Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe: Der Versuch eines Ausgleichs zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit unter Berücksichtigung des Steuerrechts [1 ed.] 9783428529315, 9783428129317

Die Tagessatzgeldstrafe des deutschen Strafrechts befindet sich in einem Dilemma zwischen Opfergleichheit und Verfahrens

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Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe: Der Versuch eines Ausgleichs zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit unter Berücksichtigung des Steuerrechts [1 ed.]
 9783428529315, 9783428129317

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Schriften zum Strafrecht Heft 201

Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe Der Versuch eines Ausgleichs zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit unter Berücksichtigung des Steuerrechts

Von

Andrea Farivar Meemar

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ANDREA FARIVAR MEEMAR

Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe

Schriften zum Strafrecht Heft 201

Die Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe Der Versuch eines Ausgleichs zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit unter Berücksichtigung des Steuerrechts

Von

Andrea Farivar Meemar

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Wintersemester 2007/2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-12931-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie, besonders meinen Kindern Saman und Roya

Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2007 / 2008 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 28. 05. 2008 statt. Rechtsprechung und Literatur wurden zur Veröffentlichung auf den Stand vom Juni 2008 gebracht. Des Weiteren sind die Gesetzesänderungen im Bereich des Unterhaltsrechts und des Steuerrechts bis zu diesem Zeitpunkt inhaltlich eingearbeitet worden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater und Erstgutachter, Herrn Univ.Prof. Dr. Klaus Geppert, der das Thema der Arbeit angeregt hat und mir in der Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl den Raum ließ, die Bearbeitung der Arbeit zügig voranzutreiben. Zudem bin ich Herrn Univ.-Prof. Axel Montenbruck für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens dankbar. Mein Dank gilt auch Herrn Dr. Erik Kraatz, der mir in seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl stets als Diskussionspartner mit hilfreichen Anregungen für diese Arbeit zur Verfügung stand. Des Weiteren möchte ich meinem Ehemann Kourosh Farivar Meemar danken. Seine Unterstützung, sein Verständnis und sein Glaube an mich haben wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Auch danke ich meinem Sohn Saman, der mich insbesondere in den kritischen Phasen der Arbeit effektives Zeitmanagement lehrte und diesem ganzen Streben einen Sinn gab und gibt. Berlin, im Juli 2008

Andrea Farivar Meemar

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

I. Die Gesetzgebungsgeschichte der Geldstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

1. Die Entwicklung im Deutschen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

2. Die Geldstrafengesetze zur Zeit der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

3. Die Zeit des Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

4. Die Reform der Geldstrafe in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . .

25

5. Schlussfolgerungen aus der geschichtlichen Entwicklung für die heutige Tagessatzgeldstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

6. Reformbestrebungen in neuerer Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

II. Die Festlegung der Tagessatzhöhe nach § 40 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

1. Das Verhältnis von Tagessatzanzahl und Tagessatzhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

2. Die Tagessatzhöhe nach dem Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

a) Die Auslegung des Nettoeinkommens im strafzumessungsrechtlichen Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

aa) Das Nettoeinkommen in den strafrechtlichen Kommentierungen zu § 40 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

bb) Das Nettoeinkommen in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten

55

b) Stellung und Bedeutung des Nettoeinkommens für die Berechnung des Tagessatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

c) Exkurs: Die Nichtberücksichtigung von Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

B. Probleme der Praxis bei der Bemessung der Tagessatzhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I. Die Reflexion der Praxis der Tagessatzhöhenbemessung in Literatur und empirischer Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

1. Die empirische Untersuchung von Fleischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

2. Die Stimmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

10

Inhaltsverzeichnis 3. Die Schätzungsbefugnis aus § 40 Abs. 3 StGB im Spannungsfeld zwischen § 244 Abs. 2 und § 261 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

a) Rechtliche Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

aa) Vorweg: Amtsermittlungspflicht und Strafbefehlsverfahren . . . . . . . . .

75

bb) Der Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mögliche Belastungen des Beschuldigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Selbstbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Belastung durch Kenntniserlangung Dritter von der finanziellen Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Belastung durch Kenntniserlangung der Auskunftsquelle von der möglichen Rechtsverfehlung des Betroffenen . . . . . . (2) Verfahrensökonomische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 79 80

b) Fazit zum zulässigen Anwendungsbereich der Schätzung . . . . . . . . . . . . . . . .

87

4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

II. Die eigene Umfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

1. Aufbau und Ablauf der Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

a) Frage 1: Die Faktoren der Bemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

b) Frage 2 und 3: Der Ermittlungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

c) Frage 4, 5, 6 und 7: Die Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

81 82 86

d) Frage 8 und 9: Beurteilung der Tagessatzhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 e) Frage 10 und 11: Thesen zur Nettoeinkommensbestimmung . . . . . . . . . . . . . 104 3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 III. Der Tagessatz im Widerspruch zwischen Opfergleichheit und Verfahrensökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Die schematische Berechnung als Lösungsvorschlag zum Ausgleich von Verfahrensökonomie und Opfergleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage der Tagessatzhöhe . . 117 I. Die Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB anhand einkommensteuerrechtlicher Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Das strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Die „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Die sieben steuerbaren Einkunftsarten des § 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Steuerfreie Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Inhaltsverzeichnis cc) Steuerbare Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die verschiedenen Gewinnermittlungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Ermittlung von Überschusseinkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Berücksichtigung von Verlusten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 124 124 129 131

b) Eignung in dogmatischer Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Eignung in tatsächlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Das Verfahren der Einkommensteuerfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Das strafrechtliche Jahres-Nettoeinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Persönliche Abzugsposten tatsächlicher Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Die besondere Anpassung an die familiär-wirtschaftliche Situation . . . . . . 147 aa) Die vier Gruppen strafrechtlicher Sorgeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Die mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie die (restlichen) geschiedenen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 cc) Der aktuelle Ehegatte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 dd) Privilegierte Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Das Rechenmodell als Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 D. Rechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 I. Datenschutzrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Geschichtliche Entwicklung des Steuergeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Verfassungsrechtliche Einordnung des Steuergeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 3. Verstoß gegen § 30 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Das Nemo-tenetur-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Das Besteuerungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Abkürzungsverzeichnis AE

Alternativentwurf

a. F.

alter Fassung

AO

Abgabenordnung

Aufl.

Auflage

BA

Blutalkohol

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BewHi

Die Bewährungshilfe

BFH

Bundesfinanzhof

BFM

Bundesministerium der Finanzen

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BMJ

Bundesministerium der Justiz

BStBl.

Bundessteuerblatt

BT-Drs

Drucksache des deutschen Bundestages

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

ders.

derselbe

d. h.

das heißt

DRiZ

Deutsche Richter Zeitung

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

E

Entwurf

EL

Ergänzungslieferung

EStDV

Einkommensteuerdurchführungsverordnung

EStG

Einkommensteuergesetz

etc.

et cetera

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FinArch

Finanzarchiv

Fn.

Fußnote

FPR

Familie Partnerschaft Recht

FR

Finanz-Rundschau (bis 1990), Finanz-Rundschau für Einkommensteuer, Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer (seit 1991)

GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

Abkürzungsverzeichnis

13

ggf.

gegebenenfalls

GNOFÄ

Grundsätze zur Organisation der Finanzämter und Neuordnung des Besteuerungsverfahrens

GoB

Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung

GrS

Großer Senat

GS

Der Gerichtssaal

HGB

Handelsgesetzbuch

InsO

Insolvenzordnung

i.V. m.

in Verbindung mit

i. w. S.

im weiteren Sinn

JR

Juristische Rundschau

JURA

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

KO

Konkursordnung

KStG

Körperschaftssteuergesetz

LPartG

Lebenspartnerschaftsgesetz

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m. E.

meiner Einschätzung

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NdsRpfl

Niedersächsische Rechtspflege

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr.

Nummer

Nrn.

Nummern

NStE

Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

obj.

objektiver

OLG

Oberlandesgericht

prGS

Gesetzsammlung der preußischen Staaten

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RiStBV

Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren

RM

Reichsmark

Rn.

Randnummer

Rz.

Randziffer

S.

Seite

SA

Sonderausschuss der Großen Strafrechtskommission

SGB

Sozialgesetzbuch

StA

Staatsanwalt

StbKongrRep

Steuerberaterkongreß-Report

StEntlG

Steuerentlastungsgesetz

SteuerStud

Steuer und Studium

14

Abkürzungsverzeichnis

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

StraFo

Strafverteidigerforum

StrRG

Strafrechtsreformgesetz

StuW

Steuer und Wirtschaft

StV

Strafverteidiger

subj.

subjektiver

tatsächl.

tatsächlichen

u. a.

und andere

VRS

Verkehrsrechtssammlung

WiStG

Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts

wistra

Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer und Strafrecht

WPg

Die Wirtschaftsprüfung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung Das Thema der Arbeit ist die Verhängung von Geldstrafen. Die Geldstrafe ist die einzige Hauptstrafe neben der Freiheitsstrafe im deutschen Strafensystem. Die Verhängung von Geldstrafen lässt sich wie fast alle Themen von zwei Seiten beleuchten: von der theoretischen und von der praktischen Seite. Gesetzestheoretisch ist die Geldstrafe eine Tagessatzgeldstrafe und wird gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 StGB in Tagessätzen verhängt. Die Höhe der Tagessätze soll sich gemäß § 40 Abs. 2 StGB nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters bestimmen, wobei in der Regel vom Nettoeinkommen des Täters, welches dieser durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte, ausgegangen werden soll. § 40 Abs. 3 StGB eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, die Grundlagen für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes zu schätzen. Die Vorschrift des § 40 StGB birgt indes vielfältige Schwierigkeiten. Die Auslegung dieser Vorschrift wirft Probleme auf, die sich in der Zusammenschau im Bereich der Festlegung der Tagessatzhöhe konzentrieren. Dies erklärt die vielfältige auch monographische Auseinandersetzung mit der Festlegung der Tagessatzhöhe, an die sich die vorliegende Arbeit als hoffentlich letztes Glied anreiht. Warum war eine Auseinandersetzung mit der Bestimmung der Tagessatzhöhe überhaupt erneut notwendig? Die Antwort ist einfach: Obgleich in theoretischer Hinsicht alles Nötige geschrieben worden zu sein scheint, ist es die praktische Seite der Verhängung von Geldstrafen, insbesondere der Festlegung der Tagessatzhöhe, die dieses Werk dringend erforderlich machte. Bei Betrachtung des tatsächlichen, des praktischen Vorgangs der Verhängung der Geldstrafe drängen sich Missstände bei der Festlegung der Tagessatzhöhe nahezu auf. Sowohl bei der Zeitungslektüre als auch bei der Referendartätigkeit im Sitzungsdienst der Staatsanwaltschaft kann ohne genaueres Hinsehen festgestellt werden: Der Bestimmung der Tagessatzhöhe scheinen keine bewiesenen Tatsachen zugrunde zu liegen. So berichtete die FAZ am 09. Juli 2003, dass gegen Michel Friedman im Strafbefehlsverfahren wegen Drogenbesitzes in zehn Fällen eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 116 Euro verhängt wurde. Hierzu ist anzumerken, dass sich daraus ein Nettoeinkommen von 3 480 Euro errechnen lässt. Dies ist eine relativ niedrige Summe, wenn man bedenkt, welche Vielzahl von beruflichen Pflichten Michel Friedman nachging und dass ihm selbst nach Niederlegung seiner Ämter noch immer die anwaltliche Tätigkeit (mit Prominentenbonus) blieb.

16

Einleitung

Gesprächen mit Praktikern (Richtern, Staatsanwälten und Anwälten) konnte die Autorin immer wieder entnehmen, dass diese insbesondere bei der besser verdienenden Klientel das Gefühl hatten, mit der Höhe des Tagessatzes deutlich hinter deren Nettoeinkommen zurückgeblieben zu sein, und dass Tatsachen in Bezug auf die Festlegung der Tagessatzhöhe schlicht nicht ermittelt würden. Durch ungenaue Bestimmung der Tagessatzhöhe wird die Geldstrafe konterkariert; dies schadet dem Ansehen der Geldstrafe als echte Hauptstrafe. Gerade weil es nur zwei Säulen im deutschen Strafensystem gibt und andere wie z. B. die „freie Arbeit“ als dritte wohl wenig Erfolg versprechend sind, ist es wichtig, dass nicht nur die Freiheitsstrafe jeden gleich hart trifft, sondern dass auch im Rahmen der Geldstrafe Opfergleichheit zwischen den Tätern herrscht. Der Herstellung von Opfergleichheit im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe hatte sich 1997 auch von Selle mit seinem Werk „Gerechte Geldstrafe“ gewidmet. Diese Arbeit ließ jedoch den hier auch verfolgten praktischen Blickwinkel außer Betracht und beschäftigte sich ausschließlich mit den theoretischen Vorgaben an eine opfergleiche und damit gerechte Tagessatzgeldstrafe. Ohne diese theoretischen Vorgaben kann indes auch diese Arbeit nicht auskommen. Der erste Teil der Arbeit wird sich daher mit der Tagessatzgeldstrafe, insbesondere mit der Bedeutung des Nettoeinkommens für die Tagesatzhöhe, und mit der Definition von selbigem in der rechtstheoretischen Diskussion auseinandersetzen. Im zweiten Teil wird dann ein Blick in die Praxis der Tagessatzhöhenbemessung gewährt. Dies geschieht durch Auswertung einer empirischen Untersuchung, einer Umfrage zur Praxis der Tagessatzhöhenbemessung und durch Auswertung der Literatur speziell zu diesem Themenbereich. Dabei wird insbesondere auch auf das Verhältnis von Schätzungsbefugnis und Amtsermittlungsgrundsatz eingegangen. Dies ist nötig, weil die Praxis ihren Weg zur Bestimmung der Höhe eines Tagessatzes gefunden zu haben scheint. Schätzung nach § 40 Abs. 3 StGB lautet anscheinend das Zauberwort, um allen rechtlichen und tatsächlichen Problemen bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zu entgehen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es zu untersuchen, in welcher Weise die Tagessatzhöhenbestimmung bei gegebener Gesetzeslage eine gerechtere Ausgestaltung in der Praxis erfahren kann. Dabei soll wiederum ein theoretischer und ein praktischer Ansatz miteinander verbunden werden. In der Untersuchung wird hingegen weitestgehend ausgeklammert, in welcher Weise die Tagessatzgeldstrafe selbst oder auch das gesamte Sanktionensystem de lege ferenda gerechter oder effektiver gestaltet werden könnten. Durch die ersten zwei Teile wird also das Dilemma zwischen den theoretischen Ansätzen und der praktischen Umsetzung dargestellt. Dieses Dilemma entsteht durch den Widerstreit von Verfahrensökonomie als Forderung der Praxis und Opfergleichheit als Forderung der Rechtstheorie, die sich bisher haben nicht zum Ausgleich bringen lassen. Im dritten Teil der Arbeit wird daher versucht, eben dieses Dilemma durch den abwägenden Ausgleich der widerstreitenden Interessen im

Einleitung

17

Rahmen einer Neudefinition des Nettoeinkommens aufzulösen. Dieser Teil befasst sich mit der Möglichkeit der Erstellung eines Rechenmodells zur Berechnung des strafrechtlichen Einkommensbegriffs aus Einkommensteuerdaten. Es wird untersucht, welche beim Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererfassung regelmäßig erfassten bzw. errechneten Werte sich in solch ein Rechenmodell zur Feststellung der strafrechtlichen Leistungsfähigkeit möglichst verfahrensökonomisch miteinander verknüpfen lassen. Der vierte Teil der Arbeit ist dem Thema gewidmet, wie die rechtlichen Möglichkeiten der Umsetzung des zuvor entwickelten Rechenmodells zu beurteilen sind. Dabei wird insbesondere auf das Steuergeheimnis und das Nemo-teneturPrinzip im Hinblick auf eine mögliche Selbstbelastung des Delinquenten eingegangen.

A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie Die heutige Regelungsstruktur der Tagessatzgeldstrafe sowie die Schwierigkeiten und die Notwendigkeiten bei der Auslegung des Nettoeinkommensprinzip des § 40 Abs. 2 StGB finden ihre Prägung in der Gesetzgebungsgeschichte der deutschen Geldstrafe.

I. Die Gesetzgebungsgeschichte der Geldstrafe Den Anwendungsbereich der Geldstrafe auszudehnen und sie als gleichwertige Strafe neben der Freiheitsstrafe im deutschen Strafrecht einzuführen, war stets von einer Hauptmotivation geprägt: der Reduzierung kurzfristiger Freiheitsstrafen. Der Wunsch nach Reduzierung oder gar Abschaffung kurzer Freiheitsstrafen zieht sich ebenso wie ein roter Faden durch das letzte, das 20. Jahrhundert wie die daraus folgenden Reformbemühungen zur Normierung einer Geldstrafe mit ihren stets ähnlichen Problemen bei der materiell- und prozessrechtlichen Umsetzung bzw. der späteren Anwendung des jeweils geltenden Rechts.

1. Die Entwicklung im Deutschen Reich Im Deutschen Reich zum Ende des 19. Jahrhunderts dominierte zunächst die abschreckende Tatvergeltungstheorie die Vielzahl von Straftheorien1. Mit dem Einsatz von Strafen im Strafrecht wollte man damals hauptsächlich eine gerechte Vergeltung für die verwirklichte Tat beim Täter erreichen2. Die Geldstrafe wurde diesem Strafzweck als nicht genügend und daher als die wesentlich leichtere gegenüber der Freiheitsstrafe empfunden. Im Strafgesetzbuch von 1871 wurde sie daher nur bei 77 Fällen im Gegensatz zur Freiheitsstrafe mit 334 Fällen angeordnet3. § 27 a. F. war die einzige Vorschrift, die sich mit der Bemessung der Geldstrafe befasste, sie sah lediglich ein Mindeststrafmaß zum einen für Vergehen und Verbrechen, zum anderen für Übertretungen vor4. 1 Eine Übersicht zu den sich oft nur graduell unterscheidenden Straftheorien, die sich zudem zumeist nur mit der Funktion der Freiheitsstrafe auseinander setzten, findet sich bei Berner, Lehrbuch, S. 6 – 36. 2 Baumann, Beschränkung, S. 11. 3 Von den 77 Fällen, in denen Geldstrafe möglich war, war sie jedoch nur in 3 Fällen allein, in 13 Fällen kumulativ und 61 Fällen alternativ zur Freiheitsstrafe vorgesehen, so Schmölder, Freiheitsstrafe, S. 39.

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In der materiell-rechtlichen Diskussion im Bereich des Sanktionsrechts der damaligen Zeit, welche durch den Wunsch nach Abschaffung der kurzfristigen Freiheitsstrafen entfacht wurde, stellte man die Geldstrafe als Strafe sogar ernsthaft in Frage: zum einen, weil Vergeltung beim Täter nicht erreicht werden könne, wenn Dritte die Geldstrafe beglichen, zum anderen, weil eine gleich harte Vergeltung bei unterschiedlich vermögenden Tätern nicht möglich sei, wenn für gleiche Taten stets ungefähr gleich hohe Geldsummen verhängt würden. Die aufkommende Diskussion, gerade die Höhe der Geldstrafen an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters anzupassen, war jedoch zum Scheitern verurteilt. Dies ergab sich aus dem Fehlen eines materiell-rechtlichen Konzeptes in Paarung mit bereits zu diesem Zeitpunkt erahnten prozessualen Folgeproblemen, als da wären hoher Ermittlungsaufwand gekoppelt mit unzumutbarer Belastung des Angeklagten durch eben diesen Ermittlungsaufwand5. Dass die Geldstrafe dennoch dem deutschen Strafensystem zumindest als die leichtere gegenüber der Freiheitsstrafe erhalten blieb, war wohl darauf zurückzuführen, dass – abgesehen von dem Nachteil der fehlenden Opfergleichheit – die Geldstrafe folgende Vorteile gegenüber der Freiheitsstrafe aufzuweisen hatte: Sie war wesentlich günstiger für Angehörige, Arbeitgeber und Gemeinde des Täters (kein Ausfall des Ernährers, der eingearbeiteten Arbeitskraft, der Steuern) sowie aufgrund der nicht anfallenden Unterbringungskosten auch für den Staat. Erst mit Aufkommen der spezialpräventiven Straftheorien kam auch neuer Wind in die Reformdiskussion um die Geldstrafe. Insbesondere das „Marburger-Programm“ von v. Liszt von 1882, welches langsam zu wirken begann, propagierte die Spezialprävention6. Das Strafensystem wurde erneut überdacht und aufgrund der hinlänglich bekannten Nachteile, die damals für den zu Freiheitsstrafe verurteilten Täter in der Entsozialisierung7, der kriminellen Infizierung8, den Folgeproblemen nach der Entlassung durch Anhaften des Makels Freiheitsstrafe9 sowie § 27 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871 lautet: „Der Mindestbetrag der Geldstrafe ist bei Verbrechen und Vergehen drei Mark, bei Übertretungen Eine Mark.“. 5 Zu dieser Diskussion insgesamt siehe Krehl, Ermittlung, S. 8 m. w. N. sowie speziell zur Belastung durch Ermittlungen Wahlberg, Strafmittel, S. 522. 6 Ausführlich zum „Marburger Programm“ siehe Naucke, ZStW 94 (1982), 525 ff.; zum spezialpräventiven Strafverständnis von v. Liszt siehe Schmidt, Einführung, S. 379 ff. 7 Schmölder, Freiheitsstrafe, S. 7 f., der davon ausgeht, dass die kurzfristige Freiheitsstrafe eine Schule des Lasters sei, durch die der Täter vollends und unwiederbringlich verdorben werde, sowie Kleinfeller, GA 37 (1889), 269, der Entsozialisierung durch Arbeitsplatzverlust und die Gewöhnung an Müßiggang annimmt. 8 Die kriminelle Infizierung wird zumeist im Zusammenhang mit der Gemeinschaftsunterbringung problematisiert. Vergleiche dazu Bamberger, Geldstrafe, S. 10, Heilborn, Freiheitsstrafe, S. 27, Hoberg, Ausgestaltung, S. 61 f., Wach, Reform S. 4 und 17, Fuld, GS 43 (1890), 447, Lammasch, ZStW 9 (1889), 448 und Lucas, GA 33 (1885), 140 ff., der jedoch nicht das Strafensystem, sondern nur den Strafvollzug ändern will. 9 Bamberger, Geldstrafe, S. 19, Heilborn, Freiheitsstrafe, S. 28, Hoberg, Ausgestaltung, S. 64 und Seuffert, Strafgesetzbuch, S. 62. 4

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der Schwächung der Lebenstüchtigkeit durch Ausschaltung eines eigenverantwortlichen Bereiches10 gesehen wurden, kam man unter dem Eindruck hoher Rückfallquoten im Bereich der kurzfristigen Freiheitsstrafen zu dem Schluss, dass mit dieser Strafform beim Täter keine Sicherung und Besserung zu erreichen sei11. Zusätzlich motiviert durch die Erkenntnis, dass die Freiheitsstrafe zudem sehr kostspielig sei12, machte man sich auf die Suche nach Alternativen. Obwohl man der Geldstrafe ebenfalls keine Fähigkeit zur Sicherung und Besserung des Täters innewohnen sah, sie allenfalls als spezialpräventiv abschreckend begriff, blieb nur sie zusammen mit der bedingten Verurteilung als ernstzunehmende Alternative zur kurzfristigen Freiheitsstrafe aus einer Vielzahl von damals diskutierten Lösungsansätzen übrig13. In den darauf folgenden Jahren 1909 bis 1919 gab es die verschiedensten Entwürfe zur Reform der Geldstrafe, auf deren detaillierte Darstellung an dieser Stelle verzichtet wird. Die Entwürfe waren allesamt von dem Ziel beseelt, die kurzen Freiheitsstrafen zu verringern. Im Rahmen der Diskussion um eine Ausweitung der Geldstrafe wurde man sich insbesondere der Schwierigkeiten bewusst, die bei der Bemessung der Geldstrafe auftreten könnten14.

2. Die Geldstrafengesetze zur Zeit der Weimarer Republik Die Reformdiskussion fand schließlich am 21. Dezember 1921 mit der Geldstrafengesetzgebung einen Einschnitt. Das Geldstrafengesetz 192115 schuf die Möglichkeit zu einer Ausweitung des Anwendungsbereiches der Geldstrafe16 bei 10 So Hoberg, Ausgestaltung, S. 65; hingegen Samter, GA 35 (1887), 387, der davon ausgeht, dass Täter, die sich in Einzelhaft befinden, autonom ein Bedürfnis nach Arbeit entwickeln. 11 So Seuffert, Strafgesetzbuch, S. 78 ff., Sichart, ZStW 11 (1891), 487 ff., Hoberg, Ausgestaltung S. 59 und Schmölder, Freiheitsstrafe, S. 15, der jedoch den Schluss zieht, dass nicht das Strafensystem sich ändern müsse, sondern die Besserungstheorien zu bekämpfen seien. 12 Dazu Hoberg, Ausgestaltung, S. 66 und Lucas, GA 33 (1885), 155 ff. 13 Die Beschreibungen von sowie Kritik an diesen weiteren Lösungsansätzen finden sich bei von Liszt, Aufsätze, S. 360 – 382, Fuld, GS 43 (1890), 462 ff., der jedoch im Ergebnis die Geldstrafe nicht als mögliche Ersatzsanktion begreift, sondern andere Wege gehen will, sowie bei Sontag, ZStW 1 (1881), 499 ff. 14 Eine solche findet sich m. w. N. bei Krehl, Ermittlung, S. 12 ff. 15 RGBl. I 1921, S. 1604. 16 Hier gibt es anzumerken, dass nach Hellwig, Geldstrafengesetz 1923, S. 7, die Richter bereits zuvor verstärkt „Geldstrafe“ verhängt hatten, sofern das geltende Recht sie regional dazu ermächtigte, indem sie Freiheitsstrafe verhängten, um dann bei Strafaussetzung verbindlich eine Geldbuße anzuordnen. Gab es keine Ermächtigung zu diesem Vorgehen, so konnte es nur dann zu einer Geldstrafe für den Verurteilten kommen, wenn im Rahmen der Gnadenlösung die Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt wurde. Dies lag dann jedoch nicht in der Hand der Tatrichter.

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gleichzeitiger Bekämpfung der kurzfristigen Freiheitsstrafen. Das Gesetz beendete jedoch nicht die Reformdiskussion. Während die §§ 1 und 2 Geldstrafengesetz 1921 der Anpassung der im Strafgesetzbuch genannten Mindest- und Höchstbeträge an damals herrschendes Geldwertniveau dienten17, war Kernstück des Geldstrafengesetzes 1921 sein § 3. § 3 Abs. 1 Geldstrafengesetz 1921 ließ bei Vergehen, bei denen Geldstrafe nicht oder nur neben Freiheitsstrafe möglich war, Geldstrafe bis 150 000 RM anstelle von Freiheitsstrafe zu, sofern Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten verwirkt war18 und kumulativ der Strafzweck auch durch Geldstrafe zu erreichen war19. § 3 Abs. 2 Geldstrafengesetz 1921 sah für nicht beizutreibende Geldstrafen Ersatzfreiheitsstrafe vor. Um eine gerechte Strafe bei Arm und bei Reich zu erreichen, schrieb § 4 Geldstrafengesetz 1921 vor: „Bei der Festsetzung der Geldstrafe sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen“.

Dies sollte laut Hellwig jedoch nicht dazu führen, dass ausschließlich die wirtschaftlichen Verhältnisse die Höhe der Geldstrafe bestimmten, dieses Kriterium sollte vielmehr ein Strafzumessungsgrund unter vielen sein20. Mag dies aus Sicht der heutigen Gesetzeslage merkwürdig erscheinen, so ist es doch nur logisch, da damals eine Unterteilung der Geldstrafenbemessung in Tagessatzanzahl und Tagessatzhöhe nicht existierte, man lediglich in einem Vorgang die Höhe der Strafe bestimmte. In diesem einen Vorgang mussten damit auch andere Gesichtspunkte als die wirtschaftlichen Verhältnisse, wie etwa die Schuld des Verurteilten und die Schwere der Tat, die heute im Rahmen der Tagessatzanzahl Beachtung finden, beachtliche Strafzumessungsgründe darstellen. Geht Hellwig auch davon aus, dass bereits vor dem Geldstrafengesetz 1921 die wirtschaftlichen Ver17 Es wurde zumeist eine Verzehnfachung der jeweils genannten Summe angeordnet bzw. Mindestbeträge gleich gestrichen. Dies war nötig, weil die vorherigen Geldstrafen-Strafrahmen laut Hellwig, Geldstrafengesetz 1923, S. 8 von den Richtern als so gering empfunden worden waren, dass diesen selbst in dem Bereich, wo bereits vor dem Geldstrafengesetz 1921 eine Geldstrafe zulässig war, zur Verhängung einer gerechten Strafe nur die kurze Freiheitsstrafe als Alternative übrig geblieben war. 18 Es gab damals durchaus Stimmen, die Freiheitsstrafen bis drei Monate nicht mehr als kurzfristig begriffen und die Meinung vertraten, die einzudämmenden kurzfristigen Freiheitsstrafen wären nur solche bis zu einem Monat. So Hellwig, Geldstrafengesetz 1923, S. 13 und Oetker, GS 88 (1922), S. 175 f., der sich gegen die Ersetzungsnorm des E 1919 wendet, die auf bis zu dreimonatige Freiheitsstrafen angewendet werden sollte. von Liszt, Aufsätze, S. 382 sah noch nur die sechswöchigen als kurzfristig an. Zweifelsohne gab es auch die Gegenmeinung, die die kurzfristige Freiheitsstrafe unserem Verständnis entsprechend als solche bis sechs Monate Dauer begriff. So damals schon Bamberger, Geldstrafe, S. 27. 19 Strafzweck war laut RG Vergeltung im Rahmen einer Vereinigungstheorie, vgl. RGSt 64, 108 (110); 65, 308 (309 f.). Krehl, Ermittlung, S. 17 und Noack, Mitwirkung, S. 96 gehen jedoch davon aus, dass Strafzweck die Zufügung von Übel beim Täter war. Dies lasse sich nach Krehl aus der Diskussion schließen, die darum geführt wurde, ob Geldstrafe bei Reichen überhaupt Sinn mache, wenn man ihnen damit kein Übel zufügen könne. 20 Vgl. Hellwig, Geldstrafengesetz 1923, S. 10.

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hältnisse des Täters eine Rolle bei der Strafzumessung gespielt haben21, so ist es doch als Fortschritt zu werten, dass dieses Vorgehen damals durch Erwähnung im Gesetzestext eine formale Legitimation erhalten hatte. Auch § 5 Geldstrafengesetz 1921 bezog sich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, wenn sein erster Absatz sowohl die Möglichkeit des Zahlungsaufschubs als auch alternativ eine Ratenzahlungsbewilligung durch das Gericht vorsah, sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten dies geboten. Nach dem zweiten Absatz der Vorschrift konnten diese „Vergünstigungen“ sowohl nachträglich bewilligt als auch widerrufen werden, falls der Verurteilte nicht rechtzeitig seinen Verpflichtungen nachkam oder sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich besserten. Ein gesetzliches Anpassungskriterium für die wirtschaftlichen Verhältnisse konnte man jedoch weder § 4 noch § 5 Geldstrafengesetz 1921 entnehmen, es fehlte indes ganz. Dies warf bereits damals die Frage auf, inwieweit es einer Ermittlung der Verhältnisse im Rahmen des Prozesses bedurfte. Nach Hellwig waren die wirtschaftlichen Verhältnisse nur in Fällen der sehr geringen oder sehr hohen Geldstrafen ausführlich in den Urteilsgründen auszuführen. Sie sollten „(grundsätzlich) als Gründe für die Zumessung der Strafe in den Urteilsgründen angegeben werden“. Waren sie jedoch nicht aufgeführt, so wäre davon auszugehen, dass sich aus ihnen nichts Besonderes ergeben hätte und sie rechtmäßig berücksichtigt worden wären. Das bloße Nichtaufführen würde das Urteil nicht revisionsfähig machen. Ergäbe sich aus den Gründen jedoch, dass sie zwar berücksichtigt worden waren, jedoch nicht richtig, so würde dies die Revision ermöglichen22. Das bedeutet, dass bereits in der damaligen Zeit kein besonders großer Wert auf die Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse gelegt wurde. Auch war man sich uneinig darüber, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse zu definieren seien. Durch das Fehlen eines Bewertungsmaßstabes konnte es – wenn denn überhaupt gründlich ermittelt wurde – dazu kommen, dass die unterschiedlichsten Kriterien, wie z. B. Vermögen, Verbindlichkeiten, wirtschaftliche Situation der Familie, eigenes Einkommen, nicht genutzte Einkommensmöglichkeiten etc. manchmal berücksichtigt wurden, manchmal nicht. Den §§ 6 – 8 Geldstrafengesetz 1921 wohnte der Zweck der Vermeidung von kurzen Ersatzfreiheitsstrafen inne. § 6 beschränkte die Betreibungsversuche nicht freiwillig gezahlter Geldstrafen auf das bewegliche Vermögen. § 7 räumte die Möglichkeit ein, die Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen, und § 8 ermöglichte ein Absehen von Strafe bei schuldlos eingetretener Zahlungsunfähigkeit. Das Geldstrafengesetz 1921 ermöglichte somit eine lang ersehnte Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Geldstrafe, insbesondere mit Verdrängungsfunktion zulasten der kurzfristigen Freiheitsstrafen. Einer grundlegenden, als nötig empfun21 22

Vgl. Hellwig, Geldstrafengesetz 1923, S. 9. Hellwig, Geldstrafengesetz 1923, S. 81, Rn. 86.

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denen Gesamtreform des Strafensystems konnte es jedoch nicht genügen23. Es war somit lediglich ein behelfsmäßiger Schritt, um die größten Missstände zu beseitigen. Die Zeit der Geldstrafengesetzgebung stand maßgeblich unter dem Eindruck der ausgeprägten Inflation der Weimarer Republik. Gerade der rasante Geldverfall hat eine einigermaßen genaue Bestimmung der wirtschaftlichen Verhältnisse nahezu unmöglich gemacht. In dem Bemühen, die Geldstrafe dennoch möglichst gerecht an die wirtschaftlichen Verhältnisse anzupassen, wurden in den Jahren 1923 und 1924 weitere Geldstrafengesetze erlassen, wobei das Geldstrafengesetz vom 27. April 192324 unter anderem die Höchstsummen für Geldstrafen aufgrund der Inflation noch einmal erheblich (nämlich zumeist um das Eintausendfache) erhöhte und die Vorschriften des Geldstrafengesetzes 1921 in das StGB überführte. So wurde das Kernstück des Geldstrafengesetzes 1921 sein § 3 Abs. 1 zum § 27b Abs. 1 StGB25. Nachdem am 13. Oktober 1923 ein Gesetz über Vermögensstrafen und Bußen26 die Strafrahmen noch einmal erheblich erhöhte und die Aufwertung der erkannten Geldstrafen von ihrer Verhängung bis zur endgültigen Zahlung oder Vollstreckung einführte27, um die Entwertung des Papiergeldes auszugleichen, setzte das Geldstrafengesetz vom 6. Februar 192428 als neue Währung für Geldstrafen die Goldmark fest und senkte die Beträge dementsprechend erheblich29. Dies geschah, um nicht weiter dem Werteverfall von Papiergeld ausgeliefert zu sein und die Höchstbeträge in Papiermark nicht andauernd an das jeweilige Inflationsniveau anpassen zu müssen. Denn die Goldmark war aufgrund ihres Eigenwertes relativ wertbestänSo Hellwig, Geldstrafengesetz 1923, S 12. RGBl. I 1923, S. 254. 25 Weitere Änderungen waren die Folgenden: § 4 Geldstrafengesetz 1921 wurde zu § 27c Abs. 1 StGB 1923, ergänzt im zweiten Absatz um die Regelung, dass die Geldstrafe den Gewinn aus der oder das Entgelt für die Tat übersteigen müsse. Die §§ 5, 6 und 7 Geldstrafengesetz 1921 wurden wortwörtlich in die §§ 28, 28a und 28b StGB 1923 überführt. § 29 StGB 1923 erhielt eine detaillierte Regelung zur Ersatzfreiheitsstrafe, und zwar sowohl für auch schon zuvor explizit im Strafgesetzbuch angedrohte Geldstrafen als auch für solche nach dem damals neuen § 27b StGB 1923 (alter § 3 Abs. 1 Geldstrafengesetz 1921). Insofern enthielt sie auch den nicht nach § 27b StGB 1923 überführten § 3 Abs. 2 Geldstrafengesetz 1921. 26 RGBl. I 1923, S. 943. 27 Es hatte sich nämlich die Praxis eingeschlichen, die Rechtskraft und damit die Vollstreckung von Geldstrafen beispielsweise durch Einlegen nicht erfolgversprechender Rechtsmittel möglichst lange herauszuzögern, um die stetig voranschreitende Geldentwertung auszunutzen. Dies war finanz- und kriminalpolitisch unerwünscht. So Hellwig, Geldstrafengesetz 1924, S. 23. 28 RGBl. I 1924, S. 44. 29 Dies wurde im Rahmen der Währungsreform vom 15. November 1923 vorgenommen, bei der 1 Billion Mark durch 1 Rentenmark ersetzt wurde Diese Währungsreform war im Übrigen relativ erfolgreich. Der deutschen Regierung gelang es zunächst, für die nächsten Monate die deutsche Wirtschaft zu stabilisieren. 23 24

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dig, also inflationsresistent. In diesem Bemühen, die einzelnen Täter möglichst in gleich schwerer Weise, also inflationsbereinigt, zu belasten, kann man ein frühes Streben nach Opfergleichheit zwischen den Tätern erkennen. Obgleich dieses Streben auch finanzpolitisch motiviert war – auch der damalige Staat hatte ein Interesse an möglichst hohen Einnahmen –, ist davon auszugehen, dass auch der kriminalpolitische Wunsch nach einer zwischen den Tätern opfergleichen Geldstrafe eine Rolle gespielt hat30. So hatte man Mitte der 20er Jahre eine wertstabile Geldstrafe kreiert, die über § 27b StGB 1923 gerade die kurzfristigen – bis dreimonatigen – Freiheitsstrafen ersetzen sollte, bei deren Verhängung, aber auch bei deren Vollstreckung – Gewährung von Teilzahlungen und Fristen – die – bedauerlicherweise undefinierten – wirtschaftlichen Verhältnisse eine Rolle spielen sollten. Auch gab es eine Regelung zur Ersatzfreiheitsstrafe; damals noch mit den unterschiedlichen Haftformen Zuchthaus, Gefängnis und Haft. Man möchte sagen, zumindest der Grundstein für die heutige Geldstrafe war gelegt, kam es auch durch stetigen Architektenwechsel in den Folgejahren noch zu einigen Änderungen im Grundriss. Eine opfergleiche Geldstrafe war jedoch unter anderem aufgrund des fehlenden Maßstabes für die wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht erreicht. 3. Die Zeit des Nationalsozialismus In der nationalsozialistischen Folgezeit wurde 1936 ein Entwurf (E 1936)31 erarbeitet, der (mit Änderungen) 1938 dem Kabinett vorgelegt und Ende 1939 zur Unterschrift bereit nie Gesetz wurde. In diesem Entwurf wurde die Geldstrafe nur noch für ganz leichte Straftaten und Gewinnsucht vorgesehen. Die Anwendbarkeit ergab sich entweder aus dem Gesetz oder aus der Umwandlungsnorm des § 43 E 1936, der zwar dem § 27b StGB 1923 ähnelte, für die Verhängbarkeit einer Geldstrafe jedoch auf die Gesinnung des Täters abstellte. Es gab ein Mindestmaß von 1 RM und keine Höchstgrenze. Eine solche wurde als unnötig empfunden, da das Tagesbußensystem nach schwedischem Vorbild eingeführt werden sollte. Dieses sieht nach Festlegung von einer bestimmten Anzahl von „Dagskötter“ als Strafeinheiten, die Anpassung der Höhe der einzelnen Strafeinheiten an die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Da dieser Höhe, die multipliziert mit der Anzahl der Strafeinheiten die Gesamtsumme der Geldstrafe ergibt, in tatsächlicher Hinsicht keine Grenzen gesetzt sind, sah der Entwurf auch kein Höchstmaß der Geldstrafe vor. Nach § 42 E 1936 sollte nach Bestimmung der Tagesbußen als Strafeinheiten die Tagesbußenhöhe an die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angepasst werden. Diese wiederum sollten nach der BeSiehe Fußnote 27. Entwurf eines Deutschen Strafgesetzbuches 1936 nebst Begründung (Nachdruck), Bonn 1954 (zitiert: Entwurf 1936); zusammenfassend zum E 1936 siehe Werle, NJW 1988, 2865 ff. 30 31

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gründung zu dem Entwurf durch ein durchschnittliches Tageseinkommen bestimmt werden. Damit lässt sich feststellen, dass § 42 E 1936 zumindest in seinen rudimentären Grundzügen der Vorläufer des heutigen § 40 StGB war. Da die Geldstrafe jedoch in der nationalsozialistischen Ideologie keinen besonders hohen Stellenwert hatte, weil sie nicht, wie für Strafen grundsätzlich gefordert, besonders abschreckend und das Volk vor dem Straftäter beschützend war32, und der vorgelegte Entwurf materiell wohl in seiner Gesamtheit nicht so recht dem nationalsozialistischen Gedankengut genügen konnte, blieb eine Gesetzgebung im Bereich der Geldstrafe aus. Weitere Reformbemühungen fanden durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eine Zäsur33. 4. Die Reform der Geldstrafe in der Bundesrepublik Deutschland Nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich ein wenig konsolidiert hatten, ging man die Reform der Geldstrafe und damit den Kampf gegen die kurzen Freiheitsstrafen erneut an. Um letztere zu reduzieren, führte man zum 04. August 1953 zunächst die bedingte Strafaussetzung ein34. Bei der Geldstrafe ließ die Reform jedoch weiter auf sich warten. Die Große Strafrechtskommission, welche sich am 06. April 1954 konstituiert hatte, sollte sich im Rahmen der Erarbeitung eines neuen reformierten Strafgesetzbuches auch der Reformierung der Geldstrafe annehmen35. Ergebnis der Arbeit dieser Kommission war schließlich der Entwurf eines Strafgesetzbuches (E 1962)36, welcher als letzter von fünf Entwürfen für die Geldstrafe ebenso wie in den vorhergehenden Entwürfen die Einführung der Tagessatzgeldstrafe nach schwedischem Vorbild vorsah. Wiederum um insbesondere die kurzen Freiheitsstrafen möglichst zu reduzieren, sah § 53 Abs. 1 E 1962 vor, dass eine kurze Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten, wenn denn Geldstrafe nicht oder nur neben der Freiheitsstrafe angedroht sei, durch eine Geldstrafe zu ersetzen sei. Dies unterlag jedoch der Bedingung, dass die Geldstrafe dem Täter zur Warnung dienen könne und weder seine Schuld noch die Aufgabe der Strafe, Straftaten entgegenzuwirken, dem entgegenstehe. Dieser Paragraph stand damit eindeutig in der Tra32

Zur ablehnenden Haltung gegenüber der Geldstrafe siehe Entwurf 1936, Begründung zu

§ 42. 33 Ausführlicher als hier, aber dennoch zusammenfassend zur Entwicklung der Geldstrafe in diesem Zeitraum deutscher Geschichte siehe Krehl, Ermittlung, S. 20 ff. m. w. N. 34 BGBl. I 1953, S. 737; dies geschah in § 23, dessen Wortlaut sich auf S. 735 findet. 35 Der Großen Strafrechtskommission vorgeschaltet waren Gutachten deutscher Strafrechtslehrer zu grundsätzlichen Reformfragen sowie rechtsvergleichende Arbeiten zu den wichtigsten Streitpunkten, welche man in den ersten beiden Bänden der Materialien zur Strafrechtsreform, Bonn 1954, einsehen kann. 36 Einzusehen in: Entwurf eines Strafgesetzbuches, E 1962 mit Begründung, Bundestagsvorlage, Bonn 1962 (zitiert: Entwurf 1962).

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dition des damals noch geltenden § 27b StGB a. F., wenn auch die Zwecksetzung konkretisiert bzw. modifiziert worden war. Grundsätzlich sollte eine Geldstrafe (und zwar sowohl die nach § 53 E 1962 als auch die explizit in den einzelnen Straftatbeständen angedrohte) nach § 51 Abs. 1 E 1962 in Tagessätzen verhängt werden. Der zweite Absatz der Vorschrift sah vor, dass die Tagessatzhöhe sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters bestimmen sollte. In den §§ 54 und 55 E 1962 fanden sich Zahlungserleichterungen und Ersatzfreiheitsstrafe bei nicht einzubringender Geldstrafe, wobei in § 55 E 1962 ein Umrechnungsmaßstab von Tagessatz zu Freiheitsstrafe von 1:1 festgelegt wurde. Die Aufteilung des Festlegungsvorgangs in eine getrennte Festlegung von Tagessatzanzahl und Tagesatzhöhe, wobei klargestellt wurde, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nur bei der Tagessatzhöhe eine Rolle spielen dürften, sollte für eine transparentere Geldstrafe sorgen37. Der Entwurf krankte jedoch wie auch schon die Geldstrafengesetze 1921 / 1924 in ähnlicher Weise an dem Fehlen eines eindeutigen Kriteriums für die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen der Bemessung der Tagessatzhöhe38. Als Zugeständnis an die sich abzeichnenden Probleme in der Praxis bei der Ermittlung der notwendigen Tatsachen hatte man in § 51 Abs. 3 E 1962 dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt, die Grundlagen für die Bemessung, als da exemplarisch genannt wären „seine (des Täters) Einkünfte, sein Vermögen oder andere Grundlagen“, zu schätzen. Mit dieser Regelung hätte der auch schon damals normierte Aufklärungsgrundsatz des § 244 Abs. 2 StPO weitestgehend unterlaufen werden können39. Dennoch kann die geplante Einführung der transparenteren Tagessatzgeldstrafe gegenüber der geltenden undifferenzierten Geldstrafe der Geldstrafengesetze als positiv im Sinne „eines Schrittes in die richtige Richtung“ bewertet werden40. Der E 1962 trat jedoch so nie in Kraft, erst nach längerem Ringen im eigens vom Bundestag eingesetzten Sonderausschuss für die Strafrechtsreform um eine Totalreform, die dann schließlich zugunsten von mehreren Teilreformen aufgegeben wurde, kam es schlussendlich – neben anderen Reformen – am 01. 01. 1975 zur Einführung der Tagessatzgeldstrafe durch das 2. Strafrechtsreformgesetz (StrRG). Waren die durchgeführten Reformen auch im Großen und Ganzen grundsätzlich vom Geist des E 1962 beseelt, so hatten das Sanktionensystem des genannten Entwurfs und mit ihm auch die Tagessatzgeldstrafe doch Modifizierungen erfahren. Besonders der Alternativ-Entwurf (AE)41 eines Strafgesetzbuches hatte die Reform des Strafgesetzbuches im letzten Abschnitt der Reformdiskussion noch beSiehe Entwurf 1962, S. 169 f. So auch Krehl, Ermittlung, S. 24 f. 39 So im Ergebnis auch Krehl, Ermittlung S. 25. 40 So auch Baumann, Beschränkung, S. 28, der jedoch kritisiert, dass es dennoch im Regelfall zu einer En bloc-Entrichtung der Geldstrafe kommen sollte. 41 Der AE in seiner Gesamtheit ist einzusehen in AE, AT. 37 38

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einflusst. Der AE als Entwurf zum Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, welcher 1966 von mehreren Strafrechtslehrern42 vorgelegt wurde, sah ein gänzlich anderes Konzept vor als der E 1962. Der AE ging von der Vollzugswirklichkeit aus. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Tätertypen und der Möglichkeiten des Vollzugs versuchte er, ein möglichst lückenloses – jedoch nicht lückenfreies – angemessenes und praktikables Sanktionensystem zu entwerfen43. Dieses Sanktionensystem sollte nur solche Strafen vorsehen, welche für den einzelnen Täter spezialpräventiv möglichst wirksam wären. Die §§ 2 und 59 AE sollten daher mit dem Glauben an die Erziehbarkeit eines jeden einzelnen Täters spezialpräventive Effektivität sichern, indem die Wiedereingliederung des Täters in die Rechtsgemeinschaft als übergeordneter Zweck von Strafe und Maßregel, die Schuld aber als Grenze derselben festgeschrieben wurde. Zudem sollte gemäß § 38 Abs. 2 AE im Vollzug eine (als allein sinnvoll empfundene) Differenzierung nach Tätergruppen vorgenommen werden, bei der die Art der Freiheitsstrafe, Schwere der Tat und Schuld des Täters keine Rolle spielen sollten. Vielmehr war an eine Differenzierung nach „Erstbestraften“, Strafdauer, Altersgruppen oder spezielleren psychologischen Merkmalen, die für die resozialisierende Behandlung wichtig wären, gedacht44. Die kurzfristigen Freiheitsstrafen sollten gänzlich abgeschafft und die Freiheitsstrafen zu einer Einheitsfreiheitsstrafe zusammengefasst werden. Der AE sah ausschließlich drei verschiedene Hauptstrafen vor: die Freiheitsstrafe ohne jegliche Differenzierung45 sowie die Geldstrafe und das Fahrverbot46. Da der erste Zugriff auf den Täter stets möglichst milde auszufallen habe, sollte der erstmaligen Verhängung von Freiheits- oder Geldstrafe, wenn möglich, eine Verwarnung mit Strafvorbehalt unter den Voraussetzungen des § 57 AE vorgeschaltet sein. Erst wenn diese Option ausgeschöpft bzw. nicht gegeben wäre, sollte als zweiter Zugriff im unteren Bereich der Strafmöglichkeiten die Geldstrafe Anwendung finden. Diese Geldstrafe des AE war so ausgestaltet, dass sie aus Sicht der Verfasser möglichst hohe Effektivität gerade auch im Hinblick auf die spezialpräventive Wirkung entfalten sollte. Dabei war das Konzept der Geldstrafe stark an den dem AE vorausgegangenen Gegenentwurf Baumanns (GE)47 angelehnt, der in § 35 GE eine Laufzeitgeldstrafe vorsah, bei der dem Täter über einen festgesetzten Zeitraum nur das Existenzminimum von seinem Einkommen belassen 42 Namentlich Jürgen Baumann, Anne-Eva Brauneck, Ernst-Walter Hanack, Arthur Kaufmann, Ulrich Klug, Ernst-Joachim Lampe, Theodor Lenckner, Werner Maihofer, Peter Noll, Claus Roxin, Rudolf Schmitt, Hans Schultz, Günther Stratenwerth und Walter Stree. 43 So Baumann, Beschränkung, S. 32. 44 So die Begründung zu § 38 AE in AE, AT, S. 79. 45 So sollte es keine Differenzierung nach Zuchthaus, Gefängnis, schwerem und einfachen Gefängnis mehr geben. 46 Im StGB der damaligen Zeit und im E 1962 war das Fahrverbot lediglich Nebenstrafe, d. h., es konnte bzw. sollte nur neben einer anderen Hauptstrafe verhängt werden. Der AE sah das Fahrverbot jedoch auch nicht für alle Straftaten als mögliche Hauptstrafe vor, sondern nur für solche, die in Zusammenhang mit der Führung eines Kraftfahrzeuges standen. 47 Baumann, Entwurf.

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werden sollte48. Obgleich der GE dies noch nicht vorsah49, verteidigte Baumann die gänzliche Abschaffung der kurzen Freiheitsstrafen vehement50. Da diese in den Gefängnissen eine hohe Fluktuation und auch Überbelegung verursachten und damit den Resozialisierungsprozess der zu mittel- und langfristigen Freiheitsstrafen Verurteilten behinderten51, zudem auch entsozialisierend beim zur kurzen Freiheitsstrafe Verurteilten wirkten52, wollte Baumann eine Ersatzreaktion für die kurzen Freiheitsstrafen finden. Eine Streichung ohne Ersatz hätte nach seiner Ansicht zu einer zu großen Lücke im Strafensystem geführt53. Die Idee einer Laufzeitgeldstrafe floss durch seine Mitarbeit am AE in selbigen ein. Die Geldstrafe des AE war im Ergebnis eine Lebensstandard beschränkende Laufzeitgeldstrafe. Die Beschränkung sollte durch periodische Zahlung von an den Einkommensverhältnissen angepassten Geldstrafenraten erfolgen. Man wollte die Geldstrafe somit von ihrer Summen mäßigen En bloc-Entrichtung befreien und die vielfach praktizierte Ratenzahlung aus ihrem Ausnahmestatus nach dem Gesetz herausholen und zum Regelfall normieren. Grund hierfür war der Wunsch, eine Geldstrafe zu kreieren, die den jeweiligen Täter genauso hart wie die kurzfristigen Freiheitsstrafen, weil Lebensstandard beschränkend, treffen könnte, ohne dabei 48 Wortlaut des § 35 GE, entnommen Baumann, Entwurf S. 21 f.: „I. Die Laufzeit der Geldstrafe wird nach Monats-, Wochen- und Tagessätzen bemessen. Sie beträgt mindestens einen Tagessatz und höchsten neunzig Monatssätze. § 34 Abs. 1 gilt entsprechend. II. Die Höhe des Satzes bestimmt das Gericht unter Abschätzung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im Zeitraum der Vollstreckung. Der Satz soll so bemessen sein, dass dem Täter nur Einkünfte in Höhe des Existenzminimums verbleiben. Die Vorschriften der ZPO über lohnpfändungsfreie Beträge gelten als Richtlinie. Der Mindestbetrag des Monatssatzes ist einhundertfünfzig, des Wochensatzes fünfunddreißig und des Tagessatzes fünf DM. III. Gibt der Täter über seine Einkünfte, sein Vermögen oder andere Grundlagen der Bemessung keine oder keine glaubwürdige Auskunft, so können die Sätze geschätzt werden. Das Gericht kann auch eine Auskunft des zuständigen Finanzamtes einholen. IV. In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Sätze sowie die Zahlungszeiten angegeben. Die Zahlungszeiten (täglich, wöchentlich oder monatlich) sind dem jeweiligen Anfall der Einkünfte nach Möglichkeit anzupassen.“. 49 § 32 GE sah noch das Mindestmaß der Gefängnisstrafe von einer Woche vor, Baumann, Entwurf, S. 20. 50 Dies geschah vor allem in Baumann, Beschränkung. 51 So auch Schmidt, NJW 1967, 1933. 52 Ausführlich und mit anschaulicher Begründung zu den negativen Folgen der kurzen Freiheitsstrafen siehe Baumann, Beschränkung, S. 11 ff. 53 Obwohl Baumann nicht davon ausging, dass Strafrechtsschutz einen lückenlosen Rechtsgüterschutz zu gewährleisten hätte, sondern vielmehr unter Vermeidung von Vielstraferei einen Schutz nur der wichtigsten Rechtsgüter und Rechtswerte anstrebte, hätte das ersatzlose Entfallen der kurzen Freiheitsstrafen auch für ihn eine „sehr starke Einbuße an generalpräventiver Wirkung des Strafrechts“ bedeutet. Obschon auch auf der Rechtsfolgenseite eine gewisse Lückenhaftigkeit hinzunehmen sei, da der Gesetzgeber stets nur Reaktionen für die typischen Fälle bereithalten könne, eine Anpassung der Strafe bis hin zur letzten Täterindividualität also nicht möglich sei. So Baumann, Beschränkung, S. 20 f.

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die der kurzfristigen Freiheitsstrafe innewohnenden Nachteile zu entfalten. Dies war gewollt, um gerade die kurzfristigen – auf längere Zeit gesehen aber auch die mittelfristigen – Freiheitsstrafen durch diese Art von Geldstrafe zu ersetzen. Erstrebt wurde auch, den Richtern und den Kritikern der Geldstrafe, welche die Abgeltung der Strafe durch Geld bei vielen Delikten ablehnten, eine der Freiheitsstrafe ähnliche (Geld-)Strafe an die Hand zu geben bzw. zu präsentieren, die sich tatsächlich über den verhängten Zeitraum erstreckte54. Die Entrichtung sollte periodisch, gemäß § 49 Abs. 1 AE55 in Tages-, Wochen- oder Monatssätzen erfolgen; in § 49 Abs. 4 AE hieß es, es solle eine Orientierung an den Zeiträumen erfolgen, in denen der Täter jeweils sein Einkommen erhielte. Nach § 49 Abs. 2 AE sollte sich die Summe an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung orientieren, wobei dem Täter zumindest die lohnpfändungsfreien Beträge zu belassen wären. Auf die Festlegung von Höchstgrenzen wurde konsequenterweise verzichtet, um für Großverdiener die Geldstrafenhöhe nach oben offen zu lassen56. Zudem war geplant, den Gerichten die Bank- und Finanzamtsauskunft zu den wirtschaftlichen Verhältnissen gesetzlich zu gestatten. Sah man beim Bankgeheimnis zwar im Grunde kein Problem und hielt lediglich eine Öffnung des Steuergeheimnisses für rechtlich erforderlich, so wollte man doch auf „Nummer sicher gehen“ und den Gerichten möglichst weitreichende Möglichkeiten zur Einkommensermittlung an die Hand geben57. Daher war vorgesehen, in § 49 Abs. 3 Satz 2 AE eine Öffnung dieser beiden Geheimnisse unbedingt zu normieren. Dieser Allgemeine Teil des Alternativentwurfs beeinflusste die Arbeit des Sonderausschusses zur Strafrechtsreform dergestalt, dass die Unterteilung in verschiedene Freiheitsstrafen aufgegeben wurde. Bei der Geldstrafe hielt man im Ausschuss jedoch an der Geldsummenstrafe im Tagessatzsystem fest und übernahm den Laufzeitgedanken nicht58. 54 So die Vorbemerkungen zu den Geldstrafen-Paragraphen §§ 49 – 54 AE in AE, AT, S. 99. 55 Wortlaut des § 49 AE: „Höhe und Zahl der Geldstrafensätze (1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen, Wochensätzen oder Monatssätzen verhängt. Ihre Laufzeit beträgt mindestens einen Tagessatz und höchstens vierundzwanzig Monatssätze. (2) Die Höhe des Tages-, Wochen- oder Monatssatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters im Zeitpunkt der Urteilsverkündung. Die Sätze sollen so bemessen sein, dass dem Täter zumindest die lohnpfändungsfreien Beträge als Existenzminimum verbleiben. Der Mindestbetrag des Tagessatzes ist fünf Deutsche Mark, des Wochensatzes fünfunddreißig Deutsche Mark und des Monatssatzes einhundertfünfzig Deutsche Mark. (3) Gibt der Täter über seine Einkünfte, sein Vermögen oder andere Grundlagen für die Bemessung der Sätze keine ausreichende Auskunft, so können die Bemessungsgrundlagen geschätzt werden. Das Gericht kann auch Auskünfte von Steuerbehörden und Banken einholen. (4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Sätze sowie die Zahlungszeiten angegeben. Die Zahlungszeiten sind nach Möglichkeit dem jeweiligen Anfall der Einkünfte anzupassen. Wochensätze sind wöchentlich, Monatssätze sind monatlich zu zahlen.“. 56 Begründung zu § 49 AE in AE, AT, S. 101. 57 Begründung zu § 49 AE in AE, AT, S. 101.

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Zunächst wurde dann das 1. Strafrechtsreformgesetz (1. StrRG)59 verabschiedet, welches erste als unbedingt notwendig empfundene Änderungen im Strafrecht vornahm. Dieses trat am 01. 09. 1969 in Kraft und erreichte eine Erhöhung der Anzahl verhängter Geldstrafen zuungunsten kurzfristiger Freiheitsstrafen durch die Einführung der Strafaussetzung und durch die Normierung eines § 14 StGB a. F., der Freiheitsstrafen unter sechs Monaten zur ultima ratio erklärte. Auch führte es die Einheitsfreiheitsstrafe und das Absehen von Strafe ein, eine materiellrechtliche Reform der Geldstrafe wurde jedoch nicht vorgenommen, obgleich eine solche immer dringlicher wurde. Durch Erlass des 1. StrRG wurde nämlich vermehrt die Verhängung von Geldstrafen bei gleichzeitiger Zurückdrängung der kurzfristigen Freiheitsstrafen bedingt60. Das 1. StrRG entfaltet jedoch aus heutiger Sicht fast nur noch historische Bedeutung61, da am 04. 07. 1969 das 2. Strafrechtsreformgesetz (2. StrRG)62 mit weitreichenderen Änderungen verabschiedet wurde, welches am 01. 10. 1973 in Kraft treten sollte. Mit dem 2. StrRG wurde ein modifizierter E 1962 verabschiedet, der die Änderungen des 1. StrRG in neuen Paragraphenzahlen einschloss. Hatte man die Zurückdrängung der kurzfristigen Freiheitsstrafen bereits zum Teil durch das 1. StrRG realisieren können, so diente das 2. StrRG dem zweiten Zweck der Reformbewegung, nämlich der Schaffung einer möglichst opfergleichen Geldstrafe. Das 2. StrRG beinhaltete die Beibehaltung der Aufteilung in zwei Hauptstrafen – Freiheitsstrafe63 und Geldstrafe – sowie der Strafaussetzung zur Bewährung in den §§ 56 und 60 StGB und des Absehens von Strafe, ebenso die Neueinführung der Verwarnung mit Strafvorbehalt für die Geldstrafe in § 59 StGB. Des Weiteren wurde in § 47 StGB die grundsätzliche Verdrängung der kurzen Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten durch Geldstrafe normiert. Die materielle Reform der Geldstrafe sollte sich innerhalb des 2. StrRG durch Einführung eines § 40 StGB64 vollziehen, der den Laufzeitgedanken des AE nicht 58 Dies zeichnete sich bereits 1966 ab, so dass man im AE, AT, 2. Aufl. eine vom SA überarbeitete Version des E 1962 findet, die die Aufgliederung der Freiheitsstrafe in verschiedene Unterformen aufgegeben hatte. Der Inhalt der entsprechenden §§ 43 – 50 E 1962 sollte entfallen. Der SA sah bereits zu diesem Zeitpunkt eine Einheitsfreiheitsstrafe vor. Vergleiche hierzu AE, AT, 2. Aufl., S. 74 ff. 59 BGBl. I, 1969, S. 645. 60 Ausführlich und m. w. N. siehe hierzu Krehl, Ermittlung, S. 28 f. 61 So auch Lackner / Kühl, Vor § 1 Rn. 4. 62 BGBl. I 1969, S. 717. 63 § 38 StGB sah für die Einheitsfreiheitsstrafe ein Mindestmaß von einem Monat vor. 64 Wortlaut des § 40 StGB zum Zeitpunkt der ersten Verabschiedung, entnommen aus BGBl. I 1969, S. 722: „Verhängung in Tagessätzen (1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.

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übernahm. Die Laufzeitgeldstrafe wurde zwar ausführlich Gegenstand der Diskussion, jedoch wegen der zu befürchtenden unzumutbaren Belastung der Gerichte bzw. der Verwaltung als auch wegen der Bedenken, die man gegen die Herabsetzung des Lebensstandards auf Lohnpfändungsniveau hatte, fallen gelassen65. So sah dieser § 40 StGB in seinem ersten Absatz für die Geldstrafe eine Begrenzung auf höchstens 360 Tagessätze vor und in seinem zweiten Absatz als Bemessungsgrundlage ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, also erneut keinen spezifischen Maßstab. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass zu diesem Zeitpunkt eine Geltung des Einbußeprinzips angestrebt war. Beim Einbußeprinzip wird der Tagessatz so bemessen, dass die Höhe des Tagessatzes den Geldbetrag darstellt, den der Täter in der Lage ist, an einem Tag einzubüßen. Es muss also zunächst von dem tatsächlich beim Täter vorhandenen (Netto-)Einkommen (pro Tag) ausgegangen werden. In einem zweiten Schritt muss aus diesem Betrag und den Summen, die der Täter (pro Tag) nicht entbehren kann, die Differenz gebildet werden. Was übrig bleibt, ist dann der Betrag, der als Tagessatz in Frage kommt. Bei diesem Prinzip gibt es grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten, den Betrag, der eingebüßt werden könnte, zu berechnen. Der AE ging davon aus, dass zumindest die lohnpfändungsfreien Beträge beim Täter zu verbleiben hätten. Damit ergäbe grundsätzlich das (Netto-)Einkommen abzüglich des lohnpfändungsfreien Betrags bezogen auf das jeweilige (Netto-)Einkommen den Betrag, der als Tages-, Wochen- oder Monatssatz festzusetzen sei. Über den Zusatz „zumindest“ sollten besondere persönliche Verhältnisse, z. B. nichtgesetzliche Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt werden66. Sehr Ähnliches wollte Baumann auch schon in seinem GE, wenn dort die lohnpfändungsfreien Beträge der ZPO als Richtlinie für das zu beim Täter belassene Existenzminimum benannt wurden67. Im Sonderausschuss maß man dem Einbußebetrag weniger Pauschalität zu. In Bezug auf § 40 Abs. 2 i. d. F. des 2. StrRG heißt es im Bericht des Sonderausschusses: „Als Tagessatz ist derjenige als Bewertungseinheit gedachte Geldbetrag aufzufassen, dessen Einbuße dem Täter aufgrund seiner erzielbaren Einkünfte, seines verwertbaren Vermögens und seines tatsächlichen Lebenszuschnitts unter Berücksichtigung seiner Unterhalts- und sonstigen angemessenen Zahlungsverpflichtungen (2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Ein Tagessatz wird auf mindestens zwei und höchstens tausend deutsche Mark festgesetzt. (3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen, und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden. (4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.“. 65 Siehe Ber. SA, BT-Drs. V / 4095, S. 20 f. Insbesondere in Bezug auf die Überlastung der Verwaltung wurde bemängelt, dass die Überprüfung des Eingangs der periodisch zu entrichtenden Geldstrafenteilbeträge zu aufwendig sei; ein Problem, das heute in Zeiten modernster Informationstechnik, so wohl nicht mehr gegeben wäre. 66 So Baumann, Beschränkung, S. 54. 67 So § 35 Abs. 2 Satz 2 GE, in: Baumann, Entwurf, S. 21. Der Wortlaut findet sich auch in Fn. 48.

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sowie seiner persönlichen Verhältnisse im Durchschnitt täglich zuzumuten ist“. Des Weiteren werden an gleicher Stelle explizit die Lohnpfändungsgrenzen des AE (und damit auch des GE) als Variante des Einbußeprinzips als Maßstab zur Berechnung eines Tagessatzes abgelehnt. Dies geschieht mit der Begründung, dass manch einer, z. B. der Täter, der ein Eigenheim zu finanzieren habe, nicht so viel entbehren könne wie vielleicht ein anderer. Dies beides lässt darauf schließen, dass dem Täter nur die Summen zuzumuten sein sollten, die er auch tatsächlich einbüßen könne, also in jedem Fall Einbußeprinzip gewollt war und zwar ohne sich im Gesetzestext genau festlegen zu wollen, wo denn die Einbußegrenze liegen solle68. Man wollte also das (Netto-)Einkommen bestimmen und von diesem dann bestimmte Belastungen, wie z. B. Miete, notwendige Aufwendungen für Nahrung und Kleidung oder Schulden etc., abziehen. Aber man wollte anscheinend auch verwertbares Vermögen berücksichtigen. Angestrebt wurden also Variabilität und keine schematische Festlegung, wie der AE dies proklamierte. Obgleich sich diese zwei Varianten69 des Einbußeprinzips im Ergebnis für den einzelnen Täter summenmäßig sehr unterschieden hätten, ist ihnen konzeptionell zweierlei gemeinsam. Erstens wäre der Tagessatz grundsätzlich aus der Differenz von (Netto-)Einkommen und uneinbüßbarem Betrag gebildet worden. Zweitens hätten sich zweifelsohne Auslegungsprobleme bezüglich der zwei miteinander zu verknüpfenden Positionen, dem (Netto-)Einkommen und dem uneinbüßbaren Betrag, ergeben. Nochmals: Dies ändert aber nichts an der Grundkonzeption, nämlich Ausgangsbetrag (Netto-)Einkommen, bei dem eventuell dann auch verwertbares Vermögen hätte einfließen können, abzüglich des im Einzelfall auf welche Weise auch immer zu bildendem uneinbüßbarem Abzugsbetrag, wobei dieser inhaltlich für die Lebenshaltungskosten gestanden hätte. Damit wäre die Tagesatzhöhe im Rahmen des Einbußeprinzips ausgehend vom (Netto-)Einkommen zweistufig zu bestimmen gewesen, wobei im Rahmen des 2. StrRG die zweite Stufe den nicht pauschalisierten Abzug der Lebenshaltungskosten im weiteren Sinne dargestellt hätte. Im Rahmen des 2. StrRG war zudem an die Schätzungsbefugnis des § 40 Abs. 3 StGB nicht, wie noch in § 51 Abs. 3 E 1962 vorgesehen, die Bedingung geknüpft, dass der Angeklagte unzureichende Angaben gemacht habe. Die Schätzungsbefugnis war bedingungslos, weil eine Anknüpfung an die unzureichenden Angaben des Angeklagten unerwünscht war, um nicht eine Aussagepflicht des Angeklagten zu normieren70. Um den bereits damals erkannten Schwierigkeiten in der Ermittlung der Tatsachengrundlagen für die Festlegung der Tagessatzhöhe, die im Namen der Gerechtigkeit als präzise durchzuführen dringend als nötig empfunden wurde, entgegenzuwirken, war zudem eine Öffnung des Steuergeheimnisses geplant71. HierSiehe Ber. SA, BT-Drs. V / 4095, S. 20 f. AE und GE auf der einen Seite, der E 1962 auf der anderen. 70 Ber. SA, BT-Drs. V / 4095, S. 21. 71 Siehe hierzu im Detail BT-Drs. VI / 3250, S. 40 (Art. 19 Nr. 51), Begr. S. 287 und BTDrs. 7 / 550, S. 43 (Art. 19 Nr. 51), Begr. S. 300 f. 68 69

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zu sollte dem § 161 StPO ein zweiter Absatz angefügt werden, in dem es geheißen hätte: „(2) Die Finanzbehörden erteilen den Gerichten und Staatsanwaltschaften auf deren Ersuchen Auskünfte über die ihnen bekannten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten, die für die Bemessung der Geldstrafe von Bedeutung sind. Um eine solche Auskunft soll nur ersucht werden, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten sonst nicht hinreichend aufgeklärt werden können“.

Das 2. StrRG trat jedoch 1973 in dieser Form nicht in Kraft, vielmehr wurde im selbigen Jahr eine Neuverkündung72 zum 01. 01. 1975 desselben Gesetzes beschlossen. Zusätzlich beschloss man im Frühjahr 1974, im Rahmen des EGStGB73 einige materiell-rechtliche Korrekturen des 2. StrRG vorzunehmen. Zu diesen Änderungen gehörte neben der Erhöhung des Höchstsatzes von tausend auf zehntausend Deutsche Mark – um auch Reiche genügend hart treffen zu können74 – die Einfügung des Nettoprinzips in den Paragraphen der Tagessatzgeldstrafe75. Dies war eine weitreichende inhaltliche Änderung76, wenn man bedenkt, dass zuvor stets und auch mit dem 2. StrRG in seiner ursprünglichen Form das Einbußeprinzip normiert werden sollte, um Opfergleichheit herbeizuführen, ohne den Täter zu entsozialisieren77. So trat am 01. 01. 1975 der „heutige“ (wenn man von kleineren Änderungen zu den Mindestsätzen absieht) § 40 StGB zur Tagessatzgeldstrafe in Kraft. Normiert wurde die Tagessatzgeldstrafe nach skandinavischem Vorbild, wobei die wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem sogenannten Nettoprinzip zu ermitteln sind; danach ist in der Regel vom Nettoeinkommen des Täters auszugehen. Diese weitreichende Änderung wurde mit der Begründung vorgenommen, die Richter hätten sich zuvor daran gewöhnt, für bestimmte Taten, die nach Einführung des Tagessatzsystems 30 Tagessätze wert wären, ein Nettoeinkommen als Geldstrafensumme zu verhängen. Es könnte als ungerecht empfunden werden, wenn die Summen nach dem durch das 2. StrRG ursprünglich einzuführen geplantem Einbußeprinzip nun unter diesem Wert blieben und dies wiederum könnte zu einem Verlust der Effektivität der Geldstrafe, zu einer verminderten Anzahl der Verhängungen führen, deren Gegenteil man ja erklärtermaßen gerade anstrebte78. Dies ist eine merkwürdige Begründung, sagt sie doch im Grunde nur aus, dass der Mut fehlte, das Gesetz wirklich zu verändern. Anscheinend sollte eine Regelung geschaffen werden, die zwar äußerlich reformiert erschien, in der Praxis jedoch inhaltlich die gleichen Ergebnisse erzielen konnte wie ihr Vorgänger. Diese 72 73 74 75 76 77 78

BGBl. I 1973, S. 909. BGBl. I 1974, S. 469. BT-Drs. 7 / 1261, S. 6 (zu Artikel 17 Abs. 1 Nr. 6 b). BGBl. I 1974, S. 469 und 474. Baumann, ZRP 1974, 77 spricht gar von der „Reform der Reform“. Siehe Ber. SA, BT-Drs. V / 4095, S. 20 f. BT-Drs. 7 / 1261, S. 5 (zu Artikel 17 Abs. 1 Nr. 6 b).

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Einschätzung der Motivation für die Einführung des Nettoeinkommensprinzip wird dadurch bestätigt, dass alternativ noch weitere Modifizierungen einzig mit dem Ziel diskutiert worden waren, mit der neu zu schaffenden Vorschrift die alten Rechtsfolgen herbeizuführen, nämlich ein Nettoeinkommen als Strafe bei Delikten, die zukünftig 30 Tagessätze erfordern würden79. Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch, dass man in einem Tagessatz schon damals ein Dreißigstel des Nettoeinkommens im umgangssprachlichen Sinne erblickte, im Gegensatz zu einer um einen Einbußebetrag verminderten Teilsumme davon. Des Weiteren wurde die ursprünglich vorgesehene Öffnung des Steuergeheimnisses unterlassen, da man eine Durchlöcherung desselben ebenso befürchtete wie die vermehrte Verwertung der Erkenntnisse und den erhöhten Arbeitsaufwand für die Finanzverwaltung. Zudem sah man das Steuergeheimnis grundsätzlich dem Strafanspruch des Staates vorgehen80. Die Schätzungsbefugnis des dritten Absatzes der Vorschrift blieb von Änderungen „verschont“. Als Kann-Vorschrift ohne nähere Erläuterung der Voraussetzungen blieb sie bestehen, wobei erklärtermaßen die Schätzung stets ultima ratio bleiben sollte. D. h., es lag im Willen des Gesetzgebers, dass der Schätzung nur insoweit Raum zukommen sollte, wie der Richter alle zur Verfügung stehenden Beweismittel zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen des Tagessatzes auch ausgeschöpft habe. Das Entfernen der unzureichenden Aussage des Angeklagten als Voraussetzung für die Schätzung aus der Norm sollte den Richter nicht von seiner Ermittlungspflicht befreien, vielmehr sollte er nur insoweit zur Schätzung befugt sein, als Beweismittel fehlten81. Zu einer als notwendig anzusehenden Anpassung der im dritten Absatz genannten Bemessungsgrundlagen, die sich insoweit noch auf das ursprünglich einzuführen geplante Einbußeprinzip beziehen, an den geänderten Wortlaut des zweiten Absatzes kam es nicht. An dieser Gesetzeslage hat sich bis zum heutigen Zeitpunkt, wenn man von der Euroanpassung absieht, nichts geändert. Ohne das Bestehen einer zusätzlichen ausdrücklichen Durchbrechung des Steuergeheimnisses hat der § 40 StGB heute folgenden Wortlaut:

79 BT-Drs. 7 / 1261, S. 5. Diskutiert worden waren neben der dann beschlossenen Einführung des Nettoprinzips erstens keine Änderungen der Vorschrift bei gleichzeitiger Klarstellung im Bericht, dass die Höhe der nach neuem Recht verhängten Tagessätze nicht unter denen der alten Geldstrafe bleiben dürften, oder zweitens die Änderung der Relation zwischen Geldstrafe und Freiheitsstrafe, wobei dann zwei oder drei Tagessätze, nach Einbußesystem verhängt, einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprechen sollten, oder drittens eine Auflösung der festen Relation zwischen Tagessatz und Ersatzfreiheitsstrafe durch Änderung des § 43 dahingehend, dass die Gerichte die Ersatzfreiheitsstrafe frei bestimmen könnten. 80 BT-Drs. 7 / 550, S. 476. 81 Ber. SA, BT-Drs. V / 4095, S. 21.

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§ 40 Verhängung in Tagessätzen (1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze. (2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens fünftausend Euro festgesetzt. (3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen, und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden. (4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.

Dies ist die Vorschrift, die 2005 auf rund 81 % der insgesamt verhängten Strafen angewendet wurde82, um die Tagessatzgeldstrafe im Einzelfall festzulegen. Aufgrund ihres wenig prägnanten und sehr dehnbaren Wortlauts ist auch heute noch vieles in Bezug auf ihre Auslegung umstritten.

5. Schlussfolgerungen aus der geschichtlichen Entwicklung für die heutige Tagessatzgeldstrafe Zwei Aspekte prägten die geschichtliche Entwicklung der Geldstrafe maßgeblich. Zum einen wurde die Ausweitung des Geldstrafenanwendungsbereichs geprägt von dem kriminalpolitischen Anliegen, die Quantität der kurzen Freiheitsstrafen zu reduzieren. Die Geldstrafe wurde damit stets als Ersatz für die kurzen Freiheitsstrafen gesehen83. Zum anderen versuchte man die Geldstrafe in ihrer Ersatzfunktion zu einer annährend vergleichbaren Strafe zu machen, indem man Opfergleichheit durch Anpassung der Geldstrafenhöhe an die wirtschaftliche und persönliche Situation des zu Geldstrafe Verurteilten anstrebte. Motivation für die Verdrängung der kurzen Freiheitsstrafen war der Wille, die erkannte entsozialisierende Wirkung, welche gerade bei kurzen Freiheitsstrafen in unzumutbarem Verhältnis zur Schwere der bestraften Tat steht, zu vermeiden84. Daraus ergibt sich, dass der Geldstrafe gerade diese entsozialisierenden Wirkungen nicht anhaften dürfen, wenn sie ein sinnvoller Ersatz sein soll. Das Tagessatzsystem eignet sich für diese Vorhaben insgesamt besonders gut. Denn das Tagessatzsystem macht die Geldstrafe durch ihre Verhängung in Zeitquanten vergleichbar mit der Freiheitsstrafe. Zum anderen dient das Splitting in das Zeitquantum der Tagessatzanzahl und in die Tagessatzhöhe als Maß der wirt82 2005 entfielen auf insgesamt 674 004 Verurteilungen 546 389 Geldstrafen, Statistisches Bundesamt 2005, Fachserie 10, Reihe 3, S. 84. 83 So im Ergebnis insbesondere für das 1975 eingeführte Tagessatzsystem auch ausdrücklich Noack, Mitwirkung, S. 114 ff. 84 So auch Bems, Geldstrafe, S. 19 ff.

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schaftlichen Leistungsfähigkeit, zumindest in der Rechtstheorie, der Vergleichbarkeit und der Opfergleichheit der einzelnen Geldstrafen untereinander für Arm und Reich. Dabei belässt die Geldstrafe den Verurteilten in seinem Umfeld, reißt ihn also nicht aus seinem sozialen Gefüge heraus und bzw. oder stigmatisiert nicht, wie dies die Freiheitsstrafe nur allzu oft bewirkt. Die Ersatzfunktion der Geldstrafe für die kurzfristige Freiheitsstrafe wird besonders deutlich durch die Vorschrift des § 43 StGB, die den nicht eingebrachten Tagessatz Geldstrafe in eins setzt mit einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Insofern sind Freiheitsstrafe und Geldstrafe stets über das Zeitquantum miteinander vergleichbar. Die Ersatzfunktion sollte auch bei der Auslegung des § 40 StGB eine Rolle spielen. Für den jeweiligen Täter sollte einigermaßen Opfergleichheit zwischen Geldstrafe und eben gerade nicht verhängter kurzer Freiheitsstrafe bestehen85. Ebenso sollte im Auge behalten werden, dass mit der Geldstrafe nur eine opfergleiche miteinander vergleichbare Strafe vorliegt, wenn die Anpassung an die wirtschaftliche Situation des zu ihr Verurteilten tatsächlich und tagtäglich gelingt. Ebenso wie bei der Freiheitsstrafe, bei der Opfergleichheit durch den „Bewegungs“-Freiheitsverlust in Zeitquanten hergestellt wird, muss Opfergleichheit auch bei der Geldstrafe hergestellt werden, wenn auch auf anderem Gebiet. Die angestrebte Opfergleichheit zwischen den zu Geldstrafe Verurteilten hat dabei auch generalpräventive Wirkung. Nur wenn die Masse der Bevölkerung die Geldstrafe als eine der Freiheitsstrafe einigermaßen gleichwertige Strafe empfindet, wird die Geldstrafe als Strafe ernst genommen werden. Dies kann jedoch nicht erreicht werden, solange die Tagessatzhöhe nicht täterindividuell angepasst festgelegt wird. Obgleich es jahrzehntelang keinen konkreten Maßstab für die die Opfergleichheit herstellende Anpassung gab, hat der Reformgesetzgeber von 1975 nunmehr das Nettoeinkommen als Maßeinheit genannt. Das Ziel der Verdrängung der kurzen Freiheitsstrafen kann als erreicht angesehen werden, da die Anzahl der Verurteilungen zu Geldstrafe deutlich in der Gesamtzahl aller Verurteilungen überwiegen. Zudem hat die Geldstrafe als Sanktion im Einzelfall die kurzfristigen Freiheitsstrafen fast vollständig verdrängt86. Inwiefern das zweite Reformziel, nämlich Schaffung einer die Freiheitsstrafe sinnvoll ersetzenden opfergleichen Geldstrafe, die die Mankos der Freiheitsstrafe vermeidet, als gelungen angesehen werden kann, dies soll die Betrachtung insbesondere der theoretischen Vorgaben des § 40 StGB sowie der praktischen Umsetzung desselben ergeben. Dazu ist anzumerken, dass ein dritter Aspekt die Historie der Geldstrafe bestimmte. Die insbesondere verfahrensmäßigen Probleme bei der Anpassung der Geldstrafe an die wirtschaftlichen Verhältnisse wurden stets gesehen87. Ihnen sollte So auch Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 6. Vgl. dazu die Zahlen bei Statistisches Bundesamt 2005, Fachserie 10, Reihe 3, S. 84 f. und 144 f. So entfielen 2005 auf 674 004 Verurteilungen nur 44 098 auf Freiheitsstrafe unter 6 Monate jedoch 54 389 auf Geldstrafen. 85 86

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zuletzt mit der Öffnung des Steuergeheimnisses zur Überwindung von Ermittlungsschwierigkeiten begegnet werden. Wie dargestellt, kam es nicht zu solch einer Öffnung. Insoweit kann die Umsetzung der Tagessatzgeldstrafe wohl als noch nicht abgeschlossen gelten.

6. Reformbestrebungen in neuerer Zeit In letzter Zeit gibt es verschiedene Bestrebungen, das Sanktionenrecht erneut zu modifizieren bzw. zu reformieren. Hierbei werden unterschiedliche Ansätze vertreten. Da das Angebot der Sanktionen im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität vielfach als zu beschränkt empfunden wird88, diskutiert man sowohl die Einführung zusätzlicher Sanktionen, wie z. B. von gemeinnütziger Arbeit oder Fahrverbot als Hauptstrafe, als auch die Modifizierung des geltenden Geldstrafenkonzepts. Die Reform des Sanktionenrechts ist ein weites Feld; an dieser Stelle soll jedoch – vorgegeben durch das Thema der Arbeit – der Fokus auf der Geldstrafe belassen werden. Der Wunsch nach einer Reform der Geldstrafenkonzeption ist motiviert durch das Bestreben, zusätzlich zu dem noch immer bestehenden Bemühen, die kurzen Freiheitsstrafen generell zu vermindern, auch die in den letzten Jahren ansteigenden Zahlen der Ersatzfreiheitsstrafenverbüßer zu senken89. Das Verbüßen von Ersatzfreiheitsstrafen belastet den Staatshaushalt in doppelter Weise, nämlich durch Ausfall der Geldstrafe und durch Kosten pro Hafttag. Diese Entwicklung ist zusätzlich gegenläufig zum Reformziel der Einführung der Geldstrafe, insofern nun wieder vermehrt kurze Freiheitsstrafen verbüßt werden, die ihrerseits die zu vermeidenden Negativfolgen entfalten können90. Der Abschlussbericht der Großen Strafrechtskommission zur Reform des Sanktionensystems von 2000 hat nach einem bereits in Gang gesetzten, nicht erfolgreichen Reformprozess versucht, die Richtung für die anzustrebenden Reformen zu weisen91. Für die Geldstrafe sah die Kommission die Einführung eines Geldstrafenersetzungsmodells vor, bei dem die Geldstrafe ganz oder zum Teil durch gemeinnützige Arbeit oder Wiedergutmachungsleistungen, nicht jedoch durch Therapiebesuche ersetzt werden können sollte92. Wobei Wiedergutmachungsleis87 Vgl. dazu auch Entwurf 1962, S. 169, in dem angenommen wurde, dass durch Ermittlungsschwierigkeiten stets nur annähernde Gerechtigkeit zu erreichen sei. 88 BMJ-Abschlussbericht, S. 12 nennt dies als Grund für die Einsetzung der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionenrechts. 89 Brigitte Zypries, StraFo 2004, 222. 90 Zu dieser Problematik siehe auch Hennig, BewHi 1999, 298 ff. 91 Zum detaillierten Ablauf dieser Reformbemühungen bis zum Jahre 2000, also bis zur Einsetzung der Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems siehe BMJAbschlussbericht, S. 12 ff. 92 Ausführlich zu diesem Ersetzungsmodell siehe BMJ-Abschlussbericht, S. 82 – 99.

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tungen nur dann in Frage kämen, wenn aufgrund der finanziellen Situation des Täters die Wiedergutmachung durch die zu verbüßende Geldstrafe gefährdet erschiene93. Während einer angemessenen Frist sollte die Geldstrafe nach diesem Modell nicht vollstreckt werden, um die Erbringung der Ersatzleistung im Sinne einer Bringschuld zu ermöglichen. Die Erbringung einer solchen Ersatzleistung sollte sowohl im Erkenntnisverfahren gestattet werden können als auch im Vollstreckungsverfahren, z. B. bei unverschuldeter Zahlungsunfähigkeit. Die ebenfalls diskutierte Änderung des Umrechnungsmaßstabes des § 43 Satz 2 StGB in einen von 2:1, dass also zwei Tagessätze einem Tag Freiheitsstrafe entsprächen, wurde abgelehnt. Dies wäre in dem Anliegen geschehen, dadurch die Ersatzfreiheitsstrafen zu verkürzen und damit insgesamt zu vermindern94. Auch die Umgestaltung der Verwarnung mit Strafvorbehalt in eine bewährungsähnliche Rechtsfigur für die Geldstrafe fand in dieser Kommission keine Zustimmung. Demgegenüber steht ein Referentenentwurf aus dem Jahre 200295, der die Umstellung des Umrechnungsmaßstabes vorsieht. Dabei sollte § 43 StGB in der Form geändert werden, dass gemäß § 43 Abs. 1 StGB E 2002 an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe pro Tagessatz mit Zustimmung des Verurteilten drei Stunden gemeinnützige Arbeit treten sollte96. Erst wenn diese Zustimmung nicht vorläge oder die Arbeit nicht erbracht würde, träte gemäß § 43 Abs. 2 StGB E 2002 an die Stelle von zwei Tagessätzen ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Des Weiteren sollte nach diesem Gesetzesentwurf ein § 40a StGB E 2002 eingefügt werden, der eine Zweckbestimmung enthielte und im Ergebnis ein Zehntel der Geldstrafe stets an eine gemeinnützige Organisation der Opferhilfe überführen würde97. Auch die Umgestaltung der Verwarnung mit Strafvorbehalt des § 59 StGB in eine der Bewährung ähnliche Form, also in eine Verurteilung mit Verhängungsvorbehalt, war vorgesehen. Dieser Entwurf aus dem Jahre 2002 wurde jedoch nicht Gesetz. Ein ähnlicher Referentenentwurf aus dem Jahre 200398 verfiel wegen Diskontinuität mit dem frühzeitigen Ende der 15. Wahlperiode im Jahre 2005. Dieser Referentenentwurf aus dem Jahre 2003 sieht in Modifizierung zu dem eben vorgestellten Referentenentwurf aus dem Jahre 2002 in § 40 a StGB vor, nur ein Zwanzigstel an die Opferhilfe abzuführen. Zudem sollte § 42 StGB dergestalt geändert werden, dass Zahlungserleichterungen insbesondere auch dann und schon im Urteil zu gewähren 93 Obwohl dies verfassungsrechtlich problematisch ist, da die Täter, die über genügend verfügbare Mittel verfügen, von dieser Ersetzungsmöglichkeit ausgeschlossen sind, befürwortet die Kommission dennoch diese Einschränkung. Zur verfassungsrechtlichen Problematik siehe BMJ-Abschlussbericht, S. 95 ff. 94 BMJ-Abschlussbericht, S. 60. 95 Einzusehen in BT-Drs. 14 / 9358. 96 BT-Drs. 14 / 9358, S. 3. 97 BT-Drs. 14 / 9358, S. 3. 98 Dieser ist einzusehen unter www.bmj.de / enid / 245130c09375fdad0f4b1d221e1eef98,0 / Nationales_Strafrecht / Reform_des_Sanktionenrechts_kp.ht ml.

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seien, wenn ansonsten das Wiedergutmachungsinteresse des Opfers durch die Erbringung der Geldstrafe gefährdet wäre. Heute (im Jahre 2007) liegt letzterer Entwurf noch immer auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz, und es bleibt abzuwarten, welche Form eine Sanktionenreform haben wird, so sie denn zustande kommt. Bis dahin soll an dieser Stelle nicht weiter auf die vorgeschlagenen Versionen eingegangen werden, da die Arbeit sich mit der theoretischen und praktischen Umsetzung des geltenden Tagessatzsystems auseinandersetzen will und der vorgestellte Referentenentwurf allenfalls Zukunftsmusik ist99. Es soll hier nur eines kurz angemerkt werden: Wenn es tatsächlich zu einer Umwandlung des Maßstabes Tagessatzgeldstrafe zu Freiheitsstrafe von 1:1 auf 2:1 kommen sollte, dann würden sich daraus auch Rückschlüsse auf die Auslegung des Nettoeinkommens in Richtung Einbußeprinzip ziehen lassen können100. So stellt Streng zum heutigen Tagessatzsystem fest, dass schon das Bemessen der Tagessatzhöhe anhand des täglichen Nettoeinkommens des zu Verurteilenden belege, dass der Tagessatz den ganzen Tag – hier als Arbeitstag – meine. Und insbesondere die 1:1 Regelung des § 43 StGB zur Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe bestätige diese Prämisse. Daraus ergibt sich, dass das Nettoeinkommen anders zu definieren sein könnte, wenn diese Prämisse verändert wird. Andererseits könnte diese Änderung aber auch nur dem Umstand Rechnung tragen, dass ein Tag Freiheitsstrafe in den Augen vieler schwerer wiegt als ein Tagessatz Geldstrafe. In jedem Fall käme es wohl zu einer Lockerung, wenn gar Entkopplung des Verhältnisses Freiheitsstrafe und Geldstrafe zueinander. Es gäbe dann kein einheitliches Strafzeitquantensystem zwischen Freiheitsstrafe und Geldstrafe mehr. Geldstrafen untereinander blieben dennoch miteinander vergleichbar und müssten daher opfergleich gestaltet werden.

II. Die Festlegung der Tagessatzhöhe nach § 40 Abs. 2 StGB 1. Das Verhältnis von Tagessatzanzahl und Tagessatzhöhe Motivation für die Einführung des Tagessatzsystems war also der Wunsch nach Vergleichbarkeit von einzelnen Geldstrafen untereinander, sowie der Ersatz und die Vergleichbarkeit von Freiheitsstrafe durch bzw. mit Geldstrafe sowie vorrangig 99 Ausführliche und kritische Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Stadien der Sanktionenreform finden sich bei folgenden Autoren: von Selle, JR 2002, 227 ff., der das Anliegen der Reform gutheißt, jedoch insbesondere im Bereich des neuen Umrechnungsmaßstabes Wertungswidersprüche kritisiert, Wolters, ZStW 114 (2002), 63 ff., der die Reform als kleinen Schritt in die richtige Richtung bezeichnet, König, DRiZ 2003, 267 ff., welcher einen Einsturz des Sanktionengebäudes befürchtet und dem Gesetzgebungsprozess mit Sorge entgegenblickt sowie Brigitte Zypries, StraFo 2004, 222, die als damalige Bundesministerin der Justiz den Referentenentwurf von 2003 in Grundzügen vorstellt und natürlich verteidigt. 100 Streng, ZStW 111 (1999), 840.

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A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie

die opfergleiche Anpassung der Geldstrafe an den jeweiligen Täter. Zudem sollte die entsozialisierende Wirkung der Freiheitsstrafe der Geldstrafe nicht innewohnen. Daher wird die Tagessatzgeldstrafe gemäß § 40 StGB grundsätzlich in drei Schritten festgelegt: Im ersten Schritt gewährleistet das Zeitquantum Tagessatz die geforderte Vergleichbarkeit. Im zweiten Schritt wird über die individuelle Bestimmung der Höhe des Tagessatzes die opfergleiche Anpassung sichergestellt. Ein dritter Schritt ist in der Gewährung von Zahlungserleichterungen gemäß § 42 StGB zu sehen101. Dieser dritte Schritt kann dem Reformziel der Vermeidung von entsozialisierender Wirkung zugeordnet werden. Die ersten zwei Phasen, die in funktioneller Abhängigkeit stehen, weil sie beide der Festlegung der Geldstrafe als Strafe im Einzelfall dienen, sind strikt voneinander zu trennen, da ansonsten das Reformziel der Vergleichbarkeit und der sozialeren und opfergleichen Geldstrafenanpassung verfehlt würde102. Aufgrund dieser Trennung sind die gerichtlichen Feststellungen zur Tagessatzanzahl und Tagessatzhöhe auch separat durch die Revision überprüfbar103. Die Notwendigkeit der strikten Trennung ergibt sich daraus, dass in Gleichsetzung mit der Verhängung der Freiheitsstrafe als Hauptstrafe bei der Verhängung der Geldstrafe in Zeitquanten bei dieser Zeitquantenbestimmung auch alle strafzumessungsrechtlichen Aspekte eine Rolle spielen dürfen und müssen wie bei der Festlegung der Dauer einer Freiheitsstrafe. Geldstrafen untereinander sind über die Tagessatzanzahl nur dann miteinander vergleichbar, wenn alle möglichen Strafzumessungsaspekte des § 46 StGB, und dies sind auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, bei ihrer Festlegung eine Rolle spielen. Ebenso wie das Zeitquantum Freiheitsstrafe muss die Tagessatzanzahl grundsätzlich nach allgemeinen Strafzumessungsregeln104 unter Maßgabe des § 46 StGB ermittelt werden105. Insofern bemisst sich die Tagessatzanzahl ebenso wie die Dauer der Freiheitsstrafe nach der Schuld des Täters und dem Unrecht der Tat sowie den übrigen in § 46 StGB genannten Strafzumessungskriterien. In dieser Strafzumessungsphase können auch general-106 und spezialpräventive Aspekte eine Rolle spielen107. 101 Zu der Aufteilung in drei Schritte siehe LK-Häger, Vor § 40 bis 43 Rn. 50 ff., Fischer, § 40 Rn. 4, Krehl, Ermittlung, S. 35, Frank, JA 1976, 240, Schaeffer, Bemessung, S. 55 und Grebing, Geldstrafe, S. 127. 102 Für eine strikte Trennung der einzelnen Schritte zur Erreichung des Reformziels auch Frank, Höhe, S. 42 ff., ders. JA 1976, 236 ff., Grebing, Geldstrafe, S. 88, LK-Häger, Vor § 40 bis 43 Rn. 50 sowie Schaeffer, Bemessung, S. 57. 103 Vgl. dazu BGHSt 27, 70, 72, Dahs / Dahs, Revision, Rn. 78 und Sarstedt / Hamm, Revision, Rn. 156. 104 Eine ausführliche Darstellung zum Strafzumessungsrecht, auch zu den Strafzwecktheorien findet sich bei Bruns, Strafzumessungsrecht. Zu den allgemeinen Strafzumessungsregeln siehe Lackner § 46 Rn. 32 – 49; Fischer, § 40 Rn. 5. 105 Frank, JA 1976, 238, LK-Häger, § 40 Rn. 2, Lackner, § 40 Rn. 5, SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 4, Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 4, Kindhäuser, LPK-StGB, § 40 Rn. 5, BGHSt 27, 70, (72), OLG Koblenz NJW 1976, 1276 und Jescheck / Weigend, Lehrbuch, S. 770. 106 Hierzu soll angemerkt sein, dass es im Strafzumessungsrecht durchaus nicht unumstritten ist, ob generalpräventive Aspekte überhaupt Einfluss auf die Strafhöhe haben sollen. Dies

II. Die Festlegung der Tagessatzhöhe nach § 40 Abs. 2 StGB

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Zusätzlich und abgetrennt davon findet die Festlegung der Schwere eines einzelnen Zeitquantums, die Bestimmung der Tagessatzhöhe, statt. Während bei der Freiheitsstrafe ein Hafttag verhängt wird, wird bei der Geldstrafe ein Tag Nettoeinkommen verhängt. Da das Nettoeinkommen anders als der Hafttag beim Täter variiert, bedarf es im Gegensatz zur Freiheitsstrafenverhängung noch der individuellen Anpassung des Zeitquantums in seiner Härte. Die Tagessatzhöhenbestimmung ist damit reine Strafanpassung108, sie dient nur der Schaffung von Opfergleichheit. Letzteres ergibt sich auch aus der Historie der Geldstrafe. Die Bestimmung der Höhe des Tagessatzes der Geldstrafe ist von Strafzumessungsgesichtspunkten freizuhalten, sie ist keine Strafzumessung109. Bei der Festlegung der Tagessatzanzahl sollte zudem berücksichtigt werden, dass hinter jedem Tagessatz Geldstrafe gemäß § 43 StGB ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe steht110. Auch aus diesem Verhältnis von Freiheitsstrafe zu einem Tagessatz Geldstrafe ergibt sich, dass bei der Bestimmung der Tagessatzanzahl keine anderen Maßstäbe gelten können als bei Bestimmung der Dauer einer Freiheitsstrafe. Zum Teil wird dies jedoch auch anders gesehen. Es gibt Stimmen, nach denen dieser Gesichtspunkt der Ineinssetzung über § 43 StGB keinen Einfluss auf die Anzahl der Tagessätze haben soll. Geldstrafe und kurzfristige Freiheitsstrafe seien eben nicht miteinander vergleichbar, weil wegen des Vorrangs der Geldstrafe in diesem Bereich selbige gerade ein aliud zur Freiheitsstrafe sei111. Dieses Argument beseitigt jedoch nicht die Notwendigkeit bei der Tagessatzanzahlbestimmung alle Aspekte der Strafzumessung des § 46 StGB zu berücksichtigen. Denn selbst wenn dieser Maßstab von 1:1 durch eine Reform des Sanktionenrechts verändert werden sollte, so entfällt zwar ein Grund für die Trennung der Phasen, bestehen bleibt aber der vorgenannte im System der Tagessatzgeldstrafe begründete Grund der Vergleichbarkeit aller Geldstrafen untereinander über die Anzahl der verhängten Tagessätze. Für die genannte Vergleichbarkeit braucht man die vollständige Berücksichtigung aller Strafzumessungskriterien des § 46 StGB bei der Tagessatzanzahl und zudem eine von diesen Strafzumessungsgesichtspunkten befreite Festlegung der Tagessatzhöhe. Für die Vergleichbarkeit von verschiedenen Geldstrafen unterschiedlicher Täter und die Anpassung der Geldstrafe an die jeweiligen wirtschaftsoll hier nicht weiter vertieft werden. Siehe dazu im Detail Lackner, § 46 Rn. 28 – 30 und Klussmann, NJW 1974, 1275. 107 So auch Zipf, JuS 1974, 139, ders., ZStW 77 (1965), 528 und Sch / Sch / Stree § 40 Rn. 4. 108 Auch Zipf, JuS 1974, 139 und ders., ZStW 77 (1965), 529 spricht von dem „Strafanpassungsvorgang“. 109 Neben in voriger Fußnote genanntem auch zustimmend Schaeffer, Bemessung, S. 46 und Schröter, NJW 1978, 1302, nach dem die Zahl der Tagessätze -zustimmungswürdiger Weise- die Geldstrafe verkörpert. 110 So auch Fischer, § 40 Rn. 5, der davon ausgeht, dass bei der Festlegung der Tagessatzanzahl auf die Schuldangemessenheit der möglicherweise zu vollstreckenden Ersatzfreiheitsstrafe abzustellen sei, ebenso Horn, NJW 1974, 625, ähnlich Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 4. 111 Vgl. dazu Tröndle, 49. Aufl., § 40 Rn. 5, LK-Häger, § 40 Rn. 8 ff., MüKo-Radtke, § 40 Rn. 31 f. und Krehl, Bemessung, S. 35.

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A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie

lichen Verhältnisse ist eine Trennung der Phasen systemnotwendig und strikt erforderlich112. Gibt man diese Trennung auf bzw. erweicht man ihre Grenzen, so verliert das Tagessatzsystem seinen Sinn und seine Berechtigung. Zum Teil wird jedoch vertreten, dass § 40 Abs. 2 StGB mit der Erwähnung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Ausnahme zu § 46 StGB formuliere. Die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Täters seien nur dann auch bei der Tagessatzzahlbestimmung zu berücksichtigen, sofern dies für die Beurteilung der Schuld und des Unrechtsgehalt der Tat eine Rolle spiele. In Bezug auf general- oder spezialpräventive Aspekte käme eine Berücksichtigung im Rahmen der Festlegung der Tagessatzanzahl jedoch nicht in Betracht, sondern aufgrund der gesonderten Nennung in § 40 Abs. 2 StGB ausschließlich bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe113. Der Bundesgerichtshof114 geht sogar noch weiter, wenn er feststellt, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse über § 46 StGB weder bei der Entscheidung, ob eine Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zu verhängen sei, noch bei der Anzahl der Tagessätze eine Rolle spielen dürften. Dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb des Indikators für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, also im Nettoeinkommen erneut im Rahmen der Tagessatzhöhenbestimmung von Bedeutung sein können115, spricht aber nicht gegen eine Berücksichtigung im Rahmen der Anwendung des § 46 StGB bei der Tagessatzanzahlbestimmung. Die vorgenannte Meinung missachtet, dass es zu einer unzulässigen Vermischung der ersten zwei zu trennenden Phasen der Geldstrafenverhängung kommt, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Festlegung der Tagessatzanzahl ausgespart werden. Durch diese Aussparung erhält man im Ergebnis weder durch die Anzahl der Tagessätze ein mit anderen Geldstrafen vergleichbares Zeitquantum, welches auch der Vergleichbarkeit von Freiheitsstrafe und Geldstrafe dienen kann, noch erhält man mit der Tagessatzhöhe eine ausschließlich an die wirtschaftliche Belastbarkeit opfergleich angepasste Strafhärtenanpassung. Genau diese Nichtberücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Festsetzung der Tagessatzanzahl im Vorfeld führt im Ergebnis zu den systemwidrigen Korrekturen, die häufig im Zusammenhang mit hoher Tagessatzanzahl beschrieben werden. Bei diesen Korrekturen wird in Betrachtung der Geldstrafengesamtsumme bei hoher Tagessatzanzahl die Senkung der Tagessatzhöhe vorgenommen anstelle richtigerweise die Tagessatzanzahl zu reduzieren116. Diese nachträglichen Anpassungen der Tagessatzhöhe bei So auch BGH, NStZ 1993, 34. LK-Häger, § 40 Rn. 5 ff., Fischer, § 40 Rn. 4 f., SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 4, ders., JR 1977, 96 ff. und Klussmann, NJW 1974, 1275; differenzierend Grebing ZStW 88 (1976), 1058 ff. und 1092. 114 BGHSt 26, 325 (327). 115 Zur Bedeutung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen der Tagessatzhöhenbestimmung und zu ihrem Verhältnis zum Nettoeinkommen des § 40 Abs. 2 StGB siehe unten A.II.2.b). 116 Zu diesem Vorgehen siehe LK-Häger, § 40 Rn. 60 m. w. N. in Fn. 178 f. 112 113

II. Die Festlegung der Tagessatzhöhe nach § 40 Abs. 2 StGB

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hoher Tagessatzanzahl sind nicht vertretbar. Dass eine hohe Tagessatzanzahl desozialisierend in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wirken könnte, ist bereits bei der Tagessatzanzahlbestimmung als dem Strafzumessungsakt zu berücksichtigen. So ist einer absoluten finanziellen Überforderung durch Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse über § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB unter Verhängung einer entsprechend niedrigeren Tagessatzanzahl entgegenzuwirken. Im Übrigen kann einer finanziellen Überforderung bei an Schuld und Unrecht angepasster Tagessatzanzahl stets mit Zahlungserleichterungen (dem dritten Schritt der Tagessatzgeldstrafe) gemäß § 42 StGB oder § 459a StPO begegnet werden. Spart man die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig bei der Tagessatzanzahl als Gesichtspunkt aus, so wird die Festlegung der Tagessatzanzahl im strafzumessungsrechtlichen Sinne verzerrt. Aufgrund dieses Gebots zur strikten Trennung darf es auch nicht zu solcherart Deals kommen, dass von einer bestimmten Geldstrafensumme, die sich aus Tagessatzanzahl multipliziert mit der korrekt festgelegten Tagessatzhöhe ergibt, ausgegangen, die Tagessatzanzahl erniedrigt und die Tagesatzhöhe bis zur Erreichung der Ursprungssumme erhöht wird, um in den Bereich bis zu 150 Tagessätzen zu kommen, in dem der Täter nicht als vorbestraft gilt117. Da sich die vorliegende Arbeit vornehmlich mit der Höhe der Tagessätze und deren Bestimmung beschäftigt, wird an dieser Stelle nicht weiter auf die angemessene Strafzumessung der Tagessatzanzahl, den eigentlichen Strafzumessungsakt der Geldstrafe, eingegangen. Vielmehr wird das Augenmerk auf § 40 Abs. 2 StGB gerichtet, welcher die entscheidende Norm für die Tagessatzhöhenbestimmung darstellt. Für das Verhältnis von Tagessatzanzahl und Tagessatzhöhe lässt sich abschließend festhalten, dass sich die Strafzumessung in der Festlegung der Tagessatzanzahl erschöpft, während die Bestimmung der Tagessatzhöhe reine Strafanpassung oder formale Berechnung ist. Der Tagessatz Geldstrafe an sich (also ohne Höhe) wird damit ebenso wie ein Tag Freiheitsstrafe zur absoluten Strafgröße118. Die angestrebte Opfergleichheit und Vergleichbarkeit zweier Tagessatzgeldstrafen lässt sich nur bei strikter Trennung der zwei Phasen realisieren. Dieses Erfordernis der Vergleichbarkeit der Geldstrafen untereinander wird zusätzlich durch die historische Funktion der Geldstrafe als Ersatz für die Freiheitsstrafe und durch ihre Verknüpfung mit der Freiheitsstrafe über die Ersatzfreiheitsstrafe untermauert.

117 So berichtet von einem befreundeten Rechtsanwalt, der sagte, solche Deals seien insbesondere bei Besserverdienenden sehr beliebt. LK-Häger, Vor § 40 bis 43 Rn. 52 bezeichnet das Splitting einer zuvor festgelegten Geldstrafensumme in Tagessatzanzahl und -höhe als Totgeburt der Geldstrafenreform. 118 Ausführlich zum Ganzen und zustimmend Bems, Geldstrafe, S. 138 ff.

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A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie

2. Die Tagessatzhöhe nach dem Nettoprinzip § 40 Abs. 2 StGB schreibt für die nähere Bestimmung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters vor, es sei in der Regel von dem Nettoeinkommen, das dieser an einem Tag hat oder haben könnte, auszugehen. Im Gegensatz zum zuvor in Erwägung gezogenen Einbußeprinzip wurde das Nettoeinkommensprinzip eingeführt, weil man wollte, dass bei einer Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat auch weiterhin (wie sich auch schon vor der Reform eingebürgert hatte) ein Nettoeinkommen verhängt werden könne, um so ein Absinken des Geldstrafenniveaus zu verhindern119. Damit wurde ein Tagessatz mit einem Dreißigstel des Nettoeinkommens gleichgesetzt. Der Tagessatz beim Nettoeinkommensprinzip sollte in der Regel der Betrag sein, der sich ergibt, wenn man das Monatsnettoeinkommen auf den einzelnen Tag herunter bricht. Das Nettoeinkommensprinzip ist damit der Gegenläufer zum Einbußeprinzip, aus dieser Funktion können Schlüsse für das Nettoeinkommensprinzip nach § 40 Abs. 2 StGB gezogen werden. Eine Berücksichtigung von uneinbüßbaren Beträgen, also Lebenshaltungskosten, sollte gerade und im Gegensatz zum Einbußeprinzip nicht stattfinden. Das Nettoeinkommen ist einstufig gegenüber dem zweistufigen Einbußebetrag zu berechnen. Aus dem konzeptionellen Gegensatz zum Einbußeprinzip ergibt sich für das Nettoeinkommensprinzip, dass das Nettoeinkommen für einen Tag festgestellt wird, welches dann ohne weitere Abzüge den für den Tagessatz festzulegenden Betrag darstellt. Im Gegensatz zum Einbußeprinzip muss hier in der Theorie die zweite Stufe, nämlich Abzug von persönlichen Belastungen durch die jeweilige Lebenshaltung und -führung fehlen. Die Feststellung des Nettoeinkommens sollte genügen120. Bei der Bildung des Nettoeinkommens darf es auch nicht, sozusagen versteckt, zu dieser zweiten Stufe, nämlich Abzug von Lebenshaltungs- und Lebensführungskosten kommen. Unter diesen Prämissen und ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift, die nicht das Nettoeinkommen als alleinigen Faktor nennt, ergeben sich in Bezug auf § 40 Abs. 2 StGB zwei (zu klärende) Streitpunkte. Zunächst bedarf es einer Bestimmung von Inhalt und Umfang des Nettoeinkommens als Wert. Zudem muss das Verhältnis von Nettoeinkommen pro Tag zu dem einzelnen Tagessatz geklärt werden. Letzteres betrifft die Auslegung der Begriffe „persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse“ und „in der Regel“ und deren Verhältnis zueinander.

119 120

Vgl. dazu BT-Drs. 7 / 1261, S. 5. So auch Bruns, Recht, S. 75.

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a) Die Auslegung des Nettoeinkommens im strafzumessungsrechtlichen Sinn aa) Das Nettoeinkommen in den strafrechtlichen Kommentierungen zu § 40 StGB In den Kommentaren zum Strafgesetzbuch finden sich, sieht man von Nuancen ab, zumeist sehr ähnliche Bestimmungen des Nettoeinkommensbegriffes als Faktor. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie nicht durch die zum Teil sehr unterschiedliche Bewertung der Stellung, die das Nettoeinkommen im Geldstrafensystem einnehmen solle, nicht zu sehr verschiedenen Ergebnissen kämen, was im Ergebnis die zu bildende Tagessatzhöhe anbetrifft. Alle Kommentierungen sind dabei stark von der Über- bzw. Zuhilfenahme von steuerrechtlichen Begriffen und auch Zusammenhängen geprägt. Gleichzeitig findet jedoch auch eine Distanzierung vom Steuerrecht statt, indem stets betont wird, dass das Nettoeinkommen ein strafzumessungsrechtliches bzw. strafrechtliches sei und eben kein steuerrechtliches121. Eine unreflektierte Übernahme der steuerrechtlichen Inhalte käme nicht in Betracht. Im Detail kommentieren Fischer, Häger, Horn, Lackner / Kühl und Stree das Nettoeinkommen des § 40 StGB zunächst folgendermaßen122: Es solle gebildet werden aus der Summe der Einkünfte, die der Täter aus selbstständiger und nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit123, aus Kapitalvermögen124, Vermietung, Verpachtung, Kindergeld, laufenden Renten-, Versorgungs- und Unterhaltsbezügen, Arbeitslosenunterstützung (Arbeitslosengeld I und II), Sozialhilfe125, Studienförderung und Gefangenenentlohnung126 hat. Hinzuzuzählen seien auch unbare Vor121 So Lackner / Kühl, § 40 Rn. 7 mit Verweis auf die h. M., Fischer, § 40 Rn. 7 und LKHäger, § 40 Rn. 26. 122 Die angesprochenen Kommentierungen findet sich im Detail und m. w. N. bei Fischer, § 40 Rn. 7, LK-Häger, § 40 Rn. 26 ff., SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 8 f., Lackner / Kühl, § 40 Rn. 7 und Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 9. 123 Lackner / Kühl, § 40 Rn. 7 spricht von allen Einkunftsarten. 124 Lackner / Kühl, § 40 Rn. 7 will auch Einkünfte aus auf andere Personen überschriebenen Vermögenswerten zum Einkommen des Täters zählen, sofern der Täter dadurch unbare Vorteile, wie z. B. Minderung seiner Unterhaltspflichten, erhält oder ihm die Einkünfte sonst wie zur Verfügung stehen. Dagegen jedoch LK-Häger, § 40 Rn. 28. 125 LK-Häger, § 40 Rn. 37 f. will hierbei mit Verweis auf die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte nur die Differenz zwischen unerlässlichem Lebensbedarf und dem Täter persönlich zustehenden Sozialhilfeanspruch als Geldstrafe festsetzen. Es müsse berücksichtigt werden, dass es bei am Existenzminimum Lebenden zu einer progressiven Härtesteigerung der Geldstrafe käme, deshalb sei insbesondere auch bei Tagessätzen über 30 Tagen nochmals eine Minderung der Tagessatzhöhe in Betracht zu ziehen. Damit vertritt m. E. Häger für Sozialhilfeempfänger im Ergebnis das Einbußeprinzip. Des Weiteren solle nach Häger der Sozialhilfesatz auch bei solchen Tätern angesetzt werden, die sozialhilfeberechtigt sind, diese aber nicht in Anspruch nehmen. Es sei denn, sie hätten sich aus „Sozialstolz“ dagegen entschieden. 126 Bis hierhin wohl insgesamt auch Kindhäuser, SBK-StGB, § 40 Rn. 8, der für die Umfangsbeschreibung des Einkommens die Kommentierungen von Fischer, Horn und Lackner,

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A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie

teile, wie der Mietwert einer selbst genutzten Wohnung und wie Naturalbezüge, so z. B. freie Kost und Logis. Zusätzlich und abweichend von den anderen erwähnen Stree und Häger auch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft. Mit dieser Aufzählung wird auf die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG Bezug genommen, wobei nicht ersichtlich ist, warum nur Stree und Häger diese in ihrer Gesamtheit nennen. Es muss vermutet werden, dass die Nichterwähnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft als Bestandteil des Nettoeinkommens bei Lackner / Kühl, Horn und Fischer darauf zurückzuführen ist, dass diese in einer nicht steuerrechtlichen Betrachtung davon ausgegangen sind, dass solche Einkünfte unter die aus selbstständiger Arbeit zu fassen sind, wie es der Bedeutung von „selbständiger Arbeit“ im allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Es könnte auch sein, dass bei diesen beiden Kategorien fälschlicherweise davon ausgegangen wurde, dass es sich um nicht personengebunden zu versteuernde Einkünfte handelt. Im Ergebnis ist nicht ersichtlich, warum gerade diese Posten nicht Einkunft im Sinne des Nettoeinkommens sein sollten. Des Weiteren beinhaltet diese Aufzählung nicht nur die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG sondern auch eine unvollständige Erwähnung von Unterposten dieser Einkunftsarten. Dies ist wohl auf die Verwertung von Gerichts-, also Einzelfallentscheidungen zurückzuführen, entbehrt jedoch jeglicher Dogmatik und wäre ohne die Distanzierung vom Steuerrecht auch unnötig, da diese Unterposten von den sieben Einkunftsarten gerade erfasst sind. Eine Sonderstellung nimmt insofern der Mietwert eines selbst genutzten Eigenheims ein. Es handelt sich bei seiner Berücksichtigung ebenfalls um eine Bezugnahme auf eine zu versteuernde Einkunftsart, allerdings auf eine verfassungswidrige. Der Grund dafür, dass der Mietwert des selbst genutzten Eigenheims noch als zum Nettoeinkommen gehörig durch die Kommentare geistert, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass die §§ 21 Abs. 2 Satz 1, 21a EStG a. F.127 den Nutzungswert der selbst genutzten Wohnung im eigenen Haus im Rahmen der Einkommensteuer versteuerten und sich die Kommentatoren diese steuerliche Wertung zu Eigen machten. Durch die §§ 20 Abs. 2 Satz1, 21 a EStG a. F. wurde eine systemwidrige Einkunftsart als Sollertragssteuer der Steuerrechtsordnung gegenläufig versteuert128. Diese Nutzungswertbesteuerung war gemäß § 52 Abs. 21EStG a. F.129 grundsätzlich letztmals im Veranlagungszeitraum 1986 durchzuführen, bis 1998 galt eine Übergangsregelung. Die Streichung erfolgte, um Verzerrungen bei der Besteuerung des Wohneigentums zu vermeiden und insbesondere den privaten Bereich des (alle mit in Fn. 122 angegebenen Ort) zitiert, ohne selbst in aller Ausführlichkeit die einzelnen Positionen aufzuzählen. 127 In der Fassung des EStG vom 15. 05. 1986, BGBl. I 1986, S. 730 ff. 128 Vgl. dazu Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 202. 129 Siehe Fn. 127.

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Wohnens nicht unnötig mit Steuern zu belegen. Der Staat wollte sich aus der Privatsphäre des Bürgers zurückziehen130. Seit 2002 sind die Regelungen wegen Zeitablauf aus dem Gesetz gestrichen131. Diese Abschaffung der Regelung haben die Kommentatoren indessen nicht nachvollzogen. Sie scheint ihnen vollends entgangen zu sein. Des Weiteren wird kommentiert, Gewinne und Verluste aus der einen und einer anderen Einkunftsart sollten saldiert werden132. Die reine Vermögensveränderung bei Erbschaften, Schenkungen und bei Lottogewinnen solle nicht berücksichtigt werden133. Von der unter diesen Vorgaben zu bildenden Summe seien wiederum die laufenden Steuern abzuziehen. Des Weiteren sollten bei unselbstständig Beschäftigten die Sozialversicherungsbeiträge und Werbungskosten, bei Selbstständigen die Versicherungsleistungen, die denen der Nichtselbstständigen vergleichbar sind, die Betriebsausgaben und die Verluste abgezogen werden134. Z. T. wird auch ein Abzug von Werbungskosten bei Selbstständigen vertreten135. Auch diese Abzugsposten sind stark von steuerrechtlichen Termini geprägt. Dabei ist die m. E. sinnvolle Saldierung von Gewinnen und Verlusten der einen und der anderen Einkunftsart wohl mit dem steuerrechtlichen Verlustausgleich gleichzusetzen. Horizontaler Verlustausgleich im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) liegt vor, wenn positive und negative Einkünfte eines Veranlagungszeitraumes innerhalb einer Einkunftsart saldiert werden, während man von vertikalem Verlustausgleich spricht, wenn ebenfalls periodenintern die positiven und negaVgl. dazu BT-Drs. 10 / 5208, S. 1 und 31. Dies geschah im Rahmen des Steuerbereinigungsgesetzes 1999, vgl. BGBl. I 1999 S. 2603 zur Begründung BT-Drs. 14 / 1514, S. 30. 132 Zur Saldierung von Gewinnen und Verlusten findet sich bei SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 8 f. explizit kein Hinweis, dies mag jedoch daraus resultieren, dass er die sich bei Selbstständigen ergebenden Unterschiede nicht explizit behandelt, so z. B. auch nicht bei den Sozialausgaben. 133 Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 9, Fischer, § 40 Rn. 7, Lackner / Kühl, § 40 Rn. 7 der die Lottogewinne nicht explizit erwähnt, jedoch an die beiden Begriffe ein etc. anfügt. Kindhäuser, SBK-StGB, § 40 Rn. 8 schließt sich insofern an, dass er Schenkungen als Beispiel eines nicht zu berücksichtigenden Postens mit der Begründung nennt, dass das Einkommen eine gewisse Regelmäßigkeit voraussetze. SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 8 f. und LK-Häger, § 40 Rn. 26 ff. erwähnen diese Kategorie der einmaligen Vermögenszuwächse nicht, sehen sie damit nicht als vom Nettoeinkommen umfasst. 134 Bei SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 8 f. findet sich kein Hinweis auf den Abzug von Werbungskosten, Betriebsausgaben oder den bei Selbstständigen anfallenden, den Sozialausgaben der Nichtselbstständigen ähnlichen Versicherungsleistungen; auch Verluste werden nicht erwähnt. Es ist also insgesamt auffällig, dass er die Selbstständigen vollends außer Betracht lässt. 135 So LK-Häger, § 40 Rn. 27, Lackner / Kühl, § 40 Rn. 7 und Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 9, wobei sich letzterer auf ein Urteil des OLG Celle, NStE, § 40 Nr. 12 bezieht, in welchem klargestellt wurde, dass Werbungskosten bei den unselbstständig Beschäftigten ebenso abzuziehen seien, wie dies auch im Rahmen der für das Nettoeinkommen des § 40 Abs. 2 StGB erheblichen Gewinnberechnung bei Selbstständigen mit Verweis auf die h. M. der Fall sei. 130 131

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tiven Einkünfte verschiedener Einkunftsarten miteinander verrechnet werden136. Beim Namen genannt wird der Verlustausgleich indessen nicht. Dies ist besonders fatal, da bei Selbständigen nochmals Verluste als Abzugsposten aufgeführt werden. Damit wiederum könnte der steuerrechtliche Verlustabzug137 gemeint sein. Beim Verlustabzug können ausgehend vom ursprünglichen „Gesamtbetrag der Einkünfte“ eines Veranlagungszeitraumes als Rechenstufe des „zu versteuernden Einkommens“ im Sinne des EStG die Verluste, die im Rahmen des (periodeninternen) Verlustausgleichs keine Berücksichtigung finden konnten, weil keine entsprechenden positiven Einkünfte zur Verrechnung zur Verfügung standen, unter Änderung des Vorveranlagungsbescheides auf den Vorveranlagungszeitraum, das erste Vorjahr zurückgetragen (sogenannter Verlustrücktrag) oder auf folgende Veranlagungszeiträume vorgetragen werden (sogenannter Verlustvortrag). Durch den Abzug des Verlustrücktragebetrages von dem „Gesamtbetrag der Einkünfte“ des Vorjahres kommt es im Ergebnis zu einer nachträglichen wertmäßigen Verringerung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer und damit zu einer nachträglichen Reduzierung der Steuerlast für das entsprechende Vorjahr im Rahmen des Verlustrücktrages. Während dieser Verlustrücktrag auf 511 500 Euro für Einzelveranlagte bzw. 1 023 000 Euro für Ehegatten begrenzt ist, können darüber hinausgehende nicht ausgleichsfähige Verluste im Rahmen des Verlustvortrages ohne Mindestbesteuerung im jeweils folgenden Veranlagungszeitraum bis zu einem „Gesamtbetrag der Einkünfte“ von 1 000 000 Euro (Ehegatten 2 000 000 Euro) unbeschränkt verrechnet werden. Darüber noch hinausgehende Verluste können im Rahmen des Verlustvortrages nur mit 60 % des „Gesamtbetrages der Einkünfte“ der jeweiligen Periode verrechnet werden. Die restlichen 40 % der nichtverrechenbaren positiven Einkünfte unterliegen damit einer Mindestbesteuerung138. Die Bezeichnung in den Kommentaren als „Verlust“ in beiden Fällen ist mindestens irreführend und rührt wahrscheinlich daher, dass die verschiedenen Formen der Verlustberücksichtigung im Steuerrecht nicht hinreichend bekannt sind, bzw. in ihrem Sinngehalt nicht erfasst wurden. Nimmt man an, dass der Abzug von Verlusten bei Selbständigen der steuerliche Verlustabzug ist, dann ist dies auch inhaltlich bedenklich, da es im Rahmen dieser Verlustberücksichtigung zur periodenübergreifenden Verrechnung von Verlusten sowohl in vorangegangenen Perioden als auch in nachfolgenden kommt. Ist dieser Verlustabzug nicht gemeint, so kommt es im Ergebnis zu einer gedoppelten Berücksichtigung von Verlusten, die so auch nicht gewollt sein kann. Dies entbehrt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, der sich auch die Kommentatoren expressis verbis verschrieben ha136 Zum steuerrechtlichen Verlustausgleich siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 61 und 65. 137 Zum steuerrechtlichen Verlustabzug siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 62 ff. 138 Zur Mindestbesteuerung im Rahmen des § 10d EStG siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 66 m. w. N. in Fn. 46. Ein Überblick mit Beispielsrechnungen findet sich auch bei Herzig / Wagner, WPg 2004, 53 ff. Zur Verfassungswidrigkeit der Mindestbesteuerung siehe Lang / Englisch, StuW 2005, 3 ff.

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ben139. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist eine besondere, aber nicht nur dem Steuerrecht innewohnende, teleologische Auslegungsmethode des Rechts, nach der die tatsächlichen wirtschaftlichen Zusammenhänge bei der Auslegung eines Begriffes eine Rolle spielen sollen, um nicht wirklichkeits- bzw. wirtschaftsfremd zu sein140. Auch der Abzug von Werbungskosten bei Selbständigen, den man unter Verwendung der steuerrechtlichen Termini proklamiert, den es so im Steuerrecht aber zumindest generell nicht gibt, ist mit dieser Auslegungsmethode nicht in Einklang zu bringen. Denn im Rahmen einer Gewinnermittlung, welche die grundsätzliche Form der Einkünfteermittlung derjenigen ist, die man im allgemeinen Sprachgebrauch als „Selbständige“ bezeichnet, werden nur Betriebsausgaben abgezogen, keine Werbungskosten. Ein Abzug von Unterhaltsverpflichtungen wird in den Kommentaren zum Teil im Rahmen der Einkommensberechnung befürwortet141, zum Teil sollen diese im Rahmen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden142. Die jeweilige Verortung des Abzuges ist dabei auch davon abhängig, wie der einzelne Autor die Bedeutung des Nettoeinkommens für die Tagessatzhöhe einschätzt. Diejenigen, die das Nettoeinkommen als bloßen Anhaltspunkt sehen, haben keine Schwierigkeiten, die Unterhaltsverpflichtungen im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Diejenigen, die in der Regel vom Nettoeinkommen als Bemessungsgrundlage ausgehen, müssen Unterhaltsverpflichtungen entweder über die Regelausnahme oder bereits als Größe, welche das Nettoeinkommen selbst beeinflusst, berücksichtigen. Über eine grundsätzliche Berücksichtigung ist man sich jedoch weitgehend, und zu Recht, einig143. Der Umfang der abzuziehenden Unterhaltsverpflichtungen solle sich entweder nach der rechtlichen Verpflichtung144 oder der tatsächlichen Leistung145 durch den Täter bemessen. Insbesondere umstritten ist die Frage, in welcher Höhe Unterhaltsverpflichtungen für Ehegatten festzusetzen seien146 und ob dieser Betrag sozusagen im Umkehrschluss auch das Einkommen darstelle, welches für einen erwerbslosen Ehegatten anzurechnen sei, oder ob dieses wieder auf anderem Wege berechnet werden solle. Häger, Lackner / Kühl und Stree gehen als Vertreter der wohl herrschenden Meinung davon aus, dass tatsächliche, konkrete Werte für vom Täter geleistete UnterVgl. z. B. LK–Häger, § 40 Rn. 26 sowie Fischer, § 40 Rn. 7. Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise als Auslegungsform siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 5 Rz. 77 ff. 141 So Kindhäuser, SBK-StGB, § 40 Rn. 9 und Fischer, § 40 Rn. 6 und 14. 142 So Lackner, § 40 Rn. 10, LK-Häger, § 40 Rn. 53, Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 9 und 14 und SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 7. 143 Siehe die Nachweise in Fn. 141 und 142 sowie außerhalb der Kommentare NStE, Nr. 9 zu § 40 und Meyer, MDR 1981, 277. 144 SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 8. 145 LK-Häger, § 40 Rn. 54, Lackner / Kühl, § 40 Rn. 10 und Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 14. 146 Sehr ausführlich zum Streitstand m. w. N. LK-Häger, § 40 Rn. 54 ff. 139 140

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haltsleistungen denjenigen aus Regeltabellen vorgingen. Sei die tatsächliche Summe bekannt, werde diese als Abzug beim Täter berücksichtigt, sei sie nicht bekannt (und sei es so, weil es unverhältnismäßig sei, sie zu ermitteln), so sei je nach Personengruppe von den entsprechenden Vorschriften oder Regeltabellen auszugehen147. Dies gelte sozusagen im Umkehrschluss auch im Rahmen der sogenannten Hausfrauenproblematik. Für den erwerbslosen Ehepartner sei auf den tatsächlich zufließenden oder zustehenden (Natural-)Unterhalt inklusive Taschengeld für das Nettoeinkommen abzustellen148. Nach Fischer149 kommt zusätzlich zur vorgenannten Vorgehensweise bei der Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen auch ein pauschaler Abzug in Betracht. Fischer schlägt 25 % (vom Einkommen) für den nicht berufstätigen Ehepartner vor sowie 15 % für jedes zu unterhaltende Kind, will den Abzug aber generell auf 50 % begrenzen150. Horn151 hingegen will die Unterhaltsverpflichtungen ausschließlich nach ihrer rechtlichen Verpflichtung und nicht nach der tatsächlich erbrachten Höhe berücksichtigen. Woraus sich die Höhe der rechtlichen Verpflichtung ergebe, führt er nicht an. Für den einkommenslosen Ehegatten (namentlich erwähnt ist nur die erwerbslose Ehefrau) vertritt er einen Abzug von 20 % des Ehegatteneinkommens von selbigem. Im Umkehrschluss stellten diese 20 % auch das anzusetzende Einkommen der einkommenslosen Ehefrau dar. Insbesondere die Debatte um das Einkommen der sogenannten Nur-Hausfrau und umgekehrt um den Abzug dieses Einkommens vom Einkommen des jeweiligen Ehepartners, so dieser der Täter ist, wird unter stark ideologischen Gesichtspunkten geführt und entbehrt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Geschichtlich, traditionell aber auch ideologisch bedingt wird in diesem Problembereich häufig nur von der einkommenslosen Hausfrau und nicht, wie es auch aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung nicht nur politisch korrekt wäre, vom einkommenslosen Ehepartner gesprochen152. Dieser Aspekt ist jedoch nur Makulatur. Die in diesem Bereich vertretene herrschende Meinung, dass dem einkommenslosen Ehepartner das Einkommen anzurechnen sei, das er als Naturalbezüge in der Lackner / Kühl, § 40 Rn. 10, LK-Häger, § 40 Rn. 54 ff. und Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 14. LK-Häger, § 40 Rn. 29 ff. mit sehr ausführlicher Erörterung des Streitstandes und m. w. N. zur sog. Hausfrauenproblematik. 149 Fischer, § 40 Rn. 14. 150 Solch ein prozentualer Abzug wird von Stree sowohl im Bereich der abzuziehenden Unterhaltsverpflichtungen als auch im Bereich der Berechnung des Ehepartnereinkommens durch Unterhalt abgelehnt, vgl. Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 11 a. Befürwortet wurde er bereits von LK-Tröndle, 10. Aufl., § 40 Rn. 45 ff., der jedoch für die einkommenslose Hausfrau 20 % und 10 % je Kind vom Ehegatteneinkommen abziehen wollte. Dies hält auch LK-Häger, § 40 Rn. 56 für zulässig. 151 SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 8 f. 152 LK-Häger, § 40 Rn. 29, z. B. merkt an, dass es sich im Folgenden auch um den einkommenslosen männlichen Ehepartner handeln könne, verbleibt im Folgenden jedoch ausdrücklich in der geschlechtspezifisch weiblichen Terminologie, da diese Konstellation des Hausmannes eine seltenere Fallgestaltung sei. 147 148

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Ehe erhält, zuzüglich des ihm gewährten Taschengeldes153, geht zurück auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes154, dass es keine allgemeine Regel gebe, nach der das Nettoeinkommen eines allein verdienenden Ehegatten für die Bemessung des Tagessatzes gleichmäßig auf beide Ehegatten zu verteilen sei. Diese folgte einer oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung aus der Mitte der 1970er Jahre nach. Das Oberlandesgericht Hamm155 und das Oberlandesgericht Frankfurt156 entschieden damals, für den einkommenslosen Ehegatten seien 50 % des Nettoeinkommens des jeweils anderen Ehepartners anzusetzen, von welchem zuvor etwaige Unterhaltsbelastungen für Kinder abgezogen werden müssten. Im Umkehrschluss könnte man beim einzig Erwerbstätigen einer Familie eben diese Posten vom Nettoeinkommen abziehen, um das Tätereinkommen für die Bemessung der Tagessatzhöhe zu ermitteln. Diese Vorgehensweise stieß und stößt größtenteils auf Ablehnung. Als Vertreter der herrschenden Meinung richtet sich vor allem Häger vehement gegen diesen Ansatz157. Geppert / Bath lehnen den Ansatz, den sie zwar für „phantasievoll-clever“ halten, ab, weil von einem individuellen Einkommen und nicht von einem Familieneinkommen auszugehen sei158. Sie verkennen dabei jedoch, dass das individuelle Einkommen des Täters auch bei der anderen Variante, nämlich Berücksichtigung eines Unterhaltsanspruchs, als Familieneinkommen aufgeteilt wird, nur mit einem anderen Schlüssel. Schaeffer will auf den hypothetischen Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau abstellen159, verkennt dabei jedoch, dass der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau andere Voraussetzungen hat als der der verheirateten Frau. Zustimmung fand sich bereits damals bei Frommel, die dies auf den Gedanken des Gleichberechtigungsgrundsatzes des § 1360 BGB stützt, sowie bei Kaiser160. Dabei kann nicht nachvollzogen werden, warum sich die heute herrschende Meinung gegenüber dem Ansatz der Oberlandesgerichte Hamm und Frankfurt durchsetzen konnte. Unter bestimmten Prämissen ist dieser Ansatz nämlich die einzig richtige Vorgehensweise sowohl für Ehen, in denen nur ein Ehepartner erwerbstätig ist, als auch für solche, in denen es ein Gefälle zwischen dem Einkommen des einen Ehepartners und dem Einkommen des anderen gibt. Diese Prämissen sind folgende: Zum einen sollten sich die Ehegatten im Güterstand der Zugewinn153 Geppert / Bath, JURA 1985, 499 f., LK-Häger § 40 Rn. 29 m. w. N. in Fn. 55 und so im Ergebnis auch OLG Zweibrücken, wistra 2000, 152, das auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellt. 154 BGHSt 27, 228. 155 OLG Hamm, NJW 1976, 722. 156 OLG Frankfurt, NJW 1976, 2220. 157 LK-Häger, § 40 Rn. 29, m. w. N. in Fn. 55. 158 Geppert / Bath, JURA 1985, 499. 159 Schaeffer, Bemessung, S. 112. 160 Frommel, NJW 1978, 862 f. und Kaiser, NJW 1976, 609.

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gemeinschaft oder Gütergemeinschaft befinden, und bzw. oder sie sollten sich für eine steuerliche Zusammenveranlagung entschieden haben. Wenn sie sich im Güterstand der Zugewinngemeinschaft oder Gütergemeinschaft gemäß §§ 1363 ff. oder 1415 ff. BGB befinden, dann haben sie sich entschlossen, auch finanziell an einem Strang zu ziehen. Für den Fall, dass ihre Ehe scheitern sollte, wird entweder alles Hinzugewonnene, bei der Gütergemeinschaft gar das gesamte Vermögen geteilt. Es ist also davon auszugehen, dass sie auch grundsätzlich das Einkommen des einen als das gemeinsame betrachten. Spätestens zum Zeitpunkt der Scheidung wird auch der jeweils besser verdienende Ehepartner für den gesamten Zeitraum der Ehe zu dieser Betrachtung gezwungen werden. Des Weiteren trägt der Nichterwerbstätige (im Übrigen ebenso wie der nur in Teilzeit Erwerbstätige) zumeist nicht unerheblich dazu bei, dass der jeweils andere ungestört seiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann, indem jener den Haushalt und gegebenenfalls die Kinder versorgt. Haben sich die Ehegatten für steuerliche Zusammenveranlagung entschieden, dann sind ihre Einkommen nach geltendem Steuerrecht so miteinander verquickt, dass eine genaue Trennung nach den jeweiligen Ehegatten nur schwer möglich ist. So kommt es sowohl durch die nicht nach Ehepartnern differenzierte Berücksichtigung von Abzugsposten im Rahmen der Zusammenveranlagung als auch insbesondere durch das Ehegatten-Splitting zu einer starken wirtschaftlichen Vermengung der Einkommen161. Dies ergibt sich aus Folgendem: Das Ehegattensplitting senkt den Steuertarif für zusammenveranlagte Ehegatten. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer werden grundsätzlich die Einkünfte der sieben Einkunftsarten bei die Ermittlung der „Summe der Einkünfte“ für jeden Ehegatten getrennt ermittelt. Haben die Ehegatten sich jedoch für gemeinsame Veranlagung gemäß § 26 EStG entschieden, so findet der Splittingtarif Anwendung. Dabei werden die Einkünfte beider in einer „Summe der Einkünfte“ kumuliert und erst dann die weiteren Abzüge vorgenommen, um das gemeinsame „zu versteuernde Einkommen“ zu ermitteln. Bei der Anwendung des Splittingtarifes wird hypothetisch davon ausgegangen, dass die Hälfte der Summe des gemeinsam „zu versteuernden Einkommens“ jeweils einem Ehepartner zusteht. Für dieses hälftige „zu versteuernde Einkommen“ wird ermittelt, welcher hypothetische Steuertarif anzuwenden wäre, wenn der Ehegatten allein veranlagt würde und tatsächlich ein Einkommen in dieser Höhe hätte. Dieser hypothetische Steuertarif, der aufgrund des Beginns der Proportionalendzone des Progressionstarifs bei hypothetischen (hälftigen) Einkommen bis zur Zeit 52 152 Euro stets unter dem tatsächlich anzuwendenden liegt, wird dann auf das gemeinsame „zu versteuernde Einkommen“ angewendet. Daraus ergibt sich bis zu einem gemeinsamen „zu versteuernden Einkommen“ von 104 304 Euro eine Steuerersparnis, die umso größer ist, je kleiner das tatsächliche Einkommen des weniger verdienenden Ehegatten ist. Seinen verfassungsrechtlichen Hintergrund hat das Ehegattensplitting in der vom Grundgesetz gebotenen Förderung von Ehe und Familie. Eine Trennung der Ein161 Zur Zusammenveranlagung und zum daraus folgenden Ehegattensplitting im geltenden Steuerrecht siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 843 ff. sowie § 4 Rz. 241 ff.

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kommen nach dem jeweiligen Verursacher selbiger zum Zwecke der Tagessatzhöhenbestimmung erscheint deshalb auch unnötig, da die Ehepartner sich im Ergebnis selbst für eine Vermengung entschieden haben. Bei steuerlich getrennt veranlagten, gemäß § 1414 BGB in Gütertrennung lebenden Ehepartnern wird man dies eventuell differenzierter betrachten müssen, da hier die Vermischung der wirtschaftlichen Sphären nicht gewünscht ist und auch tatsächlich nicht praktiziert wird. Der Staat indes betrachtet bei Leistungsgewährung die Ehegatten niemals separat oder nach Güterständen separiert. Die Ehe wird in vielen anderen Bereichen als finanzielle Einheit betrachtet. Ungeachtet dessen, ob man Sozialleistungen beziehen, Erstattungen für Zuzahlungen im Krankheitsfall erlangen oder sein Kind in den Kindergarten schicken möchte, stets wird von staatlicher Seite auf das Familieneinkommen als Ganzes als Bemessungsgrundlage abgestellt. Bei der Geldstrafe handelt es sich indes nicht um Leistungsverwaltung, sondern um staatliches Eingriffshandeln, insofern ist Vorsicht geboten. Unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise lässt sich jedoch, auch gegen alle ideologischen Bedenken, für steuerlich zusammen veranlagte, für solche in Gütergemeinschaft oder Zugewinngemeinschaft lebende Ehegatten festhalten: Die Hälfte von dem, was nach Abzug der Unterhaltsleistungen für Kinder und eventuell ehemalige Ehepartner abgeht, steht dem jeweils aktuellen Ehepartner als Einkommen zu. Dies soll nicht heißen, dass dieser Betrag dem jeweils anderen als sogenanntes Taschengeld zur freien Verfügung überlassen ist. Vielmehr ist davon auch der anteilige Naturalunterhalt wie Wohnen und Essen, also die hälftigen Lebenshaltungskosten, zu bestreiten. Insofern ist diese Meinung im Übrigen auch nicht soweit entfernt von der herrschenden, die den Naturalunterhalt zuzüglich Taschengeldes berechnen will. Ihr Vorteil liegt jedoch darin, dass das Einkommen des erwerbslosen Ehepartners leichter zu ermitteln ist, zumindest solange man das jeweilige Einkommen des erwerbstätigen Ehepartners kennt. Des Weiteren trägt sie mit zum grundrechtlich gewährten Schutz von Ehe und Familie bei, indem sie die Drittwirkung der Geldstrafe dadurch reduziert, dass stets nur der Anteil vom Familieneinkommen abgeschöpft wird, der dem jeweiligen Täter zusteht. Sie ist indes keine Bevorzugung des verheirateten gegenüber dem ledigen Täter162, da bei diesem im Gegensatz zu jenem sich keine Familie in rechtliche und wirtschaftliche Abhängigkeit von seinem Einkommen begeben hat. Zweifelsohne fehlt dieses Einkommen der Einheit Familie als Ganzes, und selbstverständlich wird dies in den meisten Fällen zu einem Verzicht in der ganzen Familie führen, aber dennoch bleibt die Drittwirkung auf ein Mindestmaß beschränkt. Diese Drittwirkung ist in jedem Fall geringer als bei einer zeitquantumsgleichen Freiheitsstrafe, bei der das gesamte Einkommen des Ernährers wegfällt. Insofern ist die herrschende Meinung zur Berücksichtigung eines erwerblosen Ehepartners abzulehnen. Weiterhin ist man in den Kommentaren der einhelligen Meinung, dass das so für einen bestimmten Zeitraum ermittelte Einkommen dann auf einen Tag herunter 162

So jedoch Geppert / Bath, JURA 1985, 499.

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gebrochen werden solle. Zum Teil wird jedoch aus strafzumessungsrechtlichen Erwägungen dieser Wert für den Tagessatz nicht akzeptiert und nach oben oder unten modifiziert, um bestimmte Härten auszugleichen oder eine Geldstrafe beim gut situierten Täter entsprechend fühlbar zu machen163. Solche Korrekturen sind jedoch wie erörtert strikt abzulehnen, da sie Strafzumessungsaspekte in den Bereich der Tagessatzhöhenbestimmung transferieren, die im Rahmen dieser Strafanpassungsphase keinen Platz haben. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich auf den ersten Blick in den Kommentaren ein relativ einheitliches Bild des Nettoeinkommens ergibt, welches jedoch aufgrund der Begriffsvielzahl und der Detailfülle kein besonders bestimmtes ist. Verstärkt wird dieser Aspekt der Unbestimmtheit durch die Verwendung von und Bezugnahme auf steuerrechtliche Termini bei gleichzeitiger Distanzierung von deren tatsächlichen Inhalten, wobei zudem der Grad der Distanzierung unklar bleibt. Diese Distanzierung erfolgt durch Berufung auf ein strafzumessungsrechtliches Nettoeinkommen, das schließlich kein steuerrechtliches sei. Der Inhalt der einkommensteuerrechtlichen Begriffe in strafrechtlicher Interpretation wird jedoch nicht fassbar. So findet sich in den Kommentaren ein gefährlicher Cocktail aus steuerrechtlichen Termini, deren Inhalt nicht immer erkennbar ist, und die zum großen Teil auch steuerrechtsfremd in Bezug gesetzt werden. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass zum Teil auch Falsches voneinander abgeschrieben wurde164. Die Gründe für diese Situation sind in der nicht erfolgten, jedoch dringend erforderlichen Auseinandersetzung mit den steuerrechtlichen Inhalten der verwendeten Termini zu suchen. Die Darstellungen in den Kommentaren zum Nettoeinkommen des § 40 StGB entbehrt damit auf weiten Strecken der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Wirtschaftliche Zusammenhängen wurden schlicht falsch bzw. gar nicht erfasst. Auch aufgrund der vermehrten Verwertung von Gerichtsentscheidungen geht die Darstellung mitunter zu sehr ins Detail. Dies wäre nicht unbedingt nötig, wenn man den Inhalt der jeweiligen Oberbegriffe, z. B. der Einkunftsarten klar bestimmt hätte. Die Darstellung hat damit im Ergebnis kaum dogmatischen Nutzwert für die Bestimmung eines Nettoeinkommensbegriffs im Sinne des § 40 Abs. 2 StGB, da man sie weder als wirtschaftlich im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise noch als zumindest objektiv eindeutig oder systematisch bezeichnen kann165. Untermauert, vielleicht sogar bedingt wird dieser unbestimmte, ungreifbare Zustand durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Dieser 163 Dieser Aspekt soll hier nicht in seiner vollen Breite ausgeführt werden, da er für die Nettoeinkommensbestimmung an sich nicht von Bedeutung und für die Bestimmung der Tagessatzhöhe abzulehnen ist. Eine ausführliche Darstellung des Streitstandes findet sich jedoch bei LK-Häger, § 40 Rn. 60, der dieses Vorgehen befürwortet. 164 So auch Tipke, JuS 1985, 351 und darauf Bezug nehmend Burger, Einkommensbegriff, S. 236. 165 So auch die Kritik von Tipke, JuS 1985, 351, der feststellt, dass die Kommentierung von § 40 Abs. 2 StGB dringend von „Kennern des Einkommensbegriff“ übernommen werden sollte.

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legte 1977 durch zwei grundlegende Beschlüsse166 fest, dass sich keine starren Regeln für die Bemessung der Tagessatzhöhe festlegen ließen, die im Übrigen einem weiten Ermessen des Richters unterliege. Zudem gäbe es auch keine allgemeine Zurechnungsregel des von einem Ehegatten allein verdienten Nettoeinkommens auf beide Ehegatten. Diese Beschlüsse sind in der Literatur viel zitiert und ihre Linie wird auch vom Bundesgerichtshof noch inhaltlich weiter verfolgt167. bb) Das Nettoeinkommen in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Nettoeinkommens ist seit Einführung der Tagessatzgeldstrafe zu keinem Zeitpunkt abgebrochen und hat doch nie zu einem abschließenden Ergebnis geführt. So gibt es sehr viele wissenschaftliche Arbeiten, die zumindest auch die Definition des Nettoeinkommens als Thema tangieren. Da sind zunächst diejenigen, die über das in den Kommentaren Ausgeführte inhaltlich nicht oder nur marginal hinausgehen oder deren Arbeitsschwerpunkt in einem anderen Bereich liegt. So nimmt Schaeffer168 bereits 1978 einen Vergleich des Nettoeinkommensbegriffs mit dem des (heute nicht mehr aktuellen) Einkommensteuerrechts vor169, konzentriert sich jedoch hauptsächlich auf damals problematisierte Personengruppen. Ising170 hat 1979 mit dem Hinweis, dass die Definition des Nettoeinkommens zwar umstritten, man sich in der Praxis jedoch weitestgehend über den Umfang einig sei, zu dem theoretischen Umfang von selbigem nicht mehr zu bieten als auch die vorgenannten Kommentare171. Zudem liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf den Möglichkeiten der praktischen Ermittlung der Bemessungsgrundlagen. Die Arbeit von Bems172 setzt sich 1980 hauptsächlich mit der reformatio in peius im Zusammenhang mit der Geldstrafenverhängung auseinander. Krehl173 setzt den Schwerpunkt seiner Arbeit 1985 auf die Ermittlungsmöglichkeiten zum Nettoeinkommen im Rahmen des Beweisrechts der StPO und übernimmt weitestgehend den Wirrwarr der Kommentare174. Fehl175 setzt sich 2002 zwar mit der Geldstrafe als Prototyp der monetären Sanktionen, insbesondere BGHSt 27, 212 ff.; 27, 228 ff. So beruft sich der BGH in NStZ 1993, 34 f. auf diese beiden Beschlüsse, wenn er feststellt, dass die Bestimmung der Höhe des Tagessatzes von weitem Ermessen des Tatrichters umfasst sei. 168 Schaeffer, Bemessung. 169 Schaeffer, Bemessung, S. 66 ff. 170 Ising, Feststellung. 171 Vgl. dazu die Darstellung bei Ising, Feststellung, S. 41 – 47. 172 Bems, Geldstrafe. 173 Krehl, Ermittlung. 174 Vgl. dazu die Darstellung bei Krehl, Ermittlung, S. 43 ff. 175 Fehl, Sanktionen. 166 167

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auch mit ihrer geschichtlichen Entwicklung, den Möglichkeiten der Vollstreckung und mit Gerechtigkeitserwägungen und Opfergleichheit im Rahmen der Geldstrafe auseinander, sie betrachtet die Geldstrafe jedoch hauptsächlich in ihrer Gesamtheit. Alle diese Werke können damit aufgrund ihres Ansatzes dogmatisch nicht zur Definition des Nettoeinkommens beitragen. Brandis176 geht in seinem Werk von 1987 richtigerweise davon aus, dass der strafrechtliche Einkommensbegriff einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise bedürfe. Das Nettoeinkommen sei grundsätzlich aus Bezügen in einem bestimmten Zeitraum, abzüglich der abzugsfähigen Abzüge zu bilden, die mit dem jeweiligen Rechtsgebiet aufgrund dessen Zielsetzung vereinbar seien177. Er systematisiert zu diesem Zweck alle nur erdenklichen Zu- und Abflüsse finanzieller Art im Rahmen des Nettoeinkommensbegriffs178. Sowohl seine Ausführungen zu einem einheitlichen abstrakten Einkommensbegriff als auch die Kategorisierung der verschiedenen Bezüge und Abzüge im Rahmen des Nettoeinkommensbegriffs vermögen insbesondere aus systematischer Sicht zu überzeugen und zu einem besseren wirtschaftlichen Verständnis des Nettoeinkommensbegriffs des Strafrechts beizutragen. Leider vertritt er unter dem Deckmantel der Definition des Nettoeinkommens das Einbußeprinzip, wenn er feststellt, dass notwendige Lebenshaltungskosten als Abzüge zu berücksichtigen seien179. Obgleich Brandis betont, dass dies nur ein Schritt in Richtung Einbußeprinzip jedoch nicht die vollständige Rückkehr zu selbigen sei, da die Vertreter des Einbußeprinzips noch eine größere Menge an Abzügen für den Lebensunterhalt zulassen wollten als er180, stellt seine Definition dennoch eine Variante des Einbußeprinzips dar. Sie darf daher keine Verwendung für das Nettoeinkommensprinzip finden. Burger geht in seinem Werk zum Einkommensbegriff des öffentlichen Schuldrechts 1991 davon aus, dass man sich im Großen und Ganzen einig sei, welche Posten materiell unter den Einkommensbegriff des § 40 Abs. 2 StGB zu fassen seien181. Hauptargument gegen einen Rückgriff auf den steuerrechtlichen Einkommensbegriff für die Definition des strafrechtlichen Nettoeinkommens sei die Tatsache, dass der steuerrechtliche Einkommensbegriff nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit widerspiegele182. Dies sei aber ein Fehler des Steuerrechts und deshalb müsse dieses reformiert werden. Er befürwortet eine Reform des Steuerrechts auch im Zusammenhang mit der Untersuchung der verschiedenen öffentlichrechtlichen Einkommensbegriffe. Er fordert einen einheitlichen Bruttoeinkommens176 177 178 179 180 181 182

Brandis, Geldstrafe. Brandis, Geldstrafe, S. 94. Siehe dazu die Ausführungen bei Brandis, Geldstrafe, S. 154 ff. und S. 170 ff. Brandis, Geldstrafe, S. 178 – 184. Brandis, Geldstrafe, S. 184, Fn. 189 Burger, Einkommensbegriff, S. 235 ff. Burger, Einkommensbegriff, S. 250 ff.

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begriff für alle Bereiche mit jeweilig bereichsspezifischer Einkommensgrenze. Dieses Bruttoeinkommen müsse zunächst frei sein von Sozialzwecknormen und damit von sozial- und gesellschaftspolitischen Anliegen und jegliche leistungsfähigkeits-indizierenden Einnahmen gleich welcher Art einer Periode umfassen. Davon abzuziehen seien nur solche Ausgaben und Aufwendungen, die dazu bestimmt seien, der Erzielung vorgenannter Einnahmen zu dienen. In Bezug auf das so festgelegte Bruttoeinkommen müsse dann in den verschiedenen Bereichen je nach Wertung eine Grenze gezogen werden, bis zu der das Einkommen unangetastet bliebe bzw. bei Gewährung von Sozialleistungen aufgefüllt würde183. Für den strafrechtlichen Einkommensbegriff hätte dies den Vorteil, dass man einen einheitlich und professionell durch das Finanzamt ermittelten Bruttoeinkommenswert zur Verfügung hätte, um davon die bereits heute von der herrschenden Meinung als abzugsfähig erkannten Posten, als da wären Steuern, Unterhaltsverpflichtungen und Sozialabgaben, abzuziehen184. Der Versuch Burgers, einen einheitlichen Nettoeinkommensbegriff zu definieren und das strafrechtliche Nettoeinkommen in diesen einzubinden, ist zu begrüßen. Aus der Sicht der Einheit der Rechtsordnung ist es uneinsichtig, dass jedes Rechtsgebiet seinen eigenen Einkommensbegriff definiert. Mit der grundsätzlichen Idee von seinem einheitlichen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit widerspiegelnden Einkommensbegriff im Rahmen einer Reform des Steuerrechts, der auch zu dogmatischer Reinheit beim Nettoeinkommen des Strafrechts führen würde, lässt er Zukunftsmusik anklingen, deren Erklingen jedoch Burger selbst für sehr unwahrscheinlich hält185. Mit einer grundlegenden Reform des Steuerrechts scheint nicht zu rechnen zu sein. Von Selle will in seiner Schrift von 1997 nach einer Interpretation des Grundsatzes der Opfergleichheit entgegen dem Wortlaut des Gesetzes die Tagessatzhöhe nach dem tatsächlichen Konsum des Verurteilten bestimmen. Opfergleichheit könne nur dann erreicht werden, wenn für die Bemessung der Geldstrafenhöhe auf den tatsächlichen Konsum eines jeden Täters abgestellt werde186. Dem Nettoeinkommen komme als Faktor zur Bestimmung des tatsächlichen Konsums, und das entspreche auch dem Regel-Ausnahme-Prinzip des § 40 Abs. 2 Satz 2 StGB, eine hervorgehobene Rolle zu. Die Dominanz des Nettoeinkommens erkläre sich aus dem sozialen Faktum, dass das Einkommen verglichen mit anderen Bestandteilen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit den besten Indikator des individuellen Konsums bilde187. Man könne jedoch nur dann, also in der Regel, vom Nettoeinkommen auf den Konsum schließen, wenn der Täter nicht von seinem Vermögen lebe, sein Erwerbsverhalten anlässlich der Geldstrafenverhängung ändere oder 183 184 185 186 187

Vgl. dazu die Darstellung bei Burger, Einkommensbegriff, S. 293 ff. Burger, Einkommensbegriff, S. 322. Burger, Einkommensbegriff, S. 328. von Selle, Geldstrafe, S. 231. von Selle, Geldstrafe, S. 233.

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A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie

Schuldzahlungen sowie Aufwendungen tätige, die seinen gegenwärtigen Lebensstandard faktisch beschränkten. Zu dieser weiten Gruppe der Lebensstandard beschränkenden Aufwendungen sollen Unterhaltszahlungen188, aber auch alle Aufwendungen für Güter gleich welcher Art, so sie der Familie zugute kommen189 sowie vermögensbildende Leistungen ohne Gebrauchsvorteil (z. B. Sparverträge) zählen190. Ansonsten sei das Einkommen im strafrechtlichen Sinn Indikator für den Konsum, wobei das Einkommen umgangssprachlich zu definieren sei191. Das Nettoeinkommen sei das Einkommen, das für den eigenen Bedarf tatsächlich zur Verfügung stehe192. Als Einkommen kämen alle geldwerten Vorteile gleich welcher Art in Betracht, da diese Vorteile einen gewissen Lebensstandard vermitteln könnten. Diese müssten einerseits in dem der verwirkten Tagessatzzahl entsprechenden Zeitraum wirksam werden und dürften andererseits nicht darüber hinaus beeinträchtigt werden193. Da von Selle den Abzug der Aufwendungen für existentielle Bedürfnisse von den zugeflossenen Werten vertritt194, propagiert er wie auch Brandis eine Variante des Einbußeprinzips. Zudem wird in vielen Fällen mindestens eine der Ausnahmen vorliegen, die das Nettoeinkommen als Indikator ausschließen und die Bestimmung der Tagessatzhöhe nach dem tatsächlichen Konsum erfordern. Eine Ermittlung des tatsächlichen Konsums ist jedoch als noch schwieriger und aufwendiger einzustufen als die Ermittlung der tatsächlichen Bemessungsgrundlagen des Nettoeinkommens. Die von von Selle vertretene Konzeption zum Nettoeinkommensprinzip ist zwar nach Gerechtigkeitserwägungen durchaus verständlich, zusammen mit der gelieferten Definition vom Nettoeinkommen auch eine in sich stimmige geschlossene Konzeption, mit der geltenden Gesetzeslage jedoch nicht zu vereinen. Damit kann abschließend festgestellt werden, dass eine Definition des Nettoeinkommens, die sowohl wirtschaftlichen Aspekten Rechnung trägt als auch Gerechtigkeitserwägungen berücksichtigt und die nicht eine Variante des Einbußeprinzips ist, noch nicht gefunden wurde. b) Stellung und Bedeutung des Nettoeinkommens für die Berechnung des Tagessatzes § 40 Abs. 2 StGB nennt das Nettoeinkommen nicht ausschließlich als Faktor der Tagessatzhöhenbestimmung. Das Nettoeinkommen befindet sich durch diese Vorschrift in einem Spannungsverhältnis zu den „persönlichen und wirtschaftlichen 188 189 190 191 192 193 194

Zu dem Komplex der Unterhaltsleistungen siehe von Selle, Geldstrafe, S. 207 – 209. von Selle, Geldstrafe, S. 231. von Selle, Geldstrafe, S. 233. von Selle, Geldstrafe, S. 232. von Selle, Geldstrafe, S. 237. von Selle, Geldstrafe, S. 237. von Selle, Geldstrafe, S. 238 f.

II. Die Festlegung der Tagessatzhöhe nach § 40 Abs. 2 StGB

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Verhältnissen“ sowie zu dem Zusatz „in der Regel“. Zur Auflösung dieses Spannungsverhältnisses gibt es zwei große Meinungsströme. Da sind zunächst diejenigen, die aus der Erwähnung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie dem Zusatz „in der Regel“ ableiten, dass das Nettoeinkommen nur erster Anhalt im Rahmen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei, nur ein erster Einstieg oder Ausgangspunkt195. Der Tagessatz sei nicht vornehmlich am Nettoeinkommen zu orientieren, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hätten auf den als Tagessatz festzulegenden Wert zusätzlich erheblichen Einfluss. Der sogenannte zweite Akt der Geldstrafenzumessung sei auch noch Teil der Strafzumessung, einschließlich tatrichterlichen Strafzumessungsermessens, welches bereits strukturell eine schematische Berechnung der Tagessatzhöhe verbiete. Diese folgen dem Bundesgerichtshof, der wie erwähnt eine Berechnung der Höhe des Tagessatzes nach starren Regeln in ständiger Rechtsprechung ablehnt196. Diese Meinung resultiert aus der unvertretbaren Vermischung von Strafzumessung und Strafanpassung. Die Vertreter dieser Meinung(en) wünschen sich zumeist mehr Flexibilität in Bezug auf die Tagessatzhöhenbestimmung, insbesondere im Hinblick auf die Gsamtgeldstrafensumme. So will Stree durch eine nachträgliche Korrektur ausdrücklich unbillige oder gar untragbare Härten vermieden wissen197. Häger will eine Desozialisierung und ein Überschreiten der Belastungsgrenze des Täters verhindern. Nach Häger solle immer auch das Endprodukt aus Tagessatzanzahl und -höhe im Auge behalten werden. Gegebenenfalls sei unter oben genannten spezialpräventiven Gesichtspunkten dieses Endprodukt durch Korrektur der Tagessatzhöhe anzupassen198. Hiergegen stehen solche Meinungen, die davon ausgehen, dass das Nettoeinkommen Grundlage199 oder Regelrichtlinie200, in jedem Fall das entscheidende und ausschlaggebende Kriterium zur Bestimmung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sei. Dies hat zur Folge, dass es nur in Ausnahmefällen zu einer Abweichung vom Nettoeinkommen bei der Bemessung des Tagessatzes zu kommen habe. Dem kann zumindest im Grundsatz zugestimmt werden. Es bedarf jedoch der Distanzierung insoweit, dass ausschließlich nur dann vom Nettoeinkommen als Grundlage für die Bestimmung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse 195 So SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 6 f., wohl auch Lackner / Kühl, § 40 Rn. 10 ff., in jedem Fall Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 9 und 12 und LK- Häger, § 40 Rn. 21, der grundsätzlich zu dem Thema Stellung nimmt und in den Rn. 53 ff. dann die entsprechenden Abweichungen vom Nettoeinkommen nach oben und unten dargestellt. 196 Ständige Rechtsprechung seit BGHSt, 27, 212 ff. 197 Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 9. 198 LK-Häger, § 40 Rn. 18. 199 So Fischer, § 40 Rn. 6. 200 So Brandis, Geldstrafe, S. 129 – 132 und von Selle, Geldstrafe, S. 232 ff.

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A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie

abgewichen werden darf, wenn im Einzelfall kein Nettoeinkommen beim Täter existiert. In allen anderen Fällen, also „in der Regel“, ist das Nettoeinkommen mit den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gleichzusetzen. Zwei Gesichtspunkte spielen hierbei eine Rolle. Der erste ist ein historischer. Der Zusatz „unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ ist überspitzt ausgedrückt gewissermaßen ein nicht entferntes Relikt des historischen Gesetzgebungsprozesses. Als noch das Einbußeprinzip gewollt war, sollte der Tagessatz allein durch eben diese Verhältnisse bestimmt werden. § 40 Abs. 1 StGB umfasste im Reformgesetzgebungsprozess zunächst ausschließlich den heutigen Satz 1 der Vorschrift. Als man sich dann für das Nettoeinkommensprinzip entschied, fügte man den Satz 2 an. Mit dem Einfügen sollte klargestellt werden, dass nunmehr das Nettoeinkommen Grundlage für die Bemessung des Tagesatzes sein sollte; der Satz 1 sollte insofern konkretisiert werden. Man entfernte ihn vermutlich nur aus Praktikabilitätsgründen nicht. Die Änderung wurde sehr plötzlich und am Ende des Reformprozesses, fast sogar – bei zynischer Betrachtung – eher nach seinem Abschluss, vorgenommen. Es ist durchaus vorstellbar, dass man diese weitreichende Änderung kaschieren wollte, indem man die Vorschrift nur um das Nötigste erweiterte und nicht vollkommen umgestaltete. Es ist daher davon auszugehen, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen des Nettoeinkommensprinzips ihre vollständige Konkretisierung im Begriff des Nettoeinkommens gefunden haben. Sie haben nur noch Bedeutung insofern sie außerhalb der Regel für die Bestimmung des Tagessatzes herangezogen werden müssen. Dieser Fall ist bei Personen ohne jegliches Einkommen gegeben. Läge man bei Personen ohne Einkommen das potenzielle Einkommen zugrunde, so würde man ihre grundsätzliche Lebenseinstellung bestrafen. Zudem käme dies einer verkappten Arbeitsstrafe gleich, da sie gegen ihren grundsätzlichen Willen gezwungen würden, Erwerbstätigkeit aufzunehmen201. Anders ist dies bei solchen Personen zu beurteilen, die in Strafmilderungsabsicht im Hinblick auf eine mögliche Geldstrafe Erwerbstätigkeit unterließen oder unterlassen. Bei diesen Personen können die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Indiz für das festzulegende potenzielle Einkommen sein202. Der zweite Aspekt, der für die hier vertretene Ansicht spricht, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich im Nettoeinkommen erschöpfen, ist ein von Gerechtigkeits-, Opfergleichheits- und Praktikabilitätserwägungen geprägter. Es wird und wurde vielfach moniert, dass die Tagessatzhöhe praktisch nur schwer feststellbar sei203. Je mehr Faktoren jedoch die Tagessatzhöhe mitbestimSo auch von Selle, Geldstrafe, S. 259. So im Ergebnis auch OLG Koblenz, StV 1998, 424, das den Anwendungsbereich jedoch unzutreffend darüber hinaus auch auf solche Fälle erstreckt, in denen unbeachtliche Gründe für die Nichterzielung von Einkommen vorliegen. 203 Vgl. dazu exemplarisch Zipf, ZStW 77 (1965), 546 ff., LK-Häger, § 40 Rn. 17 sowie Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 19. 201 202

II. Die Festlegung der Tagessatzhöhe nach § 40 Abs. 2 StGB

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men, umso aufwendiger wird die Ermittlung. Dies ergibt sich aus dem praktischen Umstand, dass sowohl die tatsächlichen Grundlagen, welche die Faktoren bestimmen, ermittelt werden, als auch die einzelnen Faktoren dann zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen. Daher muss es als besonders praktikabel angesehen werden, von nur einem Bemessungsfaktor auszugehen. Das Gesetz bietet das Nettoeinkommen als solchen Faktor an. Natürlich wird man auch beim Nettoeinkommen nicht umhin kommen, selbiges aus mehreren Posten zu berechnen. Betrachtet man die Bedeutung des Nettoeinkommens für die Tagessatzhöhe jedoch isoliert von der Tatsache, dass der Inhalt des Nettoeinkommens ebenfalls Klärung bedarf, so kann man davon ausgehen, dass die Bemessung der Tagessatzhöhe durch die Reduzierung auf einen bestimmten Bemessungsfaktor nicht nur potenziell praktikabler wird, sie wird auch, und mit ihr die gesamte Geldstrafe, opfergleicher und damit gerechter. Orientieren sich die Gerichte alle an einem gleichen und einheitlichen Bemessungsfaktor, so wird das Strafanpassungsverfahren objektiviert und die Tagessatzhöhe opfergleicher, da sie, wie auch die Freiheitsstrafe, jeden in der gleichen Weise auf dem gleichen Gebiet trifft. Gleichheit im Sinne von Opfergleichheit kann nämlich bei der Tagessatzhöhe nicht erreicht werden, indem diese bei jedem Täter durch ein anderes Konglomerat verschiedener Faktoren bestimmt wird. Diese Faktoren drohen gerade über das Einfallstor der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Einzug zu halten. Durch Ungleichheit und Unbestimmtheit kann Gleichheit in der Härte der Sanktion nicht erreicht werden. Einer gesonderten Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedarf es zudem und deshalb im Rahmen der Tagessatzhöhe nicht, weil diesen bereits im Rahmen der Tagessatzanzahlfestlegung strafzumessungsrechtlich hinreichende Beachtung geschenkt wurde. Es ist somit festzuhalten, dass grundsätzlich einzig das Nettoeinkommen den Tagessatz in seiner Höhe bestimmen darf. Insbesondere im Hinblick auf die geforderte Opfergleichheit und Vergleichbarkeit der Tagessatzgeldstrafe ist dieses Nettoeinkommen in seinem Inhalt exakt zu terminieren. c) Exkurs: Die Nichtberücksichtigung von Vermögen Inwieweit das beim Täter vorhandene Vermögen als Masse – und nicht das Einkommen aus selbigem – die Höhe des Tagessatzes beeinflussen soll, ist umstritten. Einig ist man sich darüber, dass eine Verwertung von Vermögen niemals konfiskatorische Wirkung entfalten soll204. Das Vermögen stellt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu einem Zeitpunkt dar, während das Einkommen Bedürfnisbefriedigungspotenzial ohne Beeinträchtigung der bisherigen wirtschaftlichen Stellung ist. Diese wirtschaftliche Stellung wird zu einem bestimmten Zeitpunkt durch das Vermögen beschrieben205. Eine 204 205

Lackner / Kühl, § 40 Rn. 12 m. w. N. Vgl. dazu auch Brandis, Geldstrafe, S. 88 ff.

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A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie

Berücksichtigung des Vermögens im Rahmen des Nettoeinkommens scheidet aus, da Vermögen begriffsnotwendig gerade kein Einkommen ist, sondern angesammeltes Einkommen der Vergangenheit. Möglich wäre damit ausschließlich eine Berücksichtigung über die Regelausnahme im Rahmen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Zur Berücksichtigung von Vermögen bei der Tagessatzhöhe werden unterschiedliche Argumentationsstränge vertreten. Für eine grundsätzliche Berücksichtigung wird das Argument der Opfergleichheit bemüht und vertreten, dass bei Vorhandensein größerer Vermögen eine teilweise Verwertung zumutbar und damit die Tagessatzhöhe grundsätzlich über das Nettoeinkommen hinaus summenmäßig zu erhöhen sei. So will Krehl das Vermögen zwar generell berücksichtigt wissen, schlägt jedoch hierzu eine Berechnung des Tagessatz nach schwedischem Vorbild vor, welche durch Gewährung eines Freibetrages von damals 70000 DM kleinere Vermögen unberücksichtigt ließe und für jede weiteren 50000 DM eine Erhöhung des jeweilig zuvor nach dem Einkommen bestimmten Tagessatzes um 10 – 20 DM vorsähe206. Eine nur ausnahmsweise Berücksichtigung des Vermögens vertreten hingegen diejenigen, die nur dann eine solche zulassen wollen, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters durch das Vorhandensein von Vermögen erheblich erhöht ist207. Als weiterer Aspekt für die Berücksichtigung wird die Erzielung einer fühlbaren Strafwirkung beim Täter angeführt208. Das Vermögen als Masse – nicht als Einkunftsquelle – darf bei der Festlegung des Nettoeinkommens in keinem Falle berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung im Rahmen der Tagessatzhöhe insgesamt ist ebenfalls abzulehnen. Letzteres folgt auch aus dem formalen Argument, dass die Tagessatzhöhe ausschließlich durch den Faktor Nettoeinkommen zu bestimmen ist. Inhaltlich hat jeglicher Zwang zur Verwertung von Vermögen grundsätzlich konfiskatorische Wirkung, da das abgeschöpfte Vermögen hinterher nicht mehr der Einkommensbildung zur Verfügung steht bzw. stehen kann. Dies gilt im Übrigen auch für Luxusgüter, die im Rahmen des Vermögens nicht direkt der Einkommenserzielung dienen. Werden sie nämlich veräußert, so steht der erzielte Betrag hinterher wieder der Einkommensgewinnung z. B. durch Geldanlage zur Verfügung. Muss der erzielte Betrag jedoch im Rahmen der Geldstrafe an den Staat gezahlt werden, so ist diese EinKrehl, NStZ 1988, 62 f. So SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 11, der zusätzlich auch auf den tatsächlichen Lebenszuschnitt abstellen will, und Frank, Höhe, S. 146, insbesondere wenn Vermögen einkommensvertretende Funktion innehabe. Ising, Feststellung, S. 70 f. will dies nur annehmen, wenn das Vermögen „einkommensvertretende“ Funktion hat, der Täter also von seinem Vermögen lebt. Ebenso von Selle, Geldstrafe, S. 193 ff., der das Vermögen in der Höhe berücksichtigen will, wie es individuell zum Konsum vom Täter genutzt wird. Brandis, Geldstrafe, S. 88, spricht sich für eine ausnahmsweise Berücksichtigung im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse aus. 208 Lackner / Kühl, § 40 Rn. 12. Siehe auch OLG Köln, StV 2001, 347, das auch auf die Funktion des Vermögens abstellt und im Ergebnis eine unangemessene Bevorzugung des Vermögenden durch Nichtberücksichtigung vermeiden will. 206 207

III. Zwischenergebnis

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kunftsquelle dem Täter versagt. Wenn das Vermögen angespartes, nicht verwertetes Nettoeinkommen der Vergangenheit darstellt, dann ist zudem nicht ersichtlich, warum der Sparsame gegenüber demjenigen, der sein Einkommen in Konsum verwertet hat, zu benachteiligen ist209. Auch bei auf andere Weise zugeflossenem Vermögen ist uneinsichtig, warum derjenige, der sein Vermögen bisher nicht verwertet hat, schlechter gestellt werden soll als derjenige, der entweder nie welches erlangt oder aber erlangtes verwertet hat. Sieht man die Geldstrafe zudem in ihrer Ersatzfunktion für die Freiheitsstrafe, so bleibt beim „Einsitzen“ eines Wohlhabenden dessen Vermögen unangetastet. Eine Verhängung von Vermögensstrafe ist verfassungswidrig. § 43a StGB ist nichtig und damit nicht mehr anwendbar210. Das Vermögen kann sich in Abwesenheit des Inhaftierten sogar mehren, während bei der Geldstrafe bei der Berücksichtigung des Vermögens als Einkunftsquelle nicht nur das durch seine Arbeitskraft bzw. Leistung erzielte Einkommen wegfallen würde, die bei der Haft ja auch weg brechen, sondern auch solche Einkommenszuwächse, die dem Vermögen entspringen. Insofern findet sich bei der Berücksichtigung von Einkünften aus Vermögen bereits ein wertmäßig größerer Zugriff auf den zu Geldstrafe verurteilten Täter mit Vermögen als auf den Inhaftierten. Dieser vermehrte Zugriff macht die Geldstrafe für eben diesen fühlbarer. Durch eine Berücksichtigung des Vermögens als Masse im Rahmen der Geldstrafe käme es zu einer doppelten Belastung des zu Geldstrafe Verurteilten mit Vermögen. Auch aus der Erwähnung des Vermögens in § 40 Abs. 3 StGB darf nicht geschlossen werden, dass das Vermögen als Masse bei der Bemessung der Tagessatzhöhe Berücksichtigung finden kann. Dies ergibt sich auch aus der Historie der Vorschrift. Da § 40 Abs. 2 Satz 2 StGB zeitlich spät und erst nach § 40 Abs. 3 StGB in die Vorschrift hineingelangt ist, hat der Absatz 3 keinen konkretisierenden Erklärungswert in Bezug auf das Nettoeinkommen in § 40 Abs. 2 Satz 2 StGB. Nach alledem ist eine Berücksichtigung von Vermögen als Masse sowohl im Rahmen des Nettoeinkommens als auch im Rahmen der Tagessatzhöhe insgesamt abzulehnen.

III. Zwischenergebnis 1. Die Strafzumessung im eigentliche Sinne, also die, die im Ermessen des Richters steht und sich nach § 46 StGB zu bestimmen hat, erschöpft sich im Bereich der Festlegung der Tagessatzanzahl. Die Festlegung der Höhe des Tagessatzes ist reine Strafanpassung. Diese Vorgehensweise ist unerlässlich für eine saubere Trennung der zwei Schritte der Tagessatzzahlverhängung und der Tagessatzhöhenbestimmung. Sie dient der Opfergleichheit zwischen zwei Tätern mit vergleichbarer Delikts- und Schuldqualität. Die Tagessatzhöhe ist nur Regulativ zur 209 Auch Ising, Feststellung, S. 69 spricht von der Bestrafung des Sparsamen in diesem Zusammenhang. 210 Entscheidung des BVerfG, BGBl. I 2002, S. 1340.

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A. Die Tagessatzgeldstrafe in der Rechtstheorie

Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Täters. Das Strafmaß ergibt sich (ähnlich der Freiheitsstrafe) aus der verwirkten Tagessatzanzahl. Die Verwirklichung eines Zeitquantensystems macht Freiheitsstrafe und Geldstrafe zudem im Bereich des Schuldausspruchs miteinander vergleichbar, indem den beiden verschiedenen Sanktionen eine gleiche Bewertungseinheit zugrunde gelegt wird. Vorrangig sind dadurch auch Geldstrafen untereinander durch die Herauslösung dieses Zeitquantums als Bewertungseinheit aus der Gesamtgeldstrafensumme vergleichbar. Dies bedeutet, dass alle strafzumessungsrechtlichen Aspekte, also auch alle Überlegungen zur Strafempfindlich- und Strafempfänglichkeit des Delinquenten, sich im Bereich der Tagessatzhöhenbestimmung als Strafanpassungsphase verbieten. 2. Das Nettoeinkommen ist strafrechtlich zu interpretieren. Im Unterschied zum Einbußeprinzip darf es nach Feststellung des Nettoeinkommens nicht in einem zweiten Schritt zu einer Anpassung an die persönlichen Bedürfnisse, den Lebensstandard des Verurteilten kommen. Eine dogmatisch reine Definition des Nettoeinkommens, die den Anforderungen einer Tagessatzgeldstrafe unter Geltung des Nettoprinzips genügen könnte, wurde noch nicht gefunden. Die Begrifflichkeiten des Steuerrechts spielen im Bereich der Definitionsversuche des Nettoeinkommens eine große Rolle. Durch ihre unsachgemäße Benutzung stiften sie jedoch mehr Verwirrung als dass sie zur inhaltlichen Bestimmung beitrügen. 3. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind Relikte des Gesetzgebungsprozesses und erschöpfen sich – insbesondere auch aus Gründen der Opfergleichheit – im Nettoeinkommen. Sie kommen nur bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe bei Personen ohne Einkommen in Betracht.

B. Probleme der Praxis bei der Bemessung der Tagessatzhöhe Bereits während des Reformprozesses wurde als Problem erkannt, dass die größte Schwierigkeit im neuen Geldstrafensystem wohl die Bestimmung der Tagessatzhöhe sein würde. Ob mit oder ohne Nettoeinkommensprinzip, man ging stets davon aus, dass die Ermittlungsarbeit im Strafprozess durch die Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. des Nettoeinkommens erhebliche praktische Probleme aufwerfen würde211. Zipf stellte bereits vor Einführung der Tagessatzgeldstrafe fest, dass im Interesse des Fernzieles, die Geldstrafe zur leistungsfähigen Strafe für Vergehen aufzuwerten, die Verfeinerung und exakte Anpassung der Geldstrafenhöhe unbedingt erforderlich sei, dass aber genau dies auch das größte Problem der Tagessatzgeldstrafe sei212. Häger weist für die Gegenwart darauf hin, dass die Bemessung der Höhe des Tagessatzes das Kernproblem des Tagessatzsystems in seiner heutigen Ausgestaltung sei213. Die Geldstrafe hat heute in der Praxis als Sanktion große zahlenmäßige Bedeutung. 2005 lag z. B. der Anteil der Geldstrafen an allen verhängten Sanktionen im Bereich des allgemeinen Strafrechts (inklusive der Straftaten im Straßenverkehr) bei 81,06 %, der Anteil im exklusiven Bereich der Straftaten im Straßenverkehr bei 77,34 %. Insgesamt kam es 2005 in 546 389 Fällen zur Verhängung einer Geldstrafe214. Bisher hat sich diese Arbeit zumeist mit der theoretischen Ausgestaltung der Festlegung der Tagessatzhöhe befasst. Dies unterliegt zwar insofern der Einschränkung, dass die Darstellungen in den Kommentaren naturgemäß durch Bezugnahme auf bestimmte Gerichtsentscheidungen auch von der Praxis geprägt sind. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass sowohl die Auswahl als auch die Ver- bzw. Bewertung der zitierten Entscheidungen als zu wertende Meinungsäußerung wieder den Begriff des theoretischen Ansatzes rechtfertigen. Nun soll jedoch explizit ein Blick auf die Praxis der Geldstrafenbemessung geworfen werden. Denn Strafrechtspflege findet nicht nur in Dissertationen und theoretischen Anmerkungen strafrechtlich orientierter Autoren statt, sondern vornehmlich im Gerichtssaal bzw. durch die jeweiligen Organe der Strafrechtspflege, als da wären die Strafrichter, die Staatsanwaltschaft und die Polizei. Dennoch ist für dieses Anliegen auch eine Auswertung der Literatur vonnöten, die eine Reflexion der Praxis der Tagessatzhöhenbemessung liefert. 211 212 213 214

Siehe dazu oben A.I.4. Zipf, ZStW 77 (1965), 546 ff. LK-Häger, § 40 Rn. 17. Vgl. dazu Bundesamt für Statistik 2005, Fachserie 10, Reihe 9, S. 84 f.

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

I. Die Reflexion der Praxis der Tagessatzhöhenbemessung in Literatur und empirischer Forschung 1. Die empirische Untersuchung von Fleischer Fleischer215 hat im Jahre 1983 eine Untersuchung mit dem Titel „Strafzumessung bei Geldstrafen“ veröffentlicht. Im Rahmen dieser Untersuchung hat er eine umfassende statistische Auswertung aller Akten der Gießener Staatsanwaltschaft des Jahrgangs 1979, welche eine Geldstrafenverurteilung als Rechtsfolge hatten, durchgeführt. Die Auswertung erfolgte, um dem Ruf nach empirischer Untersuchung der Frage, ob die Reform der Geldstrafe zum damaligen Zeitpunkt bereits als gescheitert anzusehen gewesen sei, zu genügen216. Des Weiteren hat er auch eigene Beobachtungen und Interviews in die Auswertung der statistischen Ergebnisse mit einfließen lassen, von denen im Folgenden vorrangig nur solche eingehender dargestellt werden, die die Festsetzung der Tagessatzhöhe betreffen. Für den Ermittlungsprozess strafzumessungsrelevanter Tatsachen im Rahmen des gesamten Strafverfahrens stellte Fleischer fest, dass eine Ermittlung der strafzumessungsrelevanten Tatsachen, insbesondere in Bezug auf die Bestimmung der Höhe des Tagessatzes, nicht stattgefunden hätte217. Grundlage für die Entscheidung des Richters auf Geldstrafe seien allein die Angaben des Betroffenen, die dieser gegenüber der Polizei gemacht hatte, gewesen218. Die Entscheidung sei im Übrigen zumeist von einem Einzelrichter getroffen worden219. Diese Feststellung, dass die Entscheidungsfindung in besonderem Maße auf Grundlage der Angaben des Betroffenen gegenüber der Polizei beruht habe, habe insbesondere im Strafbefehlsverfahren gegolten. Das Strafbefehlsverfahren sei nach seinen Untersuchungen in 75,96 % der untersuchten Fälle Grundlage der Verurteilung gewesen220. Zudem habe diese Feststellung im Wesentlichen auch für andere, die Person des Täters und seine familiären Verhältnisse betreffende Bereiche der Strafzumessung gegolten221. Die Angaben des Betroffenen seien überdies nur sehr lückenhaft gewesen. Sie seien stets nur im Rahmen eines Erhebungsinstrumentes, je nach Deliktsart auf unterschiedlichen Fragebögen, dokumentiert worden, wobei Fleischer, Strafzumessung. Zur Zielsetzung sowie zum genauen Ablauf der Untersuchung siehe Fleischer, Strafzumessung S. 82 – 96. 217 Fleischer, Strafzumessung, S. 155 und 244. 218 Fleischer, Strafzumessung, S. 155. 219 Fleischer, Strafzumessung, S. 243. 220 Wobei davon 64,73 % ohne Hauptverhandlung, und 11,23 % nach Einspruch mit Hauptverhandlung durchgeführt worden waren. Im Detail zu der Aufteilung der Verurteilungen siehe Fleischer, Strafzumessung, S. 96. 221 Fleischer, Strafzumessung, S. 155 unter Bezugnahme auf Albrecht, Strafzumessung, S. 307 ff. 215 216

I. Tagessatzhöhenbemessung in Literatur und empirischer Forschung

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die noch umfangreichsten Angaben zu dem Einkommen selbst und zum Beruf, dort jedoch zumeist in pauschalisierter Form, gemacht worden seien222. Der Zuwachs an Informationen durch die Staatsanwaltschaft habe sich auf die Feststellung der Vorstrafen beschränkt223. Des Weiteren sei nicht erkennbar gewesen, dass sich die Staatsanwaltschaft um mehr Informationen bemüht habe, indem sie die Polizei angewiesen hätte, weitere Ermittlungen durchzuführen224. Damit sei die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsinstanz nahezu ausgefallen. Die Staatsanwaltschaft, hier insbesondere die Amtsanwaltschaft, sei nach Fleischers Untersuchungen bedingt durch die primäre Verhängung von Geldstrafen durch Strafbefehl zugleich die maßgebliche Schnittstelle für die Umsetzung der Geldstrafe gewesen. Durch diese Tatsache seien auch regionale Unterschiede bei den einzelnen Amtsgerichten des Landgerichtsbezirks weitgehend durch die koordinierende Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im summarischen Verfahren ausgeschaltet worden225. Durch die Gerichte seien über die Vernehmung des Angeklagten hinaus ebenfalls keine Ermittlungen im Hinblick auf die Bestimmung der Tagessatzhöhe durchgeführt worden. Gegenüber der Einlassung des Angeklagten, so er denn eine vorgenommen habe, sei selbst ein abweichendes Ermittlungsergebnis im Vorverfahren zurückgetreten. Die Tatsachen, welche die Strafzumessung hätten beeinflussen können, seien nur vereinzelt und in geringer Anzahl in den Urteilen der Einzelrichter und Schöffengerichte aufgetaucht. Besonders im Strafbefehlsverfahren seien nur solche Tatsachen, die mit wenig Arbeitsaufwand ermittelt werden konnten, nämlich vornehmlich Schadenshöhe und Vorstrafen, in die Strafzumessung eingeflossen226. Mit diesem Ergebnis der Untersuchungen ließe sich insbesondere durch den Vergleich mit der bereits von Albrecht227 durchgeführten Untersuchung feststellen, dass zum damaligen Zeitpunkt durch die Einführung des Tagessatzsystems keine Veränderung im Ermittlungsverhalten eingetreten sei. Eine solche Veränderung wäre jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung der angestrebten Opfergleichheit gewesen228. Fleischer hat des Weiteren auch eine Analyse der die Tagessatzhöhe bestimmenden Faktoren durchgeführt. Diese ergab, dass das maßgebliche Kriterium für die Berechnung des Tagessatzes der ausgeübte Beruf des Beschuldigten sei. Habe der Fleischer, Strafzumessung, S. 147. Fleischer, Strafzumessung, S. 155 unter Bezugnahme auf Steffen, Analyse, S. 330, die ebenfalls ausführt, dass die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsinstanz nahezu ausfalle. 224 Fleischer, Strafzumessung, S. 155 unter Bezugnahme auf Albrecht, Strafzumessung, S. 82. 225 Fleischer, Strafzumessung, S. 243. 226 Fleischer, Strafzumessung, S. 155 mit dem Verweis, dass ebendies auch schon von Albrecht, Strafzumessung, S. 82, festgestellt wurde. 227 Albrecht, Strafzumessung. 228 Fleischer, Strafzumessung, S. 156 mit Verweis auf Albrecht, Strafzumessung, S. 205, 222 und 311. 222 223

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Beschuldigte Angaben zu seinem Einkommen gemacht, so seien diese Angaben zumeist dazu benutzt worden, um anhand des ebenfalls angegebenen Berufes zu kontrollieren, ob diese zu akzeptieren seien oder nicht. Dies habe im Ergebnis zu einem hohen Anteil von Schätzungen geführt, da die Angaben des Beschuldigten nur dann hingenommen worden seien, wenn sie im Erfahrungsbereich des jeweiligen Richters bzw. Staatsanwaltes (als verfassender Antragsteller des Strafbefehls) gelegen hätten. Wenn es noch zu einer weiteren Regulierung des Ergebnisses gekommen sei, so durch eine Berücksichtigung von persönlichen Verhältnissen, insbesondere des Familienstandes und bestehender Unterhaltsverpflichtungen. Vermögen oder andere Einkünfte außerhalb des durch Arbeit erzielten Nettoeinkommens seien in der Regel unberücksichtigt geblieben229. Ausschließlich Unterhaltsverpflichtungen hätten Einfluss auf die Tagessatzhöhe gehabt230, leider seien sie systemlos vorgenommen worden und es sei fälschlicherweise auch zu Abzügen bei Ledigen gekommen231. Keine Rolle habe die Regulierung des angerichteten Schadens, die entstehenden Prozesskosten, sonstige Verbindlichkeiten, etwa durch Hausbau, Anschaffungen oder Darlehen gespielt. Einkünfte aus Kindergeld, Wohngeld und sonstige Sozialzuwendungen seien ebenso unberücksichtigt geblieben wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikationen oder 13. und 14. Monatsgehalt232. Das durchschnittliche Tagesnettoeinkommen habe sich ausschließlich an den jeweiligen Monatseinkünften orientiert. Dem potenziellen Einkommen sei in der Praxis keine Bedeutung zugekommen, auch nicht bei vorübergehend Kranken oder Arbeitslosen oder den sogenannten Nur-Hausfrauen233. Bei diesen ebenso wie bei den anderen problematischen Personengruppen, wie Studenten, Wehrpflichtigen, Schülern, Landwirten und Arbeitslosen, hätten sich Taxwerte eingebürgert gehabt; eine weitere Berechnung habe nicht stattgefunden234. Obgleich es für andere bestimmte Berufsgruppen auch Durchschnittseinkommenstabellen gegeben habe, seien diese nicht in Gebrauch gewesen235. Bei den überdurchschnittlich verdienenden Beschuldigten seien ebenfalls als angemessen erachtete Tagessatzhöhen an die Stelle von errechneten Werten getreten236. Fleischer kam insgesamt für die Festlegung der Tagessatzhöhe zu dem Schluss, dass in einer Vielzahl der Fälle entgegen § 40 Abs. 3 StGB nicht die Bemessungsgrundlage sondern zumeist der Tagessatz selbst geschätzt worden sei, dies zudem sehr häufig nicht transparent237. Dies hätte sich aus den in der Untersuchung ermit229 230 231 232 233 234 235 236 237

Fleischer, Strafzumessung, S. 219. Fleischer, Strafzumessung, S. 219. Fleischer, Strafzumessung, S. 245. Fleischer, Strafzumessung, S. 219. Fleischer, Strafzumessung, S. 219. Fleischer, Strafzumessung, S. 220 und 244. Fleischer, Strafzumessung, S. 244. Fleischer, Strafzumessung, S. 220. Fleischer, Strafzumessung, S. 220 und 245.

I. Tagessatzhöhenbemessung in Literatur und empirischer Forschung

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telten Umständen ergeben. In vielen Fällen hätten Angaben zum Einkommen gefehlt, teilweise sogar zum ausgeübten Beruf, oder vorhandene Angaben dazu seien nicht übernommen worden. Zu einer Übernahme sei es nicht gekommen, weil die Angaben als nicht angemessen erachtet worden seien. Hingegen seien aber auch keine Anstrengungen unternommen worden, Ermittlungen oder Überprüfungen vorzunehmen. Hierbei sei die Neigung, nicht nur auf die Ermittlung des Einkommens sondern überhaupt auf die Feststellung der persönlichen Verhältnisse (Beruf, Familienstand) zu verzichten, umso größer je geringer der strafrechtliche Vorwurf238. In den summarischen Verfahren hätten sich keine Hinweise in den Akten gefunden, unter welchen Voraussetzungen der Tagessatz bemessen worden sei. Auch bei den Verfahren mit Hauptverhandlung sei zumeist nur formelhaft festgestellt worden, dass der Tagessatz den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters angepasst sei. Zur Tagessatzzahl hätten sich in den erstinstanzlichen Urteilen bei Geldstrafenausspruch, insbesondere im Gegensatz zur Verhängung von Freiheitsstrafen, so gut wie keine Ausführungen zur Bemessung gefunden239. Des Weiteren habe die Tendenz bestanden, sowohl im Hauptverfahren auf Einspruch hin als auch generell, unter dem Gesichtspunkt der insgesamt zu zahlenden Summe, Korrekturen vorzunehmen. So sei nicht nur die Tagessatzanzahl auf das herabgesetzt worden, was als Mindestmaß erträglich erschien, sondern auch, wenn voriges nicht möglich oder auszureichen schiene, die Höhe des Tagessatzes durch unbegründbare Abzüge vom Einkommen gesenkt worden240. Fleischer ging davon aus, dass in einer Vielzahl der Fälle der Tagessatz falsch bemessen worden war. In Einzelfällen sei eine zu hohe Bemessung zu befürchten, bei dem weitaus größeren Anteil jedoch sei die Tagessatzhöhe wahrscheinlich zu niedrig, also begünstigend bemessen worden241. Dies könne auch dadurch belegt werden, dass eine oberlandesgerichtliche Kontrolle der Geldstrafenbemessung praktisch nicht stattgefunden habe, weil die Beträge von den Verurteilten als so günstig empfunden worden seien, dass selbst Berechnungsfehler bei der Tagessatzhöhe akzeptiert worden wären242. Zusätzlich zu vorher Beschriebenem stellte Fleischer in seiner Untersuchung fest, dass sich die Geldstrafe als Primärstrafe bei Steuerdelikten auch im Bereich über 100 Tagessätze, bei allen anderen Delikten aber nur bei solchen, bei denen bis 100 Tagessätze verhängt werden können, durchgesetzt habe. Hierbei seien die Hauptanwendungsfälle für die Geldstrafe die Straßenverkehrsdelikte i. w. S. und 238 239 240 241 242

Fleischer, Strafzumessung, S. 246. Fleischer, Strafzumessung, S. 246. Fleischer, Strafzumessung, S. 245. Fleischer, Strafzumessung, S. 220. Fleischer, Strafzumessung, S. 246.

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

der Ladendiebstahl. Für diese Delikte, die typischerweise in summarischen Verfahren abgeurteilt würden, hätten sich für die Tagessatzzahl im Wesentlichen einheitliche Werte im Sinne eines Sanktionenkataloges herausgebildet243. Insgesamt kam Fleischer zu dem Schluss, dass die Reform der Geldstrafe aus dem Jahre 1975 im Jahre 1983 als gescheitert anzusehen gewesen sei. 2. Die Stimmen in der Literatur Die Untersuchungsergebnisse von Fleischer sind alarmierend, sie sind jedoch auch aus einem Zeitraum unmittelbar nach Einführung der Tagessatzgeldstrafe. Es könnte sich bei diesen Ergebnissen um das Spiegelbild von Anfangs- oder Anlaufschwierigkeiten bei der Bemessung der Tagessatzgeldstrafenhöhe handeln. Es stellt sich somit die Frage, ob diese vermeintlichen Anlaufschwierigkeiten nunmehr fast 30 Jahre nach der Untersuchung von Fleischer als überwunden gelten können oder sich zur gängigen Praxis manifestiert haben. Eine aktuellere Untersuchung in dem Umfang und mit der Fragestellung, wie sie Fleischer durchgeführt hat, findet sich nicht. Lediglich Janssen244 führte 1994 eine empirische Untersuchung mit dem Titel „Die Praxis der Geldstrafenvollstreckung“ durch, die sich jedoch in dem Bereich, der sich auf die Strafzumessung bei Geldstrafen bezieht, im Wesentlichen auf die Untersuchungen von Fleischer245 und Albrecht246 stützt. Die Untersuchung von Albrecht aus dem Jahre 1980 behandelt zudem nur wenige Geldstrafen nach dem damals neuen Tagessatzsystem und soll deshalb auch hier nicht eingehend erörtert werden. Zudem stellte bereits Fleischer fest, dass sich die Ergebnisse von Albrecht größtenteils in seiner Untersuchung bestätigt hätten247. Dennoch beschäftigt sich die wissenschaftliche Literatur auch mit der Praxis der Geldstrafenbemessung. Weigend stellt fest, dass in der Praxis die Bemessungsgrundlage nur unzureichend ermittelt werde, ohne ausreichende Differenzierung nach den tatsächlichen Einkommensverhältnissen248. Daraus folgt nach Jescheck / Weigend zusammen mit einer hohen Schätzquote, dass ein wesentliches Anliegen des Tagessatzsystems, die Anpassung der Strafe an die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, vereitelt werde249. Häger konstatiert, es sei hinzunehmende Praxis, dass beim Massenanfall der kleineren und mittleren Geldstrafen die Bemessungsgrundlage geschätzt bzw. besonders bei Durchschnittsverdienern bestimmte 243 244 245 246 247 248 249

Fleischer, Strafzumessung, S. 243. Janssen, Praxis, S. 32 ff. Fleischer, Strafzumessung. Albrecht, Strafzumessung. Fleischer, Strafzumessung, S. 156. Weigend, GA 104 (1992), 352. Jescheck / Weigend, Lehrbuch, S. 774.

I. Tagessatzhöhenbemessung in Literatur und empirischer Forschung

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Regel-Tagessätze zur Bemessung herangezogen würden. Dies sei insbesondere deshalb zu akzeptieren, da ansonsten das Verfahren verzögert und das Beweisverfahren bezüglich der Tagessatzhöhe zu unhandlich würde250. Stree stellt fest, dass die Ermittlungen zu den Bemessungsgrundlagen in der Praxis auf große Schwierigkeiten stoßen würden. Verlässliche Angaben des Angeklagten seien zumeist nicht zu erlangen. In diesem Bereich sei auch keine Gewähr für die Wahrheit der Angaben gegeben. Beweisermittlungen, die über diese Angaben hinausgingen, könnten äußerst schwierig sein und unverhältnismäßigen Aufwand erfordern und den Täter zu sehr belasten. Davon ausgenommen sei nur die nach heutiger Gesetzeslage unzulässige Steueraktenanforderung251. Bei Lackner / Kühl findet sich die Feststellung, dass die gegenwärtige Praxis der Geldstrafenhöhenbemessung insbesondere im Bereich der Amtsaufklärungspflicht nicht den theoretischen an sie gestellten Anforderungen genüge. Das Bemühen um Vermeidung unverhältnismäßigen Aufwandes habe zu dem problematischen Zustand geführt, dass sich die Gerichte regelmäßig mit den Angaben des Täters auch dann zufrieden geben würden, wenn beweisrechtlich weitere Ermittlungen nahe lägen252. Indiz für den Wahrheitsgehalt dieser Annahme sei laut Tröndle die spärliche oberlandesgerichtliche Rechtsprechung im thematischen Bereich der Schätzung. Da davon auszugehen sei, dass häufig vorschnell günstige Angaben des Angeklagten übernommen oder das Einkommen unterschätzt würde, bestehe kein Anreiz zur Überprüfung der Tagessatzhöhe in höherer Instanz253. Auch Redlich betont, dass das theoretische Konzept der Tagessatzgeldstrafe zentral von der Ermittlung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters abhänge. Der Umfang der Ermittlungen sei maßgeblich dafür, in welchem Maße das Prinzip der Opfergleichheit verwirklicht werden könne. Gestützt auf die Untersuchungen von Albrecht, Fleischer und Janssen, bemängelt sie die mangelhafte bzw. nicht stattfindende Praxis der Ermittlungen in Bezug auf die Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe, die ihrer Ansicht nach im Bereich der unteren Einkommensgruppen Mitursache für eine erhöhte Anzahl von Ersatzfreiheitsstrafenverbüßern sei, da die gängige sehr ungenaue Schätzungspraxis gerade im untersten Einkommensbereich und Sozialniveau zu einer Überschätzung der Einkommensverhältnisse führe254. Hennig und Bublis stellen fest, dass die Justiz zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Sanktion nur über sehr wenig Informationen zur Bestimmung der Tagessatzhöhe verfüge. Im Strafbefehlsverfahren fänden keine Ermittlungen statt und in der Hauptverhandlung befindet sich der Richter ebenfalls in Unkenntnis der wahren wirtschaftlichen Situation des Angeklagten255. 250 251 252 253 254

LK-Häger, § 40 Rn. 68 m. w. N. Sch / Sch / Stree § 40 Rn. 19. Lackner / Kühl, § 40 Rn. 17. LK-Tröndle, 10. Aufl., § 40 Rn. 62. Redlich, Vermeidung, S. 89 ff.

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Kintzi benennt die aus der herrschenden Ermittlungspraxis resultierende Leidensungleichheit auf Seiten der Verurteilten als Nachteil der Geldstrafe. Das Tagessatzsystem gehe zwar davon aus, dass die Geldstrafe genau auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse abgestimmt werden könne. Genau diese Verhältnisse würden jedoch in der Praxis kaum erforscht. Dies habe zur Folge, dass nirgendwo soviel sanktionslos gelogen würde wie bei der Angabe der wirtschaftlichen Verhältnisse. In diesem Bereich bestehe ein eklatantes Defizit der polizeilichen, staatsanwaltschaftlichen und gerichtlichen Praxis. Infolgedessen trete tatsächlich eine Leidensungleichheit ein, obwohl das Tagessatzsystem den Ansatz für eine Gleichbehandlung biete256. Hellmann führt aus, dass bei der praktischen Handhabung des § 40 Abs. 3 StGB der prozessökonomische Aspekt deutlich im Vordergrund stehe. Da die exakte Feststellung des Nettoeinkommens des Angeklagten einen erheblichen Ermittlungsaufwand erfordern könne, der unter Umständen sogar über das hinausgehe, was zur Erforschung des Tatvorwurfs notwendig sei, verwundere es nicht, dass die zumeist überlasteten Strafgerichte gerne Möglichkeiten zur Verfahrensvereinfachung, die ihnen § 40 Abs. 3 StGB fälschlicherweise zu suggerieren scheint, aufgriffen. Die Tatgerichte akzeptierten zumeist die Angaben des Angeklagten, jedenfalls wenn sie plausibel erschienen, der Angeklagte also nicht zu offensichtlich die Unwahrheit sage. In allen anderen Fällen stützten sie ihre Bemessung im Rahmen der Schätzung auf leicht erreichbare, häufig allerdings nur begrenzt aussagekräftige Hilfstatsachen. Hellmann nennt hier den Beruf, Größe und Lage der Wohnung, das Auto, die Kleidung und sogar die Beauftragung eines teuren Verteidigers257. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der tatsächliche Umgang mit der Festsetzung der Tagessatzhöhe von den vorgenannten Stimmen tendenziell auf die gleiche Weise wahrgenommen und dokumentiert wird. Unabhängig von der jeweiligen Befürwortung oder Ablehnung durch den einzelnen Autor kann festgestellt werden, dass stets wiedergegeben wurde, dass Ermittlungen nicht stattfänden und entweder den Angaben des Delinquenten gefolgt oder geschätzt würde, wobei der Schätzung ein weiter Anwendungsbereich zukomme. Von Selle sieht ebenfalls diesen zu weiten Anwendungsbereich der Schätzung in der Praxis als problematisch an. Bedingt werde er dadurch, dass eine exakte Ermittlung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter dem Diktat von Mangelpensen in der Praxis unmöglich, das Gericht folglich zur Schätzung gezwungen sei258. Tipke geht zudem davon aus, dass die verqueren und zum Teil falschen Kommentierungen zum Nettoeinkommen des § 40 Abs. 2 StGB, die auch 255 Bublis, BewHi 1992, 185. Dies hat laut Bublis zur Folge, dass im Bereich der Geringverdiener zumeist viel zu hohe, unerbringbare Tagessätze festgelegt würden. Hennig, BewHi 1999, 298, 302 spricht vom Verurteilten als unbekanntem Wesen im Strafbefehlsverfahren. 256 Kintzi, BMJ-Abschlussbericht, S. 83. 257 Hellmann, GA 1997, 511. 258 von Selle, JR 2002, 227.

I. Tagessatzhöhenbemessung in Literatur und empirischer Forschung

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dadurch zustande kämen, dass Strafrechtler seiner Einschätzung nach nicht hinreichend mit den Begrifflichkeiten des Einkommensteuerrechts vertraut seien und zudem auch Falsches voneinander abschrieben, in der Praxis auch zu fehlerhafter Strafzumessung führen mögen259. Wenn alle diese Missstände tatsächlich so bestehen, dann wurde die Anpassung der Tagessatzhöhe an die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse de facto aufgegeben. 3. Die Schätzungsbefugnis aus § 40 Abs. 3 StGB im Spannungsfeld zwischen § 244 Abs. 2 und § 261 StPO Die Schätzung findet häufig – zumeist kritische – Erwähnung bei der Beschreibung der Praxis der Tagessatzhöhenbestimmung. Es soll daher an dieser Stelle noch ein theoretischer Blick auf die vom Gesetz angebotenen und gebotenen Ermittlungsmöglichkeiten für die Bemessungsgrundlage der Tagessatzhöhe geworfen werden. Hierbei soll die Eröffnung der Möglichkeit zur Schätzung in § 40 Abs. 3 StGB in ihrem inhaltlichen Umfang und ihrer rechtlichen Zulässigkeit beleuchtet werden. Dazu ist die freie Beweiswürdigung des § 261 StPO und mit ihr in Zusammenhang stehend die Amtsermittlungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO in Bezug zu setzen, speziell im Hinblick auf die für die Tagessatzhöhe erheblichen Bemessungsgrundlagen für das Nettoeinkommen. Ein solches Vorgehen im praxisorientierten Teil der Arbeit rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass alle zuvor genannten Normen als Prozessrecht zu qualifizieren sind und damit den nötigen praktischen Bezug aufweisen. Die Qualifikation als Prozessrecht ergibt sich dabei auch und besonders für § 40 Abs. 3 StGB aus dem Umstand, dass durch die Vorschrift die richterliche Entscheidungsfindung betroffen ist260. § 40 Abs. 3 StGB erlaubt, die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes zu schätzen. Es handelt sich um eine Kann-Vorschrift. Inhaltlich sind die Einkünfte und das Vermögen als exemplarische Nennungen von möglichen Bemessungsgrundlagen für die Tagessatzhöhe zu begreifen. Dem Vermögen kommt dabei nur insofern Bedeutung zu, als es auch im Rahmen des § 40 Abs. 2 StGB von Bedeutung ist, nämlich soweit Einkünfte aus ihm erzielt werden. Umstritten im Rahmen des § 40 Abs. 3 StGB ist, in welchen Fällen und in welchem Umfang durch den Richter geschätzt werden darf. Der Tagessatz als solcher darf ausweislich des Gesetzestextes, der sich auf eine Schätzung der Bemessungsgrundlagen bezieht, nicht geschätzt werden. Somit ist eine Schätzung zulässig in Bezug auf all jene Faktoren, die als Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhe in Frage kommen. Der inhaltliche Umfang der Schätzungsbefugnis ist bei den Tipke, JuS 1985, 351 f. Die Qualifizierung von § 40 Abs. 3 StGB als Prozessrecht ist herrschende Meinung. So auch Hellmann, GA 1997, 505 sowie Krehl, Bemessungsgrundlage, S. 189. 259 260

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

verschiedenen Autoren abhängig von der jeweils vertretenen Meinung zum inhaltlichen Umfang der Tagessatzbestimmung und der Bestimmung des Nettoeinkommens sowie dem Verhältnis der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse zum Nettoeinkommen. Da nach der hier vertretenen Meinung das Nettoeinkommen den alleinigen Faktor für die Bemessung der Tagessatzhöhe darstellt, legt § 40 Abs. 3 StGB den Schätzungsumfang für die Bemessungsgrundlagen des Nettoeinkommens fest. Da der inhaltliche Umfang der Tagessatzhöhenbestimmung oben bereits ausführlich erörtert und dargestellt wurde, ist an dieser Stelle ausschließlich der rechtliche Umfang der Schätzungsbefugnis eingehender zu erörtern. a) Rechtliche Abgrenzung Über die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Schätzung schweigt der Gesetzestext. Damit scheint einer weiten Auslegung sprichwörtlich „Tür und Tor“ geöffnet worden zu sein261. Die Auslegung einer Vorschrift beschränkt sich jedoch nicht auf den hier offen gelassenen Wortlaut, sondern muss überdies unter historischen, systematischen und telelogischen Gesichtspunkten erfolgen. Der rechtliche Umfang der Schätzungsbefugnis steht zunächst im Spannungsverhältnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung des § 261 StPO und als Voraussetzung für diese auch zur Aufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO. Dies ergibt sich aus Folgendem: § 261 StPO erfordert die freie richterliche aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpfte Überzeugung über das Ergebnis einer Beweisaufnahme, damit das Gericht die jeweilige Tatsache in seine Entscheidung einbeziehen darf262. Bei dieser Überzeugung muss es sich um eine persönliche Gewissheit von den entscheidungserheblichen Tatsachen handeln. Dies ist gegeben bei einem ausreichenden Maß an Sicherheit des Richters, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen dürfen263. Um genau diese Gewissheit zu erlangen, muss das Gericht zuvor nach § 244 Abs. 2 StPO die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen erstrecken. Beweisantizipation ist grundsätzlich nicht erlaubt264. Die Amtsaufklärungspflicht ist somit Voraussetzung der freien richterlichen Beweiswürdigung. Die Freiheit der Beweiswürdigung setzt erst dann ein, wenn die Aufklärungspflicht erfüllt ist265. 261

Die Nichtnennung von Voraussetzungen wird auch kritisiert von Hellmann, GA 1997,

515. 262 Ausführlich und m. w. N. zur freien Beweiswürdigung des Richters siehe Geppert, JURA 2004, 105 ff. 263 LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 7 und Meyer-Goßner, § 261 Rn. 2 m. w. N. 264 Zur Amtsermittlungspflicht im Allgemeinen siehe auch Geppert, JURA 2003, 255 ff. und Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 1 – 62 sowie zum Verhältnis von Amtsaufklärungspflicht und freier Beweiswürdigung LR-Gollwitzer, § 244 Rn. 45 f. 265 Geppert, JURA 2004, 107, Herdegen, StV 1992, 592, KK-Herdegen, § 244 Rn. 18 und LR-Gollwitzer, § 244 Rn. 45.

I. Tagessatzhöhenbemessung in Literatur und empirischer Forschung

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Eine Verobjektivierung der persönlichen richterlichen Überzeugungsbildung streben die Revisionsgerichte an, wenn sie strenge Anforderungen an die „freie“ Beweiswürdigung stellen. Die subjektive Überzeugung des Richters kommt nämlich nur dann rechtsfehlerfrei zustande, wenn sie auf tragfähiger Tatsachengrundlage beruht und aus einer von einem Dritten nachvollziehbaren lückenlosen Argumentation erwächst266. Soweit die Schätzungsbefugnis des § 40 Abs. 3 StGB reicht, muss jedoch die freie Beweiswürdigung des Richters eingeschränkt sein, denn Schätzung und Überzeugung schließen sich schon begriffsnotwendig durch die der Schätzung immanent innewohnende Unsicherheitskomponente aus267. Das Gericht kann gerade nicht von der jeweils mittels Schätzung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage im Sinne eines Fürwahrhaltens ohne persönlichen Zweifel überzeugt sein. Da die Überzeugungsbildung im Rahmen der freien Beweiswürdigung bestimmt wird durch die Amtsermittlungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO, ist zu klären, inwieweit die Schätzungsbefugnis auch die Amtsermittlungspflicht des Richters begrenzt bzw. umgekehrt. Das Verhältnis von Schätzungsbefugnis und Aufklärungspflicht ist strittig268 und der Streit ist neuralgischer Punkt für die theoretischen Vorgaben an die Praxis in Bezug auf den Ermittlungsumfang für die Bemessungsgrundlagen des Tagessatzes. aa) Vorweg: Amtsermittlungspflicht und Strafbefehlsverfahren Ein Aspekt aus der Praxis könnte bei diesem Streit auch in der Theorie von Bedeutung sein. Ein sehr hoher prozentualer Anteil der Geldstrafen wird im Strafbefehlsverfahren ohne Hauptverhandlung verhängt. Daten für Baden-Württemberg weisen einen Anteil von Verhängungen der Geldstrafe im Strafbefehlsverfahren (ohne Einspruch) von 86,9 % für das Jahr 2004 auf269. Leider wird dieses Verhältnis nicht bundeseinheitlich durch das Bundesstatistikamt ermittelt, so dass für die Gegenwart nur die Statistik von Baden-Württemberg herangezogen werden kann. Aber bereits Fleischer fand für das Jahr 1979 für den Landkreis Gießen heraus, dass ca. 65 % der Geldstrafen im Strafbefehlsverfahren verhängt wurden. Es ist also davon auszugehen, dass ein relativ hoher Prozentsatz der Geldstrafen im Wege des Strafbefehlsverfahrens ohne Hauptverhandlung, also ohne Einspruch gegen den Strafbefehl, verhängt wird. Meyer-Goßner, § 261 Rn. 2 m. w. N. So auch Hellmann, GA 1997, 503. 268 Zumeist werden die beiden Normen direkt in Verbindung gesetzt, wobei die Verknüpfung über § 261 StPO nicht hergestellt wird. Im Ergebnis läuft es jedoch immer auf eine Betrachtung des Verhältnisses von § 244 Abs. 2 StPO zu § 40 Abs. 3 StGB hinaus. 269 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, Strafverfolgung 2004 in Baden-Württemberg, B I V 1 – j / 04, Stuttgart 2005. 266 267

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Im Strafbefehlsverfahren270 legt der Staatsanwalt nach Abschluss der Ermittlungen dem Gericht, zumeist dem Einzelstrafrichter, einen Strafbefehlsentwurf vor, in dem die zur Last gelegte Straftat sowie die zu verhängende Rechtsfolge genau benannt werden. Der Richter kann dann, so er weitere Ermittlungen nicht für nötig hält und auch ansonsten von der Schuld des Delinquenten überzeugt ist, diesen Strafbefehl unterzeichnen, womit das Verfahren bei Ausbleiben eines Einspruchs nach § 410 StPO sein Ende findet. Dies bedeutet, dass bei einer Geldstrafenverhängung, die mit einem Strafbefehl ihren Abschluss findet, die Ermittlungen zur Sache, zur Strafzumessung und auch zur Strafanpassung in der Regel271 vollständig in den Händen der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen der Polizei liegen. Insbesondere auch die Festsetzung der Tagessatzhöhe erfolgt initiativ nach den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft. Der Strafbefehl steht einem Urteil gleich und ist damit eine richterliche Entscheidung, die ebenso wie die Entscheidungsfindung in einer Hauptverhandlung den allgemeinen Prozessmaximen unterliegen muss. Das Strafbefehlsverfahren soll die Gerichte bei einfach gelagerten Fällen entlasten. Daraus kann man aber nicht, ebenso wie auch nicht im Umkehrschluss aus § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO schließen, dass ein Strafbefehl schon bei hinreichendem Verdacht erlassen werden dürfe272. Dies liefe dem Rechtsstaatsprinzip entgegen, denn so entspräche der Strafbefehl einer nur auf Verdachtsmomente begründeten Verurteilung, die ihre Grundmotivation zudem in der Verfahrensökonomie hätte. Daraus folgt, dass der Richter auch von der Schuld des Angeklagten überzeugt sein muss273. Die richterliche Beweiswürdigung bleibt zwar auf das Studium der jeweiligen Akten beschränkt, dennoch muss der Richter auch seiner Amtsaufklärungspflicht aus § 244 Abs. 2 StPO nachkommen. Er muss daher entscheiden, ob die bereits vorgenommenen Ermittlungen aufgrund der Einfachheit des Falles ausreichen, um einem Strafbefehl zu genügen, der wohlgemerkt ausdrücklich in seiner Rechtskraft einem Urteil gleichgestellt ist. Erkennt der Richter, dass die Sachverhaltsaufklärung nicht ausreichend war, so kann er den Strafbefehl nicht erlassen. Dies gilt auch in Bezug auf die Rechtsfolgen. Der Richter muss den Vorschlag der Staatsanwaltschaft zur Rechtsfolge nachvollziehen und ebenfalls für richtig befin270 Zum Ablauf des Strafbefehlsverfahrens siehe Roxin, Strafverfahrensrecht, § 66, Fezer, ZStW 106 (1994), 16 ff. und Ambos, JURA 1998, 285. 271 So es sich nicht um die Verhängung eines Strafbefehls aus einer Hauptverhandlung heraus gemäß § 408a StPO handelt. 272 So im Ergebnis jedoch Meyer-Goßner, § 408 Rn. 7 und Roxin, Strafverfahrensrecht, S. 471, die hinreichenden Tatverdacht für den Erlass eines Strafbefehls genügen lassen wollen. Schaal, GS Meyer, S. 440 ff. hält diesen Umkehrschluss nicht für zwingend. Er will aber auch keine Überzeugung fordern, sondern „Gewissheit“, die irgendwo, abstrakt nicht beschreibbar zwischen dem hinreichenden Tatverdacht und der Überzeugung nach § 261 StPO schwebt. 273 So auch Ambos, JURA 1998, 287 f., Fezer, ZStW 106 (1994), 20, LR-Gössel, Vor § 407 Rn. 11, KK-Fischer, § 408 Rn. 15, Rieß, JR 1988, 133 ff, Rieß / Hilger, NStZ 1987, 204 und Meurer, JuS 1987, 885.

I. Tagessatzhöhenbemessung in Literatur und empirischer Forschung

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den. Sind die Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe nicht abschließend ermittelt worden, sondern geschätzt, stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage nach der Einschränkung der Amtsaufklärungspflicht durch die Schätzungsbefugnis. Gemäß § 160 Abs. 2 und 3 StPO unterliegt auch die Staatsanwaltschaft der Amtsaufklärungspflicht. Im Übrigen ist sie gemäß Nr. 175 RiStBV angehalten, keinen Strafbefehl zu beantragen, wenn Umstände zur Rechtsfolgenbestimmung noch der Aufklärung bedürfen. Trotzdem ist auch beim Strafbefehlsverfahren das Verhältnis von richterlicher Amtsaufklärungspflicht und Schätzungsbefugnis zu erörtern, weil die Entscheidungsverantwortung beim Strafbefehl ausschließlich beim Richter liegt. Dies könnte der Grund sein, warum sich bei der Erörterung der Abgrenzung von Amtsaufklärungspflicht und Schätzungsbefugnis in der Literatur keine besonderen Verweise auf das Strafbefehlsverfahren finden lassen. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass den Autoren der Umstand des hohen prozentualen Anteils der Verhängungen von Geldstrafen im Strafbefehlsverfahren beim Verfassen der entsprechenden Passagen nicht hinreichend bewusst war. In den nachfolgenden Erörterungen zur Abgrenzung von Amtsermittlungspflicht und Schätzungsbefugnis soll hingegen die quantitative Bedeutung des Strafbefehlsverfahrens für die Geldstrafenverhängungen insgesamt nicht außer Acht gelassen werden. bb) Der Meinungsstand In Literatur und Rechtsprechung wird größtenteils von einer Einschränkung der Amtsermittlungspflicht durch die Schätzungsbefugnis des § 40 Abs. 3 StGB ausgegangen274. Dies hat zur Folge, dass die Schätzung nicht mehr wie vom Reformgesetzgeber275 vorgesehen nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweismitteln ultima ratio für die Feststellung der Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe sein soll, sondern das Verhältnis umgekehrt wird276. Die Schätzung wird zur Regel, während die korrekte Ermittlung im Rahmen der Aufklärungspflicht auf solche Fälle von größerer Bedeutung beschränkt bleiben soll277. Hiergegen wendet sich Krehl und unternimmt zur Umfangsbestimmung der Schätzungsbefug274 So im Ergebnis LR-Gollwitzer, § 244 Rn. 21, KK-Herdegen, § 244 Rn. 34, LK-Tröndle, 10. Aufl., § 40 Rn. 61, Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 20, LK-Häger; § 40 Rn. 68 ff., Fischer, § 40 Rn. 19, Lackner / Kühl, § 40 Rn. 17 und Hofmann, StraFo 2003, 75. 275 Vergleiche hierzu BT-Drs. V / 4095, S. 21. 276 Gegen die Einordnung als ultima ratio: LR-Gollwitzer, § 244 Rn. 22, KK-Herdegen, § 244 Rn. 34, LK-Tröndle, 10. Aufl., § 40 Rn. 61 und Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 20 mit Verweis auf die h. M.; ein wenig offen gelassen: SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 15, der die Einordnung als ultima ratio wohl befürworten würde, wenn da nicht die verfahrensökonomischen Argumente der Praxis wären, der de facto also die ultima ratio Einordnung ablehnt. Ebenso LK-Häger, § 40 Rn. 68 ff., Fischer, § 40 Rn. 19 und Lackner / Kühl, § 40 Rn. 17, die alle auch die Amtsermittlungspflicht aufgrund verfahrensökonomischer Aspekte eingeschränkt sehen. 277 So Fischer, § 40 Rn. 18, wonach die Genauigkeit der Ermittlungen von der Anzahl der Tagessätze abhängen soll, oder Ising, Ermittlung S. 79, die sogar eine Abhängigkeit von Tagessatzanzahl und -höhe annimmt.

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

nis einen breit angelegten Auslegungsversuch des § 40 Abs. 3 StGB. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Schätzungsbefugnis gerade noch mit Art. 103 Abs. 2 GG hinsichtlich ihres Bestimmtheitsgrades vereinbar sei. Zur Schätzung dürfe jedoch nur übergegangen werden, wenn tatsächliche oder rechtliche Gründe ein Normalverfahren nach § 244 Abs. 2 StPO hinderten278. Grundsätzlich sind zwei Blickwinkel bei der Erörterung des Spannungsverhältnisses von § 40 Abs. 3 StGB und § 244 Abs. 2 StPO denkbar. Es handelt sich hierbei um die zwei möglichen wechselseitigen Blickwinkel von einer Vorschrift zur jeweils anderen. Nachvollzieht man den Blick von § 40 Abs. 3 StGB auf die Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO in der materiellstrafrechtlichen Literatur279, so lassen sich beinahe stereotyp die folgenden Aussagen finden: Zum einen sei die Schätzungsbefugnis des § 40 Abs. 3 StGB eröffnet und damit die Aufklärungspflicht eingeschränkt, wenn der Beschuldigte keine, unzureichende oder unzutreffende bzw. unglaubhafte Angaben über seine finanziellen Verhältnisse mache280. Dies habe zur Folge, dass eine Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Beweismittel unterbleiben könne. Dabei habe die Schätzung jedoch zumindest auf festgestellten und im Urteil dargelegten Tatsachen zu beruhen. Ohne Aufwand zu erreichende Beweismittel müssten Berücksichtigung finden281. Dies sei zum Teil mit, zum Teil ohne Verweis auf den Massenanfall kleinerer Kriminalität nötig, da ansonsten die Gerichte mit den Ermittlungen zu den Einkommensverhältnissen überlastet seien und der Betroffene durch die Ausforschung unnötig belastet282. Von dem anderen Blickwinkel aus, ausgehend von § 244 Abs. 2 StPO, werden die materiellrechtlichen Schätzungsklauseln, als da wären §§ 40 Abs. 3, 73b, 73d Abs. 2 und 74c Abs. 3 StGB sowie § 8 Abs. 3 Satz 1 WiStG zumeist gemeinsam betrachtet. Überdies treibt die Wissenschaft und Rechtsprechung auch die gesetzlich nicht explizit geregelte Zulässigkeit von Schätzungen zum Schuldumfang um283. Zu den gesetzlich geregelten Schätzklauseln und damit zu § 40 Abs. 3 StGB wird dabei, wenn auch in Abstufungen, festgestellt, dass die Amtsermittlungspflicht durch die Schätzklauseln insofern eingeschränkt sei, dass nur hinreichend sichere Anhaltspunkte ermittelt werden müssten, die nach der Lebenserfahrung 278 Zur Auslegung des § 40 Abs. 3 StGB siehe Krehl, Ermittlung, S. 186 ff.; zum festgestellten Verhältnis zur Amtsermittlungspflicht S. 273 f. 279 Also vornehmlich in den Kommentaren zum Strafgesetzbuch. 280 Vgl. explizit hierzu auch OLG Düsseldorf, StV 95, 643. 281 LK-Tröndle, 10. Aufl., § 40 Rn. 61, Fischer, § 40 Rn. 19, SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 15, Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 20 und Lackner / Kühl, § 40 Rn. 17. 282 LK-Tröndle, 10. Aufl., § 40 Rn. 61, der sogar von einer Durchforschung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen spricht, sowie SK-StGB / Horn, § 40 Rn. 15, Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 20 und wohl auch Lackner / Kühl, § 40 Rn. 17, der jedoch in Anlehnung an Hellmann GA 1997, 503 ff. seine Aussagen wohl ein wenig relativiert und zudem Kritik an der Praxis der Tagessatzhöhenbemessung übt. 283 Vgl. dazu z. B. BGHSt 40, 374 (377) mit Anmerkung Bohnert, NStZ 1995, 460 ff.

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eine hinreichend sichere Schätzung erlaubten. Dies folgt daraus, dass für die richterliche Überzeugung nach § 261 StPO stets hinreichende Sicherheit gefordert wird und damit auch für die Schätzungsgrundlagen284. Da es der Sinn der Schätzklauseln sei, die Gerichte von der Beweiserhebung zu entlasten, könnten darüber hinausgehende Ermittlungen unterbleiben. Ein Verstoß sei jedoch anzunehmen, wenn Schätzungen auf bloße Vermutungen gestützt würden285. Zwei Argumente werden also de facto für die weitgehende Einschränkung der Aufklärungspflicht – im Übrigen eine der Prozessmaximen des deutschen Strafrechts – angeführt: Zum einen verfahrensökonomische Gründe, zum anderen mögliche Belastungen des Beschuldigten286. (1) Mögliche Belastungen des Beschuldigten Zweifelsohne ist es denkbar, dass dem Beschuldigten durch die Erforschung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse Belastungen auch in Form von Verletzungen einfachen Rechts oder Grundrechtsverletzungen drohen. Sofern eine solche Belastung die Qualität einer Rechtsverletzung zumindest einfachen Rechts im Rahmen unserer Rechtsordnung nicht erreicht, sie sich also nur im Sinne eines als „unangenehm“ Empfindens äußert, ist sie jedoch in jedem Fall nicht geeignet, Einfluss auf den Umfang der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO zu nehmen. Das Vorliegen einer Rechtsverletzung und ihr Umfang sind davon abhängig, welche Erforschungsmethode gewählt und wem die Ergebnisse jeweils bekannt werden. Ob die Gefahr der Verletzung zu einer Einschränkung der Amtsaufklärungspflicht führen kann, kann nur durch eine Abwägung des gefährdeten Rechts gegen die Interessen und Maximen der Strafverfolgung ermittelt werden. Drei Verletzungsmöglichkeiten sind dabei grundsätzlich unabhängig von der Ermittlungsmethode zu befürchten. Zum einen eine Verletzung der Rechte des Betroffenen durch Kenntniserlangung der Auskunftsquelle von der möglichen Rechtsverfehlung des Beschuldigten, zum anderen durch Kenntniserlangung Dritter von der finanziellen Situation des Beschuldigten als Ermittlungsergebnis sowie durch eine Selbstbelastung des Beschuldigten anlässlich seiner Befragung durch das jeweilige Strafverfolgungsorgan. Siehe dazu BGH NStZ 1982, 478 sowie LR-Gollwitzer, § 261 Rn. 13. LR-Gollwitzer, § 244 Rn. 22 f., der von der Notwendigkeit spricht nach pflichtgemäßem Ermessen zumindest die Ausgangstatsachen zu ermitteln, wobei eine völlige Ausermittlung unnötig und von der durch die im Text genannten Aspekte insofern modifizierten Aufklärungspflicht auch nicht gefordert sei. KK-Herdegen, § 244 Rn. 34 sieht die hier genannten Aspekte zwar auch als relevant zur Einschränkung der Aufklärungspflicht, sie kommen jedoch nur sekundär neben dem primären Gesichtspunkt der bereits hinreichend sicheren Schätzung aufgrund zweifelsfrei festgestellter Schätzungsgrundlage zur Geltung. Somit kann festgestellt werden, dass die von Herdegen vertretene Meinung gegenüber der hier dargestellten, wohl h. M., eine Abstufung zugunsten des Geltungsbereiches der Aufklärungspflicht darstellt. 286 Hellmann, GA 1997, 512 stellt zu letzterem fest, dass der so proklamierte „Täterschutz“ eine Pietät sei, die dem Strafverfahren ansonsten völlig fremd wäre. 284 285

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(a) Die Selbstbelastung Die Befragung des Beschuldigten ist selbst im Strafbefehlsverfahren das Mindestmaß der durchzuführenden Ermittlungen. Gemäß § 160 Abs. 3 StPO i.V. m. Nr. 14 RiStBV ist die Staatsanwaltschaft gehalten, dabei auch die wirtschaftliche Situation des Beschuldigten insbesondere auch in Bezug auf mögliche Rechtsfolgen zu erforschen. Macht der Beschuldigte, später Angeklagte, dazu wahrheitsgemäße Angaben, so ist zu konstatieren, dass dies die Information mit der höchsten Qualität darstellt. Leider wird der Betroffene im Hinblick auf eine eventuell festzusetzende Geldstrafe bestrebt sein, sich entweder gar nicht zu äußern oder aber unwahre, jedoch nach außen noch glaubhafte Aussagen zu diesem Thema zu machen. Denn durch Angabe der tatsächlichen finanziellen Situation ist aus Sicht des Beschuldigten eine Selbstbelastung finanzieller Art zu fürchten. Fraglich ist an dieser Stelle jedoch nicht, ob diese Selbstbelastung, so sie unter Zwang erfolgte, gegen das Nemo-tenetur-Prinzip verstoßen würde, sondern ob allein die Befürchtung eines Verstoßes gegen das Nemo-tenetur-Prinzip die Amtsermittlungspflicht in Bezug auf das Nettoeinkommen des Beschuldigten bzw. des Angeklagten einschränken kann. Wörtlich übersetzt bedeutet „nemo tenetur se ipsum accusare“ „Niemand darf gezwungen werden, sich selbst zu beschuldigen / anzuklagen“. Die Selbstbelastungsfreiheit, das Nemo-tenetur-Prinzip, hat viele dogmatische Herleitungsversuche287 und eine lange Geschichte. Gemeinhin wird das Prinzip so verstanden, dass niemand gezwungen werden darf, gegen seinen Willen zu seiner eigenen Überführung beizutragen288. Das Nemo-tenetur-Prinzip ist weder im Strafprozessrecht noch in der Verfassung namentlich erwähnt, gehört jedoch zu den anerkannten Prinzipien des Strafprozessrechts. Dort spiegelt sich der Gedanke des Verbotes von zwangsweiser strafrechtlicher Selbstbelastung in einer Vielzahl von strafprozessualen Regelungen wider; zu nennen sind hier vor allem die Belehrungsvorschriften über das Schweigerecht des Beschuldigten, die §§ 136 Abs. 1 Satz 2 und 243 Abs. 4 Satz 1 StPO289. Obgleich die genaue Schutzbereichsumgrenzung des Nemo-tenetur-Prinzips umstritten ist, kann im Kern für das Prinzip festgehalten werden, dass es im Strafprozess die Mittel zur Beweiserhebung beschränkt. So wird die Art und Weise, wie in Bezug auf ein bestimmtes Beweisthema ermittelt werden darf, vom Nemo-tenetur-Prinzip umgrenzt. Es stellt jedoch keine Beweisthemabeschränkung dar. Es beschränkt die technischen Möglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht, 287 Eine sehr ausführliche Übersicht zum Streitstand findet sich bei Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 21 ff. Weniger ausführliche, jedoch dennoch übersichtliche Darstellungen des Streitstandes findet sich bei Schneider, Grund, S. 37 ff. sowie Bosch, Aspekte, S. 28 ff. 288 BVerfGE 56, 37 (43), Schneider, Grund, S. 28, Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 173 und Rogall, Beschuldigte, S. 59. 289 Dazu LK-Geppert, 11. Aufl., § 142 Rn. 64, ders., BA 1992, 289, 294 und SK-StPO / Rogall, Vor § 133 Rn. 130.

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das jeweilige Thema zu ermitteln. Diese Situation findet sich jedoch bei fast allen Beweisthemen. Damit befindet sich das jeweilige Beweisthema aber nicht grundsätzlich außerhalb der Amtsermittlungspflicht. Würde man dies anders sehen, so wären Ermittlungen im Rahmen des Strafprozesses beinahe gänzlich ausgeschlossen. Allein die Befürchtung eines Verstoßes gegen das Nemo-tenetur-Prinzip ist damit nicht geeignet, die Amtsermittlungspflicht grundsätzlich in ihrem Umfang in Bezug auf ein bestimmtes Beweisthema, hier das Nettoeinkommen des Delinquenten, zu beschränken bzw. auszuschließen, um so eine Schätzung in Bezug auf das Beweisthema zu rechtfertigen. Das Argument für die Einschränkung der Amtsaufklärungspflicht durch eine zu befürchtende Selbstbelastung des von Strafverfolgung Betroffenen läuft insofern leer. (b) Belastung durch Kenntniserlangung Dritter von der finanziellen Situation Die zweite Verletzungsvariante, nämlich die Belastung durch Kenntniserlangung Dritter von der finanziellen Situation, ist zunächst in einem nur recht kleinen prozentualen Anteil der Gesamtzahl der verhängten Tagessatzgeldstrafen zu befürchten. Dies hängt damit zusammen, dass das Gros der Geldstrafen im nicht öffentlichen Strafbefehlsverfahren verhängt wird290 und die finanzielle Situation bei diesem Verfahren nur dem Beschuldigten selbst und den Strafermittlungsorganen bekannt wird. Bei allen anderen Verfahren könnte einer solchen Verletzung durch Ausschluss der Öffentlichkeit für die Zeit der Erörterung der finanziellen Situation in der Hauptverhandlung begegnet werden. Der Öffentlichkeitsgrundsatz, welcher in § 169 GVG ebenso festgeschrieben ist wie auch in Art. 6 Abs. 1 MRK, stünde in diesem Fall im Widerstreit mit der Amtsermittlungspflicht. In den §§ 171a ff. GVG, die im Übrigen nicht nur, aber auch im Strafverfahren ihre Geltung haben, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, die Öffentlichkeit zeitweise oder ganz bei einem Gerichtsverfahren auszuschließen, so die Erörterungen in der Hauptverhandlung geeignet sind, die Rechte der durch das Verfahren Betroffenen zu verletzen. Der Ausschluss darf dabei nicht generell, sondern nur in den §§ 171a ff. GVG genannten Fällen erfolgen. Insofern ist dem hohen Stellenrang des Öffentlichkeitsprinzips, insbesondere auch im Strafverfahren, in dem es inquisitionsgleiche Prozesse verhindern und damit auch zum Schutz des Angeklagten vor Geheimjustiz hinter verschlossenen Türen dienen soll, Rechnung getragen. Um die Rechte der Betroffenen nicht zu verletzen, aber dennoch den umfangreichen Pflichten im Rahmen der Aufklärungspflicht nachkommen zu können, kann somit in explizit genannten Fällen die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Zwei wechselseitige gesetzgeberische Wertungen können dieser Situation entnommen werden. Zum einen 290 In Baden-Württemberg lag der prozentuale Anteil der Strafbefehle ohne Einspruch an den Geldstrafenverhängungen insgesamt bei 86,9 %. Siehe Statistisches Landesamt BadenWürttemberg, Strafverfolgung 2004 in Baden-Württemberg, B I V 1 – j / 04, Stuttgart 2005.

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ist es eine Wertentscheidung für den Amtsermittlungsgrundsatz und damit für umfassende Ermittlung auch im Rahmen der dort genannten Themenkreise zuungunsten des Öffentlichkeitsgrundsatzes, aber zugunsten des Betroffenen291. Zum anderen ist davon auszugehen, dass in allen anderen dort nicht genannten Bereichen Rechtsverletzungen auf Seiten der Betroffenen durch die Kenntniserlangung der Öffentlichkeit dem Strafverfolgungsinteresse untergeordnet werden. Der Angeklagte ist somit als möglicher Betroffener von den Vorschriften der §§ 171a ff. GVG zum Ausschluss der Öffentlichkeit – der insbesondere über § 172 Nr. 2 GVG in Betracht kommt – soweit vor Rechtsverletzungen durch Kenntniserlangung Dritter von seiner finanziellen Situation geschützt, dass eine Einschränkung der Aufklärungspflicht durch die Gefahr darüber hinausgehender Belastungen und Rechtsverletzungen nicht in Betracht kommt. Des Weiteren ist es der Tagessatzgeldstrafe systemimmanent, dass die Öffentlichkeit von der Einkommenssituation des Verurteilten durch Verkündung der Tagessatzhöhe erfährt. Wollte man dies nun verhindern, indem man eine umfassende Aufklärungspflicht bezogen auf die finanzielle Situation leugnet, so ist dies gegenläufig zum erstrebten Reformzweck der Opfergleichheit durch Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse. (c) Belastung durch Kenntniserlangung der Auskunftsquelle von der möglichen Rechtsverfehlung des Betroffenen Des Weiteren kommt eine Belastung des Beschuldigten durch die Kenntniserlangung der Auskunftsquelle von der möglichen Rechtsverfehlung des Beschuldigten anlässlich der Erforschung der finanziellen Situation zur Bemessung der Tagessatzhöhe in Betracht. Auch hier können nur Belastungen mit der Qualität einer Rechtsgutsverletzung als mögliche Argumente zur Einschränkung der Aufklärungspflicht fungieren. Bei dieser Konstellation sind dann der Aufklärungsgrundsatz und mit ihm die Interessen der Strafverfolgung direkt gegen die betroffenen Rechtsgüter des Beschuldigten abzuwägen. Ermittlungen in der Hauptverhandlung zur Rechtsfolgenseite haben ebenso wie zum Tatvorwurf im Strengbeweisverfahren zu erfolgen292. Das Ermittlungsverfahren, welches entweder dem Zwischen- und damit dem Hauptverfahren oder aber dem Erlass eines Strafbefehls vorgeschaltet ist, dient neben der Entscheidungsfindung, ob eine Anklage zu erheben ist, auch der Beweismittelsicherung im Hinblick auf die Durchführung der Hauptverhandlung. Die Ermittlungsmethoden unterliegen dabei grundsätzlich nicht den strengen Vorschriften des Strengbeweisverfahrens293. Da der Strafbefehl nur dann erlassen werden kann, wenn die Einfachheit der Sache nach Abschluss der Ermittlungen festgestellt wurde, kann davon aus291 292 293

Meyer-Goßner, GVG, § 171b Rn. 1. Beulke, StPO, Rn. 180. Zur Funktion des Ermittlungsverfahrens siehe Gleß, Beweisrechtsgrundsätze, S. 283.

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gegangen werden, dass das Ermittlungsverfahren, auch wenn es mit dem Strafbefehl endet, grundsätzlich auch darauf ausgerichtet sein sollte, die in der Hauptverhandlung zulässige Beweisführung vorzubereiten. Aufgrund dieser vorbereitenden Funktion im Hinblick auf die später durchzuführende Hauptverhandlung ist bei der möglichen Belastung des Beschuldigten durch das Ermittlungsverfahren von den Mitteln des im Hauptverfahren zulässigen Strengbeweisverfahrens auszugehen. Der Unmittelbarkeitsgrundsatz294 gebietet dabei die Erhebung des bestmöglichen Beweises, wobei der unmittelbar-originäre Beweis dem mittelbar-abgeleiteten Beweis in der Regel vorzuziehen ist295. Im Rahmen des Personalbeweises wird dem Unmittelbarkeitsgrundsatz dadurch Rechnung getragen, dass gemäß § 250 StPO die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung zu einer durch ihn wahrgenommenen Tatsache dem Verlesen der Niederschrift von dieser Vernehmung im Vorfeld der Hauptverhandlung vorzuziehen ist. Damit kommt vornehmlich die Befragung von Zeugen in der Hauptverhandlung, aber auch im Ermittlungsverfahren im Vorfeld und die damit verbundene Kenntniserlangung derselben sowie die damit verbundenen möglichen Auswirkungen als Belastung des Beschuldigten in Betracht. Die mögliche Belastung ergibt sich hier aus dem persönlichen Kontakt von Richter, Staatsanwalt oder Polizist mit dem jeweiligen Zeugen unter Bezugnahme auf die Rechtsverfehlung des Beschuldigten. Dadurch könnte das Bild des Beschuldigten in der Gesellschaft beschädigt werden. Je nach Art des Zeugen könnten auch zusätzliche Belastungen hinzukommen, wie z. B. Verlust des Arbeitsplatzes oder der Kreditwürdigkeit bei Vernehmung von Arbeitgebern und Kreditinstituten. Dies ist mit zunehmender Schwere der Tat, umso mehr zu befürchten. Gerade aber bei Taten, bei denen eine geringe Tagessatzanzahl verhängt werden soll, die also ihrer Bedeutung nach geringes Gewicht haben, wird aufgrund der entstehenden Belastungen davon ausgegangen, dass Ermittlungen und damit auch Zeugenbefragungen zur finanziellen Situation nur sehr eingeschränkt von Nöten sein sollen. Gerade bei diesen Taten leichter Kriminalität, der sogenannten Bagatellkriminalität, ist jedoch eine Ehrbeschädigung durch Kenntniserlangung des jeweiligen Zeugen nicht zu befürchten. Dies ergibt sich daraus, dass gerade aufgrund der geringen Schwere der Kriminalität die Gesellschaft nur sehr bedingt mit sozialer Ausgrenzung reagiert. Solch eine Ausgrenzung, die sich in einer Ehrverletzung des Beschuldigten spiegelt, ist vielmehr bei Taten von größerer Bedeutung zu befürchten, die wiederum nach der Literatur auch umfangreichere Ermittlungen zur Rechtsfolgenseite erfordern. Das Argument zur Einschränkung der Amtsermittlungspflicht, dass gerade bei geringer Bedeutung der Sache ausführliche Ermittlungen den Delinquenten zu sehr belasten würden, kann also nicht greifen. Fraglich ist, ob solch eine Belastung bei Delikten der mittleren und schweren Kriminalität zu fürchten ist. Zur Erforschung der Rechtsfolgenseite, insbesondere 294 Ausführlich zum Unmittelbarkeitsgrundsatz, zu seiner geschichtlichen Entwicklung, seinen theoretischen und dogmatischen Grundlagen siehe Geppert, Grundsatz. 295 Siehe hierzu Geppert, Grundsatz, S. 166 ff.

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der finanziellen Situation, wäre eine Vernehmung von Familienangehörigen und Freunden, Bankangestellten, des jeweiligen Arbeitgebers, von Geschäftspartner, von Finanzbeamten, Bediensteten der jeweils einschlägigen Sozialbehörden, als da z. B. wären der Agentur für Arbeit, des Sozialamtes, des Wohnungsgeldamtes etc.296 denkbar. Soweit es sich bei möglichen Zeugen, deren Aufzählung hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, um Bedienstete einer Behörde handelt, ist davon auszugehen, dass aufgrund der Anonymität der Organisation staatlicher Behörden und aufgrund der Amtsverschwiegenheitspflicht Ehrverletzungen des Betroffenen nicht zu befürchten sind. Auch kann die Befragung dieser Zeugen gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 a) StPO durch Verlesung einer entsprechenden Urkunde in der Hauptverhandlung ersetzt werden. Diese Urkunde wird durch die jeweilige Behörde zu entsprechendem Thema erstellt; im Ergebnis handelt es sich damit um eine weitgehend anonymisierte Datenauskunft, so dass der persönliche Kontakt hierbei weitestgehend minimiert ist. Zudem ist aufgrund der Normgebundenheit der Amtsträger nicht damit zu rechnen, dass leistungsgewährende Behörden oder Finanzbehörden aufgrund der Kenntnis von einem eingeleiteten Strafverfahren gegen den Beschuldigten ihre Leistungen zuungunsten des Betroffenen minimieren oder einstellen. Diese Gefahr droht schon eher in Form eines Kreditverlustes297 bei der Befragung von Bankangestellten, ist jedoch ebenso bei den leichteren Delikten als eher unwahrscheinlich einzustufen. Auch ist zu bedenken, dass das Bankenwesen, ähnlich den staatlichen Behörden, weitestgehend anonymisiert ist. Man denke nur an die weit verbreitete Praxis des Online-Bankings, bei dem mittlerweile jeglicher persönlicher Kontakt zwischen dem Kunden und der Bank ausgeschaltet ist. Gegen den inhaltlichen Nutzwert einer Bankauskunft spricht zudem, dass die Auskunft einer Bank eventuell nur sehr bruchstückhaft sein kann, wenn finanzielle Geschäfte, wie vielfach üblich, nicht nur über eine Bank abgewickelt werden298. Dieses Argument lässt sich auch gegen die sinnvolle und ökonomische Verwertbarkeit der Aussagen von Geschäftspartnern des Beschuldigten anführen, da diese meist auch nur ein bruchstückhaftes Bild der Geschäftspraxis ihres Partners liefern können. Der drohende Ehrverlust bei der Befragung von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten erreicht nicht die Qualität einer Rechtsverletzung, insbesondere aufgrund des Öffentlichkeitsgrundsatzes ist eine Kenntnisnahme stets zu befürchten. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass solche Zeugen, die aufgrund der engen Verbundenheit zum Beschuldigten eventuell im Stande sind, detaillierte Angaben zur finanziellen Situation zu machen, aufgrund der Zeugnisverweigerungsrechte als Zeugen relativ ungeeignet sind299. Unser Sozialstaat hat ja bekanntlich viele Ausprägungen. So Ising, Feststellung, S. 110. 298 Werden Bankgeschäfte jedoch nur über ein Konto abgewickelt, so kann eine Bankauskunft durchaus ökonomisch sein. Problem ist jedoch, dass es dazu stets der persönlichen Befragung eines Bankangestellten bedarf, da Banken keine Behörden sind. So auch Ising, Feststellung, S. 110. 296 297

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Auf alle diese Möglichkeiten der Beweisaufnahme und die, die nach geltendem Prozessrecht darüber hinaus noch denkbar sind, soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Dies findet seine Rechtfertigung in der Tatsache, dass alle diese Ermittlungsmethoden in der Praxis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe keine Akzeptanz gefunden haben; sie werden de facto seit über 30 Jahren nicht praktiziert300. Lediglich eine – besondere – Ermittlungsmöglichkeit soll an dieser Stelle noch erörtert werden. Inhaltlich am umfangreichsten, zumindest bei Erwerbstätigen301 und solchen Personen mit anderweitigem Einkommen, dürfte wohl die Auskunft der Finanzbehörde sein. Bei nicht erwerbstätigen Personen kann aufgrund der Struktur unseres Sozialstaates und der großen Toleranz der Bürger bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen davon ausgegangen werden, dass die entsprechenden Leistungsträger gute Auskünfte über das jeweilige Nettoeinkommen im Sinne der Vorschrift liefern könnten. Die besondere Eignung der Finanzbehörde als Auskunftsstelle indes ergibt sich aus der Tatsache, dass diese diejenige Institution ist, die sich vornehmlich mit Ermittlungen zur finanziellen Situation der Bürger, mit der Einkommensermittlung, befasst. Sieht man von einer bei geltendem Recht möglichen Verletzung des Steuergeheimnisses sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Nemo-tenetur-Prinzips gerade durch den Vorgang der Auskunftserteilung der Finanzbehörde an die Strafverfolgungsorgane ab, kann festgestellt werden, dass bei dieser Auskunftserlangung zumindest im Hinblick auf die Belastung des Beschuldigten durch Kenntniserlangung der Auskunftsquelle von seiner Rechtsverfehlung die geringsten Auswirkungen zu befürchten sind302; denn auch die Finanzbehörde gehört zur oben genannten Kategorie der Behörden. Mögliche Belastungen des von der Strafverfolgung Betroffenen durch Kenntniserlangung der Quelle von der Strafverfehlung oder durch Kenntniserlangung der Öffentlichkeit von der wirtschaftlichen Situation des Delinquenten sind damit nicht geeignet, die Amtsermittlungspflicht grundsätzlich einzuschränken.

299 Vergleiche hierzu die auch heute noch aktuellen Ausführungen von Krehl, Ermittlung, S. 128 ff. 300 Eine recht ausführliche wenngleich nicht sehr aktuelle aber dennoch brauchbare Übersicht der Beweismittel (ohne Aussage zur Akzeptanz) findet sich bei Krehl, Ermittlung, S. 122 ff. 301 Bei nicht erwerbstätigen Personen kann aufgrund der Struktur unseres Sozialstaates und der großen Toleranz der Bürger bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen davon ausgegangen werden, dass die entsprechenden Leistungsträger gute Auskünfte über das jeweilige Nettoeinkommen im Sinne der Vorschrift liefern könnten. 302 So im Ergebnis auch Ising, Feststellung, S. 111 in Bezug auf den Vergleich von Bankauskünften und solchen von den Finanzbehörden.

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(2) Verfahrensökonomische Gründe Auch verfahrensökonomische Gründe werden zur Einschränkung der Amtsaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO und zur Begründung eines weiten Anwendungsumfanges des § 40 Abs. 3 StGB angeführt. Drei Gründe sprechen gegen diese Einschränkung durch benannte Schätzklausel. Es handelt sich dabei um eine historische, eine systematische und eine teleologische Argumentationsführung. Historisch gesehen war es Anliegen des damaligen Reformgesetzgebers, eine Schätzklausel zu erlassen, die als ultima ratio eine Schätzung in den Fällen erlauben sollte, in denen aufgrund von tatsächlichen Beweisschwierigkeiten eine Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nicht möglich wäre. Nicht erfasst werden sollten hingegen die Fälle, in denen die Ermittlung zu aufwendig erschiene. Auch der alte § 27b StGB erforderte bereits eine Ermittlung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse, sah jedoch eine Schätzklausel nicht vor. Die Einführung einer Schätzklausel war jedoch unerlässlich geworden. Zum einen ließ sich die Geldstrafe systemnotwendig nicht mehr ohne einen Wert für die Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe bestimmenden Faktoren verhängen. Zum anderen sollte die Schätzklausel auch der Opfergleichheit zwischen den Tätern dienen. Über die Möglichkeit zur Schätzung kann nämlich verhindert werden, dass diejenigen Täter, deren wirtschaftliche Situation nicht ermittelbar ist, aufgrund von Beweisschwierigkeiten übervorteilt werden gegenüber denjenigen, deren wirtschaftliche Situation sich sehr einfach feststellen lässt. Gesichtpunkte der Opfergleichheit sind es auch, die im Rahmen der teleologischen Argumentation gegen eine Ausweitung des rechtlichen Umfangs der Schätzungsbefugnis aus verfahrensökonomischen Gründen sprechen. Im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe dient das Splitting in Tagessatzzahl und Tagessatzhöhe – insbesondere die mit ihm einhergehende angestrebte besondere individuelle Anpassung an die wirtschaftliche Situation des Täters – der Opfergleichheit der Sanktion Geldstrafe. Es widerspricht damit der Intention und dem Konzept der Tagessatzgeldstrafe, aus verfahrensökonomischen Gründen im Bereich dieser besonderen Individualisierung der Strafe zu schätzen, denn die ausreichende Ermittlung in diesem Bereich ist unerlässliche Voraussetzung zur Anpassung der Strafe an das Individuum Täter303. Daraus ergibt sich, dass der Zweck der Einführung des Tagessatzsystems durch Schätzungen außerhalb dieses ultima ratio-Bereichs der tatsächlich unermittelbaren Bemessungsgrundlagen systemwidrig unterlaufen wird. Dies bedeutet nicht mangelndes Verständnis für die zumeist überlasteten Strafgerichte und Staatsanwaltschaften. Der Überlastung durch sehr umfangreiche Ermittlungsarbeit muss jedoch anders begegnet werden als mit einer Einschränkung der Amtsermittlungspflicht contra legem. Als letztes kann ein systematisches Argument greifen. Selbst in den Verfahrensarten, denen explizit eine Vereinfachung des Verfahrens aus verfahrensökono303

So auch Hellmann, GA 1997, 509 und 514.

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mischen Gründen auf die Fahne geschrieben steht, dem beschleunigten Verfahren und dem Strafbefehlsverfahren, ist eine Einschränkung der Amtsermittlungspflicht nicht vorgesehen. Obwohl diese Verfahren explizit der Verfahrenserleichterung und der Prozessökonomie dienen sollen, ist in § 420 Abs. 4 StPO für das beschleunigte Verfahren und für das Hauptverfahren nach Einspruch gegen einen Strafbefehl i.V. m. § 411 Abs. 2 StPO normiert, dass die Amtsermittlungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO in diesen Verfahren keine Einschränkung erfährt. Also selbst in den Fällen, in denen unstreitig eine Modifizierung des Verfahrens aus verfahrensökonomischen Gründen vorgenommen wurde, kommt es nicht zur Einschränkung der Amtsermittlungspflicht. Lediglich eine Modifizierung des Beweisantragsrechts wurde vorgenommen. Folglich kann die Amtsermittlungspflicht erst recht nicht dort eingeschränkt sein, wo eine Einführung der Vorschrift aus verfahrensökonomischen Gründen historisch nicht gegeben ist, wo ein verfahrensökonomischer Zweck erst später systemwidrig und gegen das Konzept der Opfergleichheit unzulässigerweise hineininterpretiert wurde. Dies bedeutet, dass bei der Festlegung der Tagessatzgeldstrafe, die nicht der Prozessökonomie, sondern der Schaffung von Opfergleichheit dienen soll, eine Einschränkung der Amtsermittlungspflicht durch die Schätzklausel erst recht nicht in Betracht kommt304. b) Fazit zum zulässigen Anwendungsbereich der Schätzung Die Amtsermittlungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO wird nicht durch die Schätzungsbefugnis des § 40 Abs. 3 StGB eingeschränkt. Dies bedeutet, dass alle möglichen Bemessungsgrundlagen zur Tagessatzhöhenfestlegung auch umfassend zu ermitteln sind. Schätzungen aus prozessökonomischen Gründen kommen ebenso wenig in Betracht wie aus zu fürchtenden Belastungen des Delinquenten. Der Schätzung verbleibt als ultima ratio ein sehr eingeschränkter, aber zur Durchsetzung von Opfergleichheit durchaus notwendiger Anwendungsbereich in solchen Fällen, in denen auch bei vollständiger Ausschöpfung aller Beweismittel kein entsprechender Wert für die jeweilige Bemessungsgrundlage ermittelt werden kann. Diese Fälle sind dann gegeben, wenn die entsprechende Bemessungsgrundlage keinen Marktwert besitzt oder sich einer exakten Ermittlung entzieht. Dies kommt insbesondere bei der Festlegung von potenziellem Einkommen oder aber auch bei tatsächlich nicht aufklärbarem Einkommen in Betracht305. Im Falle zulässiger Schätzung kommt es dann über die Einschränkung der Amtsermittlungspflicht auch zu einer systemnotwendigen Einschränkung des § 261 StPO. Natürlich kollidiert diese Auffassung mit den verfahrensökonomischen Anforderungen der Praxis. Sie ist jedoch zunächst als dogmatisch einwandfrei hinzunehmen und an späterer Stelle zu erörtern, ob den Anforderungen der Praxis nicht durch einen anderen So auch Hellmann, GA 1997, 514. So auch Hellmann, GA 1997, 506 f., der als Beispielsfälle für die zulässige Schätzung jedoch neben dem potenziellen Einkommen auch das Hausfraueneinkommen als Einkommen ohne ermittelbaren Marktwert nennt. 304 305

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Weg als der vollständigen Außerkraftsetzung der Aufklärungspflicht sinnvoll begegnet werden kann. 4. Zwischenergebnis Die Bemessung der Tagessatzgeldstrafe beruht mehr auf Schätzung denn auf Tatsachen. Ermittlungen werden in dem Bereich der Tagessatzhöhe nicht durchgeführt. Die Herrschaft über die Festlegung der Tagessatzgeldstrafe liegt bedingt durch die Dominanz der summarischen Verfahren im Bereich der Geldstrafenverhängung zu großen Teilen bei der Staatsanwaltschaft. Dies sind zusammengefasst die für diese Untersuchung wichtigsten Ergebnisse Fleischers in Bezug auf die Bemessung der Tagessatzhöhe im Jahre 1979. Dies alles scheint auch heute noch so zu sein. Es ist zu befürchten, dass sich auch heute kein in großen Teilen abweichendes Bild ergeben würde, wenn die Untersuchung auf die gleiche Weise durchgeführt würde wie Fleischer es tat. Indiz hierfür ist sowohl die Reflexion der Tagessatzhöhenbestimmung in der Literatur als auch die weit verbreitete Auffassung, die Schätzungsbefugnis schränke den Amtsermittlungsgrundsatz ein, die grundsätzlich abzulehnen ist. Zudem lassen mehrere oberlandesgerichtliche Urteile306, insbesondere des Berliner Kammergerichts307, darauf schließen, dass auch 30 Jahre nach Einführung der Tagessatzgeldstrafe kaum Ermittlungen durchgeführt werden und dass nicht nur die Bemessungsgrundlagen, sondern der Tagessatz selbst geschätzt werden. Dabei beanstandeten alle Urteile den Umfang der beim Amtsgericht durchgeführten Ermittlungen bzw. Feststellungen in Bezug auf die Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe. Bei allen Urteilen war das erstinstanzliche Gericht von ungenügenden Tatsachengrundlagen ausgegangen. Oben genannte Schlussfolgerung hält jedoch nicht dem (natur-)wissenschaftlichen Anspruch an einen ordnungsgemäß geführten Beweis einer Tatsache stand. Zum einen könnten diese Urteile zufällig diejenigen sein, bei denen es ausnahmsweise beim Amtsgericht zu Fehlern bei der Tagessatzhöhenbemessung gekommen war, während die Masse der Urteile den gesetzlichen Vorgaben genügte. Gerade aus diesem Mangel heraus war es dann zur Revision gekommen. Die Revisionsurteile dokumentierten in diesem Fall nur Ausnahmen von der Regel und bekundeten gerade das Gegenteil, nämlich, dass es kaum zu Fehlern bei der Rechtsfolgenfestsetzung der Tagessatzhöhe kommt. Andererseits könnten diese Urteile aber auch nur die Spitze des Eisberges sein. Ein Großteil der sonstigen Urteile wären dann genauso falsch zustande gekommen, die jeweils Verurteilten haben aber aus welchen Gründen auch immer den Rechtsweg nicht beschritten, sei es, weil ihnen dazu die Kraft (seelisch, körperlich, finanziell) fehlte, sei es, weil das Urteil für sie akzeptabel, vielleicht sogar günstig war. In diesem Bereich sind vielschichtige Gründe denkbar. OLG Hamm, Beschluss vom 02. 11. 1999 – 2 Ss 699 / 99. KG, Beschluss vom 31. 03. 2004 – (5) 1 Ss 268 / 03 (52 / 03), KG, StV 2005, 89, KG, Beschluss vom 07. 09. 2001 – (3) 1 Ss 140 / 01 (57 / 01) und KG, Beschluss vom 16. 08. 1999 – (5) 1 Ss 202 / 99 (41 / 99). 306 307

II. Die eigene Umfrage

89

Zu befürchten ist, dass eher das Szenario des Eisberges der Realität entspricht. Obgleich es im Rahmen dieser Arbeit schon aus Zeitgründen nicht möglich ist, eine ähnlich umfangreiche Untersuchung wie Fleischer durchzuführen, soll dennoch, wenn auch auf anderem Weg, eine empirische Untersuchung zur heutigen Praxis der Bemessung der Tagessatzhöhe in die Arbeit einfließen.

II. Die eigene Umfrage Zielsetzung der Umfrage war herauszufinden, wie die Höhe eines Tagessatzes in der Praxis bemessen wird und ob sich bei dieser Bemessung das oben aufgezeigte Bild der zu bemängelnden Geldstrafenhöhenfestsetzung erhärten lässt. Dabei sollte sowohl herausgefunden werden, welche Faktoren inhaltlich von der Praxis als die einschlägigen für das Nettoeinkommensprinzip angesehen werden, als auch in welchem Umfang Ermittlungen zu den Bemessungsgrundlagen des Tagessatzes durchgeführt werden oder gerade nicht. Weitere Zielsetzung war die Erlangung eines Feedbacks für einige im Rahmen der vorangegangenen Untersuchungen entwickelte eigene Thesen. 1. Aufbau und Ablauf der Durchführung Zielgruppe der Befragung sollten Strafrichter und Staatsanwälte sein. Diese Zielgruppe wurde gewählt, da die Strafrichter sowohl mit der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für Tagessätze in der Hauptverhandlung befasst sind als auch die Entscheidungsträger der Geldstrafensanktion darstellen und zwar sowohl bei der Verhängung in der Hauptverhandlung als auch durch Strafbefehl. Staatsanwälte boten sich an, da sie im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Herrschaft über die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen haben und in Bezug auf den Erlass eines Strafbefehls anschließend an die durchgeführten Ermittlungen bei der Verhängung einer Geldstrafe auch die Tagessatzhöhe festlegen bzw. vorschlagen, die der Strafrichter dann verhängen kann. Zudem sind Staatsanwälte sozusagen Zeugen des Prozesses der Geldstrafenverhängung in jedem Verfahren, in dem ein Richter eine Geldstrafe verhängt. Um diese Zielgruppe zu erreichen, wurde ein Fragebogen erstellt, der mit freundlicher Unterstützung der damaligen Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Richterbundes Frau Mävers per E-Mail an die einzelnen Landesverbände des Deutschen Richterbundes im Juli 2006 verteilt wurde, mit der Bitte, den Fragebogen von dort aus an die Mitglieder zu verteilen. Die einzelnen Mitglieder sollten dann die Möglichkeit haben, den Fragebogen entweder am PC auszufüllen und per E-Mail an die Verfasserin zurückzusenden, oder aber den Postweg zu wählen. Damit ging der Fragebogen zumindest potenziell an die über 13 000 Mitglieder des Deutschen Richterbundes, von denen jedoch ein Großteil aufgrund der Nichtzugehörigkeit zur Zielgruppe als Befragte ausschied.

90

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Der Fragebogen ist von der Verfasserin selbst gestaltet und verfasst worden und war als Formulardokument ausgelegt. Dies bedeutet, dass zumindest theoretisch nur die freigegebenen Kästchen und Textfelder durch den jeweils Antwortenden ausfüllbar sein sollten. Leider wurde der Formularschutz auf dem Weg des Versendens entfernt, so dass gerade die fraglichen Kästchen und Textfelder nicht verändert werden konnten. Findige Umfrageteilnehmer ersetzten die Kästchen jedoch einfach durch ein „x“, um den Fragebogen dennoch zu bearbeiten. Dieses technische Problem fiel nach den ersten Rückläufen der Fragebögen auf. Daher wurde nach einer Testphase der Versendung des Dokuments an unterschiedliche PCs erneut eine Versendung an die Mitglieder des Deutschen Richterbundes in der Hoffnung unternommen, dass danach mehr Rückläufe zu verzeichnen sein könnten. Leider kam es trotz positiv verlaufenen Tests auch beim zweiten Anlauf zu einer Aufhebung des Formularschutzes und damit zu einer erschwerten Ausfüllmöglichkeit des Fragebogens. Nach alledem war der Rücklauf insgesamt sehr gering. Dies könnte zum Teil auf die technischen Probleme zurückzuführen sein, aber wohl auch darauf, dass solcherart Umfragen erfahrungsgemäß relativ geringen Rücklauf haben. Eine Kopie des versendeten Fragebogenformulars findet sich im Anhang. 2. Auswertung Wie bereits erwähnt, kam nur eine sehr geringe Anzahl ausgefüllter Fragebögen zurück. Namentlich handelt es sich um achtundzwanzig Exemplare. Es steht außer Frage, dass die Auswertung dieser Fragebögen kein repräsentatives Ergebnis im Sinne der statistischen Wissenschaft hervorbringen kann. Eine Auswertung lässt sich dennoch rechtfertigen. Diese ausgefüllten Fragebögen sind gleichzusetzen mit der Führung von achtundzwanzig Einzelinterviews mit Personen der betroffenen Zielgruppe und zwar gestreut über das gesamte Bundesgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Dabei ist noch festzuhalten, dass sechs der achtundzwanzig Befragten nach eigenen Angaben Staatsanwälte und die restlichen zweiundzwanzig Strafrichter waren. Wenn auch aufgrund der fehlenden Repräsentativität keine Rückschlüsse auf die gesamte Zielgruppe gezogen werden dürfen, so können doch zumindest Tendenzen sichtbar werden in Bezug auf die in diesem Bereich der Strafrechtspflege herrschenden Meinungen. Dies rechtfertigt eine Auswertung und auch die Möglichkeit, in einer Gesamtschau mit den zuvor erarbeiteten Ergebnissen aus ihr Schlüsse auf die herrschende Praxis der Geldstrafenanpassung zu ziehen. a) Frage 1: Die Faktoren der Bemessung Die erste Frage zielte darauf ab herauszufinden, welche Faktoren für die Bemessung der Tagessatzgeldstrafe in der Praxis vorliegen und auch herangezogen werden. Nicht intendiert war zu erfahren, wie das Nettoeinkommen des § 40 Abs. 2 StGB in der Theorie nach Meinung der Befragten zu bestimmen sei. Als Antwort wurden sowohl unterschiedliche Auswahlmöglichkeiten für hinzuzurechnende Fak-

II. Die eigene Umfrage

91

toren als auch abzuziehende, aber auch die Möglichkeit der Angabe eigener Faktoren durch den Antwortenden zugelassen. Es gab bei jedem Faktor die Möglichkeit, sich zwischen einer seltenen und einer häufigen Berücksichtigung zu entscheiden. Angedacht war, dass bei seltener Berücksichtigung „selten“, bei häufiger Berücksichtigung „häufig“ und bei Nichtberücksichtigung nirgendwo ein Kreuz gemacht würde. Da ein sehr großer Anteil der Fragebögen bei jedem Faktor stets ein Kreuzchen bei „selten“ oder „häufig“ aufwies, wurde die Fragestellung vermutlich so verstanden, dass in jedem Fall ein Kreuzchen pro Faktor zu machen sei. Die Schuld an diesem Missverständnis, so es denn bestand, trägt zweifellos die Verfasserin als Fragebogenerstellerin. Angesichts dieser Sachlage steht zu befürchten, dass die Werte für seltene Berücksichtigung sowohl die seltene Berücksichtigung umfassen als auch die Nichtberücksichtigung. Da sich dies nicht mehr herausfinden lässt, waren die Werte für die selten berücksichtigten Faktoren inhaltlich mit Vorsicht zu betrachten, denn „selten“ könnte auch „nie“ bedeuten. Dies war in der Auswertung zu berücksichtigen. Eindeutiger sollten die Werte für häufige Berücksichtigung sein. Wobei sich auch hier Bewertungsungenauigkeiten durch die von den Befragten eventuell zugrunde gelegte unterschiedliche Definition von „häufig“ ebenso ergeben können wie dadurch, dass bestimmte Faktoren im Arbeitsgebiet des einen Befragten eine größere Rolle spielen als im Arbeitsbereich des anderen. Da die Umfrage jedoch auf das Erstellen eines Meinungsbildes ausgelegt war, musste mit diesen Ungenauigkeiten gerechnet werden, sie fanden in der nun folgenden Auswertung hinreichende Berücksichtigung. Achtundzwanzig Personen der Befragten sahen das Einkommen aus selbstständiger oder unselbstständiger Arbeit des Verurteilten als häufig hinzuzurechnenden Faktor. Bei dem Einkommen aus den restlichen Einkommensarten des EStG ist das Bild genau zweigeteilt. Vierzehn Befragte sahen diese anderen Einkommensarten als häufig berücksichtigt, die anderen vierzehn als selten, wobei alle Staatsanwälte die seltene Berücksichtigung ankreuzten. Zum Ehegatteneinkommen als die Tagessatzhöhenbestimmung beeinflussenden Faktor machten zwei keine Angabe, vier gaben seltene und zweiundzwanzig häufige Berücksichtigung an. Das Vermögen fände laut vierundzwanzig Befragten selten Berücksichtigung, vier gaben eine häufige Berücksichtigung an. Ähnlich verhält es sich bei der Berücksichtigung des Lebenszuschnittes, zwei machten keine Angabe, vierundzwanzig kreuzten seltene, nur zwei häufige Berücksichtigung an. Bezüglich des Berufes als Faktor machte eine Person keine Angabe, zwölf sahen den Beruf selten, fünfzehn häufig als berücksichtigt. Eine Berücksichtigung des vom Täter erhaltenen Unterhalts – also Zahlungen, die der Täter erhält, nicht die er selbst leistet – beurteilten sechs als selten berücksichtigt und zwanzig als häufig, zwei machten keine Angaben. Beim Kindergeld machten wiederum zwei Personen keine Angaben, zehn sahen das Kindergeld in seltenen Fällen, sechzehn in häufigen Fällen berücksichtigt, wobei alle sechs Staatsanwälte sich bei der seltenen Berücksichtigung wiederfinden oder keine Angaben zu diesem Faktor gemacht haben. Erhaltene Sozialleistungen sahen sechsundzwanzig als häufig berücksichtigt an, nur zwei als selten. Die ersparten

92

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Aufwendungen bei Bewohnung eines Eigenheims sahen sechzehn als selten berücksichtigt, zwei machten keine Angabe, zehn als häufig. Das optionale Textfeld für zusätzliche hinzuzurechnende Faktoren neben den bereits genannten wurde ebenso von keinem der Befragten in Anspruch genommen wie dasjenige für zusätzliche abzuziehende Faktoren. Bei diesen abzuziehenden Faktoren beurteilten siebenundzwanzig Befragte die Unterhaltsverpflichtungen als häufig berücksichtigt, nur einer als selten. Bei den Aufwendungen für den täglichen Bedarf des Täters sprachen sich fünfundzwanzig für seltene, einer für häufige Berücksichtigung aus, zwei machten keine Angabe. Ähnliches findet sich beim Schuldenabbau, vier machten keine Angabe, dreiundzwanzig kreuzten seltene Berücksichtigung, nur einer häufige an. Aus dieser Verteilung ergibt sich, dass sich die aufgeführten Faktoren in drei Gruppen aufteilen lassen. Die erste Gruppe beinhaltet jene Faktoren, die eindeutig als häufig berücksichtigt klassifiziert wurden, die zweite jene, die eindeutig als selten oder gar nicht berücksichtigt klassifiziert wurden, wobei zu dieser Klassifizierung aus schon oben angeführten Gründen die Ergebnisse für keine Angaben und seltene Berücksichtigung zusammengezählt wurden. Für diese beiden Gruppen wurde eine eindeutige Klassifizierung im Sinne eines deutlichen Überwiegens dann angenommen, wenn 75 % der Befragten den jeweiligen Faktor einer der beiden Gruppen zugeordnet haben. Dieser relativ hohe Prozentsatz wurde sowohl aufgrund der oben genannten Unsicherheitsfaktoren bezüglich des inhaltlichen Befragungsergebnisses als auch aufgrund der relativ geringen Anzahl der Befragten gewählt. Zu diesen zwei Gruppen tritt dann als letzte schließlich jene, bei denen eine Klassifizierung nicht möglich ist, da die Zuordnung zu häufiger Berücksichtigung oder nie bis seltener Berücksichtigung sich nahezu die Waage hält. Ein solch ausgeglichenes Verhältnis wurde angenommen, wenn die Übereinstimmung in der jeweiligen Kategorie zwischen 40 % und 60 % betrug. Zur ersten Gruppe der Faktoren, deren Klassifizierung eindeutig im Bereich der häufigen Berücksichtigung anzusiedeln ist, gehört das Einkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit mit 100 % Übereinstimmung bei den Befragten, das Ehegatteneinkommen mit 78,57 %, und die erhaltenen Sozialleistungen mit 92,87 % als hinzuzurechnende Faktoren sowie die als Abzugsposten zu berücksichtigenden Unterhaltsverpflichtungen des Täters mit 96,43 %. Der zweiten Gruppe, welche die eindeutig nicht bzw. nur selten als berücksichtigt klassifizierten Faktoren umfasst, gehören der Lebenszuschnitt mit 92,85 % und das Vermögen mit 85,71 % Übereinstimmung bei den Befragten als hinzuzurechnende Faktoren an. Als abzuziehende Faktoren finden sich in der zweiten Gruppe die Aufwendungen für den täglichen Bedarf und die Schulden bzw. der Schuldenabbau mit je 96,43 %. Der dritten Gruppe derer, bei denen eindeutig Uneinigkeit über die Klassifizierung besteht, kann das Einkommen aus den restlichen Einkunftsarten des EStG

II. Die eigene Umfrage

93

(außer aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit) zugeordnet werden. Hier findet sich die Aufteilung von 50 % zu 50% für die Zuordnung zu häufig bzw. zu nie bis selten berücksichtigt. Dieser Gruppe kann auch der Beruf mit der Aufteilung von 46,43 % (nie bis selten) zu 53,57 % (häufig) und das Kindergeld mit 42,85 % (nie bis selten) zu 57,14 % (häufig) zugeordnet werden.

Tabelle 1 Tatsa¨chliche Verteilung der Antworten (in Prozent) bei Frage 1 Frage 1: In den Kommentaren und der Literatur werden die verschiedensten theoretischen Modelle zur Bestimmung der Tagessatzhöhe vertreten. Mich interessiert jedoch welche Faktoren in der Praxis tatsächlich und zwar fernab von jeglicher Theorie oder Dogmatik als Werte vorliegen und für die Bemessung auch herangezogen werden.

keine Angaben

gesamt

davon StA

selten

gesamt

häufig

davon StA

gesamt

davon StA

28 (100)

6

Hinzuzurechnende Faktoren: Einkommen (aus unselbstständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit) Einkommen (aus den restlichen Einkunftsarten des EStG) Ehegatteneinkommen

2 (7,14)

2

Vermögen

14 (50)

6

14 (50)

4 (14,29)

2

22 (78,57)

24 (85,71)

6

4 (14,29)

2

Lebenszuschnitt

2 (7,14)

2

24 (85,71)

2

2 (7,14)

2

Beruf

1 (3,57)

1

12 (42,86)

3

15 (53,57)

2

erhaltener Unterhalt

2 (7,14)

2

6 (21,43)

20 (71,43)

4

Kindergeld

2 (7,14)

2

10 (35,71)

erhaltende Sozialleistungen ersparte Aufwendungen bei Bewohnung eines Eigenheims

4

2 (7,14) 2 (7,14)

2

16 (57,14)

16 (57,14) 26 (92,87)

4

6

10 (35,71)

Abzurechnende Faktoren: Unterhaltsverpflichtungen

1 (3,57)

Aufwendungen für den täglichen Bedarf

2 (7,14)

Schulden(abbau)

4 (14,29)

2

27 (96,43)

25 (89,29)

6

1 (3,57)

23 (82,14)

4

1 (3,57)

6

94

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Für die Faktoren, die nunmehr noch nicht zugeordnet werden konnten, können aufgrund der nicht eindeutigen Prozentzahlen in Kombination mit den bereits erwähnten Unsicherheiten nur tendenzielle Zuordnungen zu den drei Gruppen vorgenommen werden. Darunter fallen die ersparten Aufwendungen bei Bewohnung eines Eigenheims, die mit der Aufteilung von 64,28 % (nie bis selten) zu 35,71 % (häufig) tendenziell der dritten Gruppe, mit Tendenz jedoch zur zweiten zugeordnet werden können, sowie der erhaltene Unterhalt, der mit der Aufteilung von 28,57 % (nie bis selten) zu 71,43 % (häufig) tendenziell der ersten Gruppe zugeordnet werden kann, mit Tendenz zur dritten. Tabelle 2 Einteilung in Klassifizierungsgruppen Gruppe 1

Gruppe 3

Gruppe 2

(häufig)

(eindeutig uneindeutig)

(nie bis selten)

Lebenszuschnitt

Einkommen

Einkommen

(aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit)

(aus den restlichen Einkunftsarten des EStG)

erhaltene Sozialleistungen

Beruf

Vermögen

Kindergeld

Aufwendungen für den täglichen Bedarf

Ehegatteneinkommen Unterhaltsverpflichtungen erhaltener Unterhalt

Schuldenabbau ersparte Aufwendungen bei Bewohnung eines Eigenheims

Was kann diese Einteilung in Klassifizierungsgruppen nun inhaltlich sagen? Die Faktoren der ersten Gruppe sind solche, die in der Praxis häufig Berücksichtigung finden, folglich von der Praxis als solche, die als Bemessungsgrundlage die Höhe des Tagessatz mitzubestimmen haben, anerkannt werden. Die Faktoren der zweiten Gruppe sind solche, denen eine solche Anerkennung in der Praxis fehlt; sie werden selten oder nie berücksichtigt, werden von den Praktikern aus welchen Gründen auch immer nicht als geeignet empfunden, die Tagessatzhöhe mitzubestimmen. Bei den Faktoren der dritten Gruppe findet sich eine solche eindeutige Einschätzung nicht; dies sind die Faktoren, bei denen (auch) in der Praxis umstritten ist, ob sie Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhe sein sollen. Damit ergibt sich, dass in der Praxis folgenden Faktoren als Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhe besondere Bedeutung zukommt, nämlich (1) dem Einkommen aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit, (2) erhaltenen Sozialleistungen, (3) dem Ehegatteneinkommen, (4) den Unterhaltsverpflichtungen und tendenziell wohl auch (5) dem erhaltenen Unterhalt. Überraschend ist es, dass neben den anderen Faktoren, die bei dieser Zuordnung nicht überraschen, auch das Ehegatteneinkommen in Gruppe 1 vorzufinden ist. Dies könnte darauf hindeuten,

II. Die eigene Umfrage

95

dass bei verheirateten Tätern eventuell doch das Familieneinkommen berücksichtigt wird. Es könnte aber auch lediglich der Tatsache geschuldet sein, dass bei Ehepartnern ohne Einkommen das Ehegatteneinkommen des jeweils anderen, in welcher Weise auch immer, für die Berechnung der Tagessatzhöhe des einkommenslosen Ehegatten herangezogen wird. Dies lässt sich aus der vorgegebenen Fragestellung ebenso wenig differenzieren wie aus dem gefundenen Ergebnis. So ist lediglich zur Kenntnis zu nehmen, dass dem Ehegatteneinkommen als Bemessungsgrundlage unbekannter Funktion eine nicht unbeachtliche Bedeutung zukommt. Es ist den Praktikern also in jedem Fall nicht fremd, im Rahmen einer Bemessung auch auf das Ehegatteneinkommen zurückzugreifen. Den folgenden Faktoren kommt in der Praxis mit ihrer Zuordnung zu Gruppe 2 gerade tendenziell keine Bedeutung als Bemessungsgrundlage für die Tagessatzhöhenbestimmung zu, nämlich (1) dem Lebenszuschnitt, (2) dem Vermögen, (3) den Aufwendungen für den täglichen Bedarf und (4) dem Schuldenabbau. Hierbei ist Vielfältiges anzumerken. Dass dem Lebenszuschnitt keine Bedeutung zukommt, ist dogmatisch (also theoretisch) einwandfrei, widerspricht jedoch den oben herausgearbeiteten Stimmen aus der Literatur, wonach Schätzungen auch aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes, des gefahrenen Autos, des engagierten Verteidigers etc. vorgenommen werden sollen308. Des Weiteren verneint es für die Praxis die theoretische Meinung, nach der die Tagessatzhöhe des „Nur-Ehepartners“ aus dessen Lebenszuschnitt zu bilden sei. Die Zuordnung des Vermögens in diese Gruppe könnte besagen, dass die Theorie derer, die das Vermögen als tagessatzerhöhenden Faktor sehen, in der Praxis verneint wird. Sie könnte jedoch auch der Tatsache geschuldet sein, dass nur in seltenen Fällen Täter mit Vermögen verurteilt werden und daher nur selten Vermögen zu berücksichtigen ist. Die Nichtberücksichtigung von Aufwendungen des täglichen Bedarfs und für Schulden bzw. deren Abbau ist mit der Nichtnormierung des Einbußesystems zu begründen und konsequent innerhalb des Nettoeinkommensprinzips. Dieses Ergebnis widerspricht auch all jenen, die versuchen, das Nettoeinkommensprinzip wie das Einbußeprinzip auszulegen und solche Posten auch im Rahmen des Nettoeinkommensprinzips zu berücksichtigen. Diese Meinungen scheinen zumindest zum Großteil keine Unterstützung bei den befragten Personen der Praxis zu finden. Gruppe 3 beinhaltet die Faktoren, die eindeutig uneindeutig zugeordnet wurden. Dass die restlichen Einkommensarten des EStG in dieser Kategorie gelandet sind, verwundert aus Sicht der Wissenschaft, in der Einigkeit besteht, dass dieses Einkommen zu berücksichtigen ist. In Erinnerung an die Reflexion der praktischen Handhabung der Tagessatzhöhenbestimmung in der Literatur verwundert es, dass dieser Faktor nicht sogar in Gruppe 2 gelandet ist. So kann die Verortung in Gruppe 3 damit erklärt werden, dass mit der Umfrage kein repräsentatives Ergebnis gefunden werden kann. Es kann aber auch bedeuten, dass Täter nur in seltenen 308 Die genauen Nachweise der in der Literatur reflektierenden Stimmen dazu sowie im Folgenden finden sich oben B.I.2.

96

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Fällen Einkommen außerhalb der Erwerbstätigkeit erzielen und diese deshalb nicht berücksichtigt werden. Dies ist jedoch relativ unwahrscheinlich, da unter diesen Faktor sowohl Einkommen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung, Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb sowie die vielfältigen wiederkehrenden Bezüge des § 22 EStG, zu denen unter vielen anderen auch Renten und Krankengelder zu fassen sind, zu subsumieren sind. Nun kann es natürlich sein, dass die Befragten unter selbstständige Erwerbstätigkeit auch Einkommen aus Gewerbetrieb und Land- und Fortwirtschaft subsumiert haben und daher dem Faktor der restlichen Einkommensarten des EStG keine besondere Bedeutung zumaßen. Dies spräche für ein Unverständnis des Einkommensteuerrechts, das auch schon von anderen Autoren insbesondere in Bezug auf die Darstellung in den Kommentaren angemahnt wurde309. Es könnte jedoch auch sein und dieses Ergebnis ließe sich am ehesten mit dem Bild in Einklang bringen, dass zuvor aus der Literaturanalyse in Bezug auf die Praxis der Tagessatzhöhenbestimmung gewonnen wurde, dass sich in der Praxis vielfach mit den Angaben des Angeklagten zu seinem Einkommen aus Erwerbstätigkeit zufrieden gegeben wird. Immerhin gaben 50 % der Befragten an, dass die restlichen Einkunftsarten des EStG häufig Berücksichtigung fänden, so dass vermutlich diese Einkunftsarten in der Praxis zumindest im Ansatz Berücksichtigung finden. Die geschlossene Präsenz der befragten Staatsanwälte unter den anderen 50 %, die nur eine seltene Berücksichtigung angaben, lässt darauf schließen, dass insbesondere im Strafbefehlsverfahren die restlichen Einkommensarten kaum als Bemessungsgrundlage herangezogen werden. Dies ist umso erstaunlicher, da es unwahrscheinlich ist, dass gerade das Klientel der Strafbefehlsverfahren, in denen Geldstrafe verhängt wird, nicht über Einkommen verfügt, welches über das aus Erwerbstätigkeit im engeren Sinne hinausgeht. Vielmehr kann man wohl annehmen, dass aus Gründen der Verfahrensvereinfachung über die Möglichkeit weiteren Einkommens hinweggesehen wird, um die Tagessatzhöhe möglichst unkompliziert bemessen zu können. Auch der Beruf als Faktor landete in Gruppe 3. Dies geht ein wenig in die Richtung des von Fleischer gefundenen Ergebnisses, dass der Beruf bei der Bemessung der Tagessatzhöhe (bei ihm im Rahmen der Schätzung) als Anhaltspunkt häufig herangezogen wird310. Andererseits gab aber auch fast die Hälfte der Befragten an, dass der Beruf nur selten als Faktor Berücksichtigung fände. Es steht damit genau genommen auch im Widerspruch zu Fleischers Ergebnis. Eine solche Dominanz des Berufes lässt sich nach der hier durchgeführten Befragung nur für das Einkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit formulieren. Die Dominanz des Berufes als Faktor, die Fleischer feststellte, gibt es damit entweder nicht mehr, oder aber die Befragten sind sich dieser Dominanz, die sich nach Fleischer auch daraus ergab, dass Angaben des Angeklagten zum Einkommen anhand So Tipke, JuS 1985, 351 und Burger, Einkommensbegriff, S. 235 f. Die Nachweise der Ergebnisse der von Fleischer durchgeführten Untersuchung finden sich dazu sowie im Folgenden oben B.I.1. 309 310

II. Die eigene Umfrage

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des bekannten Berufes überprüft und korrigiert wurden, nicht bewusst bzw. gaben sie nicht an. Die Berufsvielfalt und auch die jeweilige Vergütung für eine Tätigkeit haben in den letzten 25 Jahren große Variationen erfahren. Folglich ist heute nicht mehr ganz so einfach eine Schlussfolgerung vom Beruf auf das Einkommen möglich wie vielleicht früher. Daher scheint die erste Variante, nämlich eine Ablösung des Berufes von Platz 1 der Rangliste der Faktoren durch das Einkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit als wahrscheinlich. Andererseits könnte es auch sein, dass die Antworten sozialadäquat im Hinblick auf die Forderung des Gesetzgebers nach Berücksichtigung des Nettoeinkommens gegeben wurden. Aus dem Befragungsergebnis in Bezug auf den Faktor Beruf indes lässt sich nur eines sicher herausziehen, nämlich dass es Fälle – gleich welcher Anzahl – gibt, in denen der Beruf herangezogen wird, um die Tagessatzhöhe zu fixieren. Die Zuordnung des Kindergelds in Gruppe 3 kann damit erklärt werden, dass nicht jeder zum Bezug von Kindergeld berechtigt ist – aufgrund der abnehmenden Geburtenraten sind es auch noch weniger als vor einigen Jahren –, andererseits aber bei Berechtigung anscheinend auch an eine Berücksichtigung gedacht wird. Zu den ersparten Aufwendungen bei Bewohnung eines Eigenheims lässt sich sagen, dass diese eine Tendenz zur Nichtberücksichtigung haben und damit angenommen werden kann, dass dies noch immer und zwar fälschlicherweise in Anlehnung an ein nicht mehr geltendes Steuerrecht durch die Köpfe der Richter und Staatsanwälte spukt, tendenziell jedoch eine Berücksichtigung entsprechend der geltenden Steuerrechtslage langsam aufgegeben wird. In der Zusammenfassung soll festgehalten werden, dass dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei der Tagessatzhöhenbestimmung in der Praxis überragende Bedeutung zuzukommen scheint. Als weitere Faktoren scheinen insbesondere die erhaltenen Sozialleistungen, das Ehegatteneinkommen und wohl auch der erhaltene Unterhalt herangezogen zu werden, sowie als Abzugsposten die Unterhaltsverpflichtungen des Täters, wobei bei der Fragestellung offen bleibt, ob die tatsächlich geleisteten Zahlungen oder die Verpflichtung zur Zahlung besonders häufig berücksichtigt wird. In Bezug auf dieses Ergebnis darf abschließend angemerkt werden, dass in der Fragestellung natürlich auch das theoretische Wissen der Befragten Einfluss auf die Beantwortung der Frage gehabt haben kann (Stichwort: sozialadäquate Antworten). Des Weiteren kann eine Analyse der tagessatzhöhenbestimmenden Faktoren noch keine Antwort auf die Frage nach der Praxis der inhaltlichen Ermittlung dieser Faktoren und die Häufigkeit ihrer Schätzung geben. Dieser Bereich sollte mit den nachfolgenden Fragen erhellt werden.

b) Frage 2 und 3: Der Ermittlungsumfang Die Fragen 2 und 3 der Umfrage sollten helfen, den Ermittlungsumfang in Bezug auf die die Tagessatzhöhe bestimmenden Faktoren in der Praxis zu ermitteln. Dabei

98

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

wurde von Fleischers Ergebnis und auch von den Stimmen der Literatur ausgegangen, denen zufolge Ermittlungen zumeist nicht stattfänden und Angaben des Angeklagten zumeist ungeprüft übernommen würden. Es wurden zwei Thesen aufgestellt, denen die Befragten entweder zustimmen konnten oder nicht, zudem war es auch möglich, keine Meinung zu dem Thema zu haben und dies anzukreuzen. Die Frage 2 beinhaltete die These, dass in der Praxis (und zwar in allen Stadien der Strafverfolgung) zumeist keine umfangreichen Ermittlungen in Bezug auf die theoretischen Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe stattfänden. Der Verweis der These explizit auf alle Stadien der Strafverfolgung war zur Verdeutlichung für den Befragten eingefügt worden, dass die Antwort sich sowohl auf das Ermittlungsverfahren als auch auf das Hauptverfahren und auf das Strafbefehlsverfahren beziehen sollte. Zweifelsohne ist die These dadurch relativ pauschal und verallgemeinernd gefasst. Insbesondere die Analyse von Fleischers Untersuchung und die Literaturanalyse im Vorfeld haben jedoch dazu bewogen, die These so einheitlich zu formulieren, weil zu befürchten stand, dass dieses Manko im Rahmen der Ermittlungen in allen Stadien der Strafverfolgung vorzufinden ist. Frage 3 stellte zur Disposition, dass einigermaßen glaubhafte Angaben des Beschuldigten / Angeklagten zu seiner wirtschaftlichen Situation zumeist ungeprüft übernommen würden. Diese These befasst sich also mit dem Phänomen, der unüberprüften Übernahme von Delinquentenangaben zu seiner wirtschaftlichen Situation, speziell zu seinem Einkommen. Kommt es zu dieser Übernahme hängt im Ergebnis die Tagessatzhöhe entscheidend vom Geschick des Angeklagten ab, seine wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft darzustellen, nicht jedoch von seiner tatsächlichen wirtschaftlichen Situation. Bei Frage 2 machten siebenundzwanzig Befragte ihr Kreuz bei „Ich stimme zu“, nur einer stimmte dem nicht zu. Bei Frage 3 stimmten gar alle achtundzwanzig Befragten der These zu. Dies ist ein sehr eindeutiges Ergebnis, aus dem sich trotz fehlender Repräsentativität für die Vorgehensweise in der Praxis ableiten lässt, dass tatsächlich kaum Ermittlungen in Bezug auf die Faktoren, die die Tagessatzhöhe bestimmen, durchgeführt werden und Angaben des Angeklagten zumeist ungeprüft übernommen werden. Dies ist eine eindeutige Bestätigung von Fleischers Ergebnis und der Stimmen in der Literatur. Es scheint damit tatsächlich und auch heute noch so zu sein, dass die wirtschaftliche Situation den Gerichten bei der Entscheidungsfindung in Bezug auf die Tagessatzhöhe weitestgehend unbekannt ist. Die Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse, welche der Opfergleichheit im Rahmen des Tagessatzsystems dienen soll und damit Kernstück des Tagessatzsystems ist, ist damit nicht gewährleistet.

II. Die eigene Umfrage

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Tabelle 3 Tatsa¨chliche Verteilung der Antworten (in Prozent) bei Frage 2 u. 3 Ich stimme zu

Ich stimme nicht zu

gesamt

davon StA

gesamt

2. In der Praxis (und zwar in allen Stadien der Strafverfolgung) finden zumeist keine umfangreichen Ermittlungen in bezug auf die theoretischen Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe statt.

27 (96,43)

6

1 (3,57)

3. Einigermaßen glaubhafte Angaben des Beschuldigten / Angeklagten zu seiner wirtschaftlichen Situation werden zumeist ungeprüft übernommen.

28 (100)

6

davon StA

Keine Meinung gesamt

davon StA

c) Frage 4, 5, 6 und 7: Die Entscheidungsfindung Die Fragen 4, 5, 6 und 7 betreffen den Bereich der Entscheidungsfindung, der sich auf die Festlegung der Tagessatzhöhe bezieht. Hierbei wurden zwei Bereiche besonders problematisiert: zum einen die Entscheidungsfindung im Rahmen des Strafbefehlsverfahrens, zum anderen das Phänomen der häufigen Schätzung gemäß § 40 Abs. 3 StGB. Auch hier wurden bei allen Fragen Thesen aufgestellt, denen entweder zugestimmt oder nicht zugestimmt werden konnte. Auch keine Meinung zu der jeweiligen These zu haben, war möglich. Frage 4 stellte die These auf, dass im Strafbefehlsverfahren de facto eine Herrschaft der Staatsanwaltschaft über die Festlegung der Tagessatzhöhe zu konstatieren sei. Diese These wurde gewählt, weil im Strafbefehlsverfahren der Vorschlag der Tagessatzhöhe im Rahmen des Strafbefehlsantrages den Staatsanwälten obliegt. Diesem Vorschlag kann der entscheidende Richter bei Erlass zustimmen oder durch Nichterlass ablehnen. Es steht jedoch nach Fleischer zu befürchten, dass aufgrund dieser Konzeption gerade im Bereich der Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Festlegung der Tagessatzhöhe die Staatsanwaltschaft die Sachherrschaft derart erlangt hat, dass der jeweilige Richter aus verfahrensökonomischen Gründen gar keine umfangreichen Überlegungen mehr in diesem Gebiet anzustellen braucht. Dieser These stimmten dreiundzwanzig (82,14 %) der Befragten zu, fünf (17,86 %) der Befragten lehnten sie ab. Enthaltungen gab es keine. Alle befragten Staatsanwälte fanden sich bei der Zustimmung wieder. Damit ergibt sich eine

100

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Übereinstimmung in der Praxis darüber, dass im Strafbefehlsverfahren die Festlegung der Tagessatzhöhe de facto in den Händen der Staatsanwaltschaft liegt und eine Überprüfung dieses Teils der Entscheidung durch den jeweiligen Richter kaum stattfindet. Frage 5 stellte die These auf, dass aus verfahrensökonomischen Gründen in allen Strafverfahrensarten der Schätzung gemäß § 40 Abs. 3 StGB bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe große Bedeutung zukomme. Diese These sollte der Überprüfung dienen, ob es zum einen tatsächlich so ist, dass der Schätzung gemäß § 40 Abs. 3 StGB überragende Bedeutung bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zukomme, wie sich dies zum einen aus der Untersuchung von Fleischer und zum anderen aus der Literatur ergeben hat und zum anderen, ob der Grund für diesen Umstand in der Verfahrensökonomie zu suchen ist. Obwohl es eventuell strategisch nicht besonders sinnvoll ist, die Überprüfung eines Umstandes und seiner Entstehungsgründe undifferenziert in einer Frage vorzunehmen, wurde dennoch diese Vorgehensweise gewählt, da die häufige Schätzung und die Verfahrensökonomie in der Literatur derart miteinander verknüpft sind, dass sie auch bei dieser Fragestellung nicht getrennt werden sollten. Das Ergebnis bestätigt, dass diese Verknüpfung kein Fehler war. Mit überragender Eindeutigkeit von siebenundzwanzig (96,44 %) der Befragten fand die These in der Praxis Zustimmung. Damit scheint es tatsächlich so zu sein, dass die Tagessatzhöhe häufig (und nicht nur als ultima ratio) im Wege der Schätzung bestimmt wird und dies nicht deshalb geschieht, weil die Bemessungsgrundlagen nicht anders zu ermitteln sind, sondern weil man aus verfahrensökonomischen Gründen eine Schätzung der möglichst genauen Ermittlung vorzieht. Dies steht in grobem Widerspruch zu den systemimmanenten Anforderungen des Tagessatzsystems für die Anpassung der Tagessatzhöhe an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten. Frage 6 ging unter Bezugnahme auf die in Frage 5 aufgestellte These noch einen Schritt weiter in der Erforschung der Gründe für die große Bedeutung der Schätzung, wobei diese als gegeben vorausgesetzt wurde. Frage 6 stellte die These auf, dass erhebliche Belastungen (auch grundrechtlicher Art) durch umfangreiche Ermittlungen beim jeweiligen Täter zu befürchten wären. Bei dieser These ging es darum zu überprüfen, ob es auch in der Praxis gegen eine umfangreiche Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten die gleichen Bedenken außerhalb der verfahrensökonomischen Argumentation gibt wie in der Literatur. Gegen siebzehn (60,71 %) der Befragten, die ebenfalls eine solche erhebliche, auch grundrechtliche Belastung befürchten, stehen im Ergebnis zehn (35,71 %) der Befragten (alle Richter), die solche Belastungen nicht befürchten, sowie einer (3,57 %), der dazu keine Meinung äußerte. Aus diesem Ergebnis lässt sich schlussfolgern, dass es wegen einer zu fürchtenden Belastung des Angeklagten Bedenken in der Praxis gegen umfangreiche Ermittlungen gibt, andererseits in diesem Punkt nicht die Einstimmigkeit erreicht werden kann wie bei der verfahrensökonomischen Argumentation. Es gibt also durchaus Richter, die keine Belastungen des

II. Die eigene Umfrage

101

Angeklagten bei Ermittlungen zu den Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe fürchten. Da die These in ihren Gründen sehr offen gehalten wurde, lässt sich aus dem Ergebnis nicht ablesen, welcher Art die von den zustimmenden Befragten befürchteten Belastungen sein sollten. Dieses Offenlassen rechtfertigt sich jedoch damit, dass die Befragten nicht mit einem sehr umfangreichen Befragungsbogen von der freiwilligen Beantwortung und Teilnahme abgeschreckt werden sollten. So ergibt sich, dass in Bezug auf die Argumentation der Belastungen durch Ermittlungen wohl in der Praxis ein mehr oder weniger zweigeteiltes Bild anzutreffen ist. Frage 7 stellte die These auf, dass oftmals bei der Festlegung durch Schätzung nicht die Bemessungsgrundlage, sondern der Tagessatz an sich geschätzt werde. Dies ist ebenfalls eine von Fleischers Vermutungen in Bezug auf die Tagessatzhöhenfestlegung, die mit der Umfrage für die heutige Zeit evaluiert werden sollte. Wenn dem so wäre, so würde die Praxis der Tagessatzgeldstrafenbemessung contra legem erfolgen. Dies ergibt sich daraus, dass § 40 Abs. 3 StGB gerade keine Schätzung der Tagessatzhöhe erlaubt, sondern lediglich der Bemessungsgrundlagen, aus denen wiederum die Tagessatzhöhe zu bilden ist. Der These in Frage 7 stimmten acht (28,65 %) der Befragten zu, während zwanzig (70,43 %) sie ablehnten. Dies bedeutet, dass immerhin fast ein Drittel der Befragten zugibt, dass contra legem auch die Tagessatzhöhe selbst mitunter geschätzt wird. Es gibt in der Praxis also durchaus Fälle, in denen der Tagessatz völlig frei geschätzt wird; über die Häufigkeit dieser Fälle kann das Ergebnis nicht viel aussagen. Es wird wahrscheinlich nicht sehr häufig vorkommen, aber immerhin häufig genug, dass fast ein Drittel der Befragten schon davon Kenntnis nehmen konnte. Somit steht fest, dass die Schätzung der Tagessatzhöhe an sich mindestens im Randbereich der Tagessatzhöhenbestimmung auch heute noch existiert. Zusammenfassend lässt sich für den Themenkomplex der Festlegung der Tagessatzhöhe sagen, dass speziell im Strafbefehlsverfahren die Staatsanwaltschaft die Tagessatzhöhe terminiert. Zudem kommt der Schätzung nach § 40 Abs. 3 StGB tatsächlich überragende Bedeutung bei der Festlegung zu, und zwar eindeutig aus verfahrensökonomischen Gründen, zum Teil auch motiviert durch die Befürchtung, den Angeklagten durch ausführliche Ermittlungen zu sehr zu belasten. Überdies gibt es auch Fälle zu verzeichnen, in denen contra legem der Tagessatz selbst und nicht nur seine Bemessungsgrundlagen geschätzt werden.

102

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe Tabelle 4 Tatsa¨chliche Verteilung der Antworten (in Prozent) bei Frage 4, 5, 6 und 7 Ich stimme zu

Ich stimme nicht zu

gesamt

davon StA

gesamt

23 (82,14)

6

5 (17,86)

5. Aus verfahrensökonomischen Gründen kommt in allen Strafverfahrensarten der Schätzung gemäß § 40 Abs. 3 StGB bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe große Bedeutung zu. 27 (96,44)

6

1 (3,57)

6. Auch wären erhebliche Belastungen (auch grundrechtlicher Art) durch umfangreiche Ermittlungen beim jeweiligen Täter zu befürchten.

17 (60,71)

6

10 (35,71)

7. Oftmals wird bei der Festlegung durch Schätzung nicht die Bemessungsgrundlage, sondern der Tagessatz an sich geschätzt.

8 (28,65)

2

20 (71,43)

4. Im Strafbefehlsverfahren ist de facto eine Herrschaft der Staatsanwaltschaft über die Festlegung der Tagessatzhöhe zu konstatieren.

davon StA

Keine Meinung gesamt

davon StA

1 (3,57)

4

d) Frage 8 und 9: Beurteilung der Tagessatzhöhe Die Fragen 8 und 9 betreffen im weitesten Sinn die Beurteilung eines einmal gefundenen Tagessatzhöhenergebnisses. Auch hier wurden Thesen aufgestellt. Bei Frage 8 ging es darum, den Standpunkt des Antwortenden gegenüber einer nachträglichen Korrektur der Tagessatzhöhe zu evaluieren. Es wurde die nach hier vertretener Ansicht abzulehnende These aufgestellt, dass die Endsumme der Geldstrafe (Tagessatzanzahl multipliziert mit der -höhe) nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Bei unzumutbaren Belastungen durch die Endsumme komme auch eine Korrektur der Tagessatzhöhe in Betracht. Obwohl diese These dem System der Tagessatzgeldstrafe widerspricht, wird sie noch immer vertreten. Es wird davon ausgegangen, dass Geld als Summe ein gewisses objektives Strafübel verkörpere und es daher bei hoher Tagessatzanzahl und -höhe einer Korrektur der Geldstrafensumme bedürfe, um die Strafe nicht das Maß der Schuld übersteigen zu lassen311. 311

Vgl. dazu die Übersicht bei LK-Häger, § 40 Rn. 60 m. w. N.

II. Die eigene Umfrage

103

Wenn man jedoch das Tagessatzsystem konsequent anwendet, kann es zu diesem übermäßig belastenden Effekt nicht kommen. Bereits bei der Festlegung der Tagessatzanzahl muss berücksichtigt werden, inwiefern sich eine hohe Tagessatzanzahl negativ auf den Bestraften auswirken kann, um gegebenenfalls die Tagessatzanzahl zu korrigieren. Wenn dieser Schritt der Strafzumessung korrekt verlaufen ist, dann kann die Anpassung der Tagessatzhöhe über das Nettoeinkommen, die bei jedem gleiches Strafmaß pro Tagessatz – unabhängig von der Anzahl der Strafmaßeinheiten – erwirken soll, nicht mehr nachträglich ein erhöhtes Maß an Strafe hervorbringen, welches es nachträglich zu korrigieren gelte. Die gegenteilige Ansicht, hier als These aufgestellt, ist allein der Tatsache geschuldet, dass die nötige Trennung von der Aufrechnung von Tat und Schuld gegen die zu zahlende Geldsumme nicht vollzogen wurde. Diese Trennung ist es aber gerade, die durch das Tagessatzsystem bezweckt wird, die dem Tagessatzsystem als unverzichtbare Komponente innewohnt. Nichtsdestotrotz stimmten dieser aus Sicht der Autorin abzulehnenden These immerhin sechs (21,43 %) der Befragten zu. Richtigerweise eine ablehnende Haltung bekundete jedoch die überwiegende Mehrheit von zweiundzwanzig (78,57 %) der Befragten. Dies lässt im Ergebnis auf eine Anpassungspraxis der einmal gefundenen Tagessatzhöhe in Anschauung der zu bildenden Endsumme schließen, diese Vorgehensweise scheint jedoch nicht in einer Mehrzahl der Fälle angewandt zu werden. Mit Frage 9 sollte evaluiert werden, welchen Eindruck die Befragten im Allgemeinen und im Durchschnitt von den festgelegten Tagessatzhöhen in Bezug auf ihre Korrektheit haben. Dazu wurde die These aufgestellt, dass es nicht unwahrscheinlich sei, dass in einem Großteil der Fälle der verhängte Tagessatz unter dem tatsächlichen täglichen Nettoeinkommen des Täters liege. Falls diese These der Wahrheit entspricht, so würde dies in einem Großteil der Fälle sowohl eine inkorrekte Bestimmung des Tagessatzes als auch eine Nichtanpassung der Tagessatzgeldstrafe an die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Täters bedeuten. Damit hätte ein Kernpunkt der Tagessatzgeldstrafe in der Praxis keine korrekte Realisierung gefunden. Umso erstaunlicher ist das Ergebnis: Siebenundzwanzig (96,44 %) der Befragten stimmten zu und nur einer (3,57 %) lehnte diese These ab. Das bedeutet, dass ein überragender Großteil der Befragten der Tagessatzgeldstrafe ein Armutszeugnis in Bezug auf ihre praktische Umsetzung ausstellt. Es ist somit davon auszugehen, dass die Anpassung des Tagessatzes an das Nettoeinkommen des Täters in der Praxis nicht konsequent umgesetzt wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine nachträgliche Anpassung der Tagessatzhöhe unter Berücksichtigung der Geldsumme teilweise durchgeführt wird und zudem eine überragende Mehrheit der Befragten glaubt, dass wahrscheinlich Tagessätze an sich häufig nicht korrekt festgesetzt werden, die Tagessatzgeldstrafe also in einem ihrer zentralen Punkte nicht korrekt umgesetzt wird.

104

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe Tabelle 5 Tatsa¨chliche Verteilung der Antworten (in Prozent) bei Frage 8 und 9 Ich stimme zu

Ich stimme nicht zu

gesamt

davon StA

gesamt

davon StA

8. Die Endsumme der Geldstrafe (Tagessatzanzahl multipliziert mit der -höhe) darf nicht außer Acht gelassen werden. Bei unzumutbaren Belastungen durch die Endsumme kommt auch eine Korrektur der Tagessatzhöhe in Betracht.

6 (21,43)

2

22 (78,57)

4

9. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in einem Großteil der Fälle der verhängte Tagessatz unter dem tatsächlichen täglichen Nettoeinkommen des Täters liegt.

27 (96,44)

6

1 (3,57)

Keine Meinung gesamt

davon StA

e) Frage 10 und 11: Thesen zur Nettoeinkommensbestimmung Die Fragen 10 und 11 enthielten Thesen zur Berechnung des Nettoeinkommens. Die mit der Einschätzung in Bezug auf diese Thesen gefundenen Ergebnisse sollten dazu dienen herauszufinden, wie die Praxis bestimmten Änderungen oder Neuerungen im Bereich der Nettoeinkommensbestimmung und damit der Tagessatzhöhenbestimmung gegenübersteht. Das Nettoeinkommen als alleiniger Faktor zur Tagessatzhöhenbestimmung wurde aus oben genannten Gründen gewählt312. Beide Thesen zielten auf die Entschärfung der verfahrensökonomischen Schwierigkeiten bei der Tagessatzhöhenermittlung ab, welche (wie auch die Auswertung von Frage 5 bestätigte) wohl in großem Maße für die ungenügende Umsetzung der Tagesatzgeldstrafe in der Praxis verantwortlich sind. Frage 10 stellte eine Öffnung des Steuergeheimnisses zur Disposition. Die These lautete, dass durch eine Öffnung des Steuergeheimnisses und der damit geschaffenen Möglichkeit eines regelmäßigen (elektronischen) Zugangs zu den Steuerdaten des Angeklagten die verfahrensökonomischen Schwierigkeiten zumindest bei erwerbstätigen Personen entschärft würden könnten. Dem stimmten zweiundzwanzig (78,57 %) der Befragten zu, vier (14,29 %) lehnten ab und zwei (7,14 %) enthielten sich. Dies lässt sich so interpretieren, dass eine große Mehrheit für eine Öffnung 312

Siehe oben A.II.2.b).

II. Die eigene Umfrage

105

des Steuergeheimnisses zu sein scheint, um die verfahrensökonomischen Schwierigkeiten bei der Tagessatzhöhenbestimmung zu überwinden, während bei einem recht kleinen Anteil (14,29 %) Bedenken anklingen, die sich entweder auf die Überwindung der verfahrensökonomischen Schwierigkeiten oder aber auf die auch politische Frage der Öffnung des Steuergeheimnisses beziehen können. Dies lässt sich durch die Verknüpfung der beiden Faktoren in der These nicht weiter differenzieren. Frage 11 befasste sich mit der Methode der Berechnung des Nettoeinkommens als Faktor. Es wurde die Aussage formuliert, dass es zu befürworten sein würde, wenn das strafrechtlich relevante Einkommen (zumindest bei erwerbstätigen Personen) formelhaft (und damit unkompliziert) aber abgestimmt auf die strafrechtlichen Wertungen aus diesen (durch Öffnung des Steuergeheimnisses erlangten) Daten errechenbar sein würde, wie dies auch in anderen Bereichen geschehe, in denen auf das Einkommen als Indikator abgestellt werde. Diese These fand nicht so breite Zustimmung, wie dies bei Frage 10 der Fall war. Sechzehn (57,14 %) der Befragten stimmten zu, sechs (21,43 %) lehnten ab und ebenso viele (21,43 %) enthielten sich. Es ist also festzustellen, dass zwar über die Hälfte der Befragten, also eine akzeptable Mehrheit, für eine formelhafte Berechnung des Nettoeinkommens wäre, während unter einem Viertel der Befragten dies ablehnen würde. Das Misstrauen, das dieser These entgegengebracht wird, lässt sich auch an der relativ hohen Zahl der Enthaltungen ablesen. Dieses Misstrauen könnte dabei auch darauf beruhen, dass die These nicht ausdrücklich nennt, welche Faktoren bei dieser formelhaften Berechnung zueinander in Beziehung gesetzt werden sollen, und die jeweils Befragten nicht sprichwörtlich die „Katze im Sack“ kaufen wollten. Umso mehr Gewicht hat unter diesem Gesichtspunkt die hohe Zustimmungsquote, die im Übrigen keine Staatsanwälte, sondern ausschließlich Strafrichter umfasst. Es scheint so zu sein, dass es in der Praxis den Wunsch gibt, den Schritt der Tagessatzhöhenbestimmung formelhaft und damit als reine Strafanpassung frei von Ermessen vorzunehmen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine Öffnung des Steuergeheimnisses zur Überwindung der verfahrensökonomischen Schwierigkeiten eine überragende Mehrheit gefunden hat, die Formalisierung der Berechnung des Nettoeinkommens zur Festlegung der Tagessatzhöhe eine breite, der aufgrund der undifferenzierten Ausformulierung der These jedoch besonderes Gewicht zuzumessen ist.

106

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe Tabelle 6 Tatsa¨chliche Verteilung der Antworten (in Prozent) bei Frage 10 u. 11 Ich stimme zu

10. Durch eine Öffnung des Steuergeheimnisses und der damit geschaffenen Möglichkeit eines regelmäßigen (elektronischen) Zugangs zu den Steuerdaten des Angeklagten könnten die verfahrensökonomischen Schwierigkeit zumindest bei erwerbstätigen Personen entschärft werden.

Ich stimme nicht zu

Keine Meinung

gesamt

davon StA

gesamt

davon StA

gesamt

22 (78,57)

4

4 (14,29)

2

2 (7,14)

6 (21,43)

4

6 (21,43)

11. Zu befürworten wäre, wenn das strafrechtlich relevante Einkommen (zumindest bei erwerbstätigen Personen) formelhaft (und damit unkompliziert) aber abgestimmt auf die strafrechtlichen Wertungen aus diesen Daten errechenbar wäre, wie dies auch in anderen Bereichen geschieht, in denen auf das Einkommen als Indikator abgestellt wird. 16 (57,14)

davon StA

2

3. Ergebnisse Obwohl es der Umfrage für sich genommen an Repräsentativität fehlte, lässt sich aus der Zusammenschau mit den sicherlich nicht unbegründet gemachten Aussagen in der Literatur ein recht deutliches Bild für die Praxis der Geldstrafenhöhenbestimmung zeichnen. Die Umfrage ergab, dass bei den Faktoren zur Tagessatzhöhenbestimmung dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit in der Praxis überragende Bedeutung zuzukommen scheint. Als weitere Faktoren scheinen insbesondere die erhaltenen Sozialleistungen, das Ehegatteneinkommen und wohl auch der erhaltene Unterhalt herangezogen zu werden sowie als Abzugsposten die Unterhaltsverpflichtungen des Täters, wobei aufgrund der Fragestellung offen bleibt, ob die tatsächlich geleisteten Zahlungen oder die Verpflichtung zur Zahlung in ihrer Höhe besonders häufig berücksichtigt werden. Dies steht im Widerspruch zu dem von Fleischer gefundenen Ergebnis, dass dem Beruf überragende Bedeutung zukomme, der sowohl zur Schätzungsgrundlage für das Einkommen gemacht werde, aber auch genutzt werde, um einen

II. Die eigene Umfrage

107

dem Gericht angegebenen Einkommenswert nach oben oder unten zu korrigieren. In Bezug auf das Ergebnis der Frage 1 der durchgeführten Umfrage darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass in der Fragestellung natürlich auch das theoretische Wissen der Befragten Einfluss auf die Beantwortung der Frage gehabt haben kann (Stichwort: sozialadäquate Antworten) und eine Analyse der Tagessatzhöhe bestimmenden Faktor noch keine Antwort geben kann auf die Frage nach der Praxis der inhaltlichen Ermittlung dieser Faktoren und die Häufigkeit ihrer Schätzung. Aus der Auswertung der Fragen 2 und 3 lässt sich mit recht großer Wahrscheinlichkeit für die Vorgehensweise in der Praxis ableiten, dass tatsächlich kaum Ermittlungen in Bezug auf die Faktoren, die die Tagessatzhöhe bestimmen, durchgeführt werden und Angaben des Angeklagten in diesem Bereich zumeist ungeprüft übernommen werden. Dies ist eine eindeutige Bestätigung von Fleischers Ergebnis auch für die heutige Zeit und der Stimmen in der Literatur. Es scheint damit tatsächlich und auch heute noch so zu sein, dass die wirtschaftliche Situation den Gerichten bei der Entscheidungsfindung in Bezug auf die Tagessatzhöhe weitestgehend unbekannt ist, wie dies auch bereits Fleischer feststellte. Die Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse, welche der Opfergleichheit im Rahmen des Tagessatzsystems dienen soll und damit Kernstück des Tagessatzsystems ist, ist damit wohl auch heute nicht gewährleistet. Der Fragenkomplex der Fragen 4 bis 7 zur Festlegung der Tagessatzhöhe bestätigte ebenfalls die von Fleischer bereits gefundenen Ergebnisse. Bei der Festlegung der Tagessatzhöhe dominiert speziell im Strafbefehlsverfahren die Staatsanwaltschaft. Zudem kommt der Schätzung nach § 40 Abs. 3 StGB tatsächlich überragende Bedeutung bei der Festlegung zu und zwar eindeutig aus verfahrensökonomischen Gründen. Zum Teil ist die Schätzung auch motiviert durch die Befürchtung, den Angeklagten durch ausführliche Ermittlungen zu sehr zu belasten, wie dies auch zum Teil in der Literatur vertreten wird. Zudem gibt es, wie auch schon Fleischer anmahnte, auch Fälle zu verzeichnen, in denen contra legem der Tagessatz selbst und nicht seine Bemessungsgrundlagen geschätzt werden. Die Fragen 8 und 9 zur Richtigkeit des Tagessatzhöhenergebnisses ergaben, dass in der Praxis teilweise tatsächlich, wie auch in der Literatur zum Teil vertreten, eine nachträgliche Anpassung der Tagessatzhöhe unter Berücksichtigung der Geldsumme durchgeführt wird. Zudem glaubt eine überragende Mehrheit der Befragten, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die Tagessatzhöhe häufig nicht korrekt festgesetzt wird. Dies stellt eine Bestätigung des von Fleischer gefundenen Ergebnisses dar, welches den Schluss zulässt. dass die Tagessatzgeldstrafe in einem ihrer zentralen Punkte nicht korrekt umgesetzt wird. Damit lässt sich zum Ist-Zustand der Tagessatzhöhenbestimmung und damit auch zum Ist-Zustand der Tagessatzgeldstrafe in ihrer Gesamtheit konstatieren, dass die Geldstrafe ihr Reformziel noch immer nicht erreicht hat. Dies ist besonders alarmierend, weil seit ihrer Einführung über 30 Jahre und seit Aufzeigen des Missstände durch Fleischer bereits über 20 Jahre vergangen sind. Die Geldstrafe

108

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

kann an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verurteilten nicht angepasst werden, solange eine Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nicht stattfindet und der Schätzung solch weiter Raum eingeräumt wird. Die Tagessatzhöhenbestimmung scheint sich in dem Dilemma festgefahren zu haben, dass einerseits eine Ermittlung notwendig wäre, um Opfergleichheit zu erreichen, andererseits sich die wirtschaftlichen Verhältnisse verfahrensökonomisch nicht korrekt ermitteln lassen. Ausweg aus diesem Dilemma könnte neben einem einheitlichen Weg zur Berechnung des Nettoeinkommens, welches auch die überragende Mehrheit der Befragten als den Faktor zur Tagessatzhöhenbestimmung nannte, auch eine Öffnung des Steuergeheimnisses sein. Solch eine Öffnung fand in der durchgeführten Umfrage zur Überwindung der verfahrensökonomischen Schwierigkeiten eine überragende Mehrheit. Eine Formalisierung der Berechnung des Nettoeinkommens zur Festlegung der Tagessatzhöhe fand eine nicht so eindeutige, trotzdem breite Mehrheit, der aufgrund der undifferenzierten Ausformulierung der These in Frage 11 jedoch besonderes Gewicht zuzumessen ist. Somit lässt sich festhalten, dass der damalige Reformgesetzgeber nicht gut daran getan hat, die ursprüngliche Öffnung des Steuergeheimnisses nicht wie geplant vorzunehmen. Gerade das Unterlassen dieses Schrittes trägt in besonderen Maße Schuld daran, dass das Tagessatzgeldstrafensystem in seiner Intention, die Geldstrafe an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Bestraften anzupassen und damit eine für alle gleich harte Strafe zu schaffen, als gescheitert angesehen werden muss. Das permanente Unterlaufen des Amtsermittlungsgrundsatz aus (wenn auch einsichtigen) verfahrensökonomischen Gründen und die ebenfalls verständlichen tatsächlichen Probleme bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen müssten aus der Welt geschafft werden, um der Tagessatzgeldstrafe endlich zu ihrem wahren Charakter einer gleich harten Strafe für jeden, den sie trifft, zu verhelfen313.

III. Der Tagessatz im Widerspruch zwischen Opfergleichheit und Verfahrensökonomie Die vorangegangene Darstellung zur Rechtstheorie und zur Praxis der Tagessatzhöhenbemessung hat einen breiten Graben zwischen Opfergleichheit und Verfahrensökonomie aufgezeigt. Es wurde zudem festgestellt, dass das Nettoeinkommen der Faktor ist, der im Rahmen der Tagessatzhöhenbestimmung in der Regel allein die Höhe des Tagessatzes bestimmen sollte. Der Blick in die Rechtstheorie zur Definition des Nettoeinkommensbegriffs hat gezeigt, dass dort entweder ein kaum greifbarer bzw. unsystematischer Nettoeinkommensbegriff vertreten wird oder aber bei systematischer Betrachtung das Nettoeinkommen entweder systemwidrig ausgelegt wird oder aber so differenziert, dass es in der Praxis kaum noch ermittelbar scheint. 313

So auch Hellmann, GA 1997, 514.

III. Widerspruch zwischen Opfergleichheit und Verfahrensökonomie

109

Gewissermaßen antiproportional zu dem Aufwand, der in der Wissenschaft zur Festlegung eines Nettoeinkommensbegriffs betrieben wird, sind die Bemühungen in der Praxis in Bezug auf die Feststellung der jeweiligen Bemessungsgrundlagen314. Die Praxis scheint jeglichen Ermittlungsaufwand zu scheuen; es scheint der Wunsch nach einem möglichst einfachen Nettoeinkommensbegriff zu bestehen. Dies lässt sich insbesondere daran festmachen, dass zumeist die vom Angeklagten angegebene Summe sein monatliches Einkommen betreffend einfach auf die jeweiligen Tagessätze herunter gebrochen wird oder aber diese großzügig geschätzt werden. Dieses Vorgehen läuft dem Konzept der Tagessatzgeldstrafe und damit der angestrebten Opfergleichheit zuwider. Um die Tagessatzhöhe sachgerecht festlegen zu können, so dass es dem Tagessatzsystem in seiner Gesamtkonzeption entspricht, müssen dem Gericht die jeweiligen Bemessungsgrundlagen als Werte bekannt sein315. Es stellt sich somit die Frage, ob die zwei gegensätzlichen Standpunkte der Opfergleichheit und der Verfahrensökonomie ausgleichend miteinander verbunden werden können. 1. Lösungsansätze In der Rechtswissenschaft gibt es verschiedene Ansätze, dem Missverhältnis zwischen Theorie und Praxis, dem Widerstreit zwischen Opfergleichheit und Verfahrensökonomie zu begegnen. Die Palette reicht von Ignoranz316 über Akzeptanz317 hin zu konstruktiven Lösungsvorschlägen. Der Rückgriff auf Steuerdaten oder die Öffnung des Steuergeheimnisses spielen bei letzteren häufig eine Rolle. Die Diskussion um die Öffnung hat ihren Ursprung wie bereits dargestellt in der Gesetzgebungsgeschichte der Tagessatzgeldstrafe und wird zumeist ohne tiefer gehende Analyse befürwortet oder abgelehnt. Es lässt sich behaupten, dass die Diskussion um die Öffnung des Steuergeheimnisses mit einer gewissen Emotionalität geführt wird. Kurzum, die Diskussion um die Öffnung des Steuergeheimnisses zu Zwecken der Geldstrafenhöhenbemessung scheint in besonderem Maße eine politische zu sein. Noch unter dem Eindruck des erst kürzlich abgeschlossenen gesetzlichen Einführungsprozesses der Tagessatzgeldstrafe hielt Ising 1979 im Ergebnis die Öffnung des Steuergeheimnisses für die Lösung des bereits zu diesem Zeitpunkt von ihr erkannten Konflikts von Verfahrensökonomie und Opfergleichheit. Sie stellte 314 In diese Richtung weist bereits Horn, JR 1977, 96, wenn er feststellt, dass die Annahme einer weitreichenden Schätzungsbefugnis die Detailliertheit bei der Bestimmung des Nettoeinkommens relativiert. 315 So auch Sch / Sch / Stree, § 40 Rn. 19, Hellmann, GA 1997, 514 und Redlich, Vermeidung, S. 89. 316 So findet sich bei von Selle, Geldstrafe kein Hinweis auf die Möglichkeiten der praktischen Umsetzung seines Konzeptes. 317 Hier nur beispielhaft einer für viele LK-Häger, § 40 Rn. 68 m. w. N.

110

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

fest, dass die im Gesetzgebungsprozess geplante Öffnung nicht unzulässig gewesen wäre. Es sprächen vielfältige Gründe für eine Öffnung, die die Gegengründe überwögen. Insbesondere könne durch eine Öffnung Opfergleichheit durch gleich harte Strafe hergestellt werden318. Ising schlug im Ergebnis für das Verfahren zur Bestimmung des Nettoeinkommens vor, eine Öffnung des Steuergeheimnisses an verschiedenen Gesetzesstellen vorzunehmen, und entwickelte gleichzeitig einen recht detaillierten Fragebogen an das Finanzamt, der den Arbeitsaufwand dort minimieren sollte, dessen Beantwortung sie ebenfalls gesetzlich sicherstellen wollte319. Die Finanzamtsauskünfte sollten entweder für die Schätzung oder aber in Modifizierung und Abstimmung auf den von Ising entwickelten strafrechtlichen Nettoeinkommensbegriff zur Bemessung der Tagessatzhöhe herangezogen werden. Eine Übernahme des zu versteuernden Einkommens als Wert für die Tagessatzhöhe schwebte Ising jedoch auch aufgrund der verschiedenen Wertungen im Steuer- und im Strafrecht ausdrücklich nicht vor320. Kann der Öffnung des Steuergeheimnisses noch zugestimmt werden, so ist in Bezug auf den entwickelten Fragebogen fehlende Aktualität festzustellen. Die Differenzierungen zwischen Steuer- und Strafrecht sind wenig verfahrensökonomisch. Isings Vorschlag ist damit heute nicht umsetzbar. Schaeffer hielt kurz zuvor die Steuerauskunft für die genaueste und Zeit sparendste Variante, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu ermitteln321. Da dem jedoch das Steuergeheimnis entgegenstehe, schlug sie einen detaillierten Fragebogen322 an den Täter vor, der dann zu einer Berechnung des Nettoeinkommens323 herangezogen werden solle. Allerdings verwies sie als Prämisse für das Funktionieren dieses Fragebogens auf die Bereitschaft des Täters zu wahrheitsgemäßen Angaben, die so wohl heute und wahrscheinlich auch für damals nicht angenommen werden kann324. Krehl, der den Widerstreit zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit in Form des Widerspruchs zwischen Schätzungsbefugnis und Amtsermittlungsgrundsatz erkannte325, kam nach einem Vergleich des Einkommensbegriffs im SteuerVgl. dazu die Ausführungen bei Ising, Feststellung, S. 127 ff. Zu den verschiedenen Gesetzesentwürfen und zum Fragebogenentwurf siehe Ising, Feststellung, S. 154 f. 320 Vgl. dazu die Ausführungen bei Ising, Feststellung, S. 133 ff. 321 Schaeffer, Bemessung, S. 212. 322 Fragebogenentwurf bei Schaeffer, Bemessung, S. 232 ff. 323 Bei der Ermittlung der Tagessatzhöhe will Schaeffer, Bemessung, S. 195 über die persönlichen Verhältnisse auch Zahlungsverpflichtungen für die unbedingte Lebensführung berücksichtigen. Auch wenn dies nicht im Rahmen des Nettoeinkommens geschieht, wird so im Ergebnis wieder das Einbußeprinzip vertreten. 324 Schaeffer, Bemessung, S. 236. 325 Ziel seiner Untersuchung ist die Auslotung dieser beiden Beweisverfahren zur Festsetzung der Tagessatzhöhe, vgl. Krehl, Ermittlung, S. 276. 318 319

III. Widerspruch zwischen Opfergleichheit und Verfahrensökonomie

111

recht mit dem des Strafrechts zu dem Schluss, dass eine vollständige Übernahme nicht möglich sei, eine Orientierung am Steuerrecht jedoch geboten326. Eine strikte Übernahme des steuerrechtlichen Einkommensbegriffs lehnte er deshalb ab, weil es dem Strafrichter nicht zuzumuten sei, das Einkommen im steuerrechtlichen Sinn zu ermitteln und zudem dem Steuerrecht und dem Strafrecht verschiedene Zwecke zugrunde lägen, die nicht miteinander zu vereinen seien. Er ging davon aus, dass jedes Kriterium, welches das Nettoeinkommen im Steuerrecht bestimmt, gesondert daraufhin zu überprüfen sei, ob die steuerrechtlichen Zielsetzungen mit denen der strafrechtlichen Tagessatzgeldstrafe zu vereinbaren seien. Sei dies zu bejahen, so könne eine Übernahme erfolgen. Bei Verneinung müsse das betreffende Kriterium bei der Bestimmung der Einkommenshöhe außer Betracht bleiben327. Eine Öffnung des Steuergeheimnisses lehnte Krehl unter Berufung auf andere Autoren kategorisch ab328. Im Ergebnis löste dieser Autor den Widerspruch zugunsten der Opfergleichheit und in besonderem Maße zuungunsten der Verfahrenökonomie, wenn er feststellte, dass nur dann zu schätzen sei, wenn die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen tatsächlich oder rechtlich nicht möglich sei329. Dieser Ansatz kann aufgrund seiner Einseitigkeit nicht zu einem sinnvollen Ausgleich von eben diesen widerstreitenden Interessen beitragen. Auch nach Brandis Untersuchung kommt dem Nettoeinkommen bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zentrale Bedeutung zu. Auf der Grundlage seiner Definition vom Nettoeinkommen unter Beachtung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ging er davon aus, dass der Einkommensteuerbescheid eine sinnvolle Grundlage für die Errechnung des Tagessatzes bilden könnte. Für eine weitest gehende Anlehnung an den steuerrechtlichen Einkommensbegriff führte Brandis sowohl Praktikabilitäts- als auch Gerechtigkeitsgründe ins Feld. Brandis versuchte den Widerstreit zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit durch weitest möglichen Ausgleich zu regulieren. Auch die praktische Durchsetzbarkeit sei ein Kriterium der Sachgerechtigkeit330. Die auf dem Steuerbescheid enthaltenen Werte, insbesondere das „zu versteuernde Einkommen“ könnten sinnvoll als Basis genutzt werden, um das Nettoeinkommen nach seinen Vorstellungen zu berechnen, ohne jedoch die Werte wertungsfrei zu übernehmen331. Die Werte müssten von sogenannten Sozialzwecknormen bereinigt werden, also von solchen Vergünstigungen, die nur aus sozialpolitischen Gründen gewährt würden und dem Zweck der Einkommensermittlung bei der Tagesstrafe, nämlich der Feststellung der wirtschaftlichen LeistungsKrehl, Ermittlung, S. 44 ff. Krehl, Ermittlung, S. 42 f. 328 Krehl, Ermittlung, S. 140. 329 Krehl, Ermittlung, S. 273. Vergleiche auch S. 82, wo er von dem „erheblichen Mehraufwand“ der Gerichte spricht. 330 Brandis, Geldstrafe, S. 111. 331 Brandis, Geldstrafe, S. 189 ff. und 206. 326 327

112

B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

fähigkeit, widersprächen332. Zudem müssten zusätzlich auch noch andere Faktoren mit in die Berechnung einbezogen werden; man solle nur an die Berücksichtigung von zwingenden Ausgaben für den Lebensunterhalt denken333. Da das Steuergeheimnis der Einkunftsholung beim Finanzamt nach gegebener Rechtslage entgegenstehe und eine Öffnung politisch als nicht erwünscht erkannt werden müsse, stellte er unter Verzicht auf eine detaillierte Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten zur Öffnung fest, dem Betroffenen solle eine Vorlage des Einkommensteuerbescheides nahe gelegt und diese notfalls durch nicht zu vorsichtige Schätzung gefördert werden334. Im Ergebnis kapituliert Brandis damit vor dem bestehenden Steuergeheimnis und setzt verstärkt auf das unerwünschte Instrument der Schätzung. Fehl benennt das Steuergeheimnis plakativ als „heilige Kuh“, die endlich angetastet werden solle, um vernünftige Ermittlungen im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe durchführen zu können, die auch dem Grundsatz der Opfergleichheit gerecht würden, um eine dem Einkommen angemessene Tagessatzhöhe zu errechnen335. Eine detaillierte Verknüpfung von Steuerrecht und Nettoeinkommen liefert auch sie nicht. Eine geeignete Form des Ausgleichs von Verfahrensökonomie und Opfergleichheit wurde somit bisher noch nicht gefunden.

2. Die schematische Berechnung als Lösungsvorschlag zum Ausgleich von Verfahrensökonomie und Opfergleichheit Einzig eine Definition des strafrechtlichen Nettoeinkommensbegriffs zur Bestimmung der Tagessatzhöhe, die sowohl eine verfahrensökonomische Ermittlung ermöglicht als auch Opfergleichheitsgesichtpunkten genügen kann, ist als Lösung zum Interessenausgleich geeignet. Neu daran ist, dass bereits bei der Definition des Nettoeinkommens die widerstreitenden Interessen der Verfahrensökonomie und der Opfergleichheit zum Ausgleich gebracht werden. Da sich Opfergleichheit durch genaue Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse und Verfahrensökonomie bei absoluter Verwirklichung prinzipiell ausschließen, ist mit der zu findenden Definition ein Ausgleich zwischen diesen beiden widerstreitenden Prinzipien zu finden. Dies bedeutet, dass auf der einen Seite zuungunsten der Verfahrensökonomie, die zurzeit in der Praxis breiten Raum fordert, der Ermittlungsaufwand gesteigert werden muss. Zu diesem Zweck sollte ein Weg gefunden werden, 332 Zu den Sozialzwecknormen und dem angestrebten Umgang mit ihnen Brandis, Geldstrafe S. 121 – 125 und 195. 333 Womit im Ergebnis das Einbußeprinzip vertreten wird, vgl. dazu Brandis, Geldstrafe, S. 178 – 184. 334 Brandis, Geldstrafe, S. 190 – 196. 335 Fehl, Sanktionen, S. 190.

III. Widerspruch zwischen Opfergleichheit und Verfahrensökonomie

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der die Ermittlungen selbst möglichst verfahrensökonomisch gestaltet. Die Opfergleichheit im Sinne einer absoluten individuellen Anpassung muss auf der anderen Seite zugunsten von einheitlichen Bewertungen, die verfahrensökonomischen Gesichtspunkten genügen, zu einer möglichst gerecht pauschalierten Anpassung, einer relativen Opfergleichheit werden. Denn auch durch Praktikabilität im Gerichtsalltag wird Opfergleichheit hergestellt336. Zudem gehört auch ein effektives Vorgehen im Rahmen der Strafrechtspflege zum Rechtsstaatsprinzip, um einen Ausgleich zwischen den materiellen Werten der Wahrheit, Gerechtigkeit und dem Rechtsfrieden im Gerichtsverfahren zu finden337. Die Bestimmung der Tagessatzhöhe sollte sich unter diesen Prämissen in einer schematisch rechnerischen Bestimmung des Nettoeinkommens erschöpfen (Strafanpassung). Häger hält der Berechnung des Nettoeinkommens entgegen, dass durch sie eine Scheingenauigkeit produziert würde. Diese Scheingenauigkeit ergäbe sich, wenn man die Bestimmung der Tagessatzhöhe mathematisiere, dies aber bei der Ermittlung der Tagessatzanzahl gerade nicht täte, da dies ausgeschlossen sei, weil es sich bei letzterem um Strafzumessungs-, also Ermessensaspekte handele. Wenn aber nur ein Faktor eines Produktes mathematisiert würde, könne man nach Häger aus diesem Grunde keine Genauigkeit beim Endprodukt erwarten338. Auf dieses Endprodukt der Geldstrafensumme kommt es für die Beurteilung der Tat im strafrechtlichen Sinn aber in keiner Weise an. Daher ist es durchaus sinnvoll, das Nettoeinkommen zu mathematisieren, es also berechenbar zu machen und damit aus dem Bereich des (Strafzumessungs-)Ermessens herauszuführen. Denn durch diesen Schritt würden die Unterschiedlichkeiten in den Urteilen eliminiert, die speziell dem Nettoeinkommensprinzip entspringen, während nur die Unterschiede bestehen blieben, die man immer im Rahmen der Strafzumessung (also auch bei der Freiheitsstrafe) aus strukturellen Gegebenheiten vorfinden muss. Diese Unterschiedlichkeiten fänden sich dann aber nur noch bei der Tagessatzanzahl und nicht mehr bei der -höhe. Allein die Bestimmung der Tagessatzhöhe durch ein errechenbares Nettoeinkommen – als alleinigen Faktor – wird der Funktion dieses Festsetzungsschrittes als Strafanpassungsschritt gerecht. Durch schematische Errechnung kann (Opfer-)Gleichheit zwischen den einzelnen Geldstrafen hergestellt werden. Es muss zudem als gerecht empfunden werden, wenn grundsätzlich alle Verurteilungen – die aufgrund von Schätzungen im ultima ratio-Bereich ausgenommen – aufgrund einer ausschließlichen, zudem nachvollziehbaren Grundlage erfolgen. Dabei sollten die Variablen, die das Nettoeinkommen im strafrechtlichen 336 337

So auch Brandis, Geldstrafe, S. 111. BVerfGE 33, 367 (383), 44, 353 (374) und 474, 257 (262), siehe dazu auch Volk, StPO,

Rn. 5. 338 LK-Häger, Vor § 40 bis 43 Rn. 17 in seiner Stellungnahme zu der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, die seiner Meinung nach entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu starre Regeln für die Berechnung der Tagessatzhöhe aufstellten.

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Sinne bestimmen, mit leicht zugänglichen, einheitlich ermittelten Werten und möglichst nicht mit geschätzten Werten gefüllt werden. Diese geforderte schematische Berechnung steht im Widerspruch zu der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes339, dass bei der Festlegung der Tagessatzhöhe keine starren Regeln angewandt werden sollen. Diese Rechtsprechung ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass es im Gerichtsalltag zurzeit unmöglich erscheint, gefestigte und einheitliche Werte für die jeweilig Verurteilten zu ermitteln. Aufgrund dieser schlechten Ermittlungsmöglichkeiten scheint es sich zu verbieten, starre Regeln zu entwickeln, da zu keinem Zeitpunkt ausreichend Informationen vorliegen, um bei Anwendung starrer Regeln auf einigermaßen einheitliche Ergebnisse zu kommen. Zudem scheut man sich, einen einheitlichen Umfang des Nettoeinkommens festzulegen. Die Rechtsprechung ist also auch der verfahrensökonomischen Not geschuldet. Dass dennoch das Bedürfnis nach Regeln besteht, lässt sich aus der Tendenz der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ableiten, die zwar expressis verbis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes folgen, jedoch entwickelte Regeln im Bereich des Nettoeinkommensprinzips zumeist starr anwenden340. Gerade im Bereich der Tagessatzhöhenbestimmung ist eine starre rechnerische Vorgehensweise intendiert und auch nicht als falsch zu klassifizieren. Dies ergibt sich daraus, dass die Tagessatzhöhenbestimmung der Anpassung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit der Anpassung an einen Wert dient, der sich rechnerisch erschließen lässt. Es dient der Rechtssicherheit und entspricht auch dem Willkürverbot des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, wenn ein durch Rechnung zu erlangender Wert auch tatsächlich errechnet wird und nicht nur mehr oder weniger ungenau geschätzt. Zudem erfordert das Bestimmtheitsgebot die Vorhersehbarkeit der jeweiligen Rechtsfolge für den einzelnen Bürger. Scheitert der Begriff des Nettoeinkommens wegen der grundsätzlichen Möglichkeit, ihn rechnerisch zu bestimmen, nicht am Bestimmtheitsgebot341, so ist es doch fraglich, solch einen Begriff derart unbestimmt mit Leben zu erfüllen, dass er im Ergebnis genauso unbestimmte Ergebnisse liefert wie ein Begriff, der gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt. Wichtig bei dem hier vertretenen Ansatz und das ist gerade Ausdruck der Verfahrensökonomie ist Folgendes: Unabhängig von der Kompliziertheit der Verknüpfung der einzelnen ermittelten Werte miteinander lässt sich rechnerisch ein Wert für die Tagessatzhöhe ermitteln, der bei größtmöglicher Einheitlichkeit auch opfergleich ist. Die nötige Einheitlichkeit wird dadurch erreicht, dass in einem zu erstellenden Rechenschema durch Beschreiten eines einheitlichen Rechenweges unter Verwendung von einheitlich bei der jeweiligen Behörde ermittelten, dem GeZuerst BGHSt. 27, 212 ff. Vgl. hierzu LK-Häger; § 40 Rn. 23. 341 Auch Krehl, Ermittlung, S. 92 nimmt an, dass der Begriff des Nettoeinkommens grundsätzlich nicht am Bestimmtheitsgebot scheitert. 339 340

III. Widerspruch zwischen Opfergleichheit und Verfahrensökonomie

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richt einheitlich übermittelten Werten miteinander vergleichbare Ergebnisse erzielt werden. Wenn die Geldstrafe auf solch einfachem Wege errechenbar wäre, könnte die Schätzung zurückgedrängt werden. Diese Methode könnte überall dort – Verwendungsgrenzen wie das Steuergeheimnis oder das Sozialgeheimnis einmal außen vor gelassen – angewandt werden, wo beim Staat registrierte Werte in Bezug auf Bezüge des Verurteilten vorliegen. Eine solche Registrierung von Bezügen findet zum einen beim Finanzamt bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens statt, zum anderen bei jeder Form der Leistungsgewährung durch den Staat. Es soll also ein Rechenschema entwickelt werden, bei dem unter Einbeziehung der beim Staat vorhandenen Informationen ein Wert für das Nettotageseinkommen als Ergebnis erzielt wird, welches der Leistungsfähigkeit des Verurteilten entspricht. Bei der Klientel der Strafgerichtsbarkeit sind drei verschiedene Arten von Bezügen denkbar: Zunächst solche Bezüge, die der Einkommensteuerpflicht unterliegen, dann solche, die vom Staat im Rahmen der Leistungsgewährung ausgezahlt werden und solche, die nicht zwangsweise beim Staat registriert sind, weil sie weder im Einkommensteuerveranlagungsprozess erfasst werden noch im Rahmen der staatlichen Leistungsgewährung fließen. Es ist durchaus denkbar, dass es bei einem Delinquenten zu einer Überschneidung bzw. Vermischung dieser Bezugsarten kommt. Alle drei Gruppen müssen in einem Rechenschema zueinander in Bezug gesetzt werden. Nur bei der dritten Gruppe ist bei dem hier vertretenen Vorschlag, die Werte bei der jeweiligen Behörde zu erfragen, mit Ermittlungsschwierigkeiten zu rechnen, da entsprechende Werte eventuell nicht bei den Behörden registriert sind. Dem müsste dann mit Schätzung begegnet werden, sofern sie sich nicht auf anderem Wege ermitteln lassen. Hierzu ist anzumerken, dass es sich wohl um einen Randbereich handelt, der Großteil der Bezüge gehört aufgrund der relativ umfassenden Einkommenbesteuerung und Leistungsgewährung zu solchen, die beim Staat registriert sind. Zu denken wäre z. B. an Schenkungen, die nicht steuerpflichtig sind. Bei denen, die staatliche Leistungen beziehen, könnte die jeweilige Höhe bei der jeweils leistungsgewährenden Behörde abgefragt werden. Die Sozialdaten sind vom Sozialgeheimnis des § 35 SBG I umfassend geschützt. Eine Übermittlung von Angaben über Name und Vorname sowie früher geführte Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, derzeitige und frühere Anschriften des Betroffenen sowie Namen und Anschriften seiner derzeitigen und früheren Arbeitgeber sowie von Angaben über erbrachte oder demnächst zu erbringende Geldleistungen ist gemäß § 35 Abs. 3 SBG I i.V. m. §§ 67d Abs. 1, 73 Abs. 2 und 72 Abs. 1 Satz 2 SGB X zur Durchführung eines Strafverfahrens möglich. Die Auskunftserteilung unterliegt dem Richtervorbehalt des § 73 Abs. 3 SGB X. Eine Abfrage ist damit bereits heute möglich, zur Verbesserung der Verfahrensökonomie könnte man allenfalls über die Aufhebung des Richtervorbehalts in § 73 Abs. 3 SGB I nachdenken. Die Sozialleistungen sind im Übrigen Nettowerte, die keinem weiteren Abzug durch den Staat unterliegen.

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B. Probleme bei Bemessung der Tagessatzhöhe

Sie können ungekürzt übernommen werden; auch wenn sie zweckgebunden sind wie z. B. das Wohngeld. Würde man das anders sehen, käme man wieder zum Einbußeprinzip. Für die Klientel, die regelmäßig über zu versteuerndes Einkommen verfügt, bietet sich ein routinemäßiger Rückgriff auf die durch das Finanzamt ermittelten Werte an, um das strafrechtlich relevante Einkommen zu errechnen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass bei der Ermittlung des strafrechtlichen Einkommensbegriffs ebenso wie bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage im Einkommensteuerrecht grundsätzlich die Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen im Vordergrund steht. Dabei könnte es eventuell zu Verzerrungen kommen, weil das Steuerrecht auch Sozialzwecknormen enthält. Dies sind Normen, die Einzug in das Steuerrecht gefunden haben, um ein bestimmtes wirtschaftliches Verhalten des Steuerpflichtigen zu motivieren und ihren Grund nicht in der Ermittlung der Leistungsfähigkeit haben. Dies stünde der Opfergleichheit insofern nicht entgegen, als dass absolute Opfergleichheit sowohl aufgrund von Ermittlungsschwierigkeiten als auch aus Gründen der Verfahrenökonomie nicht erreichbar erscheint. Wie bereits erörtert, ist es allemal opfergleicher, wenn die Festlegung aufgrund einheitlich ermittelter Bemessungsgrundlagen denn auf Schätzungen gestützt werden. Dieses Argument kann man im Übrigen auch in Bezug auf die nicht bestehende Aktualität der zur Verfügung stehenden Werte bemühen. Dennoch sollte versucht werden, im Bereich der Einkommensermittlung einen Wert zu finden, der möglichst frei von Sozialzwecknormen ist. Sofern das nicht möglich ist, muss es im Hinblick auf die geforderte möglichst große Verfahrensökonomie der Berechnung des Nettoeinkommens hingenommen werden. Dieser Ansatz erscheint insofern nicht neu, als auch in der Wissenschaft vertreten wird, dass sich das Steuerrecht bereinigt von Sozialzweckbestimmungen eignen würde, um das Einkommen des Verurteilten zu bestimmen. Die Kommentare sind dennoch, wie bereits gezeigt, voll von begrifflichen, wenn auch inhaltlich nicht korrekten Anlehnungen an das Steuerrecht. Neu an dem Ansatz ist hingegen, unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten das Einkommensteuerrecht auf seine Eignung zu untersuchen, um aus seinen Faktoren einen Rechenweg zu erstellen, der das strafrechtliche Nettoeinkommen zum Ergebnis hat. Neu daran ist auch, dass dabei Verzerrungen akzeptiert werden könnten, so es der Verfahrensökonomie diente und eine zumindest pauschalierte Opfergleichheit erhalten bliebe.

C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage der Tagessatzhöhe Der dritte Teil dieser Arbeit befasst sich mit den Details der Erstellung eines Rechenmodells zur Berechnung des strafrechtlichen Einkommensbegriffs aus Einkommensteuerdaten. Es soll untersucht werden, welche beim Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuererfassung regelmäßig erfassten bzw. errechneten Werte sich in einem Rechenmodell zur Feststellung der strafrechtlichen Leistungsfähigkeit möglichst verfahrensökonomisch miteinander verknüpfen lassen. An dieser Stelle soll nicht, wie bei anderen Autoren schon geschehen, nur festgestellt werden, dass das Steuerrecht geeignet sei, Werte zur Nettoeinkommensbestimmung zu liefern342. Vielmehr soll analysiert werden, welche konkreten einkommensteuerrechtlichen Größen sich als Komponenten zur Errechnung des strafrechtlichen Nettoeinkommensbegriffes als Ausgleich zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit eignen.

I. Die Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB anhand einkommensteuerrechtlicher Größen Das Einkommensteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland ist vorrangig im EStG geregelt. Allgemeine steuerrechtliche Vorschriften zur Durchführung des Besteuerungsverfahrens ergeben sich auch aus der Abgabenordnung (AO). Das Einkommensteuerrecht soll sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des zu Besteuernden, Steuern zahlen zu können, orientieren. Dies ist nötig, damit das Einkommensteuerrecht als möglichst gerecht empfunden wird. Damit wird das Ziel einer möglichst hohen Steuermoral bei der Bevölkerung verfolgt. Identitätsstrukturierendes Merkmal des Einkommensteuerrechts ist das Nettoprinzip. Nach diesem sollten zur Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht nur die Einnahmen innerhalb einer Periode herangezogen werden, sondern auch die Ausgaben. Das Nettoprinzip gliedert sich in eine objektive und eine subjektive Komponente. Das objektive Nettoprinzip ist verwirklicht, wenn die Berücksichtigung von objektiv mit den Einnahmen in Zusammenhang stehenden Ausgaben gewährleistet ist. Das subjektive Nettoprinzip findet überall dort Verwirklichung, wo zur Ermittlung der subjektiven Leistungsfähigkeit durch Abzug von persönlich bedingten Aufwendungen eine Anpassung des Einkommens an die subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen stattfindet343. 342

Siehe dazu m. w. N. oben B.III.1.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

Das Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB soll ebenfalls wirtschaftliche Leistungsfähigkeit widerspiegeln. Dies scheint eine ungeprüfte Übernahme von steuerlichen Größen in das Strafrecht nahe zu legen. Im deutschen Einkommensteuerrecht unterscheidet man zwischen der „Summe der Einkünfte“, die hauptsächlich aus den sieben steuerbaren Einkunftsarten gebildet wird, sowie dem „Gesamtbetrag der Einkünfte“, dem „Einkommen“ und dem „zu versteuernden Einkommen“ als Begriffe344 bzw. als Stufen des Rechenvorgangs der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer345. Den Begriff des Nettoeinkommens, der in § 40 Abs. 2 StGB Erwähnung findet, kennt es nicht. Besonders praktisch wäre es, wenn man das Endergebnis der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer, das „zu versteuernde Einkommen“ des § 2 Abs. 5 EStG unter Abzug der darauf entfallenden Einkommensteuer, herunter gebrochen auf einen Tag als das für den Tagessatz maßgebliche Nettoeinkommen übernehmen könnte. Obwohl im „zu versteuernden Einkommen“ versucht wird, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowohl objektiv durch Berücksichtigung der Einkünfte als auch subjektiv durch Abzug privater Aufwendungen zu ermitteln, kann der Wert jedoch dennoch nicht strafrechtlichen Gesichtspunkten genügen. Dies rührt daher, da er unter Berücksichtigung unzähliger Sozialzweckund Fiskalzwecknormen gebildet wurde, die wiederum möglichst im strafrechtlichen Nettoeinkommensbegriff zu eliminieren sind. Besonders der Bereich der Ermittlung der subjektiven Leistungsfähigkeit mit dem Konglomerat aus persönlichen Abzugsmöglichkeiten und Sozialzwecknormen ist im Einkommensteuerrecht zudem lückenhaft. Im Ergebnis des „zu versteuernden Einkommens“ wird nicht mehr gleich bleibend und gerecht für alle die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des zur Einkommensteuer Veranlagten widergespiegelt. Lang wie auch Tipke sprechen bei der Einkommensteuer gar von einer „Dummen“-Steuer, da nur die von ihr zu Kasse gebeten würden, die sich ihrer nicht entziehen könnten346. Damit das strafrechtliche Nettoeinkommen nach der hier zu findenden Definition diesem Manko nicht unterliegt, gleichzeitig aber eine Übernahme steuerlicher Werte aus Praktikabilitätsgründen möglich bleibt, ist ein Rechenmodell zu entwickeln, welches an das identitätsstrukturierende Merkmal des Steuerrechts, das Nettoprinzip, angelehnt ist, gleichzeitig aber versucht, bei der Übernahme steuerlicher Größen Sozialzwecknormen weitestgehend zu eliminieren. Bei der Definition des Nettoeinkommens des § 40 StGB in einem Rechenmodell sollte in einem ersten Schritt die Ermittlung eines strafrechtlichen Jahres-Brutto343 Zum Nettoprinzip im Einkommensteuerrecht siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 54 m. w. N. in Fn. 25 und Rz. 68 ff. sowie Uelner, FS Schmidt, S. 21 ff. 344 Ein kurzer Überblick zum Einkommensbegriff des Steuerrechts findet sich auch bei Tipke, JuS 1985, 347 ff. 345 Ein Veranlagungsschema, welches diese Begriffe im Überblick in Relation setzt, findet sich bei Jakob, Einkommensteuerrecht, Rn. 133. 346 Tipke, JuS 1985, 348 und Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 4.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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einkommens erfolgen. Dieses strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen sollte der objektiven wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Delinquenten im Sinne der objektiven Seite des Nettoprinzips entsprechen. Dabei ist zu prüfen, inwiefern steuerliche Wertungen in diesem Gebiet übernommen werden können. Um der Vorgabe eines strafrechtlichen Nettoeinkommens gerecht zu werden, sollte auf der Stufe des strafrechtlichen Jahres-Nettoeinkommens die subjektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne der subjektiven Seite des Nettoprinzips ermittelt werden. Dafür müssen vom strafrechtlichen Jahres-Bruttoeinkommen Abzüge vorgenommen werden, die die persönliche Situation des Verurteilten angemessen berücksichtigen. Dabei darf jedoch im Ergebnis nicht das Einbußeprinzip verwirklicht werden. Die Geschichte der Geldstrafe hat zudem gezeigt, dass ihr vermehrter Ausbau verhindern helfen sollte, die mit der Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen zusammenhängenden Negativfolgen bei den Verurteilten eintreten zu lassen. In dieser Ersatzfunktion sollte der Geldstrafe insbesondere auch die Negativfolge der Drittwirkung nicht anhaften. Um eben diese Drittwirkungen der Geldstrafe zu vermeiden, sollte das zu erstellende Rechenmodell einen Familienschutz beinhalten. Härten, die sich bei der Umsetzung des hier vertretenen Ansatzes daraus ergäben, dass nun tatsächlich der Nettoeinkommensbetrag abgeschöpft würde, wären mit den entsprechenden Zahlungserleichterungen zu begegnen.

1. Das strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen Das strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen sollte der objektiven wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Delinquenten entsprechen und es sollte sich aus Praktikabilitätserwägungen leicht aus den bei der Finanzbehörde vorliegenden Daten errechnen lassen. Dabei wird von einem Jahreseinkommen ausgegangen, um über das Jahr verteilte Schwankungen im Einkommen aufzufangen und auch berücksichtigen zu können, dass eventuell Sonderzahlungen an den Verurteilten regelmäßig geleistet werden, wie z. B. das 13. Monatsgehalt und Urlaubsgelder347. Zudem wird die Einkommensteuer ebenfalls in Jahresperioden veranlagt. Eventuell kommt noch die Hinzurechnung von nicht beim Finanzamt hinterlegten Daten hinzu; dies könnte erhaltene Unterhaltszahlungen oder staatliche Leistungen anderer Behörden betreffen. Wie schon von der wohl herrschenden Meinung gefordert, sollten für das Einkommen alle wiederkehrenden Bezüge in Geld oder Geldeswert umfasst sein348. 347 So auch Fleischer, Strafzumessung, S. 263 ff. der eine Orientierung am Jahreseinkommen vorschlägt. 348 Die Kommentatoren zu § 40 StGB zählen fast sämtlich ihrer Art nach nur wiederkehrende Bezüge als solche auf, die zum Nettoeinkommen des § 40 StGB zu zählen sind. Eine Übersicht dazu findet sich oben A.II.2.a)aa).

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

Einmalige Zuwendungen und Vermögen sollten nicht den Wert erhöhen349. Das Abstellen auf die Wiederkehr von Bezügen ist daher zu fordern, weil es sich bei einmaligen Bezügen zumeist um Sonderbezüge handelt, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zwar im Zeitpunkt ihres Anfallens punktuell erhöhen, jedoch nicht dauerhaft zu solch einer Erhöhung geeignet sind, da sie eben gerade in Zukunft nicht mit Sicherheit wiederkehren werden. Ihre Eignung, mitunter das Vermögen des Verurteilten zu erhöhen, ist insofern für die Feststellung des Nettoeinkommens im Sinne des § 40 StGB und damit auch beim strafrechtlichen JahresBruttoeinkommen unberücksichtigt zu lassen, als dass unter oben aufgeführten Argumenten eine Berücksichtigung von (Privat-)Vermögen abgelehnt wird. a) Die „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße Will man eine möglichst geringe Zahl an Sozialzwecknormen im strafrechtlichen Jahres-Bruttoeinkommen zur Wirkung kommen lassen, sich aber dennoch auf eine einkommensteuerrechtliche Größe stützen, so bietet sich als Grundlage die „Summe der Einkünfte“ des § 2 Abs. 3 EStG an. Bereits die Größe „Gesamtbetrag der Einkünfte“ kann drei verschiedene Steuervergünstigungen enthalten350 und ist dadurch ebenso wie die nachfolgenden Größen, der sie zugrunde liegt, als Ausgangspunkt für das strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen auf den ersten Blick ungeeignet. Zu untersuchen ist deshalb die Eignung der „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße für das zuvor umrissene strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen. Die Untersuchung der Eignung muss dabei zwei Aspekte erfassen. Zunächst die Eignung in dogmatischer Hinsicht. Dies betrifft die Frage, inwiefern sich die theoretischen Vorgaben an die „Summe der Einkünfte“ mit den theoretischen Anforderungen an das strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen decken. Dies lässt sich durch einen Blick auf die dogmatische Struktur der „Summe der Einkünfte“ erschließen. Erst bei positiver Eignung im dogmatischen Sinn ist dann in einem zweiten Schritt die Eignung in praktischer Hinsicht zu untersuchen. Will das schematische Rechenmodell das Manko des Fehlens zutreffender tatsächlicher Werte für die Bestimmung der Tagessatzhöhe beseitigen, so ist auch nach der tatsächlichen Qualität der der Ermittlung der „Summe der Einkünfte“ zugrunde liegenden tatsächlichen Werte zu fragen. Dies betrifft die Frage nach den Ermittlungsmethoden und Ermittlungserfolgen der Finanzbehörde in Bezug auf die betreffenden Daten. Anders jedoch Brandis, Geldstrafe, S. 155. Der „Gesamtbetrag der Einkünfte“ gemäß § 2 Abs. 3 EStG wird aus der „Summe der Einkünfte“ unter Abzug des Altersentlastungsbetrages gemäß § 24a EStG, des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG und des Freibetrages für Land- und Forstwirte gemäß § 13 Abs. 3 EStG gebildet. Hierbei wird der jeweilige Freibetrag abgezogen und damit de facto steuerfrei gestellt, da er sich am Ende nicht mehr in der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer wieder findet. All diese Abzugsposten sind echte Steuervergünstigungen, weil sie für die jeweiligen Personengruppen einen bestimmten Betrag vollständig von der Einkommensteuer freistellen. Zur Bildung des „Gesamtbetrages der Einkünfte“ siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 105. 349 350

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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Grundsätzlich erscheint die „Summe der Einkünfte“ als unterste Stufe der Berechnung der einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage noch am ehesten geeignet, als Ausgangsgröße für das Brutto-Jahreseinkommen zu dienen. Dies ergibt sich daraus, dass sie in dogmatischer Hinsicht im Rahmen der Bildung des „zu versteuernden Einkommens“ die objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einkommensteuerpflichtigen widerspiegeln soll351. Sie wird für den Veranlagungszeitraum von einem Jahr gebildet, § 2 Abs. 7 EStG352. Die Bildung erfolgt durch Saldierung der Einkünfte, die in der Regel durch Erwerbstätigkeit erwirtschaftet worden sind und zudem einer der steuerbaren Einkunftsarten zugeordnet werden können. aa) Die sieben steuerbaren Einkunftsarten des § 2 EStG Bevor die „Summe der Einkünfte“ gebildet werden kann, muss zunächst entschieden werden, welche Einkünfte steuerbar im Sinne des EStG sind. Die steuerbaren Einkunftsarten, aus der die „Summe der Einkünfte“ gebildet werden soll, wurden dabei vom Gesetzgeber pragmatisch durch Aufzählung von sieben verschiedenen Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 und 2 EStG festgelegt und nicht, wie etwa auch möglich, ausschließlich nach einer bestimmten Theorie, wie z. B. der Quellentheorie, der Reinvermögenzugangstheorie oder der Theorie vom Markteinkommen. Dabei würden bei alleiniger Berücksichtigung der Quellentheorie ausschließlich Einkünfte aus bestimmten regelmäßig fließenden Quellen besteuert. Bei alleiniger Übernahme der Reinvermögenstheorie353 käme es zu einer Besteuerung aller innerhalb einer Periode zugegangener Güter gleich welcher Herkunft als Reinvermögen354. Bei alleiniger Geltung der Theorie vom Markteinkommen würden nur die Einkünfte erfasst, die am Markt erwirtschaftet wurden. Diese ökonomischen Einkommenstheorien entfalten sich alle miteinander in dem ökonomischen Einkommensbegriff355, der „Summe der Einkünfte“ des 351 Die subjektive Leistungsfähigkeit wird dann durch Abzug privater Aufwendungen ermittelt. Dahinter steht der Gedanke, dass nur das für den zu Besteuernden disponible Einkommen besteuert werden soll. Die objektive Leistungsfähigkeit, verkörpert in der „Summe der Einkünfte“, sollte frei sein von solchen subjektiven Aspekten. Vgl. hierzu auch Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 42. 352 Zur Periodizität der Einkommensteuer siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 44 ff. 353 Zur Geschichte der Reinvermögenstheorie siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 32 m. w. N. sowie zu dem ursprünglichen theoretischen Hintergrund die Aufsätze des Begründers dieser Theorie von Schanz, FinArch 13 (1896), 1 ff. und ders., FinArch 39 (1922), 505 ff. 354 Nach von Schanz, FinArch 13 (1896), S. 87 ist Einkommen der „Zugang von Reinvermögen innerhalb einer Periode“. 355 Zu den verschiedenen Theorien und ihrem Einfluss auf die Entwicklung des ökonomischen Einkommensbegriff der „Summe der Einkünfte“ siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 8 Rz. 30 ff. und ders., § 9 Rz. 50 ff.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

§ 2 EStG356. Dabei ist die Aufzählung verschiedener Einkunftsarten eine Reminiszenz an die Quellentheorie. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus den verschiedenen Einkunftsarten wird jedoch die Quellentheorie nicht konsequent berücksichtigt. Vielmehr spielen alle oben genannten Theorien eine unterschiedliche Rolle. So ist z. B. das Merkmal der Erwirtschaftung aus Erwerbstätigkeit als Grundvoraussetzung einer jeden steuerbaren Einkunft rechtsdogmatisch der Markteinkommenstheorie zuzuordnen. Dieses Merkmal der Erwirtschaftung durch Erwerbstätigkeit wird aus dem Begriff des Erzielens in § 2 Abs. 1 Satz 2 EStG abgeleitet; objektiver Tatbestand ist das Erzielen von Einkünften, welches die Erwerbstätigkeit indiziert. Der subjektive Tatbestand einer steuerbaren Einkunft erfordert die Absicht, durch die Erwerbstätigkeit einen Überschuss der Bezüge über die Aufwendungen zu erzielen (sogenannte Einkünfteerzielungsabsicht) 357. Liegt dieses Merkmal für eine Einkunft vor, so wird in einem zweiten Schritt bestimmt, ob die Einkunft auch einer der sieben steuerbaren Einkunftsarten zugeordnet werden kann. Die sieben steuerbaren Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG sind Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte (ausschließlich) i. S. d. § 22 EStG. Die Zuordnung der tatsächlichen Einkünfte zu den unterschiedlichen Einkunftsarten kann mitunter schwierig sein. Die §§ 13 – 21 EStG klassifizieren detailliert, welche Einkünfte den Einkunftsarten des § 2 I Nr. 1 – 6 EStG zugeordnet werden können. § 22 EStG bildet zudem mit der recht umfangreichen, zumeist exemplarischen Aufzählung der sonstigen Einkunftsarten ein schwer überschaubares Feld. Obwohl der Gesetzgeber auch hätte normieren können, dass alle Einkünfte außerhalb des § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 6 sowie der §§ 13 – 21 EStG die sonstigen Einkünfte darstellen, hat er auch hier den Weg der pragmatischen Definition gewählt. Durch die pragmatische Definition aller Einkunftsarten können Steuerlücken entstehen; auch ist die Klassifizierung der steuerbaren Einkunftsarten durch diese Vorgehensweise in besonderem Maße uneinheitlichen Wertungen unterlegen. Bereits auf dieser ersten Wertungsebene – nämlich der Festlegung der Eigenschaft „steuerbare Einkunft“ – können Sozialzwecknormen Platz greifen. Dies ist soweit möglich durch Berücksichtigung des Merkmals regelmäßige oder nicht regelmäßige Einkunft im Jahres-Bruttoeinkommen zu negieren.

356 Zur Bedeutung des § 2 EStG für den Einkommensteuertatbestand siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 40 ff. und Lang, Bemessungsgrundlage, S. 33 ff. 357 Über § 22 EStG werden zum Teil auch sonstige Einkünfte erfasst, die nicht erwirtschaftet wurden. Dies wird jedoch durch Steuerfreistellungen im Rahmen des § 3 EStG wieder ausgeglichen. Ausführlich zum Tatbestandsmerkmal des „Erzielens“ siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 121 ff.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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bb) Steuerfreie Einkünfte Grundsätzlich bleiben also all jene Einkünfte, die nicht mit Einkünfteerzielungsabsicht durch Erwerbstätigkeit erwirtschaftet sind und die nicht unter die genannten sieben Einkunftsarten fallen, steuerfrei. Zudem legen die §§ 3 und 3b EStG fest, welche Einnahmen auf der Stufe der Ermittlung der Einkünfte teilweise oder vollständig steuerfrei sind358. Insbesondere die Entscheidung darüber, ob eine Einkunft vollständig oder bis zu einem bestimmten Betrag einkommensteuerfrei bleibt, ist bisweilen auch als eine Entscheidung zu klassifizieren, die der Ermittlung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht entspricht. Im Katalog der §§ 3 und 3b EStG, der unsystematisch all jene Einkünfte nennt, die teilweise oder vollständig steuerfrei sind, greifen Fiskalzwecknormen, Vereinfachungsnormen und Sozialzwecknormen Platz359. Während die Fiskalzweckbefreiungen dazu dienen, den Einkommensteuertatbestand völkerrechtlich abzugrenzen oder mit klarstellender Funktion die Einkünfte, die nicht unter die steuerbaren Arten zu fassen sind, nochmals aufführen, betreffen die Vereinfachungsbefreiungen insbesondere den Auslagenersatz und die Aufwandsentschädigungen. Sozialzweckbefreiungen sind politische Entscheidungen darüber, dass eine bestimmte Einkunftsart nicht zu besteuern ist. Man kann sie in drei Gruppen aufteilen: Die erste gewährt Steuerfreiheit für Versorgungs-, Entschädigungs- und Ausgleichsleistungen, die zweite Steuerfreiheit von Leistungen der Zukunftsvorsorge und die dritte gewährt Steuerfreiheit für ein willkürliches Gemenge diverser erwirtschafteter Bezüge. Diese Steuerfreiheit führt zu einer gleichheitswidrigen Bevorzugung der Gruppe, die die jeweiligen Einnahmen erwirtschaftet, zumeist von Arbeitnehmern360. Zu dieser expliziten Aussonderung bestimmter Einkunftsarten aus dem Kreis der steuerbaren Einkünfte tritt hinzu, dass bereits bei der Ermittlung der „Summe der Einkünfte“ gewisse grundsätzlich steuerbare Einkünfte von der Besteuerung durch Abzug von Freibeträgen ausgenommen werden361. 358 Z. T kommt der dortigen Nennung nur deklaratorische Funktion zu, da die jeweilige Einnahme nicht einer der Einkunftsarten zugeordnet werden kann, zum anderen Teil sind es tatsächlich Ausnahmen von der Regel. Auch werden auf diesem Wege Einnahmen ausgeschieden, die, obwohl nicht durch Erwerbstätigkeit erzielt, dennoch unter § 22 EStG zu fassen sind. Zu den steuerfreien Einnahmen siehe auch, Birk, Steuerrecht, § 6 B I 2 c, Rn. 541 a ff. 359 Zu der Klassifizierung der einzelnen Befreiungen sowie zu den einzelnen steuerfreien Einnahmen siehe im Detail Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 137 – 143. 360 Zu dieser besonderen Bevorzugung von Arbeitnehmern siehe, wenn auch nicht mehr ganz aktuell, so doch zumindest sehr speziell auch Koether, Steuerbefreiungen. 361 Dies gilt für den Versorgungsfreibetrag und Zuschlag gemäß § 19 Abs. 2 EStG, welcher Versorgungsbezüge aus nichtselbstständiger Arbeit begünstigt sowie für § 19a EStG, der Vermögensbeteiligungen mit einem Betrag von 135 Euro fördert. Des Weiteren sind zu nennen: die Freibeträge bei Betriebsveräußerungen (§§ 14 Satz 2, 14a, 16 Abs. 4 und 18 Abs. 3 Satz 2 EStG) sowie der Sparer-Freibetrag gemäß § 20 Abs. 4 EStG für Einkünfte aus Kapitalvermögen. Im Rahmen der sonstigen Einkünfte bleiben Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr. 2 und 23 EStG) steuerfrei, sofern sie den Betrag von 512 Euro nicht

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

cc) Steuerbare Einkünfte Eines haben alle (steuerbaren) Einkünfte gemeinsam. Die Einkünfte, welche gemäß § 2 Abs. 2 EStG der Einkommensteuer unterliegen, sind stets Reineinkünfte, also die Summe aus Einnahmen abzüglich der durch die Einnahmen veranlassten Ausgaben. Es ist bei jeder Einnahme oder Ausgabe nötig, sie einer bestimmten Einkunftsart zuzuordnen (und sei es zum Zwecke der Aussonderung, den steuerfreien aus dem Katalog des § 3 EStG), um die Einkünfte aus der jeweiligen Einkunftsart zu bilden. Eine genaue Trennung ist auch deshalb nötig, weil die Einkünfte bei den verschiedenen Einkunftsarten auf unterschiedlichen Wegen errechnet werden, wobei sich zwei Gruppen bilden lassen. Da ist zunächst die Gruppe, in der die Einkünfte als Gewinneinkünfte ermittelt werden, sowie jene, in der die Einkünfte als Überschusseinkünfte ermittelt werden. (1) Die verschiedenen Gewinnermittlungsmethoden Die Ermittlung von Gewinneinkünften ist dogmatisch angelehnt an die Reinvermögenstheorie. Dieser Gruppe gehören die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit an. Bei diesen werden die als Gewinneinkünfte zu klassifizierenden Einkünfte gemäß der §§ 4 – 7k EStG ermittelt. Ob eine Einkunft der Land- und Forstwirtschaft angehört, ist geregelt in den §§ 13, 14 und 14a EStG362, ob sie dem Gewerbebetrieb zuzuordnen ist, ergibt sich aus den §§ 15, 16 und 17 EStG363, und ob sie als selbstständige Arbeit angesehen werden kann, aus § 18 EStG364.

überschreiten (§ 23 Abs. 3 Satz 6 EStG). Zu diesen Freibeträgen siehe auch Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 145 – 148 sowie zu allen Freibeträgen des EStG Traxel, Freibeträge, der alle Freibeträge des EStG systematisiert, indem er sie entweder als Fiskalfreibeträge (S. 17 ff. und 44 ff.), Sozialfreibeträge (S. 35 ff. und 108 ff.) oder Vereinfachungsfreibeträge (S. 41 ff. und 201 ff.) klassifiziert. Eine überblicksartige Zuordnung (aller 1986) zum Großteil heute geltenden Freibeträge in diese Kategorien findet sich ab S. 242 ff. 362 Ein Überblick über die Einkünfte, welche der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen sind, findet sich bei Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 404 – 408, Jakob, Einkommensteuerrecht, Rn. 535 sowie im Detail bei Leingärtner / Zaisch, Einkommenbesteuerung. 363 Die Legaldefinition des Gewerbebetriebs findet sich in § 15 Abs. 2 EStG. Zur allgemeinen Bestimmung von Einkünften aus Gewerbebetrieb mit Beispielen im Überblick siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 413 – 422 sowie Steisslinger, Gewerbebetrieb, S. 84 ff. Bei Fischer, FR 2002, 598 findet sich auch Interessantes zur Geschichte des Begriffes des Gewerbebetriebes sowie ab S. 602 zu Einzelfragen der Zuordnung. 364 Zu den vier verschiedenen Gruppen der selbstständigen Arbeit siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 423 – 433 und Jakob, Einkommensteuerrecht, Rn. 536 ff. mit übersichtlichem Schema in Rn. 538. Im Einzelnen zu den freien Berufen siehe Freier, Tatbestand, S. 57 ff., bei der sich sowohl die historische Entwicklung der freien Berufe findet als auch ab S. 132 f. eine Aufzählung der unterschiedlichen freien Berufe. Speziell zu den ähnlichen Berufen unter Berücksichtigung immer neu entstehender Berufsbilder siehe Brandt, DStZ 2002, 867 ff.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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Die genaue Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben zu einer bestimmten Einkunftsart ist auch innerhalb der Gruppe derjenigen, die ihre Einkünfte im Wege der Gewinnermittlung feststellen, nötig. Dies ergibt sich zum einen aus dem Angebot unterschiedlicher Gewinnermittlungsmethoden für die unterschiedlichen Einkunftsarten und zum anderen aus dem Umstand, dass an die Eigenschaft einer bestimmten Einkunftsart zusätzlich verschiedenste steuerrechtliche Sonderbehandlungen geknüpft sein können, z. B. im Rahmen des späteren Verlustausgleichs365. Die Anwendbarkeit einer bestimmten Gewinnermittlungsmethode ist zumeist davon abhängig, ob der betreffende Steuerpflichtige, der die jeweiligen Einnahmen erwirtschaftet bzw. entsprechende Ausgaben tätigt, gesetzlich buchführungspflichtig ist oder freiwillig buchführend. Die steuerliche Buchführungspflicht ergibt sich aus den §§ 140 und 141 AO. Während § 140 AO Buchführungspflichten anderer Gesetze, insbesondere die der §§ 238 ff. HGB ins Steuerrecht transferiert, begründet § 141 AO originäre steuerliche Buchführungspflichten. Grundsätzlich gibt es vier verschiedene Möglichkeiten, Gewinneinkünfte im Sinne des EStG zu ermitteln366. Der allgemeine Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ist von den Land- und Forstwirten, die gesetzlich buchführungspflichtig oder freiwillig buchführend sind, sowie den freiwillig buchführenden Freiberuflern als Gewinnermittlungsmethode anzuwenden. Gewerbetreibende, welche entweder nach Handelsrecht gesetzlich buchführungspflichtig sind, insbesondere Kaufleute, Handelsgesellschaften und Buchführungspflichtige im Sinne des § 141 AO oder solche Gewerbetreibende, die freiwillig buchführend sind, haben den Gewinn im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs für Gewerbetreibende gemäß § 5 EStG zu ermitteln. Für Land- und Forstwirte steht unter bestimmten Voraussetzungen eine besondere, privilegierende Möglichkeit der Gewinnermittlung, nämlich die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG, zur Wahl. All jene, die von den vorgenannten Möglichkeiten, den Gewinn zu ermitteln, nicht Gebrauch machen (können), deren Einkünfte jedoch gemäß § 2 Abs. 2 EStG Gewinneinkünfte sind, haben den Gewinn im Rahmen einer Überschussrechnung aus Betriebseinnahmen und -ausgaben gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Die Gewinnermittlung im Rahmen dieser Gewinnermittlungsmethoden folgt unterschiedlichsten steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften. Hauptinstrument der Ermittlung der Gewinneinkünfte im Rahmen des Steuerrechts ist der Betriebsvermögensvergleich, er kann nach § 4 Abs. 1 und nach § 5 Abs. 1 EStG vorgenommen werden367. Gewinn im Rahmen der steuerlichen 365 Zur Erinnerung: Der Verlustausgleich ist die periodeninterne Berücksichtugung bzw. Verrechnung von Verlusten innerhalb der „Summe der Einkünfte“, siehe dazu auch schon oben S. 47 f. 366 Ein tabellarischer Überblick über die verschiedenen Arten der Gewinnermittlungsmethoden findet sich bei Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 202 f. sowie bei Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 17 Rz. 8. 367 Zum Betriebsvermögensvergleich siehe auch Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 17 Rz. 10 ff.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

Betriebsvermögensvergleiche gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AO ist „der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen“. Diesen Betriebsvermögensvergleichen liegt die handelsrechtliche Bilanzierung mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB)368, insbesondere mit den Vorschriften zum Ob369 und Wie370 der Bilanzierung eines Rechnungspostens zugrunde. In unterschiedlich starker Ausprägung wird diese handelsrechtliche Bilanzierung wiederum im Hinblick auf den jeweiligen Betriebsvermögensvergleich durch steuerrechtliche Vorschriften modifiziert. Diese finden sich in den §§ 4 bis 7k EStG. Es kann an dieser Stelle, ohne die zahlreichen Bestimmungen, die das Ob und das Wie der verschiedenen Posten der Bilanzierung bestimmen, im Detail zu erörtern, festgestellt werden, dass der Prozess der Bilanzierung bereits beim ersten Ansatz eines Wirtschaftgutes oder eines sonstigen auch zulässigen Bilanzpostens (Verbindlichkeit, Rückstellung und Rechnungsabgrenzungsposten) von Wertungen geprägt ist: sei es von handelsrechtlichen, wie dem Vorsichtsprinzip, oder von steuerrechtlichen, wobei sich insbesondere für das Wie der Bilanzierung umfassendes steuerrechtliches Sonderrecht gebildet hat. Dabei ist der pauschaliert begrenzte Ansatz gemäß § 4 Abs. 5 a EStG für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (seit Veranlagungszeitraum 2007) „wie“ Betriebsausgaben gar als Sozialzwecknorm zu interpretieren371. Dieser sorgt im Übrigen ebenso für Verzerrungen und Ungleichheit im Rahmen der Gewinnermittlung, wie jeder andere pauschalierte Ansatz von Betriebsausgaben auch372. Die Betriebsvermögensvergleiche als über mehrere Perioden fortgesetzte Gewinnermittlungen unterliegen demzufolge einem Zusammenspiel unterschiedlichster Bewertungsnormen und damit den unterschiedlichsten steuer- und handelsrechtlichen Wertungen. Davon ist auch das Ergebnis, der als Einkunft anzusehende Gewinn, der im Übrigen auch einen negativen Wert annehmen kann, beeinflusst. Es kann dabei nicht ausgeschlossen werden, dass entsprechende Wertungen dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht immer entsprechen. Dennoch ist es trotz seiner Kompliziertheit ein System, welches zumindest einigermaßen einheitlich von all jenen angewendet wird, die zur Gewinnermittlung im Rahmen des Betriebsvermögensvergleiches gemäß § 4 oder 5 EStG angehalten sind. Dabei muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass aus vorgenanntem Bilanzierungsvorgang nur bei denjenigen Steuerpflichtigen direkt die entsprechende Gewinneinkunft als ErmittZu den GoB speziell im Steuerrecht siehe Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 17 Rz. 60 ff. Bei der Frage des Obs der Bilanzierung wird entschieden, ob ein Rechnungsposten überhaupt Einzug in die Bilanz halten darf. Zum Ob der Bilanzierung siehe Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 17 Rz. 90 – 129. 370 Das Wie der Bilanzierung klärt die Bewertung des grundsätzlich anzusetzenden Postens. Zum Wie der Bilanzierung siehe Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 17 Rz. 130 – 177. 371 Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 263 m. w. N. in Fn. 115 ff. 372 Siehe dazu Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 302 ff. 368 369

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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lungsergebnis als einkommensteuerpflichtig festgesetzt wird, die ihrer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit allein und eigenverantwortlich und nicht im Rahmen einer Mitunternehmerschaft nachgehen. Da das deutsche Steuerrecht streng zwischen den zivilrechtlichen Erscheinungsformen unternehmerischer Tätigkeit unterscheidet und für Kapitalgesellschaften die Körperschaftssteuer anordnet, während bei der Personengesellschaft die einzelnen Gesellschafter Steuersubjekt der Einkommensteuer sind, muss auch bei Personengesellschaften der Gewinn des Gesamtunternehmens auf die Mitunternehmer aufgeteilt und bei diesen besteuert werden. Liegt Mitunternehmerschaft bei einer Personengesellschaft gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor, der über die Verweisungen der §§ 13 Abs. 7 und 18 Abs. 4 Satz 2 EStG auch für freiberufliche und land- und forstwirtschaftliche Personengesellschaften gilt, so ist die Gewinneinkunft der einzelnen Gesellschafter als Einkommensteuersubjekt in einem grundsätzlich zweistufigen, jedoch im Detail recht komplizierten Verfahren zu ermitteln. Dieses dient dem Zweck, sowohl die Gesamtheit der Personengesellschaft als auch die Individualität der Beteiligung des einzelnen an dieser Gesellschaft zu berücksichtigen373. Auf der ersten Stufe werden die Einkünfte der Personengesellschaft als Gesamtheit ermittelt und als Gewinnanteil auf den einzelnen Gesellschafter herunter gebrochen. Auf der zweiten Stufe werden in Bezug auf die Einkünfte alle Umstände berücksichtigt, die ausschließlich und abschließend den einzelnen Mitunternehmer betreffen, nämlich z. B. die abschließende Qualifikation der Einkunftsart sowie Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen, so dass auch hier steuerliche Wertungen Platz greifen. Die dritte Möglichkeit der Gewinnermittlung ist die nach Durchschnittssätzen. § 13a EStG hält für eine bestimmte Gruppe von Land- und Forstwirten, vornehmlich für die Betreiber von kleineren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die Wahlmöglichkeit bereit, den Gewinn des Betriebes mit Hilfe von Durchschnittssätzen zu ermittelt. Das Prozedere dieser sehr vereinfachten Form der Gewinnermittlung ergibt sich aus der Vorschrift des § 13a EStG und soll hier aufgrund seiner untergeordneten Bedeutung nicht näher erläutert werden374. § 13a EStG ist insbesondere durch das StEntlG 1999 / 2000 / 2001 in seiner Anwendbarkeit auf Kleinbetriebe reduziert worden. Dies war geschehen, da davon ausgegangen werden musste, dass es bei Anwendung der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen durch größere Betriebe, nur noch zu einer einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von 50 % des Gewinns gekommen war. Dennoch birgt die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen die Gefahr der ungerechtfertigten Steuerbegünstigung von Kleinbetrieben, da der wahre Gewinn des Betriebes durch die Anwendung der Durchschnittssätze im Dunkeln bleibt375. 373 Zur Ermittlung der Gewinneinkünfte von Mitunternehmern im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs der §§ 4 ff. EStG siehe Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 18 Rz. 9 ff. mit Schaubild in Rz. 58. 374 Zur Ermittlung des Durchschnittsgewinns nach § 13a Abs. 3 – 5 EStG siehe Schmidt / Seeger, EStG, § 13a Rz. 13 ff.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

Die vierte Möglichkeit der Gewinnermittlung ist die betriebliche Überschussrechnung. Bei der Überschussrechnung des § 4 Abs. 3 EStG werden im Gegensatz zur Gewinnermittlung unter zu Hilfenahme der handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften im Rahmen der Betriebsvermögensvergleiche Wertveränderungen im Betriebsvermögen, also Wertveränderungen der Quelle der Einkunft, grundsätzlich nicht berücksichtigt, obwohl hiervon weitgehende Ausnahmen normiert sind376. Die betriebliche Überschussrechnung ist eine Kassenrechnung, bei der das Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 EStG) und das Abflussprinzip (§ 11 Abs. 2 EStG) gelten. Es werden vorrangig Geldabgänge und -zugänge erfasst. Grundsätzlich findet keine bilanzielle Bewertung der Wirtschaftsgüter statt wie dies im Rahmen der Betriebsvermögensvergleiche nötig ist, obgleich § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG dem entgegenlaufende Sonderregeln enthält377. Die betriebliche Überschussrechnung ist damit im Gegensatz zu den Betriebsvermögensvergleichen eher von steuerlichen denn von handelsrechtlichen Wertungen geprägt; dennoch geht man davon aus, dass sich unabhängig von der Gewinnermittlungsart der Gewinn über den Gesamtzeitraum der Tätigkeit entspricht (sogenannte Gesamtgewinngleichheit378). Auch wenn dies in der Realität vielleicht nicht so ist, so bleibt festzuhalten, dass auch bei der betrieblichen Überschussrechnung über das Ob und das Wie des Ansatzes eines Wirtschaftsgutes entschieden wird. Die Nichtansetzbarkeit von Herstellungs- und Anschaffungskosten von nicht abnutzbarem Anlagevermögen zum Zeitpunkt der Anschaffung und die Übernahme der Abzugsverbote aus § 4 Abs. 5 EStG könnten bei der Gewinnermittlung für das jeweilige Steuerjahr der Feststellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entgegenlaufen. Abschließend lässt sich für alle Methoden der Gewinnermittlung eine unterschiedlich starke Prägung durch handels- und bzw. oder steuerrechtliche Wertungen festhalten. Durch die Anwendung unterschiedlicher Gewinnermittlungsmethoden auf ein und denselben Sachverhalt könnte es hypothetisch zur Errechnung unterschiedlich hoher Einkünfte kommen. Die unterschiedlichen Gewinnermittlungsmethoden unterliegen in unterschiedlichem Masse Verzerrungen, auch ausgelöst durch steuerliche Sozialzwecknormen. Dennoch kommt es unter den Anwendern der jeweiligen Gewinnermittlungsmethode durch das Bestehen eines Werte- und Bewertungssystems zu einer zumindest einigermaßen einheitlichen Gewinnermittlung. Grundsätzlich wird bei den betrieblichen Gewinneinkünften durch das Erfassen des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben das erwirtschaftete Ergebnis der Erwerbstätigkeit durch Miterfassung der Veräußerungs375 Zur Kritik an der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 411 m. w. N. 376 Zur Überschussrechnung des § 4 Abs. 3 EStG siehe Lang, Bemessungsgrundlage, S. 448 ff., Saam, SteuerStud 1990, 86 ff. sowie Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 17 Rz. 255 – 273. 377 Zu diesen Sonderregeln siehe Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 17 Rz. 266 f. 378 Zur Gesamtgewinngleichheit siehe auch BFH BStBl. II 2004, S. 985 (987).

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gewinne und -verluste von Betriebsvermögen recht vollständig erfasst. Eine Ausnahme bildet allenfalls die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen. Auch gewährleistet das Einkommensteuerrecht eine personelle Zuordnung von Gewinneinkünften auf eine bestimmte Person insbesondere im Rahmen von Mitunternehmerschaft. (2) Die Ermittlung von Überschusseinkünften Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und den sonstigen Einkunftsarten nach § 22 EStG gehören der zweiten Gruppe der steuerbaren Einkünfte des § 2 EStG an, innerhalb derer die Einkünfte gemäß Abs. 2 Nr. 2 der Vorschrift als Überschusseinkünfte ermittelt werden379. Ob eine Einnahme der nichtselbstständigen Arbeit zuzuordnen ist, ergibt sich aus § 19 EStG: Für Einnahmen aus Kapitalvermögen ist dies in § 20 EStG geregelt; für solche aus Vermietung und Verpachtung in § 21 EStG. § 22 EStG hält einen Einkünftekatalog bereit, der die sonstigen steuerbaren Einkünfte definiert. Auch im Bereich der Überschusseinkünfte sind die Einkünfte in den vorgenannten Paragraphen stets pragmatisch durch Aufzählung von konkreten Einkünften und nicht allgemein definiert. Die Ermittlung von Überschusseinkünften ist dogmatisch an die sogenannte Quellentheorie angelehnt, bei der Einkommen abhängig von einer regelmäßig fließenden Einkommensquelle ist, wobei im Gegensatz zur Reinvermögenstheorie und damit im Gegensatz zum Betriebsvermögensvergleich Vermögensveränderungen im Zustand der Quelle bei der Einkommensermittlung weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Überschusseinkünfte sind gemäß §§ 8 – 9a EStG der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Genau wie bei der betrieblichen Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ist bei der Überschussrechnung nach §§ 8, 8a – d und 9a EStG das Zu- und Abflussprinzip und damit § 11 EStG maßgeblich, auch ist sie eine Kassenrechnung. Gemäß §§ 8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind als Einnahmen grundsätzlich die durch Erwerbstätigkeit im Sinne der Überschusseinkunftsarten veranlassten Zuflüsse von Wirtschaftsgütern – Geld oder Waren – anzusetzen. Im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen findet sich jedoch mit dem sogenannten Halbeinkünfteverfahren, welches bis zum Veranlagungszeitraum 2008 Gültigkeit hat, eine Besonderheit beim Ansatz der Einnahmen. Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 sind die Einkünfte aus Kapital, wenn sie im Privatvermögen gehalten werden, in voller Höhe als Einkommen anzusetzen, sie unterliegen dann einer pauschalen Abgeltungssteuer380. Grundsätzlich werden nach § 8 EStG nur Quelleneinkünfte erfasst. Gemäß §§ 17, 22 Nr. 2 und 23 EStG werden Veräußerungseinkünfte und Substanz- und Wertverluste im Bereich des sogenannten Stammvermögens als Nichtquelleneinkünfte in die Überschussrechnung nach §§ 8 ff. EStG ausnahmsweise mit einbezo379 Zur Ermittlung der Überschusseinkünfte siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 350 ff. 380 Zu diesem Verfahrenswechsel siehe Tipke / Lang / Hey, Steuerrecht, § 11 Rz. 12.

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gen. Von den ermittelten Einnahmen sind die zulässigen Werbungskosten abzuziehen. Dabei bestimmt sich das Ob und das Wie des Ansatzes von Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 EStG und § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um die durch Erwerbstätigkeit im Sinne der Überschusseinkünfte veranlassten Abflüsse von Wirtschaftsgütern. Ob eine Aufwendung als Werbungskosten zulässig und damit von vorhandenen Einnahmen innerhalb einer Einkunftsart abziehbar ist, ist ebenso wie im Rahmen der Gewinneinkünfteermittlung auch bei der Überschussrechnung von Einnahmen und Werbungskosten von Wertungen abhängig, obgleich bei ersterer durch umfassende Berücksichtigung des Stammvermögens größere Gestaltungsspielräume offen liegen. Eine Besonderheit im Rahmen des Werbungskostenansatzes ist die Möglichkeit des Ansatzes von Werbungskostenpauschalen. Diese Pauschalen dürfen bezogen auf die jeweiligen Einkunftsarten unabhängig vom tatsächlichen Erbringen eines Aufwandes als Abzugsposten angesetzt werden. Nur wenn Ausgaben über dem Pauschbetrag angesetzt werden sollen (und können), muss der Nachweis über die tatsächliche Erbringung der Aufwendungen gegenüber dem Finanzamt erbracht werden. Die Höhe der jeweiligen Pauschbeträge wird sowohl durch Gesetz als auch durch Verwaltungsvorschriften festgelegt381. Durch den pauschalen Ansatz der Werbungskostenpauschalen kommt es zu Verzerrungen und Ungleichheit im Bereich der Ermittlung der Überschusseinkünfte. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass entweder Beträge angesetzt werden dürfen, die über den tatsächlichen Aufwendungen, also über der tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung liegen, oder aber wirtschaftliche Belastungen nicht in vollem Maße angesetzt werden können. Beides läuft dem Prinzip der Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entgegen. Am Ende des Steuerjahres werden die Einnahmen und Werbungskosten der verschiedenen Einkunftsarten einkunftsartgenau miteinander saldiert. Auch im Bereich der Einnahmen- / Werbungskosten-Überschussrechnung ist damit das Ergebnis, nämlich der Betrag der ermittelten Einkunft, von Wertungen des Einkommensteuergesetzes und anderen Gesetzen sowie Judikatur abhängig, indem Regeln aufgestellt werden, nach denen Einnahmen nicht zum Ansatz oder Werbungskosten nicht zum Abzug gebracht werden können bzw. dürfen.

381 Die im Bereich der Überschusseinkünfte wohl bekanntesten Werbungskostenpauschalen sind der Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Höhe von 920 Euro (für Versorgungsbezüge in Höhe von 102 Euro) gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 EStG sowie die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG, der jedoch zum Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben wurde. § 9a EStG enthält noch weitere auf verschiedene Einkunftsarten bezogene Werbungskosten-Pauschbeträge. Eine Übersicht dieser den Pauschbeträgen, sowohl den gesetzlichen als auch den aus Verwaltungsvorschriften findet sich bei Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 302 ff.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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(3) Die Berücksichtigung von Verlusten Bei den oben dargestellten Saldierungen von Bezügen und Aufwendungen gleich nach welcher Einkünfteermittlungsmethode können als Ergebnis auch negative Einkünfte resultieren. Dies wäre ein Verlust bezogen auf eine bestimmte Erwerbstätigkeit. Ein solcher Verlust liegt vor bei Bilanzverlusten, Überschüssen der Betriebsausgaben über die Betriebseinnahmen und Überschüssen der Werbungskosten über die Einnahmen. Nach dem objektiven Nettoprinzip, welches sicherstellen soll, dass die objektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen bei der Ermittlung der Einkünfte aus den verschiedenen Einkunftsarten festgestellt werden kann, haben Verluste grundsätzlich die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer zu mindern382. Man unterscheidet verschiedene Stufen der Verlustberücksichtigung383. Werden positive Einkünfte und negative Einkünfte der einzelnen steuerbaren Einkunftsarten innerhalb der Steuerperiode des Kalenderjahres saldiert, so spricht man wie bereits ausgeführt von Verlustausgleich384. Horizontaler Verlustausgleich liegt vor, wenn positive und negative Einkünfte innerhalb einer Einkunftsart saldiert werden, während man von vertikalem Verlustausgleich spricht, wenn die positiven und negativen Einkünfte verschiedener Einkunftsarten miteinander verrechnet werden. Von diesem periodeninternen Verlustausgleich zu unterscheiden ist der Verlustabzug. Beim Verlustabzug werden negative Einkünfte Steuerperioden übergreifend mit positiven Einkünften verrechnet. Dies geschieht jedoch nicht im Rahmen der Errechnung der „Summe der Einkünfte“, sondern erst nach Bildung des „Gesamtbetrages der Einkünfte“. Obwohl das Nettoprinzip identitätsstrukturierendes Merkmal der Einkommensteuer ist, welches in der Theorie die umfassende Berücksichtigung von Verlusten bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens gebietet385, finden sich bereits bei der Saldierung der Bezüge und Aufwendungen, bzw. Einnahmen und Ausgaben innerhalb einer Erwerbstätigkeit verschiedene Abzugsbeschränkungen für Aufwendungen, die im Ergebnis den vollständigen Verlustausgleich verhindern, indem diese Aufwendungen nicht in die Saldierung der „Summe der Einkünfte“ mit einfließen können. Auch negative Einkünfte außerhalb der steuerbaren Einkünfte oder wenn sie mit steuerfreien Einkünften in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (§ 3c Abs. 1 EStG), finden bei der Ermittlung der „Summe der Einkünfte“ keine Berücksichtigung. Dies ist insofern konsequent, als dass die jeweiligen positiven steuerfreien Einkünfte, auf die sich die Ausgaben beziehen, auch nicht den Wert der „Summe der Einkünfte“ erhöhen, da sie nicht einfließen. Es lässt jedoch die Veranlassungstheorie unberücksichtigt, nach der es bei Aufwendungen nicht darauf ankommen kann, in welchem Bezug sie zu Einnahmen stehen, So Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 54. Siehe dazu Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 61 ff. 384 Siehe dazu oben S. 47 f. 385 So Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 54, m. w. N. zur Annerkennung als identitätsstrukturierendes Merkmal durch den Deutschen Juristentag und das BVerfG. 382 383

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sondern einzig ausschlaggebend sein sollte, durch welche Tätigkeit sie veranlasst waren. Insofern stimmt der Wortlaut des § 3c Abs. 1 Satz 1 EStG nicht mit der Veranlassungstheorie überein386. Über diese Vorschrift werden Verluste aus einer bestimmten Erwerbstätigkeit vom horizontalen Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart ausgeschlossen, die eigentlich im Zusammenhang mit steuerbaren Einkunftsarten entstanden sind. Des Weiteren schränken die Regeln der Mindestbesteuerung die vollständige Berücksichtigung von Verlusten ein, jedoch nur noch auf der Stufe des Verlustabzuges, nicht mehr auf der des Verlustausgleichs387. Nach Abschluss des Verlustausgleichs erhält man die einkommensteuerrechtliche Größe der „Summe der Einkünfte“. Die Berücksichtigung von Verlusten indes – Verlustausgleich wie auch Verlustabzug – dient grundsätzlich dem Leistungsfähigkeitsprinzip und ist keine Steuervergünstigung388. b) Eignung in dogmatischer Hinsicht Inwiefern ist die „Summe der Einkünfte“ nunmehr in dogmatischer Hinsicht als Ausgangsgröße für das strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen im Rahmen eines schematischen Rechenmodells geeignet? Für die „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße spricht, dass sie wie erörtert im Rahmen der sieben steuerbaren Einkünfte einigermaßen umfassend wiederkehrende durch Erwerbstätigkeit veranlasste Bezüge und Abzüge umfasst. Gegen sie spricht genau dasselbe. Zum einen werden nur durch Erwerbstätigkeit veranlasste Bezüge und Abzüge umfasst, nicht jedoch Sozialleistungen, zum anderen werden auch nichtwiederkehrende Einkünfte umfasst, wie zum Beispiel das Ergebnis einmaliger Veräußerungen (§§ 14, 16, 18 und 22 Nr. 2 i.V. m. 23 EStG). Zudem gibt es wiederkehrende Einkunftsarten, die aufgrund der stets pragmatischen Definition der sieben Einkunftsarten außerhalb dieser stehen und deshalb auch nicht von der „Summe der Einkünfte“ umfasst werden (Stichwort: Besteuerungslücken). Die „Summe der Einkünfte“ beinhaltet dennoch relativ umfassend all jene Einkunftsarten, die beim durchschnittlichen Bundesbürger durch Erwerbstätigkeit anfallen können; dies ist schon deshalb so, weil der Staat ein gesteigertes Interesse hat, Einkommen möglichst umfangreich zu besteuern. Sofern noch weitere wiederkehrenSo auch Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 290. Im Rahmen der Mindestbesteuerung, welche für den Verlustausgleich im Rahmen des StEntlG 1999 / 2000 / 2002 eingeführt wurde, durften gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 EStG a. F. beim vertikalen Verlustausgleich die Verluste, die für einen Einzelveranlagten 51 500 Euro überstiegen nur mit der hälftigen Summe mit positiven Einkünftesalden verrechnet werden. Bei dieser Verrechnung war gemäß der Sätze 4 und 5 auch noch das Verhältnis der negativen Einkünfte zur Summe der Einkünfte zu beachten. Satz 6 – 8 regelten die Mindestbesteuerung bei Ehegatten gesondert. Ausführlicher zur damals noch geltenden Mindestbesteuerung siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, 17. Aufl. 2002, § 9 Rz. 65 ff. und Ritzer, Mindestbesteuerung. 388 Tipke, JuS 1985, 349. 386 387

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de, also regelmäßige Einkünfte gegeben sind, die nach einhelliger Meinung die strafrechtliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 40 StGB erhöhen, sind sie zu identifizieren, wenn möglich mit Hilfe des Steuerrechts, und damit mit der Hoffnung auf Registrierung bei der Finanzbehörde, und dann sind sie zur „Summe der Einkünfte“ hinzuzuaddieren. Die Eignung der „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße kann somit im Hinblick auf ihren Umfang grundsätzlich festgehalten werden. Des Weiteren spricht noch ein anderer Aspekt für die „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße. Das Jahres-Bruttoeinkommen ist für jeden Delinquenten personengenau, also allein, zu ermitteln. Das bedeutet, dass bei zusammenveranlagten Ehegatten, bei denen die „Summe der Einkünfte“ kumuliert ermittelt wird, eine Trennung nach der Verursachung der Einkünfte für jeden Ehegatten zu vollziehen ist. Diese Trennung fällt verfahrenstechnisch insofern nicht schwer, als dass bei der Einkommensteuererklärung die „Summe der Einkünfte“ zunächst getrennt ermittelt und erst dann kumuliert wird. Das Veranlasserprinzip wird in dieser Größe also konsequent beachtet, wodurch jede Einkunft dem jeweiligen Ehegatten personengenau zugeordnet werden kann. Bei den der „Summe der Einkünfte“ folgenden Größen der Einkommensteuerermittlung werden die jeweiligen Abzüge gemeinsam und nicht nach Einkünften getrennt vorgenommen, so dass sich die Vorgabe, beim Jahres-Bruttoeinkommen auch für den zusammenveranlagten Ehegatten eine getrennte Ermittlung durchzuführen, bei der Größe „Summe der Einkünfte“ am effektivsten verwirklichen lässt. In der „Summe der Einkünfte“ vereinigen sich die Einkünfte aus den sieben Einkunftsarten. Wie aufgezeigt, werden diese Einkünfte sowohl in Abhängigkeit von der Einkunftsart, aber auch in Abhängigkeit anderer steuerrechtlicher Wertungen auf unterschiedlichen Wegen ermittelt und miteinander verrechnet. Die Ermittlung der Einkünfte auf unterschiedlichen Wegen führt indes dazu, dass bei verschiedenen Einkünften unterschiedliche Wertungen in die Einkünfteermittlung einfließen. Wobei ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften darin liegt, dass bei den Gewinneinkünften zumindest in Abstufungen Wertveränderungen im Vermögen des Steuerpflichtigen Berücksichtigung finden und bei den Überschusseinkünften das Vermögen größtenteils ausgespart wird. Zudem tragen die Transferierung der handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften in das Steuerrecht wie auch die Normierung originärer steuerlicher Buchführungsvorschriften im Rahmen der Gewinneinkünfteermittlung dazu bei, dass zum einen ein erheblicher Unterschied in der Einkünfteermittlung zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften besteht und zum anderen die Ermittlung der Gewinneinkünfte selbst von unzähligen Bewertungsvorschriften des Steuer- und des Handelsrechts abhängig ist. Es soll an dieser Stelle nicht erneut der Dualismus der Einkunftsarten dargestellt, sondern nur daran erinnert werden, dass aufgezeigte Unterschiede bestehen. Vor allem soll beurteilt werden, wie im Rahmen der Errechnung des strafrechtlichen Jahres-Bruttoeinkommens mit dieser Situation umgegangen werden kann389.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

Besonders die unterschiedliche Berücksichtigung von Vermögen scheint unter der Prämisse, dass Vermögen beim strafrechtlichen Nettoeinkommensbegriff nicht den Wert von selbigem erhöhen darf, problematisch. Man muss jedoch bedenken, dass das Vermögen, dessen Wertveränderung in die Gewinnermittlung der Gewinneinkünfte einfließt, stets Betriebs- und nicht Privatvermögen ist. Des Weiteren findet eine Gewinnerhöhung durch Werterhöhung von Betriebsvermögen nur dann statt, wenn Betriebsvermögen veräußert wird. Sofern diese Veräußerungsgeschäfte gewerblich, mit Gewinnerzielungsabsicht und regelmäßig getätigt werden, sind sie selbstverständlich als Teil des Gewinns zu berücksichtigen. Wenn sie gelegentlich der Gewerbetätigkeit erwirtschaftet werden, so sind die erwirtschafteten Gewinne zumeist nur Realisierung der stillen Reserven, die dadurch entstehen, dass Wertveränderungen im Bestandsvermögen des Betriebes durch Anwendung des Vorsichtsprinzip zumeist gewinnmindernd in Form der Abschreibung für Abnutzung (AfA) Berücksichtigung finden390. Findet eine Veräußerung des gesamten Betriebsvermögens wegen Aufgabe der speziellen Erwerbstätigkeit statt, so greifen die Sonderregeln in den §§ 14, 14a, 16 und 18 Abs. 3 EStG in Bezug auf die Besteuerung. Die Einkommensteuer wird gemäß § 34 EStG in einem gesonderten Rechenschritt festgelegt. Da diese Veräußerungsgeschäfte das Vermögen, welches der Erwerbstätigkeit zur Verfügung stand, in Privatvermögen umwandeln, sind sie beim strafrechtlichen Jahres-Bruttoeinkommen unberücksichtigt zu lassen. Dies ergibt sich daraus, dass es sich sowohl um nicht regelmäßige Einkünfte als auch nur um Vermögensumschichtungen handelt. Diese Einkünfte aus solchen Veräußerungsgeschäften sind aus der „Summe der Einkünfte“ zu subtrahieren. Da sie gegenüber der Finanzbehörde aufgrund der Sonderregeln gesondert ausgewiesen werden, sollte diese Vorgehensweise kein Problem darstellen. Aus Gründen der Gleichbehandlung muss so auch mit Einmalzahlungen anlässlich des Ausscheidens eines Arbeitnehmers aus einem Betrieb umgegangen werden, für die im Übrigen gemäß § 3 Nr. 9 und 10 EStG ebenfalls Sonderregeln bestehen. Im Ergebnis ist der grundsätzliche Unterschied bei der Einkünfteermittlung aus verfahrensökonomischen Gründen hinzunehmen. Es ist unerreichbar, die zwei oben beschriebenen komplexen Systeme zur Ermittlung der Einkünfte sowie ihre Unterspielarten bei gleichzeitiger Eliminierung jeglicher handels- und steuerrechtlicher Wertungen rechnerisch zusammenzuführen und damit zu vereinheitlichen. 389 Zum Dualismus der Einkunftsarten siehe sowohl oben den Vergleich zwischen Gewinn- und Überschusseinkünfteermittlung C.I.1.a)cc)(2) als auch zu der sich aus dem Dualismus ergebenen unterschiedlichen steuerlichen Belastung Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 180 ff, nach dem jedoch im internationalen Vergleich auch keine Patentlösung zu finden ist (Rz. 186) und bei dem sich die Ungerechtigkeiten im Einzelnen aufgelistet finden in Rz. 401. 390 Eine vollständige Neubewertung bei Bestandsvermögen findet nach Eingliederung in das Betriebsvermögen nicht mehr statt. Nur potenzielle Wertminderungen wirken sich stetig gewinnmindernd aus. Bei geringwertigen Wirtschaftsgütern können gar die gesamten Herstellungs- und Anschaffungskosten im Jahr der Anschaffung als Betriebsausgabe angesetzt werden.

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Die Erstellung eines solchen Zwecken dienenden Rechenprogramms (selbst im Sinne computergestützter Verarbeitung) erscheint aufgrund der Komplexität der Ausgangsmodelle unmöglich und wäre im Ergebnis wohl auch nicht von Wertungen frei. Es erscheint zudem mit dem Rechtsgedanken der „Einheit der Rechtsordnung“ unvereinbar zu sein, wenn im Strafrecht nicht einmal der Basiswert des Steuerrechts für objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit akzeptiert werden könnte. Aus diesen Gründen der Unterschiedlichkeit auf die „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße zu verzichten, hieße, eine Grundlage aufzugeben, die die Rettung aus der zur Zeit herrschenden Misere der Tagessatzhöhenfeststellung ist. Die Unterschiede sind aus Gründen der Verfahrensökonomie bei der Ermittlung der Tagessatzgeldstrafe hinzunehmen. Aus Gründen der Opfergleichheit ist es zu begrüßen, dass zumindest gleichartige Einkünfte gleichartig ermittelt werden und ungleichartige Einkünfte auf gleiche Art ungleich festgestellt werden. Auch der vielfach geforderte Ausgleich von Verlusten hat mit dem horizontalen und vertikalen Verlustausgleich in der „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße bereits stattgefunden. Zu einer Berücksichtigung des periodenübergreifenden Verlustabzugs kommt es mit dieser Größe indes nicht. Zwar dient der Verlustabzug der Ermittlung steuerlicher Leistungsfähigkeit, dennoch ist dies ein Instrument, welches Verluste eines Veranlagungszeitraumes, die anders keine Berücksichtigung finden konnten, großzügig auf andere Zeiträume verteilt391. Damit sind die Verluste vom Urteilszeitpunkt zeitlich noch weiter entfernt als der Vorjahreswert der „Summe der Einkünfte“. Dies rechtfertigt es, den Verlustabzug, der grundsätzlich über die Perioden hinweg durch den Ausgleich von Einkunftsschwankungen objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sicherstellen soll, nicht im Rahmen des JahresBruttoeinkommens zu berücksichtigen. Die „Summe der Einkünfte“ kann also in dogmatischer Hinsicht als Grundlage für das hier gesuchte strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen dienen, zweifelsohne muss sie modifiziert werden. Grundsätzlich müssen einmalige Einkünfte, sofern sie als steuerbar erfasst wurden, von der „Summe der Einkünfte“ abgezogen werden. Neben der bereits erwähnten Herausrechnung der erfassten Veräußerungsgewinne bei Betriebaufgabe 392 betrifft dies insbesondere jegliche Art von Abfindungen und Einmalzahlungen. Eine Einmalzahlung ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn sie tatsächlich nur einmal gewährt wird und nicht etwa, wenn sie nur einmal im Jahr gewährt wird, in diesem Falle ist nämlich jährliche Regelmäßigkeit anzunehmen. An diese erste Modifizierungsstufe der „Summe der Einkünfte“ schließt sich eine zweite an. Es sind zum anderen regelmäßige steuerfrei gestellte Einkünfte hinzuzurechnen. Dies betrifft vor allem Versorgungsbezüge, bei denen zum Teil nur ein Anteil, der Ertragsanteil393, besteuert wird, sowie die Einkünfte, die im Halb391 392 393

Zum Verlustabzug siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 62 ff. sowie oben S. 48. Veräußerungsgewinne gemäß §§ 14; 16; 18 Abs. 3; 22 Nr. 2 und 23 EStG. Vergleiche hierzu §§ 19 Abs. 2 und 22 Nr. 1 a EStG.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

bzw. ab Veranlagungszeitraum 2009 im Teileinkünfteverfahren zur Hälfte bzw. zu 40 % gemäß § 3 Nr. 40 und 40a EStG steuerfrei gestellt sind. Genauso müssen all jene steuerfreien Einkünfte des § 3 EStG hinzugerechnet werden, die regelmäßig erlangt werden bzw. als Ersatz für regelmäßig erlangte Bezüge gewährt werden. In diese Kategorie steuerfreier regelmäßiger Einkünfte, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen und deshalb dem strafrechtlichen Jahres- Bruttoeinkommen hinzuzurechnen sind, zählen auch jene in den Kommentaren stets genannten Posten wie das Kindergeld, laufende Renten-394, Versorgungs-395 und Unterhaltsbezüge, Arbeitslosenunterstützung (Arbeitslosengeld I und II), Sozialhilfe, Studienförderung, Gefangenenentlohnung, aber auch all jene, die nicht genannt, aber regelmäßig im Sinne von laufend bezogen werden. Dies sind dann vor allem Sozialleistungen jeglicher Art. Sofern sie dem Progressionsvorbehalt des § 32b EStG unterliegen, ist davon auszugehen, dass sie auch der Finanzbehörde bekannt sind396. Des Weiteren könnten sie ebenfalls bei den leistungsgewährenden Behörden abgefragt werden, wenn sie der Finanzbehörde nicht bekannt sein sollten. Die Sozialleistungen sind im Übrigen Nettowerte, die keinem weiteren Abzug durch den Staat unterliegen. Sie können ungekürzt übernommen werden; dies gilt auch, sofern sie zweckgebunden sind wie z. B. das Wohngeld. Würde man das anders sehen, käme man wieder zum Einbußeprinzip. 394 Sofern diese nicht bereits über die Einkunftsarten erfasst werden. Die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erfassen nämlich auch Rentenbezüge, sofern die einem Arbeitsverhältnis entstammen. Die sonstigen Einkünfte gemäß § 22 EStG umfassen ebenfalls Renten als regelmäßige Bezüge. 395 Mit ihrem Nichtertragsteil, sofern aufgeteilt. 396 Zum Progressionsvorbehalt: Die Einkommensteuer wird tariflich errechnet indem auf das „zu versteuernde Einkommen“ der jeweilige progressive Einkommensteuertarif angewendet wird. Der Progressionstarif soll sicherstellen, dass geringes Einkommen mit keiner oder nur mit einer geringen Steuer belastet wird, während dazu relativ hohe Einkommen prozentual auch mehr belastet werden sollen. Der deutsche Progressionstarif ist in § 32a EStG geregelt und zur Zeit so ausgestaltet, dass bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 7 664 Euro ein sogenannter Grundfreibetrag gewährt wird, auf den keine Einkommensteuer zu zahlen ist. Es folgen drei weitere Einkommensstufen, in denen die Einkommensteuer in unterschiedlicher Abhängigkeit vom „zu versteuernden Einkommen“ mit Hilfe der in § 32a Abs. 1 EStG festgelegten Formeln errechnet wird. Der deutsche Progressionstarif ist als linear-progressiver Formeltarif mit linear verlaufender Grenzbelastung zu qualifizieren Ein Überblick zum deutschen Progressionstarif mit anschaulichem Schaubild zur Einkommensbelastung durch den Tarif findet sich bei Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 800 ff. Bei der Anwendung ergeben sich insofern Besonderheiten, als dass bei dem zu berücksichtigenden „zu versteuernden Einkommen“ auch noch die Sondervorschriften der § 32b, 34, 34b und 34c EStG zu berücksichtigen sind. In diesen Vorschriften finden sich unterschiedliche Tarifabweichungen vom Progressionstarif, die Tarifmodifizierung ist dabei abhängig vom Vorliegen einer bestimmten Einkunftsart. Insbesondere § 32b EStG regelt den sogenannten Progressionsvorbehalt, nach dem bei Vorliegen bestimmter steuerfreier Einkünfte das „zu versteuernde Einkommen“ um die entsprechende Summe der steuerfreien Einkünfte vermehrt oder vermindert wird, damit dann der auf das veränderte „zu versteuernde Einkommen“ nach § 32 EStG ermittelte Steuertarif auf das ursprünglich „zu versteuernde Einkommen“ angewendet wird.

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Das strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen lässt sich also in dogmatischer Hinsicht sinnvoll aus dem Betrag der einkommensteuerlichen „Summe der Einkünfte“ als Ausgangsgröße abzüglich der einmaligen steuerbaren Einkünfte und zuzüglich der regelmäßigen steuerfreien Einkünfte errechnen. c) Eignung in tatsächlicher Hinsicht Inwieweit sind nun die der „Summe der Einkünfte“ zugrunde liegenden Daten in tatsächlicher Hinsicht für die Bestimmung des Jahres-Bruttoeinkommens und mit ihm für die Bestimmung der Tagessatzhöhe durch ein Rechenschema geeignet? Durch das Rechenschema sollen in der Tagessatzhöhe opfergleich und verfahrensökonomisch die Mankos der heutigen Tagessatzhöhenbestimmung, nämlich Schätzung ohne Tatsachengrundlage und ungeprüfte Übernahme von Delinquentenangaben, eliminiert werden. Deshalb ist der Prozess der Einkommensteuerveranlagung in tatsächlicher Hinsicht daraufhin zu untersuchen, ob auch ihm bei der Beschaffung der Daten diese Mängel anhaften. aa) Das Verfahren der Einkommensteuerfestsetzung Die Ermittlung der Einkommensteuer kann nur dann sinnvoll durchgeführt werden, wenn für die einzelnen Rechenstufen, also auch für die „Summe der Einkünfte“ die entsprechenden Werte vorliegen. Zu untersuchen ist, woher die Finanzbehörde diese Werte bezieht und in welcher Weise sie im Prozess der Einkommensteuerfestsetzung verarbeitet werden. Grundsätzlich sind die Steuerpflichtigen während eines Veranlagungszeitraumes verpflichtet, vierteljährlich Vorauszahlungen auf die nach dem Veranlagungszeitraum endgültig festzusetzende Einkommensteuer zu zahlen, die sich in der Höhe gemäß § 37 EStG prinzipiell nach den Verhältnissen der Vergangenheit bemessen. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen397. Die Einkommensteuer für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die Lohnsteuer, wird als Quellensteuer gemäß der §§ 38 ff. EStG in der Form erhoben, dass der jeweils lohnauszahlende Arbeitgeber auf Grundlage der auf der von der Gemeinde ausgegebenen Lohnsteuerkarte angegebenen Lohnsteuerklasse und Freibeträge398 ein Teil des Lohnes direkt an die Finanzverwaltung als Lohnsteuer abführt399. Auch die Kapitalertrag397 Neben den folgend genannten gibt es auch noch die nach § 50a EStG für die Einkommensteuer auf bestimmte Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige. 398 Sofern nicht die Pauschalierungsvorschriften der §§ 40 ff. EStG Anwendung finden, nach denen ein pauschaler Abzug der Lohnsteuer zulässig ist. 399 Ein Überblick zum Quellensteuerabzug bei der Lohnsteuer findet sich bei Ramb, SteuerStud 2002, 72 ff.

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steuer auf bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen wird gemäß §§ 43 ff. EStG als Quellensteuer erhoben400. Die so während des Veranlagungszeitraumes gezahlten Einkommensteuerbeträge werden nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes sozusagen abgerechnet. Dies geschieht durch Festsetzung der Einkommensteuer in einem Einkommensteuerbescheid. Dabei wird unter Auswertung der Gesamtsituation für den nunmehr vergangenen Veranlagungszeitraum festgestellt, ob die tatsächlich zu entrichtende Einkommensteuer bereits geleistet oder noch nicht vollständig erbracht wurde. Bei Mehrleistung erfolgt eine Rückzahlung, bei Unterdeckung ergeht eine Zahlungsaufforderung. Aus §§ 2 Abs. 7 und 25 EStG ergibt sich für die Steuerpflichtigen die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes von einem Kalenderjahr bis jeweils 31. Mai des Folgejahres. Im Rahmen des nachfolgenden Veranlagungsverfahrens werden die Besteuerungsgrundlagen ermittelt und die Festsetzung der Steuerschuld durch einen Steuerbescheid vorgenommen. Dies geschieht zum Zwecke der Feststellung der tatsächlichen für den Veranlagungszeitraum aktuellen Besteuerungsgrundlagen und zur Verrechnung der bereits gezahlten. Gemäß § 46 EStG sind Steuerpflichtige, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen, also dem Quellensteuerabzug für die Lohnsteuer unterlagen, von der Pflicht, eine Steuererklärung abzugeben, ausgenommen, so sie nicht mindestens einen der in § 46 Abs. 2 Nr. 1 ff. EStG aufgeführten Tatbestände erfüllen, die die Veranlagung zur Einkommensteuer und damit die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung wieder aufleben lassen. Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt im Falle der Nichtveranlagung die Einkommensteuer, die auf die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit entfällt, mit dem Lohnsteuerabzug als abgegolten, soweit der Steuerpflichtige nicht durch zu wenig erhobene Lohnsteuer (also Fehler im Lohnsteuerverfahren) in Anspruch genommen werden kann. Dennoch ist es oftmals ratsam, auch bei Nichtbestehen der Veranlagungspflicht eine Einkommensteuererklärung abzugeben, um z. B. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen geltend zu machen, die im Rahmen des Quellensteuerabzuges keine Berücksichtigung finden. Es ist davon auszugehen, dass von dieser Möglichkeit auch umfassend Gebrauch gemacht wird. Die Verfahrensnormen zur Einkommensteuerfestsetzung werden der Abgabenordnung (AO) entnommen. Das Ermittlungsverfahren ist in den §§ 78 ff. AO mit allgemeinen Verfahrensvorschriften, in den §§ 134 ff. AO mit Vorschriften zur Erfassung des Steuerpflichtigen, in den §§ 140 ff. AO mit Mitwirkungspflichten in Bezug auf die Buchführungspflicht (ab § 140 AO) und die Abgabe von Steuererklärungen (ab § 149 AO) geregelt und die Steuerfestsetzung im schriftlichen Verfahren in den §§ 155 ff. AO. Im Veranlagungsverfahren treffen den Steuerpflichtigen umfangreiche Mitwirkungspflichten, die Ausdruck der Kooperationsmaxime 400 Ein kurzer Überblick zum Quellensteuerabzug bei der Kapitalertragsteuer findet sich bei Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 90.

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sind. Weil die Finanzbehörde selbst nur wenig zur Aufklärung des für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltes beitragen kann, ist das Besteuerungsverfahren auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen. Dem Steuerpflichtigen kommt daher im Rahmen der Kooperationsmaxime eine sphärenorientierte Mitverantwortung an der Sachverhaltsaufklärung zu401. Die Mitwirkungspflichten haben damit ihren Ursprung in dem erheblichen Informationsgefälle zwischen dem Steuerpflichtigen auf der einen Seite, dem die Tatsachen, die die Besteuerung betreffen, zumeist gut bekannt sind, und der Finanzbehörde auf der anderen Seite, die aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes zur Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet ist402. Der Untersuchungsgrundsatz ist im Steuerrecht in § 88 Abs. 1 AO normiert. Er macht die Sachaufklärung vom Parteivortrag unabhängig und überträgt die Letztverantwortung für die Richtigkeit der Sachverhaltsaufklärung der Finanzbehörde. Die Grundnorm der Mitwirkungspflichten auf Seiten des Steuerpflichtigen findet sich in § 90 AO, der die Verpflichtung der Beteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung allgemein normiert. Dies umfasst insbesondere die Pflicht, die steuererheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen und die bekannten Beweismittel anzugeben403. Im Besonderen ist der Steuerpflichtige gemäß § 149 Abs. 2 AO im Rahmen der Steuererklärung verpflichtet, seine Angaben wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Dies muss er auch im Rahmen der Einkommensteuer versichern. Nachträglich festgestellte Unrichtigkeiten in Bezug auf die Steuererklärung sind vom Steuerpflichtigen gemäß § 153 AO gegenüber der Finanzbehörde zu berichtigen. Des Weiteren transferiert § 140 AO die Vorschriften über Buchführungspflichten anderer Gesetze, soweit Bücher und Aufzeichnungen für die Steuererhebung maßgeblich sind, in das Steuerrecht. Dadurch werden die Buchführungspflichten aus dem Handelsrecht Mitwirkungspflichten des Steuerrechts, sofern sich nicht steuerrechtliche Spezialregeln finden. Zudem werden originäre steuerliche Buchführungspflichten in den §§ 141 ff. AO normiert, denen der Steuerpflichtige ebenfalls im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nachkommen muss, so sie ihn tatbestandlich betreffen. Der Steuerpflichtige ist also zur Angabe der Tatsachen, die die Grundlage der Besteuerung betreffen, verpflichtet, insbesondere im Rahmen der Steuererklärung sowie auch im Rahmen der Buchführungspflicht. Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer sind also in hohem Maße die im Rahmen der Mitwirkungspflichten gemachten eigenen Angaben des Steuerpflichtigen. Dabei hat die jeweilige Finanzbehörde auch die Möglichkeit, weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben; für die vollständige Sachverhaltsaufklärung trägt sie zudem die Letztverantwortung. Sie kann z. B. gemäß §§ 92 ff. AO bei dem Steuerpflichtigen selbst, 401

Zur Kooperationsmaxime siehe auch Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 4 und

171. 402 Zum Untersuchungsgrundsatz im Steuerverfahren siehe Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 3 und 170. 403 Soweit § 30 Abs. 1 AO; Abs. 2 der Vorschrift sieht des Weiteren besondere Mitwirkungspflichten bei Sachverhalten mit Auslandsbezug vor.

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anderen Personen, bei Behörden und bei Sachverständigen Auskünfte einholen und diese für die Steuerfestsetzung verwerten404. Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung treffen den Beteiligten, also den Steuerpflichtigen und auch die anderen an der Sachverhaltsaufklärung beteiligten Personen erneut spezielle Mitwirkungspflichten. Sie müssen nach Aufforderung gemäß § 78 AO (für den Beteiligten) bzw. § 93 AO (für Dritte) wahrheitsgemäße Auskünfte erteilen, gemäß § 97 AO Urkunden vorlegen oder aber gemäß § 100 AO Wertsachen zur Augenscheinnahme vorlegen bzw. gemäß § 99 AO eine andere Augenscheinnahme räumlich ermöglichen. Mitwirkungsverweigerungsrechte stehen dem Steuerpflichtigen nur in sehr begrenztem Umfang zu405. So kann das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Rahmen des Ermessens aufgrund des Prinzips der freiheitsschonenden Besteuerung406 einschränkend berücksichtigt werden407. Zudem sind Zwangsmittel im Sinne des § 328 AO gegen den Steuerpflichtigen nicht zulässig, wenn er durch die Anwendung gezwungen würde, sich selbst nach Eröffnung eines entsprechenden Strafverfahrens wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten408. Weitere Mitwirkungsverweigerungsrechte stehen dem Beteiligten, anders als den anderen Personen, im Veranlagungsverfahren nicht zu. Insbesondere ist er grundsätzlich nicht durch ein Bank-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis geschützt. Um diese Schutzlosigkeit auszugleichen, gibt es das Steuergeheimnis des § 30 AO. Aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes bei den Finanzbehörden409 wird eine Sachverhaltsermittlung, die über die Angaben des Steuerpflichtigen hinausgeht, indes tatsächlich nur in seltenen Fällen zur Anwendung kommen. Darauf deutet insbesondere die Grundsatz-Richtlinie GNOFÄ 1997410 hin, die in Zweifelsfällen an der Richtigkeit der Angaben nur in steuerlich besonders ertragsreichen Fällen Ermittlungen vorsieht, die über das Hinnehmen der Angaben des 404 Ausführlich zur Beweismittelerhebung und Beweiswürdigung im Rahmen der steuerlichen Sachverhaltsaufklärung durch die Finanzbehörde siehe Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 192 ff. und 204 ff. 405 In den Paragraphen §§ 101 – 106 AO finden sich die abschließend geregelten Mitwirkungsverweigerungsrechte für Nichtbeteiligte, wobei § 101 AO auch Beteiligte betrifft, sofern der zusammenveranlagte Ehegatte als Angehöriger ein Mitverweigerungsrecht aus selbiger Vorschrift erlangt. Eine inhaltliche Übersicht der Mitwirkungsverweigerungsrechte findet sich bei Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 195 ff m. w. N. in den Fußnoten. 406 Zum Prinzip der freiheitsschonenden Besteuerung als obere Schranke des finanzbehördlichen Eingriffs in Freiheitsrechte siehe Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 8. 407 So Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 195. 408 Zum Geltungsbereich des Nemo-tenetur-Prinzips im Steuerstrafverfahren siehe Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 24 Rz. 12 f. und 29 m. w. N. in Fn. 10 und 11. 409 Siehe hierzu Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 5 m. w. N. 410 Bundeseinheitliche Regelung durch gleichlautende Erlasse der Länder (Grundsätze) zur Organisation der Finanzämter und Neuordnung des Besteuerungsverfahrens (GNOFÄ 1997), in: BStBl. I 1996, 1391.

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Steuerpflichtigen hinausgehen411. Das bedeutet: Grundsätzlich wird dem Steuerpflichtigen ein freiheitsschonender Vertrauensvorschuss412 gewährt. Sind seine Angaben jedoch unplausibel und unstimmig, wecken gar Zweifel in Bezug auf ihre Richtigkeit, so ist die Finanzbehörde angehalten, genauer nachzuprüfen413. Zusätzlich zu solchen durch die Steuererklärung bzw. den Steuerpflichtigen selbst veranlassten Sachverhaltsermittlungen werden regelmäßig auch Stichproben durchgeführt. Bei diesen Stichproben wird die entsprechende Steuererklärung bis ins Detail genau durchgeprüft. Diese detaillierte Prüfung einzelner Steuererklärungen ist zwar ungleich und mag auch ungerecht erscheinen, sie ist jedoch nötig und damit gerechtfertigt, um bei der Gesamtheit der Steuerpflichtigen den nötigen Druck zu erzeugen, eine wahrheitsgemäße Steuererklärung abzugeben414. Die Einführung der Möglichkeit einer elektronischen Übermittlung der Daten zwischen Steuerpflichtigen und Finanzbehörde („Elektronische Steuererklärung – ELSTER“)415 könnte jedoch durch entsprechende Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen bei den Finanzbehörden zu Arbeitszeiteinsparungen bei der Erfassung und Auswertung der Besteuerungsgrundlagen führen. Die dadurch zur Verfügung stehenden zusätzlichen Kapazitäten könnten wieder vermehrt für die Sachverhaltsermittlung genutzt werden416. Grundsätzlich sind die Einkommensteuerberechnungen also auf die Angaben des Steuerpflichtigen im Rahmen der Steuererklärung und auf seine geführten Bücher gestützt, die alle wiederum unterschiedlichen handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Wertungen unterliegen. Die Zuwiderhandlung gegen die Mitwirkungspflichten, insbesondere die Falschangabe von Auskünften ist in § 370 AO als Steuerhinterziehung mit Strafe bewehrt, so dass beim Steuerpflichtigen ein Zwang zur ordnungsgemäßen Abgabe der Steuererklärung entsteht.

411 Nr. 1 der GNOFÄ 1997 macht das Wirtschaftlichkeitsprinzip zum Leitprinzip der Bearbeitung von Steuerfällen. Die Prüfungsintensität soll von der „steuerlichen Bedeutung“ des Falles abhängen. Die nachfolgenden Autoren gehen davon aus, dass hierunter der „fiskalische Erfolg“ verstanden wird, damit die Prüfungsintensität also von der Möglichkeit eines möglichst hohen Ertrages abhängen soll. Vgl. Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 7 und Tipke / Kruse / Tipke, AO, § 85 Rn. 23 a und 28, der dies als Faktum bemängelt. 412 BFH, BStBl. II 2004, 911 (912 f.) und Seer, FR 1997, 558 ff. 413 Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 6. 414 Zu diesen Stichproben sowie zu ihrer Generalprävention siehe Seer, FR 1997, 558 ff. 415 ELSTER ist ein in § 150 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 AO i.V. m. der sogenannten Steuerdaten-ÜbermittlungsVO – StDÜV vom 28. 01 2003, BGBl. I 2003, S. 139 gesetzlich verankertes Projekt, welches den technischen Wandel hin zum E-Government vollzieht. Hierbei kann das Finanzamt die bereits elektronisch erfassten Daten des Steuerpflichtigen, die dieser online übermittelt, direkt übernehmen und weiterverarbeiten. Zu den Zielen von ELSTER sowie dessen (verwaltungs-)technischer Umsetzung siehe auch Brandis, StuW 2003, 349 ff. 416 So Tipke / Lang / Seer, Steuerrecht, § 21 Rz. 7.

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bb) Zwischenergebnis Im Gegensatz zur unüberprüften Hinnahme von Angaben des Angeklagten oder zur Schätzung ist die „Summe der Einkünfte“ eine handfeste Tatsachengrundlage, die von den Finanzbehörden zumindest annährend umfassend ermittelt wird. Hiergegen spricht auch nicht die Tatsache, dass der Veranlagungsprozess zu großen Teilen auf die Angaben und die Bücher der Steuerpflichtigen gestützt ist, da diese im Rahmen der Mitwirkungspflichten unter Zwang abgefragt werden. Beim Quellensteuerabzug kommt es zudem zur Zwischenschaltung einer dritten unabhängigen Instanz. Des Weiteren stehen den Finanzbehörden umfangreiche Ermittlungsmethoden in Form von weitreichenden Befugnissen zur Verfügung. Aufgrund der Überlastung der Finanzbehörden ist zwar eine vollständige Ausermittlung nicht zu erwarten. Die dort festgehaltenen Ermittlungsergebnisse sind jedoch allemal besser als keine Ermittlungen bei der Strafgerichtsbarkeit. Zweifelsohne kann es vorkommen, dass die Angaben von Steuerpflichtigen nicht korrekt sind. Davor kann die Finanzbehörde sich nicht endgültig schützen. Es ist jedoch zu bedenken, dass Falschangaben dort mit Strafe bewehrt sind, die Falschangabe des Einkommens bei Gericht jedoch nicht. Das Risiko falscher Steuererklärungen ist hinzunehmen, der Schaden im Einzelfall, nämlich eine nicht opfergleich festgelegte Tagessatzhöhe im Übrigen nicht größer als bei völlig falschen Angaben zum Einkommen bei Gericht. Das Risiko einer Falschangabe ist indes bei den Steuererklärungen geringer einzuschätzen als bei den Angaben gegenüber dem Gericht. Zweifelsohne kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund der geringen Kapazitäten der Finanzbehörde auch ungeprüft unrichtige Angaben des Steuerpflichtigen übernommen werden. Dieses Risiko ist in Bezug auf die Tagessatzhöhenbestimmung insofern hinzunehmen, als dass durch Übernahme der Werte aufgrund des einheitlichen Ermittlungsprozesses bei der Finanzbehörde zumindest standardisierte Werte für die Tagessatzhöhenbestimmung nutzbar gemacht würden, die standardisiert ermittelt wurden. Unzulänglichkeiten bei der Richtigkeit der Werte sind aus verfahrensökonomischen Gründen hinzunehmen, da diese Unrichtigkeiten aufgrund des Systems der Einkünfteermittlung über Buchführungspflichten und Quellensteuerabzug nicht beliebig sind. Die Übernahme von Angaben des Delinquenten ohne jegliche Tatsachengrundlage sowie die anhaltlose Schätzung sind hingegen beliebig. Ein übermäßig hoher Arbeitsaufwand auf Seiten der Finanzbehörde ist bei Anfrage des Gerichts auch nicht zu befürchten, da im Rahmen der Einführung elektronischer Steuererklärungen von einem hohen Grad an elektronisch gespeicherten Daten ausgegangen werden kann. Zudem sollen nur solche Daten übergeben werden, die der Finanzbehörde bekannt sind. Problematisch sind jedoch zwei Zeitpunktaspekte in Bezug auf die zu übernehmenden Daten. Zum einen soll das Nettoeinkommen zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung einschlägig sein; dabei sollte nach der herrschenden Meinung grundsätzlich von der Gegenwart ausgegangen werden, die sich aus einem Blick in die

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Vergangenheit ergebe, wobei zukünftige Veränderungen ebenfalls berücksichtigt werden sollten417. Beim Finanzamt sind jedoch im günstigsten Fall die Vorjahreswerte abschließend hinterlegt. Sind sie dies nicht, so ergibt sich daraus unter Hinnahme der ersten Problematik das zweite Zeitpunktproblem, nämlich der Nichtabschluss der Veranlagung des Vorjahreszeitraumes zum Urteilszeitpunkt. Wie bereits erörtert, findet die endgültige Veranlagung zur Einkommensteuer immer erst nach Abschluss eines Veranlagungszeitraumes, also nachträglich statt, obwohl innerhalb des Veranlagungszeitraumes bereits Beträge zur Deckung der Einkommensteuer des Veranlagungszeitraumes einbehalten werden. Erst wenn der abschließende Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum vorliegt, ist die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer sowie sie selbst endgültig festgestellt; nur dann kann auf sie gesichert zurückgegriffen werden. Im günstigsten Fall liegen der Finanzbehörde zum Zeitpunkt der Urteilsfindung also Vorjahresdaten vor, die in die hier vertretene schematische Berechnung der Tagessatzhöhe einfließen könnten. Fraglich ist, wie sich dies mit der Forderung verträgt, das Nettoeinkommen des Urteilzeitpunktes zu ermitteln. Dazu könnte man feststellen, dass sich dieser Umstand aufs Ganze gesehen nicht mit vorgenannter Forderung verträgt. So führte Tröndle aus, dass die Daten zu alt seien. Zudem sagten sie nur aus, wie der Betroffenen es verstanden habe, sich vor zwei Jahren veranlagen zu lassen. Deshalb und auch weil sie nicht den Anforderungen des Strafrechts gerecht würden, seien sie unbrauchbar418. Nun ist es aber tatsächlich so, dass auf aktuellere Daten nicht einfacher zurückgegriffen werden kann und hinzukommt, dass die Praxis bei Nichterreichen von aktuellen Daten dazu neigt, die Angaben des Angeklagten ungeprüft zu übernehmen oder ohne fundierte Grundlage zu schätzen. Um genau aus dieser Misere der Datenlosigkeit herauszufinden, sollte auf Daten der Finanzbehörden zurückgegriffen werden. Dass diese nun grundsätzlich nicht den Urteilszeitpunkt betreffen, kann unter zwei Gesichtpunkten hingenommen werden. Zum einen ist es relativ opfergleich; denn dieses Phänomen liegt bei allen Steuerpflichtigen vor. Zum anderen muss es aus Gründen der Verfahrensökonomie hingenommen werden. Denn auch durch Praktikabilität im Gerichtsalltag wird Opfergleichheit erneut hergestellt. Sollte der einzelne Verurteilte geltend machen, dass er im Urteilszeitpunkt ein wesentlich geringeres Einkommen habe als das festgestellte, so besteht auf Seiten des Betroffenen zweifelsohne die Möglichkeit, dies glaubhaft zu machen. Ist diese relative Ungenauigkeit der Vorjahreswerte hinzunehmen, so stellt sich die Frage, wie mit der Situation umgegangen werden kann, wenn noch ältere als Vorjahreswerte existieren. Auch in diesem Fall muss und zwar aus vorgenannten Gründen die Ungenauigkeit hingenommen werden. Da unter diesen Umständen 417 LK-Häger, § 40 Rn. 51 m. w. N. in Fn. 122, Fischer; § 40 Rn. 6 und Lackner / Kühl, § 40 Rn. 8 und 16. 418 LK-Tröndle, 10. Aufl., § 40 Rn. 67.

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noch eher darüber nachgedacht werden kann, eine Anpassung an die aktuelle Situation vorzunehmen, können in solcherart gelagerten Fällen die übergebenen Werte zumindest Anhaltspunkte für die Schätzung der dem Rechenschema zugrunde zu legenden Faktoren sein. Die Zeitpunktproblematik schadet somit im Ergebnis nicht dem Gesamtmodell. Die „Summe der Einkünfte“ ist in dogmatischer Hinsicht unter Modifizierungen und in tatsächlicher Hinsicht ohne Einschränkungen geeignet, um aus ihr das strafrechtliche Jahres-Bruttoeinkommen zu errechnen. 2. Das strafrechtliche Jahres-Nettoeinkommen Auf der Stufe des strafrechtlichen Jahres-Nettoeinkommen soll subjektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ermittelt werden. Dafür müssen vom strafrechtlichen Jahres-Bruttoeinkommen Abzüge vorgenommen werden, die die persönliche Situation des Verurteilten angemessen berücksichtigen. Dabei darf jedoch im Ergebnis nicht das Einbußeprinzip verwirklicht werden. Dies bedeutet, dass alle Aufwendungen, die dem Verurteilten subjektiv im Zusammenhang mit dem Einkommen und seiner Zukunftssicherung zwangsweise entstehen, sowie Aufwendungen, die diesen gleichstehen, Berücksichtigung finden müssen, in keinem Fall jedoch Aufwendungen für Konsum oder den normalen Lebensunterhalt419. Um des Weiteren Negativfolgen für die Familienangehörigen zu vermeiden, die auf die Sorge des Verurteilten angewiesen sind, um also sogenannte Drittwirkung zu vermeiden, muss das zu erstellende Rechenmodell einen Familienschutz beinhalten. Dazu wird in einem letzten Schritt zur Ermittlung des strafrechtlichen Jahres-Nettoeinkommens eine Aufteilung des Einkommens auf die Familienmitglieder, die auf die Sorge des Verurteilten angewiesen sind, vorgenommen. a) Persönliche Abzugsposten tatsächlicher Art Die zu berücksichtigenden Abzugsposten tatsächlicher Art sollen solche sein, die dem einzelnen Verurteilten tatsächlich im Zusammenhang mit seinem Einkommen oder seiner Zukunftssicherung zwangsweise entstehen, sowie solche, die diesen Posten gleichstehen. Dies geschieht in Anlehnung an die subjektive Seite des Nettoprinzips. Im Steuerrecht wird im Rahmen der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse ein unvollständiges Konglomerat persönlicher Abzugsposten aus der Einkommensbesteuerung ausgesondert. Von dem verbleibendem, Verlust bereinigtem „Gesamtbetrag der Einkünfte“ können die Sonderausgaben, die außergewöhnlichen Belastungen sowie die sich aus der Immobilienförderung ergeben419 Bereits auf der Stufe der „Summe der Einkünfte“ berücksichtigte Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer Einkunft stehen, wie Betriebsausgaben und Werbungskosten dürfen auf dieser Stufe nicht nochmals berücksichtigt werden.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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den Beträge abgezogen werden, so die jeweiligen Tatbestände des EStG für den Steuerpflichtigen gegeben sind. Durch den Abzug privater Ausgaben sollte zwar generell die subjektive Leistungsfähigkeit ermittelt werden; nichtdisponibles Einkommen sollte nicht der Besteuerung unterliegen. Dies wäre Ausdruck des subjektiven Nettoprinzips, welches gewährleisten sollte, dass die Mittel für die unvermeidbaren Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung von der Besteuerung ausgeschlossen würden420. In der steuerrechtlichen Realität jedoch schließt § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG Abzüge für Aufwendungen für die Lebensführung aus, es sei denn, das Gesetz bestimmt ausdrücklich etwas anderes. Diese Ausnahmetatbestände der Sonderausgaben finden sich in den §§ 10, 10a, 10b und 10c EStG421, die der außergewöhnlichen Belastungen in den §§ 33 – 33b EStG422; die Immobilienförderung ist in den §§ 10e – 10i EStG423 geregelt. Sie verwirklichen das subjektive Nettoprinzip indes nur sehr unvollkommen424. Eine Übernahme der steuerlichen Wertungen scheidet daher auch in Ansätzen aus. Zudem ist die Ermittlung der subjektiven Leistungsfähigkeit bei der Tagessatzhöhenbestimmung auf ein anderes Ziel gerichtet als bei der Einkommensteuerberechnung. Bei dieser soll subjektive steuerliche Leistungsfähigkeit ermittelt werden, im Rechenmodell hingegen subjektive strafrechtliche Leistungsfähigkeit. So kann zum Beispiel der Betrag der entrichteten Einkommensteuer, die auch durch Ermittlung subjektiver steuerlicher Leistungsfähigkeit festgelegt wurde, als Betrag von der strafrechtlichen Leistungsfähigkeit nicht umfasst sein. Die auf das Einkommen entrichtete Einkommenssteuer gehört gerade zu den zwangsweise entstehenden Posten im Rahmen des strafrechtlichen Jahres-Nettoeinkommens, die es aufgrund der Beschränkung der subjektiven Leistungsfähigkeit auszusondern gilt. 420 Zur subjektiven Seite des Nettoprinzips siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 69 ff. sowie zur geschichtlichen Entwicklung des subjektiven Nettoprinzips Uelner, FS Schmidt, S. 25 ff. 421 Zur Einordnung der einzelnen Sonderausgaben in die indisponible Einkommensverwendung, die nicht immer gelingen kann, siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 706 ff. 422 Nach § 33 EStG als Grundvorschrift der außergewöhnlichen Belastungen können auf Antrag zwangsläufige außergewöhnliche Aufwendungen vom „Gesamtbetrag der Einkünfte“ abgezogen werden, so sie die in § 33 Abs. 3 EStG festgelegte zumutbare Belastung übersteigen. Eine Übersicht der Hauptanwendungsfälle des § 33 EStG findet sich bei Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 726 ff. Die §§ 33a und 33b EStG hingegen sind tatbestandlich gefasste außergewöhnliche Belastungen. Sie berücksichtigen regelmäßig Aufwendungen des Grund- und Mehrbedarfs und sind deshalb eigentlich nicht unbedingt in den Bereich der Außergewöhnlichkeit einzuordnen. 423 Bei der Immobilienförderung finden sich zusätzlich zu dem detaillierten Regelungswerk auch noch Vorschriften zu den jeweiligen Anwendungszeiträumen in § 52 Abs. 26 – 29 EStG. Gesetzessystematisch ist die Immobilienförderung den Sonderausgaben zuzuordnen. Dem subjektiven Nettoprinzip dienen sie indes nicht, sie sind als Sozialzwecknormen zu klassifizieren, denn sie dienen einzig und allein der Lenkung bestimmter Geldströme. 424 Tipke, StuW 1971, 16 f. und Lang, Bemessungsgrundlage, S. 71 ff.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

Des Weiteren sind darunter die gesetzlichen Sozialversicherungsabgaben, die Beiträge für Renten-, Arbeitslosigkeits- und Krankenversicherung zu fassen. Alle diese entstehen zwangsläufig: die Einkommensteuer bei allen Steuerpflichtigen, die Sozialversicherungsbeiträge nur bei den Sozialversicherungspflichtigen. In den Kommentaren und auch in der weiterführenden Literatur findet sich wie erörtert stets die Forderung, dass die den Sozialversicherungsbeiträgen vergleichbaren Aufwendungen der selbstständig Beschäftigten neben vorgenannten ebenfalls zum Abzug zu bringen seien. Dem ist insofern zuzustimmen, als diese Aufwendungen den gleichen Zweck erfüllen sollen wie die der Sozialversicherung. Es ist jedoch noch weiter zu gehen und die gesamte private Absicherung der Existenz, also die komplette Sparte der Vorsorge, den Aufwendungen für die Sozialversicherung als abzugsfähig gleichstellen. Nur so kommt es zu einer Gleichstellung von Personen mit unterschiedlichem Status im Hinblick auf die Sozialversicherungspflicht. Jeder, der private Vorsorge betreibt, soll die Aufwendungen dafür im Rahmen der Bildung des Jahres-Nettoeinkommen abziehen können. Dies ist im Steuerrecht nicht so. Es ist jedoch ungleich, die Vorsorge der Sozialversicherungspflichtigen nur für den Umfang der Sozialversicherungsleistungen zu berücksichtigen, im privaten Rahmen der Nichtsozialversicherungspflichtigen jedoch weitergehend. Zudem dienen die Vorsorgeaufwendungen der Sicherung der späteren Existenz und der Erhaltung von Einkommen in der Zukunft425. Daher sollen Aufwendungen für Vorsorgeleistungen in vollem tatsächlichem Umfang berücksichtigt werden. Dies gilt jedoch nur, sofern sie nicht im Hinblick auf das zu fällende Urteil getätigt wurden und werden, um die Höhe der Geldstrafe zu reduzieren. Aufwendungen für spätere Rentenansprüche sowie alle Versicherungen, die Leistungen bei Krankheit, Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit, Unfall etc. gewähren, um die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen zu sichern, sind damit in ihrer vollen tatsächlichen Höhe bezogen auf den beim strafrechtlichen Jahres-Bruttoeinkommen festgelegten Jahreszeitraum abzugsfähig. Die Vorsorgeaufwendungen sind der Finanzbehörde durch Angabe in der Steuererklärung zum großen Teil bekannt, selbst wenn sie dort auch nur anteilig Berücksichtigung finden. Darüber hinausgehende Aufwendungen müssen dann vom Verurteilten geltend gemacht werden, wenn er in den Genuss des Abzugs kommen will. Um der Vorgabe eines strafrechtlichen Nettoeinkommens gerecht zu werden, sind daher vom strafrechtlichen Bruttoeinkommen die zu entrichtende Einkommensteuer, gesetzliche Sozialabgaben (Kranken-, Renten- und Arbeitslosigkeitsversicherung) und solche, die diesen entsprechen, sowie Vorsorgeaufwendungen bezogen auf den Jahreszeitraum abzuziehen. Dass die zu entrichtende Einkommensteuer auch Steuern auf einmalige steuerbare Einkünfte enthält, die im Rahmen der Bildung des strafrechtlichen Jahres-Bruttoeinkommens von der „Summe der Ein425 So auch von Selle, Geldstrafe, S. 244 f., der jedoch zu dem Schluss kommt, dass nur Beiträge für Leistungen, die der Sozialversicherungspflicht gleichgestellt sind, zum Abzug gebracht werden dürfen. Allerdings sei dieser Abzug nicht beschränkt durch die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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künfte“ abzuziehen waren, ist in folgender Weise zu berücksichtigen: Diese Steuern dürfen nicht im Rahmen der Ermittlung des strafrechtlichen Jahres-Nettoeinkommens zum Abzug gebracht werden. Sie sind aus der abzuziehenden zu entrichtenden Einkommensteuer herauszurechnen. Dies ist insofern relativ unproblematisch, als dass § 34 EStG für die entsprechenden Veräußerungsgewinne i.V. m. § 24 Nr. 1 EStG für Abfindungen eine gesonderte Berechnung der Einkommensteuer vorschreibt, der Finanzbehörde also der Sondersteuersatz für solche Einkünfte explizit bekannt sein sollte. Unterhaltszahlungen sollen bis zu diesem Punkt noch nicht in die Berechnung mit einbezogen werden, da dies der Berücksichtung der familiär-wirtschaftlichen Situation zuzuordnen ist. b) Die besondere Anpassung an die familiär-wirtschaftliche Situation Um Drittwirkungen für die Angehörigen des Verurteilten zu vermeiden, wird das hier zu erarbeitende Rechenmodell einen Familienschutz beinhalten. Dabei geht es darum, dass beim Verurteilten bis zu diesem Punkt festgestellte unaufgeteilte strafrechtliche Jahres-Nettoeinkommen auf die Familienangehörigen zu verteilen, die von seiner Sorge abhängig sind. Im Übrigen wird bei dieser Vorgehensweise nicht unter dem Deckmantel des Nettoeinkommensprinzips das Einbußeprinzip vertreten, sondern es soll dem Verurteilten, aber nicht seiner Familie, das gesamte ihm zur Verfügung stehende Einkommen entzogen werden, also auch solches, welches er für lebensnotwendige Bedürfnisse wie Wohnung, Kleidung und Lebensmittel etc. braucht. Beim Einbußeprinzip hingegen würden ihm gerade diese Mittel belassen. Es werden unterschiedliche Ansätze zur Berücksichtigung des Vorhandenseins von auf Sorge angewiesener Familie vertreten. Es wird vertreten, die Unterhaltsverpflichtungen des Verurteilten zu berücksichtigen und zwar entweder ausschließlich in tatsächlich geleisteter Höhe oder ausschließlich in Höhe der rechtlichen Verpflichtung oder ergänzend. Letzteres soll erfolgen, wenn die tatsächliche Höhe nicht nachgewiesen werden könne, dann sei die Höhe der Verpflichtung zu berücksichtigen. Wobei insgesamt umstritten ist, woraus sich die Höhe der Verpflichtung ergeben soll426. Bei allen diesen Varianten ist besonders der Ehegattenunterhalt problematisch, da die Faktoren, die die tatsächliche Höhe bestimmen, umstritten sind und die rechtliche Verpflichtung nur für den Fall des Unterhalts des geschiedenen Ehegatten gesetzlich beziffert ist. Dieser Unterhalt berücksichtigt jedoch auch die getrennte Haushaltsführung. Ein ähnliches Problem ergibt sich bei den noch im Elternhaus lebenden Kindern, bei denen sich der tatsächlich geleistete (Natural-)Unterhalt auch nur schwer beziffern lässt. Neben diesem Abstellen auf die Unterhaltsverpflichtungen bzw. den tatsächlich geleisteten Unterhalt gibt es auch noch die Möglichkeit in einem ersten Schritt zu 426

Siehe dazu sowie im Folgenden auch die Nachweise oben A.II.2.a)aa).

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

untersuchen, welche unterhalts- bzw. sorgeberechtigten Familienmitglieder es in Bezug auf den Verurteilten gibt und diese Sorgeverpflichtung in Form eines festen pauschalen Abzugs vom festgestellten Jahres-Nettoeinkommen in einem zweiten Schritt zum Ansatz zu bringen. So ähnlich, wenn auch auf einer früheren Stufe der Einkommensberechnung, verfährt man in Schweden, wenn man vom Bruttoeinkommen für den einkommenslosen Ehegatten höchstens eine Basiseinheit und für unterhaltsberechtigte Kinder eine halbe Basiseinheit abzieht. Eine Basiseinheit beträgt dabei 36 600 Kronen. Steuern und Aufwendungen für Lebenshaltungskosten werden bei Geltung des Einbußeprinzips durch das Dividieren des Bruttoeinkommens durch den Faktor 1 000 pauschal berücksichtigt. Als dritter Weg wäre die Übernahme des steuerlichen Konzeptes des FamilienRealsplittings nach Lang427, welches als Gegenposition zur ungenügenden geltenden Berücksichtigung von Sorgeverpflichtungen im heutigen Einkommensteuerrecht entwickelt wurde, anzudenken428. Beim Familien-Realsplitting würde bei der steuerlichen Einkommensermittlung eine Aufteilung des Einkommens auf die einzelnen Familienmitglieder erfolgen. Das Einkommen, welches ein Markteinkommen zuzüglich staatlicher Zuwendungen sein sollte, würde bei den Ehegatten kumuliert und die Unterhaltsleistungen an die Kinder abgezogen. Diese Unterhaltsleistungen würden dann beim Empfänger in der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer berücksichtigt; dabei würde ihnen ein sozialhilferechtlicher Lebensbedarf freigestellt. Dieser sozialhilferechtliche Lebensbedarf würde auch bei den Ehegatten jeweils freigestellt. Dann müsste jeder Ehegatte jeweils die Hälfte des so errechneten Einkommens versteuern. Das heute geltende Konglomerat aus Grundfreibeträgen, Kinderfreibeträgen und privaten Abzügen käme dann nicht mehr zum Tragen. 427 Ein Vertreter des Familien-Realsplittings ist Lang. Zu seiner Vorstellung von dieser Form der gerechteren Besteuerung des Familienverbundes siehe Tipke / Lang / Lang, Steuerrecht, § 9 Rz. 100 m. w. N. zu den weiteren Anhängern des Familien-Realsplittings in Fn. 113 sowie Lang, Bemessungsgrundlage, S. 650 ff. 428 Besagte Mängel sind folgende: Gemäß § 32 Abs. 6 EStG dürfen vom Steuerpflichtigen je für ein zu berücksichtigendes Kind ein Kinderfreibetrag von 1 824 Euro sowie ein Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 1 080 Euro von der Rechenstufe des „Einkommens“ abgezogen werden, wobei sich die Beträge bei zusammenveranlagten Ehegatten verdoppeln, sofern es sich für beide um ein zu berücksichtigungsfähiges Kind handelt. Welche Kinder zu berücksichtigen sind, ergibt sich aus den Absätzen 1 bis 5 des § 32 EStG. Diese Freibeträge sind jedoch im Zusammenhang mit dem vom Staat gewährten Kindergeld zu sehen. Sofern die Freibeträge für den Steuerpflichtigen steuerlich günstiger sind als das gewährte Kindergeld, werden die Freibeträge berücksichtigt und das Kindergeld auf die unter Berücksichtigung der Freibeträge errechnete tarifliche Einkommensteuer aufgeschlagen. Das Kindergeld wird als Steuervergütung behandelt. Der tatsächlich an das Kind gezahlte bzw. für das Kind aufgewendete Unterhalt wird in dem Konglomerat der Vorschriften, die den Familienleistungsausgleich betreffen, ebenso wenig zum Ansatz gebracht wie der tatsächliche steuerfrei zu stellende Minimalbedarf des Kindes. Zum Familien-Realsplitting als Alternative zu dieser Situation siehe Tipke / Lang / Lang. Steuerrecht, § 9 Rz. 103.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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Mag der Abzug der tatsächlichen Unterhaltsleistungen, gekoppelt mit der Versteuerung beim Unterhaltsempfänger, sowie die Freistellung eines sozialhilferechtlichen Lebensbedarfes bei jedem Steuerpflichtigen auch der richtige Weg sein, um steuerliche Leistungsfähigkeit zu ermittelt, so kann es dennoch nicht zur Aufteilung des Einkommens auf die sorgeberechtigten Familienmitglieder im Rahmen der Festlegung der Tagessatzhöhe zur Ermittlung der strafrechtlichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Zum einen lässt sich die Höhe der zu leistenden Unterhaltszahlungen nicht verfahrensökonomisch feststellen. Dies beinhaltet auch den Streit darum, ob die Unterhaltsverpflichtungen in der tatsächlichen Höhe oder nach entsprechenden Tabellen zu berücksichtigen sind. Insofern ist auch die herrschende Meinung zur Unterhaltsberücksichtigung abzulehnen. Der sozialhilferechtliche Lebensbedarf eignet sich ebenfalls nicht als Kriterium für die zu leistenden Unterhaltszahlungen. Denn dieser Grundbedarf sagt nichts über den tatsächlichen Umfang der finanziellen Sorgeaufwendungen desjenigen aus, der das Einkommen erwirtschaftet. Der kann, insbesondere bei auch nur etwas Besserverdienenden, erheblich höher sein als das Existenzminimum. Beim Delinquenten darf der sozialhilferechtliche Lebensbedarf auch nicht abgezogen werden, dies würde im Ergebnis zur Verwirklichung des Einbußeprinzips führen. Darf das Existenzminimum nicht besteuert werden, so wird lediglich sichergestellt, dass ein pauschalierter Grundbedarf des Sorgeberechtigten vom Staat im Rahmen der Einkommenbesteuerung nicht angetastet wird. Beim Verurteilten soll dieser Grundbedarf aber angetastet werden, da sein gesamtes Nettoeinkommen abzuschöpfen ist. Eine Freistellung von lebensnotwendigen Mitteln für Wohnen, Nahrung etc. ist nur beim Einbußesystem vorgesehen. Die hälftige Aufteilung des bei den Ehegatten gemeinsam vorhandenen Markteinkommens kann jedoch als Gedanke in das hier zu entwickelnde Modell ebenso übernommen werden wie der grundsätzliche Gedanke der Aufteilung des Einkommens auf die Familienmitglieder. Dieser Gedanke findet sich auch bei der Variante der pauschalen Berücksichtigung. Im Rahmen des hier vertretenen schematischen Rechenmodells zur Errechnung der Tagessatzhöhe ist deshalb grundsätzlich ein pauschalierter Abzug vom bisher festgestellten strafrechtlichen Jahres-Nettoeinkommen für die sorgeberechtigten Familienmitglieder vorzunehmen. Damit findet zum einen die familiäre Situation möglichst realitäts- und einkommensnah Berücksichtigung, andererseits vermeidet eine Pauschalierung intensive und verfahrensökonomisch ungünstige Ermittlungen. Zudem ist eine Pauschalierung in Bezug auf das Einkommen und die familiäre Situation auch unter verschiedenen Delinquenten in gleicher familiärer Situation relativ opfergleich. aa) Die vier Gruppen strafrechtlicher Sorgeberechtigung Zunächst ist der Kreis der sorgeberechtigten Personen festzulegen. Ohne sich dabei in die Tiefen des Unterhaltsrechts zu begeben und damit zu dem Streit, ob tatsächlich geleistete Unterhaltszahlungen oder die rechtliche Verpflichtung für die Höhe der anzusetzenden Unterhaltsverpflichtung maßgeblich ist, ist eine Gleich-

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

setzung von zivilrechtlicher Unterhaltsberechtigung und Sorgeberechtigung im Sinne des Rechenmodells zumindest in Erwägung zu ziehen. Zivilrechtlich unterhaltsberechtigt sind die geschiedenen Ehegatten nach § 1569 BGB unter dem Postulat der Eigenverantwortung, sofern die Voraussetzungen der §§ 1570 ff. BGB erfüllt sind. Des Weiteren sind Elternteile nach § 1615 l BGB, der aktuelle Ehegatte oder Ehepartner gemäß §§ 1608 und 1360 ff. BGB sowie gemäß § 1601 BGB alle Verwandten in gerader Linie unterhaltsberechtigt. Minderjährige unverheiratete Kinder sowie unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, sofern letztere im Haushalt der Eltern leben und sich in der allgemeinen Schulbildung befinden, (im Folgenden „privilegierte Kinder“ genannt) haben gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Sonderstellung insofern inne, als dass ihre Unterhaltsberechtigung nicht durch die Leistungsfähigkeit der Eltern beschränkt ist. Eine allumfassende Berücksichtigung von Unterhaltsberechtigungen, sei es in tatsächlicher, in rechtlicher oder in pauschalierter Höhe, würde mitunter zu einer nicht zu vertretenen Schmälerung der Tagessatzhöhe führen, die im Sinne des Strafanspruches des Staates nicht mehr vertretbar erscheint. Auch liefe dies der Verfahrensökonomie entgegen, wenn die einzelnen Unterhaltsberechtigungen und -ansprüche detailliert festgestellt werden müssten. Daher ist der Kreis der Sorgeberechtigten auf die Bedürftigsten unter ihnen im Sinne des strafrechtlichen Drittschutzes zu beschränken. Die Bedürftigkeit ergibt sich dabei nicht aus der objektiven bzw. subjektiven wirtschaftlichen Situation des Unterhaltsberechtigten, sondern aus der Schutzwürdigkeit seiner Position im Rahmen des Drittschutzes in Bezug auf den Delinquenten. Die Schutzwürdigkeit der Position ergibt sich neben den strafrechtlichen Belangen des Drittschutzes auch aus dem zivilrechtlichen Rangverhältnis der Unterhaltsberechtigung sowie aus dem Umgang des Steuerrechts mit Unterhaltsleistungen an die jeweiligen Personen, wobei das Steuerrecht das zivilrechtliche Rangverhältnis wirtschaftlich konkretisiert und nur zum Teil spiegelt. Die zivilrechtlich Unterhaltsberechtigten lassen sich an dieser Stelle unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien in vier Gruppen der strafrechtlichen Sorgeberechtigung aufteilen. Da wären zunächst die privilegierten Kinder, die wirtschaftlich in besonders enger Verbundenheit mit dem zu Verurteilenden stehen. Ihrer Unterhaltsberechtigung wird pauschalierte Berücksichtigung im Steuerrecht zuteil, nämlich bei der Gewährung von Kinderfreibeträgen bzw. dem Kindergeld429. Ihre Unterhaltsberechtigung hat gemäß § 1609 Satz 1 Nr. 1 BGB (im Mangelfall) nach Einführung des Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts430 zum 01. 01. 2008 nun eindeutig den ersten Rang inne431. Sie stellen die erste Gruppe strafrechtlich Sorgeberechtigter dar und gehen allen anderen Unterhaltsberechtigten vor. Zur Regelungsstruktur der Kinderfreibeträge und des Kindergeldes siehe Fn. 428. BGBl. I 2007, S. 3189. 431 Zum Rangverhältnis der Unterhaltsberechtigungen im Mangelfall nach neuem Unterhaltsrecht gemäß § 1609 BGB siehe Reinken, FPR 2008, 9 ff. 429 430

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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Die zweite Gruppe beinhaltet die aktuellen Ehepartner oder Ehegatten. Auch sie befinden sich aktuell in besonders enger Verbundenheit mit dem Delinquenten, sowohl wirtschaftlich als auch potenziell emotional. Im Einkommensteuerrecht wird ihrer besonderen Stellung durch pauschalierte Berücksichtigung der Unterhaltsberechtigung im Rahmen des Ehegattensplittings432 Rechnung getragen. Zusammen mit der ersten Gruppe bilden sie die Kernfamilie des zu Verurteilenden. Der Rang ihrer Unterhaltsberechtigung ist gemäß § 1609 Nr. 2 BGB zweitrangig, wenn sie Elternteil sind, die im Falle einer Scheidung wegen Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt wären, oder wenn sie Ehegatten sind, deren Unterhaltsberechtigung sich aus der langen Dauer der Ehe ergibt. Sie ist drittrangig nach § 1609 Nr. 3 BGB wenn sie nicht unter Nr. 2 der Vorschrift fällt. Im Rahmen der Berücksichtigung strafrechtlicher Schutzbedürftigkeit sind sie aus verfahrensökonomischen Gründen in der zweiten Gruppe des strafrechtlichen Drittschutzes zusammen zu fassen. Bei Vorhandensein eines aktuellen Ehegatten ist es dem Strafrichter nicht zuzumuten, die genaue Stellung und vor allem die Höhe der Unterhaltsberechtigung des aktuellen Ehegatten festzustellen. Solche detailreichen Feststellungen sind im Rechenmodell gerade zu vermeiden. Diese zweite Gruppe geht ebenfalls wie auch die erste der vierten Gruppe vor. Die dritte Gruppe bilden die mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie die (restlichen) geschiedenen Ehegatten. Bei beiden ist bereits die Unterhaltsberechtigung stark beschränkt. Elternteile können nur unter den Voraussetzungen des § 1615 l BGB Unterhalt für sich selbst beanspruchen; Voraussetzung ist die Betreuung eines gemeinsamen Kindes. Im Bedarfsfall ist diese Berechtigung gemäß § 1609 Nr. 2 BGB zweitrangig zu der Berechtigung der Personen der hier festgelegten ersten Gruppe und gleichrangig mit der Berechtigung der geschiedenen Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer. Geschiedene Ehegatten können gemäß §§ 1569 ff. BGB unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen Unterhalt verlangen. Im Bedarfsfall ist ihre Berechtigung gemäß § 1609 Nr. 2 BGB zweitrangig, wenn die Unterhaltsberechtigung auf der Betreuung eines Kindes oder auf einer Ehe von langer Dauer beruht. Sie ist drittrangig nach Nr. 3 der Vorschrift, wenn die Berechtigung auf anderen Umständen beruht. Dennoch sind die mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie (die restlichen) geschiedenen Ehegatten alle in eine Gruppe der Sorgeberechtigten im Rahmen des Rechenmodells zusammen zu fassen und damit gleichzustellen. Sie sind nicht über die Ehe in eine besondere (auch wirtschaftliche) Schicksalsgemeinschaft mit dem Delinquenten eingebunden und sie erhalten nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen Unterhalt für ihre eigene Lebensführung. 432

Zum Ehegatten-Splitting siehe oben S. 52 f.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

Auch der Unterhaltsanspruch der mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie der (restlichen) geschiedenen Ehegatten geht in seiner Berechtigung gemäß § 1609 Nrn. 2 und 3 BGB denen der vierten Gruppe vor. Die vierte Gruppe bilden schließlich die restlichen Verwandten gerader Linie. Dies sind all jene, deren Berechtigung im Bedarfsfall viert- und mehrrangig im Sinne des § 1609 BGB ist. In der vierten Gruppe des strafrechtlichen Drittschutzes finden sich somit alle, die sich unter § 1609 Nrn. 4 – 7 BGB subsumieren lassen. Sie sind den in den vorgenannten Gruppen genannten zivilrechtlich nachrangig. Aus diesem Rangverhältnis ergibt sich, dass die sonstigen Verwandten gerader Linie (vierte Gruppe) eine schwächere Position zum Delinquenten haben als die mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie (die restlichen) geschiedenen Ehegatten, der aktuelle Ehegatte und die privilegierten Kinder. Sie sind nicht in die Kernfamilie des Delinquenten eingebunden. Auch sprechen keine besonderen Belange des Kindeswohls für eine Berücksichtigung, wie sich dies bei den über die Betreuung eines Kindes zum Unterhalt berechtigten Elternteilen und geschiednen Ehegatten anführen ließe. Daraus lässt sich im Rahmen des Drittschutzes eine Position ableiten, die sich nicht mehr im Rahmen der Schutzwürdigkeit befindet. Die vierte Gruppe ist somit im Gegensatz zu den anderen nicht als Sorgeberechtigte im Sinne des Rechenmodells anzusehen. Damit ist das strafrechtliche Jahres-Nettoeinkommen sinnvoll auf die verbleibenden Sorgeberechtigten aufzuteilen. Aufgrund des unterschiedlichen auch wirtschaftlichen Verhältnisses zum zu Verurteilenden soll die Art der Zurechnung im Rahmen des Drittschutzes bei der Errechnung des endgültigen strafrechtlichen Jahres- Nettoeinkommens bei den verschiedenen Gruppen von Unterhaltsberechtigten auf unterschiedliche Weise erfolgen. Dabei sollen die unterschiedlichen einkommensteuerrechtlichen Methoden der Berücksichtigung als Anregung herangezogen werden. bb) Die mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie die (restlichen) geschiedenen Ehegatten Das neue Unterhaltsrecht, welches zum 01. 01. 2008 in Kraft trat, kennt die pauschale Unterscheidung von geschiedenen und verheirateten Ehegatten nicht mehr. Vielmehr wird nunmehr im Sinne des Kindeswohls bei der Rangfolge der Unterhaltsberechtigungen danach unterschieden, ob die Berechtigung zum Unterhalt aus der Sorge für ein gemeinsames Kind entstanden ist oder nicht433. Diese Unter433 Dies war vor der Reform des Unterhaltrechts anders; damals gab es einen relativen Vorrang des geschiedenen vor dem aktuellen Ehegatten. Zu dieser Figur des relativen Vorrangs des geschiedenen Ehegatten vor dem aktuellen in Mangelfällen bei gleichzeitiger Gleichrangigkeit mit den privilegierten Kindern, der im Ergebnis jedoch keine Vorrangigkeit der privilegierten Kinder vor dem aktuellen Ehegatten nach sich zog, wenn kein Unterhalts-

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scheidung hat im Steuerrecht noch keinen Niederschlag gefunden, dort wird noch immer der aktuelle Ehegatte über die Möglichkeit des Ehegattensplittings privilegiert. Der Unterhalt für Elternteile, die nicht Ehegatten sind und für geschiedene Ehegatten ist nach § 33a I EStG unter den dort genannten Voraussetzungen sehr eingeschränkt abzugsfähig. Für geschiedene Ehegatten ist auch ein Abzug im Rahmen eines Realsplittings über die §§ 10 I Nr. 1 und 22 I Nr. 1a EStG möglich. Dies ist jedoch von der Zustimmung des geschiedenen Ehegatten abhängig und führt bei letzterem zur Steuerpflicht der erhaltenen Bezüge. Der Unterhaltsanspruch des oder der geschiedenen Ehegatten ist unter anderem nach den Lebensverhältnissen zur Zeit des Bestehens der geschiedenen Ehe zu bemessen; er soll nach §§ 1569 ff. BGB grundsätzlich der Ausnahmefall sein und ist in seiner Begründung und auch seiner Höhe von verschiedenen, z. T. auch variablen Elementen abhängig434. Der Unterhaltsanspruch des nie mit dem Delinquenten verheirateten Elternteils richtet sich in seiner Begründung nach den eingeschränkten Voraussetzungen des § 1615 l BGB und ist in seinem Maß gemäß § 1610 BGB an der Lebensstellung des Elternteils, nicht des Delinquenten zu orientieren435. Insofern sind beide Unterhaltsansprüche nicht in der gleichen Abhängigkeit von dem derzeitigen Einkommen des Delinquenten zu bemessen wie die Ansprüche der restlichen Sorgeberechtigten. Ihre Ansprüche hängen in besonderem Maße von ihrer eigenen Lebenssituation ab. Die Unterhaltsansprüche sind deshalb im Rahmen des Rechenmodells in ihrer tatsächlich geleisteten Höhe von dem JahresNettoeinkommen abzuziehen436. Damit werden sowohl die mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie die (restlichen) geschiedenen Ehegatten – und mit ihnen die Kinder, deren Sorgeübernahme sie unter anderem zum Berechtigten machen können – vor Drittwirkungen verschont als auch verhindert, dass bei einem pauschalen Abzug eine Abhängigkeit vom aktuellen JahresNettoeinkommen hergestellt wird, die so nicht besteht. Dies ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie die (restlichen) geschiedenen Ehegatten an dem Familienleben des Delinquenten nicht (mehr) intensiv teilnehmen müssen; sie befinden sich außerhalb der Schicksalsgemeinschaft „Kernfamilie“, bedürfen jedoch aufgrund ihrer anspruch des geschiedenen Ehegatten bestand, siehe BGH, FamRZ 1988, 705 sowie Schwab, Familienrecht, Rz. 373. Zur neuen Rechtslage vgl. auch Reinken, FPR 2008, 10. 434 Ein Überblick zur Struktur des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten findet sich bei Schwab, Familienrecht, Rz. 337 ff. Bei dieser Darstellung ist zu beachten, dass sie sich auf die Rechtslage vor dem 01. 01. 2008 bezieht, dies ist jedoch insofern unerheblich, als dass sich an der grundsätzlichen Struktur nichts geändert hat, und der Autor auf die (aus seiner Sicht geplante) Reform hinreichend Bezug nimmt. 435 Zur grundsätzlichen Struktur des Unterhaltsanspruchs von Elternteilen, die nicht Ehegatten sind, siehe Schwab, Familienrecht, Rz. 772 ff. Auch diese Darstellung bezieht sich (unbedenklich) auf die Rechtslage vor 01. 01. 2008, siehe Fn. 434. Explizit zur Rechtslage ab 01. 01. 2008 siehe Schilling, FPR 2008, 27 ff. 436 Selbstverständlich auch hier nur solange, wie nicht in Missbrauchsabsicht, um die Tagessatzhöhe zu schmälern, erhöhte Unterhaltszahlungen geleistet werden.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

zumeist prekären Situation besonderen Schutzes. Auch ist bei allen, die vom Delinquenten geschieden sind, die generelle Unterhaltsberechtigung älter als die des neuen Ehegatten und der neue Ehegatte wusste von der Verpflichtung zum Unterhalt seines nunmehr aktuellen Ehegatten. Im Rahmen des Rechenmodells sollen die Unterhaltszahlungen an diese Personengruppe vorrangig zum Abzug gebracht werden. Dies ist nötig, um hinterher sinnvoll die aktuelle Ehe und die aktuelle Kernfamilie berücksichtigen zu können; insbesondere um sinnvoll eine Zurechnung von Einkommensbestandteilen der aktuellen Ehegatten durchführen zu können. Der Nachweis entsprechender Zahlungen, die nicht rechtsmissbräuchlich im Hinblick auf die Geldstrafensanktion erbracht worden sein dürfen, kann vom Delinquenten erbracht werden. Ein Nachweis findet sich zudem bei entsprechender Geltendmachung in den Einkommensteuerdaten. Nach Abzug der tatsächlichen Unterhaltsverpflichtungen erhält man das verbleibende unaufgeteilte Jahres-Nettoeinkommen. cc) Der aktuelle Ehegatte Erst nach Abzug des tatsächlich gewährten Unterhaltes für Personen der dritten Gruppe strafrechtlich Sorgeberechtigter kommt es zur Berücksichtigung der derzeitig bestehenden Ehe. Obwohl der aktuelle Ehegatte in Bezug auf seine Unterhaltsberechtigung gemäß § 1609 BGB nachrangig zu den im Rechenmodell privilegierten Kindern ist, findet in diesem Rechenmodell eine Berücksichtigung vor den privilegierten Kindern statt. Dies ergibt sich daraus, dass das Einkommen des Delinquenten in bestimmten nun aufzuzeigenden Fällen in Abhängigkeit vom Einkommen seines aktuellen Ehegatten gebildet werden soll. Die Zurechnung von Einkommensbestandteilen für die privilegierten Kinder ist erst danach sinnvoll möglich. Dies ist insbesondere auch deshalb so, weil es anerkannt ist, dass die privilegierten Kinder, gleich ob der aktuellen Ehe entstammend oder nicht, am eventuell gegebenen Splittingvorteil des Unterhaltsverpflichteten, der im Rahmen des Ehegattensplittings437 entstehen kann, partizipieren438. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verbundenheit mit dem Delinquenten ist die Zurechnung des drittschonenden Einkommensbestandteils nicht von tatsächlich geleisteten Zahlungen abhängig und kann pauschal erfolgen. Wie bereits ausgeführt ist bei zusammenveranlagten Ehegatten gleich welchen Güterstandes grundsätzlich und zwar aufgrund der Vermischung der Einkommen im Besteuerungsprozess anzunehmen, dass auch eine hälftige Verteilung des gemeinsamen Einkommens auf den jeweils einzelnen wirtschaftlich gewollt ist439. Daher sind bei zusammenveranlagten Ehegatten 50 % vom Jahres-Nettoeinkommen des De437 438 439

Zum Ehegattensplitting siehe S. 52 f. BGHZ 163, 84 (85). Siehe dazu oben S. 52 ff.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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linquenten für den anderen Ehegatten abzuziehen, sowie 50 % des in diesem Fall ebenfalls zu ermittelnden verbleibenden unaufgeteilten Jahres-Nettoeinkommens des anderen Ehegatten hinzuzuaddieren440. Damit ist eine hälftige Aufteilung des gesamten gemeinsamen Ehegatteneinkommens gewährleistet unter gleichzeitiger Miteinbeziehung der strafrechtlich orientierten Kriterien zur Feststellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese Vorgehensweise orientiert sich auch an dem von Lang vertretenen Modell des Familien-Realsplittings, bei dem eine hälftige Aufteilung des gemeinsamen Ehegatteneinkommens ebenfalls zum Tragen kommt. Verbleibt die Gruppe der Ehegatten, die sich getrennt zur Einkommensteuer veranlagen lassen. Diese Gruppe kann man in drei Untergruppen aufteilen. Zum einen jene, die gemäß § 1363 BGB im Güterstand der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft leben, dann jene, die zivilrechtlich Gütertrennung und jene, die Gütergemeinschaft gesondert vereinbart haben. Bei Bestehen einer Zugewinngemeinschaft und bei Gütergemeinschaft ist von einem gemeinschaftlichen Wirtschaften auszugehen und die Aufteilung ebenso vorzunehmen wie bei den Zusammenveranlagten. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass in beiden Fällen im Falle einer Scheidung das gemeinschaftlich erwirtschaftete Einkommen hälftig aufgeteilt würde. Damit muss es auch für die Zeit der bestehenden Ehe beiden gemeinschaftlich, also je hälftig, zugeordnet werden. Lediglich bei Gütertrennung muss davon ausgegangen werden, dass die Einkommen der Ehegatten getrennt behandelt werden sollen; und eine pauschale Aufteilung wie oben aufgeführt kommt auf den ersten Blick nicht in Betracht. Da es jedoch für den in Relation zu seinem Ehepartner besser verdienenden Ehepartner grundsätzlich von Vorteil ist, auch bei Gütertrennung 50 % seines Einkommens bei der Berechnung des strafrechtlichen JahresNettoeinkommens gegen 50 % des Einkommens des weniger verdienenden Ehepartners zu tauschen, da dieses summenmäßig geringer ist als jenes, kann auch bei dieser Untergruppe vorbeschriebene Aufteilung vorgenommen werden. Aufgrund der Gütertrennung sollte jedoch bei umgekehrten Verhältnissen, nämlich wenn der zu verurteilende Ehepartner weniger verdient als der zu schützende, das Jahres-Nettoeinkommen des zu verurteilenden Ehegatten insgesamt auf die Gesamthöhe des bei ihm festgestellten verbleibenden unaufgeteilten Jahres-Nettoeinkommens begrenzt werden. Damit wird verhindert, dass getrenntveranlagte, in Gütertrennung lebende Ehegatten finanziell mit einer Tagessatzgeldstrafe belastet würden, die sie mit dem ihnen wirtschaftlich zuzuordnenden Einkommen nicht bewältigen könnten. Soweit die Theorie. Ob die Ehegatten zusammen- oder getrenntveranlagt werden, ist der Finanzbehörde bekannt. Die Ehegatten können bei Abgabe einer Steuererklärung ausdrücklich die Getrenntveranlagung wählen, ansonsten werden sie zusammenveranlagt, da gemäß § 26 Abs. 3 EStG bei Nichtwahl einer bestimmten Veranlagungsart Zusammenveranlagung als Wahl angenommen wird. Die zivil440 So ähnlich bereits Frommel, NJW 1976, 865, die im Prinzip auch hälftig aufteilen will, für den nur haushaltsführenden Ehegatten jedoch vor der Aufteilung 20 % auf das Ehegatteneinkommen aufschlagen und den Kindesunterhalt berücksichtigen will.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

rechtliche Form des Güterstandes ist der Finanzbehörde jedoch nur bedingt bekannt. In der Steuererklärung ist anzugeben, ob Gütergemeinschaft besteht oder nicht. Damit sind zwei Untergruppen der getrenntveranlagten Ehegatten nicht exakt voneinander zu trennen, nämlich die, die in Gütertrennung und die, die in Zugewinngemeinschaft leben. Kann dies für die Ehegatten auch anderweitig, z. B. durch ein Blick in das öffentliche Güterstandsregister441, nicht abschließend ermittelt werden, so ist nach der hier vertretenen Auffassung für beide Untergruppen so zu verfahren, wie oben für die eine der Untergruppen, für die getrenntveranlagten, in Gütertrennung Lebenden beschrieben: Nämlich Tausch der 50 % des verbleibenden unaufgeteilten Jahres-Nettoeinkommens des Delinquenten gegen 50 % des verbleibenden unaufgeteilten Jahres-Nettoeinkommens des Ehepartners bis zum Höchstbetrag von 100 % des verbleibenden unaufgeteilten Jahres-Nettoeinkommens des zu verurteilenden Ehepartners. Nochmals kurz im Überblick: Bei zusammenveranlagten Ehegatten gleich welchen zivilrechtlichen Güterstandes kommt es zum Austausch von jeweils 50 % der verbleibenden unaufgeteilten Jahres-Nettoeinkommen der Ehegatten ohne Höhenbeschränkung. Bei Getrenntveranlagten ist nach der zivilrechtlichen Form des Güterstandes zu unterscheiden. Bei Gütergemeinschaft und Zugewinngemeinschaft ist wie bei Zusammenveranlagten zu verfahren. Bei Gütertrennung kommt es auch zum Austausch der Einkommensbestandteile, jedoch wird der Betrag bei dem Verurteilten auf 100 % seines verbleibenden unaufgeteilten Jahres-Nettoeinkommens beschränkt. Ebenso ist zu verfahren, also gegenseitige Zurechnung und Begrenzung auf den Höchstbetrag, wenn nicht herausgefunden werden kann, ob Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung besteht. dd) Privilegierte Kinder Nachdem auf diese Weise sowohl die geschiedene(n) als auch die bestehende Ehe(n) sowie nicht verheiratete Elternteile berücksichtigt wurden, sind den sorgeberechtigten privilegierten Kindern Einkommensbestandteile zuzurechnen. Aufgrund der zivilrechtlich anerkannten sehr engen wirtschaftlichen Verbundenheit der privilegierten Kinder mit dem Delinquenten ist auch bei ihnen die Zurechnung des drittschonenden Einkommensbestandteils nicht von tatsächlich geleisteten Zahlungen abhängig. Hier kann ein prozentualer pauschalierter Wert vom für den Verurteilten zuvor festgestellten Jahres-Nettoeinkommen angesetzt werden. Dies ist sowohl aus Vereinfachungsgründen, also im Sinne der Verfahrensökonomie, geboten, denn so müssen nicht die zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche bzw. die tatsächlich geleisteten Zahlungen aufwendig ermittelt werden. Zudem ist dies auch 441 Im Güterstandsregister können Ehegatten gemäß §§ 1558 – 1563 BGB ihren vom gesetzlichen Güterstand abweichenden Güterstand öffentlich bei den Amtsgerichten hinterlegen. Es entfaltet negative Publizität. Ausführlich zum Güterstandsregister siehe Schwab, Familienrecht, Rz. 213.

I. Definition des Nettoeinkommens des § 40 Abs. 2 StGB

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im Namen der Opfergleichheit geboten, da bei pauschalierter Berücksichtigung bei gleicher familiärer Situation die relativ gleichen Abzüge vorgenommen werden. Um Drittwirkung zu vermeiden, sind je privilegiertes Kind 20 % des für den Verurteilten bis dahin festgestellten strafrechtlichen Jahres-Nettoeinkommens abzuziehen. Hierbei wurde nicht die Wertung des § 1612a BGB herangezogen, sondern die der Berliner Tabelle442. Dies rechtfertigt sich aus folgenden Erwägungen: Der in § 1612a BGB nunmehr nach der Unterhaltsrechtsreform am Existenzminimum des Steuerrechts orientierte Mindestunterhalt des minderjährigen Kindes kann im vereinfachten Verfahren gemäß §§ 645 ff. ZPO gerichtlich festgesetzt werden. Der darüber hinausgehende Unterhalt, der dann mit der Leistungsklage vor dem Zivilgericht geltend gemacht werden muss, richtet sich jedoch in seiner Höhe nach den von den Gerichten entwickelten Unterhaltstabellen. Dies war auch schon so, als sich der Mindestunterhalt des § 1612a BGB noch an der Regelbetrag-Verordnung orientierte. Der konkrete Wert von 20 % wurde dabei aus Billigkeitsgründen und Praktikabilitätsgründen gewählt. Bei der Berliner Tabelle schwankt die Unterhaltsverpflichtung desjenigen, der nicht den Naturalunterhalt des Kindes bestreitet, zwischen ca. 8 % und 27 % seines Einkommens, im Mittel liegt sie bei ca. 20 %. Dieser prozentuale Abzug von 20 % je sorgeberechtigtem privilegiertem Kind braucht nicht auf mehrere unterhaltspflichtige Personen aufgeteilt werden, da die 20 % in der Berliner Tabelle auch nur für die Höhe des durch eine Person zu leistenden Unterhalts steht443. Des Weiteren soll mit dem hier vertretenen Modell möglichst umfassender und praktizierbarer Drittschutz erreicht werden. Deshalb wurde auf den konkreten Rückgriff auf entsprechende Tabellen verzichtet. Die Information über sorgeberechtigte Kinder ist ebenfalls von der Finanzbehörde zu erlangen, da sie dort steuerbegünstigend berücksichtigt werden. Da es auch bei der zivilrechtlichen Bemessung des Unterhalts von Kindern so ist, dass eine Vielzahl von Kindern den Unterhaltsanspruch der einzelnen schmälert und dem Unterhaltspflichtigen ein Mindestbetrag belassen wird, ist dieser prozentuale Abzug nur bis 50 % des zuvor festgestellten Jahres-Nettoeinkommens zulässig. Dies ist trotz möglichst umfassenden Drittschutzes nötig, um den Strafanspruch des Staates angemessen umsetzen zu können.

442 Diese ist im Internet einzusehen unter www.olg-duesseldorf.nrw.de / service / ddorftab / ddorftab7 / BlnTab07.pdf. 443 Die andere Hälfte des Unterhalts wird durch Naturalunterhalt des versorgenden Elternteils bestritten.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

II. Das Rechenmodell als Zwischenergebnis Tabelle 7 Rechenmodell zur Errechnung des Nettoeinkommens pro Tagessatz bei der Geldstrafe nach § 40 StGB Betrag der „Summe der Einkünfte“ – steuerbare einmalige Einkünfte444 + regelmäßige oder regelmäßig ersetzende steuerfreie Einkünfte445 = Jahres-Bruttoeinkommen – Einkommensteuer – Sozialversicherungsabgaben – weitere Vorsorgeaufwendungen = unaufgeteiltes Jahres-Nettoeinkommen

Stufe 1 Anpassung an objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Stufe 2 Anpassung an subjektiv wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

– Unterhalt für die mit dem Delinquenten nie oder nicht mehr verheirateten Elternteile sowie für die (restlichen) geschiedenen Ehegatten in tatsächlicher Höhe (verbleibendes unaufgeteiltes Jahres-Nettoeinkommen) – 50 % des verbleibenden unaufgeteilten Jahres-Nettoeinkommen bei Bestehen einer Ehe (Unterhaltszurechnung für den aktuellen Ehegatten) + 50 % des Jahres-Nettoeinkommens des Ehegatten (ggf. mit Höchstbeschränkung auf 100 % des verbleibenden unaufgeteilten Jahres- Nettoeinkommens446)

Stufe 3 Familien- bzw. DrittschutzAnpassung

– 20 % je sorgeberechtigtes privilegiertes Kind (ggf. Beschränkung auf höchstens 50 % des verbleibende unaufgeteilten Jahres- Nettoeinkommens bei mehreren Kindern) = Jahres-Nettoeinkommen . / . 365 = Tagessatzhöhe

Stufe 4 Anpassung an die Einheit Tagessatz

Gegen ein Rechenmodell dieser Art lässt sich der Ausspruch „iudex non calculat“ richten. Es wird jedoch trotz Rechenmodell vom einzelnen Richter nicht erwartet werden, sehr komplizierte Dinge zu errechnen. Die mitunter komplizierte 444 Insbesondere Veräußerungsgewinne gemäß §§ 14, 16, 18, 22 Nr. 2 und 23 EStG und Abfindungen. 445 Insbesondere Halb- bzw. Teileinkünfte gemäß § 3 Nr. 40 EStG und Nichtertragsteil bei Versorgungsbezügen; Ertragsanteil geregelt in §§ 19 Abs. 2 EStG und § 22 Nr. 1a EStG. 446 Höchstbeschränkung tritt ein bei Getrenntveranlagten in Gütertrennung sowie wenn nicht ermittelt werden kann, ob Gütertrennung oder Zugewinngemeinschaft besteht.

II. Das Rechenmodell als Zwischenergebnis

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Vorarbeit in den ersten zwei Stufen des Rechenmodells muss ohnehin die Finanzbehörde übernehmen, indem sie aus den ihr vorliegenden Daten das unaufgeteilte Jahres-Nettoeinkommen des Delinquenten und eventuell seines Ehegatten übermittelt. Der Richter hat dann nur noch die familienbedingte Anpassung vorzunehmen, sofern sorgeberechtigte Familienangehörige zu berücksichtigen sind. Auch wenn dies nicht in gleicher Weise verfahrensökonomisch ist wie die Schätzung oder wie die Hinnahme der Angaben des Angeklagten, so ist es im Namen der Opfergleichheit und auch im Namen der Gerechtigkeit dennoch unverzichtbar. Insbesondere da im hier vertretenen Rechenmodell Opfergleichheit zumeist nur in Form von Pauschalierungen, also nur relativ und zugunsten der Verfahrensökonomie, nie absolut verwirklicht ist, muss dieses Mindestmaß an Opfergleichheit verwirklicht werden. Die angestrebte Form der schematischen Berechnung unter Hinnahme von Pauschalierungen als Überbrückung des breiten Grabens zwischen Theorie und Praxis bei der Tagessatzhöhenbestimmung wird dennoch auch Gegner haben. Unabhängig jedoch davon, wie man die Faktoren des strafrechtlichen Nettoeinkommens von dem hier vertretenen Ansatz abweichend definiert und auf welche Weise man selbiges ins Verhältnis zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen setzt, bedürfen alle vertretenen Meinungen bestimmter tatsächlicher Werte, die in der Praxis wie gezeigt nicht zur Verfügung stehen und auch nicht ansatzweise ermittelt werden. Diese Werte könnten von den Finanzbehörden erlangt werden, so denn das Steuergeheimnis dies zuließe. All jene, die den hier vertretenen schematischen Ansatz ablehnen, können sich dann zumindest den vierten Teil dieser Arbeit zunutze machen, der sich damit befasst, inwiefern das Steuergeheimnis solchen Auskünften entgegensteht und ob aus (verfassungs-)rechtlicher Sicht eine Öffnung des Steuergeheimnisses möglich wäre. Da in der durchgeführten Umfrage eine große Mehrheit der Öffnung des Steuergeheimnisses zur Überwindung verfahrensökonomischer Probleme zustimmte, ist von einem entsprechenden Interesse auszugehen. Abschließend an dieser Stelle noch eine kurze Anmerkung zu den Reformbestrebungen, die die beiden ins Verhältnis gesetzten Rechtsgebiete, das Sanktionenrecht und das Steuerrecht tangieren: Im Steuerrecht, insbesondere im Einkommensteuerrecht, träumt die Wissenschaft schon lange von einer Reform, die das Leistungsfähigkeitsprinzip besser im Steuerrecht verankern soll, als es im Moment Gesetzeslage ist447. Auch gibt es Politiker, die solch eine Radikalreform befürworten würden448. Die politische Wirklichkeit sieht aber wohl eher so aus, dass mit einer Radikalreform derzeit und wohl auch auf unabsehbare Zeit nicht zu rechnen ist. Ein von 447 Hier nur einige: Kirchhof, Einkommensteuer, S. 36 ff., Elicker, Entwurf, ausdrücklich S. 4 f. und Rose, Reform, S. 18 ff. 448 Fraktion der FDP, Gesetzesentwurf zur Einführung einer neuen Einkommensteuer und zur Abschaffung der Gewerbesteuer, BT-Drs. 15 / 2349, § 7 und Fraktion der CDU / CSU, Ein modernes Steuerrecht für Deutschland – Konzept 21, BT-Drs. 15 / 2745, S. 2 ff.

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C. Einkommensteuerdaten als Teil der Bemessungsgrundlage

Sozialzwecknormen bereinigtes Einkommensteuerrecht ist damit in nächster Zukunft ebenso unwahrscheinlich wie ein damit verbundener steuerrechtlicher Einkommensbegriff, der sich unbereinigt auf das Strafrecht übertragen ließe. Im Sanktionenrecht überlegt man, den Umrechnungsmaßstab von Ersatzfreiheitsstrafe zu Geldstrafe auf 1:2 zu ändern. Damit würde die geltende Ineinssetzung von Freiheitsstrafe und Geldstrafe aufgegeben. Wenn ein Tagessatz nur noch einem halben Tag Freiheitsstrafe entspräche, könnte man eventuell daraus schlussfolgern, dass auch beim Tagessatz dem Täter die Hälfte seines Einkommens verbleiben müsse. Die Reform des Sanktionenrechts scheint indes wahrscheinlicher als die des Steuerrechts. Wenn es zu ihr kommt, wird das entwickelte Rechenmodell je nach Ausgestaltung der Reform entweder um einen zusätzlichen Abzug bzw. eine prozentuale Anteilbildung am festgestellten Einkommen ergänzt werden müssen, oder aber man bewertet dies als Entkopplung von Geldstrafe und Freiheitsstrafe und belässt das Modell so wie es ist. Geldstrafen untereinander blieben dennoch immer vergleichbar und somit opfergleich.

D. Rechtliche Bedenken Im vierten Teil dieser Arbeit soll untersucht werden, wie die rechtlichen Möglichkeiten eines routinemäßigen Zugriffs auf Finanzamtsdaten durch die Strafrechtspflege zu beurteilen sind; dabei wird insbesondere auch auf das Steuergeheimnis eingegangen. Dem hier entwickelten Rechenmodell stehen sowohl einfach- als auch verfassungsrechtliche Bedenken entgegen. Es benötigt grundsätzlich die Daten des Besteuerungsprozesses. Zur Umsetzung des Rechenmodells könnte man sich verfahrenstechnisch eine Anfrage bezüglich der benötigten Daten der entsprechenden Strafverfolgungsbehörde bei der Finanzbehörde vorstellen, die diese dann zur Verfügung stellen würde. Dies könnte sowohl in nicht automatisierter als auch in automatisierter Form erfolgen. Die nicht automatisierte Form wäre durch den persönlichen Kontakt unterschiedlicher Amtsträger der Behörden geprägt. Bei der automatisierten Form würden Daten, die beim Finanzamt in einer Datei geführt würden, die wiederum den Erfordernissen des Rechenmodells inhaltlich angepasst wäre, einem Amtsträger der Strafverfolgungsbehörde übermittelt werden. Eine rechtliche Beurteilung der Zulässigkeit hat an die Realisierung der vorbeschriebenen Vorgehensweise, nämlich an die Übermittlung von finanzbehördlichen Daten an die Strafverfolgungsorgane und deren dortige Verwertung, anzuknüpfen, sowohl formal als auch inhaltlich.

I. Datenschutzrechtliche Bedenken Da personenbezogene Daten im Rahmen des Rechenmodells benötigt werden, bestehen gegen die Umsetzung auf einfachgesetzlicher Ebene zunächst datenschutzrechtliche Bedenken. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) regelt den Umgang mit personenbezogenen Daten und wurde konzipiert, um den Betroffenen, dessen personenbezogenen Daten genutzt werden, vor einer Verletzung seines Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung449 zu schützen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG. Durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird der Grundrechtsinhaber vor zweckentfremdeter Nutzung persönlicher Daten geschützt. Zudem soll jeder wissen, durch wen zu welchem Zweck und welchen Inhalts persönlichkeitsbezogene Daten erhoben, gespeichert und verwendet werden. 449 Zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie zu seiner Herleitung und zu seinen Schranken vergleiche BVerfGE 65, 1, das sog. „Volkszählungsurteil“.

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D. Rechtliche Bedenken

Neben dem BDSG gibt es noch die Datenschutzgesetze der Länder, die dem Schutz dieses Rechts dienen sollen. Gemäß § 1 Abs. 2 BDSG ist die Anwendbarkeit des Gesetzes auf Länderebene bei den Organen der Strafrechtspflege und auch bei den Finanzbehörden insoweit beschränkt, als dass es nur anwendbar ist, wenn keine Landesdatenschutzgesetze den entsprechenden Vorgang regeln450. In allen anderen Fällen dient das BDSG als Auffang- bzw. Auffüllnorm. § 15 BDSG regelt die Zulässigkeit der Übermittlung personenbezogener Daten. Ist § 15 BDSG gegeben, so liegt automatisch eine der drei voneinander unabhängigen, alternativen Bedingungen vor, unter denen nach § 4 Abs. 1 BDSG eine Datenverarbeitung zulässig ist. Eine Übermittlung von Daten an eine öffentliche Stellen, unter die gemäß § 2 Abs. 1 und 2 BDSG Behörden des Bundes und der Länder und Organe der Rechtspflege des Bundes und der Länder fallen, also auch Gerichte und Staatsanwaltschaften451 auf Bundes- und Landesebene, ist unter zwei Voraussetzungen zulässig: Erstens so sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden Behörde oder des Empfängers liegenden Aufgaben erforderlich ist, zweitens wenn die Voraussetzungen für eine zulässige Nutzung nach § 14 BDSG vorlägen452. Die zu übermitteltenden Daten würden der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht als Empfänger im Rahmen ihrer Aufgabe der Tagessatzhöhenbestimmung dienen. Sie wären für eine relativ opfergleiche und verfahrensökonomische Ermittlung der Bemessungsgrundlagen nötig. Erforderlich im Sinne der Vorschrift ist eine Übermittlung stets dann, wenn der Empfänger seine Aufgabe ohne die Daten nicht ordnungsgemäß erfüllen kann. Wie aufgezeigt, wird von § 40 StGB eine opfergleiche Anpassung der Tagessatzhöhe eindeutig gefordert. Diese opfergleiche Anpassung gehört deshalb zu den Aufgaben der Empfänger der Informationen auf Seiten der Strafverfolgungsorgane. In der Praxis ist zurzeit eine Anpassung verfahrensökonomisch und damit in einem Zeitraum, der dem Beschleunigungsgrundsatz nicht widerspricht, bei der breiten Masse der Fälle nicht möglich. Eine Übermittlung wäre deshalb erforderlich. Der Erforderlichkeit steht insbesondere auch nicht entgegen, dass Daten auch beim Betroffenen erhoben werden könnten; auch ist die Übermittlung zur Überprüfung von Angaben des Betroffenen zulässig453. Zudem müssten die Voraussetzungen einer Nutzung gemäß § 14 BDSG erfüllt sein. § 14 Abs. 1 BDSG erlaubt die Nutzung der Daten, so sie nicht zweckentfremSiehe dazu Simitis / Dammann § 1 Rn. 119. Es ist insofern unerheblich, ob man Staatsanwaltschaften als Organe der Rechtspflege oder als Behörden, bzw. mit der h. M. als Zwitter beurteilt (zum Streitstand m. w. N. siehe Beulke, StPO, Rn. 88), da die Vorschrift auf jeden Fall auf sie anwendbar ist. Ausdrücklich für eine Einordnung der Staatsanwaltschaften als Organe der Rechtspflege im Bereich des § 2 BDSG, Simitis / Dammann, § 2 Rn. 28 (auf Bundesebene) und Rn. 58 (auf Landesebene). 452 Konjunktiv deshalb, weil Nutzung und Übermittlung im Rahmen des BDSG unterschiedliche sich ausschließende Arten des Umgangs mit personenbezogenen Daten sind. 453 Zur Erforderlichkeit Simitis / Dammann, § 15 Rn. 15 f. 450 451

II. Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis

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det genutzt werden, also zu dem Zwecke, zu dem sie erhoben wurden. Dies wäre bei der Nutzung von Daten der Einkommensteuererhebung für Strafanpassungszwecke zu verneinen. § 14 Abs. 2 BDSG erklärt des Weiteren unter verschiedenen Voraussetzungen, die nicht kumulativ vorliegen müssen, sogar zweckentfremdete Nutzung für zulässig. Da gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG spezielle Amtsgeheimnisse, zu denen auch das Steuergeheimnis nach § 30 AO zählt, von den Regelungen des Bundesdatenschutzes unberührt bleiben und § 30 AO für die im Besteuerungsverfahren erhobenen Daten gegenüber § 14 BDSG die im Schutz weitergehende Norm darstellt, wäre die Zulässigkeit einer Übermittlung vom Finanzamt an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht nach § 30 AO zu beurteilen454. Das BDSG spielte dann nur noch über § 39 BDSG eine Rolle. Diese Norm sieht einen über das Steuergeheimnis verlängerten Schutz der personenbezogenen Daten vor455 und ist insofern als Auffangnorm wieder anwendbar im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 3 BDSG. § 30 AO würde in Bezug auf den oben beschriebenen Vorgang als lex specialis456 die Anwendbarkeit des BDSG im Bereich der speziellen Übermittlungsvorschriften sperren. § 30 AO ist Bundesrecht. Da Bundesrecht grundsätzlich Landesrecht bricht, ist damit eine eingehende Prüfung, welches Landesdatenschutzgesetz möglicherweise die Übermittlung von Daten regelt, an dieser Stelle nicht vonnöten. Das Augenmerk ist an dieser Stelle ausschließlich auf die Anforderungen des § 30 AO zu richten, da in jedem Fall § 30 AO, der an den Maßstäben des § 39 BDSG zu messen ist, die maßgebliche Norm zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Datenübermittlung wäre.

II. Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die Nutzung einer Finanzamtsauskunft zu den Einkommensverhältnissen im Rahmen der Festlegung der Tagessatzhöhe nur dann zulässig wäre, wenn eine Öffnung des Steuergeheimnisses vollzogen würde. Damit wird gleichzeitig für eine solche Nutzung ohne Öffnung ein Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis angenommen457. 454 Zum grundsätzlichen Rangverhältnis der Amtsgeheimnisse zum BDSG siehe Simitis / Dammann, § 1 Rn. 176 und 183. 455 Zum verlängerten Geheimnisschutz bei Amtsgeheimnissen siehe Simitis / Dammann, § 39 Rn. 1 ff. 456 Klein / Rüsken, § 30 Rn. 10. 457 Fischer, § 40 Rn. 18 geht davon aus, dass Ermittlungen zur Feststellung der Tagessatzhöhe durch das Steuergeheimnis beschränkt seien und beruft sich auf BGH, NStZ 1995, 27. In dieser Entscheidung geht es um die Offenbarungsbefugnis in Bezug auf straftatbestandlich relevante Sachverhalte, nicht jedoch um strafanpassungs- oder auch nur strafzumessungsrelevante. Krehl, Ermittlung, S. 33 geht davon aus, dass ohne normierte Durchbrechung des Steuergeheimnisses keine Auskunft möglich sei. Ebenso Ising, Feststellung, S. 145 f., die die im Gesetzgebungsverfahren geplante Öffnung in § 161 StPO im Ergebnis zudem für nicht unzulässig gehalten hätte.

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D. Rechtliche Bedenken

Im Folgenden ist also zu prüfen, ob tatsächlich ein Verstoß gegen das zurzeit bestehende Steuergeheimnis gegeben wäre, wobei der Regelungsumfang des im Zusammenhang mit der Tagessatzgeldstrafe viel zitierten Steuergeheimnisses zu evaluieren ist. Dem soll zum besseren Verständnis der Regelungsstruktur des Steuergeheimnisses die Geschichte von selbigem vorausgeschickt werden.

1. Geschichtliche Entwicklung des Steuergeheimnisses Die Geschichte des Steuergeheimnisses458 war stets von dem Bestreben geprägt, steuerlichen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen einen Schutz vor steuerfremder Verwertung der im Besteuerungsprozess erhobenen steuerlichen Daten entgegen zu stellen459. 1851 wurde mit § 32 des preußischen EStG460 die Verpflichtung der Mitglieder der Einschätzungskommission zur Geheimhaltung der ihnen bekannt gewordenen Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Steuerpflichtigen eingeführt. Da es außer einer Schätzungsbefugnis keine Mittel gab, die Mitwirkung des Steuerpflichtigen zu erzwingen, war die Verpflichtung zur Geheimhaltung461 auch nicht strafbewehrt. 1891 wurde solch ein strafrechtlicher Schutz462 der im Besteuerungsprozess erlangten Daten im Rahmen der sogenannten Miquelschen-Steuerreform eingeführt; dies ging einher mit einer Ausweitung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen463. Eine reichseinheitliche Kodifizierung des Geheimnisschutzes im Besteuerungsverfahren erlangter Daten wurde am 13. Dezember 1919 durch § 10 RAO 1919464 erreicht. Auch dieser Geheimnisschutz stellte ein Gegengewicht zu den zugleich normierten gesteigerten Eingriffsrechten der Finanzbehörden dar465. Den Finanzbehörden wurden durch die RAO 1919 umfangreiche Ermittlungsbefugnisse auch im Bereich der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen einge458 Ein Überblick zu Geschichte des Steuergeheimnisses findet sich auch bei Besson, Steuergeheimnis, S. 5 – 8, Reiß, Besteuerungsverfahren S. 100 – 108 sowie Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 5 – 10. 459 Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 6, Besson, Steuergeheimnis, S. 7 f., Benda, StbKongr Rep 1984, 119, 122 und Tipke / Kruse / Drüen, AO, § 30 Rn. 9. 460 Gesetz betreffend die Einführung einer Klassen und klassifizierten Einkommensteuer vom 1. Mai 1851, sog. Preußisches Einkommensteuergesetz 1851, prGS 1851, S. 193 ff. Der Wortlaut des § 32 findet sich dort auf S. 207. 461 Die sich noch nicht namentlich Steuergeheimnis nannte und als Unterfall der allgemeinen Amtsverschwiegenheit zu klassifizieren war, vgl. dazu Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 88. 462 Vgl. preußisches EStG vom 24. Juni 1891, prGS 1891, S. 175, dessen § 52 (S. 194) den Geheimnisschutz in Steuersachen regelt, der in § 69 (S. 198 f.) strafbewehrt ist. 463 Vgl. preußisches EStG von 1891, prGS 1891, S. 175 ff., zur Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen § 24 ff. (S. 185 ff.) sowie § 35 Abs. 3 (S. 189) zur Ermittlungspflicht des Vorsitzenden. 464 RGBl. I 1919, S. 1993. 465 Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 7 m. w. N.

II. Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis

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räumt466, die im Wesentlichen den in der AO heute festgeschriebenen Befugnissen entsprachen467. Namentlich kodifiziert wurde das Steuergeheimnis erstmals in § 10 RAO 1931468, der den Schutz nochmals verbesserte. 1936 wurde dieser in § 22 RAO469 überführt und galt in dieser Fassung als Vorgänger des § 30 AO 1977 unverändert bis zur Einführung der AO 1977470. In § 22 RAO 1936 wurden Verhaltensweisen aufgeführt, durch die der Beamte sich einer Verletzung des Steuergeheimnisses schuldig machen konnte. Obwohl keine Durchbrechungsmöglichkeiten des Steuergeheimnisses vorgesehen waren, entwickelten sich in der Praxis der Besteuerung und bei der entsprechenden Rechtsprechung ungeschriebene Offenbarungsmöglichkeiten471. In der weiteren Zeit des Nationalsozialismus bestand das Steuergeheimnis zwar formal weiter, wurde jedoch weitestgehend entwertet472. Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland erlangte § 22 RAO wieder seine ursprüngliche Bedeutung in der Form, dass das Steuergeheimnis entsprechend dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 RAO „unverletzlich“ sei. Durch die Aufzählung von drei Varianten der Verletzung des Steuergeheimnisses im zweiten Absatz der Vorschrift, bei denen man von einer weiten Auslegung ausging, konnten jedoch im Umkehrschluss zahlreiche Durchbrechungen des nach dem ersten Absatz unverletzlichen Steuergeheimnisses begründet werden. Über diese Durchbrechungen hinaus nahm man bereits zum damaligen Zeitpunkt eine Möglichkeit der Befreiung vom Steuergeheimnis auch dann an, wenn bestimmte Interessen der Finanzverwaltung, insbesondere an einer umfassenden Besteuerung, sowie sonstige öffentliche Interessen oder die vorliegende Einwilligung des Betroffenen zur Offenbarung vorlagen. Im Rahmen der sonstigen öffentlichen Interessen waren vor allem Offenbarungen bei gesetzlicher Pflicht zur Auskunftserteilung und bei zwingendem öffentlichem Interesse erlaubt473. Zusammenfassend lässt sich für diese Zeit eine von der Rechtsprechung gebilligte Durchbrechungskasuistik feststellen, die sich insbesondere auf eine Berücksichtigung des Allgemeininteresses des Staates stützte. Ein taugliches Allgemeininteresse wurde dabei insbesondere in der Gewinnung von Besteuerungsgrundlagen sowie in der Strafverfolgung bei der Befürchtung von schweren Schäden für das GemeinVgl. §§ 172 ff. und 185 ff. RAO 1919, RGBl. I 1919, S. 1993 ff. So Besson, Steuergeheimnis, S. 6. 468 RGBl. I 1930, S. 517 und 547. 469 Dies geschah im Rahmen des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen, RGBl. I 1936, S. 961. 470 Vgl. hierzu zusammenfassend Besson, Steuergeheimnis, S. 6 m. w. N. 471 Vgl. zu dieser Zeit Besson, Steuergeheimnis, S. 7 m. w. N. 472 Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 8 m. w. N. 473 Zu diesen drei möglichen Befreiungsbegründungen vom Steuergeheimnis siehe Barske, Reichsabgabenordnung, S. 98 f. Zur Auslegung des § 22 RAO siehe auch Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 100 ff. 466 467

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D. Rechtliche Bedenken

wohl gesehen474. Strafbewehrt war das Steuergeheimnis zu dieser Zeit durch § 412 RAO, der sich im Zuge des steuerlichen Reformprozesses am Ende der 1970er Jahre schlussendlich in § 355 StGB niedergeschlagen hat475. Am 01. 01. 1977 trat die Abgabenordnung und damit auch die Neuregelung des § 30 AO 1977 in Kraft. § 30 AO 1977 erklärte das Steuergeheimnis nicht wie § 22 Abs. 1 RAO als unverletzlich; vielmehr normierte er die Pflicht der Amtsträger zur Wahrung des Steuergeheimnisses (Abs. 1), unter welchen Umständen Daten unter das Steuergeheimnis fallen (Abs. 2), welcher Personenkreis dem Geheimnisschutz verpflichtet ist (Abs. 3) und welche Ausnahmetatbestände von der Wahrung des Steuergeheimnisses entbinden (Abs. 4 und 5). Aus der Begründung der Beteiligten am Gesetzgebungsprozess476 zu § 30 AO 1977 geht hervor, dass diese Geheimhaltungsvorschrift des Steuergeheimnisses in direktem Zusammenhang mit den Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen des Besteuerungsprozesses steht, da das Steuergeheimnis dort als „Gegenstück“ eben dieser Pflichten bezeichnet wird. Seit Inkrafttreten des § 30 AO 1977 kam es mehrfach zu Änderungen der Vorschrift477; heute hat § 30 AO folgenden Wortlaut: „§ 30 Steuergeheimnis (1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren. (2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er 1. Verhältnisse eines anderen, die ihm a) in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, b) in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit, c) aus anderem Anlass durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen bekannt geworden sind, oder 2. ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist, unbefugt offenbart oder verwertet oder 3. nach Nummer 1 oder Nummer 2 geschützte Daten im automatisierten Verfahren unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren in einer Datei gespeichert sind. So Besson, Steuergeheimnis, S. 7. Zur Entwicklung der strafrechtlichen Schutzvorschrift des Steuergeheimnisses siehe im Einzelnen und m. w. N. Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 8 f. 476 Siehe BT-Drs. 7 / 4292, S. 18. 477 Dabei wurde durch Einfügen der § 30 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 6 AO der Entwicklung im Bereich der automatisierten Datenverarbeitung Rechnung getragen, vgl. BGBl. I 1985, S. 2436, sowie der Personenkreis der verpflichteten Amtsträger erweitert (§ 30 Abs. 3 Nr. 1a AO), vgl. BGBl. I 1994, S. 1374. Des Weiteren wurden § 30 Abs. 2 Nr. 1a sowie Abs. 6 Satz 3 AO geändert, vgl. BGBl. I 1995, S. 1250. 474 475

II. Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis

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(3) Den Amtsträgern stehen gleich 1. die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs), 1a. die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen, 2. amtlich zugezogene Sachverständige, 3. die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. (4) Die Offenbarung der nach Absatz 2 erlangten Kenntnisse ist zulässig, soweit 1. sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient, 2. sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist, 3. der Betroffene zustimmt, 4. sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse a) in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind; dies gilt jedoch nicht für solche Tatsachen, die der Steuerpflichtige in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens offenbart hat oder die bereits vor Einleitung des Strafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens im Besteuerungsverfahren bekannt geworden sind, oder b) ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind, 5. für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn a) Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat und seine Einrichtungen verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, b) Wirtschaftsstraftaten verfolgt werden oder verfolgt werden sollen, die nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs oder auf die ordnungsgemäße Arbeit der Behörden und der öffentlichen Einrichtungen erheblich zu erschüttern, oder c) die Offenbarung erforderlich ist zur Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern; die Entscheidung trifft die zuständige oberste Finanzbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen; vor der Richtigstellung soll der Steuerpflichtige gehört werden. (5) Vorsätzlich falsche Angaben des Betroffenen dürfen den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden. (6) Der automatisierte Abruf von Daten, die für eines der in Absatz 2 Nr. 1 genannten Verfahren in einer Datei gespeichert sind, ist nur zulässig, soweit er der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b oder der zulässigen Weitergabe von Daten dient. Zur Wahrung des Steuergeheimnisses kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen gegen den unbefugten Abruf von Daten zu treffen sind. Insbesondere kann es nähere Regelungen treffen über die Art der Daten, deren Abruf zulässig ist, sowie über den Kreis

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D. Rechtliche Bedenken der Amtsträger, die zum Abruf solcher Daten berechtigt sind. Die Rechtsverordnungen bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betreffen.“

Die Geschichte des Steuergeheimnisses war somit von dem fiskalischen Interesse geprägt, eine möglichst umfassende Besteuerung durch Einhaltung der Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen zu ermöglichen. Einen absoluten Schutz des Steuergeheimnisses hat es trotz der Absolutheit der Formulierung des § 22 Abs. 1 RAO zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte des Steuergeheimnisses gegeben. Stets wurde das Steuergeheimnis durchbrochen, um staatliche Allgemeininteressen, wie die umfassende Besteuerung oder die Strafverfolgung, durchsetzen zu können. Dieses Spannungsverhältnis zu staatlichen Allgemeininteresse sollte auch bei der Auslegung des § 30 AO berücksichtigt werden.

2. Verfassungsrechtliche Einordnung des Steuergeheimnisses Bereits dem in § 22 RAO geregelten Steuergeheimnis wurde der Rang eines Grundrechtes nach wohl überwiegender Meinung zur damaligen Zeit abgesprochen478. Auch unter der Geltung des heutigen § 30 AO stellen das Bundesverfassungsgericht und die Mehrzahl der Autoren fest, dass das Steuergeheimnis kein Grundrecht ist479. Das Steuergeheimnis des § 30 AO ist vielmehr ein (qualifiziertes) Amtsgeheimnis, welches Daten schützt, die wiederum den Schutz der Verfassung und hier insbesondere des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung genießen480. Mit dieser Einordnung des Steuergeheimnisses ist sichergestellt, dass die vom Betroffenen bei der Finanzbehörde gespeicherten Daten grundsätzlich den vollumfänglichen Schutz der Verfassung genießen, ohne jedoch aus der Existenz des § 30 AO einen weitergehenden Schutz im Sinne eines Grundrechtes auf Schutz der Daten, die das Steuerverfahren tangieren, zu begründen. Bei der Offenbarung der durch das Steuergeheimnis geschützten Daten können damit grundrechtliche Garantien zugunsten des Steuerpflichtigen bzw. des Mitwirkungsverpflichteten betroffen sein481. Mit der Einordnung der Daten in den Schutzbereich des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung ist dabei festgestellt, dass bei der ÜberprüVgl. dazu Benda, StbKongrRep 1984, 125 m. w. N. in Fn. 13. BVerfGE 67, 100 (101 f.), Benda, StbKongrRep 1984, 129, Besson, Steuergeheimnis, S. 14, Spriegel, Steuergeheimnis, S. 10, Tipke / Kruse / Drüen, AO, § 30 Rn. 7, Klein / Rüsken, § 30 Rn. 1 und Ising, Feststellung, S. 144. Siehe auch die Nachweise bei Eilers, Steuergeheimnis, S. 3 in Fn. 2, der im Ergebnis (S. 127) das Steuergeheimnis selbst auch nicht als Grundrecht sieht. 480 Einer für viele m. w. N. Tipke / Kruse / Drüen, AO, § 30 Rn. 6. 481 Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung in Bezug auf die im Besteuerungsprozess gewonnenen Daten siehe Eilers, Steuergeheimnis, S. 26. 478 479

II. Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis

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fung eines das Steuergeheimnis des § 30 AO einschränkenden Gesetzes im Sinne des Prinzips des Vorrang des Gesetzes in jedem Fall das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als betroffenes Grundrecht Berücksichtigung finden muss. Daneben können wie auch bei jedem anderen zu erlassenen Gesetz gleichfalls andere grundrechtliche Verbürgungen betroffen sein482. Ruegenberg hingegen will das Steuergeheimnis als Grundrecht mit eigenem Inhalt einordnen. Er geht davon aus, dass das Steuergeheimnis Teil des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung sei und § 30 AO die dieses Grundrecht einschränkende Norm. § 30 AO sei damit, wie jede das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränkende Norm an der Verfassung zu messen. Damit komme § 30 AO nur deklarierende Wirkung zu483. Ruegenberg begründet seine Auffassung damit, dass die Meinungsvertreter der Gegenansicht ihre Einordnung als Nichtgrundrecht nicht oder nicht vernünftig begründet hätten und das Steuergeheimnis als „verfassungsrechtliche sine qua non für das ( . . . ) System der Steuerveranlagung“484 Teil des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung sein müsse485. Diese Einordnung ist jedoch abzulehnen. Zunächst findet sie keine Stütze im Gesetz. Dem Steuergeheimnis ist trotz seiner Geschichte, die lange in die Zeit vor der Verkündung der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland hineinreicht, im Grundgesetz keine Erwähnung zuteil geworden. Die Nichterwähnung könnte man zwar auch dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegenhalten; dieses ist jedoch ein relativ neues Grundrecht, welches sich unter dem Eindruck der generellen Gefahr der zweckentfremdeten Nutzung personenbezogener beim Staat gespeicherter Daten entwickelt hat. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht wie das Steuergeheimnis bei Erlass des Grundgesetzes bereits einfachgesetzlich normiert gewesen. Der einfachgesetzliche Schutz dieses Grundrechtes durch die Datenschutzgesetze findet seinen zeitlichen Beginn erst nach Erlass des Grundgesetzes. Zu diesem formalen Gesichtspunkt tritt hinzu, dass es eines gesonderten grundrechtlichen Schutzes speziell der Daten, die im Besteuerungsprozess erhoben werden, nicht bedarf. Grundsätzlich sind alle Daten vor zweckentfremdeter Nutzung grundrechtlich durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Es ist nicht ersichtlich, warum es für einen umfassenden grundrechtlichen Schutz der Zuordnung des Steuergeheimnisses als Teil des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bedürfte und warum diese gesonderte, hervorgehobene, grundrechtliche Zuordnung gerade aus dem steuerlichen Bezug der Daten 482 So prinzipiell für alle Grundrechte und zugleich ausdrücklich für den Gleichheitssatz, Benda, StbKongrRep 1984, 133. 483 Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 17. 484 Hier zitiert er Benda, StbKongrRep. 1984, 134, der jedoch in eben diesem Vortrag auf S. 129 feststellt, dass das Steuergeheimnis gerade kein Grundrecht sei und in DStZ 1984, 164 in der Zusammenfassung nur von einem erhöhtem Rang des Steuergeheimnisses spricht. 485 Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 15 ff.

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D. Rechtliche Bedenken

resultieren sollte. Es ist davon auszugehen, dass die in der Verfassung garantierten Rechte ausreichen, um den Steuerpflichtigen auch im Hinblick auf seine gegenüber dem Finanzamt offenbarten Daten zu schützen. Ein spezieller Schutz nur für diese Daten ist nicht nötig. Der Steuerpflichtige und seine Daten, die er im Besteuerungsprozess bekannt gegeben hat, genießen den allgemeinen Schutz der Verfassung. Zudem ging Besson, der das Steuergeheimnis im Ergebnis auch nicht als Grundrecht sieht, bereits vor Ruegenbergs Einordnung des Steuergeheimnisses als Teil des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung davon aus, dass die praktischen Unterschiede zwischen der Einordnung des Steuergeheimnisses als Grundrecht und der grundgesetzlichen Verankerung der durch das Steuergeheimnis geschützten Daten nicht besonders groß seien486. Dem kann man sich insofern anschließen, als dass es wohl unerheblich ist, ob die jeweils vom Schutz des Steuergeheimnisses betroffenen Daten vom Grundrecht „Steuergeheimnis“ als Teil des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung oder aber von letzterem direkt geschützt werden. Im Ergebnis ist der Umfang des Schutzes wohl kein anderer. Selbst die rechtliche Einordnung des § 30 AO in Bezug auf den grundrechtlichen Schutz der von § 30 AO geschützten Daten ist bei beiden Ansichten dieselbe; § 30 AO ist auch die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkende Norm. Für den hier zu prüfenden Fall ist es im Ergebnis nicht von Bedeutung, ob man annimmt, die betroffenen Daten seien vom Steuergeheimnis als Teil des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung oder aber direkt vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Dennoch ist der herrschenden Meinung aus oben angeführten Argumenten zuzustimmen und das in § 30 AO geregelte Steuergeheimnis nicht als Grundrecht zu qualifizieren. Es ist vielmehr ein qualifiziertes Amtsgeheimnis, welches den speziellen Umgang mit Daten im Besteuerungsprozess einfachgesetzlich regelt und schützt. Dieser Umgang genießt wiederum verfassungsrechtlichen Schutz. Dieser verfassungsrechtliche Schutz ist in besonderem Maße durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet, aber auch durch das Nemo-tenetur-Prinzip, insofern sein Schutzbereich eröffnet ist. Das Steuergeheimnis des § 30 AO muss sich an diesen verfassungsrechtlichen Garantien ebenso messen lassen wie an allen anderen Grundrechten. Aus dem Wortlaut des § 30 AO kann ein gesonderter grundrechtlicher Schutz ebenso wenig abgeleitet werden wie eine Schutzbereichsbegrenzung des jeweils betroffenen Grundrechts. Die einzelnen Regelungen des § 30 AO sind vielmehr am Schutzbereich der jeweiligen Grundrechte zu messen. Eine solche Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 30 AO soll im Rahmen dieser Arbeit nur insofern durchgeführt werden, als sie für die Durchführung des angestrebten Datentransfers zwischen Finanzbehörde und Strafverfolgungsbehörde vonnöten ist. Da § 30 AO nur das Gesetz darstellt, welches das jeweilig betroffene Grundrecht einschränkt, dessen einzelne Regelungen, so sie verfassungsgemäß 486

Besson, Steuergeheimnis, S. 14 ff.

II. Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis

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sind, wieder im Lichte der Verfassung ausgelegt werden müssen, kann eine Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit aller Regelungen unterbleiben. Vielmehr sind somit zwei verschiedene Fragestellungen zu unterscheiden. Zum einen die Frage, ob der angestrebte Datentransfer einfachgesetzlich gegen § 30 AO verstoßen würde. Zum anderen, ob dieser Datentransfer verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden könnte. 3. Verstoß gegen § 30 AO Das Steuergeheimnis des § 30 AO regelt also als lex specialis zum BDSG einfachgesetzlich den Datenschutz in Steuersachen487. Das Steuergeheimnis ist historisch gewachsen, um den Steuerpflichtigen zu motivieren, seinen umfassenden Mitwirkungspflichten im Rahmen des Besteuerungsprozesses nachzukommen. Diese Motivation bzw. Vertrauensbildung zwischen Staat und Bürger ist aus staatlicher Sicht nötig, um eine gleichmäßige Besteuerung durchzuführen und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für das Besteuerungsverfahren möglichst gering zu halten488. Des Weiteren sollte es im Interesse eines jeden und damit der Öffentlichkeit liegen, die Steuerlast möglichst gleichmäßig auf alle Bürger zu verteilen. Das Steuergeheimnis erfüllt damit zwei voneinander abhängige Zwecke. Zum einen den Schutz des Betroffenen vor zweckentfremdeter Nutzung seiner Daten, zum anderen die Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dieses öffentliche Interesse an einer gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung folgt aus dem Gleichheitssatz und dem Rechtsstaatsprinzip489. Es ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige bei allen Daten, die er der Finanzbehörde gegenüber im Besteuerungsverfahren bekannt gibt, ein Interesse daran hat, dass sie nicht zu anderen Zwecken als zur Besteuerung genutzt werden. Inhaltlich sind als Daten grundsätzlich alle Verhältnisse einer Person sowie Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die in einem der in § 30 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 AO genannten Verfahren erlangt wurden, geschützt. In der sachlichen Reichweite umfasst das Steuergeheimnis einen Schutz vor unbefugter Offenbarung oder Verwertung der geschützten Daten. Die in § 30 Abs. 2 Nr. 1 – 3 AO genannten Verfahren sind in ihrer Gesamtheit als Verfahren in Steuersachen zu begreifen. Unter diese Verfahren fallen sowohl der Steuerveranlagungsprozess als auch Verfahren zur Verfolgung von Steuerstraftaten. 487 Soweit seine Regelungen reichen, ist er lex specialis zum BDSG, Klein / Rüsken, § 30 Rn. 10. 488 Benda, StbKongrRep 1984, 123 f. 489 Zu diesen zwei Zwecken und ihrer verfassungsrechtlichen Herleitung siehe BVerfGE 67, 100 (139 f.), zusätzlich auch zu ihrer Abhängigkeit voneinander Tipke / Kruse / Drüen, AO, § 30 Rn. 8 ff. m. w. N., Pahlke / König / Intemann, § 30 Rn. 2 m. w. N., Klein / Rüsken, § 30 Rn. 70 und Sahan, Steuererklärungspflicht, S. 20 f. der die öffentliche Interessen an Geheimhaltung zur Durchführung der Besteuerung nur untergeordnet als Reflex der Geheimhaltungsinteressen des Steuerpflichtigen geschützt sieht.

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D. Rechtliche Bedenken

Das hier entwickelte Rechenmodell benötigt die Daten des Besteuerungsprozesses. Diese sind grundsätzlich von § 30 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO geschützt, da sie die dort verlangte Datenqualität besitzen. Ein Datentransfer könnte wie bereits oben beschrieben sowohl durch persönlichen Kontakt der jeweiligen Amtsträger der Strafverfolgungs- und der Finanzbehörde als auch in Form automatisierter Übermittlung erfolgen. Beide Vorgehensweisen würden den Tatbestand der Verletzung des Steuergeheimnisses gemäß § 30 Abs. 2 AO erfüllen. Beide Formen würden ein unbefugtes Offenbaren durch einen zum Schutz des Steuergeheimnisses verpflichteten Amtsträger im Sinne der § 30 Abs. 2 Nr. 1 und / oder 2 AO (je nach Datenqualität) darstellen. Die automatisierte Form würde zudem bereits vor dem Offenbaren den Tatbestand des unbefugten Datenabrufs der Nr. 3 erfüllen. Personell kann das Steuergeheimnis gemäß § 30 Abs. 1 AO nur von Amtsträgern und solchen Personen verletzt werden, die den Amtsträgern in § 30 Abs. 3 AO gleichgestellt sind. Über die Norm des § 7 AO, welche den Kreis der Amtsträger im Sinne der Abgabenordnung genauer bestimmt, sowie entsprechende spezialgesetzliche Regelungen sind im Ergebnis alle Personen, die am Verfahren in Steuersachen in seiner Gesamtheit teilnehmen, dem Steuergeheimnis verpflichtet490. Da im Rahmen des Rechenmodells die Informationen von Bediensteten der Finanzbehörde an die jeweilige Strafverfolgungsinstanz gegeben werden sollen, ist damit auch der personelle Schutzbereich des § 30 Abs. 3 AO eröffnet. Die im Rechenmodell abzufragenden Daten sind damit vom weitgespannten grundsätzlichen Schutz des Steuergeheimnisses aus § 30 Abs. 1 – 3 AO umfasst. Dabei werden der inhaltliche Schutz und die Reichweite desselben durch § 30 Abs. 4 und 6 AO nicht unwesentlich eingeschränkt491. Eine Verletzung des Steuergeheimnisses durch Umsetzung eines Verfahrens zur Verwirklichung des Rechenmodells könnte damit nur dann abschließend konstatiert werden, sofern nicht eine gerechtfertigte Offenbarungsmöglichkeit nach § 30 Abs. 4 AO bzw. ein gerechtfertigtes Abrufen im Vorfeld nach § 30 Abs. 6 AO gegeben wäre. § 30 Abs. 4 AO zählt in seinen Nrn. 1 – 5 diejenigen Ausnahmen abschließend auf, bei deren Vorliegen ein Offenbaren zulässig ist492. Dogmatisch sind die dort aufgeführten Tatbestände als Rechtfertigungsgründe einzuordnen. So ist gemäß Abs. 4 Nr. 1 ein Offenbaren zulässig und das Steuergeheimnis des § 30 AO damit nicht tangiert, wenn die jeweiligen Daten für eines der Verfahren des Abs. 2 Nr. 1 und 2, die den Schutz gerade begründeten, verwendet werden. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die im Besteuerungsverfahren erlangten Daten im Besteuerungsverfahren auch verwendet werden dürfen. Da das Besteuerungsverfahren alle Verfahren in Steuersachen umfasst, die mit der Besteuerung des Steuerpflichtigen in unmittelbarem Zusammenhang stehen, fällt darunter auch das Steuerstrafverfah490 491 492

Siehe dazu ausführlich Sahan, Steuererklärungspflicht, S. 21 f. Siehe dazu auch Besson, Steuergeheimnis, S. 67 ff. und 176. Klein / Rüsken, § 30 Rn. 58.

II. Verstoß gegen das bestehende Steuergeheimnis

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ren. Es ist somit festzustellen, dass das Steuergeheimnis des § 30 AO im gesamten Besteuerungsverfahren nicht vor Strafverfolgung wegen einer Steuerstraftat schützt. Dies ist besonders bemerkenswert im Hinblick auf das Nemo-tenetur-Prinzip. Unabhängig von der umstrittenen Herleitung und dogmatischen Verankerung des Prinzips schützt dieses wie bereits ausgeführt den Beschuldigten vor Zwang staatlicher Institutionen, der darauf abzielt, den Beschuldigten zu einer Selbstbelastung zu zwingen493. Die für die Verfolgung der Steuerstraftat erlangten Daten wurden unter Erfüllung der Mitwirkungspflichten aus § 90 AO i.V. m. § 40 AO erlangt, die zudem zumindest bis zum Zeitpunkt der Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gemäß § 393 Abs. 1 AO dem Zwang der §§ 328 und 370 ff. AO unterliegen. Diese Mitwirkungspflichten sind tauglicher Zwang im Rahmen des Nemo-tenetur-Prinzips494. Insofern ist fraglich, ob die entsprechenden Vorschriften, die eine Offenbarung oder Verwertung zur Durchführung eines Steuerstrafverfahrens einfachgesetzlich erlauben, nicht in unzulässiger Weise gegen dieses Prinzip verstoßen495. Begründet wird die Notwendigkeit einer solchen Verwertung der Daten zur Verfolgung einer Steuerstraftat mit dem öffentlichen Interesse an einer umfassenden Besteuerung. Diese könne nur gewährleistet werden, wenn Fehlleistungen des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren notfalls auch steuerstrafrechtlich verfolgt werden können496. Deshalb wird das Steuergeheimnis im Bereich der dem Finanzamt mitgeteilten allgemeinen Straftaten als Belohnung für den Steuerpflichtigen angesehen497, da eine Verwendung der Angaben in Bezug auf allgemeine Straftaten durch Strafverfolgungsbehörden nur eingeschränkt möglich ist. Dies entspricht zwar auch dem öffentlichen Interesse an einer gleichmäßigen und umfassenden Besteuerung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieser Schutz insbesondere auch aus der Aufrechterhaltung des Nemo-tenetur-Prinzips im Bereich der Strafverfolgung allgemeiner Straftaten folgt und diesem insofern Geltung verschafft. Grundsätzlich können die Angaben des Betroffenen zu allgemeinen Straftaten im Strafverfahren nämlich im Rahmen der Geltung des Steuergeheimnisses nicht verwendet werden, da § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ein zulässiges Offenbaren zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer allgemeinen Straftat nicht rechtSiehe dazu die Nachweise in Fn. 288. Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 222, Besson, Steuergeheimnis, S. 90, Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 150 und Eilers, Steuergeheimnis, S. 49 ff. Auch Rüster, Steuerpflichtige, S. 32 geht von strafrechtlich relevanter Selbstbelastung durch steuerliche Mitwirkungspflichten aus. Da sie jedoch konstatiert, dass das Nemo-tenetur- Prinzip nur im Strafverfahren Geltung beanspruchen kann, setzt sie die Mitwirkungspflichten mit dem Zwang nicht explizit gleich. 495 Sahan, Steuererklärungspflicht S. 25 geht im Ergebnis für § 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V. m. § 30 Abs. 2 Nr. 1 b) AO von einer Umgehung des Nemo-tenetur-Prinzips im Strafverfahren aus. 496 Auch in BT-Drs. 7 / 4292, S. 17 ist festgestellt, dass das Steuergeheimnis die Besteuerung nicht hemmen solle, ebenso Klein / Rüsken, § 30 Rn. 70. 497 Krehl, Ermittlung, S. 139 m. w. N. in Fn. 342. 493 494

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fertigt. Insbesondere den Steuerpflichtigen davor zu schützen, sich selbst unter Zwang einer Strafverfolgung wegen einer allgemeinen Straftat, die im Besteuerungsverfahren bekannt geworden ist, auszusetzen, ist auch Aufgabe des Steuergeheimnisses498, obgleich dies auch schon aus dem Nemo-tenetur-Prinzip direkt folgt. Ob die Regelung des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO im Hinblick auf die Verfolgung von Steuerstraftaten gegen das Nemo-tenetur-Prinzip verstößt, kann indessen dahinstehen. Denn diese Offenbarungsmöglichkeit kann die Durchführung des Rechenmodells nicht in der angestrebten Verfahrensbreite legitimieren. Zwar ist ein Offenbaren innerhalb eines Steuerstrafverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. So können die vom Gericht im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu einer Steuerstraftat erlangten Informationen auch für die Bemessung der Tagessatzhöhe verwendet werden, d. h., das Ermittlungsproblem in Bezug auf die Tagessatzhöhe stellt sich in dieser Konstellation nicht. Es ist jedoch bereits umstritten, ob eine Übermittlung im Steuerstrafverfahren einzig zum Zwecke der Tagessatzhöhenbemessung zulässig ist, wenn also eine Übermittlung für den Tatvorwurf nicht nötig ist499. Im vorliegenden Fall wird sogar eine generelle Offenbarungsbefugnis zur Festlegung der Tagessatzhöhe auch bei allgemeinen Straftaten angestrebt. Soweit es sich um eine zu verhängende Geldstrafe im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens, in dem bereits die benötigten steuerlichen Informationen bei der Erörterung des Tatvorwurfs bekannt wurden, handelt, wäre ein Verstoß gegen § 30 AO nicht zu konstatieren. Eine Rechtfertigung für die Durchführung allgemeiner Straftaten hält die Offenbarungsbefugnis des § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO eindeutig nicht bereit. Vorgenannte dem Nemo-tenetur-Prinzip entspringende Schutzrichtung des Steuergeheimnisses wird auch durch die Regelungen des § 30 Abs. 4 Nr. 3 und 4 AO deutlich, wenn dort bei Aufhebung des Zwangselements auf eine Geheimhaltungspflicht im Rahmen des Steuergeheimnisses verzichtet wird, indem ein gerechtfertigtes Offenbaren angenommen wird500. Nr. 4 sieht zum Zweck der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Nichtsteuerstraftat vor, dass ein Offenbaren zulässig ist, soweit nach Unterletter a) die zu offenbarende Kenntnis in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind. Dies unterliegt jedoch zwei Einschränkungen: zum einen dürfen keine Angaben anlässlich eines Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitenverfahrens verwertet 498 Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 222, Besson, Steuergeheimnis, S. 179 f., Ruegenberg, Steuergeheimnis, S. 162 f. und Eilers, Steuergeheimnis, S. 49 ff. 499 Vgl. dazu Wieczorek, wistra 1987, 175 m. w. N., der nach § 30 AO eine Übermittlung einzig zu diesem Zweck für unzulässig hält. 500 So im Ergebnis wohl auch Sahan, Steuerklärungspflicht, S. 28 ff., wenn er für Nr. 3 und 4 a keine Umgehung des Nemo-tenetur-Prinzips annimmt, jedoch für Nr. 4 b) mit der Einschränkung, dass „fahrlässige“ Angaben im Besteuerungsprozess, die unter dem Eindruck von tatsächlich nicht bestehendem Zwang gegenüber der Finanzbehörde gemacht würden, bei Verwendung im Strafverfahren zur Umgehung des Nemo-tenetur-Prinzips führen könnten.

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werden, die in Unkenntnis der Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens gemacht wurden, in denen sie verwendet werden sollen; zum anderen dürfen die Angaben vor Einleitung dieses Verfahrens noch nicht im Besteuerungsverfahren i. e. S., also bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage der jeweiligen Steuer, bekannt geworden sein. Unterletter b) bestimmt ein zulässiges Offenbaren zum Zwecke eines allgemeinen Strafverfahrens, wenn die Angaben ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung und damit ohne Bestehen von Zwang vermittelnden Mitwirkungspflichten oder aber unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind. § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO, der damit in seinen beiden Varianten die Verfolgung einer (Nichtsteuer-)Straftat aufgrund von selbstbelastenden Aussagen des Steuerpflichtigen betrifft, wäre ebenfalls nicht als Offenbarungsrechtfertigung für die Umsetzung des Rechenmodells einschlägig. Dies ergibt sich daraus, dass die zu übermittelnden Daten nicht die in Nr. 4 genannte Datenqualität besitzen. Denn im Rechenmodell sollen keine Daten übermittelt werden, die den Tatbestand der Verwirklichung einer konkreten Straftat betreffen und damit die Strafverfolgung auslösen, sondern lediglich eine Summe wirtschaftlicher Positionen. Zudem wird die Kenntnis der Finanzbehörde von den zu übermittelnden Daten weder regelmäßig im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens erlangt, noch unter Aufhebung der steuerlichen Mitwirkungspflichten. Die Aufhebung des Zwangselements wird auch in Nr. 3 durch ein zulässiges Offenbaren bei Zustimmung des Betroffenen normiert. Nr. 3 bezieht sich in Abweichung zu Nr. 4 a) und b) zweifelsohne nicht nur auf die Verwendung der gemachten Angaben zur Verfolgung von Straftaten, sondern ist generell zu verstehen. Daraus kann als zentraler Zweck des § 30 AO auch der Schutz des Betroffenen vor genereller Weitergabe seiner Daten, unabhängig von ihrer Qualität, gefolgert werden. Die Nr. 3 folgt damit auch dem allgemeinen Datenschutzgedanken des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Damit würde die Vorgehensweise im Rahmen des Rechenmodells durch eine Zustimmung des Betroffenen nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO rechtfertigt sein. Das Vorliegen einer solchen Zustimmung muss jedoch bei der Masse der Verfahren als unwahrscheinlich gelten. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem Interesse des Betroffenen, seine wahren Einkommensverhältnisse im Rahmen des Strafverfahrens im Hinblick auf die wirtschaftliche Belastung mit der Geldstrafe möglichst im Dunkeln zu halten. Dieser Umstand ist auch eine der Intentionen für die Durchsetzung des Rechenmodells. Der Öffnungstatbestand der Nr. 3 ist damit nicht geeignet, um eine relativ opfergleiche und verfahrensökonomische Berechnung der Tagessatzhöhe bei der breiten Masse der Verfahren, die mit der Sanktion Geldstrafe enden, durchführen zu können. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO rechtfertigt die Offenbarung, sofern dies durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Darin kommt wiederum der aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung fließende Datenschutzgedanke zum Ausdruck, nach dem jeder (Steuerpflichtige) wissen soll, von wem und in welcher Weise bei ihm erhobene Daten genutzt werden. Da über § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO nur durch Erlass

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eines entsprechenden Gesetzes Grundrechte beeinträchtigt werden könnten, ist dieser Rechtfertigungstatbestand als Ermächtigungsnorm zu qualifizieren. Der Offenbarungstatbestand des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO muss damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Ermächtigungsnorm genügen. Da der Schutzbereich eines Grundrechtes stets erst durch die konkrete gesetzliche Regelung und nicht schon durch die Ermächtigungsgrundlage selbst betroffen ist, reicht es für die Feststellung der Verfassungsmäßigkeit einer Ermächtigungsnorm aus, wenn sie die Anforderungen des Art. 80 GG sinngemäß erfüllt. In dieser Hinsicht bestehen aufgrund der Normenklarkeit und Bestimmtheit des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO keinerlei Bedenken. Gesetze hingegen, die aufgrund dieser Ermächtigungsnorm erlassen wurden und werden, müssen auch inhaltlich auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigen Prinzipien und mit der Verfassung überprüft werden. Ausgehend vom Wortlaut des § 30 AO wird davon ausgegangen, dass ein Zitiergebot des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO nicht besteht, auch eine Erwähnung der Durchbrechung des Steuergeheimnisses durch das jeweilige Gesetz wird nicht gefordert. Aus dem jeweiligen Gesetz soll aber die Durchbrechung des Steuergeheimnisses mindestens so eindeutig hervorgehen, dass ohne Zweifel erkennbar ist, innerhalb welchen Verfahrens welche Auskunft zu welchem Zweck offenbart werden soll501. Darüber hinaus sind die Anforderungen, die an ein Gesetz gestellt werden, welches auf der Grundlage des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO ergeht, durch die Anforderungen der jeweils beeinträchtigten höherrangigen Rechte sowie der Grundrechte an ein einschränkendes Gesetz sowie durch die Schutzzwecke des Steuergeheimnisses bestimmt. Damit ist jedes Gesetz für sich allein zu betrachten502. Gesetze solcherart, die sich auf § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO stützen lassen, gibt es viele503. Die Aufzählung der aufgrund dieser Offenbarungsbefugnis erlassenen Gesetze hat aufgrund der Erforderlichkeit, jedes einzeln für sich nach seinem Inhalt zu beurteilen, keinen dogmatischen Nutzwert, und soll an dieser Stelle auch in exemplarischer Form unterbleiben. Ein den Anforderungen dieses Offenbarungstatbestandes entsprechendes Gesetz sollte zeitgleich mit der Einführung der Tagessatzgeldstrafe des § 40 StGB in Ergänzung des § 161 StPO normiert werden. Da es jedoch damals und bis heute nicht dazu kam und § 40 StGB den Anforderungen an den Inhalt eines solchen Gesetzes nicht genügen kann, wäre das hier vorgeschlagene Verfahren zumindest zum heutigen Zeitpunkt nicht nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO zu rechtfertigen. Dies ergibt sich für § 40 StGB daraus, dass in dieser Norm weder der genaue Datenumfang durch den steuerrechtsfremden Begriff „Nettoeinkommen“ umschrieben werden kann noch sich aus der Vorschrift ergibt, wer von wem Daten abfragen könnte. Einzig Pahlke / König / Intemann, § 30 Rn. 162. Auch Sahan, Steuererklärungspflicht, S. 26 geht davon aus, dass jedes Gesetz, welches aufgrund von § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO ein zulässiges Offenbaren erlaubt, einzeln an den jeweiligen Grundrechten ggf. am Nemo-tenetur-Prinzip zu messen sei. Bei ihm findet sich auf den S. 26 ff. im Hinblick auf letzteres eine Analyse eines Ausschnitts der Gesetze, die aufgrund Abs. 4 Nr. 2 ein Offenbaren zulassen. 503 Siehe die lange Liste bei Klein / Rüsken, § 30 Rn. 110 ff. 501 502

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der Zweck ist normiert, nämlich Festlegung der Tagessatzhöhe. Dies ist jedoch nicht ausreichend im Hinblick auf die oben genannten datenschutzrechtlichen Mindestanforderungen. Würde ein den vorgenannten Anforderungen genügendes Gesetz erlassen, so müsste man die Zulässigkeit des Datentransfers innerhalb der Umsetzung des Rechenmodells zumindest im Hinblick auf das Steuergeheimnis des § 30 AO anders beurteilen. Unter dem Stichwort „Einheit der Rechtsordnung“ erscheint es bedenklich, dass das fiskalische Interesse an möglichst hohen Steuereinnahmen den Staat über die sittenwidrige oder strafbare Einnahmequelle hinwegsehen lässt, sich im Ergebnis sogar an einer sittenwidrigen oder strafbare Handlung bereichert, ohne solch eine Handlung zu sanktionieren, weil kein Offenbarungsgrund gemäß § 30 Abs. 4 Nr. 1 – 4b) gegeben ist. Dass dieses Vorgehen sich nur bis zu einem gewissen Schweregrad der (Straf-)Handlung fiskalisch rechtfertigen lässt und ab einem bestimmten Schweregrad die Rechtsstaatlichkeit über das Besteuerungsinteresse des Staates siegen soll, diesem Gedanken tragen die Rechtfertigungsgründe für eine Offenbarung des Steuergeheimnisses in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO Rechnung. Eine zulässige Offenbarung soll nämlich gemäß Abs. 4 Nr. 5 1. HS auch dann möglich sein, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse für sie besteht. Insofern kommt in dieser Vorschrift der auch historische Grundgedanke, dass das Steuergeheimnis überwiegenden Allgemeininteressen zu weichen hat, zum Ausdruck. Exemplarisch aber nicht abschließend benannt wird dieses öffentliche Interesse in Nr. 5a) – c). Dabei stellen die Nrn. 5a) und b) eine Einschränkung des Schutzes vor Strafverfolgung wegen im Besteuerungsverfahren bekannt gewordener allgemeiner Straftaten dar. Dort wird bestimmt, dass eine Offenbarung zum Zwecke der Strafverfolgung von Verbrechen und vorsätzlichen schweren Vergehen gegen Leib und Leben oder gegen den Staat oder seine Einrichtungen [a)] sowie von bestimmten schweren Wirtschaftsstraftaten [b)] uneingeschränkt möglich sein soll. Insofern wird die angestrebte oben erwähnte Belohnung des Steuerpflichtigen für die Bekanntgabe aller Einnahmequellen wieder aufgehoben. Wenn dadurch Straftaten verfolgt werden, deren Tatbestandsverwirklichung durch Datenerhebung unter Selbstbelastungszwang bekannt geworden sind, sind diese Regelungen im Hinblick auf das Nemo-tenetur-Prinzip als höchst bedenklich einzustufen504. Nr. 5c) lässt unter bestimmten Voraussetzungen die Offenbarung zum Zwecke der Richtigstellung in der Öffentlichkeit verbreiteter unwahrer Tatsachen zu, sofern diese geeignet sind, das Vertrauen in die Verwaltung erheblich zu erschüttern. Das Rechenmodell indes lässt sich über die Nrn. 5a), b) und c) nicht in der angestrebten Verfahrensbreite, also in der Anwendung bei allen zu verhängenden Geldstrafen, rechtfertigen. 504

So auch Sahan, Steuererklärungspflicht, S. 33 und 35.

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Neben diesen exemplarischen Fällen der Nrn. 5a) – c) wurde auch eine zulässige Offenbarung über die Generalklausel des zwingenden öffentlichen Interesses in verschiedenen Fällen angenommen505. Es wäre anzudenken, ob nicht die opfergleiche und verfahrensökonomische Durchführung der Strafanpassung bei der Geldstrafenverhängung ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne der Generalklausel des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO darstellen könnte. Dies könnte man damit begründen, dass die Effektivität der Strafverfolgung und das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung in die Strafverfolgung durch verfahrensökonomische und opfergleiche Strafanpassung entscheidend gestärkt würde. Da ohne die Auswertung steuerlicher Daten wie aufgezeigt solch eine opfergleiche Strafanpassung in der Praxis gescheitert ist und wohl auch aus verfahrensökonomischen Gründen scheitern musste, ist die Offenbarung nötig, um eine opfergleiche Strafanpassung und damit eine opfergleiche Strafverfolgung zumindest in Teilbereichen aufrecht zu erhalten. Fraglich wäre, ob dies den Anforderungen an ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinne der Vorschrift genügen könnte. Angenommen wurde ein solches Interesse bisher auch für die Offenbarungsbefugnis im Rahmen der Gewerbeuntersagung gemäß § 35 GewO sowie zur Strafverfolgung wegen Verletzung des § 355 StGB. Bei diesen Fällen wurde stets wie auch vom Bundesverfassungsgericht für die Offenbarungsbefugnis des § 30 Abs. 4 Nr. 5c) AO gefordert506 eine Güterabwägung zwischen den auch durch das Steuergeheimnis geschützten grundrechtlichen Verbürgungen und dem durch die Offenbarung zu schützendem Rechtsgut unter maßgeblicher Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommen. Generelle Offenbarungsbefugnisse werden unter Berufung auf das zwingende öffentliche Interesse nicht gewährt; die Offenbarung ist immer nur in zwingenden Ausnahmefällen möglich. Dies ergibt sich daraus, dass das zwingende öffentliche Interesse als Generalklausel nicht zu einer Aushöhlung des Steuergeheimnisses führen soll und zum anderen für seine Annahme stets die Gefahr eines schweren Nachteils für das allgemeine Wohl gegeben sein muss507. So werden zwar Offenbarungen an das Gewerbeamt zur Durchführung des Gewerbeversagungsverfahrens gemäß § 35 GewO nicht konsequent ausgeschlossen; die Befugnis steht dem Finanzamt jedoch bei jedem konkreten Einzelfall nur dann zu, wenn der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in diesem konkreten Einzelfall gewahrt wurde. Dabei werden insbesondere Interessen der (präventiven) Gefahrenabwehr in die Waagschale geworfen508. Eine Übersicht dazu findet sich bei Klein / Rüsken, § 30 Rn. 191 ff. So BVerfGE 67, 100 (143), das die verfassungskonforme Auslegung des § 30 Abs. 4 Nr. 5c) AO behandelt, und den parlamentarischen Untersuchungsausschuss unter diese Normalternative fasst. Ohne sich dabei jedoch festzulegen, ob die anderen Offenbarungstatbestände, also auch die Generalklausel auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränkende Norm erfüllen (S. 144 der Entscheidung). 507 Zu den allgemeinen Anforderungen an das zwingende öffentliche Interesse siehe Pahlke / König / Intemann, § 30 Rn. 228. 505 506

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Im hier entwickelten Verfahrensentwurf zur Bemessung der Tagessatzhöhe wäre zum einen eine generelle Offenbarungsbefugnis ohne Abwägung im konkreten Einzelfall vonnöten. Die Befugnis soll schließlich für alle Fälle der Geldstrafenverhängung und nicht nur für zwingende Ausnahmen gelten. Ohne diese Generalität erscheint die angestrebte Opfergleichheit nicht erreichbar. Neben diesem Argument ist zu beachten, dass die Anwendung von § 40 Abs. 2 StGB nicht präventive Gefahrenabwehr, sondern Repression darstellt und damit auch inhaltlich keine Parallele zur Offenbarungsbefugnis im Rahmen des Gewerbeuntersagungsverfahrens gezogen werden kann. Eine Rechtfertigung der Vorgehensweise nach dem Rechenmodell über § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO wäre damit nicht möglich. Sofern das in Rede stehende Verfahren aufgrund eines automatisierten Abrufs von Daten gegen § 30 Abs. 1 Nr. 3 AO verstoßen würde, ergäbe sich eine mögliche Rechtfertigung aus dem sechsten Absatz der Vorschrift. Dabei korrespondieren die Rechtfertigungsgründe des Absatzes 6 mit denen des Absatzes 4, ohne sie jedoch wörtlich zu übernehmen. § 30 Abs. 6 Satz 1 AO entspricht inhaltlich der Rechtfertigung aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO, er dient der Rechtfertigung des Abrufs von Daten zur Durchführung der Verfahren in Steuersachen. Die zweite Alternative des § 30 Abs. 6 Satz 1 AO verweist mit der „zulässigen Weitergabe“ von Daten als Rechtfertigungsgrund für den Abruf auf das befugte Offenbaren im Rahmen der Rechtfertigungsgründe des § 30 Abs. 4 AO. Zum Abruf berechtigte Amtsträger im Sinne von § 30 Abs. 6 Satz 1 AO sind jedoch nur die Teilnehmer der in § 30 Abs. 2 Nr. 1a) und b) AO genannten Verfahren, also die Teilnehmer des Besteuerungsverfahrens. Andere Amtsträger als solche sind nicht zum selbständigen Datenabruf ermächtigt. Sie sind es indes auch dann nicht, wenn die Voraussetzungen für ein gerechtfertigtes Offenbaren an sie (nicht durch sie) gemäß § 30 Abs. 4 AO gegeben sind509. Zusätzlich dazu muss für eine Rechtfertigung innerhalb des automatisierten Datenabrufs eine den Anforderungen des § 30 Abs. 6 Satz 2 – 4 AO genügende Vorschrift zur Abrufermächtigung normiert sein. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass § 30 Abs. 6 AO den internen Umgang mit gespeicherten Daten im Rahmen des Besteuerungsprozesses (im weiten Sinn) und zu Offenbarungszwecken regelt, jedoch nicht Ermächtigungsnorm sein kann für den externen Zugriff auf die bei der Finanzbehörde gespeicherten Daten, sei es auch im Rahmen eines an sich zulässigen Offenbarens nach Abs. 4 Nr. 2 – 5. Damit kann § 30 Abs. 6 AO in keinem Fall einen direkten automatisierten Abruf von bei der Finanzbehörde umfänglich gespeicherten Datenbeständen durch die Strafverfolgungsbehörde als Akteur zum Zwecke der Tagessatzhöhenfestlegung rechtfertigen. Daraus ergibt sich, dass eine Rechtfertigung nach § 30 Abs. 6 AO nur für ein vorgelagertes automatisiertes Abrufen durch die Finanzbehörde selbst in Frage kommt. Ob ein Übermitteln der durch solch ein internes Abrufen ermöglichten und angelegten Datei von der Fi508 So das Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofes zur Offenbarungsbefugnis gegenüber Gewerbebehörden zum Zwecke der Gewerbeuntersagung, BFHE 149, 387. 509 Zu dieser Einschränkung, die sich nicht nur aus dem Wortlaut sondern auch aus der Entstehungsgeschichte ergibt, siehe Sahan, Steuererklärungspflicht, S. 36 f. m. w. N.

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nanzbehörde an die Strafverfolgungsbehörde zulässig ist, kann sich nicht über § 30 Abs. 6 AO beurteilen, sondern ist eine Frage des zulässigen oder nichtzulässigen Offenbarens. Eine Rechtfertigung im hier zu prüfenden Fall über § 30 Abs. 6 AO ist damit nur für den vorgelagerten Abruf der erforderlichen Informationen durch die Finanzbehörde selbst möglich. Aufgrund der Komplexität der Datenstruktur des Rechenmodells erscheint ein solcher vorgelagerter automatisierter Abruf jedoch für beide möglichen Varianten der Umsetzung, also für die nichtautomatisierte Übermittlung aber auch für die automatisierte Übermittlung durch die Finanzbehörde, durchaus sinnvoll und zur Wahrung von Verfahrensökonomie auch nötig. Eine Rechtfertigung für solch einen den Varianten vorgelagerten Abruf scheidet jedoch aufgrund der oben beschriebenen engen Anknüpfung der Rechtfertigungstatbestände an die des Absatzes 4 im vorliegenden Fall aufgrund der oben dargelegten Gründe ebenso aus wie ein zulässiges Offenbaren zur Umsetzung des Rechenmodells. Da ein zulässiges Offenbaren zur Zeit nicht gegeben wäre, fehlt auch einem automatisiertem Abruf die Rechtsgrundlage. Sollte ein Offenbarungstatbestand im Sinne des § 30 Abs. 4 AO geschaffen werden, so wäre jedoch auch ein automatisiertes Abrufen im Vorfeld beider Varianten zulässig, sofern zusätzlich die Voraussetzungen nach § 30 Abs. 6 Satz 2 – 4 AO geschaffen würden. Dieses Gesetz müsste den dort genannten Anforderungen für eine Abrufermächtigung genügen. Das Steuergeheimnis als einfachgesetzliche Regelung genießt damit durch § 30 AO keinen lückenlosen Schutz. Das Steuergeheimnis dient zumindest fragmentarisch dem Datenschutz in Steuersachen, dem Nemo-tenetur-Prinzip und dem öffentlichen Interesse an einer umfassenden und gleichmäßigen Besteuerung. Der in der Arbeit vorgelegte Lösungsansatz zur relativ verfahrensökonomischen und relativ opfergleichen Ermittlung der Tagessatzhöhe unter Heranziehung von Besteuerungsdaten im Rahmen eines Rechenmodells verstößt gegen das in § 30 AO normierte Steuergeheimnis. Die einzige Möglichkeit einer Legitimation in Bezug auf das Steuergeheimnis muss im Erlass von den Anforderungen des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, für den automatisierten Abruf im Vorfeld i.V. m. § 30 Abs. 6 Satz 2 – 4 AO, entsprechenden Gesetzen gesehen werden.

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung Obgleich das Steuergeheimnis kein Grundrecht mit eigenem Regelungsgehalt darstellt, ist bei seiner Öffnung durch Erlass eines Gesetzes, aufgrund dessen die Offenbarung zulässig wäre, zweierlei zu fragen: Zum einen, ob die Regelung dem Zweck des Steuergeheimnisses, eine umfassende Besteuerung zu gewährleisten, in unzulässiger Weise entgegenliefe. Zum anderen, und hier liegt der Schwerpunkt, ob damit der Schutz der (verfassungsmäßigen) Rechte des Betroffenen in unzumutbarer Weise verletzt wäre. Bei einem Gesetz, welches die routinemäßige Verwer-

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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tung von steuerlichen Daten im Rahmen der Bestimmung der Tagessatzhöhe einfachgesetzlich erlaubte, stünden sowohl eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als auch des Nemo-tenetur-Prinzips im Raum.

1. Das Nemo-tenetur-Prinzip Das Nemo-tenetur-Prinzip soll den Delinquenten wie bereits erörtert grundsätzlich vor einer Selbstbelastung durch Zwang schützen. Bei einer gesetzlichen Öffnung des Steuergeheimnisses könnte durch das dem Besteuerungsverfahren in Form von Mitwirkungspflichten innewohnende Zwangselement der Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips betroffen sein. Die Problemstellung in Bezug auf das Nemo-tenetur-Prinzip im Rahmen dieser Arbeit ist folgende: Der von der Strafverfolgung Betroffene hat unter dem (abstrakten) Zwang von steuerlichen Mitwirkungspflichten seine für die Einkommensteuerbemessung relevanten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber der Finanzbehörde offen gelegt. Die Finanzbehörde hat die Informationen verarbeitet, zueinander in Beziehung gesetzt und würde nun einen Zwischenwert dieser Berechnungen sowie eventuell andere persönliche Angaben an die jeweilige Strafverfolgungsbehörde liefern. Die Strafverfolgungsbehörde würde diese Angaben benutzen, um die Strafanpassung im Rahmen der Geldstrafe, in Form der Berechnung der Tagessatzhöhe vorzunehmen. Diese Strafanpassung folgt wie bereits ausgeführt der eigentlichen Strafzumessung, namentlich der Festlegung der Tagessatzanzahl unter uneingeschränkter Berücksichtigung des § 46 StGB, zeitlich nach. Eine Verwertung der vom Finanzamt übergebenen Daten würde also systematisch nach der gedanklichen Festlegung des an Schuld und Unrecht angepassten Strafzeitquantums in Form der Tagessatzanzahl stattfinden. Das Stadium, in dem die Auskünfte verwertet werden sollen, diente lediglich der Anpassung der Strafe an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zum Zwecke der Herstellung von Opfergleichheit im Sinne von § 40 Abs. 2 StGB. Dieses Stadium hat nach dem hier gefundenen Ergebnis frei von jeglichem Schuld- und Unrechtsvorwurf zu sein, da die strikte Trennung von schuld- und unrechtsangemessener Tagessatzanzahlbestimmung nach § 46 StGB und des Weiteren von strafanpassender Tagessatzhöhenbestimmung das Grundprinzip der Tagessatzgeldstrafe ist510. Bedingt durch diesen Problemaufriss ist vor allem zu klären, inwiefern der Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips in dieser späten Phase der Strafanpassung noch eröffnet ist. Die Beantwortung dieser Frage ist maßgeblich von der Schutzbereichsbestimmung des Nemo-tenetur-Prinzips abhängig, die heiß umstritten ist. Immer neue Lösungsansätze zur dogmatischen Bestimmung eines Schutzbereiches und die Vielzahl der Fälle, in denen das Nemo-tenetur-Prinzip betroffen sein 510

Ausführlich zur Notwendigkeit der strikten Trennung siehe oben A.II.1

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könnte, machen die Erfassung eines aktuellen Diskussionstandes bisweilen schwierig511. Dabei ist der Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips besonders in seinen Randbereichen umstritten. Nach der eher traditionellen Schutzbereichsbestimmung wird das Nemo-tenetur-Prinzip danach umgrenzt, ob eine Zwangsmaßnahme ein aktives Tun des Betroffenen zur Selbstbelastung erfordern würde, dann sei der Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips eröffnet. Die passive Duldung von Zwangsmaßnahmen sei auch unter Einwirkung von absoluter Gewalt nicht unter den Schutzbereich des Prinzips zu zählen512. Umstritten, nicht nur innerhalb der diesen Ansatz vertretenen Autoren, ist dabei die verfassungsrechtliche Herleitung des Prinzips. Während die einen es vor allem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ableiten513, sehen die anderen seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG514. Das Bundesverfassungsgericht scheint irgendwo dazwischen zu liegen, wenn es das Nemo-tenetur-Prinzip als „selbstverständlichen Ausdruck einer rechtsstaatlichen Grundhaltung bezeichnet, die auf dem Leitgedanken der Achtung vor der Menschenwürde beruht“515. Ungeachtet dieses Streitpunktes ist eines jedoch allen gemein: Um eine Schutzbereichseröffnung bejahen zu können, bedürfen alle Meinungen stets der Gefahr einer Strafverfolgung durch zwangsweise Offenbarung (von Teilbereichen) eines strafrechtlich relevanten Sachverhaltes. Dies beinhaltet einheitlich zweierlei: Zum einen den kausalen Zusammenhang zwischen Offenbarung und nachfolgender Strafverfolgung: so spricht Geppert vom Schaffen von „Voraussetzungen“ für ein Strafverfahren516. Rogall umfasst vom Schutz des Nemo-tenetur-Prinzips nur „inkriminierende Sachverhalte“517, das Wesenselement der Selbstbelastungsfreiheit sei unproblematisch stets der Schutz vor der Gefahr einer Strafverfolgung gewesen518. Schneider spricht von dem „sich selbst schützenden Straftäter nach Begehung einer Vortat“ als potenziellen Anspruchsinhaber des Nemo-tenetur-Prinzips519. Kühl sieht den „Zwang 511 Eine sehr ausführliche Übersicht zum Streitstand findet sich bei Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 21 ff. Weniger ausführliche, jedoch dennoch übersichtliche Darstellungen des Streitstandes findet sich bei Schneider, Grund, S. 37 ff. sowie Bosch, Aspekte, S. 28 ff. 512 So LK-Geppert, 11. Aufl., § 142 Rn. 64, Rogall, Beschuldigte, S. 158 und SK-StPO / Rogall, Vor § 133 Rn. 141 m. w. N. 513 So LK-Geppert, 11. Aufl., § 142 Rn. 64, ders., BA 1992, 294, der jedoch auch Anklänge in der Menschenwürde sieht, und Schneider, Grund, S. 38 ff. Eine Übersicht der diese Herleitung vertretenen Autoren findet sich auch bei Bosch, Aspekte, S. 28 in Fn. 18. 514 So Rogall, Beschuldigte, S. 148 und SK-StPO / Rogall, Vor § 133 Rn. 132 m. w. N. Nachweise für Vertreter dieser Meinung finden sich auch bei Bosch, Aspekte, S. 28 Rn. 19 mit Erläuterungen der einzelnen Abstufungen in diesem Bereich. 515 So wörtlich BVerfGE 56, 37 (43). Das Prinzip als rechtsstaatlichen Grundgedanken nennt auch schon BVerfGE 38, 105 (113). 516 Geppert, BA 1992, 294 und ders. JURA 1995, 441. 517 Rogall, Beschuldigte, S. 164. 518 SK-StPO / Rogall, Vor § 133 Rn. 147. 519 Schneider, Grund, S. 50.

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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zur aktiven Förderung des Strafverfahrens durch Einlassung zur Sache, die ein Beitrag zu seiner Überführung und Verurteilung sein kann“ vom Nemo-teneturPrinzip umfasst520. In dieser Aussage Kühls kommt dann bereits der zweite einheitlich enthaltene Aspekt zum Ausdruck, nämlich dass zusätzlich Finalität zwischen der Zwangsausübung und der Selbstüberführung bzw. Informationserlangung bestehen muss. So spricht auch Rogall von der „Abwehr finaler Zwangsmaßnahmen“ als Inhalt des Nemo-tenetur-Prinzips521 und Schneider von dem Verbot, das Aussageverhalten des Beschuldigten „durch Zwang zu beeinflussen“522. Diese beiden Kriterien der Kausalität und Finalität werden zumeist nicht gesondert problematisiert, sie schwingen als selbstverständlich vorausgesetzte Grundkriterien in den Abhandlungen mit523. Im Hinblick auf die Umsetzung des Rechenmodells ist zunächst festzustellen, dass die steuerlichen Angaben des Delinquenten als aktives Tun im Sinne dieses Ansatzes zu werten sind. Auch erfolgen sie mit der Finanzbehörde gegenüber einer staatlichen Stelle, also mit staatlichem Zwang. Fraglich ist für die Schutzbereichseröffnung allein die Unzulässigkeit des Zwangs. Die zu übermittelnden Daten würden als Voraussetzung nicht kausal eine Strafverfolgung auslösen. Die in Gang gesetzte Strafverfolgung wurde durch einen anderweitig bekannt gewordenen Straftatsachverhalt ausgelöst. Zudem würde der Zwang zur Angabe der Daten nicht final im Hinblick auf eine mögliche Strafverfolgung erfolgen. Damit wären bei der Umsetzung des Rechenmodells weder die angesprochene Kausalität zwischen Offenbarung und nachfolgender Strafverfolgung gegeben, noch fände sich die notwendige Finalität zwischen der Zwangsausübung und der Selbstüberführung bzw. der Informationserlangung zur strafrechtlichen Verwertung. Der ausgeübte Zwang wäre im Sinne des traditionellen Ansatzes als zulässig und der Schutzbereich als nicht eröffnet zu betrachten. Selbst die weite Auffassung Rogalls vom Schutzbereich des Nemo-teneturPrinzips, nach der die Aussagefreiheit als wichtigste Ausprägung des Verbotes des Selbstbelastungszwangs auch für strafzumessungsrelevante Umstände gelte524, brächte – wohlbemerkt bei Außerachtlassung der soeben angeführten Ausschlusskriterien – keine Schutzbereichseröffnung mit sich. Die finanzbehördlichen Daten sollen schließlich in der Strafanpassung und nicht bei der Strafzumessung im Rahmen der Tagessatzanzahl verwertet werden. Eine Verwertung für die Tagessatzhöhenbestimmung bliebe jedoch nach dem traditionellen Ansatz und zwar auch in der besonders weiten Auffassung Rogalls zulässig. Kühl, JuS 1986, 117. SK-StPO / Rogall, Vor § 133 Rn. 139. 522 Schneider, Grund, S. 29. 523 Zu dieser Einschätzung gelangt auch Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S. 15 f. 524 SK-StPO / Rogall, Vor § 133 Rn. 68 m. w. N., so explizit auch Aselmann, Selbstbelastungsfreiheit, S. 159 f. 520 521

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Neben diesem traditionellen Ansatz der Abgrenzung nach Aktivität und Passivität finden sich in jüngerer Zeit auch neuere Ansätze zur Festlegung des Schutzbereiches des Nemo-tenetur-Prinzips. So versucht Bosch eine prozesszielorientierte Schutzbereichsbestimmung über die Funktion des Prinzips, die sich nicht auf die Abwehr bestimmter Zwangsmaßnahmen beschränke, sondern auch den Schutz der allgemeinen Entschließungsfreiheit des Beschuldigten zur Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Teilnahme am Prozess umfasse525. Da der hier zu prüfende Sachverhalt den Beschuldigten während des Strafprozesses nicht in eine Zwangslage in Bezug auf seine Entschließungsfähigkeit bringt, ist auch nach dem von Bosch vertretenen Ansatz eine Schutzbereichseröffnung nicht anzunehmen. Dies ergibt sich daraus, dass der Betroffene zum Zeitpunkt des Strafverfahrens nicht darüber entscheiden muss, ob er Informationen preisgibt. Diese befinden sich bereits bei der Finanzbehörde. Verrel nimmt explizit keine Herleitungsversuche aus der Verfassung zur Konturierung des Nemo-tenetur-Prinzips vor. Er begründet dies mit der Feststellung, dass eine verfassungsrechtliche Herleitung nicht dazu beitrage, den differenzierten, an Fallgestaltungen orientierten Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips genauer zu konkretisieren. Vielmehr führe die verfassungsrechtliche Auslegung zu einem zu weiten Verständnis vom Nemo-tenetur-Prinzip und mache es bisweilen zu einem nicht gewünschten und auch nicht nötigen universellen Abwehrrecht gegen Strafverfolgung526. Verrel versucht anhand von Fallgestaltungen den Schutzbereichsumfang zu bestimmen; er beruft sich bei dieser Vorgehensweise auf das Bundesverfassungsgericht, das ebenfalls eine genaue Festlegung der verfassungsrechtlichen Herleitung ablehne. Zudem bestehe das Bedürfnis nach solch einer Herleitung nicht, da das Nemo-tenetur-Prinzip in seiner praktischen Anwendung konkretisiert werden könne527. Für den Bereich der Strafzumessungsebene stellt er fest, dass dort zumeist die Frage diskutiert werde, wie sich Aussage- oder Nachtatverhalten (z. B. Schweigen oder Teilschweigen im Prozess) auf den Schuldspruch im Rahmen der Strafzumessung auszuwirken habe. Außerhalb der Strafzumessung im engeren Sinne gäbe es jedoch einen Fall, der viel unmittelbarer mit dem Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips in Verbindung zu bringen sei als die vorgenannte Konstellation. Bei diesem Fall ginge es auch um die Frage, inwiefern der Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips eröffnet sei, wenn aufgrund des Untersuchungsergebnisses einer im Rahmen von Bewährungsauflagen abzugebenden Urinprobe eine Strafverfolgung eingeleitet würde. Verrel führt dazu aus, dass das Zwangselement der Anordnung, eine Urinprobe abzugeben, nicht dem „tenetur-Element“ des Nemo-tenetur-Prinzips entspreche, da es bei der Anordnung noch in der Hand des Betroffenen liege, künftige Drogenstraftaten zu begehen. Zudem erfolge die Anordnung nicht in der Intention, Selbstbelastungen herbeizu525 526 527

Bosch, Aspekte, S. 107 sowie S. 121 ff. Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S. 1 ff. Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S. 8 ff.

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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führen528. Verrel fordert damit explizit Finalität zwischen Zwang und Selbstbelastung und führt an späterer Stelle als Ergebnis zur Schutzbereichsbestimmung aus, dass das „tenetur-Element“ traditionell zu bestimmen sei529, wobei die traditionelle Bestimmung für das Element des (mittelbaren oder unmittelbaren) Zwangs stets die (indirekte oder direkte) Sanktionierung eines nicht mitwirkungsbereiten Beschuldigten beinhalte530. Im Einklang mit der Weisung zur Abgabe von Urinproben haben auch die steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht die Intention einer Selbstbelastung, hier in Bezug auf die nicht im Zusammenhang mit Einkunftserzielung stehende begangene, nun zu verfolgende Straftat inne, für deren Geldstrafenhöhenanpassung die steuerlichen Informationen genutzt werden würden. Dies ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die in Frage stehenden Mitwirkungspflichten weiter vom Strafverfolgungsgeschehen entfernt sind als die Bewährungsauflagen, die aus einer Strafverfolgung resultieren. Es kann damit angenommen werden, dass auch Verrel den vorliegenden Fall nicht innerhalb seines erklärtermaßen restriktiven Schutzbereichs des Nemo-tenetur-Prinzips erblicken würde, da im vorliegenden Fall die geforderte Finalität fehlt531. Kölbel negiert einen eigenen Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips ebenso wie die Qualifikation als Prinzip. Es sei falsch, aus einer Reihe von Rechtsnormen, die zudem in Zeiten unterschiedlicher politischer Prägung ergangen seien, einen einheitlichen Schutzbereich eines Nemo-tenetur-Prinzips zu entwerfen, um diesen, wie die herrschende Meinung vorgehe, dann an die Grundrechte anzuheften532. Vielmehr gebe es verschiedene Grundrechte, die Selbstbelastungsfreiheiten garantierten. Hinter dem Nemo-tenetur-Prinzip stehe deshalb ein grundrechtlicher Gewährleistungstatbestand, der sich aus Schutzbereichsabschnitten verschiedener Grundrechte zusammensetze533. Dieser grundrechtliche Gewährleistungstatbestand werde gebildet aus Teilbereichen der Schutzbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG, der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 528 Zu der Fallgestaltung der Weisung zur Angabe von Urinproben und deren rechtliche Einordnung in den Schutzbereich des Nemo-tenetur-Prinzips siehe Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S. 59 ff. 529 Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S. 278. 530 Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S. 15 f. 531 Dem spricht auch nicht entgegen, dass Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S. 63 in Bezug auf den Urinprobenfall nicht ausschließen will, dass eventuell dennoch ein aus dem Nemo-tenetur-Prinzip folgendes Beweisverwertungsverbot gegeben sein könnte. Denn diese Bemerkung ist der Tatsache geschuldet, dass Verrel sich an dieser Stelle seiner Untersuchung noch nicht auf den genauen Inhalt seines Schutzbereiches insbesondere in Bezug auf das accusareElement und seine Beziehung zum tenetur-Element festlegen will. 532 Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 491 533 Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 313, eine Übersicht dieser Grundrechte findet sich auf S. 304.

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D. Rechtliche Bedenken

Abs. 1 GG534. Deshalb müsse bei staatlichen Eingriffen gefragt werden, ob das jeweilige „Nemo-tenetur-Grundrecht“ in seinem Schutzbereich betroffen sei und ob sich der Eingriff rechtfertigen lasse535. Die Normenstruktur gebiete ein Ausgehen von den Grundrechten. Nemo tenetur könne als Vokabel eine Untersumme von Selbstbezichtigungsfreiheiten umschreiben, „dank derer der Grundrechtsträger sein eigenes strafrechtsrelevantes Tatwissen vor der staatlich veranlassten Preisgabe bewahren könne“536. Für die Bewertung des Rechenmodells bedeutet diese Analyse die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Schutzbereich des Grundrechts der informationellen Selbstbestimmung. Sofern die Umsetzung des Rechenmodells einen ungerechtfertigten Eingriff in diesen Schutzbereich darstellen würde, wäre nach Kölbel auch der Nemo-tenetur-Satz begrifflich betroffen; dies hätte jedoch inhaltlich keine weiterreichende Bedeutung als der Verstoß gegen das jeweilige die Selbstbelastungsfreiheit garantierende Grundrecht. Unabhängig davon stellt Kölbel für den Oberbegriff des Nemo-tenetur-Satzes begrifflich auf „strafrechtsrelevantes Tatwissen“ ab. Auch er geht damit von einer Offenbarung von Straftatsachverhalten als notwendige Eingriffshandlung aus. Dies intendiert, dass wohl auch dieser Autor die Umsetzung des Rechenmodells nicht als potentiellen Verstoß gegen die grundrechtlich garantierten Selbstbelastungsfreiheiten werten würde, die sich seiner Meinung nach begrifflich unter dem Nemo-tenetur-Satz sammeln lassen. Die Werke, die sich mit dem Nemo-tenetur-Prinzip speziell im Hinblick auf das Besteuerungsverfahren bzw. das Steuergeheimnis beschäftigen537, untersuchen nicht die oben beschriebene Konstellation. Sie stellen stets die Frage, inwieweit es mit dem Nemo-tenetur-Prinzip vereinbar ist, die unter Zwang im Besteuerungsverfahren erlangten Erkenntnisse über begangene Straftaten, speziell über die Offenbarungsbefugnis des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten und dort zu verwerten. In dieser Konstellation ist die hier zu klärende Fragestellung nicht betroffen, da die von den Untersuchungen betroffenen Daten durchweg eine andere Datenqualität in Bezug auf die strafrechtliche Selbstbelastung aufweisen. Dies ergibt sich daraus, dass im vorliegenden Fall eine wirtschaftliche Größe als Basiswert für die 534 Eine tabellarische Übersicht der Teilbereiche der Schutzbereiche findet sich bei Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 304, eine verbale Übersicht auf S. 313. 535 Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 313 f. 536 Kölbel, Selbstbelastungsfreiheiten, S. 491 f. 537 Zweifelsohne haben nicht alle nachfolgend genannten Untersuchungen einen identischen Untersuchungsgegenstand. Dennoch geht es in Abstufungen stets auch um eben dargelegte Fallkonstellation der Verwertung von strafrechtsrelevanten Daten im Strafverfahren, die im Besteuerungsverfahren zutage traten. Folgende Werke finden sich zu diesem Themenkomplex: Reiß, Besteuerungsverfahren, Besson, Steuergeheimnis, Rüster, Steuerpflichtige und Ruegenberg, Steuergeheimnis; nur in einem kurzen Exkurs behandelt Eilers, Steuergeheimnis, S. 49 ff. diese Problematik sowie Rogall, Beschuldigte, S. 170 ff. zur alten steuerrechtlichen Rechtslage, die jedoch der heutigen in Grundzügen vergleichbar ist.

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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Tagessatzhöhe übermittelt werden soll, während bei den Fällen, die unter den Wortlaut der Offenbarungsbefugnis des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO fallen, Daten an die Strafverfolgungsorgane weitergeleitet werden, die einen eigenen strafrechtlich relevanten Sachverhalt z. B. in Form von konkreten Handlungen zum Inhalt haben. Einzig Reiß538 stellt darüber hinaus allgemein zum Nemo-tenetur-Prinzip im Verhältnis zu staatlich normierten erzwingbaren Mitwirkungspflichten fest, dass der Schutzbereich des Selbstbelastungsverbotes stets dann betroffen sei, wenn diese Pflichten der Preisgabe von Wissen und zur Herbeischaffung und Schaffung von Beweismaterial gegenüber staatlichen Stellen dienten und durch sie der Betroffene sich der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde. Weder sein Wissen um die Tat selbst noch um die Beweismittel, die den Nachweis von Täterschaft und Schuld ermöglichen können würden, dürften ihm gegen seinen Willen entrissen werden539. Dies beruhe auf dem Gedanken, dass das Nemo-tenetur-Prinzip vor Eingriffen in die Wissenssphäre des Betroffenen schütze und zwar unabhängig davon, ob durch Erzwingung von aktivem Tun oder passiver Duldung540. Reiß grenzt sich mit dieser grundsätzlichen Definition des Schutzbereiches des Nemo-tenetur-Prinzips von der traditionellen Differenzierung nach unzulässigem Zwang bei aktivem Tun oder zulässigem Zwang bei passiver Duldung von Maßnahmen ab. Er stellt auf den Betroffenen als Wissensträger ab und sieht den Schutzbereich des Nemo-teneturPrinzips nur dann als eröffnet an, wenn der Betroffene als Wissensträger unter Zwang in Form von vis compulsiva gesetzt wird541. Eine notwendige Voraussetzung (von mehreren) für den Verstoß gegen das Nemo-tenetur-Prinzip ist damit nach Reiß explizit die Kausalität der Mitwirkungspflichten für die nachfolgende Strafverfolgung. Diese Kausalität wäre im vorliegenden Fall wie bereits erörtert nicht gegeben, weil die Gefahr der Strafverfolgung nicht durch die Preisgabe von Wissen gegenüber den Finanzbehörden geschaffen würde, sondern durch eine anderweitig entdeckte und verfolgte Straftat. Damit ist nach der Definition von Reiß nicht von einer Schutzbereichseröffnung des Nemo-tenetur-Prinzips durch die Umsetzung des Rechenmodells auszugehen. Eisenberg542 führt zur Aussagefreiheit des Angeklagten und damit zu einem aus dem Nemo-tenetur-Prinzip resultierenden Beweisverwertungsverbot aus, dass Äußerungen des Beschuldigten außerhalb des (Straf-)Verfahrens auch dann verwertbar seien, sofern sie prozessual ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt würden, wenn er im (Straf-)Verfahren zur Sache schweige und nicht zustimme. Dies gelte z. B. auch für die Verwertung eines Unfallberichts des Beschul538 539 540 541 542

Reiß, Besteuerungsverfahren. Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 222 und 178. Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 173 ff. Vgl. Reiß, Besteuerungsverfahren S. 173 ff., insb. S. 178. Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 835.

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D. Rechtliche Bedenken

digten an seine Haftpflichtversicherung543. Ein Beweisverbot müsste hingegen bei mit staatlichen Sanktionen bewehrter Verpflichtung zur Aussage angenommen werden544. Diese Feststellungen beziehen sich im Wesentlichen auf die drei Fallvarianten der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die Verwertung von Angaben betreffen, welche der Angeklagte gegenüber anderen Stellen als dem urteilenden Strafgericht getätigt hat: Das Bundesverfassungsgericht hat im sog. „Gemeinschuldner-Beschluss“545 festgestellt, dass Angaben, die der konkursrechtliche Gemeinschuldner im Rahmen des Konkursverfahrens zwingend zu machen habe, die ihn möglicherweise strafrechtlich belasten könnten, einem Beweisverwertungsverbot im nachfolgenden Strafverfahren unterlägen. Gemäß des früheren § 100 KO546 traf den konkursrechtlichen Gemeinschuldner die mit staatlichen Zwangsmitteln der Vorführung oder Beugehaft sanktionierte Pflicht, dem Konkursverwalter und dem Gläubigerausschuss um Belange der Gläubiger willen bestimmte Auskünfte zu erteilen. Bei Nachkommen dieser Pflicht bestand die Gefahr, an diesen Angaben in einem möglichen späteren Strafverfahren festgehalten zu werden, obgleich der Schuldner im nachfolgenden Strafprozess wegen des Nemo-tenetur-Prinzips nicht gezwungen werden konnte, sich durch Aussagen selbst zu belasten. Diesen Interessenkonflikt hat das Bundesverfassungsgericht dahingehend gelöst, dass es im Hinblick auf § 100 KO ein strafprozessuales Beweisverwertungsverbot für diese Angaben annahm. Heute löst § 97 Abs. 1 InsO547 diesen Konflikt explizit durch ein vom Gesetzgeber normiertes Verwendungsverbot. Insofern ist im heute geltenden Insolvenzrecht sichergestellt, dass unter staatlichem Zwang erfolgte Angaben des Insolvenzschuldners nicht die Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit herbeiführen dürfen, sofern der Schuldner einer Verwendung im Strafverfahren nicht zustimmt. Dies ist Ausfluss 543 Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 835 mit Verweis auf BVerfG, StV 1995, 562 und KG, NStZ 1995, 146. 544 Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 835 mit Verweis auf BVerfGE 56, 37 den konkursrechtlichen Gemeinschuldner und BGHSt 37, 342 den Zwangsvollstreckungsschuldner betreffend. 545 BVerfGE 56, 37 ff. 546 Wortlaut des früheren § 100 KO: „Der Gemeinschuldner ist verpflichtet, dem Verwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben.“. Seit 01. 01. 1999 gilt die InsO, hier insbesondere § 97 InsO. 547 In § 97 Abs. 1 InsO heißt es: „(1) Der Schuldner ist verpflichtet, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss und auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben. Er hat auch Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Jedoch darf eine Auskunft, die der Schuldner gemäß seiner Verpflichtung nach Satz 1 erteilt, in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gegen den Schuldner oder einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen des Schuldners nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden.“.

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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des Nemo-tenetur-Prinzips und gleichzeitig Reaktion auf den „GemeinschuldnerBeschluss“. Auf diesen gestützt hat der Bundesgerichtshof für Aussagen des Schuldners im Zwangsvollstreckungsverfahren, zu denen dieser gemäß § 807 BGB verpflichtet ist, ein vergleichbares Verwertungsverbot in einem nachfolgenden Strafverfahren angenommen548. Bei der Verwertung von Angaben gegenüber dem Kfz-Haftpflichtversicherer in einem Strafverfahren wegen Unfallflucht549 ist das Bundesverfassungsgericht550 diesen Weg eines Beweisverwertungsverbots nicht gegangen. Angaben, zu denen der Versicherungsnehmer gemäß der Versicherungsbedingungen gegenüber seiner Haftpflichtversicherung verpflichtet ist, könnten in vollem Umfang, z. B. durch Vernehmung des jeweiligen Sachbearbeiters aber auch durch Verlesung des Unfallberichts in die Hauptverhandlung eines Strafverfahrens, dass genau den Unfall als Sachverhalt betreffe, eingeführt und damit verwertet werden. Begründet wird dies damit, dass die Nichtangabe der Wahrheit gegenüber dem Haftpflichtversicherer nur eine Verletzung freiwillig eingegangener Verpflichtungen im Rahmen des Versicherungsvertrages sei. Dem jeweiligen Versicherungsnehmer – im Beschluss handelte es sich um eine Versicherungsnehmerin – drohten keine Zwangsmassnahmen, er setze lediglich seinen Versicherungsschutz auf Spiel. Die Verfassung garantiere nicht, dass ein Tatverdächtiger sich einerseits der Gefahr der Bestrafung entziehen, andererseits aber auch private Rechte voll durchsetzen könne. Auch Geppert sah diese Konstellation im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht als vom Nemo-tenetur-Prinzip erfasst an. Er begründete dies mit dem Fehlen einer dem „Gemeinschuldner-Beschluss“ ähnlichen Zwangslage und damit mit dem im Vergleich fehlenden schützenswertem Drittinteresse, da der Zwang in dieser Konstellation nicht durch staatliche Organe ausgeübt werde551. Fraglich ist, ob sich die Konstellationen, die diesen höchstrichterlichen Entscheidungen zugrunde liegen, mit der hier zu untersuchende Konstellation gleichsetzen lassen. Die Umsetzung des Rechenmodells lässt sich insofern mit der Verwertung des Unfallberichts vergleichen, als dass dem Strafverfahren vorgelagerte Angaben des später Angeklagten gegenüber einer anderen Stelle als der Strafverfolgungsbehörde im Strafverfahren verwertet werden sollen. Es fehlt im Gegensatz zum „Gemeinschuldner-Beschluss“ und zu der Entscheidung den Zwangsvollstreckungsschuldner betreffend sowohl bei der Verwertung von Unfallangaben als auch bei der Umsetzung des Rechenmodells an schützenswerten Drittinteressen. In beiden der letztgenannten Fälle ist einzig derjenige betroffen, der die Angaben gemacht hat. Die Angaben im Unfallbericht betreffen im Gegensatz zur Verwertung BGHSt 37, 340 (342 f.). Zur rechtlichen Bewertung dieser Konstellation, die auch durch das Berliner Kammergericht, VRS 88 (1995), 280, entschieden wurde, siehe auch Geppert, JURA 1995, 439 ff. 550 BverfG, StV 1995, 562. 551 Geppert, JURA 1995, 441 f. 548 549

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D. Rechtliche Bedenken

von Daten des Besteuerungsprozesses sogar direkt die Tatfrage; dies hat eine wesentlich größere Eingriffsqualität als das erarbeitete Verfahren zur Festsetzung der Tagessatzhöhe, die nur Strafanpassung ist. Auf diesen Punkt reduziert, schiene eine Verwertung der Daten des Besteuerungsprozesses im Zuge eines Erstrecht-Schlusses zulässig zu sein. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Angaben im Besteuerungsprozess im Gegensatz zu denen im Rahmen der Abwicklung eines Haftpflichtschadensfalles unter staatlichem Zwang erfolgen. Die angedachte Verwertung von Besteuerungsdaten ähnelte damit in diesem Punkt auch den geschilderten Fällen des „Gemeinschuldner-Beschlusses“ und des Urteils des Bundesgerichtshofes in Bezug auf den Zwangsvollstreckungsschuldner sowie der Konstellation des § 97 InsO. In allen diesen Konstellationen wurde ein Beweisverwertungsverbot aus dem Grunde angenommen, weil die wahrheitsgemäße Angabe gegenüber staatlichen Stellen unter Zwang strafbewehrt war. Würde man deshalb die Konstellation des „Gemeinschuldner-Beschlusses“ mit der zu untersuchenden Konstellation gleichstellen, so käme man zu einem Verstoß gegen das Nemo-tenetur-Prinzip. Dies hätte zur Folge, dass die Umsetzung des Rechenmodells unzulässig wäre. Da es jedoch auch in den Fällen staatlichen Zwangs, ebenso wie bei der Verwertung des Unfallberichts, um eine Belastung in Form der Offenbarung eines Straftatsachverhalts ging, kann von ihnen gerade nicht auf die Nichtverwertbarkeit der Besteuerungsdaten geschlossen werden. Dies ergibt sich aus dem anfangs erläuterten Umstand, dass die Besteuerungsdaten gerade nicht zur Aufklärung der Schuldund Unrechtsfrage oder zur Strafzumessung, sondern nur zur Strafanpassung herangezogen werden sollen. Da die zu übermittelnden Besteuerungsdaten gerade nicht in der Strafsache an sich belasten, denn es sollen keine Straftatsachverhalte, z. B. in Form von strafrechtlich relevanten Handlungen des Täters, übermittelt werden552, lässt sich keine der Konstellationen der höchstrichterlichen Entscheidungen auf die hier zu prüfende Fallkonstellation übertragen. Damit lässt sich in Bezug auf das Nemo-tenetur-Prinzip konstatieren, dass sich eine Schutzbereichsverletzung nicht ergibt, weil der Zwang zur Angabe der Daten zu Besteuerungs- und nicht zu Strafverfolgungszwecken stattfände, die übermittelten Daten für sich betrachtet keine Belastungsqualität im engeren Sinne aufwiesen, und die durch Zwang erlangten Daten nicht zur Feststellung der Schuld und des Unrechts sowie im Rahmen der Strafzumessung herangezogen würden. Mit dieser Feststellung sind „Belastungen“ des Angeklagten nicht generell ausgeschlossen. Zweifelsohne „belastet“ es den Angeklagten im umgangssprachlichen Sinn, wenn durch eine Finanzamtsauskunft festgestellt werden kann, dass sein Netto-Einkommen höher liegt als das nach seinen Angaben zu ermittelnde, und damit auch der Tagessatz im Vergleich höher bemessen wird als ohne eine entsprechende Übermittlung. Diese „Belastung“ erfolgt auch durch eine staatliche 552 So im Ergebnis auch Hellmann, GA 1997, 511 für die Verwertung von Steuerdaten, die auf einer vom Angeklagten abgenötigten Offenlegung von Einkommensverhältnissen durch überzogene Schätzung im Strafverfahren beruhen.

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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Strafsanktion, die Geldstrafe. Dennoch ist sie rein wirtschaftlicher Natur. Zusätzlich zu diesem ist zu bedenken, dass eine „Belastung“ durch die Einführung der Tagessatzgeldstrafe mit der Tagessatzhöhe als Anpassungsfaktor an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit intendiert war. Einzig die wirtschaftliche „Belastung“ kann der Schaffung von Opfergleichheit dienen. Diese „Belastung“ ist damit keine strafrechtliche. Der Strafcharakter oder der Strafschwerpunkt der Sanktion Geldstrafe ist in der Tagessatzanzahl anzusiedeln. Schlussendlich könnte es bei Schaffung einer den Übermittlungsmethoden angemessenen gesetzlichen Regelung auch nicht zum Konflikt mit den vom Steuergeheimnis geschützten Teilaspekten des Nemo-tenetur-Prinzips kommen, da diese über den Gesamtschutzbereich nicht hinausgehen können. Eine gesetzliche Regelung zur Öffnung des Steuergeheimnisses, mit dem Zweck das Rechenmodell umzusetzen, würde damit nicht gegen das Nemo-tenetur-Prinzip verstoßen und wäre insofern grundsätzlich zulässig. Bei solch einer gesetzlichen Öffnung des Steuergeheimnisses wäre im Hinblick auf das Nemo-tenetur-Prinzip inhaltlich zu beachten, dass eine entsprechende gesetzliche Beschränkung auf die Verwendung der übermittelten Daten ausschließlich zur Strafanpassung, also zur Tagessatzhöhenbestimmung normiert werden sollte. Eine Verwendung zur Klärung von Schuld-, Unrechts- und Strafzumessungsfragen innerhalb § 46 StGB wäre gesetzlich strikt auszuschließen. Dies wäre durch ein entsprechendes Verwertungsverbot der vom Finanzamt erlangten Informationen für die Beurteilung des Straftatbestandes und der Strafzumessung im Rahmen des § 46 StGB bis hin zur Festlegung der Tagessatzanzahl sicher zu stellen. Obgleich sich dieses Verwertungsverbot bereits direkt aus dem Nemo-teneturPrinzip ergibt, erschiene aus Klarstellungszwecken eine entsprechende Normierung sinnvoll, um weiten Interpretationen der gesetzlichen Öffnung des Steuergeheimnisses und damit Missbrauch entgegen zu wirken. Diesem Verwertungsverbot könnte indes nicht entgegengehalten werden, dass es unpraktikabel sei, dem Gericht bekannte Informationen zur Beurteilung bestimmter Einzelaspekte zu verweigern, weil genau solch ein Vorgehen vom Gericht auch in allen anderen Fällen eines Beweisverwertungsverbotes verlangt wird; ähnliches ist auch in § 49 Abs. 3 StGB mit dem Doppelverwertungsverbot normiert. Hinreichend sinnvoller Ort für die Normierung eines solchen Verwertungsverbotes wäre § 393 AO, welcher das Verhältnis von Besteuerungsverfahren und Strafverfahren auch im Hinblick auf das Nemo-tenetur-Prinzip einfachgesetzlich feststellt. In § 393 Abs. 2 AO heißt es: „(2) Soweit der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht in einem Strafverfahren aus den Steuerakten Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, dürfen diese Kenntnisse gegen ihn nicht für die Verfolgung einer Tat verwendet werden, die keine Steuerstraftat ist. Dies gilt nicht für Straftaten, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5) besteht.“

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D. Rechtliche Bedenken

Sofern man auf die Idee kommen könnte, dass unter „Verfolgung“ auch die Strafanpassung in Form der Tagessatzhöhenbestimmung zu subsumieren sei, mit der Folge, dass eine Übermittlung von Tatsachen und Beweisen nach § 393 AO zur Umsetzung des Rechenmodells einfachgesetzlich unzulässig wäre, ist dieser Vorschrift eine entsprechende Ausnahmeregelung zusammen mit oben angesprochenem Verwertungsverbot anzuhängen. Dies hätte nur klarstellende Wirkung. Der Schutz des § 393 Abs. 2 AO geht inhaltlich nicht weiter als der des Nemo-tenetur-Prinzips, dessen Inhalt er einfachgesetzlich spiegelt und dessen Schutz er zumindest teilweise bezweckt553. Sahan spricht für § 393 Abs. 2 AO vom Erfordernis des Hindeutens auf eine Nicht-Steuerstraftat durch die nicht zu übermittelnden Kenntnisse554. Bei der untersagten Übermittlung von Daten muss es sich also um solche handeln, die den Straftatvorwurf in Bezug auf den Straftatsachverhalt erhärten können. Diese Eigenschaft ist den zu übermittelnden Daten zur Umsetzung des Rechenmodells gerade nicht zu Eigen. Um jedoch Auslegungsschwierigkeiten und vermeintlichen Widersprüchen auf einfachgesetzlicher Ebene (zwischen dem zu erlassenen Gesetz und dem § 393 AO) zu entgehen, empfiehlt sich eine solche klarstellende Regelung.

2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Tröndle konstatiert ein Unbehagen, wenn man aufgrund von Vergehen im Straßenverkehr mit Offenbarung der Steuerdaten rechnen müsse. Strafprozess sei nicht Wahrheitsermittlung um jeden Preis. Ein solches Vorgehen entspreche der Gerechtigkeitsbetreuung im totalen Verwaltungsstaat, aber nicht einem freiheitlichen Rechtsstaat. Die Veröffentlichung der steuerlichen Akten sei als einschneidender Eingriff in die Privatsphäre des Beschuldigten zu werten555. Die Argumentation Tröndles gegen eine Öffnung des Steuergeheimnisses beinhaltet damit eine mögliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG. Seit BVerfGE 67, 100 (101) steht fest, dass die Daten, die vom Schutz des Steuergeheimnisses umfasst sind, auch den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts genießen, und zwar in der Ausprägung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Ob eine Offenbarung oder ein Abruf der Steuerdaten in dem Maße, wie sie die Umsetzung des Rechenmodells erfordern würde, auf Grundlage eines entsprechenden Gesetzes der Gerechtigkeitsbetreuung im freiheitlichen Rechtsstaat genügen würde, muss auch am Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gemessen 553 Zur Auslegung der Vorschrift insbesondere im Hinblick auf das Steuergeheimnis und das Nemo-tenetur-Prinzip siehe ausführlich Sahan, Steuererklärungspflicht, S. 62 ff. m. w. N. 554 Sahan, Steuererklärungspflicht, S. 62. 555 LK-Tröndle, 10. Aufl., § 40 Rn. 67.

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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werden. Inhalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist, dass jedermann sicher sein soll, in welchem Umfang und zu welchem Zweck seine Daten verwertet werden. Eilers stellt zum Verhältnis von Steuerdaten zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung fest, dass eine Weitergabe von Steuerinformationen in andere Verfahren außerhalb des Besteuerungsverfahrens stets in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Steuerpflichtigen eingreife. Jede Weitergabe müsse damit auf einem gesetzlichen Weitergabetatbestand beruhen, der dem Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit genügen müsse. Der Steuerpflichtige müsse den Umfang möglicher Weitergaben aus der einfachgesetzlichen Norm erschließen können556. Danach wäre die Einschränkung des von der Verfassung schrankenlos gewährten Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung bereits gerechtfertigt, wenn der Eingriff aufgrund eines formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetzes erfolgte. Das Bundesverfassungsgericht stellt zusätzlich fest, dass eine Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nur im überwiegenden Allgemeininteresse möglich und bei einer entsprechenden einschränkenden Regelung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren sei557. Wie bereits festgestellt, könnte einzig die Öffnung des Steuergeheimnisses durch Gesetz über § 30 Abs. 4 Nr. 2 ggf. i.V. m. Abs. 6 Satz 2 – 4 AO das Rechenmodell legitimieren. Dieses Gesetz unterläge im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowohl formellen als auch materiellen Anforderungen. Den formellen und eher technischen Anforderungen der Bestimmtheit und Normenklarheit wäre bei einer entsprechend klaren Formulierung des zu schaffenden Gesetzes genüge getan. Dabei wäre eine Beschreibung des entsprechenden Datentransferverfahrens je nach verwaltungsmäßiger Ausgestaltung vorzunehmen. Aus dieser Beschreibung müsste hervorgehen, in welcher Weise Daten, die im Besteuerungsprozess gewonnen wurden, zur Strafanpassung an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürften. Zusätzlich müsste dieses Gesetz ordnungsgemäß im Sinne von formeller Verfassungsmäßigkeit erlassen werden. Die materiellen und damit eher inhaltlichen Voraussetzungen für solch ein Gesetz sind besonders zu prüfen. Bei diesen inhaltlichen Voraussetzungen handelt es sich zum einen um die Frage, ob solch ein Gesetz im überwiegenden Allgemeininteresse im Sinne einer zulässigen Schranke des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung liegen würde. Zudem bedarf es einer Überprüfung, ob der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verhältnismäßig im Sinne einer Beschränkung der Schranke in Bezug auf die Zweckerreichung einer relativ opfergleichen und verfahrensökonomischen Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe wäre. 556 557

Eilers, Steuergeheimnis, S. 26. BVerfGE 65, 1 (44).

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D. Rechtliche Bedenken

Die Umsetzung des konzipierten Rechenmodells würde der relativ opfergleichen und verfahrensökonomischen Strafanpassung im Bereich der Geldstrafe dienen. Bei tatsächlicher Anpassung der Geldstrafenhöhe an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des zu Geldstrafe Verurteilten im Gegensatz zur heute herrschenden Praxis würde die Akzeptanz der Geldstrafe als Sanktion in der Bevölkerung steigen. Zudem würde sowohl die general- als auch die spezialpräventive Wirkung der Geldstrafe gestärkt. Insgesamt lässt sich feststellen, dass mit dem hier vorgeschlagenen Verfahren die Effektivität der Strafverfolgung auf das nahezu höchste Maß im Bereich der Geldstrafenhöhenbestimmung gesteigert würde, bei gleichzeitig relativ gerechter, weil im Vergleich opfergleicher Geldstrafenhöhe558. Die Effektivität oder Wirksamkeit der Strafverfolgung lässt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ableiten559 und entspricht damit einem überwiegenden Allgemeininteresse als Schranke des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung. Bleibt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit als Beschränkung dieser Schranke. Der Eingriff in die Rechte des Betroffenen durch die Möglichkeit der Offenbarung von Steuerdaten aufgrund eines Gesetzes müsste auch verhältnismäßig sein. Verhältnismäßig wäre er dann, wenn der Eingriff, der aufgrund des zu erlassenen Gesetzes vorgenommen werden könnte, geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne wäre. Wie bereits ausführlich beschrieben ist die Übermittlung der Daten geeignet, die Strafanpassung im Rahmen der Geldstrafe relativ opfergleich und verfahrensökonomisch zu gestalten. Zwar gibt es durchaus Lösungsansätze, die die Opfergleichheit auf absolute Weise durchsetzen wollen, jedoch gehen diese Lösungsansätze stets zu Lasten der Verfahrensökonomie und damit der Effektivität der Strafverfolgung. Dies folgt daraus, dass sich die Geldstrafe opfergleich ohne Steuerdatennutzung nur extrem verfahrensunökonomisch verwirklichen lässt und sich Verfahrensökonomie in der Praxis ohne Steuerdatennutzung wie praktiziert zu Lasten der Opfergleichheit durchsetzt. Damit ist einzig die Finanzamtsauskunft imstande diesen Konflikt zwischen Verfahrensökonomie und Opfergleichheit gleichmäßig zu lösen. Sie ist im Hinblick auf die Durchsetzung der Effektivität der Strafverfolgung das einzige und damit das mildeste Mittel. Bleibt die Frage nach der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. An dieser Stelle wird die Angemessenheit des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen geprüft. Die widerstreitenden grundrechtlichen Interessen sind dabei gegeneinander abzuwägen. Im Widerstreit stünde hier das Bedürfnis des von Strafverfolgung Betroffenen auf Geheimhaltung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Daten, die er gegenüber dem Finanzamt im Besteuerungsprozess gemacht hat und die nun zur Strafanpassung im Rahmen der Geldstrafenhöhenbemessung als Teilgrundlage herangezogen würden, gegenüber dem Strafanspruch des Staates und dem InteSiehe dazu auch oben B.III.2. Siehe dazu BVerfGE 106, 28 (49) in ständiger Rechtsprechung m. w. N. sowie AK-GG / Frankenberg, Art. 20 Abs. 1 – 3 IV Rn. 52. 558 559

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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resse an einer effektiven Strafverfolgung. Wie bereits festgestellt, stünde eine Verletzung des (verfassungsrechtlich abgesicherten) Nemo-tenetur-Prinzips nicht im Raum, so dass einzig das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen wäre. Das Bundesverfassungsgericht misst dem Erfordernis einer wirksamen Rechtspflege im Hinblick auf das Grundgesetz, dort insbesondere im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip, eine große Bedeutung zu. Daraus folgt bei der Abwägung von allgemeinem Persönlichkeitsrecht gegen die Bedürfnisse einer wirksamen Strafrechtspflege und Verbrechensbekämpfung und gegen das Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafprozess bei der Beurteilung der Beweisverwertungsmöglichkeiten von im Rahmen von Telefonüberwachungsmaßnahmen gewonnen Erkenntnissen die Möglichkeit der Gleich- oder Höherwertigkeit des Interesses an einer wirksamen Strafrechtspflege. Dabei soll insbesondere bei der Aufklärung schwerer Straftaten vorgenanntes Interesse den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht als verhältnismäßig im engeren Sinne rechtfertigen können560. Vergleicht man diese Konstellation mit der in Frage stehenden, so lässt sich zweierlei feststellen: Zunächst ist bei der Umsetzung des Rechenmodells nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht als umfangreiches Handlungsfreiheitsrecht in seinem Kern betroffen, sondern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil dieses Rechts. Die zu übermitteltenden Daten betreffen nicht den innersten Bereich der Intimsphäre, sondern nur Daten, die aufgrund ihres Bezuges zum Wirtschaftsleben des Betroffenen regelmäßig zumindest in Teile der Öffentlichkeit gelangen. Nahezu alle Daten könnten auch an anderer Stelle ermittelt werden, so z. B. bei dem entsprechenden Arbeitsbetrieb des Betroffenen, bei Sozialversicherungsträgern oder den Meldeämtern. Die Finanzbehörde sammelt diese Informationen größtenteils nur und setzt sie zueinander in Beziehung. Gerade dieser Umstand macht die bei der Finanzbehörde abzufragenden Daten so interessant im Hinblick auf die Effektivität der Strafverfolgung. Zum anderen lässt sich im Vergleich feststellen, dass durch das Rechenmodell nicht explizit die Verfolgung schwerwiegender Straftaten gefördert werden soll. Vielmehr ist das Gros der Anwendungsfälle in der leichten bis mittleren Kriminalität anzusiedeln. Fraglich ist. ob dennoch unter Berufung auf die vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Entscheidungen das Rechenmodell als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als verhältnismäßig im engeren Sinne im Hinblick auf die Gewährleistung einer effektiven Strafrechtspflege anzusehen wäre. Obgleich Zweck des Eingriffs nicht die Aufrechterhaltung der wirksamen Strafrechtspflege im Hinblick auf schwerwiegende Straftaten wäre, ließe sich dies für die Strafverfolgung leichter bis mittlerer Straftaten aus der geringeren Eingriffsintensität in das von der Maßnahme betroffene Teilgrundrecht im Vergleich mit den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen rechtfertigen. Die geringere Eingriffsintensität ergäbe sich aus der oben beschriebenen teilöffentlichen Datenqualität. 560

Vgl. dazu BVerfGE 106, 28 (49 f.) m. w. N.

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D. Rechtliche Bedenken

Der Zweck der Verwertung im hier zu überprüfenden Fall nimmt damit einen höheren Rang innerhalb der Verfassung ein als das zu schützende Grundrecht und es wäre im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als angemessen anzusehen, wenn das Steuergeheimnis gesetzlich geöffnet würde561. Die der hier gefundenen Auffassung gegenläufige findet sich in der amtlichen Begründung zur Nichteinführung des § 161 Abs. 2 StPO, dessen Inhalt wie ausgeführt eine Öffnung des Steuergeheimnisses zu Geldstrafenbemessungszwecken gewesen wäre562. Dort wird pauschal angenommen, dass der Schutz des Steuergeheimnisses mehr wiege als der Strafanspruch des Staates. Da diese Auffassung jedoch auf 1971 also vor die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtgrundrechtsqualität des Steuergeheimnisses und zum Umfang des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung datiert, kann sie nicht mehr als vertretbar gelten. Damit ist abschließend festgestellt, dass keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch eine Öffnung des Steuergeheimnisses zur Durchführung des Rechenmodells zu befürchten wäre. Auch im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre jedoch die bereits in Bezug auf das Nemo-tenetur-Prinzip erörterte Normierung eines Beweisverwertungsverbotes gesetzgeberisch sinnvoll. In der praktischen Umsetzung müssten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auch die aus ihm resultierenden Datenschutzgesichtspunkte Berücksichtigung finden. Zur Umsetzung eines größtmöglichen (datenschutzrechtlichen) Schutzes des von Übermittlung Betroffenen müsste in der praktischen Umsetzung sichergestellt sein, dass die übermittelten Daten den verlängerten Schutz des § 39 BDSG bei der jeweiligen Strafverfolgungsbehörde genießen könnten. Kämen die übermittelten Daten im Detail (nicht als übermittelte Summe) in der Hauptverhandlung, also öffentlich zur Sprache, so müsste und könnte die Öffentlichkeit zum Schutze vor Kenntniserlangung Dritter gemäß § 172 GVG ausgeschlossen werden. Die der Öffentlichkeit zugängige Angabe der Tagessatzhöhe beträfe den Verurteilten nicht in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da in dieser Tagessatzsumme nicht die einzelnen Faktoren der Tagessatzhöhenberechnung identifiziert werden könnten. Dass im Ergebnis an der Tagessatzhöhe nunmehr die tatsächliche strafrechtliche Leistungsfähigkeit des Verurteilten abgelesen werden könnte, würde den Betroffenen ebenfalls nicht in seinen Rechten verletzen, da § 40 StGB insoweit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bereits zum heutigen Zeitpunkt rechtmäßig einschränkt.

561 Dieses Ergebnis einer Höherrangigkeit der wirksamen Strafrechtspflege hat in der Tendenz, jedoch nicht generell auch der Gesetzgeber im BDSG so gesehen. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BDSG ist die Übermittlung von Adressdaten in Einzelfällen für die Zwecke der Strafverfolgung und Vollstreckung zulässig. 562 Vgl. BT-Drs. 7 / 550, S. 476.

III. Die Öffnung des Steuergeheimnisses und die Verfassung

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3. Das Besteuerungsinteresse Bei einer Öffnung des Steuergeheimnisses durch Gesetz mit dem Inhalt, die bei der Finanzbehörde erhobenen Daten an die Strafverfolgungsorgane übermitteln zu müssen, um diesen eine Strafanpassung im Rahmen der Tagessatzhöhenbestimmung zu ermöglichen, wird befürchtet, dass der einfache Bürger in Zukunft aus Furcht vor solch einer Übermittlung seine Steuererklärung zuungunsten des Staates mit falschen Inhalten füllen könnte563. Träte dieser Fall massenhaft ein, so wären tatsächlich Einnahmeeinbußen des Staates zu befürchten und der Steuerehrliche würde verhältnismäßig mehr Steuern zahlen als der im Hinblick auf die Öffnung des Steuergeheimnis Steuern Hinterziehende, womit die Gleichmäßigkeit der Besteuerung betroffen wäre. Die Aufrechterhaltung der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Besteuerung ist einer der Schutzzwecke des einfachgesetzlichen Steuergeheimnisses. Das öffentliche Interesse an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung folgt aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz sowie dem Rechtsstaatsprinzip564. Das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung kann ebenfalls aus Art. 20 GG als Teil des Rechtsstaatsprinzips hergeleitet werden565. Fraglich wäre, wie diese beiden grundrechtlich hergeleiteten Interessen, so man rechtspolitisch dazu gewillt wäre, eine solche Vorschrift zur Öffnung des Steuergeheimnisses durchzusetzen, miteinander in Einklang zu bringen wären, sofern man eine Gefährdung des Interesses gleichmäßiger Besteuerung konstatieren wollte. Genau solch eine Feststellung erscheint jedoch höchst fraglich. Die Betroffenen der Geldstrafensanktion sind zu einem großen Anteil „Verkehrssünder“ sowie wegen einfachen Diebstahls oder Betrugs Verurteilte566. Die Taten, die sie begehen und deretwegen sie mit Geldstrafe belegt werden, wurden von ihnen wohl in den meisten Fällen nicht von langer Hand geplant. Es ist nicht in großem Umfang zu erwarten, dass sie gerade und ausschließlich im Hinblick auf die Begehung dieser Taten auch ihre Steuererklärung unrichtig erklären würden. Insofern wäre das Gesetz zur Durchführung des Rechenmodells und Öffnung des Steuergeheimnisses lediglich geeignet, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung reflexartig und in kleinstem Umfang zu gefährden. Insbesondere bei den Quellensteuern bestehen nur geringe Manipulationsmöglichkeiten des zu Geldstrafe zu Verurteilenden; woraus auch nur ein geringes Steuerausfallpotential im Hinblick auf die zu schaffende gesetzliche Regelung zu konstatieren wäre. Die größere Gefahr für das Interesse an einer gleichmäßigen Besteue563 So schon BT-Drs. 7 / 550, S. 476 als Ablehnungsgrund gegen eine Öffnung des Steuergeheimnisses in § 161 Abs. 2 StPO. 564 BVerfGE 67, 100, (140). 565 Siehe dazu BVerfGE 106, 28 (49) in ständiger Rechtsprechung m. w. N. sowie AK-GG / Frankenberg, Art. 20 Abs. 1 – 3 IV Rn. 52. 566 2005 entfielen auf insgesamt 545 971 Geldstrafen 159 778 Fälle wegen Straftaten im Verkehr, 75 512 Fälle wegen einfachen Diebstahls und 123 398 Fälle wegen Betrugs oder Untreue (§§ 263 – 266 b StGB); so Statistisches Bundesamt 2005, Fachserie 10, Reihe 3, S. 84.

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D. Rechtliche Bedenken

rung geht von der teilweise unzureichenden Steuermoral der Bevölkerung aus, die den einen oder anderen dazu bewegt, und zwar im Hinblick auf steuerliche Vergünstigungen, unwahre Angaben gegenüber der Finanzbehörde zu machen. Dieses Problem ist ein der auf Mitwirkungspflichten gestützten Besteuerung systemimmanentes Problem, das sich durch eine Öffnung des Steuergeheimnisses zur Durchführung des Rechenmodells nicht deutlich verschärfen würde. Das Interesse an einer gesetz- und gleichmäßigen Besteuerung ist damit wenn überhaupt nur in seinen Randbereichen und dies auch nur im Reflex der Steuer hinterziehenden Steuerbürger durch das zu schaffende Gesetz betroffen. Das Interesse der Effektivität der Strafverfolgung wird hingegen in einem seiner Kernbereiche gefördert, nämlich bei der verfahrensökonomischen Verhängung opfergleicher Tagessatzgeldstrafen. Ein solcher Kernbereich ist neben der Stellung der Geldstrafe im StGB als eine von zwei Hauptsanktionen auch in ihrem großen zahlenmäßigen Anteil an den insgesamt verhängten Strafen zu erblicken. Auch im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Besteuerung wäre das zu schaffende Gesetz zur Durchsetzung des Rechenmodells damit geeignet und erforderlich, insbesondere aber im Hinblick auf die nur minimale Schutzbereichstangierung auch als verhältnismäßig im engeren Sinne anzusehen. Bei falschen Angaben gegenüber dem Finanzamt mit dem Ziel, Steuern zu verkürzen, könnten sich dennoch im Hinblick auf die angestrebte gesetzliche Regelung zwei Problemkreise ergeben. Der erste betrifft das Verfahren des Rechenmodells direkt in seiner Umsetzung. Wenn Steuern verkürzt werden, sei es im Hinblick auf eine zu erwartende Geldstrafe, sei es im Hinblick auf die Steuerersparnis direkt, so entsprächen die vom Finanzamt übermittelten Daten an die Strafverfolgungsbehörden nicht der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen. Dem kann nicht entgegengewirkt werden. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass die bisher praktizierte Methode der Schätzung und der ungeprüften Hinnahme von Angaben des Betroffenen, die explizit im Hinblick auf eine mögliche Strafanpassung der Geldstrafe gemacht werden, zu Ergebnissen führt, die näher an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen liegen, als die hier vorgeschlagene Nutzbarmachung von finanzbehördlichen Daten. Dies ergibt sich auch aus dem Zwang zur Wahrheit, der durch die steuerlichen Mitwirkungspflichten entsteht. Die Gefahr von Abweichungen in der Tagessatzhöhe durch Steuerverkürzungen sind im Ergebnis im Namen der Verfahrenökonomie hinzunehmen. Der zweite Problemkreis betrifft das fiskalische (nicht das verfassungsrechtliche) Interesse an Steuereinnahmen. Diese könnten wie dargestellt geringer ausfallen als ohne eine entsprechende Regelung. An dieser Stelle muss jedoch das Überwiegen des Interesses an einer effektiven Strafverfolgung und -vollstreckung deutlich festgestellt werden. Die Strafverfolgung und -vollstreckung darf nicht einem Wirtschaftlichkeitsgebot im finanzpolitischen Sinne unterworfen werden. Im Ergebnis ist es damit auch eine steuerpolitische und nicht im besonderen Maße eine steueroder gar verfassungsrechtliche Frage, ob man eine eventuelle Steuereinnahmenschmälerung zugunsten einer effektiven Strafverfolgung hinnehmen will oder nicht.

IV. Zwischenergebnis

199

IV. Zwischenergebnis Einer Öffnung des Steuergeheimnisses zu Strafanpassungszwecken im Rahmen des entwickelten Rechenmodells stünden keine, insbesondere keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Somit könnte das Vorhaben einer schematischen Berechnung der Tagessatzhöhe im Rahmen einer relativ opfergleichen und verfahrensökonomischen Strafanpassung durch Öffnung des Steuergeheimnisses mittels Gesetz durchgeführt werden. Die genaue Ausgestaltung und Formulierung eines solchen Gesetzes hinge von dem jeweiligen Verwaltungsverfahren zur Übermittlung von der Finanzbehörde an die Strafverfolgungsbehörde sowie zum vorgelagerten automatisierten Abruf bei der Finanzbehörde ab. Die Öffnungsnorm müsste sowohl den Zweck als auch die Verwendungsmöglichkeiten der Daten nennen sowie den verlängerten Schutz nach § 39 BDSG bei den Strafverfolgungsbehörden sicherstellen. Das gewählte Verfahren wäre klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Des Weiteren wäre eine Verwendungsbeschränkung auf die Strafanpassung in Form der Tagessatzhöhe, bzw. ein Verwertungsverbot hinsichtlich Unrechts-, Schuld- und Strafzumessungsfragen bis hin zur Tagessatzanzahl zu normieren. Insoweit das Sozialgeheimnis durch Abfrage der Daten bei leistungsgewährenden Behörden betroffen wäre, müsste eine Aufhebung des Richtervorbehalts des § 73 Abs. 3 SGB X SGB zur Sicherstellung von Verfahrensökonomie durchgesetzt werden567.

567

Zum Schutz des Sozialgeheimnisses siehe oben B.II.2.

Ergebnis Ausgangspunkt der Arbeit waren die sich aufdrängenden Missstände im Zusammenhang mit der tatsächlichen Verhängung von Tagessatzgeldstrafen, insbesondere im Zusammenhang mit der Tagessatzhöhenbestimmung. Dadurch wurde eine Analyse der theoretischen Vorgaben an die praktische Umsetzung der Geldstrafe nötig, die zusammengefasst Folgendes ergab: Die Einführung der Tagessatzgeldstrafe ist stets auch in ihrer Ersatzfunktion für zu vermeidende kurze Freiheitsstrafen zu betrachten568. Die Trennung von Tagessatzanzahl und Tagessatzhöhe dient dabei der Herstellung von Opfergleichheit zwischen den einzelnen zu Geldstrafe Verurteilten, unterrangig auch zur Vergleichbarkeit von Freiheitsstrafe und Geldstrafe, da beide in Zeitquanten verhängt werden, welche über die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 43 StGB zudem ineinsgesetzt sind569. Die Festlegung des Zeitquantums Tagessatz in Form der Tagessatzanzahl hat unter Berücksichtigung aller strafzumessungsrechtlichen Aspekte des § 46 StGB zu erfolgen. Die Tagessatzhöhenbestimmung ist reine Strafanpassung, Überlegungen zu Strafempfindlichkeit und Strafempfänglichkeit verbieten sich in ihrem Bereich. Dies ist Opfergleichheit sicherndes Grundprinzip der Tagessatzgeldstrafe570. Das Nettoeinkommen ist (von Ausnahmefällen abgesehen) alleiniger Faktor der Tagesatzhöhenbestimmung und damit alleiniger Faktor zur Herstellung der angestrebten Opfergleichheit571. Die Bestimmung des Nettoeinkommens ist indes in Literatur und Rechtsprechung begrifflich an das Steuerrecht angelehnt bei ausdrücklicher Differenzierung von selbigen. Dies führt zu einem Begriffswirrwarr, das es aufzulösen galt. Die praktische Umsetzung der Tagessatzhöhenbestimmung wird rechtstheoretisch auch durch das Verhältnis der Schätzungsbefugnis des § 40 Abs. 3 StGB zu dem Amtsermittlungsgrundsatz aus § 244 Abs. 2 StPO terminiert. Innerhalb dieses Verhältnisses darf der Amtsermittlungsgrundsatz rechtsdogmatisch nicht durch die Schätzungsbefugnis eingeschränkt werden, so dass alle möglichen Bemessungsgrundlagen auch umfassend zu ermitteln sind. Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 244 Abs. 2 StPO wird jedoch in der theoretischen Diskussion in Bezug auf die Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhenbestimmung unzulässig und zwar hauptsächlich aus Gründen der Verfahrensökonomie beschnitten, wenn nicht gar 568 569 570 571

A.I.5. A.II.1. A.II.1. A.II.2.b).

Ergebnis

201

aufgehoben572. Dies geschieht wahrscheinlich, um die Praxis der Geldstrafenbemessung zu rechtfertigen. Insgesamt ist diese Praxis der Geldstrafenhöhenbemessung nämlich von der ungeprüften Übernahme der – potenziell falschen – Angaben des Delinquenten und der nichtfundierten Schätzung geprägt. Ermittlungen in Bezug auf die Faktoren, die das Nettoeinkommen bestimmen könnten und mit ihm die Tagessatzhöhe werden zumeist nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang durchgeführt. Dies ergab die Literaturauswertung zu diesem Thema573 sowie eine im Rahmen der Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung zur Praxis der Tagessatzhöhenbestimmung, die eine Befragung von Richtern und Staatsanwälten zum Inhalt hatte574. Diese Befragung ergab zudem eine relativ hohe Akzeptanz der Öffnung des Steuergeheimnisses zur Feststellung der Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe575. Die Unzulänglichkeiten der Ermittlungen der Praxis im Blick wurde ein Weg gesucht, um Verfahrensökonomie und Opfergleichheit bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Tagessatzhöhenbestimmung zum gleichberechtigten Ausgleich zu bringen576. Auf diesem Weg konnte festgestellt werden, dass die Rechenstufe „Summe der Einkünfte“ der Ermittlung der Einkommensteuer-Bemessungsgrundlage unter Modifizierungen in ein Rechenmodell zur schematischen Ermittlung eines strafrechtlichen Jahres-Bruttoeinkommens zur Erreichung von Verfahrensökonomie übernommen werden könnte577. Dieses Jahres-Bruttoeinkommen, welches die objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im strafrechtlichen Sinn präsentiert, könnte dann der subjektiven Leistungsfähigkeit in einem strafrechtlichen Jahres-Nettoeinkommen angepasst werden. Dies müsste durch Abzug der bereits jetzt anerkannten unausweichlichen Ausgaben und durch Anpassung an die familiäre Situation geschehen. Durch letzteres könnte eine negative Drittwirkung der Geldstrafe effektiv vermieden werden. Dieses strafrechtliche Jahres-Nettoeinkommen müsste dann schließlich auf einen Tag herunter gebrochen werden, womit man die Tagessatzhöhe eines Tagessatzes erhielte578. Damit wurde festgestellt, dass sich die Daten der Finanzbehörde materiell eignen, ein relativ opfergleiches Nettoeinkommen rechnerisch schematisch zu ermitteln. Der verfahrensökonomische Vorteil dieses Rechenmodell könnte sich jedoch nur bei Zulässigkeit der Übermittlung der betreffenden Daten der Finanzbehörde an die jeweilige Strafverfolgungsbehörde ergeben. Der Zulässigkeit stehen einfachgesetzliche sowohl datenschutzrechtliche Bedenken entgegen579 als auch das Steu572 573 574 575 576 577 578 579

B.I.3. B.I. B.II. B.II.3. B.III. C.I.1. C.I.2. D.I.

202

Ergebnis

ergeheimnis. Das Steuergeheimnis begründet für sich genommen keinen eigenständigen grundrechtlichen Schutz der zu übermittelnden Daten, da ihm selbst die Grundrechtsqualität fehlt580. De lege lata würde die Übermittlung aber in jedem Fall gegen das bestehende einfachgesetzliche Steuergeheimnis des § 30 AO verstoßen581. Es wurde daher überprüft, in welcher Weise eine Öffnung des Steuergeheimnisses über § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, als einzig möglichem Rechtfertigungsgrund, rechtlich zulässig wäre, um eine den Anforderungen des Rechenmodells genügende Übermittlung von Daten zu gewährleisten582. Im Rahmen dieser Prüfung ging es vor allem um die Feststellung der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Eine Schutzbereichstangierung des Nemo-tenetur-Prinzips konnte dabei nicht festgestellt werden, weil der Zwang zur Angabe der Daten zu Besteuerungs- und nicht final zu Strafverfolgungszwecken stattfände, die übermittelten Daten keine Belastungsqualität im engeren Sinne aufweisen würden, und die durch den nicht finalen Zwang erlangten Daten nicht zur Feststellung von Unrecht und Schuld oder zur Strafzumessung herangezogen würden. Bei solch einer gesetzlichen Öffnung des Steuergeheimnisses wäre im Hinblick auf das Nemo-tenetur-Prinzip inhaltlich zu beachten, dass eine entsprechende gesetzliche Beschränkung auf die Verwendung der übermittelten Daten ausschließlich zur Strafanpassung, also zur Tagessatzhöhenbestimmung normiert werden sollte, um Missbrauch zu vermeiden583. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wäre bei entsprechendem auf das Prozedere der Datenübermittlung abgestimmten Gesetzeserlass ebenso wenig gegeben wie eine Verletzung des verfassungsmäßigen Interesses an gleichmäßiger Besteuerung. Dabei wurde insbesondere die Effektivität der Strafverfolgung als Abwägungsinteresse in die Waagschale geworfen584. Es bleibt damit festzustellen, dass die Tagessatzgeldstrafenreform auch 30 Jahre nach ihrer Einführung als in der Praxis gescheitert angesehen werden muss. Nur bei einer gesetzlichen Öffnung des Steuergeheimnisses, die bereits in der Gesetzgebungsgeschichte der Tagessatzgeldstrafe geplant war, aber nicht umgesetzt wurde, bestünde die Hoffnung, der Misere in der Praxis der Geldstrafenbestimmung begegnen zu können. Für eine dann auch verfahrensökonomisch und zugleich opfergleiche Strafanpassung der Geldstrafe in ihrer Höhe eignet sich in besonderem Maß das entwickelte und auch den Drittschutz besonders beachtende schematische Rechenmodell585.

580 581 582 583 584 585

D.II.2. D.II.3. D.III. D.III.1. D.III.2. und D.III.3. C.II.

Anhang Umfrage zur Bemessung der Tagessatzhöhe im Rahmen der Tagessatzgeldstrafe

Vorneweg zur Information: Diese Umfrage wird im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit zur Bemessung der Tagessatzhöhe durchgeführt. Sie richtet sich sowohl an Richter eines Strafgerichtes, als auch an Staatsanwälte, sowie an solche Personen, die Kontakt mit der Bemessung der Tagessatzhöhe haben oder hatten. Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Prof. Dr. Klaus Geppert, Freie Universität Berlin, Lehrstuhl für Straf- und Verkehrsstrafrecht. Die Auswertung der Umfragebögen erfolgt selbstverständlich anonym. Ich möchte Sie herzlich bitten, mir 5 Minuten Ihrer Zeit zur Beantwortung der unten aufgeführten Fragen zu schenken. Bei der Beantwortung sind sowohl ihre praktischen Erfahrungen bei der Bemessung, als auch ihre persönliche Meinung gefragt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass aus auswertungstechnischen Gründen die Fragen im Auswahlverfahren (Multiple-Choise) gehalten sind. Ihre Antwort geben Sie bitte durch Anklicken des jeweiligen Kästchens. Wo es nötig war, wird die Gelegenheit zu einer eigenen Angabe in einem Textfeld gegeben. Bitte versuchen Sie bei der Beantwortung möglichst spontan und schnell zu antworten. Sollten Sie über die Fragen dieses Fragebogens hinausgehende Angaben oder Anregungen machen möchten, steht ihnen gerne nach der letzten Frage ein Textfeld zu freien Verfügung. Bitte senden Sie den ausgefüllten Fragebogen zurück an [email protected] Auf rege Teilnahme hoffend und mit vielem Dank im Voraus, mit freundlichem Gruß, Andrea Farivar Meemar (Wiss. Mit., FU Berlin) 1. In den Kommentaren und der Literatur werden die verschiedensten theoretischen Modelle zur Bestimmung der Tagessatzhöhe vertreten. Mich interessiert jedoch welche Faktoren in der Praxis tatsächlich und zwar fernab von jeglicher Theorie oder Dogmatik als Werte vorliegen und für die Bemessung auch herangezogen werden. anzurechnende Faktoren: Einkommen (aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit) . . . . . . Einkommen (aus den restlichen Einkunftsarten des EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehegatteneinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebenszuschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

selten & & & & & &

häufig & & & & & &

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anzurechnende Faktoren: erhaltener Unterhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindergeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erhaltende Sozialleistungen (als da wären Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Renten etc.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ersparte Aufwendungen bei Bewohnung eines Eigenheims . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ihre eigene Angabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

selten häufig & & & & & & &

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abzuziehende Faktoren: Aufwendungen für den täglichen Bedarf (als da wären Miete, Lebensmittel etc.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . & Schulden(abbau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . & Ihre eigene Angabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . &

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2. In der Praxis (und zwar in allen Stadien der Strafverfolgung) finden zumeist keine umfangreichen Ermittlungen in bezug auf die theoretischen Bemessungsgrundlagen der Tagessatzhöhe statt. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Einigermaßen glaubhafte Angaben des Beschuldigten / Angeklagten zu seiner wirtschaftlichen Situation werden zumeist ungeprüft übernommen. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Im Strafbefehlsverfahren ist de facto eine Herrschaft der Staatanwaltschaft über die Festlegung der Tagessatzhöhe zu konstatieren. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Aus verfahrensökonomischen Gründen kommt in allen Strafverfahrensarten der Schätzung gemäß § 40 Abs. 3 StGB bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe große Bedeutung zu. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Auch wären erhebliche Belastungen (auch grundrechtlicher Art) durch umfangreiche Ermittlungen beim jeweiligen Täters zu befürchten. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang

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7. Oftmals wird bei der Festlegung durch Schätzung nicht die Bemessungsgrundlage, sondern der Tagessatz an sich geschätzt. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Die Endsumme der Geldstrafe (Tagessatzanzahl multipliziert mit der -höhe) darf nicht außer acht gelassen werden. Bei unzumutbaren Belastungen durch die Endsumme kommt auch eine Korrektur der Tagessatzhöhe in Betracht. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in einem Großteil der Fälle der verhängte Tagessatz unter dem tatsächlichen täglichen Nettoeinkommen des Täters liegt. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10. Durch eine Öffnung des Steuergeheimnisses und der damit geschaffenen Möglichkeit eines regelmäßigen (elektronischen) Zugangs zu den Steuerdaten des Angeklagten, könnten die verfahrensökonomischen Schwierigkeit zumindest bei erwerbstätigen Personen entschärft werden. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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11. Zu befürworten wäre, wenn das strafrechtlich relevante Einkommen (zumindest bei erwerbstätigen Personen) formelhaft (und damit unkompliziert) aber abgestimmt auf die strafrechtlichen Wertungen aus diesen Daten errechenbar wäre, wie dies auch in anderen Bereichen geschieht, in denen auf das Einkommen als Indikator abgestellt wird. Ich stimme zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich stimme nicht zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zum Schluss noch kurz zur Einordnung: Sie sind tätig als Strafrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsanwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ihre eigene Angabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dies ist das Textfeld, das Ihnen für zusätzliche Angaben und Anregungen zu diesem Thema optional zur Verfügung steht.

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Sachregister Abflussprinzip 128 Abgabenordnung 138, 166 Abgeltungssteuer 129 allgemeines Persönlichkeitsrecht 161 Alternativentwurf (AE) siehe Entwurf zum Strafgesetzbuch Amtsaufklärungspflicht 71, 73 – 81, 86, 200 Angaben des Betroffenen 66, 71 – 72, 162 Arbeitslosenunterstützung 45, 136 außergewöhnliche Belastungen 138, 144 Bankgeheimnis 29, 140 Bemessungsgrundlage der Tagessatzhöhe 34, 70, 77, 86, 200 – Ermittlung 89 – Ermittlungsumfang in der Praxis 97 – 99 – Faktoren 90 – 97 – Schätzung 100 – 102 – verfahrensökonomische Ermittlung 162 Beruf 67, 72, 91, 93, 96 Besteuerungsinteresse 177, 197 Bestimmtheitsgebot 114 Betriebsgeheimnis 140 Betriebsvermögensvergleich 125 – 129 Beweiswürdigung 73 – 76 Bilanzierung 126 Bruttoeinkommen siehe Jahres-Bruttoeinkommen Buchführungspflicht – handelsrechtliche 139 – steuerliche 125 Bundesdatenschutzgesetz 161 Datenschutz 161 – 163, 171, 201 Datenschutzgesetze der Länder 162 Datenübermittlung 172 Deutscher Richterbund 89 Drittwirkung siehe Geldstrafe

Effektivität der Strafverfolgung 194 Ehegatten – aktuelle 151, 154 – 156 – geschieden 151, 152 – 154 Ehegatteneinkommen 91, 94 Eigenheim, selbst genutzt 46, 92 Einbußeprinzip 31 – 32, 44, 56, 58, 64, 116, 144, 147 Einkommen – aus Gewerbebetrieb 96 – aus Kapitalvermögen 96 – aus Land- und Forstwirtschaft 96 – aus nichtselbständiger Arbeit 94 – aus selbständiger Arbeit 94 – aus Vermietung und Verpachtung 96 Einkommensteuer 138 – Bemessungsgrundlage 118 Einkommensteuergesetz, preußisches 164 Einkommensteuerrecht 117 Einkommensteuerveranlagung, Prozess der 137 – 141 Einkünfte – aus Gewerbebetrieb 46, 122, 124 – aus Kapitalvermögen 122, 129 – aus Land- und Forstwirtschaft 46, 122, 124 – aus nichtselbständiger Arbeit 91, 122, 129 – aus selbständiger Arbeit 91, 122, 124 – aus Vermietung und Verpachtung 45, 122, 129 – sonstige 122, 129 – steuerbare 122, 124 – steuerfreie 123 Einkunftsarten, steuerbare 46, 122 ELSTER 141 Elternteile 150 – 151, 152 – 154 Entscheidungsfindung siehe Geldstrafe Entwurf zum Strafgesetzbuch – Alternativentwurf (AE) 26 – 31 – Gegenentwurf (GE) 27, 28, 31

Sachregister – von 1936 (E 1936) 24 – 25 – von 1962 (E 1962) 25 – 26 Erbschaft 47 Ermittlungsumfang siehe Bemessungsgrundlage der Tagessatzhöhe Ersatzfreiheitsstrafe 36, 41, 44, 71, 200 Ersatzfunktion siehe Geldstrafe Erwerbstätigkeit – nichtselbständige 45 – selbständige 45 Familien-Realsplitting 148 Familienschutz 119, 147 Finanzamtsdaten, routinemäßiger Zugriff 161 Freiberufler 125 Freiheitsstrafe – Entsozialisierung durch 19, 40 – Vergleichbarkeit mit Geldstrafe 39 – 42, 64, 200 Gegenentwurf (GE) siehe Entwurf zum Strafgesetzbuch Geldstrafe – Drittwirkung 119, 201 – Entscheidungsfindung 99 – 102 – Ersatzfunktion 35 – 36, 200 – Faktoren der Bemessung 90 – 97 – Phasen der Verhängung 39 – 43 – Praxis der Bemessung 66 – 73, 106 – 109 – Vergleichbarkeit mit Freiheitsstrafe 39 – 42, 64, 200 – Vergleichbarkeit untereinander 36, 39 – zahlenmäßige Bedeutung 65 Geldstrafengesetze – Geldstrafengesetz 1921 20 – 23 – Geldstrafengesetz 1923 23 – Geldstrafengesetz 1924 23 – 24 Geldstrafensumme 113 – Korrektur 102 – 104 Gemeinschuldner-Beschluss 188, 190 Gesamtbetrag der Einkünfte 144 Geschäftsgeheimnis 140 Gewerbetreibende 125 Gewinneinkünfte 124, 133 Gewinnermittlung 125 – 129 – nach Durchschnittssätzen 125, 127, 129 Gewinnermittlungsmethoden 125

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Gleichbehandlungsgrundsatz 114 GNOFÄ 1997 140 Große Strafrechtskommission 25 Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung 126 Gütergemeinschaft 52, 53, 155, 156 Halbeinkünfteverfahren 129 Hausfrauenproblematik 53, 68 Immobilienförderung 144 informationelle Selbstbestimmung siehe Recht auf informationelle Selbstbestimmung Jahres-Bruttoeinkommen, strafrechtliches 119 – 120, 133, 201 Jahres-Nettoeinkommen – strafrechtliches 119, 145 – 147, 158 – 159, 201 – verbleibendes unaufgeteiltes 154, 158 Kapitalertragsteuer 137 Kernfamilie 151, 152, 153, 154 Kinder, priviligierte 150, 157 Kindergeld 45, 68, 91, 93, 94, 97, 136, 150 Konsum 57, 58, 63, 144 Kooperationsmaxime 138, 139 Krankengelder 96 Ladendiebstahl 70 Land- und Forstwirte 125, 127 Laufzeitgeldstrafe 27, 28, 31 Lebenszuschnitt 31, 91, 95 Leistungsfähigkeit – strafrechtliche 117, 133 – wirtschaftliche 117 – 118 Lohnsteuer 137 – 138 Lottogewinn 47 Marburger-Programm 19 Markteinkommen 121 – 122, 148, 149 Mietwert 46 Miquelsche-Steuerreform 164 Mitunternehmerschaft 127, 129 Mitwirkungspflichten 138 – 142, 164, 166, 168, 171, 173, 175, 181, 185, 187, 198

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Sachregister

Nationalsozialismus 24 – 25 Naturalbezüge 46, 50 Nemo-tenetur-Prinzip 80 – 81, 85, 170 – 177, 180 – 192, 202 – Finalität 183 – Kausalität 182, 187 – neuere Ansätze zur Schutzbereichsbestimmung 184 – 186 – Schutzbereichseröffnung 182 – Steuergeheimnis 175 – traditionelle Schutzbereichsbestimmung 182 – 183 Nettoeinkommen 64, 97, 114, 158 – 159, 200 – 201 – als Faktor der Tagessatzhöhe 60 – 61, 89, 108 – Bestimmung / Berechnung 104 – 106 – Definition 112, 117 – in den strafrechtlichen Kommentaren 45 – 55, 72 – in verschiedenen wissenschaftllichen Arbeiten 55 – 58 – relativ opfergleiches 201 – schematische Berechnung 112 – strafrechtliches 118 – 119 Nettoeinkommensprinzip 34, 44, 89, 113 Nettoprinzip 33 – objektives 117, 119 – subjektives 117, 119, 144 Öffentlichkeitsgrundsatz 81 Opfergleichheit 36, 40 – 41, 57, 60 – 61, 63, 86 – 87, 116, 159, 200 – 201 Phasen der Geldstrafenverhängung siehe Geldstrafe Praktikabilität 60, 111, 118 Praxis der Bemessung siehe Geldstrafe Progressionsvorbehalt 136 Quelleneinkünfte 129 Quellentheorie 121, 129 Rechenmodell 117, 132, 158 – 159, 194, 202 – Steuergeheimnis 180 Rechenschema 115 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 161, 168, 196, 202

Rechtssicherheit 114 Rechtsstaatsprinzip 194, 197 Reichsabgabenordnung (RAO) 164 Reinvermögenstheorie 124, 129 Reinvermögenzugangstheorie 121 Renten 45, 136 Sanktionenrecht, Reform 37 – 39, 41, 159 Schätzung 68, 70 – 73, 87 – 88, 101, 113, 115, 137, 201 Schätzungsbefugnis 32, 34, 73 – 75, 78, 88 Schenkung 47 Schuld 40, 78, 103, 202 Schuldenabbau 92, 94, 95 Selbstbelastung 79 – 81 Sonderausgaben 144 – 145 Sorgeberechtigung, strafrechtliche 149 – 152 Sozialabgaben 146 Sozialgeheimnis 115, 199 Sozialhilfe 45, 136 Sozialleistungen 91, 94, 115 Sozialversicherungsbeiträge 47, 146 Sozialzwecknormen 111, 116, 118, 120, 122 – steuerliche 123, 128 Steuergeheimnis 29, 32, 34, 37, 85, 104 – 106, 109 – 112, 115, 140, 159, 163 – 199, 202 – Allgemeininteressen des Staates 168 – als Amtsgeheimnis 168 – 169 – als Grundrecht 169 – fiskalische Interessen 168 – Geschichte 164 – 168 – Nemo-tenetur-Prinzip 174 – 175 – Öffnung 180 – 181 – und das entwickelte Rechenmodell 180 – verfassungsrechtliche Einordnung 168 – 171 – Wortlaut des § 30 AO 166 Steuervergünstigungen 120 Strafanpassung 41 – 43, 54, 59, 61, 63, 76, 105, 113, 178, 181, 191 – 194, 197, 199, 200, 202 Strafanspruch des Staates 34, 150, 157, 194, 196 Strafaussetzung (bedingte) 25 Strafbefehlsverfahren 66, 75 – 77, 80, 81, 83, 87, 96, 98, 99, 101, 107

Sachregister Strafrechtsreformgesetz – 1. StrRG 30 – 2. StrRG 33 Straftheorien, spezialpräventiv 19 Strafzumessung 22, 63, 70, 103, 113, 181 – 184, 191, 202 – Aspekte der 40 – 41, 64 – durch Festlegung der Tagessatzanzahl 63 – Strafzumessungsphase 40 – strikte Trennung 43 Straßenverkehrsdelikte 69 Strengbeweisverfahren 82 – 83 Studienförderung 45, 136 Summe der Einkünfte 120 – 121, 201 – Eignung als Ausgangsgröße 137 Tagessatzanzahl 21, 26, 35, 39 – 43, 59, 61, 63 – 64, 69, 83, 97, 103, 113, 181, 183, 191, 199, 200 Tagessatzgeldstrafe 16, 25, 26, 33, 35, 37, 39, 40, 41, 43, 55, 61, 64, 65, 70, 71, 81, 82, 86, 88, 102, 103, 107 – 109, 111, 112, 135, 155, 164, 176, 181, 191, 193, 198, 200, 202 Tagessatzhöhe 15 – 16, 21, 26, 32, 35, 36, 39 – 43, 49, 51 – 64, 65 – 73, 75, 76, 77, 82, 85, 86, 87, 89, 94 – 108, 109 – 112, 120, 135, 137, 142, 143, 145, 149, 150, 158 – 159, 162, 163, 174, 175, 177, 179, 183, 187, 190 – 192, 196, 197, 198, 199, 200 – 201 siehe auch Bemessungsgrundlage der Tagessatzhöhe – als Regulativ 64 – Ermittlung 88 – schematische Berechnung 112, 116, 158 Tagessatzsystem 35 – 36 Tatvergeltungstheorie 18 Übermittlung von Daten 162, 194, 202 Überschusseinkünfte 130, 133 Überschussrechnung 125, 128 – 130 Unmittelbarkeitsgrundsatz 83 Unrecht 40, 43, 181, 190, 191, 199, 202 Unterhalt 45, 49 – 53, 58, 68, 91 – 92, 94, 106, 136, 147 – 149 – für den erwerbslosen Ehepartner 53 Unterhaltsberechtigung, zivilrechtliche 150 – 152

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Unterhaltsverpflichtung 57, 97, 106, 147 – 149 Untersuchungsgrundsatz 139 Urlaubsgeld 68, 119 Urteilszeitpunkt 135, 143 Veranlagungszeitraum 47 – 48, 121, 135, 137 – 138, 143 Veranlasserprinzip 133 Veräußerungseinkünfte 129 Veräußerungsgeschäfte 134 Verfahrensökonomie 16, 76, 86 – 87, 100, 108 – 116, 117, 135, 143, 150, 156, 159, 180, 194, 199, 200 – 201 Vergleichbarkeit siehe Freiheitsstrafe, siehe Geldstrafe Verhältnisse – persönliche 68 – persönliche und wirtschaftliche 40, 42, 44, 58 – 61, 64, 71, 74 – wirtschaftliche 64 Verlust – Berücksichtigung in den Kommentaren 47 – 48 – Verlustabzug 48, 131 – 132, 135 – Verlustausgleich 47 – 48, 125, 131 – 132, 135 – Verlustrücktrag 48 – Verlustvortrag 48 Verlustberücksichtigung 48, 131 Vermögen 22, 26, 32, 52, 57, 61 – 63, 68, 73, 91, 92, 94, 95, 120, 133 – 134 Vermögensveränderung 47 Versorgungsbezüge 45, 123, 135 Verwandte, gerader Linie 152 Vorjahreswerte 143 Werbungskosten 47, 49, 129 – 130, 131 Willkürverbot 114 wirtschaftliche Betrachtungsweise 49 Wirtschaftgut 128 – 130 Wohnung, selbst genutzt 46 Zahlungserleichterungen 26, 39 – 40, 43, 119 Zeitquantum 35 – 36, 40 – 42, 64, 181, 200 Zuflussprinzip 128 Zugewinngemeinschaft 52 – 53, 155 – 156 Zukunftssicherung 144 Zustimmung des Betroffenen 175