischen Straftätern, ZStW 127 (2015) 410; Soiné Die Fahndungsvorschriften nach dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, JR 2002 137; Trurnit Konsequenzen der wichtigsten Wechselwirkungen zwischen dem Straf- und Ausländerrecht, StraFo 2006 226.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch § 50 DAG vom 23.12.1929 (RGBl. I S. 239) eingefügt. Durch Art. II Nr. 38 AGGewVerbrG vom 24.11.1933 (RGBl. I S. 1000) i. V. m. § 8 des Gesetzes über Reichsverweisungen vom 23.3.1934 (RGBl. I S. 213) wurde § 456a dahin erweiGraalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-017

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 456a

tert, dass nicht nur von der Vollstreckung von Freiheitsstrafe, sondern auch von der von Maßregeln der Sicherung und Besserung abgesehen werden kann und dass das Absehen von Vollstreckung nicht nur bei Auslieferung, sondern auch bei einer Reichsverweisung zulässig wurde. Ferner wurde Absatz 2 eingefügt. Das VereinhG vom 12.9.1950 passte die Schlussworte des Absatzes 1 („aus dem Reichsgebiet verwiesen“) den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen an. Durch Art. 21 Nr. 125 EGStGB 1974 sind Absatz 1 und Absatz 2 Satz 2 nur redaktionell (Maßregel „der Besserung und Sicherung“ statt „der Sicherung und Besserung“ und „§ 67c Abs. 2“ statt „§ 42g“) geändert worden. Durch Art. 2 Nr. 6 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 sind in Absatz 1 nach dem Wort „Freiheitsstrafe“ die Worte „einer Ersatzfreiheitsstrafe“ eingefügt und ist Absatz 2 um die Sätze 3 und 4 ergänzt worden. Art. 1 Nr. 13 StVÄG 1999 vom 2.8.2000 hat Absatz 2 Satz 3 neu gefasst und an die Vorschriften über die Fahndung (§§ 131 ff.) angepasst. Durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes vom 21.6.2002 (BGBl. I S. 2144) wurde durch eine Änderung in Absatz 2 Satz 1 und 3 für die Vollstreckungsbehörde ein Absehen von der Vollstreckung in Fällen einer Überstellung an einen Internationalen Strafgerichtshof eröffnet. Durch Artikel 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 (BGBl. I S. 1386, 1397) erfolgten terminologische Klarstellungen in den Absätzen 1 und 2.

I.

II. III.

Übersicht Anwendungsbereich 1 1. Zweck der Änderung durch Art. 1 Nr. 13 StVÄG 1999 2 2. Zweck der Änderung durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes 3 Ergänzende Regelungen in § 17 StVollstrO 5 Absehen von der Vollstreckung (Absatz 1) 1. Allgemeines 7 2. Voraussetzungen a) Auslieferung 8 b) Überstellung an einen Internationalen Strafgerichtshof 9 c) Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung aus dem Geltungsbereich der Strafprozessordnung 10 d) Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung 11

e) Wegen einer anderen Tat 12 Entscheidung a) Ermessen 13 b) Verteidigerbestellung 15 c) Verhältnis zur Aussetzung des Strafrestes 16 d) Begründungsanforderungen 17 e) Zwischenmaßnahmen 18 f) Fahndungsmaßnahmen (Absatz 2 Satz 3) 19 g) Belehrungspflicht (Absatz 2 Satz 4) 21 Nachholung der Vollstreckung (Absatz 2) 1. Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafe (Satz 1) 22 2. Freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung (Satz 2) 23 Zuständigkeit 24 Rechtsbehelfe 25 3.

IV.

V. VI.

Alphabetische Übersicht Abschiebung 10 Abschiebungshaftbefehl 18 Absehen von der Vollstreckung 7 ff. Antrag nach §§ 23 ff. EGGVG 25 Antrag – des Verurteilten 13

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– von Dritten 13 Anwendungsbereich 1 Auslieferung 8 Ausreisepflicht 10 Ausweisung 10 Begründungsanforderungen 17, 25

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§ 456a

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Belehrung 6, 21 Belehrungspflicht 21 Einwendungen 25 Entscheidung 13 ff. Ermessen 5, 13, 15 f., 17 Ersatzfreiheitsstrafe 11 Fahndungsmaßnahmen 19 f. Freiheitsstrafe 11 Maßregeln der Besserung und Sicherung 11 Nachholung der Vollstreckung 22 f.

Pflichtverteidigerbestellung 15 Rechtsbehelfe 25 Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofes 3 Strafrestaussetzung 16, 22 Überstellung 9 Zurückschiebung 10 Zuständigkeit 24 Zwischenmaßnahmen 18

I. Anwendungsbereich 1

§ 456a gestattet ein Absehen von der Vollstreckung nur bei Freiheits-, Ersatzfreiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung. Mit ihm wurde die Möglichkeit geschaffen, den Justizvollzug sowie den Maßregelvollzug um solche Verurteilte zu entlasten, die demnächst ausgeliefert, überstellt, abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen werden.1 Zwar werden einzelne, namentlich kürzere Ersatzfreiheitsstrafen regelmäßig kein Anlass für eine Ausweisung sein. Bedeutung können sie allerdings erlangen, wenn sie zu einer schon vollstreckten Freiheitsstrafe hinzutreten. Für andere Strafen, Nebenstrafen oder Nebenfolgen gilt § 456a nicht.2 Die Vorschrift gibt dem Gericht auch kein Recht, von der sonst gebotenen Unterbringung mit Rücksicht auf eine in Aussicht stehende Auslieferung, Überstellung, Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung des Verurteilten abzusehen (Rn. 11).3 Die Entscheidung nach § 456a, Ersuchen um Vollstreckung eines ausländischen Staates nach § 71 IRG und die Möglichkeit einer Überstellung nach dem Übereinkommen vom 21.3.19834 stehen rechtlich selbständig nebeneinander.5

2

1. Zweck der Änderung durch Art. 1 Nr. 13 StVÄG 1999. Die Neufassung von Absatz 2 Satz 3 stellt eine Anpassung an die durch Art. 1 Nr. 3 bis 5 StVÄG geänderten und teilweise neu eingeführten Vorschriften über die Fahndung (§§ 131 ff.) dar.6

3

2. Zweck der Änderung durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes. § 456a hatte bisher der Vollstreckungsbehörde ein Absehen von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nur bei Auslieferung wegen einer anderen Tat an eine ausländische Regierung oder bei Ausweisung aus dem Geltungsbereich der Strafprozessordnung ermöglicht. Die Gründe, die für ein

1 OLG Hamm NStZ 1983 524; NStZ-RR 2013 227; Groß StV 1987 36; Dölling NJW 1987 1048; einschränkend KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1. 2 Groß StV 1987 37, will die analoge Anwendung bei der Durchsetzung der Herausgabe des Führerscheins wegen Fahrverbots zulassen. 3 RG HRR 1940 Nr. 178, 179. Wegen der Möglichkeit zum Absehen von der weiteren Vollstreckung in den Fällen der §§ 57, 57a StGB, § 71 Abs. I IRG und des Gnadenrechts s. Groß StV 1987 37 unten m. w. N. 4 BGBl. II 1991 S. 1006; II 1992 S. 98. 5 KK/Appl 1; Giehring FS StA Schleswig-Holstein 500. 6 Vgl. LR/Gleß zu den §§ 131 ff.

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§ 456a

Absehen von der Vollstreckung im Falle einer Auslieferung des Verurteilten an eine ausländische Regierung wegen einer anderen als der dem deutschen Strafverfahren zugrundeliegenden Tat sprechen, gelten auch im Verhältnis zu einer Überstellung an einen internationalen Strafgerichtshof. Die dem hiesigen Strafverfahren zugrundeliegende Straftat wird häufig im Verhältnis zu der dem Überstellungsersuchen zugrunde liegenden anderen Straftat von wesentlich geringerem Gewicht sein. Die Formulierung wurde bewusst nicht auf den nach dem Römischen Statut errichteten Internationalen Strafgerichtshof beschränkt, sondern so gewählt, dass sie auch im Hinblick auf das mittlerweile in seiner Jurisdiktion beendete Internationale Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien (ICTY)7 und das Internationale Strafgericht für Ruanda (ICTR)8 anwendbar ist.9 Die Änderung in Absatz 2 Satz 3 stellt klar, dass die Vollstreckungsbehörde mit dem 4 Absehen von der Vollstreckung auch bei an einen internationalen Strafgerichtshof überstellten Verurteilten die zur Sicherung der Vollstreckung des eigenen Strafanspruchs in ihrem pflichtgemäßen Ermessen stehenden Fahndungsmaßnahmen ergreifen kann (vgl. Rn. 2).

II. Ergänzende Regelungen in § 17 StVollstrO Die Strafvollstreckungsordnung enthält ergänzende Regelungen, die vornehmlich 5 dazu dienen, der Vollstreckungsbehörde allgemeine Arbeitshilfen zu geben. So wird in § 17 Abs. 1 StVollstrO klargestellt, dass die Vollstreckungsbehörde bei der von ihr nach Absatz 1 zu treffenden Ermessensentscheidung die hierzu erlassenen landesrechtlichen Vorschriften zu beachten hat. Dabei handelt es sich um Richtlinien, die von den Landesjustizverwaltungen und/oder den Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälten als Allgemeine Verfügungen erlassen worden sind, die in erster Linie den Verfahrensablauf, den frühestens möglichen Zeitpunkt für ein Absehen nach Absatz 1 sowie Berichtspflichten regeln und eine gleichmäßige Ermessensausübung im Einzelfall gewährleisten sollen.10 Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO ist die Vollstreckungsbehörde verpflichtet, bei ei- 6 nem Absehen von der Vollstreckung dies der Ausländerbehörde mitzuteilen und einen Suchvermerk im Bundeszentralregister niederzulegen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO ist die Vollstreckungsbehörde gehalten („soll“), zugleich mit dem Absehen von der Vollstreckung die Nachholung für den Fall anzuordnen, dass die ausgelieferte oder ausgewiesene Person zurückkehrt und hierzu einen Haft- oder Unterbringungsbefehl zu erlassen. § 17 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO gilt auch für überstellte, abgeschobene, zurückgeschobene oder zurückgewiesene Verurteilte. Ferner hat die Vollstreckungsbehörde die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme zu veranlassen. Die verurteilte Person ist darüber in einer für sie verständlichen Sprache zu belehren (§ 17 Abs. 2 Satz 2 StVollstrO). Die Belehrung ist aktenkundig zu machen (§ 17 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO) und kann nicht zuletzt aus praktischen Gründen der Justizvollzugsanstalt übertragen werden (§ 17 Abs. 2 Satz 4 StVollstrO).

7 8 9 10

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BGBl. I 1995 S. 485. BGBl. I 1998 S. 843. Vgl. BRDrucks. 30/02 S. 243 f., zu § 154b; siehe dazu auch die Erl. bei LR/Mavany zu § 154b, 9. OLG Karlsruhe StV 2014 39 Ls.; OLG Celle NdsRpfl. 2014 53.

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III. Absehen von der Vollstreckung (Absatz 1) 7

1. Allgemeines. § 456a stellt das Gegenstück zu § 154b dar.11 Die Vorschrift ist auf Ausländer, aber auch auf Deutsche anwendbar, nachdem Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nunmehr auch deren Auslieferung gestattet.12 2. Voraussetzungen

8

a) Auslieferung. Ein Absehen von der Vollstreckung nach Absatz 1 1. Alt. setzt voraus, dass der Verurteilte wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert wird. Die Auslieferung ist Teil internationaler Rechtshilfe und richtet sich nach den §§ 2 ff. IRG. Sie dient dazu, einen verurteilten Ausländer oder Deutschen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung aus dem Aufenthaltsstaat in das Territorium des ersuchenden Staates zu verbringen. Das Auslieferungsverfahren richtet sich nach den Vorschriften des IRG und den Regelungen der RiVASt. Die Durchführung der Auslieferung nach Abschluss des Zulässigkeitsverfahrens und nach Bewilligung der Auslieferung durch die zuständige Bewilligungsbehörde obliegt der Generalstaatsanwaltschaft. Wird gegen die auszuliefernde Person im Inland eine Freiheitsstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung vollstreckt, so bedarf es insoweit vor der Durchführung der Auslieferung der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, ob und ab wann von der Vollstreckung nach Absatz 1 abgesehen wird.

9

b) Überstellung an einen Internationalen Strafgerichtshof. Ein Absehen von der Vollstreckung nach Absatz 1 kommt auch in Betracht, wenn der Verurteilte an einen Internationalen Strafgerichtshof überstellt wird. Bei einem Ersuchen um Überstellung13 ist der ersuchte Staat, soweit es sich um einen Vertragsstaat handelt (Art. 86 IStGH-Statut), was die Bundesrepublik ist,14 gehalten, einen Verurteilten an den IStGH zu überstellen (Art. 59 IStGH-Statut). Nach Abschluss des Zulässigkeitsverfahrens (§§ 6, 20, 22 IStGHG) und der Bewilligung der Überstellung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und anderen Bundesministerien, deren Geschäftsbereich von der Rechtshilfe betroffen wird, entscheidet (§ 68 IStGHG), erfolgt die Durchführung der Überstellung. Letztere obliegt der Generalstaatsanwaltschaft (§ 7 IStGHG), in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt oder Maßregelvollzugseinrichtung liegt, in der sich der Verurteilte zum Zeitpunkt des Eingangs des Überstellungsersuchens zur Vollstreckung befindet (§ 8 IStGHG). Die Generalstaatsanwaltschaft hat, sobald sie den Aufenthalt des Verfolgten ermittelt hat, sich mit der zuständigen Vollstreckungsbehörde ins Benehmen zu setzen, damit Letztere eine Entscheidung nach Absatz 1 prüfen kann.

10

c) Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung aus dem Geltungsbereich der Strafprozessordnung. Ein Absehen von der Vollstreckung nach Absatz 1 ist weiter zulässig, wenn der Verurteilte aus dem Geltungsbereich der Strafprozessordnung abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird. Insoweit gelten die §§ 53 ff. AufenthG. Die Abschiebung (§ 58 AufenthG), die Zurückschiebung (§ 57 Auf-

11 12 13 14

Groß StV 1987 36; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 2. BVerfG NJW 2004 356. Kirsch FS Strauda 271. BGBl. II (2000) S. 1393; BGBl. I S. 2144.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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enthG) sowie die Ausreisepflicht (§ 50 AufenthG)15 stehen der Ausweisung gleich. Umstritten ist, ob ein Absehen von der Vollstreckung nach Absatz 1 die Bestandskraft der Ausweisung erfordert.16 Während die herrschende Meinung dies bejaht, wird demgegenüber vereinzelt auch die Auffassung vertreten, dass ein Absehen von der Vollstreckung nach Absatz 1 im Hinblick auf die Ausweisung lediglich voraussetzt, dass eine vollziehbare Ausreisepflicht des Ausländers besteht und diese demnächst verwirklicht werden wird. Eine vollziehbare Ausreisepflicht soll auch durch eine nicht bestandskräftige, aber mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Ausweisung begründet werden.17 d) Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer 11 Maßregel der Besserung und Sicherung. Absatz 1 setzt die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung voraus. Zwar ist der Wortlaut von Absatz 1 nicht ganz eindeutig, ob auch nicht freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 4 bis 6 StGB) erfasst sein sollen.18 Dass dies nicht der Fall sein soll, ergibt sich indes zweifelsfrei aus der Systematik von Absatz 1 und Absatz 2, und zwar insbesondere aus den in Absatz 2 vorgesehenen Maßnahmen zur Nachholung der Vollstreckung im Falle der Rückkehr des ausgelieferten, überstellten, abgeschobenen, zurückgeschobenen oder zurückgewiesenen Verurteilten. Die dort vorgesehenen Maßnahmen sind durchweg auf freiheitsentziehende Rechtsfolgen ausgerichtet. Aber auch aus dem historischen Kontext besteht kein Zweifel, dass Absatz 1 sich ausschließlich auf freiheitsentziehende Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung bezieht. Die Aufnahme der Maßregeln der Besserung und Sicherung (damals noch: Maßregeln der Sicherung und Besserung) in Absatz 1 ist 1934 erfolgt.19 Demgegenüber ist die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) erst mit dem 1. StraßenVSichG vom 19.12.195220 geregelt worden. Für eine Klarstellung in § 456a hat seinerzeit kein Anlass bestanden, weil offensichtlich war, dass die schon lange bestehende Regelung sich nur auf freiheitsentziehende Rechtsfolgen bezieht. e) Wegen einer anderen Tat. Absatz 1 setzt voraus, dass der Verurteilte wegen 12 einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert oder an einen Internationalen Gerichtshof überstellt wird. Die Gründe, die für ein Absehen von der Vollstreckung im Falle einer Auslieferung des Verurteilten an eine ausländische Regierung wegen einer anderen als der dem deutschen Strafverfahren zugrundeliegenden Tat sprechen, gelten auch im Verhältnis zu einer Überstellung an einen Internationalen Strafgerichtshof. Die dem hiesigen Strafverfahren zugrundeliegende abgeurteilte Straftat wird in aller Regel im Verhältnis zu der dem Überstellungsersuchen zugrunde liegenden anderen Tat von wesentlich geringerem Gewicht sein.

15 OLG Hamm NStZ 1983 524. 16 OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 126; 2014 29; OLG Stuttgart Justiz 2017 261; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/ Schmitt 3; SK/Paeffgen 4; KMR/Stöckel 4; Röttle/Wagner Rn. 227; a. A. Hess. VGH ESVGH 58 95. 17 Hess. VGH ESVGH 58 95. 18 So Groß StV 1987 36; KMR/Stöckel 3; SK/Paeffgen 3; Meyer-Goßner/Schmitt 4; a. A. KK/Appl 1; Röttle/ Wagner Rn. 227. 19 Vgl. Entstehungsgeschichte zu § 456a. 20 BGBl. I S. 832.

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3. Entscheidung a) Ermessen. Die Vollstreckungsbehörde leitet im Rahmen der Vollstreckung das Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen nach Absatz 1 in der Regel auf Antrag des Verurteilten oder von Amts wegen ein. Eher selten ist der Fall, dass Dritte (z. B. Angehörige) für den Verurteilten einen entsprechenden Antrag stellen. In einem solchen Fall wird der Verurteilte zunächst gehört werden müssen, ob er sich den Antrag zu Eigen machen will bzw. in ein Absehen von der Vollstreckung einwilligt, sofern nicht die Vollstreckungsbehörde nunmehr in eine Prüfung von Amts wegen eintritt. 14 Die Vollstreckungsbehörde kann nach Absatz 1 ganz oder teilweise von der Vollstreckung einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel absehen. Ob und wie die Vollstreckungsbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen von der Möglichkeit Gebrauch macht, von der weiteren Vollstreckung abzusehen ist, liegt in ihrem Ermessen. Nähere Regelungen enthalten die von den Landesjustizverwaltungen bzw. den Generalstaatsanwältinnen und Generalstaatsanwälten erlassenen Allgemeinen Verfügungen oder Runderlasse,21 die eine gleichmäßige Ermessensausübung sicherstellen sollen.22 Danach ist grundsätzlich die Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe zu vollstrecken. Die Vollstreckungsbehörde hat bei der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung eine Gesamtabwägung23 der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.24 Dabei sind namentlich die Umstände der Tat,25 die Schwere der Schuld,26 die bisherige Vollstreckungsdauer, die zu erwartende Vollstreckungspraxis im Heimatland des Verurteilten,27 die Gefährlichkeit des Verurteilten,28 sein Vollzugsverhalten,29 die persönliche und familiäre Situation des Verurteilten,30 das mit fortschreitender Vollstreckungsdauer zurücktretende öffentliche Interesse an deren Fortsetzung,31 aber auch das Interesse an einer nachhaltigen Strafvollstreckung32 zu berücksichtigen. Für die Annahme, der Verurteilte werde nach seiner Abschiebung wieder nach Deutschland zurückkehren, bedarf es konkreter Anhaltspunkte.33 Die Gesamtabwägung muss auf den Einzelfall bezogene Tatsachen gestützt werden. Bloße Vermutungen vermögen die Ermessensentscheidung nicht zu tragen. Der Ermessensentscheidung muss ein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegen.34 Das Prozessgrundrecht eines fairen und rechtsstaatlichen Verfahrens gebietet es jedoch nicht, dass die Vollstreckungsbehörde sich in ihrer ablehnenden Entscheidung bei der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe verbindlich festlegt, bis wann die Vollstreckung fortzusetzen ist.35 Im Falle mehrfacher fehlerhafter Ermessensentscheidungen der Vollstreckungsbehörde im selben 13

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Schmidt (Ausländer) Rn. 421 ff. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2013 227. KG StV 1989 26; OLG Bremen StV 1989 27; OLG Karlsruhe StraFo 2009 83. OLG Celle NStZ 1981 405. OLG Frankfurt StraFo 2016 126; OLG Hamm NStZ-RR 2013 227. OLG Frankfurt NStE Nr. 2 zu § 456a; OLG Hamm NStZ-RR 2013 227. OLG Celle StV 2000 380 mit Anm. Rozek (Türkei). OLG Frankfurt StraFo 2016 126; OLG Oldenburg NdsRpfl. 2018 170. OLG Frankfurt StraFo 2016 126; OLG Oldenburg NdsRpfl. 2018 170. OLG Hamburg NStZ-RR 1996 222; OLG Karlsruhe Justiz 2000 147; StV 2002 322; StraFo 2009 83, 84. KG StraFo 2012 337; OLG Bamberg StraFo 2014 259. OLG Hamm NStZ 1983 524; NStZ-RR 2013 227; OLG Karlsruhe StV 2002 322; StraFo 2009 83, 84; OLG Frankfurt StraFo 2016 126. 33 KG StraFo 2012 337; OLG Bamberg StraFo 2014 259; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2013 227. 34 OLG Frankfurt StraFo 2016 126. 35 OLG Frankfurt NStZ 1993 303.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Vollstreckungsverfahren kann ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen, die in entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 2 EGGVG eine Anweisung des Strafsenats beim OLG gegenüber der Vollstreckungsbehörde rechtfertigt.36 b) Verteidigerbestellung. Einem Verurteilten ist für das Verfahren nach § 456a bei 15 Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Verurteilte im Verfahren nach § 456a nicht selbst verteidigen kann.37 Ob die Voraussetzungen für eine Verteidigerbestellung vorliegen, ist nach den Umständen des Einzelfalls unter Orientierung an dem Entscheidungsgegenstand (Rn. 13, 16, 18) zu prüfen.38 Zur Bestellung eines Pflichtverteidigers ist die Strafvollstreckungskammer analog § 462a auf Antrag der Staatsanwaltschaft39 oder des Verurteilten berufen. Die Antragstellung obliegt dem Staatsanwalt und nicht dem Rechtspfleger. c) Verhältnis zur Aussetzung des Strafrestes. Die Entscheidung der Vollstre- 16 ckungsbehörde nach Absatz 1 schließt eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer grundsätzlich nicht aus.40 Die Entscheidung des Gerichts nach §§ 57, 57a StGB vermag die Vollstreckungsbehörde aber nicht zu binden. Eine negative Prognose erlangt bei der Entscheidung nach § 456a nur dann Bedeutung, wenn die durch tatsächliche Anhaltspunkte begründete Gefahr besteht, der Verurteilte werde wieder nach Deutschland einreisen und hier erneut Straftaten begehen.41 Allerdings wird die Vollstreckungsbehörde im Falle der Ablehnung der Strafrestaussetzung bzw. der Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe oder der Maßregel der Besserung und Sicherung sich im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung mit den Gründen für die Ablehnung auseinanderzusetzen haben. d) Begründungsanforderungen. Die Vollstreckungsbehörde hat im Falle einer ab- 17 lehnenden Entscheidung die dabei erwogenen Ermessensgesichtspunkte zwar nicht vollständig, so aber doch umfassend mitzuteilen. Jedenfalls darf sie für die zu treffende Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkten nicht von vornherein keine Beachtung schenken. Ebenso wenig darf sie bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung sich nur auf generalpräventive Gesichtspunkte stützen. Um dem Gericht die Nachprüfung zu ermöglichen, ob sie das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat, ist die Vollstreckungsbehörde gehalten, die für ihre Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte und die Tatsachen mitzuteilen, die die Entscheidung tragen.42 Es stellt einen Ermessensfehler dar, wenn die Vollstreckungsbehörde wichtige Milderungsgründe unberücksichtigt lässt, weil diese bereits im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt worden 36 OLG Karlsruhe Beschl. vom 9.6.2010 – 2 VAs 19/10; OLG Celle NdsRpfl. 2014 53; OLG Dresden Beschl. vom 12.2.2016 – 2 VAs 26/15. 37 OLG Nürnberg NStZ-RR 2009 125; LG Hamburg StV 2018 156 (ernsthaft erkrankter Verurteilter aus einem anderen Kulturkreis und mit dem deutschen Rechtssystem wenig vertraut); ähnlich OLG Oldenburg StraFo 2010 115; LR/Jahn § 140, 118. 38 OLG Nürnberg NStZ-RR 2009 125. 39 OLG Nürnberg NStZ-RR 2009 125. 40 OLG Stuttgart Justiz 1988 104; StV 1999 276; OLG Oldenburg StV 1993 205; OLG Karlsruhe MDR 1992 885; StV 2002 322; OLG Düsseldorf StV 2000 382 f.; OLG Saarbrücken Beschl. vom 18.12.2014 – 1 Ws 164/ 14; OLG Bamberg StV 2011 421. 41 OLG Karlsruhe NStZ-RR 2013 227. 42 KG StV 1989 26; OLG Hamburg StV 1996 328; OLG Bremen StV 1989 27; OLG Celle NdsRpfl. 2014 53.

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sind.43 Formelhafte Wendungen ohne konkreten Fallbezug reichen zur Begründung einer ablehnenden Entscheidung nicht aus.44 Auf eine Vorschaltbeschwerde gegen eine ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde nach Absatz 1 hat die Generalstaatsanwaltschaft eine eigene abschließende Sachentscheidung zu treffen. Sie darf sich dabei nicht darauf beschränken zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat.45 18

e) Zwischenmaßnahmen. Beabsichtigt die Vollstreckungsbehörde, nach Beginn des Straf- oder Maßregelvollzugs von der weiteren Vollstreckung abzusehen, so bedarf es zur Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung für die Zeit von der Übergabe des Verurteilten an die abschiebende Polizeibehörde eines Abschiebungshaftbefehls des Amtsgerichts (§ 62 Abs. 2 AufenthG). Um ihre Dauer möglichst kurz zu halten und eventuell auftretenden organisatorischen Schwierigkeiten beim Vollzug der Abschiebung Rechnung tragen zu können, empfiehlt es sich, dass die Vollstreckungsbehörde als Zeitpunkt, zu dem das Absehen von der Vollstreckung der Strafe (Maßregel) wirksam werden soll, die Übergabe an die Abschiebungsbehörde – ohne Angabe eines kalendermäßig bestimmten Zeitpunkts – festsetzt.46 Hat die Strafvollstreckungskammer die Voraussetzungen für eine Strafrestaussetzung bejaht, so ist es mangels gesetzlicher Grundlage nicht zulässig, die Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft erst für den nach dem Zweidrittelzeitpunkt liegenden Tag seiner Abschiebung anzuordnen, denn dadurch würde unzulässigerweise Abschiebehaft angeordnet werden,47 wozu aber die Strafvollstreckungskammer nicht berufen ist. In einem solchen Fall kann für die Ausländerbehörde nach Unterrichtung durch die Vollstreckungsbehörde Anlass für einen Antrag nach § 62 Abs. 3 AufenthG auf richterliche Anordnung der Sicherungshaft zur Sicherung der Abschiebung bestehen. Bei Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG wird über die Aussetzung der Vollstreckung des letzten Drittels der Freiheitsstrafe erst nach Abschluss der Therapie entschieden, so dass eine Abschiebung des Verurteilten vor Beendigung der Therapie ohne Entscheidung der Vollstreckungsbehörde nach § 456a nicht zulässig ist.48 Die Ausländerbehörde hat sich rechtzeitig, nämlich noch während der Strafvollstreckung, mit der Vollstreckungsbehörde wegen einer von ihr beabsichtigten Abschiebung des Verurteilten ins Benehmen zu setzen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbietet es, die Vollstreckung abzuwarten und erst dann das Abschiebeverfahren zu betreiben, weil dann der Verurteilte nach vollständiger Verbüßung zur Sicherung der Abschiebung in Abschiebehaft genommen werden müsste (§ 62 Abs. 2 und 3 AufenthG).49

19

f) Fahndungsmaßnahmen (Absatz 2 Satz 3). Art. 1 Nr. 13 StVÄG 1999 hat Absatz 2 Satz 3 an die durch Art. 1 Nr. 3 bis 5 StVÄG 1999 geänderten und teilweise neu eingeführten Vorschriften über die Fahndung (§§ 131 ff.) angepasst. Die Vollstreckungsbehörde prüft im Rahmen des ihr insoweit obliegenden pflichtgemäßen Ermessens,50 ob und ggf. welche Fahndungsmaßnahmen im Einzelfall angezeigt sind. Sie kann unter denselben Voraussetzungen, unter denen sie bisher zu Vollstreckungszwecken einen Steckbrief erlassen 43 44 45 46 47 48 49 50

OLG Karlsruhe StraFo 2009 83. KG StV 2009 594. KG StraFo 2012 337; NStZ 2009 527. Pohlmann/Jabel/Wolf § 17, 9. OLG Koblenz StV 1999 219. OLG Düsseldorf StV 1999 444. OLG Karlsruhe InfAuslR 2007 356. KG JR 1995 78; OLG Karlsruhe NStZ 1994 254.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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durfte, eine Ausschreibung zur Festnahme oder zur Aufenthaltsermittlung und die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen anordnen. Die für die Ausschreibung geltenden Vorschriften über die Bezeichnung der gesuchten Person (§ 131 Abs. 4) und über die Voraussetzungen einer Öffentlichkeitsfahndung (§ 131a Abs. 3) gelten entsprechend.51 Der Inhalt der Ausschreibung zur Fahndung nach Absatz 2 Satz 3 erfordert eine möglichst genaue Bezeichnung des gesuchten Verurteilten, um Verwechslungen und damit eine Beschwer Nichtbeschuldigter auszuschließen. Über die Bezeichnung hinausgehende Beschreibungen der gesuchten Person dürfen nur dann erfolgen, wenn nicht schon allein die Personenangaben Verwechslungsgefahren ausschließen und soweit dies zu diesem Zweck geboten ist. Abbildungen, die beigefügt werden dürfen (§ 131 Abs. 4 Satz 1 2. Hs.), sind alle für eine Öffentlichkeitsfahndung geeigneten Bildmaterialien. Dazu zählen auch so genannte Phantombilder, sofern sich das Aussehen des Verurteilten seit einer erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 81b) erheblich verändert hat. Die Tat, weswegen der Verurteilte verurteilt worden war, sowie Ort und Zeit ihrer Begehung und Umstände, die für die Ergreifung von Bedeutung sein können (§ 131 Abs. 4 Satz 2), können angegeben werden. Die Vollstreckungsbehörde prüft im Rahmen des ihr insoweit obliegenden pflichtgemäßen Ermessens,52 ob und ggf. welche Fahndungsmaßnahmen im Einzelfall angezeigt sind. Da nach Absatz 2 Satz 3 letzter Hs. lediglich § 131 Abs. 4, § 131a Abs. 3 entsprechend 20 gelten, nicht aber § 131c entsprechende Anwendung findet, obliegt die Anordnung der erforderlichen Fahndungsmaßnahmen der Vollstreckungsbehörde und nicht dem Gericht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut von Absatz 2 Satz 3 („die Vollstreckungsbehörde kann … die erforderlichen Fahndungsmaßnahmen … veranlassen“), insbesondere des letzten Halbsatzes, sondern auch aus den Materialien.53 Einen Vollstreckungshaftbefehl, einen Unterbringungsbefehl oder einen Steckbrief hat die Vollstreckungsbehörde bereits nach früherem Recht ebenso erlassen, wie sie die Ausschreibung zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung veranlasst hat. Allerdings fehlten die spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.198354 zum Volkszählungsgesetz 1983 erforderlichen speziellen gesetzlichen Grundlagen, die nunmehr bestehen. g) Belehrungspflicht (Absatz 2 Satz 4). Der Verurteilte ist über die ihm im Fall einer 21 Rückkehr drohenden Maßnahmen zu belehren.55 Eine Rückkehr nach Absatz 2 Satz 1 liegt nur bei einer freiwilligen Einreise in den Geltungsbereich der Strafprozessordnung vor,56 ohne dass es auf ein Verschulden ankommt.57 Eine Abschiebung58 oder eine Auslieferung durch einen fremden Staat59 stellt keine freiwillige Rückkehr dar.60 Eine ordnungsgemäße Belehrung ist Zulässigkeitsvoraussetzung für das Nachholen der Vollstreckung61 und aktenkundig zu machen. Eine unterbliebene Belehrung führt grundsätzlich dazu, dass im Falle der Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik 51 52 53 54 55

BTDrucks. 14 1484 S. 25; Soiné JR 2002 141. KG JR 1995 78; OLG Karlsruhe NStZ 1994 254. BTDrucks. 14 1484 S. 25. BVerfGE 65 1 ff. Eine solche Belehrung hatte bisher schon das OLG Stuttgart als Zulässigkeitsvoraussetzung für das Nachholen der Vollstreckung gefordert (Rpfleger 1981 120); ebenso OLG Karlsruhe NStZ 1994 254; LG Berlin StV 1987 258; OLG Köln OLGSt StPO § 456a Nr 9; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Bringewat 7; 13. 56 OLG Celle StV 2003 90; KG NStZ-RR 2004 312. 57 OLG Hamburg StV 1999 273. 58 OLG Celle StV 2003 90. 59 LG Berlin StV 1987 258. 60 Zum Begriff der Rückkehr vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2004 343. 61 OLG Stuttgart Rpfleger 1981 120; KG JR 1995 77.

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die Vollstreckung nicht nachgeholt werden kann.62 Die Belehrung hat in einer für den Verurteilten verständlichen Sprache (Art. 6 Abs. 3 EMRK)63 – erforderlichenfalls unter Zuziehung eines Dolmetschers oder einer anderen sprachkundigen Person zu erfolgen,64 damit sich der Verurteilte des Risikos der Fortsetzung der Vollstreckung im Falle einer Wiedereinreise in die Bundesrepublik bewusst ist. Eine missverständliche Belehrung entfaltet die Wirkung einer unterbliebenen Belehrung.65 Die Belehrung muss nicht den Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckungsverjährung umfassen.66 Auch wenn die Belehrung zum Zeitpunkt der Abschiebung des Verurteilten unterblieben ist, kann die Vollstreckung nach Rückkehr des Verurteilten in die Bundesrepublik gleichwohl fortgesetzt werden, wenn die Belehrung formgerecht nachgeholt wurde und der Verurteilte vor dem weiteren Vollzug der Strafe Gelegenheit hatte, die mit einem weiteren Verbleiben in Deutschland verbundenen Risiken abzuwägen und sein Verhalten danach einzurichten.67 Ist der Verurteilte ordnungsgemäß nach Absatz 2 Satz 4 belehrt worden und reist er trotzdem wieder ein, so ist es für die Zulässigkeit der Vollstreckungsanordnung grundsätzlich ohne Belang, dass der Verurteilte behauptet, sich im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit zur Wiedereinreise entschlossen zu haben.68 Sofern der Verurteilte trotz ordnungsgemäßer Belehrung zurückgekehrt ist und die Nachholung der Vollstreckung angeordnet worden ist, kommt ein erneutes Absehen nach Absatz 1 nur in Ausnahmefällen in Betracht.69

IV. Nachholung der Vollstreckung (Absatz 2) 22

1. Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafe (Satz 1). Das Absehen von der Vollstreckung ist eine vorläufige Maßnahme, wie sich aus Absatz 2 ergibt. Es bedeutet keinen Verzicht auf den Vollstreckungsanspruch.70 Aus diesem Grunde kann ein Verurteilter, auch wenn die Staatsanwaltschaft von der weiteren Vollstreckung der Strafe abgesehen hat, gleichwohl einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung stellen71 und bleibt – umgekehrt – eine sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen eine Strafrestaussetzung zulässig. Sie ist nicht etwa deshalb prozessual überholt, weil die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich eine Maßnahme nach § 456a getroffen und auch durchgeführt hat.72 Kehrt der Ausgelieferte oder der Ausgewiesene – bei Letzterem ohne Unterschied, ob nach den ausländerrechtlichen Vorschriften erlaubt73 oder uner62 OLG Düsseldorf StV 1994 554. 63 OLG Stuttgart Rpfl. 1981 120; OLG Hamburg NStZ-RR 1999 123; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1999 222; LG Bayreuth StV 2011 423. 64 OLG Stuttgart Justiz Rpfleger 1981 120. 65 OLG Karlsruhe NStZ-RR 1999 222 mit Anm. Groß jurisPR – StrafR 23/2008 Anm. 2; OLG Karlsruhe NStZ 2001 93; LG Bayreuth StV 2011 423. 66 OLG Stuttgart Beschl. vom 15.9.2008 − 2 Ws 252/08 − mit Anm. Groß jurisPR-StrafR 23/2008 Anm. 2. 67 OLG Karlsruhe MDR 1994 610: Abgrenzung zu OLG Stuttgart Rpfleger 1981 120. 68 OLG Karlsruhe MDR 1994 610. 69 OLG Frankfurt NStZ-RR 2001 93; OLG Hamm Beschl. vom 18.6.2013 – III – 1 VAs 32/13; a. A. OLG Karlsruhe ZfStrVo 1997 369. 70 OLG Frankfurt StV 1985 23; OLG Stuttgart Justiz 1988 104; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1989 69; OLG Köln MDR 1991 276; OLG München Beschl. vom 26.2.2014 – 1 Ws 120/14; OLG Oldenburg StraFo 2015 84; LG Berlin StV 1987 258; Bringewat 6. 71 OLG Oldenburg StV 1993 205; OLG Köln (unter Aufgabe der früheren Rechtsmeinung) StV 2009 261; OLG Bremen NStZ 2010 718. 72 OLG Stuttgart MDR 1992 885. 73 OLG Köln OLGSt StPO § 456a Nr 9; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015 264.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 456a

laubt74 – freiwillig in die Bundesrepublik zurück, so kann die Vollstreckung nachgeholt werden, sofern sie noch nicht verjährt ist.75 Die Vollstreckungsbehörde kann die Fortsetzung der Vollstreckung auch dann anordnen, wenn der abgeschobene Ausländer sich am Tag der Wiedervereinigung berechtigter Weise im Gebiet der damaligen DDR aufgehalten hat und von dort in die alte Bundesrepublik eingereist ist.76 Derartige Fälle werden inzwischen aber durch den Zeitablauf keine praktische Bedeutung mehr haben. Mit dem Absehen von der Vollstreckung kann bereits eine vorläufige Anordnung über die Nachholung für den Fall getroffen werden, dass der Betreffende in die Bundesrepublik zurückkehrt.77 Das „kann“ bedeutet: nach pflichtmäßigem Ermessen.78 Die rechtsfehlerhafte Ausübung dieses Ermessens setzt stets einen hinreichend aufgeklärten und festgestellten Sachverhalt voraus.79 Die Nachholung der Vollstreckung kann danach unterbleiben, wenn sie aus gewichtigen Gründen unangebracht ist.80 Einem Antrag des Verurteilten auf Aussetzung eines gegen ihn bestehenden Vollstreckungshaftbefehls ist grundsätzlich ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls zu entsprechen, wenn er nach Deutschland einreisen will, um eine Begutachtung nach § 454 Abs. 2 zu ermöglichen.81 In besonders gelagerten Einzelfällen kann die Nachholung der Vollstreckung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.82 Liegen solche Gründe nicht vor, dann bedeutet das Vollstreckungsrecht für die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckungspflicht.83 2. Freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung (Satz 2). Bei 23 der Nachholung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung ist § 67c Abs. 2 StGB zu beachten. Nach dieser Vorschrift darf, wenn seit der Rechtskraft des Urteils drei Jahre verstrichen sind, ohne dass mit dem Vollzug der Unterbringung begonnen worden ist, und ohne dass ein Fall des § 67c Abs. 1 oder des § 67b StGB vorliegt, diese nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet, weil der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Diese Vorschrift gilt unmittelbar, wenn in vollem Umfang von der Vollstreckung der Maßregel abgesehen worden war. War die Vollstreckung jedoch nach Teilvollzug unterbrochen worden, so ist nach § 456a Abs. 2 Satz 2 der § 67c Abs. 2 StGB auf die Vollstreckung wegen des Restes entsprechend anzuwenden. In die Dreijahresfrist ist die Zeit nicht einzurechnen, in der der Ausgelieferte auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wurde.

V. Zuständigkeit Entscheidungen nach § 456a trifft seit dem Inkrafttreten des 1. JuMoG der Rechts- 24 pfleger.84 Zu den Entscheidungen gehört auch die Entscheidung nach § 456a Abs. 2 über die Nachholung der Vollstreckung.85 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85

249

OLG München NStZ-RR 2014 158. Vgl. dazu § 79a StGB: kein Ruhen der Verjährung; ebenso KK/Appl 4; Bringewat 6. OLG Düsseldorf MDR 1991 889; KK/Appl 4; Bringewat 6. OLG Schleswig SchlHA 1974 114; Bringewat 7. OLG Karlsruhe MDR 1994 610; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 11. OLG Dresden StraFo 2015 394. OLG Stuttgart StraFo 2011 114; a. A. OLG Karlsruhe NStZ 2012 655. OLG Dresden StraFo 2015 394. OLG Dresden StraFo 2015 394. OLG Hamm StRR 2008 277 mit Anm. Tsambikakis. OLG Düsseldorf Beschluss vom 9.10.2006 – III – 3 Ws 427/06. OLG Schleswig SchlHA 1974 114; Pohlmann/Jabel/Wolf § 17, 12.

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§ 456b

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

VI. Rechtsbehelfe 25

Hat die Vollstreckungsbehörde einen Antrag auf Absehen von der Vollstreckung abgelehnt, so sind die ablehnenden Bescheide, wie sich aus § 458 Abs. 2 ergibt, nur nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar.86 Die Bescheide (der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft) müssen, damit das Oberlandesgericht sie in einem solchen Verfahren auf Ermessensfehler87 überprüfen kann, eine Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers und den Gründen, die gegen ein Absehen von einer weiteren Vollstreckung sprechen, erkennen lassen.88 Dabei kommt es entscheidend auf die Begründung des Beschwerdebescheids der Generalstaatsanwaltschaft an.89 Gegen die Nachholungsanordnung nach § 456a Abs. 2 kann der Verurteilte nach § 458 Abs. 2 Einwendungen erheben, die zur gerichtlichen Entscheidung führen.90 Handelt es sich um die Vollstreckung einer Maßregel der Besserung und Sicherung, so hat diese Vorschrift nur Bedeutung, wenn noch keine drei Jahre seit Rechtskraft des Urteils verstrichen sind, da andernfalls von Amts wegen über die Vollziehbarkeit zu entscheiden ist. Sieht die Vollstreckungsbehörde gemäß Absatz 1 von der Vollstreckung ab, so ist der Verurteilte nicht beschwert.91 Das Verfahren zur Überprüfung eines auf der Grundlage von Absatz 2 Satz 3 erlassenen Vollstreckungshaftbefehls, etwa weil der Verurteilte zum Zwecke der Begutachtung nach § 454 Abs. 2 in die Bundesrepublik einreisen will, richtet sich wegen des untrennbaren Zusammenhanges mit der Entscheidung nach Absatz 1 nach § 458 Abs. 2.92

§ 456b Die durch das AGGewVerbrG eingefügte Vorschrift regelte die Reihenfolge der Vollstreckung von Freiheitsstrafe und freiheitsentziehenden Maßregeln. Sie wurde in Hinblick auf die neue materiell-rechtliche Regelung in § 67 StGB durch Art. 21 Nr. 126 EGStGB 1974 aufgehoben.

§ 456c Aufschub und Aussetzung des Berufsverbotes (1) 1Das Gericht kann bei Erlaß des Urteils auf Antrag oder mit Einwilligung des Verurteilten das Wirksamwerden des Berufsverbots durch Beschluß aufschieben, wenn das sofortige Wirksamwerden des Verbots für den Verurteilten oder seine Angehörigen eine erhebliche, außerhalb seines Zweckes liegende, durch späteres Wirksamwerden vermeidbare Härte bedeuten würde. 2Hat der Verurteilte einen

86 OLG Hamburg NJW 1975 1132; KG StV 1992 428; OLG Stuttgart StV 1993 258; OLG Koblenz NStZ 1996 255; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 14. LG Kassel Rpfleger 2017 118. OLG Celle NStZ 1981 405; OLG Hamm NStZ 1983 524; OLG Stuttgart StV 1993 258; KK/Appl 5. OLG Karlsruhe Justiz 2000 147. KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 14. OLG Frankfurt NStZ-RR 1999 126; OLG Karlsruhe NStZ 2008 222. OLG Stuttgart StraFo 2011 114; OLG Oldenburg StraFo 2015 85; Meyer-Goßner/Schmitt 9; KK/Appl 5; a. A. OLG Karlsruhe NStZ 2012 655; OLG Celle StraFo 2014 482.

87 88 89 90 91 92

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-019

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 456c

gesetzlichen Vertreter, so ist dessen Einwilligung erforderlich. 3§ 462 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) Die Vollstreckungsbehörde kann unter denselben Voraussetzungen das Berufsverbot aussetzen. (3) 1Der Aufschub und die Aussetzung können an die Leistung einer Sicherheit oder an andere Bedingungen geknüpft werden. 2Aufschub und Aussetzung dürfen den Zeitraum von sechs Monaten nicht übersteigen. (4) Die Zeit des Aufschubs und der Aussetzung wird auf die für das Berufsverbot festgesetzte Frist nicht angerechnet.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde als § 456d durch Art. 2 Nr. 39 AGGewVerbrG (RGBl. I S. 1000) im Jahre 1933 eingefügt. Infolge Fortfalls des früheren, den Vollzug der Entmannung betreffenden § 456c erhielt die Vorschrift bei der Neufassung durch das VereinhG 1950 die heutige Paragrafenzahl. Durch Art. 21 Nr. 127 EGStGB 1974 wurden die Absätze 1 und 2 nur redaktionell geändert („Berufsverbot“ statt „Untersagung der Berufsausübung“, „Wirksamwerden“ statt „Inkrafttreten“, „§ 462 Abs. 3“ statt „§ 462 Abs. 4“).

1. 2. 3.

Übersicht Anwendungsbereich 1 Ergänzende Regelung in § 55 StVollstrO 2 Aufschieben des Wirksamwerdens durch Gerichtsbeschluss a) Voraussetzungen 3 b) Verfahren 5 c) Rechtsmittel 7 d) Keine nachträgliche Verlängerung 8

4.

5. 6. 7. 8.

Entscheidung der Vollstreckungsbehörde (Absatz 2) a) Voraussetzungen 9 b) Rechtsbehelfe 12 Leistung einer Sicherheit (Absatz 3 Satz 1) 13 Dauer (Absatz 3 Satz 2) 14 Anrechnung (Absatz 4) 15 Keine Geltung für Fahrverbot 16

Alphabetische Übersicht Anrechnung 15 Antrag 3 Anwendungsbereich 1 Aufschub 3 ff. Aussetzung 9 Beschluss 5 f. Dauer 14 Eintritt der Wirksamkeit 1 Einwilligung 3 Erhebliche Härte 4 Fahrverbot 16 Gesetzlicher Vertreter 3

Gnade 14, 16 Nebenkläger 7 Öffentliches Interesse 10 Rechtsbehelfe 12 Rechtsmittel 7 Sicherheitsleistung 13 Sofortige Beschwerde 7, 12 Verfahren 5 ff. Verkündung 6 Verlängerung 8 Vollstreckungsbehörde 9 Wirksamkeit 1

1. Anwendungsbereich. Das Berufsverbot wird nach § 70 Abs. 4 Satz 1 StGB mit der 1 Rechtskraft des Urteils wirksam, sofern das Gericht nicht nach § 132a ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet hat. Es bedarf also keiner besonderen Vollstreckungshandlungen, und es obliegt der Vollstreckungsbehörde auch nicht die Pflicht, die Beachtung 251

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§ 456c

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

des Berufsverbots zu überwachen.1 Mit dem Eintritt der Wirksamkeit wird § 145c StGB anwendbar, der Zuwiderhandlungen gegen das Berufsverbot mit Strafe bedroht.2 Absatz 1 gibt aber dem Gericht die Befugnis, von vornherein den Beginn der Wirksamkeit für die Dauer von höchstens sechs Monaten (beginnend mit der Rechtskraft des Urteils) hinauszuschieben. Nach Eintritt der Wirksamkeit des Berufsverbots, also nach Eintritt der Rechtskraft oder, wenn das Gericht das Wirksamwerden nach Absatz 1 hinausgeschoben hat, nach Ablauf der im Beschluss bestimmten Frist, kann auch die Vollstreckungsbehörde die Wirksamkeit des Verbots aussetzen. Schließlich kann nach § 70a StGB das Gericht nach mindestens einjähriger Dauer ein auf längere Zeit oder für immer angeordnetes Berufsverbot zur Bewährung aussetzen, wenn Grund zu der Annahme gegeben ist, dass die Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten bei Ausübung des Berufs usw. nicht mehr besteht. Bei Nichtbewährung wird die Aussetzung widerrufen. Bei positivem Verlauf der Bewährungszeit erklärt das Gericht das Berufsverbot nach Ablauf der Bewährungszeit für erledigt (§ 70b Abs. 5 StGB). Wegen des Verfahrens bei Entscheidungen nach §§ 70a, 70b StGB vgl. die Erl. zu §§ 462, 463 Abs. 6. 2

2. Ergänzende Regelung in § 55 StVollstrO. Die vorgenannte Vorschrift regelt die Berechnung der Zeit des Berufsverbots. Der Regelungsgehalt von § 55 Abs. 1 StVollstrO geht über die gesetzlichen Regelungen in § 70 Abs. 4, § 70a Abs. 3, § 70b Abs. 3 StGB und § 456c nicht hinaus. Die Vollstreckungsbehörde ist nach § 55 Abs. 1 StVollstrO verpflichtet, die Zeit des Berufsverbots und die Erklärung über dessen Erledigung durch das Gericht (§ 70b Abs. 5 StGB) den für die Berufs- und Gewerbeausübung zuständigen Behörden jeweils mitzuteilen. Rechtsgrundlage für die Übermittlung der Daten können § 14 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EGGVG sowie bereichsspezifische Regelungen in den Beamtengesetzen und im Deutschen Richtergesetz sowie sonstigen Gesetzen sein, z. B. § 45a ZDG für Zivildienstleistende; § 64a Abs. 2 BNotO für Notare; § 36 Abs. 2 BRAO für Rechtsanwälte; § 34 Abs. 2 PatAnwO für Patentanwälte; § 65 Abs. 2, § 130 WPO und § 10 Abs. 2 StBerG für Wirtschaftsprüfer und Steuerberater; § 60a KWG für Inhaber und Geschäftsleiter von Kreditinstituten. § 55 Abs. 3 StVollstrO verpflichtet die Vollstreckungsbehörde, vor einer Entscheidung über die Aussetzung des Berufsverbots (§ 55 Abs. 2 StVollstrO) die zuständigen Verwaltungsbehörden und berufsständischen Organisationen zu hören. 3. Aufschieben des Wirksamwerdens durch Gerichtsbeschluss

3

a) Voraussetzungen. Die Aufschiebung durch gerichtlichen Beschluss nach Absatz 1 setzt, da die Zeit des Aufschubs nach Absatz 4 nicht auf die Dauer des Berufsverbots angerechnet wird und insofern dem Angeklagten nachteilig ist, einen Antrag (vgl. § 456, 7) des Verurteilten3 oder, wenn das Gericht von Amts wegen, gegebenenfalls auf Anregung der Staatsanwaltschaft oder eines Nichtverfahrensbeteiligten die Aussetzung in Erwägung zieht, dessen Einwilligung voraus (Satz 1).4 Hat der Angeklagte einen gesetzlichen Vertreter, so ist (auch) dessen Einwilligung erforderlich (Satz 2). Der Angeklagte kann also zwar den Antrag stellen. Er ist aber rechtlich bedeutungslos, wenn der gesetzliche Vertreter nicht einwilligt. 1 Bringewat 2; s. aber die Mitteilungspflichten nach Nr. 13, 40 Abs. 1 MiStra sowie Pohlmann/Jabel/Wolf § 55, 4.

2 KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 2. 3 Richtig müsste es in Absatz 1 „Angeklagter“ heißen, da der Antrag vor der Urteilsverkündung gestellt werden wird, die Bezeichnung „Verurteilter“ mithin erst für die Fälle des Absatzes 2 zutrifft.

4 KK/Appl 3; KMR/Stöckel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 2.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 456c

Voraussetzung des Aufschubs ist – entsprechend § 4565 – weiter, dass das sofortige 4 Inkrafttreten der Wirksamkeit mit Rechtskraft des Urteils für den Verurteilten oder seine Angehörigen eine erhebliche, außerhalb des Zwecks der Maßregel liegende Härte bedeutet, die durch späteres Inkrafttreten vermeidbar ist. Dabei können Gefahren, die bei weiterer Ausübung des Berufs während des Aufschubs drohen könnten, durch geeignete Auflagen (Absatz 3) vermieden werden. Nach früher teilweise vertretener Ansicht6 sollen auch Härten, die für Dritte durch das sofortige Inkrafttreten der Untersagung entstehen würden, z. B. für die Arbeitnehmer, die bei einer Berufsuntersagung gegen den Unternehmer durch Stilllegung eines Betriebs arbeitslos werden würden, oder für die Allgemeinheit, wenn diese an der Aufrechterhaltung des Betriebs ein Interesse hat, das Gericht zum Aufschub berechtigen können. Das widerspricht aber dem Wortlaut des Absatzes 1. Es sind weder ein praktisches Bedürfnis noch ein Rechtsgrund ersichtlich, die es rechtfertigen würden, sich über den Gesetzeswortlaut hinwegzusetzen, da die Vollstreckungsbehörde mit ihren weiterreichenden Aussetzungsbefugnissen (Rn. 9 ff.) auf solche Belange Rücksicht nehmen kann.7 b) Verfahren. Das Gericht ordnet den Aufschub bei Erlass des Urteils durch Be- 5 schluss an, d. h. unter Mitwirkung der Laienrichter. Es gilt insoweit mithin die gleiche Regelung wie bei dem Beschluss über Bewährungsanordnungen nach § 268a Abs. 1. Nach Beendigung der Hauptverhandlung – etwa während der Abfassung der Urteilsgründe – kann das Gericht keinen Aufschub mehr beschließen.8 Dafür besteht auch deshalb keine Notwendigkeit, weil es dem Verurteilten im Fall des Unterbleibens einer Anordnung unbenommen bleibt, eine Aussetzungsentscheidung bei der Strafvollstreckungsbehörde herbeizuführen, die sofort bei oder nach Eintritt der Rechtskraft ergehen kann.9 Auf ein rechtskräftiges und damit nach § 204 Abs. 5 Satz 1 BRAO wirksam gewordenes Vertretungsverbot nach § 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO finden die Vorschriften der Strafprozessordnung, insbesondere § 456c, entsprechende Anwendung.10 In der Regel wird das Gericht den Beschluss im Anschluss an das Urteil mündlich 6 verkünden, obwohl das – anders als bei den Bewährungsauflagen nach § 268a – nicht vorgeschrieben ist, so dass eine schriftliche Zustellung ausreichen würde.11 Gibt das Gericht einem wirksam gestellten Aufschubantrag des Verurteilten nicht statt, so muss es ihn nach allgemeinen Grundsätzen ablehnend bescheiden (vgl. § 34). Die Nichtbescheidung steht einer Ablehnung gleich.12 c) Rechtsmittel. Gegen den einen Aufschub aussprechenden oder ablehnenden Be- 7 schluss ist sofortige Beschwerde statthaft (Satz 3).13 Bei Nichtbescheidung eines Antrags ist, sofern sich das Gericht nicht die Beschlussfassung durch verkündeten Beschluss ausdrücklich vorbehalten hat, für die Beschwerdefrist die Beendigung der

5 S. dort Rn. 5; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4. 6 LK/Jagusch8 § 42 Anm. V; LK/Lang-Hinrichsen9 § 42, 50. 7 OLG Schleswig NJW-RR 2000 874 (keine Aussetzung des Vertretungsverbots zur weiteren Vertretung eines Mandanten im anwaltsgerichtlichen Verfahren). 8 Eb. Schmidt 5; KK/Appl 2; KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 7. 9 KMR/Stöckel 2; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 7. 10 OLG Schleswig NJW-RR 2000 874; OLG Hamm Beschl. vom 9.5.2014 – 2 AGH 4/14; BGH Beschl. vom 27.10.2014 – AnwSt(B) 8/14. 11 KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 8. 12 KMR/Stöckel 14. 13 KK/Appl 8; KMR/Stöckel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 14.

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Hauptverhandlung maßgebend. Dem Nebenkläger steht schon deshalb kein Beschwerderecht zu, weil es sich bei dem Beschluss um eine die Vollstreckung betreffende Entscheidung handelt, das Gesetz aber seine Beteiligung in diesem Verfahrensabschnitt nicht vorsieht. Das Berufungsgericht kann bei Aufrechterhaltung eines erstinstanzlich ausgesprochenen Berufsverbots ohne Weiteres Aufschub gewähren.14 Ein ablehnender Beschluss des Gerichts des ersten Rechtszuges wird dadurch gegenstandslos, auch wenn er nicht mit der Beschwerde angefochten wurde. 8

d) Keine nachträgliche Verlängerung. Da das Gericht nur bei Erlass des Urteils über den Aufschub entscheiden kann, kann es einen gewährten Aufschub nicht nachträglich verlängern. Insoweit ist die Vollstreckungsbehörde nach Absatz 215 zuständig. 4. Entscheidung der Vollstreckungsbehörde (Absatz 2)

a) Voraussetzungen. Nach Absatz 2 kann die Vollstreckungsbehörde ein wirksam gewordenes Verbot aussetzen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist dies „unter denselben Voraussetzungen“ – nämlich denen des Absatzes 1 – zulässig. Danach setzt die Aussetzung einen Antrag des Verurteilten oder wenigstens seine Einwilligung (bzw. die seines gesetzlichen Vertreters) voraus. Im Übrigen kann die Verweisung auf Absatz 1 nur die Bedeutung haben, dass er sinngemäß anwendbar ist. Wäre die Vollstreckungsbehörde nur befugt, die Härten abzuwenden, die durch sofortiges Inkrafttreten entstehen, dann würde sich die Aussetzungsbefugnis nur auf den Zeitpunkt beschränken, in dem das Urteil rechtskräftig wird oder ein gerichtlich angeordneter Aufschub abläuft. Aber schon der Wechsel im Ausdruck („aussetzen“ statt „aufschieben“) zeigt, dass unter “Aussetzen“ ein Mehr zu verstehen und die Vollstreckungsbehörde auch befugt ist, die Wirksamkeit der Untersagung zu einem späteren Zeitpunkt auszusetzen – also die Wirksamkeit des Verbots zu unterbrechen16 –, wenn die Nichtgestattung der Berufsausübung während eines bestimmten Zeitraumes eine erhebliche Härte bedeuten würde, die durch vorübergehende Aussetzung abgewendet werden kann, etwa wenn der Arzt, der die Praxis des mit Berufsverbot Belegten für die Dauer der Untersagung übernommen hat, erkrankt und ein anderer Vertreter als der Verurteilte nicht zu finden ist, so dass die Praxis sich aufzulösen droht, wenn das Berufsverbot nicht zeitweise ausgesetzt wird.17 Von der Zulässigkeit einer solchen Vollzugsunterbrechung geht auch ersichtlich 10 § 55 StVollstrO aus. Wenn dort weiterhin als Voraussetzung einer Unterbrechung neben der Vermeidung von Härten für den Verurteilten oder seine Angehörigen die Berücksichtigung eines öffentlichen Interesses an der vorübergehenden weiteren Berufsausübung genannt wird, so geht das zwar über den Wortlaut des Absatz 2 hinaus, doch ergibt sich die Befugnis der Vollstreckungsbehörde hierzu aus dem allgemeinen Vollstreckungsauftrag. Die Vollstreckungsbehörde kann Aussetzung auch gewähren, wenn das Gericht 11 einen Aufschubantrag abgelehnt hat, sei es, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, sei es, dass der Aufschub aus Gründen des öffentlichen Interesses beantragt war, die das Gericht nicht berücksichtigen kann.18 Vor ihrer Entscheidung soll sie des9

14 15 16 17 18

KMR/Stöckel 8, 12; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 14. KK/Appl 7. KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 6, 9. Bringewat 6. KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5.

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halb die zuständigen Verwaltungsbehörden und berufsständischen Organisationen hören (§ 55 Abs. 3 StVollstrO). b) Rechtsbehelfe. Gegen eine ablehnende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde 12 können – neben der Dienstaufsichtsbeschwerde – Einwendungen nach § 458 Abs. 2 erhoben werden. Gegen die Entscheidung hierüber ist sofortige Beschwerde nach § 462 Abs. 3 Satz 1 statthaft.19 5. Leistung einer Sicherheit (Absatz 3 Satz 1). Aufschub und Aussetzung können 13 nach Absatz 3 an die Leistung einer Sicherheit (vgl. § 456, 12) oder an andere Bedingungen geknüpft werden. In Betracht kommen nur solche Bedingungen, die bezwecken und geeignet sind, eine von der Berufsausübung drohende Gefahr abzuwenden, nicht etwa die Auferlegung einer Geldbuße,20 denn von einer entsprechenden Anwendung des § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil es sich nur um ein vorübergehendes Hinausschieben des Verbots (Absatz 4) handelt. Im Übrigen ist es selbst bei einer Aussetzung des Berufsverbots zur Bewährung (Rn. 2) nicht möglich, dem Verurteilten eine Geldbuße aufzuerlegen, da § 70a Abs. 3 Satz 1 StGB den § 56b StGB nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Dagegen sind Bedingungen möglich, die bewirken, dass das Verbot nur teilweise aufgehoben wird, indem dem Verurteilten nur bestimmte der von dem Verbot erfasste Berufsausübungshandlungen erlaubt werden,21 die Nichtbeachtung dieser Bedingungen führt zur Anwendung des § 145c StGB. 6. Dauer (Absatz 3 Satz 2). Die Vollstreckungsbehörde kann dem Verurteilten nach 14 einem gerichtlichen Aufschub Aussetzung – auch mehrmals – gewähren. Die Gesamtdauer darf aber nach Absatz 3 Satz 2 den Zeitraum von sechs Monaten nicht übersteigen.22 Die Strafvollstreckungsbehörde muss mithin eine schon vom Gericht bewilligte Zeitspanne bei ihrer Bewilligung einrechnen.23 Gleichwohl ist ein weitergehend gewährter Aufschub nicht unwirksam.24 Eine weitergehende Aussetzung wäre nur im Weg der Gnade denkbar, der aber nur in den seltensten Ausnahmefällen in Betracht kommen kann. Ein solcher Gnadenerweis würde außerdem – in entsprechender Anwendung des Absatz 4 – die Frist hinausschieben, von der ab nach § 70a Abs. 2 StGB Aussetzung des Berufsverbots zur Bewährung in Betracht kommt.25 7. Anrechnung (Absatz 4). Eine Anrechnung der Zeit des Aufschubs oder der Aus- 15 setzung auf die für das Berufsverbot festgesetzte Frist findet nicht statt. 8. Keine Geltung für Fahrverbot. Eine entsprechende Anwendung des § 456c auf 16 das Fahrverbot des § 44 StGB ist nicht möglich.26 Auch eine Unterbrechung des Fahrverbots wäre nur im Gnadenweg möglich.27

19 20 21 22 23 24 25 26

KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 15; Röttle/Wagner Rn. 398. LG Frankfurt NJW 1954 287; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 11. KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 11. KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 11; Pohlmann/Jabel/Wolf § 55, 5. KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 7. Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 12. Bringewat 13. OLG Köln NJW 1987 80; AG Mainz MDR 1967 683; Mürbe DAR 1983 45; Fehl NZV 1998 439; KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 3. 27 Wollentin/Breckenfeld NJW 1966 634; Pohlmann/Jabel/Wolf § 59a, 28.

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§ 457

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§ 457 Ermittlungshandlungen; Vorführungsbefehl, Vollstreckungshaftbefehl (1) § 161 gilt sinngemäß für die in diesem Abschnitt bezeichneten Zwecke. (2) 1Die Vollstreckungsbehörde ist befugt, zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe einen Vorführungs- oder Haftbefehl zu erlassen, wenn der Verurteilte auf die an ihn ergangene Ladung zum Antritt der Strafe sich nicht gestellt hat oder der Flucht verdächtig ist. 2Sie kann einen Vorführungs- oder Haftbefehl auch erlassen, wenn ein Strafgefangener entweicht oder sich sonst dem Vollzug entzieht. (3) 1Im übrigen hat in den Fällen des Absatzes 2 die Vollstreckungsbehörde die gleichen Befugnisse wie die Strafverfolgungsbehörde, soweit die Maßnahmen bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen. 2Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist auf die Dauer der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe besonders Bedacht zu nehmen. 3Die notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht des ersten Rechtszuges. Schrifttum Amelung Rechtsschutz gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe (1976); ders. Probleme des Rechtsschutzes gegen strafprozessuale Grundrechtseingriffe, NJW 1979 1687; Benfer Die strafprozessuale Haussuchung als implizierte Befugnis, NJW 1980 1611; Beukelmann Neues zum Europäischen Haftbefehl, NJW-Spezial 2019 568; Hilger Neues Strafverfahrensrecht durch das OrgKG, NStZ 1992 457, 523; Kaiser Die Wohnung als Schranke bei der Vollstreckung von Haft- und Vorführungsbefehlen? NJW 1964 759; ders. Notwendigkeit eines Durchsuchungsbefehls bei strafprozessualen Zwangsmaßnahmen? NJW 1980 875; Krause Vollstreckung von Vollstreckungshaftbefehlen in der Wohnung oder den sonstigen Räumen eines unbeteiligten Dritten, NJW 1974 303; Ladiges Stillschweigende Durchsuchungsanordnungen im Strafverfahren? NStZ 2014 609; Rieß Neue Gesetze zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, NJ 1992 441; Schnickmann Das Vorführungsrecht der Staatsanwaltschaft und seine Vereinbarkeit mit Art. 104 GG, MDR 1976 363; Seebode Das Recht zur Festnahme entwichener Strafgefangener, FS Bruns (1978) 487; Soiné Zur Neuregelung der strafprozessualen Öffentlichkeitsfahndung, ZRP 1994 392; Thewes Die strafvollstreckungsrechtliche Durchsuchungsanordnung, Rpfleger 2006 524; Wolf Erweiterte Handlungsmöglichkeiten in der Strafvollstreckung durch OrgKG, Rpfleger 1996 96.

Entstehungsgeschichte Durch Art. 21 Nr. 128 EGStGB vom 2.3.1974 wurden in Absatz 1 und 2 das Wort „Staatsanwaltschaft“ durch „Vollstreckungsbehörde“ ersetzt und der bisherige Absatz 3 („Diese Befugnisse stehen im Falle des § 451 Abs. 3 auch dem Amtsrichter zu“) gestrichen. Durch § 181 Nr. 2 StVollzG a. F. wurde im Rahmen der Anpassung des Bundesrechts dem damaligen Absatz 1 der Satz 2 angefügt. Durch Art. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15.7.1992 wurde ein neuer Absatz 1 eingefügt. Der bisherige Absatz 1 wurde Absatz 2; der frühere Absatz 2 wurde aufgehoben und Absatz 3 angefügt. Bezeichnung bis 1924: § 489.

I.

Übersicht Anwendungsbereich 1. Strafprozessordnung

2. 1 3.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-020

Strafvollstreckungsordnung, Länderver2 einbarung Weitere Bereiche 3

256

1. Abschnitt. Strafvollstreckung

II.

III.

IV.

Ermittlungsbefugnisse (Absatz 1) 1. Allgemeines 4 2. Arten der Ermittlungshandlungen 5 Zwangsmaßnahmen (Absatz 2) 1. Ladung zum Strafantritt (Satz 1) a) Allgemeines 6 b) Vollstreckungsplan 7 c) Fristsetzung 8 d) Form der Ladung 9 2. Mittellose Verurteilte 10 Voraussetzungen für einen Vollstreckungshaftbefehl oder Vorführungsbefehl 1. Allgemeines 11 2. Vollstreckungshaftbefehl a) Unterschied zum Untersuchungshaftbefehl 13 b) Nichtverwertbarkeit des Untersuchungshaftbefehls 14 c) Fehlende Bereitschaft zum sofortigen Strafantritt 15 3. Vorführungsbefehl 16 4. Flucht oder Fluchtverdacht 17 5. Bedingter Haft- oder Vorführungsbefehl 18

§ 457

6.

Entweichen aus dem Strafvollzug 19 (Satz 2) V. Mitwirkung von Polizeidienststellen 1. Unmittelbares Vollziehungsersuchen 20 2. Amtshilfeersuchen nach §§ 162, 163 GVG 21 VI. Vollstreckung von Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehlen 1. Herrschende Meinung 22 2. Kritik 23 a) Durchsuchung beim Verurteilten 24 b) Durchsuchung bei anderen Personen 25 3. Ergebnis 26 VII. Fahndungsbefugnisse (Absatz 3) 1. Allgemeines 27 2. Fahndungsmaßnahmen 28 3. Zweckbindung 29 4. Verhältnismäßigkeit (Satz 2) 30 5. Anordnungskompetenz 31 VIII. Strafzeitberechnung 32 IX. Anfechtbarkeit 33

Alphabetische Übersicht Amtshilfeersuchen 21 Anfechtbarkeit 33 Antrag nach § 23 EGGVG 33 Anwendungsbereich 1 ff. Aufenthaltsermittlung 2, 11 Ausschreibung zur Festnahme 2 Bedingter Haftbefehl 18 Bedingter Vorführungsbefehl 18 Dokumentationspflicht 26 Durchsuchung 22 ff. – Anordnung 22, 24, 26, 31 – bei anderen Personen 22, 25 – beim Verurteilten 24 Entweichen aus dem Vollzug 19 Ermittlungsbefugnisse 4 ff. Ermittlungshandlungen 5 Ersatzfreiheitsstrafe 1, 11 Erzwingungshaft 3

Fahndungsbefugnisse 27 Fahndungsmaßnahmen 2, 28 Flucht 17 Fluchtverdacht 17 Haftbefehl 2, 11 ff., 22 Ladung zum Strafantritt 9 ff. Ländervereinbarung 2, 20 Mittellose Verurteilte 10 Nebenfolgen 3 Ordnungshaft 3 Strafvollstreckung 2 Strafzeitberechnung 32 Verhältnismäßigkeit 2, 11, 24 f., 30 Vollstreckungshaftbefehl 13 Vollstreckungsplan 7 Vorführungsbefehl 2, 11 ff., 16, 22 Zwangshaft 3 Zwangsmaßnahmen 6 ff.

I. Anwendungsbereich 1. Strafprozessordnung. Bis zur Änderung durch das OrgKG vom 15.7.1992 enthielt 1 § 457 nur wenige Hinweise dazu, wie bei der Herbeiführung des Vollzugs von Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen1 nach deren Anordnung gemäß § 459e und freiheitsent1 OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 282.

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§ 457

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

ziehenden Maßregeln (§ 463 Abs. 1) zu verfahren ist. Zwar versuchten die Landesjustizverwaltungen, diese Lücke durch Einzelregelungen in der Strafvollstreckungsordnung (z. B. in §§ 27, 33 StVollstrO) und in der Ländervereinbarung2 zur Vereinfachung und Beschleunigung der Strafvollstreckung (§ 451, 20 ff.) zu schließen. Jedoch handelte es sich dabei letztlich um Hilfslösungen, die schon deshalb keine gesetzliche Regelung ersetzen konnten, weil ihnen die allgemeine gesetzliche Verbindlichkeit fehlt. Diese ist erst durch die gegenüber dem früheren Rechtszustand erheblich erweiterte Festlegung der Befugnisse der Strafvollstreckungsbehörde zur Vornahme von Ermittlungshandlungen (Absatz 1) und Maßnahmen (Absatz 3) geschaffen worden. 2

2. Strafvollstreckungsordnung, Ländervereinbarung. § 457 wird durch die in Rn. 1 aufgeführten Regelungen der Landesjustizverwaltungen ergänzt. Besondere Bedeutung haben insoweit § 33 StVollstrO, der im Einzelnen regelt, unter welchen Voraussetzungen die Vollstreckungsbehörde einen Vorführungs- oder Haftbefehl erlässt. § 34 StVollstrO regelt weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Strafvollstreckung, insbesondere die Ausschreibung zur Festnahme (§ 34 Abs. 1 StVollstrO) sowie Art und Umfang der Fahndungsmaßnahmen (§ 34 Abs. 2 StVollstrO). § 34 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO stellt klar, dass Art und Umfang von Fahndungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der verhängten Strafe stehen sollen. Sofern die Voraussetzungen für den Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls nicht vorliegen, kann zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben werden (§ 34 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO). Die Pflicht der Vollstreckungsbehörde zur Veranlassung der Löschung bei Wegfall des Fahndungsgrundes regelt § 34 Abs. 3 StVollstrO.

3

3. Weitere Bereiche. Die in den Rn. 1 bis 2 angeführten Verfahrensregelungen sind sinngemäß auch anwendbar bei der Vollstreckung der nach § 96 OWiG angeordneten Erzwingungshaft sowie bei der Vollstreckung gerichtlich erkannter Ordnungs- oder Zwangshaft in Straf- und Bußgeldsachen, die von der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder als ersuchte Behörde vollstreckt werden (§ 88 Abs. 1 StVollstrO).3 Veranlasst der Vorsitzende des Gerichts unmittelbar die Vollstreckung der Ordnungshaft (§ 179 GVG), bleibt es seiner Entscheidung überlassen, ob und welche Vorschriften der Strafvollstreckungsordnung er anwenden will und welche Zwangsmaßnahmen zu ergreifen sind (§ 88 Abs. 2 StVollstrO).4 § 457 gilt ferner für die Vollstreckung von Nebenfolgen (§ 459g).5

II. Ermittlungsbefugnisse (Absatz 1) 4

1. Allgemeines. Aufgrund der Verweisung auf § 161 stehen der Strafvollstreckungsbehörde die gleichen Befugnisse zu wie der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren. Wie diese in ihrem Bereich kann die Vollstreckungsbehörde im Rahmen der Strafvollstreckung – allerdings begrenzt auf die dort genannten Zwecke – Auskunft von allen öffentlichen Behörden verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vornehmen oder durch die Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen. Diese müssen solchen Ersuchen oder Aufträgen der Vollstreckungsbehörde nachkommen, soweit diese 2 3 4 5

Vom 8.6.1999; abgedruckt bei Pohlmann/Jabel/Wolf § 9, 18. Göhler/Seitz/Bauer § 97, 1; KK/Appl 1; Bringewat 2. KK/Appl 1; KMR/Stöckel 2; Bringewat 2. KMR/Stöckel 2; SK/Paeffgen 3; MüKo/Nestler 3; Wolf Rpfleger 1996 96, 98.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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rechtlich zulässig sind. Die Vollstreckungsbehörde kann nach Absatz 1 i. V. m. § 161 Abs. 1 von allen öffentlichen Behörden Auskunft zu Vollstreckungszwecken verlangen.6 Der Auskunftsanspruch kann aber unter Umständen begrenzt oder sogar ausgeschlossen sein.7 2. Arten der Ermittlungshandlungen. Die Vollstreckungsbehörde kann zu Voll- 5 streckungszwecken die Vernehmung von Zeugen und Tatbeteiligten (§§ 161a, 163a) anordnen,8 etwa zur Ermittlung des Aufbewahrungsortes der Tatbeute. Sie kann – was im Rahmen der Vollstreckung aber wohl eher geringe praktische Bedeutung haben dürfte – einen Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragen oder Augenscheinseinnahmen vornehmen. Des Weiteren können nach den Absätzen 2 und 3 weitere strafprozessuale Zwangsmaßnahmen zu Vollstreckungszwecken in Betracht kommen (vgl. Rn. 28 ff.). III. Zwangsmaßnahmen (Absatz 2) 1. Ladung zum Strafantritt (Satz 1) a) Allgemeines. Aus Absatz 2 Satz 1 ergibt sich lediglich, dass der auf freiem Fuß 6 befindliche Verurteilte, wenn er nicht fluchtverdächtig ist, durch die Ladung zum Antritt der Strafe aufgefordert werden muss und Zwangsmaßnahmen erst in Betracht kommen, wenn er sich auf die Ladung nicht zum Strafantritt gestellt hat. Befindet sich der Verurteilte bei Eintritt der Rechtskraft des Urteils in Untersuchungshaft (§ 450, 8), so entfällt die Ladung zum Strafantritt, und es kommt nur die Einweisung und Überführung in die zuständige Justizvollzugsanstalt in Betracht (§ 28 StVollstrO). b) Vollstreckungsplan. Wie in § 451, 16 ff. ausgeführt, bestimmt der gemäß § 152 7 StVollzG von der Landesjustizverwaltung aufgestellte Vollstreckungsplan für jeden Gerichtsbezirk, welche Justizvollzugsanstalt für den Vollzug einer Strafe oder welche Maßregelvollzugseinrichtung für den Vollzug der verhängten Maßregel oder welche Jugendarrestanstalt für den Vollzug von Jugendarrest örtlich und sachlich zuständig ist. In die danach zuständige Justizvollzugsanstalt lädt die Vollstreckungsbehörde den Verurteilten unmittelbar zum Strafantritt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Justizvollzugsanstalt im Land der Vollstreckungsbehörde oder in einem anderen Land gelegen ist. c) Fristsetzung. Der Verurteilte ist grundsätzlich unter Setzung einer Frist (in der 8 Regel mindestens eine Woche), binnen deren er sich in der Vollzugsanstalt einzufinden hat (§ 27 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO), zu laden. Gleichzeitig weist die Vollstreckungsbehörde ihn durch ein Aufnahmeersuchen in die zuständige Justizvollzugsanstalt ein (§ 29 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO). Für die Vollstreckung von freiheitsentziehenden Maßregeln gelten entsprechende Vorschriften (§ 53 Abs. 2 Nr. 1 StVollstrO). Jedoch bedarf es, da die Ländervereinbarung vom 8.6.1999 nach ihrem Abschnitt III Absatz 2 Satz 2 nicht für die Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung gilt (vgl. § 451, 21), nach § 162 GVG, §§ 9, 27 StVollstrO der Inanspruchnahme der für den

6 LR/Erb § 161, 16 ff.; KK/Griesbaum § 161, 2 f. 7 Zu den Grenzen oder dem Ausschluss des Auskunftsanspruchs vgl. LR/Erb § 161, 23 ff.; KK/Griesbaum § 161, 4 ff. 8 OLG Karlsruhe StV 2007 597.

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§ 457

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Aufenthaltsort zuständigen landgerichtlichen Staatsanwaltschaft, wenn die zuständige Anstalt außerhalb des Landes der Vollstreckungsbehörde liegt. 9

d) Form der Ladung. Über die Form der Ladung und die Art ihrer Bekanntgabe enthält die Strafprozessordnung keine Vorschriften, insbesondere ist förmliche Zustellung der Ladung nicht vorgeschrieben. Es genügt zum Erlass des Haftbefehls, wenn die Vollstreckungsbehörde Kenntnis hat, dass die Ladung dem Verurteilten zugegangen ist.9 Hier greifen jedoch ergänzend und z. T. einschränkend die Justizverwaltungsanweisungen ein. Nach § 27 Abs. 3 StVollstrO kann die Strafantrittsladung erfolgen a) durch einfachen Brief (Satz 1), b) durch förmliche Zustellung (Satz 2), c) durch mündliche Eröffnung gegenüber dem an Amtsstelle anwesenden Verurteilten, wenn er zum sofortigen Strafantritt geladen wird (Satz 3).10 § 33 Abs. 1 StVollstrO weist die Vollstreckungsbehörden an, einen Haftbefehl nur zu erlassen, wenn der Verurteilte sich nach ergangener Ladung nicht binnen der gesetzten Frist, bei Aufforderung zum sofortigen Antritt nicht spätestens am Tag nach der Zustellung gestellt hat.11 Für die Zustellung der Ladung zum Strafantritt gilt § 37.12 Bei Nichtgestellung auf formlose Ladung (Brief) muss also grundsätzlich nochmals mit förmlicher Zustellung geladen werden, um den Nachweis des Zugangs der Ladung zum Strafantritt führen zu können und dem Verurteilten nicht vorschnell die Möglichkeit zur Selbstgestellung zu nehmen.13 Der Erlass eines Haftbefehls ist nicht zulässig, wenn der Verurteilte die Nichtgestellung ausreichend entschuldigt hat. Er muss dann erneut geladen werden.

10

2. Mittellose Verurteilte. Mittellose Verurteilte, die nicht in der Lage sind, die Kosten einer Reise zu der entfernten Justizvollzugsanstalt zu bestreiten, können in eine näher gelegene Anstalt geladen werden und sind von dort der zuständigen Anstalt zuzuführen (§ 27 Abs. 5, § 28 Abs. 2 StVollstrO). Liegen nach Aktenlage verlässliche Erkenntnisse vor, dass der Verurteilte mittellos ist, so ist sogleich entsprechend von Amts wegen zu verfahren. Von Mittellosigkeit ist regelmäßig bei langjährig Drogenabhängigen sowie Empfängern von Arbeitslosengeld II, Grundsicherung oder Sozialhilfe auszugehen.

IV. Voraussetzungen für einen Vollstreckungshaftbefehl oder Vorführungsbefehl 11

1. Allgemeines. Hat sich der Verurteilte auf Ladung nicht gestellt, so kann die Vollstreckungsbehörde durch den Rechtspfleger einen Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehl erlassen. Dabei hat sie selbstverständlich den ganz allgemein geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit14 zu beachten, den die Rechtsprechung aus den Einzelvorschriften der Strafprozessordnung und im Übrigen aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie aus dem Wesen der Grundrechte entwickelt hat. Er besagt, soweit es um die Strafvollstreckung geht, dass die Art und Schwere von Fahndungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere und der Höhe der gegen den 9 KMR/Stöckel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 4; einschränkend Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 10. 10 Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 14, 16. 11 KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Röttle/Wagner Rn. 114; KMR/Stöckel 10; OLG Koblenz StraFo 2006 86; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005 249. 12 Vgl. Erläuterungen bei LR/GraalmannScheerer § 37. 13 OLG Koblenz StraFo 2006 86. 14 KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 14; Bringewat 5 a. E.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Verurteilten verhängten Strafe stehen müssen (§ 34 Abs. 2 StVollstrO). Bei Ersatzfreiheitsstrafen oder bei einem nur noch geringfügigen Strafrest (etwa zwei bis drei Wochen) haben danach besondere Fahndungsmaßnahmen regelmäßig zu unterbleiben. Für Maßnahmen nach Absatz 2 und 3 Satz 1 wird dies durch Absatz 3 Satz 2 ausdrücklich klargestellt.15 Auch bei Anwendung von Fahndungsmaßnahmen untereinander oder der Reihenfolge ihrer Vollstreckung ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stets zu beachten. Weniger einschneidende Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung (z. B. Wohnungsanfrage beim Einwohnermeldeamt; Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung nach Abs. 3 i. V. m. § 131 Abs. 1) verdienen den Vorzug vor dem Erlass und dem Vollzug eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehls, wenn sie Erfolg versprechen.16 Vor Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls hat die Vollstreckungsbehörde regelmäßig durch Einholung einer aktuellen Auskunft aus dem Melderegister bei dem für den letzten aus den Akten bekannten Wohnsitz des Verurteilten zuständigen Einwohnermeldeamt zu versuchen, die ladungsfähige Anschrift ermitteln. Unter Umständen kann auch die Einholung einer Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (ZStV) nach § 457 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 492 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 6, § 493 erforderlich sein, um so die ladungsfähige Anschrift zu ermitteln. Die Datenübermittlung an die Staatsanwaltschaft ist zu Vollstreckungszwecken zulässig.17 Soweit der Staatsanwaltschaft die Strafvollstreckung obliegt, erhält sie die Auskunft aus dem ZStV als Strafverfolgungsbehörde. Bei Ausländern liegt eine Nachfrage bei dem Ausländerzentralregister beim Bundesverwaltungsamt oder bei der örtlichen Ausländerbehörde nahe.18 Die Regelung des § 457 widerspricht nicht Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG; denn es handelt 12 sich hier lediglich um die Durchführung einer bereits gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung,19 so dass Fragen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit, wie sie bezüglich des Vorführungsrechts der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren (§ 161a Abs. 2, § 163a Abs. 3) erörtert werden,20 hier nicht entstehen. 2. Vollstreckungshaftbefehl a) Unterschied zum Untersuchungshaftbefehl. Der Vollstreckungshaftbefehl der 13 Vollstreckungsbehörde hat mit dem richterlichen Haftbefehl (§ 114) nichts zu tun. Die Ergreifung nach rechtskräftiger Verurteilung zur Sicherung der Vollstreckung ist, anders als der Sicherungshaftbefehl des § 453c, keine Verhaftung i. S. des § 310.21 Schriftlichkeit, genaue Bezeichnung des Verurteilten, Angabe des Grundes der Verhaftung, Bekanntmachung an den Verhafteten gelten aber auch für den Vollstreckungshaftbefehl.22 Nach Absatz 1 kann der Haftbefehl erlassen werden, wenn der Verurteilte sich auf die „an ihn ergangene“ Ladung nicht gestellt hat. Danach genügt zum Erlass des Haftbefehls, dass dem Verurteilten eine Ladung zugegangen ist. Mit der Überführung in Strafhaft wird

15 BTDrucks. 12 989, Begr. zu Art. 4 Nr. 16 bis 19, S. 45; KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 8, 14; Bringewat 22 a. E.; Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 9. 16 KK/Appl 7; Bringewat 5. 17 LR/Hilger26 § 492, 26 und 43. 18 Röttle/Wagner Rn. 123. 19 BGHSt 13 97, 100; 23 380, 386; KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 5; s. auch Pohlmann/ Jabel/Wolf § 33, 12. 20 LR/Erb § 163a, 67 f. und § 161a, 40 f. 21 KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 13; Röttle/Wagner Rn. 112. 22 Wegen weiterer Einzelheiten zum Inhalt des Vollstreckungshaftbefehls vgl. § 33 Abs. 4 StVollstrO sowie Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 32 und Röttle/Wagner Rn. 113 ff.

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der Vollstreckungshaftbefehl automatisch gegenstandslos.23 Er muss nicht aufgehoben werden. 14

b) Nichtverwertbarkeit des Untersuchungshaftbefehls. Der auf freiem Fuß befindliche Verurteilte kann nicht aufgrund eines während des Strafverfahrens erlassenen, aber nicht vollzogenen richterlichen Haftbefehls zwecks Strafvollstreckung ergriffen werden, da dieser Haftbefehl mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens seine Bedeutung verloren hat.24 Bei einem in Untersuchungshaft befindlichen Verurteilten tritt der Vorrang der Strafhaft nicht erst mit dem Eingang des Aufnahmeersuchens der Vollstreckungsbehörde in der Justizvollzugsanstalt ein, sondern schon dann, wenn die Vollstreckungsbehörde durch den Erlass eines Vollstreckungshaftbefehls unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ansteht,25 es sei denn, das Gericht trifft eine abweichende Entscheidung, weil der Zweck der Untersuchungshaft dies erfordert (§ 116b Satz 2).

15

c) Fehlende Bereitschaft zum sofortigen Strafantritt. Dem Fall des Ausbleibens auf förmlich zugestellte Ladung stellt § 33 Abs. 2 Nr. 2 StVollstrO den Fall gleich, dass der mündlich zum sofortigen Strafantritt Geladene nicht dazu bereit ist. Das begegnet keinen Bedenken.26 Es kann der Vollstreckungsbehörde nicht gut zugemutet werden zu warten, ob der Verurteilte sich nicht vielleicht anders besinnt und die Strafe doch noch antritt. Dem ergriffenen Verurteilten ist der Haftbefehl alsbald, möglichst bei der Ergreifung, und zwar regelmäßig durch Übergabe einer Ausfertigung des Vollstreckungshaftbefehls, ausnahmsweise27 auch mündlich, bekannt zu geben (§ 33 Abs. 6 StVollstrO). Dies sollte in einer für den Verurteilten verständlichen Sprache erfolgen, auch wenn der Gesetzgeber keine dem § 114a entsprechende Regelung in § 457 vorgesehen hat.

16

3. Vorführungsbefehl. Statt eines Vollstreckungshaftbefehls kann – wie beim richterlichen Haftbefehl, § 134 – ein Vorführungsbefehl erlassen werden. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn der Verurteilte an dem Ort wohnt, an dem sich die Justizvollzugsanstalt befindet, und zu erwarten ist, dass der Verurteilte von dem Vorführungsbeamten auch in der Wohnung angetroffen wird.28

17

4. Flucht oder Fluchtverdacht. Außer bei Nichtgestellung kann ein Vorführungsoder Vollstreckungshaftbefehl auch bei Flucht oder Fluchtverdacht erlassen werden. Flucht liegt vor, wenn der Verurteilte sich von seinem bisherigen räumlichen Lebensmittelpunkt abgesetzt hat, um für die Vollstreckungsbehörde nicht greifbar zu sein. Erforderlich ist der zumindest bedingte Vorsatz, sich der Strafvollstreckung für eine längere Zeit zu entziehen.29 Fluchtverdacht besteht wie bei § 112 Abs. 2 Nr. 2 dann, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen (z. B. Geschäftsaufgabe, Veräußerung der Wohnungseinrichtung, Passantrag, Äußerung von Fluchtplänen, Aufgabe bzw. Auflösung der Wohnung, Aufgabe der Berufstätigkeit) die Befürchtung begründet ist, dass der Verurteilte

23 24 25 26 27 28 29

OLG Hamm NStZ 1982 524; Meyer-Goßner/Schmitt 10. OLG Karlsruhe Justiz 1973 255; OLG Hamburg NJW 1976 2030; KK/Appl 6; Bringewat 11. KG StraFo 2011 108. Dallinger DJ 1942 145; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 24. KMR/Stöckel 17; Bringewat 14; Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 38. KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 11; Röttle/Wagner Rn. 112. LR/Lind § 112, 39 ff.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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sich auf irgendeine Art (außer Selbstmord) der Vollstreckung entziehen werde.30 Die Höhe der verhängten Strafe vermag dabei für sich genommen noch keine Fluchtgefahr zu begründen, solange nicht sonstige ungünstige Umstände in der Person des Verurteilten und seinen Lebensumständen hinzutreten,31 die den Verdacht begründen, dass der Verurteilte sich der Vollstreckung zu entziehen beabsichtigt. Ein erlassener Vollstreckungshaftbefehl ist jedoch sofort aufzuheben, wenn sich nachträglich ergibt, dass die aus einer ex-ante-Sicht seinen Erlass rechtfertigenden Gründe in Wahrheit nicht bestanden haben und auch nicht bestehen.32 5. Bedingter Haft- oder Vorführungsbefehl. Im Interesse der Beschleunigung der 18 Vollstreckung sieht § 33 Abs. 3 StVollstrO schon bei der Ladung den Erlass eines Befehls für den Fall vor, dass der Verurteilte sich auf die Ladung hin nicht fristgemäß (bei Setzung einer Frist) oder nicht rechtzeitig (bei Ladung zum sofortigen Strafantritt) stellt. Dieser Vollstreckungshaft- oder Vorführungsbefehl wird gleichzeitig mit der Ladung herausgegeben (Rn. 13).33 Er darf aber erst dann vollzogen werden, wenn die Vollstreckungsbehörde – nicht die mit dem Vollzug des Vollstreckungshaft- oder Vorführungsbefehls betraute Polizeibehörde – festgestellt hat, dass die in § 33 Abs. 3 StVollstrO unter Nr. 1 oder Nr. 2 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, und sie den Befehl dadurch vollziehbar gemacht hat, dass sie die Polizeibehörde benachrichtigt, der in ihren Händen befindliche Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehl könne nunmehr vollstreckt werden. Die Anordnung ist im Vollstreckungsheft zu dokumentieren. Sie sollte aus Gründen der Beschleunigung per Fax schriftlich erfolgen, solange eine Übermittlung als elektronisches Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg noch nicht möglich ist. 6. Entweichen aus dem Strafvollzug (Satz 2). Entsprechend der Aufgabe der Voll- 19 streckungsbehörde, die Vollstreckung der rechtskräftig verhängten Strafe zu veranlassen, regelte Absatz 2 Satz 1 zunächst nur die Maßnahmen, die den Beginn des Vollzugs betreffen. Satz 2 des Absatzes 2 erweitert die Zwangsbefugnisse der Vollstreckungsbehörde für den Fall, dass ein dem Vollzug bereits zugeführter Verurteilter entweicht oder sich sonst dem Vollzug entzieht, z. B. indem er von einem ihm von der Vollzugsbehörde gewährten Freigang, Ausgang oder Urlaub nicht zurückkehrt.34 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob sich das Entweichen gegen eine für die Art des Vollzugs an sich nicht vorgesehene Einrichtung richtete. Die Flucht eines Untergebrachten aus einer Einrichtung des Maßregelvollzugs, in der ihm unter Verstoß gegen § 64 StGB keine therapeutische Behandlung zuteil werden kann, steht deshalb der Annahme eines Entweichens aus dem Vollzug nicht entgegen.35 Sofern sich ein Untergebrachter nach Anordnung einer befristeten Invollzugsetzung gemäß § 67h StGB nicht freiwillig in die Maßregelvollzugseinrichtung begibt, ist die Vollstreckungsbehörde gemäß § 463 Abs. 1, § 457 Abs. 1 und 2 berechtigt, die erforderlichen Ermittlungen gemäß § 161 durchzuführen und bei Vorliegen der Voraussetzungen auch einen Vorführungs- bzw. Vollstre-

30 31 32 33 34 35

KK/Appl 6; KMR/Stöckel 11; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 18. SK/Paeffgen 10; KK/Appl 6; vgl. insoweit die Rechtsgrundsätze zum Haftgrund der Fluchtgefahr. OLG Dresden Rpfleger 2008 389. KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 7. Seebode FS Bruns 447 ff., 497; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 19. Bringewat JR 1996 84; a. A. OLG Celle JR 1996 81, wonach die materiell-rechtliche Rechtswidrigkeit zwingend die formell-rechtliche des nach Flucht aus der nicht zuständigen Anstalt erlassenen Vollstreckungshaftbefehls bedinge.

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ckungsunterbringungsbefehl zu erlassen.36 Ein Gefangener, der entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, kann durch die Vollzugsbehörde oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt zurückgebracht werden. Den Vollzugsbehörden steht hiernach nur ein Festnahmerecht zu, das sich allerdings nicht nur auf den eigentlichen Anstaltsbereich erstreckt, sondern auch gegenüber einem Entwichenen besteht, der bei der Nacheile durch Vollzugsbeamte gestellt wird.37 Unabhängig davon gehört es nunmehr auch zu den Aufgaben der Vollstreckungsbehörde, durch Erlass eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehls für die Wiederaufnahme des Vollzugs tätig zu werden. Jedoch wird die Vollstreckungsbehörde in der Regel zunächst abwarten, ob die Bemühungen der Vollzugs- oder Polizeibehörde erfolgreich waren.38

V. Mitwirkung von Polizeidienststellen 20

1. Unmittelbares Vollziehungsersuchen. Um die Vollziehung des Vorführungsoder Haftbefehls können nach § 33 Abs. 5 StVollstrO die gemäß Art. 35 GG amtshilfepflichtigen Polizeidienststellen39 und bei Soldaten auch die Feldjägereinheiten ersucht werden. Nach der Ländervereinbarung zur Vereinfachung und Beschleunigung der Strafvollstreckung vom 8.6.1999 (§ 451, 20) sind die Vollstreckungsbehörden ermächtigt, unmittelbar auch die Polizeidienststellen eines anderen Landes zu ersuchen. Damit ist während der Geltung dieser Vereinbarung § 33 Abs. 5 Satz 2 StVollstrO überholt,40 soweit dort bestimmt ist, dass die Vollstreckungsbehörde unmittelbar nur die Polizeidienststellen des eigenen Landes ersuchen kann und dass, wenn der Verurteilte sich außerhalb des Landes der Vollstreckungsbehörde aufhält, nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVollstrO, § 163 GVG die landgerichtliche Staatsanwaltschaft des Aufenthaltsorts um Vollstreckungshilfe ersuchen muss, die ihrerseits die Polizeidienststellen ihres Landes beauftragt.41

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2. Amtshilfeersuchen nach §§ 162, 163 GVG. Die Vollstreckungsbehörde ist aber – durch § 33 Abs. 5 StVollstrO im eigenen Land, durch die Ländervereinbarung vom 8.6. 1999 auch in anderen Ländern – nur ermächtigt, nicht verpflichtet, die Polizeidienststellen unmittelbar zu ersuchen. Sie kann vielmehr auch den Weg der §§ 162, 163 GVG beschreiten, wird dies aber nur dann tun, wenn aus besonderen Gründen hierzu Veranlassung besteht.42 Die Vollstreckungsbehörde kann sich auch der ihr unterstellten Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) bedienen.43 Solange kein bestimmter Beamter der Polizei mit der Bearbeitung des Falls befasst ist, soll allerdings regelmäßig die zuständige Polizeibehörde ersucht werden.44

36 OLG Nürnberg Beschluss vom 8.10.2008 – 2 Ws 443/08 mit Anm. Peglau juris-StrafR 2/2009. 37 KK/Appl 8; ähnlich KMR/Stöckel 12 und Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 19: bei weiterhin bestehendem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang. 38 Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 19; Pohlmann/Jabel/Wolf § 40, 24; Röttle/Wagner Rn. 117. 39 KK/Appl 10; KMR/Stöckel 16; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 6; Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 37; § 40, 25. 40 KK/Appl 10; KMR/Stöckel 16. 41 KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 42 KK/Appl 10; Bringewat 6; Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 36 f. 43 RGSt 21 426; Bringewat 6; Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 36. 44 Vgl. Abschnitt B I der Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibe-

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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VI. Vollstreckung von Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehlen 1. Herrschende Meinung. In Rechtsprechung und Schrifttum ist nach wie vor strei- 22 tig, ob Polizeibehörden zum Vollzug eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehls für die Durchsuchung der Wohnung des Verurteilten oder von Dritten einer gerichtlichen Durchsuchungsanordnung bedürfen.45 Nach der zurzeit noch herrschenden Meinung dürfen die mit dem Vollzug eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehls beauftragten Polizeidienststellen ohne besondere gerichtliche Durchsuchungsanordnung gegen den Willen des gesuchten Verurteilten in dessen Wohnung eindringen, auch wenn keine Gefahr im Verzug vorliegt. Die herrschende Meinung geht dabei davon aus, dass die nach Art. 13 Abs. 2 GG für eine Durchsuchung nach § 105 grundsätzlich erforderliche gerichtliche Anordnung der Durchsuchung schon stillschweigend formlos mit dem rechtskräftigen Urteil erteilt worden ist. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe im rechtskräftigen Urteil soll alle Maßnahmen gegen den Verurteilten einschließen, die zum Vollzug des Strafausspruchs erforderlich werden.46 2. Kritik. Gegen die herrschende Meinung, das zu vollstreckende strafgerichtliche 23 Urteil impliziere zum Zwecke des Vollzugs eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehls – zumindest beim Verurteilten – eine Durchsuchungsanordnung, bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. a) Durchsuchung beim Verurteilten. Die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen,47 24 und zwar auch die eines rechtskräftig Verurteilten, unterliegt mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG einem besonderen grundrechtlichen Schutz. Durchsuchungen dürfen daher nach Art. 13 Abs. 2 GG nur durch das Gericht, ausnahmsweise bei Gefahr im Verzug auch durch die in § 457 Abs. 2, § 105 Abs. 1 zur Anordnung berufene Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde sowie die Polizeibehörden angeordnet werden. Da eine Durchsuchung stets einen erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre auch des rechtskräftig Verurteilten bedeutet, bedarf die Anordnung der Durchsuchung stets einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.48 Das bedeutet, dass die Durchsuchung grundsätzlich hinsichtlich des mit der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zwecks, der hier in der Ergreifung der Person des Verurteilten besteht, Aussicht auf Erfolg versprechen muss und nicht weniger einschneidende Maßnahmen zur Ermittlung des aktuellen Aufenthaltsortes des Verurteilten in Betracht kommen. Eine Durchsuchung muss ferner stets in einem angemessenen Verhältnis zu der abgeurteilten Straftat und dem noch zu vollstreckenden Strafrest sowie zu der von dem Verurteilten unter Umständen ausgehenden Gefährdung für die Sicherheit der Allgemeinheit stehen. Der Grundsatz der amte auf Anordnung des Staatsanwalts von Dezember 1973/Januar 1974; abgedruckt als Anlage A zu den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren; Pohlmann/Jabel/Wolf § 40, 25. 45 Verneinend bei Durchsuchung nach § 102: OLG Frankfurt NJW 1964 785; OLG Düsseldorf NStZ 1981 402; Kaiser NJW 1964 759; KMR/Stöckel 21; Meyer-Goßner/Schmitt 11; LR/Wendisch25 23 ff.; Krause NJW 1974 303; Pohlmann/Jabel/Wolf § 33, 39 ff.; Röttle/Wagner Rn. 120; richterliche Anordnung bei Durchsuchung nach § 103 erforderlich: OLG Celle StV 1982 561; KMR/Stöckel 21; KK/Appl 11; Krause NJW 1974 303; Volckart/Pollähne/Woynar Rn. 120; richterliche Anordnung sowohl bei Durchsuchung nach § 102 beim Verurteilten als auch bei Dritten nach § 103 erforderlich: Benfer NJW 1980 1611 f.; SK/Paeffgen 15. 46 Kaiser NJW 1964 759; KMR/Stöckel 21; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Röttle/Wagner Rn. 120; Pohlmann/ Jabel/Wolf § 33, 39 ff.; LR/Wendisch25 24 f.; a. A. SK/Paeffgen 15; Benfer NJW 1980 1611, 1612. 47 BVerfGE 20 162, 186; 42 212, 220; 44 353, 373; 96 44, 51. 48 BVerfGE 20 162, 186 f.

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Verhältnismäßigkeit49 gebietet es, dass der (zeitliche) Rahmen, die Grenzen sowie das Ziel der Durchsuchung genau bestimmt werden.50 Im Zeitpunkt der Rechtskraft eines tatgerichtlichen Urteils ist – unabhängig davon, ob darin auf eine Freiheitsstrafe oder unter Umständen als Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstreckende Geldstrafe erkannt worden ist – überhaupt nicht absehbar, ob und ggf. wann es im Rahmen der Vollstreckung zum Erlass eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehls kommen wird, welcher Strafrest dann noch zu vollstrecken sein wird, wie sich die Lebensverhältnisse des Verurteilten seit der Rechtskraft des Urteils entwickelt haben, welche Gefahr für die Allgemeinheit (noch) von ihm ausgeht und wo er sich mutmaßlich aufhalten wird. Ob die Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung nach § 102 bei dem Verurteilten zum Zwecke der Ergreifung jemals vorliegen, prüft das Tatgericht im Zusammenhang mit dem Urteil nicht und kann es im Zeitpunkt der Verkündung des Urteils auch gar nicht prüfen. Das tatgerichtliche Urteil impliziert daher auch bei einer Durchsuchung nach § 102 keine Durchsuchungsanordnung. Vielmehr hat das nach Absatz 3 Satz 3 zur Entscheidung berufene Gericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Aktenvorlage durch die Vollstreckungsbehörde die Voraussetzungen für eine Durchsuchungsanordnung nach § 102 zum Zwecke der Ergreifung des Verurteilten vorliegen. Insoweit sind auch im Rahmen der Vollstreckung namentlich die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Rechtsgrundsätze zu den §§ 102, 105 entsprechend anwendbar und zu beachten. 25

b) Durchsuchung bei anderen Personen. Die Anordnung einer Durchsuchung bei anderen Personen nach § 103 ist zur Ergreifung eines Verurteilten und nur dann zulässig, wenn Tatsachen für die Annahme vorliegen, dass sich die gesuchte Person in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Zum Zwecke der Ergreifung eines wegen einer Straftat nach §§ 89a, 89c Abs. 1 bis 4, § 129a StGB, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB oder wegen einer in dieser Vorschrift bezeichneten Straftaten, ist nach § 103 Abs. 1 Satz 2 eine Durchsuchung von Wohnungen und anderen Räumen auch zulässig, wenn diese sich in einem Gebäude befinden, von dem aufgrund von Tatsachen anzunehmen ist, dass sich der Verurteilte in ihm aufhält. Dass auch für die Anordnung der Durchsuchung nach § 103 eine gerichtliche Durchsuchungsanordnung im Vollstreckungsverfahren erforderlich ist, unterliegt keinem Zweifel. Insbesondere rechtfertigt nicht das tatgerichtliche Urteil eine Durchsuchung bei Dritten. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sind bei Dritten strenger als bei einer Durchsuchung nach § 102 bei dem Verurteilten. Vor allem bei einer geringen Freiheitsstrafe und einem niedrigen noch zu vollstreckenden Strafrest sowie bei Durchsuchung im Bereich geschützter Berufe wird die Verhältnismäßigkeit besonderer Prüfung unter Abwägung der wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls bedürfen.51 Die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze zur Durchsuchung bei anderen Personen nach § 103 im Ermittlungsverfahren finden mithin im Vollstreckungsverfahren entsprechende Anwendung.

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3. Ergebnis. Das rechtskräftige Urteil impliziert im Vollstreckungsverfahren weder eine Durchsuchungsanordnung der Wohnung des Verurteilten nach § 102 noch eine solche bei anderen Personen nach § 103 zur Ergreifung des Verurteilten. Es bedarf daher regelmäßig einer gerichtlichen Anordnung der Durchsuchung nach § 105. Nur wenn aus-

49 LR/Tsambikakis § 105, 59 ff. 50 BVerfGE 96 44. 51 LR/Schäfer25 § 105, 33 ff.

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nahmsweise52 Gefahr im Verzug vorliegt, ist die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder die Polizei (§§ 162, 163 GVG) zur Anordnung unter Beachtung der Dokumentationspflicht53 zur Anordnung befugt. Für die Vollstreckungspraxis wird es zu keinen nennenswerten zusätzlichen Belastungen kommen. In aller Regel werden mit Vollstreckungshaftbefehl gesuchte Verurteilte nicht nach Durchsuchungsmaßnahmen festgenommen. Dem Erlass eines Vorführungsbefehls kommt ohnehin kaum praktische Bedeutung zu.

VII. Fahndungsbefugnisse (Absatz 3) 1. Allgemeines. Nach Satz 1 hat die Vollstreckungsbehörde in den Fällen des Absat- 27 zes 2 für das Vollstreckungsverfahren die gleichen Befugnisse, die der Strafverfolgungsbehörde für das Ermittlungsverfahren zur Ergreifung des Beschuldigten zustehen, soweit die Maßnahmen bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen.54 In Betracht kommen die Fahndungsmaßnahmen, die der Vollstreckungsbehörde nach Absatz 1 eingeräumt sind, wenn und soweit sie bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen. Absatz 3 bezieht sich nicht auf die Vollstreckung von Sicherungshaftbefehlen und kann daher nicht als Eingriffsgrundlage für die Anordnung der Überwachung der Telekommunikation nach § 100a zur Vollstreckung eines Sicherungshaftbefehls herangezogen werden.55 2. Fahndungsmaßnahmen. Die körperliche Untersuchung des Verurteilten (§ 81a), 28 die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei dem Verurteilten durch Fertigung von Lichtbildern und Fingerabdrücken (§ 81b), die Untersuchung anderer Personen (§ 81c), die molekulargenetische Untersuchung (§ 81e), die Beschlagnahme (§ 94), die Postbeschlagnahme (§ 99), die Rasterfahndung (§ 98a), die Durchsuchung (§§ 102, 103), die Telekommunikationsüberwachung (§ 100a),56 die Online-Durchsuchung (§ 100b), die akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c), die akustische Überwachung außerhalb von Wohnraum (§ 100f), die Erhebung von Verkehrsdaten (§ 100g; § 96 TKG zu den dort genannten Zwecken),57 weitere Maßnahmen außerhalb von Wohnraum (§ 100h), technische Ermittlungsmaßnahmen bei Mobilfunkendgeräten (§ 100i), die Bestandsdatenauskunft (§ 100j), die Erhebung von Nutzungsdaten bei Telemediendiensten (§ 100k), der Einsatz Verdeckter Ermittler (§ 110a), die Errichtung von Kontrollstellen an öffentlich zugänglichen Orten (§ 111), die Ausschreibung zur Festnahme (§ 131), die Ausschreibung zur Festnahme nach Erlass eines Europäischen Haftbefehls (§ 457 Abs. 3 i. V. m. § 131 Abs. 1, § 77 Abs. 1 IRG),58 wobei die Rechtspre52 A. A. LG Marburg Beschl. vom 2.8.2012 – 3 KLs 1 Js 2877/11: Beschluss in der Regel nicht erforderlich, da regelmäßig Gefahr im Verzug besteht; vgl. auch Ladiges NStZ 2014 609. 53 LR/Schäfer25 § 105, 27 f., 75. 54 BTDrucks. 12 989, Begr. zu Art. 4 Nr. 16 bis 19, S. 44; Hilger NStZ 1992 526; Rieß NJ 1992 497. 55 OLG Celle NStZ 2010 107. 56 Nicht zur Vollstreckung von Sicherungshaftbefehlen, vgl. OLG Celle NStZ 2010 107. 57 KG StV 2008 345; durch Urteil vom 2.3.2010 hat das BVerfG NJW 2010 833, die §§ 113a, 113b TKG, § 100g Abs. 1, soweit danach Verkehrsdaten gemäß § 113a TKG erhoben werden dürfen, für nichtig erklärt. Die Entscheidung erfasst jedoch nicht die Erhebung und Verwendung von Verkehrsdaten nach § 96 TKG zu den dort genannten Zwecken; zu den Anforderungen nach der Rechtsprechung des EuGH vgl. EuGH NJW 2014 2169; 2017 717 mit Anm. Roßnagel NJW 2017 696; NJW 2021 531 mit Anm. Ogorek und Anm. Beukelmann NJW-Spezial 2020 696; zur Vereinbarkeit von § 113a Abs. 1 Satz 1, § 113b TKG mit Unionsrecht vgl. Beschluss des BVerwG im Vorabentscheidungsverfahren NVwZ 2020 1108. 58 OLG Zweibrücken NJW 2019 2869 mit Anm. Pschorr jurisPR-StrafR 5/2020 Anm. 3; OLG Hamm BeckRS 2019 17146 Rn. 26; OLG Frankfurt NStZ-RR 2019 356 f.

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chung des EuGH vom 27.5.2019 zur Zuständigkeit zu beachten sein wird,59 die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (§ 131a), die Veröffentlichung von Abbildungen des Verurteilten (§ 131b), die Maßnahmen zur Identitätsfeststellung (§ 163b), die Speicherung und Abgleich von Daten aus Kontrollen (§ 163d), die Ausschreibung zur Beobachtung bei polizeilichen Kontrollen (§ 163e), die längerfristige Observation (§ 163f) können dann in Betracht kommen, wenn sie verhältnismäßig sind und dem in Absatz 2 bestimmten Vollstreckungszweck dienen.60 Auch eine Vermögensbeschlagnahme (§ 290)61 ist zulässig, wenn sich der Verurteilte durch Flucht der Vollstreckung entzogen hat.62 Zur Anordnungskompetenz vgl. die Erläuterungen Rn. 31. 29

3. Zweckbindung. Die Vollstreckungsbehörde unterliegt hinsichtlich der ihr nach Absatz 3 Satz 1 zustehenden Befugnisse einer engen Zweckbindung. Die Maßnahmen müssen bestimmt und geeignet sein, den Verurteilten festzunehmen. Ob dies der Fall ist, hat die Vollstreckungsbehörde nach dem jeweiligen Vollstreckungsstand und den konkreten Umständen des Einzelfalls aufgrund von Tatsachen zu prüfen. Auf die Vollstreckung von Sicherungshaftbefehlen bezieht sich Absatz 3 nicht, denn insoweit liegt noch keine zu vollstreckende Freiheitsstrafe vor, da es ungewiss ist, ob es überhaupt zu einem rechtskräftigen Widerruf der Strafaussetzung kommen wird.63

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4. Verhältnismäßigkeit (Satz 2). Sämtliche Befugnisse nach Absatz 3 Satz 1 unterliegen als strafprozessuale Zwangseingriffe dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit64 und unter Umständen zusätzlichen einfach-rechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (z. B. durch Subsidiaritätsklauseln). Darüber hinaus verlangt aber Absatz 3 Satz 2 eine besondere – zusätzliche – Prüfung der Verhältnismäßigkeit, wonach auf die Dauer der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe besonders Bedacht zu nehmen ist. Damit soll sichergestellt werden, dass die Vollstreckungsbehörde von der erheblichen Erweiterung der Eingriffsmöglichkeiten dann keinen Gebrauch macht, wenn das im Einzelfall namentlich wegen eines nur noch geringen zu verbüßenden Strafrestes unverhältnismäßig wäre.65 Absatz 3 ist daher als die im Verhältnis zu Absatz 1 speziellere Norm anzusehen. Im Vollstreckungsverfahren reicht es für die Anordnung der Überwachung der Telekommunikation (§ 100a) nicht aus, dass die zu vollstreckende Freiheitsstrafe wegen einer Katalogtat verhängt worden ist. Die Verhältnismäßigkeit ist vielmehr nur dann gewahrt, wenn die noch zu vollstreckende Strafe nicht wesentlich unter der für die Katalogtat angedrohten Mindeststrafe liegt.66 Die früher67 nach § 100g Abs. 1 zulässige Anordnung einer Erhebung von Verkehrsdaten ist im Vollstreckungsverfahren unverhältnismäßig, wenn nur noch eine Reststrafe von 145 Tagen zu vollstrecken ist.68 Dieser Maßstab muss auch für die nach wie vor nach § 96 TKG zulässige Erhebung und Verwendung von Verkehrsdaten zu den dort genannten Zwecken gelten.

59 60 61 62 63 64 65 66 67

EuGH NJW 2019 2145 ff.; Beukelmann NJW-Spezial 2019 568. Rieß NJ 1992 497; Meyer-Goßner/Schmitt 13. KG NStZ-RR 2014 231. OLG Düsseldorf NStZ 1997 103. OLG Celle StV 2009 635. BVerfGE 20 162, 189. BTDrucks. 12 989, Stellungnahme der Bundesreg. Nr. 15 zu Art. 4 Nr. 16, S. 59. OLG Zweibrücken StV 2001 305 mit Anm. Link jurisPR-StrafR 15/2008. Vgl. BVerfG NJW 2010 833, wonach § 100g Abs. 1, §§ 113a, 113b TKG nichtig sind, soweit Verkehrsdaten gemäß § 113a TKG erhoben werden. 68 KG StV 2008 345 mit Anm. Link jurisPR-StrafR 15/2008.

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5. Anordnungskompetenz. Die Vollstreckungsbehörde hat, soweit sie Maßnahmen 31 nach Absatz 3 erwägt, hinsichtlich der notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidung einen Antrag bei dem Gericht des ersten Rechtszugs (Absatz 3 Satz 3) zu stellen. Für die zu treffende gerichtliche Entscheidung über die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls69 ergibt sich eine inländische gerichtliche Befugnis und Zuständigkeit aus Absatz 3 Satz 3 i. V. m. § 131 Abs. 1, denn nach Art. 1 Abs. 1 Rechtsbeschwerde-EuHB ist der Europäische Haftbefehl sowohl Festnahme- als auch Übergabeersuchen.70 Die Antragstellung obliegt dem Staatsanwalt. Der Antrag ist stets zu begründen. Absatz 3 Satz 3 findet auch bei der Vollstreckung von Jugendstrafe Anwendung, denn das Jugendgerichtsgesetz enthält keine andere Regelung (§ 2 Abs. 2 JGG).71

VIII. Strafzeitberechnung Die Strafzeit rechnet, wenn der Verurteilte aufgrund eines Vorführungs- oder Voll- 32 streckungshaftbefehls festgenommen ist, nach § 38 Nr. 2 StVollstrO vom Zeitpunkt der Festnahme, vorausgesetzt, dass er in Durchführung des Befehls – gleichgültig wie viel Zeit bis dahin vergeht – auch eingeliefert wird. Entweicht er in der Zwischenzeit, so wird die Zeit der Festhaltung nicht angerechnet.72 Ist die Festnahme im Ausland erfolgt, so beginnt die Strafzeit mit der Übernahme durch deutsche Beamte (§ 38 Nr. 2 2. Hs. StVollstrO). Die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung aufgrund eines Europäischen oder Internationalen (Vollstreckungs-)Haftbefehls wird nach § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB auf die verhängte zeitige Freiheitsstrafe angerechnet.

IX. Anfechtbarkeit Ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Vorführungs- oder Vollstreckungshaft- 33 befehls vorliegen, entscheidet die Vollstreckungsbehörde.73 Eine Anrufung des Gerichts dagegen ist in § 458 nicht vorgesehen.74 Dagegen ist – außer der Beschwerde nach § 21 StVollstrO75 – Antrag auf gerichtliche Nachprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG zulässig.76 Er ist allerdings ausgeschlossen, wenn der Vollstreckungshaftbefehl vollzogen und damit erledigt ist,77 es sei denn, dass nach Erledigung eines Vollstreckungshaftbefehls ausnahmsweise ein Feststellungsinteresse nach § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG gegeben ist,78 was 69 EuGH NJW 2019 2145. 70 OLG Frankfurt NStZ-RR 2019 356; OLG Hamm Beschl. vom 1.8.2019 – 2 Ws 96/19; OLG Zweibrücken NJW 2019 2869 (Maßregelvollstreckung). 71 OLG Celle StraFo 2014 172. 72 KK/Appl 13; a. A. Pohlmann/Jabel/Wolf § 38, 4. 73 Zur Zuständigkeit hinsichtlich eines Europäischen Haftbefehls vgl. Erl. bei Rn. 28. 74 KG GA 43 (1895) 137; OLG Rostock Alsb. E 2 145; OLG Kassel DRZ 1931 Nr. 794; OLG Celle StraFo 2014 482; Wendisch FS Dünnebier 246; SK/Paeffgen 17; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 16. 75 Pohlmann/Jabel/Wolf § 21, 12. 76 OLG Hamm NJW 1969 169; NStZ 1982 524; JMBlNRW 1989 244; Beschl. vom 3.7.2008 – 1 VAs 63/08; OLG Saarbrücken NJW 1973 1012; OLG Düsseldorf Rpfleger 1986 64; StV 1988 110; 1989 542; NJW 1979 1687; KG NStZ-RR 2009 324; OLG Karlsruhe Beschl. vom 3.9.2018 (Öffentlichkeitsfahndung); KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 16. 77 OLG Hamm NStZ 1982 524; 1987 183; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 25. 78 OLG Hamm NStZ 1987 183; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 16; OLG Hamm 2005 676; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005 249; OLG Frankfurt NStZ-RR 2002 224.

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bei der Antragstellung im Einzelnen darzulegen ist.79 Der Umstand, dass der Verurteilte aufgrund des Erlasses des Vollstreckungshaftbefehls nach seiner Inhaftierung statt im offenen im geschlossenen Vollzug untergebracht worden ist, vermag kein berechtigtes Feststellungsinteresse zu begründen,80 denn der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ist subsidiär (§ 23 Abs. 3 EGGVG) gegenüber den §§ 109, 110 StVollzG.81 Ein Rechtsschutzbedürfnis kann insbesondere dann bestehen, wenn bei der Durchführung der Art und Weise der Freiheitsentziehung eine Verletzung der Menschenwürde in Frage steht oder eklatant fehlerhaftes Vorgehen eines Hoheitsträgers.82

§ 458 Gerichtliche Entscheidungen bei Strafvollstreckung (1) Wenn über die Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der erkannten Strafe Zweifel entstehen oder wenn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung erhoben werden, so ist die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. (2) Das Gericht entscheidet ferner, wenn in den Fällen des § 454b Absatz 1 bis 3 sowie der §§ 455, 456 und 456c Abs. 2 Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden oder wenn die Vollstreckungsbehörde anordnet, daß an einem Ausgelieferten, Abgeschobenen, Zurückgeschobenen oder Zurückgewiesenen die Vollstreckung einer Strafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung nachgeholt werden soll, und Einwendungen gegen diese Anordnung erhoben werden. (3) 1Der Fortgang der Vollstreckung wird hierdurch nicht gehemmt; das Gericht kann jedoch einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. 2In den Fällen des § 456c Abs. 2 kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen. Schrifttum Hermes Die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität bei der Einlieferung zur Strafvollstreckung, NJW 1979 2443; Hermes/Schulze Probleme der Spezialitätsbindung bei der Einlieferung zur Strafvollstreckung, NJW 1980 2622; Jesse Aus der vollstreckungsrechtlichen Zauberkiste: Verhindert die Zahlung auf eine Einzelgeldstrafe die vollständige Vollstreckung einer Gesamtfreiheitsstrafe? NStZ 2017 69; Kölsch Die veränderte Stellung des Richters und Rechtspflegers in der Strafvollstreckung, NJW 1976 408; Neuhaus/ Putzke Rechtsschutz in der Strafvollstreckung, ZAP Fach 22 447.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift hat ihre jetzige Bezeichnung durch die Bek. 1924 (RGBl. I S. 322) erhalten. Der ursprüngliche Absatz 2 („Dasselbe gilt, wenn nach Maßgabe des § 455 Einwendungen gegen die Ablehnung eines Antrags auf Aufschub der Strafvollstreckung erhoben werden“) erhielt durch Art. 2 Nr. 40 des AGGewVerbrG die heutige Fassung. 79 80 81 82

KG NStZ-RR 2009 324. KG NStZ-RR 2009 324. KG NStZ-RR 2009 324; OLG Frankfurt NStZ 2002 224. BVerfG NStZ-RR 2004 252; OLG München StraFo 2011 110 f.; KG OLGSt EGGVG § 28 Nr 3; Beschl. vom 22.3.2013 – 4 VAs 1/13; OLG Hamm Beschl. vom 8.4.2011 – 1 VAs 4/11.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 458

Gleichzeitig wurde dem Absatz 3 der Satz 2 hinzugefügt. Die Ersetzung von „Maßregel der Sicherung und Besserung“ durch „Maßregel der Besserung und Sicherung“ in Absatz 2 beruht auf Art. 21 Nr. 129 EGStGB 1974. Durch Art. 2 Nr. 7 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 (BGBl. I S. 393) ist die Paragrafenkette in Absatz 2 um § 454b Abs. 1 und 2 erweitert worden. Durch Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 (BGBl. I S. 1386, 1397) erfolgten terminologische Klarstellungen in Absatz 2. Durch Art. 3 Nr. 37 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 (BGBl. I S. 3202) ist in Absatz 2 Satz 1 der durch Art. 3 Nr. 36 desselben Gesetzes vorgenommenen Einfügung eines Absatzes 3 in § 454b Rechnung getragen worden. Bezeichnung bis 1924: § 490.

I.

Übersicht Anwendungsbereich 1. Alternativen des Absatzes 1 1 a) Zweifel über die Auslegung eines Strafurteils (1. Alt.) 2 b) Zweifel über die Berechnung der erkannten Strafe (2. Alt.) 3 c) Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung (3. Alt.) 6 d) Beispiele für zulässige Einwendungen 9 e) Beispiele für unzulässige Einwendungen 12 f) Grenzfälle 15 2. Alternativen des Absatzes 2 a) Einwendungen gegen Entscheidungen nach § 454b Abs. 1 bis 3, nach §§ 455, 456 und 456c Abs. 2 (1. Alt.) 16 b) Einwendungen gegen Anordnungen der Vollstreckungsbehörde nach § 456a Abs. 2 (2. Alt.) 17 c) Folgerungen 18 3. Dienstaufsichtsbeschwerde 19 4. Vorläufige Anordnungen (Absatz 3) 20

5.

Einschränkungen in Bezug auf vollstreckungsrechtliche Entscheidungen 23 6. Verhältnis des § 458 zu § 23 EGGVG 24 II. Einwendungsberechtigte 1. Verurteilter 25 2. Andere Personen 26 3. Stillschweigend Ermächtigte 27 4. Durch die Vollstreckung unmittelbar beeinträchtigte Dritte 28 III. Verfahren bei Bedenken einer ersuchten Vollstreckungsbehörde 29 IV. Rechtsmittel 30 V. Erneute Einwendungen 1. Nach rechtskräftiger Verwerfung früherer Einwendungen 32 2. Nach Beendigung der Vollstreckung 33 VI. Einwendungen gegen Entscheidungen des Rechtspflegers 34 VII. Einwendungen gegen Entscheidungen von Strafgerichten der früheren DDR 35

Alphabetische Übersicht Abschiebungshaft 4 Antrag nach § 23 EGGVG 18, 24 Anwendungsbereich 1 ff. Auslegung des Urteils 2 Berechnung der Strafe 3 Dienstaufsichtsbeschwerde 19 Einstweilige Anordnung 22 Einwendungen 6 ff., 16 ff. – erneute 32 ff. – gegen Entscheidungen des Rechtspflegers 34 – gegen Entscheidungen von Strafgerichten der früheren DDR 35 – unzulässige 12 ff.

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– zulässige 9 ff. Einwendungsberechtigte 25 ff. – andere Personen 26 – stillschweigend Ermächtigte 27 – unmittelbar beeinträchtigte Dritte 28 – Verurteilter 25 Ersatzfreiheitsstrafe 23 Geldstrafe 23 Gnadenmaßnahme 18 Grenzfälle 15 Maßregelvollzug 21 nicht vereinbare Härte 16 rechtsähnliche Fälle 4

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§ 458

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Rechtsmittel 30 f. Strafaufschub 16 Strafunterbrechung 16, 18 Strafzeitberechnung 5

Verfahrenseinheit 3 Vorläufige Anordnungen 20, 31 Vollstreckungsbehörde 29 Zweidrittelzeitpunkt 5

I. Anwendungsbereich 1

1. Alternativen des Absatzes 1. § 458, der bei der Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung entsprechend anwendbar ist (§ 463 Abs. 1),1 geht von einem Selbstentscheidungsrecht der Vollstreckungsbehörde aus. Das Gericht entscheidet nicht von Amts wegen. Es ist unzuständig, solange die Vollstreckungsbehörde noch nicht entschieden hat.2 Die Vorschrift sieht eine Entscheidung des Gerichts (§§ 462, 462a) in den im Einzelnen aufgezählten Fällen vor.

2

a) Zweifel über die Auslegung eines Strafurteils (1. Alt.). Bei solchen Zweifeln hat die Vollstreckungsbehörde von Amts wegen die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen.3 Die Zweifel können sich auf jeden Teil des Strafausspruchs, also nicht nur auf die Hauptstrafe, sondern auch auf Nebenstrafen und Nebenfolgen beziehen.4 Zweifel über die Auslegung eines Urteils können sich insbesondere bei einem Widerspruch zwischen Urteilsformel und Urteilsgründen ergeben.5 Zweifel können auch über die Auslegung eines Berufungsurteils bestehen.6 Sie bestehen auch, wenn bei Verlust der Akten über den Inhalt des Urteils Zweifel bestehen (dazu § 451, 58).

3

b) Zweifel über die Berechnung der erkannten Strafe (2. Alt.). Bei Zweifeln über die zunächst von der Vollstreckungsbehörde7 aufzustellende Strafzeitberechnung (§ 36 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO) darf sich das Gericht nicht damit begnügen, die Grundsätze darzulegen, nach denen die Strafzeitberechnung zu erfolgen hat (§§ 37 ff. StVollstrO), die Berechnung auf dieser Grundlage aber der Vollstreckungsbehörde überlassen, sondern es muss selbst die Strafzeitberechnung aufstellen.8 Zweifel über die Art der Anrechnung können entstehen, wenn das Tatgericht Freiheits- und Geldstrafen nebeneinander verhängt oder neben einer unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe erkannt, eine Entscheidung darüber aber unterlassen hat, auf welche der Strafen etwaige Untersuchungshaft anzurechnen ist. Die Frage, ob die in einem nach § 154 Abs. 2 eingestellten Verfahren erlittene Untersuchungshaft auf eine später in einem anderen Verfahren erkannte Freiheitsstrafe nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auch dann angerechnet werden kann, wenn diese Verfahren zu keinem Zeitpunkt miteinander verbunden waren, also zu keinem Zeitpunkt eine Verfahrenseinheit bestanden hat, hängt ent1 KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1, 6. 2 OLG Koblenz Rpfleger 1978 148; OLG Stuttgart Justiz 1984 288; KG StraFo 2007 432; OLGSt § 458 StPO, 1; Hahn Mat. 1 1980; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1, 7. 3 OLG Stuttgart Justiz 1984 288; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 1. 4 BGHZ 42 360, 363; BGHSt 8 66; BGH MDR 1964 980; OLG Karlsruhe MDR 1994 1032; OLG Stuttgart StV 2019 726; KK/Appl 5a; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 5 KMR/Stöckel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 11. 6 OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999 307. 7 BGHSt 27 287, 289; BGH NStZ 1985 497; OLG Karlsruhe Justiz 1983 467; OLG Stuttgart MDR 1986 779; OLG Köln Beschl. vom 22.2.2012 – III – 2 Ws 610/12; LG Bochum StV 1993 34; KK/Appl 6. 8 BVerfG NStZ-RR 2003 379; OLG Stettin GA 41 (1893) 70; LG Coburg VRS 29 (1965) 269; KK/Appl 7; KMR/ Stöckel 5; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 12; Röttle/Wagner Rn. 173.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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scheidend davon ab, ob zwischen den betreffenden Verfahren eine funktionale Verfahrenseinheit besteht.9 Eine solche liegt vor, wenn eine Einstellung des einen Verfahrens nach § 154 Abs. 2, in dem Untersuchungshaft vollzogen worden ist, im Hinblick auf das mit der Verurteilung endende selbständige andere Verfahren erfolgt war.10 Eine funktionale Verfahrenseinheit wird ferner angenommen, wenn im Verfahren eines inhaftierten Angeklagten, das zur Verurteilung führte, zwar ein Haftbefehl bestand, aber nicht vollzogen, sondern Überhaft notiert war.11 Der Grundsatz der funktionalen Verfahrensidentität findet auch bei einem Absehen der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft nach § 153c Abs. 1 Nr. 1 Anwendung.12 Der Anrechnung verfahrensfremder Untersuchungshaft steht nicht entgegen, dass der Verurteilte insoweit eine Entschädigung nach dem StrEG erhalten hat.13 In Fortentwicklung der Rechtsprechung zur Anrechnung verfahrensfremder Untersuchungshaft entsprechend § 51 Abs. 1 StGB sollen auch Zeiten des Vollzugs der Sicherungsverwahrung auf Strafhaft angerechnet werden können, wenn anstelle der Sicherungsverwahrung Untersuchungshaft angeordnet und vollzogen worden wäre.14 Wird eine Maßregel nach § 63 StGB wegen einer anfänglichen Fehldiagnose für erledigt erklärt, so ist es verfassungsrechtlich geboten, den bereits verbüßten Maßregelvollzug vollständig auf eine verfahrensfremde Freiheitsstrafe anzurechnen.15 Zweifel können dann auftreten, wenn es um die Anrechnung einer anderen Freiheitsentziehung geht16 sowie bei Zweifeln über das Vorliegen der Anrechnungsvoraussetzungen des § 450a, § 39a StVollstrO.17 In all diesen Fällen müssen die notwendigen Entscheidungen im Beschlussverfahren nach §§ 458, 462 nachgeholt werden.18 Auf einen dem Zweifel über die Berechnung der erkannten Strafe rechtsähnlichen 4 Fall hat die Rechtsprechung § 458 Abs. 1 entsprechend angewandt, wenn nach Auffassung der Vollstreckungsbehörde die ununterbrochene Vollstreckung mehrerer zeitiger Freiheitsstrafen, bei denen die Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung nicht gegeben sind, unzulässig ist, weil die Summe der Strafen 15 Jahre überschreitet.19 Rechtsähnliche Fälle, die die Anwendung des § 458 rechtfertigen, sind auch anzunehmen bei Zweifeln über die Berechnung der Abschiebungshaft nach dem früheren § 16 AuslG20 oder den Umfang einer Auslieferungsbewilligung.21

9 Fischer § 51, 6a m. w. N.; LK/Theune § 51, 10 ff., 13; OLG Frankfurt StV 2014 488. 10 BVerfG NStZ 1999 24; 1999 125; 1999 477; 1999 570; BGHSt 43 112, 120; KG StV 1998 562; OLG Schleswig MDR 1980 70; OLG Frankfurt MDR 1981 69; StV 1989 489; OLG Düsseldorf StV 1994 549; Maatz StV 1991 267, 269. 11 OLG Düsseldorf StV 2001 517; OLG Nürnberg NStZ 1990 406; OLG Saarbrücken wistra 1996 70. 12 BGH NJW 1990 1428. 13 OLG Düsseldorf StV 2001 517. 14 BGH NStZ 1998 134; OLG Köln OLGSt StGB § 51 Nr. 18. 15 BVerfGE 130 372 Rn. 87; KG NStZ-RR 2015 325. 16 OLG Oldenburg GA 1971 342; OLG Hamm NJW 1971 1373; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 3. Zur Frage der Anrechnung der Behandlung in einer Drogentherapie s. LG München StV 1985 199. 17 BGHSt 8 34, 36; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 3. Wegen der Anwendung eines erhöhten Umrechnungsmaßstabes – etwa 1:2 oder 1:3 – s. die Erl. zu § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB. 18 BGHSt 24 29; OLG Zweibrücken NJW 1975 509; OLG Frankfurt NStZ 1990 147; LG Osnabrück NJW 1983 2256; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 12; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 47 f., 45, 55. 19 OLG Oldenburg GA 1971 342; OLG Hamm NJW 1971 1373; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 20 BayObLG NJW 1973 1979; OLG Hamm NJW 1977 1019; OLG Frankfurt NJW 1980 537. 21 Hermes NJW 1979 443; Hermes/Schulze NJW 1980 2622; KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 14; OLG Karlsruhe StV 2012 546 (Strafzeitberechnung bei nachträglicher Strafmaßreduzierung durch ein französisches Gericht); a. A. OLG Stuttgart NJW 1980 1240: entsprechende Anwendung des

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Keine Frage der Strafzeitberechnung ist der Vermerk der Vollstreckungsbehörde über den Zweidrittelzeitpunkt. Der Verurteilte kann durch rechtzeitigen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes eine gerichtliche Überprüfung des von ihm angenommenen Zeitpunkts erreichen.22 Bei mehreren nacheinander zu vollstreckenden Freiheitsstrafen kann der Verurteilte gegen den von der Vollstreckungsbehörde errechneten Zeitpunkt Einwendungen erheben,23 über die alsdann das Gericht nach § 458 Abs. 2 entscheidet.

c) Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung (3. Alt.). Unter Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung werden Einwendungen desjenigen oder zugunsten desjenigen verstanden, gegen den vollstreckt wird oder vollstreckt werden soll. Sie bedürfen, wenn schriftlich erhoben, keiner handschriftlichen Unterzeichnung, wenn aus dem Inhalt der Einwendung die Person dessen, der sie erhebt, zuverlässig entnommen werden kann.24 Sie können grundsätzlich nur das „Ob“ der Vollstreckung, also den „Fortbestand des Vollstreckungsverfahrens selbst“ betreffen.25 Das ist dann der Fall, wenn geltend gemacht wird, dass die allgemeinen Voraussetzungen der Vollstreckung eines Strafurteils nicht gegeben seien oder der Vollstreckung ein Vollstreckungshindernis entgegenstehe wie etwa fehlende Rechtskraft.26 Nur ausnahmsweise gehört auch das „Wie“ des Vollzugs hierher (Rn. 10). Der Einwendende muss die Einwendungen gegenüber der Vollstreckungsbehörde erheben.27 Diese hat dann die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Die Vollstreckungsbehörde selbst kann – weil sie nicht in dieser Eigenschaft, son7 dern als Strafverfolgungsbehörde an dem Verfahren beteiligt ist – nach hergebrachter Auslegung keine Einwendungen erheben, d. h. sie kann ihre eigenen Zweifel an der Zulässigkeit der Vollstreckung, soweit sie sich nicht auf die Auslegung des Urteils und die Strafzeitberechnung beziehen, nicht von vornherein dem Gericht zur Entscheidung unterbreiten.28 Sie muss vielmehr selbst eine Entscheidung treffen. Zur gerichtlichen Entscheidung kommt es nur dann, wenn von Einwendungsberechtigten Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erhoben werden und die Vollstreckungsbehörde ihnen nicht abhilft.29 Dies gilt auch, wenn aus Anlass gesetzlicher Neuregelungen ein In-

6

§ 460; ähnlich für den Fall der Tateinheit OLG Hamm NJW 1979 2484; OLG Celle NdsRpfl. 1987 110: weder entsprechende Anwendung des § 458 Abs. 1 noch des § 460, vielmehr Festsetzung des vollstreckbaren Teils durch die Vollstreckungsbehörde, die alsdann nach Einwendungen des Verurteilten eine Entscheidung nach § 458 Abs. 1, 3. Alt. herbeiführen muss; vgl. KG NStZ-RR 2011 339. Gegen diese Rechtsprechung mit eingehender Begründung KK/Appl 8. 22 OLG Celle NdsRpfl. 1981 124; KK/Appl 7. 23 OLG Hamm NStZ 1987 342; KK/Appl 7. 24 OLG Koblenz Rpfleger 1976 123 mit Anm. Vollkammer. 25 OLG Düsseldorf NJW 1977 117; Beschl. vom 11.2.2014 – III 3 Ausl 22 /14; OLG Koblenz NStZ 1982 219; OLG Schleswig GA 1984 96; KG StRR 2011 43 Ls.; Beschl. vom 19.12.2013 – Ws 514/13; KK/Appl 10; MeyerGoßner/Schmitt 8; KMR/Stöckel 9; Bringewat 17. 26 OLG Hamburg VRS 117 (2009) 201; Beschl. vom 11.3.2015 – 1 Ws 32/15. 27 BGHSt 44 19. 28 OLG Hamm NJW 1979 2484; OLG Stuttgart Justiz 1984 288; OLGSt § 458 StPO, 1; OLG Celle NdsRpfl. 1987 110; OLG Rostock NStZ 1994 303; zu Zweifeln des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter OLG Hamm NStZ-RR 2002 21; OLG Düsseldorf OLGSt § 458 StPO, 2; KK/Appl 4, 11; KMR/Stöckel 18; Meyer-Goßner/ Schmitt 7; Pohlmann Rpfleger 1962 146. 29 KG DJZ 1933 1043; OLG Hamburg JR 1955 69; OLG Hamm NJW 1956 1936; 1979 2484; JMBlNRW 1971 9; OLG Stuttgart OLGSt § 458 StPO, 1; OLG Celle NdsRpfl. 1987 110; OLG Rostock NStZ 1994 304; BVerwG NJW 1970 72, 74; Unger Rpfleger 1957 227; KK/Appl 4; KMR/Stöckel 18; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 1; Pohlmann/Jabel/Wolf § 42, 8; a. A. OLG Saarbrücken JBlSaar 1967 130; Eb. Schmidt 7.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 458

teresse an einer alsbaldigen Klärung von Zweifelsfragen besteht.30 Allerdings kann sich aus der prozessualen Fürsorgepflicht die Pflicht der Vollstreckungsbehörde ergeben, den Betroffenen auf die Möglichkeit von Einwendungen hinzuweisen.31 Auch für die Frage, ob die Strafe durch ein Straffreiheitsgesetz erlassen ist, gilt 8 insoweit nichts Anderes,32 soweit nicht das Straffreiheitsgesetz selbst eine abweichende Bestimmung trifft. Eine solche „abweichende Bestimmung“ dürfte aber anzunehmen sein, wenn in den neueren aus Anlass der Strafrechtsreform ergehenden „Änderungs-“ und „Reformgesetzen“ amnestierechtliche Regelungen getroffen werden und bei Zweifeln über die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen die §§ 458, 462 für sinngemäß anwendbar erklärt werden. d) Beispiele für zulässige Einwendungen. Der Verurteilte macht Verjährung der 9 Strafvollstreckung geltend; er bezeichnet die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe als unzulässig, weil die zugrunde liegende Geldstrafe bezahlt sei (§ 459e Abs. 4);33 er bestreitet seine Identität mit dem Verurteilten;34 er macht geltend, die Strafe sei durch Straffreiheitsgesetz35 oder durch Gnadenerweis36 erlassen – auch aufgrund eines stillschweigenden, aber dauernden Verzichts des Staates auf eine Vollstreckung der Freiheitsstrafe im Zusammenhang mit unmittelbar begleitenden staatlichen Maßnahmen;37 die Vollstreckung verstoße gegen die Reihenfolge der Vollstreckung nach § 67 Abs. 1 StGB;38 der als Vollstreckungsgrundlage dienende Strafbefehl sei durch ein späteres Urteil verdrängt worden;39 der Vollstreckungstitel sei nichtig, weil er eine andere Person betreffe;40 er wendet sich gegen einen rechtskräftigen, die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufenden Beschluss unter Geltendmachung von Tatsachen, die die Wiederaufnahme gegen ein rechtskräftiges Urteil zulassen würden;41 bei Zweifeln über die Auslegung einer Kostenentscheidung.42 Ausnahmsweise kann auch die Art des Strafvollzugs gemäß § 458 beanstandet 10 werden, nämlich dann, wenn der Verurteilte die Zulässigkeit der gegen ihn angewandten Vollzugsart im Allgemeinen bestreitet, d. h. sich gegen den staatlichen Vollstreckungsanspruch als solchen wendet, indem er dessen Bestand überhaupt oder zurzeit

30 OLG Hamm JMBlNRW 1971 91. 31 OLG Karlsruhe Justiz 1976 394; OLG Stuttgart Justiz 1984 288; KK/Appl 4; KMR/Stöckel 18; MeyerGoßner/Schmitt 7; Bringewat 15; Pohlmann/Jabel/Wolf – wenn auch mit teilweise anderer Begründung – § 42, 8. 32 A. A. LG Berlin JR 1955 394. 33 LG Bremen StV 1990 311. 34 v. Beligand GerS 72 (1908) 211; Meyer-Goßner/Schmitt 10; weitere Beispiele bei Bringewat 18, 20; KG NStZ-RR 2004 240. 35 BGHSt 7 98; KK/Appl 12; Meyer-Goßner/Schmitt 10. 36 OLG Stuttgart OLGSt § 458 StPO, 15; KK/Appl 12. 37 OLG Düsseldorf JR 1992 391: Erlöschen des staatlichen Vollstreckungsanspruchs durch Abschiebung des Verurteilten unter Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft in die Bundesrepublik. 38 OLG Düsseldorf NStZ 1981 366; LG Dortmund NStZ 1969 340; OLG Brandenburg NStZ 2000 500 mit Anm. Rautenberg und mit Anm. Volckart RuP 2000 153; OLG Brandenburg NStZ 2000 504; OLG Celle NStZ-RR 2002 349; Meyer-Goßner/Schmitt 10. 39 BGHSt 18 127, 129. 40 KG NStZ 1982 241 mit Anm. Katholnigg. 41 OLG Oldenburg NJW 1962 1169; OLG Karlsruhe Justiz 1978 474; OLG Düsseldorf MDR 1993 557; LG Bremen StV 1990 311; Hanack JZ 1974 115; Groth ZRP 1979 208; MDR 1980 507; a. A. Lemke ZRP 1978 281; KK/Appl 15. 42 OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000 287.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

oder in dem von der Vollstreckungsbehörde zugrunde gelegten Umfang bestreitet.43 Entscheidungen, die nur die Durchführung der Strafvollstreckung betreffen, wie z. B. die Ladung zum Antritt der Jugendstrafe in einer Erwachsenenvollzugsanstalt,44 die Ladung zum Strafantritt,45 die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften,46 die Anordnung des gemeinsamen Vollzugs von zu Freiheitsstrafe Verurteilten mit Sicherungsverwahrten47 oder der Vollzug der Sicherungsverwahrung in weitgehender Anpassung an den der Freiheitsstrafe,48 die Art und Weise des Vollzugs der Sicherungsverwahrung49 fallen nicht darunter. Sie unterliegen entweder einer Überprüfung nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes, der Strafvollzugsgesetze der Länder oder nach den §§ 23 ff. EGGVG.50 Der Regelung des § 458 unterliegen schließlich auch nicht materiell-rechtliche Fragen.51 In den seltenen Ausnahmefällen, in denen wegen gröbster Verstöße gegen funda11 mentale Vorschriften die Aufrechterhaltung des Urteils schlechthin unerträglich wäre, ohne dass Abhilfemöglichkeiten anderer Art bestehen, würde allerdings dessen Unbeachtlichkeit gemäß § 458 ausgesprochen werden können,52 wie insbesondere beim Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit.53 Nicht dazu zählen die in der Praxis nicht seltenen Fälle, in denen der Verurteilte rügt, das Straferkenntnis – meist durch Strafbefehl – verstoße gegen das Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 103 Abs. 3 GG. Denn ein solcher Einwand betrifft den sachlichen Inhalt der zu vollstreckenden Entscheidung (s. Rn. 13) und darf deshalb im Vollstreckungsverfahren nicht mehr geprüft werden. Eine Abänderung ist entweder durch ein Wiederaufnahmeverfahren oder im Wege einer Verfassungsbeschwerde möglich.54 Die Vertreter der gegenteiligen Ansicht55 begründen die Zulässigkeit eines Einwands nach § 458 Abs. 1 3. Alt. vor allem damit, dass das Verbot der Doppelbestrafung – wenn es sich auch primär gegen den sachlichen Gehalt des Straferkenntnisses wende – nicht auf das Erkenntnisverfahren beschränkt sei, vielmehr auch die Unzulässigkeit der Strafvollstreckung bewirke, sich mithin auch als verfahrensrechtliches Vollstreckungshindernis erweise. Selbst wenn man dieser Ansicht zustimmen würde, wäre dem Verurteilten damit kaum geholfen, weil er mit seiner Einwendung zwar erreichen könnte, dass die Vollstreckung unterbleibt, sein primäres Ziel, die Feststellung der Nichtigkeit des Straferkenntnisses zu erreichen, aber weiterhin ausgeschlossen bliebe.56 Richtig ist allerdings, dass ein Beschluss nach § 458 Abs. 1 3. Alt., mit dem die Strafvollstreckungskammer oder gar das Amtsgericht zur Vermeidung einer 43 OLG Hamburg NJW 1975 1132; OLG Düsseldorf NJW 1977 117; OLG Schleswig GA 1984 96; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 20. KG NJW 1978 284 mit abl. Anm. Frenzel; a. A. Bringewat 20. OLG Hamm NStZ-RR 2016 60; OLG Düsseldorf Beschl. vom 11.2.2014 – III – 3 Ausl 22/14. OLG Jena NJ 2008 376 Ls. BGHSt 19 240. A. A. OLG Hamm JZ 1959 714 mit zust. Anm. Pohlmann; OLG Koblenz NStZ 1981 366. KG Beschl. vom 19.12.2013 – 2 Ws 514/13. BGHSt 19 240; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 11. Näher dazu Rn. 13. BGHZ 42 360, 363; OLG Düsseldorf NStZ 1989 44 mit Anm. Feiber; OLG Karlsruhe JR 1981 520 mit Anm. Rieß; KK/Appl 13; Bringewat 21. 53 Marenbach NJW 1974 395. 54 OLG Düsseldorf NStZ 1989 44 mit zust. Anm. Feiber; AG Krefeld NJW 1969 1278 mit krit. Anm. Pauli; LG Krefeld NJW 1973 1205; Rieß JR 1981 522; KK/Appl 13. 55 OLG Koblenz JR 1981 520 mit abl. Anm. Rieß; Meyer-Goßner/Schmitt 9 und § 359, 19; Bringewat 22. 56 Rieß JR 1981 522; LR/Gössel25 § 359, 70.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 458

Doppelbestrafung eine Vollstreckungsbeschränkung angeordnet hat, nicht nichtig ist, da er sicherlich nicht als grober Verstoß gegen fundamentale prozessuale Vorschriften bewertet werden kann.57 e) Beispiele für unzulässige Einwendungen. Aus der Aufzählung in Absatz 2, in 12 welchen Fällen Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde erhoben werden können, ergibt sich, dass bei anderen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde nicht § 458 (sondern ggf. § 23 EGGVG) anwendbar ist.58 Nur nach § 23 EGGVG anfechtbar ist z. B. ein ablehnender Bescheid im Fall des § 456a Abs. 1, mag auch der Verurteilte geltend machen, die Einleitung oder Fortsetzung der Strafvollstreckung sei unzulässig i. S. des § 458 Abs. 1, weil die Vollstreckungsbehörde mit der Ablehnung von ihrer sonstigen Praxis abweiche und damit den „Gleichbehandlungsgrundsatz“ verletze.59 Grundsätzlich unzulässig sind auch Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der 13 gerichtlichen Entscheidung,60 z. B. dass das Gericht zu Unrecht einen ausreichenden Widerrufsgrund i. S. von § 56f StGB angenommen habe;61 dass es bei seiner Entscheidung die Anwendbarkeit einer Amnestie übersehen habe;62 dass ein zur Tatzeit Erwachsener in der irrtümlichen Annahme, er sei Jugendlicher gewesen, zu Jugendarrest verurteilt wurde63 oder dass umgekehrt infolge Irrtums des Gerichts über das Alter ein Jugendlicher mit einer nur nach Erwachsenenrecht zulässigen Strafe belegt wurde; dass der Grundsatz der Spezialität der Auslieferung verletzt sei.64 Auch der Einwand der Nichtigkeit des Urteils, weil eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 257c vorliegt, stellt keine zulässige Einwendung dar.65 Zur Prüfung eines Verfahrensfehlers bei der Anwendung der Vorschriften über die Verständigung ist das Rechtsmittelgericht und nicht das Gericht im Verfahren nach § 458 zuständig. Unzulässig ist auch eine Einwendung mit dem Ziel einer nachträglichen Bezeichnung des Verletzten durch Ergänzung oder Auslegung des Urteils, wenn sich die Urteilsfeststellungen nicht zur Person des Verletzten verhalten.66 Dass ein Gesetz, auf dem eine Verurteilung beruht, vom Bundesverfassungsgericht 14 für nichtig erklärt worden ist, begründet keine Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung, denn die § 79 Abs. 1, § 95 Abs. 3 Satz 3 BVerfGG gewähren für

57 OLG Düsseldorf NStZ 1989 44 mit zust. Anm. Feiber. 58 KK/Appl 13, 17; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 2. 59 OLG Hamburg NJW 1975 1132; OLG Zweibrücken JR 1983 168 mit Anm. Katholnigg; vgl. auch BGHSt 19 148; OLG Hamm NJW 1973 2075; OLG Düsseldorf NJW 1977 117; OLG Celle NdsRpfl. 1981 124; OLG Schleswig SchlHA 1983 160; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 11. 60 RGSt 73 333; OLG Hamm GA 1961 155; BayVerfGH GA 1964 50; OLG Koblenz OLGSt § 458 StPO, 19; OLG Karlsruhe Beschl. vom 20.7.2017 – 2 Ws 162/17; KK/Appl 15; Meyer-Goßner/Schmitt 9; Bringewat 19. 61 OLG Düsseldorf JR 1992 126 mit zust. Anm. Wendisch; StraFo 2004 16; KK/Appl 15; Fischer § 56f, 23; OLG Stuttgart wistra 2001 239; NStZ-RR 1996 176; OLG Zweibrücken NStZ 1997 55; OLG Hamburg StV 2000 568 mit Anm. Kunz; a. A. OLG Oldenburg NJW 1962 1196; LG Bremen StV 1990 311; Hanack JZ 1974 115; Groth ZRP 1979 208. 62 KG DStR 1937 165; OLG München SJZ 1950 623; OLG Bremen NJW 1951 123. 63 LG Kiel SchlHA 1950 304; KK/Appl 15; Bringewat 21. 64 OLG Hamm NJW 1956 1936; NStZ-RR 2010 378; a. A. LG Darmstadt NJW 1973 1567. Wegen weiterer Beispiele – sowohl für zulässige als auch unzulässige Einwendungen – s. Pohlmann/Jabel/Wolf § 21, 12. 65 OLG Karlsruhe Beschl. vom 20.7.2017 – 2 Ws 162/17; Meyer-Goßner/Schmitt Einl. 103 ff.; a. A. OLG München NJW 2013 2371. 66 LG Lübeck NZWiSt 2019 199 mit Anm. Rettke.

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diesen Fall die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens,67 lassen aber im Übrigen – anders als § 79 Abs. 2 BVerfGG, der nur für andere als Strafurteile gilt – bis zu einer die Vollstreckung ausschließenden Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren die Zulässigkeit der Vollstreckung unberührt.68 15

f) Grenzfälle. Ein Grenzfall kann dann vorliegen, wenn das Gericht im Zeitpunkt der Verkündung eines formell rechtskräftig gewordenen Urteils ohne Verschulden noch keine Kenntnis von einem bereits verkündeten und in Kraft getretenen Amnestiegesetz hatte.69 Ein solcher (Grenz-)Fall kann ferner gegeben sein, wenn das Gericht (unzulässigerweise) die Prüfung der Anwendbarkeit eines Straffreiheitsgesetzes dem Strafvollstreckungsverfahren vorbehielt.70 2. Alternativen des Absatzes 2

16

a) Einwendungen gegen Entscheidungen nach § 454b Abs. 1 bis 3, nach §§ 455, 456 und 456c Abs. 2 (1. Alt.). § 458 sieht die Entscheidung des Gerichts (§§ 462, 462a) ferner vor, wenn die Vollstreckungsbehörde die Reihenfolge (§ 454b Abs. 1) – dazu rechnet nicht die Änderung der Reihenfolge nach § 43 Abs. 4 StVollstrO71 – oder die Unterbrechung der Strafvollstreckung (§ 454b Abs. 2) nicht beachtet oder falsch berechnet hat; wenn sie Anträge des Verurteilten abgelehnt hat, mit denen dieser den Aufschub oder die Unterbrechung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe wegen Geisteskrankheit oder anderer (lebensgefährlicher) Krankheiten (§ 455) beantragt hat;72 oder wenn sie die Aussetzung trotz eines im Fall der sofortigen Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie drohenden erheblichen, außerhalb des Strafzwecks liegenden Nachteils (§ 456)73 sowie bei Anordnung eines Berufsverbots trotz einer im Fall der sofortigen Vollstreckung dem Verurteilten oder seinen Angehörigen drohenden erheblichen und nicht vermeidbaren Härte (§ 456c Abs. 2) abgelehnt hat, und zwar auch dann noch, wenn der Verurteilte die Strafe zum Zeitpunkt der Geltendmachung schon angetreten hat.74 Absatz 2 gilt auch für die Fälle des Art. 6 WStrGEG (§ 455, 23 ff.).

17

b) Einwendungen gegen Anordnungen der Vollstreckungsbehörde nach § 456a Abs. 2 (2. Alt.). Nach § 456a Abs. 2 kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung, von der sie wegen der Auslieferung oder Ausweisung des Verurteilten (zunächst) abgesehen hat, nachholen, wenn dieser in die Bundesrepublik zurückkehrt (§ 456a, 21).75 Absatz 2 räumt dem Verurteilten ein, gegen diese Anordnung Einwendungen zu erheben (§ 456a, 25).76 Erhebt der Verurteilte Einwendungen gegen den auf der Grundlage von § 456a Abs. 2 Satz 3 erlassenen Vollstreckungshaftbefehl, kann sein Antrag dahingehend auszulegen sein, 67 Näher dazu LR/Gössel26 Vor § 359, 154 ff. 68 BVerfG NJW 1963 756; OLG Bremen NJW 1962 2169; Zeis NJW 1963 550; KK/Appl 16; Meyer-Goßner/ Schmitt 9; a. A. OLG Schleswig SchlHA 1963 60; Nibel NJW 1963 868; Bringewat 23. 69 RG JW 1936 2713; OLG Darmstadt DStR 1937 64; K. Schäfer JW 1936 2991; DStR 1937 66; Brandstetter 185. 70 BayObLG NJW 1952 154. 71 LG Heilbronn NStZ 1989 291 mit zust. Anm. Wendisch; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2017 116; offen gelassen nur OLG Jena NStZ 2012 389; OLG Frankfurt NStZ-RR 2011 221. 72 Offen gelassen OLG Karlsruhe NStZ 2000 279; OLG Koblenz Beschl. vom 17.2.2014 – 2 Ws 22/14; OLG Jena StV 2011 680 Ls.; OLG Hamm NStZ-RR 2016 60. 73 OLG Dresden StRR 2013 402. 74 OLG Koblenz OLGSt § 456, 1; vgl. dazu auch § 456, 8. 75 Meyer-Goßner/Schmitt 12; OLG Hamburg StV 1999 273. 76 OLG Oldenburg StraFo 2015 84.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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dass damit auch die ablehnende Entscheidung, die Nachholung der Vollstreckung auszusetzen, überprüft werden soll. Das Verfahren richtet sich dann nach Absatz 2. Der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG ist insoweit ausgeschlossen.77 c) Folgerungen. Absatz 2 ist unanwendbar, wenn die Vollstreckungsbehörde es 18 ablehnt, Strafunterbrechung im Fall des § 456 zu gewähren, wenn sie im Fall des § 456a Abs. 1 es ablehnt, von der Vollstreckung abzusehen (§ 456a, 25),78 wenn sie eine getroffenen Entscheidung nach § 456a Abs. 1 widerruft, denn dabei handelt es sich nicht um eine Nachholungsentscheidung nach § 456a Abs. 2,79 oder die Vollstreckung nach § 35 BtMG zurückzustellen,80 wenn sie von den in §§ 455a, 457 bezeichneten Maßnahmen Gebrauch macht81 oder wenn es um die Reihenfolge der Vollstreckung gleichartiger Maßregeln aufgrund verschiedener gerichtlicher Entscheidungen geht.82 In allen diesen Fällen handelt es sich nicht um Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung i. S. des § 458 Abs. 1.83 Zulässig ist dagegen, soweit es sich um Vollstreckungsmaßnahmen handelt, die förmliche Beschwerde nach § 21 StVollstrO und, soweit es sich um Gnadenmaßnahmen handelt, die Anrufung der vorgesetzten Gnadenbehörde nach Maßgabe der landesrechtlichen Gnadenordnungen. Zulässig ist ferner bei Vollstreckungsmaßnahmen die Anfechtung nach §§ 23 ff. EGGVG. Dabei ist das Beschwerdeverfahren das Vorschaltverfahren, das nach § 24 Abs. 2 EGGVG der Anrufung des Oberlandesgerichts vorausgehen muss (Vor § 449, 22).84 Da der Verurteilte durch Maßnahmen nach § 455a nicht beschwert sein kann, sind diese sowohl der Anfechtung nach § 458 als auch nach § 23 EGGVG entzogen. Soweit es sich um Gnadenmaßnahmen handelt, ist deren Versagung einer gerichtlichen Nachprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG entzogen. 3. Dienstaufsichtsbeschwerde. Der Betroffene muss in allen von Absatz 1 und 2 um- 19 fassten Fällen entgegen der früheren Rechtslage nicht mehr zunächst formlose Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen, sondern kann unmittelbar die Entscheidung des Gerichts herbeiführen (§ 31 Abs. 6 Satz 1 RpflG). Die Antragstellung gegenüber dem Gericht sowie im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erforderlich werdende Stellungnahmen gegenüber dem Gericht obliegen dem Staatsanwalt (§ 142 Abs. 1 GVG) und nicht dem Rechtspfleger. 4. Vorläufige Anordnungen (Absatz 3). Durch die Erhebung von Einwendungen 20 nach den Absätzen 1 und 2 wird der Fortgang der Vollstreckung grundsätzlich nicht gehemmt (Absatz 3 Satz 1, 1. Hs.). Jedoch kann das Gericht, soweit nicht schon die Vollstreckungsbehörde selbst Zweifel an der Zulässigkeit hat und die Vollstreckung deshalb von sich aus aufgehoben oder unterbrochen hat,85 auf Antrag oder von Amts wegen den Aufschub oder die Unterbrechung anordnen (Absatz 3 Satz 1, 2. Hs.).86 Allerdings wird 77 OLG Stuttgart StraFo 2011 114. 78 OLG Hamburg MDR 1975 684; OLG Zweibrücken NStZ 1983 168 mit Anm. Katholnigg; OLG Stuttgart NStZ 1985 331; Meyer-Goßner/Schmitt 11. OLG Hamm NStZ-RR 2013 30 Ls. KK/Appl 17; Meyer-Goßner/Schmitt 11. OLG Saarbrücken NJW 1973 1012; OLG Celle MDR 1990 176; KK/Appl 19; Bringewat 24, 25. OLG Celle NStZ 1983 188; Beschl. vom 20.11.2015 – 2 Ws 194/15; OLG Düsseldorf NStZ 1983 383; OLG Hamm NStZ 1988 430; Bringewat 25. 83 Grundsätzlich dazu Tröndle MDR 1982 1 ff. 84 Bringewat 3, 20, 24. 85 KK/Appl 20; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 26. 86 OLG Stuttgart MDR 1992 289; KG StraFo 2007 432 (Unterbrechung des Vollzugs der faktischen Sicherungsverwahrung bei Missachtung von § 67c Abs. 1 StGB); LG Bochum StraFo 2007 346 (vorläufiger Voll-

79 80 81 82

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es von dieser Möglichkeit regelmäßig nur dann Gebrauch machen, wenn der Hauptantrag Aussicht auf Erfolg bietet und die Strafvollstreckung überhaupt – an sich – zweifelhaft ist.87 Ein Aufschub oder eine Unterbrechung scheidet demnach auch bei begründeten Zweifeln aus, wenn diese z. B. bei einer langjährigen Freiheitsstrafe nur die Frage betreffen, in welchem Umfang Untersuchungshaft anzurechnen ist, und sich die Zweifel nur auf die Anrechnung weniger Wochen oder gar Tage beziehen.88 21 Umgekehrt wird einem Antrag auf Unterbrechung der Vollstreckung stattzugeben sein, wenn ein Verurteilter, nachdem er sich bereits zehn Monate im Maßregelvollzug befindet, die Unzulässigkeit der gegen ihn vollzogenen Maßregel damit begründet, dass das Gericht immer noch nicht mit der gemäß § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB vorgeschriebenen Prüfung seiner weiteren Gefährlichkeit als Voraussetzung für den weiteren Vollzug der Maßregel begonnen hat.89 In den Fällen des § 456c Abs. 2 kann das Gericht auch eine einstweilige Anord22 nung treffen (Absatz 3 Satz 2). 23

5. Einschränkungen in Bezug auf vollstreckungsrechtliche Entscheidungen. Nach § 459o entscheidet das Gericht über Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde nach den §§ 459a, 459c sowie 459g bis 459m. Soweit diese Einwendungen sich inhaltlich gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung richten, weil der Vollstreckungsanspruch gegen den Pflichtigen untergegangen ist, ist § 459o lex specialis gegenüber § 458 (§ 459o, 8).90

24

6. Verhältnis des § 458 zu § 23 EGGVG. Die Anwendbarkeit des § 458 schließt die der §§ 23 ff. EGGVG aus und umgekehrt die Anwendbarkeit der §§ 23 ff. EGGVG die des § 458.91 Der Rechtsweg nach § 458 ist nur offen, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift unmittelbar gegeben sind.92 Ist das der Fall, schließt § 23 Abs. 3 EGGVG den Rechtsweg der Anrufung des Oberlandesgerichts nach den §§ 23 ff. EGGVG aus (vgl. im Übrigen die Ausführungen zu Rn. 17 f.).

II. Einwendungsberechtigte 25

1. Verurteilter. Der Verurteilte selbst und von ihm ermächtigte Personen (Verteidiger,93 Angehöriger usw.), nicht aber die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde – etwa in analoger Anwendung von § 296 – können die Entscheidung des Gerichts herbeiführen. Die Staatsanwaltschaft wird erst im gerichtlichen Verfahren nach §§ 462,

streckungsaufschub nach von der Staatsanwaltschaft nicht eingehaltener Absprache des Strafantritts); OLG Nürnberg StV 2018 350 Ls. (Schwerstpflegebedürftigkeit eines Strafgefangenen); LG Dresden StraFo 2015 345; LG Göttingen StV 2016 514 (Verletzung des Beschleunigungsgebots bei Organisationshaft); OLG Dresden StRR 2013 402 Ls. (Ermessenseinschränkung der Vollstreckungsbehörden durch Richtlinien für den Vollstreckungsaufschub); vgl. wegen gleicher Regelungen § 47 Abs. 2; § 307 Abs. 1; § 360 Abs. 2. 87 KG OLGSt StGB § 67c Nr 8 Rn. 26 ff. 88 Eb. Schmidt 9. 89 OLG Düsseldorf NJW 1993 1087; KG StraFo 2007 432; OLGSt StGB § 67c StGB Nr 8 Rn. 26 ff. (erhebliche Verzögerung der Entscheidung nach § 67c StGB). 90 KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 6. 91 OLG Oldenburg StraFo 2015 85; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 3. 92 BGHSt 19 240; OLG Hamburg MDR 1975 684. 93 BGHSt 44 19, 22 (früherer Verteidiger).

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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462a gehört.94 Dem Verurteilten steht gleich, wer im Urteil bezeichneter Einziehungsoder sonstiger Nebenbetroffener (§§ 424 ff., § 438) ist, sofern sich die Vollstreckung gegen ihn richtet. 2. Andere Personen. Andere Personen können die Entscheidung des Gerichts her- 26 beiführen, wenn sie berechtigt sind, selbständig Rechtsmittel einzulegen (§ 298 StPO: gesetzlicher Vertreter; § 67 Abs. 2 JGG: Erziehungsberechtigter).95 3. Stillschweigend Ermächtigte. Personen, die nach ihrem Verhältnis zu dem Ver- 27 urteilten als stillschweigend ermächtigt anzusehen sind, können in Einzelfällen dessen Interessen wahrnehmen, wenn dieser dazu selbst außerstande ist (z. B. nahe Angehörige des durch Reisen abwesenden Verurteilten machen geltend, die gegen diesen verhängte Geldstrafe dürfe nach der inzwischen ergangenen Entscheidung gemäß § 459d nicht vollstreckt werden und die bevorstehende Versteigerung der im Zuge der Beitreibung vorher gepfändeten Gegenstände sei unberechtigt). 4. Durch die Vollstreckung unmittelbar beeinträchtigte Dritte. Dritte, die ohne 28 am Verfahren beteiligt gewesen zu sein, unmittelbar durch die Vollstreckung rechtlich beeinträchtigt werden,96 können Einwendungen erheben; so unzweifelhaft der Erbe, der gegenüber der Vollstreckung in den Nachlass geltend macht, dass der zu Geldstrafe rechtskräftig verurteilte Erblasser inzwischen verstorben sei (§ 459c Abs. 3; § 459o, 8 zum Verhältnis von § 459o zu § 458), aber auch der Eigentümer einer Sache, der bestreitet, dass sie mit der im Urteil eingezogenen identisch ist.

III. Verfahren bei Bedenken einer ersuchten Vollstreckungsbehörde Hat die ersuchte Vollstreckungsbehörde gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung 29 Bedenken, so kann sie das Ersuchen ablehnen (§§ 158, 159 GVG sind unanwendbar). Die ersuchende Behörde muss sich dann, wenn sie die Bedenken nicht teilt, an die der ersuchten Behörde vorgesetzte Dienstaufsichtsbehörde wenden.97

IV. Rechtsmittel Gegen die Entscheidung des Gerichts steht sowohl dem Verurteilten und den sonsti- 30 gen Einwendungsberechtigten (Rn. 26 ff.) – und zwar selbst dann, wenn die Staatsanwaltschaft vor der gerichtlichen Entscheidung die Vollstreckung der Strafe bereits eingeleitet hat98 – wie auch der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde99 (§ 462, 12) die sofortige Beschwerde zu (§ 462 Abs. 1, 3). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Feststellung fällt aber weg, wenn die Strafe im Zeitpunkt der Entscheidung bereits vollständig vollstreckt ist100 oder aber wenn der Verurteilte bereits aus dem Justizvollzug

94 95 96 97 98 99 100

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KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt § 459h, 3; Bringewat 16; Röttle/Wagner Rn. 34 ff. KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 5. KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 16. A. A. BayObLGSt 13 (1914) 107. OLG Schleswig SchlHA 1983 160. KK/Appl 22; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 27. OLG Stuttgart NStZ-RR 2003 60.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

entlassen worden ist.101 Weitere Beschwerde, z. B. wegen Berechnung des Beginns der Strafzeit, ist gemäß § 310 nicht statthaft.102 Gegen vorläufige Maßnahmen des Gerichts nach Absatz 3 (Rn. 20 ff.) kann die 31 Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegen. Richtet sie sich gegen die Unterbrechung der Strafvollstreckung, so hat sie aufschiebende Wirkung (§ 462 Abs. 3 Satz 2).103 Die Ablehnung einer vorläufigen Maßnahme ist nicht isoliert anfechtbar.104

V. Erneute Einwendungen 32

1. Nach rechtskräftiger Verwerfung früherer Einwendungen. Auch nach rechtskräftiger Verwerfung der Einwendungen des Verurteilten oder sonstiger Einwendungsberechtigter aufgrund tatsächlicher Erwägungen können diese erneut Einwendungen erheben, wenn sie auf neue Tatsachen oder neue Beweismittel gestützt werden.105 Das gilt wohl auch, wenn über die Anwendbarkeit eines Straffreiheitsgesetzes verneinend entschieden ist.106 Die Entschließung über die erneuten Einwendungen steht zunächst wiederum der Vollstreckungsbehörde zu. Lehnt sie eine Änderung der Ursprungsentscheidung ab, entscheidet wiederum das Gericht.

33

2. Nach Beendigung der Vollstreckung. können Einwendungen im Sinne des § 458 nicht mehr erhoben werden.107

VI. Einwendungen gegen Entscheidungen des Rechtspflegers 34

Über Einwendungen gegen Maßnahmen des Rechtspflegers entscheidet nunmehr nach § 31 Abs. 6 RPflG unmittelbar das Gericht. Die Klärung von Zweifeln bei der Strafzeitberechnung einer Jugendstrafe obliegt nach Beginn der Strafvollstreckung dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter und nicht dem Gericht des ersten Rechtszuges.108 Zur Antragstellung gegenüber dem Gericht sowie zu Stellungnahmen im Verfahren ist ausschließlich der Staatsanwalt berufen (§ 142 Abs. 1 GVG).

VII. Einwendungen gegen Entscheidungen von Strafgerichten der früheren DDR 35

Die Vollstreckung von Entscheidungen eines Strafgerichts der früheren DDR richtete sich bis zur staatlichen Vereinigung beider Teile Deutschlands nach dem Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen (RHG). Trotz seiner Aufhebung durch 101 OLG Celle NStZ 2010 108. 102 OLG Breslau DRZ 1937 Nr. 153; KK/Appl 22; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 27. 103 Wegen der Voraussetzungen, unter denen gegen die Entscheidung nach § 458 Verfassungsbeschwerde nach § 90 BVerfGG zulässig ist, s. BVerfG NJW 1963 756.

104 OLG Nürnberg NStZ 2003 390; OLG Karlsruhe Beschl. vom 20.7.2017 – 2 Ws 162/17; OLG Braunschweig Beschl. vom 11.8.2014 – 1 Ws 205/14; Neuhaus/Putzke ZAP 2008 389, 393.

105 OLG Hamm JMBlNRW 1955 227; OLG Karlsruhe Justiz 1973 291; OLG Düsseldorf MDR 1993 67; OLG Koblenz OLGSt § 458, 19; KK/Appl 22; Meyer-Goßner/Schmitt 14; Bringewat 28. 106 A. A. OLG Braunschweig NdsRpfl. 1951 191; Brandstetter 187. 107 BayObLG BayZ 15 (1919) 328; OLG Dresden HRR 1939 Nr. 605; Bringewat 28. 108 KG StV 2019 471; zum Übergang der Vollstreckungszuständigkeit auf den besonderen Vollstreckungsleiter vgl. AG Pirmasens Beschl. vom 30.1.2018 – 1 VRJs 91/17 jug.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459

den Einigungsvertrag109 wirkt § 15 RHG insofern noch fort,110 als klargestellt wird, dass die Feststellung, die Vollstreckung aus einem Urteil der früheren DDR sei unzulässig, nunmehr auch für die neuen Bundesländer gilt. Sie bildet ein Vollstreckungshindernis,111 dessen Reichweite nunmehr die gesamte Bundesrepublik umfasst.112 In der Vollstreckungspraxis spielen Einwendungen gegen Entscheidungen von Strafgerichten der früheren DDR infolge historischer Überholung inzwischen keine Rolle mehr.

§ 459 Vollstreckung der Geldstrafe; Anwendung des Justizbeitreibungsgesetzes Für die Vollstreckung der Geldstrafe gelten die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Schrifttum Janssen Die Praxis der Geldstrafenvollstreckung (1994); Jekewitz Verfassungsrechtliche Aspekte des strafgerichtlichen Zugriffs auf Geldvermögen und Rückgängigmachung auf dem Gnadenweg, GA 1998 276; Rönnau/Tachau Der Geldstrafenschuldner in der Insolvenz zwischen Skylla und Charybdis? NZI 2007 208; Thewes Die strafvollstreckungsrechtliche Durchsuchungsanordnung, Rpfleger 2006 524.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift behandelte ursprünglich die nachträgliche Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe. Durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 hat die Vorschrift ihren jetzigen Inhalt bekommen. Durch Art. 15 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Durchführung der Rechtsverordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 21.11.2016 (BGBl. I S. 2591, 2601) wurden die früheren Worte „der Justizbeitreibungsordnung“ durch die Worte „des Justizbeitreibungsgesetzes“ ersetzt. Bezeichnung bis 1924: § 491.

I.

Übersicht Allgemeine Bedeutung 1. Entwicklung der Vorschrift a) Frühere Regelung der Vollstreckung von Geldstrafen 1 b) Gründe und Art der Neuregelung 2 2. Anwendungsbereich des Justizbeitreibungsgesetzes 4

3.

II.

Ergänzende Verwaltungsvorschriften 5 Vollstreckungsverfahren 1. Allgemeines 6 2. Geschäfte der Vollstreckungsbehörde a) Einforderung der Geldstrafe 7

109 Vor § 449, 48. 110 Durch Anl. I zum Einigungsvertrag (Überleitung von Bundesrecht) Kap. III Sachgeb. A Abschn. III Nr. 14 Maßgabe e.

111 LR/Hilger24 Nachtr. II EinigungsV Teil C Rn. 38. 112 Wegen weiterer Einzelheiten zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Vollstreckung von Strafgerichten der früheren DDR verhängten Freiheitsstrafen sowie der dazu bestimmten besonderen Maßgaben s. Vor § 449, 49 ff.

283 https://doi.org/10.1515/9783110275025-022

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b) c) 3.

Beitreibung 8 Durchsuchung der Wohnung 9 Beitreibung der Verfahrenskosten 10

III.

4. Rechtsbehelfe Reformüberlegungen

11 12

I. Allgemeine Bedeutung 1. Entwicklung der Vorschrift 1

a) Frühere Regelung der Vollstreckung von Geldstrafen. Der alte § 459 wurde mit dem 1.1.1975 gegenstandslos, da sich jetzt die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe unmittelbar aus § 43 StGB ergibt. Die neuen Vorschriften in §§ 459 bis 459i sind an die Stelle des früheren § 463 getreten, der bestimmte: „Die Vollstreckung der über eine Vermögensstrafe ergangenen Entscheidung richtet sich nach den Vorschriften, die für die Vollstreckungen von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten.“ Dabei wurde der Begriff der Vermögensstrafe im weitesten Sinn verstanden. Er umfasste nicht nur Geldstrafen, sondern auch die „Nebenfolgen“, deren Vollstreckung jetzt in § 459g geregelt ist. Die Verweisung auf die „Vorschriften, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten“, wurde ursprünglich z. T. dahin verstanden, dass sämtliche Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung anzuwenden seien, also auch z. B. die Vorschriften über die formellen Voraussetzungen (Vollstreckungsklausel, Zustellung des Urteils) und diejenigen über die Entscheidung bei Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung mit der Folge, dass nicht das Strafgericht (§ 458 StPO), sondern das Vollstreckungsgericht in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (§§ 764 ff. ZPO) zuständig gewesen wäre. Demgegenüber hatte nach der später durchaus herrschenden Meinung § 463 a. F. nur diejenigen Vorschriften der Zivilprozessordnung im Auge, die die Art und Weise der Ausführung der Vollstreckung betreffen.

2

b) Gründe und Art der Neuregelung. Bei den strafprozessualen Reformarbeiten wurden Bedenken gegen die allgemeine Verweisung auf die Zwangsvollstreckungsvorschriften der Zivilprozessordnung in § 463 a. F. erhoben, weil diese Vorschriften zu sehr auf den Parteibetrieb zugeschnitten seien, als dass sie sich für die Beitreibung öffentlichrechtlicher Geldforderungen des Staates wie Geldstrafen usw. besonders eigneten. Aus diesen Erwägungen wollte schon § 253 des Entwurfs zum StVollzG 1927 die Verweisung des § 463 a. F. aufheben. Es sollte stattdessen grundsätzlich auf die Vorschriften über die Beitreibung von Gerichtskosten verwiesen werden. Aus solchen Gründen verwies dieser und verweist § 90 OWiG wegen der Vollstreckung der durch Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde festgesetzten Geldbußen auf die Verwaltungsvollstreckungsgesetze des Bundes und der Länder. Entsprechend dieser Abkehr von der Verweisung auf die Zwangsvollstreckungsvorschriften der Zivilprozessordnung erklärt nunmehr auch § 459 für die Vollstreckung der Geldstrafe die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes für anwendbar, soweit die Strafprozessordnung nichts Anderes bestimmt. Das Gleiche gilt kraft Verweisung auf § 459 für die Vollstreckung von Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§ 459g Abs. 2, § 1 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG), und für die Vollstreckung einer gerichtlichen Bußgeldentscheidung (§ 91 OWiG). Diese grundsätzliche Geltung der auf die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Ansprüche zugeschnittenen Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes auch für Geldstrafen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG) soll zu einer Beschleunigung und Vereinheitlichung der Geldstrafenvollstreckung beitragen. Die VollstreckungsvorGraalmann-Scheerer

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459

schriften des Zivilprozessrechts, nach denen sich die Geldstrafenvollstreckung nach dem früheren § 463 unmittelbar richtete, erschienen weniger geeignet, die nachdrückliche Vollstreckung sicherzustellen, die erforderlich ist, um der – bei Zurückdrängung der kurzen Freiheitsstrafe erhöhten – Bedeutung der Geldstrafe gerecht zu werden.1 Ist die Einziehung oder Unbrauchbarmachung einer Sache angeordnet, so gilt für 3 die Vollstreckung der Anordnung anstelle des § 463 a. F. jetzt § 459g Abs. 1. 2. Anwendungsbereich des Justizbeitreibungsgesetzes. Die Vorschriften des Jus- 4 tizbeitreibungsgesetzes gelten nach der ausdrücklichen Regelung in § 459 nur, soweit die Strafprozessordnung selbst nichts Anderes bestimmt. Diese Subsidiarität ist z. T. im Justizbeitreibungsgesetz selbst zum Ausdruck gebracht, so wenn § 2 Abs. 1 Satz 1 die Beitreibung von Geldstrafen von der Zuständigkeit der Gerichtskassen als „Vollstreckungsbehörden“ ausnimmt,2 weil sie „den nach den Verfahrensgesetzen für die Vollstreckung dieser Ansprüche zuständigen Stellen“ [also bei Geldstrafen aufgrund eines Strafgesetzes der Vollstreckungsbehörde i. S. der StPO], d. h. nach § 451 der Staatsanwaltschaft obliegt. Die Regelung über Einwendungen gegen den beizutreibenden Anspruch (§ 8 JBeitrG) wird für den Bereich der Geldstrafenvollstreckung durch die Regelung der §§ 458, 459a ff., insbesondere durch § 459o verdrängt.3 § 459o befasst sich dabei nur mit einem Ausschnitt möglicher Einwendungen, und zwar mit Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde nach den in § 459o abschließend aufgeführten Vorschriften (§§ 459a, 459c, 459e sowie 459g bis 459m). 3. Ergänzende Verwaltungsvorschriften. Ergänzt werden die gesetzlichen Vor- 5 schriften über die Geldstrafenvollstreckung durch bundeseinheitliche Verwaltungsvorschriften des Bundes und der Länder, nämlich die Strafvollstreckungsordnung4 (§§ 48 ff., 57 StVollstrO) und die Einforderungs- und Beitreibungsanordnung (EBAO).5

II. Vollstreckungsverfahren 1. Allgemeines. Vollstreckungsbehörde ist nicht die Gerichtskasse, sondern nach 6 § 451 die Staatsanwaltschaft. Für die Vollstreckung der Geldstrafe, d. h. ihre Einforderung und Beitreibung, ist nach § 31 Abs. 2 RpflG der Rechtspfleger zuständig. Grundlage für die Vollstreckung sind das Justizbeitreibungsgesetz (JBeitrG) und die Einforderungs- und Beitreibungsanordnung (EBAO). 2. Geschäfte der Vollstreckungsbehörde a) Einforderung der Geldstrafe. Angeordnet wird sie vom Rechtspfleger (§ 3 Abs. 1 7 EBAO), durchgeführt durch Übersendung einer Zahlungsaufforderung der vom Kostenbeamten der Vollstreckungsbehörde aufgestellten Kostenrechnung über sämtliche einzufordernden Beträge (§ 5 Abs. 1 EBAO), es sei denn, dass Grundlage für die Vollstreckung ein Strafbefehl ist, in dem bereits eine Kostenrechnung und die Aufforderung zur 1 2 3 4 5

Begr. zu Art. 19 Nr. 120 Entw. EGStGB BTDrucks. 7 550 S. 310: zu § 459. KK/Appl 2; Bringewat 2. KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 1, 7; Bringewat 2. In der Fassung vom 1.8.2011, geändert mit Wirkung vom 1.10.2017. Vom 20.11.1974 – BAnz. Nr. 230 – i. d. F. vom 1.7.2017; mit landesrechtlichen Ergänzungen abgedruckt bei Pohlmann/Jabel/Wolf.

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§ 459

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Zahlung enthalten ist (§ 5 Abs. 3 EBAO). Nach Ablauf der Zahlungsfrist und fruchtloser Mahnung sowie Verstreichen der Schonfrist nach § 459c (dort Rn. 1 ff.) ordnet der Rechtspfleger die Beitreibung der Geldstrafe an (§ 2 Abs. 1 JBeitrG; § 7 Abs. 1 EBAO) und leitet die nach §§ 6 ff. JBeitrG vorgesehenen Maßnahmen ein.6 8

b) Beitreibung. Auf die Beitreibung sind im Wesentlichen die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden. Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erlässt der Rechtspfleger der Vollstreckungsbehörde (§ 6 Abs. 2 Satz 2 JBeitrG). Statt des Gerichtsvollziehers wird jedoch ein Vollziehungsbeamter tätig (§ 6 Abs. 3 JBeitrG). Die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 ZPO sowie die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen vollzieht das zuständige Amtsgericht auf Antrag des Rechtspflegers (§ 7 Satz 1 JBeitrG).7

9

c) Durchsuchung der Wohnung. Zwecks Beitreibung der Geldstrafe darf eine vorgesehene Durchsuchung der Wohnung und der Behältnisse des Verurteilten durch den Vollziehungsbeamten der Vollstreckungsbehörde nur aufgrund einer zuvor eingeholten richterlichen Durchsuchungsordnung vorgenommen werden.8 Das folgt daraus, dass die Beitreibung der Geldstrafe nach zivilrechtlichen Vorschriften (Rn. 8), mithin wie eine normale Zwangsvollstreckung, hier nach § 758 ZPO, vorzunehmen ist. Für die Zwangsmaßnahmen nach § 758 ZPO gilt aber uneingeschränkt der verfassungsrechtliche Richtervorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 GG. Zuständig für den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses ist das nach §§ 462, 462a zuständige Gericht des ersten Rechtszugs.9 Eine Ausnahme von der richterlichen Anordnungspflicht ist nur bei Gefahr im Verzug, d. h. für den Fall zulässig, dass anderenfalls durch die herbeizuführende Durchsuchungsanordnung die Beitreibung gefährdet wäre.10 Die Annahme von Gefahr im Verzug zur Beitreibung einer Geldstrafe wird schon mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Vollstreckungspraxis nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein. Insoweit gelten die von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze11 zur Durchsuchungsanordnung wegen Gefahr im Verzug entsprechend.

10

3. Beitreibung der Verfahrenskosten. Sie werden grundsätzlich zusammen mit der Geldstrafe oder den Nebenfolgen beigetrieben, so dass auch insoweit die Strafvollstreckungsbehörde für die Vollstreckung zuständig ist (§ 1 Abs. 4 JBeitrG; § 1 Abs. 4 Satz 2 EBAO). Wird jedoch die Verbindung von Geldstrafe und Kosten von selbst oder durch Anordnung der Vollstreckungsbehörde gelöst (§ 15 EBAO), so ist für die Vollstreckung der Verfahrenskosten die Gerichtskasse zuständig (§ 1 Abs. 5 EBAO).12 Der Kostenansatz obliegt dagegen stets dem Kostenbeamten der Vollstreckungsbehörde (§§ 4, 16 EBAO).

6 7 8 9

KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 5; Röttle/Wagner Rn. 238 ff. KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Röttle/Wagner Rn. 248 ff. BVerfGE 51 97; Kaiser NJW 1980 875; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 6. AG Braunschweig NJW 1980 1968; a. A. Meyer-Goßner/Schmitt 5; Thewes 524 (Amtsgericht, in dessen Bezirk die Durchsuchung vollzogen werden soll). 10 BVerfGE 51 97; Kaiser NJW 1980 875; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 6; Röttle/Wagner 249. 11 Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 105, 2. 12 KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 4.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459a

4. Rechtsbehelfe. Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung der 11 Geldstrafe und der Verfahrenskosten sind nur nach § 458 statthaft. Betreffen sie ausschließlich die Art und Weise, nicht aber die Vollstreckung an sich, gelten die vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe nach § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 JBeitrG.13 Werden Einwendungen gegen die Vollstreckung erhoben, so kann die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckungsmaßnahmen einstweilen einstellen, aufheben oder von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen Abstand nehmen, bis über die Einwendung endgültig entschieden ist (§ 9 JBeitrG).

III. Reformüberlegungen Schon bald nach Inkrafttreten der Neuregelung aufgrund des Art. 21 Nr. 130 EGStGB 12 1974 kam der Wunsch nach Änderungen auf, weil in mancher Hinsicht die jetzt geltenden Vorschriften einen Rückschritt gegenüber dem bis zum 31.12.1974 bestehenden Rechtszustand darstellten. Einem weiteren Änderungsvorschlag des Bundesrats,14 in dem dieser bemängelte, dass die erstrebte Beschleunigung der Vollstreckungsverfahren bei der Mobiliarpfändung nicht erreicht worden sei, weil – abweichend von dem vor dem 1.1.1975 geltenden Recht – die Vollstreckungsbehörde bei der Beitreibung von Geldstrafen usw. Sachpfändungen nur in ihrem Amtsbezirk vornehmen und zu solchen Pfändungen in anderen Bezirken die Amtshilfe der dortigen Vollstreckungsbehörde in Anspruch nehmen soll, hat der Gesetzgeber durch Art. 3 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften vom 1.2.197915 Rechnung getragen. Danach ist es der Vollstreckungsbehörde wieder möglich, Vollstreckungshandlungen bei Mobiliarpfändungen auch außerhalb ihres Amtsbezirks durch einen Vollziehungsbeamten vornehmen zu lassen, der für den Ort der Vollstreckung zuständig ist (§ 2 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Absatz 1 sowie § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 JBeitrG).

§ 459a Bewilligung von Zahlungserleichterungen (1) Nach Rechtskraft des Urteils entscheidet über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafen (§ 42 des Strafgesetzbuches) die Vollstreckungsbehörde. (2) 1Die Vollstreckungsbehörde kann eine Entscheidung über Zahlungserleichterungen nach Absatz 1 oder nach § 42 des Strafgesetzbuches nachträglich ändern oder aufheben. 2Dabei darf sie von einer vorausgegangenen Entscheidung zum Nachteil des Verurteilten nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel abweichen. (3) 1Entfällt die Vergünstigung nach § 42 Satz 2 des Strafgesetzbuches, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, so wird dies in den Akten vermerkt. 2Die Vollstreckungsbehörde kann erneut eine Zahlungserleichterung bewilligen.

13 KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 14 BRDrucks. 242/75. 15 BGBl. I S. 127, 130.

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(4) 1Die Entscheidung über Zahlungserleichterungen erstreckt sich auch auf die Kosten des Verfahrens. 2Sie kann auch allein hinsichtlich der Kosten getroffen werden.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 eingefügt. Durch Art. 1 Nr. 16 OpferschutzG vom 18.12.1986 wurde Absatz 1 durch Satz 2 ergänzt. Durch das 2. JuMoG vom 22.12.2006 wurde der frühere Absatz 1 Satz 2 wieder gestrichen, weil er durch eine entsprechende Ergänzung in § 42 Satz 3 StGB entbehrlich geworden war.

1. 2. 3.

4.

1

Übersicht Vorbild 1 Anwendungsbereich (Absatz 1 Satz 1) 2 Zahlungserleichterungen a) Erkenntnisverfahren 4 b) Vollstreckungsverfahren 5 c) Arten 6 d) Umfang 7 Voraussetzungen a) Erhebliche Gefährdung der Schadenswiedergutmachung 8

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

9 b) Anwendungsgrundsätze Änderungsbefugnis (Absatz 2) 10 Verfallklausel (Absatz 3) 13 Kosten (Absatz 4 Satz 1) 16 Isolierte Kostenzahlungsvergünstigung (Absatz 4 Satz 2) 19 Ausnahme 20 Rechtsbehelfe 21 Ruhen der Vollstreckungsverjährung 22 Nebenfolgen 23

1. Vorbild. § 459a, der nach § 459g Abs. 2 entsprechend auch für die zu einer Geldzahlung verpflichtenden Nebenfolgen gilt, ist dem § 93 OWiG nachgebildet. Dessen Auslegung ist daher auch für die des § 459a von Bedeutung.

2. Anwendungsbereich (Absatz 1 Satz 1). Mit der Rechtskraft des Urteils und der damit eintretenden Vollstreckbarkeit (§ 449) endet die Zuständigkeit des Gerichts zur Gewährung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB. Sie geht auf die Vollstreckungsbehörde über, gegen deren Entscheidungen allerdings Einwendungen erhoben werden können, über die nach § 459o das Gericht entscheidet. Zahlungserleichterungen, die das Gericht gewährt hat, werden naturgemäß durch den Eintritt der Rechtskraft nicht berührt,1 da sie ja gerade dazu bestimmt sind, im Vollstreckungsstadium zu wirken. Jedoch ist die Vollstreckungsbehörde nach Absatz 2 befugt, vom erkennenden Gericht gewährte Erleichterungen nicht nur zugunsten, sondern – aber nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 2 – auch zuungunsten des Verurteilten zu ändern.2 3 Ist eine Zahlungserleichterung gewährende Entscheidung des erkennenden Gerichts nicht ergangen,3 so ist es nach Rechtskraft der gerichtlichen auf Geldstrafe lautenden Entscheidung Sache der Vollstreckungsbehörde, d. h. des Rechtspflegers,4 im Rahmen des kraft der Verweisung in § 459a Abs. 1 auch im Vollstreckungsstadium in vollem Umfang geltenden § 42 StGB über die Gewährung von Zahlungserleichterungen zu entschei-

2

1 LG Frankfurt Rpfleger 1983 326; KK/Appl 2; Fischer § 42, 13; LK/Grube § 42, 24; Röttle/Wagner Rn. 241. 2 KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 3. 3 Zur Verpflichtung des Tatgerichts über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB zu entscheiden, wenn dies nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen naheliegt BGH StV 2019 440 f.; Fischer § 42, 9; LK/Grube § 42, 11; OLG Jena OLGSt StGB § 40 Nr. 18. 4 LG Dresden Beschl. vom 8.4.2019 – 3 Qs 11/19.

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den. Seine Bedeutung als zwingende Vorschrift („… so bewilligt ihm …“) verliert § 42 StGB auch im Vollstreckungsstadium nicht.5 Die Prüfung erfolgt von Amts wegen.6 Im Allgemeinen wird aber erst ein Antrag des Verurteilten den Anstoß dazu geben, namentlich dann, wenn im Erkenntnisverfahren die Frage der Gewährung von Zahlungserleichterungen keine Rolle gespielt oder das Gericht solche sogar entgegen einem förmlichen Antrag nicht gewährt hat. Die Bewilligung von Zahlungserleichterungen ist auch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe jedenfalls dann möglich, wenn bereits zuvor die Vollstreckungsbehörde eine solche von Amts wegen hätte vornehmen müssen.7 Bei Bewilligung von Ratenzahlungen kann auch die Vollstreckungsbehörde eine Verfallklausel (§ 42 Satz 2 StGB) anordnen.8 3. Zahlungserleichterungen a) Erkenntnisverfahren. Durch das 2. JuMoG vom 22.12.2006 wurde die frühere 4 Kann-Regelung in Absatz 1 Satz 2 gestrichen, wonach die Vollstreckungsbehörde Zahlungserleichterungen auch gewähren konnte, wenn ohne die Bewilligung die Wiedergutmachung des durch die Straftat verursachten Schadens durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre. Dabei konnte dem Verurteilten der Nachweis der Wiedergutmachung auferlegt werden.9 Die frühere Regelung aus § 459a wurde jetzt als Satz 3 in § 42 StGB als Soll-Vorschrift eingefügt. Der Gesetzgeber beabsichtigte damit, bereits im Erkenntnisverfahren die Realisierung des dem Opfer einer Straftat verursachten Schadens zu erleichtern und auf diese Weise die Opferinteressen im Hinblick auf die Schadenswiedergutmachung zu stärken.10 b) Vollstreckungsverfahren. Für das Vollstreckungsverfahren verpflichtet der Ge- 5 setzgeber die Vollstreckungsbehörde durch die Bezugnahme auf § 42 StGB in Absatz 1, die Wiedergutmachungsinteressen des Opfers einer Straftat nunmehr stärker als früher zu berücksichtigen. Die Vollstreckungsbehörde hat Zahlungserleichterungen jetzt zwingend zu gewähren, wenn die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen.11 Sie hat diese Frage unabhängig von der Entscheidung im Erkenntnisverfahren zu prüfen. Die Problematik der früheren Anspruchskonkurrenz zwischen Geldstrafe und Kosten einerseits und einem Schadensersatzanspruch des Verletzten gegenüber dem Verurteilten andererseits wird dadurch wesentlich entschärft.12 c) Arten. Zahlungserleichterungen können in der Stundung oder Bewilligung von 6 Teilzahlungen bestehen. Welche Art von Zahlungserleichterung im Einzelfall in Betracht kommt, hängt von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des 5 LG Dortmund StV 1988 112; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 6 OLG Hamburg Rpfleger 1977 65; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; KMR/Stöckel 5; SK/Paeffgen 3. 7 OLG Karlsruhe Beschl. vom 30.9.2015 – 2 Ws 472/15 mit Anm. Rueber-Unkelbach jurisPR-StrafR 2/2016 Anm. 6; vgl. auch BGH FamRZ 2011 554 zu der Frage der Berücksichtigung der auf eine Geldstrafe zu zahlenden Rate bei der Einkommensermittlung nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO sowie OLG Celle Beschl. vom 16.2.2011 – 10 WF 18/11 – zur Berücksichtigung der auf eine Geldbuße zu zahlende Rate (MDR 2011 627). 8 Meyer-Goßner/Schmitt § 459, 2, 3; Bringewat 4. 9 Vgl. zur früheren Regelung in § 459a LR/Wendisch25 4 ff. 10 BTDrucks. 16 3038 S. 50, 58. 11 KK/Appl 3; KMR/Stöckel 7; siehe auch schon BGH NStZ 1990 578; OLG Stuttgart MDR 1993 996; LG Berlin StV 2002 33. 12 Vgl. LR/Wendisch25 6.

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Verurteilten ab. Ggf. bedarf es insoweit zur Aufklärung oder Überprüfung von Angaben des Verurteilten der Einschaltung der Gerichtshilfe nach § 463d. Sofern Zahlungen von vornherein nicht zu erwarten sind, kommt die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nicht in Betracht,13 denn dies würde auf eine Verzögerung bei der Vollstreckung hinauslaufen und wäre mit dem Grundsatz der nachdrücklichen und beschleunigten Vollstreckung (§ 2 StVollstrO) nicht zu vereinbaren. 7

d) Umfang. Der Umfang von Zahlungserleichterungen hängt ebenfalls von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten ab. Bei der Festsetzung eines Stundungszeitraumes oder der Höhe der monatlich zu leistenden Teilbeträge wird aber stets zu berücksichtigen sein, dass die Geldstrafe ihren Zweck nicht verfehlt. Zahlungserleichterungen müssen daher so ausgestaltet sein, dass ein Verurteilter die Verhängung und Vollstreckung der Geldstrafe noch als staatliche Reaktion auf die von ihm begangene Straftat wahrnimmt.14 Eine Obergrenze für die Dauer der Ratenzahlung besteht nicht.15 4. Voraussetzungen

8

a) Erhebliche Gefährdung der Schadenswiedergutmachung. Die Vollstreckungsbehörde soll Zahlungserleichterungen gewähren, wenn anderenfalls die Schadenswiedergutmachung durch den Verurteilten erheblich gefährdet wäre. Eine allgemeine Verschlechterung – etwa durch eine notwendigerweise eintretende gewisse zeitliche Verzögerung – reicht nicht aus. Sie muss schwerwiegenderer Natur sein. Das wird regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn der Verurteilte auf keinen Fall beide Verpflichtungen, Zahlung der Geldstrafe und Schadenswiedergutmachung, gleichzeitig befriedigen kann und zufolge des Vorrangs der Geldstrafe die Realisierung des fälligen Ersatzanspruchs erheblich verzögert werden würde. Ein endgültiger Ausfall der Forderung muss dagegen nicht drohen.

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b) Anwendungsgrundsätze. Die in Rn. 8 dargelegten Erwägungen berücksichtigen die Bedeutung der derzeit wichtigsten strafrechtlichen Sanktion unseres Strafensystems, nämlich der Geldstrafe. Diese darf in dieser Funktion allerdings nicht ausgehöhlt werden, was aber der Fall wäre, wenn der Schadenswiedergutmachung stets der Vorrang gebührte. Die Vollstreckungsbehörde hat vielmehr unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach pflichtgemäßem Ermessen über die Gewährung von Zahlungserleichterungen zu entscheiden mit der Folge, dass bei ihrer Bewilligung die Geldstrafe gegenüber den Schadensersatzansprüchen zwar zeitlich zurücktritt, aber bestehen bleibt.

10

5. Änderungsbefugnis (Absatz 2). Die Vollstreckungsbehörde kann nach pflichtgemäßem Ermessen („kann“) sowohl ihre eigenen eine Zahlungserleichterung gewährenden Entscheidungen wie auch die entsprechenden Entscheidungen des erkennenden Gerichts auf Antrag oder von Amts wegen nachträglich ändern oder aufheben (Satz 1).16 Dabei ist aber zwischen Änderungen zugunsten und solchen zuungunsten des Verur-

13 BGHSt 13 356; OLG Stuttgart MDR 1993 96; LK/Grube § 42, 6. 14 LK/Grube § 42, 1, 7; Fischer § 42, 10; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4; SK/Paeffgen 4; KMR/Stöckel 8; Röttle/Wagner Rn. 241. 15 LG Berlin NStZ 2005 336. 16 KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 8.

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teilten zu unterscheiden.17 In der Abänderung zugunsten der Verurteilten ist die Vollstreckungsbehörde frei. Sie kann z. B. Zahlungsfristen verlängern, bei Bewilligung von Ratenzahlung die Höhe der Raten herabsetzen und/oder die Fristen für die einzelnen Teilzahlungen verlängern. Das wird namentlich dann zu erwägen sein, wenn dadurch die Möglichkeit der Schadenswiedergutmachung erleichtert wird.18 Bejahendenfalls wird die Vollstreckungsbehörde dem Verurteilten dann aber auch die Pflicht auferlegen, die Zahlungen auf den Schadensersatzanspruch nachzuweisen, da sonst eine ordnungsgemäße Abwicklung der Vollstreckung der Geldstrafe gefährdet sein könnte.19 Allerdings würde sie ihr Ermessen überschreiten, wenn sie so niedrige Raten oder so weit gesteckte Zahlungsfristen festsetzen würde, dass die Geldstrafe den Verurteilten nicht mehr spürbar belastet.20 Sie kann auch eine vom erkennenden Gericht oder von ihr selbst angeordnete Verfallklausel (§ 42 Satz 2 StGB) aufheben.21 Zum Nachteil des Verurteilten darf die Vollstreckungsbehörde von Entscheidun- 11 gen des erkennenden Gerichts und von ihren eigenen Entscheidungen, in denen Zahlungserleichterungen gewährt wurden, nur aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel (vgl. §§ 211, 359 Nr. 5) abweichen (Absatz 2 Satz 2).22 Neu sind Tatsachen oder Beweismittel, die dem Gericht (der Vollstreckungsbehörde) bei der Entscheidung noch nicht bekannt waren (einschließlich solcher, die zwar aus den Akten erkennbar waren, bei der Entscheidung aber übersehen wurden)23 und die in Verbindung mit den früher bekannten Tatsachen und Beweismitteln die bisherige Entscheidungsgrundlage zu beseitigen geeignet sind. Dies gilt z. B., wenn eine entscheidungserhebliche Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist oder etwa nachträglich bekannt wird, dass der Verurteilte über Nebeneinkünfte verfügt usw. Unter diesen Voraussetzungen kann die Vollstreckungsbehörde die bisherigen Zahlungserleichterungen auch zum Nachteil des Verurteilten aufheben oder ändern, z. B. gewährte Zahlungsfristen abkürzen, bei Bewilligung von Ratenzahlung die Raten erhöhen und/oder die Teilzahlungsfristen abkürzen. Sie kann auch, wenn in der Entscheidung Ratenzahlung ohne Anordnung einer Verfallklausel (§ 42 Satz 2 StGB) bewilligt war, unpünktliche oder ausbleibende Teilzahlungen zum Anlass nehmen, eine Verfallklausel anzufügen. Absatz 2 lässt auch eine mehrfache Änderung der getroffenen Anordnung im Lauf 12 des Vollstreckungsstadiums zu,24 wobei die jeweils zuletzt getroffene Entscheidung diejenige ist, von der gemäß Absatz 2 Satz 2 die Vollstreckungsbehörde zuungunsten des Verurteilten nur aufgrund neuer Tatsachen und Beweismittel abweichen darf. 6. Verfallklausel (Absatz 3). Bei Anordnung einer Verfallklausel nach § 42 Satz 2 13 StGB, mag sie vom erkennenden Gericht oder von der Vollstreckungsbehörde angeordnet sein, entfällt mit der nicht rechtzeitigen Zahlung einer Rate – unabhängig davon, ob den Verurteilten ein Verschulden trifft oder nicht – automatisch die Ratenzahlungsbe-

17 18 19 20

OLG Hamburg Rpfleger 1977 65; KK/Appl 5 f.; Meyer-Goßner/Schmitt 1, 3. Meyer-Goßner/Schmitt 3. KK/Appl 4. KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KK/Appl 5; Fischer § 42, 10; LK/Grube § 42, 1, 7; SK/Paeffgen 4; Röttle/Wagner Rn. 241; Bringewat 8. 21 KK/Appl 7. 22 KK/Appl 6; KMR/Stöckel 14; SK/Paeffgen 7. 23 KK/Appl 6; KMR/Stöckel 14; Meyer-Goßner/Schmitt 5; SK/Paeffgen 7; AnwK-StPO/Kirchhof 4; Bringewat 9; a. A. Volckart/Pollähne/Woynar Rn. 219. 24 KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 10.

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willigung. Dieser automatische Wegfall der Vergünstigung soll die Vollstreckung von Geldstrafen beschleunigen. 14 Bei dieser Sachlage braucht die Vollstreckungsbehörde die richterliche Bewilligung nicht ausdrücklich aufzuheben. Es genügt, dass sie insoweit einen Aktenvermerk fertigt. Der in Absatz 3 Satz 1 vorgeschriebene Aktenvermerk hat deshalb – ebenso wie bei der entsprechenden Vorschrift des § 93 Abs. 4 OWiG, der § 459a Abs. 3 Satz 1 nachgebildet ist – lediglich innerdienstliche Bedeutung. Er soll nach der Entstehungsgeschichte lediglich sicherstellen, dass die Vollstreckungsbehörde das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 Satz 2 StGB geprüft hat, bevor sie die Vollstreckung einleitet oder eine bereits früher eingeleitete und durch Zahlungserleichterungsanordnungen unterbrochene Vollstreckung fortsetzt.25 Es ist also nicht etwa der Sinn des Aktenvermerks eine Klarstellung,26 dass die Vollstreckungsbehörde nicht nur das Ausbleiben der Rate, sondern darüber hinaus auch die wirtschaftlichen Verhältnisse allgemein geprüft und in ihnen kein Hindernis für die Einleitung oder Fortsetzung der Vollstreckung gefunden hat. Der Aktenvermerk unterliegt keiner Anfechtung. Bei Entfallen der Vergünstigung nach § 42 Satz 2 StGB sollte der Verurteilte darüber schriftlich unterrichtet werden. Unter Umständen kann er Gründe vortragen, aus denen sich ergibt, dass er ohne Verschulden verhindert war, den ihm gewährten Zahlungserleichterungen zeitgerecht nachzukommen und die der Vollstreckungsbehörde Anlass zur Prüfung geben können, ob die gewährten Zahlungserleichterungen neu – ggf. abgeändert – nochmals gewährt werden können.27 Nach Satz 2 ist der automatische Wegfall der Vergünstigung insofern nicht endgül15 tig, als er die Bewilligung einer erneuten Zahlungserleichterung nicht ausschließt,28 wobei vorzugsweise an den Fall zu denken ist, dass der Verurteilte die unpünktliche Zahlung nachträglich entschuldigt. Diese erneute Zahlungserleichterung kann auch in der Wiederbewilligung von Ratenzahlung mit Verfallklausel bestehen. 7. Kosten (Absatz 4 Satz 1). Während § 42 StGB keine Vorschrift über die Auswirkung gerichtlich bewilligter Zahlungserleichterungen auf die Verfahrenskosten enthält, sieht Absatz 4 Satz 1 vor, Zahlungserleichterungen auch auf die Kosten des Verfahrens (§ 464a Abs. 1) zu erstrecken, weil dies zweckmäßig erscheint, um eine einheitliche Entscheidung, unter Berücksichtigung aller im Zusammenhang mit der konkreten Verurteilung aufgeworfenen Gesichtspunkte, sicherzustellen.29 Die Bedeutung des Absatzes 4 Satz 1 besteht also darin, dass die Gewährung von gerichtlichen Zahlungserleichterungen sich automatisch auf die Verfahrenskosten erstreckt. Auf diese Weise werden Geldstrafe und Kosten zu einer Einheit zusammengefasst.30 Eine derartige einheitliche Entscheidung sicherte zwar auch früher schon § 12 EBAO. 17 Absatz 4 hat aber einen erweiterten Anwendungsbereich und eröffnet im Zusammenhang mit § 459o die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung. Die Wirkung des Absatzes 4 zeigt sich z. B. darin, dass die Bewilligung einer Zahlungsfrist für die Geldstrafe sich auch auf die Verfahrenskosten erstreckt und an der Bewilligung von Ratenzahlungen auch die Verfahrenskosten teilnehmen. Wegen der Verrechnung von Teilzahlungen auf die aus Strafe und Kosten bestehende Schuldsumme gilt § 459b. Die Vollstreckungsbehörde kann bei der Bewilligung von Teilzahlungen nicht davon abwei-

16

25 26 27 28 29 30

Göhler/Seitz/Bauer § 93, 3; KMR/Stöckel 17; Meyer-Goßner/Schmitt 6; SK/Paeffgen 8; Bringewat 11. KK/Appl 7. So auch SK/Paeffgen 8. KK/Appl 7; KMR/Stöckel 17; Bringewat 12. BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 120 (zu § 459a); Bringewat 13, 14. KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 7.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459a

chen, also z. B. nicht anordnen, dass Teilbeträge zunächst auf die Kosten anzurechnen seien, wodurch praktisch die Kostenschuld unter den Druck der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gestellt wäre.31 Kosten und Auslagen, die der Verurteilte einem anderen Verfahrensbeteiligten (Pri- 18 vat- und Nebenkläger) zu erstatten hat (§ 464b), gehören nicht zu den Verfahrenskosten i. S. des Absatzes 4. 8. Isolierte Kostenzahlungsvergünstigung (Absatz 4 Satz 2). Nach Satz 2 kann 19 (Ermessensentscheidung) eine Zahlungserleichterung (unter den Voraussetzungen des in Absatz 1 in Bezug genommenen § 42 StGB) auch allein hinsichtlich der Kosten angeordnet werden. Dies gilt sowohl dann, wenn eine Zahlungserleichterung hinsichtlich der Geldstrafe abgelehnt wird (z. B. weil nach weitgehenden Zahlungen auf die Geldstrafe zwar die Zahlung des verhältnismäßig kleinen Strafrestes nicht unzumutbar i. S. des § 42 StGB erscheint, wohl aber die sofortige Zahlung der u. U. beträchtlichen Verfahrenskosten), wie auch dann, wenn die Vollstreckung der Geldstrafe durch vollständige Zahlung erledigt ist, nicht aber, wenn das Gericht nicht auf eine Geldstrafe, sondern nur auf eine Freiheitsstrafe erkannt hat.32 Auch eine gerichtlich angeordnete Zahlungserleichterung für die Geldstrafe kann nach dem Wortlaut des Satzes 2 durch die Vollstreckungsbehörde auf die Verfahrenskosten erstreckt werden. 9. Ausnahme. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der automatischen Erstreckung 20 einer Erleichterung für die Geldstrafe auf die Verfahrenskosten enthält § 459d Abs. 2. Danach entscheidet das Gericht, wenn es hinsichtlich der Geldstrafe eine Unterbleibensanordnung erlässt, über die Erstreckung auf die Verfahrenskosten nach seinem pflichtgemäßen Ermessen („kann“). 10. Rechtsbehelfe. Hinsichtlich Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen nach 21 § 459a: § 459o. Wegen der Zuständigkeit des Gerichts s. § 462 Abs. 1 Satz 1, § 462a Abs. 2. 11. Ruhen der Vollstreckungsverjährung. Wegen des Ruhens der Vollstre- 22 ckungsverjährung bei Zahlungserleichterungen vgl. § 79a Nr. 2 Buchst. c StGB. Diese Vorschrift gilt auch bei Zahlungserleichterungen, die im Gnadenweg bewilligt werden. 12. Nebenfolgen. Eine Gewährung von Zahlungserleichterungen bei der Einziehung 23 (§§ 73 ff. StGB) sieht das materielle Recht nicht vor. Allerdings gelten für die Vollstreckung von Nebenfolgen, die zu einer Zahlung verpflichten, nach § 459g Abs. 2 i. V. m. § 459a die Regelungen wie für die Vollstreckung einer Geldstrafe,33 wobei nach § 459c Abs. 3 nicht in den Nachlass vollstreckt werden darf und die Anordnung einer Ersatzfreiheitsstrafe ausscheidet.34 Die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB), die Einziehung des Wertes von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten (§ 74c StGB) sowie 31 Vgl. dazu auch § 12 Abs. 2 EBAO: 1Ist die Höhe der Kosten dem Zahlungspflichtigen noch nicht mitgeteilt worden, so ist dies bei der Mitteilung der Zahlungserleichterungen nachzuholen. 2Die Androhung künftiger Zwangsmaßnahmen für den Fall der Nichtzahlung der Kosten unterbleibt dabei. 3Einer Mitteilung der Höhe der Kosten bedarf es nicht, wenn das dauernde Unvermögen der Kostenschuldnerin oder des Kostenschuldners zur Zahlung feststeht. 32 KK/Appl 8; KMR/Stöckel 19; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Bringewat 15; OLG Frankfurt NStZ-RR 2006 159. 33 BGH NStZ 2012 382; KK/Appl 12; Rettke NZWiSt 2019 338 ff. 34 BGHSt 55 174.

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§ 459b

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die Abführung des Mehrerlöses (§ 8 WiStG) stellen Nebenfolgen mit der Verpflichtung zur Geldzahlung dar, bei denen § 459a über den Verweis in § 459g Abs. 2 entsprechend anwendbar ist.

§ 459b Anrechnung von Teilbeträgen Teilbeträge werden, wenn der Verurteilte bei der Zahlung keine Bestimmung trifft, zunächst auf die Geldstrafe, dann auf die etwa angeordneten Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, und zuletzt auf die Kosten des Verfahrens angerechnet. Schrifttum Jesse Aus der vollstreckungsrechtlichen Zauberkiste: Verhindert die Zahlung auf eine Einzelgeldstrafe die vollständige Vollstreckung einer Gesamtfreiheitsstrafe, NStZ 2017 69; Kühn Zum Entnahmerecht des Gerichtsvollziehers nach § 6 GVKostG bei der Vollstreckung von Geldstrafen und nicht ausreichender Zahlung des Vollstreckungsschuldners, DGVZ 1978 40; Siggelkow Anrechnung von Zahlungen auf eine nachträglich gebildete Gesamtgeldstrafe, Rpfleger 1999 245; Zeitler Anrechnung von Zahlungen auf Gesamtstrafe, Rpfleger 1998 460; ders. Einzelne Probleme bei der Vollstreckung einer Gesamtstrafe, Rpfleger 2005 70.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 eingefügt.

1. 2.

Übersicht Anwendungsbereich 1 Grundgedanke der Vorschrift

4

3. 4.

Mehrheit von Schuldtiteln Rechtsbehelfe 7

6

1. Anwendungsbereich. § 459b, der dem § 94 OWiG nachgebildet ist, betrifft die Anrechnung von Teilbeträgen auf die gesamte der Staatskasse als Folge einer Verurteilung geschuldete, aus Geldstrafe und Verfahrenskosten bestehende Geldsumme in zwei Gruppen von Fällen. Bewilligung von Zahlungserleichterungen Dem Verurteilten sind Zahlungserleichterungen in Form der Zahlung in bestimm2 ten Teilbeträgen bewilligt worden, die sich auf eine Geldstrafe (§ 42 StGB, § 459a), angeordnete Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§§ 73c, 74c StGB, § 8 WiStG, § 459g Abs. 2), oder die Kosten des Verfahrens (§ 459a Abs. 4, § 459d Abs. 2) beziehen können. Leistet er Teilbeträge, so richtet sich deren Verrechnung nach § 459b. Keine Bewilligung von Zahlungserleichterungen Dem Verurteilten sind keine Zahlungserleichterungen dieser Art bewilligt worden. 3 Vielmehr hat die Vollstreckungsbehörde die Einforderung angeordnet (§ 3 EBAO), und der Verurteilte hat auf der Grundlage der von dem Kostenbeamten aufgestellten Kostenrechnung, in die sämtliche einzufordernden Beträge aufgenommen sind, eine Zahlungsaufforderung erhalten (§§ 4, 5 EBAO). Reicht die auf die Zahlungsaufforderung entrichtete Einzahlung zur Tilgung des ganzen eingeforderten Betrages nicht aus, so ist auch dann § 459b anwendbar (vgl. § 6 EBAO: „Reicht die auf die Zahlungsaufforderung entrichtete Einzahlung zur Tilgung des ganzen eingeforderten Betrages nicht aus, so richtet 1

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sich die Verteilung nach den kassenrechtlichen Vorschriften, soweit § 459b StPO, § 94 OWiG nichts anderes bestimmen“).1 2. Grundgedanke der Vorschrift. Trifft der Verurteilte keine Bestimmung über 4 die Anrechnung der Teilzahlung, so ist die Anrechnungsreihenfolge so geregelt, dass zuerst die dem Verurteilten jeweils nachteiligeren Folgen beseitigt werden. Daher wird die Teilzahlung zunächst auf die Geldstrafe angerechnet, weil die Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollstreckt wird, soweit die Geldstrafe entrichtet wird (§ 459e Abs. 4).2 Dabei hat auch die Zahlung eines Teil- oder Teilrestbetrages, der nicht einem vollen Tagessatz entspricht, die in § 459e Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 bezeichnete Wirkung (s. § 459e, 8 ff.).3 Trifft der Verurteilte eine Bestimmung, so hat diese den Vorrang, weil er u. U. an 5 einer solchen Selbstbestimmung ein Interesse haben kann, etwa wenn ihm daran liegt, zunächst eine zur Geldzahlung verpflichtende Nebenfolge zu erledigen, um dadurch einer Sicherstellung nach §§ 111b ff. den Boden zu entziehen.4 Eine solche Bestimmung kann der Verurteilte aber im Interesse der Ordnung des Kassenwesens nur (spätestens) bei der Zahlung, d. h. zwar vor der Zahlung, aber nicht mehr nachher treffen. Dass er die Bestimmung unmittelbar in Person trifft, ist nicht erforderlich. Sie kann auch durch einen von ihm Bevollmächtigten erfolgen.5 3. Mehrheit von Schuldtiteln. § 459b hat zwar in erster Linie den Fall im Blick, dass 6 aufgrund desselben Titels (Urteil, Gesamtstrafenbeschluss, Strafbefehl) mehrere dem Rechtsgrund nach verschiedene Geldleistungen der Staatskasse geschuldet werden. Die Vorschrift gilt aber auch (mindestens entsprechend), wenn aus verschiedenen Titeln dem Rechtsgrund nach gleiche oder verschiedene Geldzahlungen der in § 459b bezeichneten Art geschuldet werden, z. B. Geldstrafen aus verschiedenen Urteilen, ohne dass die Voraussetzungen zur Bildung einer Gesamtstrafe vorliegen.6 Hat der Betroffene mehrere Geldstrafen zu begleichen, aber keine Bestimmung – das wäre auch durch Angabe eines der in Betracht kommenden Aktenzeichen möglich – darüber getroffen, auf welche Geldleistung die Teilzahlung anzurechnen ist, so ist sie entsprechend dem Grundgedanken des § 366 Abs. 1 BGB auf diejenige anzurechnen, die am ehesten verjährt.7 Das deckt sich, wenn die Vollstreckung mehrerer Ersatzfreiheitsstrafen angeordnet ist (§ 459e), mit der in der Strafvollstreckungsordnung getroffenen Regelung. Ersatzfreiheitsstrafen werden nach § 50 Abs. 1 StVollstrO nach den für die Vollstreckung primärer Freiheitsstrafen geltenden Vorschriften vollstreckt, also gemäß § 43 Abs. 2 StVollstrO die kürzeren vor den längeren, gleich lange in der Reihenfolge, in der die Rechtskraft eingetreten ist. Es wird also beim Zusammentreffen einer Ersatzfreiheitsstrafe aus einer Geldstrafe bis zu 30 Tagessätzen mit einer Ersatzfreiheitsstrafe aus einer Geldstrafe von mehr als 30 Tagessätzen (vgl. § 79 Abs. 3 Nr. 4, 5 StGB) zunächst die kürzere (und früher verjährende) vor der längeren (und später verjährenden) Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt. 4. Rechtsbehelfe. Wegen der Anfechtungsmöglichkeiten s. § 459o, 7. 1 2 3 4 5 6 7

Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 3. KK/Appl 1. KK/Appl 1. KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 2. Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 2. KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 4. Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 4; Göhler/Seitz/Bauer § 94, 3.

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§ 459c

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§ 459c Beitreibung der Geldstrafe (1) Die Geldstrafe oder der Teilbetrag der Geldstrafe wird vor Ablauf von zwei Wochen nach Eintritt der Fälligkeit nur beigetrieben, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, daß sich der Verurteilte der Zahlung entziehen will. (2) Die Vollstreckung kann unterbleiben, wenn zu erwarten ist, daß sie in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen wird. (3) In den Nachlaß des Verurteilten darf die Geldstrafe nicht vollstreckt werden. Schrifttum Bittmann Nochmals: Geldstrafen und Insolvenzanfechtung, wistra 2009 15; Fortmann Vollstreckung von Geldstrafen im Insolvenzverfahren und im Restschuldbefreiungsverfahren, ZInsO 2005 140; Franke Keine Vollstreckung von Geldstrafen gegen Personen im Insolvenzverfahren? NStZ 1999 548; Janca/Heßlau Geldstrafen und Geldbußen in der Insolvenz, ZInsO 2012 2128; Janca/Schroeder/Baron Strafrecht und Insolvenzrecht, wistra 2015 409; Heinze Geldstrafen als Insolvenzforderungen, ZVI 2006 14; Kemperdick Zur Zulässigkeit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe bei insolvenzrechtlicher Anfechtung der Zahlung der Geldstrafe, ZInsO 2010 1307; Klaproth Ausgewählte Auswirkungen der Insolvenz des Beschuldigten auf ein Steuerstrafverfahren, wistra 2008 174; Lissner Die Geldstrafenvollstreckung in der Insolvenz, ZVI 2013 137; Pape Vollstreckung von Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen während des Insolvenzverfahrens, InVo 2006 454; ders. Ersatzfreiheitsstrafe und Alternativen bei offenen Geldstrafen im Insolvenzverfahren, ZVI 2007 7; Rein Insolvenzanfechtung der Zahlung einer Geldstrafe, NJW-Spezial 2014 661; Rinjes Zur Anfechtbarkeit von Zahlungen auf Geldstrafe im Insolvenzverfahren, wistra 2008 336; ders. Schlusswort: Zur Anfechtbarkeit von Zahlungen auf Geldstrafen im Insolvenzverfahren, wistra 2009 16; Rönnau Der Geldstrafenschuldner in der Insolvenz – zwischen Skylla und Charybdis? NZI 2007 208; Sternal Die Rechtsprechung zum Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren im Jahr 2007, NZI 2008 329; Vallender/Elschenbroich Konflikte zwischen dem Straf- und Insolvenzrecht bei der Vollstreckung von Geldstrafen im Verbraucherinsolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren, NZI 2002 230; Zeitler Einflüsse des Insolvenzverfahrens auf die Vollstreckung von Geldsanktionen, Rpfleger 2012 113.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 eingefügt. Übersicht 1. Schonfrist (Absatz 1 1. Hs.) a) Zweck 1 b) Beginn 2 c) Wirkung und Verfahren nach Ablauf der Schonfrist 3 d) Durchführung der Vollstreckung 4 e) Teilbetrag 5 f) Vollstreckung während der Schonfrist 6 2. Entfallen der Schonfrist (Absatz 1 letzter Hs.) 7 3. Unterbleiben der Vollstreckung wegen zu erwartender Erfolglosigkeit (Absatz 2)

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a) b) c)

4.

5. 6.

Sinn und Zweck 8 Erfolglosigkeit 10 Wirkung der Unterbleibensanordnung 11 Tod des Verurteilten (Absatz 3) a) Abkehr vom früheren Recht 12 b) Erlöschen der Geldstrafe 13 c) Bedeutung für Nebenfolgen 14 Einbeziehung der Geldstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe 15 Rechtsbehelfe 16

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

Alphabetische Übersicht Bewilligung von Teilzahlungen 5 Erfolglosigkeit von Beitreibungsmaßnahmen 10 Erlöschen der Geldstrafe 13 Fälligkeit 1 f. Gesamtfreiheitsstrafe 15 Nebenfolgen 14 Ratenzahlung 5 Rechtsbehelfe 16

§ 459c

Schonfrist 1 ff. – Beginn 2 – Entfallen 7 – Vollstreckung 6 – Wirkung 3 Tod des Verurteilten 12 ff. Unterbleibensanordnung 8 ff., 11

1. Schonfrist (Absatz 1 1. Hs.) a) Zweck. Eine auf Geldstrafe (oder eine zu einer Geldzahlung verpflichtende Ne- 1 benfolge, § 459g Abs. 2) lautende Entscheidung wird zwar – wie Strafurteile im Allgemeinen – mit Eintritt der formellen Rechtskraft vollstreckbar (§ 449 i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).1 Nach § 459c Abs. 1, der dem § 95 Abs. 1 OWiG nachgebildet ist, dürfen indessen Beitreibungsmaßnahmen grundsätzlich erst ergriffen werden, wenn seit Eintritt der Fälligkeit zwei Wochen verstrichen sind. Denn mit der sofortigen Beitreibung können für den Verurteilten erhebliche Nachteile verbunden sein, während die Belange der Strafvollstreckung durch einen Aufschub der Beitreibung um zwei Wochen in der Regel nicht wesentlich berührt werden.2 Die Schonfrist ermöglicht es dem Verurteilten insbesondere, sich um die Beschaffung des zur Zahlung erforderlichen Geldbetrages, der nicht sofort verfügbar ist, zu bemühen oder auch bei der Vollstreckungsbehörde um Zahlungserleichterungen (§ 459a) nachzusuchen und sich unter Umständen die erforderlichen Unterlagen zu beschaffen. b) Beginn. Die Schonfrist beginnt nicht mit der Rechtskraft der Entscheidung, son- 2 dern mit dem Eintritt der Fälligkeit. Eintritt der Rechtskraft und Eintritt der Fälligkeit fallen auseinander, wenn bereits das erkennende Gericht gemäß § 42 StGB Zahlungserleichterungen bewilligt hat.3 Eine ohne solche Anordnung mit Rechtskraft der Entscheidung eingetretene Fälligkeit wird mit rückwirkender Kraft aufgehoben, wenn die Vollstreckungsbehörde nach Rechtskraft gemäß § 459a Zahlungserleichterungen bewilligt. Die Fälligkeit tritt dann erst ein, wenn bewilligte Zahlungsfristen abgelaufen oder bei Ratenzahlungsanordnung die Voraussetzungen einer Verfallklausel (§ 42 Satz 2 StGB, § 459a Abs. 1) eingetreten sind oder die Vollstreckungsbehörde unter den Voraussetzungen des § 459a Abs. 2 Satz 2 durch Änderung oder Aufhebung früher bewilligter Vergünstigungen den rascheren Eintritt der Fälligkeit zum Nachteil des Verurteilten herbeigeführt hat.4 Den Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde stehen entsprechende im Gnadenweg getroffene Anordnungen in ihrer Wirkung gleich. Ohne Bedeutung ist § 459c, wenn eine die Vollstreckung der Geldstrafe betreffende Unterbleibensanordnung nach § 459d ergeht, während eine Unterbleibensanordnung bezüglich der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe (§ 459f) – an sich – an der Fälligkeit der Geldstrafe nichts ändert (vgl. dazu § 459f, 8).

1 2 3 4

KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 2; Röttle/Wagner Rn. 246. BTDrucks. 7 550 S. 310, Begr. zu Art. 19 Nr. 120 Entw. EGStGB 1974: zu § 459c. Meyer-Goßner/Schmitt 2. KK/Appl 2; Bringewat 2.

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§ 459c

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c) Wirkung und Verfahren nach Ablauf der Schonfrist. Während der gesetzlichen Schonfrist besteht ein Verbot der Beitreibung, d. h. der Vollstreckung im engeren Sinn (vgl. § 459 i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG: „Die Vollstreckung darf erst beginnen, wenn der beizutreibende Anspruch fällig ist“). Im Normalfall beginnt die Beitreibung allerdings nicht schon mit dem Ablauf der Schonfrist. Soweit nicht Zahlungserleichterungen bewilligt sind, erhält nämlich der Verurteilte eine Zahlungsaufforderung mit einer die Schonfrist berücksichtigenden Zahlungsfrist. Nach deren vergeblichem Ablauf soll er aber vor Anordnung der Beitreibung in der Regel zunächst besonders gemahnt werden (§ 5 Abs. 2 JBeitrG; §§ 5, 7 Abs. 1 EBAO), außer wenn damit zu rechnen ist, dass er die Mahnung unbeachtet lassen wird (§ 7 Abs. 2 EBAO).5 Geht dann binnen einer angemessenen Frist nach Absendung der Mahnung (nur bei Verzicht auf Mahnung: binnen einer Woche nach Ablauf der Zahlungsfrist) keine Zahlungsanzeige ein, so bestimmt die Vollstreckungsbehörde, sofern sie sich nicht zur Einräumung von Zahlungserleichterungen entschließt, welche Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden sollen (§ 8 Abs. 1, 3 EBAO).

4

d) Durchführung der Vollstreckung. Die §§ 6 ff. JBeitrG enthalten eine Zusammenstellung der für die Vollstreckung in Betracht kommenden Vorschriften, wobei weitgehend auf die Zwangsvollstreckungsvorschriften der Zivilprozessordnung verwiesen wird, die sinngemäß und namentlich mit der Maßgabe anwendbar sind, dass an die Stelle des Gläubigers die Vollstreckungsbehörde (§ 6 Abs. 2 Satz 1 JBeitrG), an die des Gerichtsvollziehers der Vollziehungsbeamte (§ 6 Abs. 3 Satz 1 JBeitrG) tritt und bei der Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte die Vollstreckungsbehörde, und zwar der Rechtspfleger (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RPflG)6 den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlässt. Weitere Einzelheiten regeln §§ 8 ff. EBAO. Als Grundsatz gilt, dass diejenigen Vollstreckungsmaßnahmen anzuwenden sind, die nach Lage des Einzelfalls am schnellsten und sichersten zum Ziel führen, wobei aber auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten und seiner Familie Rücksicht zu nehmen ist, soweit das Vollstreckungsziel hierdurch nicht beeinträchtigt wird (§ 8 Abs. 4 EBAO).7 Beschränkende Vorschriften gelten für die Immobiliarzwangsvollstreckung. So soll ein Antrag auf Einleitung eines Zwangsversteigerungs- oder Zwangsverwaltungsverfahrens nur gestellt werden, wenn ein Erfolg zu erwarten und das Vollstreckungsziel nicht anders zu erreichen ist (§ 8 Abs. 6 Satz 1 EBAO). Wegen der Zulässigkeit von Einwendungen vgl. § 459, 11 sowie §§ 459, 4 und 459o, 1 ff.

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e) Teilbetrag. Ist Ratenzahlung ohne Verfallklausel (§ 42 Satz 2 StGB) bewilligt, so gilt die Schonfrist auch bei der Vollstreckung wegen einer nicht fristgemäß gezahlten Rate. Dieser Fall einer Vollstreckung nur wegen einer Rate dürfte, wenn es sich nicht nur um die letzte Rate handelt, selten sein. Im Allgemeinen wird wohl, wenn nicht bereits das erkennende Gericht oder die Vollstreckungsbehörde (§ 459a Abs. 1) bei der Bewilligung von Teilzahlungen eine Verfallklausel angeordnet hat, mit deren Auslösung die Fälligkeit der ganzen Restschuld eintritt (dazu § 459a Abs. 3), die Vollstreckungsbehörde sich veranlasst sehen, gemäß § 459a Abs. 2 Satz 1, 2 die Fälligkeit der Restschuld herbeizuführen.

5 KK/Appl 3; Bringewat 3. 6 KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 7. 7 KK/Appl 7.

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f) Vollstreckung während der Schonfrist. Der Verurteilte kann nach § 459o Ein- 6 wendungen erheben. Welche Wirkungen eine unzulässigerweise vor Ablauf der Schonfrist betriebene Beitreibung auf die Vollstreckungsmaßnahme, z. B. eine Mobiliarpfändung, hat, ist streitig. Wohl überwiegend wird unter Hinweis auf RGZ 125 286 zu dem vergleichbaren Fall einer Verletzung der Wartefrist des § 798 ZPO angenommen, dass die vorzeitige Vollstreckungsmaßnahme zwar mangelhaft ist, der Ablauf der Schonfrist jedoch den Mangel ex nunc heilt. Doch bleiben vorher begründete Rechte Dritter unberührt.8 Denn die Wiederholung der Beitreibungsmaßnahme nach Ablauf der Frist würde eine reine Formalität bedeuten, die vom Zweck des Gesetzes, dem Betroffenen eine Zahlungsfrist zu gewähren, nicht gefordert wird. 2. Entfallen der Schonfrist (Absatz 1 letzter Hs.). Sofortige Vollstreckung nach 7 Eintritt der Rechtskraft ist zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen erkennbar ist, dass sich der Verurteilte der Zahlung entziehen will.9 Die Erkennbarkeit des Entziehungsvorsatzes als eines inneren Vorgangs muss sich nach außen in bestimmten Tatsachen dokumentieren. Solche Prognosen auf der Grundlage bestimmter Tatsachen sieht das Gesetz auch in anderen Fällen vor (z. B. § 112 Abs. 2, § 112a Abs. 1). Dem folgt § 459c. Die Bestimmung verwendet die in neueren Vorschriften der StPO übliche Beschreibung der Voraussetzungen eines „Handelns auf Verdacht“,10 so dass bloße Vermutungen oder auch ein hoher, aber nicht auf bestimmte konkrete Tatsachen sich gründender Verdacht nicht genügen.11 Bloße Nichtzahlung ist keine „Entziehung“.12 Dazu gehört vielmehr Vorsatz der Vollstreckungsvereitelung, etwa durch Verbringung des pfändbaren Vermögens ins Ausland, durch häufigen Aufenthalts- oder Wohnungswechsel, um Pfändungen zu entgehen usw. Über Maßnahmen zur Sicherung der Vollstreckung von Geldstrafe und Kosten schon vor Rechtskraft des auf Geldstrafe lautenden Urteils vgl. § 111e.13 Wegen der Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit vgl. § 459e, 14 ff. 3. Unterbleiben der Vollstreckung wegen zu erwartender Erfolglosigkeit (Absatz 2) a) Sinn und Zweck. § 459c Abs. 2 ist in wesentlich abgewandelter Form an die Stel- 8 le des § 28a Abs. 2 a. F. StGB getreten, der bestimmte: „Der Versuch, die Geldstrafe beizutreiben, kann unterbleiben, wenn mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß sie aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten nicht beigetrieben werden kann.“ Aus der Vollstreckungspflicht der Vollstreckungsbehörde (§ 449, 6) ergibt sich an sich, dass sie zunächst die rechtskräftig erkannte Geldstrafe beizutreiben oder wenigstens ihre Beitreibung zu versuchen hat. Grundsätzlich ist die Geldstrafe erst dann als uneinbringlich i. S. von § 43 StGB anzusehen, wenn die Beitreibungsmaßnahmen (Rn. 4) sich als erfolglos

8 Meyer-Goßner/Schmitt 2; für das Bußgeldverfahren: Göhler/Seitz/Bauer § 95, 3; KK-OWiG/Mitsch § 95, 7; a. A. SK/Paeffgen 4; KMR/Stöckel 3.

9 KK/Appl 7; KMR/Stöckel 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; SK/Paeffgen 5; Bringewat 4; Röttle/Wagner Rn. 246. 10 BTDrucks. 7 550 S. 310, Begr. zu Art. 19 Nr. 120 Entw. EGStGB 1974: zu § 459c. 11 KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 4. 12 KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 4. 13 Im Einzelnen LR/Johann § 111e, 35.

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erweisen. Erst dann – die Vorschrift ist also eng auszulegen14 – tritt die Ersatzfreiheitsstrafe an die Stelle der Geldstrafe. 9 Die Bedeutung des Absatzes 2, dessen Vorbild in abgewandelter Form § 95 Abs. 2 OWiG ist, besteht darin, dass er es zulässt, auch ohne vorausgegangene Beitreibungsversuche die Geldstrafe schon als uneinbringlich anzusehen, wenn zu erwarten ist, dass Beitreibungsmaßnahmen in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen. Voraussichtlich aussichtslose Vollstreckungsmaßnahmen stehen vergeblich unternommenen gleich. Von dieser Konstruktion geht § 459e Abs. 2 und im Anschluss daran § 49 Abs. 1 StVollstrO aus. Absatz 2 ermöglicht es daher, in einem kriminalpolitisch vernünftigen und praktikablen Rahmen, überflüssigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden und unter Umständen zur Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe überzugehen, ohne – gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum hinweg – alle theoretisch denkbaren Beitreibungsmöglichkeiten, auch bei noch so geringer Erfolgsaussicht, wahrgenommen zu haben. Der Verurteilte ist durch die in §§ 459f, 459o vorgesehenen Möglichkeiten gerichtlicher Nachprüfung und Entscheidung hinreichend geschützt.15 10

b) Erfolglosigkeit. Die Erfolglosigkeit von Beitreibungsmaßnahmen muss zu erwarten, d. h. sie muss (vgl. § 413) wahrscheinlich und mit einer Besserung der wirtschaftlichen Lage des Verurteilten in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sein. Das ist namentlich dann der Fall, wenn der Vollstreckungsbehörde – z. B. durch Mitteilungen der Gerichtshilfe (§ 463d)16 oder auch der Gerichtskasse, an die sie sich in geeigneten Fällen mit dem Ersuchen um Auskunft über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Verurteilten und über die Beitreibungsmöglichkeiten wenden kann (§ 8 Abs. 2 EBAO) – bekannt ist, dass der Verurteilte sich bei Beitreibungsversuchen in anderen Fällen als frustra excussus erwiesen hat; dass er vor kurzem erst die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO abgegeben hat; dass er sich im (Verbraucher-)Insolvenzverfahren befindet; dass er unpfändbar ist oder sein Arbeitseinkommen die Pfändungsgrenze nach § 459, § 6 JBeitrG, § 850c ZPO nicht übersteigt.17 Es muss zu erwarten sein, dass Beitreibungsmaßnahmen in absehbarer Zeit erfolglos sein werden. Es muss also wahrscheinlich sein, dass bis auf Weiteres mit einer Änderung der Verhältnisse, die zum Zeitpunkt der Beitreibungsversuche Beitreibungsmaßnahmen aussichtslos erscheinen lassen, nicht zu rechnen ist. Zum Beweis dafür, dass diese Voraussetzungen vorgelegen haben, wird es sich empfehlen, die Gründe für die Anwendung des Absatzes 2 in einem Aktenvermerk niederzulegen.18 Aber selbst wenn die Voraussetzungen vorliegen, muss die Vollstreckungsbehörde den Verurteilten gleichwohl nach § 5 Abs. 1 EBAO zur Zahlung der Geldstrafe auffordern, damit er nicht in unzumutbarer Weise von der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe überrascht wird.19 Von der Uneinbringlichkeit i. S. v. § 459e Abs. 2, § 43 StGB ist spätestens ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens auszugehen.20 Denn damit verliert der Verurteilte die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO) und die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen ist nicht zulässig (§ 89 Abs. 1 InsO). Da es sich bei Geldstrafen um nachrangige Insol14 15 16 17 18 19 20

KK/Appl 8. BTDrucks. 7 550 S. 310, Begr. zu Art. 19 Nr. 120 Entw. EGStGB 1974. KK/Appl 8; KMR/Stöckel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 8, 9. Meyer-Goßner/Schmitt 5. Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 11. Pohlmann Rpfleger 1979 249; KK/Appl 8; Bringewat 11. BVerfG NJW 2006 3626; KK/Appl 6; KMR/Stöckel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Klaproth wistra 2008 174 ff.; a. A. Heinze ZVI 2006 14 ff.

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venzforderungen handelt (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO), deren Befriedigung nicht zu erwarten ist, kommt wegen der Uneinbringlichkeit im Sinne von § 459e Abs. 2, § 43 StGB die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 459e Abs. 1 in Betracht.21 Mit dem Gebot einer nachdrücklichen und beschleunigten Strafvollstreckung (§ 2 Abs. 1 StVollstrO) ist es nämlich nicht zu vereinbaren, mit der Vollstreckung der Geldstrafe bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens abzuwarten.22 Die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gegen einen im (Verbraucher-) Insolvenzverfahren befindlichen Verurteilten bedeutet auch für sich genommen noch keine unbillige Härte im Sinne von § 459 f. Insoweit müssen weitere Umstände von einigem Gewicht hinzutreten, aufgrund deren mit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eine außerhalb des Strafzweckes liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Verurteilten auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Strafe nicht zugemutet werden kann,23 denn ansonsten wäre derjenige Verurteilte, der sich im Insolvenzverfahren befindet, bei der Vollstreckung einer gegen ihn verhängten Geldstrafe gegenüber anderen Verurteilten alleine wegen des laufenden Insolvenzverfahrens besser gestellt. c) Wirkung der Unterbleibensanordnung. Die Wirkung einer Unterbleibensan- 11 ordnung nach Absatz 2 besteht ausschließlich darin, dass sie den Weg freigibt für die Anordnung der Vollstreckungsbehörde, die Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken (§ 459e Abs. 1, 2).24 Die Unterbleibensanordnung als solche enthält weder die Anordnung nach § 459e Abs. 1, noch berührt sie den Fortbestand der Geldstrafe. Die Vollstreckung der Geldstrafe kann vielmehr, wenn und soweit nicht die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird, bis zum Ende der Verjährungsfrist (§ 79 Abs. 3 Nr. 4, 5 StGB) erneut betrieben werden25 – die Voraussetzungen eines Ruhens der Vollstreckungsverjährung (§ 79a StGB) werden durch die Unterbleibensanordnung nicht geschaffen –, falls die Vollstreckungsbehörde sich nunmehr davon Erfolg verspricht. 4. Tod des Verurteilten (Absatz 3) a) Abkehr vom früheren Recht. Der bis zum 31.12.1974 geltende § 30 StGB be- 12 stimmte: „In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden, wenn das Urteil zu Lebzeiten des Verurteilten rechtskräftig geworden war.“ Diese Vorschrift, die die zu Lebzeiten des Verurteilten rechtskräftig gewordene Geldstrafe nach seinem Tod als eine „vom Erblasser herrührende Schuld“ i. S. des § 1967 Abs. 2 BGB als Nachlassverbindlichkeit behandelte, wurde seit langem und einhellig als anachronistisch angesehen, weil sie dem Gedanken nicht Rechnung trage, dass die Geldstrafe – wie jede andere Strafe – eine den Täter höchstpersönlich treffende Reaktion auf seinen Gesetzesverstoß darstelle.26 Nachdem bereits § 101 OWiG 1969 bestimmt hatte: „In den Nachlaß des Betroffenen darf eine Geldbuße nicht vollstreckt werden“, ist § 459c Abs. 3 diesem Vorbild gefolgt. Das in Absatz 3 enthaltene Vollstreckungshindernis bezweckt den Schutz der Erben vor einer Geldschuld, die den Strafzwecken einer Geldstrafe nicht mehr dienen 21 BVerfG NJW 2006 3626; LG Leipzig ZIP 2002 142; LG Osnabrück NdsRpfl. 2006 351; Vallender/Elschenbroich NZI 2002 130, 131; LK/Grube § 43, 10; KK/Appl 5 f.; kritisch Franke NStZ 1999 548 zur Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe im Restschuldbefreiungsverfahren. 22 BVerfG NJW 2006 3626; LG Leipzig ZIP 2002 142; a. A. Franke NStZ 1999 548, 549. 23 BVerfG NJW 2006 3626; BGHSt 27 90, 93; LG Bremen StV 1998 152. 24 Meyer-Goßner/Schmitt 6. 25 Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 12. 26 Meyer-Goßner/Schmitt 6.

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kann.27 Aus Absatz 3 folgt, dass eine zu Lebzeiten des Verurteilten begonnene und bei seinem Tod noch nicht beendete Vollstreckung der Geldstrafe abzubrechen ist. Maßgeblich ist der Todestag des Verurteilten, der sich aus der Sterbeurkunde ergibt. 13

b) Erlöschen der Geldstrafe. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus, das nur die Vollstreckung in den Nachlass verbietet, bedeutet § 459c Abs. 3, dass eine nicht zu Lebzeiten des Verurteilten (durch Zahlung, Beitreibung, Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe) erledigte Geldstrafenschuld mit dem Tod des Verurteilten kraft Gesetzes erlischt.28 Daher sind z. B. Pfändungen von Mobiliar und Sicherungsmaßnahmen (§ 111e) wegen der Geldstrafe aufzuheben.29 Die Geldstrafenschuld lebt auch nicht etwa als eine nichtvollstreckbare Naturalobligation fort. Zu Unrecht vereinnahmte Beträge sind an die Erben zurückzuzahlen (§ 13 Abs. 1 EBAO). Sofern ein berechtigter Empfänger nicht feststeht, sind die Voraussetzungen für die Hinterlegung zu prüfen.

14

c) Bedeutung für Nebenfolgen. Absatz 3 betrifft nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut nur die Geldstrafe. Das Vollstreckungsverbot gilt dagegen nicht für Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten,30 denn § 459g Abs. 2 erklärt nur die Absätze 1 und 2, nicht auch den Absatz 3 des § 459c für entsprechend anwendbar. § 459c Abs. 3 gilt auch nicht für die Kosten des Verfahrens, wenn die Verurteilung vor dem Tod rechtskräftig geworden ist. Insoweit kann deshalb auch in den Nachlass vollstreckt werden.31

15

5. Einbeziehung der Geldstrafe in eine Gesamtfreiheitsstrafe. Bei Einbeziehung der Geldstrafe in eine nachträglich gebildete Gesamtfreiheitsstrafe (§ 460) geht der Geldstrafenanspruch mit der Rechtskraft der Gesamtstrafenentscheidung unter. Weitere Beitreibungsmaßnahmen werden mithin unzulässig. Gleichwohl noch beigetriebene oder gezahlte Geldstrafen müssen zurückgezahlt werden (§ 13 Abs. 1 EBAO).32

16

6. Rechtsbehelfe. Über Einwendungen gegen Anordnungen des Rechtspflegers nach Abs. 1 und 3 entscheidet das Gericht nach § 31 Abs. 6 Satz 1 RpflG, § 459o. Gegen die Unterbleibensanordnung nach Absatz 2 sowie gegen die Unterlassung ist mangels Beschwer kein Rechtsbehelf gegeben. Der Verurteilte muss sich gegen die Anordnung nach § 459e wenden.33

§ 459d Unterbleiben der Vollstreckung einer Geldstrafe (1) Das Gericht kann anordnen, daß die Vollstreckung der Geldstrafe ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn 1. in demselben Verfahren Freiheitsstrafe vollstreckt oder zur Bewährung ausgesetzt worden ist oder 27 28 29 30 31 32 33

BTDrucks. 7 550 S. 310, Begr. zu Art. 19 Nr. 120 Entw. EGStGB 1974. KMR/Stöckel 9; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 13. Vgl. LR/Johann § 111e, 34 f. KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 14. KK/Appl 10; a. A. KMR/Stöckel 9. KK/Appl 11; Röttle/Wagner Rn. 215. KK/Appl 12; Meyer-Goßner/Schmitt 8; KMR/Stöckel 10; Bringewat 15.

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2.

in einem anderen Verfahren Freiheitsstrafe verhängt ist und die Voraussetzungen des § 55 des Strafgesetzbuches nicht vorliegen und die Vollstreckung der Geldstrafe die Wiedereingliederung des Verurteilten erschweren kann. (2) Das Gericht kann eine Entscheidung nach Absatz 1 auch hinsichtlich der Kosten des Verfahrens treffen. Schrifttum Siggelkow Zur Vollstreckung einer nachträglich gebildeten Gesamtstrafe, Rpfleger 2005 644; Volckart Zur Verrechtlichung der Gnade in Strafvollstreckung und Vollzug, NStZ 1982 496.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 eingefügt.

I.

Übersicht Absehen von der Vollstreckung von Geldstrafe bei Zusammentreffen mit Freiheitsstrafe (Absatz 1) 1. Anwendungsbereich 1 a) Zusammentreffen in demselben Verfahren (Absatz 1 Nr. 1) 2 b) Zusammentreffen in verschiedenen Verfahren (Absatz 1 Nr. 2) 3 c) Keine Anwendung auf Nebenfolgen 4 2. Voraussetzung für die Anordnung nach Absatz 1 Nr. 1 a) Regelfall (kumulative Geldstrafe) 5

b)

II. III.

Erstreckung auch bei gesonderter Verhängung der Geldstrafe 6 c) Erledigung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe 7 d) Ermessensausübung 8 3. Voraussetzung für die Anordnung nach Absatz 1 Nr. 2 9 4. Öffentliches Interesse und Unterbleibensanordnung 10 5. Wirkung der Unterbleibensanordnung 11 Absehen von der Beitreibung der Verfahrenskosten (Absatz 2) 12 Weitere Rechtsfragen 13

I. Absehen von der Vollstreckung von Geldstrafe bei Zusammentreffen mit Freiheitsstrafe (Absatz 1) 1. Anwendungsbereich. § 459d unterscheidet zwei Anwendungsfälle.

1

a) Zusammentreffen in demselben Verfahren (Absatz 1 Nr. 1). Nummer 1 stellt 2 sich als eine Ergänzung des § 41 StGB für das Vollstreckungsverfahren dar. Nach § 41 StGB kann, wenn der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht hat, neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist.1 Durch diese Fassung („wenn dies auch …“) soll das Gericht zu einer Prüfung verpflichtet werden, ob eine zusätzliche Geld-

1 KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 6.

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strafe eine Wiedereingliederung des Täters gefährden kann.2 Es soll damit vermieden werden, dass sich der mittellose Straftäter nach der Strafhaftentlassung einer hohen Geldforderung gegenüber sieht, die ihm den beruflichen Neuanfang schwer macht. § 459d Abs. 1 Nr. 1 soll die verfahrensrechtliche Handhabe bieten, in solchen Fällen, in denen gemäß § 41 StGB Freiheits- und Geldstrafe verhängt wurde, die Verhältnisse sich aber gegenüber denjenigen zur Zeit der Verurteilung nachträglich geändert haben oder maßgebliche Gesichtspunkte erst später offenbar geworden sind, die für die Wiedereingliederung unter Umständen ungünstigen Auswirkungen der zusätzlichen Geldstrafe nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder Strafaussetzung zur Bewährung notfalls nachträglich zu korrigieren.3 Da beide Bestimmungen den gleichen Zweck verfolgen und auch von den gleichen Grundlagen ausgehen, nämlich zu prüfen, ob die Vollstreckung der zusätzlichen Geldstrafe nach der Haftentlassung die Wiedereingliederung erschweren kann, ist eine Korrektur mithin ausgeschlossen, wenn bei unveränderten Umständen das Vollstreckungsgericht diese nur anders bewerten möchte.4 3

b) Zusammentreffen in verschiedenen Verfahren (Absatz 1 Nr. 2). Nummer 2, die den Fall betrifft, dass in verschiedenen Verfahren teils auf Freiheitsstrafe, teils auf Geldstrafe erkannt ist und die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) nicht vorliegen, beruht auf gleichen Erwägungen. Auch wenn die Strafen in verschiedenen Verfahren ausgesprochen worden sind und die Voraussetzungen einer Gesamtstrafe nicht vorliegen, kann die Wiedereingliederung des Verurteilten in einer unangemessenen – und vom Gericht nicht absehbaren – Weise erschwert werden. Zwar kann die Vollstreckungsbehörde dem Verurteilten Zahlungserleichterungen bewilligen. Es können aber gute Gründe dafür sprechen, einen nach längerem Strafvollzug Entlassenen, auch wenn er an sich zahlungsfähig ist, mit Rücksicht auf ernste Einordnungsschwierigkeiten von dieser Zahlungsverpflichtung ganz freizustellen. Die in § 459f hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe eingeräumte Möglichkeit passt nach Auffassung des Gesetzgebers nicht für alle in diesem Zusammenhang denkbaren Fallgestaltungen.5

4

c) Keine Anwendung auf Nebenfolgen. Durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20176 wurde in § 459g Abs. 2 die Vorschrift des § 459d gestrichen mit der Folge, dass für die Vollstreckung von Nebenfolgen § 459d keine entsprechende Anwendung mehr findet. Nach der Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensvorschrift in Art. 316h Satz 2 EGStGB sind die Vorschriften dieses Gesetzes jedoch in Verfahren anzuwenden, in denen bis zum 1.7.2017 bereits eine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist.7 In diesen Altfällen ist nach Art. 316h Satz 2 EGStGB, § 459g Abs. 2 a. F. die Vorschrift des § 459d auf Nebenfolgen noch anwendbar.

2 BTDrucks. 7 550 S. 212, Begr. zu Art. 17 Nr. 7 Entw. EGStGB; OLG Koblenz MDR 1981 870; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 1, 6. 3 BTDrucks. 7 550 S. 310, Begr. zu Art. 19 Nr. 120; LK/Grube § 41, 27; KMR/Stöckel 3, 5; SK/Paeffgen 2. 4 KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 5; MüKo/Nestler 4; OLG Hamburg Beschl. vom 18.1.2017 – 2 Ws 258/ 16; Bringewat 4; KMR/Stöckel 5. 5 BTDrucks. 7 550 S. 311, Begr. zu Art. 19 Nr. 120; KK/Appl 3. 6 BGBl. I S. 872, 886. 7 BGH Urt. vom 5.9.2017 – 1 StR 677/16.

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2. Voraussetzung für die Anordnung nach Absatz 1 Nr. 1 a) Regelfall (kumulative Geldstrafe). Nach der Entstehungsgeschichte (Rn. 2) soll 5 Absatz 1 Nr. 1 den Fall treffen, dass in demselben Verfahren in Anwendung des § 41 StGB auf Freiheitsstrafe und auf eine sonst nicht zulässige Geldstrafe erkannt wurde.8 Gerade die wegen der erreichten oder erstrebten Bereicherung bei der gleichen Tat eingetretene Kumulation von Freiheits- und zusätzlicher Geldstrafe war es, die nach der Begründung des Entwurfs zu dem Bestreben führte, schon durch die Fassung des § 41 StGB Bedenken aus der Kumulierung hinsichtlich der Resozialisierung auszuschließen und nur wegen einer später eintretenden oder hervortretenden Veränderung der bei der Strafzumessung maßgeblichen Verhältnisse Korrekturmöglichkeiten im Vollstreckungsstadium zu schaffen. So wird denn auch im Schrifttum9 § 459d Abs. 1 Nr. 1 dahin verstanden, dass er (nur) die kumulative Geldstrafe des § 41 StGB betreffe. b) Erstreckung auch bei gesonderter Verhängung der Geldstrafe. Bei einer an 6 der Entstehungsgeschichte orientierten Auslegung dürfte Absatz 1 Nr. 1 an sich nicht angewendet werden, wenn in demselben Verfahren, ohne dass das erkennende Gericht von § 41 StGB Gebrauch gemacht hat, wegen mehrerer Taten teils auf Freiheits-, teils auf Geldstrafe erkannt und nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB neben einer Gesamtfreiheitsstrafe auf Geldstrafe gesondert erkannt hat. Denn dann entfällt der Gesichtspunkt einer der Resozialisierung ungünstigen Belastung des Täters durch die nach § 41 StGB erfolgte Kumulation von Freiheits- und Geldstrafe für dieselbe Tat. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich aber eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 459d Abs. 1 Nr. 1 nicht. Er umfasst auch die Fälle eines Zusammentreffens von Freiheits- und Geldstrafe in „demselben Verfahren“ ohne Anwendung von § 41 StGB. Gewiss gehört zu der in § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB vorgeschriebenen zusammenfassenden Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten auch die Prüfung, wie sich die gesondert erkannte Geldstrafe auf die Resozialisierung des Täters auswirkt. Aber es entfiele bei einer nur an der Entstehungsgeschichte orientierten, einschränkenden Auslegung die Möglichkeit einer nachträglichen Korrektur, die § 459d im Vollstreckungsstadium bieten will, wenn sich erst jetzt eine Änderung der Verhältnisse gegenüber denjenigen zur Zeit der Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 53 StGB bei gesonderter Verhängung von Freiheits- und Geldstrafe ergibt. Es bliebe dann nur – unter engeren Voraussetzungen – der Rückgriff auf § 459 f. Man wird daher wohl einer noch durch den Gesetzeswortlaut gedeckten weiteren Auslegung den Vorzug geben müssen.10 c) Erledigung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe. Eine Anordnung, dass die 7 Vollstreckung der Geldstrafe ganz oder zum Teil zu unterbleiben habe, kommt erst in Betracht, wenn a) entweder die Freiheitsstrafe „vollstreckt“ ist, d. h. wenn die Vollstreckung beendet ist,11 sei es durch Verbüßung der Strafe, durch Erlass im Gnadenweg oder Erlass der Strafe oder eines Strafrestes nach Aussetzung zur Bewährung, oder b) die Strafvollstreckung zwar noch nicht beendet, aber wenigstens die Vollstreckung der ganzen Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung (durch das Gericht oder im Weg der

8 9 10 11

LG Mainz Rpfleger 1985 162. Z. B. Fischer § 41, 5; LK/Grube § 41, 2. Aus OLG Hamm JMBlNRW 1976 107 lässt sich zu diesem Problem nichts entnehmen. Volckart NStZ 1982 499.

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Gnade) ausgesetzt ist,12 weil es angebracht sein kann, schon die Bewährungszeit nicht ungünstig mit der Sorge um die Erbringung der Geldstrafe zu belasten. Ein späterer Widerruf der Aussetzung wäre ohne Bedeutung für eine bereits erfolgte Unterbleibensanordnung.13 8

d) Ermessensausübung. Bei der Ermessensausübung („kann“) hat das nach §§ 462, 462a zuständige Gericht zu beachten, dass eine Unterbleibensanordnung schon insofern Ausnahmecharakter14 trägt, als die darin liegende „Korrektur“ der Entscheidung des erkennenden Gerichts (Rn. 2) nach den gesetzgeberischen Intentionen nur dazu dient, resozialisierungsbedeutsamen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen, die der erkennende Richter nicht berücksichtigen konnte, weil sie erst nachträglich eingetreten oder hervorgetreten sind. Auch wird während laufender Bewährungszeit, deren Ergebnis noch nicht abzusehen ist, zu einer Unterbleibensanordnung im Allgemeinen nur Veranlassung bestehen, wenn andere Maßnahmen (nach §§ 459a, 459f) nicht ausreichen, um Resozialisierungsgefährdungen abzuwenden.15

9

3. Voraussetzung für die Anordnung nach Absatz 1 Nr. 2. Im Gegensatz zu Absatz 1 Nr. 1, der – nach der Entstehungsgeschichte (Rn. 2) – dazu geschaffen ist, nachträglich ein- oder hervortretenden Resozialisierungshemmnissen durch Kumulation von Freiheits- und Geldstrafe wegen derselben Tat Rechnung zu tragen, dient Absatz 1 Nr. 2 dazu, resozialisierungsbeeinträchtigende Spannungen auszugleichen, die dadurch entstehen können, dass in verschiedenen Verfahren wegen verschiedener Taten teils auf Freiheitsstrafe, teils auf Geldstrafe erkannt ist und ein Ausgleich wie bei der Gesamtstrafenbildung durch zusammenfassende Würdigung der Person des Täters und der einzelnen Straftaten (§ 54 Abs. 1 Satz 2, § 55 StGB) nicht möglich ist, weil eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht in Betracht kommt.16 Auch hier stellt eine Unterbleibensanordnung eine der Entscheidung nach Absatz 1 Nr. 1 vergleichbare „Korrektur“ der Vorentscheidungen mit endgültiger Wirkung (Rn. 10) dar, indem ermöglicht wird, solchen der Resozialisierung abträglichen Umständen aus der Belastung bei der Vollstreckung von Freiheits- und Geldstrafe Rechnung zu tragen, von denen das erkennende Gericht wegen der Aburteilung in verschiedenen Verfahren nichts wissen und die es deshalb auch nicht berücksichtigen konnten. Die Unterbleibensanordnung ist dann gewissermaßen hinsichtlich der Behandlung der Geldstrafe ein Surrogat für den rechtlich verschlossenen Weg der nachträglichen Gesamtstrafenbildung mit einer Gesamtschau von Persönlichkeit des Täters, seinen Taten und ihren Einzelstrafen, die sich auch an Resozialisierungsbedürfnissen orientieren kann. Diese gewisse innere Verwandtschaft zwischen den Voraussetzungen der Nummern 1 und 2 rechtfertigt es, mag der Wortlaut der Nummer 2 dies auch nicht verlangen, die Voraussetzungen der Nummer 2 an denen der Nummer 1 auszurichten, d. h. dass eine Anordnung nach Nummer 2 erst getroffen werden kann, wenn entweder die Vollstreckung der Freiheitsstrafe beendet oder diese 12 OLG Koblenz MDR 1981 870; KK/Appl 4; KMR/Stöckel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 5; a. A. Volckart NStZ 1982 499 und Bringewat 8: erst am Ende der Bewährungszeit.

13 BGHSt 30 263; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 2, 6. 14 OLG Koblenz MDR 1978 248; KK/Appl 4, 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 4; LG Mainz NStZ 1982 47; OLG Jena NStZ-RR 2006 286; OLG Rostock Beschl. vom 4.12.2017 – 20 Ws 293/17; OLG Hamburg Beschl. vom 18.1.2017 – 2 Ws 258/16; KG NStZ-RR 2016 151. 15 OLG Koblenz Rpfleger 1975 27; MDR 1978 248; 1981 870; OLG Hamm JMBlNRW 1976 107; Pohlmann/ Jabel/Wolf § 48, 45 f.; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 6; a. A. Volckart NStZ 1982 499 und Bringewat 2. 16 KK/Appl 6; Bringewat 9.

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zur Bewährung ausgesetzt ist,17 und dass während laufender Bewährungsfrist Zurückhaltung geboten ist (Rn. 7). 4. Öffentliches Interesse und Unterbleibensanordnung. Eine Unterbleibensan- 10 ordnung trägt Ausnahmecharakter,18 am deutlichsten bei Nummer 1, aber auch bei Nummer 2, da die Anordnung sich als ein Eingriff in rechtskräftige Entscheidungen darstellt. Bei seiner Ermessensentscheidung muss das Gericht daher auch stets das besondere öffentliche Interesse an der Strafvollstreckung berücksichtigen.19 5. Wirkung der Unterbleibensanordnung. Die rechtskräftige (§ 462 Abs. 3) Unter- 11 bleibensanordnung stellt zwar im technischen Sinn keinen Erlass der Geldstrafe dar. In ihrer Wirkung entspricht sie aber einem Erlass, denn das Unterbleiben wird nicht auf Zeit angeordnet und auch ein Widerruf wegen veränderter Verhältnisse ist nicht vorgesehen. Die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe kommt demgemäß nicht mehr in Frage (§ 459e Abs. 4 Satz 1).

II. Absehen von der Beitreibung der Verfahrenskosten (Absatz 2) Eine von der Vollstreckungsbehörde nach § 459a für die Geldstrafe gewährte Zah- 12 lungserleichterung erstreckt sich nach § 459a Abs. 4 Satz 1 automatisch auch auf die Kosten des Verfahrens (§ 465). Dagegen stellt § 459d Abs. 2 die Erstreckung der Unterbleibensanordnung beim Zusammentreffen von Freiheits- und Geldstrafe in das Ermessen des Gerichts („kann“). Die in § 459a Abs. 4 vorgesehene automatische Verbindung wäre hier nicht sachgemäß. Andererseits ist anzunehmen, dass in den in Rede stehenden Fällen die Beitreibung der Verfahrenskosten für die Resozialisierungsbestrebungen unter Umständen ebenso schädlich sein kann wie die Vollstreckung einer Geldstrafe.20 Im Rahmen seines Ermessens kann das Gericht daher bei einer die Vollstreckung der Geldstrafe in vollem Umfang erledigenden Unterbleibensanordnung diese in vollem Umfang auf die Verfahrenskosten erstrecken oder die Kosten von der Erstreckung gänzlich ausschließen, aber auch die Erstreckung nur auf einen Teil der Kosten beschränken.21 Eine Entscheidung allein über die Verfahrenskosten ist nicht möglich.22 Ebenso wenig können Auslagen, deren Erstattung der Verurteilte einem Dritten schuldet (Nebenkläger usw.), Gegenstand einer Entscheidung nach Absatz 2 sein (§ 459a, 18). Allerdings trägt die Anordnung des Gerichts, dass die Vollstreckung der Kosten eines rechtskräftigen abgeschlossenen Strafverfahrens zu unterbleiben habe, Ausnahmecharakter und erfordert ein sorgfältiges Abwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollstreckung des Strafurteils mit seinem Kostenausspruch und dem Wiedereingliederungsinteresse des Verurteilten. Eine solche Anordnung ist nur dann gerechtfertigt, wenn überwiegende Gründe der Resoziali-

17 OLG Koblenz MDR 1981 870; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 7; a. A. Volckart NStZ 1982 499 und Bringewat 10: sofern nicht besondere Umstände für eine frühere Anordnung sprechen. 18 OLG Rostock Beschl. vom 4.12.2017 – 20 Ws 293/17; OLG Hamburg Beschl. vom 18.1.2017 – 2 Ws 258/ 16; KG NStZ-RR 2016 151. 19 Prot. Sonderausschuss Strafrechtsreform, 7. Wahlperiode, S. 666; OLG Hamm JMBlNRW 1976 107; OLG Koblenz MDR 1978 248; LG Mainz NStZ 1982 47; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 20 BTDrucks. 7 550 S. 311, Begr. zu Art. 19 Nr. 120 Entw. EGStGB 1974. 21 BGHSt 31 246; OLG Karlsruhe Justiz 1982 275; LG Mainz Rpfleger 1985 162; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/ Schmitt 8; Bringewat 11. 22 Bringewat 12.

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sierung bestehen. Bei einer hohen Verschuldung des Verurteilten und einer vergleichsweise geringen Kostenforderung der Staatskasse kommt ein Absehen von der Beitreibung der Verfahrenskosten nur unter ganz besonderen Umständen in Betracht.23

III. Weitere Rechtsfragen Die Entscheidungen nach Absatz 1 und 2 trifft das zuständige Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Sie ergehen entweder auf Antrag des Verurteilten oder von Amts wegen.24 Die Vollstreckungsbehörde kann sie nur anregen.25 Ob die Voraussetzungen für eine Unterbleibensanordnung vorliegen, hat das Gericht alsdann von Amts wegen zu prüfen.26 Die Strafvollstreckungskammer bleibt auch nach Erledigung der Vollstreckung von Freiheitsstrafe für die Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung von Geldstrafe oder Verfahrenskosten zuständig.27 Eine Anordnung nach § 459d kommt nach beiden Alternativen des Absatzes 1 erst dann in Betracht, wenn entweder die Freiheitsstrafe vollstreckt ist, d. h. die Vollstreckung beendet ist oder wenigstens die Vollstreckung der ganzen Strafe oder die Vollstreckung eines Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt ist.28 Eine schon angeordnete Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe hindert eine Unterbleibensanordnung nicht (§ 459e Abs. 4 Satz 1).29 Die Entscheidung des Gerichts können der Verurteilte und die Staatsanwaltschaft mit sofortiger Beschwerde anfechten (§ 462 Abs. 3 Satz 1). Die Entscheidung des Gerichts erfordert einen Beschluss, der zu begründen ist (§ 34). Die Begründungserfordernisse sind abhängig von den Umständen des Einzelfalls. Eine formelhafte Begründung, dass die Vollstreckung der Geldstrafe die Wiedereingliederung des Verurteilten erschwere, reicht nicht aus. Vielmehr bedarf es der Mitteilung derjenigen Tatsachen, aus denen sich eine Erschwerung der Wiedereingliederung ergeben soll. Ein Aktenvermerk reicht nicht aus.30 Stellt der Verurteilte den Antrag bereits während des Vollzugs der Freiheitsstrafe, 14 ohne dass die Voraussetzungen für die Aussetzung eines Strafrestes unmittelbar bevorstehen, ist der Antrag unbegründet. Gleichwohl ist er nicht sogleich abzulehnen. Die Entscheidung ist vielmehr bis zum Eintritt des Aussetzungszeitpunktes auszusetzen.31 Der Verurteilte und die Vollstreckungsbehörde sollten hierüber unterrichtet werden. Wegen der Erstreckung der Vorschrift auf Nebenfolgen s. Rn. 4 und § 459g, 17. 15 13

§ 459e Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe (1) Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf Anordnung der Vollstreckungsbehörde vollstreckt. (2) Die Anordnung setzt voraus, daß die Geldstrafe nicht eingebracht werden kann oder die Vollstreckung nach § 459c Abs. 2 unterbleibt. 23 24 25 26 27 28 29 30 31

LG Mainz NStZ 1982 47; OLG Koblenz MDR 1981 870; KG NStZ-RR 2016 151. OLG Rostock Beschl. vom 4.12.2017 – 20 Ws 293/17; KG NStZ-RR 2016 151. Bringewat 14. BGHSt 30 264; Bringewat 13. BGHSt 30 263. OLG Jena NStZ-RR 2004 383. OLG Koblenz MDR 1978 248. KK/Appl 8. Bringewat 15.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-027

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459e

(3) Wegen eines Teilbetrages, der keinem vollen Tage Freiheitsstrafe entspricht, darf die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht angeordnet werden. (4) 1Die Ersatzfreiheitsstrafe wird nicht vollstreckt, soweit die Geldstrafe entrichtet oder beigetrieben wird oder die Vollstreckung nach § 459d unterbleibt. 2 Absatz 3 gilt entsprechend. Schrifttum Allgemein. Dölling Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung, NStZ 1981 86; Dolde Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen – ein wesentlicher Anteil im Kurzstrafenvollzug, ZfStrVo 1999 330; ders. Zum Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen, FS Böhm (2003) 581; Fabian Berechnung der Ersatzfreiheitsstrafe aus nachträglich gebildeter Gesamtgeldstrafe, Rpfleger 1980 374; Frank Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 57 StGB? NJW 1978 141; Geiter Ersatzfreiheitsstrafen: Bitterste Vollstreckung der mildesten Hauptstrafe des StGB. Erfahrungen bei Haftreduzierungsaktivitäten im Strafvollzug, FS Walter (2014) 559; Hamdorf/Wölber Die Ersatzfreiheitsstrafe in Schweden und Deutschland, ZStW 111 (1999) 929; Köhne Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe? JR 2004 453; Lüderssen Gnadenweiser Erlaß von Ersatzfreiheitsstrafen? FS Böhm (2003) 553; Pohlmann Rechtliches Gehör vor einer Anordnung nach § 459e StPO? Rpfleger 1979 249; Schatz Strafrestaussetzung zur Bewährung: Auch bei Ersatzfreiheitsstrafen, ZRP 2002 348; Schott Abkehr von der 1:1-Umrechnung von Geld- und Freiheitsstrafe? JR 2003 315; Seebode Problematische Ersatzfreiheitsstrafe, FS Böhm (2003) 519; Weber Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 57 StGB, GedS H. Schröder (1978) 175; ders. Berechnung der Ersatzfreiheitsstrafe aus nachträglich gebildeter Gesamtgeldstrafe, Rpfleger 1980 376. Tilgung durch freie Arbeit. Albrecht Ansätze und Perspektiven für die gemeinnützige Arbeit in der Strafrechtspflege, BewHi. 1985 121; Albrecht/Schädler Die gemeinnützige Arbeit auf dem Weg zur eigenständigen Sanktion? ZRP 1988 278; Baumann Die Chance des Artikel 293 EGStGB – Freie gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe, MSchrKrim. 1979 290; Blau Die gemeinnützige Arbeit als Beispiel für einen grundlegenden Wandel des Sanktionswesens, GedS H. Kaufmann (1986) 189; Bublies Die Aussetzung des Restes der Ersatzfreiheitsstrafe (1989); Feuerhelm Gemeinnützige Arbeit als Alternative in der Geldstrafenvollstreckung (1991); ders. Gemeinnützige Arbeit in der Geldstrafenvollstreckung, BewHi. 1993 200; ders. Gemeinnützige Arbeit als eigenständige Sanktion? BewHi. 1998 400; Friedrich Probleme beim Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen, ZfStrVo 1994 14; Gerken/Henningsen Ersetzung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit, ZRP 1987 272; Groß Zum Entwurf eines … Strafrechtsänderungsgesetzes (Mittelbare und Begleitmaßnahmen zur Vermeidung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen), StV 1985 81; ders. Reststrafenaussetzung von Ersatzfreiheitsstrafen? StV 1999 508; Jehle/Feuerhelm/Block Gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe (1990); Kleiner Das Projekt „Gemeinnützige Arbeit“ – die nicht nur theoretische Chance des Art. 293 EGStGB, ZRP 1983 112; Krieg/Löhr/Lücke/Meißner/Rufert/Schumann Weil Du arm bist, mußt Du sitzen, MSchrKrim. 1984 25; Krumm Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafe, AnwBl. 1984 74; Mrozynski Offene Fragen der gemeinnützigen Arbeit Straffälliger, JR 1987 272; Pfohl Gemeinnützige Arbeit als strafrechtliche Sanktion (1983); Reiß Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit, Rpfleger 1985 134; ders. Ersetzung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit, ZRP 1988 143; Rolinski Ersatzfreiheitsstrafe oder gemeinnützige Arbeit? MSchrKrim. 1981 52; Schädler Das Projekt „Gemeinnützige Arbeit“ – die nicht nur theoretische Chance des Art. 293 EGStGB, ZRP 1983 5; ders. Der „Weiße Fleck“ im Sanktionensystem, ZRP 1985 186; Schall Die Sanktionsalternative der gemeinnützigen Arbeit als Surrogat der Geldstrafe, NStZ 1985 104; Siggelkow Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe aus einer nachträglich gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe, Rpfleger 1994 284; Steinhilper (Hrsg.) Soziale Dienste in der Strafrechtspflege, Kriminologische Forschung Band 3 (1984); Villmow Kurze Freiheitsstrafe, Ersatzfreiheitsstrafe und gemeinnützige Arbeit, FS Kaiser (1998) 1291; Zimmermann Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit, BewHi. 1982 113.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 eingefügt. 309

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1.

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Übersicht Inhalt und Bedeutung a) Allgemeines 1 b) Anordnung der Vollstreckung (Absatz 1 und 2) 2 c) Gewährung rechtlichen Gehörs? 5 d) Teilbeträge, die hinter einem Tagessatz zurückbleiben (Absatz 3 und 4) 8 e) Beispiele 9 f) Wiederholung der Vollstreckung der Restgeldstrafe 11

2. 3. 4.

12 Vollstreckungsverfahren, Vollzug Aussetzung des Strafrestes 13 Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit a) Regelung des früheren § 28b StGB 14 b) Reformdiskussion 15 c) Heutige Praxis 17

1. Inhalt und Bedeutung 1

a) Allgemeines. Nach Absatz 1 ordnet die Vollstreckungsbehörde – und zwar nicht (mehr) der Staatsanwalt, sondern der Rechtspfleger (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RpflG) – die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe an. Über Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde1 entscheidet nach § 459o das Gericht.2 Im Übrigen enthält die Vorschrift früher in der Strafvollstreckungsordnung geregelte Einzelheiten über die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen. Absatz 2 stellt jedoch klar, dass in den Fällen des § 459c Abs. 2 die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet werden kann, während Absatz 4 die Vollstreckung auch in den Fällen des § 459d Abs. 1 ausdrücklich ausschließt.3 Die Anordnung nach Absatz 1 schließt dagegen eine Anordnung nach § 459d Abs. 1 nicht aus.4

b) Anordnung der Vollstreckung (Absatz 1 und 2). Nach § 43 StGB tritt an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe, und zwar unabhängig von der Zahlungsfähigkeit des Verurteilten, Freiheitsstrafe, wobei einem Tagessatz ein Tag Freiheitsstrafe entspricht. Danach gebietet grundsätzlich die Vollstreckungspflicht (§ 449, 6) der Vollstreckungsbehörde, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe die an ihre Stelle tretende Freiheitsstrafe zu vollstrecken, die implizit (§ 43 StGB) im Urteil zugleich mit der Festsetzung der Anzahl der Tagessätze verhängt ist.5 Wenn nun § 459e Abs. 1 die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe von einer förmlichen Vollstreckungsanordnung der Vollstreckungsbehörde6 abhängig macht,7 so kann es naturgemäß nicht Sinn dieser Vorschrift sein, dass es im Ermessen der Vollstreckungsbehörde liegt, ob sie die Vollstreckung anordnen will. 3 Das Erfordernis der Vollstreckungsanordnung soll vielmehr, wie sich aus Absatz 2 ergibt, zunächst und in erster Linie die Vollstreckungsbehörde zur Prüfung anhal-

2

1 2 3 4 5 6

OLG Zweibrücken Beschl. vom 2.2.2011 – 1 VAs 1/11. OLG Celle NdsRpfl. 1977 128; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 2. Meyer-Goßner/Schmitt 3. OLG Koblenz MDR 1978 248; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 2. Bringewat 1. Nach den ursprünglichen Intentionen, die aber im Lauf der parlamentarischen Arbeiten zugunsten der Gesetz gewordenen Regelung aufgegeben wurden, sollte die Ersatzfreiheitsstrafe nur auf besondere Anordnung des Gerichts vollstreckt werden, das diese Anordnung unter Auflagen auszusetzen hatte, wenn der Verurteilte ohne sein Verschulden die Geldstrafe nicht zahlen konnte (vgl. Tröndle ZStW 86 (1974) 565; s. auch § 459f, 1). 7 OLG Frankfurt NStZ-RR 2013 292; MüKo/Nestler 3.

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ten, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Vollstreckung (Uneinbringlichkeit der Geldstrafe einschließlich der Aussichtslosigkeit von Beitreibungsbemühungen, Absatz 2) vorliegen8 und ihr nicht Hindernisse entgegenstehen, wie Nichtablauf der Schonfrist (§ 459c Abs. 1), noch laufende Zahlungserleichterungen (§ 459a Abs. 3 Satz 1), Teilzahlungen und Anordnung, dass die Vollstreckung der Geldstrafe unterbleibt (§ 459d, § 459e Abs. 3, 4), oder unbillige Härte der Vollstreckung, die die Vollstreckungsbehörde veranlassen muss, die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen (§ 459f, 7).9 Die Aktenvorlage zur Vollstreckungsanordnung wird regelmäßig auch Veranlassung 4 zur Prüfung von Amts wegen geben, ob nicht durch erstmalige oder wiederholte Gewährung von Zahlungserleichterungen (§ 459a) die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe zunächst abzuwenden ist. Doch darf dabei der Gesichtspunkt nicht außer Acht gelassen werden, dass erfahrungsgemäß in vielen Fällen erst der Druck der drohenden Ersatzfreiheitsstrafe zu jenen zumutbaren Anstrengungen veranlasst, die um der Effektivität der Geldstrafe willen erwartet werden müssen (§ 459f, 4 ff.).10 Fehlt eine förmliche, in den Akten dokumentierte Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, so ist die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unzulässig. Es ist nicht zulässig, die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe einem Computerprogramm zu überlassen.11 c) Gewährung rechtlichen Gehörs? Ob dem Verurteilten vor Anordnung der Voll- 5 streckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtliches Gehör gewährt werden muss, ist umstritten. Das OLG Celle12 bejaht die Frage, obwohl es nicht verkennt, dass dieses Grundrecht nach dem Wortlaut des Art. 103 GG13 und der Fassung des § 33a nur für gerichtliche Verfahren gilt. Es meint aber, dass dieser Grundsatz auch anzuwenden sei, soweit die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde tätig werde, und begründet seinen Standpunkt mit der ihr aufgrund des Rechtsstaatsprinzips obliegenden prozessualen Fürsorgepflicht. Sie verpflichte die Vollstreckungsbehörde zumindest dann zu einer (ausdrücklichen) Anhörung, wenn es um so einschneidende Maßnahmen wie die Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gehe. Die Rechtsprechung ist der Ansicht des OLG Celle nicht gefolgt. Im Schrifttum 6 wird sie inzwischen teilweise unterstützt. Sonst wird sie abgelehnt.14 Ausdrücklich widersprochen hat ihr Pohlmann15 mit der Erwägung, dass ein Verurteilter wisse,16 dass er, falls er eine Geldstrafe nicht bezahle oder diese nicht beigetrieben werden könne, mit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechnen müsse. Immerhin werde er vor Anordnung der Vollstreckung regelmäßig zur Zahlung aufgefordert und (entsprechend den Vorschriften der §§ 3, 5 und 7 EBAO) sogar noch einmal gemahnt. Meistens werde darüber hinaus noch ein besonderer Beitreibungsversuch unternommen (vgl. § 8 EBAO). Erst wenn dieser erfolglos bleibe, werde der Verurteilte zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe geladen und dabei (nochmals) darauf hingewiesen, dass er die Vollstreckung auch jetzt noch durch Zahlung des in der Ladung angegebenen Betrages abwenden könne.

8 9 10 11 12 13 14

KK/Appl 2, 3; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 3. KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 3. Bringewat 7. OLG Frankfurt NStZ-RR 2013 292; KK/Appl 1. NdsRpfl. 1977 128. BVerfGE 6 12, 14; 42 250. KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 2; Röttle/Wagner Rn. 275; Pohlmann Rpfleger 1979 249; OLG Nürnberg NStZ 2008 224. 15 Rpfleger 1979 249; zur Prüfungspflicht der Vollstreckungsbehörde OLG Hamburg Rpfleger 1977 65. 16 So OLG Bremen NJW 1975 1524.

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Schließlich könne er – wenn er die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe für unberechtigt halte – die Vollstreckungsbehörde erneut um Zahlungserleichterung bitten. 7 Schon diese Darstellung zeigt, dass die Vollstreckungsbehörde die Anordnung, eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken, regelmäßig erst trifft, nachdem sie dem Verurteilten mehrfach Gelegenheit gegeben hat, Einwendungen dagegen zu erheben. Mehr kann aufgrund der der Staatsanwaltschaft obliegenden prozessualen Fürsorgepflicht nicht verlangt werden, namentlich kann ihr nicht die Verpflichtung entnommen werden, den auf gerichtliche Entscheidungen beschränkten Geltungsbereich des Art. 103 GG dahin zu erweitern, dass dem Verurteilten in Vollstreckungssachen ein subjektives Recht auf Anhörung schon vor einer gerichtlichen Anrufung zusteht.17 Davon gehen auch weder Kleinknecht,18 auf den sich das OLG Celle beruft, noch Meyer19 aus. Ein solches Recht kann schließlich auch nicht allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechts entnommen werden, da nach den gleichlautenden § 2 Abs. 3 Nr. 1 die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder nur für Maßnahmen gelten, für deren gerichtliche Nachprüfung die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Aber selbst wenn man aus dem die Anhörung regelnden § 28 VwVfG einen allgemeinen verfahrensübergreifenden Grundsatz ableiten würde, wäre das Ergebnis nicht anders, da selbst nach dieser Bestimmung von einer Anhörung abgesehen werden kann, wenn Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen. 8

d) Teilbeträge, die hinter einem Tagessatz zurückbleiben (Absatz 3 und 4). Nach § 40 Abs. 1 StGB beträgt das gesetzliche Mindestmaß der Geldstrafe, auf die erkannt werden kann, fünf Tagessätze und damit (§ 43 Satz 2) bei Uneinbringlichkeit fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Wenn § 43 Satz 3 StGB bestimmt, dass das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag ist, so bedeutet dies, dass auch ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden kann, wenn die erkannte Geldstrafe durch Teilzahlung, Teilvollstreckung oder Anrechnung von Untersuchungshaft soweit erledigt ist, dass der Restbetrag nur noch einem Tagessatz entspricht. § 459e Abs. 3 ergänzt (oder verdeutlicht) diese Vorschrift dahin, dass wegen eines ausstehenden Restbetrages, der keinem vollen Tag Freiheitsstrafe entspricht, der also unter einem vollen Tagessatz bleibt, die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe nicht anordnen darf.20

e) Beispiele. Zahlt der Verurteilte bei einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu 50 A, für die Ratenzahlung mit Verfallklausel bewilligt ist, auf die letzte Rate nur zehn A, so darf von vornherein keine Anordnung nach Absatz 1 getroffen werden. Zahlt er schon auf die erste fällige Rate nur 25 A, so darf nur die Vollstreckung von neun Tagen Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet werden. Der Fortbestand der geschuldeten Restgeldstrafe und die vermögensrechtliche Haftung des Verurteilten für sie wird durch das Verbot nicht berührt (§ 50 Abs. 2 StVollstrO).21 Ist die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe schon angeordnet oder ist sogar mit 10 deren Vollzug bereits begonnen und leistet der Verurteilte nunmehr Teilzahlungen, die nicht zur Deckung der ganzen noch geschuldeten Reststrafe ausreichen, so gilt nach Absatz 4 Satz 2 der Absatz 3 entsprechend, d. h. es darf mit dem Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe nicht begonnen und ein begonnener Vollzug muss abgebrochen werden, so9

17 18 19 20 21

BayVerfGHE 18 140, 152; 25 143. Kleinknecht35 Einl. 23. Kleinknecht/Meyer39 Einl. 23. KK/Appl 5; KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 7; SK/Paeffgen 6. KK/Appl 5; KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 7; SK/Paeffgen 6.

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bald der ausstehende Restbetrag nicht einem vollen Tag Ersatzfreiheitsstrafe entspricht.22 Ergeben sich Überzahlungen, ist der die Geldstrafe nach Abzug des durch die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe verbüßten Betrags übersteigende Betrag zurückzuzahlen.23 Zahlt der Verurteilte einen Teilbetrag, ist die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend zu kürzen.24 f) Wiederholung der Vollstreckung der Restgeldstrafe. Die Vollstreckungsbehör- 11 de kann, wenn sie sich davon Erfolg verspricht, die Vollstreckung der Restgeldstrafe bis zum Ablauf der Vollstreckungsverjährung jederzeit wiederaufnehmen.25 2. Vollstreckungsverfahren, Vollzug. Über Rechtsbehelfe des Verurteilten vgl. 12 § 459o. Für die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen gelten nach § 50 Abs. 1 StVollstrO – von gewissen, in § 51 StVollstrO bestimmten Abweichungen abgesehen – in vollem Umfang die Vorschriften über die Vollstreckung von Freiheitsstrafen (§§ 22 ff. StVollstrO). Bei nachträglicher Zahlung des rückständigen Betrages, der in dem Aufnahmeersuchen an die nach dem Vollstreckungsplan zuständige Justizvollzugsanstalt anzugeben ist, ist der Verurteilte sofort aus der Straftat zu entlassen (§ 51 Abs. 4 StVollstrO).26 Die Strafvollzugsgesetze des Bundes und der Länder enthalten keine von den allgemeinen Vorschriften über den Vollzug von Freiheitsstrafen abweichende Vorschriften über den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen. 3. Aussetzung des Strafrestes. Wegen der Aussetzung eines Strafrestes (der Er- 13 satzfreiheitsstrafe) vgl. § 462a, 4. 4. Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch freie Arbeit a) Regelung des früheren § 28b StGB. Der bis zum 31.12.1974 geltende § 28b StGB 14 bestimmte: „(1) Die Vollstreckungsbehörde kann dem Verurteilten gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. (2) Das Nähere regelt die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates. Soweit dies nicht geschieht, sind die obersten Landesbehörden ermächtigt, das Nähere zu regeln.“ Eine reichs- oder bundesrechtliche Regelung ist während der Geltungsdauer der Vorschrift wegen (behaupteter) kaum überwindbarer praktischer Schwierigkeiten bei Zuweisung und Überwachung der freien Arbeit nicht erfolgt. Entsprechende Vorschriften einzelner älterer Landesfeld- und Forstdiebstahlsgesetze haben schon seit langem keine praktische Bedeutung mehr. b) Reformdiskussion. Die Diskussion darüber, ob nicht doch erneut in das Strafge- 15 setzbuch eine dem § 28b a. F. StGB entsprechende Vorschrift über die Tilgung uneinbringlicher Geldstrafen durch „gemeinnützige“ Arbeit aufzunehmen sei,27 endete schließlich mit einem Kompromiss. Die Aufnahme einer Vorschrift in das Strafgesetz-

22 23 24 25 26

Bringewat 7, 9. KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Berechnungsbeispiele bei Röttle/Wagner Rn. 271 ff. Bringewat 8. Meyer-Goßner/Schmitt 4. OLG Düsseldorf NJW 1980 250; OLG Zweibrücken MDR 1987 782; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 8. 27 Zum Für und Wider dieser Diskussion vgl. die ausführliche Erörterung in LK/Tröndle9 § 28b, 4 und – zu Art. 293 EGStGB – LK/Tröndle10 § 43, 9 ff.

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buch unterblieb, weil die bisherigen Schwierigkeiten nach wie vor bestünden.28 Um aber die Länder nicht an erneuten Versuchen zu hindern, bestimmt Art. 293 EGStGB 1974, dass die Landesregierungen ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung Regelungen zu treffen, wonach die Vollstreckungsbehörden dem Verurteilten gestatten können, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. Es handelt sich dabei um eine Art Experimentierklausel, zu der neue Projekte, die z. B. in England mit einem „Gemeinschaftsdienst“ gemacht werden, Veranlassung gaben. 16 Eine nochmalige Überprüfung des Problems der Geldstrafentilgung war während der Arbeiten an der Strafrechtsreform im Zusammenhang mit der Schaffung des Strafvollzugsgesetzes in Aussicht gestellt worden. Das Strafvollzugsgesetz 1976 enthält aber ebenfalls keine einschlägigen Vorschriften, da es sich nur mit Vollzugs-, nicht mit Vollstreckungsfragen beschäftigt. Auch die Strafvollzugsgesetze der Länder sehen keine entsprechenden Regelungen vor. c) Heutige Praxis. Inzwischen haben alle Bundesländer von der Ermächtigung des Art. 293 EGStGB Gebrauch gemacht. Hatten die Länder die Anwendung der Rechtsverordnungen oder Gnadenregelungen zunächst – zumindest überwiegend29 – auf einzelne Landgerichtsbezirke beschränkt, so ist nunmehr festzustellen, dass inzwischen alle Länder eine umfassende flächendeckende Regelung getroffen haben. Die Regelungen sind im Wesentlichen inhaltsgleich. Dem Verurteilten kann danach auf Antrag gestattet werden, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit abzuwenden. Die Arbeit muss gemeinnützig und unentgeltlich sein. Die Vollstreckungsbehörde hat den Verurteilten bei der Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Mit der gemeinnützigen und unentgeltlichen Arbeit wird kein Arbeitsverhältnis begründet (Art. 293 Abs. 2 EGStGB). Allerdings finden Arbeitsschutzvorschriften entsprechende Anwendung. Auf Antrag des Verurteilten erlässt die Vollstreckungsbehörde eine Gestattungsverfügung. Diese ist widerruflich. Die Gestattung darf nicht erteilt werden, wenn der Verurteilte zur Arbeitsleistung – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage ist, sei es, weil er sich nicht auf freiem Fuß befindet oder eine Arbeit in absehbarer Zeit nicht vermittelt werden kann. Die Vermittlung der gemeinnützigen Arbeit erfolgt in aller Regel durch die Sozialen Dienste der Justiz, teilweise inzwischen aber auch durch freie Träger. 18 Nur die tatsächlich geleistete gemeinnützige Arbeit entfaltet Tilgungswirkung. Nichtantritt der Arbeit, unentschuldigtes Fernbleiben oder Schlechtleistung führen zum Widerruf der Gestattung. Sofern der Verurteilte der Arbeit fernbleibt, wird die versäumte Arbeitszeit auch dann nicht auf die Gesamtarbeitszeit angerechnet, wenn das Fernbleiben – nachträglich – entschuldigt ist. Gesetzliche Feiertage oder Krankheitstage des Verurteilten haben keine Tilgungswirkung.30 Der Verurteilte kann jederzeit die freie Arbeit durch Zahlung der noch ausstehenden Geldstrafe beenden. Zur Entscheidung über einen Antrag auf Gestattung der Tilgung der uneinbringli19 chen Geldstrafe ist der Rechtspfleger berufen. Solange die freie Arbeit gestattet ist, ruht die Vollstreckungsverjährung (§ 79a Nr. 2 Buchst. a StGB), denn die Gestattung kommt einem Aufschub der Vollstreckung gleich.31 Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers 17

28 29 30 31

Begr. zu Art. 270 Entw. EGStGB 1974 = BTDrucks. 7 550 S. 455. Vgl. dazu Krieg und Mitautoren MSchrKrim. 1984 28 f. BVerfG – Kammerbeschluss vom 29.1.1992 – 2 BvR 1266/91. KK/Appl 12; KMR/Stöckel 15; SK/Paeffgen 8.

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sind Einwendungen nach § 459o statthaft,32 über die das Gericht (§ 462 Abs. 1 Satz 1, § 462a Abs. 2) entscheidet.33 Wird bereits die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt, ist die Strafvollstreckungskammer für die Entscheidung über Einwendungen zuständig.34 Länderspezifische Unterschiede bestehen bezüglich des Anrechnungsmaßstabs, 20 der teils vier, sechs oder acht Stunden je Tagessatz beträgt. Es wäre wünschenswert, wenn der Bundesgesetzgeber diese unterschiedlichen Regelungen sowohl unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit der Strafe als auch dem Gleichheitsgrundsatz möglichst bald durch einen einheitlichen Anrechnungsmaßstab beseitigen würde.35

§ 459f Unterbleiben der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe Das Gericht ordnet an, daß die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt, wenn die Vollstreckung für den Verurteilten eine unbillige Härte wäre. Schrifttum Frank Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 57 StGB? NJW 1978 141; Geiter Ersatzfreiheitsstrafen: Bitterste Vollstreckung der mildesten Hauptstrafe des StGB. Erfahrungen bei Haftreduzierungsaktivitäten im Strafvollzug, FS Walter (2014) 559; Köhler Zur Kritik an der Zwangsarbeitsstrafe, GA 1987 145; von Selle Der Begriff der unbilligen Härte in § 459f StPO, NStZ 1990 118; Tröndle Die Geldstrafe in der Praxis und Probleme ihrer Durchsetzung unter besonderer Berücksichtigung des Tagessatzsystems, ZStW 86 (1974) 545; Wessing Zum Begriff der unbilligen Härte in § 459f StPO, EWiR 2002 167.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 eingefügt.

1. 2. 3.

Übersicht Verhältnis zum früheren Recht Regierungsentwurf 2 Unbillige Härte a) Bedeutung 3 b) Begriff 5

1

4.

5. 6.

Anordnung des Unterbleibens 7 a) Zuständigkeit b) Wirkung 8 Erneuter Versuch der Beitreibung Gnadenentscheidung 10

9

1. Verhältnis zum früheren Recht. Der bis zum 31.12.1974 geltende § 29 Abs. 4 StGB 1 bestimmte: „Kann die Geldstrafe ohne Verschulden des Verurteilten nicht eingebracht werden, so kann das Gericht anordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unterbleibt.“ Dieser Vorschrift ist § 459f mit zwei Abweichungen nachgebildet. Zunächst ist die bisherige Kann-Vorschrift zu einer Muss-Vorschrift („ordnet an“) umgewandelt worden. Ferner wird das Vorliegen einer „unbilligen Härte“ als Voraussetzung für eine 32 OLG Karlsruhe NStZ-RR 2009 220 und BGH NStZ 2009 575 Ls. 33 A. A. OLG Dresden NStZ 1999 160 (Entscheidung nur als Justizverwaltungsakt nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar); OLG Jena NJ 2008 376; vgl. aber Vorlagebeschluss OLG Karlsruhe NStZ-RR 2009 220 und Verneinung der Vorlagevoraussetzungen BGH NStZ 2009 575 Ls. 34 OLG Hamburg NJW 1976 257. 35 Wegen weiterer Änderungswünsche s. Krieg MSchrKrim. 1984 29 und Bringewat 14.

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Unterbleibensanordnung gefordert. Bei dem letzteren Erfordernis handelt es sich aber1 nur um eine Abweichung im Wortlaut des § 29 Abs. 4 a. F. StGB, nicht um eine solche von der bisherigen gerichtlichen Praxis. Nach wie vor kennt das Gesetz keine Aussetzung der Geldstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe zur Bewährung nach den §§ 56, 57 StGB, §§ 453, 454.2 2

2. Regierungsentwurf. Der Regierungsentwurf des späteren 23. StRÄndG3 sah vor, die Vorschrift um folgenden Satz zu erweitern: „Das Gericht kann die Anordnung davon abhängig machen, daß der Verurteilte innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Teilbetrag der Geldstrafe zahlt.“ Dieser Vorschlag wurde aber nicht weiterverfolgt, nachdem der Rechtsausschuss ihn einstimmig abgelehnt hatte, weil kein Bedürfnis dafür ersichtlich sei. Schon jetzt stelle das Gesetz sowohl im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung der Tagessätze, Zahlungsfristen, Teilzahlungsbewilligung als auch im Vollstreckungsverfahren ausreichend Mittel zur Vermeidung von Härten zur Verfügung, namentlich könne auch noch die Vollstreckungsbehörde Zahlungserleichterungen gewähren (§ 459a).4 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, zumal wenn man bedenkt, dass auch noch die Möglichkeit besteht, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit (§ 459e, 14 ff.) abzuwenden, und die ursprünglich vorgesehene Erweiterung dazu führen würde, das Vollstreckungsverfahren nochmals zu verlängern und die Vollstreckung oder die Anordnung ihres Unterlassens dadurch weiter hinauszuschieben. Mit dem Grundsatz der beschleunigten und nachdrücklichen Vollstreckung (§ 2 StVollstrO) ist dies nur schwerlich zu vereinbaren. Schließlich besteht auch die Gefahr, dass es zwischen Gericht und Verurteilten zu einem unwürdigen Feilschen über die Höhe des zu leistenden Teilbetrages und die Angemessenheit der Zahlungsfrist kommen könnte. 3. Unbillige Härte

a) Bedeutung. Nach dem der Neuregelung der Geldstrafe nach dem Tagessatzsystem zugrundeliegenden Gedanken kann das gesetzgeberische Ziel, die kurze (primäre) Freiheitsstrafe nur noch in Ausnahmefällen zuzulassen (§ 47 Abs. 1 StGB), nur durch eine Erweiterung der Geldstrafe erreicht werden. Der individuellen Belastbarkeit und der Leistungsfähigkeit des Täters nach Maßgabe seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat das Gericht bereits bei der Bemessung der Höhe des Tagessatzes Rechnung zu tragen (§ 40 Abs. 2 StGB) und ihm, wenn ihm die sofortige Zahlung nicht zuzumuten ist, Zahlungsfristen oder Teilzahlungen schon im Erkenntnisverfahren zu bewilligen (§ 42 StGB). Es ist aber, soweit eine Verfahrenseinstellung nach den Vorschriften der §§ 153 ff. in Betracht kommt, nicht zulässig, wegen (verschuldeter oder unverschuldeter) Vermögenslosigkeit des Täters von der Verhängung einer Geldstrafe überhaupt abzusehen. 4 Der Gesetzgeber war sich des Dilemmas durchaus bewusst, dass es auf dem Weg über die Ersatzfreiheitsstrafe doch wieder zur Vollstreckung einer an sich unerwünschten kurzen Freiheitsstrafe kommen kann.5 Er musste sich aber letztlich damit abfinden, denn eine Geldstrafe ohne den dahinter stehenden Zwang der Ersatzfreiheitsstrafe wäre 3

1 2 3 4

BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 120 Entw. EGStGB 1974, S. 311; KK/Appl 1. Vgl. zum Streitstand Fischer § 56, 2 und § 57 m. w. N. BTDrucks. 10 2720. Vgl. BTDrucks. 10 4391: Beschlussfassung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), Art. 3 Nr. 8, S. 11, Begr. S. 19. Wegen weiterer Einzelheiten s. Rn. 4. 5 Von Selle NStZ 1990 118 sieht darin ein paradoxum.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459f

in vielen Fällen wirkungslos. Die Vollstreckungspraxis zeigt, dass viele Geldstrafen erst unter dem Druck der bevorstehenden Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe gezahlt werden, was in dem trotz erheblicher Zunahme der Verhängung von Geldstrafen an sich geringen Prozentsatz tatsächlich vollzogener Ersatzfreiheitsstrafen zum Ausdruck kommt. Aber auch im Vollstreckungsstadium stellt das Gesetz Mittel zur Vermeidung von Härten aufgrund persönlicher und wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Verurteilten zur Verfügung. Die Vollstreckungsbehörde kann Zahlungserleichterungen gewähren (§ 459a). Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des § 459d anordnen, dass die Vollstreckung der Geldstrafe ganz oder teilweise unterbleibt. Schließlich kann das Gericht nach § 459f auch anordnen, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe entfällt, wenn nämlich die Vollstreckung für den Verurteilten eine unbillige Härte wäre. b) Begriff. Eine unbillige Härte i. S. des § 459f liegt nicht schon allein darin, dass 5 der Verurteilte – wenn auch unverschuldet – über keine oder nicht mehr ausreichende Mittel verfügt, die zu seinem und seiner Familie gehörigen Unterhalt erforderlich sind.6 Bestrebungen, schon darin eine unbillige Härte zu sehen, haben sich nicht durchsetzen können. Denn wiederum liefe dies darauf hinaus, dass die Tat ohne Sanktion bliebe, wenn zwar das Gericht letztlich ohne Rücksicht auf die Frage ihrer Einbringlichkeit eine Geldstrafe verhängen muss, aber im Vollstreckungsstadium allein die Uneinbringlichkeit zu einem Absehen von der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe führen würde.7 Zur Vermögenslosigkeit müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die eine Ersatzvollstreckung der Geldstrafe als mit den Anforderungen der Billigkeit (einer billigen Rücksichtnahme) unvereinbar, als geradezu „ungerecht“ erscheinen lassen.8 Es greift also auch hier der Gedanke des § 456, dass die Vollstreckung der Ersatz- 6 freiheitsstrafe eine außerhalb des Strafzwecks liegende zusätzliche Härte bedeuten muss.9 Die Härteklausel darf daher nur in den (verhältnismäßig seltenen) Fällen zum Zuge kommen, in denen es offensichtlich ist, dass selbst äußerste Anstrengungen (zusätzlicher Nebenverdienst, strikte Sparsamkeit und Reduzierung des Lebensstandards) es dem Verurteilten nicht ermöglichen, ratenweise Mittel für die Geldstrafe aufzubringen, und eine günstige Prognose die Annahme rechtfertigt, dass schon die bloße Verhängung der Geldstrafe Strafwirkung erzielt hat.10 In Betracht kommen etwa Fälle, dass wegen längerer Krankheit der Ehefrau des Verurteilten die kleinen Kinder unversorgt bleiben müssten, wenn er die Ersatzfreiheitsstrafe anträte und auch staatliche Hilfen nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen; dass die Mittellosigkeit die Folge unverschuldeter schwerer Schicksalsschläge ist; dass Verlust des langjährigen Arbeitsplatzes mit anschließender langer Arbeitslosigkeit zu erwarten ist. Der Bezug von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Grundsicherung reicht für sich genommen nicht aus, um eine unbillige Härte zu begründen, wohl aber wenn nachgewiesen schwerwie-

6 BVerfG NJW 2006 3626; BGHSt 27 90, 93; OLG Düsseldorf MDR 1983 341; MDR 1985 76; VRS 77 (1989) 454; Schädler ZRP 1983 7; LK/Grube § 40, 54 ff.; Fischer § 40, 14; KK/Appl 2; Bringewat 3, 4; kritisch Volckart/Pollähne/Woynar Rn. 250 ff. 7 Bedenken bei von Selle NStZ 1990 20; Köhler GA 1987 161; KMR/Stöckel 2. 8 Tröndle ZStW 86 (1974) 570; MDR 1972 454; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4. 9 BVerfG NJW 2006 3626; BGHSt 27 93 unter ausdrücklicher Verweisung auf Tröndle ZStW 86 (1974) 570; OLG Düsseldorf MDR 1983 341; 1985 76; VRS 77 (1989) 454; OLG München GA 1984 187; LG Frankfurt StV 1983 292; LG Flensburg Rpfleger 1983 326; LG Aachen JurBüro 1990 1204; OLG Oldenburg StraFo 2006 124; Dölling NStZ 1981 89; KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4; Frank MDR 1976 628; NJW 1978 143; von Selle NStZ 1990 119. 10 Tröndle ZStW 86 (1974) 570; Bringewat 4.

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gende gesundheitliche Probleme bestehen, die einen zusätzlichen Verdienst nicht ermöglichen.11 Die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe stellt auch dann eine unbillige Härte dar, wenn die Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG allein an der mangelnden Zurückstellungsfähigkeit der gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 2 StVollstrO anschließend zu vollstreckenden Ersatzfreiheitsstrafe scheitern würde.12 Sofern eine ungünstige Täterprognose eine nachhaltige Einwirkung auf den Verurteilten erfordert, um den Strafzweck zu erreichen, kommt die Annahme einer unbilligen Härte nicht in Betracht.13 Auch wenn dem Verurteilten jede Unrechtseinsicht fehlt, stellt die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe keine unbillige Härte dar.14 4. Anordnung des Unterbleibens 7

a) Zuständigkeit. Zuständig zur Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung, die auch noch während der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe getroffen werden kann, ist das Gericht (§§ 462, 462a). § 49 Abs. 2 StVollstrO weist die Vollstreckungsbehörde an, in Fällen, in denen die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe eine unbillige Härte bedeuten kann, zu prüfen, ob bei dem Gericht eine Anordnung nach § 459f anzuregen ist. Eine solche Anregung kann auch der Rechtspfleger geben, der sie dem sachbearbeitenden Staatsanwalt der nach § 462 Abs. 2 als Strafverfolgungsbehörde zu hörenden Staatsanwaltschaft zuleitet, damit dieser die Anregung prüft und sich ggf. zu eigen macht.15 Ist der Staatsanwalt anderer Auffassung als der Rechtspfleger, so entscheidet der gemeinsame Vorgesetzte oder der von diesem durch die Geschäftsverteilung dafür bestimmte Staatsanwalt, ob und mit welcher Begründung die Anregung an das Gericht weitergeleitet werden soll. Die Anregung kann auch schon vor der Anordnung nach § 459e erfolgen.

8

b) Wirkung. Nach den zu § 29 Abs. 4 a. F. StGB, § 459 a. F. ausgebildeten Grundsätzen,16 die ihre Bedeutung behalten haben, da § 459f insoweit keine Änderung der Rechtslage gebracht hat (Rn. 1), besteht die Wirkung der Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe, auch nach ihrer Rechtskraft (§ 462 Abs. 3), lediglich in dem Aufschub der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe.17 Sie lässt aber, da sie nur eine Vollstreckungsmaßnahme und nicht etwa ein den Erlass der Geldstrafe oder der Ersatzfreiheitsstrafe umfassender Gnadenakt ist, im Übrigen den Fortbestand der Ersatzfreiheitsstrafe und den Fortbestand der ihr zugrunde liegenden Geldstrafe unberührt. Daraus folgt, dass das Gericht seine Anordnung widerrufen und damit das der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe entgegenstehende Hindernis beseitigen kann, wenn infolge nachträglicher Veränderung der Verhältnisse die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe keine unbillige Härte mehr darstellt, insbesondere wenn die Geldstrafe jetzt nur infolge Verschuldens des Verurteilten nicht beitreibbar ist.18 Ist die Vollstre-

11 12 13 14 15

AG Tiergarten FS 2011 195. OLG Karlsruhe StV 2006 590; LG Dortmund StV 1996 218. BGHSt 27 93; OLG Düsseldorf MDR 1985 76; KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2. LG Zweibrücken VRS 95 (1998) 35. Pohlmann Rpfleger 1970 265; Pohlmann/Jabel/Wolf § 49, 12; 13; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 6. 16 S. dazu LR/Schäfer22 § 459, 1. 17 OLG Schleswig SchlHA 1976 13; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 6; Röttle/Wagner Rn. 270. 18 BGH Beschl. vom 23.2.1966 −2 StR 39/66 −; OLG Dresden JW 1932 1764; OLG Schleswig SchlHA 1976 13; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 7.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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ckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet und mit ihrem Vollzug bereits begonnen, kann die zuständige Strafvollstreckungskammer gleichwohl noch eine (Teil-)Anordnung nach § 459f treffen, wenn die Fortführung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund neuer Umstände für den Verurteilten eine unbillige Härte darstellen würde.19 5. Erneuter Versuch der Beitreibung. Die Vollstreckungsbehörde kann bis zum 9 Ablauf der Verjährungsfrist erneut versuchen, und zwar ohne dass es eines Widerrufs der Anordnung nach § 459f bedarf, die Geldstrafe doch noch beizutreiben, wenn nach Erlass der Anordnung neue Gesichtspunkte hervortreten, die die Fortsetzung der Vollstreckung der Geldstrafe angezeigt erscheinen lassen, insbesondere wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten bessern. Darauf weist § 49 Abs. 2 Satz 2 StVollstrO ausdrücklich hin. Dies gilt aber dann nicht, wenn ein Gerichtsbeschluss nach § 459d dem entgegensteht. Im Allgemeinen wird die Vollstreckungsbehörde Anlass zu erneuten Vollstreckungsmaßnahmen nur haben, wenn sie aufgrund bestimmter Tatsachen Kenntnis von einer Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten erlangt. Dann allerdings gebietet es auch die Vollstreckungspflicht, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist (dazu §§ 79, 79a StGB) die erforderlichen Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen, auch wenn bis dahin ein längerer Zeitraum seit den letzten Vollstreckungsversuchen verstrichen ist. Ein Vertrauensschutz für den Verurteilten greift insoweit nicht ein. 6. Gnadenentscheidung. Auch wenn das Gericht eine Anordnung nach § 459f ab- 10 gelehnt hat, kann die Gnadenbehörde im Gnadenweg die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe unter Aufrechterhaltung der Geldstrafe zur Bewährung aussetzen.20

§ 459g Vollstreckung von Nebenfolgen (1) 1Die Anordnung der Einziehung oder der Unbrauchbarmachung einer Sache wird dadurch vollstreckt, dass die Sache demjenigen, gegen den sich die Anordnung richtet, weggenommen wird. 2Für die Vollstreckung gelten die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes. (2) Für die Vollstreckung der Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, gelten die §§ 459, 459a sowie 459c Absatz 1 und 2 entsprechend. (3) 1Für die Vollstreckung nach den Absätzen 1 und 2 gelten außerdem die §§ 94 bis 98 entsprechend mit Ausnahme von § 98 Absatz 2 Satz 3, die §§ 102 bis 110, § 111c Absatz 1 und 2, § 111f Absatz 1, § 111k Absatz 1 und 2 sowie § 131 Absatz 1. 2 § 457 Absatz 1 bleibt unberührt. 3Vor gerichtlichen Entscheidungen unterbleibt die Anhörung des Betroffenen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde. (4) 1Das Gericht ordnet den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c des Strafgesetzbuchs an, soweit der aus der Tat erwachsene Anspruch auf rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erloschen ist. 2Dies gilt nicht für Ansprüche, die durch Verjährung erloschen sind. (5) 1In den Fällen des Absatzes 2 unterbleibt auf Anordnung des Gerichts die Vollstreckung, soweit sie unverhältnismäßig wäre. 2Die Vollstreckung wird auf An19 BGHSt 30 323; Frank NJW 1978 143; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 10. 20 Bringewat 11.

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ordnung des Gerichts wieder aufgenommen, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Anordnung nach Satz 1 entgegenstehen. 3 Vor der Anordnung nach Satz 2 unterbleibt die Anhörung des Betroffenen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde. 4Die Anordnung nach Satz 1 steht Ermittlungen dazu, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Vollstreckung vorliegen, nicht entgegen. Schrifttum Bielefeld/Handel Das Verfahren der Opferentschädigung nach dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung – Chance und Risiko zugleich, wistra 2019 9; Bittmann Die Rechtsprechung zum abschöpfungsrechtlichen Verfahrensrecht 2019/2020, Teil 2b, NStZ 2021 342; Bittmann/Tschakert Strafrechtliche Vermögensabschöpfung und Insolvenzrecht – Stärkung des Justizfiskus, der Verletzten oder aller Gläubiger, ZInsO 2017 2657; Blankenburg Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung – Neue Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft im Insolvenzverfahren, ZInsO 2017 1453; Börner Vermögensabschöpfung als Königsweg im System des Strafrechts – Auswirkungen auf Rolle und Aufgabe der Strafverteidigung, StraFo 2020 89; Gehm Steuerhinterziehung: Einziehung von Taterträgen bei Hinterziehung vom Umsatzsteuer zugunsten Dritte, PStR 2020 154; ders. Neuer Vorstoß des Gesetzgebers bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung – eine aktuelle Bestandsaufnahme, ZWH 2021 18; Gericke Die neuen Regelungen zur Einziehung – erste Erfahrungen, StraFo 2021 274; Hiéramente/Pfister Strafrechtliche Ermittlungen zum Zwecke der Vermögensabschöpfung, jurisPR-StrafR 7/2001 Anm. 2; Hüls Zur Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung im Strafrecht, ZWH 2017 242; Kutschelis Zur Frage, ob sich ein Betrugstäter im Vollstreckungsverfahren betreffend die Einziehung von Wertersatz auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann – Anmerkung zu einer Entscheidung des OLG Stuttgart, Beschluss vom 5.8.2020 (11 KLs 176 Js 42172/ 15), NZWiSt 2020 39; Madauß Aktuelle Rechtsprechung zur Einziehung in Steuerstrafverfahren und deren Bedeutung für die Praxis, ZWH 2020 93; Meißner Die neuen Regelungen der Einziehung – erste Erfahrungen, StraFo 2021 266; Mitsching Der Einfluss der Vermögensabschöpfung auf den Zivilprozess, JZ 2020 937; Pagán Die staatliche Einziehung im Spannungsverhältnis zum Insolvenzverfahren – eine Zwischenbilanz nach der Reform, ZInsO 2019 1554; Reichling/Lange/Borgel Gesetzgebungsverfahren: „Lex Cum/Ex II.“ – Erneute Änderung des Verjährungs- und Einziehungsrechts, PStR 2021 31; Rettke Zur Entreicherung nach Anordnung einer Einziehung und zur dadurch bedingten Anordnung des Unterbleibens der weiteren Vollstreckung gemäß § 459g Abs. 5 StPO – Anm. zu einer Entscheidung des KG, Beschluss vom 7.9.2020 (5 Ws 105/19), wistra 2021 163; ders. Der Vermögensabschöpfungsstrafbefehl – Selbständige Einziehung im Strafbefehlsverfahren, NStZ 2021 202; Sabel/Kusche Regelungslücken im ordnungswidrigkeitenrechtlichen Abschöpfungssystem bei Anspruchstrias, ZWH 2021 195; Schilling/Corsten/Hübner Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, StraFo 2017 305; Weidemann Steuerstraftat: Vermögensabschöpfung im Steuerstrafrecht, PStR 2018 8; Wilke Vermögensabschöpfung und Deal – Ökonomisierungs- und Verteidigungspotential, StraFo 2019 495; Wolf Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, Rpfleger 2017 489.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 eingefügt. Durch Art. 3 Nr. 3 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften vom 1.2.19791 sind die früheren Sätze 2 und 3 des Absatzes 1 durch einen neuen Satz 2 ersetzt worden. Durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20172 wurden die Vorschrift infolge der materiell-rechtlichen Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung (§§ 73 ff. StGB) sowie weitere einschlägige strafvollstreckungsrechtliche Vorschriften neu gefasst. Absätze 1 und 2 übernehmen den 1 BGBl. I S. 127. 2 BGBl. I S. 872, 886.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Regelungsgehalt der bisher geltenden Fassung des § 459g. Absatz 3 geht auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des BTRAussch. vom 22.3.20173 zurück. Die Absätze 3 und 4 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung4 wurden dadurch als Absätze 4 und 5 neu gefasst und vollziehen die gerichtliche Zuständigkeit für das Vollstreckungsverfahren nach.5 Durch Art. 49 des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.20206 wurde dem Absatz 4 der Satz 2 angefügt. Durch Art. 1 Nr. 57 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.20217 wurden die Absätze 3 und 4 sowie Absatz 5 Satz 1 neu gefasst. In Absatz 5 Satz 2 erfolgte eine Klarstellung hinsichtlich der Zuständigkeit für die Anordnung der Wiederaufnahme der Vollstreckung. Absatz 5 wurde zudem um die Sätze 3 und 4 ergänzt.

I.

II. III.

Übersicht Vollstreckung bei Einziehung oder Unbrauchbarmachung (Absatz 1) 1. Früheres Recht 1 2. Neues Recht 2 3. Ergänzende Vorschriften 3 4. Einziehung 4 a) Bewegliche oder unbewegliche Sachen 5 b) Wegnahme 6 c) Eidesstattliche Versicherung 7 d) Besitzender Dritter 8 e) Unausführbarkeit 9 f) Rechte 10 5. Unbrauchbarmachung 11 6. Tod des Verurteilten, Einziehungsbeteiligten oder Nebenbetroffenen 14 Vollstreckung von Nebenfolgen bei Verpflichtung zu einer Geldzahlung (Absatz 2) 17 Entsprechende Anwendung von §§ 94 bis 98 mit Ausnahme von § 98 Abs. 2 Satz 3, §§ 102 bis 110, 111c Abs. 1 und 2, § 111f Abs. 1, § 111k Abs. 1 und 2 sowie § 131 Abs. 1 (Absatz 3) 1. Allgemeines 19 2. Beschlagnahme 22

24 Durchsuchung Ausschreibung zur Vollstreckung von Nebenfolgen 27 5. Sonstige Maßnahmen (Satz 2) 28 6. Anhörung des Betroffenen (Satz 3) 29 7. Zuständigkeit 30 Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach §§ 73 bis 73c StGB (Absatz 4) 1. Ausschluss (Satz 1) 31 2. Kein Ausschluss (Satz 2) 33 Unterbleiben der Vollstreckung von Nebenfolgen zur Verpflichtung einer Geldzahlung (Absatz 5) 1. Allgemeines 34 2. Unverhältnismäßigkeit (Absatz 5 Satz 1) 35 3. Wiederaufnahme der Vollstreckung 39 4. Anhörung des Betroffenen (Satz 3) 43 5. Durchführung von Ermittlungen (Satz 4) 44 6. Zuständigkeit 45 3. 4.

IV.

V.

Alphabetische Übersicht Akteneinsicht 41 Ausschluss 31 – kein Ausschluss 33 Ausschreibung zur Vollstreckung von Nebenfolgen 27 Dokumentationspflicht 40 Durchsuchung 24 Eidesstattliche Versicherung 7

3 4 5 6 7

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Einwendungen 46 Einziehung 1 ff. Klage 10 – auf Herausgabe 8 Nachlass 16 Rechte 10 Sachen

BTDrucks. 18 11640 S. 89. BTDrucks. 18 9525 S. 31, 94. BTDrucks. 18 11640 S. 89. BGBl. I S. 3096, 3134. BGBl. I S. 2099, 2106.

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– bewegliche 5 – unbewegliche 5 Schuldurkunde 10 Tod 14 Übermaßverbot 3 Unausführbarkeit 9 Unbrauchbarmachung 1 ff., 11 ff. Unterbleiben der Vollstreckung 34 ff.

Unterbleibensanordnung 35 Unverhältnismäßigkeit 35 ff. Verhältnismäßigkeit 21 Wegnahme 6 Wiederaufnahme der Vollstreckung 39 ff. Zuständigkeit 30, 45 f. Zweckbindung 21

I. Vollstreckung bei Einziehung oder Unbrauchbarmachung (Absatz 1) 1

1. Früheres Recht. Der dem § 90 Abs. 3 Satz 1 OWiG entsprechende § 459g Abs. 1 Satz 1 ist an die Stelle des § 463 a. F. getreten, soweit dort unter den „Vermögensstrafen“ wegen deren Vollstreckung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung verwiesen wurde, auch die Anordnung von Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung einer Sache verstanden wurde.

2

2. Neues Recht. Das am 1.7.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20178 hat die materiell-rechtlichen Regelungen neu gefasst, in deren Folge die einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Regelungen angepasst und teilweise neu gefasst werden mussten. § 459g bleibt dabei die grundlegende Vorschrift für die Vollstreckung rechtskräftiger Anordnungen der Einziehung oder Unbrauchbarmachung.9 Im Erkenntnisverfahren gilt § 459g nicht, und zwar auch nicht analog.10 Absatz 1 regelt die Vollstreckung von Nebenfolgen, die auf die funktional dauerhafte Besitzentziehung bei dem Einziehungsadressaten und auf die Besitzeinräumung zugunsten des Justizfiskus abstellen.11 Durch Art. 1 Nr. 57 des am 1.7.2021 in Kraft getretenen Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.202112 wurde § 459g in verschiedener Hinsicht überarbeitet und an Bedürfnisse der Praxis angepasst. Die (polizeilichen) Befugnisse bei der Fahndung nach Vermögenswerten wurden konkretisiert und um Ermächtigungen zu Beschlagnahmen ergänzt (Absatz 3).13 Die Regelung zum Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c StGB (Absatz 4) wurde als gesetzlicher Unterfall des Ausschlusses der Vollstreckung bei Unverhältnismäßigkeit (Absatz 5) ausgestaltet.

3

3. Ergänzende Vorschriften. Absatz 1 wird durch die §§ 60 ff. StVollstrO ergänzt, die detaillierte Verfahrensregelungen für die Vollstreckungsbehörde enthalten. Ansprüche aus gerichtlichen Anordnungen über die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung einer Sache werden nach § 1 Abs. 1 Nr. 2a JBeitrG beigetrieben. Ferner finden die Vor-

8 9 10 11

BGBl. I S. 872. BTDrucks. 18 9525 S. 94. BGH NStZ-RR 2018 241. KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 1; OK-StPO/Coen 1; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1848. 12 BGBl. I S. 2099. 13 BTDrucks. 19 27654 S. 39.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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schriften des Justizbeitreibungsgesetzes14 nach Absatz 2 entsprechende Anwendung für die Vollstreckung von Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 459g Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 459, 459a und 459c Abs. 1 und 2). 4. Einziehung. Die Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 Satz 1 umfasst die Ein- 4 ziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (§ 73 StGB), die erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (§ 73a StGB), die Einziehung von Taterträgen bei anderen (§ 73b StGB), die Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern und Teilnehmern (§ 74 StGB), die Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei anderen (§ 74a StGB) sowie die Sicherungseinziehung (§ 74b StGB). a) Bewegliche oder unbewegliche Sachen. Absatz 1 Satz 1, der den Anspruch des 5 Justizfiskus auf Besitzeinräumung regelt, befasst sich nur mit der Vollstreckung, wenn die Einziehung einer beweglichen oder unbeweglichen Sache angeordnet ist.15 Da mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung das Eigentum an der Sache kraft Gesetzes auf den Staat übergeht, wird damit der Justizfiskus (§ 60 StVollstrO) Eigentümer der Sache. Besonderer Vollstreckungsmaßnahmen bedarf es nur dann, wenn sich der Gegenstand bei Eintritt der Rechtskraft nicht bereits (z. B. infolge Beschlagnahme oder freiwilliger Herausgabe) in amtlichem Gewahrsam befindet. Bei der Einziehung eines KFZ geht auch der KFZ-Brief in das Eigentum des Fiskus über. Die rechtskräftige Anordnung der Einziehung ist zugleich Vollstreckungstitel. Der Landesfiskus wird auch Eigentümer, wenn ein Oberlandesgericht in Ausübung der Gerichtsbarkeit des Bundes (§ 120 Abs. 6 GVG) entschieden hat (§ 60 Satz 2 StVollstrO). Hat das Gericht die Einziehung zugunsten des Bundes angeordnet, so wird die Bundesrepublik Deutschland (Justizfiskus) Eigentümer (§ 60 Satz 3 StVollstrO). b) Wegnahme. Befindet sich die Sache im Besitz des Verurteilten oder des in der 6 Entscheidung bezeichneten Einziehungsbeteiligten, der sie herauszugeben hat und gibt dieser sie nicht auf Aufforderung freiwillig heraus, so erfolgt die Vollstreckung nach Absatz 1 Satz 1 durch Wegnahme (§ 61 StVollstrO) im Sinne von § 883 Abs. 1 ZPO, bei Grundstücken sinngemäß durch Besitzentzug (§ 885 ZPO). Sofern die Vollstreckungsbehörde die tatsächliche Gewalt über die Sache nicht ausüben will, genügt die Herstellung des mittelbaren Besitzes (§ 868 BGB). Wesentliche Bestandteile und Zubehörstücke werden ohne besonderen Vollstreckungstitel in Besitz genommen.16 Die Wegnahme wird durch den von der Vollstreckungsbehörde mit schriftlichem Auftrag versehenen Vollziehungsbeamten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 JBeitrG, § 61 Abs. 1, 2 StVollstrO) vollzogen.17 Die Wegnahme unterbleibt, wenn der Einziehungsbeteiligte die Herausgabe der in seinem Gewahrsam befindlichen Sache unter Berufung auf ein Recht zum Besitz verweigert, dessen Erlöschen (§ 75 Abs. 2 Satz 2 StGB) nicht in der Entscheidung angeordnet ist. Es bleibt dann nur der Weg der Klage auf Herausgabe nach § 985 BGB (§ 61 Abs. 4 StVollstrO), über dessen Beschreiten die oberste Justizbehörde entscheidet (§ 61 Abs. 3 Satz 2 StVollstrO).

14 15 16 17

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BGBl. I 2017 S. 1926 und I 2021 S. 882. Wegen der Einziehung von Rechten siehe Rn. 10. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 4. Röttle/Wagner Rn. 425.

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c) Eidesstattliche Versicherung. Wird die herauszugebende Sache nicht vorgefunden, so können der Verurteilte sowie der Einziehungsbeteiligte durch Antrag der Vollstreckungsbehörde bei dem zuständigen Gerichtsvollzieher zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib der Sache angehalten werden (§ 883 Abs. 2, §§ 899, 900 Abs. 1, 3 und 5, §§ 901 bis 913 ZPO; § 62 Abs. 1 StVollstrO; § 7 JBeitrG).18 Die Vollstreckungsbehörde soll aber von einer solchen Antragstellung in der Regel absehen, sofern die eidesstattliche Versicherung wesentlichen Feststellungen der Entscheidung widersprechen würde (§ 62 Abs. 1 Satz 2 StVollstrO). Der Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ersetzt den vollstreckbaren Schuldtitel (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Satz 2 JBeitrG). Dem Vollstreckungsbeamten der Vollstreckungsbehörde bleibt es unbenommen, auch nach Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung die Wohnung oder Behältnisse erneut mit richterlicher Anordnung zu durchsuchen.19 Zur Antragstellung ist der Rechtspfleger berufen.20

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d) Besitzender Dritter. Befindet sich die herauszugebende Sache im Besitz eines Dritten, so besteht keine Möglichkeit, aus der die Einziehung anordnenden Entscheidung unmittelbar gegen diesen mit Vollstreckungsmaßnahmen vorzugehen, denn eine Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen bildet die Entscheidung nur gegenüber demjenigen, der in ihr als Verurteilter oder herausgabepflichtiger Einziehungsbeteiligter benannt ist. Der Justizfiskus kann jedoch aufgrund des mit der Rechtskraft der Entscheidung erworbenen Eigentums gegen den Dritten mit einer Klage auf Herausgabe (§ 985 BGB) vorgehen.21 Ob ein Anspruch auf Herausgabe gegen den Dritten als Gewahrsamsinhaber geltend gemacht wird, entscheidet die oberste Justizbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle (§ 61 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 StVollstrO).22

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e) Unausführbarkeit. Kann die Einziehung der Sache deshalb nicht angeordnet werden, weil diese nicht mehr vorhanden, verwertet, mit dem Recht eines Dritten belastet oder nach der Anordnung sonst eine der in § 73c oder § 74c StGB bezeichneten Voraussetzungen eingetreten ist, so legt die Vollstreckungsbehörde die Akten der als Strafverfolgungsbehörde zuständigen Staatsanwaltschaft vor, damit Letztere prüfen kann, ob sie bei dem nach den §§ 462, 462a zuständigen Gericht23 die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 StGB) beantragen soll (§ 62 Abs. 2 StVollstrO).24 Während die Vollstreckungsbehörde verpflichtet ist, die Akten nach § 62 Abs. 2 StVollstrO der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde vorzulegen („, so veranlasst die Vollstreckungsbehörde die Prüfung, ob … die Einziehung des Wertersatzes nachträglich angeordnet werden soll (§ 76 StGB)“, liegt die Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes im Ermessen des Gerichts („… kann das Gericht die Einziehung des Wertersatzes nachträglich anordnen.“). Das Gericht entscheidet nach Anhörung des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 462 Abs. 1, § 462a Abs. 1).

18 19 20 21 22

Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1852. OK-StPO/Coen 10 f.; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 9; MüKo/Nestler 22. Röttle/Wagner Rn. 428. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1848. Pohlmann Rpfleger 1968 270; Pohlmann/Jabel/Wolf § 61, 18; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler

4.

23 BGH wistra 2018 427. 24 KK/Appl 9; MüKo/Nestler 8.

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f) Rechte. Eingezogene Rechte gehen kraft Gesetzes (§ 75 StGB) mit der Rechtskraft 10 der Entscheidung auf den Staat über. Insoweit bedarf es grundsätzlich keiner Vollstreckungsmaßnahmen.25 Bestehen aber Streitigkeiten mit Dritten über die Inhaberschaft des Rechts, z. B. wenn ein Dritter geltend macht, das eingezogene Recht habe im Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung nicht mehr dem Einziehungsbeteiligten, sondern ihm zugestanden (§ 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. StGB: „… wenn … zu dieser Zeit … zusteht“) oder Streitigkeiten über Rechte am Recht, deren Erlöschen nicht angeordnet ist oder über die Befugnis zur Ausübung des Rechts, so bedürfen sie einer Klärung im Wege der Klage, über deren Erhebung die oberste Justizbehörde entscheidet (§ 61 Abs. 5 Satz 2, Abs. 4 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 StVollstrO). Ist das eingezogene Recht eine Geldforderung gegen einen Dritten, so kann der Justizfiskus als Gläubiger gegen den Schuldner, der nicht zahlt, nur nach den allgemeinen Vorschriften vorgehen.26 Ist mit dem Rechtserwerb der Eigentumsübergang an einer Schuldurkunde i. S. v. § 952 BGB verbunden, darf diese in entsprechender Anwendung von § 836 Abs. 3 ZPO den im Titel genannten Personen weggenommen werden. Einer Pfändung oder Überweisung des Rechts bedarf es in keinem Fall (§ 61 Abs. 5 Satz 1 StVollstrO). 5. Unbrauchbarmachung. Die Anordnung der Unbrauchbarmachung (§ 74d Abs. 1 11 Satz 2 StGB) und der ihr gleichstehenden (vereinzelt noch in Nebengesetzen vorgesehenen) Vernichtung verschafft − anders als die Einziehung − dem Staat kein Eigentum, sondern lässt die Eigentumsverhältnisse unberührt.27 Ein Gegenstand, dessen Unbrauchbarmachung angeordnet ist, wird daher nach Möglichkeit dem Berechtigten zurückgegeben, wenn er nach Maßgabe der Entscheidung seiner gefährdeten Form entkleidet oder unschädlich gemacht worden ist (§ 63 Abs. 3 StVollstrO). Befindet sich der Gegenstand, dessen Unbrauchbarmachung oder Vernichtung angeordnet ist, in den Händen des Verurteilten, eines Einziehungsbeteiligten (§ 424) oder eines Nebenbetroffenen (§ 438), so bedeutet diese Anordnung, dass sie verpflichtet sind, die Unbrauchbarmachung zu dulden.28 Mithin ist die Wegnahme des Gegenstands zur Durchführung der Anordnung der Unbrauchbarmachung zu dulden. Die Wegnahme wird in gleicher Weise wie bei eingezogenen Gegenständen vollzogen.29 Befindet sich der Gegenstand in den Händen eines Dritten, so kann aus der die 12 Unbrauchbarmachung (Vernichtung) anordnenden Entscheidung gegen ihn nicht vollstreckt werden. Materiell-rechtlich begründet zwar die Anordnung der Unbrauchbarmachung (Vernichtung) auch für ihn die Pflicht, dem Staat den Besitz an dem Gegenstand zur Durchführung der Anordnung zu überlassen.30 Ist der Dritte aber nicht freiwillig zur Herausgabe oder Duldung bereit, besteht mangels eines Vollstreckungsmittels nur die Möglichkeit, dass der Staat im Wege des Zivilprozesses gegen ihn sein Recht auf Erlangung des Besitzes zwecks Durchführung der angeordneten Maßnahme verfolgt oder dass mit polizeilichen Maßnahmen oder mit Hilfe der zuständigen Verwaltungsbehörde (§ 63 Abs. 5 StVollstrO) gegen ihn vorgegangen wird, um durch Entziehung des Gegenstands die Allgemeinheit vor Gefahren zu schützen, die von dem Gegenstand oder seiner missbräuchlichen Verwendung drohen (§ 74b StGB). 25 KK/Appl 8; Bringewat 7; Röttle/Wagner Rn. 427; Pohlmann/Jabel/Wolf § 61, 12; OK-StPO/Coen 6; MüKo/ Nestler 3. 26 KK/Appl 8; Röttle/Wagner 427. 27 KK/Appl 5; Bringewat 8; OK-StPO/Coen 2; Röttle/Wagner Rn. 433. 28 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 3; KK/Appl 6. 29 Bringewat 8. 30 Pohlmann/Jabel/Wolf § 61, 24.

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Die Ausführung der Unbrauchbarmachung oder Vernichtung, sobald der Staat den Besitz an dem Gegenstand erlangt hat, richtet sich nach § 63 Abs. 3 bis 7 StVollstrO.

6. Tod des Verurteilten, Einziehungsbeteiligten oder Nebenbetroffenen. Soweit der Verurteilte, Einziehungsbeteiligte oder Nebenbetroffene (z. B. in den Fällen der § 74a Nr. 2, § 74b Abs. 1 Nr. 2, § 75 Abs. 1 Nr. 2 StGB) Eigentümer der einzuziehenden Sache ist und vor Rechtskraft der Entscheidung stirbt, geht das Eigentum nicht ohne Weiteres auf den Staat über. In den Fällen der Einziehung von Taterträgen bei Täter und Teilnehmern (§ 73 StGB) sowie der erweiterten Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (§ 73a StGB) richtet sich die Einziehung nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB, unter Umständen i. V. m. § 76a Abs. 1 StGB, bei einer Sicherungseinziehung gemäß § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB gegen den Rechtsnachfolger (z. B. den Erben), der dann am Verfahren beteiligt wird (§ 424), so etwa wenn es gegen einen Mitangeklagten fortgeführt wird oder wenn ein selbständiges Einziehungsverfahren (§ 435) gegen ihn eingeleitet wird. 15 Stirbt der Verurteilte, Einziehungsbeteiligte oder Nebenbetroffene nach Rechtskraft der Entscheidung, so wird die Wirkung der auf Einziehung oder Unbrauchbarmachung (Vernichtung) lautenden rechtskräftigen Entscheidung anders als bei Geldstrafen (§ 459c Abs. 3) durch den Tod nicht berührt.31 Eine Änderung der Rechtslage tritt nur insofern ein, als es keine dem § 727 ZPO vergleichbare Umschreibung des Strafurteils als Vollstreckungstitel gegen den Rechtsnachfolger des Verurteilten, Einziehungsbeteiligten oder Nebenbetroffenen gibt. Befindet sich die eingezogene Sache im Gewahrsam des Erben, so ist er zwar dem Fiskus als Eigentümer herausgabepflichtig. Leistet er aber einer Aufforderung zur Herausgabe keine Folge, so gilt auch hier § 61 Abs. 4 StVollstrO, d. h. es bedarf einer Klage auf Herausgabe, über deren Erhebung die oberste Justizbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle (§ 61 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. § 61 Abs. 3 Satz 2 StVollstrO) entscheidet. 16 Eine unbrauchbar zu machende oder zu vernichtende Sache gehört zum Nachlass. Die Verpflichtung, ihren Besitz dem Staat zur Durchführung der Unbrauchbarmachung (Vernichtung) zu überlassen, trifft auch den Erben des in der Entscheidung genannten Verurteilten, Einziehungsbeteiligten oder Nebenbetroffenen. Auch er ist, da der Titel nicht auf ihn lautet, dritter Gewahrsamsinhaber i. S. d. § 61 Abs. 4 StVollstrO. Die Möglichkeit unmittelbaren polizeilichen Vorgehens gegen ihn zum Schutz der Allgemeinheit im Rahmen der Gefahrenabwehr bleibt unberührt (Rn. 12 a. E.).

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II. Vollstreckung von Nebenfolgen bei Verpflichtung zu einer Geldzahlung (Absatz 2) 17

Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten, sind die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB), die Einziehung des Wertes von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern oder Teilnehmern (§ 74c StGB), auch bei nachträglicher oder selbständiger Anordnung (§§ 76, 76a StGB) sowie die Abführung des Mehrerlöses (§ 8 WiStG).32 Nicht hierher gehören die Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung als Nebenfolge der Straftat ihres Organs oder Vertretungsberechtigten (§ 30 OWiG, § 444 und dazu § 91 OWiG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 JBeitrG). Das Gleiche gilt für die Geldauflage bei Strafaussetzung zur Bewährung oder beding31 KK/Appl 11; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 6; OK-StPO/Coen 5. 32 KK/Appl 12; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 7; OK-StPO/Coen 7; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/ Seeger Rn. 1869 ff.

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ter Entlassung (§ 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 57 Abs. 3 StGB) oder bei vorläufiger Einstellung des Verfahren nach § 153a, denn sie ist nicht betreibbar und schuldhafte Nichterfüllung führt ggf. zum Widerruf der Aussetzung oder Entlassung oder zum Fortgang des Verfahrens. Auch die Geldauflage als Zuchtmittel nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 JGG oder bei Aussetzung einer Jugendstrafe oder Entlassung zur Bewährung (§ 23 Abs. 1, § 88 Abs. 6 JGG) ist nicht vollstreckbar. Die zur Geldzahlung verpflichtenden Nebenfolgen sind keine Strafen. Demgemäß 18 entfällt bei Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsentziehung.33 Im Übrigen werden sie aber sowohl materiell-rechtlich als auch vollstreckungsrechtlich (§ 459g Abs. 2 i. V. m. §§ 459, 459a sowie § 459c Abs. 1 und 2) wie Geldstrafen behandelt. Für nicht entsprechend anwendbar erklärt ist § 459c Abs. 3 (vgl. Rn. 14 ff.). Auch § 459d ist entgegen der in dem Regierungsentwurf vorgesehenen Regelung34 auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des BTRAussch.35 zu Recht gestrichen worden, denn das Unterbleiben der Vollstreckung in den Fällen des Absatzes 2 regelt Absatz 4.

III. Entsprechende Anwendung von §§ 94 bis 98 mit Ausnahme von § 98 Abs. 2 Satz 3, §§ 102 bis 110, 111c Abs. 1 und 2, § 111f Abs. 1, § 111k Abs. 1 und 2 sowie § 131 Abs. 1 (Absatz 3) 1. Allgemeines. Der Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Reform der 19 strafrechtlichen Vermögensabschöpfung36 sah keine Regelung für eine entsprechende Anwendbarkeit strafprozessualer Zwangsmaßnahmen bei der Vollstreckung von Nebenfolgen vor. Erst aufgrund der Beratung und Beschlussempfehlung des BTRAussch. wurde der frühere Absatz 3 eingefügt. Mit der danach entsprechenden Geltung der §§ 102 bis 110, § 111c Abs. 1 und 2, § 111f Abs. 1, § 111k Abs. 1 und 2 sowie § 131 Abs. 1 werden die rechtlichen Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Vollstreckung rechtskräftiger Einziehungs- (Absatz 1) und Wertersatzeinziehungsanordnungen (Absatz 2) erweitert. Davor richtete sich die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung (Absatz 1) nach zivilprozessualen Regelungen. Daher galten auch die auf zivilrechtliche Gläubiger zugeschnittenen Anhörungsvorschriften. Bei unterbliebener Beschlagnahme nach den §§ 111b, 111c war eine umfassende strafrechtliche Vermögensabschöpfung damit nicht hinreichend gewährleistet. Auf die Beschlussempfehlung des BTRAussch.37 wurde daher der frühere Absatz 3 eingefügt. Mit der entsprechenden Anwendung von strafprozessualen Zwangsmaßnahmen nach den §§ 102 bis 110, § 111c Abs. 1 und 2, § 111f Abs. 1, § 111k Abs. 1 und 2 sowie § 131 Abs. 1 hat der Gesetzgeber die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde im Gegensatz zu sonstigen Gläubigern mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet, um den staatlichen Gewahrsam über den Einziehungsgegenstand bei unterbliebener Beschlagnahme nach §§ 111b, 111c herzustellen. Durch Art. 1 Nr. 57 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und 20 zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.202138 wurde Absatz 3 den Bedürfnissen

33 KK/Appl 12; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 7; OK-StPO/Coen 7; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/ Seeger Rn. 1869; BGHSt 55 174. 34 BTDrucks. 18 9525 S. 33. 35 BTDrucks. 18 11640 S. 45, 89. 36 BTDrucks. 18 9525. 37 BTDrucks. 18 11640 S. 45, 89. 38 BGBl. I S. 2099, 2106.

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der Praxis angepasst, soweit nunmehr auch die §§ 94 bis 98 mit Ausnahme von § 98 Abs. 2 Satz 3 entsprechend anwendbar sind.39 Absatz 3 unterliegt einer engen Zweckbindung. Die danach zulässigen Maßnah21 men müssen bestimmt und geeignet sein, die Nebenfolgen zu vollstrecken. Ob dies der Fall ist, hat die Vollstreckungsbehörde nach dem jeweiligen Vollstreckungsstand und unter den konkreten Umständen des Einzelfalls aufgrund von Tatsachen zu prüfen. Sämtliche Befugnisse nach Absatz 3 unterliegen als strafprozessuale Zwangseingriffe dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 2. Beschlagnahme. Mit der Erweiterung der in Absatz 3 nunmehr vorgesehenen Eingriffsmaßnahme um die §§ 94 bis 98 ist klargestellt worden, dass Gegenstände (z. B. Schriftstücke oder sonstige Unterlagen), aus denen sich Hinweise auf die gesuchte Sache oder Vermögenswerte ergeben können, entsprechend den §§ 94 bis 98 sichergestellt bzw. beschlagnahmt werden dürfen.40 Die §§ 95 bis 97 sind von der entsprechenden Anwendung nach dem eindeutigen Wortlaut von Absatz 3 Satz 1 mit umfasst und zu beachten. Sofern die sichergestellten oder beschlagnahmten Gegenstände nach Auswertung nicht mehr zur Vollstreckung der Einziehungsanordnung benötigt werden, sind sie wieder herauszugeben (Absatz 3 Satz 1 i. V. m. § 94 Abs. 4, § 111m, 111o). Der Verweis in Absatz 3 Satz 1 nimmt § 98 Abs. 2 Satz 3 aus. 23 Die Beschlagnahme darf nur durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug sind die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) zur Anordnung befugt (Absatz 3 Satz 1 i. V. m. § 98 Abs. 1 Satz 1). Zur Antragstellung vgl. Erl. zur Durchsuchung Rn. 26. 22

3. Durchsuchung. Infolge der entsprechenden Geltung der §§ 102 bis 110 ist die Durchsuchung bei dem Verurteilten (§ 459g Abs. 3 i. V. m. § 102) sowie bei anderen Personen (§ 459g Abs. 3 i. V. m. § 103) wie dem Einziehungsbeteiligten (§ 424 Abs. 1), dem Nebenbetroffenen (§ 438) oder sonstigen Dritten zur Auffindung des eingezogenen Gegenstandes oder von Vermögenswerten, die für die Vollstreckung der Wertersatzeinziehung verwertet werden können, zulässig. Unter den Voraussetzungen des § 104 ist auch die Durchsuchung von Räumen zur Nachtzeit statthaft. Für das Verfahren und die bei der Durchsuchung zu beachtenden Förmlichkeiten sind die Regelungen in den §§ 105 bis 110 entsprechend anwendbar. Die Beschlagnahme von Zufallsfunden ist nach § 108 unter den dort geregelten Voraussetzungen zulässig. 25 Soweit bei einer Durchsuchung der Einziehungsgegenstand oder bewegliche Vermögenswerte festgestellt werden, werden diese entsprechend § 111c Abs. 1 und 2 bei der Vollstreckung einer Einziehung und nach § 111f Abs. 1 bei der Vollstreckung einer Wertersatzeinziehung sichergestellt bzw. beschlagnahmt (§ 111k Abs. 1 und 2). Soweit ein Arrest nach den Vorschriften über die Pfändung in bewegliche Sachen zu vollziehen ist, kann dies auch durch die in § 2 JBeitrG bezeichnete Behörde, den Gerichtsvollzieher, die Staatsanwaltschaft oder durch deren Ermittlungspersonen (§ 152 GVG) vollzogen werden (§ 459g Abs. 3 i. V. m. § 111k Abs. 1 Satz 2). Die Beschlagnahme beweglicher Sachen kann auch durch die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft vollzogen werden (§ 459g Abs. 3 i. V. m. § 111k Abs. 1 Satz 3). Erforderliche Eintragungen in das Grundbuch und in die in § 111c Abs. 4 genannten Register sowie die in § 111c Abs. 4 genannten Anmeldungen werden auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft bewirkt (§ 111k Abs. 1 Satz 1).

24

39 BTDrucks. 19 27654 S. 110. 40 BTDrucks. 19 27654 S. 110.

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Durchsuchungen dürfen nur durch das Gericht, bei Gefahr im Verzug auch durch 26 die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 GVG), angeordnet werden (§ 459g Abs. 3 i. V. m. § 105 Abs. 1 Satz 1). Die Vollstreckungsbehörde (§ 6 Abs. 2 JBeitrG) hat insoweit einen Antrag auf Anordnung der Durchsuchung nach § 102 bzw. § 103 bei Gericht zu stellen. Die Antragstellung soll nach der überwiegend − allerdings ohne Begründung – vertretenen Auffassung dem Rechtspfleger obliegen.41 Die Beschlussempfehlung des BTRAussch. verhält sich hierzu nicht.42 Die erforderliche Begründungstiefe eines solchen Antrags legt indessen eine Antragstellung durch den Staatsanwalt näher. 4. Ausschreibung zur Vollstreckung von Nebenfolgen. Durch den Verweis in Ab- 27 satz 3 auf § 131 Abs. 1 kann die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde die Einziehungsanordnungen im polizeilichen Fahndungssystem zur Vollstreckung der Nebenfolgen ausschreiben.43 Die Ausschreibung zur Vollstreckung der Nebenfolge bezieht sich nicht nur auf Sachen, die in das Eigentum des Staates übergegangen sind oder wegen ihrer Gefährlichkeit unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden müssen. Die nach Absatz 3 entsprechende Geltung von § 131 Abs. 1 bei der Vollstreckung von Nebenfolgen umfasst auch eine Personenfahndung nach dem Einziehungsadressaten.44 § 457 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 131, wonach die Vollstreckungsbehörde die gleichen Befugnisse wie die Strafverfolgungsbehörde hat, soweit die Maßnahmen bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen, zielt nämlich lediglich auf den Verurteilten ab,45 gegen den sich die Einziehungsanordnung richtet, nicht aber auf Einziehungsbeteiligte (§ 424) und Nebenbetroffene (§ 438). 5. Sonstige Maßnahmen (Satz 2). Nach Absatz 3 Satz 2 bleibt § 457 Abs. 1 unbe- 28 rührt. Der Gesetzgeber hat damit klarstellen wollen, dass sich die zulässigen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zur Vollstreckung einer gerichtlichen Einziehungsentscheidung nicht in den in Absatz 3 Satz 1 aufgeführten Eingriffsmaßnahmen erschöpft. Vielmehr sind auch sonstige weniger eingriffsintensive Ermittlungshandlungen i. S. v. § 16146 zur Vollstreckung der Einziehungsentscheidung zulässig.47 6. Anhörung des Betroffenen (Satz 3). Nach Satz 3 unterbleibt die Anhörung des 29 Betroffenen bei gerichtlichen Entscheidungen, wenn sie den Zweck der Anordnung gefährden würde. Für die dem § 33 Abs. 4 Satz 1 entsprechende Regelung besteht im Hinblick auf § 462 Abs. 2 Satz 1 ein Regelungsbedürfnis, denn nach § 462 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 wäre der Betroffene vor der Anordnung von Eingriffsmaßnahmen nach Absatz 3 Satz 1 zu hören. Mit der Ausnahme von der Pflicht zu Anhörung des Betroffenen bei gerichtlichen Entscheidungen soll verhindert werden, dass die Sachen oder Vermögenswerte, deren Einziehung angeordnet worden ist, beiseitegeschafft werden.48 Bei Anordnungen von Eingriffsmaßnahme durch die Staatsanwaltschaft bzw. deren Ermitt-

41 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1851 ff.; Reitemeier 211, 213 ff. 42 BTDrucks. 18 11640 S. 89. 43 BTDrucks. 18 11640 S. 89; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 9; OK-StPO/Coen 12 f.; Reitemeier 211, 214 f. 44 OK-StPO/Coen 13. 45 LR/Graalmann-Scheerer § 457, 3; KMR/Stöckel 2; SK/Paeffgen 3; Wolf Rpfleger 1996 96, 98. 46 LR/Erb § 161, 4 ff. 47 BTDrucks. 19 27654 S. 111. 48 BTDrucks. 19 27654 S. 111.

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lungspersonen (§ 152 GVG) wegen Gefahr im Verzug gilt die Ausnahme von der Pflicht zur Anhörung des Betroffenen entsprechend. 30

7. Zuständigkeit. Während sich der Regierungsentwurf zu der Frage der Zuständigkeit für die zu treffende Entscheidung nicht verhalten hat49 und damit die Vollstreckungsbehörde zur Entscheidung berufen gewesen wäre, ist der Gesetzgeber dem Beschlussvorschlag des BTRAussch. gefolgt50 und vollzieht die gerichtliche Zuständigkeit für das Vollstreckungsverfahren nach. Soweit gerichtliche Entscheidungen erforderlich sind, trifft diese mithin das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462 Abs. 1 Satz 1, § 462a Abs. 2 Satz 1).51

IV. Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach §§ 73 bis 73c StGB (Absatz 4) 31

1. Ausschluss (Satz 1). Absatz 4 schützt den Einziehungsadressaten vor einer doppelten Inanspruchnahme der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c StGB zum einen durch den Anspruchsinhaber und zum anderen durch den Staat. Die Regelung bezweckt nicht nur den Schutz vor doppelter Inanspruchnahme. Vielmehr soll dadurch auch die Vergleichsbereitschaft geweckt werden, denn der Anspruch des Anspruchsinhabers erlischt nicht nur aufgrund Bewirkens der geschuldeten Leistung (§ 362 Abs. 1 BGB), sondern auch nach (Teil)Erlass (§ 397 Abs. 1 BGB).52 Ein Vergleich eines als Gesamtschuldner haftenden Tatbeteiligten wirkt nach § 423 BGB nicht gegenüber den übrigen Tatbeteiligten.53 Soweit der Anspruch des Anspruchsinhabers nach der Anordnung der Einziehung oder der Wertersatzeinziehung auf Rückgewähr des Erlangten oder Ersatz des Wertes des Erlangten erloschen ist, ordnet das Gericht den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c StGB an. Die Anordnung ist obligatorisch („Das Gericht ordnet … an:“),54 wobei keine Aufklärungspflicht für die Vollstreckungsbehörde und das Gericht zur Prüfung eines eventuellen Erlöschens des Anspruchs besteht.55 Die Regelung in Absatz 4 korrespondiert mit § 73e Abs. 1 StGB,56 der den Ausschluss der Einziehung des Tatertrages oder des Wertersatzes im Erkenntnisverfahren regelt. Absatz 4 erfasst daher nur solche Schadenswiedergutmachungsleistungen, die nach Schluss der Beweisaufnahme erfolgt sind. Im Strafbefehlsverfahren ist der Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls maßgebend.57 Soweit vor diesem Zeitpunkt eine Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung rechtsfehlerhaft unterblieben ist, führt dies zum Unterbleiben der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung (§ 73c StGB) wegen Unverhältnismäßigkeit (Absatz 5 Satz 1 2. Alt.). Eine Anordnung der Einziehung nach § 73 StGB

49 50 51 52

BTDrucks. 18 9525 S. 94. BTDrucks. 18 11640 S. 46, 89. BTDrucks. 18 11640 S. 89; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 9; MüKo/Nestler 22; Reitemeier 211. BTDrucks. 18 9525 S. 69; kritisch Barresto da Rosa NZWiSt 2018 231, 235; BGH NStZ 2018 400 mit Anm. Müller-Metz; Schilling/Corsten/Hübner StraFo 2017 305. 53 Köhler/Burkhard NStZ 2017 665, 674; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1892; KK/Appl 15; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 11; OK-StPO/Coen 17. 54 BTDrucks. 18 9525 S. 95. 55 Rettke NZWiSt 2019 338 f. 56 BTDrucks. 18 11640 S. 89; KK/Appl 15; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 10; MüKo/Nestler 23; OK-StPO/ Coen 15 ff.; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1891 ff. 57 Meyer-Goßner/Schmitt § 408, 13a.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459g

würde leerlaufen, da die Schadenswiedergutmachung in der Rückübertragung des eingezogenen Gegenstands an den Verletzten besteht. Der Schadensersatzanspruch erlischt nicht durch Verjährung zivilrechtlicher Er- 32 satzansprüche.58 Das gilt gleichermaßen bei Fristablauf nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zur Rücknahme eines sozialrechtlichen Leistungsbescheids59 sowie für die Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren.60 Deliktische Verbindlichkeiten sind von Gesetzes wegen von der Restschuldbefreiung ausgenommen (§ 302 InsO). 2. Kein Ausschluss (Satz 2). Der durch Art. 49 des Jahressteuergesetzes 2020 vom 33 21.12.202061 eingefügte Satz 2 geht zurück auf Überlegungen in dem RefE des BMJV eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Stand: 6.10.2020). Die Änderung wurde auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Finanzausschusses vom 10.12.202062 als Folgeänderung zu Art. 47 Jahressteuergesetz 2020 eingefügt, der eine Änderung des § 73e Abs. 1 StGB durch Anfügung eines Satzes 2 vorsah. § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB regelt eine Ausnahme von der Anwendung des Ausschlusstatbestands, dass der Anspruch des Verletzten auf Rückgewähr des Erlangten oder Wertersatz durch Verjährung erloschen ist. Die Einfügung des Satzes 2 in § 73e Abs. 1 StGB, wonach nunmehr § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB nicht für Ansprüche gilt, die durch Verjährung erloschen sind, sowie die Einfügung des Satzes 2 in Absatz 4 schließen bestehende Lücken im Vermögensabschöpfungsrecht, die sich vornehmlich bei steuerrechtlichen Ansprüchen auswirken.63

V. Unterbleiben der Vollstreckung von Nebenfolgen zur Verpflichtung einer Geldzahlung (Absatz 5) 1. Allgemeines. Während im Erkenntnisverfahren der Wegfall der Bereicherung 34 ausschließlich für den gutgläubigen Drittbegünstigten geregelt ist (§ 73e Abs. 2 StGB)64 und die Einziehung zwingend („… ist … ausgeschlossen …“) ausgeschlossen ist, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der Entscheidung im Vermögen des Drittbegünstigten nicht mehr vorhanden ist, sieht Absatz 5 eine Regelung im Hinblick auf den Täter oder Teilnehmer nur im Vollstreckungsverfahren vor.65 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah eine entsprechende Regelung in Absatz 4 vor.66 Mit der Einfügung des neuen Absatzes 3 aufgrund der Beschlussempfehlung des BTRAussch.67 hat die Regelung mit der Maßgabe einer gerichtlichen Zuständigkeit für die Anordnung (§ 462a Abs. 2 Satz 1) im Übrigen inhaltlich unverändert Eingang in Absatz 5 gefunden. Durch Art. 1 Nr. 57 Buchst. b) aa) wurde in Absatz 5 Satz 1 der Fall, dass der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist, als gesetzlicher Unterfall der Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung gestrichen. Die

58 59 60 61 62 63 64 65 66 67

BGHR StGB § 73e Erlöschen 1 (Gründe). BGH Beschl. v. 27.11.2019 – 5 StR 537/19; OLG München wistra 2018 418, 419. OK-StPO/Coen 17; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1894. BGBl. I S. 3096, 3134. BTDrucks. 19 25160 S. 231 ff. Dazu im Einzelnen BGH NZWiSt 2020 39 f. mit Anm. Bittmann/Tschakert; BTDrucks. 19 25160 S. 231 ff. Fischer § 73e, 5. BTDrucks. 18 9525 S. 69, 94; BTDrucks. 18 11640 S. 46, 89. BTDrucks. 18 9525 S. 69, 94. BTDrucks. 18 11640 S. 89.

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Bildung von Fallgruppen, in denen die (weitere) Vollstreckung der Einziehungsentscheidung unverhältnismäßig wäre, will der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen.68 2. Unverhältnismäßigkeit (Absatz 5 Satz 1). Bei der Vollstreckung von Nebenfolgen, die zu einer Geldzahlung verpflichten (vgl. Rn. 17 f.), also bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB), der Einziehung des Wertes von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten bei Tätern oder Teilnehmern (§ 74c StGB), auch bei nachträglicher oder selbständiger Anordnung (§§ 76, 76a StGB) sowie bei der Abführung des Mehrerlöses (§ 8 WiStG) unterbleibt die Vollstreckung, soweit die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre. Die Unterbleibensanordnung ist zwingend, soweit das Gericht die Voraussetzungen an Absatz 5 Satz 1 festgestellt hat („… unterbleibt … die Vollstreckung, soweit …“).69 Dazu bedarf es in dem Beschluss der Mitteilung von konkreten, auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen. Allgemeine Ausführungen oder eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes reichen zur Begründung der Entscheidung mit Blick auf §§ 34, 459o nicht aus. Ein Ermessen steht dem Gericht bei seiner Entscheidung nicht zu.70 36 In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise dazu, ob und ggf. in welchem Umfang Grundsätze der früheren Rechtsprechung auf die neue gesetzliche Regelung zu übertragen sind. Eine gefestigte Rechtsprechung des BGH hat sich noch nicht entwickelt, was auch nicht verwundert, denn das neue Recht zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist erst am 1.7.2017 in Kraft getreten. Allerdings hat der BGH in einer Entscheidung, bei der die Verfassungsmäßigkeit der Streichung von § 73c StGB a. F. entscheidungserheblich war, auf die zur Härteklausel im früheren Recht entwickelten Grundsätze hingewiesen.71 Im Schrifttum findet dieser Ansatz teilweise Unterstützung.72 Dabei wird jedoch nicht hinreichend bedacht, dass der Gesetzgeber mit der nunmehr obligatorischen Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung nach Absatz 5 Satz 1 die Vollstreckung von Nebenfolgen bewusst an neuen Voraussetzungen ausgerichtet hat. Die Heranziehung der für die Härtefallrechtsprechung des früheren § 73c StGB a. F. entwickelten Grundsätze übersieht, dass diese Entscheidungen im Erkenntnisverfahren ergangen sind und entsprechende tatgerichtliche Feststellungen im Urteil erforderlich waren. Demgegenüber ergeht die Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 im Vollstreckungsverfahren. Dem nach § 462a Abs. 2 Satz 1 zur Entscheidung berufenen Gericht steht als Prüfungsgrundlage nicht nur das rechtskräftige tatgerichtliche Urteil zur Verfügung, sondern es sind auch alle neu eingetretenen Tatsachen, die im Zeitpunkt der nach Absatz 5 Satz 1 zu treffenden Entscheidung aktenkundig sind, zu berücksichtigen. Es ist wohl eher nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber sich zu Klarstellungen in naher Zukunft entschließen wird, wie Teile des Schrifttums es für wünschenswert erachten.73 35

68 BTDrucks. 19 27654 S. 112. 69 BGH NStZ-RR 2018 241 Rn. 57; 2019 22, 23; wistra 2018 427; StV 2020 674 Ls.; OLG München Beschl. vom 19.7.2018 – 5 OLG 15 Ss 539/17; OLG Nürnberg StraFo 2020 393; KG BeckRS 2021 3085; LG Leipzig BeckRS 2021 3085. 70 BTDrucks. 18 9525 S. 69, 94; BTDrucks. 18 11640 S. 46, 89; Wolf Rpfleger 2017 489, 493; BGH NStZRR 2018 241, 243; 2019 22 f.; NZWiSt 2019 360, 363; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1897; OK-StPO/Coen 23; a. A. Rhode wistra 2018 102 f.; KK/Appl 17 (Ermessen); Reitemeier DRiZ 2018 306, 307. 71 BGH NStZ-RR 2018 241. 72 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1901; KK/Appl 16. 73 So Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 13; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1906; Köhler/ Burkhard NStZ 2017 665, 674; Köhler NZWiSt 2018 226, 228.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459g

Nach Absatz 5 Satz 1 unterbleibt in den Fällen des Absatzes 2 die Vollstreckung, so- 37 weit sie unverhältnismäßig wäre. Die Regelung stellt eine Konkretisierung des verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbots dar.74 Die Vollstreckung einer zu einer Geldzahlung verpflichtenden Nebenfolge (Absatz 2) kann auch dann unverhältnismäßig sein, wenn der Wert des Erlangten noch im Vermögen des von der Einziehung Betroffenen vorhanden ist.75 Unverhältnismäßigkeit kann auch bei schon laufenden Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern vorliegen.76 Vage Anhaltspunkte für künftige Vollstreckungsmaßnahmen reichen jedoch nicht aus, um eine Unverhältnismäßigkeit und ein Unterbleiben der Vollstreckung zu rechtfertigen. Vielmehr sind gegenüber dem Gericht insoweit Tatsachen vorzutragen und soweit möglich durch Vorlage von Unterlagen zu belegen. Der Verlust des Arbeitsplatzes sowie mit erheblichen finanziellen Einbußen verbundene berufs- oder beamtenrechtliche Maßnahmen (Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft, Verlust des Notariats, Entziehung der Approbation, Ablehnung der Erteilung/Verlängerung einer vorläufigen Berufsausübungserlaubnis, Kündigung) können eine Unverhältnismäßigkeit begründen. Auch der Verlust von Arbeitsplätzen bei Abschöpfungsmaßnahmen gegen ein Unternehmen kann eine Prüfung nach Absatz 5 Satz 1 nahelegen.77 Die Vollstreckung kann ferner dann unverhältnismäßig sein, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat, so dass nach § 421 Abs. 1 Nr. 1 von der Einziehung hätte abgesehen werden können. Durch innerdienstliche Anordnungen sollten insoweit bereits für das Ermittlungsverfahren für die Staatsanwaltschaft Regelungen getroffen werden, um die Problematik nicht in das Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zu verlagern. Sofern dennoch die Einziehung des Erlangten von geringem Wert rechtskräftig angeordnet worden ist, kann der Rechtspfleger durch eine allgemeine Anordnung angewiesen werden, bei Gericht einen Antrag auf Unterbleiben der Vollstreckung aus prozessökonomischen Gründen zu stellen. Ohne eine Entscheidung des Gerichts darf er nicht von der Vollstreckung absehen. Die Berücksichtigung von Resozialisierungsaspekten im Rahmen der Verhältnis- 38 mäßigkeitsprüfung ist mit Blick auf das Übermaßverbot nach wie vor zulässig,78 auch wenn § 459d nach Absatz 2 nicht entsprechend gilt. 3. Wiederaufnahme der Vollstreckung. Absatz 5 Satz 2 regelt die Wiederaufnahme 39 der Vollstreckung, wenn nachträglich bekanntgewordene (1. Alt.) oder eingetretene Umstände (2. Alt.) der Absehensentscheidung den Boden entziehen.79 Absatz 5 Satz 2 1. Alt. erfasst den Fall, dass schon bei der Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung nach Absatz 5 Satz 1 ein ihr entgegenstehender Umstand zwar vorhanden, aber der Vollstreckungsbehörde und dem Gericht nicht bekannt war und daher bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden konnte. Nach Absatz 5 Satz 2 2. Alt. wird die Vollstreckung wiederaufgenommen, wenn nachträglich Umstände eintreten, die einer Anordnung nach Satz 1 entgegenstehen. Insoweit muss es sich um neue Umstände handeln, die im Zeitpunkt der Unterbleibensanordnung nach Satz 1 noch nicht bestanden

74 BGH NStZ 2016 279. 75 OK-StPO/Coen 27; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger 1909. 76 OK-StPO/Coen 28; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger 1909; HK/Pollähne 7; Reh NZWiSt 2018 20, 23.

77 OK-StPO/Coen 28; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1909. 78 OK-StPO/Coen 30 („bleibt unklar“); Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1911 („darf im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden“); Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 13a. 79 BTDrucks. 18 9525 S. 94.

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§ 459g

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

haben und daher weder der Vollstreckungsbehörde noch dem Gericht bekannt sein konnten. 40 Nachträglich bekanntgewordene (Absatz 5 Satz 2 1. Alt.) oder neu eingetretene (Absatz 5 Satz 2 2. Alt.) Umstände unterliegen stets der Dokumentationspflicht in den Akten. 41 Zur Akteneinsicht sind der Verteidiger (§ 147) sowie der Prozessbevollmächtigte des Einziehungsbeteiligten (§ 428 Abs. 1 Satz 2) oder Nebenbetroffenen (§ 438 Abs. 3) berechtigt. Zur Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch ist nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft (§ 147 Abs. 5 Satz 1), und zwar der Staatsanwalt und nicht der Rechtspfleger berufen.80 Die Entscheidung nach Absatz 5 Sätze 1 und 2 über das Unterbleiben bzw. die Wie42 deraufnahme der Vollstreckung nach Absatz 5 Satz 2 obliegt dem Gericht. Durch Art. 1 Nr. 57 Buchst. b) bb) des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 hat der Gesetzgeber die im Schrifttum81 umstrittene Frage, ob die Vollstreckungsbehörde oder das Gericht für die Anordnung des Unterbleibens bzw. der Wiederaufnahme der Vollstreckung zuständig ist, klargestellt. 43

4. Anhörung des Betroffenen (Satz 3). Die Anhörung des Betroffenen (Satz 3) vor der Anordnung nach Satz 2 unterbleibt, wenn sie den Zweck gefährden würde. Für diese Regelung, die § 33 Abs. 4 Satz 1 entspricht, besteht im Hinblick auf § 462 Abs. 2 Satz 1 ein Regelungsbedürfnis. Danach wäre der Betroffene nämlich vor der Anordnung nach Absatz 5 Satz 2 zu hören. Die Ausnahme von der Pflicht zur Anhörung soll verhindern, dass Vermögenswerte beiseitegeschafft werden, wenn der Einziehungsadressat davon Kenntnis erlangt, dass die Vollstreckung möglicherweise fortgesetzt wird.82

44

5. Durchführung von Ermittlungen (Satz 4). Auch wenn das Gericht eine Unterbleibensanordnung wegen Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung nach Satz 1 getroffen hat, ist die Vollstreckungsbehörde nicht gehindert, Ermittlungen mit dem Ziel durchzuführen, einen Antrag auf Anordnung der Wiederaufnahme der Vollstreckung begründen zu können. Eine Ausschreibung der Einziehungsanordnung (Absatz 3 Satz 1 i. V. m. § 131 Abs. 1)83 ist ebenso zulässig wie Ermittlungsmaßnahmen nach § 457 Abs. 1 i. V. m. § 161 (Absatz 3 Satz 2).

6. Zuständigkeit. Entscheidungen nach Absatz 5 Satz 1 obliegen grundsätzlich dem nach § 462a Abs. 2 Satz 1 zuständigen Gericht des ersten Rechtszuges.84 Wird jedoch gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollzogen, so ist die örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung nach § 462a Abs. 1 berufen.85 Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 462 Abs. 1 Satz 1). Der Beschluss ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar (§ 462 Abs. 3 Satz 1). Über Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde entschei46 det das Gericht (§ 459o) des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1), sofern gegen den Verurteilten keine Freiheitsstrafe vollzogen wird, ohne mündliche Verhandlung durch 45

80 Meyer-Goßner/Schmitt § 147, 36; LR/Jahn § 147, 189. 81 OK-StPO/Coen 19; Korte wistra 2018 1, 10; KK/Appl 19; a. A. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 14 („Klarstellung durch den Gesetzgeber wünschenswert“). 82 BTDrucks. 19 27654 S. 113. 83 BTDrucks. 19 27654 S. 113. 84 BTDrucks. 18 11640 S. 89. 85 OLG Brandenburg Beschl. vom 17.8.2020 – 1 (Str) Sa 1/20; KG wistra 2021 163.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459h

Beschluss (§ 462 Abs. 1 Satz 1). Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollzogen, so trifft die Entscheidung über die Einwendungen die örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer, denn § 459o verdrängt die Regelung des § 458 als lex specialis.86 Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer besteht jedoch nur, soweit gegen die betroffene Person eine Freiheitsstrafe vollzogen wird. Für Entscheidungen, die andere Personen betreffen, verbleibt es bei der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges.87

§ 459h Entschädigung (1) 1Ein nach den §§ 73 bis 73b des Strafgesetzbuches eingezogener Gegenstand wird demjenigen, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, oder dessen Rechtsnachfolger zurückübertragen. 2Gleiches gilt, wenn der Gegenstand nach § 76a Absatz 1 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches, eingezogen worden ist. 3In den Fällen des § 75 Absatz 1 Satz 2 des Strafgesetzbuches wird der eingezogene Gegenstand demjenigen, dem der Gegenstand gehört oder zusteht, herausgegeben, wenn dieser sein Recht fristgerecht bei der Vollstreckungsbehörde angemeldet hat. (2) 1Hat das Gericht die Einziehung des Wertersatzes nach den §§ 73c und 76a Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches, angeordnet, wird der Erlös aus der Verwertung der auf Grund des Vermögensarrestes oder der Einziehungsanordnung gepfändeten Gegenstände demjenigen, dem ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, oder an dessen Rechtsnachfolger ausgekehrt. 2§ 111i gilt entsprechend. Schrifttum Siehe bei § 459g.

Entstehungsgeschichte Die ursprüngliche Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20171 völlig neu gefasst. Durch Art. 1 Nr. 58 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.20212 wurden in der Überschrift die Worte „des Verletzten“ gestrichen. In Absatz 1 Sätze 1 und 3 sowie Absatz 2 Satz 1 wurde der Verletztenbegriff im Hinblick auf die Definition des Verletzten in § 373b gestrichen. In Absatz 1 Satz 1 wurde mit der Ergänzung des Erlangten „aus der Tat“ ein redaktioneller Fehler korrigiert und eine Anpassung an die Formulierung in Absatz 2 Satz 1 vorgenommen.

86 87 1 2

OLG Hamburg StV 2020 737 Ls.; vgl. Erl. zu § 459o, 3. OLG Celle StraFo 2020 497. BGBl. I S. 872, 888. BGBl. I S. 2099, 2106.

335 https://doi.org/10.1515/9783110275025-030

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§ 459h

I. II.

III.

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Übersicht Zweck der Regelung 1 Anspruchsberechtigung 3 1. Anspruchsberechtigte 4 2. Rechtsnachfolger des Anspruchsberechtigten 6 3. Sonstige Gläubiger oder Anspruchsinhaber 7 Anspruchsgrundlagen 1. Allgemeines 8 2. Rückgewähr des Erlangten (Absatz 1 Satz 1 und 2) 9 a) Einziehung eines Gegenstandes nach §§ 73 bis 73b StGB 10 aa) Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (§ 73 StGB) 11 bb) Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (§ 73a StGB) 12

cc)

IV.

Einziehung von Taterträgen bei anderen (§ 73b StGB) 13 b) Kein Anspruch bei Verzicht 14 c) Entsprechende Anwendung bei selbständiger Einziehung (Absatz 1 Satz 2) 15 3. Herausgabe (Absatz 1 Satz 3) 16 a) Anmeldung des Anspruchs 17 b) Frist 19 4. Auskehrung (Absatz 2) 20 a) Einziehung des Wertersatzes nach § 73c, § 76a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 21 b) Insolvenzverfahren (Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 111i) 23 c) Anmeldung des Anspruchs 25 Zuständigkeit 26

Alphabetische Übersicht Abtretung 6 Adhäsionsverfahren 4 Anmeldung 17 – Anspruch 25 – Form 17 – inhaltliche Anforderungen 18 Anspruchsberechtigte 3 ff. Anspruchsgrundlagen 8 Auffangrechtserwerb 16 Auskehrung 20 f. Bewegliche Sachen 11 Deckungsfall 7 Einziehung 10 – erweiterte 12 – selbständige 15 Einziehungsanordnung 5 Erkenntnisverfahren 1 Forderungsübergang 6 Gläubiger 3, 7, 8 Glücksspiel 11 Grundstück 11 Herausgabe 16 Identitätserfordernis 4 Insolvenzverfahren 22 ff. – Antrag 23 f. – Eröffnung 22

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Insolvenzverwalter 6 Kryptowährungen 11 Kurierlohn 11 Mangelfall 7 Opferentschädigung 1 Opferschutz 1 Prioritätsprinzip 1 Prostituiertenlohn 11 Rechte 11 Rechtsnachfolger 3, 6, 8 Reform 1 Rückgewinnungshilfe 8 Schadenswiedergutmachung 1 Steuern 11 Strafbefehl 5 Surrogat 11 Urteil 5, 9 Urteilsformel 9 Verletztenbegriff 4 Versicherer 6 Verzicht 14 Vorteile 11 Zivilrechtsweg 1 Zuhälterei 11 Zuständigkeit 26 Zustellung 19

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459h

I. Zweck der Regelung Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung durch das Gesetz zur 1 Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20173 verfolgt das Ziel, das Recht insoweit zu vereinfachen, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten zu erleichtern und die nachträgliche Abschöpfung von Vermögensgegenständen zu ermöglichen sowie nicht hinnehmbare Abschöpfungslücken zu schließen4 und die Richtlinie 2014/42/EU in nationales Recht umzusetzen. Kernstück der Reform ist eine grundlegende Neuregelung der Opferentschädigung.5 Deren Ansprüche werden im Gegensatz zu dem früheren Recht grundsätzlich außerhalb des Strafverfahrens entweder im Vollstreckungsverfahren (§ 459h) oder aber im Insolvenzverfahren (§ 111i) abgewickelt. Eine Ausnahme gilt nach wie vor auch im neuen Recht für bewegliche Sachen (z. B. Diebesoder Raubgut), die dem Anspruchsberechtigten möglichst zeitnah herauszugeben sind (§ 111n Abs. 2).6 Die Reform der Opferentschädigung soll das Erkenntnisverfahren von zeitraubenden zivilrechtlichen Fragen entlasten und die Vermögensabschöpfung dadurch erheblich vereinfachen7 und zugleich den Opferschutz stärken. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bietet das neue Regelungsmodell den Tatgeschädigten einen einfachen und kostengünstigen Weg, Schadenswiedergutmachung zu erlangen. Im Gegensatz zu der früheren Rechtslage sind sie zur Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht mehr auf den Zivilrechtsweg und eine − wegen des Zeitablaufs ins Leere gehende – anschließende Zwangsvollstreckung angewiesen. Mit der Beseitigung des Prioritätsprinzips, das zu Gerechtigkeitsdefiziten in der Praxis geführt hatte („Windhundprinzip“), will der Gesetzgeber die Entschädigung von Anspruchsberechtigten an den Grundsätzen der Gerechtigkeit, Gleichbehandlung und der Einheit der Rechtsordnung orientieren.8 Zugleich verspricht er sich dadurch insbesondere bei Vermögensdelikten eine erhebliche Akzeptanzsteigerung bei Gerichten und Staatsanwaltschaften.9 Die Erwartungen des Gesetzgebers an die grundlegende Neuregelung der Entschädi- 2 gung sind hoch. Zurzeit lässt sich noch nicht verlässlich beurteilen, ob sich diese Erwartungen erfüllen werden. Gerade in umfangreichen Strafverfahren vergehen aufgrund der hohen Belastungen der Strafjustiz bis zum Eintritt der Rechtskraft nicht selten mehrere Jahre mit der Folge, dass eine Entschädigung unter Umständen erst Jahre nach der Tat erfolgt.10

II. Anspruchsberechtigung Anspruchsberechtigte sind alle, denen ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlang- 3 ten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat zukommt. Das können Verletzte (§ 373b), Rechtsnachfolger von Verletzten oder sonstige Gläubiger sein.

3 4 5 6 7 8 9 10

BGBl. I S. 872, 888. BTDrucks. 18 9525 S. 48. BTDrucks. 18 9525 S. 49. LR/Johann § 111n, 17 ff. BTDrucks. 18 9525 S. 50, 54. BTDrucks. 18 9525 S. 54. BTDrucks. 18 9525 S. 54. So auch KK/Appl 1; zweifelnd auch OK-StPO/Coen 3; Köllner/Muck NZJ 2017 593, 597 („aus Praktikersicht völlig ungeeignetes Erstattungs- und Verteilungsverfahren in der Strafvollstreckung …“).

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§ 459h

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

1. Anspruchsberechtigte. Der Begriff des „Verletzten“ wurde durch Art. 1 Nr. 58 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.202111 im Hinblick auf die Begriffsbestimmung in § 373b einheitlich aus den Regelungen der Vermögensabschöpfung gestrichen. Mit der Streichung will der Gesetzgeber gewährleisten, dass sich aus der Definition des Verletztenbegriffs in § 373b keine Änderungen für die bisherige Auslegung und Rechtsanwendung im Vermögensabschöpfungsrecht ergeben.12 Anspruchsberechtigt i. S. d. neu gefassten Vermögensabschöpfungsrechts ist nur derjenige, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus einer Tat erwachsen ist, die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt Gegenstand der Anordnung der Beschlagnahme oder des Vermögensarrestes oder des Urteils mit der abschließenden (Wertersatz-)Einziehungsentscheidung ist.13 Der Begriff orientiert sich damit am früheren Recht, so dass hierzu die insoweit ergangene Rechtsprechung grundsätzlich herangezogen werden kann.14 Die Tat, die Bezugsobjekt der Beschlagnahme oder des Vermögensarrestes oder der verfahrensabschließenden Einziehungsentscheidung ist, muss dieselbe Tat sein wie die konkrete (Einzel-)Tat, aus der ein zivilrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist.15 Aus diesem Identitätserfordernis folgt, dass die (Wertersatz-)Einziehung auf das aus der Tat Erlangte beschränkt ist. Schmerzensgeldansprüche können mithin nicht durch Vermögensabschöpfung realisiert werden, denn insoweit hat der Täter oder Teilnehmer nichts erlangt, was eingezogen und zurückgewährt werden könnte.16 Das gilt gleichermaßen für ihm erwachsene Kosten der Rechtsverfolgung (z. B. Rechtsanwaltsgebühren, Kosten für die Beauftragung einer Detektei) sowie für Zinsansprüche.17 Derartige Ansprüche können im Adhäsionsverfahren oder auch zivilrechtlich geltend gemacht werden.18 5 Der Kreis der Anspruchsberechtigten kann sich im Laufe des Verfahrens ändern, etwa weil einem Beschuldigten eine Tat nicht nachzuweisen ist oder weil nach § 154 von der Verfolgung abgesehen oder sie nach § 154a beschränkt worden ist.19 Er kann sich aber auch erweitern, wenn weitere Taten ermittelt werden.20 Die Vollstreckung knüpft nur an die Taten an, auf die sich das Urteil, der Strafbefehl oder die selbständige Einziehungsanordnung bezieht.21

4

6

2. Rechtsnachfolger des Anspruchsberechtigten. Während der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung22 eine Entschädigung des Rechtsnachfolgers nicht vorsah, wurde durch die Beschlussempfehlung und den Bericht des BTRAussch. klargestellt, dass auch der Rechtsnachfolger anspruchsberechtigt ist.23 Rechtsnachfolger können Erben (§ 1922 BGB), aber auch Versicherer im Falle des gesetzlichen Forderungsübergangs (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VVG) oder auch bei rechtsgeschäftlicher Forderungsabtretung (§ 398 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

BGBl. I S. 2099, 2106. BGBl. I S. 2099, 2106. BTDrucks. 18 9525 S. 50; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2027 f. BTDrucks. 18 9525 S. 50. BTDrucks. 18 9525 S. 50. BTDrucks. 18 9525 S. 50; Fischer § 73, 20 ff. m. w. N.; KK/Appl 2. KK/Appl 2. BTDrucks. 18 9525 S. 51; KK/Appl 2; Trüg NJW 2017 1913, 1918. BTDrucks. 18 9525 S. 51; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2029 ff. BTDrucks. 18 9525 S. 51. BTDrucks. 18 9525 S. 51; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2029. BTDrucks. 18 9525 S. 31, 94 f. BTDrucks. 18 11640 S. 90.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459h

BGB) und Insolvenzverwalter24 sein.25 Hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs werden Rechtsnachfolger dem Anspruchsberechtigten gleichgestellt. Verfahrensrechtlich werden sie hingegen unterschiedlich behandelt (vgl. §§ 459j und 459k).26 3. Sonstige Gläubiger oder Anspruchsinhaber. Sonstige Gläubiger oder An- 7 spruchsinhaber können Ansprüche auf eingezogene Taterträge oder eingezogene Werte von Taterträgen nur im Deckungsfall oder wenn bei mehreren Anspruchsberechtigten der Vollstreckungserlös zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreicht (Mangelfall), nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens (§ 111i) geltend machen.

III. Anspruchsgrundlagen 1. Allgemeines. § 459h enthält drei verschiedene Anspruchsgrundlagen zur Ent- 8 schädigung von Anspruchsberechtigten, nämlich 1. den Anspruch auf Rückübertragung eines eingezogenen Gegenstandes an den Anspruchsberechtigten (Absatz 1 Satz 1 und 2), den Anspruch auf Herausgabe eines eingezogenen Gegenstandes an den Anspruchsberechtigten (Absatz 1 Satz 3) sowie den Anspruch auf Auskehrung des Erlöses aus der Verwertung der aufgrund des Vermögensarrestes oder der Einziehungsanordnung gepfändeten Gegenstände an den Anspruchsberechtigten (Absatz 2). § 459h begründet damit einen materiell-rechtlichen Anspruch. Anspruchsberechtigte können der Verletzte, dessen Rechtsnachfolger oder ein sonstiger Gläubiger sein (vgl. Rn. 3 ff.). Anspruchsgegner ist stets der Staat (§ 75 Abs. 1 StGB), auf den mit der Rechtskraft der Entscheidung das Eigentum an den eingezogenen Gegenständen oder das Recht übergeht. Die Regelungen der §§ 459h ff. stellen eine grundlegende Abkehr von dem früheren Modell der Rückgewinnungshilfe dar und finden ausschließlich Anwendung bei der Einziehung und Wertersatzeinziehung nach den §§ 73 ff. StGB, nicht hingegen bei Einziehungen nach den §§ 74 ff. StGB. 2. Rückgewähr des Erlangten (Absatz 1 Satz 1 und 2). Nach Absatz 1 Satz 1 wird 9 ein nach den §§ 73 bis 73b StGB eingezogener Gegenstand dem Anspruchsberechtigten, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten erwachsen ist, oder dessen Rechtsnachfolger zurückübertragen. Der Entschädigungsanspruch stellt die Kehrseite des Erlangten dar. Er muss dem Anspruchsberechtigten aus einer im Urteil rechtskräftig festgestellten Tat erwachsen sein. Aus der Urteilsformel (§ 451 Abs. 1 i. V. m. § 13 Abs. 2 StVollstrO) und ergänzend aus den Urteilsgründen müssen sich daher der zu entschädigende Anspruchsberechtigte sowie der Inhalt seines Entschädigungsanspruchs ergeben,27 denn das Urteil muss die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen dafür angeben.28 Bei der Einziehung müssen die Urteilsfeststellungen die tatbestandlichen Voraussetzungen belegen. Aus dem Urteil muss sich daher für die Vollstreckungsbehörde zweifelsfrei ergeben, welcher konkrete Gegenstand eingezogen wird und wer Anspruchsberechtigter insoweit ist. Prüfungsgrundlage für den Anspruch auf Rückgewähr nach Absatz 1 ist das Urteil. Wird auf die Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (§ 73 StGB) die erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teil24 25 26 27 28

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Rhode wistra 2018 65, 67. BTDrucks. 19 27654 S. 75 f. BTDrucks. 18 11640 S. 90. BTDrucks. 18 9525 S. 94. LR/Stuckenberg § 267, 128.

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nehmern (§ 73a StGB) oder die Einziehung von Taterträgen bei anderen (§ 73b StGB) erkannt, so sind die betroffenen Gegenstände grundsätzlich in der Urteilsformel aufzuzählen und einzeln so genau zu bezeichnen, dass bei der Vollstreckung im Entschädigungsverfahren nach §§ 459h ff. ihre zweifelsfreie Identifizierung möglich ist.29 Ferner ist der Einziehungsadressat unter Angabe seiner Stellung im Verfahren (z. B. Angeklagter, Einziehungsbeteiligter) zu bezeichnen. Als urkundliche Grundlage für die Vollstreckung hat die Vollstreckungsbehörde für die nach Absatz 1 zu treffende Entscheidung auf Rückgewähr die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung oder ihres erkennenden Teils mit Rechtskraftbescheinigung (§ 13 Abs. 2 StVollstrO) zugrunde zu legen. 10

a) Einziehung eines Gegenstandes nach §§ 73 bis 73b StGB. Der Anspruch auf Entschädigung nach Absatz 1 setzt voraus, dass ein Gegenstand nach den §§ 73 bis 73b StGB eingezogen worden ist.

11

aa) Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (§ 73 StGB). Als Einziehungsgegenstand kommen bewegliche Sachen aller Art (§ 73 Abs. 1 StGB), Grundstücke, dingliche oder obligatorische Rechte, Kryptowährungen,30 Erlangtes ohne Substrat wie Nutzungen (§ 73b Abs. 2 StGB), geldwerte Vorteile in Form ersparter Aufwendungen,31 hinterzogene Steuern,32 Vorteile bei Korruptionsdelikten,33 Kurierlohn bei Betäubungsmittelstraftaten,34 Gewinn bei illegalem Glücksspiel, die Einnahmen aus Straftaten nach §§ 180a, 181a StGB in Betracht.35 Bei fakultativ eingezogenen Surrogaten (§ 73 Abs. 3 StGB) geht zwar das Eigentum bzw. die Rechtsträgerschaft nach § 75 StGB auf den Staat über. Dem Anspruchsberechtigten steht indessen kein Recht am Surrogat zu, so dass es ihm auch nicht zurückgewährt werden kann. Ob die Entschädigung in einem solchen Fall analog Absatz 2 erfolgt,36 ist umstritten.37

12

bb) Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (§ 73a StGB). Absatz 1 verweist hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs des Anspruchsberechtigten weiter auf die erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmers nach § 73a StGB. Bei einer Einziehung nach § 73a StGB dürfte ein Anspruch auf Rückgewähr des eingezogenen Gegenstands in der Praxis weitgehend ins Leere gehen. Nach § 73a Abs. 1 StGB bezieht sich die Anordnung der erweiterten Einziehung auf Gegenstände, die dem an der rechtswidrigen Tat Beteiligten gehören oder zustehen oder nur deshalb nicht gehören oder zustehen, weil er sie für eine andere rechtswidrige Tat oder aus ihr erlangt hat, sowie auf Surrogate derartiger Gegenstände.38 Der Gegenstand muss durch eine andere rechtswidrige Tat oder für sie erlangt sein, wobei diese Tat nicht Gegenstand der Anklage oder Nachtragsanklage sein darf. Sie muss auch nicht

29 LR/Stuckenberg § 260, 107; KK/Ott § 260, 43; RGSt 70 338, 341; BGHSt 8 205, 211 f.; Köhler NStZ 2017 497, 500. 30 BGH NStZ 2018 401 ff. 31 BGH Beschl. v. 22.7.2014 – 1 StR 53/14. 32 BGH wistra 2010 406. 33 BGHSt 30 46 f.; NStZ-RR 2004 242, 244. 34 BGH NStZ-RR 2000 57. 35 Fischer § 73, 20 ff. 36 So Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 7. 37 Zweifelnd Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2012. 38 BGH NStZ 2001 53.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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bewiesen sein.39 Es reicht vielmehr aus, dass diese andere rechtswidrige Tat nach Überzeugung des Gerichts40 begangen worden ist, ohne dass sie hinreichend konkretisiert sein muss. Bei der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB wird es daher regelmäßig an ausreichenden tatgerichtlichen Feststellungen fehlen, aus denen sich der Entschädigungsanspruch ergibt.41 cc) Einziehung von Taterträgen bei anderen (§ 73b StGB). Die Anordnung der 13 Einziehung von Taterträgen bei anderen nach § 73b StGB, die nicht Tatbeteiligte i. S. v. § 73 StGB sind, aber aufgrund der Anknüpfungstat selbst etwas erlangt haben (z. B. als Wirtschaftsunternehmen, bei Eigentumsdelikten mit Drittzueignungsabsicht, bei Vermögensdelikten mit Drittbereicherungsabsicht, im Falle von Vermögensverschiebungen, im Erbfall), hindert die Rückübertagung nach Absatz 1 Satz 1 nicht. b) Kein Anspruch bei Verzicht. Bei Verzicht42 auf Rückübertragung im Ermitt- 14 lungs- und Erkenntnisverfahren bedarf es der Anordnung der Einziehung (§§ 73 bis 73b StGB) nicht mit der Folge, dass die Voraussetzungen von Absatz 1 nicht vorliegen.43 Vielmehr richtet sich die Herausgabe beweglicher Sachen nach § 111n und das Verfahren bei der Herausgabe sowie der Rechtsschutz von Betroffenen nach § 111o. c) Entsprechende Anwendung bei selbständiger Einziehung (Absatz 1 Satz 2). 15 Der Entschädigungsanspruch besteht nach Absatz 1 Satz 2 auch bei einer Anordnung der selbständigen Einziehung nach § 76a Abs. 1 und 3 StGB. Allerdings ist nach Auffassung des 3. StS der Art. 316h Satz 1 EGStGB verfassungswidrig, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB i. V. m. § 78 Abs. 1 Satz 2 und § 76b Abs. 1 StGB in Fällen für anwendbar erklärt hat, in denen rechtswidrige Taten, aus denen der Betroffene etwas erlangt hatte, vor Inkrafttreten der Neuregelung am 1.7.2017 bereits verjährt waren.44 3. Herausgabe (Absatz 1 Satz 3). In den Fällen des § 75 Abs. 1 Satz 2 StGB wird der 16 eingezogene Gegenstand dem Anspruchsberechtigten herausgegeben, wenn dieser sein Recht fristgerecht bei der Vollstreckungsbehörde angemeldet hat. § 75 Abs. 1 Satz 2 StGB regelt den sogenannten „kleinen Auffangrechtserwerb“ in Form einer Einziehung mit aufschiebend bedingter Wirkung,45 wonach, sofern die Voraussetzungen von § 75 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht vorliegen, das Eigentum an einer eingezogenen Sache oder einem eingezogenen Recht mit Ablauf von sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Entscheidung auf den Staat übergeht, wenn nicht ein Dritter innerhalb dieser Frist sein Recht bei der Vollstreckungsbehörde anmeldet. Die Regelung betrifft vornehmlich Eigentumsdelikte, bei denen der Eigentümer zunächst nicht ermittelt werden konnte. Der Anspruch auf Herausgabe bezieht sich auf alle eingezogenen Gegenstände, nicht nur auf bewegliche Sachen und besteht daher auch für die Herausgabe von Grundstü-

39 40 41 42

BGHSt 40 371. Fischer § 73a, 18. So auch OK-StPO/Coen 14. BGH NJW 2019 1692; NStZ 2018 333; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert Rn. 1683 ff., 1686 (Entschädigung des Verletzten bei formloser Einziehung nach §§ 111n, 111o); a. A. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 1; kritisch Reitemeier 205 (im Zweifel Gerichtsentscheidung erwirken); KK/Appl 4 (entsprechende Anwendung von § 459h Abs. 1). 43 So auch OK-StPO/Coen 17. 44 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 6; BGH NJW 2019 1891. 45 BTDrucks. 18 9525 S. 71.

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cken und Rechten. Da der Anspruchsberechtigte das Recht bzw. Eigentum an dem Einziehungsgegenstand weiter hat, muss es ihm nicht übertragen werden. Vielmehr wird der Einziehungsgegenstand an den Eigentümer herausgegeben. Die Herausgabe eines Grundstücks erfolgt durch Entsetzung des Betroffenen aus dem Besitz nebst Wegnahme der Schlüssel bzw. Änderung eines Zugangscodes. Die Herausgabe eines Grundstücks an den Eigentümer umfasst auch die Räumung, die der Rechtspfleger im Rahmen der Vollstreckung zu veranlassen hat.46 a) Anmeldung des Anspruchs. Der Anspruch auf Herausgabe bedarf der Anmeldung bei der Vollstreckungsbehörde (Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 459j Abs. 1). Die Anmeldung ist nicht formgebunden (§ 459j). Sie kann daher schriftlich, durch elektronisches Dokument (§ 32a), per E-Mail, mündlich oder fernmündlich erfolgen. Im Falle einer mündlichen oder fernmündlichen Anmeldung des Anspruchs ist eine Dokumentation des Gesprächs in den Akten in Form eines Vermerks erforderlich, aus dem sich ergeben muss, wer wann welchen konkreten Anspruch angemeldet hat. Bei Zweifeln über die Identität und Berechtigung des Anspruchstellers hat stets eine schriftliche Rückfrage des Rechtspflegers zu erfolgen. 18 Die Anmeldung muss keinen bestimmten inhaltlichen Anforderungen genügen. Aus ihr muss lediglich zweifelsfrei hervorgehen, dass der Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe geltend gemacht wird (vgl. im Einzelnen Erl. zu § 459j). 17

19

b) Frist. Die Anmeldung des Anspruchs auf Rückübertragung oder Herausgabe eines bestimmten Einziehungsgegenstands muss binnen sechs Monaten nach Zustellung der Mitteilung über den Eintritt der Rechtskraft der Einziehungsanordnung (§ 459j Abs. 1) erfolgen.

20

4. Auskehrung (Absatz 2). Absatz 2 regelt die Befriedigung der Entschädigungsansprüche in den Fällen der Einziehung des Wertersatzes nach den § 73c und § 76a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StGB.

a) Einziehung des Wertersatzes nach § 73c, § 76a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3. Nach § 73c Satz 1 StGB ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht, wenn die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich ist oder wenn von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 3 oder § 73b Abs. 3 StGB abgesehen wird. Ordnet das Gericht die Einziehung des Wertes des Erlangten nach § 73c StGB an, so wird damit der staatliche Zahlungsanspruch gegen den Einziehungsadressaten (Täter, Teilnehmer oder Drittbegünstigter) tituliert. Aufgrund dieses Titels kann die Vollstreckungsbehörde die Zwangsvollstreckung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Einziehungsadressaten betreiben und aufgrund der rechtskräftigen Einziehungsanordnung oder vorher aufgrund eines Vermögensarrestes (§§ 111e, 111f) gepfändete Gegenstände verwerten. Der Entschädigungsanspruch nach Absatz 2 Satz 1 richtet sich dann auf die Auskehrung des Verwertungserlöses.47 In den Fällen der Anordnung der Einziehung des Wertersatzes im selbständigen Einziehungsverfahren (§ 76a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StGB, § 436) gilt dies entsprechend. Die Auskehrung des Verwertungserlöses durch den Rechtspfleger erfolgt dann unpro22 blematisch, wenn bei nur einem Anspruchsberechtigten der Verwertungserlös den An21

46 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2015 ff. 47 BTDrucks. 18 9525 S. 95; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 9.

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spruch auf Entschädigung vollständig abdeckt und bei mehreren Anspruchsberechtigten für eine vollständige Befriedigung aller geltend gemachten Entschädigungsansprüche ausreicht.48 Der Deckungsfall dürfte in der Praxis jedoch eher selten vorkommen. Wird vor Abschluss des Entschädigungsverfahrens die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Einziehungsadressaten beschlossen (§ 27 InsO), so gilt § 111i entsprechend (Absatz 2 Satz 2). Gepfändete Gegenstände sowie der Erlös aus ihrer Verwertung werden für das Insolvenzverfahren frei. Der Verletzte kann dann Entschädigung im Insolvenzverfahren erlangen, denn mit dem Verweis in Absatz 2 Satz 2 auf § 111i wird der Vorrang der insolvenzrechtlichen Lösung festgelegt.49 b) Insolvenzverfahren (Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 111i). Soweit bei mehreren An- 23 spruchsberechtigten der Verwertungserlös zur vollständigen Befriedigung der geltend gemachten und begründeten Ersatzansprüche nicht ausreicht (Mangelfall),50 ist die Staatsanwaltschaft nach Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 111i Abs. 2 Satz 1 verpflichtet („… so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners“),51 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners zu stellen. Für die Beurteilung, ob ein Mangelfall vorliegt, sind die gesicherten Werte einerseits und die von Anspruchsberechtigten angemeldeten Rückgewähransprüche andererseits zu berücksichtigen.52 Die Staatsanwaltschaft sieht nur dann von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren aufgrund des Antrags eröffnet wird (§ 111i Abs. 2 Satz 2).53 Die Antragstellung obliegt dem Rechtspfleger (§ 31 Abs. 1 Nr. 3 RPflG). Die Entschei- 24 dung, ob das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Einziehungsadressaten eröffnet wird, obliegt allein dem Insolvenzgericht. Die Staatsanwaltschaft haftet nicht für die Folgen einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch unter Umständen für solche bei einem zu Unrecht gestellten Insolvenzantrag.54 Zu den Anforderungen an den Insolvenzantrag der Staatsanwaltschaft vgl. Erl. zu § 111i.55 c) Anmeldung des Anspruchs. Nach § 459k Abs. 1 Satz 1 hat der Anspruchsinhaber 25 seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach Absatz 2 binnen sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsentscheidung bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden und zugleich die Höhe des Anspruchs zu bezeichnen (§ 459k Abs. 1 Satz 2). Nach Ablauf dieser Frist hat ein „Kassensturz“ zu erfolgen, um festzustellen, ob eine Deckungs- oder Mangelfall vorliegt. Dabei werden die gesicherten Werte den angemeldeten Ansprüchen gegenübergestellt. Spätestens wenn sicher feststeht, ob ein Deckungs- oder Mangelfall gegeben ist, hat die Vollstreckungsbehörde entweder einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Einziehungsschuldner zu stellen oder, sofern sie nach Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 111i Abs. 2 Satz 2 da-

48 49 50 51

Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 858, 2022; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 10. BTDrucks. 18 9525 S. 95; OK-StPO/Coen 34; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert Rn. 862. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert Rn. 863. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler § 111i, 9; Bittmann/Tschakert ZInsO 2017 2657, 2663: Ermessensreduzierung auf Null. 52 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert Rn. 865. 53 LR/Johann § 111i, 36. 54 Frind NZI 2016 674, 679; LR/Johann § 111i, 32. 55 LR/Johann § 111i, 22 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler § 111i, 9 ff.; KK/Spillecke § 111i, 12 ff.; Bittmann/ Köhler/Seeger/Tschakert Rn. 864 ff., 996 ff.

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von absieht, die Gründe für begründete Zweifel an einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Form eines Vermerks in den Akten zu dokumentieren.56

IV. Zuständigkeit 26

Der Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§ 451) ist funktionell zur Entscheidung berufen (§ 3 Nr. 4c, § 31 Abs. 2 Satz 1 RPflG). Über Einwendungen gegen die Entscheidung entscheidet das Gericht (§ 459o) des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 462 Abs. 1 Satz 1).

§ 459i Mitteilungen (1) 1Der Eintritt der Rechtskraft der Einziehungsanordnung nach den §§ 73 bis 73c und 76a Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches, wird demjenigen, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, unverzüglich mitgeteilt. 2Die Mitteilung ist zuzustellen; § 111l Absatz 4 gilt entsprechend. (2) 1Die Mitteilung ist im Fall der Einziehung des Gegenstandes mit dem Hinweis auf den Anspruch nach § 459h Absatz 1 und auf das Verfahren nach § 459j zu verbinden. 2Im Fall der Einziehung des Wertersatzes ist sie mit dem Hinweis auf den Anspruch nach § 459h Absatz 2 und das Verfahren nach den §§ 459k bis 459m zu verbinden. Schrifttum Siehe bei § 459g.

Entstehungsgeschichte Die frühere Vorschrift wurde durch Art. 14 Nr. 17 OrgKG vom 15.7.19921 zur Regelung der Vollstreckung der Vermögensstrafe eingefügt. § 43a StGB ist nach der Entscheidung des BVerfG vom 20.3.20022 verfassungswidrig und nichtig und inzwischen durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 aufgehoben.3 Durch Art. 3 Nr. 15 desselben Gesetzes wurden die bisherigen §§ 459g und 459h durch die §§ 459g bis 459o ersetzt.4 Durch Art. 1 Nr. 59 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.20215 wurde der Verletztenbegriff aus dem Absatz 1 gestrichen. Die Streichung soll sicherstellen, dass sich aus der Definition des „Verletzten“ in § 373b keine Änderungen 56 1 2 3 4 5

Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 12. BGBl. I S. 1302. NJW 2002 1779. BGBl. I S. 872. BGBl. I S. 872, 886. BGBl. I S. 2099, 2106.

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für die bisherige Auslegung und Rechtsanwendung im Recht der Vermögensabschöpfung ergeben.6

I. II.

III.

Übersicht Zweck und Bedeutung 1 Mitteilung an den Anspruchsberechtigten (Absatz 1 Satz 1) 1. Adressat 2 2. Form 8 3. Dokumentation 9 4. Zeitpunkt 10 Zustellung oder Bekanntmachung (Absatz 1 Satz 2) 1. Zustellung (Absatz 1 Satz 2 1. Hs.) 11 2. Bekanntmachung (Absatz 1 Satz 2 2. Hs. i. V. m. § 111l Abs. 4) a) Anwendungsbereich 13

b)

IV.

Bundesanzeiger (§ 111l Abs. 4 14 Satz 1) c) Veröffentlichung in anderer geeigneter Weise (§ 111l Abs. 4 Satz 2) 15 d) Unbekannte Anspruchsinhaber oder unbekannter Aufenthalt (§ 111l Abs. 4 Satz 3) 16 e) Veröffentlichung von Personendaten (§ 111 Abs. 4 Satz 4) 17 f) Löschungspflicht (§ 111l Abs. 4 Satz 5) 19 Inhalt der Mitteilung (Absatz 2) 20

Alphabetische Übersicht Anspruchsberechtigung 4 Anspruchshöhe 4 Auslandszustellung 12 Bekanntmachung 1, 13 Bundesanzeiger 5, 13 f. Löschungspflicht 19 Mitteilung 2 – Form 8 – Inhalt 20 – Übersetzung 23 – Zeitpunkt 10 Personendaten 17 Prozesskostenhilfe 24

Rechtsbeistand 24 Rechtskraft 10 Rechtsnachfolge 7 Revisionsgericht 4 Unbekannter Aufenthalt 16 Unverzüglichkeitsgebot 10 Urteilsfeststellungen 4 Urteilsformel 4 Verletztenbegriff 2 f. Veröffentlichung 15 Vollstreckungsgrundlage 4 Zulassung durch Gericht 5 Zustellung 11

I. Zweck und Bedeutung Die Vorschrift regelt die Mitteilungspflichten der Staatsanwaltschaft als Vollstre- 1 ckungsbehörde gegenüber den Anspruchsberechtigten und die Bekanntmachung der Mitteilung.

II. Mitteilung an den Anspruchsberechtigten (Absatz 1 Satz 1) 1. Adressat. Die Mitteilung nach Absatz 1 Satz 1 hat an den Anspruchsberechtig- 2 ten zu erfolgen. Anspruchsberechtigter i. S. d. neugefassten Rechts der Vermögensabschöpfung ist also derjenige, dem ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, die im entscheidungserheblichen Zeitpunkt Gegenstand der Anordnung der Beschlagnahme oder des Vermögensarrestes ist (vgl. § 73e StGB, § 111i und § 459g Abs. 4), denn nur insoweit ist eine Vollstre6 BTDrucks. 19 27654 S. 113.

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ckung der (Wertersatz-)Einziehungsanordnung gerechtfertigt.7 Es ist mithin erforderlich, dass die Tat, auf die sich die verfahrensabschließende Einziehungsanordnung bezieht, dieselbe Tat ist wie die konkrete Tat, aus der dem Anspruchsberechtigten ein zivilrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist. Die Anspruchsberechtigung ergibt sich damit jeweils aus der aktuellen gerichtlichen Entscheidung, die Grundlage der Vollstreckung der verfahrensabschließenden (Wertersatz-)Einziehungsanordnung ist.8 Anspruchsberechtigte können Verletzte (§ 373b), deren Rechtsnachfolger oder 3 sonstige Gläubiger sein. Sie können ihre Anspruchsberechtigung im Laufe des Verfahrens verlieren. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Tat nicht nachzuweisen ist oder von der Verfolgung abgesehen oder diese beschränkt worden ist (§§ 154, 154a). Der Kreis der Anspruchsberechtigten kann sich im Laufe eines Verfahrens aber auch erweitern, z. B. durch Verbindung von Verfahren oder verändern, z. B. bei Tod von Anspruchsberechtigten. Anspruchsberechtigte können daher auch der Erbe, der gesetzliche Vertreter eines prozessunfähigen Verletzten oder ein sonstiger Rechtsnachfolger des unmittelbar Verletzten sowie der Insolvenzverwalter und der Versicherer, auf den der Anspruch des unmittelbar Anspruchsberechtigten übergegangen ist (§ 86 Abs. 1 VVG), sein.9 Der vermögensabschöpfungsrechtliche Entschädigungsanspruch des Anspruchsberechtigten ist mithin die Kehrseite des Erlangten oder dessen Wertes i. S. v. §§ 73, 73c StGB. 4 Wer Anspruchsberechtigter im konkreten Einzelfall ist, ergibt sich für die Vollstreckungsbehörde aus der Urteilsformel sowie den getroffenen Urteilsfeststellungen des rechtskräftigen Urteils. Ist die Einziehungsanordnung durch eine Entscheidung des Revisionsgerichts selbst getroffen oder abgeändert worden,10 so ist Vollstreckungsgrundlage das rechtskräftige tatgerichtliche Urteil i. V. m. der Entscheidung des Revisionsgerichts. Anspruchsberechtigung und Anspruchshöhe müssen sich ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen ergeben (§ 459k Abs. 2 Satz 1). Die Vollstreckungsbehörde ist für die Entscheidung, wer Anspruchsberechtigter i. S. d. § 459i ist, an die darin getroffenen Feststellungen gebunden, und darf hiervon nicht abweichen, denn die Vollstreckung des Strafurteils setzt stets dessen Rechtskraft voraus (§ 449, § 13 Abs. 1 StVollstrO). Ein Rückgriff auf die Akten im Übrigen ist grundsätzlich ebenso wenig zulässig wie die Berücksichtigung des Vortrags vermeintlich Anspruchsberechtigter im Vollstreckungsverfahren, die keine Grundlage in der rechtskräftigen Entscheidung findet.11 5 Ergeben sich die Anspruchsberechtigung und die Anspruchshöhe des Entschädigungsanspruchs nicht ohne weiteres aus der Einziehungsentscheidung (Urteil, Strafbefehl, Beschluss) und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen, so bedarf die Auskehrung stets der Zulassung durch das Gericht (Absatz 2 Satz 2 i. V. m. § 459k Abs. 2 Satz 2) des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1). Die Akten sind daher dem Gericht vorzulegen mit dem Antrag auf Entscheidung, wer als Anspruchsberechtigter anzusehen ist. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 462 Abs. 1 Satz 1) in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG). Sofern die Zulassung durch das Gericht – aus welchen Gründen auch immer – unterbleibt, hat die 7 BTDrucks. 18 9525 S. 50; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert Rn. 733 ff. und Bittmann/Köhler/Seeger/ Tschakert/ Seeger Rn. 2027 ff. BTDrucks. 18 9525 S. 50. BTDrucks. 18 9525 S. 51. Meyer-Goßner/Schmitt § 354, 26e; KK/Gericke § 354, 19; LR/Franke26 § 354, 38. BTDrucks. 18 11640 S. 90.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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Mitteilung nach Absatz 1 Satz 2 2. Hs. i. V. m. § 111l Abs. 4 über den Bundesanzeiger zu erfolgen. Bei unbekannten Anspruchsberechtigten (z. B. Diebstahl z. N. von Unbekannt) ist 6 die Mitteilung grundsätzlich über den Bundesanzeiger vorzunehmen. In diesen Fällen erfolgt keine individuelle Mitteilung an einen etwaigen Rechtsnachfolger, selbst wenn dieser sich meldet oder aktenkundig ist, denn er ergibt sich in der Regel nicht ohne weiteres aus der Einziehungsentscheidung. In diesem Fall hat die Vollstreckungsbehörde die Zulassung durch das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1) herbeizuführen.12 Enthalten die Urteilsformel und die Urteilsgründe keine Entscheidung bzw. Fest- 7 stellungen zu einer Rechtsnachfolge (z. B. Erbe, gesetzlicher Vertreter des prozessunfähigen Anspruchsberechtigten, Insolvenzverwalter, sonstiger Rechtsnachfolger, vgl. Rn. 3) oder ist letztere erst danach eingetreten, so ist stets die Zulassung des Gerichts zur Auskehrung erforderlich.13 2. Form. Die Mitteilung ist nicht formgebunden. Weder Absatz 1 noch § 111l schrei- 8 ben für die Mitteilung an den Anspruchsberechtigten eine bestimmte Form vor. Da die Mitteilung jedoch nach Absatz 1 Satz 2 1. Hs. zuzustellen ist, hat sie grundsätzlich schriftlich zu erfolgen, denn sie muss zustellungsfähig sein. 3. Dokumentation. In den Akten ist die Mitteilung an den Anspruchsberechtigten 9 zu dokumentieren. Unklar ist, wo die Dokumentation zu erfolgen hat (Hauptakten, Vollstreckungsheft, gesonderter Vermögensabschöpfungsband, Entschädigungsheft). Insoweit wären bundeseinheitliche Regelungen zur Aufbewahrung des Schriftguts, auch mit Blick auf die ab dem 1.1.2026 obligatorische Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen, anstrebenswert. Gerade bei einer Vielzahl von Verletzten und einer Vielzahl von eingezogenen Gegenständen müssen die Akten übersichtlich geführt werden. 4. Zeitpunkt. Die Vollstreckungsbehörde hat dem Anspruchsberechtigten den Ein- 10 tritt der Rechtskraft der Einziehungsanordnung nach den §§ 73 bis 73c, § 76a Abs. 1 Satz 1, auch i. V. m. § 76 a Abs. 3 StGB unverzüglich mitzuteilen, d. h. sobald wie möglich, ohne eine durch die Sachlage begründete Verzögerung.14 An das Gebot der Unverzüglichkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen.15 Insoweit sind die Rechtsgrundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung zu § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 entsprechend zugrunde zu legen. Welcher konkrete Zeitrahmen dem Unverzüglichkeitgebot noch genügt, ist eine Sache des Einzelfalls. Der Einleitung der Vollstreckung freiheitsentziehender Entscheidungen wird allerdings regelmäßig der Vorrang vor der Einleitung der Vollstreckung von Nebenfolgen wie der Einziehungsanordnung einzuräumen sein. Ob es indessen dem Unverzüglichkeitsgebot und dem daran anzulegenden strengen Maßstab noch genügt, mit der Mitteilung abzuwarten, sofern vorrangig noch Geldstrafen zu vollstrecken sind (§ 459b) und nicht absehbar ist, ob ausreichend Masse für ein Insolvenzverfahren vorhanden sein wird, dürfte durchaus zweifelhaft sein.16

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BTDrucks. 18 11640 S. 90; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1973. BTDrucks. 18 11640 S. 90; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1973. BGHSt 21 334, 339; 45 315; BGH NStZ 2006 644 f. BGH StraFo 2015 458 m. w. N.; NStZ 2006 644 f. So OK-StPO/Coen 5; vgl, auch Savini Rpfleger 2019 117, 120.

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III. Zustellung oder Bekanntmachung (Absatz 1 Satz 2) 1. Zustellung (Absatz 1 Satz 2 1. Hs.). Nach Absatz 1 Satz 2 1. Hs. ist die Mitteilung zuzustellen. Die Zustellungsanordnung obliegt dem Rechtspfleger (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RPflG). Für das Zustellungsverfahren gilt § 37 i. V. m. den Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 166 ff. ZPO) entsprechend.17 Einer Übersetzung der Mitteilung in eine für den Anspruchsberechtigten verständliche Sprache bedarf es nicht, denn nach der Zustellung der Mitteilung bleibt mit Blick auf § 459j Abs. 1 hinreichend Zeit, um eine Übersetzung zu veranlassen und danach ggf. den Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Abs. 1 bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden. Bei Auslandszustellung ist § 37 i. V. m. § 183 ZPO entsprechend anzuwenden.18 Für 12 das Strafverfahren regelt Art. 5 Eu-RhÜbK19 die Übersendung und Zustellung von Verfahrensurkunden. Nach Art. 5 Abs. EU-RhÜbK übersendet jeder Mitgliedstaat Personen, die sich im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, gerichtliche (hier: staatsanwaltschaftliche) Urkunden durch die Post. Zu den Einzelheiten siehe die Erl. zu § 37, 87 ff.20 11

2. Bekanntmachung (Absatz 1 Satz 2 2. Hs. i. V. m. § 111l Abs. 4) 13

a) Anwendungsbereich. Absatz 1 Satz 2 2. Hs. i. V. m. § 111l Abs. 4 eröffnet die Möglichkeit („kann“), die Mitteilung nach Absatz 1 durch einmalige Bekanntmachung im Bundesanzeiger vorzunehmen, wenn sie gegenüber jedem einzelnen Anspruchsberechtigten mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre. Die Mitteilung kann darüber hinaus auch in anderer geeigneter Weise veröffentlicht werden. Das gilt ferner in Fällen, in denen der Anspruchsberechtigte unbekannten Aufenthalts ist (§ 111 Abs. 4 Satz 3). Der Gesetzgeber will damit bei einer größeren Anzahl von Anspruchsberechtigten die Mitteilung nach Absatz 1 erleichtern.21

14

b) Bundesanzeiger (§ 111l Abs. 4 Satz 1). Die Veröffentlichung der Mitteilung nach Absatz 1 im elektronischen Bundesanzeiger setzt voraus, dass die Mitteilung gegenüber jedem einzelnen Anspruchsberechtigte mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre. Wann ein Aufwand unverhältnismäßig ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls.22 Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass der ganz überwiegende Teil der Bevölkerung den Bundesanzeiger nicht kennt oder nicht regelmäßig verfolgt.23

15

c) Veröffentlichung in anderer geeigneter Weise (§ 111l Abs. 4 Satz 2). Die Mitteilung nach Absatz 1 kann auch in anderer Weise erfolgen (Absatz 1 Satz 2 2. Hs. i. V. m. § 111l Abs. 4 Satz 2). Da der Bundesanzeiger bei Anspruchsberechtigten nicht zur regel-

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Vgl. Erl. bei LR/Graalmann-Scheerer § 37. Vgl. dazu im Einzelnen Erl. bei LR/Graalmann-Scheerer § 37, 87 ff. BGBl. II 2005 S. 651, 652. Listen der Urkunden, die gemäß Art. 52 Abs. 1 SDÜ, der aber durch Art. 2 Abs. 2 EU-RhÜbK aufgehoben wurde, unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, sind nach Staaten geordnet abgedruckt BGBl. II 1996, S. 242 ff. oder bei Schomburg/Lagodny/Gleß Art. 52 SDÜ, 1; ansonsten empfiehlt sich bei Unklarheiten Rücksprache mit der Vertretung des Deutschen Tisches bei Eurojust; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt § 37, 25 ff.; OK-StPO/Coen 7. 21 BTDrucks. 18 9525 S. 83; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Bittmann Rn. 1189. 22 LR/Johann § 111l, 16; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Bittmann Rn. 1190. 23 LR/Johann § 111l, 16; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Bittmann Rn. 1190.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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mäßigen Lektüre gehören dürfte, hat die Vollstreckungsbehörde im Einzelfall zu prüfen, ob es zur Wahrung von deren Rechten nicht geboten erscheint, die Mitteilung nach Absatz 1 in anderer geeigneter Weise zu veröffentlichen. Diese Möglichkeit der Veröffentlichung ist kumulativ („zusätzlich“) und nicht alternativ eröffnet.24 Als alternative Veröffentlichungsmöglichkeiten kommen Anzeigen in der Tagespresse,25 Pressemitteilungen,26 aber auch Aushänge und Plakate27 und die Homepage der Vollstreckungsbehörde bei Beachtung datenschutzrechtlicher Belange in Betracht. d) Unbekannte Anspruchsinhaber oder unbekannter Aufenthalt (§ 111l Abs. 4 16 Satz 3). Bei unbekannten Anspruchsinhabern oder unbekanntem Aufenthalt hat die Vollstreckungsbehörde dieselben Möglichkeiten wie nach Absatz 1 Satz 2 2.Hs. i. V. m. § 111l Abs. 4 Satz 1 und 2. In der Vollstreckungspraxis kommt der Möglichkeit einer kollektiven Mitteilung zwar praktische Bedeutung (z. B. bei nicht zuzuordnendem Stehlgut) zu. Ob allerdings Anspruchsberechtigte den Bundesanzeiger oder andere Veröffentlichungsmöglichkeiten (§ 111 Abs. 4 Satz 2) regelmäßig prüfen, um ihre Entschädigungsansprüche geltend machen zu können, erscheint eher zweifelhaft. e) Veröffentlichung von Personendaten (§ 111 Abs. 4 Satz 4). Nach Absatz 1 17 Satz 2 2. Hs. i. V. m. § 111l Abs. 4 Satz 4 darf die Vollstreckungsbehörde Personendaten nur veröffentlichen, soweit ihre Angabe zur Wahrung der Rechte der Anspruchsinhaber unerlässlich ist. Personendaten (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) sind neben dem Vor- und Familiennamen ein abweichender Geburtsname, das Geschlecht, Geburtsdatum, der Geburtsort, die Staatsangehörigkeit und die Anschrift. Die Regelung bezieht sich auf den Inhalt der Veröffentlichung, nicht auf die Wahl sonstiger Veröffentlichungsmedien.28 Unerlässlich ist die Veröffentlichung der Personendaten dann, wenn Anspruchs- 18 berechtigte ohne sie keine realistische Möglichkeit hätten, Ansprüche nach § 459j Abs. 1 geltend zu machen. Reicht es zur Sicherung der Rechte aus, nur einen Teil der Personendaten zu veröffentlichen, so dass eine Individualisierung der Ansprüche möglich ist,29 gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sie nicht vollumfänglich zu veröffentlichen. Die Regelung trägt damit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung.30 f) Löschungspflicht (§ 111l Abs. 4 Satz 5). Nach Absatz 1 Satz 2 2. Hs. i. V. m. § 111l 19 Abs. 4 Satz 5 muss („veranlasst“) die Staatsanwaltschaft nach Beendigung der Sicherungsmaßnahmen die Löschung der Bekanntmachung veranlassen. Im Vollstreckungsverfahren lässt sich der genaue Zeitpunkt der Löschungspflicht nicht verlässlich bestimmen. In der Regel wird eine Löschung der Bekanntmachung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nach § 459j Abs. 1, § 459k Abs. 1 Satz 1 zu veranlassen sein. Im Einzelfall kann sich durch Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist zur Anmeldung des Anspruchs auf Rückübertragung oder Herausgabe (§ 459j Abs. 1) der Zeitpunkt der Löschung der Bekanntmachung hinausschieben. Die 24 LR/Johann § 111l, 18; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Bittmann Rn. 1190; Meyer-Goßner/Schmitt/ Köhler § 111l, 9. 25 Bach JR 2008 230, 233. 26 BTDrucks. 16 700 S. 12. 27 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler § 111l, 9. 28 OK-StPO/Coen 13. 29 LR/Johann § 111l, 20. 30 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler § 111l, 10.

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Vollstreckungsbehörde ist aber nicht zur Veranlassung der Löschung verpflichtet bei einer nur teilweisen Beendigung der Vollstreckung bezüglich einzelner Anspruchsberechtigter.31 Tut sie es dennoch, so müssen besondere Umstände des Einzelfalls eine solche Entscheidung rechtfertigen und aktenkundig sein.

IV. Inhalt der Mitteilung (Absatz 2) Absatz 2 verpflichtet die Vollstreckungsbehörde, die Anspruchsberechtigten mit der Mitteilung nach Absatz 1 auf das einschlägige Entschädigungsverfahren hinzuweisen. Die Vorschrift soll dem Opferschutzgedanken Rechnung tragen.32 Absatz 2 Satz 1 betrifft Hinweise an den Anspruchsberechtigten bei Einziehung eines Gegenstandes (§§ 73 bis 73b StGB), während Absatz 2 Satz 2 die Hinweise für die Einziehung des Wertes von Taterträgen, jeweils auch i. V. m. § 76a Abs. 1 und 3 StGB, regelt. Die Mitteilung nach Absatz 1 ist im Falle der Einziehung eines Gegenstandes mit 21 dem Hinweis auf den Anspruch nach § 459h Abs. 1 und auf das Verfahren zu verbinden. Der Anspruchsberechtigte ist in der Mitteilung darauf hinzuweisen, dass er einen Anspruch auf Herausgabe oder Rückübertragung eines Gegenstandes hat, sofern ihm ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten aus der Tat erwachsen ist (§ 459h Abs. 1), diesen Anspruch innerhalb von sechs Monaten (§ 459j Abs. 1) nach Zugang der Mitteilung bei der Vollstreckungsbehörde anmelden muss, dass die Vollstreckungsbehörde den eingezogenen Gegenstand nur dann herausgeben oder zurückübertragen kann, wenn sich der Anspruch des Antragstellers ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung ergibt und dass, sofern das nicht der Fall sein sollte, die Zulassung durch das Gericht herbeigeführt werden muss (§ 459j Abs. 2 Satz 2 und 3), dass er unabhängig von der Sechsmonatsfrist darüber hinaus seinen Anspruch bei der Vollstreckungsbehörde dann anmelden kann, wenn er ein Endurteil i. S. v. § 704 ZPO oder einen sonstigen Vollstreckungstitel i. S. v. § 794 ZPO vorlegt, aus dem sich sein Anspruch ergibt. Ferner muss die Mitteilung den Hinweis enthalten, dass die Vollstreckungsbehörde ihm auch dann einen Gegenstand herausgeben oder zurückübertragen kann, wenn der Einziehungsbetroffene ein vollstreckbares Endurteil i. S. v. § 704 ZPO oder einen Vollstreckungstitel i. S. v. § 794 ZPO vorlegt, aus dem sich ergibt, dass dem Anspruchsberechtigten aus der Tat ein Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten erwachsen ist und der Einziehungsbetroffene Herausgabe oder Rückübertragung des eingezogenen Gegenstandes verlangt (§ 459l Abs. 1 Satz 1). Durch Art. 1 Nr. 57 Buchst. a), Nr. 58 Buchst. b) aa), Nr. 59, Nr. 62 Buchst. a) des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 hat der Gesetzgeber in § 459g Abs. 4 Satz 1, § 459h Abs. 1 Satz 1, § 459i Abs. 1 Satz 1 und § 459l Abs. 1 Satz 1 einen redaktionellen Fehler korrigiert und klargestellt, dass der Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen sein muss,33 was bei dem Inhalt der Mitteilung zu beachten ist. 22 Die Mitteilung nach Absatz 1 ist im Falle der Einziehung des Wertersatzes mit dem Hinweis auf den Anspruch nach § 459h Abs. 2 und das Verfahren nach §§ 459k bis 459m zu verbinden. Der Anspruchsberechtigte muss in der Mitteilung darauf hingewiesen werden, dass ihm bei einer Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c StGB) ein An-

20

31 BTDrucks. 16 700 S. 12; LR/Johann § 111l, 21; OK-StPO/Coen 17 (im Einzelfall schon Löschung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist). 32 BTDrucks. 18 9525 S. 95. 33 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 1968; HK/Pollähne § 459k, 3.

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spruch auf Auskehrung des Erlöses des Wertes der gepfändeten Gegenstände zustehen kann (§ 459h Abs. 2), sofern ihm ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten aus der Tat erwachsen ist; dass er binnen sechs Monaten nach Zugang der Mitteilung seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses bei der Vollstreckungsbehörde anmelden muss (§ 459k Abs. 1); die Vollstreckungsbehörde eine Auskehrung des Verwertungserlöses im Umfang seines Anspruchs nur dann anordnen kann, wenn sich dieser Anspruch ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung ergibt (§ 459k Abs. 2 Satz 1) und sofern das nicht der Fall sein sollte, es der Zulassung durch das Gericht bedarf; dass er unabhängig von der Sechsmonatsfrist seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses bei der Vollstreckungsbehörde dann anmelden kann, wenn er ein Endurteil i. S. v. § 704 ZPO oder einen sonstigen Vollstreckungstitel i. S. v. § 794 ZPO vorlegt, aus dem sich sein Anspruch ergibt (§ 111k Abs. 5); sofern er von dem von der Einziehungsanordnung Betroffenen befriedigt wird, der Vollstreckungsbehörde hierüber eine Quittung vorlegen muss (§ 459l Abs. 2 Satz 3), da der Einziehungsbetroffene von der Vollstreckungsbehörde einen Ausgleich in dem Umfang aus dem Verwertungserlös verlangen kann, in dem dieser an den Verletzten auszukehren gewesen wäre (§ 459l Abs. 2 Satz 1 und 2); dass er eine Auskehrung von der Vollstreckungsbehörde unter Vorlage eines Endurteils i. S. v. § 704 ZPO oder eines sonstigen Vollstreckungstitels i. S. v. § 794 ZPO, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt, verlangen kann, wenn nach der Aufhebung eines Insolvenzverfahrens ein Überschuss verbleibt und der Anspruchsinhaber keine Quote im Insolvenzverfahren erhalten hat (§ 459m Abs. 1 Satz 1); dass er eine Auskehrung von der Vollstreckungsbehörde unter Vorlage eines Endurteils i. S. v. § 704 ZPO oder eines sonstigen Vollstreckungstitels i. S. v. § 794 ZPO, aus dem der geltend gemachte Anspruch ergibt, verlangen kann, wenn ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt wird, weil die Vollstreckungsbehörde von einer Antragstellung i. S. d. § 111i Abs. 2 Satz 2 absieht (§ 459m Abs. 1 Satz 4); dass in den beiden letztgenannten Fällen eine Auskehrung an den Anspruchsinhaber oder dessen Rechtsnachfolger ausgeschlossen ist, wenn zwei Jahre seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens verstrichen sind (§ 459m Abs. 1 Satz 3); dass er eine Auskehrung durch die Vollstreckungsbehörde unter Vorlage eines Endurteils i. S. v. § 704 ZPO oder eines sonstigen Vollstreckungstitels i. S. v. § 794 ZPO, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt, verlangen kann, wenn nach rechtskräftiger Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder nach Abschluss der Auskehrung des Verwertungserlöses bei der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung erfolgreich vollstreckt wird und der Anspruchsinhaber keine Quote im Insolvenzverfahren erhalten hat (§ 459m Abs. 2). Der Inhalt der Mitteilung nach Absatz 1 muss für den Anspruchsinhaber verständ- 23 lich sein, denn er muss spätestens mit der Zustellung des Mitteilungsschreibens entscheiden, ob er den ihm aus der Tat erwachsenen Anspruch gegenüber der Vollstreckungsbehörde anmelden, er seinen Anspruch selbst gerichtlich geltend machen will oder ob er an einer Entschädigung kein Interesse hat. Ob die Vollstreckungsbehörde der ihr obliegenden Hinweispflicht nach Absatz 2 nachkommt, indem sie ihm ein Schreiben nebst Abdruck der einschlägigen Vorschriften übermittelt,34 erscheint fraglich, denn eine bloße Mitteilung des Gesetzestextes der komplexen Vorschriften wird bei einem juristisch nicht vorgebildeten Verletzten seinen Zweck verfehlen und dem Opferschutzgedanken35 zuwiderlaufen.36 Vielmehr sind für die beiden Konstellationen in Absatz 2 34 So OK-StPO/Coen 20. 35 BTDrucks. 18 9525 S. 95. 36 Zur praktischen Bedeutung des Mitteilungsschreibens Reitemeier 224 f.; Bittmann/Köhler/Seeger/ Tschakert/ Seeger Rn. 1970 f.

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Satz 1 und 2 Dokumentvorlagen zu erstellen, denen Merkblätter in verständlicher Sprache mit wichtigen verfahrenstechnischen Hinweisen für Anspruchsberechtigte bei erfolgter Einziehung von Taterträgen (Absatz 2 Satz 1) und der Einziehung des Wertes von Taterträgen (Absatz 2 Satz 2) sowie ein vom Anspruchsberechtigten auszufüllender Vordruck eines Rückantwortschreibens beizufügen sind.37 Eine Übersetzung dieser Schriftstücke ist nicht erforderlich. 24 Die Beiordnung eines Rechtsbeistands oder die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Entschädigungsverfahren sieht das Gesetz nicht vor.38

§ 459j Verfahren bei Rückübertragung und Herausgabe (1) Der Anspruchsinhaber hat seinen Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Absatz 1 binnen sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden. (2) 1Ergibt sich die Anspruchsberechtigung des Antragstellers ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen, so wird der eingezogene Gegenstand an den Antragsteller zurückübertragen oder herausgegeben. 2Andernfalls bedarf es der Zulassung durch das Gericht. 3Das Gericht lässt die Rückübertragung oder Herausgabe nach Maßgabe des § 459h Absatz 1 zu. 4 Die Zulassung ist zu versagen, wenn der Antragsteller seine Anspruchsberechtigung nicht glaubhaft macht; § 294 der Zivilprozessordnung ist anzuwenden. (3) 1Vor der Entscheidung über die Rückübertragung oder Herausgabe ist derjenige, gegen den sich die Anordnung der Einziehung richtet, zu hören. 2Dies gilt nur, wenn die Anhörung ausführbar erscheint. (4) Bei Versäumung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Frist ist unter den in den §§ 44 und 45 bezeichneten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (5) Unbeschadet des Verfahrens nach Absatz 1 kann der Anspruchsinhaber seinen Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Absatz 1 geltend machen, indem er ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung vorlegt, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt. Schrifttum Siehe § 459g.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20171 eingefügt. Durch Art. 1 Nr. 60 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 37 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert Muster Anhang Nr. 29 bis 34. 38 OK-StPO/Coen 21. 1 BGBl. I S. 872, 886 f.

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25.6.20212 wurden im Hinblick auf die Definition des Verletztenbegriffs in § 373b die Begriffe „Verletzte“ sowie „dessen Rechtsnachfolger“ in Absatz 1 Satz 1 sowie in Absatz 5 gestrichen und durch den Begriff „Anspruchsinhaber“ ersetzt.

I. II.

III.

Übersicht Zweck und Bedeutung 1 Anspruchsanmeldung (Absatz 1) 1. Allgemeines 2 2. Anspruchsanmeldung 4 3. Frist 5 4. Form 6 Verfahren nach der Anspruchsanmeldung 1. Allgemeines 7 2. Verfahren der Vollstreckungsbehörde (Absatz 2 Satz 1) 8 3. Zulassung durch das Gericht (Absatz 2 Satz 2) 10 a) Voraussetzungen 11

IV.

V. VI.

12 b) Zuständigkeit c) Verfahren 13 d) Zulassungsentscheidung 15 4. Anhörung (Absatz 3) 17 5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Absatz 4) 20 Geltendmachung des Anspruchs mittels Vollstreckungstitel (Absatz 5) 1. Allgemeines 22 2. Vollstreckbares Endurteil 24 3. Anderer Vollstreckungstitel 25 Beiordnung eines Beistandes 26 Anfechtung 27

Alphabetische Übersicht Anfechtung 27 Anhörung 17 f. Anspruchsanmeldung 2 ff., 7 ff. Beistand 26 Beschluss 8, 16 Eidesstattliche Versicherung 15 Einwendungen 27 Endurteil 22 ff. Entschädigungsverfahren 1 Erbe 4 Form 6, 18 Glaubhaftmachung 15 Rechtsnachfolger 4, 9 Rückübertragung 2 Schiedsspruch 25 Sechsmonatsfrist 5

Strafbefehl 8 Urkunde 25 Urteil 8 Vergleich 25 Verletzter 4 Versicherungsgesellschaft 4 Vollstreckungsbescheid 25 Vollstreckungstitel 25 Wegfall des Hindernisses 20 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 20 Zessionar 4 Zulassung 10 Zulassungsentscheidung 15 Zuständigkeit 12 Zustellung 5

I. Zweck und Bedeutung Während § 459h den Entschädigungsanspruch des Anspruchsinhabers nach 1 Rechtskraft der Einziehungsanordnung regelt, richtet sich das vereinfachte Entschädigungsverfahren nach den §§ 459i bis 459k. Dieses Verfahren beginnt einheitlich mit der Mitteilung nach § 459i. Sodann unterscheidet das Gesetz hinsichtlich des weiteren Verfahrens zwischen der Entschädigung nach Einziehung des Erlangten im Original (§ 459j) und nach der ersatzweisen Einziehung von dessen Wert (§ 459k). § 459j korrespondiert mit § 459h Abs. 1, während § 459k mit § 459h Abs. 2 korrespondiert.3 Die Absätze 1 und 5 legen fest, auf welchen zwei Wegen der Anspruchsinhaber den Rück-

2 BGBl. I S. 2099, 2106. 3 BTDrucks. 18 9525, S. 52; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2034 f.

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übertragungs- oder Herausgabeanspruch bei der Vollstreckungsbehörde geltend machen kann.

II. Anspruchsanmeldung (Absatz 1) 1. Allgemeines. Absatz 1 gilt für die Geltendmachung des Anspruchs des Anspruchsinhabers auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Abs. 1. Eine Rückübertragung erfolgt, wenn der Einziehungsbetroffene zum Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung Eigentümer des Einziehungsgegenstandes war und daher der Staat mit rechtskräftiger Einziehungsentscheidung Eigentümer des eingezogenen Gegenstandes wurde (§ 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB). In diesem Fall überträgt der Staat als neuer Eigentümer den eingezogenen Gegenstand an den früheren Eigentümer zurück. 3 War der Einziehungsbetroffene zum Zeitpunkt der Einziehungsentscheidung nicht Eigentümer des eingezogenen Gegenstandes, so wird der Staat mit der rechtskräftigen Einziehungsanordnung noch nicht Eigentümer (§ 75 Abs. 1 Satz 2 StGB). Meldet der Anspruchsinhaber seinen Anspruch auf Herausgabe nach § 459h Abs. 1 innerhalb der Frist des § 459j Abs. 1 bei der Vollstreckungsbehörde an und ist der Anspruch begründet, so ist der Gegenstand an ihn herauszugeben. Wird kein Anspruch nach Absatz 1 bei der Vollstreckungsbehörde angemeldet, so geht das Eigentum mit Ablauf von sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung (§ 75 Abs. 1 Satz 2 StGB) auf den Staat über.

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2. Anspruchsanmeldung. Zur Anmeldung des Anspruchs auf Rückübertragung oder Herausgabe ist der Anspruchsinhaber berechtigt. Als Anspruchsinhaber können Verletzte (§ 373b), deren Rechtsnachfolger, vor allem der Erbe (§ 1922 BGB), die Versicherungsgesellschaft bei gesetzlichem Forderungsübergang (§ 86 VVG) und der Zessionar im Falle der Abtretung (§ 398 BGB) in Betracht kommen.

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3. Frist. Bei der Sechsmonatsfrist handelt es sich um eine gesetzliche Handlungsfrist.4 Der Fristenlauf beginnt mit der Bekanntmachung durch Zustellung der Mitteilung nach § 459i Abs. 2 Satz 1. Als gesetzliche Frist ist die Sechsmonatsfrist einer Verlängerung nicht zugänglich. Für das Vollstreckungsverfahren gilt zwar § 35 nicht, denn die Vorschrift findet, wie sich schon aus der amtlichen Überschrift des Abschnitts 4a ergibt, nur für gerichtliche Entscheidungen Anwendung. Allerdings ist § 35 Abs. 2 auf die Bekanntmachung staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen als Strafverfolgungsund Vollstreckungsbehörde sinngemäß anzuwenden.5 Wesentliche Mängel bei der Anordnung, Durchführung oder Beurkundung der Zustellung können zu deren Unwirksamkeit führen.6 Die Zustellungsanordnung obliegt dem Rechtspfleger. Eine bewirkte Zustellung ohne deren Anordnung erweist sich als unwirksam. Eine unvollständige Anordnung steht einer unterlassenen Anordnung gleich. Ist die Zustellung der Mitteilung (§ 459i Abs. 1 Satz 2) unwirksam, beginnt die Frist zur Anmeldung des Anspruchs nach Absatz 1 nicht zu laufen. Für die Fristberechnung findet § 43 entsprechende Anwendung. Die Anordnung der Zustellung, deren Durchführung und Beurkundung sind aktenkundig zu machen, um die Wirksamkeit der Zustellung und den Fristenlauf prüfen zu können. 4 LR/Graalmann-Scheerer Vor § 42, 3. 5 LR/Graalmann-Scheerer § 35, 19. 6 LR/Graalmann-Scheerer § 37, 95 ff. m. w. N.

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4. Form. Zu der Form der Anmeldung des Anspruchs verhält sich Absatz 1 nicht. 6 Die Anmeldung ist mithin formfrei.7 Sie kann, muss aber nicht, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten erfolgen. Die Anmeldung kann auch per E-Mail und sogar telefonisch angebracht werden und ist in letzterem Fall in Form eines Vermerks in den Akten zu dokumentieren.

III. Verfahren nach der Anspruchsanmeldung 1. Allgemeines. Absatz 2 geht auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des 7 BTRAussch. zurück.8 Absatz 2 enthält die Maßgaben für die Entscheidung über den Antrag und gilt sowohl für die Antragstellung nach Absatz 1 als auch für die nach Absatz 5.9 2. Verfahren der Vollstreckungsbehörde (Absatz 2 Satz 1). Die Regelung stellt 8 klar, dass eine Rückübertragung oder Herausgabe des eingezogenen Gegenstandes durch die Vollstreckungsbehörde nur in Frage kommt, wenn sich die Anspruchsberechtigung des Antragstellers ohne weiteres aus der Entscheidung und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen ergibt, mit der die Einziehung angeordnet worden ist.10 Grundlage der Einziehungsentscheidung sind das letzte tatgerichtliche Urteil mit den diesem zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen, ggf. i. V. m. der Entscheidung des Revisionsgerichts sowie ferner der Strafbefehl, wobei dieser lediglich eine Konkretisierung enthält, nicht jedoch tatsächliche Feststellungen in einem Umfang wie ein tatgerichtliches Urteil. Grundlage der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde kann des Weiteren ein Beschluss in einem selbständigen oder abgetrennten Verfahren (§ 423 Abs. 2 Satz 1, §§ 436 Abs. 2 i. V. m. § 434 Abs. 2) sein, mit dem die Einziehung angeordnet worden ist. Das Tatgericht hat daher mit der Einziehungsanordnung schon deren spätere Vollstreckung in den Blick zu nehmen und die materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen in seiner Entscheidung darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 2. Hs.). Aus der Entscheidung muss sich daher die Person des Anspruchsberechtigten ergeben. Dazu reicht die Angabe des Vor- und Familiennamens bzw. der Name der Firma ohne Rechtsformzusatz aus. Die Angabe einer zustellungsfähigen Anschrift ist zwar wünschenswert, aber nach § 267 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. nicht geboten. In aller Regel lässt sie sich aus den Akten, durch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt oder eine Internetrecherche ohne Schwierigkeiten ermitteln.11 Im Falle der Rechtsnachfolge muss sich nach dem Wortlaut des Gesetzes, dem Sinn 9 und Zweck der Regelung sowie dem Willen des Gesetzgebers, um den zur Entscheidung berufenen Rechtspfleger (§ 3 Nr. 4c, § 31 Abs. 2 Satz 1 RPflG) der Vollstreckungsbehörde „von unter Umständen komplexen materiellen Prüfungen über die Anspruchsberechtigung (z. B. in Fällen der Rechtsnachfolge)“12 zu entlasten, die Rechtsnachfolge schon aus der Einziehungsanordnung ergeben.13 Ist das nicht der Fall, weil die getroffenen 7 8 9 10 11 12 13

KK/Appl 2; OK-StPO/Coen 4. BTDrucks. 18 11640 S. 47, 90. BTDrucks. 18 11640 S. 90. BTDrucks. 18 11640 S. 90. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2053. BTDrucks. 18 11640 S. 90. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2060; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 3 f.; OK-StPO/ Coen 5 ff.; KK/Appl 3.

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tatsächlichen Feststellungen unzureichend sind oder der Fall der Rechtsnachfolge erst danach eingetreten ist, so kommt eine Rückübertragung oder Herausgabe des eingezogenen Gegenstandes nach Absatz 2 Satz 1 durch die Vollstreckungsbehörde nicht in Betracht, weil sich dann die Anspruchsberechtigung des Antragstellers nicht ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen ergibt. 10

3. Zulassung durch das Gericht (Absatz 2 Satz 2). Liegen die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 nicht vor, so richtet sich das Verfahren bei Rückübertragung und Herausgabe des eingezogenen Gegenstandes nach Absatz 2 Satz 2.

11

a) Voraussetzungen. Die Vollstreckungsbehörde hat festzustellen und in den Akten zu vermerken, dass die Voraussetzungen von Absatz 2 Satz 1 nicht vorliegen. Nur dann ist nämlich das Verfahren nach Absatz 2 Satz 2 zu betreiben. Diese Dokumentation in den Akten ist nicht nur wegen des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit und Aktenwahrheit erforderlich, sondern auch deshalb, weil die Bewertung der Vollstreckungsbehörde, dass es einer Zulassung der Rückübertragung oder Herausgabe des eingezogenen Gegenstandes bedarf, ihrerseits eine Entscheidung nach § 459o darstellt, hinsichtlich derer der (vermeintliche) Anspruchsinhaber Einwendungen erheben kann.

12

b) Zuständigkeit. Zuständig für die Entscheidung über die Zulassung der Rückübertragung oder Herausgabe des eingezogenen Gegenstandes ist das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1) in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG).

c) Verfahren. Die Vollstreckungsbehörde legt die Akten von Amts wegen dem Gericht des ersten Rechtszuges mit ihrem Antrag zur Entscheidung vor. Die Vorlage erfolgt durch den Rechtspfleger (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RPflG), sofern nicht die obligatorischen (§ 31 Abs. 2a RPflG) oder fakultativen (§ 31 Abs. 2c RPflG) Voraussetzungen für eine Bearbeitung durch den Staatsanwalt vorliegen. Es ist nicht zulässig, die Akten ohne weitere Ausführungen „zur weiteren Veranlassung“ dem Gericht zu übersenden. Den Antrag auf Zulassung der Rückübertragung oder Herausgabe hat die Vollstreckungsbehörde zu begründen. Es ist – auch in komplexen Verfahren − nicht zulässig, die Akten dem Gericht nicht zur Entscheidung über die Zulassung vorzulegen, sondern abzuwarten, ob der Antragsteller Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde (§ 459o) nach Absatz 2 Satz 1 erheben wird. Der Einziehungsadressat ist durch das Gericht vor der Entscheidung über die Rückübertragung oder Herausgabe des eingezogenen Gegenstandes zu hören (Absatz 3 Satz 1), wenn die Anhörung ausführbar erscheint (Absatz 3 Satz 2); vgl. hierzu im Einzelnen Rn. 17 ff. 14 Nach Absatz 2 Satz 3 lässt das Gericht die Rückübertragung oder Herausgabe des eingezogenen Gegenstandes nach Maßgabe des § 459h Abs. 1 zu. Die zu treffende Entscheidung ist an den Voraussetzungen des § 459h zu orientieren mit der Folge, dass das Gericht an die in der tatgerichtlichen Einziehungsentscheidung getroffenen Feststellungen grundsätzlich gebunden ist. Etwaigen nachfolgenden Änderungen der materiellrechtlichen Rechtslage hat das Gericht jedoch ebenso Rechnung zu tragen wie die Vollstreckungsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit.14 13

14 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2078; OK-StPO/Coen 12.

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d) Zulassungsentscheidung. Das Gericht hat die Zulassung zu versagen („ist zu 15 versagen“), wenn der Antragsteller seine Anspruchsberechtigung nicht glaubhaft macht (Absatz 2 Satz 4). Das Gericht muss sich also nicht die volle Überzeugung von den entscheidungserheblichen Tatsachen verschaffen. Vielmehr reicht es aus, dass der Antragsteller den Wahrscheinlichkeitsbeweis erbringt.15 Dies kann er nach § 294 ZPO (Absatz 2 Satz 4 2. Hs.) auch durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung tun. Gelingt es dem Antragsteller, seinen Anspruch glaubhaft zu machen, so lässt das 16 Gericht die Rückübertragung oder Herausgabe des Gegenstandes an den Antragsteller zu. Andernfalls lehnt es die Rückübertragung oder Herausgabe ab. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, der mit Blick auf § 462 Abs. 3 Satz 1 zu begründen (§ 34) und durch Zustellung (§ 35 Abs. 2 Satz 1) bekannt zu machen ist. 4. Anhörung (Absatz 3). Absatz 3 entspricht inhaltlich dem Absatz 2 in der Fassung 17 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung16 und regelt die Anhörung des Einziehungsadressaten (Tatbeteiligter oder Drittbegünstigter). Damit erhält er die Möglichkeit, (zivilrechtliche) Einwendungen, nicht aber gegen die gerichtliche Anordnung selbst, zu erheben.17 Die Anhörung ist obligatorisch18 („ist … zu hören“), sofern sie ausführbar erscheint (Absatz 3 Satz 2). Eine mündliche Anhörung schreibt Absatz 3 nicht vor. Die Vollstreckungsbehörde muss keine Nachforschungen zum aktuellen Aufenthaltsort des Einziehungsadressaten anstellen.19 Weder eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt noch eine Prüfung im staatsanwaltschaftlichen Informationssystem sind erforderlich. Der Einleitung von Fahndungsmaßnahmen zur Ermittlung einer aktuellen Anschrift des Einziehungsadressaten bedarf es nicht. Das Gesetz verhält sich weder zu der Form noch zu dem Zeitpunkt und dem Inhalt 18 der Anhörung des Einziehungsadressaten. Für die Anhörung genügt die schriftliche Mitteilung der Vollstreckungsbehörde mit einfachem Brief. Eine Zustellung ist nicht erforderlich, denn mit der Bekanntmachung wird keine gesetzliche Frist in Lauf gesetzt. Das Anhörungsschreiben ist an die letzte bekannte, aktenkundige Anschrift des Einziehungsadressaten zu richten. Ist das Anhörungsschreiben rückläufig, so nimmt das Verfahren zur Rückübertragung oder Herausgabe ohne weitere Ermittlungen seinen Fortgang. Ist den Akten eine E-Mail-Adresse des Einziehungsadressaten zu entnehmen, so kann die Vollstreckungsbehörde das Anhörungsschreiben mangels gesetzlicher Formvorschrift auch dorthin senden. Den Zeitpunkt der Anhörung gibt das Gesetz nicht vor. Die Anhörung des Einzie- 19 hungsadressaten wird regelmäßig zeitnah nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nach Absatz 1 zu erfolgen haben. Ihm ist in dem Anhörungsschreiben eine Frist zur Stellungnahme einzuräumen, die grundsätzlich zwei Wochen nicht übersteigen sollte. Auf begründeten Vortrag ist es der Vollstreckungsbehörde unbenommen, diese Frist nach den Umständen des Einzelfalles unter Beachtung des Beschleunigungsgebots zu verlängern. 5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Absatz 4). Absatz 4 entspricht inhalt- 20 lich Absatz 3 in der Fassung des Regierungsentwurfs.20 Danach hat die Vollstreckungs15 OK-StPO/Coen 12; MüKo/Nestler 6; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2081. 16 BTDrucks. 18 9525 S. 96; BTDrucks. 18 11640 S. 90. 17 BTDrucks. 18 9525 S. 96; KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 6; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2093. 18 A. A. LG Chemnitz BeckRS 2021 7852. 19 KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 6; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2093. 20 BTDrucks. 18 9525 S. 96; BTDrucks. 18 11640 S. 90.

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behörde („ist … zu gewähren“) dem Anspruchsinhaber bei Versäumung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Sechsmonatsfrist unter den in den §§ 44, 45 bezeichneten Voraussetzungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er muss binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses, das hier in der Kenntnis von der Versäumung der Sechsmonatsfrist nach Absatz 1 Satz 1 besteht, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung des Anspruchs auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Abs. 1 bei der Vollstreckungsbehörde stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (Absatz 4 i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 1) und innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung, hier die Anmeldung des Anspruchs auf Rückübertragung oder Herausgabe nach § 459h Abs. 1, nachzuholen (Absatz 4 i. V. m. § 45 Abs. 2 Satz 2). 21 Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet die Vollstreckungsbehörde durch den Rechtspfleger.21

IV. Geltendmachung des Anspruchs mittels Vollstreckungstitel (Absatz 5) 1. Allgemeines. Absatz 5 enthält für den Anspruchsinhaber neben dem Verfahren nach Absatz 1 die weitere Möglichkeit, seinen Anspruch durch Vorlage eines vollstreckbaren Endurteils i. S. v. § 704 ZPO oder eines anderen Vollstreckungstitels i. S. v. § 794 ZPO, aus dem sich der Anspruch ergibt, geltend zu machen. Der vorzulegende Vollstreckungstitel muss sich gegen den Einziehungsadressaten richten.22 Die Geltendmachung des Anspruchs durch Vorlage eines vollstreckbaren Endurteils oder eines anderen Vollstreckungstitels unterfällt nicht der Sechsmonatsfrist des Absatzes 1 („Unbeschadet des Verfahrens nach Absatz 1 …“). Der Anspruchsinhaber kann daher seinen Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe auch noch nach Ablauf der Sechsmonatsfrist geltend machen. 23 Absatz 2 ist in Fällen des Absatzes 5 anwendbar.23 Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Absatz 4) scheidet bei Vorlage eines vollstreckbaren Endurteils i. S. v. § 704 ZPO oder eines anderen Vollstreckungstitels i. S. v. § 794 ZPO aus, da die Vorlage der Sechsmonatsfrist nach Absatz 1 nicht unterfällt. 22

24

2. Vollstreckbares Endurteil. Erforderlich ist die Vorlage eines vollstreckbaren Endurteils nach § 704 ZPO.24

25

3. Anderer Vollstreckungstitel. Der Anspruch auf Rückübertragung oder Herausgabe kann auch durch Vorlage eines anderen Vollstreckungstitels i. S. v. § 794 ZPO geltend gemacht werden. Hierzu zählen etwa der Vergleich, Vollstreckungsbescheid, Entscheidungen, die durch Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt wurden, notarielle Urkunden mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 4, 4a und 5 ZPO). Feststellungsentscheidungen sind mangels Vollstreckbarkeit kein anderer Vollstreckungstitel i. S. v. § 794 ZPO.25

21 22 23 24 25

Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2097. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2099. OK-StPO/Coen 23; BTDrucks. 18 11640 S. 90. Baumbach/Lauterbach/Schmidt § 704, 3. OK-StPO/Coen 21.

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V. Beiordnung eines Beistandes Zu der Frage der Beiordnung eines Verletztenbeistandes für das Verfahren auf Rück- 26 übertragung oder Herausgabe schweigen die Gesetzesmaterialien. Die Beiordnung eines Verletztenbeistands nach § 397a endet mit der Rechtskraft des Urteils. Prozesskostenhilfe (§ 397a Abs. 2) beschränkt sich auf die jeweilige Instanz. § 406h Abs. 3 scheidet als Rechtsgrundlage für die Beiordnung eines Verletztenbeistandes im Vollstreckungsverfahren aus. Ob hier von einer planwidrigen Regelungslücke26 ausgegangen werden kann, erscheint eher zweifelhaft. Es spricht mehr dafür, dass der Gesetzgeber von seinem Reformvorhaben so überzeugt war, dass das gewählte Entschädigungsmodell „den Tatgeschädigten einen einfachen und kostenlosen Weg, Schadenswiedergutmachung zu erlangen“,27 erfüllen wird, und er daher die Bestellung eines Beistandes bewusst nicht in den Blick genommen hat, dabei aber die Komplexität des Regelungswerkes unterschätzt hat. Wer den Opferschutz stärken will, wird einer gesetzlichen Regelung für die Beiordnung eines Beistandes für Anspruchsinhaber im Entschädigungsverfahren nähertreten müssen, denn alleine die Kommunikation mit der Vollstreckungsbehörde wird Anspruchsinhaber in der Regel überfordern.28

VI. Anfechtung Gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde sind Einwendungen nach 27 § 459o statthaft, über die das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheidet (§ 462 Abs. 1 Satz 1). Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde (§ 462 Abs. 3 Satz 1) anfechtbar und daher durch Zustellung bekanntzumachen (§ 35 Abs. 2 Satz 1).

§ 459k Verfahren bei Auskehrung des Verwertungserlöses (1) 1Der Anspruchsinhaber hat seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach § 459h Absatz 2 binnen sechs Monaten nach der Mitteilung der Rechtskraft der Einziehungsanordnung bei der Vollstreckungsbehörde anzumelden. 2Bei der Anmeldung ist die Höhe des Anspruchs zu bezeichnen. (2) 1Ergeben sich die Anspruchsberechtigung des Antragstellers und die Anspruchshöhe ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrunde liegenden Feststellungen, so wird der Verwertungserlös in diesem Umfang an den Antragsteller ausgekehrt. 2Andernfalls bedarf es der Zulassung durch das Gericht. 3 Das Gericht lässt die Auskehrung des Verwertungserlöses nach Maßgabe des § 459h Absatz 2 zu. 4Die Zulassung ist zu versagen, wenn der Antragsteller seine Anspruchsberechtigung nicht glaubhaft macht; § 294 der Zivilprozessordnung ist anzuwenden. (3) 1Vor der Entscheidung über die Auskehrung ist derjenige, gegen den sich die Anordnung richtet, zu hören. 2Dies gilt nur, wenn die Anhörung ausführbar erscheint. 26 So OK-StPO/Coen 28. 27 BTDrucks. 18 9525 S. 2. 28 Vgl. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert Anhang Vordrucke Nr. 10−18, 29−34.

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(4) Bei Versäumung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Frist ist unter den in den §§ 44 und 45 bezeichneten Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (5) 1Unbeschadet des Verfahrens nach Absatz 1 kann der Anspruchsinhaber seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach § 459h Absatz 2 geltend machen, indem er ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung vorlegt, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt. 2Einem vollstreckbaren Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung stehen bestandskräftige öffentlich-rechtliche Vollstreckungstitel über Geldforderungen gleich. Schrifttum Siehe § 459g.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20171 eingefügt. Durch Art. 1 Nr. 61 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.20212 wurden die Begriffe „Verletzte“ und „dessen Rechtsnachfolger“ im Hinblick auf die Definition des Verletztenbegriffs in § 373b gestrichen und durch den Begriff „Anspruchsinhaber“ ersetzt.

I. II.

III.

Übersicht Zweck und Bedeutung 1 Anspruchsanmeldung (Absatz 1) 2 1. Anspruchsberechtigung 3 2. Frist 5 3. Form 7 Verfahren nach der Anspruchsanmeldung (Absatz 2) 8 1. Verfahren der Vollstreckungsbehörde (Absatz 2 Satz 1) 9 2. Zulassung durch das Gericht (Absatz 2 Satz 2) 11

IV. V. VI.

12 a) Voraussetzungen b) Zuständigkeit 13 c) Verfahren 14 d) Zulassungsentscheidung 16 3. Anhörung (Absatz 3) 17 4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Absatz 4) 18 Geltendmachung des Anspruchs mittels Vollstreckungstitel (Absatz 5) 19 Beiordnung eines Beistandes 21 Anfechtung 22

Alphabetische Übersicht Anfechtung 22 Anhörung 17 Anspruchsanmeldung 2 – Form 7 – Frist 5 – Verfahren 8 f. Anspruchsberechtigung 3

Anspruchsinhaber 3 Auskehrungsanspruch 1 Beistand 21 Handlungsfrist 5 Rechtsnachfolger 3 Sechsmonatsfrist 5

1 BGBl. I S. 872, 886 f. 2 BGBl. I S. 2099, 2106.

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Verletztenbegriff 3 Vollstreckungsbehörde 9 f. Vollstreckungstitel 19 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 18 Zulassung 11 ff. – Verfahren 14

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– Voraussetzungen 12 – Zuständigkeit 13 Zulassungsentscheidung 16 Zustellung 6 Zustellungsmängel 6

I. Zweck und Bedeutung Während in § 459h Abs. 2 die mit Rechtskraft der Einziehungsanordnung entstande- 1 ne Anspruchsgrundlage für die Auskehrung des Verwertungserlöses an den Anspruchsinhaber geregelt ist, richtet sich das vereinfachte Entschädigungsverfahren insoweit nach § 459k.3 Dieses Verfahren beginnt mit der Mitteilung nach § 459i. Die Absätze 1 und 5 bestimmen, auf welchen zwei Wegen der Anspruchsinhaber den Auskehrungsanspruch geltend machen können.

II. Anspruchsanmeldung (Absatz 1) Absatz 1 gilt für die Geltendmachung des Anspruchs auf Auskehrung des Verwer- 2 tungserlöses nach § 459h Abs. 2. Eine Auskehrung an den Anspruchsinhaber erfolgt dann, wenn das Gericht die Einziehung des Wertersatzes nach den § 73c StGB (Einziehung des Wertes von Taterträgen) und § 76a Abs. 1 Satz 1 StGB (selbständige Einziehung), auch i. V. m. § 76a Abs. 3 StGB, angeordnet hat und ihm ein Anspruch auf Ersatz des Erlangten aus der Tat erwachsen ist. 1. Anspruchsberechtigung. Zur Anmeldung des Anspruchs auf Auskehrung des 3 Verwertungserlöses ist der Anspruchsinhaber berechtigt. Als Anspruchsinhaber kommen in der Vollstreckungspraxis Verletzte (§ 373b) sowie deren Rechtsnachfolger, vor allem Erben (§ 1922 BGB), Versicherungsgesellschaften (§ 86 VVG) bei gesetzlichem Forderungsübergang und der Zessionar im Falle der Abtretung (§ 398 BGB) in Betracht. Bei der Anspruchsanmeldung muss die Höhe des Anspruchs bezeichnet werden („ist 4 … zu bezeichnen“). Allgemeine Ausführungen oder eine Schätzung reichen nicht aus. Vielmehr müssen sich die Anspruchsberechtigung und die Anspruchshöhe ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen ergeben. 2. Frist. Wie bei § 459j Abs. 1 handelt es sich bei der Sechsmonatsfrist um eine 5 gesetzliche Handlungsfrist.4 Der Fristenlauf beginnt mit der Zustellung der Mitteilung nach § 459i Abs. 2 Satz 2. Die Sechsmonatsfrist ist als gesetzliche Frist einer Verlängerung nicht zugänglich. § 35 gilt zwar für das Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht, sondern nur für 6 gerichtliche Entscheidungen. Allerdings ist § 35 Abs. 2 auf die Bekanntmachung staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen als Strafverfolgungs- und Vollstreckungsbehörde entsprechend anzuwenden.5 Für die Berechnung der Frist gilt § 43 entsprechend. Die Anordnung der Zustellung, deren Durchführung sowie Beurkundung müssen akten3 BTDrucks. 18 9525 S. 52, 96; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2040. 4 LR/Graalmann-Scheerer Vor § 42, 3. 5 LR/Graalmann-Scheerer § 35, 19.

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kundig gemacht werden, um die Wirksamkeit der Zustellung und den Fristenlauf prüfen zu können. Zu Zustellungsmängeln siehe Erl. zu § 459j, 5. 7

3. Form. Die Anspruchsanmeldung ist in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung formfrei. Sie kann, muss aber nicht, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten angebracht werden, sondern kann auch per E-Mail oder fernmündlich erfolgen. In letzterem Fall ist die Anmeldung des Anspruchs in Form eines Vermerks aktenkundig zu machen.

III. Verfahren nach der Anspruchsanmeldung (Absatz 2) 8

Absatz 2 geht wie bei § 459j auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des BTRAussch. zurück.6 Absatz 2 regelt die Maßgaben für die Entscheidung über die Anspruchsberechtigung und Anspruchshöhe und gilt sowohl für die Antragstellung nach Absatz 1 als auch für die nach Absatz 5.

1. Verfahren der Vollstreckungsbehörde (Absatz 2 Satz 1). Die Regelung stellt klar, dass eine Auskehrung des Verwertungserlöses durch die Vollstreckungsbehörde nur in Frage kommt, wenn sich die Anspruchsberechtigung des Antragstellers und die Anspruchshöhe ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr zugrundeliegenden Feststellungen ergeben.7 Grundlage der Einziehungsentscheidung sind das letzte tatgerichtliche Urteil mit den diesem zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen, ggf. i. V. m. der Entscheidung des Revisionsgerichts, sowie des Weiteren der Strafbefehl, der allerdings lediglich eine Konkretisierung enthält, nicht jedoch tatsächliche Feststellungen wie ein tatgerichtliches Urteil. Auch ein Beschluss kann Grundlage für die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde sein, wenn etwa in einem selbständigen oder abgetrennten Verfahren (§ 423 Abs. 2 Satz 1, § 436 Abs. 2 i. V. m. § 434 Abs. 2) die Einziehungsanordnung erfolgt ist. 10 Zu den inhaltlichen Anforderungen an die tatgerichtlichen Feststellungen in der Einziehungsanordnung vgl. Erl. zu § 459j, 8. Darüber hinaus erfordert Absatz 2 Satz 1, dass sich auch die Anspruchshöhe ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung ergibt. Das Tatgericht hat daher bei den Feststellungen jeder Einziehungsanordnung deren spätere Vollstreckbarkeit in den Blick zu nehmen. 9

11

2. Zulassung durch das Gericht (Absatz 2 Satz 2). Liegen die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 nicht vor, so richtet sich das Verfahren auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach Absatz 2 Satz 2.

12

a) Voraussetzungen. Die Vollstreckungsbehörde hat festzustellen und in den Akten zu dokumentieren, dass die Voraussetzungen von Absatz 2 Satz 1 nicht vorliegen. Nur dann ist nämlich das Verfahren nach Absatz 2 Satz 2 eröffnet und zu betreiben. Der Dokumentation bedarf es nicht nur im Hinblick auf die Grundsätze der Aktenvollständigkeit und Aktenwahrheit, sondern auch deshalb, weil die Bewertung der Vollstreckungsbehörde, dass eine gerichtliche Zulassung der Auskehrung des Verwertungserlöses in einer bestimmten Höhe erforderlich ist, eine Entscheidung nach § 459o darstellt, gegen die der vermeintlich Anspruchsberechtigte Einwendungen erheben kann. 6 BTDrucks. 18 11640 S. 48, 90 f. 7 BTDrucks. 18 11640 S. 90 f.

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b) Zuständigkeit. Vgl. insoweit die Erl. zu § 459g, 46 m. w. N.

13

c) Verfahren. Die Vollstreckungsbehörde legt die Akten mit ihrem Antrag von Amts 14 wegen dem Gericht des ersten Rechtszuges zur Entscheidung vor. Der Antrag auf Auskehrung des Verwertungserlöses in einer bestimmten Höhe ist stets zu begründen. Vor der Entscheidung über die Auskehrung und zu der Höhe des Verwertungserlöses hat die Vollstreckungsbehörde und im Falle des Absatzes 2 Satz 2 auch das Gericht den Einziehungsadressaten zu hören (Absatz 3 Satz 1), sofern die Anhörung ausführbar erscheint (Absatz 3 Satz 2). Vgl. hierzu die Erl. zu § 459j, 17 ff. Nach Absatz 2 Satz 3 lässt das Gericht die Auskehrung des Verwertungserlöses nach 15 Maßgabe des § 459h Abs. 2 zu. Die zu treffende gerichtliche Entscheidung hat sich daran zu orientieren mit der Folge, dass das Gericht an die in der tatgerichtlichen Einziehungsentscheidung getroffenen Feststellungen grundsätzlich gebunden ist. Allerdings hat das Gericht etwaigen nachfolgenden Änderungen der materiellen Rechtslage ebenso wie die Vollstreckungsbehörde Rechnung zu tragen. d) Zulassungsentscheidung. Absatz 2 Satz 4 entspricht § 459j Abs. 2 Satz 4, so dass 16 auf die dortigen Erläuterungen verwiesen wird (§ 459j, 15 f.). Gelingt es dem Antragsteller, seinen Anspruch glaubhaft zu machen, so lässt das Gericht die Auskehrung des Verwertungserlöses nach Maßgabe des § 459h Abs. 2 zu. 3. Anhörung (Absatz 3). Absatz 3 entspricht inhaltlich dem Absatz 2 in der Fassung 17 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung8 und regelt die Anhörung der Adressaten der Einziehungsanordnung (Tatbeteiligter oder Drittbegünstigter). Dieser erhält dadurch die Möglichkeit, (zivilrechtliche) Einwendungen gegen die beabsichtigte Auskehrung des Verwertungserlöses, nicht aber gegen die gerichtliche Anordnung zu erheben.9 Die Anhörung ist obligatorisch,10 sofern sie ausführbar erscheint (Absatz 3 Satz 2). Eine mündliche Anhörung ist nicht erforderlich. Es reicht vielmehr aus, demjenigen, gegen den sich die Anordnung der Einziehung richtet, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Anhörung kann daher im schriftlichen Verfahren erfolgen. Zu dem Umfang der Nachforschungen zum aktuellen Aufenthaltsort des Einziehungsadressaten sowie des Zeitpunkts und der Form der Anordnung vgl. Erl. zu § 459j, 18 f. 4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Absatz 4). Absatz 4 entspricht inhalt- 18 lich dem Absatz 3 in der Fassung des Regierungsentwurfs.11 Bei Versäumung der Frist zur Anmeldung des Anspruchs auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach Absatz 1 Satz 1 gelten die Ausführungen zu der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu § 459j, 20 f. entsprechend.

IV. Geltendmachung des Anspruchs mittels Vollstreckungstitel (Absatz 5) Absatz 5 gibt dem Anspruchsinhaber neben dem Verfahren nach Absatz 1 die weite- 19 re Möglichkeit, seinen Anspruch auf Auskehrung des Verwertungserlöses nach Absatz 1 durch Vorlage eines vollstreckbaren Endurteils i. S. v. § 704 ZPO oder eines anderen 8 9 10 11

BTDrucks. 18 9525 S. 96; BTDrucks. 18 11640 S. 91. BTDrucks. 18 9525 S. 96; KK/Appl 4; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2093. A. A. LG Chemnitz BeckRS 2021 7852. BTDrucks. 18 9525 S. 96; BTDrucks. 18 11640 S. 90.

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§ 459l

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Vollstreckungstitels i. S. v. § 794 ZPO, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt, zu realisieren. Einem vollstreckbaren Endurteil i. S. v. § 704 ZPO stehen bestandskräftige öffentlich-rechtliche Vollstreckungstitel über Geldforderung gleich. Absatz 5 Satz 2 geht auf eine Beschlussempfehlung des BTRAussch. zurück.12 Im Übrigen gelten die Erläuterungen zu § 459j, 22 ff. entsprechend. 20 V. Beiordnung eines Beistandes 21

Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 459j, 26 verwiesen. VI. Anfechtung

22

Hinsichtlich der Anfechtungsmöglichkeiten siehe die Kommentierung zu § 459j, 27.

§ 459l Ansprüche des Betroffenen (1) 1Legt derjenige, gegen den sich die Anordnung der Einziehung richtet, ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung vor, aus dem sich ergibt, dass der Anspruch auf Rückgewähr des Erlangten aus der Tat erwachsen ist, kann er verlangen, dass der eingezogene Gegenstand nach Maßgabe des § 459h Absatz 1 an den Anspruchsinhaber zurückübertragen oder herausgegeben wird. 2§ 459j Absatz 2 gilt entsprechend. (2) 1Befriedigt derjenige, gegen den sich die Anordnung der Einziehung des Wertersatzes richtet, den Anspruch, der dem Anspruchsinhaber aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, kann er im Umfang der Befriedigung Ausgleich aus dem Verwertungserlös verlangen, soweit unter den Voraussetzungen des § 459k Absatz 2 Satz 1 der Verwertungserlös an den Anspruchsinhaber nach § 459h Absatz 2 auszukehren gewesen wäre. 2§ 459k Absatz 2 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. 3Die Befriedigung des Anspruchs muss in allen Fällen durch eine Quittung des Anspruchsinhabers glaubhaft gemacht werden. 4Der Anspruchsinhaber ist vor der Entscheidung über den Ausgleichsanspruch zu hören, wenn dies ausführbar erscheint. Schrifttum Siehe § 459g.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20171 eingefügt. Durch Art. 1 Nr. 62 Buchst. a des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vor-

12 BTDrucks. 18 11640 S. 49, 90. 1 BGBl. I S. 872, 887.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-034

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459l

schriften vom 25.6.20212 wurde Absatz 1 Satz 1 neu gefasst. In Absatz 2 Sätze 1, 3 und 4 (Art. 1 Nr. 62 Buchst. b) wurden die Begriffe des „Verletzten“ und „Rechtsnachfolgers“ durch „Anspruchsinhaber“ ersetzt.

I. II.

III.

Übersicht Zweck und Bedeutung 1 Anspruch des Einziehungsadressaten auf Rückübertragung (Absatz 1) 1. Voraussetzungen 2 2. Verfahren 3 Ausgleichsanspruch des Einziehungsadressaten (Absatz 2) 1. Allgemeines 4 2. Anspruchsinhaber 5

3.

IV.

V.

Erfüllung von Ansprüchen des Einziehungsadressaten 6 Verfahren 1. Anhörung 8 2. Erfordernis einer Quittung (Absatz 2 Satz 3) 9 3. Entsprechende Anwendung von § 459k Abs. 2 Satz 2 bis 4 10 Anfechtung 11

Alphabetische Übersicht Anfechtung 11 Anhörung 3 Anspruchsinhaber 5 Anspruchsumfang 7 Ausgleichsanspruch 1, 4 ff. Einwendungen 11

Glaubhaftmachung 9 f. Handlungsanspruch 1 Quittung 9 f. Rückübertragung 2 f. – Verfahren 3 – Voraussetzungen 2

I. Zweck und Bedeutung Die Vorschrift regelt die Handlungs- und Ausgleichsansprüche des Einziehungs- 1 adressaten gegen den Staat, sofern der Anspruchsinhaber die Befriedigung seiner Schadensersatzansprüche nicht im Strafvollstreckungsverfahren sucht, sondern unmittelbar bei seinem Schuldner, dem Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten, durchsetzt.3

II. Anspruch des Einziehungsadressaten auf Rückübertragung (Absatz 1) 1. Voraussetzungen. Nach Absatz 1 Satz 1 kann der Einziehungsadressat (Tatbetei- 2 ligter oder Drittbegünstigter) von der Vollstreckungsbehörde verlangen, den nach § 73 StGB, ggf. i. V. m. § 73b oder § 76a Abs. 1, 3 StGB eingezogenen Gegenstand im Original an den Anspruchsinhaber gegen Vorlage eines Titels (§§ 704, 794 ZPO) zurück zu übertragen oder herauszugeben. 2. Verfahren. Das Verfahren bei Rückübertragung oder Herausgabe richtet sich 3 nach Absatz 1 Satz 2, wonach § 459j Abs. 2 entsprechend gilt. Das bedeutet, dass die Vollstreckungsbehörde nur dann zur Rückübertragung oder Herausgabe berechtigt ist, wenn sich der Anspruchsinhaber und sein Anspruch ohne weiteres (Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 459j Abs. 2 Satz 1) aus der Einziehungsanordnung ergeben. Ist das nicht der Fall, so bedarf es der Zulassung durch das Gericht (Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 459j Abs. 2 2 BGBl. I S. 2099, 2106. 3 BTDrucks. 18 9525 S. 96; BTDrucks. 18 11640 S. 91; KK/Appl 1; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2119; MüKo/Nestler 1; OK-StPO/Coen Vor § 459l.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Satz 2).4 Da nach Absatz 1 Satz 2 lediglich § 459j Abs. 2 entsprechend gilt, ist die Sechsmonatsfrist nach § 459j Abs. 1 ebenso wenig von Belang wie die Anhörungspflicht nach § 459j Abs. 3 und die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 459j Abs. 4.5 Eine Anhörung des Einziehungsadressaten ist schon deshalb überflüssig, weil er selbst der Anspruchsteller ist. Von der Normierung sonstiger Anhörungspflichten hat der Gesetzgeber abgesehen.6

III. Ausgleichsanspruch des Einziehungsadressaten (Absatz 2) 4

1. Allgemeines. Absatz 2 betrifft einen Ausgleichsanspruch des Einziehungsadressaten für den Fall, dass er einen Schadensersatzanspruch des Anspruchsinhabers befriedigt und regelt die Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB (ggf. i. V. m. § 73b StGB oder § 76a Abs. 1, 3 StGB).

5

2. Anspruchsinhaber. Absatz 2 ist in Fällen der Wertersatzeinziehung dann anwendbar, soweit die Vollstreckung nicht bereits nach dem vorrangigen § 459g Abs. 4 ausscheidet.7 Nach § 459g Abs. 4 ordnet das Gericht den Ausschluss der Vollstreckung der Einziehung nach den §§ 73 bis 73c StGB an, soweit der Anspruch, der dem Anspruchsinhaber aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen ist, erloschen ist (vgl. Erl. zu § 459g). Der im Verhältnis zu § 459g Abs. 4 subsidiäre Absatz 2 findet daher nur dann Anwendung, wenn eine Vollstreckung bereits erfolgt ist8 und der Einziehungsadressat eine zur Anspruchserfüllung geeignete Leistung erbracht hat. Soweit er den Anspruch des Anspruchsinhabers nur teilweise erfüllt, geht er auch nur anteilig vom diesem auf den Einziehungsadressaten über.9 Anspruchsberechtigt sind sämtliche Adressaten einer Anordnung über die Einziehung von Wertersatz.

3. Erfüllung von Ansprüchen des Einziehungsadressaten. Der Einziehungsadressat kann wie ursprünglich der Anspruchsinhaber10 von der Vollstreckungsbehörde einen Ausgleich aus dem von ihr bei der Verwertung erzielten Erlös verlangen, soweit er den Ersatzanspruch des Anspruchsinhabers aus eigenen Mitteln befriedigt hat. Der Einziehungsadressat rückt hinsichtlich des Anspruchs des Anspruchsinhabers nach § 459h Abs. 2 in dessen Stellung ein.11 Sein Anspruch ist aufschiebend bedingt.12 Der Einziehungsadressat wird dadurch vor einer doppelten Inanspruchnahme geschützt. Zugleich wird die Haftung des Staates auf den vorhandenen Verwertungserlös beschränkt.13 Der Umfang des Anspruchs des Einziehungsadressaten ist auf die Höhe des An7 spruchs auf Ausgleich aus dem Verwertungserlös, zu der der Staat durch die Vollstreckungsbehörde zur Auskehrung an den Anspruchsinhaber nach § 459h Abs. 2 verpflichtet

6

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

BTDrucks. 18 11640 S. 91. So auch Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2123. OK-StPO/Coen 4; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2123. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2124; OK-StPO/Coen 16. OK-StPO/Coen 11. OK-StPO/Coen 11; MüKo/Nestler 6. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2124; MüKo/Nestler 6. OK-StPO/Coen 11. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2124; OK-StPO/Coen 11. Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2124; BTDrucks. 18 9525 S. 97; MüKo/Nestler 8.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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gewesen wäre, von vornherein beschränkt (Absatz 2 Satz 1: „soweit … der Verwertungserlös an den Anspruchsinhaber nach § 459h Absatz 2 auszukehren gewesen wäre“).14

IV. Verfahren 1. Anhörung. Nach Absatz 2 Satz 4 ist der Anspruchsinhaber vor der Entscheidung 8 über den Ausgleichsanspruch zu hören, wenn dies ausführbar erscheint (vgl. insoweit Erl. zu § 459j Abs. 3 Satz 2, § 459k Abs. 3 Satz 2 hinsichtlich der Anhörung des Einziehungsadressaten). Das Risiko des Missbrauchs15 dürfte mit Blick auf das Quittungserfordernis nach Absatz 2 Satz 3 gering sein.16 2. Erfordernis einer Quittung (Absatz 2 Satz 3). Nach Absatz 2 Satz 3 muss die 9 Befriedigung des Anspruchs in allen Fällen durch eine Quittung des Anspruchsinhabers glaubhaft gemacht werden. Die Glaubhaftmachung ist danach zwingend vorgeschrieben („muss“) und alleiniges Mittel zur Glaubhaftmachung. Andere Mittel zur Glaubhaftmachung (z. B. sonstige Urkunden, öffentliche Urkunde, eidesstattliche Versicherung) hat der Gesetzgeber wegen der damit unter Umständen verbundenen Missbrauchsgefahr bewusst und gewollt ausdrücklich ausgeschlossen.17 Der Anspruchsinhaber hat die Quittung auf Verlangen (§ 368 BGB) zu erteilen.18 Durch die Bezugnahme auf § 368 BGB hat der Gesetzgeber klargestellt,19 dass es sich bei der Quittung um ein schriftliches Empfangsbekenntnis handelt, das den Anforderungen von § 368 BGB genügen muss. 3. Entsprechende Anwendung von § 459k Abs. 2 Satz 2 bis 4. Für das Verfahren 10 gilt § 459k Abs. 2 Satz 2 bis 4 entsprechend. Durch den Verweis auf § 459k Abs. 2 Satz 2 bis 4 ist klargestellt, dass die Vollstreckungsbehörde eine Entscheidung ohne Zulassung durch das Gericht nur dann treffen darf, wenn sich der Anspruchsinhaber und dessen Anspruch ohne weiteres aus der strafgerichtlichen Entscheidung und den ihr zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen ergeben (vgl. Erl. zu § 459k, 9 f.). Ist das nicht der Fall, so bedarf es für die Entscheidung nach Absatz 2 stets der Zulassung durch das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1).

V. Anfechtung Gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde können Einwendungen nach 11 § 459o erhoben werden, über die das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1) ohne mündliche Verhandlung in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG) durch Beschluss entscheidet (§ 462 Abs. 1 Satz 1). Gegen diese Entscheidung ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 462 Abs. 3 Satz 1). 14 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2125; BTDrucks. 18 9525 S. 97; MüKo/Nestler 8; KK/ Appl 3. 15 So wohl Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2127. 16 So auch KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 3; a. A. OK-StPO/Coen 13; SSW/Ranft 3; kritisch auch Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2137. 17 BTDrucks. 18 9525 S. 97. 18 BTDrucks. 18 9525 S. 97. 19 BTDrucks. 18 9525 S. 97.

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§ 459m

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§ 459m Entschädigung in sonstigen Fällen (1) 1In den Fällen des § 111i Absatz 3 wird der Überschuss an den Anspruchsinhaber ausgekehrt, der ein vollstreckbares Endurteil im Sinne des § 704 der Zivilprozessordnung oder einen anderen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 der Zivilprozessordnung vorlegt, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt. 2 § 459k Absatz 2 und 5 Satz 2 gilt entsprechend. 3Die Auskehrung ist ausgeschlossen, wenn zwei Jahre seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens verstrichen sind. 4In den Fällen des § 111i Absatz 2 gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend, wenn ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt wird. (2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt entsprechend, wenn nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder nach Abschluss der Auskehrung des Verwertungserlöses bei der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung nach den §§ 73c und 76a Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches, ein Gegenstand gepfändet wird. Schrifttum Siehe § 459g.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017.1 Durch Art. 1 Nr. 63 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.20212 wurden in Absatz 1 Satz 1 die Wörter „den Verletzten oder dessen Rechtsnachfolger“ durch die Wörter „den Anspruchsinhaber“ ersetzt.

I. II.

Übersicht Zweck und Bedeutung 1 Auskehrung des Überschusses nach Schlussverteilung im Insolvenzverfahren (Absatz 1) 1. Allgemeines 2 2. Voraussetzungen 3 3. Verfahren 5 4. Ausschlussfrist (Absatz 1 Satz 3) 7 5. Mangelfall ohne Insolvenzverfahren (Absatz 1 Satz 4) 8

III.

IV.

Pfändungen (Absatz 2) 10 1. Allgemeines 2. Pfändung nach Auskehrung 11 3. Pfändung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens 12 Unterrichtung von Anspruchsinhabern 13

Alphabetische Übersicht Anspruchsberechtigung 5 Anspruchshöhe 5 Auskehrung 2 ff., 11 Auskehrungsverfahren 1, 5, 11 Ausschlussfrist 7 f., 10

Bekanntmachung 7 Einziehungsanordnung 5 Endurteil 4 Insolvenzantrag 1

1 BGBl. I S. 872, 886 f. 2 BGBl. I. S. 2099, 2106.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-035

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

Insolvenzverfahren 1 – Abschluss 12 – Aufhebung 7, 10 Insolvenzverwalter 3 Mangelfall 1, 8 Nachtragsverteilung 12

§ 459m

Pfandrecht 3 Pfändung 10 ff. Prioritätsprinzip 9 f. Unterrichtung 13 Vollstreckungstitel 4, 6

I. Zweck und Bedeutung Die Vorschrift regelt die Entschädigung des Anspruchsinhabers nach Durchführung ei- 1 nes Auskehrungs- oder Insolvenzverfahrens. Zudem enthält sie Regelungen für Mangelfälle des § 111i Abs. 2, in denen das an sich für diese Fälle vorgesehene Insolvenzverfahren nicht durchgeführt wird. Von der Regelung werden solche Fallkonstellationen erfasst, in denen ein Insolvenzantrag der Vollstreckungsbehörde nicht zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt oder in denen sie gar nicht erst einen Antrag stellt.3

II. Auskehrung des Überschusses nach Schlussverteilung im Insolvenzverfahren (Absatz 1) 1. Allgemeines. Absatz 1 Satz 1 regelt den in der Vollstreckungspraxis wohl eher 2 seltenen Fall, dass nach der Schlussverteilung im Insolvenzverfahren ein Überschuss verbleibt. Das ist nur dann der Fall, wenn die Insolvenzmasse ausreicht, um die Forderungen sämtlicher am Insolvenzverfahren beteiligter Gläubiger zu befriedigen (§ 199 InsO). Eine Auskehrung des Überschusses kommt mithin nur an den Anspruchsinhaber in Betracht, der seinen Anspruch nicht in dem für ihn einfachen und kostengünstigen Insolvenzverfahren geltend gemacht hat.4 2. Voraussetzungen. Nach § 111i Abs. 3 Satz 1 erwirbt der Staat ein gesetzliches 3 Pfandrecht an dem Anspruch des Insolvenzschuldners auf Herausgabe des Überschusses.5 In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft nach § 111i Abs. 3 Satz 2 herauszugeben. Die Insolvenzmasse muss also ausreichen, um die Forderungen sämtlicher an dem Insolvenzverfahren beteiligter Gläubiger sowie die Verfahrenskosten zu decken. Voraussetzung für die Auskehrung an den Anspruchsinhaber ist die Vorlage eines 4 vollstreckbaren Endurteils i. S. v. § 704 ZPO oder eines anderen Vollstreckungstitels i. S. v. § 794 ZPO, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt. Daraus muss die Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten hervorgehen. Die Vorlage hat bei der Vollstreckungsbehörde zu erfolgen. Verlangen mehrere Anspruchsinhaber die Auskehrung des Überschusses, so gilt das Prioritätsprinzip.6 Damit soll ein unverhältnismäßig aufwändiges Verteilungsverfahren für die Vollstreckungsbehörde verhindert werden.7 Hat der Anspruchsinhaber schon zuvor bei der Vollstreckungsbehörde einen Vollstreckungsti3 4 5 6

BTDrucks. 18 9525 S. 97. BTDrucks. 18 9525 S. 97. BTDrucks. 18 9525 S. 81; LR/Johann § 111i, 40. BTDrucks. 18 9525 S. 97; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 1; KK/Appl 2; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2147. 7 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 1.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

tel – aus welchem Grund auch immer (z. B. im Rahmen des vereinfachten Entschädigungsverfahrens nach § 459k, nach Zugang der Mitteilung nach § 111l oder aus Eigeninitiative) – vorgelegt, so ist dieser frühere Eingangstermin unter dem Gesichtspunkt der Priorität maßgebend, wenn sich daraus zweifelsfrei das Entschädigungsbegehren ergibt.8 Der Vorlage kommt dann eine rangwahrende Wirkung zu. 3. Verfahren. Nach Absatz 1 Satz 2 gilt § 459k Abs. 2 und 5 Satz 2 entsprechend. Es reicht danach nicht aus, dass sich die Anspruchsberechtigung des Anspruchsinhabers sowie die Anspruchshöhe aus dem vorgelegten Titel ergeben. Vielmehr muss sich beides ohne weiteres aus der Einziehungsanordnung und den ihr insoweit zugrundeliegenden tatgerichtlichen Feststellungen (vgl. Erl. zu § 459k, 9 f.) ergeben. Ist das nicht der Fall, so muss die Vollstreckungsbehörde vor der Auskehrung die Zulassung durch das Gericht herbeiführen. 6 Durch den Verweis in Absatz 1 Satz 2 auf § 459k Abs. 5 Satz 2 wird ein bestandskräftiger öffentlich-rechtlicher Vollstreckungstitel über Geldforderungen (z. B. Beitragsbescheid einer Einzugsstelle, Steuerbescheid des Finanzamtes) einem vollstreckbaren Endurteil i. S. v. § 704 ZPO oder einem anderen Vollstreckungstitel i. S. v. § 794 ZPO gleichgestellt. 5

7

4. Ausschlussfrist (Absatz 1 Satz 3). Die Auskehrung des Überschusses ist nach Absatz 1 Satz 3 ausgeschlossen, wenn zwei Jahre seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens verstrichen sind. Zu dem Beginn des Fristenlaufs verhalten sich die Gesetzesmaterialien ebenso wenig wie der Wortlaut der Norm.9 Die Ausschlussfrist beginnt mit der öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses des Insolvenzgerichts nach § 200 Abs. 1 InsO, die nach § 9 InsO in der Regel durch Veröffentlichung im Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de erfolgt. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO gilt die Bekanntmachung als bewirkt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei Tage verstrichen sind. Mit deren Ablauf beginnt die Ausschlussfrist zu laufen. Da die Auskehrung bis zum Ablauf der Ausschlussfrist abgeschlossen sein muss, ist es geboten, dass ein innerhalb der Frist gestellter Antrag auf Auskehrung dem Rechtsgedanken des § 121 Abs. 3 Satz 1 folgend den Fristenlauf hemmt.10 Andernfalls hätte es die Vollstreckungsbehörde in der Hand, durch eine Verzögerung der Bearbeitung, insbesondere bei einem kurz vor Fristablauf gestellten Auskehrungsantrag, die Auskehrung zu vereiteln, was unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes nicht nachvollziehbar erscheint. Der Hemmung des Fristenlaufs kommt vor allem im Hinblick auf die nicht statthafte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Ausschlussfrist besondere Bedeutung zur Wahrung der Rechte des Anspruchsinhabers zu.

8

5. Mangelfall ohne Insolvenzverfahren (Absatz 1 Satz 4). Absatz 1 Sätze 1 bis 3 gelten in den Fällen des § 111i Abs. 2 entsprechend, wenn ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt wird. Grundsätzlich stellt die Staatsanwaltschaft nach § 111i Abs. 2 durch den zuständigen Rechtspfleger nach Ablauf der Anmeldefrist von sechs Monaten (§ 459k 8 So auch Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2148. 9 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger 2150 f., wonach zur Wahrung der Frist der Eingang der Anmeldung innerhalb von zwei Jahren nach der Bekanntmachung nach § 200 Abs. 1 InsO genügen soll; so auch OK-StPO/Coen 5; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 4; KK/Appl 4 (Ausschlussfrist beginnt mit der aktenkundig zu machenden Entscheidung der Staatsanwaltschaft, von einer Antragstellung abzusehen bzw. mit der Ablehnung der Eröffnung durch das Insolvenzgericht). 10 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 4.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459m

Abs. 1) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners, wenn es mehrere Anspruchsinhaber gibt und der Wert des gesicherten Gegenstandes oder der durch dessen Verwertung erzielte Erlös nicht ausreicht, um die aus der Tat erwachsenen Ansprüche auf Ersatz des Wertes des Erlangten, die gegenüber der Staatsanwaltschaft geltend gemacht werden, zu befriedigen.11 Stellt weder die Staatsanwaltschaft (§ 111i Abs. 2 Satz 2) noch ein sonstiger Berechtigter (z. B. Insolvenzgläubiger oder Schuldner) einen Insolvenzantrag oder führt ein solcher Antrag nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wird daher kein Insolvenzverfahren durchgeführt, so gilt infolge der entsprechenden Geltung von Absatz 1 Sätze 1 bis 3 die Ausschlussfrist von zwei Jahren auch dann, wenn kein Insolvenzverfahren geführt wurde. Dazu, wann diese Frist zu laufen beginnt, verhält sich die gesetzliche Regelung ebenso wenig wie die Gesetzesmaterialien. Da ein Insolvenzverfahren nicht durchgeführt wurde, existiert auch kein Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens, der geeignet wäre, den Fristenlauf in Gang zu setzen. Daher wird der Rechtspfleger der Vollstreckungsbehörde den Zeitpunkt des Absehens von der Insolvenzantragstellung nach § 111i Abs. 2 Satz 2 in den Akten zu dokumentieren haben, mit dem die Ausschlussfrist des Absatzes 1 Satz 3 in Lauf gesetzt wird.12 Die entsprechende Geltung des Absatzes 1 Sätze 1 bis 3 führt dazu, dass auch im 9 Mangelfall ohne Insolvenzverfahren das Prioritätsprinzip anzuwenden ist. Soweit ein Anspruchsinhaber den Entschädigungsanspruch aus § 459h Abs. 2 schon vorher durch Vorlage eines Vollstreckungstitels (Absatz 1 Satz 4 i. V. m. Absatz 1 Satz 2 i. V. m. § 459k Abs. 5) angemeldet hatte, hat dies daher nach dem Prioritätsprinzip eine rangwahrende Wirkung für die Entschädigung zur Folge.13

III. Pfändungen (Absatz 2) 1. Allgemeines. Nach Absatz 2 ist das Prioritätsprinzip anwendbar, wenn nach 10 Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder nach Abschluss der Auskehrung des Verwertungserlöses bei der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung nach den §§ 73c und 76a Abs. 1 Satz 1 StGB, auch i. V. m. § 76a Abs. 3 StGB, noch ein Gegenstand gepfändet wird.14 Da Absatz 2 lediglich auf Absatz 1 Sätze 1 und 2 verweist, nicht jedoch auf Absatz 1 Satz 3, findet die Ausschlussfrist keine Anwendung.15 Anspruchsinhaber können daher bis zum Eintritt der Vollstreckungsverjährung (§ 79 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StGB), also zehn Jahre, ab dem Tag der Rechtskraft der Einziehungsanordnung (§ 79 Abs. 6 StGB), einen Entschädigungsanspruch bei nachträglichen Pfändungen geltend machen. 2. Pfändung nach Auskehrung. Nach Abschluss der Auskehrung des Verwertungs- 11 erlöses bei der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung nach den §§ 73c und 76a Abs. 1 Satz 1, § 76a Abs. 3 StGB kommt eine Entschädigung nur noch für solche Anspruchsinha11 LR/Johann § 111i, 23 ff. 12 So auch Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 6; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2154 und 2163; Savini RPfleger 2019 117, 122; sehr kritisch OK-StPO/Coen 7 ff. („Die Vorschrift dürfte daher wohl als ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu betrachten sein …“). 13 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 7; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2163; kritisch OKStPO/Coen 8. 14 BTDrucks. 18 9525 S. 98; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2155; Meyer-Goßner/Schmitt/ Köhler 8; OK-StPO/Coen 10. 15 KK/Appl 6; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2155; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 9.

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§ 459n

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

ber in Betracht, die nicht am vereinfachten Auskehrungsverfahren nach § 459k teilgenommen haben. Haben sie ihren Anspruch rechtzeitig angemeldet und sind insoweit befriedigt worden, können sie nicht mehr, auch nicht mit weitergehenden, noch nicht befriedigten Ansprüchen, an dem durch Pfändung erzielten Erlös teilhaben. 12

3. Pfändung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens findet Absatz 2 nur dann Anwendung, wenn das Insolvenzgericht keine Nachtragsverteilung (§ 203 InsO) angeordnet hat. § 203 InsO ist gegenüber § 459m Abs. 2 lex specialis. Der Rechtspfleger hat daher nachträglich gepfändetes Vermögen dem Insolvenzgericht (schriftlich) mitzuteilen, sofern ein noch offener Entschädigungsantrag nach § 459k Abs. 1 vorliegt oder ein Anspruchsinhaber einen Vollstreckungstitel i. S. v. Absatz 1 Satz 1 vorgelegt hat.

IV. Unterrichtung von Anspruchsinhabern 13

Die Unterrichtung von Anspruchsinhabern ist gesetzlich nicht geregelt, sofern die Vollstreckungsbehörde Gegenstände nach Absatz 2 gepfändet hat. Mit Blick auf die insoweit nicht geltende Ausschlussfrist des Absatzes 1 Satz 2 ist eine Unterrichtung auch nicht geboten.16

§ 459n Zahlungen auf Wertersatzeinziehung Leistet derjenige, gegen den sich die Anordnung richtet, Zahlungen auf die Anordnung der Einziehung des Wertersatzes nach §§ 73c und 76a Absatz 1 Satz 1 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 76a Absatz 3 des Strafgesetzbuches, so gelten § 459h Absatz 2 sowie die §§ 459k und 459m entsprechend. Schrifttum Siehe § 459g.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.20171 eingefügt. 1

Die Vorschrift betrifft freiwillige Zahlungen auf die Anordnung der Wertersatzeinziehung. Derartige Zahlungen des Einziehungsadressaten an die Staatskasse werden entsprechend dem Erlös aus der Verwertung gepfändeter Gegenstände behandelt.2 Die gezahlten Beträge stehen dem Erlös aus der Verwertung (§ 459h Abs. 2, §§ 459k, 459m) mithin gleich und werden in die zur Verfügung stehenden Verteilungsmasse ein-

16 Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2161 ff. 1 BGBl. I S. 872, 887 f. 2 BTDrucks. 18 9525 S. 98.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-036

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459o

bezogen. Die weitere Behandlung der gezahlten Beträge richtet sich nach den insoweit geltenden Vorschriften.3 Nach § 459g Abs. 2 finden für die Vollstreckung der Nebenfolgen, die – wie hier – zu 2 einer Geldzahlung verpflichten, die §§ 459, 459a sowie § 459c Abs. 1 und 2 entsprechende Anwendung. Mithin gelten nach § 459g Abs. 2 i. V. m. § 459 die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes, soweit nichts anderes bestimmt ist, was nicht geschehen ist. Damit sind die Vorschriften der EBAO sowie § 57 StVollstrO anzuwenden. Dem Schuldner wird nach § 5 EBAO die Gelegenheit zur freiwilligen Zahlung eingeräumt, wobei Zahlungserleichterungen gewährt werden, wenn ihm die sofortige Zahlung des gesamten Betrages nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist.4 Um der Vollstreckungsbehörde die Prüfung zu ermöglichen, ob im konkreten Einzelfall die Gewährung von Zahlungserleichterungen in Betracht kommt, ist grundsätzlich der Schuldner gehalten, entsprechend vorzutragen und seine Angaben zu belegen. Die Vollstreckungsbehörde kann aber auch nach § 457 Abs. 1 i. V. m. § 161 Abs. 1 eigene Ermittlungen anstellen oder durch Behörden oder Beamte des Polizeidienstes vornehmen lassen. Dies wird namentlich dann zu erwägen sein, wenn die Vollstreckungsbehörde Zweifel an den Angaben des Schuldners hat. Gegen die Ablehnung von Zahlungserleichterungen durch die Vollstreckungsbe- 3 hörde können Einwendungen erhoben werden. Darüber entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 462 Abs. 1) in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 1 GVG), sofern der Beschwerdeführer nicht in Strafhaft sitzt. Gegen den Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 462 Abs. 3 Satz 1).

§ 459o Einwendungen gegen vollstreckungsrechtliche Entscheidungen Über Einwendungen gegen die Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde nach den §§ 459a, 459c, 459e sowie 459g bis 459m entscheidet das Gericht. Schrifttum Kölsch Die veränderte Stellung des Richters und Rechtspflegers in der Strafvollstreckung, NJW 1976 408.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 130 EGStGB 1974 als § 459h eingefügt. Durch Art. 3 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.7.20171 wurde § 459h durch § 459o ersetzt.

I.

Übersicht Anwendungsbereich 1. Einwendungen gegen die Vollstreckung als solche 1

2.

Einwendungen gegen die Art und Wei2 se der Vollstreckung

3 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 1; OK-StPO/Coen 1; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2170. 4 Meyer-Goßner/Schmitt § 459, 2. 1 BGBl. I S. 872, 888.

373 https://doi.org/10.1515/9783110275025-037

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§ 459o

II.

III.

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde 1. Bedeutung der Vorschrift 3 2. Begriff der Einwendung 4 3. Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde 5 4. Einzelfälle a) Zahlungserleichterungen (§ 459a) 6 b) Verrechnung von Teilbeträgen (§ 459b) 7 c) Beitreibung der Geldstrafe (§ 459c) 8 d) Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe (§ 459e) 9 e) Vollstreckung von Nebenfolgen (§§ 459g bis 459m) 10 5. Einwendungen gegen Anordnungen des Rechtspflegers 12 Einwendungen gegen die Vollstreckung in anderen Fällen

1.

IV. V.

Gegen die Verwirklichung des staatlichen Vollstreckungsanspruchs a) Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung als solche 13 b) Einwendungen gegen die Art und Weise der Vollstreckung 14 c) Einwendungen gegen die Vollstreckung in unpfändbares Vermögen 15 d) Einwendungen eines Dritten wegen behaupteten Eigentums an der gepfändeten Sache 16 2. Gegen die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche des Fiskus a) Aufrechnung durch die Vollstreckungsbehörde 17 b) Aufrechnung durch den Verurteilten 18 Gerichtliche Zuständigkeit 19 Anfechtung 20

Alphabetische Übersicht Anfechtung 20 Aufrechnung – durch den Verurteilten 18 – durch die Vollstreckungsbehörde 17 Beitreibung der Geldstrafe 8 Einwendung – Art und Weise der Vollstreckung 2, 14 – Begriff 4 – Rechtspfleger 12 – Vollstreckung als solche 1, 13

Einzelfälle 6 ff. Fiskus 17 Verhältnis zu § 458 3 Verrechnung von Teilbeträgen 7 Vollstreckung – Ersatzfreiheitsstrafe 9 – Nebenfolgen 10 Zahlungserleichterungen 6 Zuständigkeit 19

I. Anwendungsbereich 1

1. Einwendungen gegen die Vollstreckung als solche. Die Einwendungen, die der Verurteilte, der Einziehungs- oder sonstige Nebenbeteiligte oder der in anderer Weise von einer Vollstreckungsmaßnahme Betroffene – nicht auch die Vollstreckungsbehörde selbst (§ 458, 7) – gegen Vollstreckungsmaßnahmen erhebt, können verschiedener Art sein. Sie können sich einmal richten gegen die Vollstreckung als solche, insbesondere gegen den Bestand des Vollstreckungsanspruchs, so z. B. wenn der Verurteilte geltend macht, die Geldstrafe, deretwegen die Vollstreckung betrieben wird, sei durch Amnestie oder Einzelgnadenerweis erlassen, sie sei bereits gezahlt oder beigetrieben, es sei Vollstreckungsverjährung eingetreten; wenn der in Anspruch Genommene vorbringt, er sei nicht identisch mit der Person, gegen die sich das Urteil richtet; wenn er vorträgt, die Entscheidung sei nichtig, weil sie gegen eine nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegende Person ergangen sei.

2

2. Einwendungen gegen die Art und Weise der Vollstreckung. Einwendungen können sich weiterhin richten gegen die Art und Weise der Vollstreckung, so wenn der Verurteilte geltend macht, es seien bei der Pfändung in das bewegliche Vermögen die Graalmann-Scheerer

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 459o

Pfändungsbeschränkungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 811 ZPO) oder bei der Pfändung von Arbeitseinkommen die Schutzvorschriften und Pfändungsgrenzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, §§ 850 ff. ZPO) unberücksichtigt geblieben, oder wenn ein Dritter behauptet, ein bei der Vollstreckung in das Vermögen des Verurteilten gepfändeter Gegenstand stehe in seinem Eigentum (vgl. § 771 ZPO). § 459o befasst sich nur mit einem Ausschnitt möglicher Einwendungen, nämlich mit Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde nach den in § 459o im Einzelnen genannten Vorschriften.2

II. Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde 1. Bedeutung der Vorschrift. Die Bedeutung des § 459o besteht darin, dass er für 3 die Geldstrafenvollstreckung sowie die Vollstreckung von Nebenfolgen (§§ 459g bis 459m) die gerichtliche Zuständigkeit bei Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde zusammenfassend regelt.3 Für diesen Bereich ist § 459o lex specialis zu § 458 und begründet die gerichtliche Zuständigkeit bei Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde in den Fällen der §§ 459a, 459c, 459e sowie §§ 459g bis 459m mit der Folge, dass ein Abgabebeschluss nach § 462a Abs. 1 Satz 3 ausscheidet und keinerlei Bindungswirkung entfalten kann.4 Soweit § 459o anwendbar ist, entfällt also die Möglichkeit, das Gericht über die Rechtmäßigkeit der von der Vollstreckungsbehörde getroffenen Anordnungen nach Maßgabe der §§ 23 ff. EGGVG anzurufen (§ 23 Abs. 3 EGGVG).5 Die in § 459o nicht erwähnten, weil von vornherein dem Gericht obliegenden Entscheidungen nach §§ 459d, 459f kann der Verurteilte durch unmittelbar bei dem Gericht gestellte Anträge (Anregungen), aber auch dadurch herbeiführen, dass er Anträge bei der Vollstreckungsbehörde stellt, die sie6 an das Gericht weiterleitet. 2. Begriff der Einwendung. Der Begriff der Einwendung ist hier der gleiche wie in 4 § 458 (dort Rn. 6 ff.). Sie kann nur von dem durch die Vollstreckung Betroffenen und anderen ihm gleichstehenden Personen (§ 458, 25 ff.) erhoben werden, nicht von der Vollstreckungsbehörde selbst zur Klärung eigener Zweifel und Bedenken. Die Vollstreckungsbehörde kann aber den Betroffenen auf die Möglichkeit von Einwendungen hinweisen (§ 458, 7). 3. Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde. Die gerichtliche Entscheidung 5 kann – wie nach § 458 Abs. 2 Satz 1 – beantragt werden gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde nach den in § 459o genannten Vorschriften. Im engeren Sinn sind „Entscheidungen“ Anordnungen, die im Rahmen einer gewissen durch die genannten Vorschriften eröffneten Beurteilungs- und Entschließungsfreiheit getroffen werden, die also nicht nur im Vollzug solcher Vorschriften bestehen, die keinerlei Spielraum lassen. Nach dem Zweck und Sinn des § 459o sind aber Anordnungen dieser Art ebenfalls „Entscheidungen“, wenn sie objektiv oder nach Auffassung des Verurteilten dem Gesetz 2 Wegen weiterer Fälle von Einwendungen s. Rn. 12 ff. 3 Begr. zu Art. 19 Nr. 120 Entw. EGStGB 1974 – BTDrucks. 7 550 S. 311: zu § 459h a. F.; KG Beschl. vom 12.4.2016 – 3 VAs 5/16; OLG Hamburg Beschl. vom 15.6.2020 – 2 Ws 152/19; MüKo/Nestler 8; HK/Pollähne 2; SSW/Hanft 2; OK-StPO/Coen Vor § 459o, 1. 4 OLG Hamburg StV 2020 737 Ls.; KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1. 5 KK/Appl 1; KMR/Stöckel 1; Bringewat 1. 6 Gegebenenfalls schon mit ihrer Stellungnahme: KK/Appl § 459d, 8.

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nicht entsprechen.7 Der Begriff der „Entscheidungen“ ist daher weit zu fassen.8 Ausgenommen bleiben jedoch rein innerdienstliche Maßnahmen oder solche, die nur klarstellende Bedeutung haben.9 4. Einzelfälle 6

a) Zahlungserleichterungen (§ 459a). Entschließungen über Zahlungserleichterungen sind, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 459a ergibt, durchweg „Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde“, auch soweit sie sich auf die Kosten des Verfahrens oder allein auf diese beziehen (§ 459a Abs. 4). Die Beschwer, die die Geltendmachung der Einwendungen voraussetzt, kann in der Ablehnung von Zahlungserleichterungen oder darin bestehen, dass gewährte Erleichterungen hinter den Anträgen oder den Vorstellungen des Zahlungspflichtigen zurückbleiben. Der Aktenvermerk über den Eintritt der Voraussetzungen einer Verfallklausel (§ 459a Abs. 3 Satz 1) ist keine „Entscheidung“ (§ 459a, 14),10 wohl aber das Unterbleiben einer erneuten Zahlungserleichterung (§ 459a Abs. 3 Satz 2: „kann“).

7

b) Verrechnung von Teilbeträgen (§ 459b). § 459b ist in § 459o nicht angeführt, offenbar davon ausgehend, dass hier, wo das Gesetz selbst die Anrechnungsreihenfolge festlegt, kein Raum für „Entscheidungen“ der Vollstreckungsbehörde sei. Wenn aber eine vom Verurteilten selbst getroffene Anrechnungsbestimmung nach dessen Auffassung nicht richtig ausgeführt ist oder einer Willensäußerung des Verurteilten die rechtliche Bedeutung abgesprochen wird, weil sie nicht „bei“ der Zahlung erfolgt sei oder nicht die Merkmale einer „Bestimmung“ trägt und zur Klärung solcher Meinungsverschiedenheiten nicht schon der Weg des § 458 Abs. 1 zur Verfügung steht, wird auch bei rechtlichem Interesse des Verurteilten an einer alsbaldigen Bereinigung der Anrechnungsfrage keine sinngemäße Anwendung des § 459o in Betracht kommen,11 denn für eine entsprechende Anwendung ist mangels Regelungslücke kein Raum. Vielmehr ist der Rechtsweg nach § 21 StVollstrO, §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.

8

c) Beitreibung der Geldstrafe (§ 459c). Im Fall des § 459c können Einwendungen gegen die Beitreibung vor Ablauf der Schonfrist (Absatz 1) erhoben werden. Wird eine Geldstrafe entgegen § 459c Abs. 3 in den Nachlass vollstreckt, so ist eine darauf gestützte Einwendung des Erben sowohl eine Einwendung gegen eine „Entscheidung“ der Vollstreckungsbehörde (Rn. 5) als auch eine Einwendung gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung i. S. des § 458 Abs. 1 (§ 459c, 13). Da § 459o sich aber allgemein auf alle Fälle des § 459c bezieht, stellt er sich insoweit als lex specialis gegenüber § 458 Abs. 1 dar (Rn. 3). Nach § 459o wird auch entschieden, ob eine zu Lebzeiten des Verurteilten begonnene Vollstreckung im Zeitpunkt des Todes bereits beendet war oder zu Unrecht fortgesetzt worden ist.

7 KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 2; Bringewat 4; BGH NJW 2020 265 Rn. 24 mit Anm. Laustetter jurisPR-StrafR 16/2020; Köllner NZI 2020 815.

8 KG Beschl. vom 12.4.2016 – 3 VAs 5/16; OLG Karlsruhe Justiz 2011 50; OLG Zweibrücken Beschl. vom 2.2.2011 – 1 VAs 1/11. 9 Beispiel: Aktenvermerk nach § 459a Abs. 3 Satz 1 (§ 459a, 14). 10 Bringewat 5. 11 Sinngemäße Anwendung: LR/Wendisch25 7; a. A. KK/Appl § 459b, 5; KMR/Stöckel § 459b, 6; SK/Paeffgen § 459b, 5; Meyer-Goßner/Schmitt § 459b, 5; Bringewat 2: Antrag nach § 23 EGGVG.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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d) Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe (§ 459e). Im Fall des § 459e können 9 Einwendungen gegen die Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe (Absatz 1) oder der Frage der Entrichtung der Geldstrafe (Absatz 4) erhoben werden.12 e) Vollstreckung von Nebenfolgen (§§ 459g bis 459m). Einwendungen im Fall 10 der §§ 459g ff. kommen z. B. in Betracht, wenn die Wegnahme angeordnet wird gegen eine Person, die zwar Gewahrsam an der Sache besitzt, aber nicht im Urteil als Herausgabepflichtiger (Verurteilter, Einziehungsbeteiligter) bezeichnet ist, oder wenn der den Gewahrsam ausübende Einziehungsbeteiligte die Herausgabe unter Berufung auf ein bestehengebliebenes Recht an der Sache verweigert. Alle Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde nach den §§ 459g bis 459m können 11 Gegenstand einer Einwendung sein, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Ermessensentscheidung handelt.13 Einwendungsberechtigt sind der Verurteilte, andere unmittelbar betroffene Nebenbeteiligte oder Dritte. Die Staatsanwaltschaft ist weder als Strafverfolgungs- noch als Vollstreckungsbehörde einwendungsberechtigt.14 Sie ist erst im gerichtlichen Verfahren beteiligt.15 Allerdings darf sie den Betroffenen auf die Rechtsschutzmöglichkeiten hinweisen.16 Zur Vollstreckung von Nebenfolgen vgl. Erl. zu §§ 459g, 459h, 459i, 459j, 459k, 459l, 459m, 459n. 5. Einwendungen gegen Anordnungen des Rechtspflegers. Gegen Anordnungen 12 des Rechtspflegers sind Einwendungen statthaft, über die das Gericht entscheidet. Die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach § 462a Abs. 1 oder 2. Gegen dessen Entscheidung ist gemäß § 462 Abs. 3 sofortige Beschwerde statthaft.17 III. Einwendungen gegen die Vollstreckung in anderen Fällen 1. Gegen die Verwirklichung des staatlichen Vollstreckungsanspruchs a) Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung als solche. Bei Ein- 13 wendungen, die gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung überhaupt erhoben werden, ist, soweit nicht § 459o eingreift, § 458 anwendbar,18 z. B. wenn der Verurteilte einwendet, die Geldstrafe sei durch Amnestie erlassen.19 b) Einwendungen gegen die Art und Weise der Vollstreckung. Einwendungen, 14 die die vermögensrechtliche (fiskalische) Seite des zu vollstreckenden Anspruchs betreffen, dagegen sind gegen die Art und Weise der Ausführung der Vollstreckung gerichtet und daher gemäß § 459 nach den Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes zu behandeln, die ihrerseits in § 6 Abs. 1 Nr. 1 auf die sinngemäß anwendbaren Vorschriften der 12 KK/Appl § 459e, 13; KMR/Stöckel § 459e, 15 f.; SK/Paeffgen § 459e, 8 f.; Bringewat 15; Röttle/Wagner Rn. 283; a. A. Meyer-Goßner/Schmitt § 23, 16 EGGVG; OLG Dresden NStZ 1999 160; OLG Jena NJ 2008 376; Beschl. vom 28.11.2013 – 1 Ws 463/13; OLG Frankfurt NStZ-RR 2013 292; OLG Zweibrücken Beschl. vom 2.2.2011 – 1 VAs 1/11; KG Beschl. vom 12.4.2016 – 3 VAs 5/16. Vgl. Vorlagebeschluss OLG Karlsruhe NStZRR 2009 220 und Beschluss der BGH NStZ 2009 575 Ls.: Anwendbarkeit des § 459o. 13 OK-StPO/Coen 1; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2172. 14 OK-StPO/Coen 2; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 4; KK/Appl 4a. 15 KK/Appl 4a; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 4. 16 MüKo/Nestler 3. 17 Bringewat 10. 18 HK/Pollähne 2; Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2175. 19 Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 1.

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Zivilprozessordnung verweisen. Wird die Art und Weise der Durchführung der Zwangsvollstreckung gerügt, so findet § 766 ZPO Anwendung, da die Ausführung der einzelnen Zwangsvollstreckungsmaßnahme beanstandet wird.20 Sachlich zuständig ist dann das Vollstreckungsgericht (§ 20 Abs. 1 Nr. 17 RPflG); örtlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattgefunden hat.21 Die Einwendungen i. S. v. § 766 Abs. 1 ZPO wenden sich gegen das Vorgehen der jeweiligen Vollstreckungsbehörde und betreffen dessen Mangelhaftigkeit oder gar Unzulässigkeit wie z. B. fehlende Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung, Vollstreckungshindernisse wie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 89 InsO). Die fehlerhaft erfolgte Einstellung einer vom Revisionsgericht unter Aufrechterhaltung der Abschöpfungsentscheidung zurückverwiesenen Sache führt zu einem (vorübergehenden) Vollstreckungshindernis, solange dies besteht und die fehlerhafte Entscheidung nicht aufgehoben ist.22 Die Vorschriften des Justizbeitreibungsgesetzes gelten indessen nach § 459 nur, soweit die Strafprozessordnung („dieses Gesetz“) nach Wortlaut oder Sinn (unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs) nichts anderes bestimmt. So kann der Verurteilte nicht Vollstreckungsschutz nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG i. V. m. § 765a ZPO23 oder, wenn die Beitreibung im Weg der Immobiliarzwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung) erfolgen sollte – was nach § 8 Abs. 6 EBAO nur unter einschränkenden Voraussetzungen geschehen soll –, nicht Vollstreckungsschutz nach § 30a ZVG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 JBeitrG begehren.24 Denn welche Erleichterungsmaßnahmen in Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Verhältnisse getroffen werden können oder müssen, bestimmt sich nach den §§ 459a ff. Notfalls kann die Gnadenbehörde angerufen werden. 15

c) Einwendungen gegen die Vollstreckung in unpfändbares Vermögen. Handelt es sich dagegen darum, ob bei einer Vollstreckung in das bewegliche Vermögen unpfändbare Gegenstände (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 811 ZPO) gepfändet sind, so steht die Art und Weise der Ausführung der Vollstreckung – die vermögensrechtliche Seite des Anspruchs – in Frage, und über die Erinnerung entscheidet das Zivilvollstreckungsgericht nach § 766 ZPO.25 Wenn ein Dritter behauptet, dass der bei dem Verurteilten gepfändete Gegenstand ihm gehöre, so muss er einen solchen Streit durch Erhebung der Drittwiderspruchsklage gegen den vollstreckenden Fiskus geltend machen.26

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d) Einwendungen eines Dritten wegen behaupteten Eigentums an der gepfändeten Sache. Wer aber geltend macht, ein Gegenstand, der in der Annahme eingezogen wurde, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung dem Verurteilten gehörte, habe in Wahrheit ihm in dem maßgeblichen Zeitpunkt gehört, muss die Wiederherstellung seines Eigentums im Nachverfahren betreiben.27 2. Gegen die Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche des Fiskus

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a) Aufrechnung durch die Vollstreckungsbehörde. Hat der Verurteilte gegen den Justizfiskus eine Geldforderung, z. B. auf Rückgabe beschlagnahmten, aber nicht einge20 21 22 23 24 25 26 27

Bittmann/Köhler/Seeger/Tschakert/Seeger Rn. 2174. Baumbach/Lauterbach/Weber § 766, 38. OLG Stuttgart ZWH 2018 181. Bringewat 8. Unanwendbar ist auch § 813a ZPO: LG Essen JurBüro 1975 638. KK/Appl 3. OLG Celle NdsRpfl. 1955 89. RGZ 108 261. KK/Appl 4; Bringewat 7.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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zogenen Geldes, auf Entschädigung für unschuldig erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen oder (bei Teilfreispruch) auf Erstattung von Auslagen eines Strafverfahrens, so kann die Vollstreckungsbehörde nach §§ 387 ff. BGB dagegen mit dem Anspruch auf die Geldstrafe aufrechnen.28 Jedoch wird die einseitige, gegen den Willen des Verurteilten erfolgende Aufrechnung gegen einen diesem zustehenden Anspruch auf Rückzahlung einer frei gewordenen Sicherheit zu verneinen sein.29 Bei Aufrechnung gegen den Auslagenerstattungsanspruch ist § 43 RVG zu beachten. Danach ist, wenn der Beschuldigte den Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen (§ 464b) an den Rechtsanwalt als Verteidiger abtritt, eine von der Staatskasse gegenüber dem Beschuldigten erklärte Aufrechnung insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des Rechtsanwalts vereiteln oder beeinträchtigen würde.30 Dies setzt aber voraus, dass im Zeitpunkt der Aufrechnung eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten über die Abtretung in den Akten vorliegt (§ 43 Satz 2 RVG). b) Aufrechnung durch den Verurteilten. Dagegen kann der Verurteilte keine Auf- 18 rechnung (ohne Einverständnis der Vollstreckungsbehörde) erklären, weil dies dem Zweck und Wesen der Geldstrafe widerspricht.31 Ebenso kommt eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) des Verurteilten unter Berufung auf eine von ihm einseitig erklärte Aufrechnung nicht in Betracht.32 Werden von dem Verurteilten oder einem Dritten (z. B. dem Zessionär der Forderung, gegen die die Staatskasse einseitig aufrechnete) Einwendungen erhoben, so handelt es sich jedenfalls nicht um solche nach § 458 oder § 459o, da die Aufrechnung keine Form der Beitreibung der Geldstrafe, sondern die Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften auf die fiskalischen Forderungen darstellt.33 Wegen der Aufrechnung gegen Gerichtskosten vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 JBeitrG.

IV. Gerichtliche Zuständigkeit § 459o verdrängt die Regelung des § 458 als lex specialis und begründet damit die 19 gerichtliche Zuständigkeit bei Einwendungen gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde in den Fällen der §§ 459a, 459c, 459e sowie §§ 459g bis 459m. Ein Abgabebeschluss nach § 462a Abs. 1 Satz 3 scheidet aus und entfaltet keine Bindungswirkung.34 Zuständig zur Entscheidung über Einwendungen gegen die Anordnung der Vollstreckungsbehörde ist grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszugs (§ 462a Abs. 2).35 Hat aber der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe bereits begonnen, so ist die Strafvollstre28 OLG Braunschweig NJW 1951 246; LG Stuttgart MDR 1980 500; AG Hannover NJW 1975 178; Mümmler Rpfleger 1974 94; KK/Appl 4; Pohlmann/Jabel/Wolf § 48, 70; Röttle/Wagner Rn. 258. 29 LR/Lind § 123, 21; LG Hamburg MDR 1948 429; KK/Appl 4; Pohlmann/Jabel/Wolf § 48, 70; Röttle/ Wagner Rn. 258. 30 Mümmler JurBüro 1976 712; 1977 1914; 1980 88; Pohlmann/Jabel/Wolf § 48, 70; Hartmann Kostengesetze, § 43, 7 ff. RVG. 31 OLG Braunschweig NJW 1951 246; OLG Frankfurt MDR 1979 696; LG Münster NJW 1971 2002; Pohlmann/Jabel/Wolf § 48, 71; Röttle/Wagner Rn. 258. 32 OLG Nürnberg OLGSt § 463 StPO, 11. 33 LG Krefeld MDR 1974 951 mit Anm. H. Schmidt und Nachweisen über den Stand der Streitfrage, auf welchem Weg die Zulässigkeit einer Aufrechnung der Geldstrafenanordnung gegen Erstattungsansprüche an die Staatskasse nachgeprüft werden kann; vgl. auch AG Hannover NJW 1975 178. 34 OLG Hamburg StV 2020 737 Ls. 35 VG München Beschl. vom 31.8.2016 – M10 K 16.3392.

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ckungskammer zur Entscheidung berufen.36 Diese ist auch zuständig, wenn der in dieser oder einer anderen Sache Freiheitsstrafe verbüßende Verurteilte Einwendungen hinsichtlich der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe erhebt. Im Fall des § 459e Abs. 4 Satz 1 handelt es sich an sich um Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe i. S. des § 458 Abs. 1, die aber – wie im Fall des § 459c Abs. 3 – durch § 459o als lex specialis dem § 458 Abs. 1 entzogen sind.

V. Anfechtung 20

Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (§ 462 Abs. 1 Satz 1). Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Gegen den Beschluss ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 462 Abs. 3 Satz 1).

§ 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen. Schrifttum Arnoldi/Rutkowski Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung und der Tatrichter – ein ewiger Händel, NStZ 2011 493; Bender Art und Weise nachträglicher Gesamtstrafenbildung, NJW 1971 791; Bohnert Tatmehrheit, Verfahrensmehrheit und nachträgliche Gesamtstrafenbildung, GA 1994 97; Bringewat Die Bildung der Gesamtstrafe (1987) (Zitierweise: GSt mit Randnummer); ders. Straferledigung i. S. des § 55 StGB und angemessener Härteausgleich, NStZ 1987 385; ders. Sperrwirkung einer i. S. d. § 55 StGB „früher“ erkannten Gesamtstrafe? MDR 1987 793; ders. Nachträgliche Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe in der Berufungsinstanz und das prozessuale Verschlechterungsverbot – BGH NStZ 1988, 284 –, JuS 1989 527; ders. Zäsurwirkung des früher erkannten Urteils trotz Straferledigung? – BGHSt 33, 367, JuS 1988 25; ders. Das Nebeneinander von Jugend- und Freiheitsstrafe und angemessener Härteausgleich – BGHSt 36, 270, JuS 1991 24; ders. Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe und das Verbot der reformatio in peius, StV 1993 47; ders. Gerichtliches Nachtragsverfahren gem. §§ 460, 462 StPO und das prozessuale Verschlechterungsverbot, NStZ 2009 542; Deckenbroich/Dötsch Nachträgliche Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, NStZ 2003 346; Eisenberg/Haeseler Zum begrenzten Anwendungsbereich des § 354 Abs. 1a und 1b, StraFo 2005 221; Esser Nachträgliche Gesamtstrafenbildung und Härteausgleich bei Auslandsstrafen, StV 2010 266; Gollmer Nochmals: Zur „Quasi“-Gesamtstrafenbildung, NJW 1971 1247; Greib Die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe nach §§ 55 StGB, 460 StPO, JuS 1994 690; Henßler Unterlassene Gesamtstrafenbildung nach § 79 StGB als Revisionsgrund, NJW 1953 452; Horn Die Bedeutung nachträglich eingetretener Umstände für den Gesamtstrafenbeschluss nach § 460 StPO, NStZ 1991 117; Karl Zäsurwirkung bei Absehen von der Bildung eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe? MDR 1988 365; Klappstein/Kossmann Die Gesamtstrafenbildung, JuS 2010 785; Knetsch/Pohlmann Rechtskraftbescheinigung bei Gesamtstrafen- und Widerrufsbeschlüssen? Rpfleger 1957 75; Köhler Die Dauer der während einer Strafverbüßung eintretenden Gesamtstrafe, GerS 65 (1905) 33; Küper Zur Proble-

36 BGHSt 30 223; OLG Hamburg NJW 1976 257; OLG München GA 1984 187; OLG Celle Beschl. vom 18.9.2020 – 3 Ws 192/20; OLG Koblenz NStZ-RR 2010 190 Ls.; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler 4; Bringewat 11.

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matik der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§§ 79 a. F. StGB), MDR 1970 885; Küster Der Strafbeginn bei Vollstreckung von Gesamtstrafen, Rpfleger 1953 219; Kudlich Verschobener Reststrafenzeitpunkt und Härteausgleich bei Unmöglichkeit nachträglicher Gesamtstrafenbildung, FS Schöch (2010) 669; Kuhnt Gnadenerweis und Gesamtstrafenbildung, MDR 1955 194; Lemke Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Vermögensstrafe, StV 1990 87; Maatz Zur Zäsurwirkung einer früheren Verurteilung im Rahmen nachträglicher Gesamtstrafenbildung, NJW 1987 478; Maier/Paul Anwendungsbereiche des § 354 Ia und Ib StPO in der Rechtsprechung des BGH, NStZ 2006 82; Maiwald Nachträgliche Gesamtstrafenbildung und das Verbot der reformatio in peius, JR 1980 353; Manthey Das Absehen von nachträglicher Gesamtstrafenbildung (§ 460 StPO) beim Zusammentreffen von Freiheitsstrafe und Geldstrafe gem. § 53 Abs. 2 S. 2 StGB, FS Strauda (2006) 217; Metz Gesamtstrafenbildung bei Einzelgeldstrafen unterschiedlicher Tagessatzhöhe, StraFo 2010 403; Mümmler Gesamtgeldstrafe und Teilleistungen auf Einzelgeldstrafen mit unterschiedlichen Tagessätzen, JurBüro 1981 325; Nestler Die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe, JA 2011 248; Oppe Einige Fragen der Strafvollstreckungsverjährung, NJW 1959 1358; Oske Die Möglichkeit der Schlechterstellung des Verurteilten bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 460 StPO), soweit die Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßregeln der Sicherung und Besserung in Frage stehen, MDR 1965 13; Peglau Neue strafprozessuale Möglichkeiten der eigenen Sachentscheidung des Revisionsgerichts nach dem JuMoG, JR 2005 143; Polk Die nachträgliche Gesamtstrafenprüfung nach § 460 StPO, RpflStud 2004 15; Regel Gesamtstrafe aus Geldstrafe bei Tagessätzen unterschiedlicher Höhe, MDR 1977 446; Remmele Nachträgliche Gesamtstrafenbildung beim Strafbefehl, NJW 1974 486 mit Erwiderung von Sieg NJW 1975 331; ders. Warnfunktion der früheren Verurteilung bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung, NJW 1974 1855; Roos Bestimmung der Tagessatzhöhe bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe, NJW 1976 1483; Schorn Fragen zur Gesamtstrafe, JR 1964 45; Schrader Bildung einer Gesamtstrafe nach vollstreckter Einzelstrafe (§ 76 StGB und § 460 StPO), MDR 1974 718; Schuk Der Einfluß einer früheren Gesamtstrafe auf die nachträgliche Gesamtstrafenbildung, MDR 1964 559; Schweling Die Bemessung der Gesamtstrafe, GA 1955 289; Sieg Nachträgliche Anrechnung von Leistungen zur Erfüllung von Auflagen bei Wegfall einer Strafaussetzung zur Bewährung durch Gesamtstrafenbildung? StV 1998 631; Siggelkow Zur Vollstreckung einer nachträglich gebildeten Gesamtstrafe, Rpfleger 2005 644; ders. Anrechnung getilgter Geldstrafe auf die Gesamtstrafe, Rpfleger 1994 93; ders. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe aus einer nachträglich getilgten Gesamtgeldstrafe, Rpfleger 1994 285; Thietz-Bartram Gesamtstrafenbildung mit abgelaufener Bewährungsstrafe, wistra 1990 259; Wasserburg Gesamtstrafenbildung im Beschlussverfahren nach Aufhebung der Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht (§ 354 Abs. 1b StPO), GA 2006 393; Vogt Die nachträgliche Bildung einer Gesamtgeldstrafe bei differierenden Tagessatzhöhen, NJW 1981 899; Wilhelm Die Konkurrenz der Regeln zur Gesamtstrafenbildung, ZIS 2007 82 (gekürzte Fassung NStZ 2008 425); Wolf/ Kempfer Entwicklungen im Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht seit 2016, Rpfleger 2018 521; Zeiler Zur Frage der Gesamtstrafenbildung, ZStW 33 (1912) 669; Zeitler Einzelne Probleme bei der Vollstreckung der Gesamtstrafe, Rpfleger 2005 70.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch die Verordnung über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4.1.1924 am 22.3.1924 (RGBl. I S. 299, 322) bekannt gemacht. Sie wurde durch Art. 3 Nr. 18 OrgKG vom 15.7.1992 um Satz 2 ergänzt. Der frühere Satz 2 ist aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.3.20021 obsolet geworden. Bezeichnung bis 1924: § 492.

I.

Übersicht Normzweck und Anwendungsbereich 1. Grundsatz 1 2. Ausnahmen 3

3.

Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung nach § 460 4

1 NJW 2002 1779.

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4. 5. 6.

II.

III.

IV. V. VI.

Urteile 5 Verwarnung mit Strafvorbehalt 6 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Zusammenhang mit Geldstrafen a) Allgemeines 7 b) Gesamtgeldstrafe aa) Einsatzstrafe 8 bb) Höhe des Tagessatzes 9 7. Registerrechtliche Behandlung 10 Einzubeziehende Einzelstrafen 1. Grundsatz 11 2. Vollstreckte, verjährte oder erlassene Strafen a) Auszuscheidende Strafen 12 b) Einzubeziehende Strafen 15 c) Bedeutung von Gnadenerweisen 16 d) Abweichende Auffassungen 19 e) Strafaussetzung zur Bewährung im Gnadenweg 20 f) Verjährte Einzelstrafen 21 3. Im Zeitpunkt der Entscheidung nach § 55 StGB noch nicht rechtskräftige Einzelstrafen 22 4. Nachträglich vollstreckbar gewordene Einzelstrafen 23 5. Einzelstrafen bei beschränkter Auslieferungsbewilligung 24 a) Neue Gesamtstrafe 25 b) Vollstreckung 26 Auflösung der früheren Gesamtstrafe 1. Grundsatz 27 2. Verbot der reformatio in peius a) Allgemeines 28 b) Folgerungen 30 Bemessung der Gesamtstrafe 33 Berücksichtigung von Rechtsfehlern in früheren Urteilen 34 Nebenfolgen 36

VII. Strafaussetzung zur Bewährung 1. Grundsatz a) Allgemeines 37 b) Beispiele 38 2. Ausnahmen 40 VIII. Verfahrensfragen 1. Zuständigkeit 41 2. Verfahren 43 3. Pflichtverteidigerbestellung 44 4. Begründung der Gesamtstrafe a) Grundsatz 45 b) Umfang 46 c) Beschlussbegründung 48 5. Rechtsmittel 49 6. Wirkung der Rechtskraft 50 7. Vollstreckbarkeitsbescheinigung 51 8. Widerruf der Strafaussetzung wegen einer Straftat a) Vor Erlass des Gesamtstrafenbeschlusses 52 b) Nach Erlass, aber vor Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses 53 IX. Strafzeitberechnung 1. Grundsatz 54 2. Beginn 55 3. Anrechnung von Untersuchungshaft 56 X. Jugendgerichtliches Verfahren 1. Einheit der Unrechtsfolgen 58 2. Nachträgliche Entscheidung nach § 66 JGG 59 3. Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen a) Frühere Zweifelsfragen 61 b) Geltendes Recht 63 XI. Verfahrensgebühr, Verteidigervergütung 64 XII. Übergangsregelung 66

Alphabetische Übersicht Altersstufen 61 ff. Anwendungsbereich 1 ff. Begründungserfordernisse 45 ff. Bemessung der Gesamtstrafe 33 Beschlussbegründung 48 Bundeszentralregister 10 Einzelstrafen 21 ff. – nachträglich vollstreckbar gewordene 23 – nicht rechtskräftige 24 – verjährte 21 Erlass 53 Geldstrafe 7 ff.

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Gesamtgeldstrafe 8 Gesamtstrafenbildung – Geldstrafe 7 – Voraussetzungen 4 Gnadenerweis 16 Jugendstrafverfahren 58 ff. Nebenfolge 36 Nebenstrafe 35 Normzweck 1 ff. Pflichtverteidigerbestellung 44 Rechtsfehler 34 f. Rechtskraft 50

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Rechtsmittel 49 Reformatio in peius 28 ff. Reifestufen 61 ff. Revisionsgericht 42 Spezialitätsgrundsatz 25 f. Strafaussetzung 20, 37 ff. Strafbefehl 5 Strafen – auszuscheidende 12 ff. – einzubeziehende 15 Strafzeitberechnung 54 ff. Tagessatzhöhe 9 Übergangsregelung 66

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Untersuchungshaft 56 f. Urteile – ausländische 5 – inländische 5 Verfahren 43 Verfahrensgebühr 64 Verteidigervergütung 65 Verwarnung mit Strafvorbehalt 6 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 51 Vollstreckungshindernis 25 f. Widerruf 37, 39, 52 Zäsurwirkung 11 Zuständigkeit 41, 60

I. Normzweck und Anwendungsbereich 1. Grundsatz. Nach § 53 StGB ist unter den in §§ 53, 54 StGB bezeichneten Vorausset- 1 zungen eine Gesamtstrafe durch Urteil zu bilden, wenn mehrere sachlich zusammentreffende Straftaten gleichzeitig abgeurteilt werden. Nach § 55 StGB finden die §§ 53, 54 StGB auch dann Anwendung, wenn, bevor eine erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, die Verurteilung wegen einer anderen Straftat erfolgt, die vor der früheren Verurteilung begangen worden war. Um dieser Vorschrift volle Wirksamkeit zu sichern, bedarf es noch einer prozessualen Regelung für den Fall, wenn jemand durch verschiedene Urteile zu Strafen verurteilt worden ist, bei dem späteren Urteil aber die Vorschriften über die Bildung einer Gesamtstrafe außer Betracht geblieben sind.2 Der Zweck des § 460 besteht danach darin, den Täter so zu stellen, als wenn er bei gemeinsamer Aburteilung aller Taten in einem Verfahren zu einer Gesamtstrafe nach § 53 StGB verurteilt worden wäre.3 Darüber hinausgehende Vorteile sollen dem Verurteilten durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht zustehen.4 Aus § 55 StGB folgt, dass bei Aburteilung der Taten in verschiedenen Verfahren 2 grundsätzlich schon in dem Urteil des später erkennenden Tatgerichts die Gesamtstrafe zu bilden und dass dieses durch § 55 StGB ermächtigt und verpflichtet ist, anstelle der verschiedenen Einzelstrafen eine Gesamtstrafe festzusetzen, insoweit also auch das frühere Urteil, unabhängig davon, ob es von ihm selbst oder von einem anderen Tatgericht erlassen worden ist, abzuändern. Es darf die Bildung der Gesamtstrafe nicht willkürlich dem Beschlussverfahren nach § 460 überlassen.5 Das ist schon deshalb abzulehnen, weil das Verfahren nach §§ 460, 462 mit geringeren verfahrensmäßigen Garantien ausgestattet ist als das Erkenntnisverfahren nach § 55 StGB. Erstere Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, der nur mit sofortiger Beschwerde anfechtbar ist. Letztere wird im Urteil ausgesprochen und ist mit Berufung oder Revision anfecht2 Hahn Mat. 1 294 zu § 414. 3 BGHSt 15 66, 69; 17 173; 32 190, 193; 55 220; BayObLGSt 1979 105; OLG Saarbrücken NJW 1975 1041; KG JR 1976 202; OLG Koblenz VRS 50 (1976) 190; Bender NJW 1964 807; Schrader MDR 1974 719; Bohnert GA 1994 111; Bringewat GSt 339; § 460, 17; KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1. 4 BVerfG NJW 1991 558; BGHSt 33 132; 35 208; 43 80; LK/Rissing-van Saan § 55, 2; Fischer § 55, 2. 5 BGHSt 12 1; 20 293; 23 99; 25 383; 32 190; BGH NStZ 2003 200; 2005 32; NStZ-RR 2019 241; 2013 7; OLG Köln StV 2019 688 Ls.; OLG Celle StraFo 2017 76; Böttcher JR 1989 206; LG Freiburg NStZ-RR 2008 236; OLG Hamm NStZ-RR 2008 73 Ls.; KK/Appl 4; Bringewat GSt 327; JuS 1989 527; a. A. Bohnert GA 1994 110.

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bar.6 Diese Erwägungen gelten auch dann, wenn vor dem Urteil des zuletzt erkennenden Tatgerichts bereits mehrere unter § 55 StGB fallende Strafen in verschiedenen Urteilen verhängt worden sind und die Bildung einer Gesamtstrafe, die in dem letzten dieser Urteile hätte erfolgen müssen, unterblieben ist. Diese Grundsätze sind in der Rechtsprechung des Reichsgerichts7 und – nach anfänglichem Schwanken – auch der des Bundesgerichtshofs8 anerkannt. 3

2. Ausnahmen. Von der Einbeziehung in die Gesamtstrafe darf danach, wenn das letzte Tatgericht von mehreren Verurteilungen Kenntnis hat, nur in folgenden Fällen abgesehen und die Gesamtstrafenbildung dem Verfahren nach § 460 überlassen werden: a) wenn ein früher ergangenes Urteil noch nicht rechtskräftig ist9 oder wenn es zwar formell rechtskräftig, sein Bestand aber nicht gesichert ist, z. B. der Angeklagte mit Aussicht auf Erfolg um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmitteleinlegungsfrist nachgesucht hat und daher zu erwarten ist, dass die Rechtskraft des früheren Urteils wieder beseitigt wird;10 b) wenn das Gericht, ohne dass dies auf mangelnder Terminvorbereitung beruht, keine sichere tatsächliche Grundlage für die Anwendung des § 55 StGB hat, weil die Vorstrafakten fehlen und ohne Aussetzung nicht zu beschaffen sind;11 c) wenn im Einzelfall auch anderen Gesichtspunkten der Vorrang vor dem Gebot des § 55 StGB zukommt. So darf zur Vermeidung einer Doppelbestrafung eine Einzelstrafe nicht mehr in eine Gesamtstrafe einbezogen werden, wenn sie bereits zur Bildung einer noch nicht rechtskräftigen Gesamtstrafe gedient hat.12 Sofern eine Gesamtstrafenbildung im Berufungsverfahren über die Strafrahmengrenze des § 24 GVG hinausgehen würde, hat das Berufungsgericht sich darauf zu beschränken, eine Strafe für die verfahrensgegenständliche Tat festzusetzen und die Gesamtstrafenbildung dem Beschlussverfahren nach § 460 zu überlassen,13 wofür nach § 462a Abs. 3 Satz 4 eine große Strafkammer des Landgerichts zuständig ist. Die Unterlassung der möglichen Gesamtstrafenbildung begründet die Revision.14

4

3. Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung nach § 460. Das Verfahren nach § 460 ist danach gegeben, wenn das später erkennende Gericht die frühere Verurteilung nicht gekannt hat,15 aber auch dann, wenn es die ihm bekannte Verurteilung zulässigerweise (Rn. 3) oder versehentlich außer Acht gelassen hat.16 Dagegen ist die Anwendung des § 460 ausgeschlossen, wenn das Gericht die Anwendbarkeit des § 55 StGB aus-

6 7 8 9

Böttcher JR 1989 206; Horn NStZ 1991 117, 118; Bringewat GSt 328. Z. B. RGSt 2 198; 8 62; 15 29; 34 267. BGHSt 12 1 – GrSSt –. BGH NStZ 2012 405; RGSt 5 1; 15 31; 37 169; HRR 1938 Nr. 1317; BGHSt 20 292, 294; OLG Stuttgart NJW 1957 1813; Bringewat GSt 333; KK/Appl 6; KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 10 BGHSt 23 98; Küper MDR 1970 885; Bringewat GSt 334; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 11 RGSt 34 267; 64 413; BGHSt 12 1, 10; 23 98; BGH NStZ 2005 32; NStZ-RR 2008 73; OLG Karlsruhe MDR 1959 413; OLG Hamm NJW 1970 1200; Beschl. vom 2.3.2017 – III 1 RVs 6/17; OLG Köln MDR 1983 423; Bringewat GSt 335; KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 2; a. A. SK/Paeffgen 7. 12 BGHSt 9 190; 20 292; BayObLG NJW 1971 1193; Bringewat GSt 336; KK/Appl 6; KMR/Stöckel 8. 13 BGHSt 34 204; OLG Jena NStZ-RR 2003 139; OLG Celle StraFo 2018 120. 14 RGSt 64 413; BGHSt 3 281; 12 1; 20 292; 23 98; 25 382; KK/Appl 5; LK/Rissing-van Saan § 55, 48; Fischer § 55, 37; anders BGHSt 2 338. 15 BayObLGSt 1979 105; Bringewat GSt 332 ff.; KK/Appl 6; KMR/Stöckel 8; Meyer-Goßner/Schmitt 2. 16 Maiwald JR 1980 355 f.; Bohnert GA 1994 107; Bringewat GSt 332 ff.; KMR/Stöckel 9.

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drücklich geprüft und aus Rechtsirrtum verneint hat.17 Schon in den Motiven wurde diese Auffassung vertreten und begründet: „Ist die Zuerkennung einer Gesamtstrafe vermöge einer unrichtigen Auffassung der strafrechtlichen Vorschriften unterblieben, so kann § 460 nicht Anwendung finden. Denn alsdann beruht das spätere Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes, welcher durch Einlegung des Rechtsmittels der Revision abzuhelfen gewesen wäre …, und die Sache liegt alsdann hier nicht anders wie bei sonstigen, einem Urteil zugrundeliegenden Rechtsirrtümern des Richters. Die letzteren können die Anfechtung oder Abänderung eines rechtskräftig gewordenen Urteils nicht begründen“.18 4. Urteile. Urteile i. S. des § 460 sind, wie sich aus der Bezugnahme auf § 55 StGB 5 ergibt, nur inländische Urteile. Urteile im Sinne dieser Vorschrift sind aber auch Strafbefehle,19 wobei, wenn der Strafbefehl rechtskräftig wird, der früheren „Verurteilung“ der für das Gericht unabänderlich gewordene Erlass des Strafbefehls, nicht dessen Zustellung gleichkommt.20 Kein Urteil i. S. von § 460 ist ein schon früher nach dieser Vorschrift ergangener Beschluss, da er nur an die rechtskräftigen tatsächlichen Feststellungen der einbezogenen Urteile anknüpft.21 Eine Gesamtstrafenbildung mit Strafen aus ausländischen Urteilen scheidet aus. Da eine Einbeziehung in eine neue Gesamtstrafe dazu führt, dass die frühere Verurteilung nicht mehr vollstreckt werden darf, ist sie aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Rechtskraft der ausländischen Verurteilung und die Vollstreckungshoheit des ausländischen Staates aus völkerrechtlichen Gründen unzulässig.22 Nach der früheren Rechtsprechung des BGH musste das Tatgericht, sofern ansonsten die Voraussetzungen einer Gesamtstrafenbildung vorlagen, ausländische Strafen im Rahmen der Strafzumessung regelmäßig unter dem Gesichtspunkt des – unbezifferten − Härteausgleichs oder des Gesamtstrafenübels zugunsten des Beschuldigten jedenfalls dann berücksichtigen, wenn eine Aburteilung auch in Deutschland möglich gewesen wäre, weil entweder der Täter Deutscher ist oder sich die Tat gegen ein international geschütztes Rechtsgut richtet.23 Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich nunmehr, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass frühere, in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilungen in gleichem Maße bei der Strafzumessung berücksichtigt werden wie bei nach innerstaatlichem Recht im Inland erfolgten früheren Verurteilungen.24 Für die Berücksichtigung EU-ausländischer Verurteilungen kommt es daher auch nicht mehr – wie vor den genannten Urteilen des EuGH 17 RGSt 64 413; BGHSt 3 277; 12 1; NJW 1953 389; 1953 1879; BayObLG MDR 1975 161; OLG Oldenburg NJW 1953 1724; OLG Hamm NJW 1953 1816; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1958 140; OLG Koblenz MDR 1975 73; OLGSt § 460 StPO Nr. 15; OLG Karlsruhe NStZ 1987 187; OLG Hamburg NStZ 1992 607 mit zust. Anm. Maatz; OLG Jena NStZ-RR 2006 102; OLG Zweibrücken Beschl. vom 12.4.2018 – 1 Ws 68/18; Bringewat GSt 337; StV 1993 47, 50; KK/Appl 5; KMR/Stöckel 10; Meyer-Goßner/Schmitt 3a, 4; krit. Bohnert GA 1994 111; missverständlich BGHSt 35 208, 214. 18 Hahn Mat. 1 294: zu § 414. 19 BGH GA 1956 50; KK/Appl 3; KMR/Stöckel 6; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 20 BGHSt 33 230; BGH NJW 1991 1763; OLG Zweibrücken NStZ 1991 454; einschränkend OLG Düsseldorf NJW 1993 2128: zumindest für den Regelfall; Bringewat GSt 206; Remmele NJW 1974 486, 1835; a. A. Sieg NJW 1975 531. 21 OLG Celle NJW 1973 2214; OLG Karlsruhe Justiz 1974 90; Bringewat GSt 331; Meyer-Goßner/Schmitt 8. 22 BGHSt 43 80; BGH NStZ 1998 149; NJW 2000 1964; NStZ-RR 2000 105; StV 2019 603; 2015 353; NStZ 2021 217 m. w. N.; OLG Düsseldorf GA 1991 271. 23 BGH StV 2019 603; NStZ 2021 217 Rn. 14. 24 BGH NStZ 2021 217 Rn. 17; EuGH Urteil vom 21.9.2017 – C-171/16 Rn. 26; Urteil vom 5.7.2018 – C1390/ 16 Rn. 28.

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in der Rechtsprechung des BGH teilweise vertreten wurde25 − darauf an, ob für die im Ausland begangenen und abgeurteilten Taten auch ein Gerichtsstand in Deutschland eröffnet gewesen wäre.26 Der Ausgleich für die fehlende Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung mit einer noch nicht vollständig vollstreckten EU-ausländischen Strafe ist im Falle der Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe bei der Strafzumessung konkret durch eine Bezifferung des Nachteils vorzunehmen.27 6

5. Verwarnung mit Strafvorbehalt. Es ist streitig, ob die Gleichstellung einer erkannten mit einer nach § 59 StGB vorbehaltenen Strafe auch im Verfahren nach § 460 gilt.28 Gegen eine Anwendung von § 59c Abs. 2 StGB wird vorgebracht, dass der Wortlaut des § 460 nicht an § 59c Abs. 2 StGB angepasst worden sei und eine analoge Anwendung nicht in Betracht komme, weil sie sich zu Ungunsten des Täters auswirke.29 Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. § 59c Abs. 2 StGB ist vielmehr auch im Beschlussverfahren nach § 460 anwendbar.30 Insbesondere stehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen.31 6. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung im Zusammenhang mit Geldstrafen

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a) Allgemeines. Die nachträgliche Zurückführung auf eine Gesamtstrafe setzt voraus, dass die Vorschriften über die Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB „außer Betracht geblieben sind“. Da das erkennende Gericht auch im Fall des § 55 StGB beim Zusammentreffen von Freiheits- und Geldstrafe die Wahl zwischen der Bildung einer Gesamtstrafe oder gesonderter Verhängung der Geldstrafe hat (§ 53 Abs. 2 Satz 2 StGB), steht auch dem Beschlussgericht nach § 460 ein entsprechendes Wahlrecht zu.32 b) Gesamtgeldstrafe

8

aa) Einsatzstrafe. Bei der Bildung einer Gesamtgeldstrafe aus Einzelgeldstrafen mit unterschiedlicher Tagessatzhöhe ist Einsatzstrafe die Einzelstrafe mit der höchsten Tagessatzzahl, da sich in dieser der Unrechtsgehalt und die Schuldschwere besonders niederschlagen.33 Die Anzahl der Tagessätze der Einsatzstrafe ist unter Berücksichtigung der in den anderen Strafen festgesetzten Tagessätze nach § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB angemessen zu erhöhen.34

9

bb) Höhe des Tagessatzes. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ist von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten im Zeitpunkt der letzten

25 26 27 28

BGH NStZ 2010 30. BGH NStZ 2019 548; NStZ-RR 2020 122. BGH NStZ 2021 217. Nachträgliche Gesamtstrafenbildung möglich: OLG Frankfurt NStZ 2009 268; verneinend: AG Dieburg NStZ 1996 613; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Paeffgen 4; nur soweit sie sich nicht zu Ungunsten des Täters auswirkt: MüKo-StGB/Groß § 59c, 7. 29 AG Dieburg NStZ 1996 613; MüKo-StGB/Groß § 59c, 7; Meyer-Goßner/Schmitt 9; SK/Paeffgen 4. 30 LG Flensburg SchlHA 1997 285; LG Darmstadt NStZ-RR 2008 199; LK/Hubrach12 § 59c, 10; Fischer § 59c, 3; Deckenbroich/Dötsch NStZ 2003 346. 31 BVerfG NStZ-RR 2002 330; LK/Hubrach12 § 59c, 10; Fischer § 59c, 3; LG Darmstadt NStZ-RR 2008 199. 32 BGHSt 35 208, 214; Bringewat GSt 338; JuS 1989 530. 33 BGHSt 27 359; BGH VRS 71 (1986) 361. 34 Bringewat GSt 352 i. V. m. 117 ff.

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tatgerichtlichen Entscheidung auszugehen.35 Das gilt auch dann, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten zwischen der letzten tatgerichtlichen Entscheidung und dem Gesamtstrafenbeschluss nach § 460 verändert haben.36 Auch dieses Ergebnis beruht darauf, dass sich die Tätigkeit des Beschlussgerichts in der Koordinierung der bisher in den früheren Urteilen rechtskräftig festgesetzten Einzelstrafen erschöpft und ihm eine nachträgliche Korrektur versagt ist.37 7. Registerrechtliche Behandlung. Zur registerrechtlichen Behandlung nachträg- 10 lich gebildeter Gesamtstrafen vgl. § 6 BZRG und im Fall des § 65 BZRG vgl. BGHSt 25 104.

II. Einzubeziehende Einzelstrafen 1. Grundsatz. Die Grundlage für die Einbeziehung in eine Gesamtstrafe bilden nicht 11 die früheren Urteile, sondern die in ihnen erkannten Einzelstrafen.38 Diese müssen im Zeitpunkt der Beschlussfassung nach § 460 rechtskräftig sein.39 Das Gericht prüft zunächst, ob die erste Voraussetzung des § 55 StGB gegeben ist, nämlich dass der Angeklagte (später) wegen einer Tat verurteilt worden ist, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat (§ 55 Abs. 1 Satz 2 StGB), d. h. die vor dieser Verurteilung beendet war.40 Aufgabe des nach § 460 zuständigen Gerichts ist es, den Verurteilten so zu stellen, wie dies das Tatgericht nach § 55 StGB hätte tun müssen, wenn ihm die vorangegangenen Verurteilungen bekannt gewesen wären. Es muss ihn so stellen, als habe das letzte Tatgericht die Gesamtstrafe gebildet (Rn. 1). Im Zweifel ist zugunsten des Täters Beendigung anzunehmen.41 Die Tätigkeit des Gerichts nach § 460 ist mithin auf eine Koordinierung der bisher in den einzelnen Urteilen erkannten Strafen und Folgen ausgerichtet. Sie zu korrigieren ist ihm versagt.42 Daher werden auch rechtsfehlerhaft verhängte Einzelstrafen in die Gesamtstrafe einbezogen.43 Im Verfahren nach § 460 finden die Rechtsgrundsätze zur Zäsurwirkung bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB44 entsprechende Anwendung. 2. Vollstreckte, verjährte oder erlassene Strafen a) Auszuscheidende Strafen. Alsdann prüft das Gericht, ob nicht die früher erkannte 12 Strafe für die Bildung einer Gesamtstrafe deshalb ausscheidet, weil sie bis zum Zeitpunkt 35 LG Freiburg NStZ 1991 135; Horn NStZ 1991 117; Bringewat NStZ 1988 72; GSt 347. 36 KK/Appl 30; Meyer-Goßner/Schmitt 15; SK/Paeffgen 22; KMR/Stöckel 43; a. A. LG Hildesheim NStZ 1991 136 mit abl. Anm. Meyer-Goßner NStZ 1991 434; LG Berlin StV 2009 145; Metz StraFo 2010 403: Zeitpunkt der Entscheidung im Nachtragsverfahren. 37 KK/Appl 30. 38 BGH bei Holtz MDR 1979 280; KG JR 1986 119. 39 OLG Stuttgart NJW 1957 1813; Bringewat GSt 330, 341; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 7. 40 BGH NJW 1997 750 f.; 1999 1344, 1346; StV 2002 203 f.; Böttcher JR 1989 206; KK/Appl 7, 8; Fischer § 55, 7. 41 OLG Oldenburg GA 1960 28. 42 LG Freiburg NStZ 1991 135; a. A. LG Hildesheim NStZ 1991 136 mit abl. Anm. Meyer-Goßner NStZ 1991 434. 43 OLG Schleswig SchlHA 1976 43. 44 KK/Appl 7 ff.; LK/Rissing-van Saan § 55, 14 f.; MüKo/Nestler 35 f.; BGH NStZ-RR 2018 248; StV 2018 411.

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der späteren Verurteilung vollstreckt, verjährt oder erlassen ist.45 War die Strafe bis zu diesem Zeitpunkt schon erledigt, liegen die Voraussetzungen des § 55 StGB nicht mehr vor, so dass die Vorschrift auch nicht „außer Betracht geblieben“ ist.46 War die Strafe bis dahin nur teilweise erlassen oder vollstreckt, so hindert dies die Einbeziehung der ganzen Strafe nicht. Der verbüßte oder erlassene Teil wird im Weg der der Vollstreckungsbehörde obliegenden Strafzeitberechnung47 auf die Gesamtstrafe „angerechnet“.48 13 Ob ein – bei Gnadenerweisen und Amnestien in Betracht kommender – bedingter Erlass der Einzelstrafe (nicht nur eine bedingte Aussetzung der Vollstreckung) einen Straferlass i. S. des § 55 StGB darstellt, hängt davon ab, ob die Bedingung eine aufschiebende oder eine auflösende ist. Bei auflösender Bedingung ist die Strafe i. S. des § 55 StGB erlassen, nicht aber bei aufschiebender Bedingung.49 Wenn die Fassung eines Amnestiegesetzes oder eines Einzelgnadenerweises es an der erforderlichen Klarstellung fehlen lässt, kann aber streitig sein, ob ein Erlass unter der Bedingung, dass der Verurteilte während eines bestimmten Zeitraums nicht erneut verurteilt wird, eine aufschiebende50 oder eine auflösende Bedingung51 enthält. 14 Ist die Bewährungszeit einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe abgelaufen und sind die Voraussetzungen des Straferlasses gegeben (§ 56g Abs. 1 StGB), während gleichzeitig die Voraussetzungen für die Gesamtstrafenbildung nach § 460 vorliegen, so unterbleibt die Gesamtstrafenbildung, wenn dies für den Verurteilten günstiger ist.52 Im Berufungsverfahren muss das Berufungsgericht eine vom Erstgericht unterlassene Gesamtstrafenbildung, weil Letzterem die frühere Verurteilung nicht bekannt war, nachholen.53 15

b) Einzubeziehende Strafen. Ist eine Einzelstrafe erst nach dem für die Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB maßgebenden Zeitpunkt vollstreckt, verjährt oder erlassen, so ist dies für die Bildung der Gesamtstrafe nach § 460 ohne Bedeutung.54 Soweit es sich um vollstreckte Einzelstrafen handelt, ist dies nicht streitig, und davon geht auch § 51 Abs. 2 StGB aus.55 Das Gericht muss also auch eine Strafe in die Gesamtstrafe einbeziehen, die nach dem späteren Urteil, in dem die Gesamtstrafe nach § 55 StGB hätte gebildet werden können (wenn die frühere Verurteilung bekannt gewesen wäre usw.), vollstreckt wurde. Denn der Zweck des § 460 geht ja gerade dahin, nachträglich dem Verurteilten Rechtsvergünstigungen zu verschaffen, auf die er nach § 55 StGB Anspruch hatte.56 45 BGHSt 2 230; 12 94; BGH NStZ-RR 2018 248; Beschl. vom 27.3.2014 – 4 StR 574/13; Bringewat NStZ 1990 51; GSt 349; KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 12.

46 BGHSt 2 232; Bringewat § 460, 18; KK/Appl 9; a. A. Schrader MDR 1974 718: es muss genügen, dass die Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung überhaupt bestanden hatte; ähnlich Fischer § 55, 6. 47 BGHSt 21 186. 48 RGSt 8 62; 46 179; 60 206; 77 151; Köhler GerS 65 (1905) 33; Kuhnt MDR 1955 194; Bringewat NStZ 1990 51; GSt 344; KK/Appl 11, 25b; Meyer-Goßner/Schmitt 12; s. auch § 41 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO. 49 RGSt 53 116; BGHSt 7 186; 17 227; OLG Hamm JMBlNRW 1952 35; Kuhnt MDR 1955 196. 50 RGSt 63 178. 51 RGSt 53 116; BGHSt 7 186; 17 227. 52 BGH NStZ-RR 2007 369; OLG Karlsruhe Beschl. vom 18.9.2017 – 2 Ws 176-177/17; KG JR 1976 202; LG Saarbrücken JBlSaar 1965 10; LG Osnabrück NdsRpfl. 1965 211; KK/Appl 25; Pohlmann/Jabel/Wolf § 43, 14. 53 BGHSt 35 212 mit Anm. Böttcher JR 1989 205; OLG Hamm MDR 1977 861; NStZ 1987 557; OLG Düsseldorf StV 1993 31. 54 KG JR 1976 202; Bringewat GSt 344; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 55 Fischer § 51, 12 ff. mit Beispielen; Bringewat § 460, 24; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 56 BGH GA 1982 177; BayObLGSt 9 (1910) 307; Alsb. E. 3 387; KG JR 1976 202; OLG Bremen Rpfleger 1953 531; Zeiler ZStW 33 (1912) 670; KK/Appl 11; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Pohlmann/Jabel/Wolf § 43, 12.

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c) Bedeutung von Gnadenerweisen. Das in Rn. 11 Gesagte muss folgerichtig auch 16 dann gelten, wenn eine Strafe nach dem gemäß § 55 StGB maßgeblichen Zeitpunkt nach § 56g StGB durch einen Einzelgnadenerweis oder ein Straffreiheitsgesetz, das nicht, wie § 11 Abs. 3 StrFG 1954, eine abweichende Regelung enthält, ganz oder teilweise erlassen (oder gar nur bedingt erlassen) wurde. Denn § 460 ordnet schlechthin die Zurückführung der „erkannten Strafen“ auf eine Gesamtstrafe an.57 Folgerichtig muss dann auch, wenn eine Strafe im Gnadenweg in eine mildere Strafart umgewandelt ist (z. B. eine Freiheits- in eine Geldstrafe), die Gesamtstrafe aus der erkannten Strafe gebildet werden, nicht etwa in der Weise, als sei von vornherein auf die in dem Gnadenerweis festgesetzte Strafe erkannt worden.58 Eine andere Frage ist, welche Wirkung dem Gnadenerweis gegenüber der so gebildeten Gesamtstrafe zukommt. Bei strenger Durchführung des Grundsatzes, dass eine in einer Gesamtstrafe aufge- 17 hende Einzelstrafe ihre rechtliche Bedeutung verliert, müsste gefolgert werden, dass der Gnadenerweis gegenstandslos geworden ist und es dem Inhaber des Gnadenrechts überlassen bleibt, durch Erneuerung des Gnadenerweises gegenüber der Gesamtstrafe diese Folge abzuwenden. Indessen entspricht eine solche Betrachtungsweise nicht dem Sinn und der rechtlichen Bedeutung des Gnadenerweises.59 Vielmehr ist davon auszugehen, dass zwar zunächst die Gesamtstrafe ohne Berücksichtigung des Gnadenerweises zu bilden, dem Gnadenerweis aber eine sich sogleich auf die Gesamtstrafe erstreckende Wirkung beizumessen ist.60 Das erfordert auch der allgemein gültige Gedanke des Verbots der reformatio in peius (Rn. 27 ff.), denn die Gesamtstrafenbildung soll dem Verurteilten einen Vorteil (durch Verkürzung der Strafdauer oder Herabsetzung der Gesamtgeldstrafe gegenüber einer Summierung der Einzelstrafen) bringen, und es darf dieser Vorteil sich nicht in einen schweren Nachteil verkehren. Das Gericht muss also z. B., wenn aus einer in eine Geldstrafe umgewandelten Frei- 18 heitsstrafe mit einer anderen Freiheitsstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet worden war, aussprechen, dass ein dem Anteil der umgewandelten Freiheitsstrafe entsprechender Teil der Gesamtstrafe durch die Umwandlung in eine Geldstrafe weggefallen, und bei Bildung einer Gesamtstrafe mit einer im Gnadenweg erlassenen Strafe, dass die Gesamtstrafe um die anteilsmäßige Höhe der erlassenen Strafe gemindert sei.61 d) Abweichende Auffassungen. Gegenüber den vorstehenden Ausführungen wird 19 eingewandt,62 für die Einbeziehung erlassener Strafen fehle es an einem inneren Grund, da der Grundgedanke der Gesamtstrafenbildung (Berücksichtigung der progressiv verstärkten Vollstreckungswirkung) hier entfalle und eine anteilmäßige Anrechnung der erlassenen Strafe sogar zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Verurteilten führen könne. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass jedenfalls bei Straferlass nach Ablauf einer Bewährungszeit (§ 56g StGB) die Strafaussetzung zur Bewährung mit freiheitsbeschränkenden Weisungen (§ 56c StGB) eine Form der „ambulanten“ Vollstreckung des Strafausspruchs ist und darüber hinaus auch Auflagen gemäß § 56b Abs. 2 Nr. 2, 3 StGB 57 58 59 60

OLG Hamburg HRR 1935 Nr. 827; Bringewat GSt 345; Meyer-Goßner/Schmitt 13. K. Schäfer JR 1933 12; Lichti JZ 1951 524; Bringewat § 460, 24. LR/Schäfer24 Vor § 12, 13 GVG (Theorien über die Wirkungen des Gnadenerweises). K. Schäfer JR 1933 22; Lichti JZ 1951 524; Bringewat GSt 345; im Ergebnis auch Kuhnt MDR 1955 196; Oppe NJW 1959 1358; KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 61 OLG Hamburg HRR 1935 Nr. 827; BayObLG JZ 1951 522; LG Kiel Rpfleger 1960 305; Kuhnt MDR 1955 194; Bringewat GSt 345; KK/Appl 26. Zum Zusammentreffen bei Umwandlung in eine andere Strafart und gleichzeitiger Herabsetzung der Höhe der Strafe s. Lichti JZ 1951 524. 62 KG JR 1976 202; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 13.

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sanktionsähnliche Züge tragen. Es erscheint schon deshalb berechtigt, die Erfüllung der Voraussetzungen für den Straferlass der Vollstreckung der Strafe gleichzustellen.63 Dass die Bildung einer Gesamtstrafe entfällt, wenn bereits sämtliche Einzelstrafen erlassen sind,64 hat damit nichts zu tun. Hier wäre eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gegenstands- und sinnlos.65 20

e) Strafaussetzung zur Bewährung im Gnadenweg. Erst Recht wird die Einbeziehung einer Einzelstrafe in die nach § 460 zu bildende Gesamtstrafe nicht ausgeschlossen, wenn nur die Vollstreckung der Einzelstrafe durch Einzelgnadenerweis oder Amnestie bedingt ausgesetzt worden war.66 Die im Weg der Gnade für die Einzelstrafe angeordnete bedingte Aussetzung verliert dann – in gleicher Weise wie die gerichtliche Strafaussetzung zur Bewährung (Rn. 37 ff.) – mit der Einbeziehung der Einzelstrafe in die Gesamtstrafe ihre Bedeutung. Es bedarf also ggf. eines erneuten Gnadenakts, wenn auch die neu gebildete Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll.67 Einzelne Gnadenordnungen der Länder sehen deshalb eine erneute Prüfung der Gnadenfrage von Amts wegen vor, wenn eine Strafe, für die im Gnadenweg bedingte Strafaussetzung bewilligt war, in eine Gesamtstrafe einbezogen wurde.

21

f) Verjährte Einzelstrafen. Schließlich muss auch eine Strafe, deren Vollstreckung nach dem gemäß § 55 maßgebenden Zeitpunkt und vor Bildung der Gesamtstrafe verjährt ist, in die Gesamtstrafe einbezogen werden. Sie wird dann ebenso wie eine erlassene Strafe anteilsmäßig von der Gesamtstrafe abgesetzt.68

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3. Im Zeitpunkt der Entscheidung nach § 55 StGB noch nicht rechtskräftige Einzelstrafen. In den Beschluss nach § 460 kann eine Einzelstrafe auch einbezogen werden, die nach § 55 StGB nicht hätte berücksichtigt werden können, weil sie bei der letzten tatgerichtlichen Aburteilung in dem späteren Verfahren noch nicht rechtskräftig war.69 Dass das noch nicht rechtskräftige Urteil im Fall des § 55 StGB nicht einbezogen wird, rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass es nicht sinnvoll ist, eine Strafe einzubeziehen, die auf Rechtsmittel hin wieder beseitigt oder geändert werden kann. Solche Bedenken stehen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung durch Beschluss nicht entgegen. Es liegt auf einer Ebene, ob das Gericht nach § 55 StGB von der Einbeziehung abgesehen hat, weil es aus tatsächlichen Gründen über die Einbeziehungsvoraussetzungen keine sichere Kenntnis hatte oder ob ihm die Ungewissheit über das rechtliche Schicksal der noch nicht rechtskräftigen Strafe dazu Veranlassung gegeben hat. Die Anwendung des § 460 stünde außer Zweifel, wenn das Urteil nach § 55 StGB in der von RG Rspr. 4 102 gebildeten Weise verfahren wäre, auch die nicht rechtskräftige Strafe einzubeziehen, gleichzeitig aber in der Urteilsformel für den Fall ihres Wegfalls oder ihrer Änderung Bestimmung zu treffen. Dass ein Urteil nur hinsichtlich der Strafausset-

63 64 65 66 67 68

Bringewat GSt 346. BayObLG DJZ 1919 107. Bringewat GSt 346; KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 13. BGH NJW 1955 1485; 1957 32. KK/Appl 26. OLG Hamburg HRR 1935 Nr. 827; LG Kiel Rpfleger 1960 305; Bringewat GSt 344; KK/Appl 15; MeyerGoßner/Schmitt 13; Pohlmann/Jabel/Wolf § 43, 13; a. A. Oppe NJW 1959 1358. 69 OLG Frankfurt NJW 1956 1609; OLG Stuttgart NJW 1957 1813; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1958 139; Bringewat GSt 341 ff.; § 460, 21; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 7.

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zung zur Bewährung noch nicht rechtskräftig ist, hindert seine Einbeziehung in die Gesamtstrafe nicht.70 4. Nachträglich vollstreckbar gewordene Einzelstrafen. Ist eine bedingt erlas- 23 sene Strafe nicht zur Bildung einer Gesamtstrafe verwendet worden, so ist sie nach § 460 zu berücksichtigen, wenn sie infolge Eintritts der auflösenden oder Nichteintritts der aufschiebenden Bedingung wieder vollstreckbar geworden ist.71 5. Einzelstrafen bei beschränkter Auslieferungsbewilligung. Sofern eine auslän- 24 dische Regierung die Auslieferung eines zu einer Gesamtstrafe Verurteilten zur Strafvollstreckung nur hinsichtlich einzelner in die Gesamtstrafe einbezogener Einzelstrafen bewilligt (Art. 14 EuAlÜbk), sind für die Anwendbarkeit des § 460 zwei Konstellationen zu unterscheiden, nämlich die Bildung einer neuen Gesamtstrafe sowie die Vollstreckung der vom Spezialitätsgrundsatz betroffenen Gesamtstrafe.72 a) Neue Gesamtstrafe. Hat eine ausländische Regierung die Auslieferung eines zu 25 einer Gesamtstrafe Verurteilten zur Strafvollstreckung nur hinsichtlich einzelner in die Gesamtstrafe einbezogener Einzelstrafen bewilligt und ist wegen weiterer gesamtstrafenfähiger Einzelstrafen aufgrund einer neuen Verurteilung die ursprüngliche Gesamtstrafe aufzulösen und eine neue nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden, so ist wegen des Grundsatzes der Spezialität (§§ 11, 83h, 84i IRG) im Auslieferungsrecht eine Einbeziehung derjenigen Einzelstrafe in eine neue nachträgliche Gesamtstrafe nicht zulässig, für die aufgrund der Spezialitätsbindung ein Vollstreckungshindernis besteht.73 Eine neue nachträgliche Gesamtstrafe darf mithin nur aus denjenigen – alten – Einzelstrafen, hinsichtlich derer die Auslieferung zum Zwecke der Strafvollstreckung bewilligt worden ist und den Einzelstrafen aus den weiteren – neuen – Einzelstrafen gebildet werden.74 Aus den Einzelstrafen, deren Vollstreckung die ausländische Regierung nicht bewilligt hat, muss eine eigene Gesamtstrafe gebildet werden.75 Entfällt hinsichtlich dieser Strafen zu einem späteren Zeitpunkt, etwa wegen nachträglicher Bewilligung der Auslieferung76 oder aufgrund eines Verzichts (§ 83h Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3, § 84i Abs. 2 Nr. 4 IRG) des Angeklagten auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes77 auch insoweit, das Vollstreckungshindernis, so sind beide Gesamtstrafen aufzulösen und es ist aus sämtlichen Einzelstrafen eine neue nachträgliche Gesamtstrafe zu bilden.78 Diese – letzte – Gesamtstrafe darf weder die Summe der zuvor gebildeten Gesamtstrafen noch die Summe der ursprünglichen Gesamtstrafe überschreiten.79 Kommt es auf ein Nachtragsersuchen zu keiner Nachbewilligung und verzichtet der Angeklagte auch nicht auf die Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes, besteht dauerhaft ein Vollstreckungshindernis. Eine ausgleichspflichtige Härte zum Nachteil des Angeklagten liegt dann nicht vor.

70 BGH JZ 1956 696; OLG Hamburg StraFo 1999 351; OLG Hamburg VRS 107 (2004) 449; OLG Brandenburg NStZ-RR 2007 196. BGHSt 9 5. OLG Hamm NJW 1979 2484; OLG Stuttgart Justiz 1980 208; Röttle/Wagner Rn. 665. BGH StraFo 2020 38. BGH NStZ 1981 483; 1998 149; StV 1998 324. Grethlein NJW 1963 946. BGH NStZ 2012 100. BGH Beschl. vom 25.6.2013 – 5 StR 647/12. BGH NStZ 2014 590; StraFo 2020 38; KK/Appl 17; KMR/Stöckel Vor § 449, 34. BGHSt 9 5.

71 72 73 74 75 76 77 78 79

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b) Vollstreckung. Bei beschränkter Auslieferungsbewilligung zur Strafvollstreckung bei einer Gesamtstrafe besteht hinsichtlich der nicht von der Bewilligung gedeckten Einzelstrafen ein Vollstreckungshindernis.80 Insoweit stellt sich die Frage, wie sich dieses auf die Vollstreckbarkeit der ursprünglichen Gesamtstrafe auswirkt. Nach der in der Rechtsprechung herrschenden Meinung gebietet es der im Auslieferungsrecht geltende Grundsatz der Spezialität, die Gesamtstrafe aufzulösen und in entsprechender Anwendung von § 460 unter Ausscheidung der Einzelstrafen für die nicht von der Auslieferungsbewilligung erfassten Straftaten eine neue Gesamtstrafe zu bilden.81 Demgegenüber wird im Schrifttum überwiegend die Auffassung vertreten, es handele sich um eine Frage der Strafzeitberechnung, die auf Antrag der Vollstreckungsbehörde im Verfahren nach den §§ 458, 462, 462a zu klären sei.82 Die Auffassung, das Gericht des ersten Rechtszuges habe den Umfang des partiellen Vollstreckungshindernisses durch eine fiktive Ausklammerung des nicht berücksichtigungsfähigen Strafanteils zu konkretisieren, der die ursprüngliche Gesamtstrafe unberührt lasse und nach Wegfall der Spezialitätsbindung keine erneute Gesamtstrafenbildung erfordere, ist allerdings vereinzelt geblieben.83

III. Auflösung der früheren Gesamtstrafe 27

1. Grundsatz. Bei der Bildung der Gesamtstrafe wird grundsätzlich84 eine bereits für einzelne Strafen rechtskräftig gebildete frühere Gesamtstrafe aufgelöst und aus den ihr zugrunde liegenden Einzelstrafen die neue Gesamtstrafe gebildet. Fehlerhaft ist der Ausspruch, dass die Einzelstrafen der aufgelösten Gesamtstrafe in Wegfall kommen.85 Ist die Auflösung im Gesamtstrafenbeschluss nicht ausdrücklich zum Ausdruck gekommen, so kann sie unter Umständen aus der Höhe der neu gebildeten Gesamtstrafe entnommen werden.86 Die Auflösung ist auch dann geboten, wenn nicht alle Einzelstrafen der früher gebildeten in die neue Gesamtstrafe einbezogen werden können.87 Gegebenenfalls sind mehrere Gesamtstrafen zu bilden.88 2. Verbot der reformatio in peius

28

a) Allgemeines. Nach dem Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 und § 358 Abs. 2 Satz 1 darf das Rechtsmittelgericht das Urteil des Erstgerichts nicht zum Nachteil des Angeklagten abändern, wenn nur dieser, sein gesetzlicher Vertreter oder zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft dieses Urteil mit der Berufung oder Revision angefochten hat. Das Verschlechterungsverbot hat danach zum Ziel, dem Angeklagten die durch das erstinstanzliche Urteil geschaffene Rechtslage zu erhalten. Mit dem Verbot

80 BGH StraFo 2020 38; StV 2017 248; NStZ 2014 590. 81 OLG Stuttgart NJW 1980 1240; OLG Frankfurt NStZ-RR 2000 189; OLG Oldenburg NStZ 2004 405; OLG Nürnberg NStZ 1998 534; OLG Hamm NJW 1979 2484. 82 Meyer-Goßner/Schmitt 4; KK/Appl 18; Hermes NJW 1979 2483; Hermes/Schulze NJW 1980 2622; LR/ Wendisch25 § 458, 4. 83 OLG Karlsruhe NStZ 1999 639. 84 Enger Bringewat § 460, 19: ausdrücklich. 85 BGHSt 12 99. 86 OLG Saarbrücken JBl. Saar 1962 149. 87 BGHSt 9 5; BayObLG NJW 1955 1488; Bringewat § 460, 20; a. A. OLG Breslau DRiZ 1935 683. 88 BGH GA 1955 244; 1963 374; OLG Hamburg MDR 1965 760; Bringewat § 460, 20.

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soll sichergestellt werden, dass der Angeklagte bei seiner Entscheidung darüber, ob er von dem ihm zustehenden Rechtsmittel Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung der Nachteil einer höheren Bestrafung entstehen.89 Diese Erwägungen gelten (mit gewissen Einschränkungen) auch für das Be- 29 schlussverfahren nach § 460.90 Hier soll der Verurteilte nicht dadurch benachteiligt – allerdings auch nicht bevorzugt – werden,91 dass bei früheren Entscheidungen die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe außer Betracht geblieben sind und seine Taten, obwohl das möglich war, nicht in einem, sondern in verschiedenen Verfahren abgeurteilt worden sind92 mit der Folge, dass nicht eine Gesamt-, sondern mehrere (Gesamt-)Strafen, und zwar möglicherweise mit einer höheren Strafe, festgesetzt worden sind, als das bei gleichzeitiger Verurteilung der Fall gewesen wäre. Das Beschlussgericht soll gehindert sein, die von den Erstrichtern festgesetzte Rechtsfolge im Rahmen seiner Gesamtstrafenentscheidung zu verschlechtern. b) Folgerungen. Auch wenn die frühere(n) Gesamtstrafe(n) durch die Bildung einer 30 oder mehrerer neuer Gesamtstrafen ihre rechtliche Bedeutung verloren hat, wirken die früheren Entscheidungen insofern weiter, als die neue(n) Gesamtstrafe(n) die Summe der bisherigen Gesamtstrafe(n) nicht überschreiten darf.93 In gleicher Weise wäre es, mag auch eine Gesamtstrafenbildung grundsätzlich zum Wegfall einer für die Einzelstrafen bewilligten Strafaussetzung führen, eine unzulässige Verschlechterung, eine bei der ersten Gesamtstrafenbildung bewilligte Strafaussetzung bei der späteren Gesamtstrafe wegfallen zu lassen, wenn in dieser nur ein Teil der früheren Einzelstrafen, aber keine neuen Strafen zusammengefasst werden.94 Die unterste Grenze für die neue Gesamtstrafe bildet die frühere Gesamtstrafe. Eine andere Handhabung würde eine dem Vollstreckungsgericht nicht zustehende Korrektur der früheren Entscheidung bedeuten.95 Beim Zusammentreffen von Freiheits- und Geldstrafen ist Folgendes zu beach- 31 ten: Hat das Erstgericht es abgelehnt, aus einer Geld- und Freiheitsstrafe eine Gesamtstrafe zu bilden, muss es bei dieser Entscheidung bleiben. Sie ist eine eindeutige Rechtsfolgenentscheidung, an die das nach § 462 zuständige Beschlussgericht insoweit gebunden ist, als es die gesonderte Entscheidung nicht durch eine Gesamtfreiheitsstrafe ersetzen darf. Da die Freiheitsstrafe im Verhältnis zur Geldstrafe das schwerere Übel ist, würde der Verurteilte durch die mit der Erhöhung der Freiheitsstrafe verbundenen Einbeziehung der Geldstrafe gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt der früheren 89 BGHSt 35 208 = JR 1989 203 mit Anm. Böttcher; Gollwitzer JR 1983 167; Ruß NStZ 1983 138. 90 OLG Saarbrücken NJW 1968 310; OLG Hamm MDR 1975 948; OLG Oldenburg Rpfleger 1979 428 mit Anm. Fabian; KK/Appl 21; Meyer-Goßner/Schmitt 19; Anwendung des Verschlechterungsverbots im Beschlussverfahren nach § 460 ausdrücklich offen gelassen, BVerfG StV 2018 350: Verschlechterungsverbot verhindere die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe jedenfalls nicht ausnahmslos; vielmehr sei stets eine „ganzheitliche Betrachtung“ erforderlich; a. A. Bringewat GSt 350; StV 1993 50; NStZ 2009 542; LG Lüneburg NStZ 2009 573, Berlin NJW 2000 3796; LG Halle NStZ 1996 456. 91 BGHSt 55 220; BGH NStZ-RR 2016 275; StV 2018 411, 489. 92 BGHSt 7 180; 32 190; 33 131, 367; 35 208. 93 RGSt 46 183; 48 277; BGHSt 7 180; 9 5; 370; 15 164; 32 190; BayObLG NJW 1971 1193; OLG Hamm JMBlNRW 1955 60; MDR 1975 948; GA 1976 99; OLG Oldenburg Rpfleger 1979 428; OLG Karlsruhe NStZ 1987 187; Oske MDR 1965 63; Küper MDR 1970 888; Maiwald JR 1980 353; Meyer-Goßner/Schmitt 19. 94 OLG Hamm GA 1976 99. 95 RGSt 6 283; 44 302; BGHSt 7 183; Bringewat GSt 355; NStZ 1988 72; 1990 50; KK/Appl 27; MeyerGoßner/Schmitt 15; a. A. BGHSt 15 164; offen gelassen OLG Köln JMBlNRW 1964 107; SK/Paeffgen 21.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Verurteilung schlechter gestellt.96 Das zu verhindern ist der Zweck des prozessualen Verschlechterungsverbots, der dahin geht, dem Verurteilten die Vorteile einer früheren Rechtsfolgenentscheidung zu erhalten.97 Anders liegt der Fall dann, wenn dem Erstgericht die Verurteilung zu einer Geld32 strafe nicht bekannt war und es sich deshalb mit der Möglichkeit, entweder eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden oder gesondert auf eine Geldstrafe zu erkennen, nicht befasst hat. In diesem Fall stellt sich das Problem der Schlechterstellung nicht, weil eine diesem Grundsatz unterliegende Rechtsfolgenentscheidung gar nicht vorliegt. Denn wenn das Erstgericht mangels Kenntnis keine Gesamtstrafe gebildet hat, deren Voraussetzungen aber objektiv gegeben waren, kann das Verschlechterungsverbot nach den in Rn. 29 und 30 erörterten Erwägungen nicht eingreifen.98

IV. Bemessung der Gesamtstrafe 33

Für die Bemessung der Gesamtstrafe gelten im Übrigen die Grundsätze, die bei Anwendung der §§ 54, 55 StGB zu beachten sind, mit den Einschränkungen, die sich ohne weiteres daraus ergeben, dass das Gericht nach § 460 die Gesamtstrafe lediglich aus Strafen zu bilden hat, die bereits rechtskräftig festgesetzt sind, und dass es nicht aufgrund einer Hauptverhandlung, sondern aufgrund der Akten im schriftlichen Verfahren entscheidet. Demgemäß kommen etwa die von Dreher99 angestellten Erwägungen, die für den nach §§ 53 bis 55 erkennenden Richter beachtlich sind, hier nur in beschränktem Umfang in Betracht. Die allgemeinen Grundsätze für die Bemessung der Gesamtstrafe ausführlicher darzustellen, ist hier nicht der Raum. Nur Folgendes sei hervorgehoben: Die Rechtmäßigkeit der früheren Verurteilungen, die Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der erkannten Strafen hat das nach § 460 entscheidende Gericht grundsätzlich (s. aber Rn. 34) nicht zu prüfen.100 Es wäre eine unzulässige Korrektur der rechtskräftigen Urteile, wenn das nachträglich entscheidende Gericht seine Bedenken gegen diese bei der Bemessung der Gesamtstrafe berücksichtigen würde. Das gilt auch für eine früher gebildete Teilgesamtstrafe. Wesentliche Strafzumessungsgesichtspunkte, die in den rechtskräftigen Urteilen unberücksichtigt geblieben sind, kann auch das Gericht nach § 460 nicht berücksichtigen, soweit sie über die aus einer Gesamtschau der Straftaten (Rn. 47) sich ergebenden neuen Gesichtspunkte hinausgehen.101 Dem Grundgedanken des § 54 Abs. 2 StGB entspricht es dabei, dass in der Regel die neue Gesamtstrafe der Summe von aufgelöster Gesamtstrafe und Einzelstrafe „nicht zu nahe kommt“, also nicht nur unwesentlich hinter ihr zurückbleibt, es sei denn, dass besondere (dann aber im Einzelnen darzulegende) Gründe es rechtfertigen, den Raum bis zur Erreichung der Summe voll auszuschöpfen.102 Eine nur geringfügige Erhöhung der Einsatzstrafe (der 96 BGH bei Holtz MDR 1977 109; BGHSt 35 208; OLG Karlsruhe NStZ 1983 137; Ruß NStZ 1983 138; Gollwitzer JR 1983 167; im Ergebnis – wenn auch mit anderer Begründung – auch Bringewat § 460, 15.

97 BayObLGSt 1972 162; 1974 102; 1979 105; OLG Hamm MDR 1972 162; OLG Düsseldorf StV 1993 31, 34; Bender NJW 1971 191; Meyer-Goßner/Schmitt 20.

98 BGHSt 35 208 = JR 1989 203 mit zust. Anm. Böttcher; BayObLGSt 1979 105; OLG Hamm MDR 1977 861; NStZ-RR 2008 235; Bringewat GSt 284, 332; StV 1993 50, Fn. 20; Meyer-Goßner/Schmitt 20; a. A. OLG Karlsruhe NStZ 1983 117 mit abl. Anm. Ruß = JR 1983 164 mit abl. Anm. Gollwitzer; Maiwald JR 1980 356. 99 JZ 1957 156. 100 Horn NStZ 1991 117; Bringewat § 460, 28, 54; Meyer-Goßner/Schmitt 15. 101 Schweling GA 1955 302; Bringewat § 460, 29. 102 BGHSt 24 268, 271 = NJW 1972 454 mit Anm. Jagusch; OLG Hamm JMBlNRW 1955 60; OLG Köln NJW 1953 1684; Bringewat GSt 178 ff.; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 15.

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aufgelösten Gesamtstrafe) trotz weiterer erheblicher Strafen kann einen Ermessensmissbrauch darstellen, sofern dies nicht durch wohlerwogene, der Darlegung bedürftige Gründe gerechtfertigt ist.103 Auch bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung besteht die Möglichkeit, Geld- und Freiheitsstrafen gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB nebeneinander bestehen zu lassen, wenn dadurch im Rahmen einer schuldangemessenen Ahndung der Taten die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann.104

V. Berücksichtigung von Rechtsfehlern in früheren Urteilen Die Rechtsprechung neigt dazu, in dem Bestreben, offensichtliche Fehler nicht zu 34 verewigen, Ausnahmen von dem Grundsatz zuzulassen, dass dem Gericht, das zur nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 460 berufen ist, die Nachprüfung der rechtskräftigen Einzelurteile auf ihre Gesetzmäßigkeit verwehrt ist. So wird es als zulässig angesehen, offensichtliche Versehen in dem Umfang, wie es auch dem Rechtsmittelgericht unter Beachtung des Verbots der reformatio in peius zusteht, im Gesamtstrafenbeschluss zu berücksichtigen und z. B. dann, wenn in eine nach § 55 StGB gebildete Teilgesamtstrafe zu Unrecht eine bereits verbüßte Strafe einbezogen war, diesen Fehler durch Herauslassung der Einzelstrafe aus dem neuen Beschluss, im Übrigen aber ohne Schlechterstellung des Verurteilten zu berichtigen.105 Nach Ansicht des Reichsgerichts106 ist eine unzulässige Nebenstrafe oder offen- 35 sichtlich zu Unrecht angeordnete Maßregel der Besserung und Sicherung nicht in den Gesamtstrafenbeschluss zu übernehmen. In der Lehre107 wird teilweise sogar die Ansicht vertreten, dass eine Einzelstrafe, die wegen Verjährung oder eines anderen Verfahrenshindernisses nicht hätte ausgesprochen werden dürfen, nicht in die Gesamtstrafe einbezogen werden darf, weil darin eine Fortsetzung des (wegen des Verfahrenshindernisses) unzulässigen Verfahrens läge. Aber ein Verfahrenshindernis, das übersehen wurde, wird mit der Rechtskraft des Urteils bedeutungslos.108 Dem nach § 460 tätig werdenden Gericht die Befugnis zuzusprechen, übersehene Verfahrenshindernisse auch nach rechtskräftigem Abschluss des früheren Verfahrens Bedeutung beizumessen und die fehlerhafte Entscheidung bei Bildung der Gesamtstrafe unberücksichtigt zu lassen, liefe auf eine unverhüllte und unzulässige Nachprüfung der früheren Entscheidungen hinaus.109 Eine fehlerhafte Einbeziehung von Strafen aus mehreren, untereinander nicht gesamtstrafenfähigen Vorverurteilungen beschwert einen Angeklagten nicht.110 Der in einem rechtsstaatswidrig verzögerten Verfahren rechtskräftig nach der Vollstreckungslösung gewährte Vollstreckungsnachlass ist ungeschmälert in eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung zu übernehmen.111 103 104 105 106 107 108 109

BGHSt 5 57. LG Regensburg StV 2000 214 Ls. AG Göttingen NJW 1953 1404. RG HRR 1940 Nr. 178; RGSt 75 213. Jescheck JZ 1956 418. Vgl. LR/Kühne Einl. Abschnitt K 75, 91; LR/K. Schäfer24 Einl. 12 53 ff. BGH JZ 1956 417; GA 1982 177; OLG Schleswig SchlHA 1976 43; OLG Koblenz MDR 1975 73; OLG Karlsruhe NStZ 1987 186; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2003 180 f.; Bringewat GSt 355; Meyer-Goßner/Schmitt 7; a. A. Jagusch JZ 1956 418. 110 BGH NStZ-RR 2013 222. 111 BGHSt 52 124, 138; BGH NJW 2009 3734; NStZ 2012 316; OLG Rostock Beschl. vom 23.8.2012 – I Ws 155/12.

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VI. Nebenfolgen 36

Nach § 55 Abs. 2 StGB sind die dort bezeichneten Rechtsfolgen (Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen nach § 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden. Damit weicht das geltende Recht konstruktiv von der früheren Rechtshandhabung ab.112 Durch die „Aufrechterhaltung“ erscheinen die früher festgesetzten Nebenfolgen als weiterhin geltende Bestandteile der Einzelstrafen, nicht wie bei einer „Neufestsetzung“ als Bestandteil der einheitlichen Gesamtstrafe. Es hat auch an sich die Einschränkung in § 55 Abs. 2 StGB („soweit sie nicht … gegenstandslos werden“) keine Bedeutung für das Beschlussgericht des § 460, da er, anders als der erkennende Richter im Fall des § 55 StGB, keine weitere Tat aburteilt, sondern nur aus den bereits vorliegenden Entscheidungen die Gesamtstrafe bildet.113 Da indessen die Gesamtstrafenbildung nach § 460 einen „behelfsmäßigen Ersatz“ dafür bietet, den Verurteilten so zu stellen, wie er an sich gestanden hätte, wenn die Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB hätte durchgeführt werden können,114 und die Folgerungen aus der in § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB angeordneten Gesamtschau zu ziehen sind, haben letztlich die unter der Geltung des § 79 StGB a. F. entwickelten Grundsätze weitgehend ihre Bedeutung behalten. Insbesondere gilt auch weiterhin, dass Rechtsfolgen i. S. des § 55 Abs. 2 StGB, die nicht ausdrücklich in der Beschlussformel aufrechterhalten werden, mit der Rechtskraft des Beschlusses ihre Bedeutung verlieren.115 Bei der Neufestsetzung einer Höchstfrist der Nebenfolgen (z. B. bei §§ 44, 69, 69a, 70a StGB) sind die bis dahin abgelaufenen Fristen anzurechnen.116 Wegen der Einzelheiten wird auf die Kommentierungen zu § 55 Abs. 2 StGB verwiesen. Wegen der Behandlung anzurechnender Untersuchungshaft s. Rn. 56. VII. Strafaussetzung zur Bewährung 1. Grundsatz

37

a) Allgemeines. Wie sich eindeutig aus § 58 StGB ergibt, findet die in § 460 vorgeschriebene Gesamtstrafenbildung auch dann statt, wenn eine oder mehrere oder auch alle der in Gesamtstrafenzusammenhang stehenden Einzelstrafen gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt worden sind. Dabei hat das Verfahren nach § 460 regelmäßig Vorrang vor einem Widerrufsverfahren.117 Wurde jedoch dem Erfordernis einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung über einen langen Zeitraum nicht Rechnung getragen, so gebührt dem Straferlass der Vorrang vor einer Gesamtstrafenbildung.118 Mit der Bildung der Gesamtstrafe verlieren die in die Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen ihre selb-

Zur früheren Rechtslage vgl. LR/Wendisch25 37 f. Bringewat GSt 351; KK/Appl 22. BGHSt 12 5; 23 297. BGH NJW 1979 2113; OLG Celle StraFo 2011 416; Bringewat GSt 351; § 460, 34; KK/Appl 20; MeyerGoßner/Schmitt 17, 18. 116 BGHSt 24 205; BGH NStZ 1996 433; StRR 2008 203; LG Zweibrücken VRS 112 (2007) 271; OLG Celle MDR 1976 160; OLGSt § 460 StPO, 1; OLG Düsseldorf JR 1984 508; Fischer § 55, 29 ff.; LK/Rissing-van Saan § 55, 56. 117 KG StV 2018 353. 118 OLG Karlsruhe StV 2018 360 Ls. (Zeitraum: 7 Jahre).

112 113 114 115

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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ständige Bedeutung. Damit wird die Strafaussetzung zur Bewährung gegenstandlos.119 Eines förmlichen Widerrufs bedarf es nicht.120 Erfolgt er gleichwohl, so hat er lediglich deklaratorische Bedeutung. Über die Aussetzung der Gesamtstrafe nach § 56 StGB, sofern die Höhe der Gesamtstrafe eine Aussetzung noch zulässt,121 entscheidet nunmehr neu und ohne Bindung an die bezüglich der Einzelstrafen getroffenen Entscheidungen das die Gesamtstrafe bildende Gericht im Gesamtstrafenbeschluss.122 Das gilt auch dann, wenn eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe zusammengezogen werden, das Beschlussgericht aber von § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB Gebrauch macht.123 Selbst wenn es die Bewährungszeit nicht abändert, beruht sie fortan auf seinem Beschluss nach § 460 und nicht mehr auf dem ursprünglichen Strafurteil und Bewährungsbeschluss.124 b) Beispiele. Waren sämtliche Einzelstrafen zur Bewährung ausgesetzt, so wird in 38 der Regel auch das die Gesamtstrafe bildende Gericht zu einer Aussetzung der Gesamtstrafe kommen. Es kann aber von der Aussetzung absehen, wenn ihm aus seiner Gesamtschau neue, den Richtern der Einzelstrafen unbekannte Gesichtspunkte bekannt geworden sind.125 War für alle Einzelstrafen die Aussetzung abgelehnt worden, so kommt sie nur dann für die Gesamtstrafe in Betracht, wenn aufgrund neuer Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung nach § 460 die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 StGB vorliegen.126 Wird die Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so muss auch die Bewährungsfrist neu festgesetzt werden.127 Sie beginnt mit der Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses. Diese Bewährungsfrist beträgt wiederum mindestens zwei Jahre (§ 56a Abs. 2 StGB). Wegen der „Anrechnung“ der für eine Einzelstrafe erteilten und in Lauf gesetzt gewesenen Bewährungszeit vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 StGB. Der Widerruf (§ 56f StGB) einer für die Einzelstrafe gewährten Strafaussetzung zur 39 Bewährung hindert an sich die Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe, in die die Einzelstrafe einbezogen wird, nicht.128 Doch wird es dann regelmäßig an den Voraussetzungen des § 56 StGB für die Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe fehlen. Die Anfechtung des Gesamtstrafenbeschlusses (§ 462 Abs. 3 Satz 1) kann auf die Entscheidung über die Aussetzung beschränkt werden.129 Für die nachträglichen Entscheidungen gilt § 453. Das 119 BGH StraFo 2004 430; OLG Düsseldorf StV 2000 565; NStZ 1999 533; KG NJW 2003 2468; NStZ 2007 422.

120 BGHSt 7 180; 8 203, 204; 254, 260; BGH GA 1982 177; OLG Zweibrücken NJW 1968 310; OLG Düsseldorf JR 1984 508; Meyer-Goßner/Schmitt 17.

121 BayObLG NJW 1972 2011. 122 BGHSt 7 180; 8 260; 9 370; 385; 30 168, 170; BGH NJW 1955 1485; 2003 2841; GA 1966 208; BGH NStZ-RR 2020 7; BayObLG NJW 1956 1210; OLG Stuttgart NJW 1968 173; OLG Hamm MDR 1975 948; OLG Karlsruhe MDR 1976 862; OLG Hamburg MDR 1981 246; OLG Düsseldorf JR 1984 508; OLG Koblenz MDR 1991 471 mit Anm. Beulke; Horn NStZ 1991 118; Bringewat § 460, 45, 46; KK/Appl 25; Meyer-Goßner/Schmitt 17. 123 LG Regensburg StV 2000 214. 124 OLG Düsseldorf StV 1984 382; KK/Appl 25; a. A. OLG Karlsruhe StV 1985 243. 125 BGHSt 30 168, 170; BGH NStZ-RR 2020 7; OLG Hamm MDR 1975 548; OLG Karlsruhe MDR 1976 862; Bringewat § 460, 47; Meyer-Goßner/Schmitt 17; a. A. OLG Zweibrücken NJW 1968 310; KK/Appl 25a. 126 So auch KK/Appl 25a, KMR/Stöckel 41; a. A. SK/Paeffgen 22; Meyer-Goßner/Schmitt 17; LR/Wendisch25 41. 127 Bringewat § 460, 51; Meyer-Goßner/Schmitt 17. 128 Bringewat GSt 323; Meyer-Goßner/Schmitt 17; a. A. OLG Zweibrücken NJW 1968 310. 129 OLG Zweibrücken NJW 1968 612; Bringewat § 460, 56; KK/Appl 32b; Meyer-Goßner/Schmitt 24.

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§ 460

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Gericht, das die Gesamtfreiheitsstrafe gebildet und zur Bewährung ausgesetzt hat, ist auch dann für die Überwachung der Lebensführung (§ 453b) und die die Gesamtfreiheitsstrafe betreffenden Folgeentscheidungen zuständig, wenn eine der Einzelstrafen nach Teilverbüßung von der Strafvollstreckungskammer zur Bewährung ausgesetzt war. § 462a Abs. 1 Satz 2 steht nicht entgegen, weil mit dem Wegfall der Strafaussetzung durch Einbeziehung der Einzelstrafe in die Gesamtstrafe die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer entfallen ist.130 War mit dem Vollzug einer Einzelstrafe begonnen, so steht nicht mehr Strafaussetzung, sondern nur die Aussetzung des Strafrestes nach § 454 in Frage.131 40

2. Ausnahmen. Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die früher bewilligte Strafaussetzung bei Einbeziehung in eine Gesamtstrafe hinfällig wird, können sich unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Verschlechterung bei einer lediglich technisch begründeten Neugruppierung von Einzelstrafen aus einer in eine andere Gesamtstrafe ergeben, so wenn zunächst eine Gesamtstrafe unter Aussetzung zur Bewährung gebildet und demnächst eine neue Gesamtstrafe unter Eingliederung aus der früheren Gesamtstrafe entnommener Einzelstrafen, aber ohne Hinzutritt einer neuen Verurteilung gebildet wird (Rn. 28 ff.).132

VIII. Verfahrensfragen 1. Zuständigkeit. Wegen der Zuständigkeit zur Bildung der Gesamtstrafe vgl. die Erl. zu § 462a Abs. 3 und wegen der Zuständigkeit des die Gesamtstrafe bildenden Gerichts zu deren Aussetzung zur Bewährung oben Rn. 39 a. E. 42 Durch das 1. JuMoG ist durch die Einführung des § 354 Abs. 1b Satz 1 dem Revisionsgericht ermöglicht, bei Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe die nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe dem Verfahren nach §§ 460, 462 zu überlassen,133 das dann auch in aller Regel über die Kosten der Revision entscheidet.134 Die Kostenentscheidung muss jedoch dann nicht dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 vorbehalten bleiben, wenn im Revisionsverfahren sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten nur einen geringfügigen Teilerfolg haben kann. In einem solchen Fall kann das Revisionsgericht die Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 1 und 4 selbst treffen.135 Eine neu zu treffende Entscheidung über den Strafausspruch kann jedoch nicht nach § 354 Abs. 1b dem Beschlussverfahren nach §§ 460, 462 überlassen werden, wenn noch eine Entscheidung über einen Härteausgleich zu treffen ist, denn eine solche Entscheidung fällt nicht in den Regelungsbereich dieser Vorschriften.136 41

43

2. Verfahren. Das Verfahren nach § 460 ist unabhängig von etwaigen Anträgen des Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft von Amts wegen unter Beachtung des Be130 131 132 133

OLG Hamm NJW 1976 1648; OLG Düsseldorf JMBlNRW 1978 201; KK/Appl 32a. BayObLG NJW 1957 1810. OLG Hamm MDR 1975 948; a. A. Bringewat GSt 323. Vgl. dazu im Einzelnen Franke GA 2006 261; Frisch StV 2006 431; Knauer/Wolf NJW 2004 2932; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 81. 134 BGH NStZ-RR 2015 20. 135 BGH NStZ-RR 2011 306. 136 BGH NStZ-RR 2016 251.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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schleunigungsgebots137 einzuleiten.138 Der Vollstreckungsbehörde obliegt stets die Prüfung, ob eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt. Der Rechtspfleger der Vollstreckungsbehörde legt ggf. die Akten dem Staatsanwalt vor. Die Staatsanwaltschaft stellt alsdann, sofern die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach ihrer Auffassung vorliegen, als Strafverfolgungsbehörde einen entsprechenden Antrag bei Gericht.139 Vor der Entscheidung ist der Verurteilte zu hören (§ 462 Abs. 2 Satz 1). Die Anhörung des Verurteilten (§ 462 Abs. 2) muss ihm die Möglichkeit geben zu erkennen, dass er seine eigenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zur Höhe der Gesamtstrafe geltend machen kann.140 Von der obligatorischen Anhörung der Staatsanwaltschaft darf nur dann abgesehen werden, wenn diese den Antrag auf nachträgliche Gesamtstrafenbildung gestellt hat. Hat der Verurteilte oder dessen Verteidiger zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft Stellung genommen, so muss das Gericht der Staatsanwaltschaft vor einer Entscheidung noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme geben. 3. Pflichtverteidigerbestellung. Eine erfolgte Bestellung eines Pflichtverteidigers 44 nach § 140 Abs. 1 und 2 endet zwar grundsätzlich mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens, wirkt allerdings ausdrücklich für das Verfahren der nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 460 fort (§ 143 Abs. 1).141 Die vollstreckungsrechtliche Sachoder Rechtslage ist regelmäßig dann schwierig und gebietet die Bestellung eines Verteidigers im Verfahren nach § 460, wenn die Höhe der zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafe oder die persönlichen Umstände des Verurteilten es zweifelhaft erscheinen lassen, ob die Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann.142 Die Rechtslage ist ferner schwierig, wenn bei einem Beamten oder einem einer sonstigen berufsrechtlichen Aufsicht unterstehenden Verurteilten (z. B. Arzt, Rechtsanwalt, Pfarrer) eine Gesamtstrafe in Betracht kommen kann, die mit erheblichen beruflichen Konsequenzen von Gesetzes wegen verbunden ist bzw. sein kann (z. B. Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, Widerruf der Zulassung).143 4. Begründung der Gesamtstrafe a) Grundsatz. Der Gesamtstrafenbeschluss muss, da er nach § 462 Abs. 3 Satz 1 mit 45 der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist, nach § 34 mit Gründen versehen sein.144 Für die Begründung der Strafzumessung durch Urteil bestimmt § 267 Abs. 3, dass die Urteilsgründe die Umstände anführen müssen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Dies gilt grundsätzlich auch für die Bemessung der Gesamtstrafe.145 Hier ist indessen zu berücksichtigen, dass diese ihren Ausgang von den ausgeworfenen Einzelstrafen nimmt und dass deren Höhe bereits im Urteil begründet ist, ferner dass die Ermessensausübung bei der Erhöhung der Einzelstrafe sich trotz der Bemühungen um

137 OLG Karlsruhe StV 2018 360 Ls. 138 RGSt 5 1; OLG Hamm MDR 1975 548; Bringewat GSt 357; § 460, 52; KK/Appl 31; Meyer-Goßner/Schmitt 22; Pohlmann/Jabel/Wolf § 43, 1. Röttle/Wagner Rn. 1079. OLG Köln NJW 1953 275. LR/Jahn § 143, 6. KG StV 2019 175 Ls. (drohende Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr). KG StV 1983 186; OLG Stuttgart NStZ 1991 505; OLG Düsseldorf wistra 1997 318. LG Zweibrücken VRS 120 (2011) 316; LG Duisburg StV 2018 354 Ls. OLG Düsseldorf MDR 1993 375; Bringewat GSt 354; Meyer-Goßner/Schmitt 16.

139 140 141 142 143 144 145

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die Schaffung eines rational aufgebauten Strafzumessungsrechts weithin der rationalen Begründung entzieht. b) Umfang. Für die Gesamtstrafenbildung nach § 79 StGB a. F. hatte der Bundesgerichtshof146 entschieden, dass ein besonderer Anlass zur Begründung gerade der Gesamtstrafenbemessung im Allgemeinen nur dann besteht, wenn die Gesamtstrafe, ohne dass Gründe dafür aus der Urteilsbegründung im Übrigen zu entnehmen sind, in auffälliger Weise der oberen oder unteren Grenze des zur Verfügung stehenden Rahmen sehr nahe kommt. Eine Änderung der Rechtslage ist demgegenüber insofern eingetreten, als nach 47 § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB bei der Bildung der Gesamtstrafe die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Die Bestimmung der Gesamtstrafe ist danach ein gesonderter Strafzumessungsvorgang aus der Gesamtschau aller Einzeltaten.147 Dadurch ist der Begründungszwang für die Gesamtstrafe erhöht worden.148 Bei einer gebotenen eingehenderen Begründung ist es unvermeidlich, dass sich eine völlige Trennung der für die Einzel- und die Gesamtstraffestsetzung maßgeblichen Gesichtspunkte nicht durchführen lässt, so dass sie einmal isoliert für die Einzeltat, zum anderen in ihrer Auswirkung auf die Gesamtheit der Taten zusammenfassend berücksichtigt werden können. Doch brauchen im Urteil bei der Begründung der Gesamtstrafe nur die bestimmenden Zumessungsgründe in den Gründen dargelegt zu werden. In einfach gelagerten Fällen wird es nur weniger Hinweise bedürfen, wobei auch die gesamten Ausführungen des Urteils von Bedeutung sein können. Soweit Gesichtspunkte wie die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten schon bei der Bildung der Einzelstrafen erörtert worden sind, ist eine Bezugnahme hierauf zulässig. Eine erneute Darlegung würde sich in einer unnötigen Wiederholung erschöpfen. Eingehender hingegen wird die Höhe der Gesamtstrafe in der Regel dann begründet werden müssen, wenn die Einsatzstrafe nur geringfügig überschritten oder die Summe der Einzelstrafen nahezu erreicht wird.149

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c) Beschlussbegründung. Diese Grundsätze gelten auch für die Begründung der durch Beschluss nachträglich gebildeten Gesamtstrafe, für die § 267 Abs. 3 Satz 1 nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwendbar ist.150 Das Gericht, das die Gesamtstrafe zu bilden hat, schöpft die Gründe für seine Bemessung der Gesamtstrafe aus den Einzelurteilen und deren Strafzumessungsgründen. Diese Erwägungen im Gesamtstrafenbeschluss zu wiederholen wäre wenig sinnvoll und letztlich überflüssige Schreibarbeit. Nur wenn sich aus der Gesamtschau der Taten noch weitere wesentliche, auf die Bemessung der Gesamtstrafe einwirkende Gesichtspunkte ergeben, müssen diese Erwägungen in der Begründung des Beschlusses zum Ausdruck kommen.151 Fehlen sol146 BGHSt 8 210 unter Auseinandersetzung mit OLG Bremen NJW 1952 1069 und OLG Köln NJW 1953 275.

147 BGHSt 24 268 = NJW 1972 454 mit Anm. Jagusch; OLG Saarbrücken NJW 1975 1040; OLG Hamm NJW 1977 2087; OLG Koblenz GA 1978 188; OLG Düsseldorf StV 1983 333; 1986 376, 378; Bringewat § 460, 53; KK/Appl 27. 148 Fischer § 54, 7 ff.; § 55, 37. 149 BGHSt 8 205 (zur früheren Rechtsprechung); 24 268 = NJW 1972 mit Anm. Jagusch; OLG Bremen NJW 1952 1069; OLG Köln NJW 1953 275; OLG Düsseldorf MDR 1993 375; Bringewat § 460, 54; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 16. 150 OLG Koblenz OLGSt § 460 StPO, 11; Schorn JR 1964 45; Bringewat § 460, 53. 151 OLG Braunschweig NJW 1954 569; OLG Köln NJW 1953 275; OLG Hamm MDR 1968 168; OLG Düsseldorf MDR 1993 375; Bringewat GSt 354; Meyer-Goßner/Schmitt 16.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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che Erwägungen in dem Beschluss, obwohl sie nach Lage der Sache zu erwarten wären, insbesondere also bei einem „zu nahe Herankommen“ an die obere oder untere Grenze des Zulässigen, so ist nicht erkennbar, ob die Zumessung auf wohlerwogenen Gründen oder auf einem Übersehen der maßgeblichen Zumessungsgesichtspunkte beruht. Das Unterlassen einer näheren Begründung stellt dann einen Verfahrensverstoß dar.152 So ist das Gericht gehalten zu begründen, warum es davon abgesehen hat, Geldstrafen gesondert bestehen zu lassen und aus ihnen eine Gesamtgeldstrafe zu bilden, wenn die Erhöhung der Freiheitsstrafe und die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Gesamtstrafen im Vergleich zur Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe und einer Gesamtgeldstrafe das schwerere Strafübel darstellt.153 5. Rechtsmittel. Gegen den Beschluss können die Staatsanwaltschaft und der Ver- 49 urteilte sofortige Beschwerde einlegen (§ 462 Abs. 3 Satz 1).154 Legt der Verurteilte (oder die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten) sie ein, so gilt für die Beschwerdeinstanz das Verbot der reformatio in peius,155 mithin nichts anderes, als wenn die Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB durch Urteil gebildet worden wäre und der Angeklagte dagegen Berufung eingelegt hätte.156 6. Wirkung der Rechtskraft. Der rechtskräftige Beschluss setzt die Gesamtstrafe in 50 gleicher Weise unabänderlich fest wie ein Urteil nach §§ 53, 55 StGB.157 Zu Unrecht meint das LG Bochum,158 wenn sich die tatsächlichen Grundlagen eines rechtskräftigen Gesamtstrafenbeschlusses nach § 460 als unrichtig erwiesen, könne das Gericht, das ihn erlassen hat, ihn wieder aufheben. Die Rechtskraft schließt aber nicht aus, dass erneut das Verfahren nach § 460 zu betreiben und unter Auflösung der so gebildeten Gesamtstrafe eine neue Gesamtstrafe festzusetzen ist, wenn sich ergibt, dass noch eine weitere der Einbeziehung fähige und bedürftige Einzelstrafe vorhanden ist.159 Sofern in einem rechtskräftigen Gesamtstrafenbeschluss versehentlich eine Einzelstrafe in die Gesamtstrafe einbezogen worden ist, die zuvor bereits in eine andere rechtskräftig gebildete Gesamtstrafe einbezogen war, kann dieser Mangel nicht durch eine entsprechende Anwendung der §§ 359 ff. behoben werden,160 weil die Tatsache der früheren Einbeziehung aktenkundig war und damit nicht „neu“ im Sinne von § 359 Nr. 5 ist. Dieser Mangel kann ebenso wie eine doppelte Gesamtstrafenbildung durch zwei inhaltsgleiche rechtskräftige nachträgliche Gesamtstrafenbeschlüsse, die beide der Vollstreckung zugänglich sind, nur im Verfahren nach § 458 als Einwendung gegen die Zulässigkeit der Strafvollstre152 BGHSt 24 268; OLG Hamm JMBlNRW 1955 60; OLGSt § 460 StPO, 7; OLG Düsseldorf MDR 1993 375; Bringewat § 460, 53; Meyer-Goßner/Schmitt 16.

153 OLG Jena StV 2005 677 Ls.; LG Regensburg StV 2000 214; zu den erhöhten Begründungserfordernissen bei einem Absehen von der Gesamtstrafenbildung Manthey 222.

154 BGH StraFo 2014 240. 155 Offen gelassen BVerfG StV 2018 106. 156 LG Zweibrücken NJW 1954 934; Bringewat GSt 354; KK/Appl 32b; Meyer-Goßner/Schmitt 24; a. A. LG Berlin NJW 2000 3796; LG Lüneburg NdsRpfl. 2008 405. 157 BayObLG HRR 1935 Nr. 1206; JZ 1951 523; OLG Hamm GA 1961 155; OLG Karlsruhe MDR 1976 862; OLG Düsseldorf MDR 1983 862; JR 1984 508 mit zust. Anm. Beulke; Bringewat GSt 356; § 460, 57; KK/Appl 33a; Meyer-Goßner/Schmitt 25. 158 Rpfleger 1962 441 mit abl. Anm. Pohlmann; abl. auch Bringewat GSt 356; KK/Appl 33a; Meyer-Goßner/Schmitt 25. 159 Bringewat § 460, 57; KK/Appl 33; OLG Hamm NStZ-RR 2014 75 Ls. 160 So aber OLG Saarbrücken NStZ-RR 2003 180; LG Krefeld NJW 1973 1205; LG Stuttgart NStZ 1997 455.

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ckung korrigiert werden.161 Auch bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung beginnt die Vollstreckungsverjährung erst mit der Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses.162 51

7. Vollstreckbarkeitsbescheinigung. Nach Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses bildet dieser allein die Vollstreckungsgrundlage.163 Es bedarf auch für den Gesamtstrafenbeschluss einer Vollstreckbarkeitsbescheinigung (§ 451, 53).164 Bis zur Rechtskraft sind die Einzelurteile weiterhin die Vollstreckungsgrundlage, doch sind in § 41 Abs. 2 StVollstrO die Vollstreckungsbehörden angewiesen, unter den dort bezeichneten Voraussetzungen den noch nicht rechtskräftigen Beschluss der Strafzeitberechnung vorläufig zugrunde zu legen. 8. Widerruf der Strafaussetzung wegen einer Straftat

52

a) Vor Erlass des Gesamtstrafenbeschlusses. Hat das Gericht die Vollstreckung der Gesamtstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so kann es den Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f StGB nicht auf Straftaten stützen, die der Verurteilte vor Erlass des Gesamtstrafenbeschlusses nach § 460 begangen hat.165

53

b) Nach Erlass, aber vor Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses. Entgegen der früher wohl überwiegend vertretenen Meinung166 ist es dagegen zulässig, den Aussetzungsbeschluss wegen einer (neuen) Straftat zu widerrufen, die der Verurteilte zwischen dem Erlass des Aussetzungsbeschlusses und dem Eintritt seiner Rechtskraft begangen hat.167

IX. Strafzeitberechnung 54

1. Grundsatz. Zur Berechnung der Strafzeit bei Gesamtstrafen vgl. § 41 StVollstrO. Ergänzend ist zu bemerken:

55

2. Beginn. Dass der Beginn der Vollstreckung der Gesamtstrafe, wenn zur Zeit ihrer rechtskräftigen Festsetzung eine der in sie einbezogenen Einzelstrafen bereits teilweise verbüßt war, vom Beginn der Vollstreckung dieser Einzelstrafe zu berechnen ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt.168 Maßgebend für den Beginn der Vollstreckung der Gesamtstrafe ist stets der Vollzugsbeginn bei der einbezogenen 161 OLG Jena OLGSt StPO § 458 Nr. 6; a. A. OLG Saarbrücken NStZ-RR 2003 180. 162 OLG Zweibrücken NStZ 1991 454; KK/Appl 33a; offen gelassen BGHSt 34 304. 163 § 451, 50; Bringewat § 460, 59; KK/Appl 33a; Meyer-Goßner/Schmitt 27; Pohlmann/Jabel/Wolf § 13, 2; KG NJW 2003 2468; OLG Düsseldorf NStZ 1999 533; OLG Celle StV 2012 549.

164 LG Bochum NJW 1957 194; Eb. Schmidt JZ 1962 449; Knetsch/Pohlmann Rpfleger 1957 75 und 999; Bringewat § 460, 59; KK/Appl 33a; Meyer-Goßner/Schmitt 27. 165 OLG Hamm NStZ 1987 382; OLG Karlsruhe NStZ 1988 364; OLG Düsseldorf StV 1991 30; VRS 98 (2000) 342; OLG Stuttgart MDR 1992 1067; KG NJW 2003 2468; KK/Appl 33a; Meyer-Goßner/Schmitt 26. 166 OLG Zweibrücken MDR 1976 333; OLG Karlsruhe MDR 1976 862; OLG Düsseldorf JR 1984 mit zust. Anm. Beulke; LR/Wendisch24 44. 167 OLG Karlsruhe NStZ 1988 364; OLG Stuttgart MDR 1962 1067; LG Hannover NdsRpfl. 1978 287; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2008 91; Bringewat § 460, 58; KK/Appl 33a; Meyer-Goßner/Schmitt 27. 168 BGHSt 21 187; BayObLGSt 19 (1920) 272; BayObLG NJW 1957 1810 – unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung BayObLGSt 2 (1903) 186 und 9 (1910) 267, 273, wonach der verbüßte Teil der Einzelstrafe vom Ende der Gesamtstrafe abgerechnet werden sollte; Köhler GerS 65 (1905) 32; Küster Rpfleger 1953 221.

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Einzelstrafe, mit deren Vollzug zuerst begonnen worden ist, ohne Rücksicht darauf, ob diese Einzelstrafe nur teilweise verbüßt ist und weitere einbezogene Freiheitsstrafen voll verbüßt oder im Vollzug begriffen sind.169 Der Vollzugsbeginn bei der ersten Einzelstrafe bleibt auch dann maßgebend, wenn sie bei Rechtskraft der Gesamtstrafenfestsetzung bereits voll verbüßt war („oder beendet ist“). Ist der Verurteilte nach Beendigung des Vollzugs dieser Einzelstrafe entlassen worden oder hat er anschließend eine nicht in die Gesamtstrafe einbezogene Freiheitsstrafe verbüßt, so rechnet die Zeit bis zu weiterer Verbüßung von in die Gesamtstrafe einbezogenen Strafen für die Gesamtstrafe als Strafunterbrechung. 3. Anrechnung von Untersuchungshaft. Eines Ausspruchs im Gesamtstrafenbe- 56 schluss über die Anrechnung von Untersuchungshaft, die bei den Einzelstrafen angerechnet wurde, auf die Gesamtstrafe bedarf es nicht,170 wie ja auch bei der Bildung der Gesamtstrafe nach § 55 StGB ein Ausspruch über die Anrechnung der Untersuchungshaft entfällt. Diese Anrechnung als Teil der Strafzeitberechnung ist vielmehr Aufgabe der Vollstreckungsbehörde und aufkommende Zweifel sind auf dem Weg der §§ 458, 462 gerichtlich zu klären.171 Es liegt hier anders als bei Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB), die, damit sie bestehen bleiben, in dem Gesamtstrafenbeschluss aufrechtzuerhalten sind (Rn. 37). Wenn allerdings in dem Gesamtstrafenbeschluss über die Anrechnung von Untersuchungshaft entschieden wurde und diese Entscheidung rechtskräftig geworden ist, so ist sie auch verbindlich.172 Die gesetzliche Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 51 StGB erfolgt auf die 57 Gesamtstrafe und reicht, falls Untersuchungshaft nicht in allen vorangegangenen Verfahren vollzogen worden war, nur bis zur Höhe derjenigen Einzelstrafen, auf die in den Verfahren erkannt worden ist, in denen die Untersuchungshaft vollstreckt worden war.173 Hat der Verurteilte jedoch in dem Verfahren, in dem die Gesamtstrafe gebildet worden ist, Untersuchungshaft, und zwar wegen einer Tat erlitten, die Gegenstand des Verfahrens war, dann ist sie selbst dann auf die in diesem Verfahren erkannte Strafe anzurechnen, wenn die Untersuchungshaft dessen Einzelstrafe überschreitet.174 Ist bei einer der einbezogenen Einzelstrafen gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB das Unterbleiben der Untersuchungshaftanrechnung angeordnet worden, so entspricht es wohl dem Gedanken der Gesamtschau (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB), dass das Gericht, das die Gesamtstrafenbildung vorzunehmen hat, prüft, ob die Nichtanrechnung auch gegenüber dem neuen Strafausspruch aufrechtzuerhalten ist.175

X. Jugendgerichtliches Verfahren 1. Einheit der Unrechtsfolgen. Im Verfahren gegen einen Jugendlichen (oder einen 58 Heranwachsenden bei Anwendung von Jugendstrafrecht), der mehrere Straftaten began169 170 171 172 173

Pohlmann/Jabel/Wolf § 41, 3. BGHSt 9 9; OLG Celle MDR 1966 346. BGHSt 21 186. OLG Hamm GA 1961 155; offen gelassen von BGHSt 21 186, 188. LK/Schneider § 51, 55; zu dem Gesamtproblem der Anwendung von Untersuchungshaft vgl. namentlich Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 10 bis 18. 174 BGHSt 23 297 = JR 1971 336 mit Anm. Koffka; OLG Hamm NJW 1972 2192; Pohlmann/Jabel/Wolf § 39, 15; KK/Appl § 450, 4. 175 BGHSt 25 355.

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gen hat, setzt der Jugendrichter bei gleichzeitiger Aburteilung nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder Jugendstrafe fest (§ 31 Abs. 1 JGG). 2. Nachträgliche Entscheidung nach § 66 JGG. Auch bei Aburteilung in verschiedenen Verfahren erkennt – Parallele zu § 55 StGB – der später erkennende Richter nach § 31 Abs. 2 JGG unter Einbeziehung des früheren Urteils nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe, und zwar ist die Rechtsfolge festzusetzen, die der Richter für alle Straftaten als angemessen ansieht.176 Ist bei Aburteilung von mehreren Taten in verschiedenen Verfahren die einheitliche Festsetzung nach § 31 Abs. 2 JGG unterblieben, so wird – Parallele zu § 460 – gemäß § 66 JGG die einheitliche Festsetzung nachträglich vorgenommen. Die Entscheidung kann aufgrund einer Hauptverhandlung durch Urteil oder ohne Hauptverhandlung durch Beschluss ergehen (§ 66 Abs. 2 JGG). 60 Die Zuständigkeit des Gerichts und die Durchführung des Beschlussverfahrens richten sich gemäß § 66 Abs. 2 Satz 3 JGG nach §§ 462, 462a StPO. Soweit § 462a Abs. 3 die Zuständigkeit von der schwersten Straftat abhängig macht, muss diese Vorschrift sinngemäß in der Weise angewendet werden, dass die Schwere des jugendgerichtlichen Reaktionsmittels den Ausschlag gibt.177 Ferner sind auch im Beschlussverfahren die nach Lage des Falles anwendbaren Sondervorschriften des Jugendgerichtsgesetzes über das Jugendstrafverfahren (insbesondere über Heranziehung der Jugendgerichtshilfe und Rechtsmittelbeschränkung nach § 55 Abs. 1 JGG) zu beachten.178 Ist eine Jugendstrafe teilweise verbüßt, so ist nach § 66 Abs. 2 Satz 4 JGG für die Nachtragsentscheidung der Richter zuständig, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen. 59

3. Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen a) Frühere Zweifelsfragen. Für den Fall, dass ein Täter mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen begangen hat, bestimmt § 32 JGG, dass für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, einheitlich das Jugendstrafrecht gilt, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden. Da die Regelung des § 32 JGG nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrift bewusst auf den Fall beschränkt ist, dass die mehreren Straftaten gleichzeitig abgeurteilt werden, ergaben sich Zweifel, was rechtens ist, wenn z. B. gegen einen Heranwachsenden in Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf eine Freiheitsstrafe erkannt ist und vor deren Verbüßung eine früher begangene Tat zur Aburteilung gelangt, die das jetzt erkennende Gericht aufgrund eingehenderer Persönlichkeitsforschung nur mit Jugendstrafe ahnden will. 62 Die gleiche Frage taucht auf, wenn gegen den heranwachsenden Täter nach Vollendung des 21. Lebensjahres auf eine (noch nicht verbüßte) Jugendstrafe erkannt ist und danach eine Tat abzuurteilen ist, die er vor der Verurteilung, aber schon als Erwachsener begangen hatte. Der Bundesgerichtshof179 erklärt die Bildung einer Gesamtstrafe des allgemeinen Strafrechts für ausgeschlossen, weil Jugend- und Erwachsenenstrafen ihrem Wesen nach völlig verschiedene Strafübel seien und das Gesetz keine Umwandlung für den Fall ihres Zusammentreffens zugelassen habe. Um die Benachteiligung für den 61

176 177 178 179

BGHSt 16 335. Eisenberg/Kölbel § 66, 13. Eisenberg/Kölbel § 66, 28. BGHSt 10 100, 103; 14 287; 27 295; bei Holtz MDR 1979 106; 1979 281; bei Böhm NStZ 1991 523.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 460

Verurteilten zu vermeiden, die sich aus dem Nebeneinander von Jugend- und Freiheitsstrafe und der Nichtanwendbarkeit der Gesamtstrafenregelung nach § 55 StGB ergeben, wird in der Literatur vorgeschlagen, diese Härte entweder durch analoge Anwendung des § 55 StGB oder des § 32 JGG auszugleichen.180 Die Rechtsprechung ist diesem Vorschlag nur gelegentlich gefolgt.181 Der Bundesgerichtshof hat jede analoge Anwendung abgelehnt.182 Um die in der ungekürzten Hintereinandervollstreckung von Jugendund Freiheitsstrafe liegende Härte in den Fällen zu mildern, in denen die der Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten „an sich“ gesamtstrafenfähig wären, hat er es allerdings für erforderlich gehalten, einen Ausgleich bei der nach Erwachsenenstrafrecht zu verhängenden Freiheitsstrafe herbeizuführen. Soweit im Erwachsenenstrafverfahren die Bildung einer Gesamtstrafe nach § 53 Abs. 1 StGB erforderlich ist, soll der Ausgleich schon bei Festsetzung der Einzelstrafen zu berücksichtigen sein, wenn die nach § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB zu bestimmende Gesamtstrafe die Härte nicht auszugleichen vermag. Gegen diese Ansicht sind im Schrifttum allerdings dogmatische Bedenken erhoben worden.183 b) Geltendes Recht. Die in der vorhergehenden Randnummer aufgezeigten Schwie- 63 rigkeiten sind seit 1975 jedoch weitgehend behoben durch die Einfügung des neuen Absatzes 2 in § 105 JGG und die Einfügung des neuen Satzes 2 in § 109 Abs. 2.184 § 105 Abs. 2 ermöglicht es nunmehr, auch dann einheitliche Maßnahmen des Jugendgerichtsgesetzes oder Jugendstrafe gegenüber einem Heranwachsenden, bei dem Jugendstrafrecht angewendet wird, festzusetzen, wenn der Heranwachsende bereits vorher rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist und die Strafe noch nicht vollständig erledigt ist. Das Gesetz185 geht dabei davon aus, dass, wenn der Richter trotz vorangegangener Verurteilung nach allgemeinem Strafrecht nunmehr Jugendstrafrecht anwendet, dies das Ergebnis genauerer Persönlichkeitsforschung ist und es damit dem Grundgedanken des § 32 JGG entspricht, die frühere Verurteilung nach allgemeinem Strafrecht in das nach Jugendstrafrecht zu erlassende Urteil mit einzubeziehen und so das Nebeneinanderbestehen von Strafen und Maßnahmen aus den verschiedenen Strafrechtsordnungen als mit dem beherrschenden Erziehungsgedanken des Jugendgerichtsgesetzes unverträglich auszuschließen. Der neue § 109 Abs. 2 Satz 2 JGG sieht, indem er die Anwendung des § 66 JGG vorschreibt, eine entsprechende nachträgliche Entscheidung vor, wenn eine einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe unter Einbeziehung des nach allgemeinem Strafrecht ergangenen Urteils gemäß § 105 Abs. 2 JGG trotz Vorliegens der Voraussetzungen unterblieben ist. Offen geblieben ist jedoch die Frage, ob § 32 JGG über seinen Wortlaut hinaus in einer dem Täter günstigen Weise entsprechend angewendet werden kann, wenn bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht eine Gesamtstrafe nach § 55 StGB, § 460 StPO zu bilden wäre. S. auch Erl. zu § 462a, 77 f.

180 Brunner/Dölling § 32, 5; Brunner JR 1974 429; 1980 262; Eisenberg/Kölbel § 32, 9 f.; Dingeldey ZBlJugR 1981 153; NStZ 1981 355; Knüllig/Dingeldey NStZ 1987 225; Schoreit NStZ 1989 462; ZRP 1990 175; Ranft Jura 1990 468 f.; a. A. Krauth FS Lackner 1057, 1062 Fn. 139. 181 OLG Koblenz GA 1954 281; LG Braunschweig MDR 1965 594; LG Osnabrück MDR 1980 95; AG Hannover bei Böhm NStZ 1981 253. 182 BGHSt 36 270 = BGH NStZ 1991 130 mit Anm. Böhm/Büch-Schmitz; Brunner/Dölling § 32, 8 ff. m. w. N.; Eisenberg/Kölbel § 31, 14. 183 Böhm/Büch-Schmitz NStZ 1991 131. 184 Art. 26 Nr. 48, 50 EGStGB 1974. 185 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 24 Nr. 42 RegE EGStGB 1974.

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XI. Verfahrensgebühr, Verteidigervergütung Eine Gebühr wird für das Verfahren nicht erhoben. Die für die früheren Verfahren angesetzten einzelnen Gebühren bleiben aber bestehen.186 Die Vergütung eines Pflichtverteidigers ist unabhängig von der Frage der Fortwir65 kung seiner Bestellung zu beurteilen. Dafür sprechen nicht nur der Wortlaut in der Überschrift des 4. Teils Abschnitt 2 der RVG-VV und in Nr. 4204 RVG-VV, sondern auch systematische Gesichtspunkte sowie Sinn und Zweck.187

64

XII. Übergangsregelung 66

§ 460 regelt nur den Fall, dass jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu mehreren Strafen verurteilt worden ist. Hat dagegen ein Gericht jemanden vor Inkrafttreten des 23. StRÄndG am 1.5.1986 in einem Urteil zu mehreren lebenslangen Freiheitsstrafen oder zu lebenslanger und zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt, greift § 460 seinem Wortlaut nach nicht ein. Schon mit Rücksicht auf die Aussetzungsregelung des § 57a StGB erscheint es aber geboten, die entsprechenden Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zusammenzuführen, wenn nach neuem Recht gegen den Verurteilten auf eine Gesamtstrafe erkannt worden wäre.188 Aus diesem Grund bestimmt Art. 316b Abs. 2 EGStGB, dass, wenn jemand vor dem 1.5.1986 zu mehreren lebenslangen Freiheitsstrafen oder zu lebenslanger und zeitiger Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, § 460 sinngemäß anzuwenden ist, wenn nach neuem Recht auf eine lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt worden wäre.

§ 461 Anrechnung des Aufenthalts in einem Krankenhaus (1) Ist der Verurteilte nach Beginn der Strafvollstreckung wegen Krankheit in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht worden, so ist die Dauer des Aufenthalts in der Krankenanstalt in die Strafzeit einzurechnen, wenn nicht der Verurteilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, die Krankheit herbeigeführt hat. (2) Die Staatsanwaltschaft hat im letzteren Falle eine Entscheidung des Gerichts herbeizuführen. Schrifttum Fabian Strafunterbrechung aus Krankheitsgründen wegen Vollzugsuntauglichkeit, RpflStud 1981 83; Hasse Die Anrechnung des Aufenthalts in einer von der Strafanstalt getrennten Krankenanstalt auf die Strafzeit, GA 64 (1917) 540; Klee Unter welchen Voraussetzungen ist einem Strafgefangenen die Dauer seiner Geisteskrankheit auf die Strafzeit anzurechnen? ZStW 28 (1908) 788; Mayer Gerichtliche Entschei-

186 Toussaint Kostenrecht, VV 4204-4207 RVG Rn. 4. 187 OLG Brandenburg JurBüro 2019 23; OLG Bamberg Beschl. vom 11.6.2019 – 1 Ws 265/19; LG Cottbus Beschl. vom 20.4.2018 – 23 KLs 34/14; zu der inhaltlichen Begründung des Antrags des Verteidigers vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 2019 299. 188 BTDrucks. 10 2720 S. 19, Begr. zu Art. 4 Nr. 2.

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§ 461

dung bei Strafunterbrechung, NJW 1962 1429; Rosenberg Die Anrechnung des Aufenthalts in einer Irrenanstalt auf die Strafzeit, DStRZ 3 (1916) 10.

Bezeichnung bis 1924: § 443. Übersicht 1. Anwendungsbereich 1 2. Grundsatz 2 3. Psychisch Kranke 3 4. Ausnahmen 5 5. Entweichen eines Gefangenen 7 6. Unterbrechung der Strafvollstreckung a) Vollzugsuntauglichkeit 8 b) Nachteile 9 c) Gnadenentscheidung 11 7. Durchführung der Unterbrechung

a)

8. 9.

Zuständige Verwaltungsbehörde 12 b) Unwirksame Unterbrechung 14 c) Ende der Unterbrechung Rechtsbehelfe und Zuständigkeit 16 Freiheitsentziehende Maßregeln 17

15

Alphabetische Übersicht Anwendungsbereich 1 Entweichen 7, 15 Gnadenentscheidung 11 Lebensgefahr 10 Mitteilung von der Unterbrechung 13 Nichtanrechnung 6 Psychiatrisches Krankenhaus 12, 14, 17 Psychisch Kranke 3, 12 Rechtsbehelfe 16

Sicherungsverwahrung 17 Simulierung 6 Unterbrechung – Ende 15 – Strafvollstreckung 8 ff. – unwirksame 14 Unterbringungsgesetze 3 Vollzugstauglichkeit 8 Zuständigkeit 16

1. Anwendungsbereich. § 461 regelt die Berechnung der Strafzeit, wenn der Straf- 1 vollzug tatsächlich dadurch unterbrochen wird, dass der Verurteilte, ohne dass zuvor die Unterbrechung der Strafvollstreckung nach § 455 Abs. 41 oder im Gnadenweg2 angeordnet worden ist, wegen Krankheit in eine von der Justizvollzugsanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht wird. Gebracht ist der Verurteilte, wenn er unabhängig von seinem Willen in Ausübung öffentlicher Gewalt in die Krankenanstalt überführt ist. Bei der von der Justizvollzugsanstalt getrennten Krankenanstalt handelt es sich um ein Krankenhaus, das nicht dem Vollzug (von Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung) dient, also um ein „Krankenhaus außerhalb des Vollzugs“ i. S. des § 65 Abs. 2 StVollzG.3 Denn dass bei Verbringung des Erkrankten in ein „Anstaltskrankenhaus“ der Justizverwaltung (§ 65 Abs. 1 StVollzG) die darin verbrachte Zeit auf die Strafzeit anzurechnen ist, ist selbstverständlich und bedurfte keiner Regelung. In einem solchen Fall bleibt der Verurteilte ja in staatlichem Gewahrsam, und es wird durch Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung der Vollzug fortgesetzt, allerdings in einer den Umständen angepassten Form. Wird der Verurteilte aber in ein nicht dem Vollzug dienendes Krankenhaus (in ein Krankenhaus „außerhalb des Vollzugs“) verbracht, so endet in der Regel faktisch die den Kern des Vollzugs bildende Freiheitsent1 OLG Stuttgart NStZ 1989 552. 2 OLG Celle MDR 1968 782. 3 OLG Düsseldorf GA 56 (1909) 112; OLG Hamm Beschl. vom 26.2.2008 – 3 Ws 65/09; Meyer-Goßner/ Schmitt 3.

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ziehung kraft öffentlicher Gewalt. Denn diese könnte ja nur in der Form fortgesetzt werden, dass das Krankenhaus es übernimmt, ein Entweichen des Gefangenen gewaltsam zu verhindern – dazu ist es aber weder berechtigt noch verpflichtet –, oder dass Beamte der Justizvollzugsanstalt oder in ihrem Auftrag Polizeibeamte überwachen, dass der Gefangene nicht entweicht. Das aber wird in der Regel aus tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen Personalmangels, nicht möglich sein. 2

2. Grundsatz. Die Bedeutung der Vorschrift besteht also in der Klarstellung, dass trotz faktischer Beendigung oder mindestens weitgehender Lockerung der Freiheitsentziehung die in dem Krankenhaus verbrachte Zeit als Strafzeit anzurechnen ist, solange nicht das rechtliche Gewahrsamsverhältnis über den Gefangenen beendet und er damit in Freiheit gesetzt ist.4 § 461 ist deshalb auch dann anzuwenden, wenn der Gefangene während eines Urlaubs sich in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs begibt und die Strafvollstreckungsbehörde die Strafvollstreckung nicht ausdrücklich unterbricht.5 Denn nach § 13 Abs. 5 StVollzG unterbricht ein erteilter Urlaub die Vollstreckung nicht.6 An sich ist auch diese Bestimmung, wenn man zunächst von dem Fall der Verbringung eines psychisch Kranken in ein psychiatrisches Krankenhaus (Rn. 3) absieht, im Grunde zwangsläufig und insofern selbstverständlich.7 Denn es bleibt rechtlich die Befugnis der Justizvollzugsanstalt, die Fortdauer der Freiheitsentziehung durch geeignete Maßnahmen sichtbar zu machen, bestehen.8 Sie wird dies z. B. durch Abordnung von Vollzugsbeamten oder durch Inanspruchnahme der Amtshilfe der Polizei (Art. 35 GG) tun, wenn ein als Ausbrecher bekannter Gefangener aus den in § 65 Abs. 2 StVollzG bezeichneten Gründen in ein öffentliches Krankenhaus verbracht werden muss, etwa zur Vornahme einer bestimmten Untersuchung oder Operation, für die die technischen Möglichkeiten in einem Anstaltskrankenhaus nicht gegeben sind. In anderen Fällen kann sie etwa das Krankenhaus bitten, den Kranken in einem Raum unterzubringen, der ein Entweichen möglichst ausschließt, oder alsbald die Polizei zu verständigen, wenn der Kranke Anstalten zur Flucht zu treffen scheint usw. Dass die Möglichkeiten, die rechtlich fortdauernde Freiheitsentziehung nach außen erkennbar zu machen, meist aus tatsächlichen Gründen beschränkt oder ausgeschlossen sind, kann dem Verurteilten nicht zum Nachteil gereichen.9

3

3. Psychisch Kranke. § 461 gilt auch, da er ebenso wie § 65 StVollzG zwischen körperlichen und psychischen sowie geistigen Erkrankungen nicht unterscheidet, bei Verbringung eines psychisch oder geistig erkrankten Strafgefangenen in ein allgemeines psychiatrisches Krankenhaus.10 Die Unterbringung eines für den Strafvollzug untauglichen psychisch Kranken in einer (geschlossenen) Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erfolgt, wenn es sich um einen gemeingefährlichen (d. h. andere oder sich selbst gefährdenden) Kranken handelt, durch gerichtliche Entscheidung auf der Grund-

4 Bringewat 2; OLG Hamburg NStZ 1999 589. 5 OLG Hamm NStZ 1983 287; OLG Stuttgart NStZ 1989 552; KK/Appl 2, 8; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 3.

6 OLG Hamm NStZ 1983 287; KK/Appl 6; Bringewat 2. 7 Die Entscheidung OLG Köln NJW 1955 234, wonach grundsätzlich nur die in einer Justizvollzugsanstalt verbrachte Zeit auf die Strafzeit angerechnet werden könne und ohne § 461 keine Möglichkeit zur Anrechnung des Krankenhausaufenthalts bestehe, ist inzwischen überholt. 8 KK/Appl 1; Bringewat 2. 9 OLG Hamm NStZ 1983 287; Bringewat 2. 10 Allgemeine Ansicht; Hasse GA 64 (1917) 540; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 5.

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lage der in den Ländern bestehenden Unterbringungsgesetze (vgl. Erl. zu § 413). Eine Einrechnung der auf dieser Grundlage verbrachten Zeit in einem psychiatrischen Krankenhaus auf die Strafzeit ist unzulässig.11 Ist ein psychisch Kranker für die Allgemeinheit nicht gefährlich, sondern wegen seines Zustands nur pflegebedürftig, so erfolgt die Unterbringung durch die zuständige Gesundheits- oder Sozialbehörde. Diese Fälle trifft § 461 nicht. Er setzt vielmehr voraus, dass der Kranke in das Kran- 4 kenhaus „gebracht“, also kraft öffentlicher Gewalt – und zwar der der Vollstreckungsbehörde in Vollstreckung des Strafurteils zustehenden Gewalt – in das Krankenhaus gebracht und diese Vollzugsgewalt während des dortigen Aufenthalts rechtlich aufrechterhalten wird.12 Anders als in dem unter Rn. 2 geschilderten Beispiel sind diese Voraussetzungen zu verneinen, wenn sich der Verurteilte während einer unterbrochenen Strafvollstreckung ohne Veranlassung oder Mitwirkung der Justizvollzugsanstalt von sich aus in ein Krankenhaus begibt,13 es sei denn, dass die Vollstreckungs- oder Vollzugsbehörde vor oder nach Beginn des selbst gewählten Krankenhausaufenthalts sichernde und auf eine Wiederherstellung der mit der Unterbrechung aufgegebenen Verfügungsgewalt gerichtete Maßnahmen ergreift.14 Soweit das Krankenhaus bereit ist, bei der Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung mitzuwirken, leitet es seine Legitimation dazu aus dem Auftrag der Vollstreckungsbehörde ab, andernfalls kommen Maßnahmen der Vollzugsbehörde, die der Effektuierung der rechtlich aufrechterhaltenen Freiheitsentziehung dienen, nur in dem beschränkten Maß in Betracht wie bei der Verbringung in ein Krankenhaus „außerhalb des Vollzugs“ wegen körperlicher Krankheit. Auch hier wird aber nach § 461 die Dauer des Aufenthalts in dem psychiatrischen Krankenhaus ohne Rücksicht darauf auf die Strafzeit angerechnet, ob und inwieweit tatsächlich eine Freiheitsentziehung oder -beschränkung kraft Strafvollzugsgewalt stattfand. Der innere Grund für die Anrechnungspflicht ist also kein anderer als bei der Verbringung in ein Krankenhaus wegen körperlicher Krankheit. Für eine gesetzliche Klarstellung bestand aber hier im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Strafprozessordnung ein besonderes Bedürfnis, weil damals in den einzelnen Staaten sehr verschiedene Grundsätze über die Anrechnung des Anstaltsaufenthalts auf die Strafzeit galten. Es sollte einheitliches Recht geschaffen und die Anrechnung, die bis dahin nur einem Teil der psychisch kranken Verurteilten zugebilligt wurde, allen zuteil werden, auch bei dauernder Unterbringung in einer damaligen Pflegeanstalt wegen unheilbarer Geisteskrankheit.15 4. Ausnahmen. Selbst wenn die Vollzugsgewalt während des Krankenhausaufent- 5 halts in deutlich sichtbarer und als Freiheitsentziehung für den Verurteilten fühlbarer Form aufrechterhalten wird, entfällt die Anrechnung auf die Strafzeit, wenn der Verurteilte die Krankheit in der Absicht, „die Strafvollstreckung zu unterbrechen“, herbeigeführt hat (Absatz 1 Hs. 2).16 Von einer Unterbrechung der Strafvollstreckung im technischen Sinn ist hier keine Rede. Nicht einmal der Vollzug wird völlig aufgehoben, sondern gegebenenfalls, wie zu Rn. 1, 4 dargelegt, in modifizierter Form fortgesetzt. Gemeint ist mit „Unterbrechung der Strafvollstreckung“ lediglich die Unterbrechung des normalen Vollzugs in der Justizvollzugsanstalt. Die absichtliche Herbeiführung der

11 12 13 14 15 16

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OLG Frankfurt NJW 1970 1431; KK/Appl 9. OLG Celle MDR 1968 782; KK/Appl 9; Bringewat 4. Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 4. Rn. 15; OLG Frankfurt NJW 1970 1431; OLG Stuttgart NStZ 1989 552; Bringewat 4. Hahn Mat. 1 1139 bis 1141; Rosenberg DStRZ 3 (1916) 10. OLG Stuttgart NStZ 1989 552; KK/Appl 10, 11; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 6.

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Krankheit allein rechtfertigt die Nichtanrechnung nicht. Die Krankheit muss vielmehr zu dem Zweck herbeigeführt worden sein, in die Krankenanstalt verbracht zu werden, wobei die eigentliche Motivlage (Schaffung einer Fluchtmöglichkeit, Vermeidung des Arbeitszwangs, bessere Verköstigung, kein Einschluss, Abwechslung vom Vollzugsalltag usw.) gleichgültig ist.17 6 Bei dieser Ausnahme von der Anrechnungspflicht war nur an die Herbeiführung einer körperlichen Krankheit gedacht,18 weil die Herbeiführung einer psychischen Erkrankung nicht denkbar erschien. Soweit dies aber möglich ist, wie etwa durch Konsum von Betäubungsmitteln, die in die Justizvollzugsanstalt zu schmuggeln gelang, gilt die Ausnahme auch hier. Nach dem Zweck der Vorschrift genügt aber auch die Simulierung einer psychischen Erkrankung, die Veranlassung gibt, den Gefangenen in ein psychiatrisches Krankenhaus zu überweisen.19 Das Gleiche muss gelten, wenn durch Simulierung einer körperlichen Krankheit der Gefangene sein Ziel erreicht, dass der getäuschte Arzt der Justizvollzugsanstalt seine Überführung in ein Krankenhaus „außerhalb des Vollzugs“ für erforderlich erklärt.20 Die Nichtanrechnung erfolgt nur aufgrund gerichtlicher Entscheidung (Absatz 2). Die Staatsanwaltschaft hat diese Entscheidung als Strafverfolgungsbehörde21 herbeizuführen, wenn sie die Voraussetzungen der Nichtanrechnung als nachgewiesen ansieht.22 Zur Entscheidung ist das nach §§ 462, 462a Abs. 1 Satz 1 zuständige Gericht berufen (Absatz 2). Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, der nach § 34 zu begründen ist. Bei Weigerung der Staatsanwaltschaft, einen entsprechenden Antrag zu stellen, kann der Verurteilte Einwendungen nach § 458 Abs. 1 erheben. Gegen die Entscheidung des Gerichts nach Absatz 2, § 462a Abs. 1 ist die sofortige Beschwerde statthaft (§ 462 Abs. 3 Satz 1). 7

5. Entweichen eines Gefangenen. Eine – in der Strafprozessordnung nicht geregelte – tatsächliche Unterbrechung des Vollzugs liegt vor, wenn der Verurteilte entweicht. Dass die Zeit der selbst verschafften Freiheit nicht auf die Strafzeit angerechnet wird, ist selbstverständlich. Als Beginn der Fortsetzung des Vollzugs rechnet hier nach § 40 Abs. 2 StVollstrO (§ 451, 67) der Zeitpunkt, in dem sich der Verurteilte in irgendeiner Anstalt freiwillig gestellt hat oder in dem er zwecks weiteren Strafvollzugs polizeilich festgenommen worden ist (dazu § 450, 18). 6. Unterbrechung der Strafvollstreckung

8

a) Vollzugsuntauglichkeit. Die Frage, ob und inwieweit die Vollstreckungsbehörde die Strafvollstreckung wegen einer körperlichen oder psychischen Erkrankung, die den Verurteilten zum Strafvollzug in der Justizvollzugsanstalt untauglich macht, mit der Wirkung förmlich unterbrechen kann, dass die nach der Unterbrechung liegende Zeit auf die Strafzeit nicht angerechnet wird, ist nunmehr in § 455 Abs. 4 geregelt (vgl. § 455, 1 f., 18 ff.). Diese Frage war früher streitig, soweit es sich um psychisch Kranke handelte, die in ein allgemeines psychiatrisches Krankenhaus verbracht wurden. Aus der Entstehungsgeschichte des § 461 (Rn. 3) wurde gefolgert, dass hier eine Nichtanrechnung der

17 18 19 20 21 22

KK/Appl 10; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 1, 7. Hahn Mat. 1 1141. OLG Dresden Sächs. OLG 26 485. Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 5. Katholnigg NStZ 1982 195; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 8. Bringewat 8.

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Zeit des Anstaltsaufenthalts unzulässig sei.23 Indessen hatte sich schon auf dem Boden des früher geltenden Rechts seit langem die Auffassung durchgesetzt, dass die Vollstreckungsbehörde aus den Gründen, die sie nach § 455 zum Aufschub der Vollstreckung verpflichten, von Amts wegen auch die Vollstreckung unterbrechen kann, wenn diese Umstände nach begonnenem Vollzug hervortreten, weil es sich dann nicht um eine Maßnahme mit Rücksicht auf persönliche Belange des Verurteilten, sondern um eine solche aus vollzugstechnischen Gründen handelt, die sich auf § 451 stützt.24 Davon geht auch § 65 Abs. 2 StVollzG aus, der im Übrigen wegen der dort vorgesehenen Folgen (Eintritt der gesetzlichen Krankenversicherung) gemäß § 198 Abs. 3 StVollzG der Inkraftsetzung durch besonderes Gesetz bedurfte. b) Nachteile. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Unterbrechung des Voll- 9 zugs auch Nachteile für den Verurteilten mit sich bringen kann, indem sie das Ende der Gesamtvollstreckung hinausschiebt. Daraus ergibt sich die Folgerung, dass für die Unterbrechung wichtige Gründe vorliegen müssen und dass lediglich fiskalische Erwägungen (Abwälzung der Vollzugskosten) außer Betracht zu bleiben haben.25 Dem trugen bisher schon die §§ 45, 46 StVollstrO 198026 und tragen nunmehr § 455 Abs. 4 sowie Art. 6 EGWStG i. V. m. § 46 StVollstrO in vollem Umfang Rechnung. § 455 Abs. 427 lässt die Unterbrechung wegen geistiger oder körperlicher Erkrankung nur zu, wenn (aufgrund eines ärztlichen Gutachtens) feststeht, dass die Krankheit eine erhebliche Zeit fortbestehen wird (§ 455, 20) oder, wenn zwar der Zeitpunkt der voraussichtlichen Genesung abzusehen ist, der Verurteilte aber ohne die Unterbrechung wegen der Anrechnungspflicht nach Absatz 1 einen unverhältnismäßig großen Teil der Strafzeit außerhalb der Justizvollzugsanstalt zubringen müsste. Ist ein Strafrest für sich allein genommen und im Verhältnis zum verbüßten Teil der Strafe unerheblich, so soll, auch wenn in absehbarer Zeit mit Wiederherstellung nicht zu rechnen ist, eine Unterbrechung nur angeordnet werden, wenn für den Strafrest ein Gnadenerweis in Aussicht genommen wird.28 Eine Unterbrechung ist auch zulässig, um eine durch den Weitervollzug drohende 10 nahe Lebensgefahr für den Verurteilten auszuschließen. Wie sich auch aus § 66 StVollzG ergibt, folgt daraus aber nicht, dass bei naher Lebensgefahr stets zu unterbrechen wäre, denn dadurch würde die Lebensgefahr nicht gebannt, sondern unter Umständen (bei Transportunfähigkeit, unzulänglicher ärztlicher Versorgung außerhalb des Vollzugs) erhöht. Die Unterbrechung ist nicht mehr auf zeitige Freiheitsstrafe beschränkt (vgl. § 455 Abs. 1). Auch zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Haftunterbrechung. § 45 StVollstrO steht dem nicht entgegen.29 Das folgt aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der Justizvollzugsanstalten, auch bei zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten auf deren Resozialisierung hinzuwirken, sie lebenstüchtig zu erhalten und schädliche Auswirkungen

23 24 25 26

Klee ZStW 28 (1908) 786. OLG Stuttgart bei Katholnigg NStZ 1981 176. Pohlmann/Jabel/Wolf § 45, 15. OLG Köln NJW 1955 234; OLG Schleswig SchlHA 1957 81; OLG Celle MDR 1968 782; OLG Frankfurt NJW 1970 1431; OLG München MDR 1981 426. 27 Wegen der Besonderheiten in Art. 6 EGWStG s. § 455, 22. 28 OLG Hamm NStZ 1983 287. 29 OLG Hamm NJW 1973 1090 (zu § 45 StVollstrO); OLG Hamburg NStZ 1982 264; 1999 589.

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des Freiheitsentzugs zu vermeiden sowie deformierenden Persönlichkeitsentwicklungen entgegenzuwirken.30 11

c) Gnadenentscheidung. Nicht anzurechnen ist auch die Zeit einer von der Gnadenbehörde bewilligten Strafunterbrechung, die erfolgt, um dem Verurteilten Gelegenheit zur Behandlung in einem Krankenhaus zu geben.31 In einem solchen Fall spielt es keine Rolle, ob Vollzugsuntauglichkeit vorgelegen hat.32 Wegen der Kostentragungspflicht des Rentenversicherungsträgers in solchen Fällen, wenn der Verurteilte Rentner ist, s. Fn. 31. 7. Durchführung der Unterbrechung

a) Zuständige Verwaltungsbehörde. Die Unterbrechung geschieht bei psychisch kranken Verurteilten in der Weise, dass die Vollstreckungsbehörde der Verwaltungsbehörde, die nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen zuständig ist, den Antrag auf gerichtliche Anordnung der Unterbringung zu stellen (Rn. 3), den Zeitpunkt der bevorstehenden Unterbringung mitteilt und es ihr überlässt, die zur Abwendung der Eigen- und Fremdgefährdung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.33 Ist der Verurteilte körperlich oder psychisch krank, aber nicht gefährlich, so wird, falls er mit der Unterbrechung hilfsbedürftig wird, die Sozialhilfebehörde verständigt und ihr die Übernahme der Obhut überlassen. Hat die Vollzugsbehörde aber bereits den Verurteilten vor der Unterbrechung in ein allgemeines oder psychiatrisches Krankenhaus verbracht und sind dadurch zunächst die Voraussetzungen des § 461 gegeben, so wird die Unterbrechung gegenüber dem Verurteilten wirksam, sobald er aus der Verfügungsgewalt der Justizvollzugsanstalt tatsächlich entlassen und ihm die Unterbrechungsanordnung der Vollstreckungsbehörde nach § 46 Abs. 1 StVollstrO bekannt gegeben ist (außer wenn er zu deren Entgegennahme nicht in der Lage ist). Denn solange ihm die Unterbrechungsanordnung nicht bekannt gegeben ist, weiß er nicht sicher, dass er sich wieder in Freiheit befindet und hat deshalb ein Recht auf Anrechnung aus § 461.34 13 Dem Krankenhaus gegenüber kann die Mitteilung von der Unterbrechung (§ 46 Abs. 3 StVollstrO), die die Befreiung des Justizfiskus von den Kosten der Unterbringung bewirken soll, nicht früher wirksam werden als die Anordnung der Unterbrechung gegenüber dem Verurteilten, denn solange die Vollstreckung nicht ihm gegenüber unterbrochen ist, ist er Strafgefangener und die Justizverwaltung trägt demgemäß die Kosten der Unterbringung. Erfolgt die Mitteilung von der Unterbrechung an das Krankenhaus erst, nachdem die Unterbrechung gegenüber dem Verurteilten wirksam geworden ist, so wird erst mit dem Zugang dieser Mitteilung die Justizverwaltung von der Pflicht zur Tragung der Unterbringungs- und Behandlungskosten frei (§ 46 Abs. 3 Satz 2, 3 StVollstrO). Eine Unterbrechung der Strafvollstreckung mit rückwirkender Kraft kann demnach nicht angeordnet werden.35 12

14

b) Unwirksame Unterbrechung. Da mit der Unterbrechung die Verfügungsgewalt der Vollstreckungsbehörde endet, darf weder sie noch die Vollzugsbehörde – darauf 30 31 32 33 34 35

BVerfGE 45 187, 238 = NJW 1977 1525, 1528; OLG Hamburg NStZ 1982 264. BSG NJW 1975 2270. OLG Celle MDR 1968 782. OLG Nürnberg OLGSt § 429a StPO, 1. OLG Köln MDR 1955 123; OLG Schleswig SchlHA 1957 82; Pohlmann/Jabel/Wolf § 46, 2, 4. OLG Schleswig SchlHA 1957 81; Meyer-Goßner/Schmitt § 455, 14.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 461

weist § 46 Abs. 5 StVollstrO hin – irgendwelche Maßnahmen treffen, die auf eine Aufrechterhaltung der Verfügungsgewalt hinauslaufen. Ein solches Verhalten würde die Wirksamkeit die Unterbrechung in Frage stellen.36 Eine wirksame Unterbrechung liegt daher nicht vor, wenn der Gefangene mit Billigung der Vollzugsbehörde im „Festen Haus“ eines Krankenhauses verbleibt.37 Ebenso verneint OLG Celle38 eine wirksame Unterbrechung, wenn ein auf Freiheitsstrafe und Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus lautendes Urteil nur hinsichtlich der Freiheitsstrafe rechtskräftig ist und der Verurteilte aus dem Strafvollzug in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses verbracht wird, um dort wegen des noch anhängigen Verfahrens betreffend die Unterbringung gemäß § 81 StPO auf seinen Geisteszustand untersucht zu werden. Unzulässig wäre ferner nicht nur eine Bitte an das Krankenhaus, die Entfernung des Verurteilten mit Gewalt zu verhindern – da er in Freiheit ist, hat er ein Recht, sich zu entfernen –, sondern auch schon eine Bitte, von der Absicht einer Entfernung vor Abschluss der Behandlung Mitteilung zu machen, während andererseits einer Bitte, den voraussichtlichen Zeitpunkt einer Entlassung aus dem Krankenhaus oder eine stattgehabte Entfernung vor Behandlungsabschluss mitzuteilen, nichts entgegensteht und noch weniger einer bloßen Anfrage der Vollstreckungsbehörde bei dem Krankenhaus nach dem Verbleib des Verurteilten,39 sofern der Verurteilte in diese Informationsübermittlung eingewilligt hat. c) Ende der Unterbrechung. Die Wirksamkeit einer Unterbrechung der Strafvoll- 15 streckung endet, sobald und solange Maßnahmen ergriffen werden, die auf eine Wiederherstellung der zunächst aufgegebenen Verfügungsgewalt hinauslaufen. Lässt die Vollstreckungsbehörde, weil sie mit einem Entweichen des Verurteilten aus dem Krankenhaus rechnet, von einem bestimmten Zeitpunkt an Polizeibeamte vor seinem Aufenthaltsraum postieren, die ihn an einem etwaigen Verlassen hindern sollen, so ist die Zeit der Bewachung als Strafzeit zu rechnen.40 Entweicht der Verurteilte aus dem Krankenhaus und wird er aufgrund eines Vollstreckungshaftbefehls von der Polizei ergriffen und dem Krankenhaus wieder zugeführt, so ist die Zeit von der Ergreifung bis zur Ablieferung in das Krankenhaus als Strafzeit anzurechnen.41 8. Rechtsbehelfe und Zuständigkeit. Wegen der Entscheidungszuständigkeit und 16 der Zulässigkeit von Einwendungen vgl. § 455, 32 ff.; § 458, 16 ff. 9. Freiheitsentziehende Maßregeln. § 461 gilt nach § 463 entsprechend bei frei- 17 heitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung42 und ist auch für die zeitlich unbeschränkte Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d StGB) von Bedeutung.43 Bei Letzterer kommt allerdings grundsätzlich weder ein Vollstreckungsaufschub noch eine Strafunterbrechung im Hinblick auf die Gefährlichkeit in Betracht (§ 463 Abs. 5). Ausnahmsweise kann aber – etwa aus palliativmedizinischen Gründen – auch insoweit mit 36 37 38 39 40 41 42 43

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OLG Köln NJW 1955 234; OLG Stuttgart MDR 1989 1124. OLG Schleswig SchlHA 1957 81. NdsRpfl. 1961 353 mit abl. Anm. Pohlmann. OLG Köln MDR 1955 123. OLG Celle MDR 1968 782. OLG Frankfurt NJW 1970 1431. Meyer-Goßner/Schmitt 2. KK/Appl 1; KMR/Stöckel 3; SK/Paeffgen 3; Fischer § 67d, 14; a. A. Bringewat 3; LR/Wendisch25 17.

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§ 462

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Blick auf die Menschenwürde eine Verbringung des Sicherungsverwahrten oder Untergebrachten in ein Krankenhaus außerhalb des Maßregelvollzugs erfolgen. Eine angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Umkehrschluss aus § 67d Abs. 3 StGB) kann unterbrochen werden, wenn und solange der Verwahrte wegen dieses Zustands für die Allgemeinheit nicht gefährlich ist.44

§ 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde (1) 1Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. 2Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches). (2) 1Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. 2Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist. (3) 1Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. 2Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung. Schrifttum Krauß Beschwerderecht des Vollzugsleiters nach § 462 Abs. 4 StPO, NJW 1958 49; Neuhaus/Putzke Rechtsschutz in der Strafvollstreckung, ZAP 2008 389, 447; Wittschier Das Verbot der reformatio in peius im strafprozessualen Beschlußverfahren (1985).

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde mehrfach geändert, so durch das VereinhG, das EGOWiG, das 1. StVRG, das StaatsschStrafsG. Bis zum 31.12.1974 hatte sie folgenden Wortlaut: „(1) 1Die bei der Strafvollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen (§§ 458 bis 461) werden von dem Gericht des ersten Rechtszuges ohne mündliche Verhandlung erlassen. 2Dies gilt auch für die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Vollstreckung einer Geldstrafe beziehen (§ 28 Abs. 2, § 29 Abs. 4 des Strafgesetzbuches), für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 33 des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes oder des Wertersatzes (§ 40b Abs. 2 Satz 3, § 40c Abs. 4 des Strafgesetzbuches). (2) Vor der Entscheidung ist der Staatsanwaltschaft und dem Verurteilten Gelegenheit zu geben, Anträge zu stellen und zu begründen.

44 OLG Celle NdsRpfl. 1966 201.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 462

(3) 1Kommt es auf die Festsetzung einer Gesamtstrafe an (§ 460) und waren die verschiedenen hierdurch abzuändernden Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Straftat oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, falls hiernach aber mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. 2War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Strafurteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszug erlassen, so setzt dieses die Gesamtstrafe fest. (4) Gegen diese Entscheidungen ist, sofern sie nicht von einem Oberlandesgericht erlassen sind, sofortige Beschwerde zulässig.“ Die Folgefassung des § 462 beruht in ihrem Kern auf Art. 31 Nr. 132 EGStGB 1974. Durch Art. 1 Nr. 112 des 1. StVRG von 1974 wurde die Paragrafenkette in Satz 1 um § 450a Abs. 3 Satz 1 erweitert, durch Art. 2 Nr. 8 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 Absatz 3 ein zweiter Satz angefügt. Der Gesetzentwurf des Bundesrats zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren ist im Jahre 2009 bereits einmal der Diskontinuität unterfallen.1 Aufgrund des Gesetzesantrags des Landes Hessen vom 17.12.2009 hat der Bundesrat die erneute Einbringung gemäß Art. 76 Abs. 1 GG beantragt.2 Der Gesetzentwurf des Bundesrats3 sah in Art. 6 Nr. 7 und 8 vor, in § 453 Abs. 1 und § 454 Abs. 1 jeweils nach deren Satz 3 eine Regelung einzufügen, wonach das Gericht anordnen kann, dass die Anhörung des Verurteilten unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. In den Fällen des § 454 Abs. 2 Satz 1 sollte diese Regelung nicht gelten. Der Entwurf des Bundesrats sah in Art. 7 Nr. 9 bei Anordnung einer Anhörung die Möglichkeit vor, sie unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Verurteilten zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer zu übertragen.4 Den inhaltlichen Bedenken der Bundesregierung zu Art. 6 Nr. 7 (Änderung von § 453 Abs. 1 Satz 4 – neu) und Art. 6 Nr. 8 (Änderung von § 454 Abs. 1 Satz 4 – neu), die im Wesentlichen gegen die Möglichkeit einer Videokonferenz anstelle einer höchstpersönlichen Anhörung für die Fälle des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen nach § 453 Abs. 1 Satz 3 und für die Fälle der Strafrestaussetzung zur Bewährung nach § 454 Abs. 1 Satz 3 erhoben worden waren, hat der BTRAussch. nach Anhörung von Sachverständigen5 Rechnung getragen6 und damit klargestellt, dass eine gerichtliche Entscheidung über den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung oder die Verhängung einer vorbehaltenen Geldstrafe sowie über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung einen unmittelbaren persönlichen Eindruck des Gerichts vom Verurteilten voraussetzt, den eine Videokonferenz nicht ersetzen kann. Den Empfehlungen des BTRAussch. ist der Gesetzgeber gefolgt und hat von einer Änderung des § 453 Abs. 1 und § 454 Abs. 1 abgesehen. Durch Art. 6 Nr. 7 des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik im gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren vom 25.4.2013 (BGBl. I S. 935, 936) wurde schließlich nach 1 2 3 4 5

BRDrucks. 643/07. BRDrucks. 902/09. BTDrucks. 17 1224. BTDrucks. 17 1224 S. 9. Vgl. zustimmende Stellungnahmen der Sachverständigen Deckers S. 5; Gaede S. 11; Stahlmann-Liebelt S. 4 zu den Empfehlungen des BTRAussch.; demgegenüber Wimmer S. 7 f.; Köbler S. 4, die sich für eine Beibehaltung der im Gesetzentwurf des Bundesrats enthaltenen Regelungen aussprechen. 6 BTDrucks. 17 12418 S. 10.

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Absatz 2 Satz 1 der neue Satz 2 eingefügt. Der bisherige Satz 2 wird Satz 3, ohne dass der Gesetzgeber dies ausdrücklich geregelt hat. Durch Art. 1 Nr. 64 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 (BGBl. I. S. 2099, 2106) wurde Absatz 2 Satz 2 aufgehoben. Der bisherige Satz 3 wurde Satz 2, ohne dass der Gesetzgeber dies ausdrücklich geregelt hat. Für den aufgehobenen Absatz 2 Satz 2 ist § 463e neu eingefügt worden. Bezeichnung bis 1924: § 494. Übersicht 1. Inhalt 1 2. Anwendungsbereich (Absatz 1) 3. Beschlussverfahren 3 4. Rechtliches Gehör (Absatz 2) a) Grundsatz (Satz 1) 4 b) Antragstellung 5 c) Ausnahme (Satz 2) 7 5. Entscheidung 8

6. 2

7. 8.

Anfechtung (Absatz 3) a) Sofortige Beschwerde (Satz 1) 9 b) Aufschiebende Wirkung (Satz 2) 12 Beschwerdeentscheidung 13 Vollstreckung 14

Alphabetische Übersicht Anfechtung 9 ff. Anhörung 4 Antragstellung 5 Anwendungsbereich 2 Bekanntmachung 8 Beschlussverfahren 3 Beschwerdeentscheidung 13 Freibeweisverfahren 3, 4

Einwendungen 12 Entscheidung 8 öffentliche Zustellung 8 rechtliches Gehör 4 ff., 11 sofortige Beschwerde 9 Vollstreckung der Entscheidung 14 Vollstreckungsverjährung 7

1

1. Inhalt. In seiner früheren Fassung enthielt § 462 sowohl Zuständigkeitsregelungen (Absatz 1: Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs, Absatz 3: Zuständigkeit zur nachträglichen Bildung der Gesamtstrafe), als auch Verfahrensregelungen (Absatz 1: Beschlussverfahren, Absatz 2: rechtliches Gehör, Absatz 4: Rechtsmittel). Die Zuständigkeitsregelungen finden sich nunmehr in § 462a. Bei den übrig gebliebenen Verfahrensvorschriften ist der Katalog der nachträglich zu treffenden Entscheidungen auf die Fälle des § 450a Abs. 3 Satz 1 und der §§ 76, 79b StGB erweitert worden. Absatz 3 ist im Hinblick auf § 304 Abs. 4 vereinfacht.

2

2. Anwendungsbereich (Absatz 1). Der Anwendungsbereich des § 462 ergibt sich aus den im Einzelnen in Absatz 1 Satz 1, 2 angeführten Vorschriften. Ausgenommen sind die Nachtragsentscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen, da insoweit das Verfahren in §§ 453 bis 454 geregelt ist.7 Die Aufzählung in § 462 Abs. 1 ist abschließend.8

3

3. Beschlussverfahren. Insoweit wird auf die Erläuterungen bei § 453, 40 f. verwiesen. Das Gericht kann vor seiner Entscheidung im Freibeweisverfahren auch Beweiserhebungen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vornehmen oder auch 7 KK/Appl 1; Bringewat 1 (verfahrensrechtliche Sonderregelung). 8 So auch KK/Appl 1; KMR/Stöckel 1; Bringewat 2; a. A. LR/Wendisch25 2.

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durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei durchführen lassen sowie die Gerichtshilfe beauftragen (§ 463d).9 Auch eidliche Vernehmungen sind nicht ausgeschlossen.10 Solche Beweiserhebungen können insbesondere dann erforderlich sein, wenn es sich um die Feststellung der Identität des Verurteilten handelt (§ 458, 9). 4. Rechtliches Gehör (Absatz 2) a) Grundsatz (Satz 1). Die Staatsanwaltschaft – und zwar als Strafverfolgungs-, 4 nicht als Strafvollstreckungsbehörde11 – und der Verurteilte sind vor der Entscheidung zu hören, d. h. es ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Nebenkläger wird nicht gehört. Anders als nach § 454 Abs. 1 Satz 3 ist eine mündliche Anhörung des Verurteilten nicht vorgeschrieben,12 aber auch nicht verboten und in gewissem Umfang, namentlich bei der Gesamtstrafenbildung zwecks „Würdigung der Person des Täters“ (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 55 StGB, § 460) sogar empfehlenswert.13 Durch die Worte „ohne mündliche Verhandlung“ (Absatz 1 Satz 1) soll nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht – insbesondere die Strafvollstreckungskammer – nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen den Verurteilten mündlich hört. Doch haben die in § 462 erfassten Fälle, abgesehen von der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe, in der Regel nicht das Gewicht wie Entscheidungen nach § 454. Es entspricht dem auch außerhalb des § 462 geltenden Grundsatz, dass durch die Worte „ohne mündliche Verhandlung“ eine zur Sachverhaltsaufklärung nach den Grundsätzen des Freibeweises zweckmäßige mündliche Anhörung Beteiligter nicht verhindert wird.14 Eine mündliche Anhörung des Verurteilten kommt daher namentlich dann in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass die Angaben des Verurteilten im Rahmen der mündlichen Anhörung entscheidend zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen werden, etwa weil nur er über bestimmte Erkenntnisse verfügt und aufgrund seiner Angaben dem Gericht die Entscheidungsfindung erleichtert wird. b) Antragstellung. Die Anhörungspflicht besteht insbesondere auch, wie dies § 462 5 Abs. 2 a. F. ausdrücklich bestimmte, in der Gewährung der Gelegenheit, Anträge zu stellen und zu begründen, wobei Anträge der Staatsanwaltschaft auch auf Anregungen der Vollstreckungsbehörde beruhen können.15 Die Gelegenheit zur Antragstellung usw. wird dem Verurteilten regelmäßig in der Weise zu geben sein, dass er unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert wird. Diese kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der nicht auf freiem Fuß befindliche Verurteilte kann sich zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle äußern. Bei seiner Anhörung auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, eine Gesamtstrafe zu bilden, muss diese so gestaltet werden, dass der Verurteilte, wenn er sich darum bemüht, mit seiner Äußerung einen ernsthaften Beitrag für eine gerechte Bemessung der Strafe leisten kann. Die Anhörung darf nicht als praktisch bedeutungslose Formalie gehandhabt werden.16 9 10 11 12 13 14 15 16

KK/Appl 2. KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1, 3; Bringewat 3. Katholnigg NStZ 1982 195; KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 4. OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 91. KK/Appl 3; KMR/Stöckel 3; Bringewat 5. Meyer-Goßner/Schmitt 2; enger Bringewat 5: häufig geboten. Bringewat 4. OLG Köln NJW 1952 275; Bringewat 4; aus diesem Grund erscheint der Beschluss des Kammergerichts HRR 1935 Nr. 637, wonach es dem Erfordernis des Absatzes 2 schon genüge, wenn der Verurteilte sich

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Die Staatsanwaltschaft hat einen Antrag, der auch zu begründen ist, schriftlich zu stellen (§ 33, 27).

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c) Ausnahme (Satz 2). Nach § 79b StGB kann das Gericht die Vollstreckungsverjährungsfrist vor ihrem Ablauf auf Antrag der Vollstreckungsbehörde einmal um die Hälfte der gesetzlichen Vollstreckungsverjährungsfrist verlängern, wenn der Verurteilte sich in einem Gebiet aufhält, aus dem seine Auslieferung oder Überstellung nicht erreicht werden kann. Da in diesen Fällen eine Anhörung des Verurteilten vor der Verlängerung der Entscheidung in aller Regel nicht durchführbar ist, kann nach § 462 Abs. 2 Satz 2 das Gericht von der Anhörung absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen (dazu § 459c, 7) anzunehmen ist, dass die Anhörung nicht durchführbar ist.17

8

5. Entscheidung. Die gerichtliche Entscheidung ergeht durch einen mit Gründen versehenen förmlichen Beschluss (§ 34). Wegen der Schriftlichkeit des Beschlussverfahrens ist § 35 Abs. 1 Satz 1 nicht anzuwenden.18 Die Verkündung einer Entscheidung in einem Erörterungs- oder Anhörungstermin ist deshalb unzulässig.19 Der Beschluss ist auf Anordnung des Vorsitzenden (§ 36 Abs. 1 Satz 1) nach § 35 Abs. 2 Satz 1 zuzustellen. Die Zustellung an die Staatsanwaltschaft erfolgt nach § 41. Liegen die Voraussetzungen des § 79b StGB vor, so ist auch die öffentliche Zustellung nach § 40 zulässig.20 Auch durch sie wird die Rechtsmitteleinlegungsfrist in Lauf gesetzt. Bedenken aus Art. 103 Abs. 1 GG bestehen gegen diese Beschränkung nicht, da auch hier die Erwägung durchgreift, dass sich der Beschuldigte durch seinen Aufenthalt in einem derartigen Gebiet selbst vorsätzlich der Möglichkeit begeben hat, rechtliches Gehör zu erlangen.21 Dem Verurteilten, der später ergriffen wird oder sich stellt, bleibt die Möglichkeit des § 33a, ggf. auch die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.22 6. Anfechtung (Absatz 3)

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a) Sofortige Beschwerde (Satz 1). Nach Absatz 3 Satz 1 ist gegen den Beschluss die sofortige Beschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte,23 dem die unmittelbar von der Vollstreckung in ihren Rechten Betroffenen (§ 458, 30)24 gleichstehen, nicht aber, da die Vollstreckung Justizverwaltungsangelegenheit ist, der Nebenkläger.25 Die Vollstreckungsbehörde als solche ist, wie sich aus Absatz 2 ergibt, nicht beschwerdeberechtigt,26 ebenso wenig der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§§ 82 ff. JGG), soweit er statt der Staatsanwaltschaft Vollstreckungsbehörde ist. Dass beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts bei dessen Anwesenheit in der Strafanstalt gemeldet und von sich aus beantragt habe, die gegen ihn erkannten Strafen nachträglich auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen, denn er habe dann vor dem Erlass des Gesamtstrafenbeschlusses Gelegenheit gehabt, die Anträge zu stellen und zu begründen mit dem heutigen Verständnis der Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs nicht mehr vereinbar. 17 Bringewat 6. 18 Treptow NJW 1975 1105; KK/Appl 2; Bringewat 7. 19 KK/Appl 2; Bringewat 7. 20 KK/Appl 3a. 21 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 122 RegE EGStGB 1974, S. 311 a. E.; KK/Appl 3a. 22 Bringewat 6; Meyer-Goßner/Schmitt 4; KK/Appl 3a. 23 OLG Celle StV 1997 541; OLG Nürnberg NStZ-RR 1998 242; NStZ 2003 390. 24 KK/Appl 4; Bringewat 9. 25 OLG Hamm JMBlNRW 1952 125; KK/Appl 4; Bringewat 9; a. A. Krauß NJW 1958 49. 26 KK/Appl 4; Bringewat 9.

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diese als Vollstreckungsbehörden im Fall des § 458 Abs. 1 die gerichtliche Entscheidung herbeizuführen haben und dass im Fall des § 458 Abs. 2 über ihre Anordnungen entschieden wird, begründet noch kein Beschwerderecht der Vollstreckungsbehörde als solcher. Vielmehr werden, sobald die Anfechtung der gerichtlichen Entscheidung in Frage steht, die öffentlichen Belange in der gleichen Weise wie im Erkenntnisverfahren, so auch im nachfolgenden gerichtlichen Stadium des Vollstreckungsverfahrens wieder von der Staatsanwaltschaft wahrgenommen.27 Die sofortige Beschwerde ist nur gegen Entscheidungen gegeben, die in der Sache 10 selbst, z. B. über die beantragte Gesamtstrafenbildung, ergangen sind, nicht aber gegen Beschlüsse, die Verfahrensvoraussetzungen betreffen. Insoweit ist die einfache Beschwerde statthaft.28 Die Beschränkung der Beschwerde auf einen Beschwerdepunkt hindert nicht eine 11 anderweitige Richtigstellung zugunsten des Beschwerdeführers.29 Wegen des Verfahrens bei Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Beschwerdeinstanz vgl. § 311a. Wird irrigerweise eine in Beschlussform ohne mündliche Verhandlung zu treffende Entscheidung durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung getroffen, so ist auch gegen das Urteil nur die sofortige Beschwerde gegeben.30 b) Aufschiebende Wirkung (Satz 2). Nach Übernahme der Regelung über die Straf- 12 unterbrechung aus Krankheitsgründen aus der Strafvollstreckungsordnung (§ 45 StVollstrO) in § 455 Abs. 4 kann der Verurteilte nunmehr auch insoweit Einwendungen nach § 458 Abs. 2 (§ 458, 16) gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde erheben, über die alsdann die Strafvollstreckungskammer nach § 462a zu entscheiden hat. Gegen die Entscheidung ist sofortige Beschwerde statthaft (Satz 1). Um zu verhindern, dass ein Verurteilter, für den das Gericht im Widerspruch zur Entscheidung der Vollstreckungsbehörde die Unterbrechung der Strafvollstreckung angeordnet hat, alsbald entlassen wird,31 nach einem erfolgreichen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft aber wieder inhaftiert werden müsste, bestimmt Satz 2, dass der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft – wie im Fall des § 454 Abs. 3 Satz 2 (§ 454, 99) – aufschiebende Wirkung zukommt.32 Legt der Verurteilte gegen die Ablehnung einer Vollstreckungsunterbrechung durch die Vollstreckungsbehörde und gegebenenfalls (nach Einwendungen gem. § 458 Abs. 2) durch das Gericht nach Abs. 3 Satz 1 sofortige Beschwerde ein, gilt unverändert

27 A. A. Krauß NJW 1958 49. 28 RGSt 32 234; RG JW 1930 122; BayObLGSt 1955 148; OLG Düsseldorf NStZ 1981 366; KK/Appl 4; KMR/ Stöckel 7; Bringewat 8; Neuhaus/Putzke ZAP 2008 389, 403.

29 BayObLG DRZ 1933 418; Bringewat 10. 30 RG HRR 1935 Nr. 199; BGHSt 25 242; BGH StV 1982 61; BGH Beschluss vom 17.6.1998 – 1 StR 228/98; KK/Appl 4.

31 Konsequenz aus § 307 Abs. 1, der grundsätzlich auch für die sofortige Beschwerde gilt. Danach hindert die Einlegung der Beschwerde den Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht. 32 Vgl. BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 9, S. 17. Zwar hatte der Bundestag entsprechend der Empfehlung seines Rechtsausschusses – BTDrucks. 10 4391, Art. 2 (zu § 462 Abs. 3), S. 19 – die Regelung wieder gestrichen; jedoch hatte der Vermittlungsausschuss empfohlen, die Entwurfsfassung wiederherzustellen – BTDrucks. 10 5000 –. Bundestag und Bundesrat entsprachen dieser Empfehlung durch ausdrückliche Annahme bzw. durch Nichteinlegen eines Einspruchs – BTDrucks. 107/86. Entscheidend dafür dürfte auch gewesen sein, dass die Begründung des Rechtsausschusses, Satz 2 verschlechtere die Rechtslage des Verurteilten, einfach falsch war. Auch nach früherem Recht musste der Verurteilte bis zur Entscheidung des nach § 23 EGGVG angerufenen Oberlandesgerichts in Haft bleiben.

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§ 462a

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§ 307 Abs. 1 mit der Folge, dass ihr – wie auch sonst – kein Suspensiveffekt zukommt.33 Der Verurteilte kann jedoch einen Antrag nach § 307 Abs. 2 stellen.34 13

7. Beschwerdeentscheidung. Das Beschwerdegericht entscheidet grundsätzlich in der Sache selbst (§ 309). Das gilt auch für den Fall, dass das erstinstanzliche Gericht entgegen Absatz 2 Satz 1 die Anhörung versäumt hat.35 Das Beschwerdegericht hat sie alsdann nachzuholen.36 Eine eigene Sachentscheidung trifft das Beschwerdegericht auch dann, wenn die nach § 78b GVG unrichtig besetzte Strafvollstreckungskammer entschieden hat und eine abweichende Entscheidung des richtig besetzten Spruchkörpers ausgeschlossen ist,37 etwa, weil es für die eigene Sachentscheidung keine weiteren Ermittlungen anzustellen braucht.38 Eine Zurückverweisung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, so z. B., wenn entgegen § 462a Abs. 1 nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das Gericht des ersten Rechtszugs über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung entschieden hat.39

14

8. Vollstreckung. Soweit die Entscheidung der Vollstreckung bedarf, veranlasst die Staatsanwaltschaft das Erforderliche (§ 36 Abs. 2). Das Gericht ist nicht befugt, die zur Vollstreckung seiner Anordnungen notwendigen Maßnahmen zu treffen.40

§ 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts (1) 1Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. 2Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. 3Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend. (2) 1In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. 2Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. 3Abweichend von Absatz 1

33 34 35 36 37

Bringewat 11. OLG Hamm Beschl. vom 8.3.2016 – III – 3 Ws 72/16. KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 10. A. A. OLG Hamburg NStZ 1991 356; StV 1992 587. OLG Frankfurt StV 1989 491; OLG Hamm NStZ 1992 467; KK/Appl 4; Bringewat 10; Meyer-Goßner/ Schmitt § 309, 9. 38 Teilweise a. A. OLG Düsseldorf StV 1991 432. 39 OLG Hamburg NStZ 1991 356; StV 1992 587; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 10; a. A. OLG Düsseldorf StV 1991 432, KK/Appl 4. 40 KK/Appl 2; Bringewat 7.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-041

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 462a

ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist. (3) 1In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. 2 Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. 3War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. 4Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts. (4) 1Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. 2Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. 3 In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt. (5) 1An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. 2Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. 3Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden. (6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das die Entscheidung getroffen hat. Schrifttum Aulinger Sachliche und örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die Aufhebung der Sperre zur Erteilung einer Fahrerlaubnis, JR 2003 84; Blau Erste Erfahrungen mit der neuen Regelung, in Schwind/Blau (Hrsg.) Strafvollzug in der Praxis (1976), 363; Doller Organisation und Geschäftsgang der Strafvollstreckungskammern, DRiZ 1976 169; ders. Die Kalamitäten des § 462a StPO, MDR 1977 272; ders. Die mündliche Anhörung des Verurteilten durch die Strafvollstreckungskammer, DRiZ 1977 80; ders. Zwölf Jahre Strafvollstreckungskammer – Eine kritische Bilanz – DRiZ 1987 264; Engel Zuständigkeit und Stellung des Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung, NStZ 1987 110; ders. Nochmals: Zuständigkeit und Stellung des Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung; Antwort auf eine Erwiderung, NStZ 1987 499; Herzog Dauer der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern, NJW 1976 1077; Hillenbrand Die Anhörung des Verurteilten im Widerrufsverfahren, StRR 2015 444; Jähnke Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des Gerichts des ersten Rechtszuges nach § 462a StPO, DRiZ 1977 236; Katholnigg Aus der Rechtsprechung zum Strafvollstreckungsrecht, NStZ 1981 174; 1982 241, 280; 1983 299; 1984 304; 1985 303; 1986 299; ders. Zur Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft in der Strafvollstreckung, NStZ 1982 195; ders. Zuständigkeit und Stellung des Staatsanwalts im Verfahren zur Bewährungsüberwachung, NStZ 1987 112; Laubenthal 30 Jahre Vollzugszuständigkeit der Strafvollstreckungskammern, FS Böttcher (2007) 325; Meyer-Goßner Theorie ohne Praxis und Praxis ohne Theorie im Strafverfahren, ZRP 2000 346; Peters Der Auftrag des Gesetzgebers

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§ 462a

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

an die Strafvollstreckungskammer, GA 1977 97; ders. Die Tätigkeit der Strafvollstreckungskammer unter besonderer Berücksichtigung von § 109 StVollzG, JR 1979 397; Raacke Zurückverweisung in Strafsachen und Nachtragsentscheidungen, NJW 1966 1697; W. Schmidt Die Strafvollstreckungskammern in der Praxis, NJW 1975 1485; 1976 224; Stromberg Die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte, MDR 1979 353; Thomann Das Vollstreckungs- und Vollzugsgericht (1973); Treptow Das Verfahren der Strafvollstreckungskammern, NJW 1975 1105; ders. Die Strafvollstreckungskammern in der Praxis, NJW 1976 222; ders. Zur Tätigkeit der Strafvollstreckungskammer in Vollzugssachen, NJW 1977 1037; Valentin Obergerichtliche Rechtsprechung zu Zuständigkeitsfragen bei § 462a, NStZ 1981 128.

Entstehungsgeschichte Der durch die Verordnung vom 13.3.1940 (RGBl. I S. 1489) eingefügte § 462a beschränkte sich auf den Ausspruch, dass das Amtsgericht auch bei der ihm obliegenden nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe (§ 460) seine Strafgewalt (§ 24 Abs. 2 GVG) nicht überschreiten dürfe und dass, wenn diese Strafgewalt nicht ausreiche, die Strafkammer des übergeordneten Landgerichts entscheide. Durch Art. 21 Nr. 132 EGStGB 1974 erhielt § 462a weitgehend die jetzt geltende Fassung. Der Inhalt des § 462a a. F. findet sich jetzt in § 462a Abs. 3 Satz 4. Absatz 6 ist durch Art. 1 Nr. 34 StVÄG 1979 eingefügt worden. Durch Art. 2 Nr. 9 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 ist die Paragrafenkette in den Absätzen 1 und 4 jeweils um § 454a erweitert worden. Durch Art. 2 Nr. 6 Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.20101 wurde dem Absatz 2 ein neuer Satz 3 angefügt. Danach ist abweichend von Absatz 1 nicht die Strafvollstreckungskammer für Entscheidungen in den dort bezeichneten Fällen zuständig, sondern das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn es die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat (§ 66a StGB) und eine Entscheidung darüber nach § 66a Abs. 3 StGB noch möglich ist.

I.

II.

Übersicht Inhalt und Bedeutung der Vorschrift 1. Grundgedanke der Konzentration von Nachtragsentscheidungen 1 2. Zuständigkeitskonzentration bei einem Gericht 3 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 1. Sachliche Zuständigkeit a) Freiheitsstrafe 4 b) Jugendstrafe 5 c) Strafarrest (§ 9 WStG) 6 d) Erzwingungshaft 7 e) Vollstreckung 8 2. Örtliche Zuständigkeit (Absatz 1 Satz 1) a) Verfassungsmäßigkeit der Regelung 10 b) Aufnahme 11 3. Mit der Sache befasst werden 14 4. Dauer der örtlichen Zuständigkeit a) Abschließende Entscheidung 20 b) Beendigung 22

III.

IV.

V.

c) Einzelfälle 23 Verbleibende Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges und des übergeordneten Beschwerdegerichts trotz Vollstreckungsbeginns 1. Grundsatz 25 2. Besonderheiten in Betäubungsmittelsachen 26 Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer (Absatz 1) 1. Grundsatz 29 2. Einzelheiten a) Zu §§ 453, 454, 454a 30 b) Zu § 458 (Satz 3) 31 c) Zu §§ 462, 459o (Satz 3) 32 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für Nachtragsentscheidungen (Absatz 1 Satz 2) 1. Grundsatz 33 2. Fortdauer der Zuständigkeit

1 BGBl. I S. 2300, 2303.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

a)

Unterbrechung der Vollstreckung 34 b) Aussetzung des Strafrestes 35 c) Ende der Zuständigkeit 36 VI. Abgabe der Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges (Absatz 1 Satz 3) 1. Zulässigkeit 37 2. Bindung 39 VII. Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges 1. Gesetzliche Umschreibung des Umfangs (Absatz 2 Satz 1) 40 2. Befassung mit der Sache durch ein anderes Gericht (Absatz 6) a) Frühere Ansicht 41 b) Klarstellung 43 3. Fälle der Zurückverweisung (Absatz 6 erste Fallgruppe) a) § 354 Abs. 2 45 b) § 354a 50 c) § 355 51 4. Fall der verurteilenden Entscheidung (§ 373) im Wiederaufnahmeverfahren (Absatz 6 zweiter Fall) 52 VIII. Abgabe der Nachtragsentscheidungen (Absatz 2 Satz 2) 1. Zuständigkeit 55 2. Umfang 57 3. Wirkung 58 4. Bindung 59 5. Anfechtbarkeit 62 6. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft 63 IX. Erweiterte Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges (Absatz 2 Satz 3) 1. Zweck der Regelung 64 2. Anwendungsbereich a) Umfang der Erweiterung 65 b) Dauer der Zuständigkeit 66 3. Verfahren 67 X. Gesamtstrafenbildung (Absatz 3) 1. Zuständigkeit (Satz 1) 68

§ 462a

2.

Reihenfolge (Sätze 2 und 3) a) Allgemeines 69 b) Einzelheiten 70 3. Zuständigkeit bei Bildung einer Gesamtstrafe unter Auflösung einer früheren 72 4. Fehlende amtsgerichtliche Strafgewalt (Satz 4) a) Allgemeines 73 b) Einzelfragen 74 c) Rechtsfolgen bei Überschreitung der Strafgewalt 75 XI. Zuständigkeitskonzentration für Nachtragsentscheidungen bei mehreren Verurteilungen ohne Gesamtstrafenzusammenhang (Absatz 4) 1. Grundsatz (Satz 1) 76 2. Rechtskraft der Ausgangsentscheidungen 78 3. Sachliche Zuständigkeit (Satz 2) 79 4. Zusammentreffen von Jugendstrafe und Erwachsenenfreiheitsstrafe 81 5. Örtliche Zuständigkeit bei mehreren in Betracht kommenden Strafvollstreckungskammern (Satz 3) 83 6. Mehrere selbständige Verurteilungen durch dasselbe Gericht 84 7. Auswirkungen der Konzentration auf die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde a) Grundsatz 85 b) Wechsel in den Fällen des Absatzes 6 86 XII. Nachtragsentscheidungen bei erstinstanzlichen Urteilen des Oberlandesgerichts (Absatz 5) 1. Grundsatz (Satz 1) 88 2. Abgabe an die Strafvollstreckungskammer (Sätze 2 und 3) 89 3. Mündliche Anhörung 90 XIII. Besetzung der Strafvollstreckungskammer 91

Alphabetische Übersicht Abgabe 37 ff., 55 ff. Antrag 15 ff. Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt 11 ff. Bedeutung der Vorschrift 1 f. Beendigung der Zuständigkeit 22 Befasstsein 14 ff., 41 ff. Besetzung der Strafvollstreckungskammer 92

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Betäubungsmittelsachen 26, 81 Bindung 39, 59 Dauer der örtlichen Zuständigkeit 20 ff. Ersatzfreiheitsstrafe 4 Erzwingungshaft 7 Freiheitsstrafe 4 Gesamtstrafenbildung 69 ff.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

gesetzlicher Richter 10 Jugendrichter als Vollstreckungsleiter 5 Jugendstrafe 5, 82 Mündliche Anhörung 86 Nachtragsentscheidungen 33 ff., 42, 55 ff., 84 ff. Organisationshaft 13 Staatsanwaltschaft 86 ff. Strafarrest 6 Strafgewalt 69 ff. Strafvollstreckungskammer 1 ff., 29 ff., 33 ff., 89 ff. Untersuchungshaft 9 Verweisung 75

Vollstreckungsbehörde 86 ff. Vollstreckungsplan 10 Wiederaufnahmeverfahren 52, 88 Zuständigkeit – Dauer 20 – Ende 36 – erweiterte 64 ff. – Fortdauer 34 ff. – Gesamtfreiheitsstrafe 73 – örtliche 2, 10 ff., 20 ff., 84 f. – sachliche 2, 4 ff., 79 ff. Zuständigkeitskonzentration 3, 29, 77 ff.

I. Inhalt und Bedeutung der Vorschrift 1. Grundgedanke der Konzentration von Nachtragsentscheidungen. § 462a i. V. m. § 454 bildet das Kernstück der Reformen,2 die das EGStGB 1974 im Abschnitt „Strafvollstreckung“ durchgeführt hat. § 78a Abs. 1 Satz 1 GVG sieht die Bildung von Strafvollstreckungskammern als Spezialspruchkörper solcher Landgerichte vor, in deren Bezirk Anstalten (für Erwachsene) unterhalten werden, in denen Freiheitsstrafen oder freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung vollzogen werden oder andere Vollzugsbehörden ihren Sitz haben. Diese mit besonderer funktioneller Zuständigkeit3 ausgestatteten Strafvollstreckungskammern sind nach § 78a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GVG unter anderem zuständig für die Entscheidungen nach §§ 462a, 463, soweit sich nicht aus der Strafprozessordnung etwas anderes ergibt. Der Strafprozessordnung fällt also die Aufgabe zu, den durch die Verweisung auf die §§ 462a, 463 allgemein umschriebenen Aufgabenbereich der Strafvollstreckungskammer einschränkend näher zu bestimmen. 2 Die Bildung der Strafvollstreckungskammern beruht, soweit es sich um Freiheitsstrafen (und freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung, § 463) handelt, auf dem Grundgedanken, in solchen Fällen, in denen die Freiheitsstrafe (Maßregel) vollzogen wird oder zum Teil vollzogen war, die Vollstreckung aber noch nicht endgültig erledigt ist, die besonderen Erfahrungen und die Entscheidungsnähe der Strafvollstreckungskammern für die ihnen obliegenden Entscheidungen zu nutzen.4 Unter diesem Gesichtspunkt grenzt § 462a einmal die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer gegenüber der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges ab, das nach rechtskräftigem Abschluss des Erkenntnisverfahrens für Nachtragsentscheidungen zuständig ist, soweit der Gesichtspunkt der besonderen Erfahrung und Entscheidungsnähe keine Rolle spielt (Absätze 2 bis 4) oder gegenüber anderen kriminalpolitischen Erwägungen zurücktritt (Absatz 5). Ferner regelt § 462a die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer. Ihr Haupttätigkeitsgebiet sind die Entscheidungen über die Aussetzung des Strafrestes (§ 57 StGB), die Entlassung aus dem Maßregelvollzug (§§ 67d, 67e StGB) und die im Rahmen der Führungsaufsicht zu treffenden Entscheidungen (§§ 67h, 68f StGB). Daneben obliegen ihnen erstinstanzlich die Ent1

2 Zur Entstehungsgeschichte und den Vorbildern der Reform s. Blau 359 ff. 3 KK/Appl 2. 4 Bringewat 2.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 462a

scheidung bei Anträgen auf gerichtliche Entscheidung gegen Maßnahmen der Strafvollzugsbehörde, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein (§§ 109 ff. StVollzG) sowie die gerichtlichen Entscheidungen betreffend die Vollstreckung ausländischer Erkenntnisse in der Bundesrepublik Deutschland (§§ 84g, 84j IRG) und hinsichtlich der Überwachung von ausländischen Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen (§§ 90h, 90j, 90k IRG). 2. Zuständigkeitskonzentration bei einem Gericht. Neben dem Gesichtspunkt 3 der Übertragung von Nachtragsentscheidungen auf „entscheidungsnahe“ Gerichte ist auch der Gedanke einer „zusammenfassenden Würdigung“ von Tat und Täter (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB), einer Gesamtschau bei den Nachtragsentscheidungen, die gegenüber einem in verschiedenen Verfahren abgeurteilten Täter erforderlich sind, ein wesentliches Reformanliegen. Er führt zu einer Zuständigkeitskonzentration bei einem Gericht. Soweit es sich um die nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 460) handelt, war die Zuständigkeitskonzentration hergebracht (§ 462 Abs. 3 a. F., jetzt § 462a Abs. 3). Auf dem Gesichtspunkt der zusammenfassenden Würdigung beruht nunmehr auch die Zuständigkeitskonzentration bei der Strafvollstreckungskammer durch Absatz 1 und Absatz 4 Satz 3, vor allem aber auch die neu geschaffene Zuständigkeitskonzentration nach Absatz 4 Satz 1, 2, wo im Anschluss an die Zuständigkeitsregelung bei Gesamtstrafenbildung (Absatz 3) eine entsprechende Zuständigkeitskonzentration für Nachtragsentscheidungen gegenüber einem in verschiedenen Verfahren ohne Gesamtstrafenzusammenhang abgeurteilten Täter geschaffen ist. II. Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 1. Sachliche Zuständigkeit a) Freiheitsstrafe. Absatz 1 Satz 1 setzt voraus, dass gegen den Verurteilten eine 4 Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Bei einem auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten ist zuständiges Gericht nach Absatz 2 Satz 1 grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszuges.5 Er findet mithin keine Anwendung, soweit die Entscheidungen andere Personen wie Mitangeklagte, Nebenkläger, aber auch Verleger oder Redakteure i. S. von § 463c Abs. 3 betreffen.6 Freiheitsstrafe ist hier nur die Erwachsenenfreiheitsstrafe, und zwar nicht nur die primäre Freiheitsstrafe (§ 38 StGB), sondern auch die Ersatzfreiheitsstrafe, denn sie tritt mit Beginn des Vollzugs als echte Freiheitsstrafe an die Stelle der Geldstrafe.7 Nach – nicht unbestrittener8 − Auffassung kann auch bei einer Ersatzfreiheitsstrafe ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden. Wegen der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer bei Einwendungen nach den §§ 459e, s. § 459o, 19. Wird ein auf Freiheitsstrafe erkennendes Urteil gegen einen in dieser Sache in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten durch unmittelbar nach der Urteilsverkündung erklärten allseitigen Rechtsmittelverzicht rechts5 OLG München Beschl. vom 26.10.2020 – 2 Ws 1103/20. 6 BGH NStZ 1987 428; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 4. 7 BGHSt 20 16; 30 223; BGH NStZ-RR 2007 94; BGH Beschl. vom 1.8.2018 – 2 ARs 197/18; OLG Hamburg JR 1976 519 mit Anm. Peters; OLG München NStZ 1984 238; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 7; s. auch BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 122, S. 314, dass es – entgegen der Ansicht der Strafvollzugskommission (S. 312) nicht geboten sei, „Ersatzfreiheitsstrafen von der möglichst einheitlich auszugestaltenden Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer auszunehmen“. 8 Vgl. zum Streitstand LK/Hubrach § 57, 4; Fischer § 57, 3; MüKo-StGB/Groß § 57, 9.

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kräftig, so ist für die Entscheidung über die Aussetzung des nach Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibenden Strafrestes zur Bewährung und darauf bezogene Folgeentscheidungen nicht das erkennende Gericht, sondern die Strafvollstreckungskammer sachlich zuständig. Dies gilt auch dann, wenn das Tatgericht eine Strafrestaussetzung unzulässigerweise im Rahmen einer Absprache zugesagt hatte.9 5

b) Jugendstrafe. Jugendstrafe ist keine Freiheitsstrafe i. S. v. Absatz 1 Satz 1. Die Vollstreckung von Jugendstrafe ist daher keine Vollstreckung von Freiheitsstrafe i. S. d. Absatzes 1 Satz 1 und begründet auch dann nicht die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, wenn sie im Erwachsenenvollzug erfolgt.10 Wird neben einer Jugendstrafe aus einer weiteren Verurteilung eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so besteht eine parallele Zuständigkeit des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter und der Strafvollstreckungskammer. Die Zuständigkeit des Jugendrichters endet erst mit der Abgabe nach § 89a Abs. 3, § 85 Abs. 6 JGG oder vollständiger Vollstreckung der Jugendstrafe.11 Der nach § 82 Abs. 1, § 110 Abs. 1 JGG zuständige Jugendrichter nimmt nach § 85 Abs. 2 als Vollstreckungsleiter die Aufgaben wahr, die die Strafprozessordnung der Strafvollstreckungskammer zuweist,12 und zwar auch dann, wenn ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat.13 Daran ändert sich auch nichts, wenn nach § 89b JGG Jugendstrafe nicht in der Jugendstrafanstalt, sondern nach den Vorschriften des Vollzugs für Erwachsene (§ 89b Abs. 1 Satz 2 JGG), also in der Erwachsenenstrafanstalt vollzogen wird. Die Zuständigkeit des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter wird durch diese Herausnahme aus dem Jugendstrafvollzug nicht berührt.14 Die Entscheidungsnähe kann durch Abgabe und Übergang der Vollstreckung an den Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts (§ 85 JGG) herbeigeführt werden, wenn dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. Während der Vollstreckung einer Jugendstrafe obliegt die Entscheidung über eine vorzeitige Abkürzung der Sperrfrist für die Wiedererteilung einer entzogenen Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 7 StGB) dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter.15 Von dieser Abgrenzung der Vollstreckungszuständigkeit ist die Frage zu unterscheiden, wer für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine Vollzugsmaßnahme zuständig ist. Wird die Jugendstrafe nach § 89b JGG im Erwachsenenvollzug verbüßt, entscheidet die Strafvollstreckungskammer nach §§ 109 ff. StVollzG.16

9 10 11 12

OLG Oldenburg NStZ 2009 656 Ls. OLG Celle ZJJ 2019 402. OLG Celle ZJJ 2019 402. BGHSt 26 162 = JR 1976 mit Anm. Brunner = LM § 82 JGG Nr. 1 mit Anm. Kohlhaas; 27 25 = JR 1977 259 mit Anm. Brunner; 27 329, 332 = JR 1979 82 mit Anm. Peters; 28 351; BGH NStZ 1985 92; OLG Karlsruhe MDR 1980 1037; OLG Hamburg NStZ 1986 336 mit zust. Anm. Jabel; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 39; im Ergebnis auch Bringewat 8. 13 OLG Düsseldorf NStZ 2001 616. 14 BGHSt 24 332; 27 207 = LM § 462a StPO Nr. 16 mit Anm. Willms; 27 329 = JR 1979 82 mit Anm. Peters = LM § 82 JGG Nr. 3 mit Anm. Willms; 28 351 = LM § 462a StPO Nr. 22 mit Anm. Willms; BGH NJW 1977 1973; NStZ 1985 92; BGH bei Böhm NStZ 1981 252 unter I 5; BGH NStZ 1997 100; 1997 255; BGH StraFo 2007 258; OLG Dresden NStZ-RR 1998 60; OLG Koblenz StraFo 2004 179; OLG Schleswig ZJJ 2009 59; OLG Hamm JMBlNRW 1978 35; OLG Düsseldorf MDR 1992 896; 1993 171; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 39; Bringewat 8, 9; a. A. OLG Düsseldorf GA 1987 512; LG Krefeld NJW 1979 666. 15 OLG Frankfurt NStZ-RR 1996 285. 16 BGHSt 29 33, 36; BGH NStZ 1985 92; KK/Appl 6; Bringewat 10; a. A. OLG Karlsruhe NStZ 1993 104; Meyer-Goßner/Schmitt 39.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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c) Strafarrest (§ 9 WStG). Strafarrest gegen Soldaten der Bundeswehr ist eine Frei- 6 heitsstrafe im weiteren Sinn, bei der nach § 14a WStG die Vorschriften des StGB über die Aussetzung eines Strafrestes entsprechend gelten. Daher ist i. S. von Absatz 1 Satz 1 auch der Strafarrest eine Freiheitsstrafe, unabhängig davon, ob er in Justizvollzugsanstalten oder von Behörden der Bundeswehr vollzogen wird.17 d) Erzwingungshaft. Erzwingungshaft bei Uneinbringlichkeit von Geldbußen 7 nach § 96 OWiG sowie in Strafverfahren festgesetzte Haft als Ordnungs- und Zwangsmittel (Art. 6 EGStGB 1974) sind keine Freiheitsstrafen.18 e) Vollstreckung. Vollstreckt i. S. von Absatz 1 Satz 1 wird eine Freiheitsstrafe nicht 8 schon durch die auf Herbeiführung des Vollzugs gerichteten Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde, also nicht schon mit der Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten zum Strafantritt (§ 27 StVollstrO) und dem Aufnahmeersuchen an die Vollzugsanstalt (§ 29 StVollstrO)19 oder der Ergreifung von Zwangsmaßnahmen zur Gestellung, sondern erst mit dem Vollzugsbeginn.20 Solange in diesem Sinn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe noch nicht begonnen hat, ist für die Nachtragsentscheidungen gemäß § 462a Abs. 2 das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig.21 Vorbereitende Maßnahmen im Vollstreckungsverfahren begründen die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht. Demgemäß hat § 462a auch keine Änderung der Rechtslage in den Fällen gebracht, 9 in denen bei der – noch nicht rechtskräftigen – Aburteilung unter Anrechnung der Untersuchungshaft bereits zwei Drittel der erkannten Strafe verbüßt sind und der Verurteilte aus der Untersuchungshaft entlassen worden ist, bevor das Gericht darüber entschieden hat, ob die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung auszusetzen ist. Die Entscheidung ist dann dem erkennenden Gericht als dem entscheidungsnäheren zu überlassen, und es ist nicht etwa die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Untersuchungshaftanstalt gelegen ist.22 Die Strafvollstreckungskammer wird erst dann sachlich zuständig, wenn die Untersuchungshaft unmittelbar in Strafhaft übergeht,23 und zwar mit der Folge, dass der Verurteilte damit zugleich in die Justizvollzugsanstalt aufgenommen ist, in der er sich zu diesem Zeitpunkt befindet. Das gilt selbst dann, wenn bei Strafbeginn – Rechtskraft des Urteils24 – eine Verlegung in die nach dem Vollstreckungsplan zuständige Anstalt zu erwarten ist25 oder bereits zwei Drittel

17 Wegen der örtlichen Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer s. § 78a Abs. 1 Satz 1 letzter Hs. GVG „oder soweit in ihrem Bezirk andere Vollzugsbehörden ihren Sitz haben“; wegen der Anwendung von § 462a Abs. 1 Satz 1 auch bei Verbüßung von Strafarrest in einer Kaserne BGHSt 26 391 = LM § 462a StPO Nr. 13 mit Anm. Willms; OLG Stuttgart OLGSt § 462a StPO, 31; LG Hildesheim NdsRpfl. 2007 383; Doller MDR 1977 273; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 7. 18 Bringewat 7. 19 Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 11. 20 BGH NStZ 2000 111; NStZ-RR 2003 293; OLG Nürnberg OLGSt StPO § 462 Nr. 20. 21 BGHSt 26 165; 26 189; 26 278; KK/Appl 10. 22 OLG Hamm MDR 1978 592; NJW 1980 2090; OLG Düsseldorf StV 1989 216; anders noch JR 1976 31 mit abl. Anm. Peters; Valentin NStZ 1981 129; KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 23 OLG Bamberg NStZ-RR 2013 326. 24 OLG Hamm OLGSt § 462a, 53; OLG Düsseldorf NStZ 1981 366; OLG Celle NStZ 1985 188; OLG Köln OLGSt § 462a, 77; LG Bonn NStZ 1982 349; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 25 BGHSt 38 63; KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 5.

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der erkannten Strafe nach § 57 Abs. 4 StGB als verbüßt gelten.26 Wegen der örtlichen Zuständigkeit s. Rn. 13 a. E. 2. Örtliche Zuständigkeit (Absatz 1 Satz 1) 10

a) Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Wird Freiheitsstrafe vollzogen, so bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nach der Lage der Justizvollzugsanstalt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt aufgenommen ist, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird.27 Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer wird bereits mit der Aufnahme des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt ihres Bezirks begründet und nicht erst dann, wenn sie mit einer bestimmten Entscheidung befasst ist. Letzteres hindert lediglich bis zur abschließenden Entscheidung den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit.28 Die so begründete Zuständigkeit entfällt auch dann nicht, wenn der Verurteilte in sein Heimatland abgeschoben wird.29 Bei Inkrafttreten des § 462a am 1.1.1975 war gegen diese Zuständigkeitsregelung der Einwand denkbar, sie verletze den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG), weil sie die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer von einem Handeln der Verwaltungsbehörde, nämlich der „Aufnahme“ in eine bestimmte Justizvollzugsanstalt, abhängig mache, die ihrerseits wieder durch Verwaltungshandeln – Verlegung des Gefangenen von einer in eine andere Anstalt – bestimmt werde.30 Diese Bedenken erscheinen durch das StrafvollzugsG 1976 ausgeräumt. Denn die örtlich und sachlich zuständige Justizvollzugsanstalt wird durch die auf gesetzlicher Grundlage nach den Strafvollzugsgesetzen der Länder beruhenden Vollstreckungspläne der Länder bestimmt und auch wenn diese Regelungen nicht in der Form von Rechtsverordnungen, sondern allgemeiner Verwaltungsanordnungen getroffen werden sollten, haben sie durch Selbstbindung der Verwaltung anspruchsbegründende Außenwirkung. Auch die Voraussetzungen einer Verlegung von Gefangenen in eine andere Anstalt sind gesetzlich geregelt und ihre Rechtmäßigkeit im Einzelfall der gerichtlichen Kontrolle durch die Strafvollstreckungskammer nach Maßgabe der §§ 109 ff. StVollzG unterstellt. Daran ändern auch die Entwicklungen im Zuge der Föderalismusreform nichts, wodurch die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder übergegangen ist. Ist nach dem Landesrecht die Möglichkeit eröffnet, den Untergebrachten auch in eine andere als im Vollstreckungsplan vorgesehene Einrichtung zu verlegen, so ist nach erfolgter Verlegung diese Therapieeinrichtung die zuständige Anstalt im Sinne von § 463 Abs. 1, § 462a Abs. 1.31 Damit erscheint im Rahmen des Möglichen das getan, was zur Gewährleistung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters erforderlich ist. Darüber, dass die einmal begründete örtliche Zuständigkeit nicht durch Verlegungen vor der abschließenden Entscheidung berührt wird, vgl. Rn. 20.

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b) Aufnahme. Aufgenommen ist der Verurteilte in derjenigen nach dem Vollstreckungsplan (Rn. 10) zuständigen Anstalt, in der die Strafe an ihm tatsächlich und nicht

26 BGHSt 27 302 = NJW 1978 1443 mit Anm. Paeffgen; LG Bonn NStZ 1982 349; KK/Appl 9; MeyerGoßner/Schmitt 5; Bringewat 12. BGH NStZ-RR 2001 267. BGH NStZ 2000 111. BGH NStZ 2000 111. BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 122 Entw. EGStGB, S. 313. BGH NStZ-RR 1998 155.

27 28 29 30 31

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nur ganz vorübergehend vollzogen wird.32 Hat sich der Verurteilte in Untersuchungshaft befunden, so geht mit dem Eintritt der Rechtskraft der Freiheitsstrafe die Untersuchungshaft des einsitzenden Verurteilten ohne weiteres in Strafhaft über. Damit wird der Verurteilte nach Absatz 1 Satz 1 in die Justizvollzugsanstalt aufgenommen und die Strafvollstreckungskammer wird für die danach zu treffenden Entscheidungen zuständig.33 Besteht die Anstalt aus einer Hauptanstalt und einer oder mehreren Außenstellen, ist die für die Hauptanstalt zuständige Strafvollstreckungskammer auch für die Außenstellen zuständig, da Hauptanstalt und Außenstellen eine organisatorische Einheit bilden und deshalb i. S. von Absatz 1 Satz 1 als eine Einheit anzusehen sind.34 Das gilt auch dann, wenn die Außenstelle in einem anderen Landgerichtsbezirk liegt als die Hauptanstalt.35 Aufnahme ist dabei sowohl die Erstaufnahme zum Vollzug als auch jede spätere 12 Aufnahme infolge Verlegung im Strafvollzug.36 Dabei ist es unerheblich, ob die Vollzugseinrichtung nach dem Vollstreckungsplan des jeweiligen Landes auch zuständig ist. Dies gilt auch dann, wenn – wie im Fall vom Übergang der Untersuchungshaft in Strafhaft eine spätere Verlegung in eine zuständige Einrichtung schon abzusehen ist.37 Daraus, dass die Aufnahme darüber entscheidet, wer der gesetzliche Richter ist, folgt, dass es sich um eine Aufnahme von einiger Dauer handeln muss.38 Daher berühren nur ganz vorübergehende Verlegungen in eine andere Justizvollzugsanstalt,39 etwa zur Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins, die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht.40 Das gilt auch z. B. bei Verlegung zu einer etwa drei Wochen dauernden Krankenhausbehandlung.41 Solche kurzfristigen und meist zeitlich von vornherein einigermaßen genau abgrenzbaren Verlegungen beeinträchtigen die Zuständigkeit der für die „Stammanstalt“ zuständigen Strafvollstreckungskammer nicht.42 Die „Aufnahme“ bleibt auch bei Lockerungen des Vollzugs und insbesondere bei Beurlaubung als Vollzugsmaßnahme bestehen. Die so begründete Zuständigkeit entfällt auch dann nicht, wenn nach § 456a von der weiteren Vollstreckung abgesehen und der Verurteilte abgeschoben wird. Absatz 1 Satz 1 präzisiert diese Regelung dahingehend, dass insofern auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem eine erstmalige Befassung mit der konkreten Angelegenheit gegeben war.43

32 BGH NStZ 1984 380; 2012 652; StraFo 2015 346; NStZ-RR 2015 58; 2017 263; StV 2018 354; MeyerGoßner/Schmitt 5; Bringewat 15.

33 BGH NStZ 1999 638; NStZ-RR 2000 296 Ls.; Beschl. vom 1.8.2018 – 2 ARs 197/18; OLG Jena NStZ-RR 2012 94 Ls. 34 BGHSt 28 135; BGH NStZ 1994 304; OLG Hamm bei Doller MDR 1977 274; OLG Celle MDR 1978 594; s. auch OLG Karlsruhe Justiz 1978 241; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Bringewat 14. 35 BGHSt 28 135 = LM § 462a StPO, 4 mit Anm. Willms; 36 229; KK/Appl 15. 36 BGHSt 26 165; 26 278; 36 230; BGH NJW 1990 261; StV 2018 354; OLG Zweibrücken NStZ 2010 109; KK/Appl 15. 37 BGHSt 38 63, 65; BGH NStZ 2012 652. 38 OLG Düsseldorf NStZ 1985 334; Treptow NJW 1975 1107; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 15. 39 OLG Stuttgart NJW 1976 258; BGH NStZ-RR 2012 358; 2013 390; Bringewat 18. 40 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 122 Entw. EGStGB, S. 313; BGHSt 26 166; 26 279; 36 229; BGH NJW 1990 261; OLG Düsseldorf MDR 1975 863; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 41 BGH NJW 1976 249; 1990 264; StraFo 2015 346; NStZ-RR 2015 58; nicht aber für die Aufnahme des Verurteilten in eine Vollzugsanstalt zur Beurteilung durch die Einweisungskommission: OLG Stuttgart NJW 1977 1074; KK/Appl 14; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 18. 42 BGH NStZ-RR 2009 187; OLG Stuttgart NJW 1976 258; a. A. W. Schmidt NJW 1975 1489; 1976 224. 43 BGH NStZ-RR 2017 263.

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Bei Vollzugsbeginn geschieht die Aufnahme, wenn sich der Verurteilte in der durch Strafantrittsladung und Aufnahmeersuchen bezeichneten Anstalt freiwillig stellt oder nach Ergreifung dorthin verbracht wird.44 Die Zuständigkeit der für diese Anstalt zuständigen Strafvollstreckungskammer bleibt auch dann begründet, wenn der Verurteilte sich anschließend nur für wenige Tage in der betreffenden Justizvollzugsanstalt zur Strafverbüßung aufhält.45 Es reicht zur Begründung der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht aus, dass nur eine Ladung zum Strafantritt erfolgt ist.46 Stellt sich der Verurteilte entgegen der Ladung zum Strafantritt – aus welchen Gründen auch immer – in einer anderen Justizvollzugsanstalt und wird er nach wenigen Tagen in die vorgesehene Anstalt überführt, so begründet die Aufnahme in der ersten Anstalt nicht die Zuständigkeit nach Absatz 1 Satz 1. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich dann nach dem Sitz der Justizvollzugsanstalt, in die der Verurteilte geladen war.47 Eine Aufnahme i. S. des § 462a liegt noch nicht vor – mag dies auch für die Strafzeitberechnung von Bedeutung sein –, wenn der mittellose Verurteilte zunächst in eine näher gelegene Anstalt geladen wird, um alsbald der zuständigen Anstalt zugeführt zu werden (§ 27 Abs. 5 StVollstrO).48 Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ist auch dann zu verneinen, wenn ein noch in Untersuchungshaft befindlicher Verurteilter, der nach Rechtskraft zunächst noch in der Untersuchungshaftanstalt verbleibt, alsbald in die nach dem Vollstreckungsplan zuständige Vollzugsanstalt verlegt wird,49 und vermag deshalb auch keine Zuständigkeit der für die Haftanstalt zuständigen Strafvollstreckungskammer zu begründen.50 Organisationshaft ist eine die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer begründende Vollstreckung einer Freiheitsstrafe i. S. v. Absatz 1.51 Es handelt sich insoweit um schlichte Strafhaft, deren Dauer zunächst nicht feststeht und bei der es sich daher nicht um eine kurzfristige vorübergehende Aufnahme handelt, die noch keine zuständigkeitsbegründende Wirkung entfaltet.52

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3. Mit der Sache befasst werden. „Befasst“ i. S. v. Absatz 1 Satz 1 ist ein Gericht dann, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine Entscheidung, z. B. den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen können.53 Die Strafvollstreckungskammer wird dann befasst, wenn der von Amts wegen zu beachtende maßgebliche Zeitpunkt nach § 57 StGB herannaht,54 denn dieser Zeitpunkt ist stets über die Strafzeitberechnung im Vollstreckungsheft aktenkundig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Akten dem Gericht zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegen.55 An der Zuständigkeit ändert sich auch nichts durch

44 45 46 47 48 49 50 51

BGH StV 1984 382; OLG Düsseldorf StraFo 1998 430. OLG Hamm Beschl. vom 3.12.2005 – 3 (s) Sbd.1-15/15; vom 7.3.2017 – 1 Ws 72/17. OLG Düsseldorf StraFo 1998 430. OLG Zweibrücken NStZ 2003 54. Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 15; s. aber BGH bei Holtz MDR 1979 990. OLG Düsseldorf NJW 1979 1469; Bringewat 17. BGHSt 38 63; BGH bei Miebach NStZ 1990 230; KK/Appl 9, 14. BGH Beschl. vom 28.7.2015 – 2 ARs 141/15; NStZ-RR 2018 190; OLG Hamm NStZ 2010 295; OLG Celle OLGSt StPO § 462a Nr. 26; KK/Appl 9; a. A. Radtke/Hohmann/Baier 6; Meyer-Goßner/Schmitt 6. 52 BGH StV 2018 357. 53 BGHSt 26 187, 188; 30 189, 191; BGH NStZ 2000 391; StraFo 2004 71; 2006 77; 2007 257; NJW 2010 951; NStZ-RR 2013 390; OLG Düsseldorf NStZ 1984 428; VRS 85 (1993) 359; OLG Nürnberg StraFo 2000 282; LG Bochum NStZ 2003 567; OLG Zweibrücken NStZ 2010 109; OLG Jena NStZ-RR 2012 94 Ls. 54 OLG Dresden StraFo 2005 171; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008 29. 55 BGHSt 26 214, 216; BGH NStZ 1997 406; StraFo 2005 171.

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eine spätere Verlegung des Verurteilten in eine andere Justizvollzugsanstalt.56 Die mit der Sache befasste Strafvollstreckungskammer bleibt auch dann zuständig, wenn der Verurteilte aus der Strafhaft entweicht und nach seiner Flucht bzw. erneuten Festnahme in eine zum Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer gehörenden Justizvollzugsanstalt eingeliefert wird.57 Für ein Befasstsein der Strafvollstreckungskammer reicht es aus, wenn die eine Entscheidung notwendig machenden Unterlagen bei einem Gericht eingehen und damit aktenkundig sind,58 das für die Entscheidung zuständig sein kann.59 Gericht in diesem Sinne kann auch das Gericht des ersten Rechtszuges sein.60 Bei der Auslegung des Begriffs des Befasstseins ist zu unterscheiden, ob das Gericht 15 von Amts wegen eine Entscheidung zu treffen hat oder ob der Antrag eines Verfahrensbeteiligten die gerichtliche Tätigkeit veranlasst. Das Gericht ist bereits mit der Sache befasst, sobald unabhängig davon, ob ein Antrag gestellt ist oder das Gericht schon etwas veranlasst hat, eine nachträgliche Entscheidung des Gerichts erforderlich wird, z. B. weil gesetzliche oder vom Gericht gesetzte Fristen ablaufen oder schon verstrichen sind (§§ 56a, 67e StGB) oder weil eine solche Entscheidung aus anderen Gründen gesetzlich vorgeschrieben ist (z. B. § 67c, § 67h,61 § 68f Abs. 162 StGB), d. h. das Gericht von Amts wegen tätig werden muss.63 Denn die Zuständigkeit kann dann nicht davon abhängen, ob das Gericht rechtzeitig tätig wird oder nicht.64 Sind bei einer Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB zwei Drittel der Strafzeit wegen Anrechnung der Untersuchungshaft schon vor Eintritt der Rechtskraft verbüßt, so entscheidet das Datum der Rechtskraft des Urteils über den Zeitpunkt des Befasstseins.65 Muss auf einen Antrag hin entschieden werden, so liegt immer ein Befasstsein vor, 16 das mit dem Eingang des Antrags bei Gericht beginnt,66 nicht etwa schon mit dem Eingang bei einer Staatsanwaltschaft oder einer sonst mit der Strafvollstreckung oder mit dem Strafvollzug befassten Behörde.67 Auch ein verfrühter Antrag des Verurteilten auf Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung begründet ein Befasstsein der Strafvollstre-

56 BGH NStZ 2000 391. 57 OLG Hamm NStZ-RR 2013 354 Ls. 58 BGHSt 30 189; BGH NStZ-RR 2012 358; vgl. auch OLG Jena NStZ-RR 2015 290 Ls.; OLG Hamm StV 2020 44 Ls.; OLG Bamberg OLGSt StPO § 462a Nr. 25. BGHSt 30 189; BGH StraFo 2005 171; NStZ-RR 2013 390; OLG Zweibrücken NStZ 2010 109. BGH StraFo 2003 277; BGHSt 26 214, 216; BGH NStZ 1997 406; KG NStZ 2007 422; KK/Appl 17. OLG Düsseldorf Beschl. vom 18.9.2018 – 2 Ws 155/19. BGH NStZ-RR 2013 59 (bei Entscheidungen nach §§ 68a bis 68c StGB, § 68f Abs. 1 StGB ist die Strafvollstreckungskammer örtlich zuständig, in deren Bezirk der Verurteilte drei Monate vor Vollzugsende einsitzt, und zwar gleichgültig, ob ihr die Akten vorgelegt wurden oder nicht). 63 BGHSt 26 187 = LM § 462a StPO, 5 mit Anm. Willms; 27 302 = NJW 1978 1443 mit Anm. Paeffgen; 30 189; OLG Hamburg NStZ 1982 48; OLG Düsseldorf NStZ 1984 428; 1988 46; OLG Oldenburg NStZ 1985 192; OLG Zweibrücken NStZ 2010 109; Valentin NStZ 1981 128; KK/Appl 18; Meyer-Goßner/Schmitt 11; Bringewat 23. 64 BGHSt 26 165; 26 188; 26 214; 27 302; BGH MDR 1991 554; OLG Hamburg MDR 1982 251; OLG Karlsruhe Justiz 1983 85; OLG Düsseldorf NStZ 1988 46; VRS 85 (1993) 360; OLG Nürnberg StraFo 2000 280; Doller MDR 1977 274; KK/Appl 18; Bringewat 24. 65 BGHSt 27 302 = LM § 462a StPO, 17 mit Anm. Willms = NJW 1978 1443 mit Anm. Paeffgen; BGH NStZRR 2006 66; LG Bonn NStZ 1982 349; KK/Appl 9. 66 OLG Celle Beschl. vom 28.11.2019 – 2 AR 15/19 (Eingang des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Sicherungshaftbefehls, unabhängig davon, ob er unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist). 67 BGHSt 26 214; OLG Koblenz MDR 1976 72; OLG Düsseldorf § 462a StPO, 12; KK/Appl 18; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 17, 26.

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ckungskammer mit dieser Frage.68 Bevor ein Aussetzungsantrag eingegangen ist, ist die Strafvollstreckungskammer nicht mit der Aussetzung des Strafrestes befasst.69 Namentlich bei einer mehrfachen Verlegung und Rückverlegung des Gefangenen innerhalb kurzer Zeit (z. B. infolge Belegungsausgleichs) in Anstalten, für die jeweils örtlich verschiedene Strafvollstreckungskammern zuständig sind, erhebt sich die Frage, bei welchem Gericht der Antrag eingegangen sein muss, um den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die nach § 462a Abs. 1 funktionell zuständige Kammer die örtliche Zuständigkeit erlangt. 17 Nach OLG Hamm70 konnte für das Befasstsein und die daran anknüpfende örtliche Zuständigkeit nicht nur der Zeitpunkt maßgebend sein, in dem der Antrag bei der nach § 462a Abs. 1 zuständigen Strafvollstreckungskammer selbst eingeht, vielmehr sei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Antrag bei „einem“ (d. h. bei irgendeinem) Gericht eingeht.71 Denn schon indem dieses seine Zuständigkeit prüfe und im Fall der Verneinung die Akten weiterleite, sei es mit der Sache befasst. Nur bei einer solchen Auslegung lasse sich der für die Bestimmung der zuständigen Strafvollstreckungskammer maßgebliche Zeitpunkt genau und allgemein sicher feststellen und es komme nicht auf den Zufall an, ob sich der Verurteilte bei Eingang des Antrags noch in der bestimmten Strafanstalt befinde oder zwischenzeitlich verlegt sei. Umgekehrt wird nach OLG Hamm72 die örtliche Zuständigkeit einer Strafvollstreckungskammer erst begründet, wenn sie selbst mit der Sache zu einem Zeitpunkt befasst wird, zu dem der Verurteilte (wenn auch in anderer Sache) in einer in ihrem Bezirk liegenden Vollzugsanstalt einsitzt. Danach genügt zur Festlegung der örtlichen Zuständigkeit nicht der Eingang des Antrags bei einer anderen Strafvollstreckungskammer und erst recht nicht der Eingang bei einem funktionell unzuständigen Gericht, damit auch nicht der Eingang beim erkennenden, möglicherweise weit entfernten Gericht. 18 Zwischen diesen divergierenden Auffassungen hat sich der Bundesgerichtshof73 mit Recht für eine Mittellösung entschieden, der sich der 4. StS des OLG Hamm74 angeschlossen hat und die auch jetzt in der Praxis allgemein anerkannt ist. Danach kann auf der einen Seite – insoweit abweichend von der Ansicht des 3. Strafsenats des OLG Hamm (Fn. 69) – unter „Gericht“ nicht schon jedes, auch das von vornherein mit Sicherheit unzuständige Gericht verstanden werden, denn das würde wegen nötiger Rückfragen, Aktenversendungen usw. in zahlreichen Fällen zu einer dem Sinn des Gesetzes zuwiderlaufenden Verzögerung des Verfahrens führen. Auf der anderen Seite kann aber schon mit Rücksicht auf die oft unklaren, die Entscheidung eines übergeordneten Gerichts erforderlich machenden Zuständigkeitsverhältnisse auch nicht ausschließlich darauf abgestellt werden, wann der Antrag bei dem letztlich nach § 462a Abs. 1 zur Entscheidung berufenen Gericht eingegangen ist. Befasst wird vielmehr das Gericht mit der Sache stets dann, wenn der Antrag bei dem zuständigen Gericht oder doch einem Gericht eingeht, das für die Entscheidung zuständig sein kann.75 Das ist das Gericht des ersten Rechts-

68 69 70 71 72 73 74

BGH BeckRS 1999 30047401. BGH StraFo 2005 171. 3. Senat NJW 1975 1527. A. A. Doller MDR 1977 272: Eingang beim zuständigen Gericht erforderlich. 4. Senat NJW 1976 683. BGHSt 26 214; BGH StraFo 2005 171; 2003 277; NStZ 1997 406. Unter Aufgabe seiner Ansicht in NJW 1976 683 nunmehr in NJW 1976 1111 ebenso OLG Zweibrücken OLGSt § 462a StPO, 39; KK/Appl 18; Meyer-Goßner/Schmitt 10. 75 BGHSt 30 191; BGH bei Holtz MDR 1981 982; NStZ 1984 525; BGH bei Kusch NStZ 1996 23; OLG Koblenz NJW 1976 158; OLG Hamm NJW 1976 1111; OLG Düsseldorf NStZ 1985 333; Valentin NStZ 1981 129; KK/Appl 19; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 22.

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zuges (§ 462a Abs. 2 Satz 1) und sind die Strafvollstreckungskammern der Landgerichte, in deren Bezirk der Verurteilte einsitzt oder während einer zur Zeit der Antragstellung noch nicht abgeschlossenen Strafvollstreckung eingesessen hat. Diese einerseits einschränkende, andererseits nicht auf das zuständige Gericht beschränkte Auslegung wird sowohl dem Erfordernis der Verfahrensbeschleunigung als auch den berechtigten Belangen des Antragstellers gerecht.76 Bei Zweifeln über den Zeitpunkt des Eingangs ist, wenn ausnahmsweise der Zeit- 19 punkt des Eingangs bei einem der in Rn. 18 bezeichneten Gerichte sich nicht aus einem Eingangsstempel ergibt, vom ersten sicher den Akten zu entnehmenden Zeitpunkt des Befasstwerdens auszugehen, um jede Unklarheit über den zuständigen (den „gesetzlichen“) Richter auszuschließen.77 Aus diesem Grundsatz sowie den Erwägungen in Rn. 18 folgt, dass für eine nachfolgende Bewährungsüberwachung und alle dabei zu treffenden Entscheidungen die für die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes örtlich unzuständige Strafvollstreckungskammer auch dann nicht zuständig wird, wenn diese Entscheidung rechtskräftig geworden ist. Zuständig ist vielmehr die Strafvollstreckungskammer, die an sich über die Aussetzung hätte entscheiden müssen.78 Der Verurteilte kann auch nicht durch Rücknahme der Einwilligung in eine Strafrestaussetzung (§ 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB) im Falle einer Verlegung auf die Zuständigkeit der mit der Sache bereits befassten Strafvollstreckungskammer und damit auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) Einfluss nehmen.79 4. Dauer der örtlichen Zuständigkeit a) Abschließende Entscheidung. Ist die Strafvollstreckungskammer im Zeitpunkt 20 der Befassung (Rn. 14 ff.) örtlich zuständig geworden, so bleibt diese Zuständigkeit – und gegebenenfalls die des ihr übergeordneten Rechtsmittelgerichts – bestehen, bis abschließend sachlich – und zwar rechtskräftig – über die Frage entschieden ist,80 mit der die Strafvollstreckungskammer befasst wurde. Eine mit der ersten Befassung in einer Sache begründete örtliche Zuständigkeit wird, soweit es diese konkrete Sache betrifft, durch später eingetretene Umstände, etwa eine neuerliche Aufnahme des Verurteilten in den Straf- oder Maßregelvollzug, nicht berührt.81 Es tritt also nicht vorher ein Zuständigkeitswechsel deshalb ein, weil der Verurteilte in eine Anstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer verlegt („aufgenommen“) wird.82 Das gilt auch für den Fall, dass der Verurteilte nach dem Zeitpunkt des Befasstwerdens wegen einer neuen Straftat in einer anderen Justizvollzugsanstalt aufgenommen wird, die zum Bezirk einer anderen 76 BGHSt 26 214; OLG Hamm NJW 1976 683; a. A. W. Schmidt NJW 1975 1488; Bedenken auch bei Doller MDR 1977 274. 77 BGHSt 26 214; OLG Hamm NJW 1976 1111; OLG Koblenz MDR 1976 72; KK/Appl 19; Meyer-Goßner/ Schmitt 10; Bringewat 26. 78 BGH NStZ 1985 428; OLG Düsseldorf NStZ 1985 333; Bringewat 27, 31. 79 OLG Hamm NStZ-RR 2013 327 Ls. 80 BGHSt 26 165; 56 252; BGH NStZ-RR 2000 296; 2013 59; NStZ 1997 379; 2013 301; StraFo 2003 431; 2007 257; 2011 289; 2016 86; OLG Zweibrücken MDR 1978 954; OLG Hamburg NStZ 1982 48; OLG Düsseldorf MDR 1983 155; NStZ 1988 46; OLG Oldenburg NStZ 1985 192; OLG Zweibrücken NStZ 2010 109; OLG Bamberg StV 2018 377 Ls.; OLGSt StPO § 462a Nr 25; OLG Hamm NStZ-RR 2013 354 Ls. (Entweichen); Bringewat 20. 81 BGH NStZ-RR 2017 263; 2018 190. 82 BGHSt 26 214 = LM § 462a StPO, 4 mit Anm. Willms; 26 187 = LM § 462a StPO, 5 mit Anm. Willms; 26 278 = LM § 462a StPO, 8 mit Anm. Willms; BGH NStZ 1981 404; 1984 380; OLG Stuttgart MDR 1975 775; NJW 1976 436; OLG Koblenz GA 1977 246; OLG Zweibrücken MDR 1978 954; OLG Hamm MDR 1979 336;

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Strafvollstreckungskammer gehört.83 Das ergibt sich nicht nur aus allgemeinen, dem Grundsatz des gesetzlichen Richters entnommenen Erwägungen, sondern trägt auch praktischen Überlegungen Rechnung. Denn ein an eine (nicht nur ganz vorübergehende, Rn. 12) Verlegung anknüpfender Zuständigkeitswechsel hätte, wie mit Recht geltend gemacht wird, eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens zur Folge. Sie könnte, wenn über die Aussetzung eines Strafrestes zu entscheiden ist, dazu führen, dass der Verurteilte die Strafe voll verbüßt hätte, bevor über seinen Antrag auf vorzeitige Entlassung entschieden ist. Geht Untersuchungshaft in Strafhaft über und befindet sich der Verurteilte zu diesem Zeitpunkt auf dem Transport in eine Justizvollzugsanstalt, die im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer liegt, so ist die örtliche Zuständigkeit so zu beurteilen, als wenn der Verurteilte sein Transportziel bereits erreicht hätte.84 Die Aufrechterhaltung der durch das Befasstwerden bewirkten Bestimmung der 21 örtlichen Zuständigkeit ist auch insofern sinnvoll, als die Strafvollstreckungskammer bei ihrer Entscheidung die Erkenntnisse über die Entwicklung des Verurteilten verwerten kann, die sie während dessen Aufenthalt in ihrem Bezirk gesammelt hat. Man wird diesen Erwägungen auch gegenüber den von Herzog85 erhobenen Einwendungen zustimmen müssen. Die von Herzog besonders beklagte Folgerung aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nämlich „in größerem Umfang eine Art von Sternfahrten von Strafvollstreckungskammern zu den verschiedenen Vollzugsanstalten mit sehr hohem Zeit- und Reisekostenaufwand, der sachlich nicht gerechtfertigt ist, da er weder zu einer erheblichen Beschleunigung noch zu einem erheblichen Erkenntnisgewinn … führen kann“, dürfte ihre Schärfe verloren haben, nachdem sich die Auffassung mehr und mehr durchgesetzt hat, dass die mündliche Anhörung des Verurteilten gemäß § 454 auch durch den beauftragten und den ersuchten Richter erfolgen kann (§ 454, 23 ff.). 22

b) Beendigung. Sobald abschließend in der Sache, mit der allein die Strafvollstreckungskammer befasst war, entschieden ist, endet – vorbehaltlich des Absatzes 1 Satz 2 – die örtliche Zuständigkeit. Hat also z. B. die Strafvollstreckungskammer in A einen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes rechtskräftig abgelehnt und wird der Verurteilte vor oder nach dieser Entscheidung in den Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer verlegt, so ist, wenn weitere Nachtragsentscheidungen zu treffen sind, diese Kammer zuständig, sobald sie mit der Sache befasst wird.86 Das Gleiche gilt bei Antragsrücknahme,87 aber auch wenn der Verurteilte mit der Aussetzung des Strafrestes nicht einverstanden ist oder wenn er nach einem Hinweis des Gerichts, dass sein Antrag verfrüht sei, diesen zwar nicht formell zurücknimmt, sich aber mit einer Ent-

OLG Düsseldorf MDR 1980 518; 1983 155; VRS 86 (1994) 460; OLG Karlsruhe NStZ 1981 454 unter Aufgabe von NStZ 1981 404; KK/Appl 19; a. A. OLG Hamm JMBlNRW 1978 265; OLG Schleswig MDR 1978 594; Herzog NJW 1976 1077; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Bringewat 13, 21. 83 BGHSt 30 189; BGH NStZ 1995 31; OLG Zweibrücken MDR 1978 994; OLG Karlsruhe NStZ 1981 494; 1982 396 mit krit. Anm. Katholnigg; OLG Schleswig SchlHA 1986 155 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht in MDR 1978 594; KK/Appl 21; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 84 BGHSt 26 278, 279; BGH NStZ-RR 2009 187. 85 NJW 1976 1077. 86 BGHSt 26 278; BGH NStZ-RR 2000 296; BGHR StPO § 462a Abs. 1 Befasstsein 7 (Gründe); BGH NStZ 1997 379; StraFo 2007 257; OLG Karlsruhe StraFo 2002 339; Justiz 1976 304; OLG Stuttgart NJW 1976 436; OLG Oldenburg NStZ 1985 192; OLG Düsseldorf NStZ 1985 334; Valentin NStZ 1981 130; KK/Appl 23; MeyerGoßner/Schmitt 12. 87 BGHSt 26 278; OLG Karlsruhe MDR 1992 595; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 12.

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scheidung „zu gegebener Zeit“ einverstanden erklärt.88 Hat die Strafvollstreckungskammer den Strafrest ausgesetzt und sitzt der Verurteilte wegen einer während der Bewährungszeit begangenen Straftat in einer Justizvollzugsanstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer ein, so ist letztere zur Entscheidung über den Antrag auf Widerruf der Aussetzung zuständig.89 Befindet sich der Verurteilte in dem Zeitpunkt, in dem die für Bewährungsüberwachung zuständige Strafvollstreckungskammer mit einem Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft befasst wird, auf freiem Fuß, so tritt kein Zuständigkeitswechsel ein. Vielmehr bleibt diese für die Entscheidung über den Widerrufsantrag auch zuständig, wenn der Verurteilte danach im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer in Strafhaft genommen wird.90 Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall einer Haftentweichung, wenn der Verurteilte nach seiner Wiederergreifung in eine Justizvollzugsanstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer eingeliefert wird.91 Die für die Anordnung einer Krisenintervention nach § 67h StGB zuständige Strafvollstreckungskammer bleibt mit der Sache bis zur Beendigung der Maßnahme zuständig.92 c) Einzelfälle. Den Charakter einer abschließenden Entscheidung verliert ein for- 23 mell rechtskräftiger Beschluss, der die Aussetzung eines Strafrestes im gegebenen Zeitpunkt ablehnt, nicht dadurch, dass in den Gründen ausdrücklich eine erneute Nachprüfung der Aussetzungsfrage nach Ablauf eines bestimmt bezeichneten Zeitraums für geboten erklärt wird. Vielmehr ist für diese erneute Nachprüfung bei einer Verlegung vor oder nach der Entscheidung in eine Justizvollzugsanstalt in einem anderen Landgerichtsbezirk die Strafvollstreckungskammer dieses Bezirks zuständig. Dagegen wird bei einer bloßen Aussetzung der abschließenden Entscheidung zwecks weiterer Klärung der Aussetzungsvoraussetzungen die bisherige Zuständigkeit durch Verlegungen nicht berührt.93 Unzulässig ist es, wenn die Strafvollstreckungskammer im Zeitpunkt der Entscheidung die Aussetzungsvoraussetzungen verneint, gleichwohl aber die Aussetzung des Strafrestes zu einem um mehrere Monate hinausgeschobenen Entlassungszeitpunkt in der Erwartung einer weiteren positiven Einwirkung des Vollzugs anordnet. Denn im Ergebnis entspricht dies einer abschließenden negativen Entscheidung im Zeitpunkt des Beschlusses,94 so dass bei einer Verlegung vor dem hinausgeschobenen Entlassungszeitpunkt ggf. eine andere örtliche Strafvollstreckungskammer über die Voraussetzungen für die Strafrestaussetzung neu zu entscheiden hat. Die Strafvollstreckungskammer bleibt auch bei einer nach ablehnender Entschei- 24 dung erfolgten Verlegung nicht deshalb zuständig, weil sie mit der Ablehnung der Strafrestaussetzung eine Frist gemäß § 57 Abs. 7 StGB gesetzt hat, vor deren Ablauf ein erneuter Aussetzungsantrag unzulässig ist. Eine solche Fristsetzung erfolgt unter der selbstverständlichen Voraussetzung, dass sich an der bisherigen Zuständigkeit 88 OLG Düsseldorf MDR 1982 429; 1983 155; Valentin NStZ 1981 130; KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Bringewat 30. 89 OLG Stuttgart Justiz 1976 443; Bringewat 28; näher dazu Rn. 75 f. 90 BGHSt 30 189; OLG Hamm JMBlNRW 1978 265; MDR 1979 336; OLG Zweibrücken MDR 1978 954; OLG Schleswig MDR 1978 594; OLG Düsseldorf NJW 1980 1009; NStZ 1988 47; OLG Hamburg MDR 1980 251; OLG Karlsruhe Justiz 1980 90; KK/Appl 23; Bringewat 21, 34. 91 OLG Düsseldorf MDR 1982 429; 1983 155; 1985 333; OLG Koblenz MDR 1985 430; KK/Appl 23; MeyerGoßner/Schmitt 12; Bringewat 30. 92 BGHSt 56 1 mit Anm. Peglau jurisPR-StrafR 4/2011 Anm. 2; Schuster StV 2011 506. 93 OLG Stuttgart NJW 1976 436; Valentin NStZ 1981 130; KK/Appl 23; Meyer-Goßner/Schmitt 12; Bringewat 28. 94 OLG Karlsruhe Justiz 1976 304.

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nichts ändert. Sie wird jedoch gegenstandslos, wenn der Verurteilte nach der Ablehnung seines Antrags in einen anderen Landgerichtsbezirk verlegt wird und bindet die dort zuständige Strafvollstreckungskammer nicht, wenn der Verurteilte bei dieser seinen Aussetzungsantrag vor Ablauf der in dem vorangegangenen Ablehnungsbeschluss gesetzten Frist wiederholt.95 Zur Beendigung der Zuständigkeit der mit einem Aussetzungsantrag befassten Strafvollstreckungskammer genügt es auch, wenn der Verurteilte im Anhörungstermin den Antrag nach Erörterung der Sache zurücknimmt und danach in eine Justizvollzugsanstalt im Bezirk einer anderen Strafvollstreckungskammer verlegt wird.96

III. Verbleibende Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges und des übergeordneten Beschwerdegerichts trotz Vollstreckungsbeginns 25

1. Grundsatz. Das Gericht des ersten Rechtszuges ist für die Entscheidung nach § 57 StGB zuständig, wenn der Verurteilte sich bisher nur in Untersuchungshaft befunden hat, diese auf die Strafe angerechnet und die Untersuchungshaft vor Rechtskraft des Urteils durch Entlassung des Verurteilten beendet worden ist.97 Hat das Gericht des ersten Rechtszuges vor Beginn der Vollstreckung bereits eine nachträgliche Entscheidung getroffen – anders, wenn es nur zur Vorbereitung einer solchen Entscheidung tätig geworden ist – und hat der Verurteilte diese angefochten, so wird die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht durch den Beginn der Vollstreckung berührt. Sie geht nicht etwa auf die Strafvollstreckungskammer über.98 Diesen Grundsatz wendet OLG Koblenz99 auch auf den „Rechtsbehelf“ des Antrags auf Durchführung nachträglicher Anhörung (§ 33a) nach öffentlicher Zustellung des Widerrufs einer Strafaussetzung zur Bewährung (§ 453, 57) an, so dass das Gericht des ersten Rechtszuges entscheidet, auch wenn der Verurteilte sich inzwischen in Strafhaft befindet.

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2. Besonderheiten in Betäubungsmittelsachen. Die gegen betäubungsmittelabhängige Straftäter gerichtete Strafvollstreckung ist durch die §§ 35 ff. BtMG geregelt. Diese Vorschriften enthalten Sonderregelungen, die, soweit sie von allgemeinen Vorschriften der Strafvollstreckung (§§ 449 ff.; §§ 88 ff. JGG) abweichen, diesen vorgehen. Kennzeichnend für diese Regelung ist, dass alle wesentlichen Entscheidungen dem Gericht des ersten Rechtszuges übertragen sind. Es muss der von der Vollstreckungsbehörde beabsichtigten Zurückstellung der Strafvollstreckung zustimmen (§ 35 Abs. 1 BtMG); ihm obliegt die gerichtliche Entscheidung über Einwendungen gegen den Widerruf der Zurückstellung (§ 35 Abs. 7 Satz 2 BtMG). Schließlich hat es auch die Entscheidungen nach § 36 Abs. 1 bis 3 BtMG zu treffen (§ 36 Abs. 5 BtMG).100 Diese Regelungen lassen den Willen des Gesetzgebers erkennen, bei der Strafvollstreckung gegen Betäu-

95 BGHSt 26 278 gegen OLG Zweibrücken NJW 1976 258; Bringewat 29. 96 BGHSt 26 278. 97 BGH JR 1975 205 mit Anm. Peters; BGHSt 27 308; BGH NJW 1978 1443 mit Anm. Peters; OLG Hamm MDR 1978 592; NJW 1980 2090; OLG Stuttgart OLGSt § 462a StPO, 10; OLG Hamm NStZ 1998 479; NStZ 2002 223; OLG Dresden NStZ-RR 1998 382; Bringewat 28; a. A. OLG Düsseldorf JR 1976 31 mit abl. Anm. Peters. 98 BGHSt 26 187; BGH NStZ 1995 221; Valentin NStZ 1981 130; KK/Appl 9; Bringewat 41. 99 NJW 1976 598. 100 KG NStZ 2014 413; KG Beschl. vom 2.6.2017 – 5 Ws 145/17.

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bungsmittelabhängige dem Gericht des ersten Rechtszuges uneingeschränkten Vorrang einzuräumen.101 Bestärkt wird dieser Wille durch § 36 BtMG. Aus seinem Absatz 3 Satz 1 i. V. m. Ab- 27 satz 5 Satz 1 ergibt sich, dass bis zur Erledigung von zwei Dritteln der Strafe das Gericht des ersten Rechtszuges entweder auf Antrag oder von Amts wegen für Widerrufsentscheidungen gegen einen in Freiheit befindlichen betäubungsmittelabhängigen Verurteilten zuständig ist, dem nach § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG i. V. m. dessen Absatz 2 Strafaussetzung zur Bewährung gewährt worden ist.102 Allerdings entfällt seine Zuständigkeit, sobald der Verurteilte zur Vollstreckung einer (auch anderen) Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt aufgenommen worden ist. Die Zuständigkeit geht in diesem Fall auf die Strafvollstreckungskammer über, in deren Zuständigkeitsbereich sich die Justizvollzugsanstalt befindet.103 Der entgegenstehenden Ansicht des OLG Düsseldorf, dass keine sachlichen Grün- 28 de dafür ersichtlich seien, es für diese Fälle wieder bei der für „normale“ Strafaussetzungen geltenden Zuständigkeit (der Strafvollstreckungskammer) zu belassen, kann nicht gefolgt werden. Obwohl es nicht verkennt, dass die durch § 36 Abs. 5 BtMG geregelte Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts für Entscheidungen nach den Absätzen 1 bis 3 dieser Vorschrift den Absatz 4, wonach die §§ 56a bis g StGB und damit auch die Widerrufsvorschrift des § 56f StGB entsprechend gelten, nicht erfasst, meint das Gericht, dass der Gesetzgeber es angesichts des Ausnahmecharakters der §§ 35 ff. BtMG für entbehrlich gehalten hat, die gegebene Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges noch einmal ausdrücklich zu erwähnen.104 Dieser Ansicht ist mit dem Bundesgerichtshof entgegenzuhalten, dass für diese Annahme keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich sind. Dem Bundesgerichtshof ist aufgrund seiner überzeugenden Erwägungen105 auch darin zuzustimmen, dass keine sachlichen Gründe bestehen, die für eine Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges sprechen könnten, zumal da die persönliche Vertrautheit des Richters mit den in der Hauptverhandlung zutage getretenen besonderen Umständen des Falls bei den regelmäßig erst längere Zeit nach der Hauptverhandlung zu treffenden Widerrufsentscheidungen regelmäßig in den Hintergrund treten.

IV. Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer (Absatz 1) 1. Grundsatz. Nach Satz 1 obliegen der Strafvollstreckungskammer die nach den 29 §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen und damit (§ 462) die nachträglichen gerichtlichen Entscheidungen nach § 450a Abs. 3 Satz 1,106 §§ 458 bis 461 – mit Ausnahme der Gesamtstrafenbildung nach § 460 (Absatz 3) – und die in § 462 Abs. 1 Satz 2 aufgezählten Nachtragsentscheidungen. Grundgedanke dieser Regelung ist die Begründung einer Zuständigkeitskonzentration, der Entscheidungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für alle in demselben Strafverfahren zu treffenden nachträg101 BGHSt 32 58; OLG Düsseldorf NJW 1986 1557; MDR 1987 520; 1993 464; KK/Appl 33; Meyer-Goßner/ Schmitt 32; a. A. OLG Hamm JMBlNRW 1988 81; vermittelnd Katholnigg NJW 1990 2296. OLG Hamm MDR 1997 187; BGH NStZ 1991 355; OLG Schleswig SchlHA 2001 188. BGHSt 37 358. OLG Düsseldorf MDR 1987 520; 1993 464. BGHSt 37 359; BGH NStZ 2001 110. Nicht auch nach § 453c und damit auch nicht – abgesehen von der Unzulässigkeit eines solchen Antrags; dazu § 453c, 19 – zur Entscheidung über einen Antrag auf Entschädigung für eine Sicherungshaft; LG Krefeld NJW 1977 117 mit Anm. Meding NJW 1977 914.

102 103 104 105 106

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lichen Entscheidungen, also nicht nur für diejenigen, die sich unmittelbar auf die Vollstreckung der Freiheitsstrafe beziehen, um die Einheitlichkeit des auf die Resozialisierung des Täters gerichteten Handelns zu gewährleisten.107 2. Einzelheiten 30

a) Zu §§ 453, 454, 454a. Für die im Fall des § 453 (bei Aussetzung der ganzen Strafe zur Bewährung nach § 56 StGB) zu treffenden Nachtragsentscheidungen ist grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Daran hat Absatz 1 Satz 1, wie sich aus Absatz 2 ergibt, nichts geändert.108 Das Gericht des ersten Rechtszuges ist auch zuständig, wenn nach Rechtskraft des öffentlich zugestellten Widerrufsbeschlusses das Nachverfahren (§ 33a) durchzuführen ist, auch wenn sich der Verurteilte inzwischen in Strafhaft befindet.109 Die Strafvollstreckungskammer ist – abgesehen von den insoweit unproblematischen Fällen der §§ 454 und 454a – aber zuständig, wenn gegen einen Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird und während dieser Zeit Nachtragsentscheidungen zu treffen sind, die sich auf eine dem Verurteilten in einem anderen Verfahren bewilligte Aussetzung der ganzen Strafe beziehen, z. B. wenn der Verurteilte, dem Strafaussetzung gemäß § 56 StGB gewährt wurde, während der Bewährungsfrist erneut straffällig wird, die ihm dafür auferlegte Freiheitsstrafe verbüßt und nunmehr über den Antrag auf Widerruf der in dem ersten Verfahren bewilligten Strafaussetzung zu entscheiden ist. Diese Entscheidung trifft nach dem Grundsatz der Entscheidungskonzentration (Absatz 4 Satz 1, 3) die Strafvollstreckungskammer,110 die aber gemäß Absatz 2 Satz 2 zur Abgabe der Sache berechtigt ist (s. Rn. 37).

31

b) Zu § 458 (Satz 3). Insoweit handelt es sich um eine globale Verweisung, die auf den ersten Blick wenig zu überzeugen vermag (warum soll z. B. die Strafvollstreckungskammer zuständig sein, wenn über die Auslegung eines Strafurteils eines anderen Gerichts Zweifel bestehen?), bei der das Gesetz aber die nötige Einschränkung dadurch zu erreichen sucht, dass es in den Fällen des § 458 Abs. 1 – nicht auch in denen des § 458 Abs. 2 – die Möglichkeit der Abgabe der Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges vorsieht (Absatz 1 Satz 3 zweiter Hs.; Rn. 37). Die auf die Fälle des § 458 Abs. 1 beschränkte Abgabemöglichkeit wird damit begründet,111 es könne ratsam sein, bei für die Resozialisierung des Täters weniger bedeutsamen Entscheidungen der unter Umständen größeren Sachkunde des Gerichts des ersten Rechtszuges den Vorzug zu geben. Solche Entscheidungen sind z. B. Einwendungen gegen die Zulässigkeit von im Zusammenhang mit einer Einziehung vorgenommenen Vollstreckungshandlungen der Staatsanwaltschaft. Auch die Auslegung eines Urteils dürfte in der Regel am besten durch das Gericht geschehen, das das Urteil erlassen hat. Um die Strafvollstreckungskammer von solchen, ihrer eigentlichen Aufgabe ferner liegenden Entscheidungen zu entlasten, ist

107 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 122 (§ 462a) Entw. EGStGB 1974, S. 312; OLG Düsseldorf VRS 64 (1983) 432 (bzgl. Entscheidungen nach § 69a Abs. 7 StGB); OLG Schleswig SchlHA 1983 114; OLG Hamburg NStZ 1988 197; Meyer-Goßner/Schmitt § 463, 1; Bringewat 5; a. A. OLG Stuttgart VRS 57 (1979) 113; OLG Celle VRS 71 (1986) 432. 108 OLG Koblenz MDR 1975 686. 109 OLG Koblenz MDR 1976 598; Rn. 25. 110 BGHSt 26 118; 26 276; 26 381; 28 82; OLG Stuttgart MDR 1975 686; Treptow NJW 1976 223; W. Schmidt NJW 1976 225 unter Aufgabe seiner Ansicht in NJW 1975 1490; Gössel JR 1979 393. 111 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 122 (§ 462a) Entw. EGStGB 1974, S. 312.

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eine durch Abgabe der Strafvollstreckungskammer begründete subsidiäre Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges vorgesehen. c) Zu §§ 462, 459o (Satz 3). Zur Verweisung auf diese Vorschriften vgl. die Erläute- 32 rungen zu § 459o, 19.

V. Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für Nachtragsentscheidungen (Absatz 1 Satz 2) 1. Grundsatz. Nach Absatz 1 Satz 1 ist Voraussetzung für die sachliche Zuständig- 33 keit der Strafvollstreckungskammer, dass eine Freiheitsstrafe vollstreckt (vollzogen) wird. Ferner endet, wie zu Rn. 20 bis 22 dargelegt, die durch Befasstwerden mit der Sache begründete örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer mit der abschließenden sachlichen Entscheidung in der Sache, mit der die Kammer befasst war.112 Abweichend von diesen beiden Obersätzen bleibt aber nach Absatz 1 Satz 2 die sachliche und die einmal begründete örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für Nachtragsentscheidungen in zwei Gruppen von Fällen bestehen, die einen auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten betreffen, nämlich nach Unterbrechung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe und nach Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung.113 2. Fortdauer der Zuständigkeit a) Unterbrechung der Vollstreckung. Hiernach bleibt die Strafvollstreckungskam- 34 mer z. B. zuständig, wenn der Verurteilte einen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes gestellt hatte und danach die Strafvollstreckung nach § 455a aus Gründen der Vollzugsorganisation oder wegen Vollzugsuntauglichkeit infolge Erkrankung (§ 461, 8) durch Anordnung der Vollstreckungsbehörde oder im Gnadenwege unterbrochen war, ferner wenn die Vollstreckungsbehörde von der weiteren Vollstreckung nach § 456a abgesehen hat.114 Als Unterbrechung im Sinne von Absatz 1 Satz 2 gilt auch derjenige Zeitraum, in welchem im Wiederaufnahmeverfahren infolge der Anordnung der Erneuerung der Hauptverhandlung nach § 370 Abs. 2 bis zur Bestätigung des früheren Urteils durch das aufgrund neuer Hauptverhandlung ergangene Urteil die Vollstreckung wegen Vorliegens eines Vollstreckungshindernisses zu unterbleiben hatte.115 Jedoch wird der Begriff der „Unterbrechung“ nicht nur im technischen Sinn zu verstehen sein, sondern auch die Fälle einer faktischen Unterbrechung des Vollzugs umfassen, z. B. wenn der Gefangene entweicht oder aus einem ihm nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes gewährten Urlaub nicht zurückkehrt, wenn man nicht annehmen will, dass sich hier die fortdauernde örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer bereits aus Absatz 1 Satz 1 ergibt.

112 BGH JR 1975 205 mit Anm. Peters; OLG Hamm MDR 1979 356; OLG Düsseldorf NJW 1980 1009; NStZ 1988 46; 1985 333; OLG Hamburg NStZ 1982 48; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 31; a. A. OLG Nürnberg NJW 1975 1133; OLG Düsseldorf NJW 1975 1135. 113 KK/Appl 12. 114 BGH GA 1984 513; NStZ 1985 428; OLG Düsseldorf NStZ 1985 333; KK/Appl 12; Meyer-Goßner/Schmitt 15; a. A. Bringewat 32. 115 OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 30.

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b) Aussetzung des Strafrestes. Hier bleibt die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, die die Vollstreckung des Strafrestes einer Freiheitsstrafe (§§ 57, 57a StGB) ausgesetzt hat, auch für die Nachtragsentscheidungen nach § 57 Abs. 5 StGB erhalten.116 Bei einer im Gnadenweg angeordneten bedingten Entlassung ist Absatz 1 Satz 2 unanwendbar. Hier trifft die Gnadenbehörde auch die Nachtragsentscheidungen.117 Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, die die Aussetzung des Strafrestes angeordnet hat, entfällt aber, wenn später kraft Zuständigkeitskonzentration (Absatz 4 Satz 3) die Zuständigkeit einer anderen Strafvollstreckungskammer begründet ist (s. Rn. 77).

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c) Ende der Zuständigkeit. Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer endet, wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe (Maßregel) – durch Verbüßung, Erlass der Strafe, Vollstreckungsverjährung – endgültig erledigt ist,118 sofern nicht nach Verbüßung die Führungsaufsicht betreffende Entscheidungen in Betracht kommen (§ 463, 14 f.). Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer endet ferner dann, wenn eine Geldstrafe, die im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird, oder eine Freiheitsstrafe119 vom erkennenden Gericht in eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen und der Verurteilte mit Urteilsverkündung aus der Strafhaft entlassen wird.120 Für die nach §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen ist dann das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig.121 Für die übrigen jetzt noch zu treffenden Nachtragsentscheidungen, z. B. die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b StGB, § 462 Abs. 1 Satz 2) ist grundsätzlich (s. aber Absatz 4) das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig (Absatz 2).122

VI. Abgabe der Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges (Absatz 1 Satz 3) 37

1. Zulässigkeit. Die Strafvollstreckungskammer kann lediglich einzelne Entscheidungen, die nach § 462 i. V. m. § 458 Abs. 1 zu treffen sind (Rn. 31), an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben.123 Die Klärung von Zweifeln bei der Strafzeitberechnung einer Jugendstrafe obliegt nach Beginn der Strafvollstreckung dem Jugendrichter als 116 KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 33. 117 Bringewat 33. 118 BGHSt 28 82; BGH NStZ-RR 2015 290 Ls.; BGH Beschl. vom 1.8.2018 – 2 ARs 197/18; Bringewat 35, 36.

119 120 121 122

KG StraFo 2018 523. BGH NJW 2009 3313. BGH NJW 2009 3313. Zur vorzeitigen Aufhebung einer Fahrerlaubnissperre nach Verbüßung der Strafe vgl. OLG Stuttgart VRS 57 (1979) 113; nach Erlass einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe und nach Ablauf der Frist des § 56g Abs. 2 StGB OLG Celle VRS 71 (1986) 172; zur Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer über einen Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 7 StGB OLG Karlsruhe NStZ-RR 2001 253; OLG Düsseldorf JR 2003 83 mit Anm. Aulinger JR 2003 84 zur gerichtlichen Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Sperre für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis gemäß § 69a Abs. 7 StGB während der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG. 123 In Betracht kommen: Zweifel über die Berechnung der erkannten Strafe; Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung überhaupt oder gegen Vollstreckungshandlungen im Zusammenhang mit einer Einziehung.

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Vollstreckungsleiter, nicht dem Gericht des ersten Rechtszuges.124 Die Abgabe auch anderer Entscheidungen ist nicht vorgesehen. Das gilt namentlich für die Abgabe der nach Aussetzung des Strafrestes zu treffenden Nachtragsentscheidungen an das Amtsgericht des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltsorts, wie sie nach Absatz 2 Satz 2 dem Gericht des ersten Rechtszuges und ggf. der Strafvollstreckungskammer (Rn. 30) bei Aussetzung der ganzen Strafe zur Bewährung zusteht. Die Unzulässigkeit einer über Absatz 1 Satz 3 hinausgehenden Abgabemöglichkeit wird generell damit begründet, dass sie nicht empfehlenswert zu sein erscheint.125 Das ist offenbar so zu verstehen, dass der Gesetzgeber bei einer Abwägung der Strafvollstreckungskammer die größere Entscheidungsnähe beimaß als dem Amtsgericht des Wohnsitzes (Aufenthaltsorts) und den Gesichtspunkt der Zuständigkeitskonzentration für vorrangig hielt.126 Die Strafvollstreckungskammer kann entsprechend Absatz 1 Satz 3 die Entschei- 38 dung über Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht (§ 68b StGB) der nach § 74f GVG zuständigen Strafkammer für die Dauer des Verfahrens nach § 275a übertragen.127 2. Bindung. Dass die Abgabe bindend ist (Absatz 1 Satz 3 2. Hs.), hat die gleiche 39 Bedeutung wie die entsprechende Vorschrift in Absatz 2 Satz 2 2. Hs. (Rn. 58), d. h. sie ist nur für das Gericht, an das abgegeben wird, nicht auch für die abgebende Strafvollstreckungskammer bindend. Diese kann vielmehr aus gebotenem Anlass die Abgabe widerrufen.128

VII. Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges 1. Gesetzliche Umschreibung des Umfangs (Absatz 2 Satz 1). Die sachliche Zu- 40 ständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges für Nachtragsentscheidungen beschreibt – von der positiven Zuweisung in Absatz 3, 5 Satz 1 und der Abgabemöglichkeit nach Absatz 1 Satz 3; Absatz 4 Satz 3 2. Hs. abgesehen – Absatz 2 i. V. m. Absatz 4 negativ. Die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges ist nur dann gegeben, wenn und soweit die Strafvollstreckungskammer nicht nach Absatz 1 oder 4 zuständig ist. Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer verdrängt damit die des Gerichts des ersten Rechtszuges. Eine Zuständigkeitsfixierung durch Befasstsein des Tatgerichts gibt es nicht.129 Grundsätzlich ist die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges gegeben, wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe – auch die aus einer anderen Sache (Rn. 30) – noch nicht begonnen hat (Rn. 25)130 oder sie bereits endgültig erledigt ist (Rn. 34) oder – mit der Ausnahme von Absatz 1 Satz 2 – wenn der Verurteilte wieder aus der Haft entlassen worden ist.131 Hat der Verurteilte ausschließlich auf die Freiheitsstrafe angerechnete Untersuchungshaft verbüßt und befindet er sich zu dem Zeitpunkt, in dem 124 KG StV 2019 471; Ostendorf/Schady § 52a JGG, 10. 125 Begr. zu Art. 19 Nr. 122 (§ 462a) Entw. EGStGB 1974, BTDrucks. 7 550 S. 312. 126 Nachdem die Entscheidung in diesem Sinn getroffen ist, ist es nicht vertretbar, wenn LG Mainz MDR 1976 339 im Anschluss an W. Schmidt NJW 1975 1490 in entsprechender Anwendung von Absatz 2 Satz 2 die Strafvollstreckungskammer bei der Aussetzung des Strafrestes für abgabebefugt erklärt, weil der Ausschluss der Abgabebefugnis nicht sachgerecht sei und das Amtsgericht des Wohnsitzes entscheidungsnäher sei; wie hier BGHSt 26 353. 127 BGHSt 50 373. 128 BGHSt 26 204; OLG Düsseldorf JZ 1986 115 Ls.; Meyer-Goßner/Schmitt 16; Bringewat 39. 129 BGH NStZ-RR 2019 160 Ls.; LG Kleve Beschl. vom 30.3.2011 – 120 Qs 11/11. 130 OLG Koblenz MDR 1975 686; OLG Düsseldorf VRS 75 (1988) 375; LG Bochum StV 1981 239. 131 BGHSt 26 187; Meyer-Goßner/Schmitt 18.

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das Gericht mit der Entscheidung über eine bedingte Strafaussetzung befasst wird, auf freiem Fuß, so ist für die Entscheidung über die bedingte Entlassung nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig.132 Ein gleichzeitiges Nebeneinanderwirken funktional verschiedener Gerichte kann sich ergeben, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges vor Vollstreckungsbeginn eine Nachtragsentscheidung gefällt hat, gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt wird und inzwischen mit der Vollstreckung begonnen ist. Dann bleibt die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts unberührt (Rn. 25), während die Strafvollstreckungskammer die in ihre Zuständigkeit fallenden Nachtragsentscheidungen zu treffen hat, die mit oder nach dem Beginn der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe erforderlich werden.133 2. Befassung mit der Sache durch ein anderes Gericht (Absatz 6) a) Frühere Ansicht. Bis zur Einfügung des Absatzes 6 wurde in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend die Ansicht vertreten, das Gericht, das zum ersten Mal erstinstanzlich entschieden hatte, bleibe auch dann für die nachträglichen Entscheidungen zuständig, wenn das Revisionsgericht die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Gericht zurückverwiesen hatte.134 Entscheidend dafür war die Auffassung, dass durch die Zurückverweisung an ein anderes Gericht nur ein von der allgemeinen Zuständigkeitsregelung abweichender Zuständigkeitsaustausch für das zu wiederholende Erkenntnisverfahren stattgefunden habe und daraus nicht hergeleitet werden könne, dass das erste Gericht nunmehr auch für die Nachtragsentscheidungen seine Zuständigkeit an das Gericht verloren habe, das nach der Zurückverweisung entschied. Die Gegenmeinung135 bekämpfte diese Ansicht mit dem Hinweis auf die Änderung des § 354 Abs. 2 durch Art. 9 Nr. 4 StPÄG 1964.136 Wenn damals allgemein und zwingend die Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper oder an ein anderes Gericht vorgeschrieben worden sei, so sei damit Rücksicht genommen worden auf etwaige Befürchtungen eines Angeklagten, das Gericht, dessen Urteil vom Revisionsgericht aufgehoben wurde, könne sich, wenn es sich selbst erneut mit der Sache befassen müsse, auch im Rahmen seiner Bindung an die revisionsgerichtliche Entscheidung doch – möglicherweise unbewusst – von seiner ursprünglichen Auffassung beeinflussen lassen. Unter diesem Aspekt bestehe aber für den Angeklagten kein wesentlicher Unterschied zwischen der Verurteilung selbst und den vom Gericht des ersten Rechtszuges zu treffenden Nachtragsentscheidungen, weil diese Entscheidungen in einem engen sachlichen Zusammenhang stünden. Deshalb sei es folgerichtig, als für die Nachtragsentscheidungen zuständiges Gericht des ersten Rechtszuges das andere Gericht anzusehen, an das die Sache zurückverwiesen worden sei.137 42 Seit dem 1.1.1975 hatte dieser Zuständigkeitsstreit seine Bedeutung verloren, soweit es um die Aussetzung des Strafrestes und dessen Widerruf ging, da diese Frage nunmehr durch § 462a geregelt worden ist. Die Streitfrage beschränkte sich demgemäß auf Fälle, in denen Nachtragsentscheidungen vom Gericht des ersten Rechtszuges zu treffen sind, weil eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nicht begründet ist, z. B. 41

132 OLG Hamm NStZ 2002 223; OLG Dresden StV 1999 551. 133 BGHSt 26 187; 33 111, 113; KK/Appl 31; Meyer-Goßner/Schmitt 18. 134 BayObLG GA 1972 278; OLG Celle NdsRpfl. 1955 39; OLG Düsseldorf MDR 1958 941; OLG Köln NJW 1972 1291; OLG Karlsruhe OLGSt § 454 StPO, 1; OLG München MDR 1974 332.

135 OLG Frankfurt NJW 1972 1065; Raacke NJW 1966 1697. 136 BGBl. I S. 1067. 137 Wegen weiterer Einzelheiten s. LR/K. Schäfer23 ErgBd. § 462a, 2 f.

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ob, wenn das andere Gericht auf Freiheitsstrafe unter Zubilligung von Bewährungsfrist erkannt hatte, zum Widerruf der Strafaussetzung das ursprünglich zuständige oder das andere Gericht berufen sei. b) Klarstellung. Der Gesetzgeber hat sich 1979 der Ansicht der Gegenmeinung ange- 43 schlossen.138 Mit der Einfügung des Absatzes 6 soll für bestimmte Zweifelsfälle klargestellt werden, welches Gericht als Gericht des ersten Rechtszuges gemeint ist, das nach Maßgabe der vorausgehenden Absätze unter bestimmten Voraussetzungen statt der Strafvollstreckungskammer zuständig ist. Es handelt sich um die Fälle, in denen nach § 354 Abs. 2 (auch i. V. m. § 354a) oder nach § 355 die Sache vom Revisionsgericht an ein anderes Gericht und nicht nur an einen anderen Spruchkörper des ursprünglich zuständig gewesenen Gerichts zurückverwiesen worden ist, sowie um die Fälle, in denen eine verurteilende Entscheidung in Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 140a GVG von einem anderen Gericht als dem ursprünglich zuständig gewesenen ergangen ist. Die Regelung soll erreichen, dass dann, wenn das Gesetz das weitere Verfahren nicht nur einem anderen Spruchkörper, sondern sogar einem anderen Gericht anvertraut, dieses Gericht auch die im Vollstreckungsverfahren dem erstinstanzlichen Gericht zugewiesenen Entscheidungen erlässt und die im Vollstreckungsverfahren anzustrebende persönliche Beziehung zum Verurteilten nicht durch dessen Misstrauen gegenüber dem ursprünglich zuständig gewesenen Gericht belastet wird. Sie gilt deshalb auch dann, wenn die Zurückverweisung an ein anderes Berufungsgericht erfolgt. Dieses wird in solchen, voraussichtlich sehr seltenen Fällen ausnahmsweise im Rahmen des § 462a wie ein erstinstanzliches Gericht tätig.139 Die Begründung trägt zwar die gesetzgeberische Lösung in den Fällen nicht, in de- 44 nen ein Misstrauen des Verurteilten nicht bestehen kann, weil nicht er, sondern die Staatsanwaltschaft die Revision einlegte und/oder an die Stelle eines milderen Urteils des ersten Gerichts ein strengeres des anderen Gerichts getreten ist. Indessen ist dem Gesetzgeber aber zugute zu halten, dass er aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht differenzieren konnte. Er musste letztlich eine Lösung wählen, die zweifelsfrei regelt, dass grundsätzlich mit der Zurückverweisung an ein anderes Gericht die Zuständigkeit des ursprünglich entscheidenden Gerichts als Gericht des ersten Rechtszuges in vollem Umfang erlischt. 3. Fälle der Zurückverweisung (Absatz 6 erste Fallgruppe) a) § 354 Abs. 2. Durch die Entscheidung des Gesetzgebers ist nunmehr klargestellt, 45 dass bei Aufhebung und Zurückverweisung eines Urteils in vollem Umfang nur noch das andere Gericht für die von dem Gericht des ersten Rechtszuges zu treffenden Nachtragsentscheidungen zuständig ist, und zwar auch, wenn nur der Rechtsfolgenausspruch, dieser aber in vollem Umfang aufgehoben und insoweit zurückverwiesen wird. Das gilt auch dann, wenn es als Berufungsgericht zu entscheiden hatte.140 Zweifel über die Tragweite des Absatzes 6 können sich aber ergeben, wenn das 46 tatrichterliche Urteil nur teilweise aufgehoben und die Sache nur insoweit zurückverwiesen wird, wenn z. B. das Rechtsmittel des Angeklagten nur wegen eines abtrennbaren Teils des Rechtsfolgenausspruchs Erfolg hat und die Sache nur insoweit zur neuen Ver138 BTDrucks. 8 976, Begr. zu Art. 1 Nr. 34 StVÄG 1979, S. 61. 139 BTDrucks. 8 976, Begr. zu Art. 1 Nr. 34 StVÄG 1979, S. 61. 140 KK/Appl 17; Meyer-Goßner/Schmitt 37; Bringewat 63; Pohlmann/Jabel/Wolf § 7, 8; Schmitt StraFo 2012 33.

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handlung und Entscheidung zurückverwiesen worden ist, oder wenn der wegen mehrerer tatmehrheitlich zusammentreffender Handlungen zu Freiheitsstrafe Verurteilte nur wegen eines Falls Revision einlegt und damit Erfolg hat oder mit seiner in vollem Umfang erhobenen Anfechtung nur in einem Fall durchdringt. Ist z. B. bei Verurteilung wegen einer Tat zu Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung die Aufhebung und Zurückverweisung nur wegen der daneben ausgesprochenen Anordnung der Einziehung oder eines Fahrverbots ausgesprochen worden, so entspricht es schwerlich dem Sinn des Absatzes 6, dem Gericht, dessen Strafausspruch im Übrigen aufrechterhalten blieb, die Zuständigkeit zum Widerruf der Strafaussetzung abzusprechen, weil die Sache in einem Nebenpunkt an ein anderes Gericht zurückverwiesen worden ist.141 Dringt der wegen mehrerer selbständiger Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe mit 47 Strafaussetzung zur Bewährung Verurteilte mit der Revision nur wegen einer der Taten durch, so ist allerdings nach Absatz 6 das andere Gericht, an das zurückverwiesen wurde, selbst dann für die die Strafaussetzung betreffenden Nachtragsentscheidungen zuständig, wenn auf diese Tat die geringste der anderen rechtskräftig gewordenen Einzelstrafen entfällt, da dem anderen Gericht, an das zurückverwiesen wurde, die Bildung der neuen Gesamtstrafe obliegt.142 Wird nur wegen eines von mehreren Angeklagten die Sache an ein anderes Ge48 richt zurückverwiesen, weil die anderen Angeklagten kein Rechtsmittel eingelegt hatten oder dieses erfolglos blieb, so bleibt hinsichtlich dieser anderen Angeklagten die Zuständigkeit des ersten Gerichts, dessen Urteil rechtskräftig wurde, für die diese Verurteilten betreffenden Nachtragsentscheidungen (z. B. zum Widerruf der ihnen gewährten Strafaussetzung zur Bewährung) unberührt.143 Dagegen hat die Urteilserstreckung nach § 357 zur Folge, dass eine Zurückverweisung der Sache an ein anderes Gericht sich auch auf die begünstigten Nichtrevidenten auswirkt. Absatz 6 regelt zwar nicht, welche Folgen für die Zuständigkeit zu Nachtragsent49 scheidungen sich ergeben, wenn das Revisionsgericht die Sache nicht an ein anderes Gericht, sondern an einen anderen Spruchkörper des gleichen Gerichts zurückverweist. Nach der früher herrschenden Meinung blieb – folgerichtig – für die von dem Gericht des ersten Rechtszuges zu treffenden Nachtragsentscheidungen der Spruchkörper zuständig, der das aufgehobene Urteil gefällt hatte.144 Absatz 6 ist aber jetzt auch in diesem Fall sinngemäß anwendbar.145 50

b) § 354a. Absatz 6 ist auch dann anwendbar, wenn das Revisionsgericht in Anwendung des § 354a ein Urteil aufhebt und die Sache nach § 354 Abs. 2 an ein anderes Gericht zurückverweist. Auch hier blieb nach früherer herrschender Meinung für die dem Gericht des ersten Rechtszuges obliegenden Nachtragsentscheidungen das Gericht zuständig, das das aufgehobene Urteil gefällt hatte, weil hier, wo nicht eine Gesetzesverletzung, sondern eine nach dem Urteil eingetretene Gesetzesänderung zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung führt, der Gesichtspunkt der Rücksichtnahme auf eine vom Angeklagten etwa gehegte Befürchtung der Voreingenommenheit des Gerichts entfallen sollte.146 Da es aber nach Absatz 6 nicht darauf ankommt, ob eine solche Befürchtung überhaupt bestehen kann (Rn. 44), ergibt sich auch hier aus der Tatsache 141 142 143 144 145 146

OLG Düsseldorf MDR 1983 154; Meyer-Goßner/Schmitt 37; Bringewat 63. OLG Frankfurt NJW 1972 1066; Meyer-Goßner/Schmitt 37; Bringewat 64. OLG Frankfurt NJW 1972 1066; KK/Appl 17. OLG München MDR 1974 332; OLG Saarbrücken OLGSt § 467 StPO, 5; Meyer-Goßner/Schmitt 37. Meyer-Goßner/Schmitt 37; Bringewat 65: erst recht. OLG München MDR 1974 332, 333.

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der Zurückverweisung an ein anderes Gericht dessen Zuständigkeit für die Nachtragsentscheidungen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Gesetzesbegründung (vgl. Rn. 43). c) § 355. Wenn im Fall der Zurückverweisung an ein anderes Gericht des ersten 51 Rechtszuges nach § 354 Abs. 2, § 354a dieses dann im Erkenntnisverfahren wiederum eine Entscheidung trifft, die Nachtragsentscheidungen erforderlich macht, welche dem Gericht des ersten Rechtszuges obliegen, so lagen nach früherer Betrachtungsweise „zwei Erkenntnisse im ersten Rechtszug“ vor, und die Streitfrage war, welches Gericht für die Nachtragsentscheidungen zuständig sei. Auch diese Streitfrage hat Absatz 6 zugunsten der Zuständigkeit des „anderen Gerichts“ entschieden (Rn. 45).147 Anders liegt es, wenn nach § 355 die Aufhebung eines Urteils wegen örtlicher, sachlicher oder funktioneller Unzuständigkeit unter Verweisung an das zuständige Gericht erfolgt. Hier führt die Unzuständigkeit im Erkenntnisverfahren dazu, dass das Gericht, dessen Urteil aufgehoben wurde, auch nicht für Nachtragsentscheidungen zuständig sein kann. Gericht des ersten Rechtszuges im Sinne des § 462a Abs. 2 ist nunmehr das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wurde. Das spricht Absatz 6 deklaratorisch aus, der dann auch in den Fällen einer entsprechenden Anwendung des § 355 gilt.148 4. Fall der verurteilenden Entscheidung (§ 373) im Wiederaufnahmeverfahren 52 (Absatz 6 zweiter Fall). Das Gericht, das nach Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Erneuerung der Hauptverhandlung (§ 370 Abs. 2) in der erneuten Hauptverhandlung erkennt, ist gemäß § 140a GVG notwendigerweise ein anderes als das in dem früheren Verfahren aburteilende Gericht.149 Wird die Wiederaufnahme gegen das frühere Urteil in vollem Umfang angeordnet, so verliert dieses, von der Beschränkungswirkung nach § 373 Abs. 2 abgesehen, auch in vollem Umfang seine rechtliche Wirkung (vgl. Erl. zu § 370). Daraus folgt ohne weiteres, dass, wenn in der erneuten Hauptverhandlung das frühere Urteil aufrechterhalten wird oder erneut eine Verurteilung, wenn auch mit anderem Rechtsfolgenausspruch, erfolgt, das neu erkennende Gericht auch für die Nachtragsentscheidungen zuständig ist, die nach § 462a Abs. 2 dem Gericht des ersten Rechtszuges zufallen. Wird die Wiederaufnahme unter Beschränkung auf die Verurteilung wegen einer 53 von mehreren tatmehrheitlich zusammentreffenden Straftaten angeordnet, so wird auch die in dem früheren Urteil ausgesprochene Gesamtstrafe gegenstandslos, und das Gleiche gilt für Maßregeln der Besserung und Sicherung, denen gedanklich und rechtlich auch die vorangegangene Verurteilung zugrunde liegt, weswegen die Wiederaufnahme angeordnet wurde (vgl. Erl. zu § 373). Daraus ergibt sich, wie Absatz 6 förmlich ausspricht, die Zuständigkeit des nach § 373 zuständigen Gerichts für die dem Gericht des ersten Rechtszuges obliegenden Nachtragsentscheidungen. Sind mehrere rechtskräftige Verurteilungen ohne Gesamtstrafenzusammen- 54 hang in getrennt geführten Verfahren durch verschiedene Gerichte oder dasselbe Gericht ergangen und wird nur eine dieser Verurteilungen im Wiederaufnahmeverfahren durch ein neues verurteilendes Erkenntnis ersetzt, so ist das Gericht, das nach § 373 erkannt hatte, Gericht des ersten Rechtszuges für die von diesem bei Durchführung des Konzentrationsprinzips nach § 462a Abs. 4 Satz 1, 2 zu treffenden Nachtragsentscheidungen. 147 Bringewat 66. 148 OLG Karlsruhe Justiz 1979 212. 149 Das gilt auch, wenn das Gericht als Berufungsgericht zu entscheiden hatte, Meyer-Goßner/Schmitt 38; Bringewat 67.

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VIII. Abgabe der Nachtragsentscheidungen (Absatz 2 Satz 2) 1. Zuständigkeit. Zuständig für die Abgabe ist nur das Gericht des ersten Rechtszuges, also das Gericht, das in der Strafsache im ersten Rechtszug erkannt hat, oder das Gericht, das nach § 460 die Gesamtstrafe gebildet hat.150 Das Berufungsgericht ist dazu auch dann nicht berufen, wenn das Amtsgericht auf Freispruch oder Verfahrenseinstellung erkannt und erst das Berufungsgericht verurteilt hat151 oder wenn es die Strafaussetzung versagt und erst das Berufungsgericht sie gewährt hat.152 Auch das mit einer nach § 453 Abs. 2 zulässigen Beschwerde befasste Beschwerdegericht kann eine Abgabe nach Absatz 2 Satz 2 nicht anordnen.153 Hat das Beschwerdegericht – obwohl es in der Sache selbst hätte entscheiden können – keine eigene Sachentscheidung getroffen, so ist eine Abgabe ausgeschlossen, weil das wiederum mit der Sache befasste Gericht bereits eine Entscheidung getroffen hatte und gegen diese ein Rechtsmittel eingelegt worden war. Das hat der Bundesgerichtshof im Verhältnis zwischen erkennendem Gericht und Strafvollstreckungskammer entschieden.154 Dies gilt aber auch für das Verhältnis zwischen erkennendem Amtsgericht und dem Beschwerdegericht.155 56 Die Abgabe ist nur zulässig an das Amtsgericht, d. h. den Richter beim Amtsgericht, nicht an das Schöffengericht.156 Die Abgabe ist ohne Rücksicht darauf zulässig, ob der Verurteilte schon bei dem Wirksamwerden der Aussetzung seinen Wohnsitz, ersatzweise auch den gewöhnlichen Aufenthaltsort157 dort hatte oder ihn erst später dorthin verlegt hat. Damit soll, ebenso wie mit der entsprechenden Vorschrift in § 58 Abs. 3 JGG ermöglicht werden, dass ein „entscheidungsnäherer“ Richter die erforderlichen Entscheidungen trifft.158 Das abgebende Gericht muss das Amtsgericht, dem die Zuständigkeit übertragen werden soll, genau, d. h. regelmäßig namentlich bezeichnen. Es reicht also nicht aus, die Abgabe an „das für den Wohnsitz des Verurteilten zuständige Amtsgericht“ anzuordnen, wenn der Wohnsitz des Verurteilten im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch gar nicht ermittelt ist.159 Wegen der systematischen Bedeutung der Zuständigkeitsübertragung vgl. Vor § 156 GVG. 55

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2. Umfang. Die Entscheidung über die Strafaussetzung selbst ist nicht übertragbar,160 wie sich aus der Verweisung auf § 453 ergibt. Soweit die Abgabe (bezüglich der Nachtragsentscheidungen) zulässig ist, kann das Gericht sie ganz oder auch nur teilweise übertragen.161 Es kann sich also z. B. das abgebende Gericht die Entscheidung über Widerruf oder Straferlass vorbehalten.162 Aus der Möglichkeit einer Teilabgabe ergibt

150 151 152 153 154 155 156

BGH NJW 1966 2022; OLG Hamm NJW 1976 1648; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 19. KK/Appl 31; Meyer-Goßner/Schmitt 19. BGH NJW 1966 2022; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 20. OLG Hamm MDR 1972 439; Bringewat 42. BGHSt 27 187, 190. BGHSt 33 113; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Bringewat 42. BGHSt 10 290; BGH NJW 1966 2022; OLG Düsseldorf GA 1989 171; Meyer-Goßner/Schmitt 21; Bringewat 44. 157 Meyer-Goßner/Schmitt 21; Bringewat 44. 158 BGHSt 26 204 = LM § 462a StPO, 6 mit Anm. Willms. 159 OLG München MDR 1958 118; Meyer-Goßner/Schmitt 21; Bringewat 44. 160 BGHSt 26 352 = LM § 462a StPO, 11 mit Anm. Willms; Doller MDR 1977 273; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Bringewat 43. 161 Meyer-Goßner/Schmitt 22. 162 Meyer-Goßner/Schmitt 23.

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sich ohne weiteres, dass die Übertragung auch noch möglich ist, nachdem das abgebende Gericht selbst schon Nachtragsentscheidungen erlassen hatte. 3. Wirkung. Die Abgabe bewirkt, dass das Amtsgericht im Umfang der Abgabe nicht 58 nur für die förmlichen Nachtragsentscheidungen, sondern für alle Aufgaben zuständig wird, die dem Gericht im Aussetzungsstadium obliegen, also auch zur Überwachung nach § 453b, zur Bestellung eines neuen Bewährungshelfers, für die Erteilung von Weisungen an diesen. 4. Bindung. Nach § 453 Abs. 2 a. F. konnte das Amtsgericht, dem die Zuständigkeit 59 übertragen wurde, die Übernahme zwar nicht ablehnen, aber Bedenken gegen die Übernahme, insbesondere solche der Zweckmäßigkeit äußern, über deren Berechtigung das gemeinschaftliche obere Gericht entschied. Zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten dieser Art schreibt § 462a Abs. 2 Satz 2 2. Hs. jetzt vor, dass die Abgabe bindend ist. Das gilt selbst dann, wenn das Gericht davon abgesehen hat, besondere Gründe, die die Abgabe nach Absatz 2 Satz 2 als zweckmäßig erscheinen lassen,163 ausdrücklich aufzuführen.164 Ihr Fehlen rechtfertigt daher regelmäßig noch nicht die Annahme einer Willkür. Diese ist jedoch anzunehmen, wenn die Maßnahme auf unsachlichen und von den das Gesetz beherrschenden Maßstäben völlig abweichenden Erwägungen beruht und unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar erscheint, d. h. unhaltbar ist.165 Letzteres ist dann der Fall, wenn die Abgabe der Bewährungsaufsicht ausschließlich mit dem Gesichtspunkt der Minderung der eigenen Arbeitsbelastung begründet wird.166 Gebunden durch die Abgabe wird aber nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur das Gericht, an das abgegeben wird, nicht das abgebende Gericht.167 Mit der Abgabe entfällt zwar im Umfang der Abgabe und für deren Dauer die Zuständigkeit des abgebenden Gerichts. Jedoch scheidet die Sache mit der Abgabe nicht endgültig aus seinem Verantwortungsbereich aus. Das abgebende Gericht muss auf veränderte tatsächliche Verhältnisse deshalb reagieren können, weil das Gericht, an das abgegeben worden war, weder weiter noch zurück übertragen kann.168 Die Abgabe ist nur ein Mittel, die Bewährungsaufsicht so zweckmäßig und wir- 60 kungsvoll wie möglich zu gestalten. Ergibt sich, dass mit der Abgabe dieses Ziel nicht erreicht werden kann – namentlich wenn die Abgabe an ein bestimmtes Amtsgericht in der irrtümlichen Annahme erfolgt, der Verurteilte habe in dessen Bezirk seinen Wohnort, während er bereits verzogen war, aber auch dann, wenn er bei der Abgabe im Bezirk des Amtsgerichts, an das abgegeben wurde, wohnt, später aber den Wohnsitz nach außerhalb verlegt –, so muss das abgebende Gericht, auch wenn dies – anders als in Absatz 5 Satz 3 – nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, in der Lage sein, die Abgabe zu widerrufen und selbst die Bewährungsaufsicht zu übernehmen oder sie dem für den

163 BGH NJW 1958 560. 164 BGH NStZ 1992 399; 1993 200; bei Kusch NStZ 1993 220; Meyer-Goßner/Schmitt 23; Bringewat 45; enger OLG Düsseldorf MDR 1990 78; NStZ 1992 206; OLGSt StPO § 462a Nr. 21; StraFo 2003 324.

165 BGHSt 29 219 (zu § 270 Abs. 3 Satz 2); BGH NStZ 1992 219; NStZ-RR 2003 242; OLG Düsseldorf MDR 1990 78; 1994 503; NStZ 1992 206; VRS 87 (1994) 38; 88 (1995) 208; JMBlNRW 2002 258; OLG Hamm JMBlNRW 1996 237; KK/Appl 27; Bringewat 45. 166 OLG Jena Beschluss vom 18.5.2005 – AR (S) 62/05. 167 BGHSt 11 80; 26 204; 26 253; OLG Düsseldorf MDR 1986 607; KK/Appl 27; Meyer-Goßner/Schmitt 23. 168 BGHSt 26 204; BGH NStZ 1997 379; NStZ-RR 2002 262; OLG Düsseldorf MDR 1986 607; KK/Appl 29; Bringewat 45.

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neuen Wohnort zuständigen Amtsgericht zu übertragen.169 Einen solchen Widerruf der Abgabe kann das Gericht, an das abgegeben war, anregen, dagegen ist es170 nicht selbst in der Lage, bei einem Wohnsitzwechsel seine Entscheidungsbefugnis einem dritten Gericht weiter zu übertragen. 61 Die Abgabe der nachträglichen Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung an ein Gericht, in dessen Bezirk der Verurteilte keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, ist nicht bindend. Die Tatsache, dass der Verurteilte möglicherweise nach Verbüßung seiner Strafe im Bezirk des übernehmenden Gerichts bleiben wird, genügt nicht zur Begründung der Zuständigkeit.171 Nach Abgabe der nachträglichen Entscheidung im Rahmen der Bewährungsaufsicht an das Wohnsitzgericht ist dieses kraft seiner nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 2 abgeleiteten Zuständigkeit auch für die aufgrund anderer Urteile angefallene Bewährungsaufsicht zuständig, sofern in diesen Urteilen auf eine geringere Strafe erkannt worden ist172 (Absatz 4 Satz 2). Hat das Gericht des ersten Rechtszuges, dem die Bewährungsaufsicht übertragen war, die Strafaussetzung widerrufen, so bleibt es auch nach Aufnahme des Verurteilten in eine in einem anderen Bezirk gelegene Justizvollzugsanstalt, für die nach öffentlicher Zustellung des Widerrufsbeschlusses von dem Verurteilten gestellten Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs zuständig.173 Allerdings verliert die von dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat, übernommene Bewährungsaufsicht durch einen nachträglichen Gesamtstrafenbeschluss seine Grundlage, wenn die zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe in der neu gebildeten Gesamtstrafe aufgegangen ist. Zuständig für die nachträgliche Entscheidung ist nach Absatz 2 dann das Gericht des ersten Rechtszuges, das den Gesamtstrafenbeschluss erlassen hat.174 62

5. Anfechtbarkeit. Gegen die Abgabeanordnung steht weder dem Verurteilten noch der Staatsanwaltschaft ein Beschwerderecht zu.175

63

6. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft. Für die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde ist die Abgabe ohne Bedeutung. Nach § 143 Abs. 1 GVG bleibt die Staatsanwaltschaft bei dem Gericht des ersten Rechtszuges zuständig.176

IX. Erweiterte Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges (Absatz 2 Satz 3) 64

1. Zweck der Regelung. Die Ergänzung des Absatzes 2 um Satz 3 stellt eine Folgeänderung der durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010177 infolge der Änderung des § 66a Abs. 3 StGB dar. Sowohl der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz

169 170 171 172 173 174 175 176

BGHSt 24 26; 26 204. Wie schon nach früherem Recht BGHSt 11 332; 24 28; KK/Appl 11. BGHR StPO § 462a Abs. 2 S. 2 Abgabe 2 (Gründe). BGH NStZ-RR 2000 83; StraFo 2004 144; NStZ-RR 2003 254 Ls. BGH NStZ 1999 362. BGH NStZ 2003 103 Ls.; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007 30. OLG Hamm MDR 1972 439; Meyer-Goßner/Schmitt 20; Bringewat 42. Katholnigg NStZ 1982 195; 1987 112; Meyer-Goßner/Schmitt 24; a. A. LG München NStZ 1981 453; Engel NStZ 1987 110. 177 BGBl. I S. 2300, 2301.

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vom 30.6.2010 als auch der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP178 sahen jeweils abweichend von Absatz 1 eine Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung nur dann vor, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat (§ 66a StGB) und bisher noch keine rechtskräftige Aussetzung erfolgt ist. Erst durch die Beratungen im BTRAussch. ist Absatz 2 Satz 3 den Änderungen des § 66a Abs. 3 StGB angepasst worden und regelt nun eine sachliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges in den in Absatz 1 bezeichneten Fällen, solange eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 3 Satz 1 StGB noch möglich ist. Die sachliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges ist damit bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe begründet.179 Dies wurde vor allem deshalb als sachgerecht angesehen, weil die Entscheidungen nach Absatz 1 unmittelbare Auswirkungen auf eine etwaige Anordnung der durch Urteil vorbehaltenen Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung haben.180 2. Anwendungsbereich a) Umfang der Erweiterung. Nach Absatz 2 Satz 3 obliegen die nach den §§ 453, 65 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen und damit (§ 462) die nachträglichen gerichtlichen Entscheidungen nach § 450a Abs. 3 Satz 1, §§ 458 bis 461 und die in § 462 Abs. 1 Satz 2 aufgezählten Nachtragsentscheidungen dem Gericht des ersten Rechtszuges, wenn es die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber nach § 66a Abs. 3 Satz 1 StGB noch möglich ist. Damit wird die sachliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges für im Rahmen der Vollstreckung notwendig werdende Entscheidungen erheblich erweitert. Das gilt namentlich für die Entscheidung über den Widerruf der Strafrestaussetzung nach § 57 Abs. 5 Satz 1, § 56f Abs. 1 StGB, die Verlängerung der Bewährungszeit (§ 57 Abs. 5 Satz 1, § 56f Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB) oder den Erlass der Reststrafe (§ 57 Abs. 5 Satz 1, § 56g Abs. 1 StGB) oder dessen Widerruf (§ 57 Abs. 5 Satz 1, § 56g Abs. 2 StGB).181 Aber auch für alle sonstigen nach Absatz 1 erforderlich werdenden Entscheidungen ist das Gericht des ersten Rechtszuges sachlich zuständig, wenn es die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat. b) Dauer der Zuständigkeit. Die sachliche Zuständigkeit des Gerichts des ersten 66 Rechtszuges endet erst mit der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe, denn dann ist eine Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 3 Satz 1 StGB nicht mehr möglich. Absatz 2 Satz 3 findet Anwendung, soweit ein Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Neufällen i. S. v. Art. 316e Abs. 1 EGStGB, also bei einer Tatzeit am oder nach dem 1.1.2011,182 angeordnet worden ist.183

178 179 180 181 182

BTDrucks. 17 3403 S. 7. BTDrucks. 17 4062 S. 16. BTDrucks. 17 4062 S. 16. BTDrucks. 17 4062 S. 16. Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010 – BGBl. I S. 2300 −, das mit Wirkung vom 1.1.2011 in Kraft getreten ist; vgl. BTDrucks. 17 3403 S. 78 f. 183 SK/Paeffgen/Greco 31.

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3. Verfahren. Die Staatsanwaltschaft stellt die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 (§ 450a Abs. 3 Satz 1, §§ 458 bis 461) erforderlichen Anträge unter Vorlage der Akten bei dem Gericht des ersten Rechtszuges. Dieses entscheidet in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG).

X. Gesamtstrafenbildung (Absatz 3) 68

1. Zuständigkeit (Satz 1). Die Zuständigkeit zur nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe war bis zum 31.12.1974 in § 462 Abs. 3, § 462a a. F. geregelt. Der jetzige Absatz 3 entspricht sachlich der bisherigen Regelung. Das in ihm bezeichnete Gericht ist auch zuständig, wenn der Verurteilte sich in Strafhaft befindet. Eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer ist nicht gegeben.184 Das Gericht des ersten Rechtszuges ist auch dann zuständig, wenn das Revisionsgericht die Sache wegen rechtsfehlerhafter Bildung der Gesamtstrafe nach § 354 Abs. 1b zurückverwiesen hat.185 Aus Absatz 3 Satz 2 und 3 ergibt sich, welches Gericht zur Entscheidung sachlich berufen ist. Hat es das Gericht im wieder aufgenommenen Verfahren versäumt, über die Strafaussetzung zur Bewährung bei einer nach Auflösung der Gesamtstrafe verbliebenen Freiheitsstrafe zu entscheiden, so hat diese Entscheidung in entsprechender Anwendung von § 460 das Gericht des ersten Rechtszuges nachzuholen. Eine Entscheidung nach § 458 Abs. 2 ist ausgeschlossen.186 2. Reihenfolge (Sätze 2 und 3)

69

a) Allgemeines. Die Zuständigkeit des Gerichts zur Bildung der Gesamtstrafe bestimmt sich in erster Linie nach der Schwere der Strafart, in zweiter Linie nach der Höhe der Strafe187 und in dritter Linie nach dem Zeitpunkt der Urteilsfällung,188 selbst wenn es keinen Anlass zu einer Nachtragsentscheidung sieht.189 War jedoch eines der Strafurteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszug (§ 120 GVG) erlassen, so kommt es auf alle diese Merkmale nicht an. Die Entscheidung steht alsdann nur dem Oberlandesgericht zu (Satz 3 2. Hs.). Hat ein unzuständiges Gericht die Gesamtstrafe gebildet, so ist sein Beschluss wirksam, wenn er nicht rechtzeitig mit sofortiger Beschwerde angefochten wird.190

70

b) Einzelheiten. Wegen der Art und Höhe der Strafen kommt es nicht darauf an, ob das Gericht sie so, wie sie rechtskräftig geworden sind, im ersten oder in einem höheren Rechtszug erkannt hat. Die Entscheidung trifft in jedem Fall das Gericht erster Instanz (Satz 3 1. Hs.). Haben verschiedene Gerichte Gesamtstrafen verhängt, kommt es für

184 BGH MDR 1976 680; KG JR 1975 429; OLG Hamburg StraFo 2010 348; KK/Appl 32; Meyer-Goßner/ Schmitt 26; Bringewat 48. 185 BGH NStZ 2005 163; OLG Köln NStZ 2005 164; VRS 108 (2005) 112 (Entscheidung auch über die Kosten des Revisions- und Berufungsverfahrens); OLG Frankfurt NStZ-RR 2005 81 (einer Zurückverweisung an das nach § 462a Abs. 3 für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung zuständige Gericht bedarf es nicht). 186 OLG Koblenz MDR 1991 470. 187 BGH StraFo 2003 272; NStZ 1996 511. 188 BGHSt 27 69. 189 BGH NStZ 1997 612. 190 RG Recht 1924 2736.

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die Zuständigkeit nicht auf die Höhe der Gesamtstrafen an. Maßgebend ist dann vielmehr die jeweils erkannte höchste Einzelstrafe, und zwar unabhängig davon, ob die verschiedenen Gerichte auf eine oder mehrere Gesamtstrafen erkannt haben.191 Bei Geldstrafen ist allein auf die Anzahl der Tagessätze abzustellen, und zwar unabhängig von deren Höhe.192 Sind die erkannten Freiheits- oder Geldstrafen gleich hoch, so ist das Gericht zu- 71 ständig, dessen Urteil zuletzt ergangen ist, auch wenn in einem früher ergangenen Urteil neben der Freiheitsstrafe auf eine zusätzliche Hauptstrafe in Geld (§ 41 StGB) oder auf Nebenstrafen und Nebenfolgen erkannt oder Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet sind, denn für die zu bildende Gesamtstrafe werden nur die Hauptstrafen herangezogen.193 Wegen der Gesichtspunkte, die insoweit für die Zuständigkeit zum Erlass der Ergänzungsentscheidung nach § 66 Abs. 2 Satz 3 JGG in Betracht kommen, vgl. § 460, 59 ff. Was den Zeitpunkt der Urteilsfällung betrifft („zuletzt ergangen ist“), so ist, wenn das Berufungsgericht in der Sache selbst entschieden hat, der Zeitpunkt dieses Urteils maßgebend, auch wenn die Berufung verworfen worden, also die im ersten Rechtszug erkannte Strafe bestehen geblieben ist.194 Der Zeitpunkt eines Revisionsurteils kommt nur dann in Betracht, wenn es selbst gemäß § 354 Abs. 1 und 1a die betreffende Freiheitsstrafe festgesetzt hat.195 3. Zuständigkeit bei Bildung einer Gesamtstrafe unter Auflösung einer frühe- 72 ren. In diesem Fall ist das die neue Gesamtstrafe bildende Gericht auch zuständig, aus den Einzelstrafen, die nicht einbezogen werden können, die weitere Gesamtstrafe (§ 460, 27) zu bilden, denn es wäre ein unnützer Aufwand, noch ein zweites Gericht mit der Gesamtstrafenbildung zu befassen, wenn bei isolierter Betrachtung für die Bildung der weiteren Gesamtstrafe nach der Regel des Absatz 3 die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.196 4. Fehlende amtsgerichtliche Strafgewalt (Satz 4) a) Allgemeines. Im Erkenntnisverfahren ist nach § 24 Abs. 2 GVG die Strafgewalt 73 der Amtsgerichte auf Freiheitsstrafe von vier Jahren beschränkt197 und umfasst nicht die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung. Diese Beschränkung gilt auch, wenn das Amtsgericht nach §§ 54, 55 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden hat. In entsprechender Weise begrenzt Absatz 3 Satz 4 folgerichtig die Strafgewalt des Amtsgerichts, wenn es nach Absatz 3 zur Bildung einer Gesamtstrafe zuständig ist. b) Einzelfragen. Hatte bereits das Schöffengericht auf vier Jahre Freiheitsstrafe 74 erkannt, so entfällt von vornherein die Zuständigkeit des Amtsgerichts zur Bildung der

191 Zu § 462a Abs. 3 Satz 1 a. F. BGHSt 11 293; zu § 462a Abs. 3 Satz 2 n. F. BGH NJW 1976 1512; 1986 1117; OLG Schleswig bei Ernesti/Lorenzen SchlHA 1986 109; KK/Appl 32; Meyer-Goßner/Schmitt 27; Bringewat 49, 50. 192 BGH NJW 1986 1117; KK/Appl 32; Meyer-Goßner/Schmitt 27; Bringewat 49. 193 BGHSt 11 293; KK/Appl 32; Meyer-Goßner/Schmitt 27; Bringewat 50. 194 KK/Appl 32; Meyer-Goßner/Schmitt 27. 195 LG Hamburg MDR 1980 781 unter Aufgabe von JR 1979 391; Gössel JR 1979 393; KK/Appl 32; MeyerGoßner/Schmitt 27; Bringewat 50. 196 BayObLGSt 1955 152; KK/Appl 32; Meyer-Goßner/Schmitt 27. 197 S. Erl. zu § 24 GVG.

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Gesamtstrafe, da sie zwangsläufig mehr als vier Jahre beträgt. Das Gleiche gilt, wenn neben einer Freiheitsstrafe die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist. In einem solchen Fall kann entweder die Staatsanwaltschaft selbst oder der Richter beim Amtsgericht die Vorgänge formlos dem Landgericht zur Entscheidung vorlegen.198 Dagegen bedarf es in entsprechender Anwendung des § 270 einer förmlichen Verweisung an das Landgericht, wenn die Frage Gegenstand einer Ermessensentscheidung ist, ob die amtsgerichtliche Strafgewalt ausreicht und der Richter beim Amtsgericht die Frage verneint, wenn er also z. B. bei Einzelstrafen von drei Jahren sechs Monaten und einem Jahr eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren nicht für ausreichend hält. Diese Verweisung muss, sofern sie nicht auf einem Rechtsirrtum beruht, der Natur der Sache nach bindend sein, denn das Landgericht kann, wenn es selbst eine in die Strafgewalt des Amtsgerichts fallende Gesamtstrafe für ausreichend hält, dieses nicht zwingen, gegen seine Überzeugung eine Strafe festzusetzen, die es nicht für ausreichend hält.199 Gegen die Verweisung gibt es kein Rechtsmittel. 75

c) Rechtsfolgen bei Überschreitung der Strafgewalt. Wegen der Rechtsfolgen der Überschreitung der Strafgewalt vgl. die Erl. zu § 24 GVG.

XI. Zuständigkeitskonzentration für Nachtragsentscheidungen bei mehreren Verurteilungen ohne Gesamtstrafenzusammenhang (Absatz 4) 76

1. Grundsatz (Satz 1). Während Absatz 1 die Zuständigkeit für alle (von der Gesamtstrafenbildung abgesehen) in demselben Strafverfahren nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden nachträglichen Entscheidungen regelt, befasst sich Absatz 4 mit der Konzentration der nachträglichen Entscheidungen, wenn die rechtskräftigen und noch nicht erledigten Verurteilungen zu Strafe oder Verwarnungen mit Strafvorbehalt in mehreren bei verschiedenen Gerichten getrennt geführten Strafverfahren gegen dieselbe Person ergangen sind. Absatz 4 trägt einem Beschluss der zur Vorbereitung des Entwurfs eines Strafvollzugsgesetzes einberufenen Strafvollzugskommission Rechnung.200 Absatz 4 ergänzt also die Absätze 1 und 2 für den Fall, dass von mehreren Gerichten mehrere rechtskräftige und noch nicht erledigte Verurteilungen gegen dieselbe Person ergangen sind, die Voraussetzungen einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) aber nicht vorliegen. In diesen Fällen wären ohne die Vorschrift des Absatzes 4 für die Strafvollstreckung bzw. Überwachung des Verurteilten verschiedene Gerichte und Strafvollstreckungsbehörden zuständig und bestände mithin die Gefahr einer Entscheidungszersplitterung.201 Sie könnte zu mangelnder Unterrichtung des einen Gerichts über die von dem anderen Gericht beabsichtigten Entscheidungen und darüber hinaus zu in ihrer Würdigung der Täterpersönlichkeit und ihrer kriminalpolitischen Zielrichtung geradezu entgegengesetzten Entscheidungen führen. Um dies zu vermeiden, bestimmt Satz 1, dass in derartigen Fällen alle Verfahren stets bei einem Gericht zu konzentrieren sind, wobei die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer stets die

198 199 200 201

KK/Appl 32; Meyer-Goßner/Schmitt 28; Bringewat 51. KK/Appl 32; Meyer-Goßner/Schmitt 28; Bringewat 51. BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 122 (§ 462a) Entw. EGStGB 1974, S. 313. BGH NStZ 1993 230; 2000 446; NStZ-RR 2007 94; Meyer-Goßner/Schmitt 30; Bringewat 52.

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Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges verdrängt.202 Alleine die ohne die Regelung des Absatzes 4 bestehende Möglichkeit, die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen nach Absatz 2 bindend an das Gericht des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Verurteilten abzugeben, setzt die Zuständigkeitskonzentration von Absatz 4 nicht außer Kraft.203 Stehen Nachtragsentscheidungen nach Absatz 4 aber nur (noch) bei einem Gericht an, etwa weil in anderer Sache bereits ein Straferlass erfolgt war, so entfällt die sachliche Rechtfertigung für eine Zuständigkeitskonzentration.204 Wegen des Falls der mehrmaligen Verurteilung des Verurteilten durch dasselbe Gericht vgl. Rn. 85. Um das Ziel der Zuständigkeitskonzentration zu erreichen, ist es205 erforderlich, 77 dass auch die Geschäftsverteilung innerhalb des zuständigen Gerichts und die Geschäftsverteilung bei der zuständigen Strafvollstreckungsbehörde dem von dem Gesetzgeber verfolgten Zweck Rechnung trägt. 2. Rechtskraft der Ausgangsentscheidungen. Die Zuständigkeitskonzentration 78 für die Nachtragsentscheidungen setzt die Rechtskraft der Ausgangsentscheidungen voraus. Noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Aburteilungen werden durch die Entscheidungskonzentration nicht berührt. 3. Sachliche Zuständigkeit (Satz 2). Die Frage, welches der verschiedenen Ge- 79 richte für die nach den §§ 453, 454, 454a, 462 zu treffenden Entscheidungen sachlich zuständig ist, regelt Absatz 4 Satz 2 durch Verweisung auf die Zuständigkeitsregelung bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung (Absatz 3 Satz 2, 3). Aufgrund der nur entsprechenden Anwendung des Absatzes 3 Satz 2, 3 ist der zu Rn. 66 herausgestellte Gesichtspunkt (Abstellen auf die höchste Einzelstrafe) für die Entscheidung nach Absatz 4 Satz 2 ohne jede sachliche Bedeutung. Denn hier geht es immer nur um die im Urteil ausgesprochene Strafe, die Grundlage der Vollstreckung ist. Das kann eine Einzelstrafe, eine Gesamtstrafe oder für den Fall, dass in einem Urteil zugleich mehrere Gesamtstrafen ausgesprochen sind, die Summe dieser Gesamtstrafen sein. Die in einer Gesamtstrafe untergegangene Einzelstrafe scheidet als Gegenstand der Vollstreckung völlig aus.206 Deshalb kommt es bei der Anwendung der Regeln des Absatzes 3 Satz 2 in den Fällen des Absatzes 4 Satz 2, wo es nicht um die Gesamtstrafenbildung, sondern um die Vollstreckung geht, stets auf die höchste Strafe an, ohne dass es einen Unterschied macht, ob diese Strafe wegen einer Einzeltat oder wegen mehrerer Taten als Gesamtstrafe zustande gekommen ist.207 Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist gemäß Absatz 4 80 Satz 3 sachlich die Strafvollstreckungskammer zuständig und ihre örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach Absatz 1 Satz 1. Die Strafvollstreckungskammer bleibt für alle Nachtragsentscheidungen zuständig, die gegen den Verurteilten bis zum Ende der bedingten Entlassung durch Straferlass oder Widerruf der ausgesetzten Freiheitsstrafe zu 202 BGHSt 26 118; 26 276; BGH NStZ-RR 2001 267; OLG Zweibrücken MDR 1978 954; OLGSt § 462a StPO, 5; OLG Hamm NStZ 1984 476; OLG Düsseldorf NStZ 1988 46; LG Münster MDR 1988 432; KK/Appl 33; a. A. für den Fall, dass das erkennende Gericht in seinem Verfahren keine die Vollstreckung betreffende Entscheidung treffen kann: OLG Schleswig MDR 1987 606. 203 BGH NStZ 1998 586. 204 BGH NStZ-RR 2006 115; NStZ 1999 215; NStZ-RR 2019 59. 205 Worauf die Begr. des RegE BTDrucks. 7 550 S. 313 ausdrücklich hinweist. 206 BGH NStZ-RR 2019 59. 207 BGHSt 27 70; BGH NStZ 1984 97; Meyer-Goßner/Schmitt 31; Bringewat 55.

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treffen sind, und zwar auch hinsichtlich solcher Restfreiheitsstrafen, die zum Zeitpunkt der bedingten Entlassung noch nicht existent waren, aber dies während der laufenden Bewährungszeit wurden.208 Diese allgemeine Fortsetzungszuständigkeit wird auch nicht durch die Regelung des § 36 Abs. 5 Satz 1 BtMG aufgehoben.209 Hat die Strafvollstreckungskammer den Eintritt von Führungsaufsicht angeordnet, so geht mit der Aufnahme des Verurteilten in eine andere Justizvollzugsanstalt zur Verbüßung von Strafhaft in anderer Sache die örtliche Zuständigkeit für die Überwachung der Führungsaufsicht auf die Strafvollstreckungskammer über, in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt.210 Die Strafvollstreckungskammer in A ist danach zuständig, wenn das erkennende Gericht in B nach § 56 StGB für die ganze Strafe Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt hat, der Verurteilte wegen einer in der Bewährungszeit begangenen Tat von einem anderen Gericht erneut zu Freiheitsstrafe verurteilt ist, die er jetzt im Bezirk der Strafvollstreckungskammer A verbüßt und nunmehr über den Widerruf der Strafaussetzung zu entscheiden ist. 4. Zusammentreffen von Jugendstrafe und Erwachsenenfreiheitsstrafe. Auch nach den in § 460, 61 bis 63 dargestellten Gesetzesänderungen verbleiben Fälle eines Nebeneinanderbestehens von Jugendstrafe und Erwachsenenfreiheitsstrafe, die die Frage der Zuständigkeit für Nachtragsentscheidungen auslösen. Der Bundesgerichtshof hatte die Frage zunächst zugunsten der Strafvollstreckungskammer beantwortet, weil der materiell-rechtlich für das Verhältnis des Jugendstrafrechts zum allgemeinen Strafrecht bedeutsame Gesichtspunkt des Schwergewichts (§§ 32, 105 JGG) auch vollstreckungsrechtlich durchschlage, nachdem sich das Schwergewicht der Vollstreckung auf die der Freiheitsstrafe verlagert habe und daraus die Folgerungen aus dem Konzentrationsgrundsatz abzuleiten seien.211 Nach erneuter Prüfung dieser Frage hat er diesen Standpunkt aber wieder aufgegeben. 82 Da der Jugendrichter dem weiterhin zu berücksichtigenden Erziehungsgedanken besser als die Staatsanwaltschaft oder die Strafvollstreckungskammer gerecht werden kann, ist es gerechtfertigt, die Zuständigkeit für nachträgliche Entscheidungen auch dann beim Jugendrichter zu belassen, wenn die Jugendstrafe nach § 89b JGG im Erwachsenenstrafvollzug verbüßt wird.212 Der in Absatz 4 enthaltene Konzentrationsgrundsatz erstreckt sich danach nicht auf die Vollstreckung von Jugendstrafen. Für die Vollstreckung von Jugendstrafen bleibt vielmehr bis zu deren Abschluss der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zuständig, auch wenn der Verurteilte zwischenzeitlich zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und diese ganz oder teilweise verbüßt hat.213 Diesen Erwägungen ist zuzustimmen. 81

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5. Örtliche Zuständigkeit bei mehreren in Betracht kommenden Strafvollstreckungskammern (Satz 3). Die Verweisung in Absatz 4 Satz 3 auf die Fälle des Absatzes 1 lässt die Frage offen, welche von mehreren in Betracht kommenden Strafvollstreckungskammern örtlich zuständig ist. Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für alle einen inhaftierten Verurteilten betreffenden nachträglichen Entscheidungen im 208 BGH NStZ-RR 2003 102; NStZ 2001 222; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007 157; OLG Hamm StraFo 2000 282; 2003 205. BGH NStZ-RR 2001 343 Ls. BGH NStZ-RR 2004 124. BGHSt 26 375; OLG Hamm MDR 1979 336; Doller MDR 1977 273. BGHSt 27 329, 333; 64 273 ff. m. w. N. BGH StraFo 2007 258; BGHSt 28 351, 353 f.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 462a

Rahmen der Bewährungsüberwachung tritt unabhängig davon ein, ob während der Zeit der Inhaftierung eine Entscheidung in der Sache zu treffen ist.214 Hat z. B. die Strafvollstreckungskammer in A den Rest einer Freiheitsstrafe von drei Jahren ausgesetzt, nachdem der Verurteilte zwei Jahre verbüßt hat, und wird er wegen einer in der Bewährungszeit begangenen Straftat erneut zu Freiheitsstrafe verurteilt, die er in einer Anstalt im Bezirk der Strafvollstreckungskammer in B verbüßt, so fragt sich, ob für den Widerruf die Strafvollstreckungskammer in A oder die in B zuständig ist. Nach dem Wortlaut des Absatzes 1 Satz 2 wäre die Strafvollstreckungskammer in A zuständig, weil danach die Strafvollstreckungskammer für die weiter zu treffenden Entscheidungen zuständig bleibt, die gemäß § 454 die Vollstreckung des Strafrestes ausgesetzt hat. Die Strafvollstreckungskammer in B ist aber zuständig, weil die Verweisung auf „die Fälle des Absatzes 1“ dahin zu verstehen ist, dass die erste kraft Entscheidungskonzentration zu treffende Nachtragsentscheidung derjenigen Strafvollstreckungskammer obliegt, in deren Bezirk der Verurteilte bei Eingang des Widerrufsantrags einsitzt. Denn der Konzentrationsgrundsatz des Absatzes 4 verlangt, dass für alle denselben Verurteilten betreffenden Nachtragsentscheidungen nur eine Strafvollstreckungskammer zuständig ist.215 Also ist in dem Beispielsfall die Strafvollstreckungskammer in B für die Entscheidung über den Widerruf zuständig.216 Das gilt auch dann, wenn der Widerrufsantrag bereits vor Beginn der neuen Strafhaft bei Gericht eingegangen, dieses aber noch keine erstinstanzliche Entscheidung getroffen hat217 oder wenn die in ihrem Bezirk vollstreckte Strafe bereits erledigt und zwischenzeitlich die sachliche Zuständigkeit einer anderen Strafvollstreckungskammer begründet ist.218 Die eine Führungsaufsicht nach § 68f StGB überwachende Strafvollstreckungskammer ist auch für die Nachtragsentscheidungen zuständig, die sich auf Strafaussetzungen zur Bewährung aus anderen Verfahren gegen den Verurteilten beziehen.219 6. Mehrere selbständige Verurteilungen durch dasselbe Gericht. Der Grundge- 84 danke des Absatzes 4, in den Fällen, in denen eine Gesamtstrafenbildung nicht in Betracht kommt, einer „Entscheidungszersplitterung“ dadurch vorzubeugen, dass für alle gegen einen Verurteilten erforderlich werdenden nachträglichen Entscheidungen nur ein Gericht oder eine Strafvollstreckungsbehörde zuständig sein soll, ist im Gesetz durch die Wendung: „Haben verschiedene Gerichte …“ nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt. Denn das Bedürfnis, eine Entscheidungszersplitterung zu vermeiden, besteht auch, wenn der Verurteilte von demselben Gericht in mehreren Verfahren verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt worden ist und für die späteren Verfahren nach den Absätzen 1 und 2 sowohl das Gericht des ersten Rechtszuges wie auch eine oder mehrere Strafvollstreckungskammern zuständig sein oder werden könnten. In sinngemäßer Auslegung (oder, wenn man will, in entsprechender Anwendung) des Absatzes 4 greift auch hier der Gesichtspunkt

214 BGH NStZ-RR 2008 124; NJW 2010 951. 215 BGH StraFo 2011 289; BGH Beschl. vom 4.4.2012 – 2 ARs 127/12. 216 BGH bei Holtz MDR 1977 462; BGHSt 26 118; 26 276; BGH NStZ 1984 380; OLG München NStZ 1984 238; OLG Hamburg NStZ 1982 48; 1987 92; OLG Düsseldorf NStZ 1988 46; Jähnke DRiZ 1977 236; Valentin NStZ 1981 128, 130; KK/Appl 24; Meyer-Goßner/Schmitt 34; a. A. Treptow NJW 1975 1107; Eb. Schmidt NJW 1975 1489. 217 BGHSt 30 189, 192; OLG Stuttgart Justiz 1976 443; OLG Schleswig 1978 548; OLG Hamm JMBlNRW 1978 265; OLG Karlsruhe Justiz 1980 90; NStZ 1985 404; OLG Koblenz VRS 68 (1985) 213; OLGSt § 462a StPO, 6. 218 BGHSt 28 82; OLG Hamm NJW 1976 258; KK/Appl 13; Meyer-Goßner/Schmitt 34. 219 BGH NJW 2010 951.

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§ 462a

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

der Zuständigkeitskonzentration durch und es erstreckt sich die Zuständigkeit einer Strafvollstreckungskammer für erforderlich werdende nachträgliche Entscheidungen aus dem Urteil eines Gerichts mithin auch auf die nachträglichen Entscheidungen aus anderen von demselben Gericht gegen den Verurteilten ausgesprochenen Verurteilungen ohne Gesamtstrafenzusammenhang.220 Diese Grundsätze gelten auch bei Verurteilungen zu freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung.221 7. Auswirkungen der Konzentration auf die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde 85

a) Grundsatz. Die Konzentration der Entscheidungszuständigkeit bei einem Gericht berührt grundsätzlich nicht auch die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Nach § 451 Abs. 3 Satz 1 bleibt auch in diesen Fällen die Staatsanwaltschaft bei dem Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Zwar heißt es in der Begründung zum Regierungsentwurf zu § 462a222 im Zusammenhang mit der Vermeidung von Entscheidungszersplitterungen: „Es wird deshalb vorgeschlagen, in derartigen Fällen alle Verfahren stets bei einem Gericht und einer Strafvollstreckungsbehörde zu konzentrieren“.223 Jedoch hat diese Anregung keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden. § 451 Abs. 3 Satz 1 belässt es vielmehr grundsätzlich bei der Regelung, dass auch gegenüber der Vollstreckungskammer eines anderen Landgerichts die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben von der Staatsanwaltschaft wahrgenommen werden, die nach den allgemeinen Vorschriften die zuständige Vollstreckungsbehörde ist. Allerdings kann sie ihre Aufgaben der für die Strafvollstreckungskammer zuständigen Staatsanwaltschaft übertragen, wenn dies im Interesse des Verurteilten geboten erscheint und die Staatsanwaltschaft am Ort der Strafvollstreckungskammer zustimmt.224 Dies wird allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die Staatsanwaltschaft, die Verfolgungsbehörde und jetzt Vollstreckungsbehörde ist, kennt nämlich die Besonderheiten des Falles in aller Regel besser als eine andere Staatsanwaltschaft am Sitz der Strafvollstreckungskammer.

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b) Wechsel in den Fällen des Absatzes 6. In Übereinstimmung mit der früher herrschenden Meinung, dass bei Zurückverweisung einer Sache nach § 354 Abs. 2, § 354a für Nachtragsentscheidungen das zuerst mit der Sache befasst gewesene Gericht zuständig sei (Rn. 41), sah § 7 Abs. 2 StVollstrO a. F. vor, dass sich auch die örtliche Zuständigkeit der Vollstreckungsbehörde nach diesem Gericht bestimme. Mit dem Inkrafttreten des Absatzes 6 ergibt sich als Folge der Neubestimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges ein entsprechender Wechsel der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Darauf weist die Gesetzesbegründung hin.225 § 451 Abs. 3 Satz 1 (Wahrnehmung der staatsanwaltschaftlichen Aufgaben gegenüber der Strafvollstreckungskammer bei einem anderen Landgericht durch die Staatsanwaltschaft, die Vollstreckungsbehörde ist) wird, wie kaum der Hervorhebung bedarf, durch den neuen Absatz 6 nicht berührt. 220 BGHSt 26 276 = LM § 462a StPO, 9 mit Anm. Willms; BGH Beschl. vom 26.9.2018 – 2 ARs 182/18; OLG Hamburg MDR 1975 952; KK/Appl 11; Meyer-Goßner/Schmitt 33; Bringewat 60. BGHSt 26 187. BTDrucks. 7 550 S. 313; KK/Appl 35; Meyer-Goßner/Schmitt 35; Bringewat 61. Ebenso die mehr beiläufigen Bemerkungen in BGHSt 26 120; 26 277. Bringewat 61; a. A. LG München NStZ 1981 453 und – soweit es um die Bewährungsüberwachung geht – Katholnigg NStZ 1982 195; 1987 112; Engel NStZ 1987 110. 225 BTDrucks. 8 976, Begr. zu Art. 1 Nr. 34 StVÄG 1979, S. 61, zweiter Absatz; s. auch Pohlmann/Jabel/ Wolf § 7, 8.

221 222 223 224

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 462a

Im Wiederaufnahmeverfahren entscheidet gemäß § 140a Abs. 7 GVG ein „anderes 87 Gericht“ bereits über die Anträge zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens. Nach diesem Gericht richtet sich auch die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft bei ihrer Mitwirkung als Strafverfolgungsbehörde im Wiederaufnahmeverfahren, während bis zum Ergehen des Erneuerungsbeschlusses nach § 370 Abs. 2 StPO ihre bisherige Zuständigkeit als Vollstreckungsbehörde weiter bestehen bleibt (§ 140a GVG).226

XII. Nachtragsentscheidungen bei erstinstanzlichen Urteilen des Oberlandesgerichts (Absatz 5) 1. Grundsatz (Satz 1). Bei den von einem Oberlandesgericht als Gericht des ersten 88 Rechtszuges (§ 120 GVG) erlassenen Urteilen entfällt für Nachtragsentscheidungen eine sonst nach Absatz 1, Absatz 4 Satz 3 begründete Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer. An ihrer Stelle entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges.227 Dessen Zuständigkeit verdrängt die der Strafvollstreckungskammer. Diese Regelung beruhte seinerzeit auf der Erwägung, dass die Oberlandesgerichte weitgehend mit Fällen landesverräterischer und geheimdienstlicher Agententätigkeit (§§ 98, 99 StGB) befasst sind. In diesen Fällen haben die Oberlandesgerichte eine besondere, schon aus der Zuständigkeitskonzentration herrührende Sachkunde, und zwar nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für die Beurteilung der Frage, wie groß die Gefahr eines einschlägigen Rückfalls bei einem bestimmten Verurteilten ist und ob bei ihm gegebenenfalls eine Aussetzung nach § 57 StGB gerechtfertigt werden kann.228 Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach Absatz 5 Satz 1 ist, wenn es das Urteil im ersten Rechtszug erlassen hat, auch begründet, wenn die Führungsaufsichtsstelle dem unter Führungsaufsicht stehenden Verurteilten die Erlaubnis für einen beantragten Aufenthaltswechsel versagt und der Verurteilte alsdann bei dem mit der Führungsaufsicht befassten Gericht, das die Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB erteilt hat, um gerichtliche Entscheidung nachsucht.229 Absatz 5 findet dagegen keine Anwendung, wenn im ersten Rechtszug ein Oberlandesgericht gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden entschieden hat. Vielmehr ist der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter nicht nur für die Vollstreckung der Jugendstrafe, sondern auch für die jugendrichterlichen Entscheidungen nach § 83 JGG zuständig.230 2. Abgabe an die Strafvollstreckungskammer (Sätze 2 und 3). Die der Strafvoll- 89 streckungskammer durch Satz 1 entzogene Zuständigkeit kann das Oberlandesgericht durch Abgabe nach Satz 2 begründen. Damit soll solchen Fällen Rechnung getragen werden, in denen die Nachtragsentscheidung auch unabhängig von der besonderen Sachkunde („von besonderen nachrichtendienstlichen Kenntnissen“) getroffen werden kann. Wegen des Umfangs der Abgabe („ganz oder zum Teil“) und der Bedeutung der Bindung der Abgabe (Satz 3) vgl. Rn. 57 ff. Dass in Satz 3 2. Hs. die Widerruflichkeit der Abgabe ausdrücklich vorgesehen ist, ist keine Besonderheit dieser Abgabe, hier wird vielmehr nur das Wesen der Bindung der Abgabe in einer Weise verdeutlicht, die ebenso auch bei einer Abgabe nach Absatz 1 Satz 3 2. Hs., Absatz 2 Satz 2 2. Hs. zutrifft. 226 227 228 229 230

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Rieß NJW 1978 2272. Wegen der Anfechtbarkeit s. § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 5. BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 122 (§ 462a) Entw. EGStGB 1974, S. 314; Bringewat 46. OLG Düsseldorf StraFo 2004 426. OLG Düsseldorf NStZ 2001 616 Ls.; KK/Appl 28.

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§ 463

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

3. Mündliche Anhörung. Trifft das Oberlandesgericht selbst die Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung (§ 454), so gelten, da es an die Stelle der Strafvollstreckungskammer tritt, auch die Vorschriften über die mündliche Anhörung des Verurteilten (§ 454 Abs. 1 Satz 3, 4) und das Verfahren nach § 454 Abs. 2. Zu der Frage, ob diese Anhörung vor dem mit drei Mitgliedern besetzten Senat (§ 122 Abs. 1 GVG) durchzuführen ist oder ob die Anhörung durch ein beauftragtes Senatsmitglied genügt, vgl. § 454, 24 ff.

XIII. Besetzung der Strafvollstreckungskammer 91

Nach der Neufassung des § 78b Abs. 1 GVG durch Art. 3 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege (RpfEntlG) vom 11.1.1993231 entscheiden, soweit sich aus der Strafprozessordnung nicht etwas anderes ergibt, die Strafvollstreckungskammern bei Entscheidungen nach den §§ 462a, 463 grundsätzlich durch einen Richter (§ 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG), und zwar ohne Rücksicht auf die Höhe der zugrunde liegenden Freiheitsstrafe. Die Kollegialbesetzung mit drei Richtern ist nur noch in den Fällen vorgesehen, in denen über die Aussetzung der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57a StGB, die Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB oder in der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB zu entscheiden ist (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG).

§ 463 Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung (1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. (3) 1§ 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. 2In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. 3§ 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. 4Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. 5Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger. 231 BGBl. I S. 50; geändert durch Art. 2 SichVG vom 16.6.1995 (BGBl. I S. 818).

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 463

(4) 1Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. 2Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. 3Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. 4Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. 5Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. 6Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. 7§ 454 Abs. 2 gilt entsprechend. 8Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger. (5) 1§ 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. 2Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. 3§ 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist. (6) 1§ 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. 2In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. 3Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen. (7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich. (8) 1Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. 2Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird. Schrifttum Bock Die Verwalter der Gefährlichkeit – eine Skizze zum forensischen Gutachterwesen, FS Heinz (2012) 609; Boetticher Aktuelle Entwicklungen im Maßregelvollzug und bei der Sicherungsverwahrung – Ambulante Nachsorge für Sexualstraftäter ist Aufgabe der Justiz, NStZ 2005 417; ders./Dittmann/Nedopil/ Nowara/Wolf Zum richtigen Umgang mit Prognoseinstrumenten durch psychiatrische und psychologische

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Sachverständige und Gerichte, NStZ 2009 478; Boetticher/Koller/Böhm/Brettel/Höffler/Müller-Metz/Pfister/Schneider/Schöch/Wolf Empfehlungen für Prognosegutachten – Rechtliche Rahmenbedingungen für Prognosen im Strafverfahren, NStZ 2019 553; Böhm Ausgewählte Fragen des Maßregelrechts, FS Schöch (2010) 755; Böhme Zusammentreffen von lebenslanger Freiheitsstrafe mit anderen Strafen und freiheitsentziehenden Maßregeln, NJW 1982 135; Brandstätter Vikariierendes System bei Strafe und Maßregeln aus verschiedenen Urteilen? MDR 1978 453; Busam/Hoffmann Die Zusammenarbeit zwischen Maßregelvollzug und Staatsanwaltschaft – am Beispiel der Abteilung Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Zentrum für Psychiatrie Reichenau und der Staatsanwaltschaft Konstanz, R&P 2002 51; Egg (Hrsg.) Der Aufbau des Maßregelvollzugs in den neuen Bundesländern (1995); Geyer/Steinböck/Tilmann Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB, NStZ 2017 185; Gretenkord Empirisch fundierte Prognosestellung im Maßregelvollzug nach § 63 StGB (2003); ders./Lietz Zur Entwicklung des Maßregelvollzugs (§ 63 StGB) in Hessen, MSchrKrim. 1983 376; Grünebaum Zur Privatisierung des Maßregelvollzugs – Wie eine Diskussion haarscharf am Kern vorbeigeht, R&P 2006 55; Heering/Konrad Prognosebegutachtung und nachträglich verhängte Sicherungsverwahrung bei Erledigung der Maßregel, R&P 2007 76; Kröber (Hrsg.) Psychologische Begutachtung im Strafverfahren: Indikationen, Methoden und Qualitätsstandards (2000); Kröber/Brettel/Rettenberger/Stübner Empfehlungen für kriminalprognostische Gutachten, NStZ 2019 574; Kruis Die Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln und die Verhältnismäßigkeit, StV 1998 94; Lesting Die Neuregelung der zivilrechtlichen Haftung des gerichtlichen Sachverständigen für ein unrichtiges Gutachten, R&P 2002 224; Maier/Macke Woran krankt der Maßregelvollzug? MSchrKrim. 2000 74; Maul/Lauven Die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel, NStZ 1986 397; Müller/Becker/Stolpmann Vergleich externer und interner Prognose-Gutachten im Maßregelvollzug Sachsen-Anhalts, R&P 2006 174; Müller-Dietz Die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel aus verschiedenen Urteilen, NJW 1980 2789; Müller-Metz Die Sicherungsverwahrung – Tätigkeit des Sachverständigen im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren, StV 2003 42; Nedopil Begutachtung zwischen öffentlichem Druck und wissenschaftlicher Erkenntnis, R&P 1999 120; Nowara Externe Prognosegutachten im Maßregelvollzug, R&P 1995 67; dies. Divergierende legalprognostische Beurteilungen nach langjähriger Unterbringung im Maßregelvollzug, R&P 1996 23; Peglau Das neue Recht der strafrechtlichen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, NJW 2016 2298; ders. Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung, NJW 2007 1558; Pollähne Gutachten über „die Behandlungsaussichten“ im Maßregelvollzug, R&P 2005 171; ders. Verteidigung in Maßregelvollstreckung und -vollzug (Teil 1 und 2) – Erfolgreiche anwaltliche Entlassungsvorbereitungen – eine Fallstudie, StraFo 2007 404 und 486; Rasch Die Prognose im Maßregelvollzug als kalkulierbares Risiko, FS Blau (1985) 309; W. Schmidt Anhörung des Sicherungsverwahrten im Verfahren nach § 42f StGB und Stellungnahme der Vollzugsanstalt, NJW 1965 1318; Schneider Die Reform des Maßregelrechts, NStZ 2008 68; Ullenbruch Strafzeitberechnung nach Maßregelabbruch – Art. 2 II GG mitten im Tohuwabohu! NStZ 2000 287; Verrel Strafrechtliche Haftung für falsche Prognosen im Maßregelvollzug? R&P 2001 182; Wolf Reform der Führungsaufsicht, Rpfleger 2007 293. Zum Prognosegutachten vgl. auch die Schrifttumsnachweise bei § 454.

Entstehungsgeschichte § 463 ist gemäß Art. 21 Nr. 133 EGStGB 1974 am 1.1.1975 an die Stelle des früheren, durch Gesetz vom 24.11.1933 (RGBl. I S. 1000) eingefügten und in der Folgezeit mehrfach geänderten § 463a getreten. Die Abänderung dieser Vorschrift war wegen der Neufassung des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches und der Einführung der Strafvollstreckungskammern erforderlich. Dabei blieb § 463a Abs. 1 (jetzt § 463 Abs. 1) sachlich unverändert. Die durch die Absätze 2 bis 6 des § 463 ersetzten Absätze 2, 3 des § 463a a. F. lauteten: „(2) Bei der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt ist der Aufschub der Vollstreckung auf Grund des § 455 Abs. 1, bei der Sicherungsverwahrung der Aufschub auf Grund des § 456 nicht zulässig. (3) § 462 gilt auch für die nach den §§ 42f bis 42h, § 42l Abs. 4 und § 42n Abs. 7 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.“ Graalmann-Scheerer

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 463

Nach Art. 326 Abs. 5 Nr. 2 Buchst. h EGStGB 1974 sollte Absatz 4 Satz 2 vom 1.1.1978 an folgende Fassung haben: „Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, einer sozialtherapeutischen Anstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden.“ Durch § 2 Nr. 2 Buchst. b InkrafttrG ist der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung erneut, und zwar auf den 1.1.1985 hinausgeschoben worden. Nachdem dieses Gesetz zufolge Art. 7 StVollzÄndG mit Wirkung vom 1.1.1985 außer Kraft getreten ist, galt der frühere Absatz 4 Satz 2 (jetzt Absatz 5 Satz 2) nunmehr endgültig in der Fassung der Übergangsregelung gemäß Art. 326 Abs. 5 Nr. 2 Buchst. h EGStGB 1974. Durch Art. 2 Nr. 10 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 ist die Paragrafenkette im damaligen Absatz 5 (jetzt: Absatz 6) um § 67d Abs. 5 ergänzt worden. Durch Art. 6 Nr. 4 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.1998 wurde der damalige § 463 Abs. 3 wesentlich geändert. Die Vorschrift enthält zur Überprüfung der Voraussetzungen von über zehn Jahre vollstreckter Sicherungsverwahrung besondere verfahrensrechtliche Regelungen. Nach Absatz 3 Satz 4 bedarf es zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB sowie für nachfolgende Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Absatz 3 Satz 5 schreibt die Bestellung eines Verteidigers für den Verurteilten vor. In den Fällen des § 67d Abs. 2 StGB im Übrigen sowie in Fällen des § 67c Abs. 1 und § 72 Abs. 3 StGB bedarf es durch den Verweis auf § 454 Abs. 2, der entsprechende Anwendung findet, unabhängig von der der Anordnung der Maßregel zugrundeliegenden Tat der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn das Gericht erwägt, die Maßregel für erledigt zu erklären oder die weitere Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung auszusetzen. Durch Art. 2 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.4.20071 wurde in Absatz 5 die Angabe „67h“ eingefügt und es wurde ein neuer Satz eingefügt (jetzt: Absatz 6 Satz 3). Durch Art. 2 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.20072 wurde Absatz 3 Satz 3 neu gefasst und durch Art. 2 Nr. 2 Buchst. b wurde Absatz 4 eingefügt. Durch Art. 2 Nr. 17 des Gesetzes zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.20103 wurden in Absatz 3 Satz 4 die Worte „aufgrund seines Hanges“ als Folge der Änderung in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB (vgl. Art. 1 Nr. 5) gestrichen. Durch Art. 3 Nr. 1a und b des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5.12.20124 wurde in Absatz 3 der Satz 3 geändert und der bisherige Satz 5 neu gefasst. Ein neuer Absatz 8 wurde durch Art. 3 Nr. 2 desselben Gesetzes eingefügt. Durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungshauptverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe vom 17.7.2015 wurde der Strafprozessordnung die sich aus der Anlage 1 zu dieser Vorschrift ersichtliche Inhaltsübersicht vorangestellt. Nach Art. 1 Nr. 13 Satz 3 erhalten die Vorschriften der Strafprozessordnung die Überschriften, die sich aus der Inhaltsübersicht in der Anlage 1 ergeben. Durch Art. 2 des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8.7.20165 wurde § 463 umfassend geändert. Dem Absatz 4 1 2 3 4 5

BGBl. I S. 513. BGBl. I S. 1327, 1329. BGBl. I S. 2300, 2303. BGBl. I S. 2425, 2427 f. BGBl. I S. 2016 f.

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§ 463

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

wurde ein neuer Satz 1 vorangestellt. In dem neuen Satz 2 wurden die Wörter „Im Rahmen der Überprüfungen nach § 67e des Strafgesetzbuches soll das Gericht nach jeweils fünf Jahren“ durch die Worte „Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren“ ersetzt und es wurde die Angabe „(§ 63)“ gestrichen. Satz 3 wurde am Ende durch ein Komma und die Worte „noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben“ ergänzt. Nach dem Satz 3 wurden die neuen Sätze 4 und 5 eingefügt. In Satz 8 wurden die Worte „das Verfahren nach Satz 1“ durch die Worte „die Überprüfung der Unterbringung bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll“ ersetzt. In Absatz 6 wurden in Satz 1 die Worte „§ 67 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2“ durch die Worte „§ 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6“ ausgetauscht. Nach Satz 1 wurde ein neuer Satz 2 eingefügt und der bisherige Satz 2 wurde zu Satz 3.

I.

II. III.

Übersicht Sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Strafvollstreckung (Absatz 1) 1. Allgemeine Bedeutung 1 2. Sinngemäß anwendbare Vorschriften 2 3. Ergänzende Regelungen in der Strafvollstreckungsordnung 3 4. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde 4 Nachtragsentscheidungen während der Führungsaufsicht (Absatz 2) 5 Nachtragsentscheidungen nach Absatz 3 1. Zweck der Regelung 6 2. Anwendungsbereich a) Allgemeines 7 b) Aussetzung der Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregel nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB 8 c) Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB 10 d) Entscheidungen nach § 67d Abs. 3 StGB und Folgeentscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB bei Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung 11 e) Sonstige Fälle der Aussetzung der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB 13 f) Entscheidungen nach §§ 68e, 68f Abs. 2 StGB 14 g) Fälle des § 72 Abs. 3 StGB 16 3. Einholung eines Sachverständigengutachtens (Absatz 3 Satz 3 und 4) a) Pflicht 17 b) Zeitpunkt 22

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c)

IV.

Auswahl des Sachverständigen 23 d) Inhaltliche Anforderungen 24 4. Pflicht zur Verteidigerbestellung vor einer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB (Absatz 3 Satz 5) a) Allgemeines 26 b) Sachliche Zuständigkeit 27 c) Zeitpunkt 28 d) Ende der Bestellung 29 e) Rücknahme 30 5. Verfahren nach Absatz 3 a) Gelegenheit zur Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten 31 b) Mündliche Anhörung des Sachverständigen 32 c) Durchführung der mündlichen Anhörung des Sachverständigen 33 d) Verfahrensmängel 34 Begutachtung bei Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) nach § 67e StGB (Absatz 4) 1. Anwendungsbereich 36 2. Dauer des Vollzugs der Unterbringung 37 3. Gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung (Satz 1) 38 4. Einholung eines Sachverständigengutachtens a) Pflicht 40 b) Zeitpunkte (Satz 2) 41 c) Auswahl der Sachverständigen aa) Keine Vorbefassung (Sätze 3 und 4) 43 bb) Ärztliche oder psychologische Sachverständige mit fo-

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

rensisch psychiatrischer Erfahrung (Satz 5) 44 5. Einsicht in die Patientendaten (Satz 6) 46 6. Entsprechende Anwendung von § 454 Abs. 2 (Satz 7) 48 7. Verteidigerbestellung (Satz 8) 49 V. Aufschub oder Unterbrechung (Absatz 5) 50 VI. Entsprechende Anwendung von § 462 (Absatz 6) 1. Anwendungsbereich (Satz 1) 51 2. Pflicht zur mündlichen Anhörung des Verurteilten (Satz 2) 52 3. Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (Satz 3) 53 VII. Zuständigkeit bei Nachtragsentscheidungen (Absatz 7) 1. Allgemeines 55 2. Fortsetzungszuständigkeit 56 a) Späterer Beginn der Unterbringung (§ 67c Abs. 1 StGB) 57 b) Dauer der Unterbringung (§ 67d Abs. 2 StGB) 58

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c)

Entlassung aus der Sicherungsverwahrung (§ 67d Abs. 4 StGB) 59 d) Erledigungserklärung wegen Nichterreichens des Unterbringungszwecks (§ 67d Abs. 5 und 6 StGB) 60 e) Krisenintervention (§ 67h StGB) 61 f) Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes (§ 68f StGB) 62 VIII. Pflicht zur Verteidigerbestellung bei Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Absatz 8) 1. Umfang der Pflicht 63 2. Sachliche Zuständigkeit, Rücknahme und Widerruf der Bestellung 64 3. Begrenzung der Bestellung 65 IX. Nachträgliche Anordnungen bei der Unterbringung von Jugendlichen 66 X. Zuständigkeit bei früheren Entscheidungen von Gerichten der ehemaligen DDR 67 XI. Reformüberlegungen 68

Alphabetische Übersicht Anhörung 52 Aufschub 50 Entziehungsanstalt 13 Fristberechnung 37 Führungsaufsicht 5, 14 Inhaltliche Anforderungen 24 f., 38 Jugendliche 66 Jugendrichter als Vollstreckungsleiter 66 Krisenintervention 51, 61 Maßregelvollzugseinrichtung 38 Nachtragsentscheidungen 5 f. Patientendaten 42 Psychiatrisches Krankenhaus 13, 20, 32 Reformüberlegungen 70 Sachverständigengutachten 20 f., 28, 40 Sachverständiger 23

– Auswahl 23, 43 ff. – Externer 23 – Mündliche Anhörung 33 Sicherungsverwahrung 10 ff. Unterbrechung 50 Verfahrensmängel 34 Verschwiegenheitspflicht 39 Verteidigerbestellung 26 f., 49, 63 ff. – Aufhebung 30 – Ende 29 – Rücknahme 30 – Unterlassene 35 Videokonferenz 52 Zeitpunkt 41 Zuständigkeit 55 ff., 64, 67

I. Sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Strafvollstreckung (Absatz 1) 1. Allgemeine Bedeutung. Die §§ 453c,6 456a, 456c, 458 Abs. 2, 3 i. V. m. § 456c 1 Abs. 2 enthalten Vorschriften, die sich unmittelbar auf die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung i. S. des § 61 StGB beziehen.7 Soweit solche unmittelbar 6 Vgl. Erl. Zu § 453c, 2. 7 Bringewat 1; a. A. OLG Hamburg NJW 1976 1327, 2310; Meyer-Goßner/Schmitt 2.

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geltenden Vorschriften nicht bestehen, sind nach § 463 Abs. 1 die für die Strafvollstreckung geltenden Vorschriften sinngemäß auch auf die Maßregelvollstreckung anwendbar, „soweit nichts anderes bestimmt ist“. Die Absätze 2 bis 8 enthalten Regelungen, die den Umfang der sinngemäßen Anwendung verdeutlichen oder Abweichungen davon vorschreiben. Abweichende Bestimmungen ergeben sich aber auch aus dem materiellen Recht. So kann das Gericht mit einer Ablehnung der Aussetzung des Strafrestes die Festsetzung einer Frist verbinden, vor deren Ablauf ein Aussetzungsantrag des Verurteilten unzulässig ist. Die Höchstdauer einer solchen Frist beträgt bei zeitigen Freiheitsstrafen sechs Monate (§ 57 Abs. 7 StGB), bei lebenslangen Freiheitsstrafen zwei Jahre (§ 57a Abs. 4 StGB). Bei der Unterbringung schwanken die entsprechenden Sperrfristen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren (§ 67e Abs. 2, 3 Satz 2 StGB). Der Fristbeginn ist aber in allen Fällen der gleiche (§ 454, 97).8 2

2. Sinngemäß anwendbare Vorschriften. Die sinngemäße Anwendung der für die Strafvollstreckung geltenden Vorschriften bedeutet z. B., dass eine strafgerichtliche Entscheidung, die Maßregeln der Besserung und Sicherung i. S. des § 61 StGB anordnet, nicht vor Eintritt der Rechtskraft vollstreckbar ist (§ 449); dass bei den freiheitsentziehenden Maßregeln, wenn die Dauer der Freiheitsentziehung der Zeit nach feststeht (§ 67d StGB), die Untersuchungs- oder Auslieferungshaft (§§ 450, 450a) auf die Zeit der Freiheitsentziehung angerechnet wird, wenn eine Anrechnung auf eine Freiheitsstrafe nicht in Betracht kommt; dass die Vollstreckung der nach § 4 StVollstrO zuständigen Vollstreckungsbehörde obliegt, und dass eine urkundliche Grundlage der Vollstreckung nach § 451 vorhanden sein muss;9 dass sich, wenn das Gericht die Aussetzung der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel (§ 67d Abs. 2 Satz 1 StGB) mindestens drei Monate vor dem Entlassungszeitpunkt beschließt (§ 454a),10 die Bewährungszeit um die Zeit von der Rechtskraft dieser Entscheidung bis zur Entlassung des Untergebrachten verlängert; dass, wenn in zwei Verfahren jeweils eine Maßregel nach § 63 StGB gegen denselben Untergebrachten verhängt worden ist, in beiden Verfahren gleichzeitig über die Unterbringungsfortdauer entschieden werden muss (§ 454b Abs. 4);11 dass bei den freiheitsentziehenden Maßregeln Aufschub und Unterbrechung nach § 455 stattfinden – jedoch ist § 455 Abs. 1 unanwendbar bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 463 Abs. 5 Satz 1) –; dass bei allen Maßregeln Aufschub nach § 456 gewährt werden kann außer bei der Sicherungsverwahrung (§ 463 Abs. 5 Satz 3) und beim Berufsverbot, für das die Sonderregelung in § 456c Abs. 2 gilt; dass der Antritt einer freiheitsentziehenden Maßregel nach § 457 erzwungen werden kann; dass bei Zweifeln und Einwendungen nach § 458 entschieden wird; dass bei zeitlich begrenzten freiheitsentziehenden Maßregeln ein Krankenhausaufenthalt nach § 461 anzurechnen ist (§ 461, 17); dass die Unterbrechung der Vollstreckung wegen Krankheit in entsprechender Weise wie beim Vollzug einer Strafe möglich ist (§ 461, 17), und dass die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer sich nach § 462a bemisst (s. Absatz 7).12 Zu den sinngemäß anwendbaren Vorschriften über die Strafvollstreckung gehören auch bei freiheitsentziehenden Maßregeln die Vorschriften über Vollstreckungshilfe (§ 451, 24). Die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtzuges für den Erlass eines Europäischen Haftbefehls

8 9 10 11 12

OLG Stuttgart NStZ 1985 332; OLG Hamm MDR 1989 1120; OLG Karlsruhe NStZ 1992 456; KK/Appl 1. OLG Hamm Rpfleger 1980 325; Meyer-Goßner/Schmitt 2. Meyer-Goßner/Schmitt 2. OLG Hamm Beschl. v. 20.7.2017 – III-3 Ws 226/17. OLG Düsseldorf JR 2003 83.

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zur Auslieferung zum Zwecke der Maßregelvollstreckung ergibt sich aus Absatz 1 i. V. m. § 457 Abs. 3 Satz 1, § 131 Abs. 1 i. V. m. § 77 Abs. 1 IRG.13 3. Ergänzende Regelungen in der Strafvollstreckungsordnung. Die Vorschriften 3 über die Vollstreckung freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung werden ergänzt durch die §§ 44, 44a, 44b, 53 und 54 StVollstrO. 4. Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Über die 4 Reihenfolge der Vollstreckung von Freiheitsstrafe und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung aus verschiedenen Strafurteilen entscheidet die Staatsanwaltschaft (§ 44b Abs. 2 Satz 1 StVollstrO) als Vollstreckungsbehörde (§ 451).14 § 67 Abs. 1 bis 3 StGB, der ausnahmsweise eine gerichtliche Zuständigkeit für die Fälle begründet, in denen Freiheitsstrafe und freiheitsentziehende Maßregel aus einem Urteil zu vollstrecken sind, erlaubt nach seinem eindeutigen Wortlaut keine entsprechende Anwendung. Für das anschließende gerichtliche Verfahren gelten alsdann §§ 23 ff. EGGVG.15

II. Nachtragsentscheidungen während der Führungsaufsicht (Absatz 2) Nach Absatz 2 gilt § 453 auch für die nach §§ 68a bis 68d StGB zu treffenden nach- 5 träglichen Entscheidungen, wenn das Gericht Führungsaufsicht angeordnet hat oder diese kraft Gesetzes eingetreten ist (§ 68 StGB). Bei Absatz 2 handelt es sich um eine reine Rechtsfolgenverweisung.16 Diese Verweisung auf die das Verfahren und die Anfechtbarkeit der Entscheidungen regelnden Vorschriften ist erfolgt, da die Gründe, aus denen in § 453 das Rechtsmittelrecht eigenständig geregelt worden ist, auch hier gelten.17 Danach ist z. B. die Bestellung eines Bewährungshelfers (§ 68a StGB) oder die Erteilung von Weisungen (§ 68b StGB) mit der einfachen Beschwerde unter den in § 453 Abs. 2 Satz 2 bezeichneten einschränkenden Voraussetzungen statthaft.18 Wegen Anwendbarkeit des § 454 bei Entscheidungen betr. Führungsaufsicht s. Rn. 14 f.; zu Aufgaben der Vollstreckungsbehörden im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht vgl. § 54a StVollstrO.

III. Nachtragsentscheidungen nach Absatz 3 1. Zweck der Regelung. Absatz 3 regelt im Einzelnen, hinsichtlich welcher nach- 6 träglichen Entscheidungen die Regelungen in § 454 Abs. 1, 3 und 4 bei der Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung gelten und inwieweit besondere verfah13 OLG Zweibrücken NJW 2019 2869. 14 OLG Nürnberg MDR 1978 72; OLG Hamm MDR 1979 957; NStZ 1988 430; OLG Stuttgart MDR 1980 778; OLG Celle NStZ 1983 383; StV 2018 350 Ls.; OLG Düsseldorf NStZ 1983 383; MDR 1991 1193; OLG München NStZ 1988 93 mit Anm. Chlosta (a. A. noch MDR 1980 686: zuständig ist das Gericht); OLG Schleswig SchlHA 2004 272 Ls.; Brandstätter MDR 1978 453; Müller-Dietz NJW 1980 2789; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 13; Bringewat 3; a. A. OLG Köln MDR 1980 511. 15 OLG Celle StV 2018 350 Ls. 16 KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 5. 17 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 123 Entw. EGStGB, S. 314; s. auch § 453, 35 ff., 42 ff. 18 OLG Nürnberg RuP 2013 179 Ls.; OLG Rostock OLGSt StGB § 145a Nr 1; OLG Nürnberg NStZ 2015 167; OLG Dresden NStZ-RR 2015 208 (Einlegung der Beschwerde durch die Staatsanwaltschaft bei Nichtanordnung); OLG Saarbrücken StV 2017 719 Ls.

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rensrechtliche Regelungen bestehen. Das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.199819 hat die bis dahin bestehende Beschränkung der Dauer der ersten Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre aufgehoben, weil es mit den Sicherheitsinteressen der Bevölkerung als nicht mehr in Einklang zu bringen angesehen wurde, einen Straftäter zwingend nach Ablauf von zehn Jahren aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen, wenn seine hochgradige Gefährlichkeit fortbesteht. Das Gesetz sieht nunmehr in Absatz 3 eine gesonderte Überprüfung vor. Zur Durchführung dieser Überprüfung ist das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen und dieser mündlich zu hören (Absatz 3 Satz 4, § 454 Abs. 2 Satz 3). Ferner ist dem Verurteilten rechtzeitig vor der Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB und soweit die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt wird, für die Verfahren (§ 67d Abs. 2 und 3 StGB) auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden Entscheidungen (Absatz 8), ein Verteidiger zu bestellen (Absatz 3 Satz 5).20 Bestehen Zweifel, ob die untergebrachte Person in ausreichendem Umfang der deutschen Sprache mächtig ist, so ist die Hinzuziehung eines Dolmetschers zur umfassenden Gewährleistung des rechtlichen Gehörs geboten.21 2. Anwendungsbereich 7

a) Allgemeines. Nach Absatz 3 Satz 1 gilt § 454 Abs. 1, 3 und 4 auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3 und den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 StGB zu treffenden Entscheidungen. § 454 Abs. 2 findet nunmehr bei der Entscheidung über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung in den Fällen des § 67d Abs. 2 und 3 sowie des § 72 Abs. 3 StGB unabhängig von den dort genannten Straftaten und bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 auch unabhängig davon entsprechende Anwendung, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt (Absatz 3 Satz 3 1. Hs.). Im Übrigen, also bei der Vollstreckung anderer freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung, findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten (§ 66 Abs. 3 Satz 1 StGB) Anwendung (Absatz 3 Satz 3 2. Hs.).

8

b) Aussetzung der Vollstreckung der freiheitsentziehenden Maßregel nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB. Für die zu treffenden Entscheidungen nach § 67c Abs. 1 StGB gilt § 454 Abs. 1, 3 und 4 (Absatz 3 Satz 1). Nach Absatz 3 Satz 3 findet § 454 Abs. 2 bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB bei der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung unabhängig von den dort genannten Straftaten und auch unabhängig davon entsprechende Anwendung, ob das Gericht eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung erwägt. Mithin ist im Verfahren über die Entscheidung, ob die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt wird, stets ein Sachverständigengutachten einzuholen. 9 Nach Absatz 3 Satz 3 ist das Gericht in Fällen des § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB durch den Verweis auf § 454 Abs. 2 verpflichtet, wenn eine Freiheitsstrafe vor einer zugleich angeordneten Unterbringung vollzogen worden ist, vor dem Ende des Vollzugs der Freiheitsstrafe zu prüfen, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert (§ 67c Abs. 1 Satz 1 StGB). Die Einholung des Sachverständigengutachtens dient auch hier der Klärung der Prognose. Sofern der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht

19 BGBl. I S. 160. 20 Vgl. BTDrucks. 13 8989 S. 3, 8; BTDrucks. 13 9062 S. 6, 15. 21 KG Beschl. vom 24.3.2020 mit Anm. Böhm FD-StrafR 2020 429827.

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mehr erfordert, setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus (§ 67c Abs. 1 Satz 1 1. Hs. StGB). c) Aussetzung der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 2 10 Satz 1 StGB. Das Gericht setzt die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Für dieses Verfahren nach § 67d Abs. 2 StGB findet nach Absatz 3 Satz 3 1. Hs. die Vorschrift des § 454 Abs. 2 unabhängig von den dort genannten Straftaten entsprechende Anwendung. Es kommt mithin nicht darauf an, welche Straftatbestände der Anordnung der Sicherungsverwahrung zugrunde liegen. Vielmehr ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach Absatz 3 Satz 3 1. Hs., § 454 Abs. 2 Satz 1 obligatorisch, wenn das Gericht eine Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 2 StGB erwägt, und zwar nicht erst bei einer Entscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB und Folgeentscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB, sondern bei jeder nach § 67d Abs. 2 StGB zu treffenden Entscheidung. d) Entscheidungen nach § 67d Abs. 3 StGB und Folgeentscheidungen nach 11 § 67d Abs. 2 StGB bei Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. § 67d Abs. 3 StGB sieht eine gesonderte Überprüfung nach einer Vollzugsdauer von zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung vor und regelt die Voraussetzungen, unter denen das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt erklären kann. Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden (§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB), so hat das Gericht eine von den allgemeinen Prüffristen des § 67e StGB unabhängige, gesonderte Überprüfung vorzunehmen und muss sich rechtzeitig vor Ablauf der Zehn-Jahres-Frist mit der Sache zu befassen.22 Das Verfahren für diese Entscheidung regelt Absatz 3 Satz 3 1. Hs. bis Satz 5. Für Folgeentscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB bei der Vollstreckung der Unter- 12 bringung der Sicherungsverwahrung findet § 454 Abs. 2 unabhängig von den dort genannten Straftaten ebenfalls entsprechende Anwendung (Absatz 3 Satz 3). Der Gesetzgeber hat es insoweit bei der durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualstraftaten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.1.199823 aus Gründen der Sicherheit für die Allgemeinheit belassen.24 Um eine Folgeentscheidung handelt es sich, wenn das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehn Jahren Vollzugsdauer nicht nach § 67d Abs. 3 StGB für erledigt erklärt, zu einem späteren Zeitpunkt entweder aufgrund eines Antrags des Verurteilten oder aufgrund neu eingetretener Umstände von Amts wegen prüft, ob nunmehr die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 2 StGB vorliegen. Das Verfahren für die insoweit zu treffende Entscheidung regelt ebenfalls Absatz 3 Satz 3 bis 5. e) Sonstige Fälle der Aussetzung der Vollstreckung einer freiheitsentziehen- 13 den Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB. In sonstigen Fällen der Aussetzung der Vollstreckung einer freiheitsentziehenden Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB findet § 454 Abs. 2 entsprechende Anwendung.25 Erwägt das Gericht, die Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) oder in einem psychiatrischen Krankenhaus 22 23 24 25

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OLG Hamm StV 2020 42 Ls. BGBl. I S. 160. BRDrucks. 400/05, S. 32. KG RuP 2016 72; OLG Nürnberg RuP 2016 137.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

(§ 63 StGB) nach § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung auszusetzen, so bedarf es allerdings nur bei einer Anlasstat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art der Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn das Gericht eine Aussetzung der Maßregel erwägt und nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Untergebrachten entgegenstehen. f) Entscheidungen nach §§ 68e, 68f Abs. 2 StGB. § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für Entscheidungen über die Beendigungen und das Ruhen der Führungsaufsicht (§ 68e StGB) sowie die Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes (§ 68f StGB).26 Nach Absatz 3 Satz 2 bedarf es in den Fällen des § 68e StGB allerdings keiner mündlichen Anhörung des Verurteilten. Dass dem Verurteilten aber Gelegenheit zum rechtlichen Gehör im schriftlichen Verfahren zu geben ist, versteht sich von selbst. Auch wenn er durch die Aufhebung der Führungsaufsicht nicht beschwert ist, so kann er doch unter Umständen ein Interesse an deren Fortdauer haben und gegenüber dem Gericht Gründe vorbringen, die ein Überdenken der Sozialprognose erforderlich machen. Die Justizvollzugsanstalt muss vor einer Entscheidung nach § 68e Abs. 2 StGB nicht gehört werden, denn sie kann keine aktuellen prognoserelevanten Tatsachen mehr beisteuern. Die Anhörung des Bewährungshelfers und der Aufsichtsstelle (§ 68a StGB) ist zwar gesetzlich nicht geregelt.27 Das Gericht ist aber im Rahmen seiner Pflicht zur umfassenden Aufklärung aller prognoserelevanten Tatsachen verpflichtet, deren Stellungnahmen vor einer Entscheidung nach § 68e Abs. 2 StGB einzuholen. Die Pflicht zur Anhörung der Staatsanwaltschaft ergibt sich aus Absatz 3 Satz 1 i. V. m. § 454 Abs. 1 Satz 2. 15 Bei Nachtragsentscheidungen betreffend die Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes (§ 68f StGB) nach vollständiger Vollstreckung bedarf es stets der mündlichen Anhörung des Verurteilten,28 sofern dieser für das Gericht erreichbar ist. Bei Unerreichbarkeit verwirkt der Verurteilte das Recht.29 Einer mündlichen Anhörung bedarf es auch nicht im Falle einer ausdrücklichen Ablehnung durch den Verurteilten.30

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g) Fälle des § 72 Abs. 3 StGB. Absatz 3 Satz 3 1. Hs. verpflichtet das Gericht durch den Verweis auf § 454 Abs. 2, zur Vorbereitung der nach § 72 Abs. 3 StGB erforderlich werdenden Entscheidungen das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Das Gericht ist daher gehalten, zur Vorbereitung der Entscheidung über die Reihenfolge mehrerer angeordneter Maßregeln (§ 72 Abs. 3 Satz 1 StGB) ein Sachverständigengutachten einzuholen, soweit auch über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist. Ferner holt das Gericht ein Gutachten vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel zur Vorbereitung der Entscheidung ein, ob der Zweck der Unterbringung den Vollzug der nächsten Maßregel noch erfordert (§ 72 Abs. 3 Satz 2 StGB). Des Weiteren muss das Gericht ein Gutachten einholen zur Prüfung, ob, wenn bei Anordnung mehrerer freiheitsentziehender Maßregeln nach § 72 Abs. 3 Satz 3, § 67c Abs. 2 Satz 4 StGB der Zweck einer (noch nicht vollzogenen) Maßregel noch nicht erreicht ist, besondere Umstände gleichwohl die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch durch die Aussetzung erreicht werden kann. Schließlich ist das Gericht bei Anordnung mehrerer frei26 Vgl. Erl. zu den einzelnen Voraussetzungen bei LK/Schneider § 68e; OLG Karlsruhe RuP 2017 116 Ls. 27 KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Fischer § 68e, 12; Bringewat 8. 28 OLG Koblenz NStZ 1984 189; OLG Celle NStZ 1986 238; OLG Düsseldorf MDR 1986 255; OLG Zweibrücken MDR 1992 1166; a. A. OLG Saarbrücken MDR 1983 598. 29 OLG Köln NJW 1963 875; OLG Hamm MDR 1988 74; OLG Zweibrücken MDR 1992 1166; KK/Appl 4; Fischer § 68f, 10. 30 OLG Karlsruhe Justiz 1999 24; vgl. Erl. zu § 454, 48 ff.

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heitsentziehender Maßregeln vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel verpflichtet zu prüfen, ob der Zweck der an sich noch zu vollziehenden Maßregel erreicht ist (§ 72 Abs. 3 Satz 3, § 67c Abs. 2 Satz 5 StGB) und erklärt ggf. die Maßregel für erledigt. Zur Vorbereitung dieser Entscheidungen ist das Gericht verpflichtet, durch den Verweis in Absatz 3 Satz 3 auf § 454 Abs. 2 ein Sachverständigengutachten einzuholen. Bei der Vollstreckung der Unterbringung nach § 63 StGB und § 64 StGB ist die Einholung des Sachverständigengutachtens nur bei Vorliegen einer Anlasstat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art erforderlich. Es reicht aus, dass eine solche Anlasstat einer Anordnung der Unterbringung zugrunde liegt. 3. Einholung eines Sachverständigengutachtens (Absatz 3 Satz 3 und 4) a) Pflicht. Im Gegensatz zu der früheren gesetzlichen Regelung ist das Gericht nun- 17 mehr nach Absatz 3 Satz 3 i. V. m. § 454 Abs. 2 Satz 1 und 2 stets verpflichtet, zur Vorbereitung seiner Entscheidung nach § 67d Abs. 2 und 3 StGB, § 67c Abs. 1 StGB und § 72 Abs. 3 StGB das Gutachten eines Sachverständigen zu der Frage einzuholen, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Es kommt also für die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht mehr darauf an, ob das Gericht eine Aussetzung der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 2 und 3 StGB, § 72 Abs. 3 StGB erwägt. Es ist nach Absatz 3 Satz 3 auch unbeachtlich, welche Straftaten der Anordnung der Sicherungsverwahrung zugrunde liegen („unabhängig von den dort [§ 454 Abs. 2] genannten Straftaten“). Mit der Pflicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Bedeutung der Entscheidung über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung für das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten Rechnung getragen werden.31 Darüber hinaus will der Gesetzgeber dadurch aber auch sicherstellen, dass die Entscheidung des Gerichts nicht schematisch zur Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung führt32 und meint, damit die vom BVerfG eingeforderte Umsetzung des ultima-ratio-Prinzips33 bei der Anordnung der Fortdauer der Unterbringung zu unterstützen.34 Die in der öffentlichen Anhörung des BTRAussch. am 27.6.2012 gehörten Sachverständigen haben, soweit sie sich überhaupt zu den vorgesehenen strafprozessualen Regelungen geäußert haben, letztere nahezu einhellig begrüßt.35 Ob die obligatorische Einholung eines Sachverständigengutachtens in den Fäl- 18 len von § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 67d Abs. 2 und 3 sowie § 72 Abs. 3 StGB in der Vollstreckungspraxis dazu führen wird, dass die gerichtliche Entscheidung künftig nicht mehr bloßer „Durchlaufposten“ in Richtung Vollstreckung sein wird,36 darf bezweifelt werden. Zwar bietet die Pflicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Prognose des Verurteilten einerseits die Chance, dessen Entwicklung in der Sicherungsverwah-

31 Entwurf eines Gesetzes zur bundeseinheitlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung BTDrucks. 17 9874 S. 39. 32 BTDrucks. 17 9874 S. 39. 33 BVerfGE 128 326, 379. 34 Entwurf eines Gesetzes zur bundeseinheitlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung BTDrucks. 17 9874 S. 39. 35 Vgl. Stellungnahme der Sachverständigen Peglau S. 7 („Gegen die Änderungen ist nichts einzuwenden.“); Radtke S. 15 („Änderung- oder Ergänzungsbedarf besteht … nicht.“); differenziert demgegenüber die gemeinsame Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen und des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins S. 12. 36 BTDrucks. 17 9874 S. 39.

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rung über einen langen Zeitraum sachverständig zu begleiten und eine Prognose im Einzelfall abzusichern. Andererseits kann die obligatorische Einholung eines Sachverständigengutachtens aber auch zu einer Manifestation einer Negativprognose führen. Ob die hohen inhaltlichen Anforderungen an ein Sachverständigengutachten angesichts ansteigender Begutachtungen eingehalten werden können, erscheint zweifelhaft. Schon nach dem früheren Recht hat sich die Auswahl des Sachverständigen für das Gericht nicht selten schwierig gestaltet. Es ist daher eher zu befürchten, dass sich diese Situation angesichts der Anzahl der Sicherungsverwahrten weiter verschärfen wird. Künftiger Evaluation wird es vorbehalten bleiben, ob die Pflicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens in den Fällen des Absatzes 3 Satz 3 zu einer Reduzierung der inhaltlichen Anforderungen an ein solches Gutachten führen wird. 19 Die Pflicht zur Einholung eines Sachverständigengutachtens bezieht sich nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von Absatz 3 Satz 3 1. Hs. sowie dem Willen des Gesetzgebers37 nicht auf diejenigen Tatsachen, die Grundlage für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB sind. Das Gericht hat hier nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob es für die Beurteilung des Betreuungsangebots in dem letzten, noch zu kontrollierenden Vollzugszeitraum und für die erforderliche Gesamtbetrachtung der Betreuung während des Vollzugs zur Frage ausreichender Betreuung unter Berücksichtigung der vollzugsbegleitend ergangenen bindenden Entscheidung einer Erweiterung des Gutachtensauftrags bedarf.38 Soweit das Gericht eine solche zulässige und auch gebotene Erweiterung des Gutachtenauftrags nicht in Betracht gezogen hat, wird es sich in der zu treffenden Entscheidung hierzu im Einzelnen unter Darlegung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach § 34 zu verhalten haben, um dem Beschwerdegericht eine rechtliche Nachprüfung der Verhältnismäßigkeit der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu ermöglichen. 20 Bei Entscheidungen über die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) stellt Absatz 3 Satz 3 2. Hs. hingegen klar, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur bei Vorliegen einer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Straftaten obligatorisch ist, nicht aber bei sonstigen Straftaten. Im Übrigen ist es dem Gericht nicht verwehrt, zur Absicherung der Kriminalprognose auch in Fällen, in denen keine Anlasstat nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB vorliegt, vor einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB über die Aussetzung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus oder in der Entziehungsanstalt ein Sachverständigengutachten einzuholen, wenn es dies zur Sachaufklärung für geboten hält.39 Die Einholung des Gutachtens dient regelmäßig der Klärung der dem Verurteilten zu stellenden Kriminalprognose nach längerer Vollzugsdauer im Maßregelvollzug und soll insbesondere möglichst verhindern, dass eine Entlassung erfolgt, der Gründe der öffentlichen Sicherheit entgegenstehen. 21 Durch die entsprechende Anwendung des § 454 Abs. 2 ist klargestellt, dass die Einholung des Sachverständigengutachtens weiter voraussetzt, dass nicht auszuschließen ist, dass Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung entgegenstehen. Bei dieser verfahrensrechtlichen Prüfung kommt es darauf an, dass (nicht: ob) Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung entgegenstehen. Das Gericht darf hier keine vorweggenommene Prognoseentscheidung nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 oder § 72 Abs. 3 StGB treffen. Es kommt vielmehr auf die Gefährlichkeit, die sich 37 BTDrucks. 17 9874 S. 39. 38 BTDrucks. 17 9874 S. 39. 39 KK/Appl 4.

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insbesondere aus der begangenen rechtswidrigen Tat ergibt, und das bisherige Vollzugsverhalten an. Die Voraussetzungen, unter denen das Gericht bei den vorgenannten Entscheidungen von der Einholung eines Gutachtens absehen kann, sind damit enger als die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollstreckung oder die Erledigung der Maßregel. Das Gericht hat daher bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. b) Zeitpunkt. Einen Zeitpunkt für die Einholung des Sachverständigengutach- 22 tens (Satz 4) gibt das Gesetz nicht an. Es kommt daher entscheidend darauf an, welchen Zeitraum der Sachverständige für die Erstattung seines Gutachtens voraussichtlich benötigen wird. Wegen des auch im Verfahren nach § 67d Abs. 3 StGB sowie bei nachfolgenden Entscheidungen geltenden Beschleunigungsgebots ist das Gericht verpflichtet, das Gutachten rechtzeitig in Auftrag zu geben. Der konkrete zeitliche Vorlauf, mit dem das Gericht den Sachverständigen beauftragen sollte, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Art, Umfang und Schwierigkeit der von dem Sachverständigen auszuwertenden Akten, die Persönlichkeit des zu untersuchenden Verurteilten sowie eine dem Gericht bekannte Belastungssituation des Sachverständigen sind zu berücksichtigen.40 Ggf. wird das Gericht zur Vermeidung von Verzögerungen im Zusammenhang mit der Gutachtenerstattung vor Beauftragung des Sachverständigen durch Nachfrage zu klären haben, ob dieser überhaupt in der Lage sein wird, das Gutachten in angemessener Zeit zu erstatten (vgl. Nr. 72 Abs. 1 RiStBV). Der Gutachtenauftrag hat sich unabhängig davon, welche freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollstreckt wird, inhaltlich am Wortlaut des Absatzes 3 Satz 4 zu orientieren. c) Auswahl des Sachverständigen. Die Auswahl des Sachverständigen obliegt 23 dem Gericht (§ 73 Abs. 1). Der Gesetzgeber hat bewusst hinsichtlich der nach Absatz 3 Satz 4 zu treffenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 3 StGB sowie der nachfolgenden Entscheidungen betreffend die Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 2 StGB von einer gesetzlichen Regelung zur Einschaltung eines externen Sachverständigen abgesehen,41 weil hierdurch nicht in jedem Fall die Prognosesicherheit erhöht werden könnte. Ob die Beauftragung eines externen Sachverständigen angezeigt erscheint, hat das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden umfassenden Sachaufklärungspflicht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen.42 Im Hinblick auf die Vollzugsdauer im vorangegangenen Strafvollzug und in der Sicherungsverwahrung wird zur Vorbereitung von Entscheidungen nach § 67d Abs. 3 StGB und der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB wegen der Tragweite für den Verurteilten und für die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit jedoch nur in besonders begründeten Ausnahmefällen von der Beauftragung eines externen Sachverständigen zur Klärung der Kriminalprognose abgesehen werden können.43 Die Beauftragung eines externen Sachverständigen gewährleistet, dass Letzterer nicht bereits aufgrund seines Umgangs mit dem Verurteilten während des Strafvollzugs voreingenommen ist. Bei langer Vollzugsdauer, die den Entscheidungen nach § 67d Abs. 3 StGB und den nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB stets vorausgeht, wird sich ein persönlicher Behandlungs- oder Betreuungskontakt von in der Vollzugsanstalt tätigen Psychiatern und Psychologen und dem Verurteilten nicht vermeiden lassen. Um die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungs40 41 42 43

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EGMR BeckRS 2017 161299 Rn. 70 ff. BTDrucks. 13 9062 S. 14. BVerfG Beschl. vom 6.8.2014 – 2 BvR 2632/13. OLG Karlsruhe StV 2018 365 Ls. = Beschl. vom 24.11.2017 – 2 Ws 333/17.

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verwahrung nach § 67d Abs. 3 StGB und der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB auf eine möglichst objektive Grundlage zu stellen, sollte nur ausnahmsweise in besonders gelagerten Einzelfällen, etwa bei fortgeschrittenem Alter des Verurteilten, ein interner Sachverständiger mit der Gutachtenerstattung beauftragt werden. Bei einer Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung kann es der Grundsatz der bestmöglichen Sachaufklärung gebieten, bei demjenigen Sachverständigen ein – ggf. ergänzendes – Gutachten einzuholen, bei dem der Untergebrachte zur Mitwirkung bereit ist.44 Die Kosten für das Sachverständigengutachten hat der Verurteilte zu tragen (§ 465 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 464a Abs. 1 Satz 2).45 d) Inhaltliche Anforderungen. Bei der Regelung in Absatz 3 Satz 4 handelt es sich nicht nur um eine bloße redaktionelle Änderung als Folge der Änderung in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB. Vielmehr werden dadurch die inhaltlichen Anforderungen an das einzuholende Sachverständigengutachten reduziert. Nach Absatz 3 Satz 4 muss sich das Sachverständigengutachten nicht mehr dazu verhalten, ob von dem Verurteilten aufgrund seines Hanges weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an ein Sachverständigengutachten ist zu unterscheiden, ob letzteres zur Vorbereitung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 2 StGB vor Ablauf von zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung, einer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB oder § 72 Abs. 3 StGB eingeholt wird. In den genannten Fällen findet infolge des Verweises in Absatz 3 Satz 3 auf § 454 Abs. 2 dessen Satz 2 entsprechende Anwendung. Danach hat sich das Gutachten namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Die inhaltlichen Anforderungen an das Sachverständigengutachten entsprechen damit denen des § 454 Abs. 2 Satz 2.46 25 Zur Vorbereitung einer Entscheidung nach § 67d Abs. 3 StGB sowie der nachfolgenden Entscheidungen im Rahmen der jährlichen bzw. nach dem Vollzug von zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung nach der neunmonatigen Überprüfungsfrist (§ 67e Abs. 2 StGB) hat das Gericht in jedem Fall das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Das Gutachten hat sich entgegen dem missverständlichen Wortlaut des Gesetzes nicht nur zu der Frage zu verhalten, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten, sondern auch dazu, welche rechtswidrigen Taten zu erwarten sind. Dies ergibt sich insbesondere aus dem insoweit eindeutigen Willen des Gesetzgebers.47 Dieser hat dadurch, dass er die inhaltlichen Anforderungen an das Sachverständigengutachten nach Absatz 3 Satz 4 zur Vorbereitung von Entscheidungen nach § 67d Abs. 3 StGB und der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB an den materiellen Voraussetzungen des § 67d Abs. 3 StGB weitgehend orientiert, klargestellt, dass in diesen Fällen besondere, über die inhaltlichen Anforderungen des § 454 Abs. 2 Satz 2 hinausgehende inhaltliche Anforderungen an das Sachverständigengutachten zu stellen sind.48 Der Sachverständige wird sich vor allem mit der kriminellen Biografie des Verurteilten, der von ihm begangenen erheblichen Straftaten, die zur Anordnung der Sicherungsverwahrung geführt haben, und hier namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt worden

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44 45 46 47 48

OLG Karlsruhe StraFo 2016 85. BGH NJW 2000 1128. Vgl. § 454, 58. BTDrucks. 13 9062 S. 15. BTDrucks. 13 9062 S. 10, 15.

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sind, verhalten und unter Heranziehung und Mitteilung der Ergebnisse früherer Begutachtungen und sonstiger verfügbarer Erkenntnisse im Einzelnen darlegen müssen, aufgrund welcher konkreten Tatsachen ein Hang des Verurteilten zu erheblichen Straftaten nach dem Vollzug der Sicherungsverwahrung jetzt nicht mehr besteht. Eine Zusammenstellung der Vorstrafen des Verurteilten mit Bericht über den Verlauf des Vollzuges unter Hervorhebung gewisser Verhaltensauffälligkeiten und erlittener Rückschläge mit weitgehend deskriptivem Charakter genügt den inhaltlichen Anforderungen an das Sachverständigengutachten nach Absatz 3 Satz 4 nicht.49 4. Pflicht zur Verteidigerbestellung vor einer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB (Absatz 3 Satz 5) a) Allgemeines. Im Vollstreckungsverfahren war nach dem früheren Recht lediglich 26 für Verfahren nach § 463 Abs. 3 Satz 5 sowie § 463 Abs. 4 Satz 5 die Bestellung eines Verteidigers ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben. Der Gesetzgeber hat nunmehr mit den durch Art. 3 Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5.12.201250 getroffenen Regelungen dem angesichts der Komplexität vollstreckungsrechtlicher Entscheidungen auch im Vollstreckungsverfahren geltenden Grundsatz des fairen Verfahrens zumindest hinsichtlich der Vollstreckung der Anordnung der Sicherungsverwahrung Rechnung getragen.51 b) Sachliche Zuständigkeit. Die Regelung sieht nunmehr vor, dass das Gericht dem 27 Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB einen Verteidiger bestellt, wenn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Die Verteidigerbestellung ist obligatorisch (… „bestellt das Gericht … einen Verteidiger“). Für die Bestellung gelten die § 141 Abs. 1 Satz 1, § 142 und § 143 entsprechend. Für die Bestellung des Verteidigers ist analog § 142 Abs. 3 Nr. 3 der Vorsitzende der Großen Strafvollstreckungskammer (§ 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG, § 463 Abs. 1, Abs. 3 Satz 3; § 454 Abs. 2, § 462a Abs. 1 Satz 1) zuständig. c) Zeitpunkt. Das Gericht ist verpflichtet, den Verteidiger rechtzeitig vor einer 28 Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB zu bestellen. Einen Zeitpunkt für die Bestellung sieht das Gesetz nicht vor. Sie hat zu erfolgen, sobald das Gericht in die Prüfung eintritt, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung noch erfordert (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) oder ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig wäre, weil dem Verurteilten bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ausreichende Betreuung i. S. d. § 66c Abs. 2 StGB i. V. m. § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht angeboten worden ist (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Da nach Absatz 3 Satz 3 i. V. m. § 454 Abs. 2 Satz 1 vor einer Entscheidung nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB stets ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, hat das Gericht den Verteidiger vor der Beauftragung des Sachverständigen zu bestellen. Der konkrete zeitliche Vorlauf, mit dem das Gericht den Verteidiger und alsdann den Sachverständigen bestellen sollte, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Die Verteidigerbestellung hat so frühzeitig wie möglich zu erfolgen, damit der Verteidiger noch zu der beabsichtigten Auswahl des Sachverständigen gegenüber dem Gericht Stellung nehmen 49 OLG Koblenz StV 1999 497. 50 BGBl. I S. 2425, 2427 f. 51 Graalmann-Scheerer StV 2011 696, 699.

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kann.52 Das Gericht wird daher in der Praxis spätestens drei Monate vor der Bestellung des Sachverständigen die Verteidigerbestellung anordnen müssen. Ein effektiver Rechtsschutz für den Verurteilten ist nämlich regelmäßig nur dann gewährleistet, wenn dessen Verteidiger vor der Beauftragung des Sachverständigen die in derartigen Fällen oft sehr umfangreichen Strafakten einsehen und mit dem Verurteilten das weitere Verfahren und die Verteidigungsstrategie besprechen konnte. 29

d) Ende der Bestellung. Die Verteidigerbestellung nach Absatz 3 Satz 5 bezieht sich nur auf die noch während der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zu treffende Entscheidung nach § 67c Abs. 1 StGB. Die Bestellung endet mit der formellen Rechtskraft des Beschlusses.53

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e) Rücknahme. Für die Rücknahme einer Verteidigerbestellung ist § 143 Abs. 2 entsprechend anwendbar.54 Insoweit finden die zur Aufhebung der Bestellung des Verteidigers im Erkenntnisverfahren analog § 143 entwickelten Rechtsgrundsätze entsprechende Anwendung.55 5. Verfahren nach Absatz 3

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a) Gelegenheit zur Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten. Infolge des Verweises in Absatz 3 Satz 3 auf § 454 Abs. 2 findet dessen Satz 3 entsprechende Anwendung in den Fällen des § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, und § 72 Abs. 3 StGB. Danach ist das Gericht verpflichtet, der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten, seinem Verteidiger und der Vollzugsanstalt bei der mündlichen Anhörung des Sachverständigen Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben.56 Eine vorangegangene mündliche Anhörung des Sachverständigen durch andere Richter genügt nicht der gesetzlichen Vorgabe.57 Im Falle einer plötzlichen Erkrankung des Verteidigers gebietet es der auch im Vollstreckungsverfahren geltende Grundsatz des fairen Verfahrens, den Termin zur mündlichen Anhörung des Sachverständigen zu verschieben. Die Gelegenheit zur Mitwirkung für die Maßregelvollzugseinrichtung zur bestmöglichen Sachaufklärung führt nicht dazu, dass diese Verfahrensbeteiligte und damit auch beschwerdeberechtigt ist.58

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b) Mündliche Anhörung des Sachverständigen. Die mündliche Anhörung des Sachverständigen ist nach Absatz 3 Satz 3 durch den Verweis auf § 454 Abs. 2 in den Fällen des § 67d Abs. 2 und 3, § 67c Abs. 1 und § 72 Abs. 3 StGB zwingend vorgeschrieben. Zur Frage des Verzichts nach § 454 Abs. 2 Satz 4 vgl. § 454, 63.

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c) Durchführung der mündlichen Anhörung des Sachverständigen. Die mündliche Anhörung des Sachverständigen ist obligatorisch, soweit der Verurteilte, sein Verteidi-

52 BTDrucks. 17 9874 S. 40; vgl. auch Nr. 70 Abs. 1 Satz 1 RiStBV zur Anhörung des Verteidigers zur Auswahl des Sachverständigen. 53 BTDrucks. 17 9874 S. 40. 54 LR/Jahn § 140, 17; 143, 14 ff. 55 Vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt § 143, 3 ff.; LR/Jahn § 143, 14 ff. 56 Vgl. hierzu im Einzelnen § 454, 64; OLG Frankfurt RuP 2011 44; OLG Jena Beschl. vom 8.12.2015 – 1 Ws 449/15; OLG Brandenburg Beschl. vom 19.12.2018 – 1 Ws 178/18; KG NStZ-RR 2015 323; OLG Hamm StV 2016 177. 57 KG StraFo 2014 36. 58 OLG Koblenz StraFo 2017 345.

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ger und die Staatsanwaltschaft darauf nicht verzichtet haben (Absatz 3 Satz 3 i. V. m. § 454 Abs. 2 Satz 3 und 4). Die Durchführung der mündlichen Anhörung des Sachverständigen ist nach § 463e nunmehr im Wege der Bild- und Tonübertragung (vgl. Erl. zu § 463e, 10) mit den Einschränkungen nach § 463e Abs. 2 i. V. m. § 463e Abs. 1 Satz 3 zulässig. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte, sein Verteidiger und die Maßregelvollzugseinrichtung haben durch den Verweis in Absatz 3 Satz 3 auf § 454 Abs. 2 Satz 3 Gelegenheit zur Mitwirkung bei der Anhörung des Sachverständigen. Diese Verfahrensbeteiligten sind damit zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, an der mündlichen Anhörung teilzunehmen. Insbesondere haben sie auf die Verlegung des anberaumten Anhörungstermins keinen Anspruch.59 Das Gericht kann aber stets von Amts wegen bei Verhinderung eines Verfahrensbeteiligten einen schon festgesetzten Anhörungstermin verlegen, wenn es aus Gründen der Sachaufklärung die Teilnahme eines bestimmten Verfahrensbeteiligten bei der mündlichen Anhörung des Sachverständigen für sinnvoll erachtet. d) Verfahrensmängel. Verfahrensmängel im Zusammenhang mit der Einholung 34 eines Sachverständigengutachtens können auf eine sofortige Beschwerde des Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft (Absatz 3 Satz 1 i. V. m. § 454 Abs. 3 Satz 1) zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer führen. Ein solcher Verfahrensmangel liegt vor, wenn das Gericht von der nach Absatz 3 Satz 3 1. Hs., der nach Absatz 3 Satz 3 2. Hs. i. V. m. § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder der nach Absatz 3 Satz 4 infolge des Verweises auf § 454 Abs. 2 zwingend vorgeschriebenen Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat.60 Ein Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung nötigt, ist ferner gegeben, wenn das Gericht nach § 67d Abs. 3 StGB sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 StGB dem Sachverständigen einen Gutachtenauftrag erteilt hat, der nicht den Erfordernissen von Absatz 3 Satz 4 genügt. Schließlich ist ein Verfahrensmangel immer dann gegeben, wenn das Gericht der ihm obliegenden umfassenden Aufklärungspflicht zur Vorbereitung von Entscheidungen nach Absatz 3 nicht nachgekommen ist, die Gelegenheit zur Mitwirkung an der mündlichen Anhörung des Sachverständigen den Beteiligungsberechtigten nicht gegeben hat61 oder den Sachverständigen nicht mündlich angehört hat.62 Zu Ermittlungen des Beschwerdegerichts vgl. § 454, 101. Eine unterlassene Verteidigerbestellung im Überprüfungsverfahren nach Ab- 35 satz 3 Satz 5 stellt stets einen Verfahrensmangel dar. Verfassungsrechtlich ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Übrigen jedenfalls dann regelmäßig geboten, wenn es nach den konkreten Umständen des Einzelfalls wegen der Besonderheiten und Schwierigkeiten im Diagnose- und Prognosebereich offensichtlich erscheint, dass der Untergebrachte sich infolge seiner Erkrankung nicht selbst verteidigen kann.63 Die Bestellung eines Verteidigers ist nach § 140 Abs. 2 im Maßregelvollstreckungsverfahren in Fällen des § 67d Abs. 2 StGB,64 des § 67c Abs. 1 StGB65 sowie wegen der Tragweite der Entscheidung für den Verurteilten auch in den Fällen des § 72 Abs. 3 StGB regelmäßig wegen des auch im Maßregelvollstreckungsverfahren geltenden Gebots des fairen Verfahrens 59 60 61 62 63 64 65

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BTDrucks. 14 8586 S. 14. OLG Brandenburg BeckRS 2020 4335. OLG Brandenburg Beschl. vom 19.12.2018 – 1 Ws 178/18; OLG Koblenz StV 2001 304. OLG Koblenz StV 2001 304; KG StraFo 2014 36. LR/Jahn § 140, 119 m. w. N. OLG Brandenburg NStZ-RR 1997 96 Ls.; OLG Braunschweig StV 2001 21. Meyer-Goßner/Schmitt § 140, 33a.

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geboten. Für das Verfahren nach Absatz 3 Satz 4 schreibt Absatz 3 Satz 5 die Verteidigerbestellung ausdrücklich vor. Eine unterlassene, aber gesetzlich vorgeschriebene (Absatz 3 Satz 5) oder rechtlich gebotene Verteidigerbestellung stellt einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar und führt regelmäßig zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer.66 In einem derartigen Fall kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitwirkung eines Verteidigers bei der mündlichen Anhörung des Sachverständigen zu einer anderen als der getroffenen Entscheidung geführt hätte.

IV. Begutachtung bei Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) nach § 67e StGB (Absatz 4) 36

1. Anwendungsbereich. Nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB kann das Gericht jederzeit prüfen, ob die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Nach § 67e Abs. 2 StGB hat das Gericht bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach jeweils einem Jahr vollzogener Unterbringung zu prüfen, ob deren weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e Abs. 1 Satz 1 StGB). Im Rahmen von Überprüfungen nach § 67e StGB soll das Gericht nach Absatz 4 Satz 2 nach jeweils drei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB), ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung ein externes Sachverständigengutachten (Absatz 4 Satz 3) einholen. Der Gesetzgeber ist mit der Einfügung von Absatz 3 durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.200767 Forderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung68 nachgekommen. Mit der durch Art. 2 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8.7.201669 hat der Gesetzgeber darüber hinaus den verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung70 und Begründungstiefe einer Überprüfungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer Rechnung tragen wollen. Denn wenn sich ein Untergebrachter seit langer Zeit in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet, ist es aus rechtsstaatlichen Gründen geboten, in regelmäßigen, nicht zu langen Zeitabständen einen klinikfremden Sachverständigen hinzuziehen, um der Gefahr sich wiederholender und formelhafter Routinebegutachtungen vorzubeugen und möglichst auszuschließen, dass Belange der Maßregelvollzugseinrichtung oder die Beziehung zwischen dem Untergebrachten und Therapeuten das Gutachten beeinflussen.71 Mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzugs steigen daher die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung sowie Begründungstiefe einer Überprü-

66 OLG Frankfurt NStZ-RR 2009 221; BVerfGE 109 133 ff. 67 BGBl. I S. 1327. 68 BVerfGE 70 297, 309, 311; BVerfG Beschl. v. 26.3.2009 – 2 BvR 2543/08; OLG Dresden StraFo 2005 391; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006 93; später auch OLG Oldenburg NStZ 2008 225; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2008 291; OLG Braunschweig StraFo 2009 40. 69 BGBl. I S. 1610. 70 BVerfG NJW 2014 3294. 71 BVerfGE 70 297, 307 ff.; BVerfG EuGRZ 2011 521; NJW 2013 3228 (Fall Mollath); NStZ 2013 166 m. w. N.; BTDrucks. 18 7244 S. 37; BVerfG NStZ-RR 2014 222.

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fungsentscheidung.72 Der Anwendungsbereich des Absatzes 4 ist auf die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung beschränkt. Allerdings gelten die insoweit entwickelten verfassungsrechtlichen Prinzipien auch für den Vollzug einer Sicherungsverwahrung.73 Dem steht nicht entgegen, dass es für den Bereich der Sicherungsverwahrung einfach-rechtlich an einer dem Absatz 4 Satz 2 entsprechenden gesetzlichen Regelung fehlt. Vielmehr folgen die Anforderungen an die Einholung von Sachverständigengutachten und die Bestimmung der Sachverständigen unmittelbar aus dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.74 Für die Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bedurfte es mit Blick auf die gesetzliche Höchstdauer von zwei Jahren keiner entsprechenden Regelung. Die gesetzliche Regelung nimmt damit Grundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts75 auf. Danach sind mit Blick auf das Freiheitsgrundrecht umso strengere Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung zu stellen, je länger die Unterbringung dauert. Zur Vorbeugung der Gefahr von Routinebeurteilungen ist es daher geboten, von Zeit zu Zeit externe Sachverständige hinzuziehen. Wenn sich eine untergebrachte Person schon seit fünf Jahren im psychiatrischen Krankenhaus befindet, ist sie dort in der Regel schon mehrfach – unter Umständen auch von verschiedenen Ärzten – begutachtet worden. In einem solchen Fall kann nach den Vorstellungen des Gesetzgebers erst die Zuziehung eines bisher mit ihr nicht befassten Sachverständigen die nötige kritische Distanz zu den bisherigen Gutachten schaffen und damit auch die Prognosesicherheit verbessern.76 Ob dies tatsächlich zu einer Erhöhung der Prognosesicherheit in der Praxis führt, könnte durchaus zweifelhaft sein. Auf jeden Fall wäre aber im Falle einer fehlgegangenen Prognose bei einem Rückfall die Legitimationsgrundlage breiter. 2. Dauer des Vollzugs der Unterbringung. Dauer des Vollzugs der Unterbringung. 37 Nach jeweils drei Jahren vollzogener Unterbringung soll das Gericht das Gutachten eines externen Sachverständigen einholen. Ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren soll das Gericht nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Diese Ausgestaltung der Fristen setzt nicht nur die Vorgaben des BVerfG um. Durch die Verkürzung der Überprüfungsintervalle soll zugleich eine Kongruenz mit der Einholung eines externen Sachverständigengutachtens nach § 67d Abs. 6 Satz 3 StGB gewährleistet werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Absatz 4 Satz 2 kommt es mithin für die Fristberechnung auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Aufnahme in den Maßregelvollzug an und nicht etwa auf den Vollzugsbeginn einer vorausgehenden Vollstreckung einer Freiheitsstrafe. Soweit verschiedene freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und Sicherung nacheinander vollstreckt werden, ist für die Fristberechnung alleine die Vollzugsdauer im psychiatrischen Krankenhaus maßgebend.77 Bei einem Krankenhausaufenthalt nach § 461 läuft die Frist weiter, nicht jedoch bei einer Unterbrechung der Maßregelvollstreckung, denn dann wird die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus gerade nicht vollzogen.

72 73 74 75 76 77

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BVerfG NStZ-RR 2014 222. BVerfG NStZ-RR 2020 387, 388. BVerfG NStZ-RR 2020 387, 388. BVerfGE 70 297, 310 f.; später auch BVerfG Beschl. v. 26.3.2009 – 2 BvR 2543/08. BRDrucks. 400/05 S. 33. OLG Stuttgart Justiz 2018 497.

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3. Gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung (Satz 1). Nach Absatz 4 Satz 1 ist im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67e StGB eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist.78 Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung und dem Willen des Gesetzgebers79 ist die Einholung obligatorisch. Es entsprach auch schon vor der gesetzlichen Neuregelung durch Art. 2 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften80 ständiger Praxis. Absatz 4 Satz 1 trifft keine Regelung darüber, wer (Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde oder Strafvollstreckungskammer) die gutachterliche Stellungnahme einholt. Nach § 53 Abs. 2, § 36 Abs. 2 StVollstrO ist es Aufgabe der Vollstreckungsbehörde, darüber zu wachen, dass sich die Maßregelvollzugseinrichtung rechtzeitig ihr gegenüber äußert. Einer gutachterlichen Stellungnahme bedarf es bei jeder Prüfung nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB. Die Pflicht zur Einholung der gutachterlichen Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung soll den Staatsanwaltschaften und den Gerichten die hohen Anforderungen an Qualität und Belastbarkeit der Stellungnahmen verdeutlichen.81 Die inhaltlichen Anforderungen sind hoch. Ein bloßer Arztbrief genügt nicht.82 Vielmehr muss eine gutachterliche Stellungnahme Ausführungen dazu enthalten, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist, wie hoch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist und inwieweit im Falle einer Aussetzung der Maßregel zur Bewährung im Rahmen der Führungsaufsicht Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe (§§ 68a, 68b StGB) als weniger einschneidende Maßnahmen ausreichen können, um den Zweck der Maßregel zu erreichen.83 Die Stellungnahme hat sich zu der voraussichtlichen Rückfallfrequenz zu verhalten. Ferner muss sie sich dazu äußern, welche Behandlungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, wie sich der aktuelle Behandlungsverlauf gestaltet, welche (weiteren) Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten in Betracht gezogen werden sollten, welche Vollzugslockerungen gewährt worden sind und ob sie erfolgreich waren, welche Lockerungen beabsichtigt sind sowie welche Alternativen zu der aktuellen Behandlungs- und Unterbringungsform in Betracht gezogen werden können. Schließlich wird sich die gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung zu einem Zeitplan für eine etwaige Entlassungsvorbereitung äußern müssen.84 Wenn auch die inhaltlichen Anforderungen an die Stellungnahme hoch sind, so dürfen sie aber nicht überspannt werden. An die gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an ein Sachverständigengutachten.85 Die ärztliche Verschwiegenheitspflicht ist grundsätzlich zu beachten.86 Erkennt39 nisse zum Behandlungsverlauf dürfen aber offenbart werden, soweit das Gericht diese

78 79 80 81 82

KG NStZ-RR 2017 8 ff. BTDrucks. 18 7244 S. 36. BGBl. I (2016) S. 1610. BTDrucks. 18 7244 S. 36. BTDrucks. 18 7244 S. 36; KG NStZ-RR 2017 290; Glauch StraFo 2016 407, 409; Geyer/Haussmann/ Steinböck/Tilmann NStZ 2017 185. 83 BVerfG Beschl. vom 17.2.2014 – 2 BvR 1795/12; BTDrucks. 18 7244 S. 36; KG NStZ-RR 2017 290 ff.; OLG Hamburg NStZ-RR 2021 93 mit Anm. Kienzerle FD-StrafR 2020 433642. 84 BTDrucks. 18 7244 S. 36; KG NStZ-RR 2017 290 ff. 85 BTDrucks. 18 7244 S. 36; KG NStZ-RR 2017 290 ff. 86 BVerfG StV 2008 309.

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benötigt, um eine eigenverantwortliche prognostische Beurteilung bei der Fortdauerentscheidung treffen zu können.87 Hierfür reichen in der Regel die Angaben aus dem Behandlungs- und Eingliederungsplan.88 Informationen aus der unmittelbaren Vertrauensbeziehung sind in aller Regel nicht erforderlich.89 Je nach Lage des Einzelfalles kann es die Sachaufklärung gebieten, im Falle einer Verlegung des Untergebrachten während des Überprüfungszeitraums in eine andere Maßregelvollzugseinrichtung auch von dieser eine gutachterliche Stellungnahme einzuholen.90 4. Einholung eines Sachverständigengutachtens a) Pflicht. Nach der Sollvorschrift des Absatzes 4 Satz 2 soll das Gericht nach jeweils 40 drei Jahren, ab einer Unterbringungsdauer von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Satz 2 konkretisiert damit das verfassungsrechtliche Gebot an die gerichtliche Aufklärungspflicht.91 Eine Überschreitung der Überprüfungsfrist kann den Untergebrachten in seinem Freiheitsgrundrecht verletzen.92 Wie schon bisher93 ist es der Strafvollstreckungskammer jedoch nicht verwehrt, sofern es nach Lage des Einzelfalles unter Aufklärungsgesichtspunkten erforderlich erscheint, auch schon vor Erreichen der Drei- bzw. Zweijahresfrist das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Umgekehrt darf wie schon bisher aber nur in sehr eng begrenzten Ausnahmefällen von der Sollvorschrift abgewichen werden.94 Die Einholung eines externen Sachverständigengutachtens nach Absatz 4 Satz 3 ist regelmäßig auch dann nicht verzichtbar, wenn der Untergebrachte seine Mitwirkung an der Erstellung verweigert.95 In einem solchen Fall erhöhen sich die Anforderungen an die Begründungstiefe der gerichtlichen Entscheidung.96 b) Zeitpunkte (Satz 2). Die Verkürzung der Prüfungsintervalle von früher fünf Jah- 41 ren vollzogener Unterbringung auf nunmehr drei Jahre und nach sechs Jahren vollzogener Unterbringung auf zwei Jahre soll den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung und die Begründungstiefe der gerichtlichen Überprüfungsentscheidungen Rechnung tragen. Das Überprüfungsverfahren muss so ausgestaltet sein, dass eine Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zu dem sich aus § 67e StGB ergebenden Prüftermin ergehen kann. Die Prüfung muss vor Ablauf bestimmter Fristen (§ 67e Abs. 1 Satz 2, § 67e Abs. 2 StGB, § 463 Abs. 4 Satz 2) erfolgen. Es obliegt daher der Strafvollstreckungskammer, durch im Einzelfall geeignete organisatorische Maßnahme darauf hinzuwirken, dass das Gutachten eines (externen) Sachverständigen möglichst

87 88 89 90 91 92 93

OLG Hamm Beschl. vom 10.7.2018 – 3 Ws 272/18 mit Anm. Thürmann jurisPR-StrafR 10/2019 Anm. 4. BTDrucks. 18 7244 S. 36 f. BTDrucks. 18 7244 S. 37; BVerfG Beschl. vom 22.1.2015 – 2 BvR 2049/13. BTDrucks. 18 7244 S. 37. OLG Hamm BeckRS 2018 35129. OLG Hamm BeckRS 2019 44483 (mehrmonatige Überschreitung der Überprüfungsfrist). BVerfG NStZ-RR 2010 122 ff.; NStZ 2013 166; OLG Zweibrücken Beschl. vom 10.6.2008 – 1 Ws 154/08; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2016 32 Ls.; BTDrucks. 18 7244 S. 38. 94 BVerfG NStZ 2013 166; OLG Oldenburg NStZ 2008 225; OLG Karlsruhe Justiz 2008 145; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008 292; StraFo 2012 379 (Gutachten auch dann erforderlich, wenn die Strafvollstreckungskammer eine Entlassung unter keinem Aspekt in Betracht zieht – Sicherungsverwahrung). 95 BVerfG NStZ-RR 2014 220 ff. mit Anm. Laue jurisPR-StrafR 8/2014 Anm. 1 (Fall Mollath). 96 OLG Rostock Beschl. vom 14.11.2011 – I Ws 273/11; BVerfG NStZ-RR 2010 122; OLG Oldenburg NStZ 2008 225.

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zum Prüftermin auch vorliegt.97 Die Dreijahresfrist beginnt mit der Aufnahme des Untergebrachten in die Maßregelvollzugseinrichtung.98 Die nachfolgenden Zweijahresfristen beginnen mit der gerichtlichen Entscheidung von neuem an zu laufen (§ 67e Abs. 4 Satz 2 StGB). 42 Die Prüfungsintervalle dürfen verkürzt werden, wenn sich im Einzelfall die Tatsachengrundlage signifikant geändert hat. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Maßregelanordnung auf einer Fehleinweisung beruht, weil der Untergebrachte die psychische Erkrankung in dem der Anordnung zugrunde liegenden Verfahren vorgetäuscht hat, mit der möglichen Folge, dass die Tat nicht aufgrund eines Zustands i. S. v. §§ 20, 21 StGB begangen wurde und die Voraussetzungen für die Anordnung der Maßregel tatsächlich nicht vorliegen.99 c) Auswahl der Sachverständigen 43

aa) Keine Vorbefassung (Sätze 3 und 4). Das Gericht darf nach Absatz 4 Satz 3 nur einen Sachverständigen mit der Erstattung des Gutachtens beauftragen, der im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person nicht befasst gewesen ist. Der Sachverständige darf auch nicht in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich der Untergebrachte im Zeitpunkt der Begutachtung befindet.100 Schließlich soll der Sachverständige nicht das letzte Gutachten bei einer vorausgegangenen Überprüfung erstellt haben (Satz 3). Des Weiteren soll derjenige Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung herangezogen worden ist, nicht das Gutachten in dem Verfahren erstattet haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist.101 Im Gegensatz zu der früheren Regelung sieht Absatz 4 Sätze 3 und 4 nunmehr nicht mehr nur vor, dass es sich bei dem beauftragten Sachverständigen um einen externen Gutachter handeln soll. Es soll sich auch jeweils um einen anderen Sachverständigen handeln, der in der Regel („soll“) nicht das letzte externe Gutachten erstellt haben soll.102 Mithin dürfen zwei aufeinanderfolgende Gutachten grundsätzlich nicht von demselben Sachverständigen gefertigt worden sein. Von diesen gesetzlichen Vorgaben darf nur in besonders begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. Ein solcher Ausnahmefall kann etwa dann gegeben sein, wenn insbesondere die Beurteilung der Entwicklung des Untergebrachten seit der letzten externen Begutachtung von entscheidender Bedeutung ist, etwa weil der Sachverständige in seinem vorherigen Gutachten bereits Ausführungen zu einer möglichen Entlassungsperspektive und den notwendigen weiteren Schritten dorthin gemacht hat, die es nun im neuen Gutachten hinsichtlich ihrer Umsetzung sowie der Entwicklung des Untergebrachten zu überprüfen gilt.103 Die Strafvollstreckungskammer hat, soweit sie ausnahmsweise denselben Sachverständigen mit der Gutachtenerstattung beauftragt hat, in ihrer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung die Gründe hierfür im Einzelnen darzulegen, um dem Beschwerdegericht insoweit die Überprüfung der Entscheidung auf Ermessensfehler im Rahmen der Aufklärungspflicht zu ermöglichen. Keine Vorbefassung 97 98 99 100 101 102 103

KG StV 2015 500 ff.; OLG Rostock Beschl. vom 14.11.2011 – I Ws 273/11; BTDrucks. 18 7244 S. 38. Meyer-Goßner/Schmitt 10b; BTDrucks. 18 7244 S. 37. OLG Hamburg StV 2018 364 Ls. OLG Rostock Beschl. vom 2.12.2011 – I Ws 372/11. OLG Rostock NStZ-RR 2013 189 zu § 463 Abs. 4 Satz 2 a. F. OLG Karlsruhe RuP 2017 58 Ls. BTDrucks. 18 7244 S. 38 f.; vgl. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde vom 30.7.2015 S. 4 im BTRAussch.

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des Sachverständigen liegt vor, wenn dieser im selben Verfahren Mitangeklagte im Erkenntnis- oder Vollstreckungsverfahren im Rahmen von §§ 20, 21 StGB, § 454 Abs. 2 oder auch Absatz 4 begutachtet hat. Die Vorbefassung bezieht sich stets auf dieselbe Person und deren Begutachtung im Erkenntnis- oder Vollstreckungsverfahren.104 Zudem beschränken sich die Regelungen auf die Sachverständigen, die das Gutachten erstellt haben. Von einer Begutachtung sollen daher nach dem Willen des Gesetzgebers solche Sachverständige nicht ausgeschlossen werden, die an dem vorhergehenden Gutachten lediglich untergeordnet und vorbereitend mitgewirkt haben, selbst aber kein gutachterliches Votum über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für die Anordnung oder Fortdauer der Unterbringung abgegeben haben. Nur die in diesem Sinne unmittelbar an der Gutachtenerstellung beteiligten Sachverständigen sollen für das nächste Gutachten grundsätzlich nicht in Betracht kommen.105 Ob derartige Überlegungen praxisgerecht sind, erscheint zweifelhaft. Anders als bei sonstigen medizinischen Sachverständigengutachten sind lediglich vorbereitende und untergeordnete Tätigkeiten bei der Erstellung forensisch-psychiatrischer Gutachten nur schwer vorstellbar. Die Aktenlektüre und ggf. Untersuchung des Untergebrachten muss der Sachverständige schon selbst erledigen und kann diese Tätigkeiten schwerlich an einen Mitarbeiter delegieren, der dann einen Gutachtenentwurf ohne abschließendes Votum fertigt, denn schon derartige Vorarbeiten enthalten durch ihren Inhalt und ihre Schwerpunktsetzungen fachliche Wertungen, die das Votum des beauftragten Sachverständigen maßgeblich beeinflussen können. bb) Ärztliche oder psychologische Sachverständige mit forensisch psychiatri- 44 scher Erfahrung (Satz 5). Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Erfahrung verfügen. Insoweit ist der Gesetzgeber den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde weitgehend nachgekommen.106 Über erforderliche forensisch-psychiatrische Sachkunde verfügen regelmäßig solche Ärzte, die die Schwerpunktbezeichnung Forensische Psychiatrie der Landesärztekammern führen oder die durch das Führen des DGPPN-Zertifikats Forensische Psychiatrie107 über entsprechend nachgewiesene Sachkunde verfügen. Dazu sollen auch solche Sachverständige gehören, die zur Überzeugung des Gerichts geeignet und erfahren sind, Gutachten zur Frage der Schuldunfähigkeit nach den §§ 20, 21 StGB, zu einer hang- bzw. zustandsbedingten Wiederholungsgefahr nach §§ 63, 64 StGB und § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB oder für in Betracht kommende Therapieweisungen zu erstatten, auch wenn sie nicht über eine Zertifizierung oder klinische Tätigkeit über die in Absatz 4 Satz 5 geforderte Qualifikation eines forensisch-psychiatrischen Sachverständigen verfügen,108 was angesichts nicht ausreichend zur Verfügung stehender forensisch-psychiatrischer Sachverständiger praxisgerecht sein mag. Ob derartige Sachverständige ohne eine forensisch-psychiatrische Ausbildung oder Zertifizierung den Qualitätserfordernissen genügen, hat die Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens und ihrer Aufklärungspflicht im Einzelfall zu beurteilen. Psychologische Sachverständige weisen schon aufgrund ihrer Ausbildung nicht ohne Weiteres die erforderliche Sachkunde auf, solange es sich nicht um Psychologische Psycho104 105 106 107 108

BTDrucks. 18 7244 S. 39. BTDrucks. 18 7244 S. 39. Vgl. Stellungnahme vom 30.7.2015 S. 4. Kruse NJW 2014 509. OLG Rostock NStZ-RR 2017 95 mit zust. Anm. Peglau jurisPR-StrafR 5/2017 Anm. 4 (Diplom-Psychologin und Diplom-Sozialpädagogin).

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therapeuten handelt, die sich einer Zusatzausbildung mit Zertifizierung unterzogen haben.109 45 Absatz 4 Satz 4 hat nicht die Fälle in Betracht gezogen, in denen ein Sachverständiger bei einer früheren Maßregelvollstreckung mit der Behandlung oder als Sachverständiger im Strafverfahren mit der Begutachtung der untergebrachten Person nach den §§ 20, 21 StGB befasst war. In derartigen Fällen wird der Sachverständige aber regelmäßig in entsprechender Anwendung des Satzes 4 von der Begutachtung nach Absatz 4 Satz 1 ausgeschlossen sein. 5. Einsicht in die Patientendaten (Satz 6). Absatz 4 Satz 6 verpflichtet das psychiatrische Krankenhaus, dem vom Gericht beauftragten Sachverständigen Einsicht in die Patientenakten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. In der Praxis empfiehlt es sich, wenn das Gericht den Gutachtenauftrag in Durchschrift der Leitung des psychiatrischen Krankenhauses, in dem sich die untergebrachte und jetzt zu begutachtende Person befindet, zeitgleich übermittelt, damit die Patientendaten dem Sachverständigen ohne Verzögerung zur Verfügung gestellt werden. Absatz 4 Satz 6 gibt dem Sachverständigen zwar nur einen Anspruch auf Einsicht in die Patientendaten. Einen Anspruch auf Übersendung von Ablichtungen der Patientendaten hat er hingegen nicht. Es sind aber keine Gründe ersichtlich, dem Sachverständigen Ablichtungen der Patientendaten zu verweigern und ihn auf ein Abschreiben der zur Einsichtnahme vorgelegten Unterlagen zu verweisen. 47 Der Einsicht durch den bestellten Sachverständigen unterliegen solche Patientendaten nicht, die in keinem inneren Zusammenhang mit der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus stehen. Hierbei kann es sich um Patientendaten handeln, die nach einer Verlegung in eine Klinik entstanden sind, z. B. zur Durchführung einer Operation. Insoweit muss die untergebrachte Person in die Einsicht durch den Sachverständigen einwilligen und es wäre auch ratsam, diese Einwilligung zu erteilen, denn daraus können sich im Einzelfall wichtige Erkenntnisse für die von dem Sachverständigen zu begutachtende weitere Gefährlichkeit der untergebrachten Person ergeben (z. B. bei schwerer Erkrankung oder zeitnah zu erwartender Gebrechlichkeit oder Pflegebedürftigkeit der untergebrachten Person).

46

48

6. Entsprechende Anwendung von § 454 Abs. 2 (Satz 7). Das bei der Einholung des externen Sachverständigengutachtens einzuhaltende Verfahren richtet sich im Übrigen zufolge der Verweisung in Absatz 4 Satz 7 nach § 454 Abs. 2. Hinsichtlich der mündlichen Anhörung des Sachverständigen, der Gelegenheit zur Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten und der Durchführung der mündlichen Anhörung wird auf die Erl. zu § 454, 63 ff. verwiesen.110 Eine Pflicht zur mündlichen Anhörung des Sachverständigen soll auch dann bestehen, wenn das schriftliche Gutachten nicht die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung, sondern den Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Maßregel betrifft.111 Die Verfasser einer Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung sind nicht zwingend nach Absatz 4 Satz 7 mündlich zu hören (§ 454, 65).112 Die Aufklärungspflicht kann im Einzelfall jedoch ihre mündliche Anhörung gebieten.

109 110 111 112

Kruse NJW 2014 509; BTDrucks. 18 7244 S. 39. Vgl. auch BRDrucks. 400/05 S. 34; OLG Frankfurt NStZ-RR 2009 221. OLG Hamm BeckRS 2020 22961. OLG Hamm Beschl. vom 13.2.2020 – 3 Ws 7/20.

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7. Verteidigerbestellung (Satz 8). Nach Absatz 4 Satz 8 ist das Gericht verpflich- 49 tet, der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, für das Überprüfungsverfahren nach Absatz 4 Satz 2 einen Verteidiger zu bestellen. Dass nach drei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus der auch und gerade im Vollstreckungsverfahren geltende Anspruch auf ein faires Verfahren es gebietet, der untergebrachten Person zeitgerecht einen Verteidiger zu bestellen, versteht sich von selbst.113 Die Pflichtverteidigerbestellung muss rechtzeitig vor der Einleitung des Überprüfungsverfahrens erfolgen. Der bestellte Verteidiger muss nämlich in der Lage sein, die oftmals sehr umfangreichen Akten einschließlich des Vollstreckungshefts einzusehen, seinen Mandanten in der Maßregelvollzugseinrichtung aufzusuchen und zu der Auswahl des Sachverständigen gegenüber dem Gericht Stellung zu nehmen. Die Bestellung eines Verteidigers im Maßregelvollstreckungsverfahren betrifft immer nur das konkrete Überprüfungsverfahren, in dem nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständige eingeholt werden soll.114 Die Bestellung nach Absatz 4 Satz 8 endet mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in dem jeweiligen Überprüfungsverfahren. Etwas Anderes gilt nur dann, wenn dies wie bei der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Absatz 8 Satz 2 ausdrücklich anders gesetzlich geregelt ist.

V. Aufschub oder Unterbrechung (Absatz 5) Der Aufschub oder die Unterbrechung der Vollstreckung ist nach Absatz 1 auch 50 bei freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung grundsätzlich zulässig, soweit nicht Absatz 5 etwas Anderes regelt. Ein nachträglicher Verfall in Geisteskrankheit stellt keinen Grund dar, eine wegen erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufzuschieben – Ausschluss des § 455 Abs. 1 –,115 denn auch gegen den bereits im Zeitpunkt der Tat Schuldunfähigen („Geisteskranken“) kann die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vom erkennenden Gericht oder im Sicherungsverfahren angeordnet werden (§§ 63, 71 StGB, § 413). Soweit es sich um die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung handelt, ist nach Absatz 5 Satz 2 – insoweit abweichend von § 455 Abs. 1 – nachträglicher Verfall in Geisteskrankheit kein zwingender Aufschubgrund, vielmehr ist der Aufschub der Maßregel in das Ermessen der Vollstreckungsbehörde gestellt. Damit soll erreicht werden, dass auch außergewöhnlichen Einzelfällen Rechnung getragen werden kann.116 Bei der Sicherungsverwahrung ist ein Aufschub nach § 456 nicht zulässig ist (Absatz 5 Satz 3).

VI. Entsprechende Anwendung von § 462 (Absatz 6) 1. Anwendungsbereich (Satz 1). Absatz 6, der wegen des Verfahrens und der An- 51 fechtbarkeit auf § 462 verweist, zählt diejenigen zu treffenden Entscheidungen auf, die 113 BVerfG NJW 2009 3153; OLG Braunschweig StV 2008 590 mit zust. Anm. Steck-Bromme. 114 OLG Hamburg StraFo 2020 198 f.; OLG Düsseldorf StraFo 2011 371; OLG München StraFo 2009 527; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003 252; KG NStZ-RR 2002 63; a. A.OLG Stuttgart NJW 2000 3367.

115 OLG Celle NJW 1967 692; KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat 10. 116 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 123 Entw. EGStGB, S. 314; Meyer-Goßner/Schmitt 10; Bringewat § 455, 4.

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nicht durch die Absätze 2 und 3 erfasst werden.117 Hierher gehören die Entscheidungen gemäß § 67 Abs. 3, 5 Satz 2 und Abs. 6 StGB; die Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel (§ 67a StGB); die Anordnung des Vollzugs der Unterbringung, wenn auch drei Jahre nach Rechtskraft der Entscheidung die Maßregel noch nicht einmal teilweise vollzogen worden ist, ohne dass ein Fall des § 67c Abs. 1 oder des § 67b StGB vorliegt (§ 67c Abs. 2 Satz 1 bis 3 StGB); die Aussetzung des Vollzugs der Unterbringung zur Bewährung, wenn zwar der Zweck der Unterbringung noch nicht erreicht ist, aber besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann (§ 67c Abs. 2 Satz 4 StGB); der Widerruf der Aussetzung einer Unterbringung zur Bewährung (§ 67g StGB); die Anordnung, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 Abs. 1 StGB) erledigt ist (§ 67d Abs. 5 Satz 1 StGB); die Anordnung, dass die Vollstreckung der Maßregel erledigt ist, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus festgestellt hat, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre (§ 67d Abs. 6 Satz 1 StGB). Durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht118 vom 13.4.2007 hat das Gericht mit § 67h Abs. 1 Satz 1 StGB die Möglichkeit erhalten, unter den dort genannten Voraussetzungen im Rahmen der Krisenintervention eine zur Bewährung ausgesetzte Unterbringung nach § 63 StGB oder § 64 StGB für höchstens drei Monate wieder in Vollzug zu setzen119 und unter den Voraussetzungen von § 67h Abs. 1 Satz 1 StGB die Maßnahme erneut anzuordnen oder ihre Dauer auf längstens sechs Monate zu verlängern.120 Hinzu treten bei Entziehung der Fahrerlaubnis die Entscheidungen betreffend die vorzeitige Aufhebung der Sperre (§ 69a Abs. 7 StGB) – und zwar auch nach voller Strafverbüßung121 – und beim Berufsverbot die Entscheidungen über seine Aussetzung zur Bewährung (§ 70a StGB), den Widerruf der Aussetzung und die Erledigung des Verbots nach Ablauf der Bewährungsfrist (§ 70b StGB).122 52

2. Pflicht zur mündlichen Anhörung des Verurteilten (Satz 2). Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 6 StGB verpflichtet Absatz 6 Satz 2 („ist“) die Strafvollstreckungskammer, den Verurteilten mündlich zu hören. Zwar war eine mündliche Anhörung des Verurteilten auch schon zuvor nicht ausgeschlossen. Die Strafvollstreckungskammer war hierzu aber lediglich berechtigt, nicht jedoch verpflichtet. Das Gebot umfassender Sachaufklärung erfordert es, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung in einem psychiatrischen Krankenhaus feststellt, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung derselben unverhältnismäßig wäre mit der Folge, sie für erledigt zu erklären, den Verurteilten mündlich zu hören und sich für die zu treffende Entscheidung von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.123 Die mündliche Anhörung kann nach § 463e Abs. 1 Satz 3 nicht mittels Videokonferenz124 erfolgen (vgl. Erle. zu § 463e, 9). Kann eine mündliche Anhörung nicht durchgeführt werden, weil der Untergebrachte auf Ladung zum Anhörungstermin ausdrücklich und eindeutig seine Teilnahme verweigert, so muss die mündliche Anhö117 118 119 120 121 122 123 124

KK/Appl 6. BGBl. I S. 513. BTDrucks. 16 1993 S. 16. BTDrucks. 16 4740 S. 23. OLG Hamburg NStZ 1988 197. KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 3, 12. BTDrucks. 18 7244 S. 40. BTDrucks. 18 7244 S. 40; kritisch Glauch StraFo 2016 407, 410.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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rung nicht erfolgen. Einer Verweigerung steht die Ablehnung der Vorführung zum Anhörungstermin bzw. der Teilnahme an einer Videokonferenz gleich.125 3. Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (Satz 3). Nach Absatz 6 Satz 3 er- 53 klärt das Gericht während der Dauer der Führungsaufsicht die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB im Rahmen der Krisenintervention (z. B. akute Zustandsverschlechterung durch Verweigerung einer erforderlichen Medikamenteneinnahme, erneuter Betäubungsmittel- oder Alkoholkonsum bei Suchterkrankung) für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen. Das Gericht wird in aller Regel von Amts wegen tätig, weil es über die ungünstige Entwicklung vom Bewährungshelfer, der forensischen Ambulanz, der Aufsichtsstelle oder auch von Angehörigen unterrichtet wird. Es kann aber auch auf Initiative des Verurteilten tätig werden, wenn dieser sich etwa nach einem Alkohol- oder Betäubungsmittelrückfall direkt an das Gericht wendet. Da Kriseninterventionsmaßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB in aller Regel sehr eilbedürftig sind, hat das Gericht nach Absatz 6 Satz 3 die Möglichkeit, die sofortige Vollziehbarkeit solcher Maßnahmen anzuordnen. Die nach Absatz 6 Satz 1 i. V. m. § 462 Abs. 3 Satz 1 statthafte sofortige Beschwerde hat demzufolge keine aufschiebende Wirkung.126 Überwiegende öffentliche Interessen können es nämlich rechtfertigen, den Anspruch des Verurteilten auf effektiven Rechtsschutz einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Rahmen der Krisenintervention im Interesse des Allgemeinwohls zeitgerecht in die Wege leiten zu können.127 Absatz 6 Satz 3 trägt dem dadurch Rechnung, dass die sofortige erneute Unterbringung nur dann zulässig ist, wenn von dem Verurteilten andernfalls erhebliche rechtswidrige Taten drohen. Es muss danach eine Risikosituation eingetreten sein, die bei ungehinderter Weiterentwicklung ohne Kriseninterventionsmaßnahmen voraussichtlich einen Widerruf der Aussetzung zur Verhinderung neuer, erheblicher rechtswidriger Taten notwendig machen würde.128 Der Beschluss nach Absatz 6 Satz 3 muss die angeordnete Kriseninterventionsmaß- 54 nahme nach § 67h Abs. 1 Satz 1 StGB genau bezeichnen.129 Ferner muss die Dauer der Invollzugsetzung konkret bestimmt werden. Sie kann für jede einzelne Anordnung höchstens drei Monate (§ 67h Abs. 1 Satz 1 StGB) betragen und vor ihrem Ablauf auf längstens sechs Monate verlängert werden (§ 67h Abs. 1 Satz 2 2. Hs. StGB). Dabei darf aber die Höchstdauer der Unterbringung (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB) nicht überschritten werden.130 Dies ist nur von Bedeutung für die Unterbringung in der Entziehungsanstalt (§ 64 StGB), die längstens zwei Jahre betragen darf, denn nach § 67h Abs. 1 Satz 3 StGB gilt § 67g Abs. 4 StGB entsprechend.

VII. Zuständigkeit bei Nachtragsentscheidungen (Absatz 7) 1. Allgemeines. Die allgemeine Verweisung in § 463 Abs. 1 auf die für die Strafvoll- 55 streckung geltenden Vorschriften umfasst auch die Anwendbarkeit des § 462a in den Fällen, in denen nachträgliche Entscheidungen bei freiheitsentziehenden Maßregeln 125 126 127 128 129 130

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OLG Düsseldorf Beschl. vom 1.4.2019 – 5 Ws 50/19. LK/Rissing-van Saan/Peglau § 67h, 24. BTDrucks. 16 1993 S. 49. BTDrucks. 16 1993 S. 49. Fischer § 67h, 6. LK/Rissing-van Saan/Peglau § 67h, 22.

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Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

der Besserung und Sicherung erforderlich sind.131 Dabei tritt bei Anwendung des § 462a Abs. 1 Satz 1 an die Stelle der dort genannten „Strafanstalt“ diejenige Justizvollzugsanstalt oder – was bei Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommen kann – die sonstige Anstalt, in die der Verurteilte aufgenommen ist (§ 78a Abs. 1 GVG).132 Bei der Aussetzung des Strafrestes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung bleibt nach § 462a Abs. 1 Satz 2 die Strafvollstreckungskammer, die die Aussetzung angeordnet hat, auch für die Bewährungsaufsicht und die weiter zu treffenden Entscheidungen zuständig.133 Dies gilt auch kraft der Verweisung in § 463 Abs. 1, wenn die Strafvollstreckungskammer die weitere Vollstreckung einer begonnenen Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt hat (§ 67e StGB). 56

2. Fortsetzungszuständigkeit. Durch die Verweisung des Absatzes 1 auf § 462a sind die dortigen gerichtlichen Zuständigkeitsregelungen für alle nachträglichen Entscheidungen bei freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entsprechend anwendbar.

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a) Späterer Beginn der Unterbringung (§ 67c Abs. 1 StGB). Nach § 67c Abs. 1 StGB prüft bei Vorwegnahme des Vollzugs einer Freiheitsstrafe die Strafvollstreckungskammer vor dem Ende des Strafvollzugs, ob der Zweck einer zugleich angeordneten Unterbringung deren Vollstreckung noch erfordert (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) oder die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig wäre, weil dem Täter bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ausreichende Betreuung i. S. d. § 66c Abs. 2 i. V. m. § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht angeboten worden ist (§ 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Verneint sie dies, so setzt sie die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus. Mit der Aussetzung tritt kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein. In diesem Fall bleibt die Strafvollstreckungskammer nach § 463 Abs. 1 i. V. m. § 462a Abs. 1 Satz 2 für die die Aussetzung der Unterbringung betreffenden Entscheidungen (§ 67g StGB) zuständig. Die Gleichsetzung der Führungsaufsicht mit der Aussetzung eines Strafrestes in Absatz 7 hat aber zur Folge, dass sie in Anwendung des § 462a Abs. 1 Satz 2 auch für die die Führungsaufsicht betreffenden Nachtragsentscheidungen (§§ 68a ff. StGB) zuständig bleibt.

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b) Dauer der Unterbringung (§ 67d Abs. 2 StGB). Setzt die Strafvollstreckungskammer gemäß § 67d Abs. 2 StGB die Vollstreckung einer schon begonnenen Unterbringung zur Bewährung aus mit der Folge der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht, so bleibt sie sowohl für die die Aussetzung der Unterbringung wie für die die Führungsaufsicht betreffenden Entscheidungen zuständig.

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c) Entlassung aus der Sicherungsverwahrung (§ 67d Abs. 4 StGB). Nach § 67d Abs. 4 StGB tritt Führungsaufsicht auch ein, wenn der Untergebrachte aus der Sicherungsverwahrung entlassen wird. Absatz 7 bedeutet hier, wo sowohl die Strafvollstreckung als auch die Maßregelvollstreckung an sich beendet ist, dass hinsichtlich der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer (nur) für die die Führungsaufsicht betreffenden Nachtragsentscheidungen der Entlassene so behandelt werden soll, als sei er mit Bewährungsfrist (§ 67d Abs. 2) entlassen worden. Das ist berechtigt, weil einerseits die Zeit der Führungsaufsicht eine Art Bewährungszeit darstellt (vgl. § 68a StGB) und andererseits die Strafvollstreckungskammer schon mit dem Verurteilten während 131 KK/Appl 7; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 132 OLG Hamm NStZ 1990 103; KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 13. 133 Bringewat 13.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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des Vollzugs befasst war, da ihr nach § 54a Abs. 2 StVollstrO die Akten drei Monate vor der Entlassung vorgelegt werden, damit die Entscheidungen nach den §§ 68a bis 68c StGB zeitgerecht getroffen werden können. d) Erledigungserklärung wegen Nichterreichens des Unterbringungszwecks 60 (§ 67d Abs. 5 und 6 StGB). Der Gesetzgeber hat insoweit der von Wendisch134 geäußerten Kritik mit dem Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16.7.2007135 Rechnung getragen. Für die Anwendung von § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67d Abs. 6 StGB, der durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.7.2004136 eingefügt worden ist, der Aussetzung des Strafrestes gleich. e) Krisenintervention (§ 67h StGB). Die Krisenintervention ist Vollstreckung einer 61 Maßregel i. S. v. Absatz 1 i. V. m. § 462a Abs. 1 Satz 1. Absatz 7 findet im Fall der Krisenintervention nach § 67h StGB entsprechende Anwendung.137 f) Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung des Strafrestes (§ 68f StGB). Nach 62 § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB tritt nach vollständiger Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher Straftaten oder einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Straftaten der in § 181b StGB genannten Art mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein, es sei denn, dass das Gericht wegen positiver Prognose den Wegfall der Führungsaufsicht anordnet (§ 68f Abs. 2 StGB). Mit der Entscheidung, ob es bei dem Eintritt der Führungsaufsicht verbleiben oder diese wegfallen soll, wird die Strafvollstreckungskammer schon während des Vollzugs befasst (§ 54a Abs. 2 StVollstrO; § 463 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 454, § 68f Abs. 2 StGB). Auch hier besteht, wenn das Entfallen der Führungsaufsicht nicht angeordnet wird, nach Absatz 7 die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für die Nachtragsentscheidungen (§§ 68a ff. StGB), weil zwar die Strafvollstreckung im engeren Sinn erledigt ist, gleichwohl aber noch Entscheidungen zu treffen sind, die dem Bereich der Vollstreckung im weiteren Sinn angehören und die nach dem Grundgedanken des § 462a Abs. 1 Satz 2 bei der zuständig gewesenen Strafvollstreckungskammer verbleiben sollen.138 Die eine Führungsaufsicht nach § 68f StGB überwachende Strafvollstreckungskammer ist auch für die Nachtragsentscheidungen zuständig, die sich auf Strafaussetzungen zur Bewährung aus anderen Verfahren gegen den Verurteilten beziehen.139

VIII. Pflicht zur Verteidigerbestellung bei Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Absatz 8) 1. Umfang der Pflicht. Nach Absatz 8 Satz 1 ist das Gericht verpflichtet, wenn die 63 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt wird, dem Verurteilten, der keiLR/Wendisch25 17; BRDrucks. 400/05 S. 34. BGBl. I S. 1327. BGBl. I S. 1838. BGHSt 56 1 ff.; Schuster StV 2011 506 ff.; Peglau jurisPR-StrafR 4/2011 Anm. 2; OLG Düsseldorf Beschl. vom 18.9.2019 – 2 Ws 155/19. 138 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 123 Entw. EGStGB, S. 314; BGH bei Kusch NStZ 1996 327; OLG Hamburg MDR 1988 431; KK/Appl 1; Bringewat 1, 14, 15. 139 BGH NJW 2010 951.

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nen Verteidiger hat, für Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden Entscheidungen einen Verteidiger zu bestellen. Damit werden alle vollstreckungsrechtlichen Entscheidungen erfasst. Die Verteidigerbestellung nach Absatz 8 ist ebenfalls obligatorisch („… bestellt das Gericht … einen Verteidiger“). Auch hier gelten die § 141 Abs. 1 Satz 1, § 142 Abs. 3 Nr. 3 und § 143 entsprechend. 64

2. Sachliche Zuständigkeit, Rücknahme und Widerruf der Bestellung. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit für die Bestellung sowie die Rücknahme und den Widerruf der Bestellung gelten die zur Aufhebung der Bestellung des Verteidigers im Erkenntnisverfahren entwickelten Rechtsgrundsätze zu § 143 analog.140 Im Gegensatz zu Absatz 3 Satz 5 und Absatz 4 Satz 8 gilt die Bestellung nach Absatz 8 Satz 2 aber für jedes weitere Verfahren, solange sie nicht aufgehoben wird.

65

3. Begrenzung der Bestellung. Nach dem Willen des Gesetzgebers141 und dem Wortlaut von Absatz 3 Satz 5, Absatz 4 Satz 8 und Absatz 8 sind Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges von der Bestellung nicht umfasst. Für den Strafvollzug oder den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung sieht Art. 4 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung vom 5.12.2012142 mit § 109 Abs. 3 StVollzG sowie dasselbe Gesetz in Art. 4 Nr. 6 mit § 119a Abs. 6 StVollzG die Beiordnung eines Rechtsanwalts von Amts wegen vor.

IX. Nachträgliche Anordnungen bei der Unterbringung von Jugendlichen 66

Nach dem bis 31.12.1974 geltenden Recht oblag die nach § 42f a. F. StGB – jetzt: §§ 67d Abs. 2, 67e – i. V. m. § 2 JGG zu treffende Entscheidung über die Entlassung des Untergebrachten oder die Fortdauer der Unterbringung gemäß §§ 462, 463a Abs. 3 a. F. allein dem Gericht des ersten Rechtszugs.143 Diesem Gericht oblagen auch danach die Nachtragsentscheidungen (§ 67g StGB; Art. 314 Abs. 2 EGStGB), wenn die Unterbringung vor dem 1.1.1975 bedingt ausgesetzt war. Befand sich jedoch der Täter am 1.1.1975 im psychiatrischen Krankenhaus (vgl. Art. 314 Abs. 1 EGStGB), oder wurde er später in einem solchen untergebracht, so hat über die Fortdauer der Unterbringung oder deren Aussetzung zur Bewährung mit den sich anschließenden Folgen der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter zu entscheiden, der gemäß § 82 Abs. 1 JGG die Aufgaben der Strafvollstreckungskammer wahrnimmt,144 und zwar auch, wenn er diese Anordnung zusätzlich getroffen hat, weil nur so eine Zweiteilung der Zuständigkeit vermieden werden kann.145 Das Gleiche gilt, wenn bei einem nach Jugendstrafrecht Verurteilten Führungsaufsicht kraft Gesetzes eintritt.146 Die Entscheidungen des Jugendrichters nach den §§ 462a, 463 sind gemäß § 83 Abs. 1 JGG jugendrichterliche Entscheidungen. Örtlich zuständig ist der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§ 84 Abs. 2, 3 JGG). An der Zuständigkeit des Jugendrichters 140 141 142 143 144 145 146

LR/Jahn § 143, 14 ff. BTDrucks. 17 9874 S. 40. BGBl. I S. 2425. BGHSt 16 78, 82. BGHSt 26 162; KK/Appl 8; Bringewat 19. BGHSt 27 190; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 17. OLG Koblenz GA 1975 285; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 17.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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ändert sich auch nichts, wenn der Untergebrachte inzwischen – vielleicht seit langer Zeit – erwachsen ist.147

X. Zuständigkeit bei früheren Entscheidungen von Gerichten der ehemaligen DDR Für die Entscheidungen über Einwendungen gegen die Unterbringung nach dem 67 EinweisungsG-DDR aufgrund gerichtlicher (§ 15 Abs. 2, § 16 Abs. 3 StGB-DDR) oder staatsanwaltschaftlicher (§ 148 Abs. 1 Nr. 1 StPO-DDR) Anordnungen ist umstritten, welches Gericht für die Nachtragsentscheidungen zuständig ist.148 Der Einigungsvertrag verhält sich zu der Thematik nicht. Das Recht der DDR kannte dem Maßregelrecht vergleichbare strafrechtliche Regelungen nicht. Daher werden nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten, auf Einweisungen nach dem Einweisungsgesetz der ehemaligen DDR die Vorschriften des Strafgesetzbuches über freiheitsentziehende Maßregeln (§§ 63 ff. StGB) analog anzuwenden. Für eine analoge Anwendung von § 463 StPO ist damit ebenfalls kein Raum.149

XI. Reformüberlegungen Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen zur obligatorischen Bestellung eines 68 Verteidigers bei Entscheidungen nach § 67c Abs. 1 StGB sowie allen weiteren die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung betreffenden Entscheidungen zwar den Vorgaben des BVerfG zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes für Verurteilte nach Anordnung der Sicherungsverwahrung im Vollstreckungsverfahren150 sowie Forderungen im Schrifttum151 Rechnung getragen. Wenig sinnvoll erscheint allerdings die damit weiter ausgebaute sektorale Zersplitterung des Rechts der notwendigen Verteidigung. Vielmehr hätte es nahe gelegen, schon aus rechtssystematischen Erwägungen bei der Reform des Rechts der notwendigen Verteidigung eine Regelung im 11. Abschnitt des Ersten Buches der Strafprozessordnung und hier insbesondere eine breitere gesetzliche Regelung für das Vollstreckungsverfahren in Betracht zu ziehen152 und nicht – wie nunmehr aber wiederum geschehen – sektorale Regelungen zu treffen, die es erforderlich machen, die allgemeinen Vorschriften des Rechts der notwendigen Verteidigung im Ersten Buch der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden. Diese Chance wurde indessen mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung153 erst einmal vertan.

147 OLG Celle NJW 1975 2253; OLG Karlsruhe Justiz 1978 325; KK/Appl 8; Meyer-Goßner/Schmitt 15; Bringewat 17.

148 KG NStZ 1994 148; BezG Dresden NStZ 1993 54; Toepel NStZ 1994 150; Meyer-Goßner/Schmitt 16; KK/Appl 9; a. A. BVerfG NStZ 1995 399 mit Anm. Toepel NStZ 1996 101; OLG Dresden NStZ 1994 146: Vormundschaftsgericht. 149 BVerfG NStZ 1995 399. 150 BVerfGE 128 326 ff., 382. 151 LR/Lüderssen/Jahn26 § 140, 118 ff.; Graalmann-Scheerer StV 2011 696, 699. 152 Graalmann-Scheerer StV 2011 696, 699. 153 BGBl. I (2019) S. 2128.

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§ 463a Zuständigkeit und Befugnisse der Aufsichtsstellen (1) 1Die Aufsichtsstellen (§ 68a des Strafgesetzbuches) können zur Überwachung des Verhaltens des Verurteilten und der Erfüllung von Weisungen von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art, mit Ausschluß eidlicher Vernehmungen, entweder selbst vornehmen oder durch andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit vornehmen lassen. 2Ist der Aufenthalt des Verurteilten nicht bekannt, kann der Leiter der Führungsaufsichtsstelle seine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (§ 131a Abs. 1) anordnen. (2) 1Die Aufsichtsstelle kann für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anordnen, daß der Verurteilte zur Beobachtung anläßlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen, ausgeschrieben wird. 2§ 163e Abs. 2 gilt entsprechend. 3Die Anordnung trifft der Leiter der Führungsaufsichtsstelle. 4Die Erforderlichkeit der Fortdauer der Maßnahme ist mindestens jährlich zu überprüfen. (3) 1Auf Antrag der Aufsichtsstelle kann das Gericht einen Vorführungsbefehl erlassen, wenn der Verurteilte einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 oder Nr. 11 des Strafgesetzbuchs ohne genügende Entschuldigung nicht nachgekommen ist und er in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass in diesem Fall seine Vorführung zulässig ist. 2Soweit das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig ist, entscheidet der Vorsitzende. (4) 1Die Aufsichtsstelle erhebt und speichert bei einer Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 des Strafgesetzbuches mit Hilfe der von der verurteilten Person mitgeführten technischen Mittel automatisiert Daten über deren Aufenthaltsort sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung; soweit es technisch möglich ist, ist sicherzustellen, dass innerhalb der Wohnung der verurteilten Person keine über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehenden Aufenthaltsdaten erhoben werden. 2Die Daten dürfen ohne Einwilligung der betroffenen Person nur verwendet werden, soweit dies erforderlich ist für die folgenden Zwecke: 1. zur Feststellung des Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches, 2. zur Ergreifung von Maßnahmen der Führungsaufsicht, die sich an einen Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches anschließen können, 3. zur Ahndung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuches, 4. zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter oder 5. zur Verfolgung einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art oder einer Straftat nach § 129a Absatz 5 Satz 2, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1 des Strafgesetzbuches. 3 Zur Einhaltung der Zweckbindung nach Satz 2 hat die Verarbeitung der Daten zur Feststellung von Verstößen nach Satz 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder 2 des Strafgesetzbuches automatisiert zu erfolgen und sind die Daten gegen unbefugte Kenntnisnahme besonders zu sichern. 4Die Aufsichtsstelle kann die Erhebung und Verarbeitung der Daten durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen; diese sind verpflichtet, dem Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-043

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

§ 463a

Ersuchen der Aufsichtsstelle zu genügen. 5Die in Satz 1 genannten Daten sind spätestens zwei Monate nach ihrer Erhebung zu löschen, soweit sie nicht für die in Satz 2 genannten Zwecke verwendet werden. 6Bei jedem Abruf der Daten sind zumindest der Zeitpunkt, die abgerufenen Daten und der Bearbeiter zu protokollieren; § 488 Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. 7Werden innerhalb der Wohnung der verurteilten Person über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehende Aufenthaltsdaten erhoben, dürfen diese nicht verwertet werden und sind unverzüglich nach Kenntnisnahme zu löschen. 8Die Tatsache ihrer Kenntnisnahme und Löschung ist zu dokumentieren. (5) 1Örtlich zuständig ist die Aufsichtsstelle, in deren Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat. 2Hat der Verurteilte keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes, so ist die Aufsichtsstelle örtlich zuständig, in deren Bezirk er seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, seinen letzten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. Schrifttum Anders Übermittlung personenbezogener Daten von der Bewährungshilfe an die Polizei, GA 2011 19; Aulinger Zwischen justizieller Nachsorge und strafrechtlicher Sozialkontrolle – ambulante Handlungsstrategien bei gefährlichen Sexualstraftätern und ihre rechtlichen Rahmenbedingungen, FS Böttcher (2007) 555; Boetticher Aktuelle Entwicklungen im Maßregelvollzug und bei der Sicherungsverwahrung – Ambulante Nachsorge für Sexualstraftäter ist Aufgabe der Justiz, NStZ 2005 417; Brauneisen Die elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes als neues Instrument der Führungsaufsicht, StV 2011 311; von Bülow Führungsaufsicht und Führungsaufsichtsstellen, in: Dertinger/Marks (Hrsg.) Führungsaufsicht (1990) 150; Dertinger/Marks (Hrsg.) Führungsaufsicht. Versuch einer Zwischenbilanz zu einem umstrittenen Rechtsinstitut (1990); Dölling Voraussetzungen der Führungsaufsicht, JR 2004 165; Floerecke Die Entstehungsgeschichte der Gesetzesnormen zur Führungsaufsicht (1989); Fünfsinn/Kolz Gegenwärtige Nutzung und Anwendungsperspektiven der Elektronischen Überwachung in Deutschland, StV 2016 191; von Glasenapp Die blinde Führungsaufsicht, ZRP 1979 31; Gross Kriminalgesetzgebung und Zeitgeist – am Beispiel des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht, FS Böttcher (2007) 579; Groth Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Pönalisierung während der Führungsaufsicht begangener Weisungsverstöße, NJW 1979 743; Guckelberger Die präventiv-polizeiliche elektronische Aufenthaltsermittlung, DVBl. 2017 1121; Hager Zur Problematik der sozialpädagogischen Funktion der Führungsaufsicht, BewHi. 1976 126; Jacobsen Führungsaufsicht und ihre Klientel (1985); Kretzschmann/Armenat Aktuelles Gesetzgebungsvorhaben: Ausweitung des Maßregelrechts, JuS 2017 647; Mainz Gericht und Aufsichtsstelle als beteiligte Organe in § 68 a StGB, NStZ 1987 541; ders. Vollstreckungsverjährung bei Führungsaufsicht, NStZ 1989 61; Maltry Gerichtliche Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht beim Einsatz der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ), BewHi 2013 117; Muckel Elektronische Aufenthaltsüberwachung („elektronische Fußfessel“) bei Straftätern verstößt nicht gegen Grundrechte, JA 2021 347; Nißl Die Führungsaufsicht, NStZ 1995 525; Peglau Das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung, NJW 2007 1558; ders. Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen (Teil 1), jurisPR-StrafR 1/2011 Anm. 1; Quadt Überlegungen zum Verhältnis von Bewährungshelfern und Führungsaufsichtsstelle, BewHi. 1976 121; ders. Erfahrungen mit den Führungsaufsichtsstellen? BewHi. 1978 80; U. Schneider Die Reform der Führungsaufsicht, NStZ 2007 441; Schöch Bewährungshilfe und Führungsaufsicht in der Strafrechtspflege, NStZ 1992 364; Seifert/Schiffer/Bode/Schmidt-Quernheim Forensische Nachsorge – unverzichtbar, wenn es um die Entlassung eines psychisch kranken Rechtsbrechers geht, NStZ 2005 125; Vollbach Die reformierte Maßregel Führungsaufsicht, MSchrKrim. 2006 40; Weigelt/Hohmann-Fricke Führungsaufsicht – Unterstellungspraxis und Legalbewährung, BewHi. 2006 216; Wolf Reform der Führungsaufsicht, Rpfleger 2007 441; ders. Entwicklungen im Straf-, Strafverfahrens- und Strafvollstreckungsrecht seit 2012, Rpfleger 2016 388.

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§ 463a

Siebentes Buch – Strafvollstreckung und Kosten des Verfahrens

Entstehungsgeschichte An die Stelle des durch Gesetz vom 24.11.1933 (RGBl. I S. 1000) eingefügten früheren § 463a ist seit dem 1.1.1975 mit verändertem Inhalt der jetzige § 463 getreten. Der jetzige § 463a wurde durch Art. 21 Nr. 133 EGStGB 1974 eingefügt. Durch Art. 4 Nr. 19 OrgKG 1992 ist die Vorschrift um einen neuen Absatz 2 erweitert und der bisherige Absatz 2 als Absatz 3 beibehalten worden. Durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung (FührAufsRuaÄndG) vom 13.4.2007 (BGBl. I S. 513) sind für die Führungsaufsichtsstelle erweiterte Befugnisse, nämlich zum einen die Befugnis, eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 1 anzuordnen (§ 463a Abs. 1) und zum anderen die zum Antrag auf Erlass von Vorführungsbefehlen (§ 463a Abs. 3) als neuer Absatz 3 eingefügt worden. Der bisherige Absatz 3 ist nunmehr unverändert Absatz 4. Durch Art. 2 Nr. 8 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.12.2010 (BGBl. I S. 2300) wurde Absatz 4 eingefügt und der bisherige Absatz 4 zu Absatz 5. Die Änderungen sind mit dem 1.1.2011 in Kraft getreten. Von der Entscheidung des BVerfG vom 4.5.20111 ist die Änderung nicht betroffen. Durch das 53. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern – vom 11.6.2017 (BGBl. I S. 1612) wurde Absatz 4 Satz 2 Nr. 5 um eine Straftat nach § 129a Abs. 5 Satz 2, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB ergänzt. Übersicht 1. Aufgaben 1 2. Organisation und Besetzung 2 3. Bedeutung 3 4. Befugnisse a) Beschreibung 4 b) Behörden 5 c) Auskunftsverlangen 6 d) Eidliche Vernehmungen 7 e) Amtshilfe 8 f) Zwangsmittel 9 5. Polizeiliche Beobachtung (Absatz 2) 10 6. Vorführungsbefehl 13 7. Elektronische Aufenthaltsüberwachung (Absatz 4) a) Zweck der Regelung 18 b) Aufgaben der Aufsichtsstelle 22 aa) Erhebung von Daten 23 bb) Speicherung von Daten 25 c) Umfang der Datenerhebung und – speicherung 26 aa) Daten über den Aufenthaltsort der verurteilten Person 27

d)

bb) Daten über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung 28 Zweckbindung der Verwendung der Daten (Satz 2) 29 aa) Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB (Satz 2 Nr. 1) 30 bb) Ergreifung von Maßnahmen der Führungsaufsicht bei einem Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1, 2 oder 12 StGB (Satz 2 Nr. 2) 32 cc) Ahndung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB (Satz 2 Nr. 3) 33 dd) Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle

1 BVerfGE 128 326.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

e)

Selbstbestimmung Dritter (Satz 2 Nr. 4) 34 ee) Verfolgung einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art (Satz 2 Nr. 5) 38 ff) Straftat nach § 129a Abs. 5 Satz 2, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB 40 gg) Verwendung mit Einwilligung der betroffenen Person (Satz 2 1. Hs.) 41 hh) Sicherstellung der Zweckbindung (Sätze 3 und 4) 42 Protokollierungspflicht bei Datenabruf (Satz 6) 47

§ 463a

f)

8. 9.

Löschung der Daten 48 (Satz 5) g) Löschung und Verwertung von über die Aufenthaltsdaten hinausgehende Daten (Satz 7) sowie Dokumentation der Datenlöschung (Satz 8) 53 h) Praktische Durchführung der elektronischen Überwachung des Aufenthaltsortes 55 i) Anfechtung 58 Örtliche Zuständigkeit (Absatz 5) 59 Gerichtliche Zuständigkeit 60

Alphabetische Übersicht Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr 34 Amtshilfe 8 Anfechtung 58 Aufenthaltsdaten 49 – Befugnisse der Aufsichtsstelle 52 – Löschung 53 – Verwertung 53 Aufenthaltsort 27 Aufgaben 1 f. Aufsichtsstelle 22 – Aufgaben 22 ff. Auskunftsverlangen 6 Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung 9 Befristung 12 Befugnisse 4 ff. Belehrung 13, 15 Beschwerde 58 Besetzung 2 Datenabruf 47 Datenerhebung 23 ff. – Beeinträchtigung 28 – Übertragung 44 Datensicherung 43 Datenspeicherung 26 ff. Dauergefahr 36 Dokumentationspflicht 54 Eidliche Vernehmung 7 Einschlusszonen 57 Einwilligung 41

Führungsaufsicht 20 f. Gefahrenabwehr 34 ff., 51 Gegenwärtige Gefahr 36 ff. Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder 45 Global Positioning System 56 Gerichtliche Zuständigkeit 19 Ladung 13 ff. Löschungspflicht 48 Neuregelung der elektronischen Überwachung des Aufenthaltsortes 19, 22 ff. Organisation 2 Örtliche Zuständigkeit 18 Polizeiliche Beobachtung 10 Protokollierungspflicht 54 Standortkoordinaten 31 Strafvollstreckungskammer 19 Übertragung der Datenerhebung und -verarbeitung 44 Verhältnismäßigkeit 9 Verwendungsbeschränkung 39 Verwendungsregelung 37, 39 Verwertungsverbot 53 Vorführungsbefehl 13 ff. Weisungsverstoß 30 ff. Zeitplan 57 Zustellungsnachweis 14 Zwangsmittel 9 Zweck der Regelung 18 Zweckbindung 29, 42

1. Aufgaben. Hat das Gericht Führungsaufsicht angeordnet (§ 68 Abs. 1 StGB) oder 1 ist Führungsaufsicht kraft Gesetzes eingetreten (§ 67b Abs. 2, § 67c Abs. 1 Satz 1, § 67d Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 3, 5 Satz 2, § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB), so untersteht der Verurteil493

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te einer Aufsichtsstelle (§ 68a StGB). Deren Aufgabe ist eine doppelte.2 Die Maßregel der Führungsaufsicht soll zum einen eine nachsorgende Betreuung (§ 68a StGB) von Verurteilten gewährleisten, deren gesellschaftliche Wiedereingliederung nach der Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug aus unterschiedlichen Gründen gefährdet erscheint oder sich als besonders schwierig erweist. Durch eine engmaschige Überwachung und Kontrolle soll die Begehung neuer Taten möglichst verhindert werden. Zugleich soll eine gezielte Betreuung und Hilfe bei der Bewältigung psychosozialer Schwierigkeiten Verurteilte in die Lage versetzen, außerhalb geschlossener Einrichtungen ein Leben ohne Straftaten zu führen. Zum anderen ist es Aufgabe der Führungsaufsicht, im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung des für die Dauer der Führungsaufsicht bestellten Bewährungshelfers das Verhalten des Verurteilten und die Erfüllung der ihm nach § 68b StGB erteilten Weisungen zu überwachen und bei Verstößen gegen Weisungen ggf. den Antrag auf Bestrafung nach § 145a StGB zu stellen (§ 68a Abs. 3 und 6 StGB).3 2

2. Organisation und Besetzung. Die Organisation und Besetzung der Aufsichtsstellen ist in Art. 295 EGStGB 1974 nur in den Grundzügen geregelt.4 Die Aufsichtsstellen gehören danach zum Geschäftsbereich der Landesjustizverwaltungen (Art. 295 Abs. 1 EGStGB), die die nötigen Vorschriften über die Organisation, Besetzung, Geschäftsbetrieb usw. zu treffen haben. Danach werden Führungsaufsichtsstellen bei den Landgerichten eingerichtet und den Landgerichten angegliedert. Der Präsident des Landgerichts führt die Dienstaufsicht über die Aufsichtsstelle. Er ernennt den Leiter der Aufsichtsstelle, der die Befähigung zum Richteramt besitzen oder Beamter des höheren Dienstes sein muss (Art. 295 Abs. 2 EGStGB), dessen Vertreter sowie die übrigen Beamten und Angestellten.5 Die unmittelbare Betreuung des Verurteilten obliegt in erster Linie dem Bewährungshelfer.6 Ergänzend betreut die Aufsichtsstelle den Verurteilten und hilft ihm insbesondere durch Vermittlung diagnostischer oder therapeutischer Behandlungen, durch Beschaffung geeigneter Ausbildungs- und Arbeitsstellen und Vermittlung von Berufsförderungsmaßnahmen (Umschulung), auch in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, durch Vermittlung von Heimplätzen, durch Geltendmachung von Ansprüchen des Verurteilten auf Arbeitslosengeld I oder II oder Sozialhilfe, Beschaffung von Versicherungsunterlagen usw. und durch Regelung seiner Verpflichtungen wie Unterhaltsverpflichtungen, Schulden, Wiedergutmachungsleistungen und anderen Zahlungsverpflichtungen in Zusammenarbeit mit Sozialbehörden, Gläubigern, Geschädigten und Arbeitgebern7 und hilft ihm ggf. auch bei der Antragstellung im Verbraucherinsolvenzverfahren oder Rentenverfahren und der Abwicklung der erforderlichen Formalitäten. Zur Überwachung des Verhaltens des Verurteilten gehört insbesondere auch die Führung persönlicher Gespräche mit dem Verurteilten, die in der Regel mindestens alle sechs Monate stattfinden sollen. Persönliche Unterrichtung über die Lebensumstände des Verurteilten durch die Aufsichtsstelle erfolgt, soweit dies im Einzelfall geboten ist. In jedem Fall überwacht die Aufsichtsstelle unmittelbar die Erfüllung der Weisungen nach § 68b Abs. 1 Nr. 1, 7 und 8 StGB. In der Praxis werden diese Aufgaben in aller Regel 2 3 4 5

BTDrucks. 16 1993 S. 11; KK/Appl 1; Bringewat 2. Groth NJW 1979 747; KK/Appl 5; Bringewat 2; OLG Hamm NStZ-RR 2018 279. Bringewat 1. KK/Appl 1; Bringewat 1; vgl. die Übersicht über die von den Ländern erlassenen Bestimmungen bei Piller/Hermann Justizverwaltungsvorschriften. 6 KK/Appl 1. 7 KK/Appl 1; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 3.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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jedoch nicht (mehr) von der Aufsichtsstelle wahrgenommen, sondern weitgehend von Bewährungshelfern, während die Aufsichtsstelle eher als eine Art Verwaltungsgeschäftsstelle fungiert.8 Diese Entwicklung der Praxis entspricht nicht den Intentionen des Gesetzgebers in § 68a Abs. 2 bis 6 StGB. Sie ist in Ermangelung einer bundesweiten Statistik über die Führungsaufsicht forensischer Betrachtung jedoch im Wesentlichen entzogen. Um die Effektivität der Maßregel der Führungsaufsicht aber prüfen und eine ausreichende Tatsachengrundlage für eventuellen gesetzgeberischen oder praktischen Handlungsbedarf (z. B. durch personelle Aufstockung der Aufsichtsstellen; Reduzierung der Probandenzahlen pro Bewährungshelfer) zu schaffen, wäre eine solche bundesweite Statistik dringend erforderlich.9 3. Bedeutung. Die Bedeutung der Absätze 1 bis 3 besteht darin, dass sie die Befug- 3 nisse regeln, die den Aufsichtsstellen zur Erfüllung ihrer zweiten Aufgabe, der Überwachung des Verhaltens des Verurteilten und der Erfüllung von Weisungen, zustehen, während Absatz 5 ihre örtliche Zuständigkeit gesetzlich festlegt (Rn. 59). § 54a StVollstrO regelt die zu treffenden Vorbereitungshandlungen sowie die Mitteilungspflichten, die der Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Führungsaufsicht obliegen. Ihre gewissenhafte Erfüllung ist für eine sachgerechte Arbeit der Aufsichtsstelle unerlässlich. 4. Befugnisse a) Beschreibung. Die Umschreibung der Befugnisse der Aufsichtsstelle in Absatz 1 4 ist in engem Anschluss an den Wortlaut des § 161 Abs. 1 erfolgt, der die Ermittlungsbefugnisse der Staatsanwaltschaft im vorbereitenden Verfahren regelt. Er weicht im Wortlaut von § 161 Satz 1 in zwei Richtungen ab: er erwähnt nicht die Vornahme der Ermittlungen durch Auftrag an die Behörden und Beamten des Polizeidienstes, sondern spricht allgemein davon, dass die Aufsichtsstelle die Ermittlungen, soweit sie sie nicht selbst vornimmt, durch andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit vornehmen lassen könne.10 Ferner regelt Absatz 1 ausdrücklich, dass eidliche Vernehmungen (von Zeugen) nicht zu den Ermittlungen gehören, die die Aufsichtsstelle selbst vornehmen oder durch andere Behörden vornehmen lassen kann.11 b) Behörden. Zu den anderen Behörden, deren Amtshilfe die Aufsichtsstelle, und 5 zwar ohne Einhaltung des Dienstwegs,12 in Anspruch nehmen kann, gehören an sich auch die Polizeibehörden, denn im weiteren Sinn ist die Überwachungstätigkeit der Aufsichtsstellen auf die Resozialisierung des Verurteilten i. S. der Verhütung neuer rechtswidriger Taten gerichtet und berührt so die präventiv-polizeiliche Aufgabe der Polizei, rechtswidrige Taten zu verhindern. Ermittlungsersuchen der Aufsichtsstelle an die Polizeibehörden sind also durch Absatz 1 nicht ausgeschlossen. Jedoch verfolgt die Nichterwähnung der Polizeibehörden als Auftragsadressaten nach der amtlichen Begründung13 gerade den Zweck, die Inanspruchnahme der Polizei möglichst zurückzudrängen, 8 Fischer § 68a, 4. 9 Vgl. auch BTDrucks. 16 1993 S. 11 f.; vgl. Baur/Kinzig Rechtspolitische Perspektiven der Führungsaufsicht. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der bundesweiten Evaluation der Führungsaufsicht (2014) S. 4. 10 Meyer-Goßner/Schmitt 2, 4. 11 Bringewat 5. 12 KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3. 13 BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 123, S. 314.

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denn es sollte nach dem Willen des Gesetzgebers überhaupt der Eindruck vermieden werden, als handele es sich bei der Führungsaufsicht um eine Aufsicht mit in erster Linie polizeilichen Mitteln und zu in erster Linie polizeilichen Zwecken. Auch sollte die Polizeibehörde nur insoweit in Erscheinung treten, als das unumgänglich erforderlich ist, um nicht durch das regelmäßige Auftreten von Polizeibeamten die Resozialisierung der unter Führungsaufsicht Stehenden zu gefährden.14 6

c) Auskunftsverlangen. Ein Ersuchen um Auskunft kann die Aufsichtsstelle direkt an diejenige Behörde richten, von der sie Auskunft begehrt. Die Behörde ist im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Erteilung der Auskunft berechtigt und verpflichtet, die begehrte Auskunft zu erteilen, soweit sich nicht Begrenzungen aus besonderen bereichsspezifischen Geheimhaltungsvorschriften ergeben.15 Das Recht auf Auskunft umfasst auch das Recht zur Akteneinsicht und zur Überlassung von Abschriften einzelner Schriftstücke.16 Allerdings geht die Auskunft der Akteneinsicht regelmäßig vor. Soweit die Aufsichtsstelle von der Staatsanwaltschaft Auskunft über neue, gegen den Verurteilten anhängige Ermittlungsverfahren begehrt, ist die Mitteilung der Aktenzeichen nach § 474 Abs. 1 zulässig, denn bei der Aufsichtsstelle handelt es sich um eine andere Justizbehörde im Sinne von § 474 Abs. 1, nicht aber die Übermittlung eines Auszugs aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister. Die Übersendung der Ermittlungsakten an die Aufsichtsstelle unterliegt den Beschränkungen von § 477. Von Amts wegen dürfen personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren nach § 477 Abs. 2 Nr. 1 dann übermittelt werden, wenn die Kenntnis zur Vollstreckung der Maßregel der Führungsaufsicht (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist.

7

d) Eidliche Vernehmungen. Eidliche Vernehmungen wie sie die Staatsanwaltschaft nach § 162 i. V. m. § 65 im vorbereitenden Verfahren herbeiführen kann, scheiden schlechthin als Form der Ermittlung aus.

8

e) Amtshilfe. Wenn im Übrigen § 463a Abs. 1 den Aufsichtsstellen das Recht einräumt, alle öffentlichen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit um Ermittlungen zu ersuchen,17 so beinhaltet dies unabhängig von Art. 35 GG oder in dessen Konkretisierung den Ausspruch, dass die ersuchten Stellen im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ihrer Möglichkeit zur Gewährung der erbetenen Amtshilfe verpflichtet sind. Bei Verweigerung der Amtshilfe kommt im Allgemeinen nur die Dienstaufsichtsbeschwerde in Betracht.18 In der Regel wird die Aufsichtsstelle es aber, wo sie auf Schwierigkeiten oder Ablehnung stößt, dem neben ihr zur Überwachung berufenen Gericht (§ 68a Abs. 3 StGB, § 463 Abs. 7) überlassen können, unterstützend einzugreifen und mit seinen Möglichkeiten die Ermittlungen zu betreiben.19

9

f) Zwangsmittel. Nimmt die Aufsichtsstelle selbst die Ermittlungen vor, so stehen ihr keine Zwangsbefugnisse zur Verfügung. Sie kann zwar einen Zeugen zur Vernehmung über das Verhalten des Verurteilten laden, sein Erscheinen oder seine Aussage 14 15 16 17 18 19

KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 6. Vgl. dazu im Einzelnen LR/Erb § 161, 18, 23 ff. KK/Appl 3. KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 9. KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 5; Bringewat 9. Bringewat 9.

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aber nicht erzwingen und muss dann die weitere Entscheidung dem Gericht (§ 68a Abs. 3 StGB) überlassen.20 Ebenso standen der Aufsichtsstelle nach früherem Recht keine Zwangsmittel gegen den der Führungsaufsicht Unterstellten zu. Sie konnte den Verurteilten zwar zur Durchführung persönlicher Gespräche (Rn. 5) laden, aber, wenn er nicht erschien, ihn nicht (etwa durch die Polizei) vorführen lassen. Auch bei unbekanntem Aufenthalt des Verurteilten konnte die Aufsichtsstelle nur durch eigene Ermittlungen versuchen, den Aufenthalt zu ermitteln. Da die Befugnisse der Aufsichtsstelle in § 463a abschließend geregelt sind, konnte sie sich auch nicht der weitergehenden Befugnisse der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde – auch nicht im Rahmen der Amtshilfe – bedienen, die im Übrigen in § 457 auch die Ausschreibung zur Sicherstellung der Führungsaufsicht nicht einschließt.21 Dieser Rechtszustand war unbefriedigend. Der Gesetzgeber hat daher in Absatz 1 Satz 2 den Leiter der Führungsaufsichtsstelle mit der Befugnis ausgestattet, bei unbekanntem Aufenthalt des Verurteilten dessen Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (§ 131a Abs. 1) anzuordnen. Für die Maßnahme gelten die zu § 131a Abs. 1 bestehenden Grundsätze, insbesondere auch die Zulässigkeit der Ausschreibung in allen Fahndungshilfsmitteln der Strafverfolgungsbehörden (§ 131a Abs. 5). Einer Bestätigung durch die Staatsanwaltschaft, wie sie in § 131c Abs. 2 Satz 2 für Maßnahmen vorgesehen ist, die durch die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft getroffen worden sind, bedarf es nicht, weil die alleinige Anordnungskompetenz dem Leiter der Führungsaufsichtsstelle zusteht.22 Für die Anordnung der Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eine Anordnung der Ausschreibung hat mithin zu unterbleiben, wenn mildere Maßnahmen wie etwa Nachfrage bei der Meldebehörde oder sonstige Erkundigungen ausreichen, um den Aufenthaltsort des Verurteilten zu ermitteln. 5. Polizeiliche Beobachtung (Absatz 2). Nach Absatz 2 kann die Aufsichtsstelle zur 10 sachgerechten Erfüllung ihrer Überwachungsaufgaben für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit anordnen, dass der Verurteilte zur Beobachtung anlässlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen, ausgeschrieben wird. Aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 163e Abs. 2 durch § 463a Abs. 2 Satz 2 lässt der Gesetzgeber auch zu, dass die Beobachtung auf das amtliche Kennzeichen des auf den Verurteilten zugelassenen oder von ihm benutzten Kraftfahrzeugs erstreckt wird. Ausgenommen bleibt jedoch die Beobachtung, Registrierung oder Meldung von Kontakt- oder Begleitpersonen.23 Zuständig für die Anordnung ist der Leiter der Führungsaufsichtsstelle (Satz 3). 11 Er trifft seine Entscheidung regelmäßig im Einvernehmen mit dem Gericht unter Beteiligung des Bewährungshelfers.24 Dabei hat er auch zu prüfen, ob dem Verurteilten die Anordnung der polizeilichen Beobachtung vorab bekannt zu geben ist oder etwa verdeckt bleiben soll. Nach Sinn und Zweck der Führungsaufsicht schon wegen des sonst möglichen Vertrauensverlustes zwischen Bewährungshelfer und Verurteiltem sollte die Bekanntgabe die Regel sein und die Nichtbekanntgabe auf Fälle der besonderen Gefährlichkeit oder Wiederholungsanfälligkeit des Verurteilten beschränkt werden.25 Die

20 21 22 23 24 25

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Bringewat 8. BTDrucks. 16 1993 S. 25. BTDrucks. 16 1993 S. 24 f. KK/Appl 5a; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 13. Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 12. Rieß NJ 1992 497; Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 12.

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Entscheidungsbefugnis des Leiters der Führungsaufsichtsstelle steht – anders als im Fall des § 163e Abs. 4 Satz 1 – nicht unter einem Richtervorbehalt.26 Wegen der einschneidenden Folgen, die die Anordnung der polizeilichen Beobach12 tung für den Verurteilten bedeuten, gebietet Satz 4, dass entsprechend der Befristung in § 163e Abs. 4 Satz 5 die Erforderlichkeit der Fortdauer der Maßnahme mindestens jährlich zu überprüfen und wenn sie zu verneinen ist, unverzüglich aufzuheben ist. Die Anordnung der polizeilichen Beobachtung nach Absatz 2 betrifft die Ausgestaltung der Führungsaufsicht. Für die Entscheidung über die Aufrechterhaltung dieser Anordnung ist das nach § 68a StGB zur Durchführung der Führungsaufsicht berufene Gericht zuständig.27 6. Vorführungsbefehl. Die Durchsetzbarkeit von im Rahmen der Führungsaufsicht erteilten Weisungen hat in der Praxis regelmäßig ein Problem dargestellt. Abgesehen von der Strafdrohung des § 145a StGB, die nicht wirklich effektiv war und ist, standen nach dem früheren Recht der Aufsichtsstelle keine effektiven Mittel zur Verfügung, auf die verurteilte Person einzuwirken, die ihr erteilten Weisungen auch zu erfüllen. Mit dem Absatz 3 besteht nunmehr für die Aufsichtsstelle die Möglichkeit, bei Gericht einen Antrag auf Erlass eines Vorführungsbefehls zu stellen, wenn der Verurteilte einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StGB, sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder dem Bewährungshelfer zu melden, oder einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StGB, sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einem Arzt, Psychotherapeuten oder in einer forensischen Ambulanz vorzustellen, ohne genügende Entschuldigung nicht nachgekommen ist und er in der Ladung schon darauf hingewiesen wurde, dass in diesem Fall seine Vorführung zulässig ist. Der Erlass eines Vorführungsbefehls setzt mithin eine Ladung zu einer der in § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 oder 11 StGB bezeichneten Stelle mit Belehrung über die Folgen bei Nichterscheinen, das Fernbleiben des Verurteilten zu dem Termin ohne genügende Entschuldigung sowie einen Antrag der Führungsaufsichtsstelle auf Erlass eines Vorführungsbefehls bei Gericht voraus. 14 Ob der Verurteilte einer ihm erteilten Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nr. 7 oder 11 StGB nicht nachgekommen ist, lässt sich nur feststellen, wenn diejenigen Stellen, bei denen er zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Zeitabständen nach dem die Führungsaufsicht anordnenden Beschluss zu erscheinen hat, sein Fernbleiben sowie eine Abschrift der an den Verurteilten abgesandten Ladung nebst dem Nachweis über die Zustellung der Ladung unverzüglich der Aufsichtsstelle mitteilen und die zur Begründung eines unentschuldigten Fernbleibens erforderlichen Unterlagen (Ladung mit Belehrung über die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens, Nachweis über die Zustellung der Ladung) vorlegen. Die Vorlage dieser Schriftstücke an die Aufsichtsstelle ist stets erforderlich, denn andernfalls kann Letztere ihren Antrag auf Erlass eines Vorführungsbefehls nicht begründen und das Gericht nicht prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Vorführungsbefehls überhaupt vorliegen. In der Praxis mangelt es oftmals an dem Zustellungsnachweis. 15 Ob der Verurteilte ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben ist, bestimmt sich nach den zu § 230 Abs. 2 und § 329 Abs. 2 entwickelten Rechtsgrundsätzen.28 In der Praxis wird zu bedenken sein, dass im Falle von Weisungen nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 11 StGB die Ladung nebst Hinweis auf die Folgen unentschuldigten Fernblei13

26 Bringewat 14. 27 OLG München NStZ-RR 2007 287; OLG Brandenburg Beschl. vom 30.4.2008 − 1 Ws 89/08. 28 BTDrucks. 16 1993 S. 25.

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bens stets in einer für den Verurteilten verständlichen Sprache zu erfolgen hat, andernfalls in der Regel nicht mit der erforderlichen Sicherheit wird festgestellt werden können, dass der Verurteilte ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen ist. Eine besondere Form schreibt Absatz 3 Satz 1 für den Antrag auf Erlass eines Vor- 16 führungsbefehls nicht vor. Es versteht sich aber von selbst, dass der Antrag schriftlich oder in sonstiger Weise im Führungsaufsichtsheft (z. B. bei besonderer Eilbedürftigkeit bei fernmündlich gestelltem Antrag in Form eines schriftlichen Aktenvermerks oder auch durch den Ausdruck einer dem Gericht mit dem Antrag übermittelten E-Mail) dokumentiert werden muss. Für den Vorführungsbefehl gelten die zu § 230 Abs. 2 insoweit entwickelten Grund- 17 sätze. Der Vorführungsbefehl ist schriftlich auszufertigen und dem Verurteilten nach § 35 Abs. 2 Satz 2 formlos in einer für ihn verständlichen Sprache bekannt zu machen. Zulässig und insbesondere zweckmäßig ist es, die Bekanntmachung erst mit dem Vollzug des Vorführungsbefehls vorzunehmen, um sicherzustellen, dass sich der Verurteilte der Vorführung nicht entzieht. Zur Vollstreckung der Vorführung des Verurteilten, nämlich seiner Verbringung zur Aufsichtsstelle, einer anderen Dienststelle, zum Bewährungshelfer, Psychotherapeuten oder in die forensische Ambulanz darf sich die Aufsichtsstelle der Polizei bedienen (§ 463a Abs. 1). Sie darf den Vorführungsbefehl nicht nach § 36 Abs. 2 der Staatsanwaltschaft zur Vollstreckung übersenden, weil es sich bei der Aufsichtsstelle nicht um ein Gericht handelt. § 457 umfasst lediglich einen von der Staatsanwaltschaft selbst als Vollstreckungsbehörde erlassenen Vorführungsbefehl, nicht aber einen solchen zur Durchsetzung von Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht. 7. Elektronische Aufenthaltsüberwachung (Absatz 4) a) Zweck der Regelung. Die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009,29 die seit dem 18 10.5.2010 endgültig ist, wonach die Vollstreckung in sogenannten Altfällen in der Sicherungsverwahrung wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK für konventionswidrig erklärt wurde, hat nicht nur den Gesetzgeber vor die Herausforderung einer dem Abstandsgebot genügenden konventions- und verfassungskonformen Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung gestellt. In Folge der Entscheidung des EGMR hat eine von den Landesjustizverwaltungen eingeleitete Prüfung ergeben, dass etliche bis dahin in der Sicherungsverwahrung untergebrachte Personen als Altfälle einzustufen sind, bei denen eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor dem 31.1.1998 erstmals angeordnet wurde und seit mehr als zehn Jahren vollstreckt wird und die nunmehr von der nachträglichen Unbefristetheit der Unterbringungsdauer betroffen sind, die der EGMR für konventionswidrig erachtet hat. In einigen dieser Altfälle ist es in der Folgezeit zur Entlassung von Untergebrachten aus der Sicherungsverwahrung unter Anordnung der Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 3 Satz 2 StGB a. F. und n. F.) gekommen.30 In diesen Fällen erfolgte eine personalressourcenintensive ununterbrochene Überwachung der verurteilten Personen durch die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr. Der Gesetzgeber hat die Forderungen der Justiz- und Innenminister31 nach neuen Regelun29 NJW 2010 2495 mit Anm. Eschelbach = StV 2010 181 mit Anm. H. E. Müller StV 2010 207; Kinzig NStZ 2010 233. 30 BGH StV 2010 482 mit Anm. Ahmed StV 2010 574; Brauneisen StV 2011 311; BTDrucks. 17 3403 S. 14. 31 Vgl. Ergebnisse der 190. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 27./28.5.2010 TOP 17 sowie Ergebnisse der 81. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 23./24.6.2010 in Hamburg TO II. 1 und II. 2.

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gen über eine elektronische Überwachung des Aufenthalts im Rahmen der Führungsaufsicht zeitnah aufgegriffen. 19 Die Neuregelung zur elektronischen Überwachung des Aufenthaltsortes bezieht sich nicht nur auf die sogenannten Altfälle, auch wenn sie Anlass für die gesetzgeberischen Aktivitäten waren, sondern geht darüber hinaus, denn der Regelungsgehalt ist nicht auf die Altfälle begrenzt. Dem Gesetzgeber kam es darauf an, mit der Einführung der elektronischen Überwachung des Aufenthaltsortes ein neues Standardinstrumentarium in das Recht der Führungsaufsicht einzuführen32 und damit das Recht der Führungsaufsicht weiter auszubauen.33 Die elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes im Rahmen der Führungsauf20 sicht greift erheblich in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ein. Um der Rechtsprechung des BVerfG34 zur Rechtfertigung eines solchen Grundrechtseingriffs zu genügen, bedarf es verfahrensrechtlicher Absicherungen. Absatz 4 sieht insoweit einen begrenzten Umfang der Datenerhebung und -speicherung, eine enge Zweckbindung (Satz 2) und Regelungen zur Sicherung derselben (Sätze 3 und 4), Löschungspflichten (Sätze 5 und 7) und die Bestimmung der Wohnung des Betroffenen als grundsätzlich erhebungsfreien Raum (Satz 1 2. Hs.) vor. Vor allem durch die enge Zweckbindung, die relativ kurze Speicherfrist und die Bestimmung der Wohnung des Betroffenen als grundsätzlich erhebungsfreien Raum soll sichergestellt werden, dass eine verfassungsrechtlich unzulässige „Rundumüberwachung“, mit der ein umfassendes Persönlichkeitsprofil erstellt werden könnte,35 unterbleibt. Da es sich bei der Führungsaufsicht nicht um eine Freiheitsentziehung handelt, 21 dürfte ein Verstoß gegen Art. 5 EMRK und auch gegen den vom EGMR bei der Sicherungsverwahrung beanstandeten Abstand zur Freiheitsstrafe nicht vorliegen. Damit gelten die Neuregelungen auch für solche Fallkonstellationen, bei denen eine verurteilte Person aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden soll oder auch bereits entlassen worden ist, weil – wie in dem vom EGMR entschiedenen Fall36 – die Sicherungsverwahrung seit mehr als zehn Jahren vollstreckt wird und die Anlasstat vor dem 31.1.1998 begangen wurde,37 denn in diesen Fällen tritt sowohl nach altem38 als auch nach geltendem Recht nach § 67d Abs. 3 Satz 2 StGB kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein. 22

b) Aufgaben der Aufsichtsstelle. Der neue Absatz 4 regelt abschließend unter anderem die Aufgaben der Aufsichtsstelle sowie den Umfang der Datenerhebung und -speicherung.

23

aa) Erhebung von Daten. Nach Absatz 4 Satz 1 1. Hs. ist es Aufgabe der Aufsichtsstelle, bei einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB die für die elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes erforderlichen Daten zu erheben. Die Regelung ergänzt damit § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12, Satz 3 und 4 StGB und § 68a Abs. 3 StGB, wonach die Aufsichtsstelle im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshilfe das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung von Weisungen überwacht. Die Datenerhebung umfasst grundsätzlich alle Aufenthaltsdaten einschließ32 33 34 35 36 37 38

Brauneisen StV 2011 311, 312. BTDrucks. 17 3403 S. 14. BVerfGE 109 279, 323; 112 304, 319; BVerfG BeckRS 2020 40592 und hierzu Muckel JA 2021 347. BTDrucks. 17 3403 S. 18 f. NJW 2010 2495. BTDrucks. 17 3403 S. 20. Vgl. § 67d Abs. 4 StGB i. d. F. des EGStGB 1974.

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lich der Daten über eine Beeinträchtigung der Erhebung.39 Der Gesetzgeber hat sich bewusst für eine solch umfassende Regelung entschieden, um sämtliche in Absatz 4 Satz 2 Nr. 1 bis 5 vorgesehenen Verwendungszwecke zu erfassen und die mit der Überwachung angestrebte spezialpräventiven Wirkungen erreichen zu können.40 Daher erhebt die Aufsichtsstelle insbesondere die Daten über den Aufenthaltsort der verurteilten Person auch, um deren jeweiligen Aufenthaltsort feststellen zu können, sofern dies zur Abwendung einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben, persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter erforderlich ist (Absatz 4 Satz 2 Nr. 4) oder um nachträglich den Aufenthaltsort feststellen zu können, wenn gegen den Verurteilten der Verdacht einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art oder einer Straftat nach § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB, besteht (Absatz 4 Satz 2 Nr. 5). Der Befugnis zur Erhebung von Daten über etwaige Beeinträchtigungen der Da- 24 tenerhebung bedarf es, um Verstöße gegen eine nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB erteilte Weisung feststellen zu können, aber auch, um davon unabhängig Funktionsbeeinträchtigungen des Geräts zeitnah erkennen zu können, die etwa eine Reparatur oder Neueinstellung des von der verurteilten Person mitgeführten Geräts erforderlich machen. bb) Speicherung von Daten. Absatz 4 Satz 1 enthält zugleich die gesetzliche 25 Grundlage für die Speicherung der mit Hilfe der von der verurteilten Person mitgeführten technischen Mittel erhobenen Daten über deren Aufenthaltsort sowie etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung. Erhobene Daten werden grundsätzlich gespeichert. c) Umfang der Datenerhebung und – speicherung. Der Umfang der Datenerhe- 26 bung und -speicherung ist durch Absatz 4 Satz 1 gesetzlich beschränkt. aa) Daten über den Aufenthaltsort der verurteilten Person. Nach § 68b Abs. 1 27 Satz 1 Nr. 12 StGB kann das Gericht die verurteilte Person für die Dauer der Führungsaufsicht anweisen, die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen. Nach § 68b Abs. 1 Satz 2 StGB ist das Gericht verpflichtet, das verbotene oder verlangte Verhalten genau zu bestimmen. Die Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB muss darüber hinaus erforderlich erscheinen, die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach Absatz 4 Satz 2 von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art oder einer Straftat nach § 129a Abs. 5 StGB, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB, abzuhalten. Das Gericht kann daher Ge- und Verbotszonen nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 StGB festlegen. Die Definition derartiger Ge- und Verbotszonen mit aufenthaltsbeschränkenden Weisungen in Verbindung mit einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung wirkt daher spezialpräventiv. Nach Absatz 4 Satz 1 2. Hs. dürfen jedoch keine über den Umstand der Anwesenheit der verurteilten Person in der Wohnung hinausgehende Aufenthaltsdaten erhoben und gespeichert werden. Es ist daher nicht zulässig, Daten über den genauen Aufenthaltsort in der Wohnung (z. B. Bad, Schlafzimmer) zu erheben und zu speichern. Diese Regelung soll sicherstellen, dass die elektronische Aufenthaltsüberwachung nicht zu einem unzulässigen 39 BTDrucks. 17 3403 S. 43. 40 BTDrucks. 17 3403 S. 43; BGH NStZ 2014 203; OLG Nürnberg NStZ 2015 167.

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Eingriff in den Kernbereich privater Lebensgestaltung41 führt.42 Soweit technisch derartige Daten nicht von der Erhebung und Speicherung ausgenommen werden können, stellt die Regelung in Absatz 4 Satz 7 aber sicher, dass diese erhobenen (und gespeicherten) Daten nicht verwertet werden dürfen und unverzüglich nach Kenntnisnahme zu löschen sind. 28

bb) Daten über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung. Eine Erhebung und Speicherung von Daten ist auch über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung erforderlich. Die eingesetzten technischen Mittel, die dem technischen Fortschritt unterfallen, können aus technischen Gründen und/oder bei nicht sachgerechter Verwendung in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden. In einem solchen Fall muss die Aufsichtsstelle von sich aus in der Lage sein, diesen Mangel unverzüglich zu erkennen und beheben zu können.

29

d) Zweckbindung der Verwendung der Daten (Satz 2). Die nach Satz 1 erhobenen und gespeicherten Daten dürfen ohne Einwilligung der betroffenen Person nach Satz 2 nur unter der dort abschließend geregelten Zweckbindung verwendet werden. Danach ist eine Verwendung nur zulässig, um einen Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB feststellen (Satz 2 Nr. 1), darauf mit Maßnahmen der Führungsaufsicht (Satz 2 Nr. 2) oder der Strafverfolgung (Satz 2 Nr. 3) reagieren zu können sowie um eine akute und schwere Gefährdung abzuwenden (Satz 2 Nr. 4) oder eine schwere Straftat im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB oder eine Straftat nach § 129a Abs. 5 StGB, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB, zu verfolgen.43

30

aa) Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB (Satz 2 Nr. 1). Absatz 4 Satz 2 Nr. 2 gestattet die Verwendung der erhobenen Aufenthaltsdaten auch ohne Einwilligung der betroffenen Person zur Feststellung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB. Die Daten können damit nicht nur zur Überwachung angeordneter Aufenthaltsbeschränkungen nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StGB verwandt werden. Es ist vielmehr auch zulässig, sie zur Kontrolle einzusetzen, ob die verurteilte Person den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle verlassen hat (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) oder sich an einem bestimmten Ort aufgehalten hat, der ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten kann (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) oder ob die verurteilte Person der erteilten Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB nachkommt und die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel auch tatsächlich ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich führt und deren Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Die nach Absatz 4 Satz 2 Nr. 1 erhobenen Daten dürfen auch dazu verwendet werden, eine nicht von der verurteilten Person vorsätzlich und schuldhaft herbeigeführte Funktionsbeeinträchtigung festzustellen, um diese – durch Reparatur oder Austausch des technischen Mittels – zu beseitigen.44 Ein strafbewehrter Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB setzt nämlich stets die uneingeschränkte Funktionsfähigkeit des eingesetzten technischen Mittels voraus.

41 42 43 44

BVerfGE 109 279 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt § 100c, 13 ff. BTDrucks. 17 3403 S. 44. BTDrucks. 17 3403 S. 18. BTDrucks. 17 3403 S. 44.

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Zur Feststellung von Verstößen nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StGB müs- 31 sen die Standortkoordinaten festgestellt werden, aus denen sich der Aufenthaltsort der verurteilten Person innerhalb des vom Gericht festgesetzten Bereichs sowie der Zeitpunkt der Datenerhebung ergeben. Bei einem Verstoß gegen § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB müssen diejenigen Daten festgestellt werden, aus denen sich ergibt, dass die verurteilte Person entweder das technische Mittel nicht mehr bei sich führt oder dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt hat. Die erhobenen Daten können auch zum Nachweis verwendet werden, dass die verurteilte Person eine technische Störung des eingesetzten technischen Mittels nicht zu vertreten hat und damit ihrer Entlastung dienen. bb) Ergreifung von Maßnahmen der Führungsaufsicht bei einem Verstoß ge- 32 gen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1, 2 oder 12 StGB (Satz 2 Nr. 2). Satz 2 Nr. 2 knüpft an Nr. 1 an und regelt, dass die erhobenen Daten verwendet werden dürfen, um nach einem festgestellten Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB Maßnahmen der Führungsaufsicht ergreifen zu können, etwa durch eine neue Weisung, Änderung oder Aufhebung einer Weisung nach § 68d Abs. 1 StGB. cc) Ahndung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 33 Nr. 1, 2 oder 12 StGB (Satz 2 Nr. 3). Absatz 4 Satz 2 Nr. 3 regelt, dass die erhobenen und gespeicherten Daten zur Ahndung eines Verstoßes gegen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB verwendet werden dürfen. Die Standortkoordinaten, aus denen sich der Aufenthaltsort der verurteilten Person zu einem bestimmten erhobenen Zeitpunkt ergibt, dürfen damit zur Begründung eines Anfangsverdachts (§ 152 Abs. 2) für eine Straftat nach § 145a StGB verwendet werden. dd) Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die kör- 34 perliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter (Satz 2 Nr. 4). Die Regelung gestattet die Verwendung der erhobenen und gespeicherten Daten zum Zwecke der Gefahrenabwehr und greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Die Verwendungsregelung verfolgt alleine den Zweck, eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter abzuwenden. Der Begriff der Erheblichkeit ist im Strafgesetzbuch nicht einheitlich.45 Die Erheblichkeit kann sich aus der Art einer drohenden Straftat ergeben, so wenn es sich um zu erwartende Verbrechen handelt.46 Bei zu erwartenden Gewalt- und Aggressionsdelikten wird die Erheblichkeitsschwelle in der Regel überschritten sein. Eine zu erwartende Bagatelltat wird hingegen keine erhebliche Gefahr begründen. Letztlich wird es in Grenzbereichen regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls abhängen, wobei den strafrechtlichen Vorbelastungen und der Rückfallgeschwindigkeit sowie der Art der Rückfälle der verurteilten Person eine Indizwirkung für die Erheblichkeit der von ihr ausgehenden Gefahr zukommt. Die Verwendung der erhobenen und gespeicherten Daten zur Gefahrenabwehr 35 dürfte nicht den Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzen.47 Der Gesetzgeber geht davon aus, dass allein das Wissen um den jeweiligen Aufenthaltsort keine umfassende Kenntnis von die verurteilte Person betreffenden Vorgängen höchstpersönlicher

45 Fischer § 63, 26 ff. StGB. 46 BGH NStZ 2008 210, 212; 2009 689 f.; NStZ-RR 2011 271, 272. 47 BTDrucks. 17 3403 S. 45 (keine Verletzung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung).

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Art ermöglicht,48 weil mit der Ortskenntnis jeweils nicht auch die Kenntnis verbunden ist, womit sich die verurteilte Person an dem jeweiligen Ort gerade beschäftigt. 36 Eine erhebliche gegenwärtige Gefahr liegt dann vor, wenn bei natürlicher Weiterentwicklung der Dinge der Eintritt einer Rechtsgutverletzung sicher oder doch höchstwahrscheinlich ist, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden, oder wenn der ungewöhnliche Zustand nach menschlicher Erfahrung und natürlicher Weiterentwicklung der gegebenen Sachlage jederzeit in eine Rechtsgutverletzung umschlagen kann.49 Eine gegenwärtige Gefahr kann auch schon dann gegeben sein, wenn die Angriffshandlung noch nicht begonnen hat.50 Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Begriff der Gegenwärtigkeit i. S. v. § 34 StGB entwickelten Rechtsgrundsätze sind bei der Auslegung des Begriffs der erheblichen gegenwärtigen Gefahr nach Absatz 4 Satz 2 Nr. 4 entsprechend heranzuziehen. Im Gegensatz zum Begriff der Gegenwärtigkeit eines Angriffs i. S. v. § 32 Abs. 2 StGB setzt die Gegenwärtigkeit einer Notstandsgefahr nämlich nicht unbedingt voraus, dass die Rechtsgutverletzung in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu der Ausgangssituation einzutreten droht.51 Gegenwärtig ist auch eine von der verurteilten Person ausgehende Dauergefahr,52 die jederzeit, also auch alsbald, in eine Rechtsgutverletzung umschlagen kann, auch wenn offen ist, ob sie noch eine Zeit lang auf sich warten lässt. Eine Dauergefahr kann dann eine gegenwärtige Gefahr darstellen, wenn der Eintritt der drohenden Rechtsgutverletzung zwar erst nach Ablauf einer gewissen Zeit zu erwarten ist, aber ein unverzügliches Handeln angezeigt ist, um ihr wirksam begegnen zu können (z. B. bei einem völlig unberechenbaren Verhalten eines psychisch kranken Verurteilten). Eine erhebliche gegenwärtige Gefahr liegt insbesondere bei Ausnahmesituationen wie etwa der Entführung eines Kindes vor, deren der Verurteilte verdächtigt wird.53 Sie kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. So können aktuelle Berichte des Bewährungshelfers, aber auch von Mitarbeitern der forensischen Ambulanz (§ 68a Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 StGB), die – zureichende tatsächliche – Anhaltspunkte einer erheblichen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter enthalten, Anlass geben, die erhobenen und gespeicherten Aufenthaltsdaten zu verwenden. 37 Die Regelung des Absatz 4 Satz 2 Nr. 4 ist gegenüber § 483 Abs. 1 lex specialis, denn sie enthält eine besondere Verwendungsregelung gegenüber § 483 Abs. 1, der unter anderem der Aufsichtsstelle gestattet, personenbezogene Daten in Dateien zu speichern, verändern und zu nutzen, soweit dies für Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist. Die sich aus Absatz 4 Satz 2 Nr. 4 ergebende Zweckbindung ist insbesondere bei der Datenübermittlung an die Polizei und deren dortige Verwendung zu beachten (vgl. § 487 Abs. 1 i. V. m. § 477 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 487 Abs. 6 Satz 1 sowie § 481 Abs. 2).54 38

ee) Verfolgung einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art (Satz 2 Nr. 5). Absatz 4 Satz 2 Nr. 5 gestattet die Verwendung der erhobenen und gespeicherten Aufenthaltsdaten nur zum Zwecke der Verfolgung einer Straftat der in § 66 48 BTDrucks. 17 3403 S. 45. 49 BGHSt 5 371, 373; BGH NJW 1989 176 und 1289 jeweils zu § 255 StGB; Fischer § 34, 7; MüKo-StGB/Erb § 34, 78 ff. BGHSt 39 133, 137. MüKo-StGB/Erb § 32, 105 und § 34, 78. BGHSt 48 255. BTDrucks. 17 3403 S. 45. BTDrucks. 17 3403 S. 45.

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Abs. 3 Satz 1 StGB55 genannten Art. Der Bereich der mittleren und einfachen Kriminalität ist bewusst nicht erfasst worden. Die Daten über den Aufenthaltsort einer verurteilten Person dürfen mithin nachträglich auch für andere Strafverfahren ausgewertet werden, wenn der Verdacht besteht, dass sie mit einer solchen Straftat in Verbindung stehen könnte und nun ermittelt werden soll, wo sie sich zur mutmaßlichen Tatzeit aufhielt.56 Ein Anfangsverdacht gegen die verurteilte Person wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB ist im Zeitpunkt der Datenabfrage noch nicht erforderlich. Dies ist weder dem Wortlaut von Absatz 4 Satz 2 Nr. 5 noch dem Willen des Gesetzgebers zu entnehmen.57 Die Möglichkeit einer Verwendung der Aufenthaltsdaten soll zum einen die Tataufklärung und die Strafverfolgung ermöglichen oder erleichtern. Zum anderen aber soll das Wissen um eine sehr hohe Gefahr einer Tatentdeckung spezialpräventiv wirken und die überwachte Person davon abhalten, Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art zu begehen.58 Die Verwendungsregelung bedingt zugleich eine Verwendungsbeschränkung. 39 Sofern die Aufenthaltsdaten zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt in einer Datei im Sinne von § 483 Abs. 1 gespeichert sind, ist eine Datenübermittlung nach § 487 Abs. 1 i. V. m. § 477 Abs. 2 Satz 1 nur dann zulässig, wenn wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art ermittelt wird. Die Ermittlungen können sich gegen Unbekannt richten. Ein Anfangsverdacht gegen den Verurteilten wegen einer neuen, während der Führungsaufsicht begangenen Straftat nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB ist nicht erforderlich. Bei der ermittelnden Behörde, insbesondere Polizeibehörden und Staatsanwaltschaft, darf nach § 160 Abs. 4 nur dann um Auskunft nach den Aufenthaltsdaten ersucht werden, wenn Gegenstand des Ermittlungsverfahrens eine Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art ist. Soweit die entsprechenden Aufenthaltsdaten in den Akten vermerkt sind, findet § 477 Abs. 2 Satz 1 direkte Anwendung und führt dazu, dass eine Akteneinsicht bzw. Auskunftserteilung nach § 474 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 17 Nr. 1 EGGVG und § 479 Abs. 1 beschränkt ist. Die um Akteneinsicht oder Auskunft nachsuchende Behörde hat daher Absatz 4 Satz 2 Nr. 5 über § 160 Abs. 4 zu beachten.59 Die Verwendungsregelung ist damit enger, als dies der in § 477 Abs. 2 Satz 2 (auch i. V. m. § 487 Abs. 1 Satz 2) und der in § 161 Abs. 2 Satz 1 enthaltene Grundgedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs zulassen würde.60 Die Beschränkung der Verwendungsregelung rechtfertigt sich mit dem systematischen Argument, dass eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB unter anderem nur wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art zulässig ist (§ 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 StGB) und insoweit die Gefahr weiterer entsprechender Straftaten (§ 68b Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und 4 StGB) besteht. Darüber hinaus soll die Beschränkung der Verwendungsregelung zur Verhältnismäßigkeit der Gesamtregelung beitragen.61 ff) Straftat nach § 129a Abs. 5 Satz 2, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB. Mit den 40 Änderungen in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB und § 68b Abs. 1 Satz 5 StGB durch Ergänzung des Katalogs der möglichen Vor- und Anlasstaten für die fakultative Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB um § 89a Abs. 1 bis 3 StGB (Vorbereitung einer schwe55 56 57 58 59 60 61

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Vgl. hinsichtlich der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Straftaten Fischer § 66, 15 ff. StGB. BTDrucks. 17 3403 S. 45. BTDrucks. 17 3403 S. 45. BTDrucks. 17 3403 S. 45. BTDrucks. 17 3403 S. 46. BTDrucks. 17 3403 S. 46. BTDrucks. 17 3403 S. 46.

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ren staatsgefährdenden Straftat), § 89c Abs. 1 bis 3 StGB (Terrorismusfinanzierung, die sich nicht auf geringfügige Vermögenswerte bezieht) sowie § 129a Abs. 5 Satz 1 1. Alt. StGB, auch i. V. m. § 129b StGB durch Art. 1 des 53. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern – vom 11.6.201762 wurde, um einen Gleichklang mit den Änderungen in § 68b Abs. 1 Satz 5 StGB herzustellen, eine Erweiterung des Absatzes 4 Satz 2 Nr. 5 erforderlich.63 41

gg) Verwendung mit Einwilligung der betroffenen Person (Satz 2 1. Hs.). Nach Absatz 4 Satz 2 1. Hs. dürfen die erhobenen Aufenthaltsdaten über die in Absatz 4 Satz 2 2. Hs. Nr. 1 bis 5 geregelten Zwecke hinaus mit Einwilligung der betroffenen Person für sonstige Zwecke verwendet werden. Insoweit kann eine Verwendung zur Aufklärung von nicht in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Straftaten Betracht kommen.64 Eine solche Einwilligung sollte schriftlich nach vorheriger Belehrung über die Freiwilligkeit und Folgen einer Einwilligung erfolgen.

42

hh) Sicherstellung der Zweckbindung (Sätze 3 und 4). Absatz 4 Satz 3 schreibt zwingend vor, dass die Verarbeitung der Aufenthaltsdaten nach Feststellung von Weisungsverstößen nach Absatz 4 Satz 2 Nr. 1 i. V. m. mit § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 StGB automatisiert zu erfolgen hat. Die Vorschrift soll zusammen mit der in Satz 1 enthaltenen Pflicht zur automatisierten Datenerhebung und -speicherung sicherstellen, dass die Aufsichtsstelle im „Normalbetrieb“ einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung nur von solchen Daten erfährt, die auf einen solchen Verstoß hinweisen, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine anderweitige Verwendung der Aufenthaltsdaten nach Absatz 4 Satz 2 Nr. 4 oder 5 gegeben sind. In der Praxis bedeutet dies, dass das System grundsätzlich nur dann ein Alarmsignal abgibt, wenn es Hinweise auf einen Weisungsverstoß gibt. Durch technische Vorkehrungen muss daher verhindert werden, dass der Aufenthaltsort des Verurteilten unabhängig von etwaigen Weisungsverstößen oder den Voraussetzungen nach Absatz 4 Satz 2 Nr. 4 oder 5 jederzeit oder gar fortlaufend kontrolliert werden kann.65

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(1) Besondere Sicherung gegen unbefugte Kenntnisnahme. Die besondere Sicherung der Daten nach Absatz 4 Satz 3 2. Hs. gegen unbefugte Kenntnisnahme hat nach den Vorgaben von § 22 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BDSG zu erfolgen. Es müssen die dort beschriebenen Maßnahmen, die sich unter anderem auf die Zutritts-, Zugangs- und Zugriffskontrolle beziehen, eingehalten werden. Dabei ist ein dem Stand der Technik entsprechendes Verschlüsselungsverfahren zu nutzen.66 Dadurch ist sicherzustellen, dass nur ein begrenzter, mit der Aufgabenerfüllung befasster Personenkreis Zugriff auf die erhobenen Aufenthaltsdaten haben kann.67

44

(2) Übertragung der Datenerhebung und -verarbeitung auf die Behörden und Beamten des Polizeidienstes. Absatz 4 Satz 4 ermöglicht es der Aufsichtsstelle, über Absatz 1 hinaus die Erhebung und Verarbeitung der Aufenthaltsdaten durch die Behör-

62 63 64 65 66 67

BGBl. I S. 1612. BTDrucks. 18 11162 S. 12. BTDrucks. 17 3403 S. 46. BTDrucks. 17 3403 S. 46. BTDrucks. 17 3403 S. 46. BTDrucks. 17 3403 S. 46.

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den und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen. Diese sind verpflichtet, dem Ersuchen der Aufsichtsstelle zu entsprechen. (3) Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL). Mit 45 Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder haben die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und NordrheinWestfalen eine Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL) gebildet, die bei der Gemeinsamen IT-Stelle der Hessischen Justiz (GIT) angesiedelt ist. Inzwischen sind alle Länder dem Staatsvertrag beigetreten. Nach Art. 2 Abs. 1 des Staatsvertrags haben die Länder der GÜL die Aufgaben im 46 Zusammenhang mit der elektronischen Überwachung des Aufenthalts von Verurteilten übertragen, die der Führungsaufsicht unterstehen und denen eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 StGB erteilt wurde. Die GÜL hat den Echtbetrieb am 1.1.2012 aufgenommen. e) Protokollierungspflicht bei Datenabruf (Satz 6). Bei jedem Abruf der Aufent- 47 haltsdaten sind nach Satz 6 1. Hs. der Zeitpunkt, die abgerufenen Daten und der Bearbeiter verpflichtend zu protokollieren. Diese Regelung dient dem Datenschutz und ermöglicht eine nachträgliche Kontrolle, ob bei dem Abruf, der Kenntnisnahme sowie der Verwendung der Daten die Zweckbindung nach Absatz 4 Satz 2 beachtet worden und eine berechtigte Person tätig geworden ist. Darüber hinaus kommt der Regelung aber auch eine präventive Wirkung zu.68 Nach Absatz 4 Satz 6 2. Hs. gilt § 488 Abs. 3 Satz 5 entsprechend. Danach dürfen die Protokolldaten nur für die Kontrolle der Zulässigkeit der Abrufe verwendet werden und sind nach zwölf Monaten zu löschen. f) Löschung der Daten (Satz 5). Satz 5 schreibt eine Löschungspflicht der in Satz 1 48 genannten Daten spätestens zwei Monate nach ihrer Erhebung vor, soweit sie nicht für die in Satz 2 abschließend genannten Zwecke verwendet werden, also zur Feststellung und Ahndung von Weisungsverstößen nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 12 StGB, zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter oder zur Verfolgung einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art oder einer Straftat nach § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB, auch i. V. m. § 129b Abs. 1 StGB. Die Zweimonatsfrist ist erforderlich, um klären zu können, ob die erhobenen und gespeicherten Daten für die in Satz 2 genannten Zwecke noch benötigt werden. Für die Praxis erweist sich die Zweimonatsfrist als recht kurz. Die Frist beginnt mit der Erhebung der Daten zu laufen. Für die Fristberechnung ist § 43 Abs. 1 entsprechend anwendbar, nicht jedoch § 43 Abs. 2, da dies dem Sinn und Zweck der bewusst vom Gesetzgeber gewählten strikten Fristenregelung69 widersprechen würde. Die Frist von zwei Monaten ist allerdings für Ermittlungsbehörden zwingend erforderlich, denn vor allem bei der Verfolgung von Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art fallen Tatzeit und Kenntnis der Ermittlungsbehörden von der neuen Straftat oftmals zeitlich auseinander, z. B. weil bei einem Tötungsdelikt der Leichenfund erst deutlich nach der Tatbegehung erfolgt oder bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Verletzte nicht sogleich nach der Tat Strafanzeige erstatten.70 Schließlich kann es aber auch zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die persönli68 BTDrucks. 17 3403 S. 48. 69 BTDrucks. 17 3403 S. 47. 70 BTDrucks. 17 3403 S. 47.

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che Freiheit, etwa im Falle einer Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 3 und 4 StGB), eines erpresserischen Menschenraubes (§ 239a StGB) oder einer Geiselnahme (§ 239b StGB) erforderlich sein, die Aufenthaltsdaten der womöglich mit dem Entführungsopfer in Verbindung stehenden verurteilten Person, zurückverfolgen zu können, um so Hinweise zum eventuellen Aufenthaltsort des Opfers zu erlangen.71 Eine über die Frist von zwei Monaten hinausgehende Verwendung ist nur dann zulässig, wenn die Aufenthaltsdaten zu diesem Zeitpunkt bereits für einen der in Satz 2 genannten Zwecke verwendet werden. Eine darüberhinausgehende Speicherung der Aufenthaltsdaten auf Vorrat, weil diese unter Umständen später noch benötigt werden könnten, ist unzulässig. Ob die Zweimonatsfrist sich in der Praxis als ausreichend erweisen wird, wird künftiger Evaluation vorbehalten bleiben müssen. Aufenthaltsdaten, die für die Zwecke des Satzes 2 von den Ermittlungsbehörden benötigt werden, können über die Zweimonatsgrenze hinaus gespeichert und die Zwecke des Satzes 2 weiterverwendet werden. Soweit die Aufenthaltsdaten danach für strafprozessuale Zwecke (Absatz 4 Satz 2 Nrn. 1, 2, 3 und 5) verwendet werden, richtet sich die weitere Speicherung und Löschung der Aufenthaltsdaten nicht mehr nach Satz 5, sondern nach den §§ 483 ff. Nach § 489 Abs. 1 sind die Daten mit der Erledigung des Verfahrens (§ 489 Abs. 2 Satz 1) zu löschen. Die Aufenthaltsdaten dürfen dabei aber nicht für jeden strafprozessualen Zweck verwendet werden, sondern unterliegen der Verwendungsregelung von Absatz 4 Satz 2. Sofern die Aufenthaltsdaten für diese Zwecke nicht mehr benötigt werden, sind sie nach § 489 Abs. 1, 2 Satz 1 zu löschen. Werden die Aufenthaltsdaten für Zwecke der Gefahrenabwehr (Absatz 4 Satz 2 Nr. 4) verwendet, so richtet sich die weitere Speicherung und Löschung nach den einschlägigen Gefahrenabwehrgesetzen und nicht nach den §§ 483 ff. Dabei hat die für die Gefahrenabwehr zuständige Stelle, in der Regel die Polizeibehörden von Bund und Ländern, zu beachten, dass die Aufenthaltsdaten zweckgebunden nur zu dem in Absatz 4 Satz 2 Nr. 4 genannten Gefahrenabwehrzweck übermittelt wurden und daher nach § 487 Abs. 6 Satz 1 auch nur zu diesem Zweck verwendet werden dürfen.72 Im Übrigen richten sich die Befugnisse der Aufsichtsstelle zum Umgang mit den personenbezogenen (Aufenthalts-)Daten nach den §§ 474 ff. und §§ 483 ff., soweit sich aus Absatz 4 nichts Abweichendes ergibt.73 g) Löschung und Verwertung von über die Aufenthaltsdaten hinausgehende Daten (Satz 7) sowie Dokumentation der Datenlöschung (Satz 8). Satz 7 enthält ein Verwertungsverbot hinsichtlich solcher in der Wohnung der verurteilten Person erhobenen Daten, die über den Umstand ihrer Anwesenheit hinausgehen. Damit ist eine genaue Ortung und Verwertung von Daten, aus denen sich mehr Informationen ergeben als die bloße Anwesenheit der verurteilten Person, unzulässig.74 Sofern es technisch möglich ist, dürfen über den Umstand der Anwesenheit in der Wohnung hinausgehende Aufenthaltsdaten gar nicht erst erhoben werden. Wenn es jedoch nicht möglich sein sollte, eine differenzierende Datenerhebung technisch umzusetzen, dürfen die Daten zwar erhoben werden, unterliegen nach Satz 7 aber einer unverzüglichen Löschungspflicht nach Kenntnisnahme und darüber hinaus auch einem Verwertungsverbot.

71 72 73 74

BTDrucks. 17 3403 S. 47. BTDrucks. 17 3403 S. 47. BTDrucks. 17 3403 S. 47. BVerfGE 27 1, 6; BTDrucks. 17 3403 S. 44.

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Nach Satz 8 ist die Tatsache der Kenntnisnahme von über die Anwesenheit der 54 verurteilten Person hinausgehenden Aufenthaltsdaten innerhalb der Wohnung sowie die Löschung dieser Daten zu dokumentieren. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die elektronische Aufenthaltsüberwachung nicht in unzulässiger Weise in den Kernbereich privater Lebensgestaltung eingreift.75 Nicht zulässig ist es, durch die Dokumentationspflicht nach Satz 8 unzulässigerweise erhobene Aufenthaltsdaten in den Akten zu dokumentieren. Die aktenmäßige Dokumentation hat sich daher auf die Dokumentation der Kenntnisnahme zu löschender Daten unter Angabe von Datum und Uhrzeit der Kenntnisnahme sowie die Löschung zu beschränken. Es ist nicht zulässig, den darüberhinausgehenden Inhalt der zur Kenntnis genommenen Aufenthaltsdaten zu dokumentieren. Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht führt hinsichtlich derjenigen Daten, die nicht hätten dokumentiert werden dürfen, zu einem Verwertungsverbot (Satz 7). h) Praktische Durchführung der elektronischen Überwachung des Aufent- 55 haltsortes. Bei dem eingesetzten technischen Mittel handelt es sich um ein Gerät, das wasserdicht und stoßfest ist und oberhalb des Knöchels vom Verurteilten („Fußfessel“) getragen wird. Das Gerät wird über einen Akku betrieben und muss regelmäßig aufgeladen werden. Der Verurteilte wird über LED-Leuchten sowie einen Vibrationsalarm im Gerät über Ereignisse, z. B. einen zu niedrigen Ladezustand des Geräts, informiert. Beim Anlegen des Geräts oberhalb des Knöchels und unterhalb der Wade wird das Befestigungsband verschlossen. Es kann jetzt nicht mehr ohne eine Zerstörung des Bandes abgenommen werden. Im Falle einer Zerstörung des Befestigungsbandes, etwa wenn der Verurteilte das Gerät abnimmt, läuft ein Alarm in der Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder auf, die sodann mit dem Verurteilten Kontakt aufnimmt. In technischer Hinsicht wird die Überwachung durch die Hessische Datenzentrale (HZD) ununterbrochen im 24/7-Betrieb gewährleistet. Der Verurteilte kann mit Hilfe von GPS (Global Positioneering System) jederzeit 56 von der Zentrale der Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder geortet werden. Diese Ortung darf aus datenschutzrechtlichen Gründen nur im Alarmfall eingesehen werden. Es erscheint dann auf einer Karte ein roter Alarmpunkt, der den aktuellen Standort des Verurteilten anzeigt. Zugleich erscheinen grüne Pfeile, die den Weg des Verurteilten zum Ort des Alarms nachzeichnen. Sofern der Verurteilte vom Alarmort flieht, zeigt das System seinen Fluchtweg auf, wobei auch die jeweilige Uhrzeit aufgezeichnet wird. Des Weiteren werden die Geschwindigkeit des Verurteilten zum Alarmort und seine Fluchtgeschwindigkeit registriert. Dies kann insbesondere für die Polizei von Bedeutung sein, damit eingeschätzt werden kann, ob der Verurteilte zu Fuß oder mit einem Auto unterwegs ist. Ab dem Zeitpunkt des Anlegens des Geräts kann mithin der Aufenthalt der verurteilten Person nachvollzogen werden. Im System können Einschlusszonen hinterlegt werden, die der Verurteilte ohne 57 Erlaubnis der Aufsichtsstelle nicht verlassen darf. Sie können auch mit einem Zeitplan versehen werden. Soweit der Verurteilte die festgesetzte Zone ohne Erlaubnis verlassen sollte, wird ein Alarm ausgelöst. Im Falle einer Ausschlusszone darf er bestimmte Orte nicht betreten. Missachtet der Verurteilte die ihm vom Gericht auferlegten aufenthaltsbezogenen Weisungen, so wird neben der Ereignismeldung des Systems automatisch eine SMS an die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder versandt. Bei Eingang dieser Meldung ist der Verurteilte telefonisch anzusprechen und über sein Fehlverhalten aufzuklären. Auf diese Weise werden ihm die Konsequenzen seines Fehlverhaltens 75 BTDrucks. 17 3403 S. 44; BVerfGE 112 304, 319.

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sofort aufgezeigt. Unter Umständen kann auch ein sofortiges Einschreiten der Polizei erfolgen. 58

i) Anfechtung. Der verurteilten Person, die sich gegen die mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung verbundene Datenerhebung und -speicherung wenden will, steht das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 1 zu.76 Im Beschwerdeverfahren wird nur geprüft, ob die erteilte Weisung im Rahmen der Führungsaufsicht gesetzeswidrig ist. Eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Anordnung findet nicht statt.77

59

8. Örtliche Zuständigkeit (Absatz 5). Die örtliche Zuständigkeit der Aufsichtsstelle richtet sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz, ausnahmsweise nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Verurteilten. Diese an sich sachgerechte Zuständigkeitsregelung kann dann zu Unklarheiten führen, wenn der Verurteilte nach seiner Entlassung einen anderen Wohnsitz nimmt als den während der Entlassungsvorbereitungen angegebenen.78 Um insoweit Schwierigkeiten zu vermeiden, eine von der Aufsichtsstelle koordinierte wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen Gericht, Vollstreckungs-, Vollzugsund Strafverfolgungsbehörde, aber auch anderen Behörden sowie mit dem Bewährungshelfer zu gewährleisten, ist das Gericht deshalb berechtigt, den Verurteilten zu verpflichten, unmittelbar nach seiner Entlassung zu der Aufsichtsstelle Kontakt aufzunehmen, die für den von ihm angegebenen Wohnort zuständig ist.79

60

9. Gerichtliche Zuständigkeit. Das Gericht, mit dem die Aufsichtsstelle nach § 68a StGB zusammenzuwirken und das die während der Führungsaufsicht notwendigen Entscheidungen nach §§ 68b bis 68g StGB zu treffen hat, ist die Strafvollstreckungskammer, wenn Führungsaufsicht nach Entlassung aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel nach § 67c Abs. 1 Satz 1 2. Hs., § 67d Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 Satz 2 oder nach § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB kraft Gesetzes eintritt (§ 463 Abs. 7, § 462a Abs. 1).80 Dagegen ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig, wenn der Verurteilte sich vor dem Eintritt der Führungsaufsicht nicht im Vollzug befunden hat (§ 67b Abs. 2, § 67c Abs. 2 Satz 4 letzter Hs. StGB).81

§ 463b Beschlagnahme von Führerscheinen (1) Ist ein Führerschein nach § 44 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Strafgesetzbuches amtlich zu verwahren und wird er nicht freiwillig herausgegeben, so ist er zu beschlagnahmen.

76 LR/Graalmann-Scheerer § 463, 5. 77 OLG Karlsruhe StV 2010 643; OLG Rostock NStZ 2011 521; OLG Bamberg StV 2012 737; OLG Nürnberg NStZ 2015 167; OLG Dresden NStZ-RR 2015 208. 78 Glasenapp ZRP 1979 33; KK/Appl 6; Bringewat 15. 79 KK/Appl 6; Meyer-Goßner/Schmitt 10. 80 OLG Bremen MDR 1980 512; OLG Karlsruhe Justiz 1980 330; OLG Schleswig MDR 1981 1034; OLG Zweibrücken GA 1986 424; KK/Appl 8; a. A. OLG Düsseldorf MDR 1981 70; OLG München NStZ 1984 314 mit Anm. Bruns. 81 Wegen weiterer Einzelheiten KK/Appl 9; Meyer-Goßner/Schmitt 1 und Bringewat § 463, 11 ff.

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(2) Ausländische Führerscheine können zur Eintragung eines Vermerks über das Fahrverbot oder über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre (§ 44 Abs. 2 Satz 4, § 69b Abs. 2 des Strafgesetzbuches) beschlagnahmt werden. (3) 1Der Verurteilte hat, wenn der Führerschein bei ihm nicht vorgefunden wird, auf Antrag der Vollstreckungsbehörde bei dem Amtsgericht eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib abzugeben. 3§ 883 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend. Schrifttum Engel Vollstreckung von Fahrverboten unter Berücksichtigung der neuen Gesetzeslage, auch Fragen der Beschlagnahme und Hausdurchsuchung, DAR-Extra 2017 752; Grohmann Besondere Anrechnungsund Berechnungsprobleme beim Fahrverbot, DAR 1988 45; Pohlmann Das Fahrverbot in vollstreckungsrechtlicher Sicht, Rpfleger 1965 73; Rebler Auslaufen der Fahrverbotsfrist und Vollstreckung des Fahrverbots bei Verlust des Führerscheins, SVR 2019 121; ders. Fahrverbotsvollstreckung bei entwendetem oder verlorenem Führerschein, AnwZertVerkR 16/2019 Anm. 2; Seib Zur Vollstreckung des Fahrverbots bei behauptetem Führerscheinverlust, DAR 1982 283; Zeitler Auswirkungen des geänderten Straßenverkehrsrechts auf die Vollstreckung des Fahrerlaubnisentzuges, Rpfleger 2000 486.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 11 des 2. StraßenVSichG vom 26.11.1964 eingefügt. Durch Art. 21 Nr. 134 EGStGB 1974 wurden die Paragrafennummern in Absatz 1 und 2 geändert. Durch Art. 3 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften vom 1.2.1979 (BGBl. I S. 127) ist Absatz 3 neu gefasst worden. Durch Art. 2 Abs. 14 des Zweiten Gesetzes zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (2. Zwangsvollstreckungsnovelle) vom 17.12.1997 (BGBl. I S. 3039, 3046) wurde Absatz 3 redaktionell an die Änderung des § 900 ZPO angepasst, der das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung regelt. Durch Art. 4 Nr. 4 Buchst. a und b des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 24.4.1998 (BGBl. I S. 747, 779) wurden die Absätze 1 und 2 redaktionell den sich aus Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze ergebenden Änderungen des § 44 StGB angepasst. Art. 4 Nr. 4 Buchst. c passt Absatz 3 der Terminologie des § 2 StVG an. Durch Art. 4 Abs. 7 des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.7.2009 (BGBl. I S. 2258, 2270) wurde Absatz 3 Satz 2 redaktionell an die Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften angepasst.

1.

Übersicht Führerscheine a) Fahrverbot (Absatz 1) 1 b) Entziehung der Fahrerlaubnis

2. 3. 2

Ausländischer Führerschein 3 Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (Absatz 3) 4

1. Führerscheine a) Fahrverbot (Absatz 1). Hat das Gericht rechtskräftig ein Fahrverbot nach § 44 1 Abs. 1 oder 2 StGB ausgesprochen, so wird für die Dauer des Verbots ein von einer deutschen Behörde ausgestellter nationaler und internationaler Führerschein amtlich verwahrt (§ 44 Abs. 2 Satz 2 StGB). Befindet sich der Führerschein noch nicht in behördlichem Gewahrsam, so ist der Verurteilte zunächst zur freiwilligen Herausgabe zu 511

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veranlassen („und wird er nicht freiwillig herausgegeben …“). Dies geschieht in der Weise, dass die Vollstreckungsbehörde, und zwar der Rechtspfleger (§ 31 Abs. 2 Satz 1 RpflG),1 ihn zur Herausgabe auffordert. Mit dieser Aufforderung wird die Belehrung über den Beginn des Fahrverbots verbunden, wenn sich aus den Akten ergibt, dass die vorgeschriebene Belehrung (§§ 268c, 409 Abs. 1 Satz 2) unterblieben ist (§ 59a Abs. 4 Satz 1 StVollstrO). Unterbleibt die freiwillige Herausgabe, so hat die Vollstreckungsbehörde (§ 451) den Führerschein zu beschlagnahmen.2 Sie kann sich zur Ausführung der Amtshilfe der Polizei bedienen.3 Die Beschlagnahmeanordnung umfasst nicht zugleich die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Führerscheininhabers, soweit sie zur Ausführung der Beschlagnahme erforderlich ist.4 Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie bei der Vollstreckung eines Vollstreckungs- oder Vorführungsbefehls nach § 457 (dort Rn. 24). Der beschlagnahmte Führerschein wird für die Dauer des Fahrverbots bei den Strafakten oder, falls ein Vollstreckungsheft angelegt ist, bei diesem verwahrt (§ 59a Abs. 1 Satz 1 StVollstrO), es sei denn, dass eine andere Art der Aufbewahrung angeordnet worden ist (§ 59a Abs. 1 Satz 2 StVollstrO).5 Wegen etwaiger Anrechnungszeiten der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf die Dauer des Fahrverbots vgl. § 51 Abs. 5 StGB, aber auch § 44 Abs. 3 Satz 2 StGB. Bei Anrechnungszweifeln kann der Verurteilte eine gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 1 herbeiführen.6 2

b) Entziehung der Fahrerlaubnis. Bei Entziehung der Fahrerlaubnis wird nach § 69 Abs. 3 Satz 2 StGB ein von einer deutschen Behörde erteilter Führerschein eingezogen. Die Vollstreckung richtet sich nach § 459g Abs. 1. Wegen der Behandlung des eingezogenen Scheins vgl. § 56 Abs. 1 StVollstrO.

3

2. Ausländischer Führerschein. Ein ausländischer Führerschein (Absatz 2), der zum Fahren in der Bundesrepublik berechtigt, ohne dass eine deutsche Behörde einen Führerschein ausgestellt hat, unterliegt einem beschränkten Beschlagnahmeverbot.7 Ist gegen den Inhaber eines ausländischen Führerscheins auf ein Fahrverbot erkannt (§ 44 Abs. 1 und 2 StGB), so gilt, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (Island, Liechtenstein, Norwegen) ausgestellt worden ist, und der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat, § 44 Abs. 2 Satz 2 StGB nicht unmittelbar, sondern nach Maßgabe von § 44 Abs. 2 Satz 3 StGB. In anderen ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot lediglich vermerkt (§ 44 Abs. 2 Satz 4 StGB).8 Zum Zwecke des Vermerks darf ein solcher ausländischer Führerschein beschlagnahmt werden. Nach Anbringung des Vermerks hat die Vollstreckungsbehörde ihn an den Verurteilten zurückzugeben. Ist gegen den Verurteilten auf Entzie-

1 2 3 4

KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1; Bringewat 1. Wollentin/Breckenfeld NJW 1966 632; KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1. KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 1. Wie hier SK/Paeffgen 5; a. A. KK/Appl 1; KMR/Stöckel 7; Meyer-Goßner/Schmitt 1; zur Durchsuchungsanordnung durch das Gericht nach Verhängung eines Fahrverbots nach § 25 StVG durch die Bußgeldbehörde vgl. LG Berlin NZV 2006 385; Bringewat 3. 5 Pohlmann Rpfleger 1965 73; Bringewat 1, 3. 6 KK/Appl 2; Bringewat 4. Zu besonderen Anrechnungs- und Berechnungsproblemen namentlich bei behauptetem Führerscheinverlust s. Seib DAR 1982 283; Grohmann DAR 1988 45. 7 Meyer-Goßner/Schmitt 3. 8 Zur praktischen Handhabung vgl. Cremer NStZ 1993 126, Pohlmann/Jabel/Wolf § 59a, 14.

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hung der Fahrerlaubnis erkannt (§§ 69, 69b Abs. 1 Satz 1 StGB), so hat die Entziehung nur die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis während der Sperre im Inland Gebrauch zu machen (§ 69b Abs. 1 Satz 2 StGB).9 Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperre werden in dem ausländischen Führerschein nur vermerkt (§ 69b Abs. 2 Satz 2 StGB). In beiden Fällen kann der Führerschein, wenn der Verurteilte die Vorlage zwecks Eintragung verweigert, vorübergehend beschlagnahmt werden.10 Für die Durchführung der Beschlagnahme gilt das in Rn. 1 Ausgeführte (§ 56 Abs. 2, § 59a Abs. 4 StVollstrO). Wegen der Beschlagnahme zwecks Vermerks des vorläufigen Fahrerlaubnisentzugs vgl. § 111a Abs. 6. 3. Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (Absatz 3). Hat das Gericht rechts- 4 kräftig ein Fahrverbot nach § 44 Abs. 1 oder 2 StGB verhängt, so wird für die Dauer des Verbots ein von einer deutschen Behörde ausgestellter nationaler Führerschein amtlich verwahrt (§ 44 Abs. 2 Satz 2 StGB). Gibt der Verurteilte den Führerschein nach Aufforderung nicht freiwillig heraus, so hat die Vollstreckungsbehörde ihn zu beschlagnahmen. Ein ausländischer Führerschein, der zum Führen in der Bundesrepublik berechtigt, ohne dass eine deutsche Behörde einen Führerschein ausgestellt hat, unterliegt nur einem beschränkten Beschlagnahmeverbot. Wird der Führerschein bei dem Verurteilten nicht vorgefunden, so kann die Vollstreckungsbehörde diesen zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung entsprechend § 883 Abs. 2 und 3 ZPO anhalten. Zuständig für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung ist nach Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 883 Abs. 2 Satz 2 ZPO der nach § 802e Abs. 1 ZPO zuständige Gerichtsvollzieher bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verurteilte im Zeitpunkt des Antrags der Vollstreckungsbehörde seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort hat. Der Gerichtsvollzieher entscheidet auf Antrag der Vollstreckungsbehörde (Absatz 3 Satz 1). Der Antrag obliegt dem Rechtspfleger (§ 31 Abs. 1 Satz 1 RpflG) und ist erst zulässig, wenn eine Durchsuchung bei dem Verurteilten zum Zwecke der Beschlagnahme des Führerscheins nicht zum Erfolg geführt hat.11 Nach Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 883 Abs. 2 Satz 3 ZPO gelten die §§ 478 bis 480, 483, 802f Abs. 4, §§ 802g bis 802i und 802j Abs. 1 und 2 ZPO entsprechend.

§ 463c Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung (1) Ist die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung angeordnet worden, so wird die Entscheidung dem Berechtigten zugestellt. (2) Die Anordnung nach Absatz 1 wird nur vollzogen, wenn der Antragsteller oder ein an seiner Stelle Antragsberechtigter es innerhalb eines Monats nach Zustellung der rechtskräftigen Entscheidung verlangt. (3) 1Kommt der Verleger oder der verantwortliche Redakteur einer periodischen Druckschrift seiner Verpflichtung nicht nach, eine solche Bekanntmachung in das Druckwerk aufzunehmen, so hält ihn das Gericht auf Antrag der Vollstreckungsbehörde durch Festsetzung eines Zwangsgeldes bis zu fünfundzwanzigtausend Euro oder von Zwangshaft bis zu sechs Wochen dazu an. 2Zwangsgeld kann wiederholt festgesetzt werden. 3§ 462 gilt entsprechend. 9 Meyer-Goßner/Schmitt 4; Bringewat 5. 10 Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 5. 11 AG Bremen NZV 2011 151.

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(4) Für die Bekanntmachung im Rundfunk gilt Absatz 3 entsprechend, wenn der für die Programmgestaltung Verantwortliche seiner Verpflichtung nicht nachkommt.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 135 EGStGB 1974 eingefügt. Durch Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung des Euro in Rechtspflegesachen und in Gesetzen des Strafund Ordnungswidrigkeitenrechts, zur Änderung der Mahnvordruckverordnungen sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3573, 3576) wurde Absatz 3 Satz 1 an die zum 1.1.2002 in Kraft getretene Währungsumstellung angepasst.

I.

II.

III. IV. V.

Übersicht Früheres Recht 1 1. Öffentliche Bekanntmachung 2 2. Befugnis zur Bekanntmachung 3 Geltendes Recht 1. Sachlich-rechtlich 4 2. Vollstreckungsrechtlich 5 3. Regelung in der Strafvollstreckungsordnung 6 Zustellung der Entscheidung (Absatz 1) 7 Vollzugsverlangen (Absatz 2) 8 Vollstreckung („Vollzug“) der Bekanntmachung (Absatz 3 Satz 1)

1. 2. 3. 4.

VI.

Vollzug im Regelfall 9 Periodische Druckschrift 10 Internet 11 Ablehnung der Veröffentlichung 12 5. Zwangsmittel und Festsetzungsverfahren (Satz 2) 15 6. Entsprechende Anwendung des § 462 (Satz 3) 16 Rundfunk (Absatz 4) 17

I. Früheres Recht 1

Das vor dem 1.1.1975 geltende materielle Recht unterschied zwei Formen der Urteilsbekanntmachung, die der Genugtuung des Verletzten dienen sollten, nämlich die Anordnung der öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung, die im Urteil auszusprechen war, und die im Urteil dem Verletzten zuzusprechende Befugnis, die Entscheidung öffentlich bekannt zu machen. Daraus ergaben sich verschiedene Formen der Vollstreckung.

2

1. Öffentliche Bekanntmachung. Lautete das Urteil auf eine öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung (§ 200 Abs. 2 a. F. StGB), so war es Sache der Vollstreckungsbehörde, die Bekanntmachung in der im Urteil vorgesehenen Weise herbeizuführen (§ 59 Abs. 2 a. F. StVollstrO). Im Allgemeinen konnte aber die Vollstreckungsbehörde die Veröffentlichung des verfügenden Teils des Urteils in einer Zeitung oder Zeitschrift nicht erzwingen, wenn der Verleger oder Redakteur die Veröffentlichung ablehnte, da weder die Strafprozessordnung noch die landesrechtlichen Pressegesetze für einen solchen Fall Sanktionen vorsahen.1 Es blieben praktisch dann nur mittelbare Einwirkungsmöglichkeiten der Vollstreckungsbehörde in Form der Anrufung des Deutschen Presserats, zu dessen Aufgaben auch die Beseitigung von Missständen im Pressewesen gehört. Es handelt es sich dabei aber um kein besonders wirkungsvolles Mittel. 1 Anders früher §§ 10, 19 RPrG: KG JW 1933 482.

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

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2. Befugnis zur Bekanntmachung. Wurde im Urteil nur dem Verletzten die Befug- 3 nis zugesprochen, die Entscheidung öffentlich bekannt zu machen, so beschränkte sich die Aufgabe der Vollstreckungsbehörde darauf, den im Urteil bezeichneten Berechtigten eine Ausfertigung der rechtskräftigen Entscheidung auf Kosten des Verurteilten zuzustellen. Die Herbeiführung der Bekanntmachung blieb dann dem Berechtigten überlassen. Weigerte sich aber die Presse, der Bitte des Berechtigten um Veröffentlichung des Urteils (selbstverständlich gegen Erstattung der üblichen Einrückungsgebühren, die unter § 464a Abs. 2 fielen) zu entsprechen, so wurde es als Sache der Vollstreckungsbehörde angesehen, den Verletzten zu unterstützen, indem sie das betreffende Presseorgan um Veröffentlichung ersuchte. Verblieb aber die Presse bei ihrer Ablehnung, so konnte auch hier die Vollstreckungsbehörde in der Regel nichts Anderes tun, als den Deutschen Presserat anzurufen. Eine wirksamere Wahrung der Belange des Verletzten erschien in geeigneten Fällen in gewisser Weise dadurch möglich, dass das Gericht als Art der öffentlichen Bekanntmachung den Aushang der Entscheidung an der Gemeindetafel anordnete, weil dann die Gemeinde, wenn sie den Aushang auf Ersuchen der Vollstreckungsbehörde ablehnte, im Weg der Kommunalaufsicht gezwungen werden konnte, dem Amtshilfeersuchen der Vollstreckungsbehörde nachzukommen.2

II. Geltendes Recht 1. Sachlich-rechtlich. Um gegenüber der vorstehend dargestellten unbefriedigen- 4 den Rechtslage Abhilfe zu schaffen, nahm das EGStGB 1974 Änderungen des materiellen Rechts sowie des Verfahrensrechts vor. Sachlich-rechtlich wurde die Figur der Zuerkennung des Veröffentlichungsbefugnisses beseitigt und statt dessen unter Neufassung der entsprechenden Vorschriften allgemein sowohl im Strafgesetzbuch (§§ 165, 200 StGB) als auch im Nebenrecht (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UWG; früher § 23 Abs. 1 UWG), § 143 Abs. 6 MarkenG (früher: § 30 Abs. 2 WZG), § 111 UrhG, § 142 Abs. 6 PatentG (früher: § 49 Abs. 3 PatentG) durch die Anordnung der öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung im Urteil oder im Strafbefehl (§ 407 Abs. 2 Nr. 1) ersetzt. Der Gesetzgeber sah es als mit den Grundsätzen des materiellen Strafrechts und des Strafverfahrensrechts nicht für vereinbar an, dem Verletzten nur eine Befugnis einzuräumen und ihn dadurch zu zwingen, sich sein Recht gewissermaßen selbst zu holen. Vielmehr ist es Aufgabe des Vollstreckungsverfahrens, dafür zu sorgen, dass dem Verletzten die Genugtuung zuteil wird, die er nach dem Gesetz beanspruchen kann mit der Folge, dass dann auch die Entscheidung auf Antrag des Verletzten wie jede andere gerichtliche Maßnahme durch die Vollstreckungsbehörde vollstreckt wird.3 2. Vollstreckungsrechtlich. Vollstreckungsrechtlich wurde § 463c neu eingefügt. 5 Dabei hat der Gesetzgeber die Vorarbeiten an einem Bundespresserechtsrahmengesetz berücksichtigt. Bei diesen Arbeiten wurde davon ausgegangen, dass der Verleger und die verantwortlichen Redakteure verpflichtet sind, derartige Bekanntmachungen zu veröffentlichen. Entsprechend diesem Grundsatz wurde eine Vorschrift in die Strafprozessordnung eingefügt, wonach Verleger und Redakteure zur Befolgung einer Verpflichtung notfalls unter Androhung von Zwangsgeldern angehalten werden können. Bei den Vorarbeiten zu einem Bundespresserechtsrahmengesetz war in Aussicht genommen, diese Verpflichtung des Verlegers und Redakteurs künftig auf solche Fälle zu beschrän2 OVG Lüneburg Rpfleger 1966 257; Röttle/Wagner Rn. 404. 3 BTDrucks. 7 550, Begr. zum Entw. des EGStGB 1974, S. 193; KK/Appl 1; Bringewat 1.

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ken, in denen in der Zeitung oder Zeitschrift auch sonst Anzeigen aufgenommen werden.4 6

3. Regelung in der Strafvollstreckungsordnung. Die praktische Umsetzung der öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung regelt § 59 StVollstrO, der § 463c insoweit ergänzt.

III. Zustellung der Entscheidung (Absatz 1) 7

Ist eine auf öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung lautende Entscheidung (Urteil oder Strafbefehl) rechtskräftig geworden, so stellt die Vollstreckungsbehörde die Entscheidung dem Berechtigten nach § 37 förmlich zu,5 um die in Absatz 2 bestimmte Frist in Lauf zu setzen.6 Nach materiellem Recht wird auf eine öffentliche Bekanntmachung grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern nur auf Verlangen oder Antrag erkannt, und zwar bei Offizialdelikten auf Verlangen („Antrag“) des Verletzten,7 bei Antragsdelikten auf Antrag des Verletzten oder eines „sonst zum Strafantrag Berechtigten“ (so § 200 Abs. 1 StGB, der damit auf § 77 Abs. 2 bis 4, §§ 77a, § 165, § 194 StGB verweist).8 „Berechtigter“, an den nach Absatz 1 zuzustellen ist, ist danach grundsätzlich derjenige, auf dessen Verlangen oder Antrag die öffentliche Bekanntmachung angeordnet wurde.9 „Berechtigter“ kann aber auch, wie sich aus Absatz 2 („ein an seiner Stelle Antragsberechtigter“) ergibt, ein Anderer sein, z. B. der inzwischen volljährig gewordene Verletzte, wenn für den zur Zeit des Strafverfahrens noch Minderjährigen der Sorgeberechtigte den Antrag auf Anordnung der Urteilsbekanntmachung gestellt hatte (§ 77 Abs. 3 StGB). Hierher gehört auch der Fall, dass der Verletzte, der die Anordnung der Veröffentlichung beantragt hatte, nach Rechtskraft des Urteils verstorben ist. Soweit nach § 77 Abs. 2 StGB das Antragsrecht eines verstorbenen Verletzten nach § 165 Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB auf seine Angehörigen übergeht, sind diese auch nach dem Sinn der Vorschrift die „Berechtigten“ nach § 463c Abs. 1.10 Für die Fristberechnung gilt § 43.11

IV. Vollzugsverlangen (Absatz 2) 8

Absatz 2, wonach die rechtskräftige Anordnung der öffentlichen Bekanntmachung nur vollzogen wird, wenn der Berechtigte (Rn. 7) es binnen Monatsfrist (§ 43) verlangt, ist nach dem Vorbild des § 181 Abs. 3 StGB E 1962 betreffend die Urteilsbekanntgabe bei Beleidigung geschaffen. Er beruht auf der Erwägung, dass der Berechtigte erst dann abschließend beurteilen kann, ob die öffentliche Bekanntmachung in jeder Hinsicht seinen Interessen entspricht, wenn er den Wortlaut der rechtskräftigen Entscheidung kennt und ihre Folgen übersehen kann. Er soll noch nach rechtskräftiger Anordnung der Veröffentlichung die Möglichkeit haben, durch Unterlassung des Vollzugsverlangens die Be4 5 6 7 8 9 10 11

BTDrucks. 7 550, Begr. zu Art. 19 Nr. 125 EGStGB, S. 315. KK/Appl 2. Meyer-Goßner/Schmitt 1. Ergänzend dazu § 165 Abs. 1 Satz 2 StGB: Erweiterung des Kreises der zum Verlangen Berechtigten. Wegen weiterer Einzelheiten zur Antragsberechtigung s. Fischer § 200, 3. KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 2. KK/Appl 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2; Bringewat 2. Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 4.

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kanntmachung zu verhindern. Die Bekanntmachung soll nicht gegen seinen Willen und damit möglicherweise zu seinem Nachteil erfolgen.12 Unterbleibt das Vollzugsverlangen, oder wird es verspätet gestellt, so entfällt die Vollstreckung der Bekanntmachung. Bei unverschuldeter Nichteinhaltung der Frist – sie beginnt mit der Zustellung der Entscheidung – kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt werden (§ 44).13

V. Vollstreckung („Vollzug“) der Bekanntmachung (Absatz 3 Satz 1) 1. Vollzug im Regelfall. In allen Vorschriften, die eine öffentliche Bekanntma- 9 chung der Entscheidung vorsehen, ist jetzt bestimmt, dass die Art der Bekanntmachung im Urteil (genau) zu bestimmen ist. Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Bekanntgabe im Urteil oder Strafbefehl nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 200 Abs. 2 StGB). Dabei wägt es zwischen dem Genugtuungsinteresse des Verletzten und dem Interesse des Angeklagten ab, eine Bloßstellung zu vermeiden und entscheidet, ob auch eine Veröffentlichung der Urteilsgründe oder lediglich eine solche von Urteilskopf und -tenor erfolgen soll. Nach Nr. 231 Satz 1 RiStBV ist die Staatsanwaltschaft gehalten, darauf hinzuwirken, dass der Name des Verletzten in den Urteilstenor aufgenommen wird. Die Urteilsformel muss so genau gefasst sein, dass sie im Falle eines Verlangens des Berechtigten nach Absatz 2 auch für die Vollstreckungsbehörde vollziehbar ist. Schon aufgrund dieser Vorschriften (Rn. 4) kann ggf. die Bekanntmachung in einer Zeitung oder Zeitschrift angeordnet werden. Darüber hinaus bestimmt § 200 Abs. 2 StGB, dass, wenn eine Beleidigung durch Veröffentlichung in einer Zeitung oder Zeitschrift begangen ist, auch die Bekanntmachung in eine Zeitung oder Zeitschrift aufzunehmen ist, und zwar, wenn möglich, in dieselbe, in der die Beleidigung enthalten war, und dass dies entsprechend gilt, wenn die Beleidigung durch Veröffentlichung im Rundfunk begangen ist. Nach § 165 Abs. 2 StGB ist § 200 StGB anwendbar. 2. Periodische Druckschrift. Ist bereits aufgrund der allgemein geltenden Vor- 10 schrift, wonach die Art der Bekanntmachung im Urteil zu bestimmen ist, oder ist aufgrund der besonderen Vorschriften in § 200 Abs. 2, § 165 StGB die Veröffentlichung in einer bestimmten Zeitung oder Zeitschrift angeordnet, so handelt es sich um die Veröffentlichung in einer periodischen Druckschrift i. S. des Absatzes 3 (Rn. 16). Die Vollstreckungsbehörde übersendet alsdann den zur Veröffentlichung bestimmten Teil der Entscheidung der Zeitung (Zeitschrift) mit dem Ersuchen um Veröffentlichung in der in der Entscheidung näher bestimmten Art und Weise.14 Die Kosten der Veröffentlichung trägt als Vollstreckungskosten (§ 464a) der Zeitung (Zeitschrift) gegenüber zunächst die Staatskasse. Im Innenverhältnis trägt sie der Verurteilte (§ 465). Mit der öffentlichen Bekanntmachung der Verurteilung entsprechend dem Ersuchen der Vollstreckungsbehörde ist die Vollstreckung insoweit vollzogen.15 3. Internet. § 463c regelt bislang nur die öffentliche Bekanntmachung von Verurtei- 11 lungen in – periodischen – Druckschriften und im Rundfunk. Das Internet, das in weiten Bereichen inzwischen zur Veröffentlichung von allen möglichen – auch strafrechtlich relevanten – Nachrichten und Mitteilungen genutzt wird, findet als Mittel der 12 13 14 15

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KK/Appl 3; Bringewat 4. KK/Appl 3; Meyer-Goßner/Schmitt 3; Bringewat 4. KK/Appl 4; Meyer-Goßner/Schmitt 4. Meyer-Goßner/Schmitt 6; Bringewat 5.

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öffentlichen Bekanntmachung demgegenüber in den Absätzen 3 und 4 keine Beachtung, obwohl es in den letzten Jahren die herkömmlichen Veröffentlichungsmittel wie Druckschriften, Rundfunk und Fernsehen schon weitgehend verdrängt hat. Insoweit wird der Gesetzgeber zu prüfen haben, ob nicht § 463c – insbesondere dessen Absätze 3 und 4 – hinsichtlich der öffentlichen Bekanntmachung einer Verurteilung einer Ergänzung bedarf. Zu denken wäre hier etwa an eine Veröffentlichungspflicht für die jeweiligen Telemediendiensteanbieter, über die die inkriminierte Veröffentlichung erfolgt ist. 4. Ablehnung der Veröffentlichung. Kommt der für die Gestaltung der Zeitung oder Zeitschrift (der „periodischen Druckschrift“) Verantwortliche dem Veröffentlichungsersuchen nicht nach, sei es, dass er die Veröffentlichung ablehnt oder sich untätig verhält, so sieht Absatz 3 Erzwingungsmaßnahmen vor. Jedoch bereitet diese Vorschrift dem Verständnis Schwierigkeiten, indem sie vorschreibt, dass Zwangsmittel vom Gericht gegen den Verleger oder verantwortlichen Redakteur angewendet werden sollen, der „seiner Verpflichtung“ nicht nachkommt, eine solche Bekanntmachung in das Druckwerk aufzunehmen. Es fragt sich, worauf diese Verpflichtung beruht. 13 Hierbei kann nicht etwa an den Fall gedacht werden, dass ein verantwortlicher Redakteur wegen eines beleidigenden Artikels in seiner Zeitung als Täter oder Teilnehmer verurteilt und die Bekanntmachung der Verurteilung in seiner Zeitung angeordnet wird, in welchem Fall dann an eine Veröffentlichungspflicht unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs zu denken wäre. Diese Betrachtungsweise scheidet schon deshalb aus, weil es nicht Sache der Strafvollstreckung ist, die Erfüllung zivilrechtlicher Pflichten zu erzwingen. Vielmehr ist, wie sich aus der amtlichen Begründung (Rn. 5) ergibt, allgemein an den Fall gedacht, dass Verleger oder Redakteur es unterlassen, eine Bekanntmachung in ihre Zeitung oder Zeitschrift aufzunehmen, in der sie nach dem Urteil veröffentlicht werden soll. Eine allgemeine ausdrückliche Vorschrift, die eine solche Verpflichtung ausspricht, besteht aber nicht. 14 Aus dem Urteil selbst, das auf Aufnahme der Bekanntmachung in eine Zeitung oder Zeitschrift lautet (§ 200 Abs. 2 StGB), kann schon aus systematischen Gründen keine Rechtspflicht der Presse zur Veröffentlichung hergeleitet werden. Denn das Urteil spricht zwar die „Anordnung“ der öffentlichen Bekanntmachung in einer bestimmten Zeitung (Zeitschrift) aus, aber diese Anordnung richtet sich wie jede andere Festsetzung von Rechtsfolgen der Tat in einem Urteil gegen den Verurteilten, der die öffentliche Bekanntmachung zu erdulden und die dadurch entstandenen Kosten zu tragen hat, begründet aber für die am Verfahren nicht beteiligte Presse keine Pflicht zur Mitwirkung bei der Vollziehung der dem Verurteilten auferlegten Nebenfolge. 12

15

5. Zwangsmittel und Festsetzungsverfahren (Satz 2). Zwangsmittel (Zwangsgeld und Zwangshaft, dazu Art. 6 ff. EGStGB) können angewendet werden gegen den Verleger oder verantwortlichen Redakteur einer periodischen Druckschrift. Periodische Druckschriften sind im Allgemeinen Zeitungen, Zeitschriften und andere in ständiger, wenn auch unregelmäßiger Folge und im Abstand von nicht mehr als sechs Monaten erscheinende Druckwerke.16 Verleger ist der Unternehmer, der das Erscheinen und Verbreiten der Druckschrift bewirkt. Verantwortlicher Redakteur ist, wer mit Willen des Unternehmers diese Stellung tatsächlich bekleidet und kraft dieser Stellung darüber verfügen kann, ob ein Beitrag (hier: die Bekanntmachung) veröffentlicht wird.17 Verleger und Redakteur – und deren Wirkungsbereich – werden durch das so genannte Impressum aus16 Wegen Einzelheiten s. § 53 (Personenkreis); § 111q, 35 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 3; 17 Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 6.

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gewiesen. Mit Zwangsmitteln in Anspruch genommen wird derjenige, auf dessen Willen die Nichtveröffentlichung zurückzuführen ist. Das können auch Verleger und Redakteur nebeneinander sein.18 Bei wiederholter Festsetzung der Zwangsgelder unterliegt der Gesamtbetrag nicht der gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenze. Diese gilt nur für den Einzelfall.19 Da § 462 entsprechend anzuwenden ist, obliegt die Festsetzung auf Antrag der Vollstreckungsbehörde dem Gericht des ersten Rechtszugs (§ 462a Abs. 2).20 6. Entsprechende Anwendung des § 462 (Satz 3). Entscheidungen nach § 462 16 trifft nach § 462a Abs. 1 Satz 1 die Strafvollstreckungskammer, wenn gegen den Verurteilten Freiheitsstrafe vollstreckt wird und die Entscheidung auch die Person betrifft, gegen die die Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Diese Regelung gilt mithin nicht für Entscheidungen gegen andere Personen wie Mitangeklagte Nebenbeteiligte, Verleger oder Redakteure i. S. von § 463c. Für diese bleibt es bei der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs (§ 462a Abs. 2 Satz 1).21

VI. Rundfunk (Absatz 4) Wegen des Begriffs des Rundfunks vgl. die Erl. zu § 53. Der Begriff des „für die Pro- 17 grammgestaltung Verantwortlichen“ ist gewählt, da es im Rundfunkbereich einen „verantwortlichen Redakteur“ noch nicht allgemein gibt.22

§ 463d Gerichtshilfe Zur Vorbereitung der nach den §§ 453 bis 461 zu treffenden Entscheidungen kann sich das Gericht oder die Vollstreckungsbehörde der Gerichtshilfe bedienen; dies kommt insbesondere vor einer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder der Aussetzung des Strafrestes in Betracht, sofern nicht ein Bewährungshelfer bestellt ist. Schrifttum Beese Die prozessuale Stellung der Gerichtshilfe für Erwachsene und ihre Bedeutung für die Entwicklung dieses Instituts der modernen Strafrechtspflege, BewHi. 1977 66; ders. Die Gerichtshilfe für Erwachsene, Aufgabenstellung, Arbeitsmethodik und rechtliche Fragen, gesehen aus der Praxis von Strafrichtern und Staatsanwälten, BewHi. 1980 142; Block Rechtliche Strukturen der Bewährungs- und Gerichtshilfe, BewHi. 1994 117; Bottke Bemerkungen zur Gerichtshilfe für Erwachsene, MSchrKrim. 64 (1981) 62; Chilian Die Zukunft der Sozialarbeit in der Justiz, FS Leferenz (1983)107; Dose Die weitere prozessuale Verankerung der Gerichtshilfe, BewHi. 1982 73; Hörster Die (soziale) Gerichtshilfe zur Persönlichkeitserforschung, JZ 1982 92; Koch Erwachsenengerichtshilfe (1999); Lange Die Gerichtshilfe und ihr Einbau in das Erkenntnisverfahren des überkommenen Strafprozesses, Diss. Freiburg 1981; Lau Haftentscheidungshilfe – Bedeu-

18 Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 6. 19 BTDrucks. 7 1261, Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, S. 32; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 7.

20 BGH NStZ 1987 428; KK/Appl 5; Meyer-Goßner/Schmitt 7; Bringewat 7. 21 BGH NStZ 1987 428. 22 BTDrucks. 7 1261, Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, S. 32; Meyer-Goßner/Schmitt 8; Bringewat 8.

519 https://doi.org/10.1515/9783110275025-046

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tung für den Richter, BewHi. 1981 25; Momberg Der Einfluß der Jugendgerichtshilfe auf die Entscheidung des Jugendrichters, MSchrKrim. 65 (1982) 65; Ostendorf Gerichtshilfe – ein Eckpfeiler der Sozialen Strafrechtspflege/Wider Privatisierungstendenzen in der Strafjustiz, BewHi. 2006 26; Rahn Die Situation der Gerichtshilfe und Bewährungshilfe, NJW 1976 828; ders. Aufgaben und Praxis der Gerichtshilfe, Vorschläge zu ihrer weiteren gesetzlichen Ausgestaltung, BewHi. 1976 134; Schöch Die Gerichtshilfe aus kriminologischer und verfahrensrechtlicher Sicht, FS Leferenz (1983) 127; Schüler-Springorum Perspektiven einer Gerichtshilfe für Erwachsene, BewHi. 1977 224; Sontag Die prozessuale Stellung des Gerichtshelfers, NJW 1976 1436; Steindorfner Bewährungs- und Gerichtshilfe in freier Trägerschaft, BewHi. 2004 242; Sterzel Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe – Verfassungsrechtliche Grenzen einer Verlagerung von Hoheitsaufgaben im Justizbereich auf Private, BewHi. 2007 173; Thier Gerichtshilfe – auf halbem Wege? NK 2004 67. Weitere Schrifttumsnachweise siehe LR/Erb zu § 160.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 21 Nr. 135 EGStGB 1974 eingefügt. Durch Art. 2 Nr. 11 des 23. StRÄndG vom 13.4.1986 wurde die Vorschrift um den letzten Halbsatz erweitert worden. 1

1. Grundgedanke. Nach § 160 Abs. 3 Satz 2 kann sich die Staatsanwaltschaft im vorbereitenden Verfahren bei ihren Ermittlungen über die Umstände, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind, der Gerichtshilfe bedienen. Der im Regierungsentwurf des EGStGB 1974 noch nicht enthaltene und erst vom Sonderausschuss für die Strafrechtsreform eingefügte § 463d1 schafft die gesetzliche Grundlage für die Inanspruchnahme der Gerichtshilfe auch zur Vorbereitung von Entscheidungen im Rahmen der Strafvollstreckung. Die Vorschrift dient dem Zweck, bisher schon an vielen Stellen eingerichtete Stellen der Gerichtshilfe für Erwachsene auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und diese Einrichtung allgemein einzuführen. Es ist aber – anders als bei der Jugendgerichtshilfe, deren prozessuale Stellung und Verfahrensbeteiligung in § 38 JGG eingehend geregelt ist – von einer Regelung der Stellung der Gerichtshilfe im Verfahren Abstand genommen worden, weil im Hinblick darauf, dass die Gerichtshilfe für Erwachsene an mehreren Orten auch ohne gesetzliche Regelung, und ohne dass es dadurch zu Unzuträglichkeiten gekommen ist, bereits jahrelang tätig gewesen sei, für eine Übergangszeit bis zur umfassenden Reform der Verzicht auf eine gesetzliche Regelung zu rechtfertigen war.

2

2. Organisation und Aufgabenbereich. Art. 294 EGStGB 1974 beschränkt sich demgemäß auf die Vorschrift, dass die Gerichtshilfe zum Geschäftsbereich der Landesjustizverwaltungen gehört, sofern die Landesregierung nicht durch Rechtsverordnung eine andere Behörde aus dem Bereich der Sozialverwaltung bestimmt. Die Regelung der Organisation und des Aufgabenbereichs der Gerichtshilfe erfolgt danach zurzeit grundsätzlich durch die Landesjustizverwaltungen. Diese haben Anordnungen über Organisation, Aufgaben und Dienstbetrieb der Gerichtshilfe erlassen. Danach werden zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 160 Abs. 3 Satz 2, § 463d Gerichtshilfestellen eingerichtet und nur noch vereinzelt den Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten zugeordnet. Der Leiter der Staatsanwaltschaft führt dann die Dienstaufsicht über den Gerichtshelfer. Überwiegend ist die Gerichtshilfe inzwischen zusammen mit der Bewährungshilfe bei

1 BTDrucks. 7 1261, Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu Art. 19 Nr. 125 EGStGB, S. 33.

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den Landgerichten als Soziale Dienste der Justiz angesiedelt.2 Die Dienstaufsicht obliegt dann dem Präsidenten des Landgerichts. Bei der Gerichtshilfe handelt es sich um ein unselbständiges Ermittlungsorgan zur Unterstützung der Sachverhaltsaufklärung durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht.3 Die Aufgabe der Gerichtshilfe besteht, soweit es sich um den Bereich des § 463d handelt, in der Erforschung vollstreckungsrechtlich relevanter Tatsachen, namentlich in der Erforschung der Persönlichkeit und Umwelt des Verurteilten zur objektiven Vorbereitung einer sachgerechten Entscheidung, insbesondere im Hinblick auf die Aussichten, Ansatzpunkte, Einwirkungsmöglichkeiten und Wege für eine künftige geordnete Lebensführung.4 Der Gerichtshilfebericht dient der Vorbereitung von Entscheidungen der Vollstreckungs- oder Gnadenbehörde oder des Gerichts. Die Einschaltung der Gerichtshilfe kann zur Vorbereitung durch Erteilung eines Er- 3 mittlungsauftrags erfolgen bei allen Nachtragsentscheidungen, die unter anderem die Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 56a bis 56g StGB, §§ 453 ff.), die Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 59a Abs. 2, § 59b StGB, §§ 453 ff.), die Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung (§ 57 StGB, § 454), den Strafaufschub (§ 455 Abs. 1 bis 3, § 456), die Strafunterbrechung (§ 455 Abs. 4), Zahlungserleichterungen und Absehen von der Vollstreckung der Geldstrafe (§ 42 StGB, §§ 459a, 459c, 459d), das Absehen von der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe bei Verurteilung zu Geldstrafe (§ 43 StGB, § 459f), das Absehen von der Vollstreckung und den Aufschub der Vollstreckung einer Nebenfolge (§ 459g), die Maßregeln der Besserung und Sicherung (§§ 67c, 67d Abs. 2, §§ 67e, 67g, 68b, 68d bis 68f, 70a, 70b StGB, § 463) oder das Gnadenverfahren betreffen. Auch im Rahmen der Überwachung des Verurteilten durch die Führungsaufsichtsstelle (§ 68a Abs. 3 StGB, § 463a) kann die Gerichtshilfe mit Ermittlungen beauftragt werden. Im Rahmen der Strafvollstreckung führt die Gerichtshilfe in der Praxis immer noch ein Schattendasein, obwohl sie gerade hier einen wertvollen Beitrag zur Haftvermeidung leisten könnte. Ermittlungsaufträge können Staatsanwaltschaften, Gerichte, Stellen, die mit Gna- 4 densachen oder Vergünstigungen nach dem Bundeszentralregistergesetz befasst sind, sowie die Führungsaufsichtsstellen erteilen. Die Erledigung des Auftrags soll auf der Grundlage methoden-orientierter Sozialarbeit durch Ausschöpfung aller erreichbaren Erkenntnisquellen erfolgen,5 durch Erkundigungen bei dritten Personen jedoch im Allgemeinen nur mit Einverständnis des Betroffenen. Das Ergebnis seiner Ermittlungen legt der Gerichtshelfer in seinem schriftlichen Bericht nieder, der, soweit dies erforderlich ist, eine psycho-soziale Anamnese, Diagnose und Prognose enthalten soll6 und alle Quellen für die mitgeteilten Tatsachen angeben muss. Der Inhalt des Berichts, der, soweit ihn das Gericht einfordert, Aktenbestandteil wird7 und damit der Akteneinsicht unterliegt, muss für eine Erörterung bei der Entscheidung des Gerichts geeignet sein. Deshalb sind Wertungen ohne Tatsachengrundlage zu vermeiden.8 Eine Verwertung des

2 Zur Privatisierung von Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg vgl. BVerwGE 150 366. 3 BGH NStZ 2008 709 mit Anm. Senge jurisPR-StrafR 1/2008 Anm. 3. 4 Wegen weiterer Aufgaben sowie der Stellung der Gerichtshilfe s. LR/Erb § 160, 89 ff. und Bringewat Rn. 3 bis 8; BGH NStZ 2008 709 mit Anm. Senge jurisPR-StrafR 1/2008 Anm. 3. 5 Bringewat 11. 6 Bringewat 10. 7 KK/Appl 4; Meyer-Goßner 3; Bringewat 11. 8 Bringewat 9.

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Berichts bei der Entscheidung setzt voraus, dass dem Betroffenen zuvor nach Maßgabe des § 33 Abs. 3 rechtliches Gehör gewährt wird.9 Der letzte Halbsatz enthält einen besonderen Hinweis an die Strafvollstreckungs5 behörde und das Gericht, sich namentlich vor einer Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder der Aussetzung eines Strafrestes der Gerichtshilfe zu bedienen, wenn dies nur irgend möglich ist und nach Lage der Dinge dadurch zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden, die es erlauben, von dem Widerruf oder der Versagung der Strafaussetzung abzusehen.10 In der Praxis lässt sich dies jedoch aufgrund fehlender personeller Ausstattung der Gerichtshilfe oftmals nicht in dem an sich gebotenen und wünschenswerten Maße realisieren.

§ 463e Mündliche Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung (1) 1Wird der Verurteilte vor einer nach diesem Abschnitt zu treffenden gerichtlichen Entscheidung mündlich gehört, kann das Gericht bestimmen, dass er sich bei der mündlichen Anhörung an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Anhörung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Verurteilte aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. 2Das Gericht soll die Bildund Tonübertragung nur mit der Maßgabe anordnen, dass sich der Verurteilte bei der mündlichen Anhörung in einem Dienstraum oder einem Geschäftsraum eines Verteidigers oder Rechtsanwalts aufhält. 3Satz 1 gilt nicht, wenn der Verurteilte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt oder die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. (2) Wird der vom Gericht ernannte Sachverständige vor einer nach diesem Abschnitt zu treffenden gerichtlichen Entscheidung mündlich gehört, gilt Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend.

Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 65 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.6.2021 (BGBl. I S. 2099, 2107) eingefügt.

I. II.

Übersicht Anwendungsbereich 1 Mündliche Anhörung des Verurteilten im Wege der Bild- und Tonübertragung (Absatz 1) 1. Zweck der Regelung 2 2. Anordnung des Gerichts (Absatz 1 Satz 1) 3 3. Durchführung (Absatz 1 Sätze 1 und 2) a) Gestaltung (Satz 1) 5

b)

III.

Aufenthaltsort des Verurteilten 6 (Satz 2) c) Dokumentation 8 d) Ausnahme (Satz 3) 9 Mündliche Anhörung von Sachverständigen (Absatz 2) 10

9 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 12, S. 17; KG JR 1988 39; KK/Appl 3; a. A. LG Bonn NStZ 1986 574 und Dölling NJW 1987 1048.

10 BTDrucks. 10 2720, Begr. zu Art. 2 Nr. 12, S. 17.

Graalmann-Scheerer https://doi.org/10.1515/9783110275025-047

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1. Abschnitt. Strafvollstreckung

Alphabetische Übersicht Anordnung 3 Anwendungsbereich 1 Aufenthaltsort 6 Ausnahme 9 Barrierefreiheit 4 Dienstraum 6 Dokumentation 8 Einwilligung 2 Entziehungsanstalt 9, 11 Ermessen 2 f. Faires Verfahren 5 Geschäftsraum 6 Infektionsrisiko 2 f.

§ 463e

Justizvollzugsanstalt 6 Lebenslange Freiheitsstrafe 9, 11 Mündliche Anhörung – Sachverständiger 10 ff. – Verurteilter 1 f., 5, 7 f. Notwendiger Verteidiger 5 Psychiatrisches Krankenhaus 9, 11 Rechtliches Gehör 1, 3, 6 Sachaufklärung 1, 3, 5 f., Sicherungsverwahrung 9, 11 Verteidiger 5 f., 7 Wahlverteidiger 5 Zweck der Regelung 2

I. Anwendungsbereich Einem Verurteilten ist aufgrund des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs auf 1 rechtliches Gehör grundsätzlich vor jeder gerichtlichen Entscheidung im Strafvollstreckungsverfahren rechtliches Gehör zu gewähren. Das geschieht in der Regel im schriftlichen Verfahren. Verschiedene Vorschriften schreiben aufgrund der Tragweite der zu treffenden gerichtlichen Entscheidung allerdings eine mündliche Anhörung des Verurteilten ausdrücklich vor (§ 453 Abs. 1 Satz 4, § 454 Abs. 1 Satz 3, § 463 Abs. 2 i. V. m. § 453 Abs. 1 Satz 4; § 463 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 454 Abs. 1 für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 StGB zu treffenden Entscheidungen, § 463 Abs. 6 Satz 2 in den Fällen des § 67d Abs. 6 StGB).1 Allerdings kann auch aus anderen Gründen aufgrund des im Vollstreckungsverfahren geltenden Grundsatzes der bestmöglichen Sachaufklärung im Einzelfall eine mündliche Anhörung des Verurteilten geboten sein.

II. Mündliche Anhörung des Verurteilten im Wege der Bild- und Tonübertragung (Absatz 1) 1. Zweck der Regelung. Mangels gesetzlicher Regelung war die Durchführung der 2 mündlichen Anhörung des Verurteilten bis zum Ablauf des 30.6.2021 dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts überlassen.2 Dies galt vor allem für die Frage, an welchem Ort (in der JVA oder im Gerichtsgebäude) und in welcher Form die mündliche Anhörung stattfindet. Zwar wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung3 und teilweise auch im Schrifttum4 eine mündliche Anhörung des Verurteilten in Form einer audiovisuellen Anhörung grundsätzlich für zulässig erachtet, sofern eine wirksame Einwilligung des Verurteilten vorlag. Durch Absatz 1 Satz 1 wird nunmehr dem Gericht eine umfassendere Nutzung der Videokonferenztechnik bei mündlichen Anhörungen im Vollstreckungsverfahren eröffnet. Insbesondere bedarf es einer wirksamen Einwilligung des Verurteilten nicht mehr. Zudem verringert der Einsatz dieser Technik die mit jeder mündlichen Anhö1 2 3 4

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Vgl. Erl. zu § 453, 16 ff.; § 454, 36 ff.; § 463, 54. OLG Nürnberg MDR 1975 684; Doller DRiZ 1977 80; KK/Appl 17; Meyer-Goßner/Schmitt § 454, 34. OLG Karlsruhe NJW 2005 3013; OLG Frankfurt NStZ-RR 2006 357; OLG Stuttgart StV 2012 613. Esser NStZ 2003 464; kritisch KK/Appl § 454, 17a; Glauch StraFo 2016 407.

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rung einhergehenden Sicherheitsrisiken für das Justizpersonal. Die mit einer Vorführung vor Gericht verbundenen Belastungen (z. B. Gefangenentransport, Unterbringung in Verwahrzelle im Gerichtsgebäude) für den Verurteilten werden ebenfalls reduziert. Ein mögliches Fluchtrisiko während des Gefangenentransports entfällt. Schließlich trägt in den Zeiten einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wie der SARS-CoV-2-Pandemie der Einsatz der Videokonferenztechnik zu einer Senkung des Infektionsrisikos sowie einer effizienteren Gestaltung des mündlichen Anhörungsverfahrens bei.5 2. Anordnung des Gerichts (Absatz 1 Satz 1). Die Entscheidung, ob die mündliche Anhörung des Verurteilten im Wege der Bild- und Tonübertragung stattfindet, trifft das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei hat es unter anderem die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Verhalten im Vollzug, die Vollzugsdauer sowie die Art der abgeurteilten Taten, Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit sowie die Entfernung der JVA bzw. der Maßregelvollzugseinrichtung, in der der Verurteilte im Zeitpunkt der Anhörung einsitzen wird, vom Sitz des Gerichts und sonstige wichtige Gründe (z. B. ein Infektionsrisiko) zu berücksichtigen. Es ist nicht zulässig, eine mündliche Anhörung im Wege der Bild- und Tonübertragung aus sachfremden Erwägungen heraus durchzuführen oder abzulehnen. Das Gebot der umfassenden Sachaufklärung im Vollstreckungsverfahren verbietet es, etwa fiskalische Gründe, unzureichende Personalressourcen, persönliche Bequemlichkeiten oder Bedienungsprobleme aufgrund mangelnden technischen Interesses zum Anlass zu nehmen, eine audiovisuelle Anhörung der mündlichen Anhörung vorzuziehen bzw. abzulehnen. Bei der Ausübung des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens hat sich das Gericht von der rechtsstaatlichen Funktion der mündlichen Anhörung, namentlich einer hinreichenden gerichtlichen Sachaufklärung sowie der Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, leiten zu lassen.6 Sofern der Verurteilte nachvollziehbar erläutert, warum ihm daran gelegen ist, dem Gericht persönlich gegenüber treten zu wollen und sich zu erklären oder sofern eine mündliche Anhörung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit eine bessere Sachaufklärung entscheidungserheblicher Gesichtspunkte verspricht, ist sie auch weiterhin geboten.7 Bei der Entscheidung, ob die mündliche Anhörung mittels Videokonferenztechnik 4 durchgeführt werden soll, hat das Gericht zudem die Grundsätze der Barrierefreiheit zu beachten (§ 4 Behindertengleichstellungsgesetz). Sofern die Übertragung für den Verurteilten oder eine andere an der Anhörung teilnehmende Person (z. B. Richter, Staatsanwalt, Sachverständiger, Bewährungshelfer, Verteidiger) nicht barrierefrei zugänglich ausgestaltet werden kann, weil eine besondere physische oder psychische Einschränkung entgegensteht, muss das Gericht von dem Einsatz der Videokonferenztechnik absehen.8 3

3. Durchführung (Absatz 1 Sätze 1 und 2) 5

a) Gestaltung (Satz 1). An einer mündlichen Anhörung des Verurteilten im Wege der Bild- und Tonübertragung können weitere Verfahrensbeteiligte, insbesondere der Verteidiger, die Staatsanwaltschaft oder ein Vertreter der JVA oder Maßregelvollzugseinrichtung teilnehmen. Sie sind allerdings zur Teilnahme an der mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht verpflichtet. § 453 Abs. 1 Satz 2, § 454 Abs. 1 Satz 2, § 463 Abs. 2, 5 6 7 8

BTDrucks. 19 27654 S. 114. BTDrucks. 19 27654 S. 114. BTDrucks. 19 27654 S. 114. BTDrucks. 19 27654 S. 114 f.

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§ 463 Abs. 3 Satz 1 und § 463 Abs. 6 sehen lediglich eine obligatorische Anhörung der verfahrensbeteiligten Staatsanwaltschaft sowie der JVA vor.9 Der Verteidiger des Verurteilten ist ebenfalls nicht verpflichtet, an einer mündlichen Anhörung seines Mandanten teilzunehmen. Allerdings gebietet es der Grundsatz des fairen Verfahrens, nicht nur in Fällen der notwendigen Verteidigung im Vollstreckungsverfahren, sondern grundsätzlich auch dann, wenn der Verurteilte einen Wahlverteidiger mit seiner Verteidigung beauftragt und bevollmächtigt hat, diesen zum Termin zur mündlichen Anhörung seines Mandanten zu laden.10 Auch wenn die Staatsanwaltschaft, Vertreter der JVA oder Maßregelvollzugseinrichtung sowie der Verteidiger keine gesetzliche Pflicht zur persönlichen Teilnahme an einer mündlichen Anhörung des Verurteilten im Wege der Bild- und Tonübertragung trifft, wird das Gericht ihnen im Zuge der Anhörung im Rahmen der umfassenden Sachaufklärungspflicht Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben haben, ob sie an der mündlichen Anhörung des Verurteilten teilnehmen wollen und ihnen die Zugangsdaten für die Videokonferenz mitteilen müssen. Ob sie sich dann zuschalten und an der mündlichen Anhörung des Verurteilten teilnehmen, liegt in ihrem Verantwortungsbereich. b) Aufenthaltsort des Verurteilten (Satz 2). Die mündliche Anhörung des Verur- 6 teilten im Wege der Bild- und Tonübertragung ist mit Blick auf die große rechtsstaatliche Bedeutung der vollstreckungsrechtlichen Anhörung, die eine umfassende Sachaufklärung sowie die Verwirklichung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu gewährleisten hat, in einem Rahmen durchzuführen, der dieser Bedeutung gerecht wird.11 Das Gericht soll eine Bild- und Tonübertragung daher nur mit der Maßgabe anordnen, dass sich der Verurteilte bei der mündlichen Anhörung in einem Dienstraum (Satz 2 1. Alt.) oder in einem Geschäftsraum eines Verteidigers oder Rechtsanwalts (Satz 2 2. Alt.) aufhält. Damit das Gericht der Soll-Vorschrift nachkommen kann, werden insbesondere in den JVA und Maßregelvollzugseinrichtungen, in den Sozialen Diensten der Justiz, in den Gerichten und Staatsanwaltschaften die technische Infrastruktur sowie ein Nutzungskonzept zu schaffen sein. Zwar kann nach Satz 2 eine mündliche Anhörung des Verurteilten auch in jedem anderen Dienstraum (z. B. einer Polizeidienststelle) durchgeführt werden. Da es sich jedoch bei der mündlichen Anhörung um eine vollstreckungsrechtliche Maßnahme handelt, ist zunächst einmal die Justiz dafür verantwortlich, die logistischen Rahmenbedingungen für eine gesetzliche Umsetzung zu schaffen. Soweit das Gericht beabsichtigt, die Bild- und Tonübertragung mit der Maßgabe 7 anzuordnen, dass sich der Verurteilte bei seiner mündlichen Anhörung in einem Geschäftsraum eines Verteidigers oder Rechtsanwalts (Satz 2 2. Alt.) aufhält, bedarf es hierzu stets der Zustimmung des Verteidigers bzw. Rechtsanwalts, denn das Gericht ist nicht befugt, über die Räume sowie die technische Infrastruktur von Verteidigern oder Rechtsanwälten ohne deren ausdrückliche Zustimmung zu verfügen. Dass Verteidiger oder Rechtsanwälte durch das Gericht nicht verpflichtet werden können, ihre Geschäftsräume für die mündliche Anhörung ihres Mandanten zur Verfügung zu stellen, versteht sich von selbst. c) Dokumentation. Eine Regelung, wie mit der Bild- und Tonübertragung über die 8 mündliche Anhörung des Verurteilten verfahren werden soll (z. B. Aufzeichnung und Speicherung), hat der Gesetzgeber nicht getroffen, obwohl dies ratsam gewesen wäre. 9 BTDrucks. 19 27654 S. 115. 10 SK/Paeffgen § 454, 28; vgl. Erl. zu § 454, 19 ff. m. w. N. 11 BTDrucks. 19 27654 S. 115.

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Unklar bleibt daher, ob lediglich eine Bild- und Tonübertragung, aber keine Aufzeichnung und Speicherung erfolgt sowie ob und wie das Ergebnis einer solchen mündlichen Anhörung in den Akten dokumentiert wird. Eine Dokumentation dürfte grundsätzlich erforderlich sein, um etwa dem Beschwerdegericht die Prüfung zu ermöglichen, ob das Gericht seiner Entscheidung zutreffende Tatsachen und Erwägungen zugrunde gelegt hat12 und auch, um die Entwicklung für künftige Anhörungen des Verurteilten dokumentiert zu haben. Eine Dokumentation sollte daher entweder durch einen Vermerk über die mündliche Anhörung oder durch Aufzeichnung und Speicherung der Bild- und Tonübertragung erfolgen und Aktenbestandteil werden. So können auch diejenigen Verfahrensbeteiligten (z. B. Verteidiger, Vertreter der Staatsanwaltschaft), die an der mündlichen Anhörung nicht teilgenommen haben, sich zu einem späteren Zeitpunkt einen eigenen Eindruck von dem Ablauf und Inhalt der mündlichen Anhörung verschaffen. 9

d) Ausnahme (Satz 3). Nach Satz 3 findet Satz 1 in Fällen, in denen das Gericht über die (weitere) Vollstreckung einer unbefristeten Freiheitsentziehung zu entscheiden hat, keine Anwendung. Wenn der Verurteilte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, ist es nicht zulässig, den Verurteilten bzw. Untergebrachten im Wege einer Bild- und Tonübertragung mündlich anzuhören. Vielmehr ist in diesen Fällen stets eine mündliche Anhörung bei gleichzeitiger persönlicher Anwesenheit der zur Entscheidung berufenen Richter der Großen Strafvollstreckungskammer im selben Raum geboten. Absatz 1 Satz 1 findet mithin nur Anwendung gegen den mündlich Anzuhörenden Verurteilten bzw. Untergebrachten, gegen den eine zeitige Freiheitsstrafe verhängt und/oder die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet worden ist.13

III. Mündliche Anhörung von Sachverständigen (Absatz 2) Für die mündliche Anhörung eines vom Gericht bestellten Sachverständigen gilt Absatz 1 Sätze 1 und 3 entsprechend. Damit wird dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, in Fällen, in denen ein Sachverständiger mündlich zu hören ist (§ 454 Abs. 2 Satz 3, § 463 Abs. 3 Satz 3, § 463 Abs. 4 Satz 7) und die mündliche Anhörung des Verurteilten bzw. Untergebrachten im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgt, auch die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Rahmen derselben Videokonferenz durchzuführen. Es ist aber ebenso zulässig, den Verurteilten in Anwesenheit mündlich anzuhören, während der Sachverständige durch eine Videokonferenzschaltung mündlich gehört wird wie umgekehrt, den Sachverständigen mündlich in Anwesenheit und den Verurteilten bzw. Untergebrachten im Wege der Bild- und Tonübertragung anzuhören.14 Gesetzliche Vorgaben zur Sicherstellung eines angemessenen Rahmens der mündlichen Anhörung hat der Gesetzgeber in Anbetracht der Professionalität von Sachverständigen für entbehrlich gehalten.15 11 Ist der Verurteilte bzw. Untergebrachte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und/oder seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63

10

12 KG NStZ 2007 119; OLG Stuttgart StraFo 2005 17; 2005 127; OLG Hamm NStZ-RR 2004 383; vgl. § 454 Fn. 111 m. w. N.

13 BTDrucks. 19 27654 S. 115. 14 BTDrucks. 19 27654 S. 116. 15 BTDrucks. 19 27654 S. 116.

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StGB) oder in der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) angeordnet worden, so ist die mündliche Anhörung des Sachverständigen unter Nutzung der Videokonferenztechnik nicht zulässig (Absatz 2 i. V. m. Absatz 1 Satz 3). Mithin ist die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung nur bei Entscheidungen in Fällen zeitiger Freiheitsstrafe sowie über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) zulässig.16 Im Fall der mündlichen Anhörung des Sachverständigen mittels Bild- und Tonüber- 12 tragung kann das Gericht der Staatsanwaltschaft, dem Verurteilten bzw. Untergebrachten, seinem Verteidiger, der JVA und der Maßregelvollzugseinrichtung die Gelegenheit zur Mitwirkung über die Videokonferenz geben. In der Praxis dürfte in aller Regel die mündliche Anhörung des Sachverständigen mit derjenigen des Verurteilten bzw. Untergebrachten einhergehen, unabhängig davon, ob sie in persönlicher Anwesenheit oder per Bild- und Tonübertragung erfolgt.17

16 BTDrucks. 19 27654 S. 116. 17 BTDrucks. 19 27654 S. 116.

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Sachregister Die fetten Zahlen verweisen auf die Kapitel der Einleitung bzw. auf die Paragraphen, die mageren auf die Randnummern. A Abgabe der Nachtragsentscheidungen 462a 55 ff. Amtsgericht 462a 56 Bewährungsaufsicht 462a 60 Bindung 462a 59 ff. Staatsanwaltschaft 462a 63 Teilabgabe 462a 57 Umfang 462a 57 Wirkung 462a 58 Zuständigkeit des ersten Gerichts 462a 55 Abschiebehaft 450 19 Abschiebung 456a 10 Abschiebungshaftbefehl 456a 18 Absehen von der Anhörung 454 41 ff. Absehensgründe 454 41 ff. Antragsfrist 454 45 Antragswiederholung 454 46 Einwilligung des Verurteilten 454 47 hälftige Freiheitsstrafe 454 44 Missbrauch der Anhörung 454 48 Sperrfrist 454 45 Übereinstimmung 454 43 verfrühte Antragstellung 454 46 Verwirkung 454 49 Absehen von der Unterbrechung 454b 39 ff. Ablehnung 454b 43 Antrag des Verurteilten 454b 41 Beschluss über die Aussetzung 454b 44 Ermessen 454b 43 Pflichtverteidigerbestellung 454b 45 Prognose 454b 42 Verfahren 454b 43 ff. Voraussetzungen 454b 40 ff. Zweck 454b 39 Absehen von Vollstreckung 456a 1 ff. Abschiebung 456a 10 Abschiebungshaftbefehl 456a 18 Antrag 456a 13 Auslieferung 456a 8 Aussetzung zur Bewährung 456a 16 Begründungsanforderungen 456a 17 Belehrungspflicht 456a 21 Entscheidung 456a 13 ff. Ermessen 456a 14 Ersatzfreiheitsstrafe 456a 11 Fahndungsmaßnahmen 456a 19 f. freiheitsentziehende Maßregeln 456a 11 Freiheitsstrafe 456a 11 internationaler Strafgerichtshof 456a 3 Nachholung der Vollstreckung 456a 22 f. Pflichtverteidigerbestellung 456a 15 Rechtsbehelfe 456a 25 Sprache 456a 6 StVollstrO 456a 5 f.

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Überstellung an IStGH 456a 9 von Amts wegen 456a 13 Voraussetzungen 456a 8 ff. wegen einer anderen Tat 456a 12 Zurückschiebung 456a 10 Zurückweisung 456a 10 Zuständigkeit 456a 24 Zwischenmaßnahmen 456a 18 Adhäsionsverfahren 449 4 Akteneinsicht 452 22 Aktenverlust 451 58 Amnestie Gnadenverfahren 452 1 Rechtshilfe Vor 449 44 Strafzeitberechnung 451 68 Vollstreckbarkeit 449 8 Amtsanwälte 451 7 Amtshilfe Aufsichtsstelle 463a 5, 463a 8 Vollstreckungsbehörde 457 21 Angeklagte 453 14 Anhörung 453 14 ff. Absehen von der ~ 453 17 ff. Angeklagte 453 14 Anhörung des Verurteilten 454 21 ff., s. a. dort Ausbleiben 453 25 Auskehrung des Verwertungserlöses 459k 17 Aussetzung zur Bewährung 454 17 ff., 454 21 ff., 454 86 Bewährungshelfer 453 23 Bild-/Tonübertragung 463e 1 ff., s. a. dort Ermessen 453 16 Ladung 453 21 mündliche ~ 453 16 ff. nachträgliche ~ 453 62 Sachverständigengutachten 453 31, 454 63 f., 454 66 ff., 454 80, 463 32 f. Staatsanwaltschaft 453 14 Teilnahmeberechtigte 453 22 ff. vereinfachte Entschädigung 459j 17 ff. Verzicht 453 19 Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 29, 459g 43 Vorführung 453 25 Anhörung des Verurteilten 454 21 ff. Absehen von der Anhörung 454 41 ff., s. a. dort audiovisuelle ~ 454 37 beauftragte Richter 454 25 f., 454 29 f., 454 31 f. Dokumentation 454 40 Durchführung 454 36 ff. ersuchte Richter 454 27 f., 454 29 f., 454 31 f., 454 34 f.

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Sachregister

Form 454 23 ff. Freibeweis 454 22 freiheitsentziehende Maßregeln 463 52 Gegenstand der ~ 454 39 Gestaltung 454 36 f. Protokoll 454 40 rechtliches Gehör 454 21 richterliche ~ 454 21 telefonische ~ 454 37 übrige Verfahrensbeteiligte 454 38 Vermerk 454 40 vollbesetzte Kammer 454 24 Anrechnung ausländischer Freiheitsentziehung 450a 1 ff. Abschiebehaft 450a 15 Anrechnung bei Nichtauslieferung 450a 7 Anrechnungsmaßstab 450a 13 f. Auslieferung wegen mehrerer Strafen 450a 11 Auslieferungshaft 450a 5 ff., s. a. dort Bundesverfassungsgericht 450a 3 Einlieferungshaft 450a 2 Exequaturverfahren 450a 8 Gegenstand der ~ 450a 9 ff. im Ausland Festgenommene 450a 2 Nichtanrechnungsanordnung 450a 16 ff., s. a. dort Verfolgungsauslieferung 450a 10 weiterer Fall 450a 12 Zusammentreffen Vollstreckungs-/Verfolgungsauslieferung 450a 10 Anrechnung der Untersuchungshaft 450 1 ff. andere Freiheitsentziehung 450 16 ff. Entweichen eines Gefangenen 450 18 Ermessen 450 1 geltendes Recht 450 2 ff. Gnadenverfahren 450 20 Heranwachsende 450 24 f. Jugendarrest 450 25 Jugendliche 450 24 f. Justizverwaltung 450 5 nachträgliche Gesamtstrafe 460 56 f. Nichtanrechnungsanordnung 450 3 Rechtskraft 450 6 f., 450 8 ff. Rechtsmittelübernahme 450 22 relative Rechtskraft 450 6 f. Strafzeitberechnung 450 23 Teilanfechtung 450 11 ff. Untersuchungshaft 450 19 Urteilsaufhebung 450 21 Vollstreckungshaftbefehl 450 16 Vorführungsbefehl 450 16 Wegfall 450 21 f. Wirkung 450 6 f. Zeitpunkt der Festnahme 450 17 zwingende ~ 450 1 Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 1 ff. Ausnahmen 461 5 Besorgnis naher Lebensgefahr 461 10 Durchführung der Unterbrechung 461 12 ff.

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Entweichen eines Gefangenen 461 7 Fortdauer der Freiheitsentziehung 461 2, 461 4 freiheitsentziehende Maßregeln 461 17 gerichtliche Entscheidungen 462 1 ff. Gnadenverfahren 461 11 Krankenhaus 461 1 Nachteile 461 9 Nichtanrechnung 461 6 psychisch Kranke 461 3 rechtliches Gehör 462 4 ff. Rechtsbehelfe 461 16 Unterbrechung der Vollstreckung 461 8 ff. Unterbrechungsende 461 15 unwirksame Unterbrechung 461 14 Vollzugsuntauglichkeit 461 8 Zuständigkeit 461 16 Anrechnungsmodell 454b 27 f. Antrag des Verurteilten Absehen von der Unterbrechung 454b 41 Aufschub des Berufsverbots 456c 3 Gnadenverfahren 452 9 Unterbleibensanordnung 459d 13 f. vorübergehender Strafaufschub 456 7 Aufenthaltsort Bild-/Tonübertragung 463e 6 f. elektronische Aufenthaltsüberwachung 463a 27 Aufhebung der Aussetzung 454a 7 ff. Aussetzungsentscheidung 454a 15 Entlassung des Verurteilten 454a 16 Ermessen 454a 13 neu bekanntgewordene Tatsachen 454a 10 neu eingetretene Tatsachen 454a 8 f. Nichtverantwortbarkeit der Aussetzung 454a 12 öffentliche Sicherheit 454a 11 Rechtsmittel 454a 18 f. sofortige Beschwerde 454a 18 f. Verfahren 454a 14 Voraussetzungen 454a 8 ff. Widerruf der Aussetzung 454a 17 Zuständigkeit 454a 20 Zweck 454a 7 Aufklärungspflicht Gnadenverfahren 452 12 nachträgliche Entscheidungen 453 11 f. Auflösung früherer Gesamtstrafen Gesamtstrafenbildung 462a 73 nachträgliche Gesamtstrafe 460 27 ff. Aufnahme 462a 11 ff. Dauer 462a 12 Erstaufnahme 462a 12 Organisationshaft 462a 13 Vollzugsbeginn 462a 13 Aufnahmeersuchen 457 8 Aufrechnung 459o 17 f. Aufschub des Berufsverbots 456c 3 ff. Anrechnung 456c 15 Antrag des Verurteilten 456c 3 Dauer 456c 14

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Einwilligung 456c 3 Entscheidung 456c 9 ff. erhebliche Härte 456c 4 Fahrverbot 456c 16 nachträgliche Verlängerung 456c 8 Rechtsmittel 456c 7 Sicherheitsleistung 456c 13 sofortige Beschwerde 456c 7 Verfahren 456c 5 Voraussetzungen 456c 3 Aufsichtsstelle 463a 1 ff. Amtshilfe 463a 5, 463a 8 Aufgabe 463a 1 Auskunftsverlangen 463a 6 Befugnisse 463a 4 ff. Behörden 463a 5 Besetzung 463a 2 Bewährungshelfer 463a 1 eidliche Vernehmungen 463a 7 elektronische Aufenthaltsüberwachung 463a 18 ff., s. a. dort Fahndungsmaßnahmen 463a 9 Landgerichte 463a 2 Organisation 463a 2 polizeiliche Beobachtung 463a 10 ff. Vorführungsbefehl 463a 13 ff. Zwangsmittel 463a 9 Ausgleichsanspruch 459l 4 ff., 459l 8 ff. Auskehrung Auskehrung des Insolvenzüberschusses 459m 2 ff., s. a. dort Auskehrung des Verwertungserlöses 459k 1 ff., s. a. dort Einziehungsmitteilung 459i 5 Entschädigung 459h 20 ff. Insolvenzüberschuss 459m 2 ff. Verwertungserlös 459k 1 ff. Zulassung durch das Gericht 459i 5 Auskehrung des Insolvenzüberschusses 459m 2 ff. Ausschlussfrist 459m 7 Mangelfall ohne Insolvenzverfahren 459m 8 Prioritätsprinzip 459m 4, 459m 9 Verfahren 459m 5 f. Voraussetzungen 459m 3 f. Auskehrung des Verwertungserlöses 459k 1 ff. Anhörung 459k 17 Anmeldungsform 459k 7 Anmeldungsfrist 459k 5 f. Anspruchsanmeldung 459k 2 ff. Anspruchsberechtigung 459k 3 f. Geltendmachung mittels Vollstreckungstitel 459k 19 f. Pfändungen 459m 11 Verfahren 459k 8 ff. Verletzte 459k 3 Vollstreckungstitel 459k 19 f. Wiedereinsetzung 459k 18 Zulassung durch das Gericht 459k 11 ff. Zulassungsentscheidung 459k 16 Auskunftsverlangen 463a 6

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Auslagenerstattung 459o 17 Ausland 450a 5 Auslieferung Absehen von Vollstreckung 456a 8 nachträgliche Gesamtstrafe 460 24 ff. Auslieferungshaft 450a 5 ff. Anrechnung bei Nichtauslieferung 450a 7 Ausland 450a 5 Auslieferungsverfahren 450a 6 Auslieferungsverfahren 450a 6 Aussetzung der Vollstreckung freiheitsentziehende Maßregeln 463 8 f., 463 13 Sicherungsverwahrung 463 10 Unterbringung 463 36 Aussetzung des Berufsverbots 456c 9 ff. Anrechnung 456c 15 Dauer 456c 14 Fahrverbot 456c 16 Rechtsbehelfe 456c 12 Sicherheitsleistung 456c 13 Vollstreckungsbehörde 456c 9 ff. Voraussetzungen 456c 9 ff. Zulässigkeit 456c 10 Aussetzung zur Bewährung 454 1 ff. Ablehnung 454 102 ff. Absehen von Vollstreckung 456a 16 Anhörung der Justizvollzugsanstalt 454 18 Anhörung der Staatsanwaltschaft 454 17 Anhörung des Verteidigers 454 19 Anhörung des Verurteilten 454 21 ff., s. a. dort Anrechnung der Freistellung 454 82 ff. Antrag 454 6 Anträge Nichtverfahrensbeteiligter 454 14 Aufhebung der Aussetzung 454a 7 ff., s. a. dort Aussetzungsbeschluss 454 87 ff. Aussetzungsentscheidung 454a 4 Belehrung 454 106 f., 454 108 ff. Beschwerdeverfahren 454 101 Bewährungsüberwachung 453b 1 ff., s. a. dort Bewährungszeit 454a 6 Einleitung des Verfahrens 454 6 ff. Einwilligung des Verurteilten 454 16 Entlassungszeitpunkt 454 117 f., 454a 5 Entscheidungsform 454 88 Entscheidungsinhalt 454 89 ff. Entscheidungswirksamkeit 454 89 ff. Entscheidungszeitpunkt 454 87, 454a 2 Erstverbüßerregelung 454 8 Form der Entscheidung 454 12 f. freiheitsentziehende Maßregeln 454 120 frühzeitige Aussetzungsentscheidung 454a 2 Führungsaufsicht 463 62 Gnadenverfahren 454 116 Heranwachsende 454 119 Jugendliche 454 119 Jugendstrafe 454 119 Justizvollzugsanstalt 454 18

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Sachregister

lebenslange Freiheitsstrafe 454 51 ff. materiell-rechtliche Voraussetzungen 454 5 nachträgliche Belehrung 453a 1 ff. nachträgliche Entscheidungen 453 1 ff., 453 9, s. a. dort nachträgliche Gesamtstrafe 460 20, 460 37 ff. Notwendigkeit der Entscheidung 454 6 ff. Rechtskraft 454 86 Rechtsmittel 454 95 ff. Rechtsmittelwirkung 454 99 f. Sachverständigengutachten 454 54 ff., s. a. dort Sicherungsverwahrung 454 105 sofortige Beschwerde 454 95 ff. Sperrfrist 454 103 Staatsanwaltschaft 454 17 Strafvollstreckung Vor 449 2 Strafvollstreckungskammer 462a 1 ff., s. a. dort Verlängerung der Bewährungszeit 453a 5 Verteidiger 454 19 Vollstreckbarkeit 449 8 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 55 ff. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 459e 13 von Amts wegen 454 6 ff. vor Rechtskraft 454 86 Vorbereitung der Entlassung 454a 120 Widerruf der Aussetzung 453c 2, s. a. dort zeitige Freiheitsstrafe 454 53 Zeitpunkt der Entscheidung 454 15 zuständiges Gericht 454 4 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 35 Aussetzungsbeschluss 454 87 ff. B Barrierefreiheit 463e 4 beauftragte Richter 454 25 f., 454 29 f., 454 31 f. Begnadigung Rechtshilfe Vor 449 44 Vollstreckbarkeit 449 8 Begnadigungsrecht 452 1 ff., s. a. Gnadenverfahren Begrenzungsverordnung 451 33 Begründungsfrist 449 13 Beitreibungsverbot 459c 3 Bekanntmachung der Einziehungsmitteilung 459i 13 ff. Bekanntmachung der Verurteilung 463c 1 ff. Ablehnung der ~ 463c 12 ff. Anordnung 463c 4 Befugnis 463c 3 Deutscher Presserat 463c 3 Ermessen 463c 9 Ersuchen 463c 10 Internet 463c 11 periodische Druckschrift 463c 10 Rundfunk 463c 17

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StVollstrO 463c 6 Urteil 463c 2 Vollstreckung 463c 9 ff. Vollzugsverlangen 463c 8 Zustellung der Entscheidung 463c 7 Zwangsmittel 463c 15 Belehrung 454 108 ff. Absehen von Vollstreckung 456a 21 Belehrungspflicht 454 109 Form 454 111 ff. Inhalt 454 110 Zeitpunkt 454 114 Zuständigkeit 454 115 Berufsverbot Aufschub des ~s 456c 3 ff., s. a. dort Aussetzung des ~s 456c 9 ff. Eintritt der Wirksamkeit 456c 1 Strafvollstreckung Vor 449 4 Vollstreckungsbehörde 451 3, 456c 2 Widerruf der Aussetzung 453c 2 Beschlagnahme Führerscheinbeschlagnahme 463b 1 ff., s. a. dort Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 22 f. Beschleunigungsgebot 453 39 Beschwerde elektronische Aufenthaltsüberwachung 463a 58 nachträgliche Entscheidungen 453 42 ff. Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 43 Widerruf der Aussetzung 453 64 Besorgnis naher Lebensgefahr Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 10 Strafaufschub 455 10 Strafunterbrechung 455 18 Betäubungsmittelsachen 462a 26 ff. Bewährungsaufsicht 462a 60 Bewährungsbeschluss 453 4 Bewährungshelfer Anhörung 453 23 Aufsichtsstelle 463a 1 Bewährungsüberwachung 453b 4 Unterrichtung des ~s 453 33 ff. Bewährungsüberwachung 453b 1 ff. Beginn 453b 3 Bewährungshelfer 453b 4 Einheitlichkeit der Resozialisierung 453b 6 Ende 453b 3 freiheitsentziehende Maßregeln 453b 2 Führungsaufsicht 453b 2 Gericht 453b 1 Gerichtshilfe 453b 4 Lebensführung 453b 2 Mitwirkung anderer Stellen 453b 4 Staatsanwaltschaft 453b 4 Vorrang der Strafvollstreckungskammer 453b 6 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 19 Zuständigkeit des Gerichts 453b 5

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Sachregister

Bewährungszeit 454a 6 Bild-/Tonübertragung 463e 1 ff. Anordnung 463e 3 Aufenthaltsort des Verurteilten 463e 6 f. Ausnahmen 463e 9 Barrierefreiheit 463e 4 Dokumentation 463e 8 Durchführung 463e 5 ff. Ermessen 463e 2 f. Gestaltung 463e 5 Sachverständigengutachten 463e 10 ff. Zweck 463e 2 Bundesanzeiger 459i 6, 459i 14 Bundestagsabgeordnete 449 9 Bundeswehrvollzug 455 24 f. Bundeszentralregister Gnadenverfahren 452 3 nachträgliche Gesamtstrafe 460 10 Rechtshilfe Vor 449 38 Bußgeld 449 5 Bußgeldbescheid Vor 449 26 f. Bußgeldentscheidung, gerichtliche Vor 449 28 D Datenerhebung 463a 23 f. Datenspeicherung 463a 25 DDR-Urteile Vor 449 48 ff. Aufschub der Vollstreckung Vor 449 59 Einigungsvertrag Vor 449 49 ff. Einwendungen 458 35 Kassation Vor 449 51 Nachtragsentscheidungen 463 67 rechtsstaatliche Maßstäbe Vor 449 57 Rehabilitierung Vor 449 52 StPO Vor 449 53 ff. Unterbrechung der Vollstreckung Vor 449 59 Unterbringung 463 67 Unzulässigkeit der Vollstreckung Vor 449 55 ff. Dienstaufsichtsbeschwerde gerichtliche Entscheidungen 458 19 Strafaufschub 455 34 Strafunterbrechung 455 34 Dokumentation Anhörung des Verurteilten 454 40 Bild-/Tonübertragung 463e 8 Einziehungsmitteilung 459i 9 Doppelbestrafungsverbot 458 11 Durchsuchung Geldstrafe 459 9 Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 24 ff. Vollstreckungshaftbefehl 457 22 Vorführungsbefehl 457 22 E eidesstattliche Versicherung Einziehung 459g 7 Führerscheinbeschlagnahme 463b 4 eidliche Vernehmungen 463a 7

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Eigentumsübergang auf den Staat Vor 449 4 Einheitsstrafe Teilvollstreckung 449 31 Vollstreckbarkeit 449 2 f. Einigungsvertrag DDR-Urteile Vor 449 49 ff. Gnadenverfahren 452 5 Einlegungsfrist 449 13 Einlieferungshaft 450a 2 Einschlusszonen 463a 57 Einwendungen 459o 1 ff. Aufrechnung 459o 17 f. aufschiebende Wirkung 458 12 Ausgleichsanspruch 459l 11 Auslagenerstattung 459o 17 Beitreibung der Geldstrafe 459o 8 DDR-Urteile 458 35 Eigentum an der gepfändeten Sache 459o 16 Einwendungsberechtigte 458 25 ff. erneute ~ 458 32 f. Ersatzfreiheitsstrafe 459o 9 Fiskus 459o 17 f. gegen Art/Weise der Vollstreckung 459o 2, 459o 14 gegen die Vollstreckung als solche 459o 1, 459o 13 Geldstrafe 459o 8 gerichtliche Entscheidungen 458 6 ff., 458 9 ff., 458 12 ff., 458 16 ff. gerichtliche Zuständigkeit 459o 19 Nebenfolgen 459o 10 f. Rechtspfleger 458 34, 459o 12 Rückübertragungsanspruch 459l 11 sofortige Beschwerde 459o 20 Teilbeträge 459o 7 vereinfachte Entschädigung 459j 27 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 43 Vollstreckung in unpfändbares Vermögen 459o 15 Vollstreckungsbehörde Vor 449 22, 459o 3 ff. Zahlungserleichterungen 459o 6 Einwilligung des Verurteilten Absehen von der Anhörung 454 47 Aussetzung zur Bewährung 454 16 vorübergehender Strafaufschub 456 7 Einzelstrafen 460 11 ff. Einziehung 459g 4 ff. Ausgleichsanspruch 459l 4 ff., 459l 8 ff. Ausschluss der Vollstreckung 459g 31 ff. Besitzeinräumung 459g 5 besitzender Dritter 459g 8 bewegliche Sachen 459g 5 eidesstattliche Versicherung 459g 7 Einziehungsmitteilung 459i 1 ff., s. a. dort Entschädigung 459h 1 ff., 459h 10 ff., s. a. dort Mitteilung 459i 1 ff., s. a. Einziehungsmitteilung Quittung 459l 9

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Rechte 459g 10 Rückübertragungsanspruch 459l 2 f. Unausführbarkeit 459g 9 vereinfachte Entschädigung 459j 1 ff., s. a. dort Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 1 ff., 459g 17 f. Wegnahme 459g 6 Wertersatz 459h 21 Einziehung des Wertersatzes Entschädigung 459h 21 freiwillige Zahlungen 459n 1 ff. Einziehungsmitteilung 459i 1 ff. Adressat 459i 2 ff. Anspruchsberechtigte 459i 2 ff. Auskehrung 459i 5 Bekanntmachung 459i 13 ff. Bundesanzeiger 459i 6, 459i 14 Dokumentation 459i 9 Form 459i 8 Inhalt 459i 20 ff. Löschungspflicht 459i 19 Personendaten 459i 17 f. Prozesskostenhilfe 459i 24 Rechtsnachfolge 459i 3, 459i 7 unbekannte Anspruchsinhaber 459i 16 Unverzüglichkeitgebot 459i 10 Verletzte 459i 3 Verständlichkeit 459i 23 Vollstreckungsgrundlage 459i 4 Wertersatz 459i 22 Zeitpunkt 459i 10 Zustellung 459i 11 elektronische Aufenthaltsüberwachung 463a 18 ff. Altfälle 463a 18 f. Aufenthaltsort 463a 27 Aufgaben der Aufsichtsstelle 463a 22 ff. Beeinträchtigungen der Datenerhebung 463a 28 Beschwerde 463a 58 Datenerhebung 463a 23 f. Datenspeicherung 463a 25 Datenübertragung 463a 44 EGMR 463a 18 Einschlusszonen 463a 57 Einwilligung der Betroffenen 463a 41 Fußfessel 463a 55 Gefahrenabwehr 463a 34 ff. Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder 463a 45 f. gerichtliche Zuständigkeit 463a 60 GPS 463a 56 Löschungspflicht 463a 48 ff., 463a 53 f. örtliche Zuständigkeit 463a 59 praktische Durchführung 463a 55 ff. Protokollierungspflicht bei Datenabruf 463a 47 Sicherstellung der Zweckbindung 463a 42 ff. Sicherung gegen unbefugte Kenntnisnahme 463a 43

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staatsgefährdende Straftaten 463a 40 Strafvollstreckungskammer 463a 60 Umfang der Datenerhebung/-speicherung 463a 26 ff. Verfolgung einer Straftat 463a 38 f. Weisungsverstoß 463a 30 f. Zeitplan 463a 57 Zuständigkeit des ersten Gerichts 463a 60 Zweckbindung 463a 42 ff. Zweckbindung der Daten 463a 29 ff. Entlassungszeitpunkt 454 117 f., 454a 5 Entschädigung 459h 1 ff. Anspruchsberechtigung 459h 3 ff. Anspruchsberechtigung, Rechtsnachfolge 459h 6 Anspruchsgrundlagen 459h 8 ff. Auskehrung 459h 20 ff. Auskehrung des Insolvenzüberschusses 459m 2 ff., s. a. dort Auskehrungsanmeldung 459h 25 Einziehung 459h 10 ff. Einziehung des Wertersatzes 459h 21 Einziehung, selbständige 459h 15 Herausgabe 459h 16 ff. Insolvenzverfahren 459h 23 kleiner Auffangrechtserwerb 459h 16 Opferentschädigung 459h 1 Prioritätsprinzip 459h 1 Rechtsnachfolge 459h 6 Rechtspfleger 459h 26 Rückgewähr des Erlangten 459h 9 ff. vereinfachte ~ 459j 1 ff., s. a. dort Verzicht auf Rückübertragung 459h 14 Widerruf der Aussetzung 453c 19 Zuständigkeit 459h 26 Entscheidung über die Vollstreckbarkeit Vor 449 38 Entweichen eines Gefangenen Anrechnung der Untersuchungshaft 450 18 Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 7 Vollstreckungsbehörde 457 19 Ermessen Absehen von der Unterbrechung 454b 43 Absehen von Vollstreckung 456a 14 Anrechnung der Untersuchungshaft 450 1 Aufhebung der Aussetzung 454a 13 Bekanntmachung der Verurteilung 463c 9 Bild-/Tonübertragung 463e 2 f. Gnadenverfahren 452 15 Rechtshilfe Vor 449 41 Strafunterbrechung 455 21 Unterbleibensanordnung 459d 8 Verfahrenskosten 459d 12 vorübergehender Strafaufschub 456 9 Zahlungserleichterungen 459a 10 Ermittlungsaufträge 463d 4 Ermittlungsbefugnisse 457 4 f.

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Ermittlungshandlungen 457 5 Ersatzfreiheitsstrafe Absehen von Vollstreckung 456a 1 ff., s. a. dort Einwendungen 459o 9 Unterbleibensanordnung 459c 11 Vollstreckung der ~ 459e 1 ff. Vollstreckungsreihenfolge 454b 1 ff. vorübergehender Strafaufschub 456 1 Erstaufnahme 462a 12 Erstverbüßerregelung Aussetzung zur Bewährung 454 8 Unterbrechung der Vollstreckung 454b 16, 454b 19 ff. ersuchte Richter 454 27 f., 454 29 f., 454 31 f., 454 34 f. Erzwingungshaft Strafvollstreckung Vor 449 27 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 7 Exequaturverfahren Anrechnung ausländischer Freiheitsentziehung 450a 8 Rechtshilfe Vor 449 39 F Fahndungsbefugnisse 457 27 ff. Anordnungskompetenz 457 31 Verhältnismäßigkeit 457 30 Zweckbindung 457 29 Fahndungsmaßnahmen Absehen von Vollstreckung 456a 19 f. Aufsichtsstelle 463a 9 Fahrerlaubnisentziehung 463b 2 Strafvollstreckung Vor 449 4 Fahrverbot 463b 1 Anrechnung der Führerscheinverwahrung 450 26 Aussetzung des Berufsverbots 456c 16 Strafvollstreckung Vor 449 4 vorübergehender Strafaufschub 456 2 Fiskus 459o 17 f. Flucht Nichtanrechnungsanordnung 450a 18 Sicherungshaftbefehl 453c 9 Vollstreckungshaftbefehl 457 17 Vorführungsbefehl 457 17 Freibeweis 454 22 freiheitsentziehende Maßregeln Absehen von Vollstreckung 456a 1 ff., s. a. dort Anhörung des Verurteilten 463 52 Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 17 Aussetzung der Vollstreckung 463 8 f., 463 13 Aussetzung zur Bewährung 454 120 Bewährungsüberwachung 453b 2 Fortsetzungszuständigkeit 463 56 ff. Führungsaufsicht 463 14 f. Krisenintervention 463 51, 463 61

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Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten 463 31 Nachtragsentscheidungen 463 6 ff., 463 55 ff. Pflichtverteidigerbestellung 463 26 ff. Rechtshilfe Vor 449 30 Sachverständigenauswahl 463 23 Sachverständigengutachten 463 17 ff., 463 24 f. Sicherungshaftbefehl 453c 10 sofortige Vollziehbarkeit 463 53 f. Staatsanwaltschaft 463 4 Strafaufschub 463 50 Strafvollstreckung 463 1 ff. Unterbrechung der Vollstreckung 454b 24, 463 50 Untersuchungshaft 450 10 Vollstreckungsbehörde Vor 449 8, 463 4 Vollstreckungshilfe 451 24 Zuständigkeit bei Nachtragsentscheidungen 463 55 ff. Freiheitsstrafe Absehen von Vollstreckung 456a 1 ff., s. a. dort Anrechnung ausländischer Freiheitsentziehung 450a 1 ff., s. a. dort Anrechnung der Sicherungshaft 453c 13 Anrechnung der Untersuchungshaft 450 1 ff., s. a. dort Unterbleibensanordnung 459d 1 ff., s. a. dort Unterbrechung der Vollstreckung 454b 13 ff., s. a. dort Vollstreckbarkeit 449 34 Vollstreckungsbehörde Vor 449 8 Vollstreckungsreihenfolge 454b 1 ff. Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 4 Führerscheinbeschlagnahme 463b 1 ff. ausländischer Führerschein 463b 3 eidesstattliche Versicherung 463b 4 Fahrerlaubnisentziehung 463b 2 Fahrverbot 463b 1 Führungsaufsicht Aufsichtsstelle 463a 1 ff., s. a. dort Aussetzung zur Bewährung 463 62 freiheitsentziehende Maßregeln 463 14 f. nachträgliche Entscheidungen 453 27 Nachtragsentscheidungen 463 5 Weisungsverstoß 463a 32 Fußfessel 463a 55, s. a. elektronische Aufenthaltsüberwachung G Geisteskrankheit Strafaufschub 455 9 Strafunterbrechung 455 18 Geldauflage 459g 17 f. Geldstrafe Absehen von der Geldstrafenvollstreckung 459d 1 ff.

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Beitreibung 459 8, 459c 1 ff. Beitreibung der Verfahrenskosten 459 10 Durchsuchung der Wohnung 459 9 Einbeziehung 459c 15 Einforderung 459 7 Einwendungen 459o 8 Erfolglosigkeit 459c 10 erwartete Erfolglosigkeit 459c 8 ff. gerichtliche Bußgeldentscheidung 459 2 Gesamtfreiheitsstrafe 459c 15 Justizbeitreibungsgesetz 459 2, 459 4 kumulative ~ 459d 5 nachträgliche Gesamtstrafe 460 7 ff. Rechtsbehelfe 459 11 Rechtspfleger 459 6 Schonfrist 459c 1 ff., s. a. dort Strafaufschub 455 38 Strafunterbrechung 455 38 Strafvollstreckung 459 1 ff. Teilbeträge 459b 1 ff. Tilgung durch freie Arbeit 459e 14 ff. Tod des Verurteilten 459c 12 ff., s. a. dort Unterbleibensanordnung 459c 11, s. a. dort Verwaltungsvorschriften 459 5 Vollstreckungsbehörde Vor 449 7, 459 7 ff. Vollstreckungsverfahren 459 6 ff. vorübergehender Strafaufschub 456 1 Zahlungserleichterungen 459a 1 ff., s. a. dort Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder 463a 45 f. Generalbundesanwalt Rechtshilfe Vor 449 33 Vollstreckungshilfe 451 26 gerichtliche Entscheidungen 458 1 ff. Anordnungen der Vollstreckungsbehörde 458 17 f. Anrechnung einer Freiheitsentziehung 458 3 Art des Strafvollzugs 458 10 Auslegung eines Strafurteils 458 2 Berechnung der erkannten Strafe 458 3 ff. Dienstaufsichtsbeschwerde 458 19 Doppelbestrafungsverbot 458 11 Einwendungen 458 6 ff., 458 9 ff., 458 12 ff., 458 16 ff. Einwendungsberechtigte 458 25 ff. erneute Einwendungen 458 32 f. ersuchte Vollstreckungsbehörde 458 29 Rechtsmittel 458 30 f. Strafaufschub 458 16 Straffreiheitsgesetz 458 8 Strafzeitberechnung 458 3 ff. Unterbrechung der Vollstreckung 458 16 vollstreckungsrechtliche ~ 458 23 Vollstreckungsreihenfolge 458 16 Vollstreckungsverjährung 458 9 vorläufige Anordnungen 458 20 ff. Zulässigkeit der Strafvollstreckung 458 6 ff. Zweidrittelzeitpunkt 458 5

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Gerichtshilfe 463d 1 ff. Aufgaben 463d 2 ff. Bewährungsüberwachung 453b 4 Ermittlungsaufträge 463d 4 Nachtragsentscheidungen 463d 3 Organisation 463d 2 Gesamtfreiheitsstrafe 459c 15 Gesamtgeldstrafe 460 8 f. Gesamtstrafe Gesamtstrafenbildung 462a 69 ff., s. a. dort Gnadenverfahren 452 4 nachträgliche ~ 460 1 ff., s. a. dort Teilvollstreckung 449 25 ff. Unterbleibensanordnung 459d 9 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 54 Vollstreckungsreihenfolge 454b 6 Gesamtstrafenbildung 462a 69 ff. Auflösung früherer Gesamtstrafen 462a 73 fehlende Strafgewalt 462a 74 ff. Gericht erster Instanz 462a 71 höchste Einzelstrafe 462a 71 Schwere der Strafart 462a 70 Zuständigkeit 462a 69 ff. Gesetzwidrigkeit 453 43 ff. Gnadenordnungen 452 6 f. Gnadenverfahren 452 1 ff., 452 8 ff. Ablehnung 452 15 Akteneinsicht 452 22 Amnestie 452 1 anfechtbare Entscheidungen 452 17 f. Anrechnung der Untersuchungshaft 450 20 Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 11 Antrag des Verurteilten 452 9 Antrag von Dritten 452 9 Aufklärungspflicht 452 12 Aussetzung zur Bewährung 454 116 Begriff 452 1 Bewährungsüberwachung 453b 7 Bund 452 4 f. Einigungsvertrag 452 5 Einleitung 452 8 Entscheidung 452 13 ff. Ermessen 452 15 Gesamtstrafe 452 4 Gewährung 452 14 Gnadenbefugnisse 452 7 Gnadenordnungen 452 6 f. Länder 452 6 f. notwendige Verteidigung 452 27 f. Ordnungsmittel 452 2 Ordnungswidrigkeiten 452 2 Rechtspfleger 451 40 Rechtsweg 452 16 ff. Reform 452 19 f. Registereintragungen 452 3 Reichweite 452 2 Rücknahme 452 24 ff. Schuldspruch 452 3 Strafaufschub 455 35

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Strafunterbrechung 455 35 Strafzeitberechnung 451 64, 451 68 Unterrichtung von Behörden/Stellen 452 21 Vollstreckbarkeit 449 8 Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 459f 10 von Amts wegen 452 11 vorübergehender Strafaufschub 456 13 Widerruf 452 17 f. Zuständigkeiten 452 4 ff. GPS 463a 56 H Heranwachsende Anrechnung der Untersuchungshaft 450 24 f. Aussetzung zur Bewährung 454 119 Strafvollzug Vor 449 21 Herbeiführung des Vollzugs 457 1 I Immunität 449 9 f. Insolvenzverfahren 459h 23 Internet 463c 11 J Jugendarrest Anrechnung der Untersuchungshaft 450 25 Strafvollzug Vor 449 21 Jugendgerichtsgesetz Rechtspfleger 451 32 Strafvollzug Vor 449 12 Vollstreckbarkeit 449 2 f. Vollstreckungsbehörde 451 6 Jugendliche Anrechnung der Untersuchungshaft 450 24 f. Aussetzung zur Bewährung 454 119 Strafvollzug Vor 449 21 Unterbringung 463 66 Jugendrichter 451 9 Jugendstrafe Aussetzung zur Bewährung 454 119 nachträgliche Gesamtstrafe 460 58 ff. Nachtragsentscheidungen 462a 82 f. Vollstreckungshilfe 451 27 Vollstreckungsreihenfolge 454b 7 f. vorübergehender Strafaufschub 456 10 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 5 Justizbeitreibungsgesetz 459 2, 459 4 Justizverwaltung Anrechnung der Untersuchungshaft 450 5 Geschäfte der ~ Vor 449 16 Justizvollzugsanstalt Vor 449 10 Strafvollstreckung Vor 449 16 f. Strafvollzug Vor 449 16 f. Vollstreckungsbehörde 451 14

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Justizvollzugsanstalt Aufnahme 462a 11 ff., s. a. dort Aufsicht Vor 449 10 Aussetzung zur Bewährung 454 18 Hilfsorgan Vor 449 11 Justizverwaltung Vor 449 10 Strafvollzug Vor 449 11 Unterbrechung der Vollstreckung 454b 47 Vollstreckungsbehörde Vor 449 9 f. K Kassation Vor 449 51 Katastrophenfälle 455a 2 Krankheiten 455 13 Kriminalstrafe Vor 449 24 Krisenintervention freiheitsentziehende Maßregeln 463 51, 463 61 L Ladung 453 21 Ladung zum Strafantritt 457 6 ff. Aufnahmeersuchen 457 8 Form 457 9 Fristsetzung 457 8 mittellose Verurteilte 457 10 Vollstreckungsplan 457 7 Ländervereinbarung 2001 451 20 ff. Landtagsabgeordnete 449 10 lebenslange Freiheitsstrafe Aussetzung zur Bewährung 454 51 ff. Sachverständigengutachten 454 55 Unterbrechung der Vollstreckung 454b 23 Löschungspflicht Einziehungsmitteilung 459i 19 elektronische Aufenthaltsüberwachung 463a 48 ff., 463a 53 f. M Maßregeln der Besserung und Sicherung s. freiheitsentziehende Maßregeln Mehrheit von Schuldtiteln 459b 6 Mindestverbüßungszeit 454b 17, 454b 30 Mitteilungspflichten Vor 449 29 mündliche Verhandlung 453 13 N nachträgliche Entscheidungen 453 1 ff. Ablehnung von Anordnungen 453 47 Anhörung 453 14 ff., s. a. dort Antrag 453 11 Anträge Nichtverfahrensbeteiligter 453 67 Aufklärungspflicht 453 11 f. Aussetzung zur Bewährung 453 9 Begründung 453 40 Begründungsmängel 453 41 Berufungsinstanz 453 69 Beschleunigungsgebot 453 39 Beschwerde 453 42 ff. Bewährungsbeschluss 453 4 Bewährungshelfer 453 33 ff.

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Entscheidung 453 39 ff. entsprechende Anwendung 453 5 Erlass der Strafe 453 52 ff. Führungsaufsicht 453 27 gerichtliche Zuständigkeit 453 10 Gesetzwidrigkeit 453 43 ff. mündliche Verhandlung 453 13 nachträgliche Belehrung 453a 1 ff. Rechtskraft 453 3 Rechtsmittel 453 42 ff. Sachverständigengutachten 453 26 ff. sexueller Missbrauch 453 26 ff. sofortige Beschwerde 453 48 ff. Staatsanwaltschaft 453 11 Therapieweisung 453 27 Unterrichtung des Bewährungshelfers 453 33 ff. Verfahren 453 11 ff. Verlängerung der Bewährungszeit 453 46 Verwarnung mit Strafvorbehalt 453 9 Wesen 453 8 Widerruf der Aussetzung 453 49 ff. nachträgliche Gesamtstrafe 460 1 ff. Änderung der Rechtslage 460 47 Anrechnung der Untersuchungshaft 460 56 f. Auflösung früherer Gesamtstrafen 460 27 ff. Auslieferung 460 24 ff. Ausnahmen 460 3 Aussetzung zur Bewährung 460 20, 460 37 ff. auszuscheidende Strafen 460 12 ff. Begründung 460 45 ff. Bemessung der Gesamtstrafe 460 33 Beschlussbegründung 460 48 Bundeszentralregister 460 10 Einzelstrafen 460 11 ff. einzubeziehende Strafen 460 15 Geldstrafe 460 7 ff. Gesamtgeldstrafe 460 8 f. Gesamtstrafenbildung 462a 69 ff., s. a. dort Gnadenerweise 460 16 ff., 460 20 Jugendstrafe 460 58 ff. Nebenfolgen 460 36 nicht rechtskräftige Einzelstrafen 460 22 Pflichtverteidigerbestellung 460 44 Rechtsfehler in früheren Urteilen 460 34 f. Rechtskraft 460 50 Rechtsmittel 460 49 reformatio in peius 460 28 ff. sofortige Beschwerde 460 49 Strafbefehl 460 5 Straferlass 460 13 f. Strafzeitberechnung 460 54 ff. Übergangsregelung 460 66 ungerechtfertigte Besserstellung 460 19 Urteil 460 5 Verfahren 460 41 ff. Verfahrensgebühr 460 64 verjährte Einzelstrafen 460 21

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verschiedene Alters-/Reifestufen 460 61 ff. verschiedene Verfahren 460 2 Verschlechterungsverbot 460 28 ff. Verteidigervergütung 460 65 Verwarnung mit Strafvorbehalt 460 6 vollstreckbar gewordene Einzelstrafen 460 23 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 460 51 von Amts wegen 460 43 Voraussetzungen 460 4 Widerruf der Aussetzung 460 39 Widerruf der Strafaussetzung 460 52 f. Zuständigkeit 460 41 f. Nachtragsentscheidungen Abgabe der ~ 462a 55 ff., s. a. dort DDR-Urteile 463 67 Entscheidungszersplitterung 462a 77 erstinstanzliche OLG-Urteile 462a 89 ff. Fortdauer der Zuständigkeit 462a 34 freiheitsentziehende Maßregeln 463 6 ff., 463 55 ff., s. a. dort Führungsaufsicht 463 5 Gerichtshilfe 463d 3 Jugendstrafe und Freiheitsstrafe 462a 82 f. mehrere Strafverfahren 462a 77 mehrere Strafvollstreckungskammern 462a 84 Rechtskraft der Ausgangsentscheidungen 462a 79 sachliche Zuständigkeit 462a 80 Strafvollstreckungskammer 462a 1, 462a 81, s. a. dort Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 4 ff., 462a 33 ff., s. a. dort Zuständigkeit des ersten Gerichts 462a 40 ff., s. a. dort Zuständigkeitskonzentration 462a 77 ff., 462a 85, 462a 86 ff. Nebenfolgen Einwendungen 459o 10 f. nachträgliche Gesamtstrafe 460 36 Strafvollstreckung Vor 449 4 Teilvollstreckung 449 23 Tod des Verurteilten 459c 14 Unterbleibensanordnung 459d 4 Vollstreckung von ~ 459g 1 ff., s. a. dort vorübergehender Strafaufschub 456 1 Zahlungserleichterungen 459a 23 Nebengeschäfte Vor 449 29 Nebenstrafen Strafvollstreckung Vor 449 4 vorübergehender Strafaufschub 456 1 Nichtanrechnungsanordnung Anrechnung ausländischer Freiheitsentziehung 450a 16 ff. Anrechnung der Untersuchungshaft 450 3 Antrag der Staatsanwaltschaft 450a 16 f. Flucht ins Ausland 450a 18 Gegenstand der Entscheidung 450a 19 gerichtliche Entscheidungen 462 1 ff. rechtliches Gehör 462 4 ff.

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Sachregister

sofortige Beschwerde 462 9 ff. Verhalten des Verurteilten 450a 17 f. Normalurlaub 451 66 notwendige Verteidigung Gnadenverfahren 452 27 f. Strafvollstreckung Vor 449 47 Notzuständigkeit 451 10 f. O öffentliche Sicherheit Aufhebung der Aussetzung 454a 11 Sachverständigengutachten 454 58 Strafausstand 455a 3 Strafunterbrechung 455 22 Opferentschädigung 459h 1 Ordnungshaft 456 15 Ordnungsmittel Gnadenverfahren 452 2 Vollstreckbarkeit 449 35 Ordnungswidrigkeiten Bußgeldbescheid Vor 449 26 f. Bußgeldentscheidung, gerichtliche Vor 449 28 Gnadenverfahren 452 2 Vollstreckbarkeit 449 5 Organisationshaft 462a 13 P Patientendaten 463 46 f. periodische Druckschrift 463c 10 Personendaten Einziehungsmitteilung 459i 17 f. Veröffentlichung 459i 17 f. Pfändungen 459m 10 ff. Auskehrung des Verwertungserlöses 459m 11 nach Abschluss des Insolvenzverfahrens 459m 12 Prioritätsprinzip 459m 10 Unterrichtung von Anspruchsinhabern 459m 13 Pflichtverteidigerbestellung Absehen von der Unterbrechung 454b 45 Absehen von Vollstreckung 456a 15 freiheitsentziehende Maßregeln 463 26 ff. nachträgliche Gesamtstrafe 460 44 Sachverständigengutachten 454 69 ff. Sicherungsverwahrung 463 63 ff. Unterbringung 463 49, 463 63 ff. Polizei Vor 449 7, 457 20 f. Polizeigefängnis 451 71 polizeiliche Beobachtung 463a 10 ff. Prioritätsprinzip Auskehrung des Insolvenzüberschusses 459m 4, 459m 9 Entschädigung 459h 1 Pfändungen 459m 10 Prognose 454b 42 Protokoll 454 40 Prozesskostenhilfe 459i 24

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Q Quittung

459l 9

R rechtliches Gehör 459e 5 ff. Rechtsbehelfe Absehen von Vollstreckung 456a 25 Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 16 Geldstrafe 459 11 Strafaufschub 455 32 ff. Strafausstand 455a 7 Strafunterbrechung 455 32 ff. Unterbrechung der Vollstreckung 454b 50 ff. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 459e 12 Vollstreckungshaftbefehl 457 33 vorübergehender Strafaufschub 456 14 Rechtshilfe Vor 449 30 ff. Amnestie Vor 449 44 ausländische Urteile im Inland Vor 449 36 ff. außerhalb des Bundeslandes Vor 449 31 Begnadigung Vor 449 44 Bewilligung Vor 449 38 Bewilligungsbehörde Vor 449 41 Bundeszentralregister Vor 449 38 Entscheidung über die Vollstreckbarkeit Vor 449 38 Ermessen Vor 449 41 Exequaturentscheidung Vor 449 39 freiheitsentziehende Maßregeln Vor 449 30 Freiheitsstrafe Vor 449 30 Generalbundesanwalt Vor 449 33 Inland Vor 449 30 ff. inländische Urteile im Ausland Vor 449 40 ff. internationale ~ Vor 449 34 ff. örtliche Zuständigkeit Vor 449 37 Rechtsweg Vor 449 41 Staatsanwaltschaft Vor 449 37 Überstellung Vor 449 44 Urteilsstaat Vor 449 44 f. Vollstreckungshilfe Vor 449 31 Vollstreckungsstaat Vor 449 44 Wiederaufnahme Vor 449 44 Wohnsitz des Verurteilten Vor 449 37 Zustimmungserfordernis des Verurteilten Vor 449 36 Rechtskraft absolute ~ 449 21, 450 8 ff. Anrechnung der Untersuchungshaft 450 6 f. Aussetzung zur Bewährung 454 86 Aussetzungsbeschluss 454 93 formelle ~ 449 11 nachträgliche Entscheidungen 453 3 nachträgliche Gesamtstrafe 460 50 Rechtskraftseintritt 449 12 ff., s. a. dort

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relative ~ 450 6 f. Schonfrist 459c 2 Unterbrechung der Vollstreckung 454b 30 Untersuchungshaft 450 8 ff. Vollstreckbarkeit 449 1, 449 11 Wegfall 450 15 Widerrufsbeschluss 453 55 f. Wiedereinsetzung 450 15 Rechtskraftbescheinigung sachliche Richtigkeit 451 45 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 44 Rechtskraftseintritt 449 12 ff. Ablauf der Begründungsfrist 449 13 Begründungsfrist 449 13 Einlegungsfrist 449 13 Revisionssbeschluss 449 15 Verfahrenshindernis 449 17 Verwerfungsbeschluss 449 14, 449 18 Zeitpunkt 449 12 Rechtsmittel Anrechnung der Untersuchungshaft 450 22 Aufhebung der Aussetzung 454a 18 f. Aufschub des Berufsverbots 456c 7 Aussetzung zur Bewährung 454 95 ff. nachträgliche Entscheidungen 453 42 ff. nachträgliche Gesamtstrafe 460 49 Unterbrechung der Vollstreckung 454b 53 Widerruf der Aussetzung 453c 18 Rechtsnachfolge Einziehungsmitteilung 459i 3, 459i 7 Entschädigung 459h 6 vereinfachte Entschädigung 459j 4, 459j 9 Rechtspfleger 451 28 ff. Ablehnung 451 38 Begrenzungsverordnung 451 33 Einwendungen 458 34, 459o 12 Entschädigung 459h 26 Geldstrafe 459 6 gerichtliche Geschäfte 451 30 Gnadenverfahren 451 40 Jugendgerichtsgesetz 451 32 Vollstreckungsbehörde 451 28 ff. vorbereitende Tätigkeiten 451 39 Vorlagepflicht 451 34 Vorlagerecht 451 35 vorübergehender Strafaufschub 456 9 Wahrnehmung der Geschäfte 451 34 ff. Weisungsgebundenheit 451 37 Rechtsschutz Vor 449 22 Rechtsweg Gnadenverfahren 452 16 ff. Rechtshilfe Vor 449 41 reformatio in peius 460 28 ff. Rehabilitierung Vor 449 52 Revisionsgericht 455 28 Strafunterbrechung 455 27 Vollstreckungsbehörde 451 12 Zuständigkeit des ersten Gerichts 462a 50 Revisionssbeschluss 449 15

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Rückübertragung Einziehung 459l 2 f. vereinfachte Entschädigung 459j 2 Rückwirkungsmodell 454b 26 Rundfunk 463c 17 S Sachverständigengutachten Anhörung 453 31, 454 63 f., 454 80, 463 32 f. Anhörungsdurchführung 454 66 ff. Aussetzung zur Bewährung 454 54 ff. Auswahl des Sachverständigen 454 60 f. Bild-/Tonübertragung 463e 10 ff. Erforderlichkeit 454 79 freiheitsentziehende Maßregeln 463 17 ff., 463 24 f. Inhalt 454 59 internes ~ 454 61 lebenslange Freiheitsstrafe 454 55 Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten 454 65 nachträgliche Entscheidungen 453 26 ff. öffentliche Sicherheit 454 58 Pflichtverteidigerbestellung 454 69 ff. sexueller Missbrauch 454 75 ff. Unterbringung 463 36 ff., 463 40 ff. Verfahren 454 62 ff. Verfahrensmängel 453 32, 454 73 f., 454 81, 463 34 zeitige Freiheitsstrafe 454 56 f. Zeitpunkt für die Einholung 454 62 Schonfrist 459c 1 ff. Beginn 459c 2 Beitreibungsverbot 459c 3 Durchführung der Vollstreckung 459c 4 Entfall 459c 7 Rechtskraft 459c 2 Teilbeträge 459c 5 Vollstreckung während der ~ 459c 6 Zweck 459c 1 Schwangere 455 12 Selbstgestellung des Verurteilten 451 71 sexueller Missbrauch nachträgliche Entscheidungen 453 26 ff. Sachverständigengutachten 454 75 ff. Sicherheitsleistung Aufschub des Berufsverbots 456c 13 Aussetzung des Berufsverbots 456c 13 vorübergehender Strafaufschub 456 12 Sicherungshaftbefehl 453c 9 ff. Anrechnung der Sicherungshaft 453c 13 Dauer der Sicherungshaft 453c 15 Flucht/-gefahr 453c 9 freiheitsentziehende Maßregeln 453c 10 Gefahr der Straftatbegehung 453c 11 Strafzeitberechnung 453c 20 Verweisungen 453c 14 Vollstreckung 453c 12 Sicherungsverwahrung Aussetzung der Vollstreckung 463 10 Aussetzung zur Bewährung 454 105

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Belehrung 454 108 ff., s. a. dort Entlassung 463 59 Folgeentscheidungen 463 12 Pflichtverteidigerbestellung 463 63 ff. Unterbrechung der Vollstreckung 454b 24 sofortige Beschwerde Aufhebung der Aussetzung 454a 18 f. Aufschub des Berufsverbots 456c 7 Aussetzung zur Bewährung 454 95 ff. Einwendungen 459o 20 nachträgliche Entscheidungen 453 48 ff. nachträgliche Gesamtstrafe 460 49 Nichtanrechnungsanordnung 462 9 ff. Unterbrechung der Vollstreckung 454b 53 vereinfachte Entschädigung 459j 27 Widerruf der Aussetzung 453 61, 453 65 Soldaten der Bundeswehr Strafvollstreckung Vor 449 46 Vollstreckungshilfe 451 23 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 6 Sonderurlaub 451 66 Sperrfrist Absehen von der Anhörung 454 45 Aussetzung zur Bewährung 454 103 Sprache 456a 6 Staatsanwaltschaft Abgabe der Nachtragsentscheidungen 462a 63 Anhörung 453 14 Aufgabenübertragung 451 75 Aussetzung zur Bewährung 454 17 Beschwerdeverfahren 451 76 Bewährungsüberwachung 453b 4 Ermittlungspersonen der ~ Vor 449 7 freiheitsentziehende Maßregeln 463 4 Gerichtshilfe 463d 1 ff., s. a. dort nachträgliche Entscheidungen 453 11 Nichtanrechnungsanordnung 450a 16 f. Rechtshilfe Vor 449 37 Strafvollstreckung Vor 449 5 Strafvollstreckungskammer eines anderen Bezirks 451 72 ff. Übertragung auf Rechtspfleger 451 28 ff. Vollstreckungsbehörde Vor 449 5, 451 5, 451 28 Vollstreckungsstaatsanwaltschaft 451 77 Zuständigkeitskonzentration 462a 86 ff. Strafarrest 462a 6 Strafaufschub 455 5 ff. Begriff 455 4 Besorgnis naher Lebensgefahr 455 10 Dauer 455 14 DDR-Urteile Vor 449 59 Dienstaufsichtsbeschwerde 455 34 freiheitsentziehende Maßregeln 463 50 Geisteskrankheit 455 9 Geldstrafe 455 38 gerichtliche Entscheidungen 458 16 gesetzliche Aufschubgründe 455 9 ff.

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Gnadenverfahren 455 35 körperlicher Zustand 455 11 Krankheiten 455 13 Menschenwürde 455 5 öffentliches Interesse 455 7 Recht auf ~ 455 6 Rechtsbehelfe 455 32 ff. Schwangere 455 12 Verfall 455 9 Vollstreckungsbehörde 451 3, 455 30 Vollzugsuntauglichkeit 455 1, 455 13 von Amts wegen 455 8 vorübergehender ~ 456 1 ff., s. a. dort Strafausstand 455 4 Katastrophenfälle 455a 2 öffentliche Sicherheit 455a 3 Rechtsbehelfe 455a 7 Überbelegung 455a 2 Vollstreckungsverjährung 455a 5 Vollzugsorganisation 455a 2 Zuständigkeit 455a 4 Strafbefehl nachträgliche Gesamtstrafe 460 5 vereinfachte Entschädigung 459j 8 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 53 Straferlass 460 13 f. Straffreiheitsgesetz 458 8 Strafunterbrechung 455 15 ff. Abgrenzung 455 17 Besorgnis naher Lebensgefahr 455 18 Bundeswehrvollzug 455 24 f. Dauer der Erkrankung 455 20 Dienstaufsichtsbeschwerde 455 34 Ermessen 455 21 Geisteskrankheit 455 18 Geldstrafe 455 38 Gesetzgebungsgang 455 16 Gnadenverfahren 455 35 Kosten 455 29 öffentliche Sicherheit 455 22 Rechtsbehelfe 455 32 ff. Revisionsgericht 455 27 schwere Erkrankung 455 19 Strafvollzugsgesetz 455 36 f. Unterbrechungsgründe 455 18 ff. Urlaub 455 36 Verfall 455 18 Vollstreckungsbehörde 455 30 Vollzugsuntauglichkeit 455 26 Zuständigkeit 455 30 f. Strafurteile Begriff 449 1 nachträgliche Entscheidungen 453 1 ff., s. a. dort Strafvollstreckung Vor 449 23 Vollstreckbarkeit 449 1 ff. Strafvollstreckung Vor 449 1 ff. Abgrenzung zum Strafvollzug Vor 449 11 ff. Aussetzung zur Bewährung Vor 449 2 Begriff Vor 449 1 ff., Vor 449 5

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Berufsverbot Vor 449 4 Bußgeldbescheid Vor 449 26 f. Bußgeldentscheidung, gerichtliche Vor 449 28 DDR-Urteile Vor 449 48 ff., s. a. dort Eigentumsübergang auf den Staat Vor 449 4 Erzwingungshaft Vor 449 27 Fahrerlaubnisentziehung Vor 449 4 Fahrverbot Vor 449 4 freiheitsentziehende Maßregeln 463 1 ff., s. a. dort Geldstrafe 459 1 ff. gerichtliche Entscheidungen 458 1 ff., s. a. dort Grundlagen Vor 449 18 f. internationale ~ Vor 449 34 ff., s. a. Rechtshilfe Jugendgerichtsgesetz Vor 449 12 Justizverwaltung Vor 449 16 f. Kriminalstrafe Vor 449 24 Nebengeschäfte Vor 449 29 Nebenstrafen/-folgen Vor 449 4 notwendige Verteidigung Vor 449 47 Rechtshilfe Vor 449 30 ff., s. a. dort Sammelbezeichnung Vor 449 1 ff. Soldaten der Bundeswehr Vor 449 46 Staatsanwaltschaft Vor 449 5 strafgerichtliche Entscheidungen Vor 449 23 Strafvollzug Vor 449 5 StVollstrO Vor 449 14, Vor 449 18 f. Teilvollstreckung 449 22 ff., s. a. dort Verlust von Rechten/Fähigkeiten Vor 449 4 Vermögensstrafe 459 1 Vollstreckbarkeit 449 1 ff., s. a. dort Vollstreckungsbehörde Vor 449 5 ff., s. a. dort Vollstreckungshilfe Vor 449 30 ff., s. a. Rechtshilfe Vollstreckungshindernisse 449 8 ff. Vollstreckungsleiter Vor 449 12 Vollstreckungspflicht 449 6 f. Zivilhaft Vor 449 25 Zulässigkeit der ~ 458 6 ff. Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 8 f., s. a. dort Strafvollstreckungskammer 462a 1 ff. Abgabemöglichkeit 462a 31 Besetzung 462a 92 Bewährungsüberwachung 453b 6 Bildung 462a 2 elektronische Aufenthaltsüberwachung 463a 60 Entscheidungen der ~ 462a 29 ff. Entscheidungsnähe 462a 2 globale Verweisung 462a 31 Nachtragsentscheidungen 462a 1, 462a 81 Vollstreckungsbehörde 451 73 Zuständigkeit der ~ 462a 4 ff., s. a. dort Zuständigkeitskonzentration 462a 3

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Strafvollstreckungsordnung 457 2 Strafvollzug Abgrenzung zum Strafvollzug Vor 449 11 ff. Freiheitsentziehungen gegen Jugendliche Vor 449 21 Grundlagen Vor 449 20 Heranwachsende Vor 449 21 Herbeiführung des Vollzugs 457 1 Jugendarrest Vor 449 21 Jugendgerichtsgesetz Vor 449 12 Jugendliche Vor 449 21 Justizverwaltung Vor 449 16 f. Justizvollzugsanstalt Vor 449 11 Ladung zum Strafantritt 457 6 ff., s. a. dort Strafvollstreckung Vor 449 5 Strafvollstreckungsordnung 457 2 StVollstrO Vor 449 14 Vollzugsleiter Vor 449 12 Vollzugszweck Vor 449 11 Strafvollzugsgesetz 455 36 f. Strafzeitberechnung 451 61 ff. Amnestie 451 68 anderweitiger Vollzug 451 70 Anrechnung der Untersuchungshaft 450 23, s. a. dort Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 1 ff., s. a. dort gerichtliche Entscheidungen 458 3 ff. Gnadenverfahren 451 64, 451 68 nachträgliche Gesamtstrafe 460 54 ff. natürliche Berechnungsweise 451 63 ff. Normalurlaub 451 66 Polizeigefängnis 451 71 Rechtsgrundlage 451 61 Selbstgestellung des Verurteilten 451 71 Sicherungshaftbefehl 453c 20 Sonderurlaub 451 66 Teilurlaub 451 67 Unterbrechung der Strafzeit 451 69 Urlaub 451 63, 451 66 ff. vereinfachte Berechnungsmethode 451 65 Vollstreckungsbehörde 451 61 ff. Vollstreckungshaftbefehl 457 32 Vorführungsbefehl 457 32 Stundung 459a 6 StVollstrO Absehen von Vollstreckung 456a 5 f. Bekanntmachung der Verurteilung 463c 6 Strafvollstreckung Vor 449 18 f. Strafvollzug Vor 449 14 Vollstreckungshilfe 451 16 T Teilanfechtung 450 11 ff. Teilbeträge Einwendungen 459o 7 Geldstrafe 459b 1 ff. Schonfrist 459c 5 Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 459e 8

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Teilurlaub 451 67 Teilvollstreckung 449 22 ff. Beschränkung des Rechtsmittels 449 23 f., 449 25 ff. Einheitsstrafe 449 31 Gesamtstrafe 449 25 ff. Nebenfolgen 449 23 praktisches Bedürfnis 449 30 Vollstreckbarkeit 449 3 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 449 32 f. Teilzahlungen 459a 6 Therapieweisung 453 27 Tod des Verurteilten Geldstrafe 459c 12 ff. Nebenfolgen 459c 14 Unbrauchbarmachung 459g 16 Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 14 ff. U Überbelegung 455a 2 Überstellung Absehen von Vollstreckung 456a 9 Rechtshilfe Vor 449 44 Überwachung der Lebensführung Vor 449 6, 451 4, 453b 1 ff. unbillige Härte 459f 3 ff. Unbrauchbarmachung Tod des Verurteilten 459g 16 Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 1 ff., 459g 11 ff. Unterbleibensanordnung 459d 1 ff. Antrag des Verurteilten 459d 13 f. dasselbe Verfahren 459d 2 Erledigung der Freiheitsstrafe 459d 7 Ermessen 459d 8 gerichtliche Entscheidungen 462 1 ff. Gesamtstrafe 459d 9 gesonderte Geldstrafe 459d 6 kumulative Geldstrafe 459d 5 Nebenfolgen 459d 4 öffentliches Interesse 459d 10 Verfahrenskosten 459d 12 verschiedene Verfahren 459d 3 Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 459f 7 f. Voraussetzungen 459d 5 ff., 459d 9 Wirkung 459d 11 Unterbrechung der Vollstreckung 454b 13 ff. Absehen von der Unterbrechung 454b 39 ff., s. a. dort Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 8 ff. Anrechnungsmodell 454b 27 f. Betäubungsmittelabhängigkeit 454b 35 Entscheidungsinhalt 454b 48 f. Erstverbüßerregelung 454b 16, 454b 19 ff. freiheitsentziehende Maßregeln 454b 24, 463 50 gerichtliche Entscheidungen 458 16 Gesetzgebungsgang 454b 14 f.

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Justizvollzugsanstalt 454b 47 lebenslange Freiheitsstrafe 454b 23 Mindestverbüßungszeit 454b 17, 454b 30 Rechtsbehelfe 454b 50 ff. Rechtskraft 454b 30 Rechtsmittel 454b 53 Rückwirkungsmodell 454b 26 Sicherungsverwahrung 454b 24 sofortige Beschwerde 454b 53 Strafaufschub 455 5 ff., s. a. dort Strafunterbrechung 455 15 ff., s. a. dort Unterbrechungsfälle 454b 17 ff. Unterbrechungszeitpunkte 454b 18 verspätete ~ 454b 25 ff. vorbereitende Maßnahmen 454b 47 Widerruf der Aussetzung 454b 31 ff., 454b 34, 454b 38 Widerruf der Zurückstellung 454b 35 ff. zeitige Freiheitsstrafe 454b 18 ff. Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung 454b 46 ff. Zuständigkeit 454b 54 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 34 Unterbringung Aussetzung der Vollstreckung 463 36, 463 36 ff. Begutachtung 463 36 ff. Dauer der ~ 463 37, 463 58 DDR-Urteile 463 67 forensisch-psychiatrische Erfahrung 463 44 gutachterliche Stellungnahme 463 38 f. Jugendliche 463 66 Patientendaten 463 46 f. Pflichtverteidigerbestellung 463 49, 463 63 ff. Sachverständigenauswahl 463 43 ff. Sachverständigengutachten 463 36 ff., 463 40 ff. späterer Beginn 463 57 Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung 463 38 Verschwiegenheitspflicht 463 39 Unterrichtung des Bewährungshelfers 453 33 ff. Form 453 37 Umfang 453 34 f. unterlassene ~ 453 38 Zeitpunkt 453 36 Zweck 453 33 Zweckbindung 453 35 Untersuchungshaft 450 19 Abschiebehaft 450 19 absolute Rechtskraft 450 8 ff. Anrechnung der ~ 450 1 ff., s. a. dort Begriff 450 19 förmlicher Übergang in Strafhaft 450 9 freiheitsentziehende Maßregeln 450 10 Rechtskraft 450 8 ff. Teilanfechtung 450 11 Übergang in Strafhaft 450 8

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Sachregister

Untersuchungshaftbefehl Nichtverwertbarkeit 457 14 Vollstreckungshaftbefehl 457 13 Unverzüglichkeitgebot 459i 10 Urkundsbeamte Vollstreckbarkeit 449 17 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 42 ff., 451 50, s. a. dort Urlaub Strafunterbrechung 455 36 Strafzeitberechnung 451 63, 451 66 ff. Urteilsstaat Vor 449 44 f. V vereinfachte Entschädigung 459j 1 ff. Anhörung 459j 17 ff. Anmeldungsform 459j 6 Anmeldungsfrist 459j 5 Anspruchsanmeldung 459j 2 ff. Anspruchsinhaber 459j 4 Auskehrung des Verwertungserlöses 459k 1 ff., s. a. dort Einwendungen 459j 27 Einziehungsmitteilung 459i 1 ff., s. a. dort Geltendmachung mittels Vollstreckungstitel 459j 22 ff. gerichtliche Entscheidungen 462 1 ff. rechtliches Gehör 462 4 ff. Rechtsnachfolge 459j 4, 459j 9 Rückübertragung 459j 2 sofortige Beschwerde 459j 27 Strafbefehl 459j 8 Urteil 459j 8 Verfahren 459j 7 ff. Verletzte 459j 4 Verletztenbeistand 459j 26 Vollstreckungsbehörde 459j 8 Vollstreckungstitel 459j 22 ff. Wiedereinsetzung 459j 20 f. Zulassung, gerichtliche 459j 11 ff. Zulassungsentscheidung 459j 15 f. Zulassungsverfahren 459j 13 f. Zulassungsvoraussetzungen 459j 11 Zulassungszuständigkeit 459j 12 Verfahrenskosten Ermessen 459d 12 Geldstrafe 459 10 Unterbleibensanordnung 459d 12 Zahlungserleichterungen 459a 16 ff. Verfallklausel 459a 13 ff. Verfolgungsauslieferung 450a 10 Verhältnismäßigkeit Fahndungsbefugnisse 457 30 Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 21 Vollstreckungshaftbefehl 457 11 Verkündung des Urteils 449 11 Verletzte Auskehrung des Verwertungserlöses 459k 3 Einziehungsmitteilung 459i 3 vereinfachte Entschädigung 459j 4

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Verletztenbeistand 459j 26 Vermerk 454 40 Vermögensabschöpfung 459h 1 Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 19 Vermögensstrafe 459 1 Veröffentlichung der Personendaten 459i 17 f. Verschlechterungsverbot 460 28 ff. Verschwiegenheitspflicht 463 39 Verteidiger 454 19 Verwaltungsbehörde Vor 449 26 f. Verwarnung mit Strafvorbehalt nachträgliche Belehrung 453a 1 ff. nachträgliche Entscheidungen 453 1 ff., 453 9, s. a. dort nachträgliche Gesamtstrafe 460 6 Verwerfungsbeschluss 449 14, 449 18 Verwirkung 454 49 Vollstreckbarkeit 449 1 ff. absolute Rechtskraft 449 21 Adhäsionsverfahren 449 4 Amnestie 449 8 Ausnahmen 449 2 ff. Aussetzung zur Bewährung 449 8 Beginn 449 11 Begnadigung 449 8 Bundestagsabgeordnete 449 9 Bußgeld 449 5 Einheitsstrafe 449 2 f. formelle Rechtskraft 449 11 Freiheitsstrafe 449 34 Immunität 449 9 f. Jugendgerichtsgesetz 449 2 f. Landtagsabgeordnete 449 10 mehrere Freiheitsstrafen 449 34 Mehrheit von Angeklagten 449 19 f. Ordnungsmittel 449 35 Rechtskraft 449 1, 449 11 Rechtskraftseintritt 449 12 ff., s. a. dort Teilvollstreckung 449 3, 449 22 ff., s. a. dort Unterbrechung im Gnadenwege 449 8 Urkundsbeamte 449 17 Verkündung des Urteils 449 11 Vollstreckungsaufschub 449 8 Vollstreckungshindernisse 449 8 ff. Vollstreckungspflicht 449 6 f. Vollstreckungsverjährung 449 8 Voraussetzungen 449 11 ff. Zwangsmittel 449 35 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 42 ff. Abschrift der Urteilsformel 451 47 Aktenverlust 451 58 Anfechtungsmöglichkeiten 451 43 Aussetzung zur Bewährung 451 55 ff. beglaubigte Abschrift 451 49 Beschwerde 451 43 Einwendungen 451 43 Gesamtstrafe 451 54 nachträgliche Gesamtstrafe 460 51 Rechtskraftbescheinigung 451 44

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Sachregister

Strafbefehl 451 53 Teilvollstreckung 449 32 f. Urkundsbeamte 451 42, 451 50 vollständiges Urteil 451 48 Wesen der ~ 451 44 f. Widerruf der Aussetzung 451 55 ff. Zuständigkeit zur Erteilung 451 52 Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 459e 1 ff. Anordnung 459e 2 Aussetzung zur Bewährung 459e 13 Beispiele 459e 9 f. Gnadenverfahren 459f 10 rechtliches Gehör 459e 5 ff. Rechtsbehelfe 459e 12 Teilbeträge 459e 8 unbillige Härte 459f 3 ff. Uneinbringlichkeit der Geldstrafe 459e 2 Unterbleiben der ~ 459f 1 ff. Unterbleibensanordnung 459f 7 f. Vollstreckung der Restgeldstrafe 459e 11 Vollstreckungsanordnung 459e 2 f. Vollstreckungsverfahren 459e 12 Zahlungserleichterungen 459e 4 Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 1 ff. Anhörung des Betroffenen 459g 29, 459g 43 Ausschreibung 459g 27 Beschlagnahme 459g 22 f. Durchsuchung 459g 24 ff. Einziehung 459g 1 ff., 459g 4 ff., 459g 17 f., s. a. dort Ermittlungen 459g 44 Geldauflage 459g 17 f. Tod des Verurteilten 459g 14 ff. Unbrauchbarmachung 459g 1 ff., 459g 11 ff. Unterbleiben der ~ 459g 34 ff. Unverhältnismäßigkeit 459g 35 ff. Verhältnismäßigkeit 459g 21 Vermögensabschöpfung 459g 19 Verpflichtung zur Geldzahlung 459g 17 f. Wiederaufnahme 459g 39 ff. Zuständigkeit 459g 30, 459g 45 f. Vollstreckungsaufschub 449 8 Vollstreckungsbehörde Vor 449 5 ff., 451 1 ff. Amtsanwälte 451 7 Amtshilfeersuchen 457 21 Aufgabenübertragung 451 75 Aufschub des Berufsverbots 456c 9 ff. Ausnahmen 451 3 ff. Berufsverbot 451 3, 456c 2 Einwendungen Vor 449 22, 459o 3 ff., s. a. dort Entweichen eines Gefangenen 457 19 Ermittlungsbefugnisse 457 4 f. Ermittlungshandlungen 457 5 Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft Vor 449 7 Fahndungsbefugnisse 457 27 ff., s. a. dort Fahndungsmaßnahmen 457 28

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freiheitsentziehende Maßregeln Vor 449 8, 463 4 Freiheitsstrafe Vor 449 8 Geldstrafe Vor 449 7, 459 7 ff. Gericht 453 8 Herbeiführen des Vollzugs 451 59 f. Hilfsorgan Vor 449 11 Jugendgerichtsgesetz 451 6 Jugendrichter 451 9 Justizvollzugsanstalt Vor 449 9 f. Kompetenzkonflikt 451 13 Ladung zum Strafantritt 457 6 ff., s. a. dort Landesjustizverwaltungen 451 14 Mitteilungspflichten Vor 449 29 nicht freiheitsentziehende Rechtsfolgen Vor 449 6 f. Notzuständigkeit 451 10 f. örtliche Zuständigkeit 451 12 ff. Pfändungen 459m 10 ff., s. a. dort Polizei Vor 449 7, 457 20 f. Rechtspfleger 451 28 ff., s. a. dort Rechtsschutz Vor 449 22 Revisionsgericht 451 12 sachliche Zuständigkeit 451 8 f. Staatsanwaltschaft Vor 449 5, 451 5, 451 28 Staatsanwaltschaft eines anderen Bezirks 451 72 ff. Strafaufschub 451 3, 455 30 Strafunterbrechung 455 30 Strafvollstreckungskammer 451 73 Strafzeitberechnung 451 61 ff., s. a. dort Übertragung auf Rechtspfleger 451 28 ff. Überwachung der Lebensführung Vor 449 6, 451 4 vereinfachte Entschädigung 459j 8, s. a. dort Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 42 ff., s. a. dort Vollstreckungshaftbefehl 457 13 ff., s. a. dort Vollstreckungshilfe 451 16 ff., s. a. dort Vollstreckungsleiter 451 6 Vollstreckungsreihenfolge 454b 5 Vollziehungsersuchen 457 20 Vollzugsleiter 451 6 Vorführungsbefehl 457 16 Vorschaltbeschwerdeverfahren Vor 449 22 Wiederaufnahme 451 12 Zahlungserleichterungen 451 3 Zuständigkeit Vor 449 6 ff. Zwangsmaßnahmen 457 6 ff. Vollstreckungshaftbefehl 457 13 ff. Anrechnung der Untersuchungshaft 450 16 bedingter ~ 457 18 Durchsuchung bei Dritten 457 25 Durchsuchung beim Verurteilten 457 24 Durchsuchungsanordnung 457 22 fehlende Bereitschaft zum Strafantritt 457 15

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Sachregister

Fluchtverdacht 457 17 Rechtsbehelfe 457 33 Strafzeitberechnung 457 32 Untersuchungshaftbefehl 457 13 Verhältnismäßigkeit 457 11 Vollstreckung 457 22 ff. Vollstreckungshilfe Vor 449 30 ff., 451 16 ff. Adressat des Ersuchens 451 25 behördliche Verwahrung 451 19 Generalbundesanwalt 451 26 Jugendstrafe 451 27 Ländervereinbarung 2001 451 20 ff. örtliche Zuständigkeit 451 18 f. Rechtsgrundlage 451 16 Soldaten der Bundeswehr 451 23 StVollstrO 451 16 Verurteilter außerhalb des Bezirks 451 17 Vorschriften der Strafvollstreckungsordnung 451 17 ff. Wahl 451 18 Zweckmäßigkeit 451 18 Vollstreckungshindernisse 449 8 ff. Vollstreckungsleiter 451 6 Vollstreckungspflicht 449 6 f. Vollstreckungsplan 457 7 Vollstreckungsreihenfolge 454b 1 ff. Ersatzfreiheitsstrafe 454b 10 Freiheitsstrafe 454b 9 ff. gerichtliche Entscheidungen 458 16 Gesamtstrafe 454b 6 Grundsatz 454b 6 Jugendstrafe 454b 7 f. Strafvollstreckungsbehörde 454b 5 Unterbrechung der Vollstreckung 454b 13 ff., s. a. dort Vollstreckungsstaatsanwaltschaft 451 77 Vollstreckungsverjährung gerichtliche Entscheidungen 458 9 Ruhen der ~ 459a 22 Strafausstand 455a 5 Vollstreckbarkeit 449 8 Zahlungserleichterungen 459a 22 Vollziehungsersuchen 457 20 Vollzugsleiter 451 6 Vollzugsuntauglichkeit Anrechnung des Krankenhausaufenthalts 461 8 Strafaufschub 455 1, 455 13 Strafunterbrechung 455 26 Vorführung 453 25 Vorführungsbefehl 457 16 Anrechnung der Untersuchungshaft 450 16 Aufsichtsstelle 463a 13 ff. bedingter ~ 457 18 Durchsuchung bei Dritten 457 25 Durchsuchung beim Verurteilten 457 24 Durchsuchungsanordnung 457 22 Fluchtverdacht 457 17 Strafzeitberechnung 457 32 Vollstreckung 457 22 ff.

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Vorlagepflicht 451 34 Vorlagerecht 451 35 Vorschaltbeschwerdeverfahren Vor 449 22 vorübergehender Strafaufschub 456 1 ff. Antrag des Verurteilten 456 7 Berechnung der Aufschubdauer 456 11 Einwilligung des Verurteilten 456 7 erhebliche Nachteile 456 5 f. Ermessen 456 9 Ersatzfreiheitsstrafe 456 1 Fahrverbot 456 2 Geldstrafe 456 1 Gnadenverfahren 456 13 Jugendrichter 456 10 Nebenstrafen/-folgen 456 1 Ordnungshaft 456 15 Rechtsbehelfe 456 14 Rechtspfleger 456 9 Sicherheitsleistung 456 12 vorangegangene Strafvollstreckung 456 3 f. Voraussetzungen 456 5 f. Wochenendvollzug 456 4 Zeitpunkt des Antrags 456 8 Zuständigkeit 456 9 Zwangshaft 456 15 W Weisungsgebundenheit 451 37 Wertersatz Einziehung 459h 21 Einziehungsmitteilung 459i 22 Widerruf 452 17 f. Widerruf der Aussetzung Aussetzung zur Bewährung 453c 2 Begehung neuen Straftaten 453c 6 beharrliche Verstöße 453c 5 Berufsverbot 453c 2 Beschwerde 453 64 Entschädigung 453c 19 gröbliche Verstöße 453c 5 nachträgliche Anhörung 453 62 nachträgliche Gesamtstrafe 460 39 Rechtsmittel 453c 18 Sicherungshaftbefehl 453c 9 ff., s. a. dort sofortige Beschwerde 453 61, 453 65 Unterbrechung der Vollstreckung 454b 31 ff., 454b 34, 454b 38 Vollstreckbarkeitsbescheinigung 451 55 ff. vorläufige Maßnahmen 453c 1 ff., 453c 4 Widerrufsbeschluss 453 55 f., s. a. dort Wiedereinsetzung 453 60 Widerruf der Zurückstellung 454b 35 ff. Widerrufsbeschluss Nachverfahren 453 58 ff. öffentliche Zustellung 453 57 Rechtskraft 453 55 f. urteilsähnliche Entscheidung 453 56 Wiederaufnahme Rechtshilfe Vor 449 44 Vollstreckung von Nebenfolgen 459g 39 ff.

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Sachregister

Vollstreckungsbehörde 451 12 Zuständigkeit des ersten Gerichts 462a 52 ff. Wiedereinsetzung Auskehrung des Verwertungserlöses 459k 18 Rechtskraft 450 15 vereinfachte Entschädigung 459j 20 f. Widerruf der Aussetzung 453 60 Wochenendvollzug 456 4 Wohnsitz des Verurteilten Vor 449 37 Z Zahlungserleichterungen 459a 1 ff. Änderungsbefugnis 459a 10 ff. Anwendungsgrundsätze 459a 9 Arten 459a 6 Einwendungen 459o 6 Erkenntnisverfahren 459a 4 Ermessen 459a 10 Gefährdung der Schadenswiedergutmachung 459a 8 Geldstrafe 459a 1 ff. gerichtliche Entscheidungen 462 1 ff. isolierte Kostenzahlungsvergünstigung 459a 19 Nebenfolgen 459a 23 rechtliches Gehör 462 4 ff. Rechtsbehelfe 459a 21 Stundung 459a 6 Teilbeträge 459b 1 ff. Teilzahlungen 459a 6 Umfang 459a 7 Verfahrenskosten 459a 16 ff. Verfallklausel 459a 13 ff. Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe 459e 4 Vollstreckungsbehörde 451 3 Vollstreckungsverfahren 459a 5 Vollstreckungsverjährung 459a 22 von Amts wegen 459a 3 Voraussetzungen 459a 8 ff. zeitige Freiheitsstrafe Aussetzung zur Bewährung 454 53 Sachverständigengutachten 454 56 f. Unterbrechung der Vollstreckung 454b 18 ff. Zivilhaft Vor 449 25 Zulassung durch das Gericht Auskehrung 459i 5 Auskehrung des Verwertungserlöses 459k 11 ff. vereinfachte Entschädigung 459j 11 ff. Zurückschiebung 456a 10 Zurückverweisung 462a 45 ff. Zurückweisung 456a 10 Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer 462a 4 ff. Abgabe der Entscheidung 462a 37 ff. Antrag 462a 15 f.

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Aufnahme 462a 11 ff., s. a. dort Aussetzung zur Bewährung 462a 35 Bewährungsüberwachung 462a 19 Dauer der örtlichen ~ 462a 20 ff. Ende der ~ 462a 36 Erzwingungshaft 462a 7 Fortdauer der ~ 462a 34 Freiheitsstrafe 462a 4 Jugendstrafe 462a 5 mit der Sache befasst 462a 14 ff. Nachtragsentscheidungen 462a 33 ff. örtliche ~ 462a 10 ff. sachliche ~ 462a 4 ff. Soldaten der Bundeswehr 462a 6 Strafarrest 462a 6 Strafvollstreckung 462a 8 f. Unterbrechung der Vollstreckung 462a 34 von Amts wegen 462a 15 Zuständigkeit des ersten Gerichts 462a 25 ff. Zuständigkeit des ersten Gerichts 462a 40 ff. Abgabe der Nachtragsentscheidungen 462a 55 Befassung durch ein anderes Gericht 462a 41 ff. Betäubungsmittelsachen 462a 26 ff. Dauer der ~ 462a 66 ff. elektronische Aufenthaltsüberwachung 463a 60 erweiterte ~ 462a 64 ff. Erweiterungsumfang 462a 65 Gesamtstrafenbildung 462a 69 ff., s. a. dort Nachtragsentscheidungen 462a 40 ff. Revisionsgericht 462a 50 Umfang 462a 40 Wiederaufnahme 462a 52 ff. Zurückverweisung 462a 45 ff. Zuständigkeitskonzentration Nachtragsentscheidungen 462a 77 ff., 462a 85, 462a 86 ff. Staatsanwaltschaft 462a 86 ff. Strafvollstreckungskammer 462a 3 Zustellung Bekanntmachung der Verurteilung 463c 7 Einziehungsmitteilung 459i 11 Widerrufsbeschluss 453 57 Zwangshaft 456 15 Zwangsmaßnahmen 457 6 ff. Zwangsmittel Aufsichtsstelle 463a 9 Bekanntmachung der Verurteilung 463c 15 Vollstreckbarkeit 449 35 Zweckbindung elektronische Aufenthaltsüberwachung 463a 29 ff., 463a 42 ff. Fahndungsbefugnisse 457 29 Unterrichtung des Bewährungshelfers 453 35 Zweidrittelzeitpunkt 458 5 Zwischenmaßnahmen 456a 18

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