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German Pages 110 [120] Year 1933
Hamburger Rechtsstudien
herausgegeben von Mitgliedern der Rechts- und Staatswissensdbaftlidien Fakultät der Hamburgisdien Universität
Heft 13
Die „Hamburger Reditsstudien" erscheinen in zwangloser Folge und sind einzeln käuflidi.
Bisher sind erschienen: Der Begriff des Versidierungsfalles in der Seeversicherung. Von Dr. F. Alexander Bene. Groß-Oktav. 75 Seiten. 1928. RM. 4.05 2: Die Bedeutung des Interesses für die Veräußerung der versicherten Sache. Von Dr. Hermann Heinrich Elkan. Groß-Oktav. 58 Seiten. 1928. RM. 3.60 3: Aktiensonderdepot und Legitimationsübertragung. Von Dr. Günther Frohner. Groß-Oktav. 121 Seiten. 1929. RM. 6.30 4: Die Gewinnversicherung. Von Dr. Helmut Winkler. GroßOktav. 31 Seiten. 1930. RM. 1.80 5: Der Konnossement-Teilschein. Von Dr. Heinz Behlert. GroßOktav. 79 Seiten. 1930. RM. 4.50 6: Die Order-Police. Von Dr. Alexander N. Tsirintanis. GroßOktav. 95 Seiten. 1930. RM. 5.40 7: Reine Konnossemente gegen Revers. Von Dr. Robert Lion. Groß-Oktav. 78 Seiten. 1930. RM. 4.50 8: Versicherung für Redinung, wen es angeht. Von Dr. Helmuth Embden. Groß-Oktav. 39 Seiten. 1930. RM. 2.70 9: Die guten Sitten in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung nach dem Kriege. Von Dr. Fritz Oettinger. Groß-Oktav. 84 Seiten. 1931. RM. 4.50 10: Wandlung und Minderung bei einer Mehrheit von Käufern oder Verkäufern. Von Dr. Hans Wogatzky. Groß-Oktav. 115 Seiten. 1931. RM. 6.— 11: Das Versicherungs-Zertifikat. Von Dr. Rudolf Nothmann. Groß-Oktav. 96 Seiten. 1932. RM. 5.— 12:"t)ie Versicherung der Havariegrosse-Sdiäden. Von Dr. Hans Cramer. Groß-Oktav. 55 Seiten. 1932. RM. 3.—
Heft i : Heft Heft Heft Heft Heft Heft Heft Heft Heft Heft Heft
Die Staatshaftung für den Hamburger Hafenlotsen von
Dr. iur. Erwin Mumssen
Hamburg Friederichsen, de Gruyter & Co. m. b. H. 1932
Diese Arbeit ist als Doktordissertation von der Redits- und Staatswissensdiaftlidien Fakultät der Hamburgisdien Universität angenommen worden.
Druck von Friedr. Prie6" Buchdruckerei, Harburg-Wilhelmsburg 1.
Inhaltsübersicht. EINLEITUNG:
Seite
I. Kurzer geschichtlicher Ueberblick über die Frage der Staatshaftung für den Hafenlotsen 1 II. Falsche rechtliche Einordnung des Hafenlotsen auf Grund des mißverstandenen Reichsgeriditsurteils RG. 114/197 7 ERSTER HAUPTTEIL: Der Hafenlotsbetrieb — eine „öffentliche Anstalt". I. Gesetzliche Bestimmungen über den Hafenlotsen. Hafenlotsen II. Aufsichtsbefugnisse des Hafenlotsen III. Die nautische Beratung der Schiffsleitung lotsung"
Begriff des
— die
„Hafen-
IV. Abgrenzung der privatrechtlichen von der öffentlich-rechtlichen staatlichen Veranstaltung, der „öffentlichen Anstalt". Das Korrmannsdie Kriterium der formalen Ausgestaltung . . . . V. Oeffentlich-rechtliche Natur der Hafenverkehrsverwaltung . . VI. Die Hafenlotsung ist „Anstaltsnutzung" VII. Hoheitliche Natur der Lotsung auch zur Zeit der Beteiligung der Hafenlotsen an der Hafenmeistergebühr (bis 1923) . . ZWEITER
10 12 13 14 17 18 21
HAUPTTEIL:
Die Haftungsnormen bei der Anstaltsnutzung. I. Besondere und allgemeine Haftungsnormen 26 II. Scheidung von Dominium und Imperium. Anstalts W a r t u n g im Gegensatz zu Anstalts f ü r s o r g e 26 III. Die Haftung bei der Anstaltsfürsorge 28 1. Bürgerlich-rechtliche Haftungsnormen. Ansicht von Hatsdiek 28 2. Die öffentlich-rechtlichen Haftungsnormen 30 a) Unstreitiges über den Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt nach Art 131 RV 30 b) Die Ansicht von Otto Mayer: Anstaltsfürsorge ist Ausübung öffentlicher Gewalt (Zweiteilung der staatlichen Verwaltungstätigkeit) 31 c) Die Reichsgerichtsrechtsprechung zu Art. 131 RV. Sie steht im Einklang mit Otto Mayer 31 d) Die Ansicht von Jellinek und Fleiner: Nicht jede Anstaltsfürsorge ist Ausübung öffentlicher Gewalt. (Dreiteilung der staatlichen Verwaltungstätigkeit). Wo Art. 131 RV. bei der Anstaltsfürsorge nicht Platz greift, ist der in § 278 BGB. enthaltene Rechtsgedanke heranzuziehen 36 e) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Verwendung des § 278 BGB. bei der Anstaltsfürsorge 38 f) Kritische Auseinandersetzung mit der widerspruchsvollen RG. Rspr. Ergebnis: Art. 131 RV. ist die Haftungsnorm bei der Anstaltsfürsorge 41
VI
Inhal tsübersicht. Seite
IV. Der Hamburger Staat haftet für nautisdies Versdiulden de3 Hafenlotsen aus Art. 131 RV 43 DRITTER
HAUPTTEIL:
Aaseinandersetzung mit den Gründen, die bisher gegen die Staatsverantwortlichkeit aus Art. 131 RV. für den Hafenlotsen vorgebracht sind. I. Anhänger der Staatshaftung II. Gegner der Staatshaftung III. Widerlegung der Gegengründe IV. Die Revision ans Reidisgeridit verspricht Erfolg
44 44 45 51
VIERTER HAUPTTEIL: EXKURS. Der Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt im Steuerredit, insbesondere im Umsatzsteuerredit. I. Gesetzlidie Bestimmungen 54 II. Stellung der Lehre im Umsatzsteuerredit 56 III. Stellung des Reichsfinanzhofs im Umsatzsteuerrecht 58 FÜNFTER HAUPTTEIL: Die Staatshaftung für den Hafenlotsen nach Art. 131 RV. I. Allgemeines 65 1. Oeffentlidi-rechtlidie Natur des durdi § 839 BGB. begrenzten Entschädigungsanspruchs aus Art. 131 RV 65 2. Die Begrenzung durch § 839 BGB 68 3. Die „nähere Regelung" durdi das Hamb. StaatshaftungsGesetz v. 26. i. 1920. Gerichtliche Zuständigkeit 70 II. Besonderheiten 72 1. Die Haftung des Reeders für den Hafenlotsen 72 2. Beginn und Auswirkung der Lotsentätigkeit an Bord. Verhältnis des Hafenlotsen zur Sdiiffsleitung 75 3. Die einzelnen Fälle der Staatshaftung 82 a) Einige theoretische Möglichkeiten 82 b) Der praktische Fall: die Schiffskollision 85 c) Der Hafenlotse beschädigt eine dem Hamburger Staat gehörige Hafenanlage 87 d) Die Haftung gegenüber einem anderen geschädigten Staat 88 e) Haftung bei Lotsung eines dem Hamburger Staat selbst gehörigen Sdiiffes 89 f) Die Haftung gegenüber einer dem Hamburger Staat als Anteilseigqer gehörigen Handelsgesellschaft (A.-G. oder GmbH.) 90 III. Der Rückgriff des Hamburger Staats gegen den Hafenlotsen 90 IV. Die Staatshaftung für den Hilfslotsen 92 V. Bedenken gegen die Staatshaftung 92 SCHLUSS: I. Der Ausschluß der Staatshaftung II. Zusammenfassung ANLAGE: Dienstanweisung für die Hafenlotsen vom 4. April 1930
96 99 des Hafens Hamburg
I—V
Schrifttum. Abraham, Die hanseatische Reditsprechung. Bd. II. Seerecht. 1901. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs. 10. A. 3. Bearb. 1929. Ausschußberichte der Hamburger Bürgerschaft (zit. Aussch. Ber.). Bordiard, Die Verwaltung der Seehäfen. In Borchard-Fulst, Seeverkehrsredit. 1928. S. 277 ff. Boyens, Das deutsche Seerecht. Auf Grund des Kommentars von Lewis neu bearbeitet. Bd. I. 1897. Bd. II. 1901. (zit. Lewis-Boyens.) Boyens, Ueber den Begriff der Schiffsbesatzung und dessen Anwendung auf die Schleppschiffahrt. In Goldschmidts Ztschr. f. d. ges. Handelsrecht. Bd. 50 S. 56 ff. Brandis, Das deutsche Seerecht. Bd. I. und II. 1908. Bühler, Lehrbuch des Steuerrechts. Bd. I. Allgemeines Steuerredit. 1927. de Courey, Questions de dioit maritime. 4 vols. Paris 1877—1888. Vol. II. 1879. Delhis, Die Beamtenhaftpflichtgesetze des Reichs und der Länder. 4. Aufl. 1929. Delius, Die Beamtenhaftpflicht bei Ausübung öffentlicher Gewalt nach dem Stande der neuesten Rechtsprechung. Preuß. Verwaltungsbl. Bd. 45 S. 347 ff. Deutsche Richterzeitung. Diestel, Die Rechtsstellung des Hamburger Hafenlotsen. In Eisenbahn- und verkehrsrechtliche Entscheidungen und Abhandlungen, herausg. v. Eger Bd. 33 S. 243 ff. Ehlers, Die Haftung der Hamburger Hafenlotsen. In HRZ. 1927 Sp. 46 ff. Ehrenberg, Beschränkte Haftung des Schuldners nach See- und Handelsrecht. 1880. Enneccerus. Lehrbuch des bürgerlichen Rechts II. Bd.: Recht der Schuldverhältnisse. 11. Aufl. Bearb. v. Lehmann. Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts. 8. Aufl. 1928. Gierke, Otto, v., Die Genossenschaftstheorie und die deutsche Rechtsprechung, 1887. Gierke, Otto, v., Die Haftung des Staates und der Gemeinden für Beamte. Gutachten erstattet zum 28. Deutschen Juristentag 1905. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reichs. 8. Aufl. 1931. Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts. Gütschow, Die Beseitigung der Haftung des Rheeders für Collisions-Schäden. 1902. Hafenverkehrsausschuß, Bericht des von der Bürgerschaft am 2. Juni 1920 niedergesetzten Hafen Verkehrsausschusses über die Haftpflicht der Hamburger Hafenlotsen. Aussch. Ber. 1928 No. 18. Hamburgische Gerichtszeitung, redigiert von Dr. Nathan. Hamburgische Handelsgerichtszeitung. Hauptblatt = Hbl. Seit 1880 Hanseatische Gerichtszeitung. „Hansa", Deutsche nautische Zeitschrift. Hanseatische Gerichtszeitung (zit. HGZ.). Hanseatische Rechtszeitschrift (zit. HRZ.). Seit 1928: Hanseatische Rechts- und Geriditszeitsdirift (zit. HRGZ.). Hatsdiek. Lehrbuch des deutschen und preußischen Verwaltungsrechts. 7. und 8. Aufl. 1931. Herausgeg. v. Kurtzig. Heilberg, Beamtenhaftung. 1929. Höpffner, in JW. 1930 S. 1607. Anm. B zu No. 3. (Anm. zum Beschluß des KG. XI. v. 5. 1. 1929 in JW. 1929 S. 2287). Jellinek, Georg, Allgemeine Staatslehre. 3. Aufl. 1914. Jellinek, Walter, Verwaltungsrecht. 3. Aufl. 1931.
VIII
Sdirifttum.
Juristische Wochenschrift (zit. JW.). Keller, hamburgisdier Hafenlotse. Ein folgenschweres Reidisgerichtsurteil. Die Stellungnahme der hamburgischen Hafenlotsen, in Hansa 1926 S. 1382 ff. Knapp, Ein folgenschweres Reichsgeriditsurteil. In Hansa 1926. S. 1307 ff. Korrmann, Erhebung öffentlicher Abgaben für die Kostendeckung „gewerblicher Unternehmungen" von Gemeinden und Gemeindeverbänden. Preufi. Verwaltungsbl. Bd. 34 S. 393 ff. Korrmann's Einführung in die Praxis des deutschen Verwaltungsrechts. 2. Aufl. bearb. u. vollendet von Friedrich List. 1930. Kühns, Das Verschulden des Zwangslotsen; in ZHR. 12 S. 421 ff. Kühl, Haftung der Kapitäne und Lotsen für nautisches Verschulden, in Hansa 1926. S. 1675 ff. Lappenberg, Sammlung der Verordnungen der freyen Hanse-Stadt Hamburg seit 1814. Lewis, Das deutsche Seerecht. 2 Bde. 2. Aufl. 1883 ff. Lewis, in Endemanns Handbuch. Bd. IV.: Das Seerecht. Mayer, Otto, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl. Bd. I. und II. (zit. Otto Mayer I, II). Mrozek, Steuerreditsprechung in Karteiform (zit. Kartei Mrozek). Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. Nöll-Freund, Das Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893. 7. Aufl. 1910. Obenauer, Die Haftung für den Lotsen. Diss. Leipzig 1912. Oberseeamt, Entscheidungen des Oberseeamts und der Seeämter des Deutschen Reichs (zit. E. O. S.). Oberverwaltungsgericht, Entscheidungen des preußischen Oberverwaltungsgerichts (zit. Pr. OVG.). Oermann, Die Begriffe: „Ausübung öffentlicher Gewalt" und „Staatshoheitsverwaltung" in den verschiedenen Zweigen des öffentlichen Rechts. Diss. Münster 1929. Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse. 5. Aufl. 1929. Pappenheim, Ueber den Begriff der Schiffsbesatzung im deutschen Privatseerecht, in Grudiot. Bd. 43 S. 342 ff. 1899. Pappenheim, Handbuch des Seerechts. Bd. II. 1906. Pereis. Hamburgische Gesetze staats- und verwaltungsrechtlichen Inhalts. 2. Aufl. 1930. Philipsborn, Kranker und Krankenhaus im Recht. 1930. Popitz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz vom 8. 5. 1926. 3. Aufl. 1928. Bearb. v. Kloss und Grabower. Ergänzungsbd. 1930. Preußisches Verwaltungsblatt (zit. Pr. VB1.). Das Recht, Juristisches Zentralblatt für Praktiker. Reichsfinanzhof, Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs (zit. RFH.). Reichsgericht, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zit. RG.). Reichsgerichtsräte, Kommentar der Reichsgerichtsräte. 6. Aufl. (zit. RGR. Komm.). Reinbeck, Zur Haftung des Staates für beamtete Lotsen. In HRGZ. 1930 A. Sp, 401 ff. Rothenberger, Richtlinien über die zivilrechtliche Haftung der hamburgischen Beamten dem Staat gegenüber unter besonderer Berücksichtigung der Senatoren. In HRZ. 1927. Sp. 845 ff. Schaps, Das deutsche Seerecht. 2. Aufl. Bd. I. Kommentar zum 4. Buch des Handelsgesetzbuchs. Herausgeg. v. Mittelstein und Sebba. Bd. II. Nebengesetze von Sebba (zit. Schaps 2. Aufl. I, II). Schelhorn, Die Amtshaftung. 1925. Schräder, Lotsendienst und Ausübung öffentlicher Gewalt. In HRGZ. 1929 A. Sp. 715 ff. Schräder, Lotsmonopol und Staatshaftung. In HRGZ. 1930 A. Sp. 713 ff. Schwerin, Der Lotse. Eine öffentlich-rechtliche Betrachtung. 1921. Segelken, Die Rechtsstellung des Lotsen. 1923.
Sdirifttum.
IX
Seuffert, Ardiiv für Entscheidungen der obersten Geridite in den deutschen Staaten. Sieveking, Das deutsche Seerecht. 1907. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. 9. Aufl. Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg (zit. Sten. Ber.). Stern, Die Haftung des Staates für seine Beamten und Angestellten mit besonderer Berücksichtigung der Haftung f ü r Erfüllungsgehilfen bei öffentlich- rechtlichen Rechtsverhältnissen. Diss. Münster 1928. Twiehaus, Das Lotsenwesen, in Seeverkehrsrecht, herausgeg. v. Borchard und Fulst 1928. S. 248 ff. Verhandlungen des Deutschen Lotsentags. Verhandlungen des Reichstags. Verhandlungen zwischen Senat und Bürgerschaft (zit. Verhdl.). Verkehrsrechtliche Rundschau (zit. Verk. R.). Wagner, Beiträge zum Seerecht. 1880. Weigert, Oeffentlich-reditliche Verwahrungsverhältnisse, in Gruchot 69 S. 303 ff. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts. 9. Aufl. Bearb. v. Kipp. Wüstendörfer, Studien zur modernen Entwicklung des Seefrachtvertrages 1905—1909. Bd. I. Wüstendörfer, Das Seeschiffahrtsredit. In Handbuch d. ges. Handelsrechts, herausgeg. v. Ehrenberg. VII. Bd. 2. Abt. 1923 (zit. Wüstendörfer). Wulff, Hamburgische Gesetze und Verordnungen. 1., 2. und 3. Aufl. Bd. I. 1889: Bd. 1. 1902; Bd. III. 1931. Die für die Arbeit besonders wichtigen Entscheidungen sind mit Datum angegeben. Die Sperrungen in den Zitaten sind vom Verfasser dieser Arbeit.
Einleitung. I. Kurzer geschichtlicher Überblick über die Frage der Staatshaftung für den Hafenlotsen. H a f t e t d e r H a m b u r g e r Staat f ü r nautisches Verschulden seiner H a f e n l o t s e n ? Bei d e n g r o ß e n V e r m ö g e n s w e r t e n , die im H a m b u r g e r H a f e n d e r O b h u t d e r H a f e n l o t s e n a n v e r t r a u t w e r d e n , ist ein Staatseintritt f ü r die von H a f e n l o t s e n schuldhaft v e r u r s a c h t e n Schiffskollisionen f ü r die Geschädigten u n d f ü r den H a f e n l o t s e n selber von großer B e d e u t u n g . D a s Interesse a n dieser F r a g e ist a b e r erst in j ü n g e r e r Zeit erwacht. D i e T ä t i g k e i t d e r H a f e n l o t s e n w u r d e in f r ü h e r e r Zeit von dem H a f e n m e i s t e r u n d seinen G e h i l f e n ausgeübt. So v e r o r d n e t die Bek a n n t m a c h u n g des S e n a t s (Rats) vom 22. 12. 183?1): „Am Nieder-Hafen sind für Seeschiffe jetzt drei Beamte und Offxcianten angestellt: der Hafenmeister, der Gehülfe desselben und der Hafenmeister-Knecht, deren Anweisungen und Anordnungen die Schiffs-Capitaine, Leichterschiffer, Everführer und sonst im Hafen verkehrende Personen Folge zu leisten schuldig sind. Die Beamten haben das Ein- und Ausholen der See-Schiffe zu besorgen, wofür die gegen Rechnung bei dem Arsenal-Inspektor zu bezahlenden Gebühren folgendermaßen bestimmt sind: . . . ." (Von diesen G e b ü h r e n e r h i e l t e n d e r H a f e n m e i s t e r u n d seine G e h i l f e n b e s t i m m t e Anteile.) Als sich d e r V e r k e h r im H a f e n immer m e h r a u s d e h n t e , w u r d e zunächst im J a h r e 1845 dem H a f e n m e i s t e r ein zweiter G e h i l f e gestellt (Rat- u n d Bürgerschluß vom 15. 12. 18452) u n d d a n n im J a h r e 1858 (Rat- u n d Bürgerschluß vom 29. 4. 1858)3) d r e i H a f e n l o o t s e n mit festem G e h a l t , dem n u n m e h r selber auf festes G e h a l t gesetzten H a f e n meister z u r Seite gegeben. D e r Senat h a t in d e r Anlage 4 ) zu seiner propositio pag. 6 sich zu dieser A e n d e r u n g w i e folgt g e ä u ß e r t : „Durch Ablieferung der Gebühren an die Kammer werden die Geldmittel gegeben, mehrere Hafenlootsen anzustellen, denen unter der Aufsicht des Hafenmeisters das Ein- und Ausholen und Verlegen der Schiffe mit übertragen werden kann.'' W i e d e r e r w ä h n t finden w i r die H a f e n l o t s e n in d e r am 18. 4. 1866 e r l a s s e n e n r e v i d i e r t e n V e r o r d n u n g b e t r . B e n u t z u n g des H a m b u r g e r H a f e n s , sog. H a f e n o r d n u n g (Wulff 1. A u f l . Bd. 1 S. 576 ff.), die in G e l t u n g blieb bis z u m H a f e n g e s e t z vom 2. 6. 1897, in S 2. „Sämtliche den Hafen benutzende Schiffe sind der Aufsicht des Lappenberg Bd. 15 S. 143. Lappenberg Bd. 19 S. 159. ) Lappenberg Bd. 37 S. 110, 114. *) Zit. in Urt. d. Handelsgerichts II. v. 2. Juni 1876. Handelsgerichtszeitung 1877 Hbl. No. 9 S. 19 linke Sp. 2 ) 3
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Einleitung. Hafenmeisters unterworfen, und die Capitaine und die Mannschaften derselben sind verpflichtet, den ihnen von demselben direct oder durch seinen Gehülfen oder durdi die Hafenlootsen zu erteilenden Weisungen unweigerlich P'olge zu leisten . . ."
Im Gegensatz zu der Bekanntmachung von 1837 ist von dem Ein- und Ausholen und Verlegen der Seeschiffe in der Hafenordnung von 1866 nicht die Rede. Diese Bestimmung des § 2 der Hafenordnung ist nun aber von den Gerichten in zwanzigjähriger Praxis dahingehend ausgelegt, daß im Hamburger Hafen Lotszwang bestände 5 ). Eine Verpflichtung der Schiffe zur Anforderung eines Hafenlotsen wurde allerdings verneint, dagegen angenommen, daß es im Belieben des Hafenmeisters oder des Hafenlotsen stehe, ob er ein Schiff lotsen wolle oder nicht; den Weisungen des alsdann an Bord kommenden Lotsen müsse das Schiff bei Strafe bedingungslos gehorchen"). Das beziehe sich nicht nur auf die Anweisung der Liegeplätze, sondern auch auf die eigentliche Lotsung. Demzufolge wurde bei Lotsenverschulden die Haftung des Reeders verneint (HGB. § 737) und der Lotse für persönlich verantwortlich erklärt. Streitig dagegen war, ob der Hafenlotse bei der Navigierung in amtlicher Eigenschaft tätig sei, oder ob es sich hier um eine gewerbliche Tätigkeit unter Aufsicht des Staates gegen Beteiligung an den aufkommenden Gebühren handele 7 ). Obwohl das Obergericht — und späterhin das Hanseatische Oberlandesgericht 8 ) — eine amtliche Bestätigung des Hafenlotsen für gegeben hielt, ist doch im Laufe der Jahre anscheinend niemals versucht worden, den Hamburger Staat für eine von Hafenlotsen verschuldete Kollision verantwortlich zu machen. Das lag daran, daß unter der Herrschaft des gemeinen Rechts die Haftung der juristischen Person für Delikte ihrer Vertreter streitig war 9 ). Die obrigkeitlich aufgefaßte Tätigkeit der beamteten Hafenlotsen als Vertragserfüllung seitens des Staates anzusehen, trug man wohl — und mit Recht — Bedenken. Die Hafenlotsen selber dagegen wurden häufig in Anspruch genommen und des öfteren zum Offenbarungseid getrieben. Deshalb entschloß sich der Staat, als mit Rücksicht auf die veränderten Verkehrsverhältnisse neue organisatorische Bestimmungen für den Hamburger Hafen erforderlich wurden, auch die Stellung der Hafenlotsen anders zu regeln. Um der nach Ansicht des Senats irrtümlichen Auslegung der Gerichte zu begegnen, die die Hafenlotsung als Zwangs5) Handelsgericht in Gerichtszeitung (Dr. Nathan) 67 S. 209; in Hbl d. Handelsgerichtszeitung 69 No. 350, 73 No. 48; Handelsgericht und Obergericht daselbst 77 No. 9: Hans. OLG. in HGZ. Hbl. 86 No. 59; 95 No. 33; Reichsgericht in RG. 19/1. Weitere Zitate bei Abraham, Die hanseatische Rechtsprechung Bd. 2 Seerecht 1901 S. 168. •) Hans. OLG. in HGZ. Hbl. 86 No. 59; dazu das Revisionsurteil in RG. 19/1. 7) Obergericht gegen Handelsgericht in Handelsgerichtszeitung Hbl. 77 No. 9; s. auch No. 22, No. 149. 8) Hans. OLG. in HGZ. Hbl. 96 No. 59 S. 136. •) s. hierzu Windscheid, Pandekten 9. Aufl. Bd. I S. 272 § 59 mit ausführlichen Zitaten aus der damaligen Praxis.
Einleitung.
3
lotsung auffaßte, schuf m a n nach m e h r f a c h e n A b ä n d e r u n g e n 1 " ) in d e m § 5 des H a f e n g e s e t z e s v o m 2. 6. 1897 11 ) eine B e s t i m m u n g , in d e r eiu L o t s z w a n g nicht m e h r g e f u n d e n w e r d e n k o n n t e . „Seeschiffe von mehr als 150 cbm Nettoraumgehalt erhalten bei der Einfahrt, sowie bei Platzveränderungen und beim Verlassen des Hafens auf Verlangeil einen Hafenlootseu, können jedoch zur Annahme eines solchen nicht gezwungen werden. Die Führung des Schiffes verbleibt, auch wenn ein Hafenlootse an Bord ist, bei dem Schiffer. Die Hafenlootsen erhalten außer ihrem festen Gehalte für das Lootsen von Schiffen besondere Vergütungen, welche nach Zahl und Tiefgang der von ihnen begleiteten Schiffe zu bemessen sind. Diese Vergütungen werden aus der Hafenmeistergebühr entnommen (§ 37), von welcher ein Fünftel 1 2 ) zu diesem Zweck der Deputation für Handel und Schiffahrt zui Verfügung gestellt wird. Die Deputation für Handel und Schiffahrt stellt die näheren Bestimmungen über die Vertheilung und Berechnung der Gebühren fest." A u d i n a c h d e m durch d a s I n k r a f t t r e t e n des B ü r g e r l i c h e n Gesetzbuches a m 1. 1. 1900 die deliktische H a f t u n g des S t a a t e s f ü r seine B e a m t e n festgelegt w a r — §§ 31, 89, 823, 831 B G B . —, ist ein Versuch, d e n S t a a t f ü r nautisches V e r s c h u l d e n des H a f e n l o t s e n v e r a n t w o r t l i c h zu machen, bis z u m J a h r e 1923 nicht u n t e r n o m m e n w o r d e n . Auch eine V e r t r a g s k l a g e h a t m a n nicht a n g e s t e l l t . Anscheinend sah m a n j e t z t die in § 5 H a f G . d e m L o t s e n z u g e w i e s e n e B e r a t u n g d e r Schiffsf ü h r u n g , im G e g e n s a t z zu d e n sonstigen polizeilichen F u n k t i o n e n des H a f e n l o t s e n , wie d e r A n w e i s u n g v o n L i e g e p l ä t z e n , a l l g e m e i n als aufieramtliche durch d e n G e b ü h r e n a n t e i l a b g e g o l t e n e P r i v a t t ä t i g k e i t des H a f e n l o t s e n an 1 3 ). 10) Die Begründung zum ersten Entwurf, die allerdings bei den folgenden Entwürfen nicht wiederholt wurde, spricht den Hafenlotsen sogar die Lotseneigenschaft ab. Mitt. d. Senats a. d. Bürgerschaft No. 67 v. 24. 4. 1893 abgedruckt in Verhandl. zw. Sen. u. Bürgerschaft (Verhandl.) 1893 S. 377 ff.: In Wirklichkeit seien die Hafenlotsen gar keine Lotsen, da es sich nicht um Navigierung in besonders gefährlichem Fahrwasser handle. Aufgabe des Hafenlotsen sei es vielmehr, nur die Schiffe nach ihren Liegeplätzen hinzuweisen. Hierbei sei es natürlich nicht ausgeschlossen, daß die Hafenlotsen die Schiffsführung in der Navigierung unterstützten. Auf Umsicht und Sorgfalt der Hafenlotsen werde hierbei von der Behörde mit Strenge gehalten. In der Begründung z. dritten Entwurf (Verhandl. 1896 S. 244) wird die Streichung des § 12 eines Bürgerschaftsentwurfs, der erklärte, daß die Hafenlotsen keine Zwangslotsen seien, damit gerechtfertigt, daß dies Ergebnis durch die Fassung der §§ 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 d. dritten Entwurfs sowieso erreicht würde. Diese Fassung ist dann Gesetz geworden. Vgl. dazu auch Ausschuß-Bericht d. Bürgerschaft 1894 No. 31 S. 4; 1896 No. 52 S. 1; Wulff 2. Aufl. S. 462 Anm. 3 zu § 5 HafG. F e r n e r Diestel in Eger Bd. 33 S. 244 ff.; Hans. OLG. in HRZ. 1925 Sp. 624 ff.; Ehlers in HRZ. 1927 Sp. 50. " ) Ges. Samml. S. 26; Wulff 2. Aufl. Bd. I S. 460; amtl. Ausgabe bei Lütcke & Wulff. 12) Dieser Bruchteil ist später geändert, Wulff 2. Aufl. S. 462 zu § 5 HafG. Anm. 4. 13) Vgl. Landgericht Hbg. in HGZ. 1912 Hbl. No. 75 K. X f. H. Urt. v. 13. 4.1912: Die Hafenlotsen seien Beamte, soweit sie bei Verkehrsstörung nach § 12 HafG. den Verkehr störende Fahrzeuge fortweisen könnten und hierbei Schiffsmanöver unter ihrer Leistung ausgeführt werden müßten. „Sodann können sie, wenn sie zur Navigierung an Bord eines Schiffes genommen sind,
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Einleitung.
Dagegen hat der Hamburger Staat in zwei veröffentlichten Fällen 14 ) den ihm selbst durch schuldhafte Manöver des Hafenlotsen an seinen Hafeneinrichtungen entstandenen Schaden vom Reeder des gelotsten Schilfes beansprucht; das Hans. OLG. hat diesen Klagen entsprochen. Den auf die Staatshaftung für den Lotsen gestützten Einwand der Beklagten hat es damit abgetan, daß der Staat den Lotsen nicht zur F ü h r u n g des Schiffes bestellt habe. Es liege kein Widersinn darin, daß der Staat einen Reeder für Folgen des Verschuldens einer Person in Anspruch nehme, die, wenn audi in abstracto Beamter, in concreto nichts als Besatzungsmitglied gewesen sei. Auf die abweichende Stellungnahme des Landgerichts 15 ), das den Staat das Lotsverschulden aus einem öffentlichen Rechtsverhältnis zum Schiff verantworten läßt, werden wir später zurückkommen. In ein neues Stadium trat aber die Frage, als die Reichsverfassung vom 11. August 1919 durch Art. 131 die grundsätzliche H a f t u n g d e s S t a a t e s f ü r A m t s p f l i c h t v e r l e t z u n g s e i n e r Bea m t e n i n A u s ü b u n g d e r i h n e n a n v e r t r a u t e n o f f e n tl i c h e n G e w a l t f e s t l e g t e und daraufhin mehrere Länder, die noch keine Staatshaftungsgesetze erlassen hatten, so auch Hamburg, ihre Haftung in derartigen Pallen regelten. (§§ 27 a—c des Ges. betr. Ausführung des BGB. i. d. Fassung v. 26. 1. 1920, sog. Staatshaftungsgesetz)10). Als nun dem Hafenlotsen K. am 31. 1. 1920 das Unglück widerfuhr, mit dem D. „Cocato'" einen Zuckerkahn zu beschädigen, verlangte der Reeder der „Cocato", nachdem er den Kahneigner entschädigt hatte, vom Staat — und vom Lotsen — Schadensersatz mit der Begründung, d e r L o t s e h a b e i n A u s ü b u n g d e r i h m a n v e r t r a u ten ö f f e n t l i c h e n G e w a l t g e h a n d e l t . Das Landgericht 17 ) gab dem Kläger recht und verurteilte den Staat; das Hanseatische Oberlandesgericht 18 ) dagegen entnahm dem § 5 Abs. 2 HafG. — Beteiligung des Lotsen an der Hafenmeistergebühr —, daß die Lotsung nur eine private Nebenbeschäftigung der beamteten Hafenlotsen gegen Entgelt — Gebührenanteil — sei, die Erfüllung eines zwischen Schiff und Lotsen geschlossenen Privatvertrages. Der Staat sei an der nautischen Beratung der Schiffe unbeteiligt. Das Gericht verneinte daher aus allen Gesichtspunkten u. a. auch aus § 27 a AG. z. BGB. v. 26. 1. 1920 (ABl. S. 137) eine Haftung des Staates. Das Reichsgericht1") war an die Auslegung, die das Beals temporäre Angehörige der Besatzung eines Schiffes handeln und unterstehen während dieser Zeit dem Führer desselben" (§ 5 HafG.). Etwaige Härten — fügt das Gericht hinzu — würden dadurch ausgeglichen, daß die Anordnungen des Hafenlotsen f ü r den Führer nicht bindend seien. ") Hans. OLG. in HGZ. Hbl. 1913 No. 6, I. Urt. v. 22. 11. 1912; LG. Hbg. in HGZ. Hbl. 1913 No. 108 K. VII f. H. Urt. v. 1. 7. 1912; daselbst Hans. OLG. I. Urt. v. 16. 4. 1913. 15) LG. Hbg. in HGZ. 1913 Hbl. No. 108 K. VII f. H. Urt. v. 1. 7. 1912. 16) ABl. S. 137. ") LG. Hbg. ZK. I. Urt. v. 26. 11. 1924 412/24 (act. 13). Nicht abgedruckt. 18) Hans. OLG. in HRZ. 1925 Sp. 618 ff. I. Urt. v. 27. 5. 1925. le ) RG. 114/197 III. Urt. v. 2. 6. 1926.
Einleitung.
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rufungsgericht dem irrevisiblen § 5 HafG. gegeben hatte, gebunden (§§ 549, 562 ZPO.), konnte die Lotsung also nur als vom Lotsen privat, unter Ausschaltung des Staates geleistete Vertragserfüllung ansehen, konnte über den Charakter dieser Beschäftigung selbständig nichts aussagen und mußte die Ausübung öffentlicher Gewalt durch den Hafenlotsen verneinen, da eine Tätigkeit des Hafenlotsen f ü r d e n S t a a t nach den bindenden Feststellungen des Vorderrichters nicht vorlag. Dieses Urteil, das den Hafenlotsen aus vertraglichem Verschulden zur Zahlung von etwa RM. 80 000.— verurteilte, erregte in den beteiligten seemännischen Kreisen heftiges Aufsehen und gab Gelegenheit zu erregten Debatten in der Bürgerschaft 20 ). Die Vertreter zahlreicher Parteieu setzten sich mit verschiedenen Vorschlägen für eine Beseitigung der Lotsenhaftung ein unter Hinweis auf die große Verantwortlichkeit und den aufreibenden Dienst dieser Beamten. Inzwischen war ein zweiter Fall den Gerichten zur Entscheidung vorgelegt. Am 27. 11. 1922 kollidierte der vom Hafenlotsen B. gelotste D. „Laurenco Marques" im Hansahafen mit zwei Kähnen, die dabei beschädigt wurden. Die Erben des Kahneigners klagten gegen den Staat und gegen den Lotsen auf Schadensersatz. Das Landgericht gab der Klage gegen den Staat aus Art. 131 RV. statt21). Das Hanseatische Oberlandesgericht 22 ) dagegen verneinte die Staatshaftung unter Berufung auf seine frühere Entscheidung und mit neuen Gründen, aus denen es die Ausübung öffentlicher Gewalt durch den Lotsen ablehnte. Mittlerweile war (auf Grund einer Bekanntmachung der Kommission zur Festsetzung von Gebühren und Tarifen -vom 2. 8. 192323) die Hafenmeistergebühr (§ 37 HafG.) in Wegfall gekommen und damit auch der Gebührenanteil der Lotsen fortgefallen. (3. Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 1923). Hierfür wurden die Lotsen von Gruppe VI in Gruppe X der Beamtenbesoldungsordnung eingestuft. Die hieran in Lotsenkreisen geknüpfte Erwartung, das Hanseatische Oberlandesgericht würde nunmehr seinen früheren Standpunkt in der Staatshaftungsfrage aufgeben, hat sich nicht erfüllt. Eine Staatshaftungsklage ist allerdings unter diesem neuen Rechtszustand nodi nicht anhängig gemacht worden. Dagegen hatte das Hanseatische Oberlandesgericht 24 ) in dem Ansegelungsfall „Inkum", in dem die geschädigten GulfTransport Co., Liverpool, neben dem Reeder des gelotsten Schiffes auch den Hafenlotsen in Anspruch nahm, Gelegenheit, sich zu dem Einfluß der Besoldungsänderung zu äußern. Das Gericht nahm zu der Frage, ob durch den Wegfall des Gebührenanteils die Konstruk20) Sten. Ber. d. Bürgerschaft zu Hbg. 1926 S. 1007—1011; Ehlers, HRZ. 1927 Sp. 46 ff. 21) LG. Hbg. K. XIII. f. H. Urt. v. 28. 5. 1925. 450/451/1924. 22) Hans. OLG. in HGZ. 1927 Bbl. No. 20. S. 29 I. Urt. v. 19. 11. 1926. Die Klage gegen den mitverklagten Hafenlotsen ist m a n g e l s V e r s c h u l d e n s abgewiesen. Hans. OLG. in, HRGZ. 1928 B. Sp. 419 I. Urt. v. 23. 11. 1927. 2S) G. u. VB1. S. 785. 24) Hans. OLG. in HRGZ. 1929 B. Sp. 595 ff. I. Urt. v. 19. 6. 1929.
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Einleitung.
tion eines Privatvertrages zwischen Schiff und Hafenlotsen hinfällig geworden sei, keine Stellung. Es erklärte lediglich, die Besoldungsänderung sei für die persönliche Haftung des Lotsen unbeachtlich, der Staat hafte nicht an Stelle des Lotsen, da der „tragende Grund der früheren Entscheidungen, daß nämlich in der rein nautischen Tätigkeit der Lotsen keine Ausübung ,einer ihnen anvertrauten öffentlidien Gewalt liege', unverändert in Geltung" geblieben sei. Zur Zeit schwebt ein Rechtsstreit gegen den Hafenlotsen S. vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht 25 ). Der Hafenlotse S. war am 8. Oktober 1930 von der Deutschen Werft als Lotse angefordert worden, um das Dock III aus dem Dock II westlich des Reiherstiegs nach der Kaimauer westlich des Grenzkanals zu verholen. Das mit Hilfe von vier Schleppern vor dem Grenzkanal gedrehte Dock, stieß, als die Drehung fast vollendet war, mit dem zwischen Reiherstieg und Grenzkanal liegenden Dock YI der Klägerin zusammen. Beide Docks wurden beschädigt. Die Deutsche Werft verlangt etwa 10 500.— RM. Schadensersatz. Das Landgericht, Kammer XI für Handelssachen 159/31 hat durch Urteil vom 12. 11. 1931 die Klage mangels Verschuldens des Lotsen abgewiesen. In der Berufungsinstanz wird um das Vorliegen dieses Verschuldens gestritten 26 ). Die Frage der Staatshaftung ist von keiner Seite angeschnitten. Seit diesem Prozeß hat man von einer Klage gegen den Staat oder gegen den Lotsen nichts mehr gehört. Der Zugriff gegen den Lotsen ist nicht üblich, verlohnt sich auch mit Rücksicht auf die Vermögenslage der Lotsen nicht. Die Staatshaftungsklage anzustrengen erscheint den Geschädigten angesichts der ablehnenden Haltung des Hanseatischen Oberlandesgerichts aussichtslos, da die irrevisible Materie, wie man in Gedenken an RG. 114/197 vermeint, den Erfolg der Revision ans Reichsgericht verhindere. Die in letzter Zeit erschienenen Aufsätze von Schräder") und Reinbeck 28 ) sprechen sich gegen das Entstehen der Staatshaftung aus. Das Gleiche hat der vom Hafenverkehrsausschuß, der Bürgerschaft über die Haftpflicht der Hafenlotsen erstattete Bericht getan, der sich die Ansicht des Senats und der Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe zu eigen gemacht hat 29 ) 30 ). ) Deutsche Werft ./. S. Bf. I 5/31. ) Das Verholen von Docks mit Hilfe von Hafenlotsen ist allerdings weder im HafG. v. 1897 noch in der für diesen Rechtsstreit maßgeblichen Hafenordnung v. 14. 3. 1930 geregelt. Es ist aber üblich. Die Grundsätze, die für das Lotsen von Seeschiffen gelten, dürften daher entsprechend zur Anwendung zu bringen sein. *7) Schräder, Lotsendienst und Ausübung öffentlicher Gewalt, HRGZ. 1929 A Sp. 715 ff.; derselbe, Lotsmonopol und Staatshaftung, HRGZ. 1930 A Sp. 713 ff. 28 ) Reinbeck, Zur Haftung des Staates für beamtete Lotsen, HRGZ. 1930 A Sp. 401 ff. 29 ) Bericht des von der Bürgerschaft am 2. 6. 1920 niedergesetzten Hafenverkehrsaussdiusses vom Juni 1928. Ausschufi-Ber. d. Bürgerschaft a. d. Jahre 1928 No. 18. 30 ) Der im Erscheinen begriffene Bd. III des Kommentars von Wulff 3. Aufl. 1931 No. 93 S. 196 Anm. 4 zu § 6 Hafenordnung v. 14. 3. 1930 schließt sich der Meinung von Schräder (vgl. Anm. 27) an. 25 2e
Einleitung.
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Somit ist anscheinend d e r K a m p f u m das Bestehen d e r Staatsh a f t u n g zum Stillstand g e k o m m e n . Nach u n s e r e r M e i n u n g nidit f ü r immer. F ü r die A n w e n d u n g des A r t . 131 RY. auf die nautische Ber a t u n g lassen sich beachtliche G r ü n d e ins F e l d f ü h r e n , w a s im folg e n d e n versucht w e r d e n soll. D a b e i ist zu zeigen, d a ß sich die Gegenm e i n u n g nicht g e n ü g e n d m i t d e n P r o b l e m e n a u s e i n a n d e r g e s e t z t h a t , die das ö f f e n t l i c h e R e c h t zu d e r F r a g e d a r b i e t e t .
II. Falsche rechtliche Einordnung des Hafenlotsen auf Grund des mißverstandenen Reichsgerichtsurteils RG. 114/197. Zu einer solchen U n t e r s u c h u n g v e r a n l a ß t f e r n e r ein Umstand, d e r u n s e r e F r a g e ü b e r lokales I n t e r e s s e h i n a u s h e b t . W a r vor d e m CocatoFall d e r H a m b u r g e r H a f e n l o t s e als Rechtsfigur a u ß e r h a l b H a m b u r g s allenfalls den seerechtlich I n t e r e s s i e r t e n geläufig, so h a t die A u f n a h m e des Revisionsurteils in die amtliche S a m m l u n g d e r Reichsgerichtsentscheidungen Bd. 114 S. 197 f ü r d e n H a m b u r g e r H a f e n l o t s e n w e i t h i n juristisches I n t e r e s s e geweckt. U n d z w a r scheint h i e r z u ein Mißverständnis b e i g e t r a g e n zu h a b e n . D a s Reichsgericht h a t in d e m g e n a n n t e n Urteil w ü t i g e grundsätzliche F e s t s t e l l u n g e n ü b e r den im A r t . 131 niedergelegten Begriff d e r A u s ü b u n g öffentlicher G e w a l t getroffen. Es h a t festgestellt, d a ß die Q u e l l e d e r S t a a t s h a f t u n g nicht m e h r § 27 a des H a m b . A G . z. BGB., s o n d e r n allein A r t . 131 RY. ist 31 ). Es h a t seinen ständigen G r u n d s a t z w i e d e r h o l t , d a ß sich die öffentliche G e w a l t nicht n u r im Zwang, s o n d e r n auch in staatlicher F ü r s o r g e b e t ä t i g e n könne 3 2 ). Es h a t w e i t e r d a r a u f hingewiesen, d a ß es f ü r den B e a m t e n begriff im Sinne dieser Y e r f a s s u n g s b e s t i m m u n g nicht auf das Landesrecht a n k o m m e , v i e l m e h r nach Art. 131 „ B e a m t e " alle mit obrigkeitlichen Befugnissen, mit öffentlicher G e w a l t a u s g e s t a t t e t e n Personen seien, o h n e Rücksicht d a r a u f , ob i h n e n das Landesrecht B e a m t e n e i g e n schaft beilege o d e r nicht 33 ). D a s sind G r u n d s ä t z e , die von Wichtigkeit sind, falls eine Person, sei sie B e a m t e r oder nicht, eine T ä t i g k e i t f ü r d e n S t a a t a u s ü b t u n d es die rechtliche A r t dieser T ä t i g k e i t zu b e s t i m m e n gilt. Vorliegend k o n n t e a b e r das Reichsgericht zu einer A n w e n d u n g dieser G r u n d s ä t z e g a r nicht gelangen, d a ihm, w i e dargelegt, die nautische B e r a t u n g d e r im H a m b u r g e r H a f e n v e r k e h r e n d e n Schiffe durch die A u s l e g u n g als p r i v a t e N e b e n b e s c h ä f t i g u n g — E r f ü l l u n g eines p r i v a t vom Lotsen u n t e r Ausschaltung des Staates geschlossenen L o t s v e r t r a g e s — b i n d e n d durch das Hanseatische O b e r l a n d e s g e r i c h t vorgezeichnet 31
) Daß Art. 131 RY. kein P r o g r a m m s a t z sondern unmittelbar geltendes Recht enthält, ist jetzt allgemein anerkannt. Grundlegende, sehr ausführliche Entscheidung RG. 102/168 III. Urt. v. 29. 4. 1921. — Vgl. Ansdiütz, Komm. z. RV. 3. Bearb. 10. Aufl zu Art. 131 S. 529. 32
) Vgl. RG. 68/285; 102/32. ) RG. 105/335.
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Einleitung.
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war. Hiernach handelte der Hafenlotse als Privatmann für sich, nicht für den Staat, nidit in Wahrnehmung staatlicher Fürsorge, geschweige denn in Ausübung öffentlicher Gewalt. O b diese Prämisse des Berufungsurteils richtig war, ob nicht doch die nautische Beratung F ü r sorge des Staates, vielleicht sogar Ausübung öffentlicher Gewalt darstellt, konnte das Reichsgericht nicht entscheiden. Die Quintessenz des Urteils geht also dahin, daß das Reichsgericht, falls das Berufungsgericht die Tätigkeit des Beamten nach dem irrevisiblen Landesrecht als private Nebenbeschäftigung ansieht, an diese Auffassung gebunden ist, und daß es, da es schon an der ersten Voraussetzung des Art. 131, einer A m t s p f l i c h t v e r l e t z u n g , einer Tätigkeit f ü r d e n S t a a t fehlt, die Frage der Ausübung öffentlicher Gewalt nicht untersuchen kann. Ein e i g e n e s U r t e i l über die Rechtsnatur der L o t s t ä t i g k e i t abzugeben, war dem Reichsgericht durch die Feststellung des Vorderrichters versagt. Das scheint Vielen entgangen zu sein. Denn die allgemeinen Erwägungen, die das Reichsgericht zum Begriff der Ausübung öffentlicher Gewalt anstellt, haben zu der Annahme verführt, als habe das Reichsgericht von sich aus, ungebunden durch das irrevisible Landesrecht, die Ausübung öffentlicher Gewalt bei der nautischen Beratung durch den Hafenlotsen verneint. Wie wenn dieser Fall also zu den vielen gehöre, in denen das Reichsgericht über den Charakter einer (von einem Beamten oder einer sonst mit staatlichen Verrichtungen betrauten Person geleisteten) Tätigkeit selbständig bestimmen konnte. Dieser Irrtum wird dadurch verstärkt, daß das Reichsgericht seinerzeit die Tätigkeit des Zwangslotsen im K a i s e r - W i l h e l m - Kanal, eines R e i c h s b e a m t e n 3 * ) , nach langem Zaudern 35 ) als Ausübung öffentlicher Gewalt erklärt hatte 36 ), j a in diesen Entscheidungen die Bestimmung dieses Begriffes erheblich gegen früher erweitert hat. Die Tätigkeit eines Reichsbeamten konnte das Reichsgericht natürlich von sich aus beurteilen, ohne an die Feststellung einer privaten Nebenbeschäftigung gebunden zu sein. Das Uebersehen der Begründung im Cocato - Urteil verführte in mißverständlicher Auffassung der Reichsgerichtsrechtsprechung zu dem einfachen Gegensatz: Zwangslotsung = Ausübung öffentlicher Gewalt, freiwillige Beratung der Schiffsführung dagegen nicht. So ist denn der Hamburger Hafenlotse in Lehrbücher, Kommentare und Dissertationen eingezogen, sei es mit namentlicher Bezeichnung, sei es mit nur dem Kenner geläufiger Zitierung R G . 114/197, als Antipode des Zwangslotsen, als Beispiel der vom Reichsgericht gezogenen Grenze für die Betätigung öffentlicher Gewalt im Lotsendienst 37 ). Und seine falsche rechtliche Einordnung verstärkt noch die Unklarheit, die ohnehin schon über den Begriff der Ausübung der öffentlichen Gewalt herrscht. ) ) 3e ) 37 ) M
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Betriebsordnung f. d. Kaiser-Wilhelm-Kanal v. 1911 §§ 8 ff.; 14 ff.; 21. RG. 74/250; 79/101. RG. 86/117; 87/347; 93/36; 110/350. Enneccerus 11. Aufl. Bd. II S. 751 Anm. 16 zitiert die neuere Reidis-
Einleitung.
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geriditsrechtsprechung zu Art. 131 RV.: „. . . ferner RG. 110 S. 350; 105 S. 100 ( a b e r a u c h 1 1 4 S. 1 9 7 ) über die Tätigkeit der Zwangslotsen". RG Komm. 6. Aufl. zu § 839 S. 625: „Anerkannt ist z.B. die Haftung des Reiches für die Amtstätigkeit des Zwangslotsen (RG. 87/347 — und weitere Zitate aus der Reichsgeriditsreditsprediung —); für die besonderen hamburgisdien Verhältnisse jedoch LZ. 1925, 994 b e s t ä t i g t d u r d i R G . 114/197." Schaps 2. Aufl. Bd. II S. 66 Anhang zu § 737 „Das Lotsenwesen" gibt den Inhalt von RG. 114/197 wie folgt wieder: „11. RG. 2. Juli 1926, 114/197. .Der Hamburgische Staat haftet nicht, wenn ein in den Hamburger Hafen einlaufendes Sdiiff infolge eines nautischen Versehens des an Bord befindlichen Hafenlotsen Schaden erleidet. Der Hafenlotse handelt bei der Lotsung von Schiffen nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt'." Stern, die Haftung des Staates f ü r seine Beamten usw., Diss., S. 15 Anm. 40 gibt Reidisgerichtszitate zum Zwangslo'tsen an: „RG. 111/375; 110/439; e t c . . . . ; v g 1. R G. 1 1 4 / 1 9 7 " . (Dagegen hält Staudinger-Keidel, Handausgabe des BGB. 3. Aufl. 1931 zu I 839 S. 392, ebenso der große Kommentar 9. Aufl. 1929 zu I 839 S. 1934, die Hamburger Hafenlotsen für Zwangslotsen: „Zwangslotse RG. 87/347; 110/349; LZ. 25/994; Hans. GZ.27 B. S. 26." Die beiden letzten Zitate sind die Urteile des Hans. OLG. im Cocato- u. Laurenco Marques-Fall).
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Erster Hauptteil.
Erster Hauptteil. Der Hafenlotsbetrieb — eine „öffentliche Anstalt". I. Gesetzliche Bestimmungen über den Hafenlotsen. Begriff des Hafenlotsen. An die Stelle des Hamburger Hafengesetzes ist jetzt die Hafenordnung vom 14. 3. 3038) getreten, eine infolge der hamburgisch-preußisthen Hafengemeinschaft 3 ") von den beiden Regierungen gemeinsam erlassene Polizeiverordnung zur Regelung des Verkehrs im „Hafen Hamburg". Dieser besteht aus vier Häfen: dem Hamburger, dem Altonaer, dem Harburg-Wilhelmsburger und dem Hafen der hamburgisch-preußisdien Hafengemeinsdiaft. Die Hafenlotsen für dieses Gebiet stellt der Hamburger Staat zur Verfügung 40 ). Ihre Befugnisse sind in den §§ 6—9 der Hafenordnung 4 1 ) umgrenzt: II.
Hafenlotsen. § 6
Gestellung von Hafenlotsen. (1) Seeschiffen von mehr als 120 cbm Nettoraumgehalt wird bei Ankunft im Hafen, bei Platzveränderungen und bei Abfahrt aus dem Hafen ein amtlicher Hafenlotse zur Verfügung gestellt. Zur Annahme eines Hafenlotsen ist kein Sdiiff verpflichtet. (2) Ankommende Seeschiffe, die einen Hafenlotsen verlangen, haben bei Dockenhuden am Tage die Nationalflagge und im Vortopp die Lotsenflagge, bei Nacht eine weiße Laterne über den Bug zu zeigen. Sie haben so langsam zu fahren, daß die Versetzbarkasse ohne Gefahr längsseit kommen kann. Sie haben eine vorschriftsmäßige Sturmleiter auszuhängen. (3) Nicht an Ufermauern oder Kais liegende Schiffe, die einen Hafenlotsen beanspruchen, haben für seine Beförderung von Bord bis zur nächsten Landungsstelle zu sorgen. § 7 Nautische Beratung der Schiffsleitung durch Hafenlotsen. (1) Allein verantwortlicher Führer, audi während der Anwesenheit des Hafenlotsen an Bord, ist der Kapitän; dieser oder sein gesetzlich anerkannter Vertreter (Schiffsoffizier, Steuermann) hat sidi während der 3e) GVB1. S. 81. Amtl. Ausgabe b. Lütcke & Wulff. Wulff 3. Aufl. Bd. III Nr. 93 S. 192 ff. S9) Abkommen v. 5. 12. 1928. Ges. v. 3. 6. 1929 betr. d. Vertrag . . über die Gründung einer Hafengemeinschaft. Vgl. dazu Wulff, 3. Aufl. Bd. III. No. 92 S. 187 u. Anm. 1 dort. 40) Wulff 3. Aufl. Bd. III No. 93 S. 195 Anm. 3 zu § 6 HafO. „Zwischen Hamburg und Preußen ist unter Hinzutritt der Stadt Altona eine Vereinbarung über Vereinheitlichung des Hafenlotsenwesens geschlossen worden. Danach sind die Hafenlotsen hamburgische Staatsbeamte und unterstehen dem Hafenkapitän des Hamburger Hafens; der preußische Staat und die preußischen Gemeinden werden im Gebiet des Hafens Hamburg keine Hafenlotsen, mit Ausnahme von Verhollotsen anstellen oder zulassen. Die Verhollotsen dürfen nur innerhalb des Hafenteils, für den sie angestellt oder zugelassen sind, tätig werden." 41) Allerdings ist auf Grund v. Art. 171 RV. durch den Staatsvertrag v. 29. 7. 1921 betr. den Uebergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich, RGBl. S. 961 §§ lc und 11, das Lotsenwesen auf dasReidi übergegangen. Das Hafenlotsenwesen ist dagegen Landessache geblieben, wie überhaupt im allgemeinen die Verwaltung der Häfen.
Der Hafenlotsbetrieb — eine „offentlidie Anstalt".
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Anwesenheit des Hafenlotsen an Bord ständig auf der Brücke aufzuhalten und das Schiff zu führen. Der begleitende Hafenlotse ist nautischer Berater der Schiffsleitung. (2) Die Schiffsleitung hat dem Hafenlotsen unverzüglich, nachdem er an Bord gekommen ist, etwaige Mängel, die die Manövrierfähigkeit des Schiffcs beeinträchtigen, mitzuteilen. § 8
Aufsichtsbefugnisse der Hafenlotsen. (1) Die Sdiiffsleitung ist verpflichtet, Anordnungen des Hafenlotsen zur Durchführung der zoll-, gesundheits- und sdiiffahrtspolizeilichen Vorschriften nachzukommen. (2) Weigert sich die Schiffsleitung, diese Anordnungen oder ihr vom Hafen lotsen mitgeteilte Vorschriften über die Schiffahrt auf dem Strom und die Hafenanlagen, den Zoll, die Gesundheits- und Schiffahrtspolizei zu befolgen, so kann der Hafenlotse seine nautische Beratung (§ 7) einstellen. § 9 Lichterführung der Lotsenversetzbarkassen. Die Lotsenversetzbarkassen müssen bei Nadit im Topp ein rotes, über den ganzen Horizont sichtbares Licht und etwa 1 m über diesem ein ebensolches weißes Licht führen. Das weiße Licht muß bei klarem Wetter etwa 3 Seemeilen und das rote etwa 1 Seemeile weit sichtbar sein. Außer diesen Lichtern haben die Barkassen die farbigen Seitenlichter zu führen. D a zur Annahme des Hafenlotsen k e i n Schiff verpflichtet ist (§ 6 Abs. 1 Satz 2 HafO.), da der Kapitän während der Anwesenheit des Hafenlotsen an Bord allein verantwortlicher Führer des Schiffes bleibt (§ 7 Abs. 1 Satz 1) und dem Hafenlotsen nur die Stellung eines nautischen Beraters der Sdiiffsleitung eingeräumt ist, stellt der Hafenlotse, w i e schon bei der R e g e l u n g des § 5 HafG., den T y p des sog. „Freilotsen" 42 ), des freiwillig angenommenen Beratungslotsen dar. D i e s e r ist zu unterscheiden einerseits von dem „Zwangslotsen", der zufolge gesetzlicher Vorschrift oder rechtmäßiger obrigkeitlicher Anordnung vom Kapitän an Bord genommen und mit der Führung des Schiffes betraut werden muß") und für dessen Verschulden der Reeder nicht verantwortlich ist"), andererseits von dem „Pflichtlotsen", d. h. einem gleichfalls kraft zwingender Anordnung an Bord zu nehmenden Lotsen, der aber nur zur Beratung des Schiffsführers dient und gemäß ausdrücklicher Bestimmung von der Schiffsführung ausgeschlossen ist45). Der Hafenlotse steht im Dienst der Hamburger Hafenverwaltung 4 6 ); 42 ) 43
Segelken S. 44. ) So Wüstendörfer S. 691: s. auch Boyens 1. S. 156; Schaps 2. Aufl. Bd. I Anm. 3 ff. zu § 737; Ehrenberg S. 222 ff.; RG. 19/13 ff.: HRZ. 1915 No. 6; 1917 No. 95; Obenauer S. 9; Segelken S. 40. 44 ) § 737 HGB. bestimmt das nur f ü r den von einem Zwangslotsen verschuldeten Schiffszusammenstofi. Die Vorschrift ist aber entsprechend auf jeden vom Zwangslotsen verschuldeten Schaden anzuwenden, s. dazu Wüstendörfer S. 699; Wagner, Beiträge S. 87; Lewis bei Endemann S. 120; Ehrenberg S. 223; Segelken S. 103; RG. in „Recht" 1914 No. 3036; Schaps 2. Aufl. I S. 767 Anm. 22 zu § 737 mit Einschränkung. 45 ) Segelken S. 43. 4e ) Der Ausdruck „Hafenverwaltung" ist irreführend. Diese — das frühere Oberhafenamt — ist nur eine Unterabteilung der Gesamtverwaltung des Hamburger Hafens. Der „Hafenverwaltung" und der Hafenpolizei liegt gemeinsam die Aufsicht über den Hafenverkehr und über die Hafenanlagen ob. Die „Hafenbeamten" sollen Zuwiderhandlungen gegen nautische Bestimmungen, die Hafenpolizeibeamten polizeiliche Verstöße verhüten, sich aber gegenseitig unterstützen; ihre Funktionen greifen ineinander über.
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Erster Hauptteil.
er ist „Hafenbeamter""). Allerdings findet sich dieser Ausdruck weder in der neuen Hafenordnung, noch in der Dienstanweisung für die Hafenlotsen vom 4. 4. 1930. § 6 HafO. spricht nur von einem amtlichen Hafenlotsen, während das Hafengesetz von 1897 im § 3 den Hafenlotsen ausdrücklich als „Hafenbeamten" kennzeichnete. Beamter ist er nach wie vor, wie schon aus seiner Einordnung in das Beamtenbesoldungsgesetz hervorgeht 48 ). An der Spitze der der Deputation für Handel, Schiffahrt und Gewerbe unterstellten „Hafenverwaltung" steht der Hafenkapitän. Der Hamburger Hafen ist in vier Bezirke (und den Fischereihafen St. Pauli) eingeteilt, jeder Bezirk hat ein Hafenamt unter der Leitung eines Oberhafenmeisters. Sämtliche im Gebiet des Hafens Hamburg tätigen Hafenlotsen unterstehen dem Hafenkapitän und gehören zum Hafenamt des ersten Hafenbezirks 48 ).
II. Aufsichtsbefugnisse des Hafenlotsen. Neben seiner hervorragendsten Aufgabe, der Lotsung, der nautischen Beratung, sind dem Hafenlotsen Befugnisse zoll-, gesundheitsund schiffahrtspolizeilicher Art anvertraut. Die Hafenordnung zerlegt daher die Tätigkeit des Hafenlotsen in „nautische Beratung der Schiffsleitung" einerseits (§ 7) und „Aufsichtsbefugnisse der Hafenlotsen" andererseits (§ 8). So hat der Hafenlotse die ankommenden Fahrzeuge an die ihnen angewiesenen Liegeplätze zu legen (§ 9 Dienstanweisung vom 4. 4. 19305u), eine zwangsweise Verlegung von Seeschiffen bei Verkehrshinderung vorzunehmen (Ges. z. Aenderung d. HafG. v. 14. 3. 1930 Art. II, GVB1. S. 79, Amtl. Ausgabe S. 34; § 10 Dienstanweisung). Ihm liegt die Sorge für die allgemeine Ordnung in den Häfen (§ 10 Dienstanweisung) und die Aufsicht über das Fahrwasser und die Hilfseinrichtungen der Schiffahrt (§ 14 Dienstanweisung) ob. Die zollamtlichen Befugnisse der Hafenlotsen regelt § 11 Dienstanweisung, die gesundheitspolizeilichen § 12. In all diesen Funktionen, die sich geschichtlich aus der Machtbefugnis des Hafenmeisters herleiten, tritt der Hafen lotse ohne Zweifel als Repräsentant der staatlichen Zwangsgewalt auf. Ein Zuwiderhandeln gegen seine Anordnung begründet den strafrechtlichen Tatbestand des Widerstands gegen die Staatsgewalt (§ 113 StGB.) 51 ). Andererseits haftet der Staat für ein Verschulden des Hafenlotsen in Ausübung der ihm anvertrauten staatlichen Zwangsgewält gemäß Art. 131 RV. An sich könnten diese Aufgaben des Hafenlotsen auch von anderen Hafenbeamten oder von Beamten der Schiffahrts-, der " ) Zur Zeit gibt es 52 beamtete Hafenlotsen und 15 auf Privatdienstv e r t r a g angestellte Hilfslotsen. Siehe unten S 92. 4S ) Vom 24. Juni 1920 in F a s s g . d. Bek. v. 1?. 7. 1929 (GVB1. S. 319) Besoldungsordnung A Gr. 10 (GVB1. S. 332). '") A u s f ü h r u n g s b e k a n n t m a c h u n g zur HafO. v. 19. 3. 1930 GVB1. S. 127, Amtl. A u s g a b e S. 35, Abschnitt H a m b u r g e r H a f e n I und II. 50 ) Abgedruckt als Anlage. 51 ) S e g e l k e n S. 132/133.
Der Hafenlotsbetrieb — eine „öffentliche Anstalt",
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Gesundheitspolizei oder der Zollbehörde vorgenommen werden, der Einfachheit halber hat man den Hafenlotsen damit betraut. Mit Recht wird angenommen, d a ß eine derartige mehr oder minder umfassende Uebertragung polizeilicher Befugnisse über die rechtliche N a t u r der Lotsung, als einer von ihr begrifflich unabhängigen Tätigkeit, nichts aussagen kann 5 "). Amtsbefugnisse dieser A r t werden häufig auch privaten, gewerbetreibenden Lotsen übertragen.
III. Die nautische Beratung der Schiffsleitung — die „Hafenlotsung". Die nautische Beratung, die Lotsung selber, bietet uns folgendes Bild: Das in das H a f e n r e v i e r einlaufende Schiff erhält, falls es bestimmte in der H a f e n o r d n u n g vorgezeichnete Voraussetzungen erfüllt — Setzen der Lotssignale, Langsam-fahren — vom H a m b u r g e r Staat einen Beamten der H a f e n v e r w a l t u n g an Bord gesetzt. Dessen Befugnisse zum Lotsen sind k r a f t der ausdrücklichen Vorschrift des § 7 H a f O . auf die Erteilung von seemännischen Ratschlägen an den Kapitän, dem die F ü h r u n g des Schiffes verbleibt, beschränkt. Die nautische Beratung gehört zu den Dienstpflichten des Hafenlotsen: sie ist in der Dienstanweisung geregelt (§ 8), j a sie bildet das Kernstück seiner ihm vom Staat durch das nicht unbeträchtliche Gehalt d e r G r u p p e X abgegoltenen amtlichen Tätigkeit. Von ihr leitet er seine Dienstbezeichnung her. Die staatliche Beratung ist kostenfrei. Wohl aber hat das einlaufende Schiff bereits entsprechend seiner Größe ein Hafengeld zahlen müssen 53 ). Dieses stellt sich dar als eine „Gebühr", eine öffentliche Abgabe, f ü r alle im Interesse der Schiffahrt zur Erleichterung des Schiffsverkehrs, nicht des Güterumschlags, getroffenen Einrichtungen 5 4 ). Unter diese Einrichtungen fallen nicht Kaianlagen, Kräne, Lagerschuppen, wohl aber die Hafenbecken, die Kaimauern, Landungsanlagen, D u c d'Alben, die U n t e r h a l t u n g der Fahrwasserstraßen, die Beseitigung von Schiffahrtshindernissen, Bagger-, Eisbrecher-, Leuchtfeuerdienst, Schiffahrts-, Gesundheitspolizei u. a. Eine derartige Einrichtung ist auch die Lotsung; weil f ü r diese aber f r ü h e r eine besondere G e b ü h r — die Hafenmeistergebühr — zu entrichten war, die jetzt weggefallen ist, und weil das Hafengeld auch f ü r solche Schiffe bezahlt wird, die keinen Lotsen fordern, j a die ihn nicht einmal beanspruchen dürfen, k a n n das Hafengeld nicht einmal als teilweise Gegenleistung f ü r die Lotsung angesprochen werden. Vielmehr erhält das Schiff, das die allgemeine Benutzungsgebühr entS2
) Wüstendörfer S. 697; Segelken S. 61 ff. ) §§2 ff. der HafengeldO. f. d. Hafen Hamburg v. 14. 3. und 30. 4. 1930. GVB1. 1930 S. 96, Amtl. Ausgabe bei Lütcke & Wulff. 54 ) Art. 99 RV. Abs. 1 S. 1, Abs. 2. Siehe dazu Giese, Komm, zur Reichsverfassung 8. Aufl. 1931 zu Art. 99 S. 227. 63
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richtet hat, falls bestimmte Voraussetzungen zutreffen, unentgeltlich vom Staat einen ortskundigen nautisdien Berater zugewiesen 66 ). Fassen w i r die Merkmale der Hafenlotsung noch einmal zusammen: Auf Wunsch des Kapitäns w e r d e n mit einem bestimmten A p p a r a t — Lotsenstation, Versetzbarkassen, Peilungsmitteilungen, Seekarten — ausgerüstete Beamte der H a f e n v e r w a l t u n g in bestimmten durch Gesetz gebundenen Voraussetzungen und G r e n z e n tätig. D e r Staat hat also einen gewissen Bestand von Personen und Mitteln technisch zu einer Einheit, dem Hafenlotsbetrieb, zusammengefaßt. Bei der Hafenlotsung bietet er eine von Personen bediente Anlage, eine Anstalt, dem Schifff a h r t s v e r k e h r dar. F ü r diese staatliche Veranstaltung beansprucht der Staat keine G e b ü h r mehr, das Schiff hat n u r die allgemeine f ü r H a f e n benutzung erhobene Gebühr, das Hafengeld zu zahlen.
IV. Abgrenzung der privatrechtlichen von der öffentlichrechtlichen staatlichen Veranstaltung, der „öffentlichen Anstalt". D a s Korrmannsche Kriterium der formalen Ausgestaltung. Es erhebt sich jetzt die F r a g e : Auf welchem Rechtsgebiet w i r d der Staat bei der nautisdien Beratung der Schiffe durch seine Beamten tätig? Begegnet er den U n t e r t a n e n auf privatrechtlichem Boden odei ist das Rechtsverhältnis, das zwischen dem Staat u n d dem gelotsten Schiff besteht, dem öffentlichen Recht zuzurechnen? Ein obrigkeitlicher Zwang, der auf eine öffentlich- rechtliche Beziehung hindeuten wjirde, ist nicht vorhanden. D a h e r sind andere Merkmale heranzuziehen 5 8 ). Eine f r ü h e r e , von der Verwaltungsrechtswissenschaft und - p r a x i s ü b e r w u n d e n e Anschauung macht den Unterschied zwischen privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem H a n d e l n des Staates davon abhängig, ob der Staat, als Fiskus, sein U n t e r n e h m e n des Gewinnes wegen betreibt, oder ob er bei seiner Veranstaltung ein öffentliches Interesse verfolgt 67 ). ») Vgl. Schräder HRGZ. 1929 Sp. 722. ") Die folgenden A u s f ü h r u n g e n stützen sich auf die g r u n d l e g e n d e U n t e r suchung von K o r r m a n n in Pr. YB1. Bd. 34 S. 393. Vgl. a u d i Korrmann-List, E i n f ü h r u n g in die P r a x i s des deutschen Verwaltungsrechts 2. Aufl., 1. Reditsfall S. 8 ff., wo an dem Beispiel der preußischen Staatsbibliothek das Wesen der „öffentlichen Anstalt" e r l ä u t e r t wird. D a s R e i c h s g e r i c h t h a t s i d i i n R G . 9 9 / 9 6 V I . U r t. v. 6. 5. 1920 d e m K o r r m a n n s c h e n Kriterium der formalen Ausgestaltung angeschlossen. Otto Mayer, der L e h r e r Korrmanns, unterscheidet zwischen öffentlichen Anstalten mit privatrechtlicher u n d mit öffentlidi-reditlidier Nutzungsordnung. Bd. II § 51 „ G e w ä h r t e A n s t a l t s n u t z u n g " S. 268 ff. Letztere sind die „öffentlichen Anstalten" im technischen Sinn. D a ß die Ausgestaltung der staatlichen Veranstaltung ü b e r ihre N a t u r als „öffentliche Anstalt" entscheidet, ist jetzt im Verwaltungsrecht a n e r k a n n t : Jellinek 3. Aufl. Absdin. G e b ü h r e n S. 387 i. V. mit Absdin.: Die öffentlichen Anstalten S. 513 ff.; Fleiner 2. Aufl. § 19 Begriff der öffentlichen Anstalt, insbes. S. 327—328 o.; H a t s d i e k 7./8. Aufl. § 59 „Die öffentlichen A n s t a l t e n " insbes. S. 498. 67 ) Noll-Freund, Komm. z. pr. Komm. Abg. G. 7. Aufl. S. 12/13 (anders die 8. Aufl. 1919); Pr. OVG. Bd. 17 S. 249; f ü r den später zu b e h a n d e l n d e n 5
Der Hafenlotsbetrieb — eine „öffentlidie Anstalt".
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Das würde bedeuten, daß die Hafenlotsung, da sie vom Hamburger Staat unentgeltli.il betrieben wird und erhebliche Aufwendungen erfordert — auch die früher bis 1923 erhobene Hafenmeistergebühr deckte nur einen Teil der Unkosten —, eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit des Staates darstellt. Diese ältere Lehre mit ihrer Grenzziehung nach dem materiellen Zweckmoment58) ist zu verwerfen. Es gibt zahlreiche gewerbliche Unternehmungen des Staates' 9 ), wie Wasserwerke, Gasanstalten, Elektrizitätswerke, Badeanstalten, bei denen der Staat sich nicht anders aufführt als ein privater Unternehmer und bürgerlich-rechtliche Verträge mit den Benutzern abschließt. Meist wird er hierbei einen Gewinn erstreben; er kann aber auch im Interesse der Bevölkerung bewußt und absichtlich mit Zubußen arbeiten. Dann betreibt er die Veranstaltung gemeinnützig, nicht anders wie etwa ein privater gemeinnütziger Verein. Es kommt darauf an, wie der Staat im einzelnen die Rechtsverhältnisse seines Unternehmens ausgestaltet hat. Er kann seine dem öffentlichen Interesse dienenden Veranstaltungen — nur diese beschäftigen uns hier — in private Rechtsform kleiden. Dann schließt er mit den Untertanen private Verträge ab, sei es zu niedrigen Preisen, sei es unentgeltlich, er schenkt ihnen die Leistung. Nimmt der Staat ein privates Theater in eigene Verwaltung, dann kann er im Interesse der Volksbildung die bisherigen Eintrittspreise auf die Hälfte herabsetzen und in seinen Haushaltsplan einen entsprechenden Zuschuß einstellen. An Volksfeiertagen mag er unentgeltliche Klassikeraufführungen veranstalten. Der Besucher erwirbt aber nach wie vor durch Lösen des Billets den vertraglichen Anspruch auf Platz und Aufführung. Ihm mag nur durch die Aufschrift „Staatstheater" deutlich werden, daß er die Preisermäßigung, den Preiserlaß, nicht der Großmut des Theaterdirektors, sondern dem öffentlichen Interesse dankt. Die „Badeordnung", die in der vom Staat übernommenen Privatschwimmanstalt hängen geblieben ist, enthält nicht auf einmal um deswillen Vorschriften öffentlich-rechtlicher Natur, weil die Leiter und das Badepersonal Beamte sind. Vom Benutzer fordert der Staat den Badepreis und verlangt, daß er sich vertraglich den Bestimmungen seiner Ordnung unterwerfe. Mit anderen Worten: Geht der Staat bei seinen gemeinnützigen Veranstaltungen wie ein Privater zu Werke, verzichtet er darauf, sich dem Untertanen überzuordnen — verkehrt er auf gleich und gleich mit ihm —, so finden die Regeln des Privatrechts Anwendung. Man muß sich aber k l a r sein, daß diese Art der staatlichen Betätigung nicht die Regel ist. Denn der Staat ist ausgestattet mit „rechtlich überwiegender Macht über die Menschen seines Machtbereiches"60); Begriff der „Ausübung öffentlicher Gewalt" läßt auch n e u e r 1 i dl Hoepffner in JW. 1930 S. 1607 Anm. das Zweckmoment entscheiden: „Alles was nidit zu dem Zwecke der Vermehrung des Staatsvermögens oder zu dem Zweck des Erwerbes f ü r den Staat geschieht". 58) Korrmann a. a. O. S 395. 59) Wenn hier vom S t a a t der Kürze halber die Rede ist, so gilt die Betrachtung auch f ü r Gemeinden und Gemeindeverbände.
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seine natürliche Lebensäußerung ist, daß er diese Macht im Verkehr mit seinen Untertanen zur Geltung bringt; mehr oder minder stark den Abstand betont; nicht, daß er von seinem hoheitlichen Podest hinabsteigt, um in „Lebensverhältnisse, wie sie auch bei dem Einzelnen vorkommen"01), einzutreten. Daß dem Staat eigentümliche, eigens für seine übergeordnete Beziehung zu den Untertanen bestimmte Rechtsgebiet, ist das öffentliche Recht. Bei seinen gemeinnützigen Veranstaltungen mag der Staat, teils aus geschichtlichen Gründen, teils weil ihm der wendige Privatrechtsverkehr größeren Erfolg verspricht, sich in die Ebene des Privatrechts hinabbegeben. In der Regel aber wird er das Verhältnis zum Untertanen ausgestalten in einer dem privaten Unternehmer versagten Rechtsform. Einigt er sich nicht mit dem Benutzer vertraglich über die Leistung und das Entgelt, sondern erhebt kraft öffentlich-rechtlicher Machtbefugnis für die einseitig von ihm normierte Leistung ein einseitig festgesetztes Entgelt, eine öffentlichrechtliche Abgabe, „eine Gebühr", so ist das Verhältnis öffentlichrechtlich, der Staat betreibt eine „öffentliche Anstalt". Natürlich entscheidet nicht etwa die Bezeichnung des vom Staat für seine Leistung beanspruchten Entgelts. Audi Vertragsforderungen können sich unter dem Wort Gebühren verstecken. Liegt aber bei einer gemeinnützigen Veranstaltung gar kein Zweifel vor, daß der Staat an der Art seiner Leistung nicht rütteln läßt und für diese eine nicht im Einzelfall abzuändernde Gebühr beansprucht, die er notfalls im Verwaltungszwangsverfahren beizutreiben willens ist, dann hat der Staat hinreichend betont, daß er für dies Verhältnis in seinem Element, dem öffentlichen Recht, verharren will. Vielfach ist aber die staatliche Veranstaltung unentgeltlich. Hat der Staat einfach, ohne Aenderung der Anstaltsleistung, eine früher erhobene Gebühr fortfallen lassen, so hat sich an der Rechtsnatur der Veranstaltung nichts geändert, ebenso wie die unentgeltliche Theateraufführung Vertragserfüllung, nunmehr Schenkung, bleibt. Ist die Art des früher erhobenen Entgelts fraglich oder hat der Staat von Anfang an keine Gegenleistung gefordert, dann bleibt als Kriteriumnur die Anstalts l e i s t u n g . Die Stellung der einzelnen Anstalten innerhalb der staatlichen Verwaltung gibt einen Hinweis, ob der Staat bei der Leistung privatrechtlich oder obrigkeitlich auftreten will. Nicht das materielle Zweckmoment, d i e f o r m a l e A u s g e s t a l t u n g entscheidet nach alledem über die Natur der im öffentlichen Interesse betriebenen Veranstaltung. Bei der Ausgestaltung kann der Staat seine überwiegende Macht noch weiter betonen, er kann den Untertan zur Annahme der Leistung zwingen, unmittelbar oder durch Verbot gleichartiger Privatbetriebe. Die Anstaltsgewalt über die in den Bannkreis der Anstalt getretenen Personen gestattet dem Staat ferner, die über die Benutzung der Anstaltseinrichtungen getroffenen Vorschriften, „die Anstaltsordnung", mittels Verwaltungszwangs durchzusetzen, die Anstaltspolizei ermöglicht es ihm, unbefugte Eindringlinge abzuwehren. eo) 61)
Otto Mayer I S. 15. Otto Mayer I S. 115.
Der Hafenlotsbetrieb — eine „öffentliche Anstalt",
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V. Oeffentlich-rechtliche Natur der Hafenverkehrsverwaltung. Betrachtet man nun unter diesem Gesichtspunkt der formalen Ausgestaltung die Hafenlotsung, so fällt zunächst auf, daß sie von der übrigen Hafenverkehrsverwaltung 02 ) nicht losgelöst ist. Einer Gruppe der Hafenbeamten obliegt die nautische Beratung der Schiffe als Dienstpflicht, die Ordnung dieser besonderen Anstalt ist Bestandteil der den Hafenverkehr allgemein regelnden Hafenordnung. Offenbar ist der Lotsbetrieb nur ein Stück, nur ein Ausschnitt aus der Gesamtverkehrsverwaltung des Hafens. Ihre Natur zu erkennen, heißt zugleich Aufschluß geben über das durch die Lotsung zwischen dem Staat und dem Schiff entstehende Verhältnis. Das in den Hafen einlaufende Schiff gerät in öffentlich-rechtliche Beziehungen zu dem seine Hafeneinrichtungen darbietenden Hamburger Staat. Der Staat will nicht als Vermieter seiner Hafenanlagen auf Du und Du mit dem Schiff verkehren 83 ). Der öffentliche Strom steht im Gemeingebrauch, die künstlichen Anlagen, die der Staat an und in ihm geschaffen hat, sind teils öffentliche Sachen, die er durch Widmung dem Gemeingebrauch zugänglich gemacht hat64); an einigen dieser Anlagen ist ein gesteigerter Gemeingebrauch infolge besonderer Gebrauchserlaubnis möglich"). Zum Teil bilden die Anlagen den Apparat für eine besondere Gebrauchsgewährung, die Anstaltsnutzung 66 ). Die allgemeine öffentliche Abgabe, „die Gebühr", die der Staat hoheitlich für diese Darbietung erhebt, ist das Hafengeld. Dem Schutz des Gemeingebrauchs am öffentlichen Hafen und seinen Verkehrseinrichtungen dient die zur „Regelung des Verkehrs" im Hafen Hamburg erlassene Hafenordnung. Als Spezialgesetz zur Seeund Seewasserstraßenordnung, zugeschnitten auf die besonderen Verhältnisse des Hafens, sollen ihre polizeilichen Vorschriften den Schifffahrtsverkehr in den richtigen Bahnen halten, den Gemeingebrauch regeln. 62) Hierunter verstehen wir die Verwaltung der zur Erleichterung des Schiffahrtsverkehrs, nicht des Güterumschlags, getroffenen Einrichtungen. Vgl. oben S. 13. 63) Hans. OLG. Bf. V. 468/31 / act. 30/Urt. v. 4. 11. 1931: „Der Staat erhebt Hafengebühren nidit als vertragliche Gegenleistung, als Fiskus, sondern k r a f t Hoheitsrechts" . . . „Die Ausführungen des Bekl. üb. Abschluß eines Vertrages des Bekl. mit jedem die Hafenanlagen benutzenden Schiff" sind „unhaltbar". 64) z. B. die Seezeichen. 65) z. B. die Dückdalben, die St. Pauli-Landungsbrücken. Hier ist noch eine besondere Anlegegebühr zu zahlen. GebührenO. f. d. Benutzung der öffentl. Anlagen im Hbg. Hafen v. 26. 3. 1931 (GVB1. S. 89) §§ 2—4. e8) z. B. die Schleusen, die beweglichen Brücken. Besondere Sdileusengebühr GebührenO. § 11, Brückengebühr § 10. Ob es sich hier bereits um Anstaltsnutzung oder noch um einen gesteigerten Gemeingebrauch auf Grund besonderer Gebrauchserlaubnis handelt, ist fraglich. Die Grenze ist schwer zu ziehen, die öffentliche Anstalt bringt nach Otto Mayer die Dinge „in eine A r t G r o ß b e t r i e b , der durch Dienstanweisung und Anstaltsbetrieb geregelt wird" (Bd. II S. 93). Auf jeden Fall handelt es sich um ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e G e b r a u c h s g e w ä h r u n g , nicht um Vertragserfüllung.
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Erster Hauptteil.
VI. Die Hafenlotsung ist „Anstaltsnutzung". Der Staat tritt also bei der Hafenverkehrsverwaltung dem Sdbiff obrigkeitlich gegenüber, der Betrieb des Hafens ist kein fiskalischer; seinen öffentlichen Zwecken entsprechend ist er als Hoheitsverwaltung ausgestaltet 87 ). Hat der Staat eine gleichfalls der Sicherung und raschen Abwicklung des Schiffahrtsverkehrs dienende staatliche Veranstaltung wie die Lotsung in die Hafenverkehrsverwaltung eingefügt, regelt er sie in der Hafenordnung und läßt er sie nach Entrichtung der allgemeinen Abgabe unentgeltlich durch Hafenbeamte ausführen, so spricht alles dafür, daß diese besondere staatliche Fürsorgeleistung nicht aus dem öffentlich-rechtlich geordneten Betrieb des Hafens herausfallen soll, daß der Staat hier nicht auf dem Boden des Privatrechts den Schiffen begegnen, sondern daß er die Fürsorge in Form der Anstaltsnutzung gewähren will. Dagegen kann man nicht einwenden, daß der Staat sich bei der nautischen Beratung der Schiffe jedes Zwangsmittels entkleidet hat und eine im Belieben des Kapitäns stehende rein fürsorgende Tätigkeit ausübt, daß also scheinbar das Moment der staatlichen Ueberordnung fehlt. Die nautische Beratung der Schiffe ist eine der vielen Einrichtungen, die die Verwaltung des Hafens dem nutzungbegehrenden Schiff zur Verfügung stellt. Ein Zwang zur Benutzung der ganzen oder einzelner Einrichtungen ist aber für das Wesen der Hoheitsverwaltung nicht entscheidend. Wo er vorliegt, beim Gefängnis, dem Heer, den Schulen, wo der Staat seine Leistungen den Untertanen auch wider ihren Willen aufdrängt, wird die einzelne staatliche Veranstaltung allerdings stets eine öffentliche Anstalt sein, weil solcher Zwang mit einem Privatrechtsverhältnis nicht in Einklang zu bringen ist. Begriffsmerkmal der öffentlichen Anstalt ist er ebensowenig wie etwa ein Regal 68 ), dergestalt daß durch ein Verbot der Benutzung anderer Einrichtungen die Benutzer zwangsweise in die Arme der öffentlichen Anstalt getrieben werden. D e r Hamburger Staat glaubt für die Hafenlotsung jedes Zwanges entraten zu können, da er diese Einzeleinrichtung durch ihre Unentgeltlichkeit und die Zuverlässigkeit der Beamten dem Schiffahrtsverkehr genügend schmackhaft gemacht hat. 67) VglTlür die ähnlich gelagerten Verhältnisse im K.-W.-K. RG. 105/100; 106/342. Die öffentlich-rechtliche Beziehung schließt aber eine d e 1 i k t i s di e Haftung des Staates für mangelhafte Unterhaltung der Hafenanlagen nicht aus. Vgl. RG. 106/342 und unten S. 27, insbes. Anm. 91. Das meint vielleicht Borchard in Bordiard-Fulst „Seeverkehrsredit" S. 278, wenn er von ..fiskalischer Eigentumsverwaltung" der Häfen spridit, der er als ..Hoheitsverwaltung" die „Tarifhoheit" und die Hafenpolizei gegenüberstellt. Zum mindesten ist das keine glückliche Terminologie, wenn nicht ein Rückfall in frühere Anschauung, wonadi der Staat — zweigeteilt — als Fiskus sein Eigentum darbietet und für diese Darbietung als Hoheitsperson Gebühren erhebt. Eines von beiden ist nur möglich, der Staat kann entweder fiskalisch, als Vertragspartner, auftreten, oder hoheitlich Gebühren fordern. (Vgl. aber die Ansicht von Hatschek unten S. 28. 8S) Bei öffentlich-rechtlicher Betätigung des Staates spricht man besser von Regal als von einem Monopol, das dem Staat als Fiskus oder Privaten zusteht. Jellinek S. 399.
Der Hafenlotsbetrieb — eine „öffentliche Anstalt",
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F ü r den B e n u t z e r d e r staatlichen P o l i k l i n i k m a g d e r Zwang bestehen, sich bei A u f n a h m e in die A n s t a l t einer R e i n i g u n g zu u n t e r ziehen, seine K l e i d e r z u r D e s i n f e k t i o n a b z u l i e f e r n , d e n täglichen Besuch des A r z t e s zu e m p f a n g e n u n d sich d e n sonstigen strengen Vorschriften der H a u s o r d n u n g zu u n t e r w e r f e n . Zu d e r f ü r seine H e i l u n g erforderlichen O p e r a t i o n w i r d ihn die Anstaltsleitung nicht z w i n g e n können, obwohl sie u n t e r U m s t ä n d e n das Kernstück d e r Anstaltsn u t z u n g bildet u n d sich im R a h m e n des öffentlich-rechtlichen Verhältnisses zwischen Staat u n d n u t z e n d e m K r a n k e n abspielt. H i e r gelten die W o r t e O t t o Mayers 0 0 ): „Die T ä t i g k e i t des Staates f ü r seine Zwecke ist von N a t u r öffentliche V e r w a l t u n g " ; sie liegt im Zweifel auf öffentlich-rechtlichem Gebiet, w e n n sie nicht im Einzelfall „mit den b e k a n n t e n M e r k m a l e n des P r i v a t r e c h t s ausgestattet ist". D e r a r t i g e M e r k m a l e bürgerlich-rechtlicher A r t weist a b e r die H a f e n l o t s u n g in i h r e r j e t z i g e n F o r m nicht auf. Verschiedene Möglichkeiten s t a n d e n d e m Staat z u r privatrechtlichen A u s g e s t a l t u n g des H a f e n l o t s e n w e s e n s z u r V e r f ü g u n g . So k o n n t e e r fiskalisch a u f treten, als V e r t r a g s p a r t n e r dem Schiff e n t g e g e n t r e t e n u n d f ü r die Leistung eine Vergütung, ein Lo t s g e 1 d , f o r d e r n . Tunlich w a r d a n n in einer b e s o n d e r e n L o t s e n o r d n u n g dem Schiff g e g e n ü b e r zum Ausdruck zu b r i n g e n , d a ß es sich u m einen von d e r ü b r i g e n H a f e n v e r k e h r s v e r w a l t u n g g e t r e n n t e n Teil staatlicher T ä t i g k e i t handelte, bei dem eine V e r t r a g s l e i s t u n g gegen ein — erforderlichenfalls vor den ordentlichen Gerichten e i n z u k l a g e n d e s — Entgelt d a r g e b o t e n w ü r d e . D e r Staat k o n n t e das L o t s e n w e s e n a b e r auch a u s dem Kreis seiner staatlichen B e t ä t i g u n g ausschließen, u n d z w a r auf zwiefache Weise. Er k o n n t e seinen g u t eingespielten L o t s e n a p p a r a t b e i b e h a l t e n , dem Lotsbetrieb a b e r die F o r m einer selbständigen juristischen Person, z. B. einer Aktiengesellschaft, einer Gesellschaft mit b e s c h r ä n k t e r H a f t u n g geben, bei d e r er die Lotsen d a n n auf P r i v a t d i e n s t v e r t r a g anstelle. (Man d e n k e a n die dem H a m b u r g e r Staat gehörige H a f e n d a m p f schiffahrts-A.-G.). D e r g e s t a l t w a r die Lotsung auf P r i v a t r e c h t s g r u n d lage gebracht, das e r h o b e n e Lotsgeld vertragliche Gegenleistung. Schließlich k o n n t e d e r Staat die H a f e n l o t s e n zu f r e i e n G e w e r b e t r e i b e n den machen u n d i h n e n tariflich die H ö h e des Lotsgeldes vorzeichnen 7 0 ). Nicht z u f ä l l i g h a t d e r H a m b u r g e r Staat von diesen Möglichkeiten k e i n e n G e b r a u c h gemacht, s o n d e r n die hoheitliche F o r m d e r Lotsung gewählt. N u r in dieser A r t d e r A u s g e s t a l t u n g vermochte das besond e r e öffentliche Interesse, das ihn z u r Bereitstellung von H a f e n l o t s e n treibt, d e r G e d a n k e staatlicher F ü r s o r g e , seine E r f ü l l u n g zu finden. D e n n , w i e das Landgericht Hamburg 7 1 ) t r e f f e n d a u s f ü h r t : „Man muß bedenken, daß dem Lotsenwesen in der Elbemündung und dem im Hamburger Hafen eine ganz verschiedene Bedeutung zukommt. Im ersteren Fall mag es hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, Aufgabe 69 ) 70
Otto Mayer II S. 274. ) Das Recht des Staates zur Mitwirkung bei der Festsetzung der Lotsengelder ergibt sich aus der beschränkten Zulassung von Lotsen nach § 34 Abs. 3 GewO. (meist numerus clausus). Näheres bei Segelken S. 59 ff. 71 ) LG. Hamburg ZK. I. v. 26. 11. 1924 I act. 13 / 412/24 (Cocato-Fall).
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Erster Hauptteil. des Lotsen sein, den ortsunkundigen, ausländischen oder den heimischen Kapitänen, die nach längerer Auslandsfahrt heimkehren, im schwierigen Fahrwasser der Küstengewässer und der Flußmündung eine zuverlässige nautische Stütze zu sein und das von ihnen geleitete oder beratene Schiff vor Strandung oder Auflaufen auf irgendwelchen unsichtbaren Schiffahrtshindernissen zu bewahren; die Tätigkeit dieser Lotsen dient vornehmlich dem privaten Interesse des einzelnen, Lotsen anfordernden, Schiffes. —• Anders im Hamburger Hafen! Das Fahrwasser unterliegt hier einer so ständigen Beaufsichtigung und Bearbeitung, daß die Schiffe mit irgendwelchen unerwarteten und nicht voraussehbaren Hindernissen nicht rechnen brauchen. D e r Staat geht hier nicht darauf aus, durch Zurverfügungstellung eines Hafenlotsen das e i n z e l n e einkommende oder ausgehende Seeschiff j e w e i l s vor Schaden zu bewahren, den es nehmen könnte infolge mangelnder oder mangelhafter Kenntnis des Fahrwassers, der Lage der Einzelhäfen und ihrer Zugänge, der besonders zahlreich befahrenen Hafenreviere etc. Die Gefahr, daß das ein- oder ausgehende Seeschiff ohne Lotsen infolge mangelnder Ortskenntnis Schaden nehmen würde, ist weniger groß als die Gefahr, daß durch ungeschicktes, unrichtiges, den örtlichen Verhältnissen nicht entsprechendes Manövrieren eines solchen Schiffes der überaus starke, den Hafen nach allen Richtungen hin durchkreuzende Verkehr von Fahrzeugen aller Art und Größe gestört oder Kaianlagen beschädigt werden könnten; da sind nicht nur die ein- und ausgehenden Seeschiffe, da sind gleichzeitig Passagier- und Frachtschiffe für Ober- und Unterelbe, Fischdampfer, Fischkutter, Schuten, Kähne, Schleppzüge, Fährdampfer, Jollenführer, Werft- und Reedereibarkassen, die alle mit mehr oder minder großer Schnelligkeit kreuz und quer den Hafen durchfahren; alle diese kleineren Fahrzeuge haben von den größeren und schwerfälligeren Seeschiffen eher etwas zu befürchten -als umgekehrt; wenn es in diesem lebhaften Verkehr durch ungeschickte Manöver eines ortsunkundigen Seeschiffes zu einer Sperrung des Fahrwassers oder zu Kollisionen kommen sollte, so trifft das nicht nur das unmittelbar beteiligte Schiff, sondern es wird zugleich irgendwie hemmend oder störend in den allgemeinen Hafenverkehr eingreifen. Der Schutz der O r d n u n g und Sicherheit des H a f e n v e r k e h r s im a l l g e m e i n e n , nicht die S i c h e r h e i t des einzelnen geleiteten oder beratenen Schiffes, muß als Zweck d e r E i n r i c h t u n g und Durchführung des Hafenl o t s e n w e s e n s a n g e s e h e n w e r d e n."
Aus diesem Fürsorgezweck heraus stellt der Staat dem Schiffahrtsv e r k e h r die Hafenlotsen unentgeltlich zur Verfügung; der gleiche öffentliche Zweck v e r a n l a ß t ihn, die Lotsung durch einen seiner ständigen Kontrolle unterliegenden, vorzüglich durchgebildeten B e a m t e n a p p a r a t s t a t t durch p r i v a t e L o t s e n w a h r n e h m e n zu l a s s e n . Beim H a f e n l o t s e n w e s e n f ä l l t t a t s ä c h l i c h d a s sachliche Z w e c k m o m e n t m i t d e r f o r m a l e n A u s g e s t a l t u n g n o t w e n d i g z u s a m m e n , d e r öffentliche Zweck d r i n g t a u f öffentlich-rechtliche G e s t a l t u n g . D e n n h i e r ist es d e m S t a a t v e r s a g t , die v o n i h m v e r f o l g t e A b s i c h t d e r r e i b u n g s l o s e n V e r k e h r s a b w i c k l u n g in p r i v a t r e c h t l i c h e r F o r m z u r D u r c h f ü h r u n g zu bringen. Die Lotsung würde dann eine vertragliche Leistung ohne G e g e n l e i s t u n g , e i n e u n e n t g e l t l i c h e Z u w e n d u n g des S t a a t e s a n d e n R e e d e r d a r s t e l l e n , m. a. W . e i n e S c h e n k u n g sein. D i e s e R o l l e e i n e s privaten Wohltäters k a n n der Staat Bedürftigen gegenüber annehmen, indem e r e t w a K l e i d e r , L e b e n s m i t t e l usw. an diese unentgeltlich verabfolgt, dem R e e d e r gegenüber, der Lotsgeld z a h l e n kann, ist s i e nicht a m P l a t z . H i e r z i e m t d e m S t a a t n u r d i e h o h e i t liche G e b ä r d e , als H e r r der A n s t a l t von der Gebüh-
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r e n e r h e b u n g für die e i n s e i t i g von ihm normierte Anstaltsleistung abzusehen. Demnach ist die vom Beamten der H a f e n v e r w a l t u n g geleistete nautische Beratung, nadi Maßgabe der in der H a f e n o r d n u n g enthaltenen Bestimmungen, Anstaltsnutzung, eine der vielen Einrichtungen, die der Staat zur Erleichterung des Schiffahrtsverkehrs im H a f e n getroffen hat, eine von ihm in Betätigung staatlicher Fürsorge dargebotene „carte m a r i n e p a r l a n t e qui se rectifie au j o u r le jour" 72 ). Um bei diesem Bild zu bleiben, die Seekarte s p r i c h t n i c h t o b r i g k e i 11 i ch , „ayant autorité" 7 3 ), s i e w i r d i n o b r i g k e i t l i c h e r F o r m d a r g e b o t e n , und deshalb handelt es sich um öffentlichrechtliche staatliche Fürsorge 7 4 ). Diesen C h a r a k t e r einer öffentlichrechtlichen Nutzungsgewährung vermag w e d e r das Fehlen eines unmittelbaren Zwanges — Zwangs- oder Pfliditlotsung —, noch eines mittelbaren Zwanges — staatliches Lotsmonopol, besser Lotsregal — zu ändern.
VII. Hoheitliche Natur der Lotsung auch zur Zeit der Beteiligung der Hafenlotsen an der Hafenmeistergebühr (bis 1923). Wie einleitend besprochen, hat das Hanseatische Oberlandesgericht im Cocato-Fall 75 ) u n t e r der Herrschaft des H a f G . § 5 Abs. 1 und 2 die vom Hafenlotsen dem Schiff geleistete nautische Beratung nicht n u r als privatrechtliche, sondern sogar als private Tätigkeit des Hafenlotsen aufgefaßt, als privat-gewerbliche Leistung in E r f ü l l u n g eines von ihm mit dem Schiffsführer abgeschlossenen Lotsvertrages. Das „wesentliche Merkmal der privatrechtlichen Lotsung", das Entgelt, sei durch die besondere Vergütung gegeben, die jeweils f ü r den Lotsen des Schiffes aus der Hafenmeistergebühr entnommen werde. Eine rein 72
) Courcy II S. 106. ) Aucoc, Conf. sur l'adm. 1 n. 8 zit. b. Otto Mayer Bd. I S. 21 n. 15, sagt, die Verwaltung „joue le rôle d'intendant général de la société, mais intendant ayant autorité". 74 ) Das Landgericht Hamburg HGZ. Hbl. 1913 No. 108 K. VII f. H. Urt. v. 1. 11. 1912 hat bereits i m J a h r 1 9 1 2 ausgesprochen, daß es sich bei der Hafenlotsung um öffentlich-rechtliche Anstaltsnutzung handelt. Ebenso unter Berufung auf dieses Urteil LG. Hamburg Z. K. I. Urt. v. 26. 11. 1924 / 412/24 / act. 13 / (Cocato-Fall). Jetzt scheint sich die Erkenntnis von der öffentlich-rechtlichen Natur der Lotsung überwiegend durchzusetzen: nadi Ansicht des Senats und der Dep. f. Handel, Schiffahrt u. Gewerbe entsteht ein rein öffentlich-rechtliches Verhältnis des Staates zu dem gelotsten Schiff. Ber. d. Hafenverkehrsausschusses 1928 a. a. O. S. 4. Ebenso Schräder in HRGZ. 1929 A Sp. 719 und 722. Vgl. auch T wiehaus in Borchard-Fulst S. 262—63. Dagegen nimmt Schaps 2. Aufl. Bd. II S. 750 Anm 11 zu § 5 d. Hamb. HafG. (vgl. auch Bd. I S. 778 A n n . 4 zu § 737) im Anschluß an das Cocato-Urteil des Hans. OLG. an, daß der Hafenlotse vom Schiffer auf Grund eines Dienst- oder Werkvertrages als Berater angenommen werde. Vgl. auch die Besprechung des Cocato-Urteils durch Sebba selber in Verk. R 1925 S. 820 Anm. zu No. 311. 75 ) Hans. OLG. I. HRZ. 1925 Sp. 618. 73
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rechnungstechnische Maßnahme und für die rechtliche Natur der Lotsgebühr belanglos sei es, daß diese Gebühr erst als ungetrennter Teil der öffentlich-rechtlichen Hafenmeistergebühr eingezogen und dann vom Staat an den Lotsen ausgekehrt werde76). Der vom Staat auf den Lotsen ausgeübte Zwang zum Vertragsschluß sei für die Parteirollen in dem einmal abgeschlossenen "Vertrag ohne Bedeutung 77 ). Die Aufgabe des Staates beschränke sich darauf, eine ausreichende Zahl vertrauenswürdiger Nautiker als Hafenlotsen anzustellen und diese dauernd auf Zuverlässigkeit im allgemeinen, insbesondere bezüglich Erfüllung ihrer Beamtenpflichten (d. h. der polizeilichen Befugnisse der Hafenlotsen) zu kontrollieren. Als Beispiel für die Stellung des Hamburger Staates zur Lotsung führt das Hanseatische Oberlandesgericht das Verhalten einer Behörde an, die im Interesse pünktlicher Beförderung der mit der Bahn ankommenden Reisenden für Bereitstellung von Fuhrwerken am Bahnhof sorgt. Zu der rein nautischen Beratung der Schiffe habe der Staat den Lotsen nicht bestellt. Die Bestellung beziehe sich nur auf seine öffentlich-rechtliche Betätigung als Hafenpolizeibeamter 78 ). An anderer Stelle79) spricht das Gericht von der mit dem A m t (als Gegensatz) verbundenen nautischen Aufgabe des Hafenlotsen. Auch Diestel 80 ) nimmt an, daß der Hafenlotse seine nautische Tätigkeit nicht allein von staatlicher Bestellung, sondern in erster Linie von- dem Vertrag ableitet, den er mit dem Schiffsführer geschlossen hat. Der Staat qualifiziere hierbei die Lotsen für ihren Zivilberuf, für ihr Gewerbe. Nach Diestel handelt der Staat wie in allen Fällen, wo er die wissenschaftliche oder technische Befähigung zu einem Beruf feststellt, dies dem Geprüften bescheinigt und ihn dann seinem Gewerbe nachgehen läßt. Das bedeutet eine völlige Ausschaltung des Staates bei der rechtlichen Beziehung des Hafenlotsen zum Schiff. Von diesem Standpunkt aus gelangt daher das Hanseatische Oberlandesgericht dazu, die von ihm aufgeworfenen Haftungsmöglichkeiten des Staates abzulehnen, da dieser weder selber einen Lotsvertrag mit dem Schiff abschließe, noch etwa vertraglich eine Gewährleistung für eine nautisch einwandfreie Beratung übernehme, noch den Lotsen zu seiner nautischen Tätigkeit bestellt habe (§ 831 BGB.). Allenfalls hafte der Staat aus § 823 BGB., falls er durch Ernennung eines nautisch unzulänglichen Mannes zum Hafenlotsen in dem Kapitän einen Irrtum über dessen Befähigung errege, ihn zum Vertragsschluß verleite und so den Schaden verursache. Der Hafenlotse sei auch nicht verfassungsmäßiger Vertreter des Staates (§§ 31, 89 BGB.), noch stelle die nautische Beratung die Ausübung einer ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt dar (§ 27 a Hbg. AG. z. BGB. = Art. 131 RV:). ") ") 7S) 7ß) M) 7
HRZ. 1925 Sp. 620 unten. a. a. O. Sp. 622. a. a. O. Sp. 625. a. a. O. Sp. 623 unten. Diestel in Eger Bd. 33 S. 247—248.
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Bot die d a m a l i g e Sach- u n d Rechtslage wirklich Anlaß, einen v o n dem j e t z i g e n öffentlich-rechtlich g e o r d n e t e n L o t s b e t r i e b g r u n d v e r schiedenen Z u s t a n d a n z u n e h m e n ? Sprachen wichtige Momente f ü r eine p r i v a t e , gewerbliche, nebenamtliche B e t ä t i g u n g d e r Lotsen? Nach a u ß e n t r a t d e r Staat w i e j e t z t dem e i n l a u f e n d e n Schiff hoheitlich entgegen u n d f o r d e r t e f ü r das Lotsen k e i n e n w a n d e l b a r e n Preis, sondern die H a f e n m e i s t e r g e b ü h r , d e r e n N a t u r als öffentlich-rechtliche A b g a b e u n s t r e i t i g ist. Nicht m i n d e r w i e die G e g e n l e i s t u n g w a r d e r Inhalt d e r Leistung, die A n b o r d n a h m e u n d die T ä t i g k e i t des Lotsen a n Bord, einseitig vom S t a a t e festgesetzt. D i e G e b ü h r e n b e t e i l i g u n g nach § 5 Abs. 2 H a f G . spricht f ü r sich betrachtet ü b e r h a u p t nicht f ü r das Vorliegen eines entgeltlichen P r i v a t v e r t r a g e s , k o m m t doch eine d e r a r t i g e R e g e l u n g auch bei staatlichen Zwangslotsen vor, die amtlich, in A u s ü b u n g öffentlicher G e w a l t a n B o r d t ä t i g w e r d e n . D i e G e b ü h r e n beteiligung ist d a n n n u r eine i n t e r n e M a ß n a h m e d e r Behörde, die es vorzieht, i h r e B e a m t e n anteilig statt fest zu besolden. Entscheidend ist d a h e r allein das I n n e n v e r h ä l t n i s . H i e r stand es im Belieben des Staates, ob e r seinen H a f e n b e a m t e n v e r s t a t t e n sollte, die Lotsung als p r i v a t e s G e w e r b e zu b e t r e i b e n , i h n e n n u r , g e n a u w i e einer p r i v a t e n Lotsengesellschaft, gewisse V e r h a l t u n g s m a ß r e g e l n vorschreiben wollte, die A r t d e r Lotsung obrigkeitlich festlegen 8 1 ) u n d sich zum E i n k a s s i e r e r des Lotsgeldes machen wollte; oder ob e r den Beamten die nautische B e r a t u n g als D i e n s t p f l i c h t auferlegen u n d i h n e n z u r S t e i g e r u n g des D i e n s t e i f e r s statt fester Besoldung einen Anteil an d e n a u f k o m m e n d e n G e b ü h r e n z u k o m m e n lassen wollte. D e r Staat h a t d e n letzteren, den n a t ü r l i c h e r e n W e g eingeschlagen; e r hat' durch d e n A n s t e l l u n g s a k t die H a f e n l o t s e n auch auf die nautische Ber a t u n g verpflichtet 8 8 ) u n d i h n e n in d e r D i e n s t a n w e i s u n g i h r e dienstliche T ä t i g k e i t — nautischer u n d polizeilicher N a t u r — gleichmäßig vorgezeichnet. Auf diese Weise vermochte e r auch nautische Vorstöße disziplinarisch zu a h n d e n u n d behielt so die K o n t r o l l e ü b e r die Lotsleistung in d e r Hand 8 '). A n dieser Rechtswirklichkeit ist das Hanseatische O b e r l a n d e s gericht mit seiner K o n s t r u k t i o n des p r i v a t e n L o t s v e r t r a g e s vorbeigegangen u n d k o m m t so zu dem g e k ü n s t e l t e n Ergebnis, d a ß d e r Staat die von ihm als H a f e n l o t s e n a n g e s t e l l t e n N a u t i k e r d a u e r n d auf i h r e Zuverlässigkeit p r ü f t u n d sie zum Abschluß von L o t s v e r t r ä g e n 81 ) 82
§ 34 Abs. 3 GewO. ) Vgl. Schräder in HRGZ. 1929 A Sp. 718. Schräder (in HRGZ. 1929 A Sp. 718) weist mit Recht darauf hin, daß die dauernde entgeltliche Privattätigkeit von Staatsbeamten und Angestellten nach § 5 Ziff. 2 d. hamb. Beamten-Besoldungsgesetzes v. 17. 7. 1929 und nach § 22, 3 des Tarifvertrages für die hamb. Staatsangestellten v. 19. 9. 1929 erlaubnispflichtig ist und es auch früher war; eine Genehmigung an die Hafenlotsen oder Hilfslotsen, Lotsungen als entgeltliche Nebenbeschäftigung vorzunehmen, ist auch vor 1923 niemals erteilt worden, eben weil das Lotsen ihre Dienstpflicht war.
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Erster Hauptteil.
zwingt. Das ist eine „außeramtliche Privattätigkeit" 8 4 ), bei der dem Hafenlotsen nicht viel Bewegungsfreiheit gelassen ist86)! Wie ist diese irrtümliche u n d auch in f r ü h e r e n Entscheidungen 86 ) u n d im Schrifttum 87 ) v e r t r e t e n e Auffassung der Hafenlotsung als einer privaten Tätigkeit zu e r k l ä r e n ? Sie kommt zunächst daher, daß das Lotsen ursprünglich zumeist als freies G e w e r b e betrieben w u r d e , und daß sich der Staat erst allmählich der Schiffe durch die Anstellung von Beamten zu Z w a n g s lotsen annahm. Aus der A r t der Lotsung zog man alsdann einen Rückschluß auf die Beteiligung des Staates. Mit dem Begriff staatlicher W i r k s a m k e i t v e r b a n d man den G e d a n k e n an den Zwangslotsen, n u r dessen obrigkeitliche A n o r d n u n g e n schienen dazu angetan, dem Willen des Staates Ausdruck zu verleihen. Als der H a m b u r g e r Staat nun durch das Hafengesetz von 1897 sich seiner ihm durch die Gerichte auf G r u n d der H a f e n o r d n u n g von 1866 zugesprochenen Zwangsbefugnisse bei der Lotsung entkleidete, die Schiffsleitung f ü r d e r n u r noch durch seine Beamten nautisch b e r a t e n ließ, das staatliche Uebergewicht also dem Schiff gegenüber nicht m e h r zum Ausdruck brachte, sodaß diese Lotsung sich nicht m e h r von der Tätigkeit der sonstigen privaten Lotsen im H a m b u r g e r H a f e n unterschied, entstand die Meinung, der Staat habe n u n m e h r die amtliche Hafenlotsung aufgegeben. Weil man noch u n t e r dem Einfluß polizeistaatlicher Anschauung amtliche Tätigkeit mit obrigkeitlichem Zwange gleichsetzte, e r k l ä r t e man sich jetzt die Lotsung als private Beschäftigung der Lotsen. Man übersah, daß im Innenverhältnis der Staat dem Lotsen lediglich eine a n d e r e A r t der amtlichen Betätigung a n v e r t r a u t hatte. Auch f r ü h e r hat der H a m b u r g e r Staat die Hafenlotsung durch seine Beamten in amtlicher Eigenschaft a u s f ü h r e n lassen. D e r Hafenmeister und seine Gehilfen hatten bereits das Ein- und Ausholen der Seeschiffe zu besorgen; sie erhielten h i e r f ü r bestimmte Anteile der G e b ü h r e n . Als später zur Entlastung des Hafenmeisters die ersten drei „Hafenlootsen" mit dieser Bezeichnung angestellt w u r d e n , bestand M
) RG. 114/201. ) Es nimmt nidit wunder, daß diese A u f f a s s u n g des Hans. OLG. in Sdiiffahrtskreisen auf kein Verständnis gestoßen ist. So b e m e r k t Kapitän K n a p p in einem Aufsatz ü b e r das Cocato-Urieil in H a n s a 1926 S. 1308 nicht zu Unrecht: .,Da die Hafenlotsen n a d i § 3 des HafG. vom Staat e r n a n n t und aus den von den Schiffen zu zahlenden Abgaben besoldet werden, sind sie Angestellte des Staates. D a ß s i e a b e r i n A u s ü b u n g ihres D i e n s t e s , wegen dessen sie vom Staat e r n a n n t sind, plötzlich i h r e r Beamtenstellung enthoben sein sollen, ist eine Auslegung, die ü b e r Laienverstand hinausgeht. D e r Hafenlotse, welchen ich auf mein Lotssignal an Bord bekomme, "ist a u s f ü h r e n d e Person des Staates, mit welchem ich durch die A n f o r d e r u n g eines Lotsen bei der staatlichen Lotsenstation einen V e r t r a g abschließe auf Gestellung eines Lotsen, w o f ü r d a n n a u c h d e r S t a a t d i e G e b ü h r e n e i n z i e h t , nicht a b e r der Lotse. Wie hierbei von einem P r i v a t v e r t r a g zwischen Hafenlotsen und Kapitän die Rede sein kann, ist mir unerfindlich." 86 ) Vgl. oben S. 3 Anm. 13. 87 ) Diestel in Eger Bd. 33 S. 247 „Die staatliche Vollmacht des Hafenlotsen b e s c h r ä n k t sich auf die Anweisung des Liegeplatzes und auf d i e Ausübung gewisser hafenpolizeilidier Rechte." m
Der Hafenlotsbetrieb — eine „öffentliche Anstalt".
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ihre Pflicht vor allem, wie der Name zeigt, im Lotsen. Sie erhielten festes Gehalt. D i e Art der Besoldung hat geschwankt, später wurden Metergelder neben festem Gehalt eingeführt, immer ist aber das Lotsen Dienstpflicht der Hafenlotsen gewesen, niemals Privattätigkeit 88 ). D i e von den Beamten der Hafenverwaltung geleistete Navigierung ist niemals aus der gesamten Hafenverkehrsverwaltung herausgelöst worden. Sie hat stets einen Teil dieser hoheitlichen T ä t i g k e i t des Staates gebildet.
88 ) Die ersten drei 1858 angestellten Hafenlotsen erhielten ein Gehalt von 1000 Mark courant. Das Gehalt stieg im Jahr 1878 auf 1500 Mark. Das war selbst für damalige Zeiten ein redit bescheidenes Einkommen. Da zudem die Hafenlotsen persönlich für Kollisionssdiäden verantwortlich gemacht wurden, (vgl. oben S. 2), war es üblich, daß sie von den Schiffen mehr oder minder hone G r a t i f i k a t i o n e n für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit erhielten. So erklärt sidi die Aeußerung des Lotsenvertreters vor dem Hafenverkehrsausschufi (Ausschufiber. 1928 Nr. 18 S.l), die Hafenlotsen seien bis zum Jahr 1897 s o z u s a g e n Gewerbetreibende gewesen, d. h. sie hätten für jedes Schiff nach Gröfie und Tiefgang bezahlt erhalten (wahrscheinlich wurden die Gratifikationen nach diesem Gesichtspunkt bemessen). Das HafG. von 1897 beseitigte dann die Zwangslotsung und gewährte den Hafenlotsen durch die wiedereingeführte Beteiligung an der Hafenmeistergebühr ein auskömmliches Gehalt. Vgl. dazu auch Mtt. d. Senats an d. Bürgersch. v. 24. 4. 1893 Verhdlg. 1893 A 380 ff. Hier wird auch zum Ausdruck gebracht, dafi der Anteil der Hafenlotsen an der Hafenmeistergebühr „als pensionsfähiges Einkommen anzusehen und bei Bemessung des Ruhegehalts im Falle der Pensionierung in Gemäßheit des § 36 des Disziplinar- und PensionsG. für die nichtrichterlichen Beamten (Wulff 2. Aufl. Bd. I S. 154) in Rechnung zu ziehen" sei. So erklärt es sich auch, daß nach § 5 Abs. 2 Satz 3 HafG. v. 1897 die Dep. f. Handel, Schiffahrt u. Gewerbe im Interesse einer gleichmäßigen Besoldung der Hafenlotsen „die näheren Bestimmungen über die Verteilung und Berechnung der Gebühren feststellt". Vgl. dazu Vhdl. 1893 S. 381.
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Zweiter Hauptteil.
Zweiter Hauptteil. Die Haftungsnormen bei der Anstaltsnutzung. I. Besondere und allgemeine Haftungsnormen. Der tatsächliche Verlauf der Anstaltsnutzung führt verhältnismäßig selten zu reditlichen Konflikten. Die strenge Ordnung der Anstalt, die die Gehilfen des Staates, die Anstaltsorgane, bindende Dienstpflicht, bieten Gewähr dafür, daß sich die Anstaltsnutzung in vorgeschriebenen Bahnen reibungslos vollzieht. Wie aber, falls sich ein Fehler ins Getriebe des aus Sadien und Personen gemischten Apparates einschleicht, falls ein Anstaltsorgan schuldhaft dem Nutzenden einen Schaden zufügt? Welche Behelfe gewährt das Redit bei einem derart erkrankten Rechtsverhältnis dem Geschädigten? Beim privatrechtlich geordneten Betrieb kann der Verletzte seinen Anspruch auf den Vertrag (§§ 276, 278 BGB.) und/oder auf unerlaubte Handlung (§§ 51, 89, 825 ff. BGB.) stützen. Anders bei der vom öffentlichen Recht beherrschten Beziehung, der Anstaltsnutzung. Kein Gesetzbuch, etwa ein „Recht der öffentlichen Anstalt" gibt allgemein Auskunft, wie der Verletzte zu seinem Recht gelangen soll. Im Einzelfall mag ein besonderes Gesetz dem Herrn der Anstalt die Haftung auferlegen oder dieser selber kann in der „Anstaltsordnung" über seine Haftung Bestimmungen treffen. Fehlt es an derartigen Sondervorschriften und weigert sich die Anstaltsleitung für den Schaden aufzukommen, so erhebt sich die Frage nach einer allgemeinen Haftungsnorm. Die allgemeinen Grundsätze des öffentlichen Rechts haben Wissenschaft und Praxis ausgebildet. Ihre Erkenntnisse für das Gebiet der Anstaltsnutzung haben wir zu betrachten. Dabei ist die Rechtsprechung des Reichsgerichts in den Vordergrund zu stellen.
II. Scheidung von Dominium und Imperium. Anstaltswartung im Gegensatz zu Anstaltsfür sorge. Ausscheiden soll für unsere Untersuchung eine Gruppe von Fällen, die sich allerdings auch als Schadenszufügung darstellen, wo aber die in der Anstaltsleistung dargebotene staatliche Fürsorge sich ni