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German Pages 211 Year 2000
Schriften zur Rechtsgeschichte Band 80
Die Reform des Rechtsstudium zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen Von
Ulrich Kühn
Duncker & Humblot · Berlin
ULRICH KÜHN
Die Refonn des Rechtsstudiums zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 80
Die Reform des Rechtsstudiums zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen
Von Ulrich Kühn
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Kühn, U1rich:
Die Reform des Rechtsstudiums zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen / Ulrich Kühn. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zur Rechtsgeschichte; H. 80) Zug!.: München, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10081-6
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-10081-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069
Vorwort Vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1998/99 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München zur Promotion angenommen. Für die Mithilfe bei dieser Arbeit bedanke ich mich bei Sonja Oswald und Nicole Salditt für ihre interessierte Prüfung und Herrn Dr. Jörg Müller für seine unermüdliche Beratung. Besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Peter Landau, der mir als Doktorvater stets geduldigen und kundigen Beistand leistete. Nicht zuletzt wäre die Arbeit ohne die Rücksichtnahme und Unterstützung durch meine Familie nicht zustande gekommen. München im Herbst 1999
Ulrich Kühn
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung .......................................... .. ......... .. ..................
15
I. Themenabgrenzung ........... .... ............. .. .. .... ...... ................
15
1. Sachlich ...................................................................
15
2. Zeitlich ............... . . . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . . . . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .
16
3. Räumlich ..................................................................
17
11. Quellen ................................. . ....................................
17
1. Nonnen ...................................................................
17
2. Parlamentarische Äußerungen ......................... .. ..................
18
3. Vorlesungsverzeichnisse und Studienordnungen ............................
18
4. Literarische Äußerungen . .. . . . . .. . . .. .. . . . .. . . . .. .. .. .. . . .. . . . . .. .. . .. . . . . .
19
a) Enzyklopädien.........................................................
19
b) Monographien .........................................................
19
c) Zeitschriftenaufsätze . .. . . . . . .. . .. .. . . . .. . . . . . .. .. . . . . .. . . . . .. .. . . .. . .. .
19
d) Biographien ...........................................................
20
111. Aufbau ............... .. . . .. . . . .. . . . . . .. . . .. . . . . .. . . . . .. . . .. . . . .. . . . .. . . . . .. . .
20
B. Die Entwicklung des Rechtsstudiums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
I. Gesamtschau .................................................................
22
I. Ab 1848 ...................................................................
22
2 ...De I' enseignement du droit ... " .. . .. .. . . . . .. .. . . . . .. . . . . . . . .. .. . . .. .. . .. . .
23
3. Eisenacher Konferenz .....................................................
25
4 ... Krise der Justiz" ...................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
5. Nach dem ersten Weltkrieg................................................
28
6 ...Staatsreferendar und Staatsassessor" .................... . . . .. . .. . . . .. . . . . .
29
7. Überfüllung der Hochschulen..............................................
31
II. Entwicklung in den einzelnen Teilaspekten ..... . ................. . ...........
32
1. Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . .. . . . . . . . .
32
a) Schulausbildung .......................................................
32
b) Zulassung von Frauen .................................................
38
8
Inhaltsverzeichnis 2. Lernfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
a) Bis 1848 ...............................................................
40
aa) Semesterprüfungen ...............................................
41
bb) Beschränkungen der Freizügigkeit ................................
42
b) Bis zur Reichsgründung .......................... .............. .......
42
aa) 4. Deutscher Juristentag 1863 .....................................
42
bb) Beschränkungen der Freizügigkeit ................................
43
c) Bis zur Jahrhundertwende ..............................................
44
aa) Freizügigkeit......................................................
44
bb) Zwischenexamen .................................................
44
d) Bis zum Ersten Weltkrieg ....................... . ......................
45
aa) 26. Deutscher Juristentag 1902 ....................................
45
bb) Zwischenzeugnisse ...............................................
46
cc) Bis Kriegsbeginn ..................................................
47
e) Nach dem Ersten Weltkrieg............................................
48
aa) Zwischenprüfung .................................................
48
bb) Pflichtübungen....................................................
49
cc) Denkschrift des preußischen Kultusministeriums..................
49
3. Lehrmethode ..............................................................
50
a) Bis 1870 ...............................................................
50
aa) Vorlesungen ......................................................
50
bb) Sonderformen ................. .. . . . . .. . . . . . . . .. . .. . . . . .. . . . .. .. .. .
51
cc) Praktische Übungen ........... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
51
dd) Repetitorien.......................................................
53
b) Bis zum BGB ............................... . ................ . . . ....... aa) Übungen..........................................................
53 53
bb) Anfängerübungen .................................................
54
cc) Eisenacher Konferenz...................................... .. .....
55
dd) Zwischenpraktikum ...............................................
55
ee) Vorlesungen ......................................................
56
ff) Praktische Lehrer .................................................
56
c) Bis zum Ende des Kaiserreichs.........................................
57
aa) Übungen ..........................................................
57
bb) Anschauungsunterricht............................................
58
ce) Zwischenpraktikum ...............................................
59
dd) Praktische Lehrer .................................................
61
d) Nach dem Ersten Weltkrieg............................................
61
aa) Teilnehmerbeschränkungen bei Übungen..........................
61
Inhaltsverzeichnis
9
bb) Vorlesungen
62
cc) Repetitorien ...................................................... .
63
dd) Assistenten ................... . .................................. .
64
ee) Praktika .......................................................... .
65
4. Studienfächer .......................... . .................................. .
65
a) Einführungen ......................................................... .
65
aa) Allgemeine Einführung durch ein philosophisches Grundstudium
65
bb) Fachbezogene Einführung ........................................ .
70
(1) Encyclopädien ............................................... .
70
(2) Römisches Recht und Rechtsgeschichte ...................... .
74
(3) Privatrecht ................................................... .
80
(4) Öffentliches Recht ..................... . ................... . . .
81
(5) Strafrecht .............................. . .......... . .......... .
83
b) Zivilrecht ............................................................. .
83
aa) Entwicklungen bis 1848 .......................................... .
83
(1) Partikularrecht ............................................... .
84
(2) Deutsches Privatrecht ........................................ .
84
(3) Zivilprozeßrecht ............................................. .
85
(4) Lehnrecht .................................................... .
85
bb) Bis zum BGB .................................................... . (1) Handelsrecht ................................................. .
86 86
(2) Zivilprozeßrecht ............................................. .
87
(3) Sondergebiete ................................................ .
87
cc) Einführung des BGB ............................................. .
88
(1) Bisherige Lehre des römischen Rechts ........................ .
88
(2) Vaterländisches Recht ........................................ .
88
(3) Eisenacher Konferenz ........................................ .
89
(4) Unterricht des bürgerlichen Rechts ........................... .
91
(5) Bis zum Ersten Weltkrieg .................................... .
91
dd) Weimarer Republik .............................................. .
92
(1) Wirtschaftsrecht .............................................. .
92
(2) Arbeitsrecht .................................................. .
93
(3) Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts ....................... .
94
(4) Verkürzungen zu Ende der Weimarer Zeit .................... .
94
(a) Zivilprozeßrecht ......................................... .
94
(b) Übrige Verkürzungen ..................................... .
96
10
Inhaltsverzeichnis c) Strafrecht..............................................................
97
aa) Beginn des 19. Jahrhunderts.......................................
97
bb) Bis zu den Reichsjustizgesetzen ...................................
97
cc) Bis 1900 ..........................................................
98
dd) Bis zum Ersten Weltkrieg
99
(I) Materielles Strafrecht
99
(2) Nebengebiete ................................................. 100 ee) Nach dem Ersten Weltkrieg ................ . ...................... 101 d) Öffentliches Recht ..................................................... 102 aa) Ausgangssituation ................................................ 102 (I) Staatsrecht.................................................... 102
(2) Verwaltungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 102 (3) VerwaItungsrecht ................. . ............................ 103 (4) Verwaltungsreferendariat .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
103
bb) Ab 1848 .......................................................... 104 cc) Ab der ReichsgIiindung ........ . ........................... . ...... 105 (I) Staatsrecht .................................................... 105 (2) Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 105 (3) Reformforderungen ........................................... 106 (4) Verwaltungsreferendariat ...................................... 107
dd) Ab 1900 .......................................................... 108 (I) Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
(2) Prüfung ............................. . .............. . .......... 108 (3) Verwaltungsreferendariat ...................................... 109 ee) Nach dem Ersten Weltkrieg ....................................... 1\0 (I) Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
(2) Konflikt mit anderen Disziplinen.............................. 1\0 (3) Prüfung ....................................................... 1\ 1 (4) "Staatsreferendar und Staatsassessor" ......................... 111 (5) Prüfung....................................................... 112 e) Kirchenrecht........................................................... 1\3 aa) Ausgangssituation ......... . . . .................................... 1\ 3 bb) Ab 1848 .......................................................... 1\4 cc) Jahrhundertwende ................................................. 1\4 dd) Nach dem Ersten Weltkrieg ....................................... 115
Inhaltsverzeichnis
11
f) Recht mit Auslandsbezug ..... . ... .. .. . .. . ... . . . . . . .. . .. . . . . . . .. . .. . ...
115
aal Bis zur Reichsgründung ... .. ............ . . .. ................ . .....
115
(I) Völkerrecht .... . ... .. . . ........ . . . . . ........... . . . .. ......... . 115 (2) Ausländisches Recht I Rechtsvergleichung .......... . . . . . . . . . . . 116 bb) Ab 1870 . .... .. . ... . . . . . ....... .. ...... .. . .. ... . . . ..... . . . . ... ....
117
(I) Völkerrecht . ... ... . ... ... ...... . . .. ..... .. . . . . . .. ..... . ... . . . . 117 (2) Internationales Privatrecht I Strafrecht .... . . . . . . . . . . . . ... . . .. . . 117 (3) Rechtsvergleichung .. . ......... . ..............................
I I8
g) Grundlagenfächer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
119
aal Ausgangslage ... ..... . . ... . . . . . . .... . . . . . . . . . . . .. . ... . . .. . .... ....
119
bb) Bis zum BGB ... . .. . . . . .. .. . . . .... . ... .. ..... . .......... .. .. . .... . 120 (I) Historische Schule .. .. . . .............. . . . . ..... . .. . ... . ... ... . 120 (2) Nach 1848 .. ... ... . . . ... . . . . . . . . . . . . ... . .. . . .. . . . . . .... . . .. . .. 120 cc) Einführung des BGB .. . ...... . ........ . .. . ............ . . .. . .. .. . . . 122 dd) 20. Jahrhundert .. . . ... . .. .......... . .. . ............ . . ..... .... . ... 123 (I) Vor 1918 ... ..... . . ......... . . ..... . ........ . ...... .. . . . .. .. . ..
123
(2) Nachkriegszeit .... .. .. ...... . ... .. . . .... . ... . ..... .. . . . . .. . ... 124 (3) Konsolidierung. . . . .. . ........ . .. ... . ... . . . ..... . . ... . ... ... . .. 125 h) Einbeziehung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. . . . . . . . . . . . . .. 126 aal Ausgangssituation .... .... . . ....... .. ... .. . ... ......... .. . . . . ..... 126 bb) Ab 1848
. . . . ...... ...... ........ .. .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .... . . . . 127
cc) Seit der Reichsgründung . .. . .. . .. . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . ... .. . . .. 128 dd) Seit 1900 ..... . ............... . ........ . ........... .. .. . . .. ....... 130 ee) Nach dem Ersten Weltkrieg ....... . . .... . . .......... . ........... . . 132 5. Studiendauer ... . . .... .. .. .. . . .... . . . . . . . . .... . . . .... . .............. . . . . ... 135 a) Ausgangssituation ......... . . . ... . .. . .. . . . .. . . . . ... . . .. . . . . . . .. .. . ..... 136 b) Ab 1848 . ... . ....... .. . ... . . . . . . ...... . . . . . ..... . ...................... 137 c) Seit der Reichsgründung . .... . .. ...... . ..... . . ... ... . ................ . . 138 d) Ab 1900 . ... .............. ..... . . . . .. . . ..... . .. . .. . .. . . . .. .. . .. . .. . . ... 141 e) Ab dem Ersten Weltkrieg. . .. . ...... . .. . . . . .. . . . . . . .... . .... . . ... .. . ... 143 aal Sonderregelungen für Kriegsteilnehmer...... . ... . . . .. . .. .. . . .. . .. 143 bb) Nach dem Ersten Weltkrieg........ . ...... . . . . . . ... . .. .. ... .. . . . .. 145 cc) Ferienkurse . . ...... . . .......... .... . .. . . . . ... . .. ... . . . . .. . . . . . . .. . 146 dd) Vereinbarung zwischen Reich und Ländern . ... . . . .. . . . . .. . .... . . . . 147
12
Inhaltsverzeichnis 6. Examen a)
147
Ab 1848 ..................................................... .. ........ 148 aa) Generelle Einrichtung............................................. 148 bb) Prädikate ......................................................... 149 cc) Öffentlichkeit..................................................... 150 dd) Prüfer............................................................. 150 ee) Zeitliche Aufteilung ............................................... 153 ff) Prüfungsfonnen................................................... 153
b) Ab dem Ersten Weltkrieg .............................................. 155 aa) Notprüfungen .............•....................................... 155 bb) Freiversuchsregelung ............................................. 155 cc) Prüfer............................................................. 156 dd) Zeitliche Aufteilung ............................................... 157 ee) Hausarbeit oder Klausur .......................................... 158 ff) Organisation...................................................... 158
c. Studienreform und Rechtstheorie
................................................ 160
I. Historische Schule und Begriffsjurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160 1. Rechtstheorie .............................................................. 160
a) Ausgangssituation ..................................................... 160 b) Historische Rechtsschule .............................................. 161 2. Entwicklung des Rechtsstudiums .......................................... 162 a) Freiheit und Zwang.. ...... ..... . .. . .. ...... . . . ... ... ... ... . . ... . ...... 162 b) Auswahl! Anordnung der Fächer....................................... 163 c) Lehnnethodik ......................................................... 166 11. Objektive Auslegungstheorie ................................................. 168 1. Rechtstheorie .............................................................. 168
a) Ausgangssituation ..................................................... 168 b) Objektive Auslegungstheorie .......................................... 168 2. Entwicklung des Rechtsstudiums .......................................... 170 a) Fächerauswahl ..................... . ................................... 170 b) Lehnnethodik ......................................................... 171 c) Herausdrängen des Römischen Rechts......................... .. ...... 172 III. Interessenjurisprudenz. Freirechtsschule und Rechtssoziologie. . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Rechtstheorie ... . . . . . . .. . . . . .. . .. . .. . .. . . . .. . . .. . . . .. . . . . .. .. .. .. .. . . . . .. .. 172
Inhaltsverzeichnis
13
2. Entwicklung des Rechtsstudiums .......................................... 173 a) Lehnnethodik I Fächerauswahl ..................................... . ... 173 b) Öffnung der Universitäten............................................. 174 IV. Nach dem Ersten Weltkrieg .................................................. 175 1. Rechtstheorie .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 175
2. Entwicklung des Rechtsstudiums .......................................... 176 a) Öffnung der Universitäten ............................................. 176 b) Studienziel ............................................................ 177 c) Überfüllung der Hochschulen.......................................... 178 D. Fazit ................................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 179 Literaturverzeichnis .................................................................. 183 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 207
A. Einleitung Die Reform des juristischen Studiums, der juristischen Ausbildung überhaupt ist derzeit in der Diskussion. Die heutige Form der Universitätsausbildung, so heißt es, genügt den Erfordernissen unserer Zeit nicht mehr. Neuerung tut Not, soll unser juristischer Nachwuchs im europäischen und internationalen Wettbewerb nicht untergehen. Die Schuld an diesem Zustand wird bald den Professoren, bald dem Staat zugeschoben. Unter dem Druck der durch die öffentliche Meinung geäußerten Bedürfnisse hat der Gesetzgeber reagiert. Seine Maßnahmen, Freiversuchsregelungen (salopp: "Freischuß") zu ermöglichen oder die zeitlich gestaffelte Ablegung des ersten Staatsexamens zuzulassen,l sowie die Einführung eines Fachhochschulstudienganges "Wirtschaftsjurist" werden rege diskutiert, gelobt oder gescholten. Auf der anderen Seite steht der Vorwurf, es hätte sich hinsichtlich einer Reform des Rechtsstudiums auf der Universität nicht viel getan, die Entwicklungen der Zeit seien an den Fakultäten vorbeigegangen. Unter diesem Aspekt ist es ein aufregendes Unterfangen, zu untersuchen, ob und wie sich der Rechtsunterricht seit 150 Jahren entwickelt hat, ob sich wirklich nichts getan hat, welche Reformen angefangen, welche verwirklicht wurden und ob alle Neuerungen unserer Zeit wirklich so neu sind. Im Hinblick auf diese Diskussion ist aber gleichwohl interessant, welche Reformansätze sich durchsetzen konnten und welche untergingen, welche Faktoren bestimmen, ob eine Neuerung zur Durchführung gelangt oder schon die Hürde der ersten diskursiven Auseinandersetzung nicht überspringt. Die Beantwortung dieser Fragen scheint mir hilfreich, um künftige Reformen schon frühzeitig auf ihre Durchsetzungsfahigkeit sowie ihre Aussicht auf Dauerhaftigkeit hin beurteilen zu können.
I. Themenabgrenzung 1. Sachlich Eine große Gefahr bei der Themenstellung "Reform der Juristenausbildung" besteht in einer übermäßigen Ausuferung, die leicht auf Kosten der Übersichtlichkeit gehen kann. Aus diesem Grunde muß eine Eingrenzung des Themas vorgenommen werden. Ziel der Untersuchung soll daher nur das Rechtsstudium an den UniversiI
§§ 5d V 2, 5d 11 2 DRiG.
16
A. Einleitung
täten sein, das auf den späteren Juristenberuf hinführen sollte. Ausscheiden muß eine Erörterung der Referendarausbildung, die dem Staat oblag und andere Ziele verfolgte. 2 Gleichfalls wird die Frage der Promotion sowie der Habilitation, des gesamten akademischen Werdeganges bis zur Professur ausgespart. Das Augenmerk dieser Arbeit soll auf dem allgemeinen Rechtsstudium zur Vorbereitung auf den späteren Beruf liegen, dessen Entwicklungen vielfältig genug sind und aufgrund der Bedeutung für einen größeren Personenkreis weitreichendere Schlüsse zulassen. Zuletzt werden auch Veränderungen hinsichtlich Studien- und Prüfungsgebühren sowie die organisatorische Anordnung des Hochschulstudiums allgemein nicht untersucht. Auch wenn derartige Maßnahmen durchaus Auswirkungen auf die Gestaltung einzelner Fächer und Veranstaltungen haben können 3 , beschränkt sich diese Arbeit auf spezifisch die juristischen Fakultäten betreffende Reformen.
2. Zeitlich
Eine Eingrenzung muß das Thema auch in zeitlicher Hinsicht erfahren. Der Zeitraum der hier gemachten Beobachtungen reicht etwa von 1848 - bis 1933.4 Wenn diese Spanne auch nicht eigentlich das 19. Jahrhundert umfaßt, so scheint mir dennoch eine nicht an numerischen Wendepunkten orientierte Aufteilung sinnvoll. Den Beginn markiert eine zunehmende Regulierung der Juristenausbildung. Seit etwa 1800 (Preußen 1793, Bayern 1799) wurde die zweistufige Ausbildung als Regelfall normiert. Infolgedessen bemühte sich der Staat auch die Universitätsausbildung, neben dem von ihm durchgeführten Vorbereitungsdienst zu regulieren. In Bayern wurden seit 1830 die Abgangsprüfungen von der Hochschule vom Staat vorgeschrieben und überwacht, und 1835 stellte der Staat auch detaillierte Vorgaben für den Ablauf des Studiums auf. 5 Preußen legte 1844 die auf der Universität zu hörenden Vorlesungen fest. 6 Vor allem aber traten seit 1848 durch die politischen Veränderungen immer häufiger "demokratische" Normgeber wie Normziele auf. Intentionen sowie die Wege zu ihrer Verwirklichung orientierten sich immer stärker an der Öffentlichkeit, was die Relevanz für Reformansätze dieser Tage um so stärker betont. Das Ende des Untersuchungszeitraumes markiert dagegen das Ende demokratischer Ziele und Strukturen in Deutschland. Die Vorstellungen des NationalsozialisZu diesem Thema s. Ebert, Nonnierung 1995. Derzeit unter dem Stichwort ,,Evaluation der Lehre" diskutiert. 4 So auch Ebert, Nonnierung 1995, S. 16. 5 Allerh. VO v. 6. 3. 1830, Weber, Bd. 2, S. 525 ff.; ME v. 18.5. 1835, Döllinger, Bd. 9, S. 284 ff. 6 AVv. 16. 11. 1844,JMB1.1844,S.251. 2
3
11. Quellen
17
mus über eine richtige Juristenausbildung stellen in ihren wesentlichen Punkten eine Zäsur dar, die an die Entwicklung seit 1848 nicht mehr folgerichtig anschließt, weshalb diese Betrachtung mit dem Jahr 1933 endet.
3. Räumlich Eine Beschränkung wurde auch in territorialer Hinsicht vorgenommen. Soweit die Diskussionen nur örtlich begrenzte Veränderungen erfaßten, wurde nur Preußen und Bayern, respektive deren größte Landesuniversitäten, Berlin und München berücksichtigt. Um eine zu weite Auffacherung zu vermeiden, sollen die Entwicklungen in lediglich zwei Ländern in Deutschland untersucht werden. Aufgrund des eindeutig feststellbaren Nord-Süd-Antagonismus und der bestimmenden Funktion (in politischer wie kultureller Hinsicht) für Deutschland wurde Preußen gewählt. Auf der anderen Seite steht Bayern mit seiner Entwicklung als ein typischer Vertreter des südlichen Systems mit eigenständigen Ansätzen, dessen Universität München im Verlaufe der Zeit nicht zuletzt aufgrund ihrer Studentenzahl eine herausragende Rolle in Deutschland spielte. 7 Die besonderen Veränderungen, die das juristische Studium in Österreich und Sachsen oder auch Württemberg erfuhr, werden daher aus Gründen der Anschaulichkeit nicht besprochen.
11. Quellen 1. Normen Für einen Juristen ist es naheliegend, bei der Erforschung der Entwicklungen im Rechtsstudium zunächst die einschlägigen normativen Regelungen zu betrachten. Tatsächlich wurden aber Gesetze zu diesem Thema nur in geringem Maße erlassen (1869, 1878, 1879, 1906 und 1917). Hauptsächlich wurde diese Materie durch Verwaltungsvorschriften bestimmt. Die preußische Regulierung des Rechtsstudiums erfolgte im wesentlichen durch Allgemeine Verfügungen (AV) und Regulative, beides Ausführungsbestimmungen zu gesetzlichen Regelungen mit Zielrichtung auf die Verwaltung. 8 In Bayern wurde gänzlich auf Gesetze zu diesem Thema verzichtet. Das Gros der Normen bestand aus Ministerialentschließungen (ME) und Ministerialbekanntmachungen (MB), weiterreichende Regelungen wurden als Verordnungen erlassen (1830,1847,1893,1899). 7
S. die Bedeutung der Münchener Delegierten beim Reform-Congress [sie] 1848 in Jena
(Volz, ZStW 1848, S. 663 ff.), sowie die Funktion der Münchener Fakultät als Mitinitiatorin der Eisenacher Konferenz (Strohal, DJZ 1896, S. 145) und der Fakultäten-Konferenz von 1929 (DJZ 1929, S. 2238). 8 Jescheck, Ausbildung 1939, S. 25. 2 Kühn
18
A. Einleitung
Daneben gab es noch Reichsgesetzgebung, die sich kompetenzbedingt auf die Gerichtsverfassungsgesetze von 1877 und 1900 sowie ein Sondergesetz anläßlich der Kriegsfolgen 1919 beschränkte. Hinzu kommen Initiativen, die normative Qualität nicht erreichten. So der Gesetzentwurf der preußischen Regierung von 1902 und eine Vereinbarung zwischen Reich und Ländern von 1930, die beide im preußischen Landtag scheiterten. Die staatlichen Vorgaben waren insofern von entscheidender Bedeutung, als sie einen festen Rahmen gaben, innerhalb dessen sich Reformen entfalten konnten und mußten. Durch ihre Durchsetzungskraft konnten sie aber auch selbst Erneuerungen vorantreiben. Sie hatten somit begrenzende und treibende Funktion zugleich.
2. Parlamentarische Äußerungen Entsprechend der Dominanz von Normen der Exekutive spielten parlamentarische Äußerungen in der Diskussion um die Fortentwicklung des Rechtsstudiums eine weniger herausragende Rolle. Dennoch wurden anläßlich der Gesetzesberatungen immer wieder Frontstellungen und Motivationen erkennbar. Zudem vermitteln die Debattenbeiträge im Parlament oftmals ein treffendes Bild von den Vorstellungen, wie sie unter der Bevölkerung bestanden, den Grad des Interesses an Reformen sowie vorhandenen Vorurteilen.
3. Vorlesungsverzeichnisse und Studienordnungen Sehr aufschlußreich waren die Vorlesungsverzeichnisse der Universitäten München und Berlin. Praxisbezogener und zeitnäher als normative Vorgaben stellen sie das "stille Wirken" informeller universitärer Reformen dar. 9 Aufgrund des Umfanges dieser Zusammenstellungen von circa 100 Jahren war es geboten, zunächst stichprobenartig vorzugehen, um dann vermeintliche Resultate im Detail zu verifizieren und statistische Werte oder das erste Auftreten bestimmter Erscheinungen zu ermitteln. Darstellungen im Text, die das erstmalige Aufkommen oder auch Verschwinden bestimmter Lehrveranstaltungen behaupten, beziehen sich auf derartige vom Verfasser durchgeführte Feststellungen. Daneben waren als inneruniversitäre Quellen die Studienpläne der Universitäten heranzuziehen 10, die als offizielle Empfehlung der Fakultäten so etwas wie eine herrschende Meinung, orientiert an den gesetzlichen Vorgaben darstellten. 9 Hierzu allgemein: Schröder; lan, Vorlesungsverzeichnisse als rechtsgeschichtliche Quelle 1991. \0 Z. B. für Bayern abgedruckt in Schiedermair; Vorschriften 1907, S. 185 ff.; Eckert. Vorbedingungen 1911, S. 215 ff.
II. Quellen
19
4. Literarische Äußerungen a) Enzyklopädien
Eine ähnliche Funktion wie die Studienpläne erfüllten die von Einzelpersonen herausgegebenen Enzyklopädien und Methodologien. Ausgerichtet auf praktische Anwendung durch Studenten in einem anerkannten und erfolgreichen Studium hielten auch sie sich an normative Vorgaben und vorherrschende Ansichten, gaben aber auch eigene Meinungen und Präferenzen des jeweiligen Verfassers an. Sie stellen somit einen Spiegel des bestehenden Zustandes und zugleich eine Erinnerung an erwünschte Reformen dar und erlauben dadurch einen anderen Blickwinkel auf die Entwicklungen der Zeit. b) Monographien
Reformansätze wurden auch in monographischen Werken geäußert. Eine Gruppe machten hierbei allgemeinmethodische Schriften aus, die auf eine theoretische Neubewertung des Rechts oder zumindest einzelner Rechtsgebiete abzielten. Diese Ziele erforderten oftmals eine Neuausrichtung des juristischen Unterrichts, um neue Denk- und Arbeitsweisen einführen zu können. Der Wunsch nach Neuordnung des Studiums war dabei meist mit einer Kritik am bestehenden Zustand verbunden. Die zweite große Gruppe machten diejenigen Schriften aus, die speziell an einer Reform des juristischen Unterrichts als solchem interessiert waren. Diese Werke, gerne in Antrittsvorlesungen formuliert, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Reformansätze und markierten nicht selten Fixpunkte, nach denen sich zeitgenössische Debatten ausrichteten. c) Zeitschriftenaufsätze
Von kleinerem Ausmaß, aber manches Mal von ebenso großer Wirkung waren Zeitschriftenaufsätze, die seit Anfang des Untersuchungszeitraumes vorhanden, mit Gründung der großen allgemeinen Rechtszeitschriften um die Jahrhundertwende (vor allem der DJZ 1896 und der JW 1872) immer häufiger wurden. Die Reform des Rechtsstudiums war beständiges Thema dieser Zeitschriften und erreichte ein derartiges Ausmaß, daß die DJZ im Jahre 1925 sogar eine eigene Sparte "Der junge Jurist" einrichtete, die sich nur mit der Neuordnung der juristischen Ausbildung beschäftigte. Hier fand eine Vielzahl von Äußerungen ein Forum, so daß der gewachsene Pluralismus eine genauere Kontrolle bezüglich Allgemeingültigkeit und Unterstützung einzelner Behauptungen zuließ. 2·
20
A. Einleitung
Nicht zuletzt wurden in diesen Publikationsorganen auch nichtliterarische Reformbestrebungen dokumentiert. Fakultäten-, Richter- oder Anwaltstage mit ihren Diskussions- und Abstimmungsergebnissen wurden hier ebenso festgehalten wie Umfragen unter Studentenvertretungen oder Wirtschaftsverbänden. In diesem Zusammenhang seien auch die luristentage mit ihren eigenen Publikationen hervorgehoben, die sich immer wieder (1863, 1873, 1878, 1900, 1902, 1912) mit der Gestaltung des Rechtsstudiums beschäftigten. d) Biographien
Einen weiteren Einblick in Formen und Weiterentwicklungen der juristischen Ausbildung bieten die (Auto-)Biographien von Juristen als Studenten oder Professoren. Aus der persönlichen Perspektive wurde oftmals ehrlicher die Akzeptanz einzelner Reformen und zugleich die persönliche Motivation zu ihrer Unterstützung oder Ablehnung dargestellt. Die Quellen für eine Beobachtung der Entwicklung auf den Hochschulen sind erkennbar vielf 1935, S. 99 f. 849 Lt. Gneist, Studienordnung 1878, S. 5 erst seit 1849. 850 AV V. 10. 12. 1849, JMB\. 1849, S. 492. 851 Verh .d. 4. DJT 1863, Bd. 2, S. 186. 852 AV V. 5.12.1864, JMBl. 1864, S. 379 f. 853 Seit dem Regulativ v. 29. 12. 1869, JMB\. 1869, S. 277 ff. 854 Allerh. VO v. 6. 3. 1830, Weber. Bd. 2, S. 528. 855 Regulativ v. 10. 12. 1849, JMB\. 1849, S. 492. 856 v. Witz/eben, in: Verh. d. 4. DJT 1863, Bd. 2, S. 182. 857 Verh. d. 4. DJT 1863, Bd. 2, S. 182, 184, 186.
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B. Die Entwickung des Rechtsstudiums
1869 die Verwendung von Prädikaten wieder ab. 858 Erst 1880 wurden sie in Preußen 859 und 1893 in Bayern860 (wieder-) eingeführt, um, den Stimmen in der Literatur folgend, den Fleißigen anzuspornen und eine bessere Differenzierung zu gewährleisten. 861 cc) Öffentlichkeit Sollten die Examen rechtsstaatlich objektive Kriterien für die spätere Einstellung liefern, so war es nur verständlich, daß ihre öffentliche Abhaltung gefordert wurde. 862 Sowohl in Bayern863 , als auch in Preußen 864 sahen die Vorschriften einen freien Zugang der Öffentlichkeit zu den mündlichen Prüfungen vor. Dies entsprach auch der Auffassung der Mehrheit auf dem 4. Deutschen Juristentag. 865 Genauso wie die Prädikate wurde die Öffentlichkeit der Prüfungen aber im Jahre 1869 in Preußen, im Rahmen einer restaurativen Strömung wieder abgeschafft. 866 Trotz fortwährender Forderungen in der Literatur und auf dem 14. Deutschen Juristentag 1878867 wurde die Regelung 1879 noch einmal bestätigt. 868 Erst 1880 wurde den Forderungen teilweise nachgegeben 869 , indem eine Öffentlichkeit nach Anordnung des Vorsitzenden, und 1890870 der Zugang von Rechtsstudenten zugelassen wurde. Eine weitergehende Öffnung für das Publikum wurde aber, trotz dahingehender Wünsche in der Literatur871 , nicht erreicht. dd) Prüfer Die Klassifizierung der Prüfung als Universitätsabschluß- oder Staatsdiensteingangsexamen spiegelte sich insbesondere in der Frage wieder, durch wen sie abgenommen werden sollte. Entsprechend ihrer Ausrichtung auf die praktische EigRegulativ v. 29. 12. 1869, JMB\. 1870, S. 278. AV v. 26. 11. 1880, JMB\. 1880, S. 312, oder Regulativ v. 1. 5. 1883, JMB\. 1883, S. 131 Goldschmidt, Rechtsstudium 1887, S. 216. 860 Allerh. VO v. 12.7. 1893, Weber, Bd. 22, S. 219. 861 Gneist, Studienordnung 1878, S. 29 f.; Gierke, Gutachten f. d. 14. DJT 1878, S. 16 f. 862 Voll. ZStW 1848, S. 663 ff. 863 Allerh. VO v. 6. 3. 1830, Weber, Bd. 2, S. 528. 864 AV v. 10. 12. 1849, JMB\. 1849, S. 492. 865 Verh. d. 4. DJT 1863, Bd. 2, S. 176. 866 Regulativ v. 29.12. 1869, JMB\. 1870, S. 278; Bleek, Kameralausbildung, S. 170 ff. 867 Gneist, Studienordnung 1878, S. 34 f.; Gierke, Gutachten f. d. 14. DJT 1878, S. 21; Verh. d. 14. DJT 1878, Bd. 2, S. 201, 203. 868 Regulativ v. 22. 8. 1879, JMB\. 1879, S. 247. 869 AV v. 26. 11. 1880, JMB\. 1880, S. 270 f. 870 AV V. 3. 11. 1890, JMB\. 1890, S. 279. 871 v. Liszt, Refonn 1886, S. 54. 858 859
11. Entwicklung in einzelnen Teilaspekten
151
nung wurde die preußische Prüfung durch Richter der Appellationsgerichte durchgeführt. 872 Eine Ausnahme bildete lediglich die Zulassung solcher Kandidaten zum Staatsdienst, die zwar keine Staatsprüfung absolviert, dafür aber das Doktorat an einer preußischen Universität erworben hatten. 873 Aufgrund andauernder Klagen über die mangelhafte Qualität der richterlichen Examen, die oftmals im Abfragen ewig gleicher und dadurch vorhersehbarer Themen sich erschöpfte 874 , wurde nach einem zunächst abgelehnten Vorschlag der Universität Breslau von 1830, die Prüfung durch die Fakultäten vorzunehmen,875 1846 der Versuch unternommen, auch Professoren hinzuzuziehen 876 . Schon 1849 wurde er aber wieder, wegen organisatorischer Schwierigkeiten, und da sich die erhoffte Erschwerung der Prüfung nicht eingestellt habe, fallen gelassen. 877 In Bayern, wo der Charakter einer Universitätsabschlußprüfung vorherrschte, examinierten Professoren seit 1830 unter dem Vorsitz eines "Commissärs".878 Die Prüfer in Bayern hatten zudem ein fest zugeteiltes Fach zu bedienen, von dem sie nur zum Zwecke der Abrundung und Vervollständigung des Examensstoffes abweichen sollten. 879 Bewegung kam in diese Frage mit der parallel laufenden Diskussion, ob die Zuziehung von Praktikern zum juristischen Unterricht zu befürworten sei. 880 Entsprechend kontrovers wurde die Frage der besten Eignung zum Prüfer gehandelt. Gegen eine Prüfung durch Hochschullehrer wurde eingewandt, daß diese in ihren Fragen zu wenig Bezug zum beruflichen Leben herstellen würden und daß der Zwang, Kollegien prüfender Professoren zu besuchen der Studienfreiheit widerspreche. 881 Gegen die "Praktiker" wurde angeführt, daß sie meist unwissenschaftlich und an den eigenen Spezialgebieten ausgerichtet prüften und daß sie sich, mangels Kenntnis hiervon, nicht an dem erreichten und erreichbaren Kenntnisstand der Studenten orientierten. 882 Demzufolge sprach sich der 4. Deutsche Juristentag 1863 für gemischte Prüfungskommissionen aus, in denen die Schwächen beider Gruppen gegeneinander aufgehoben wÜfden. 883 Die preußische Verwaltung reagierte auf diese AV v. 10. 12. 1849, JMB\. 1849, S. 492. AV v. 6. 1. 1840, JMB\. 1840, S. 24. 874 AV v. 6. 5.1840, JMB\. 1840, S. 218; s. auch Weber. ZZP 1935, S. 44 f. 875 Weber. ZZP 1935, S. 96f. 876 Gneist, Studienordnung 1878, S. 27; Bake, Entstehung, S. 143. Erster Hochschullehrer bei der Prüfung war It. Weber. ZZP 1935, S. 96 Prof. Hefter in Berlin. 877 AV v. 10. 12. 1849, JMB\. 1849, S. 492; Weber. ZZP 1935, S. 101. 878 Allerh. VO v. 6. 3. 1830, Weber. Bd. 2, S. 525 f. 879 Ministerialerlaß v. 12. 10. 1834, Döllinger. Bd. 9, S. 15 f. 880 s. Kapitel B. 11. 3. b) ff). 881 v. [hering, Scherz und Ernst 1862, S. 41 ff.; v. Wächter. in Verb. d. 4. DJT 1863, Bd. 2, S. 155; Weber. ZZP 1935, S. 99f. 882 Hälschner. Studium 1859, S. 22 ff.; v. Wächter. in: Verh. d. 4. DJT 1863, Bd. 2, S. 155; s. auch Weber. ZZP 1935, S. 97f. 883 Verh. d. 4. DJT 1863, Bd. 2, S. 186. 872 873
152
B. Die Entwickung des Rechtsstudiums
Empfehlung und schrieb 1864 eine Kommission von zwei Richtern und zwei Professoren vor. 884 1869 wurde diese Regelung allerdings dahingehend abgeändert, daß zum einen anstelle der Richter auch Staats- oder Rechtsanwälte prüfen konnten 885 , zum anderen die Beteiligung von zwei Professoren nur mehr fakultativ war. 886 Infolgedessen wurde von diesem Zeitpunkt an oftmals auch nur noch ein Hochschullehrer beigeladen. 887 In Bayern wurde infolge dieser Diskussion seit 1893 die Beteiligung eines Praktikers an der Prüfung ermöglicht, jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. 888 Ein neuer Anstoß, die Richtigkeit der Besetzung von Prüfungskommissionen zu überdenken, resultierte aus der zunehmenden Spezialisierung .der einzelnen Rechtsdisziplinen, die eine umfassende Rechtskenntnis und damit Prüfungsbefähigung für sämtliche Fachgebiete unmöglich machte. Um eine tatsächliche Prüfung in allen vorgeschriebenen Disziplinen zu gewährleisten, mußten jeweils Fachleute herangezogen werden. Die bisher zur Verfügung stehenden "Praktiker", Richter, Staats- und Rechtsanwälte konnten ein Spezialistentum nur für Straf- und Zivilrecht für sich beanspruchen. Insbesondere für die um die lahrhundertwende besonders propagierten Wirtschaftswissenschaften und das öffentliche Recht wurden nun befähigte Prüfer, im allgemeinen Professoren gefordert, die, wie in Bayern vorgeschrieben, für ein festes Prüfungsfach zuständig sein sollten. 889 Die preußische Verwaltung folgte diesen Vorschlägen 1890, indem sie die Berufung der Examinatoren jeweils für ein spezielles Prüfungsfach vorschrieb. 890 Weiterhin wurden aber Forderungen nach nur mit Hochschullehrern besetzten Prüfungskommissionen auch unter Praktikern laut. 891 Speziell für die zu prüfende Nationalökonomie wurde immer wieder die tatsächliche Berufung von Fachleuten in die Examensausschüsse verlangt. 892 884 AV v. 5. 12. 1864, JMBl. 1864, S. 379 ff. Lt. Weber, ZZP 1935, S. 108 mit sofortiger Wirkung auf die Examensergebnisse. Der Vorschlag ständiger berufsmäßiger Prüfer von v. [hering, Scherz und Ernst 1862, S. 380 f. und Gneist, Aphorismen 1887, S. 23 konnte sich nie durchsetzen. 885 Rechtsanwälte wurden von Anfang an zumindest beim Kammergericht zugezogen, Staatsanwälte nicht, Weber, ZZP 1935, S. 117. Unzutreffend daher DJZ 1898, S. 244. 886 Regulativ v. 29. 12. 1869, JMBl. 1870, S. 277 ff. Gleichfalls wurde der Dispens für Doktores iuris wieder gestrichen, Weber, ZZP 1935, S. 113. 887 Goldschmidt, Rechtsstudium 1887, S. 217; Wagner, ZStW 1878, S. 411 ff. 888 Allerh. VO v. 12.7.1893, Weber, Bd. 22, S. 217 f. 889 Gierke, Gutachten f. d. 14. DJT 1878, S. 12 ff.; Gneist, Studienordnung 1878, S. 32; Verh. d. 14. DJT 1878, Bd. 2, S. 209; v. Liszt, Reform 1886, S. 35 f., 52; Goldschmidt, Rechtsstudium 1887, S. 310 ff. 890 AV V. 3. 11. 1890, JMBl. 1890, S. 277 f.; aufgeteilt in drei Gruppen: I. röm.Rechtsgeschichte, Institutionen und Pandekten mit reichsgesetzl. Fortbildungen 11. Dt.Rechtsgeschichte, dt.Privatrecht, dt.Handels- und Wechselrecht, preuß. und rhein. Zivilrecht III. Staats- und Verwaltungsrecht, Strafrecht, Straf- und Zivilprozeß, Kirchenrecht, Völkerrecht, Grundlagen der Staatswissenschaften, Weber, ZZP 1935, S. 125. 891 Cohn, Vorbildung 1887, S. 67; Klöppel, JW 1899, S. 569; Wach, Gutachten f. d. 25. DJT 1900, S. 14 f.; Kieler Juristenfakultät, DJZ 1900, S. 187; Lotz. DJZ 1911, S. 454.
11. Entwicklung in einzelnen Teilaspekten
153
ee) Zeitliche Aufteilung Der stärkeren Berücksichtigung von öffentlichem Recht und Nationalökonomie in der Prüfung sollte eine andere Forderung nach einer Zweiteilung des mündlichen Examens dienen. Aufgrund der oben geschilderten mangelnden Spezialisierung der Prüfer wurde im mündlichen Examen in Preußen meist nur Zivilrecht und gegebenenfalls Strafrecht abgefragt, in dem sich die vorwiegend der Justiz entstammenden Examinatoren heimisch fühlten. Insbesondere das öffentliche Recht oder auch die Nationalökonomie wurden oft gänzlich ignoriert. Aber selbst bei einer Prüfung in diesen Fächern ließen die Justizpraktiker häufig einen Ausgleich mangelhafter Kenntnisse hierin durch gute Leistungen im Zivilrecht zu. Um eine tatsächliche Prüfung und demzufolge eine studentische Vorbereitung im öffentlichen Recht und den Wirtschaftswissenschaften zu fördern, wurde daher die Aufteilung des Examens in zwei gesondert zu prüfende Abteilungen für Zivil- und Strafrecht, sowie öffentliches Recht und Nationalökonomie gefordert. 893 Nach der Zuteilung fester Disziplinen an die einzelnen Prüfer 1890 ging die preußische Verwaltung zunächst auf diesen Vorschlag nicht weiter ein.
ff) Prüfungsformen Unterschiedliche Auffassungen bestanden auch hinsichtlich der Form der Prüfung. Wie schon oben dargestellt erfolgte in Bayern seit 1830894 lediglich eine mündliche Prüfung, während sie in Preußen schon zu Zeit des Vormärz aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil bestand. Die schriftliche Prüfung setzte sich aus vier Aufgaben zusammen, die unter Aufsicht und nur mit Hilfe der Gesetzestexte zu lösen waren. 895 1864 trat an ihre Stelle eine selbstgewählte rechtswissenschaftliche Ausarbeitung, die bei der Anmeldung zur Prüfung einzureichen war. 896 Seit 1869 wurden die Themen hierfür, nach Wahl eines Faches durch den Studenten, von den Prüfungskommissionen zur Bearbeitung innerhalb von sechs Wochen ausgegeben. 897
892 Hamm, DJZ 1903, S. 133; Gerland, Gutachten f. d. 31. DJT 1912, S. 876; Verh. d. 31. DJT 1912, Bd. 3, S. 821. 893 Gneist, Studienordnung 1878, S. 28 f.; Verh. d. 14. DJT 1878, Bd. 2, S. 204; v. Liszt, Reform 1886, S. 33 ff., 44 ff.; Goldschmidt, Rechtsstudium 1887, S. 20, 305; Gneist, Reform 1887, S. 26f. 894 S. Kap. B. 11. 6. a) aa). 895 AV V. 10. 12. 1849, JMB\. 1849, S. 492. Vorläufer war eine Ergänzungsprüfung für "Wackelkandidaten" nach der mündlichen Prüfung gewesen, Weber, ZZP 1935, S., \02. 896 AV V. 5. 12. 1864, JMB\. 1864, S. 379 f. 897 Regulativ v. 29. 12. 1869, JMB\. 1869, S. 277 ff.
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B. Die Entwickung des Rechtsstudiums
Wenn auch fast einhelliger Konsens über die Verwendung sowohl mündlicher, als auch schriftlicher Prüfungsformen bestand,898 war jedoch streitig, ob Klausuren oder Hausarbeiten für den schriftlichen Teil zweckmäßiger seien. Gegen die Klausuren wurde eingewandt, daß ihre Ergebnisse vielfach auf Zufall beruhten und eine ausreichende Kontrolle der eigenständigen Anfertigung nicht möglich sei. 899 Gegen die Hausarbeiten wurde auf der anderen Seite eingewandt, daß zum Zeitpunkt der Prüfung wirklich wissenschaftliche Arbeiten noch gar nicht angefertigt werden könnten, weshalb gerade für den Durchschnitt keine entsprechende Bewertung möglich sei. Vielmehr würde mit übergroßem Zeitaufwand eine Spezialisierung betrieben, die auch wegen der noch gesteigerten Unterschleifmöglichkeiten kein zuverlässiges Bewertungskriterium böte. 900 Einige Stimmen in der Literatur meinten deshalb sowohl auf Klausuren, als auch auf Hausarbeiten verzichten zu können, und statt dessen während des Studiums angefertigte Seminararbeiten als schriftlichen Examensteil zu bewerten. 901 Dieser Vorschlag wurde von der preußischen Verwaltung aufgegriffen, insofern, als seit 1890 der Student bei .seinem Antrag zur Prüfungs zulassung auch seine Seminarzeugnisse vorzulegen hatte. Die Hausarbeit als schriftlicher Teil des Examens blieb aber, bei einer Themenverlagerung hin zu einfachen Rechtsfällen, weiterhin gefordert. 902 Bayern führte überhaupt erst 1893 eine schriftliche Prüfung zum ersten Examen ein. Sie wurde, da dem eigentlichen, dem mündlichen Examen vorgelagert, "Vorprüfung" genannt und bestand aus drei Klausuren, zwei praktischen Aufgaben und einer Quellenexegese. 903 Die Entscheidung für die Klausuren und, im Gegensatz zu Preußen, gegen die Hausarbeit entsprach der herrschenden Ansicht in der Literatur. Die Klausuren, so war man überzeugt, erlaubten das sicherste Urteil über Sachverständnis und Studienfleiß sowie eine weite Fächerung der kontrollierten Disziplinen. Zudem sah man in ihnen auch eine bessere Möglichkeit, die Selbständigkeit der Anfertigung zu überprüfen. 904 Auch Preußen folgte dieser Ansicht und verlangte seit 1908 in seiner schriftlichen Prüfung drei Klausuren, allerdings zu898 Verh. d. 14. DJT 1878, Bd. 2, S. 203. Anders aber v. [hering, Scherz und Ernst 1885, S. 373 f. 899 Muther; Reform 1873, S. 22; Gierke, Gutachten f. d. 14. DJT 1878, S. 14 f.; Gneist, Studienordnung 1878, S. 31. 900 v. [hering, Scherz und Ernst 1885, S. 371 f.; Demburg, Reform 1886, S. 26 f.; Goldschmidt, Rechtsstudium 1887, S. 304 ff. S. auch die Klage des KG-Präsidenten von 1880, in Weber; ZZP 1935, S. 119. 901 v. Liszt, Reform 1886, S. 48 ff.; Goldschmidt, Rechtsstudium 1887, S. 304 ff.; Klöppel, JW 1899, S. 570. 902 AV V. 3. 11. 1890, JMB!. 1890, S. 278; nachdem eine Umfrage in der Prüfungskommission des KG ihre Eignung bestätigt hatte, Weber; ZZP 1935, S. 120 f. 903 Allerh. VO. v. 12.7. 1893, Weber; Bd. 22, S. 218 f.; seit der MB v. 6. 7. 1899, Weber; Bd. 27, S. 449 ff.: 4 Aufgaben, kurze Rechtsfälle und theoret. Fragen. 904 v. Liszt, DJZ 1902, S. 134; Rosin, Gutachten f. d .. 26. DJT 1902, S. 183; Verh. d. 26. DJT 1902, Bd. 3, S. 125,134 f.; Hamm, DJZ 1903, S. 134; Fischer; DJZ 1903, S. 171; Hamm, DJZ 1906, S. 448.
H. Entwicklung in einzelnen Teilaspekten
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sätzlich zur Hausarbeit. 905 Für das Festhalten an der Hausarbeit wurde vorgebracht, daß auf diesem Wege der Student zumindest einmal wissenschaftlich zu arbeiten habe. 906 Die Einwände dagegen, daß sie nur einen geringen Aussagegehalt über tatsächlich vorhandene Kenntnisse und keine Gewähr für die Eigenständigkeit der Leistung biete, wurden weiterhin erhoben, konnten sich aber nicht durchsetzen. 907 b) Ab dem Ersten Weltkrieg
aa) Notprüfungen Der erste Weltkrieg brachte weitreichende Veränderungen hinsichtlich der ersten juristischen Prüfung in Bayern wie in Preußen mit sich. Den Verwaltungen ging es nun darum, möglichst schnell möglichst viele junge Männer von den Hochschulen an die Front zu bekommen. Die bisherigen Fragen nach Effizienz, Wahrhaftigkeit oder Wissenschaftlichkeit der Prüfungen mußten dahinter zurücktreten. Statt dessen wurden Notprüfungen eingerichtet, die die Studenten zu einer baldigen Ablegung ermuntern sollten. In Preußen bestand diese nur noch aus einer Klausur und einer mündlichen Prüfung, wobei die Klausur bei bereits angefertigter Hausarbeit entfallen konnte. 908 In Bayern wurde nur noch eine mündliche Prüfung durchgeführt. 909 Nach dem Krieg wurde dieses System der abgekürzten Prüfungen in Preußen noch fortgeführt, indem Kriegsteilnehmer, quasi als Wiedereingliederungshilfe keine Hausarbeit mehr, sondern statt dessen fünf Klausuren und eine mündliche Prüfung abzuliefern hauen. 910 bb) Freiversuchsregelung Der Wunsch, möglichst viele junge Menschen möglichst schnell von der Universität zu bekommen, erzeugte eine weitere Vergünstigung für zukünftige Kriegsteilnehmer. Grundsätzlich war die Wiederholung eines nichtbestandenen Examens nur einmal, und dann meist erst nach Ablauf von ein oder zwei Semestern zulässig. Der genaue Modus variierte von Land zu Land. Während in Preußen die einmalige Wiederholung auch bereits nach einem Semester und auch dann gegebenenfalls nur für den nichtbestandenen schriftlichen oder mündlichen Teil zulässig war911 , 90S
906 907 908
909 910 911
AV v. 30. 3. 1908, JMB\. 1908, S. 186f. Manigk, DJZ 1907, S. 469 f.; Gerland, Reform 1911, S. 157; Litten, JW 1912, S. 61. Neumann, JW 1910, S. 1569 f.; Enneccerus,DJZ 1911, S. 44 ff. AV V. 1. 8.1914, JMB\. 1914, S. 663. MB. v. 6. 2. 1915, Meyer, DJZ 1917, S. 99 ff. AV. v. 28. 11. 1918, JMB\. 1918, S. 451. AV.v. 6. 3. 1899, JMB\. 1899, S. 57.
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B. Die Entwickung des Rechtsstudiums
durfte in Bayern erst nach einem Jahr die gesamte Prüfung wiederholt werden. Allerdings wurde hier in Ausnahmefällen, mit besonderer Genehmigung auch eine zweite Wiederholung gestattet. 912 Um nun Soldaten für die Front von der Universität freizubekommen, wurden sowohl in Preußen, als auch in Bayern Anreize für eine möglichst frühzeitige Ablegung der Prüfung geschaffen, insofern als der fehlgeschlagene Versuch, die Notprüfung zu absolvieren, als nicht unternommen gewertet wurde. Dem Kandidaten blieben danach immer noch zwei weitere Versuche. 913 Preußen weitete diese Möglichkeit des "Freischusses" später auch auf normale Prüfungsversuche von Kriegsteilnehmern aus. 914
cc) Prüfer Nach dem Krieg kehrte man wieder zur Vorkriegspraxis zurück. Selbst der politische Umsturz hatte keine Veränderung in der Diskussion der prüfungsrelevanten Themen gebracht. Hauptstreitpunkt war weiterhin, wer die beste Eignung zum Prüfer mitbringe, der Praktiker oder der Hochschullehrer. In Bayern wurde 1919 noch einmal festgestellt, daß auch Praktiker zu den Prüfungen hinzugezogen werden könnten. 915 Die Frage der optimalen Befähigung blieb aber streitig. Zum einen wurde anerkannt, daß gerade die Praktiker besondere praktische Erfahrungen mitbrächten und dadurch die Eignung des Prüflings zu seinem späteren Beruf erkennen könnten. 916 Auf der anderen Seite wurde aber ihrer vorhersehbaren Prüfungsweise, oft als "Abfrageexamen" bezeichnet, der starke Andrang zu den Repetitorien angelastet. 917 Darüber hinaus hielt man gerade die Professoren für am besten geeignet, die Anforderungen des Studiums zu kennen und Spezialthemen wie die Volkswirtschaftslehre, entsprechend den Prüfungsordnungen abzufragen. 918 Die Frage der besten Eignung zum Prüfer spiegelte auch die Uneinigkeit wieder, die hinsichtlich der Frage bestand, ob das erste Examen primär den Ausgang aus der Universität oder den Eingang in den Staatsdienst kennzeichnen solle. 919 Wäh912 Allerh. VO v. 4. 7. 1899, Weber, Bd. 27, S. 452; MB v. 6. 7. 1899, Weber, Bd. 27, S.474. 913 Preuß. AY. v. 1. 8.1914, JMBl. 1914, s. 663; Bay. MB v. 6. 2.1915, Meyer, DJZ 1917, s. 99 ff. 914 AY. v. 28.11. 1918, JMB11918, S. 452. 915 MB. v. 26. 11. 1919, GVB11919, s. 809. 916 Meyer, DJZ 1920, S. 29; Klässel, DJZ 1921, S. 797 ff.; Schwister, DJZ 1928, S. 411; Schwister, DJZ 1930, S. 1297. 917 Klässel, DJZ 1921,797 ff.; Bruck, JW 1930,2180 f.; Stier-Somlo, JW 1930,2187. 918 Merkei, DJZ 1919, S. 748 f.; Langheineken, DJZ 1920, S. 441 f.; v. Hippel, DJZ 1926, S. 1364; Jacobi, JW 1927, S. 10; Boldt, DJZ 1928, S. 959 f.;Heymann, DJZ 1928, S. 476. 919 Langheineken, DJZ 1920, S. 441 f.; Batocki, Staatsreferendar 1927, S. 30; Boldt, DJZ 1928, S. 959 f.; Fakultätenkonferenz, DJZ 1929, S. 1070; Beyerle, DJZ 1932, S. 633 ff.; Koellreutter, DJZ 1932, S. 1318.
11. Entwicklung in einzelnen Teilaspekten
157
rend Preußen traditionell die Eignung für den Staatsdienst in den Vordergrund stellte, vertrat Bayern die Ansicht, der Abgang von der Hochschule sei vornehmliches Ziel. 920 Beide Seiten erkannten aber auch, daß die Wahrheit wohl irgendwo in der Mitte liege 92 ) und bevorzugten eine gemischte Prüfungskommission. Bayern hatte, wie schon oben erörtert, seit 1893 Praktiker zur Prüfung zugezogen. Preußen verordnete 1923922 einen Prüfungsausschuß von zwei Praktikern und zwei Professoren, wovon ein Prüfer, wenn auch nicht zwingend ein Fachmann,923 für die Prüfung der Volkswirtschaftslehre zuständig sein sollte. 1929924 wurde zusätzlich die Position der prüfenden Professoren gestärkt, indem ihnen im Falle eines Stichentscheides die Letztentscheidungskompetenz gegeben wurde. dd) Zeitliche Aufteilung Um eine voll- und gleichwertige Prüfung des öffentlichen Rechts und der Volkswirtschaftslehre zu gewährleisten wurde, neben der Forderung nach Spezialisten als Prüfern, ein anderer Gedanke von vor dem Krieg wiederaufgegriffen: die Aufgliederung der mündlichen Prüfung in einen privatrechtlichen und einen öffentlich-rechtlichen Teil, die an verschiedenen Tagen von verschiedenen Prüfern durchzuführen seien. 92s Trotz Gegenstimmen von Seiten der Universitäten 926 wurde diese Idee in Preußen schon 1923 in der Ausbildungsordnung umgesetzt. 927 Seit März 1925 fand daher das mündliche Examen in Preußen an zwei Tagen statt, wobei am ersten Tag Zivil- und Strafrecht, am zweiten Tag öffentliches Recht und Grundzüge der Volkswirtschaftslehre von verschiedenen Prüfern, aber unter Vorsitz eines Richters für beide Tage abgefragt wurde. Die Kritik hieran ließ nicht lange auf sich warten. Zwar würdigten viele, daß eine tatsächliche Prüfung und gleichwertige Gewichtung von öffentlichem Recht und Volkswirtschaftslehre dadurch durchgesetzt würden. 928 Viele Stimmen meinten aber, daß der organisatorische und zeitliche Aufwand für die Prüfer nicht gerechtfertigt sei. Insbesondere wurde das Fehlen eines Gesamteindruckes von der erbrachten Prüfungsleistung be920 Dementsprechend wurde seit der va v. 18. 10. 1910, Kollmann. Entwicklung, S. 462 die erste juristische Prüfung wieder als "Universitätsschlußprüfung" bezeichnet. 921 So auch Leonhard. DJZ 1920, S. 515; Vorstand d. Dt. Anwaltverein, JW 1929, S. 1853; Vereinbarung zwischen Reich und Ländern v. 20. 9. 1930, RMinBI 1930. S. 547. 922 AV. v. 11. 8. 1923, JMB!. 1923, S. 588 ff. 923 Klässel. DJZ 1927, S. 1223 f. Die Zuziehung von Rechts- und Staatsanwälten war schon seit längerem nicht mehr üblich, Weber. ZZP 1935. S. 140; DJZ 1898, S. 244. 924 AV. v. 19.6. 1929, JMB!. 1929, S. 182. 925 Zitelmann. Neugestaltung 1921, S. 30. 926 Juristische Fakultät Berlin, DJZ 1920. S. 481. 927 AV v. 11. 8.1923, JMB!. 1923, S. 588 ff. 928 Steuber. JW 1925, S. 4; David, DJZ 1925, S. 278 f.; Sattelmacher. DJZ 1927, S. 971. Wenn auch am ersten Tag 5, am zweiten nur noch 2,5 bis 3 Stunden geprüft wurde, Jescheck. Ausbildung, S. 92.
158
B. Die Entwickung des Rechtsstudiums
klagt, da zwar der Vorsitz für beide Tage von einem Richter geführt werde, die Fachprüfer aber nur ihren Ausschnitt beurteilen könnten, und darüber hinaus keine Möglichkeit für einen Ausgleich unterschiedlicher Leistungen an verschiedenen Tagen bestünde. 929 Nachdem im Oktober 1927 die Stelle des Leiters des preußischen juristischen Landesprüfungsamtes neu besetzt wurde, wurde im Jahre 1929 auch, der Kritik folgend, die Einheitlichkeit der mündlichen Prüfung wiederhergestellt. 930 ee) Hausarbeit oder Klausur Auch die Form der schriftlichen Prüfung blieb weiterhin strittig. Über das Bedürfnis einer schriftlichen neben der mündlichen Prüfung herrschte weitgehend Einigkeit. Zu diesem Ergebnis kam auch die Vereinbarung zwischen Reich und Ländern vom 20. 9. 1930, die allerdings an der Frage der Studiendauer scheiterte. 931 Fraglich blieb aber, wie die schriftliche Prüfung auszusehen habe. Der Nutzen von Klausuren war inzwischen im wesentlichen anerkannt, so daß auch Preußen 1923 die Zahl der Klausuren, sicher auch um die statistische Wahrheit zu verbessern, von drei auf vier erhöhte. 932 Der Wert einer zusätzlichen Hausarbeit hingegen wurde in Frage gestellt. Von den Befürwortern wurde sie als die einzige und nötige Überprüfung einer Fähigkeit zu wissenschaftlichem Arbeiten angesehen. 933 Die Kritiker bemängelten vor allem die fehlende Garantie für eine selbständige Anfertigung. 934 Der wiederaufgegriffene Gedanke in Preußen, an Stelle der Hausarbeiten während des Studiums angefertigte Seminararbeiten zu bewerten, wurde von der Mehrheit abgelehnt,935 so daß in Preußen, wo weiterhin die Bewertung einer wissenschaftlichen Arbeit für notwendig erachtet wurde, an der Hausarbeit festgehalten wurde. ff) Organisation
Als Randnotiz sei noch die unterschiedliche Organisation des Prüfungsablaufs in Bayern und Preußen erwähnt. Wie eingangs erläutert bestimmte in Preußen der Prüfling selbst Zeit und Ort seiner Prüfungen. Erst 1890 wurde eine Beschränkung dahingehend aufgestellt, daß der Student nur zwischen dem Ort, an dem er zuletzt 929 v. Hippel, DJZ 1926, S. 1363 f., DJZ 1927, S. 1120 f.; Klässel, JW 1926, S. 5, DJZ 1927, S. 1222f.; Theuner; JW 1926, S. 4. 930 AV v. 19./20.6. 1929, JMBI. 1929, S. 182,Jescheck, Ausbildung, S. 105;Schwister; DJZ 1928, S. 624, DJZ 1929, S. 948 ff. 931 RMinBl 1930, S. 547; Jescheck, Ausbildung, S. 116. 932 AV v. 11. 8. 1923, JMB!. 1923, S. 588 ff.; Klässel, DJZ 1921, S. 800; Zitelmann, Neugestaltung 1921,30. Wenn auch skeptische Stimmen blieben, s. Schwister; JMBI. 1933, S. 33. 933 Leonhard, DJZ 1920, S. 515; Klässel, DJZ 1921, S. 800. 934 Batocki, Staatsreferendar 1927, S. 30f.; Kisch, DJZ 1931, S. 915. 935 Beyerle, DJZ 1932, S. 635; Schwister; DJZ 1932, S. 257, 639.
11. Entwicklung in einzelnen Teilaspekten
159
studiert hatte und dem, an dem er angestellt zu werden wünschte, als Prüfungsort wählen konnte. 936 Grund hierfür war ein steigender "Tourismus" zu den vermeintlich leichtesten Prüfern und demgemäß eine Überlastung einzelner Gerichte. In Bayern fand an allen Universitäten zu einem einheitlichen Termin im Jahr die Abschlußprüfung statt. 937 1831 war sogar versucht worden, sämtliche Prüfungen für Bayern zentral in München abzuhalten, was jedoch schon 1833 wieder aufgegeben wurde. 938 1893 wurde mit der Einführung schriftlicher "Vorprüfungen" unmittelbar vor der mündlichen Prüfung bestimmt, daß die dabei gestellten Aufgaben für ganz Bayern gleich sein sollten. Damit wollte man für eine gleichmäßige Prüfung im gesamten Land sorgen, weshalb ab diesem Zeitpunkt der Prüfling den Ort seines Examens auch frei wählen konnte. 939 In Preußen wurde eine derartige Zentralisierung, und damit auch Objektivierung der Prüfungen nicht erreicht. Trotz wiederholter Forderungen nach einer Vereinheitlichung des Examens940 wurde 1923 lediglich der Zeitrahmen für die Ablegung von mündlicher und schriftlicher Prüfung auf ein, statt vorher zwei Jahre begrenzt. 941 Argument, warum eine Zentralisierung wie in Bayern nicht herbeigeführt wurde, war, daß dies angesichts der weitaus höheren Studentenzahlen in Preußen organisatorisch nicht machbar sei. 942
936
AV v. 3.11. 1890, JMBI. 1890, S. 277.
Allerh. VO. v. 6.3. 1830, Weber, Bd. 2, S. 525. Kollmann, Entwicklung, S. 459. 939 Allerh. VO v. 12.7. 1893, Weber, Bd. 22, S. 218 f. 940 Hälschner, Studium 1859, S. 22; Zitelmann, Ausbildung 1909, S. 29 f.; Fuchs, DJZ 1912, S. 601; Hein, DJZ 1930, S. 118 f.; Kisch, DJZ 1931, S. 915. 941 AV v. 11. 8.1923, JMBI. 1923, S. 588 ff. 942 Jonas, JW 1929, S. 1839. 937
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c. Studienreform und Rechtstheorie J. Historische Schule und BegritTsjurisprudenz 1. Rechtstheorie a) Ausgangssituation
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich die Rechtswissenschaft vor allem in Preußen in einer von mehreren Seiten heraufbeschworenen Krise. . Auf der einen Seite stand die unverhohlene Abneigung des Gesetzgebers gegen die Rechtswissenschaft. Schon mit Einführung des Corpus Iuris Fridericiani 1749 hatte Friedrich 11. jegliche wissenschaftliche Behandlung, jede Kommentierung des Gesetzbuches unter Strafdrohung verboten. Dieselbe Einstellung zeigte sich auch beim Erlaß des ALR 1794, dessen Kommentierung ebenfalls verboten wurde, um "gelehrte Spitzfindigkeiten" zu vermeiden, und das geradezu als Abwendung vom Strom der bisherigen gemeinrechtlichen Rechtswissenschaft konzipiert war. 1 Die Rechtslehre, mit der Bearbeitung des rezipierten römischen Rechts beschäftigt, wurde so vom geltenden Zivilrecht in Preußen abgeschnitten. Durch die Beibehaltung ihres bisherigen Stoffes konnte sie andererseits die Einheit der deutschen Rechtswissenschaft bewahren, die in ganz Deutschland das römische Recht bearbeitete. Gleichzeitig entfernte sie sich aber immer mehr vom täglichen Leben und den Interessen der Bevölkerung. Auf der anderen Seite stellte die Philosophie Kants die Wissenschaftlichkeit der Jurisprudenz in Frage. Nach Kant definierte sich Wissenschaft als ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis. Die Wissenschaft gliederte sich wiederum nach einer Stufenfolge von der systematischen über die systematisch-rationale zur eigentlichen Wissenschaft, die auf Prinzipien apriori beruhte. Rationale Wissenschaft läge nach Kant vor, wenn die Verknüpfung von Erkenntnis durch den Zusammenhang von Gründen und Folgen stattninde. Der Jurisprudenz mußte daher der Status einer Wissenschaft verweigert werden, da Ausgangspunkt ihrer Bearbeitungen das von einem Gesetzgeber willkürlich gesetzte Recht sei, somit kein fest vorgegebener, sondern ein nur empirisch faßbarer Stoff.2
1
2
Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 332; Butz. Juristenausbildung, S. 205. Butz. Juristenausbildung, S. 90, 360; Sehröder, Wissenschaftstheorie, S. 149.
I. Historische Schule und Begriffsjurisprudenz
161
Die Rechtswissenschaft und mit ihr das Rechtsstudium steckten somit in einer Legitimationskrise. Die Wissenschaft akzeptierte sie nicht als gleichberechtigt, während Regierung und Bevölkerung ihr die Praxistauglichkeit absprachen. Als Folge davon sahen die meisten Studenten die Notwendigkeit ihres Studiums nicht ein und besuchten kaum die Vorlesungen, sondern suchten ihre Zeit mit privaten Vergnügungen aufzufüllen.
b) Historische Rechtsschule
Aus dieser Situation heraus entstand das Programm der historischen Rechtsschule. Sie versuchte, mit ihrer Konzeption der Rechtslehre dem Kant'schen Wissenschaftsbegriff zu genügen. Dazu mußte ihr Stoff ein festgefügter, kein willkürlich gesetzter sein. Recht waren, nach ihrer, diesen Prämissen genügenden Konzeption nicht die wechselnden positiven Normen, sondern ein aus dem innersten Wesen der Nation und ihrer Geschichte gewachsener Bestand rechtlicher Überzeugungen. Diesen "mit innerer Notwendigkeit gegebenen Stoff' sollte die Rechtswissenschaft insofern wissenschaftlich behandeln, als sie die einzelnen Institute historisch entwickelte und in einen systematischen Zusammenhang brachte. Das Recht wurde somit aus sich selbst heraus interpretiert, seine äußeren Voraussetzungen, von Zeit und Ort abhängig, sollten nicht erforscht werden. 3 Savignys Konzept der Rechtswissenschaft war darüber hinaus von den Bildungsvorstellungen des Neuhumanismus beeinflußt. Sein Ideal war Philosophie und Kultur des klassischen Altertums. Dieses Ideal sollte verstanden und verinnerlicht werden und so zu einer vollendeten Entwicklung der menschlich-geistigen Anlagen führen. 4 Demgemäß war auch das Forschungsziel Savignys nicht das weiterentwickelte Recht seiner Zeit, sondern das klassische römische Recht. In dessen Quellen sollte sich der Jurist "hinein lesen und denken, wie in andere mit Sinn gelesene Schriftsteller, [die Juristen; Anm. d. Verf.] sollen ihnen ihre Weise ablernen, und so dahin kommen, in ihrer Art und von ihrem Standpunkt aus selbst zu erfinden und so ihre unterbrochene Arbeit in gewissem Sinne fortzusetzen."s Im Gegensatz zu dem Bildungsideal Humboldts oder Schleiermachers 6 sollten aber, da der Wissenschaftsbegriff Kants eine festgefügte, nicht willkürlich abänderbare Grundlage forderte, alle außerhalb dieses Rechtsbegriffes liegenden Disziplinen, wie Politik oder Staatswirtschaft, deren Gegenstand nur empirisch ermittelbar war, von der Rechtswissenschaft nicht erfaßt werden. Butz. Juristenausbildung, S. 91 f., 359 f.; Larenz. Methodenlehre, S. 12. Butz.Juristenausbildung, S. 20. 193; Wieacker. Privatrechtsgeschichte, S. 363 ff. 5 Savigny. Beruf, S. 167 f.; Butz. Juristenausbildung, S. 98. S. auch die Auffassung des Neuhumanismus in Bezug auf das klassische Kulturideal, Butz, Juristenausbildung, S. 20. 6 Butz. Juristenausbildung, S. 48 f., 54, 372. 3
4
11 Kühn
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c. Studienreform und Rechtstheorie
Damit entstand ein neuer Begriff der Rechtswissenschaft: Durch historische Erkenntnis und systematische Zergliederung des römischen Rechts sollte das gewachsene Recht in seiner inneren Notwendigkeit erkannt werden. Die Rechtswissenschaft hatte dadurch ihre Würde wiedererlangt. Sie fügte sich wieder als geachtetes Mitglied in den Kanon der wissenschaftlichen Disziplinen ein. Dabei ließ es sich auch verschmerzen, daß sie sich von der Praxis und den Anforderungen der Verwaltung an eine unmittelbar berufsbezogene Ausbildung entfernte. Ja durch die Absonderung von der täglichen Anwendung hatte sie eigentlich erst ihren Rang erreicht. Schließlich entsprach auch dies dem neuhumanistischen Bildungsideal. Die Universität hatte sich primär um die Wissenschaft zu kümmern. Die Ziele der Praxis waren ihr nur insofern mittelbare Ziele, als eine wissenschaftlich gebildete Person kraft ihres geschulten Geistes den Anforderungen jeder Praxis gerecht werden konnte. Der Staat hatte sich in die interne Gestaltung des Studiums nicht einzumischen. Um seine Ziele, die Heranbildung insbesondere für die staatliche Verwaltung geeigneter Personen zu gewährleisten, sollten ihm Eingriffe nur gestattet sein, um die innere Freiheit der Wissenschaft zu schützen. 7 Diese Eingriffsmöglichkeiten bestanden in einer staatlichen Personalpolitik und, nach Humboldt, Prüfungen am Abschluß des Studiums durch den Staat. Innerhalb des Studienablaufs sollten jegliche Beschränkungen für Lehrer wie Schüler, als vorgeschriebene Studienpläne oder Zwischenprüfungen, unterbleiben. 8
2. Entwicklung des Rechtsstudiums a) Freiheit und Zwang
Entsprechend dieser Entwicklung in der Rechtswissenschaft gestaltete sich auch das Studium des Rechts an den Universitäten. Zu Beginn des Untersuchungszeitraumes steht an seinem Anfang in Bayern wie in Preußen ein allgemeinwissenschaftliches Studium. Dies spiegelt die Aufnahme neuhumanistischen Gedankengutes in München und Berlin wieder. Der Student sollte auf der Hochschule eine allgemeine Geistesbildung erhalten, die ihn zur Übernahme verschiedenster Ämter des Staates befähigen sollte. Die Formung des Geistes wurde für eine Bewährung im praktischen Leben als Voraussetzung angesehen. Die unterschiedliche Durchführung dieses Gedanken in Bayern und Preußen zeigt verschiedene Ansichten des neuhumanistischen Bildungsideals von den Aufgaben der Hochschule. In Bayern hatte vor allem ScheIling die Einrichtung der allgemeinwissenschaftlichen Propädeutika maßgeblich beeinflußt. Auch wenn die bayerische Politik zwischen einer freien Auswahl der zu hörenden Vorlesungen Butz. Juristenausbildung. S. 38f. Butz. Juristenausbildung, S. 41, 43, 53, 64 f. Staatsprüfungen gegenüber ablehnend war dagegen Schleiermacher, Butz, Juristenausbildung, S. 59, 370. 7
8
I. Historische Schule und Begriffsjurisprudenz
163
(1827 und 1849) und strengster Vorgabe und Kontrolle (1838) schwankte,9 so blieb die Allgemeinbildung doch ein Anliegen des Staates, zu dessen Durchsetzung er auch Vorschriften gegenüber den Studenten erließ. Wie schon bei Schleiennacher fonnuliert, wurde in Bayern dem Staat, der die Hochschulen zu seinen Zwecken einrichtete, das Recht eingeräumt, ein einleitendes allgemein wissenschaftliches Studium vorzuschreiben. 10 Zwar bestand Uneinigkeit über das Maß einer Kontrolle dieses Propädeutikums. Seine Notwendigkeit und die Berechtigung einer diesbezüglichen Vorschrift wurde aber anerkannt, wobei die in Bayern geübte Praxis auf eine Tradition der Jesuitenschulen mit ihrer zusätzlichen Aufgabe, eine Bildung des Herzens im Sinne christlicher Gesinnung zu vennitteln, zurückschauen konnte. 11 Die Vorschrift einer allgemein wissenschaftlichen Einführung in das Fachstudium wurde daher bis zu Ende des Untersuchungszeitraumes beibehalten. In Preußen war eine andere Auffassung des Neuhumanismus vorherrschend. Humboldt hatte für eine allgemeine Geistesbildung die Freiheit von jeglichem Zwang, insbesondere von Seiten des Staates gefordert. Wahre Bildung könne nur in absoluter Freiheit erreicht werden, weshalb sich der Staat jeglicher Einflußnahme, insbesondere während des Studiums durch Semester- oder Zwischenprüfungen enthalten sollte. 12 Die einzigen Eingriffsbefugnisse sollten in einer staatlichen Personalpolitik, sowie, im Gegensatz zu Schleiennacher, Staatsprüfungen am Ende der Hochschulausbildung bestehen. I3 Nach diesen Vorgaben richtete sich die preußische Regierung. Ein propädeutisches allgemeinwissenschaftliches Studium wurde nicht vorgeschrieben. Auch auf sonstige Eingriffe in das Studium selbst wurde verzichtet. Erst 1844 schrieb Preußen eine Anzahl von Vorlesungen als obligatorisch vor. Kontrollfunktion hatte hier das Abschlußexamen, das von einer Instanz außerhalb der Universität, vom Staat bestellten Richtern, abgehalten wurde. Dort und nur dort konnte und sollte die Regierung ihre Bedürfnisse hinsichtlich der Beamtenausbildung einbringen und Unbefähigte abweisen. In Bayern dagegen war die Abschlußprüfung, wenn auch seit 1830 als "theoretische Staatsprüfung" bezeichnet, Sache der Universitäten. Wenn auch unter Aufsicht eines Staatscommissärs, prüften allein Professoren in mündlichem Examen den von ihnen vennittelten Stoff.
b) Auswahl!Anordnung der Fächer Im Rechtsunterricht zeigte die Neuorientierung der Rechtswissenschaft durch die Historische Schule Auswirkungen. Das Recht sollte nach deren Konzeption hiDickerhof, Dokumente, S. 17, 107 ff. Butz. Juristenausbildung. S. 55. 370; Paulsen. Geschichte, S. 258. II Dickerhof, Dokumente, S. 175. 12 Butz. Juristenausbildung. S. 24 f .. 43. 13 Butz. Juristenausbildung, S. 41, 59.
9
10
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C. Studienrefonn und Rechtstheorie
storisch zergliedert und auf seine Quellen zurückgeführt werden. Das hieraus gewonnene Material sollte dann geordnet und in ein inneres System gefügt werden. Historische und systematische Methode waren die zwei wesentlichen Bestandteile bei der Erneuerung der Rechtswissenschaft. 14 Dementsprechend entwickelte sich der Rechtsunterricht an der Universität weiter. Das römische Recht blieb wesentlicher Bestandteil des juristischen Lehrkurses. Davor wurden die Institutionen des römischen Rechts als Einführungsvorlesung angeboten, oft dergestalt, daß nach einer Darstellung der äußeren Geschichte des römischen Rechts eine kurze dogmatische Übersicht gegeben wurde. 15 Diese Aufteilung entsprach der methodischen Zweiteilung in Geschichte und Systematik. 16 Daneben oder auch innerhalb der Institutionenvorlesung wurden Vorträge über römische Rechtsgeschichte gehalten, um "den angehenden Juristen im Anfange seines Studiums auf den geschichtlichen Charakter des Rechts überhaupt hinzuweisen und zur Erkenntnis des Zusammenhangs zu führen, der zwischen den vergangenen Zeiten und der Gegenwart ununterbrochen besteht.,,17 Auch Exegetika oder Praktika beschränkten sich hauptsächlich auf das römische Recht. Seit den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts wurden auch Vorlesungen über Deutsches Privatrecht, das germanistische Pendant zu den Pandektenvorlesungen angeboten. Allgemein wurde Wert darauf gelegt, daß, entsprechend der Arbeitsweise der Historischen Schule, die geschichtlichen Vorlesungen den dogmatischen vorgingen. 18 Seit den 30er Jahren verschob sich der Schwerpunkt der rechtswissenschaftlichen Arbeiten über das römische Recht von der Geschichte auf die systematische Ordnung. 19 Nachdem der historische Stoff weitgehende Bearbeitung gefunden hatte, ging man nun daran, das Aufgefundene in ein System, eine begriffliche Ordnung zu bringen. Die logische Deduktion und Vereinbarung der Institute miteinander wurde nunmehr als die eigentliche Wissenschaft angesehen. Dementsprechend gewannen die systematisch-dogmatischen Vorlesungen über die Pandekten zusätzliches Gewicht und drängten die Rechtsgeschichte in ihrer Bedeutung zurück, wenn diese nicht vollständig in der Institutionen-Vorlesung eingegliedert wurde.2° Auch die Rechtsphilosophie erfuhr eine Zurückdrängung im Rechtsunterricht an den Hochschulen. Als eigentlich philosophische Aufgabe der Rechtswissenschaft wurde, in Abkehr von den Vorstellungen des Naturrechts, die systematische GlieButz. Juristenausbildung, S. 86 f., 91; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 370. v. Löw, Einleitung 1835, S. 165. I~ SO auch Warnkönig. Encyclopädie 1853, Vorwort. 17 Falck. Encyclopädie, 2. Aufl. 1825. S. V. 18 V. Löw. Einleitung 1835, S. 173 f.; Arndts. Grundriß 1843, S. 75; Pütter, Inbegriff 1846, S.316. I~ Wilhelm. Methodenlehre, S. 45 f. 20 Arndts. Grundriß 1843, S. 74, 76. Symptomatisch auch die Vernachlässigung des Quellenstudiums, v. Löw. Akad. Lehrweise 1834, S. 12, 32,40. Erst später im Dt. Privatrecht, v. liiw. a. a. 0., S. 34 f. 14
15
I. Historische Schule und Begriffsjurisprudenz
165
derung des historisch aufgefundenen Stoffes verstanden. 21 Die Vorlesung über Rechtsphilosophie oder Naturrecht wurde an den Rand des Studiums gedrängt oder, wie in München, überhaupt nicht mehr abgehalten. Ihre Stellung nahmen die "systematischen" Kollegien über Institutionen und Pandekten ein. Die Ausrichtung auf eine historische und systematische Behandlung des römischen Rechts bewirkte desweiteren eine Abkehr vom geltenden Recht und seinen gegenwärtigen Grundlagen. Das römische Recht war "Grund- und Eckstein juristischer Bildung".22 Die Vorlesungen über Landesprivatrecht fanden daneben nur eine Randexistenz. 23 In Bayern baute das Landesrecht zwar im wesentlichen auf dem gemeinen römischen Recht auf24 , das Kolleg über den Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 konnte daher als Ergänzung zu den Vorlesungen über das in ganz Deutschland geltende gemeine Recht angesehen werden. Aber auch in Preußen, wo das Allgemeine Landrecht sich bewußt von der gemeinrechtlichen Tradition abwandte 25 , blieb das römische Recht im Mittelpunkt des juristischen Unterrichts. Erst seit 1849 wurden regelmäßig Vorlesungen über das Allgemeine Landrecht abgehalten und erst 1864 war es als Stoff der Universitätsabgangsprüfung vorgeschrieben. Entsprechend den Vorstellungen Savignys26 sollte eine wissenschaftliche Ausbildung an der Universität sich auf historische und systematische Behandlung des römischen Rechts beschränken. Die Beschäftigung mit dem unwissenschaftlichen, weil nicht wissenschaftlich bearbeiteten, preußischen Partikularrecht sollte erst im praktischen Vorbereitungsdienst erfolgen. Als gleichfalls nicht dem Bildungskonzept der Historischen Schule genügend und damit unwissenschaftlich wurde die Beschäftigung mit den materiellen Grundlagen des Rechts, den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Gegenwart angesehen. Die Jurisprudenz sollte durch fest vorgegebene Grundlagen und strenge Methode zu einer, dem Kant'schen Wissenschaftsideal entsprechenden Objektivität und Freiheit von wechselhafter Einflußnahme gelangen. Vor allem Puchta forderte daher, die Rechtswissenschaft von politischen Erwägungen und Einflüssen der gesellschaftlichen Wirklichkeit freizuhalten. 27 Demgemäß wurden Vorlesungen, die sich auf derartige Aspekte konzentrierten, insbesondere die Vorlesungen über Staatswissenschaften aus dem juristischen Fächerkanon möglichst herausgehalten. Das entsprach auch der herrschenden Vorstellung von der Zulässigkeit einer Gesetzesauslegung, die nur bei unzweifelhafter Erkenntnis des Gesetzesgrundes erlaubt sein sollte, sowie von der korrekten Arbeitsweise eines Beamten, der der Herrschaft der Gesetze bei strenger Gleichbehandlung zur Durchsetzung verhelfen 21
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Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 370. v. Schwarze, Verh. d. 14. DJT 1878, S. 234. Arndts, Grundriß 1843, S. 74f. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 326 f. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 331 ff. Savigny, Beruf, S. 182 f. Wilhelm, Methodenlehre, S. 84; Rückert, Autonomie, S. 80 ff.
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C. Studienrefonn und Rechtstheorie
sollte. 28 In Preußen blieb es daher bei einer rein fonnalen Vorschrift des rechtsund staatswissenschaftlichen Studiums, die praktisch keinerlei Auswirkungen hatte. Diesbezügliche ,,Allgemeinbildung" sollte in der Praxis erworben werden. Dem rechtswissenschaftlichen Studium wurden die Kameralfächer nicht zugeordnet. Ein Unterschied bestand allerdings zwischen Bayern und Preußen. Wahrend in Preußen die Staatswissenschaften aus dem Studium faktisch ausgeschlossen wurden, waren sie in Bayern fester Bestandteil von Unterricht und Prüfung. In Preußen und vor allem Berlin hatte die Historische Schule einen bestimmenden Einfluß auf die Rechtsfakultäten und konnte dort ihre Bildungskonzeption fast vollständig durchsetzen. 29 In Bayern fanden dagegen auch abweichende Stimmen maßgeblichen Einfluß. So warnte Feuerbach schon im Jahre 1816 vor einer historisch-antiquarischen Ausrichtung der Rechtswissenschaft und einer Abkehr von der Realität. 3o Auch ließ die bayerische Zivil- und Strafgesetzgebung eine freizügigere Auslegung der Gesetze und damit stärkere Berücksichtigung der Lebensumstände ZU. 31 Das humanistische Bildungsideal von der Allgemeinbildung des Staatsdieners wurde daher in Bayern nicht so stark durch den Wissenschaftsbegriff der Historischen Schule zurückgedrängt. Der Wunsch nach einer durch das Studium vermittelten Allgemeinbildung führte dazu, daß auch nicht eigentlich rechtliche Studien weiterhin als bedeutsam für eine wissenschaftliche Ausbildung angesehen wurden. 32 Die besonders für Verwaltungsbeamte bedeutsamen Staatswissenschaften blieben demzufolge gleichberechtigter Teil des Rechtsstudiums.
c) Lehrmelhodik
Im Zusammenhang mit den gewandelten Vorstellungen von der Wissenschaftlichkeit der Jurisprudenz stand auch die Methode ihrer Darstellung im Unterricht. Die Rechtswissenschaft sollte den aufgefundenen historischen Rechtsstoff systematisch gliedern. Die innere Ordnung des vorgegebenen Materials machte die eigentliche Wissenschaft aus. 33 Folglich waren die Vorlesungen mit ihrem systematischen Aufbau am besten geeignet, eine solche Ordnung darzustellen und bildeten den Kernpunkt des Rechtsunterrichts, der bald alle anderen Darstellungsfonnen, insbesondere der Prozeßpraktika verdrängte. 34 In dieser Vortragsart konnte, ohne 28 Schröder. Gesetzesauslegung. S. 18 ff., 31; Hattenhauer. Geschichte. S. 210; Stolleis. Geschichte. S. 349. 29 Butz. Juristenausbildung. S. 118 ff.• 178. Anders in München. s. Huber. Universität. S. 88 ff. 30 v. Feuerbach. Einige Worte 1816. S. 141 ff. 31 Schröder. Gesetzesauslegung, S. 25f. 32 Belehrung f. d. Studierenden d. Bay. Hochschulen 1836. Döllinger. Bd. 9. S. 358 ff. Anders in Preußen. Butz. Juristenausbildung. S. 92. 33 Larenz. Methodenlehre. S. 19.
I. Historische Schule und Begriffsjurisprudenz
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irreführende Unterbrechungen, streng und folgerichtig gegliedert logische Konstruktion und Deduktion von Rechtssätzen dargelegt werden. Daneben wurden, zur Unterstützung des historischen Elementes, Exegesen an den Quellen des römischen Rechts angeboten. Diese sollten dazu dienen, "in den Geist des Römischen Rechts so tief einzudringen, daß man das Römische schon im Gefühl von jedem anderen Recht unterscheidet, gleich fühlt, daß es Römisch ist. .. 35 Mit der Schwerpunktverlagerung hin zur Dogmatik und weg von der geschichtlichen Aufarbeitung seit den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts gingen die exegetischen Vorträge und Übungen allerdings zurück. Auch das studentische Interesse an derartigen Veranstaltungen ließ nach, so daß 1851 die preußische Regierung als Reaktion darauf bei der Universitäts abgangsprüfung ausdrücklich die Interpretation von Stellen des Corpus Iuris forderte. 36 Andere Übungsformen wurden dagegen zunächst abgelehnt. Eine Wissenschaft wollte erkannt werden. War sie geistig erfaßt, so konnte sie besser und richtiger als durch bloße Übung angewandt werden. Hier war auch die Überzeugung des Neuhumanismus zu spüren, daß eine fundierte Bildung zu allen Anforderungen der Praxis befähigte. 37 Dennoch entwickelten sich neue, praktisch ausgerichtete Formen des theoretischen Unterrichts. Kant hatte unterschieden zwischen dem Verstand, dem Vermögen der Regeln und allgemeinen Begriffen, und der Urteilskraft, dem Vermögen, die Regeln auf den Einzelfall anzuwenden. Wahrend der Verstand nur belehrt werden konnte, mußte die Urteilskraft durch Beispiele geschärft werden. Die ebenfalls an der Rechtsanwendung beteiligte Urteilskraft bedurfte daher, wenn dies auch nicht eigentlich der Wissenschaft zugerechnet werden konnte, eigener Unterweisung und Unterrichtung. 38 Die neuen Übungen zielten nicht auf eine Befähigung zur Ausübung des juristischen Geschäfts, sondern das Erlernen rechtswissenschaftlicher Techniken, Auslegung und systematische Behandlung der Rechtssätze, sowie die Anwendung auf den Fal1. 39 Motiv für die meisten Befürworter dieser Unterrichts methode war allerdings, die Anschaulichkeit der Belehrungen zu erhöhen und die Anteilnahme der Studenten zu fördern. Die Praktika blieben neben der systematischen und damit eigentlich wissenschaftlichen Vorlesung auch der Ausnahmefall. Die wissenschaftliche Ausbildung auf der Universität beschränkte sich weiterhin im wesentlichen auf die dogmatische Belehrung. 4o
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Schräder. Wissenschaftstheorie. S. 189 ff .. 240 f .. 246 ff. Pütter. Inbegriff 1846. S. 310. AV v. 27. 5. 185\, JMB\. 185\, S. 202; s. auch v. Akad. Lehrweise 1834, S. 9,12. So auch Falck. Encyc1opädie, 2. Aufl. 1825. S. Vf. Schräder. Wissenschaftstheorie. S. 211 f.
ww.
ww.
Falck, Encyc10pädie 1825, S. 327 ff.; v. Akad. Lehrweise 1834, S. 18f. Hälschner. Studium 1859, S. 29: "daß jedoch solche Versuche bisher von irgend einer wirklichen Bedeutung für das juristische Studium geworden wären, davon kann nicht die Rede sein .... 39
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C. Studienrefonn und Rechtstheorie
11. Objektive Auslegungstheorie 1. Rechtstheorie a) Ausgangssituation
Hauptziel der Pandektistik bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts blieb die Systematisierung der römischen Rechtsquellen. Ihr Streben ging nach Ordnung des Rechts und Strukturbildung, einer Leistung, derer sich die deutsche Rechtswissenschaft dieser Zeit als international herausragend rühmte. 41 Eine Übersteigerung dieses Ordnungsgedankens schaffte die "naturhistorische Methode" Rudo1f von Iherings. Sie orientierte sich an der Denkweise der Naturwissenschaften. Mit den Begriffen des Rechts sollte ein Organismus geschaffen werden, der wiederum eigene Begriffe und Rechtsinstitute generieren sollte. Systembildung wurde zur eigentlichen Wissenschaft. Die äußeren Umstände von Entstehung und Anwendung der positiven Normen wurden zur Nebensache, entschwanden aus dem Blickfeld der Rechtswissenschaft. 42 Die Mehrzahl der Juristen des 19. Jahrhunderts folgte dieser Richtung in ihren extremen Auswirkungen allerdings nicht. Das Streben nach einem geschlossenen System und formal-begrifflicher Logik blieb jedoch bestimmend. Die äußere Welt mußte daher neben dem Streben nach innerer Klarheit und Wahrheit Nebensache bleiben. Das positive Recht, die gesetzte Norm war wesentliche Richtschnur für juristisches Handeln. Recht, war mit dem Gesetz grundsätzlich gleichgesetzt. 43 b) Objektive Auslegungstheorie
Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts entstand ein Mißtrauen gegenüber der "Vernünftigkeit" des Gesetzgebers. Die ,,ratio scripta" des römischen Rechts wurde zunehmend durch Normen des jetzt parlamentarischen Gesetzgebers ersetzt, dessen Arbeitsweise beobachtet oder selbst mitgestaltet werden konnte. Die Annahme einer über der äußeren Entwicklung stehenden Vernunft wurde dadurch in Frage gestellt. Das dennoch bestehende Ideal einer Rationalität des Rechts forderte einen anderen, von Wortlaut und historischem Willen des Gesetzgebers freieren Umgang mit dem Gesetz. Seit den 70er Jahren suchte man die Lösung über eine vorsichtige teleologische Auslegung. Der Gesetzgeber wurde idealisiert, das Gesetz wurde mit seinen Gründen neben die historische Legislative und ihre tatsächlichen Motive gestellt. Die objektive Auslegungstheorie, die 1885/86 fast gleichzeitig von Binding, Wach und Kohler formuliert worden war, löste die Norm und ihre Zwecke 41
42 43
Larenz, Methodenlehre, S. 19. Larenz, Methodenlehre, S. 24 ff.; Wilhelm, Methodenlehre, S. 96 f., 107. Larenz, Methodenlehre, S. 28 f.
II. Objektive Auslegungstheorie
169
völlig von den geschichtlich verfolgten Absichten. Der Rechtsanwender, insbesondere der Richter bekam jetzt eine gesteigerte Verantwortung hinsichtlich des objektiven Sinnes und der Vernünftigkeit des Gesetzes. Neben Wortlaut und historischen Absichten des Gesetzgebers wurden die "Zwecke" des Gesetzes selbst in ihrer geschichtlichen Entwicklung maßgeblich. Der Richter sollte Motivation und Auswirkungen der Norm erkennen und berücksichtigen. 44 Nach der reinen Beschränkung auf das Gesetz durch die Begriffsjurisprudenz gelangte nun auch wieder die äußere Welt zu ihrem Recht. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch eine Veränderung in der Gesetzgebungstechnik. Mit der Freigabe von Handel und Gewerbe wurde der Privatwirtschaft ein größerer Spielraum eingeräumt. Dieser neugewonnenen Autonomie der Wirtschaftssubjekte wurde durch im wesentlichen dispositives Recht und Auslegungsregeln, die den Willen der Handelnden berücksichtigten, Rechnung getragen.45 Auch das Gesetz, insbesondere die neue Handelsgesetzgebung seit 1847/ 49, verlangte, über den Gesetzeswortlaut hinauszublicken. Dieser Tendenz entsprach auch ein gewandeltes Verständnis von der Jurisprudenz als Wissenschaft. Der Versuch, die Rechtswissenschaft nach der Methode der Naturwissenschaften zu betreiben, hatte zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung und Unbehagen auch unter den Juristen geführt. 46 Die Beschränkung auf das "Positive" im Recht wurde ihm, als Kulturprodukt und umweltbezogene Technik nicht gerecht. Geistige Erzeugnisse bestanden offensichtlich aus mehr als bloß den geschriebenen Buchstaben, den Fakten. Das Verständnis einer kulturellen Schöpfung endete nicht im Auffassen ihres objektiven Sinnes. Dasselbe Ungenügen der naturwissenschaftlichen Methode wurde auch für die übrigen Geisteswissenschaften festgestellt. Dies führte zu einer neuen Theorie der Geisteswissenschaften, die im Gegensatz zu den Naturwissenschaften nicht wie etwas Fremdes erklärt, sondern als Verwandtes verstanden werden wollten. 47 Geistesprodukte sollten im Kontext mit ihrem gesamten Umfeld stehen und konnten nur gemeinsam mit diesem erfaßt und verstanden werden. ,,Damit stellte sich neben das rationelle logische Erkennen entweder selbständig, oder mit ihm verwoben, das irrationale Erlebnis als zweite gleichwertige Tatsache. ,,48
44 Larenz. Methodenlehre, S. 32 ff.; Schröder; Gesetzesauslegung, S. 33 ff.; so auch Ogorek. Richterkönig, S. 158 ff., die allerdings betont, daß auch bereits vorher eine Auslegung jenseits des historischen Gesetzgeberwillens bekannt war. 4S Rückert. Autonomie, S. 44f. 46 Wieacker; Privatrechtsgeschichte, S. 415 f. 47 Schröder; Gesetzesauslegung, S. 50 ff.; so auch Zitelmann. in: Planitz (Hg.), Rechtswissenschaft 1924, S. 200 ff. 48 Zitelmann. in: Planitz (Hg.), Rechtswissenschaft 1924, S. 177 ff., 202.
170
C. Studienrefonn und Rechtstheorie
2. Entwicklung des Rechtsstudiums a) Fächerauswahl
Diese Entwicklung spiegelte sich in der Veränderung des Universitätsunterrichts wider. Das Recht wurde in zunehmendem Maße nicht mehr nur als System von Rechtssätzen angesehen, sondern als Teil und ordnende Funktion des täglichen Lebens. War die "Theorie" der Rechtswissenschaft zunächst geradezu als Gegenpol zur "Praxis" der Rechtsanwendung angesehen worden49 , so wurde nunmehr der Bezug zur Anwendung, zur Ausübung in den juristischen Berufen immer wichtiger. Als ersten Schritt in diese Richtung muß man wohl, zumindest in Preußen, die verstärkte Berücksichtigung des Landesrechts innerhalb der Vorlesungen ansehen. Dieses war zunächst als unwissenschaftlich und lediglich für die Anwendung im späteren Beruf als erforderlich angesehen worden. Gerade das Bedürfnis für die berufliche Praxis wurde jetzt aber zu einem Argument für seine Eingliederung in den universitären Fächerkanon. Daneben fanden auch andere Rechtsgebiete mit dem Hinweis auf Erfordernisse in der täglichen Arbeit des Juristen Eingang. So wären hier Handels- und Arbeitsrecht zu nennen, die sich trotz ihrer relativ neuen Niederlegung oder Bearbeitung sehr bald an den Universitäten durchsetzen konnten, aber auch die strafrechtlichen Nebengebiete, die, wenn auch keine eigentlich juristischen Fächer, bereits seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts regelmäßig an den Rechtsfakultäten angeboten wurden. Sehr deutlich zeigt sich die Hinwendung zu den Bedürfnissen der Praxis in der Durchsetzung des öffentlichen Rechts als Unterrichtsfach. Zum einen drückte sich darin aus, daß bei Erwägungen der Unterrichts gestaltung erstmals die Frage gesteilt wurde: Für welche Berufe bilden wir aus und welche Vorbildung ist dafür nötig?so Zum anderen wurde der Wert des öffentlichen Rechts für die juristische Lehre gerade in seinem engen Zusammenhang mit wirtschaftlichen und sozialen Fragestellungen sowie deren wissenschaftlicher Beantwortung gesehen. So stellte zum Beispiel von Liszt fest: "Die Lösung der großen sozialpolitischen Fragen [ ... ] bildet die Aufgabe der nächsten Zukunft. An dieser Aufgabe mitzuarbeiten sind die Juristen aller Art in erster Linie berufen, in der Gesetzgebung wie in der Verwaltung. Meint man im Ernste, daß einseitig privatrechtliche Bildung für diesen Zweck genügt?"SI
49 Hälschner; Studium 1859. S. 22 definiert .. streng wissenschaftlich" noch als .. von aller sogenannten practischen Brauchbarkeit der Kenntnisse" absehend. ~o Speziell für Verwaltungsbeamte bei Gerster; ZStW 1859. S. 639 ff. SI v. Lim. Refonn 1886. S. 21. Für den Beruf des Richters: Meyer; Verh. d. 14. DJT. Bd. 2. S. 219 f.; Bosse. Zur Frage 1887. S. 154.
11. Objektive Auslegungstheorie
171
b) Lehnnethodik
In die gleiche Richtung gingen die immer häufiger aufgestellten Forderungen nach der Beteiligung sogenannter "Praktiker" an Lehre und Prüfung. Die Rechtswissenschaft wurde mehr und mehr in ihrem Kontext zu Anwendung und Auswirkung auf die Praxis erkannt. Wollte man dieser Seite des Rechts gerecht werden, so mußten zwangsläufig die Belange der Rechtsumsetzung auch schon an der Hochschule berücksichtigt werden. Wer aber konnte dies besser als der Praktiker, der Richter, Anwalt oder Verwaltungsbeamte? In gleichem Maße wuchs das Interesse dieser Berufsgruppen an der Ausbildung. Seit Mitte bis Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts meldeten sich Verwaltungsbeamte und Rechtsanwälte, aber vor allem Richter in immer größerer Zahl auch literarisch in Belangen der Ausbildungsreform zu Wort, nachdem dieses Thema zunächst auf eine rein professorale Fachdiskussion beschränkt geblieben war. In wechselseitiger Wirkung gewannen Praxis und Lehre wieder gegenseitiges Interesse aneinander. Auch die Formen der Lehre wurden unter diesem Aspekt anders beurteilt. Praktische Übungen, die in besonders anschaulicher Weise die Anwendung des Rechts im täglichen Leben verdeutlichten, setzten sich in dieser Zeit, nicht zuletzt aufgrund interessierter Protektion durch den Staat an den Hochschulen durch. 52 In diesen Praktika oder auch Seminaren sollte das Recht nicht mehr nur als System verstanden, sondern als Funktion des Lebens in seiner Beziehung zu diesem auch erfaßt oder gar erfühlt werden. Sinn und Bedeutung dieser Lehrformen wurde jetzt nicht mehr so sehr in der "Anleitung zur eigenen und selbständigen wissenschaftlichen Tätigkeit,,53 oder der Notwendigkeit, den Lehrvortrag interessant zu halten 54 , gesehen als in der Anschauung des Studenten darüber "wie die Theorie in einzelnen Fällen umzusetzen ist in die Praxis. ,,55 Im Vergleich zwischen Bayern und Preußen war diese Entwicklung in Preußen wesentlich stärker spürbar. Grund hierfür war wohl der weitaus intensivere Einfluß der Historischen Schule und der Pandektistik an den Hochschulen Preußens der bewirkt hatte, daß jetzt ein größerer Rückstand diesbezüglich aufzuholen war. In den bayerischen Universitäten, in denen der humanistische Einfluß und demzufolge eine universelle Betrachtungsweise auch des Rechts mitbestimmend blieb, war die "Realität des Rechts" und seine Auswirkung auf das tägliche Leben nie ganz aus dem Blickwinkel der Lehre verschwunden. 56 52 Anschaulich hierzu: Zitelmann, Lebenserinnerungen 1924, S. 19 ff. und in: Planitz (Hg.), Rechtswissenschaft 1924, S. 186 ff., 202, der die Übungen in Bonn durchsetzen sollte gegen den Widerstand z. B. Hälschners, der in Studium 1859, S. 20 noch meint: "Der Jurist soll auf der Universität eine lediglich theoretische, nicht, wie etwa der Mediciner, zugleich eine practische Vorbildung erhalten.". 53 Hälschner, Studium 1859, S. 29. 54 Ortloff, Methodologie 1863, S. 69, 84. 55 Brunner, in: Verh. d. 11. DJT 1873, Bd. 2, S. 40. Mit derselben Intention: Stammler. Pandekten übungen 1896, S. 16, 20 ff. sowie Zitelmann, in: Planitz (Hg.), Rechtswissenschaft 1924, S. 202.
172
c. Studienrefonn und Rechtstheorie c) Herausdrängen des Römischen Rechts
Unter dem Aspekt der Hinwendung zu Anwendung und Auswirkungen des Rechts ist nicht zuletzt auch die Herausdrängung des römischen Rechts aus dem Mittelpunkt des juristischen Unterrichts zu sehen. Die Eisenacher Konferenz im Jahre 1896 markierte einen Bruch. Historische und systematische Betrachtung wurden im Rahmen der gewandelten Auffassung nicht mehr als alleiniger Kern des Rechtsverständnisses angesehen, sondern mußten sich ihren Platz mit der immer stärker vordrängenden Berücksichtigung der Rechtsanwendung teilen. Selbst Befürworter einer starken Position des römischen Rechts verwandten jetzt vielfach das Argument der beispielhaften Praxisbezogenheit der römischen Juristen um eine Beibehaltung desselben als Schwerpunkt der Ausbildung zu rechtfertigen. 57 Nicht zuletzt waren es aber natürlich auch politische Motive, die bewirkten, daß selbst im Hinblick auf die durchaus noch bestehende Wertschätzung gegenüber System und Geschichte des römischen Rechts das für das gesamte Deutsche Reich einheitlich geltende neue bürgerliche Recht sich in den Mittelpunkt des juristischen Unterrichts schob.
III. Interessenjurisprudenz, Freirechtsschule und Rechtssoziologie 1. Rechtstheorie
Die Entwicklung der Rechtswissenschaft setzte sich auch im 20. Jahrhundert in diese Richtung fort und verstärkte sich. Die ,Jnteressenjurisprudenz" sah das Recht als "Interessenschutz" und ..Interessenprodukt". Um diese Bestimmung zu erfüllen mußte jeder, der das Gesetz durchzusetzen hatte, die der Norm zugrundeliegenden Ziele sowie die Umstände des gegenwärtigen Lebens, in denen sie sich verwirklichen sollten, kennen. Die Rechtswissenschaft gewann dadurch eine neue Blickrichtung, nämlich auf die Erkenntnis der historisch intendierten Werturteile und zugleich das Wissen um die derzeitigen Lebensverhältnisse, in denen das Werturteil realisiert werden sollte. 58 Die materiellen Grundlagen des Rechts schoben sich in das Gesichtsfeld der Jurisprudenz. Bezeichnend für diese Ausrichtung war auch die Tatsache, daß der Richter als Rechtsanwender Hauptadressat der neuen Lehre war sowie der große Erfolg, den sie insbesondere in der Rechtspraxis hatte. 59 Die Beschäftigung mit dem äußeren System des Rechts legitimierte sich nur noch in 56 57
58 59
So auch Schanz. Vorbildung 1887, S. 92 ff. So z. B. Muther. Refonn 1873, S. 12f. Larenz. Methodenlehre 1991, S. 49 ff. Larenz. Methodenlehre 1991. S. 58.
1II. Interessenjurisprudenz
173
einer Erleichterung der logischen Subsumtion sowie dem Interesse an einer nachvollziehbaren Darstellung. 6O Blieb die Interessenjurisprudenz noch am Gesetzestext als Ausgangspunkt aller Überlegungen und Manifestierung der vom Gesetzgeber gewollten Wertungen festgemacht, so wandten sich andere Strömungen des 20. Jahrhunderts noch viel stärker von den geschriebenen Nonnen ab und den ,,Realitäten" des Lebens zu. Als "Freirechtsschule" und Rechtssoziologie kamen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ausgangspunkt für beide war, wie schon für die Interessenjurisprudenz, die Feststellung, daß, im neugeschaffenen BGB sogar ausdrücklich vorausgesetzt, die Regelungen im Gesetz lückenhaft sind. Fraglich war nun, wie derartige Lücken zu füllen wären. Die Interessenjurisprudenz suchte die Ergänzungen noch im Gesetz, in den dort durch den historischen Gesetzgeber fonnulierten Wertungen und Interessensabwägungen . Die Freirechtsschule meinte die Lösung zu vom Gesetzgeber noch nicht erkannten Problemen im Willen des einzelnen Rechtsanwenders, in seinem Gerechtigkeitsgefühl zu finden. Vor allem der Richter sollte, basierend auf seiner Kenntnis des Rechts sowie der Umstände des Lebens, aus sich selbst heraus Entscheidungen treffen. 61 Die Rechtssoziologie dagegen interessierte sich für diejenigen Konfliktlösungsmechanismen, die bereits ohne Einwirkung eines Gesetzgebers durch die Gesellschaft selbst geschaffen wurden. Diese suchte sie, als "echte" Wissenschaft im Sinne eines positivistischen Wissenschaftsbegriffes, aus den dem Recht zugrundeliegenden Tatsachen durch Beobachtung zu gewinnen. 62 Im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten Strömungen orientierte sich die Rechtssoziologie viel weniger an einer konkreten praktischen Anwendung denn an einer allgemeinen Fortentwicklung des Rechts.
2. Entwicklung des Rechtsstudiums a) Lehrmethodikl Fächerauswahl
Vor diesem Hintergrund ist zu sehen, daß auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts die "Realien" des Rechts die Geschichte im Unterricht immer mehr zurückdrängten. Auch Otto von Gierke, der davon ausging, daß "alle Vertiefung des Rechtsstudiums [ ... ] durch historische und philosophische Grundlegung bedingt" sei 63 , räumte ein: "Es ist die Aufgabe des zu einer besonderen Lebensstellung berufenen 60 61
62 63
Larenz. Laren;. Larenz. Gierke.
Methodenlehre 1991, S. 56. Methodenlehre 1991, S. 59 ff.; Schräder. Gesetzesauslegung 1985, S. 103f. Methodenlehre 1991, S. 63f. DJZ 1900; S. 241.
174
C. Studienrefonn und Rechtstheorie
Juristen, sich mit dem Inhalte des Lebensbereichs, dessen rechtliche Ordnung er formen, wahren oder thätigen soll, nach Möglichkeit vertraut zu machen. ,,64 In dieselbe Richtung weist die stetig verstärkte Förderung der praktischen Übungen an den Universitäten sowie das immer öfter propagierte und auch durchgeführte Angebot an berufsbezogener Anschauung durch Exkursionen, Sammlungen und Praktika. Der junge Jurist sollte schon im Studium, nicht erst in der Praxis Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, die er dann in seinem späteren Berufsleben ganz konkret verwenden sollte. Aus diesem Grunde fand vor allem die Forderung nach vermehrtem Unterricht in den juristischen Nebengebieten wie Psychologie, Soziologie und ganz besonders den Wirtschaftswissenschaften fast einhellige Zustimmung in Debatten wie Vorlesungsverzeichnissen, denn: "Die Rechtswissenschaft ist eben keine historische Wissenschaft, sondern eine soziale Wissenschaft, und so gestalte man ihr Studium.,,65 Dasselbe Motiv, praxisbezogene, auf das Leben gerichtete Ausbildung, hatte wohl die Einführung relativ junger, aber gleichwohl den Bedürfnissen der Zeit entsprechender neuer Disziplinen wie des gewerblichen Rechtsschutzes, des Versicherungsrechts oder des Wirtschaftsrechts in die Unterrichtspläne des beginnenden 20. Jahrhunderts. b) Öffnung der Universitäten
Eine weitere spürbare Veränderung im Hochschulunterricht brachte die "Demokratisierung" des Rechts und des Rechtsstudiums. Die oben dargestellten Veränderungen in der Auffassung des Rechts waren sicherlich zu einem Teil auch Auswirkungen einer wachsenden Demokratie in Deutschland. Gesetze, Regeln und Normen wurden in immer größerem Maße im öffentlichen Diskurs eines gewählten Parlamentes aufgestellt. Das Gesetz als ratio scripta anzusehen wurde zu einer Auffassung, die der Lebenserfahrung widersprach. Der Norrnschöpfungsprozeß mit seinen widersprechenden Interessen, den Irrtümern und Kompromissen konnte täglich mitverfolgt werden und wandelte sich so auch in der allgemeinen Meinung von einem "Akt" zu einem "Prozeß". Eine Entsprechung zu dieser gewandelten Erfahrung bildete die Übertragung der Grundvoraussetzungen des wissenschaftlichen Positivismus und des Naturalismus auf die Rechtswissenschaft. 66 Die Voraussetzungen der Gesetzesentstehung schienen sinnlich wahrnehmbar und somit auch zählbar, meßbar, auswertbar. Auf der anderen Seite entstand in der Bevölkerung ein wachsendes demokratisches Bewußtsein. Immer größere Teile der Bevölkerung wollten teilhaben an der Macht und zeigten ihre Unzufriedenheit an der Art und Weise, wie Macht von den dazu berufenen Stellen ausgeübt wurde. Die Justiz sah sich demzufolge immer 64
M 66
Gierke. DJZ 1900, S. 240. Gerland. Refonn 1911, S. 102. Larenz. Methodenlehre 1991, S. 57 f.
IV. Nach dem Ersten Weltkrieg
175
häufiger einer Kritik, insbesondere hinsichtlich ihrer "Weltfremdheit", ausgesetzt, die durch eine selbstbewußter werdende Presse verstärkt wurde. Der einzelne nahm seine Interessen wahr. Für vielfältige Spezialmaterien wurden Sondergerichte gefordert, da dem Juristen als Technokraten die Kompetenz für das Leben abgesprochen wurde. Die Rechtswissenschaft mußte, wollte sie ihre Funktion im Staat behalten, aufhören, eine elitäre Geheimwissenschaft zu sein. Sie mußte sich dem Volk und dem Leben nähern. Symptomatisch für diesen Konflikt war die Diskussion hinsichtlich der Zulassung von Realgymnasiasten zum juristischen Studium in dieser Zeit. Etwa zur selben Zeit mußten sich die juristischen Fakultäten in Deutschland auch dem Zugang von Frauen zu ihren Veranstaltungen öffnen. Selbst bei den Hochschullehrern wurde verlangt, neben den Professoren auch sogenannte ,,Praktiker", wenn auch lediglich aus juristischen Berufen, zu berücksichtigen. Die Wandlung der Rechtswissenschaft zu einer öffentlichen Sache wird auch deutlich, wenn man das publizistische Echo auf Reformbestrebungen ansieht. War die Frage einer Studienreform im 19. Jahrhundert im wesentlichen eine Angelegenheit der Hochschullehrer unter sich, so meldeten sich nunmehr Richter, Anwälte und Verwaltungsbeamte zu Wort und formulierten ihre Interessen. Von insgesamt 47 in juristischen Zeitschriften oder gesonderten Veröffentlichungen gemachten schriftlichen Äußerungen zwischen 1909 und 1912 (die meisten davon bezogen auf einen Aufsatz Ernst Zitelmanns in der DJZ) stammten 23 von Hochschullehrern, zehn von Richtern, acht von Rechtsanwälten, zwei von Verwaltungsbeamten und vier von in der Wirtschaft tätigen Juristen. Das Rechtsstudium hatte das öffentliche Interesse erreicht.
IV. Nach dem Ersten Weltkrieg 1. Rechtstheorie
Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg war weniger von methodischen Umwälzungen in der Rechtswissenschaft gezeichnet. Die Geschichtlichkeit des Rechts, sein Bezug zu den Realitäten des Lebens, die es zu ordnen hatte, war inzwischen anerkanntes Fundament aller Theorien des Rechts. Gemeinsam war ihnen auch die Orientierung nach einer dem Recht zugrunde liegenden Idee, sei es als "vollendete rechtliche Harmonie" bei Stammler67 , die "Einheit des Gesetzes" bei Radbruch68 oder die "Idee des Rechts" des objektiven Idealismus. 69 Demgemäß wurde als Ziel des Universitätsunterrichts auch formuliert, "unter Hinweis auf die großen ge67
68
69
Larenz. Methodenlehre 1991, S. 91. Larenz. Methodenlehre 1991. S. 99. Larenz. Methodenlehre 1991, S. 106.
176
C. Studienrefonn und Rechtstheorie
schichtlichen, wirtschaftlichen und systematischen Zusammenhänge das Grundsätzliche und Wesentliche darzustellen. ,,70 Größere Aufmerksamkeit beanspruchte in dieser Zeit die Politisierung der Gesellschaft. Durch die Revolution war Demokratie und dadurch auch die Notwendigkeit einer Beteiligung des einzelnen Bürgers an Nonnsetzung und -verwirklichung in das Bewußtsein der Bevölkerung gerückt. Vor allem die Parteien suchten ihren Anteil an der Macht zu erlangen. Dies führte oftmals sogar zu einer offenen Orientierung der Staatsdiener zugunsten ihrer Partei anstelle der Gemeinschaft 71 . Zu erklären war diese Tendenz auch durch zwangsläufige personelle Veränderungen, die die Umwälzungen der Revolution mit sich brachten, und mit denen die siegreichen Parteien versuchten, "ihre" Leute an die Schaltstellen der Macht zu bringen. Auf der anderen Seite verursachte eine zu offensichtliche Begünstigung individueller Interessen aber auch zunehmendes Unbehagen, das sich in der Forderung nach parteipolitischer Neutralität der Beamten Ausdruck verschaffte. 72
2. Entwicklung des Rechtsstudiums a) Öffnung der Universitäten
Diese Politisierung ging natürlich auch an den rechtswissenschaftlichen Fakultäten nicht spurlos vorüber. Die Kritik an Richterschaft und Beamten, die im Gros als eher konservativ eingeschätzt wurden 73 , kulminierte in den Schlagworten von "Weltfremdheit" und "Klassenjustiz" und fonnulierte damit auch Unzufriedenheit mit deren Ausbildung. Neben dem Versuch, die Juristen aus ihrer beherrschenden Stellung im Staat herauszudrängen74 , gab es Ansätze, das Rechtsstudium grundlegend zu verändern. Vor allem die Programmschrift "Staatsreferendar und Staatsassessor,,75 hatte die Absicht, durch eine stärkere Betonung wirtschaftlicher und soziologischer Fächer im Rechtsstudium den zukünftigen Juristen "zu durchdringen mit der Hingabe an den Staat und der Einstellung auf die Bedürfnisse der Gesellschaft und Volkswirtschaft.,,76 Die Schrift löste, unterstützt durch vielfältige Beiträge der Verfasser in juristischen Zeitschriften, ein lebhaftes Echo aus, wurde im Endeffekt aber von einer Mehrzahl abgelehnt, sei es weil die "konservativen" JuriSchwister. DJZ 1930, S. 1295. Hattenhauer. Geschichte 1980, S. 325 ff. 12 Hattenhauer. Geschichte 1980, S. 354 ff. 13 Hattenhauer. Geschichte 1980, S. 329 ff., 335f. 14 Ein Antrag im preußischen Landtag 1921 richtete sich dahin, auch die Zulassung zum Richteramt ohne vorangegangenes Rechtsstudium zu ennöglichen. Heinze, DJZ 1921. S. 665. 75 Von Adolf von Batocki, Werner Friedrich Bruck. Heinrich von Friedberg. Eduard Hamm. Erich Kaufmann, Emil Lueken, OUo Most, Johannes Popitz, Ernst Trende\enburg und Ernst Wolff, Jena 1927. 16 Batocki, Staatsreferendar 1927, S. 14. 10
11
IV. Nach dem Ersten Weltkrieg
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sten ihre Konservativität für durchaus bewahrenswert hielten, sei es aufgrund eines Unbehagens über zu starke Einflußnahme einzelner Interessen auf das Recht. b) Studienziel
Auf der anderen Seite veränderte sich insgesamt die Diskussion über Ziel und Inhalte des Rechtsstudiums. Hatten sich schon seit der Jahrhundertwende immer mehr Juristen zu Wort gemeldet, die nicht an einer Hochschule beschäftigt waren, Richter, Rechtsanwälte oder Verwaltungsbeamte, so äußerten sich nach dem Krieg annähernd ebenso viele "Praktiker" wie Professoren in den juristischen Zeitschriften zum Thema des juristischen Studiums. Die Ausbildung des Nachwuchses wurde zu einem Thema, zu dem jeder seine Ansichten und Interessen öffentlich vertrat. Gleichzeitig meldeten sich die Studenten selbst zu Wort. Ursprünglich hatte die Generation der Kriegsteilnehmer ihre vor allem materiellen Zwänge in der Hoffnung auf Abhilfe formuliert. Dies geschah aufgrund der besonderen Situation derer, die Zeit und Gesundheit im Krieg gelassen hatten, und hatte das moralische Argument für sich, daß wer Opfer gebracht habe auch eine Gegenleistung erwarten dürfe. Die Erkenntnis aktiv mitwirken zu können bewirkte, in Verbindung mit dem demokratischen Postulat der gleichberechtigten Beteiligung aller am politischen Diskurs, daß die Studenten sich zunehmend organisierten und an der inhaltlichen Diskussion zum Rechtsstudium teilhatten. Der Umstand, daß sich nunmehr jeder hiervon Berührte und insbesondere die "Praxis" zu der Frage des juristischen Studiums äußerte, verschob auch den inhaltlichen Schwerpunkt der Auseinandersetzung. Die nicht mehr zu übersehenden Beiträge der juristischen Berufsgruppen verlangten vor allem eine Berücksichtigung ihrer Interessen an der Ausbildung. So schob sich die Tauglichkeit für den späteren Beruf in den Blickwinkel der Reformdiskussion. Die Pflege der Wissenschaft, vormals noch alleiniges und unumstrittenes Ziel eines akademischen Studiums, mußte ihren Platz nun mit der Vorbildung zur späteren praktischen Arbeit teilen, wenn nicht gar hinter dieser zurücktreten, so daß Zitelmann 1921 forderte:" Unser Ziel ist es, sie zu praktischen Juristen heranzubilden, nicht aber zu Gelehrten [ ... ] es handelt sich hier lediglich um die Berufsvorbildung."77 Die Ausrichtung auf den späteren Beruf bewirkte aber eine weitere Umorientierung. Das auch derzeit noch formulierte Studienziel der ,,Befähigung zum Richteramt"78 wurde immer stärker kritisiert. Hintergrund war, daß längst nicht mehr die Mehrzahl der Absolventen bei der Justiz unterkamen 79. Dementsprechend wünsch77 Zitelmann. Neugestaltung 1921, S. 20. Nicht ganz so radikal: Rümelin. Wandlungen 1930, S. 68. 78 Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 DRiG in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Länder. 79 So schon die juristische Fakultät der Universität Berlin, DJZ 1920, S. 475, wie auch Delmonte, Refonn 1919, S. 21; Bruck, JW 1928, S. 1276.
12 Kühn
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C. Studienrefonn und Rechtstheorie
ten Verwaltungsbeamte, Rechtsanwälte oder auch Wirtschaftsjuristen schon damals eine stärkere Ausrichtung an den Anforderungen ihrer Berufsbilder. Auch die bereits oben erwähnte Schrift vom "Staatsreferendar und Staatsassessor" war unter anderem eine Reaktion auf das Empfinden, das juristische Studium entspreche zu wenig den Bedürfnissen der Verwaltungspraxis. Die Ausrichtung der Studieninhalte an einzelnen Berufsbildern erschwerte jedoch die Einigung auf einen allen Ansprüchen genügenden Lehrplan. Je nachdem, welches spätere Arbeitsfeld man für das maßgebliche hielt, verschoben sich die zu setzenden Schwerpunkte. Sollte das öffentliche Recht und volkswirtschaftliche Fächer stärker betont werden, so mußte das Zivilprozeßrecht zurücktreten. Sollten neue Nebenflicher wie das Arbeitsrecht gelehrt werden, so mußten an anderer Stelle Kürzungen vorgenommen werden. Den Konsens für ein einheitliches Konzept des Rechtsstudiums zu finden wurde durch die vielfältigen Interessen immer schwerer. So beschränkte man sich auf einen Minimalkonsens, die Vermittlung eines Grundstockes unentbehrlicher Kenntnisse, auf denen im späteren Berufsleben aufgebaut werden sollte. Die Vermittlung von Grundbegriffen sowie einer Systematik des Rechts wurde zu einer Hauptaufgabe, was sich gerade auch in dem Wiedererstarken der Enzyklopädien zeigte. Die Aufsplitterung in einzelne Nebenfächer wurde dagegen wieder zurückzuführen versucht. c) Übeifüllung der Hochschulen
Einen nicht zu vernachlässigenden Einfluß auf die Entwicklung des Rechtsstudiums hatte ein weiterer Faktor. Seit dem Ende des ersten Weltkrieges beklagte man die Überfüllung der Hochschulen. Auch wenn schon vorher die Zahl der Studenten auch relativ gesehen wesentlich stärker gewachsen war als die des Lehrpersonals, nahm diese Tendenz durch den Ansturm mehrerer vom Krieg zurückgehaltener Jahrgänge sowie die Öffnung für Frauen und Absolventen anderer Schularten Ausmaße an, die Klagen immer lauter werden ließen. 8o Die Formen des Hochschulunterrichtes mußten sich aus diesem Grunde verändern. Die Vorlesung vor mehreren Hundert Studenten büßte erheblich an pädagogischem Wert ein, weshalb zusätzlich unterstützende Besprechungsstunden eingeführt wurden. Gleichzeitig wurden immer öfter Assistenten für Lehraufgaben eingesetzt. Nicht zuletzt aus dem Grunde, daß durch den Massenansturm an den Hochschulen ein persönliches Lehrverhältnis zwischen Professor und Studenten nicht mehr entstehen konnte, kamen auch verstärkt Überlegungen auf, das Erreichen von Studienzielen anstatt durch Vermittlung und Überzeugung durch Zwangsmaßnahmen durchzusetzen.
80 Bericht der juristischen Fakultät der Universität Berlin, DIZ 1920, S. 474; Beschlüsse der Dt. Jur. Fakultäten, JW 1929, S. 2238; Beschluß sämtlicher 11 nichtpreußischer Rechtsfakultäten, DIZ 1930; S. 952; Rümelin, Wandlungen 1930, S. 63, 75 f.; ; Schwister, DIZ 1932, S. 111 ff.
D. Fazit Diese Übersicht über fast ein Jahrhundert Refonn des Rechtsstudiums läßt erkennen, daß bei allem Hin und Her eine gemeinsame Grundlinie besteht. Wesentlich für die Entwicklung des Studiums in allen seinen Ausfonnungen ist die Entwicklung des Studiengegenstandes, des Rechts selbst. In manchen Aspekten, wie der Einführung neuer Studienfächer, so des Verwaltungsrechts oder auch des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts, mag dies augenfällig sein. Eine veränderte Auffassung von der Methodik des Rechts hat, wie gesehen, aber auch Einfluß auf die Lehrmethode oder gar die Zulassungsvoraussetzungen, Gesichtspunkte des Studiums, deren Fortentwicklung erst auf den zweiten Blick hiervon abhängig scheinen. Die Gesamtschau zeigt auch, daß dieses Element nicht allein über Erfolg oder Mißerfolg einer Refonnüberlegung entscheidet. Von mindestens gleichwertigem Einfluß sind politische Faktoren wie Machtverhältnisse oder auch Vorurteile. Große Refonnansätze gehen immer einher mit politischen Veränderungen, die einzelne Interessen mobilisieren. Erst der Anstoß von außen vennag weitreichende Veränderungen zu bewirken. Die Refonn des Rechtsstudiums ist daher abhängig sowohl von einer Veränderung der äußeren Umstände, als auch von einer Entwicklung im Inneren des Rechts. 1 Selbstverständlich kann jede Seite für sich bewirken, daß Inhalte und Umstände geändert werden. Es ist jedoch deutlich, daß nur aus dem Zusammenspiel politischer Verhältnisse mit der Entwicklung des Rechts dauerhafte Refonnen resultieren. Ein Beispiel dafür, was die Nichtbeachtung dieses Zusammenspiels bewirken kann, ist die Überbetonung des römischen Rechts zu Beginn des beobachteten Zeitraumes in Preußen. Diese Haltung, die der herrschenden Auffassung in der Rechtstheorie entsprach, den politischen Bedürfnissen aber völlig zuwiderlief, konnte zwar lange Zeit aufrechterhalten und im Betrieb der Hochschulen umgesetzt werden. Sie bewirkte aber eine Entfremdung des Studiums von seiner Zielgruppe, den nach einer Berufsausbildung strebenden Studenten, die noch lange nachwirken sollte. Auf der anderen Seite sind auch rein nach momentanen politischen Konstellationen orientierte Veränderungen nicht von dauerhaftem Effekt. Deutlich wird dies am Beispiel der Einführung des Kolonialrechts oder auch der Zweiteilung der 1 In dieselbe Richtung gehen die Überlegungen von Nörr, Rechtsbegriff, S. 217 ff., der die Synthese im Begriff des Staatsgedanken sucht.
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D. Fazit
mündlichen Prüfung in Preußen. Beide Reformen fanden zum Zeitpunkt ihrer Durchsetzung starke Unterstützung von Seiten der Verantwortlichen. Rechtstheoretisch hatten sie jedoch nur ein schwaches Fundament. Einerseits weil das Kolonialrecht außer durch seine Bezeichnung kein abgeschlossenes und durchgebildetes Rechtsgebiet darstellte, andererseits weil durch die Zweiteilung der mündlichen Prüfung nach allgemeiner Auffassung dem Prinzip der Einheit des Rechts widersprochen wurde. Infolgedessen waren beide Veränderungen mit dem Wegfall der politischen Grundlage auch wieder verschwunden. Im Falle der Zweiteilung der mündlichen Prüfung in Preußen nach nur vier Jahren Geltung und allein aufgrund eines personellen Wechsels im Juristischen Landesprüfungsamt. Ein Beispiel für die große Durchsetzungskraft von durch Politik und Rechtstheorie gemeinsam getragenen Reformen stellt der Siegeszug der Übungsstunden dar, der von den politischen Stellen unterstützt, der Auffassung von Funktion und Wirkungsweise des Rechts entsprach und noch heute andauert. Das selbe läßt sich im Falle der Zurückdrängung des römischen Rechts mit der Einführung des BGB beobachten. Hier bewirkten das Zusammenspiel von politischem Willen zur Durchsetzung eines einheitlichen Rechts und rechtstheoretische Fundierung in einer Abwendung von rein historischer Betrachtung in der Eisenacher Konferenz von 1896 eine dauerhafte und tiefgreifende Veränderung des Rechtsstudiums. Die dargestellte notwendige Verbindung von politischen Machtverhältnissen und rechts theoretischer Grundlage läßt sich exemplarisch auch am Experiment einer einstufigen Ausbildung in den 70er und 80er Jahren dieses Jahrhunderts verfolgen. Ausgangspunkt für dieses Unternehmen war zum einen die Machtübernahme durch eine SPD-FDP-Regierung in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1969. Gleichzeitig gab es verstärkt Forderungen, den Theorie-Praxis-Bezug in der Juristenausbildung zu fördern sowie die Sozialwissenschaften vermehrt miteinzubeziehen. 2 Vor allem von der Einbeziehung der Sozialwissenschaften erhoffte man sich einerseits eine methodologische Kritik am Gesetzespositivismus, andererseits gar eine radikale Veränderung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse. 3 Dementsprechend wurden nach Einführung einer Experimentierklausel in § 5b DRiG im Jahre 1971 an mehreren Universitäten der Bundesrepublik Deutschland unterschiedliche Modelle einer einstufigen Ausbildung versucht. Im wesentlichen gemeinsam war ihnen eine Verbindung von Theorie und Praxis durch ihre institutionelle Verbindung innerhalb der Ausbildung, eine Spezialisierung zugunsten einer Stoffreduzierung sowie eine stärkere Einbeziehung der Sozialwissenschaften.4
2 3
Beschlüsse der Abteilung Juristenausbildung des 48. DJT in Mainz, JUS 1970, S. 596.
Ioas, ZRP 1974, S. 162 ff.
4 JUS 1970, S. 482 ff.; JUS 1971, S. 550 f.; JUS 1972, S. 611 ff.; Pültner, ZRP 1973, S. 302; Winter, DÖV 1973, S. 850 f.; Eith, ZRP 1982, S. 47 ff.
D. Fazit
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Nachdem die Erprobungsphase bereits im Jahre 1981 nur noch um drei Jahre verlängert worden war, wurde das Experiment 1984 ganz beendet. Grund hierfür war zum einen eine Veränderung der politischen Konstellation. Nach einer Machtverschiebung zugunsten der konservativen Parteien zunächst im Bundesrat übernahm im Jahre 1982 eine CDU-CSU-FDP-Koalition, die den Reformen ablehnend gegenüberstand die Regierung sowie die Mehrheit im Bundestag. Zum anderen standen den Veränderungen aber auch theoretische Bedenken entgegen. 5 Ein Einwand richtete sich gegen die zu frühe Spezialisierung im Rahmen der Juristenausbildung. Fast einhellig wurde die Ansicht vertreten, das System des deutschen Rechts sei nur als Einheit zu verstehen. Eine Abtrennung einzelner Aspekte und die Beschränkung darauf werde diesem nicht gerecht. Gleichfalls wurde die Zersplitterung in unterschiedlichste Modelle der ein stufigen Ausbildung kritisiert, die eine bundeseinheitliche Regelung verhinderte. Einen wesentlichen Kritikpunkt bildete die Überbetonung der Sozialwissenschaften im Rahmen der Juristenausbildung. Das Konzept, die Rechtswissenschaft als einen Teil der Sozialwissenschaften zu sehen und zu lehren, wie es in einigen Ausbildungsmodellen, teilweise mit einer gemeinsamen Einführungsphase für Ökonomen, Soziologen, Politologen und Juristen gehandhabt wurde, vernachlässigte die Tatsache, daß es sich bei Rechtswissenschaft und Sozialwisenschaften um zwei unterschiedliche Wissenschaftsformen mit unterschiedlicher Methodik und Zielsetzung handelte. 6 Darüber hinaus hatte die Rechtssoziologie sich nicht in dem von ihren Vertretern erhofften Maß durchsetzten können. 7 Die Betrachtung des Beispiels der einstufigen Ausbildung macht einen weiteren Punkt deutlich, der sich in dieser Untersuchung wiederfindet. Ein wesentlicher Grund für ständige Reformbemühungen, die sich in teilweise widersprechenden Ansätzen äußern ist, daß ein grundSätzliches Konzept für das Verhältnis von Theorie und Praxis innerhalb des Rechtsstudiums fehlt. Klarheit besteht, daß sowohl wissenschaftlicher Anspruch als auch Vorbereitung für den Beruf ihren Platz innerhalb der Juristenausbildung beanspruchen. Über Art und Grad der Verknüpfung gibt es jedoch nur Detailvorschläge, deren Durchführung mangels theoretischer Fundierung ausschließlich von politischen Faktoren abhängt. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zu stellen führt aber fast zwangsläufig zu der Frage nach dem Ziel des universitären Rechtsstudiums überhaupt und noch weitergehend nach dem erstrebten Ziel universitärer Lehre. Das Fehlen einer diesbezüglichen Theorie bedingt eine Beliebigkeit der Reformkonzepte, die mangels Fundierung keinen Anspruch auf Dauer erheben können.
S Dt. Anwaltverein, ZRP 1981, S. 146 ff.; ZRP 1982, S. 272; SeiterlStürner, JUS 1982, S. 310 ff.; Eith, ZRP 1982, S. 47 ff.; Joerges, ZRP 1982, S. 96 ff.; ZRP 1984, S. 1113 f.; Koch, ZRP 1990, S. 41 ff.; Rosenbauer, ZRP 1990, S. 252 ff. 6 Loos, ZRP 1974, S. 162 ff.; Wolf. DÖV 1990, S. 143. 7 Rasehorn, ZRP 1982, S. 33 ff
182
D. Fazit
Eine auf Dauer angelegte Reform des Rechtsstudiums darf daher weder Inhalt noch Ziel des Studiums aus dem Auge verlieren. Weder der Entwicklungsstand des Unterrichtsfaches noch die Bedürfnisse, um deren Befriedigung willen ausgebildet wird, dürfen vernachlässigt werden, will man eine harmonische, auf die Zukunft gerichtete Veränderung erreichen. Grundlegend erforderlich wäre darüberhinaus eine Theorie des Rechtsstudiums sowie des Studiums überhaupt, die beide Aspekte berücksichtigt. Kurzfristige, auf bloß ökonomische Interessen oder momentane Strömungen ausgerichtete Veränderungen können einen Reformbedarf, der immer noch in den Rechtsfakultäten besteht nicht befriedigen.
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Sachwortregister Al1gemeinbildung (auch: al1gemeinwiss. Studien, Naturwissenschaften) 32 ff., 41, 42,52,65 ff., 70, 115, 119, 120, 123, 125, 127, 136, 162, 166, 168 (preuß.) Allgemeines Landrecht 24, 56, 84 Rdnr. 404, 84 Rdnr. 408, 88 f., 136, 160, 165 allgemeinwissenschaftliche Studien (s. Al1gemeinbildung) Adickes, Franz 34, 34 Rdnr. 67 Anfängerübungen 54 f., 57 f., 58 Rdnr. 216 Anschauungsunterricht (s.a. Exkursionen, prakt. Ausbildung, Sammlungen) 27, 53f., 58 f., 174 Anwaltstag 20, 26, 47 Rdnr. 147, 61 Rdnr. 233 Anwesenheit 41, 44 Arbeiterschutzgesetzgebung (s. Arbeitsrecht) Arbeitsgemeinschaft 62, 64 Arbeitsrecht (auch: Arbeiterschutzgesetzgebung)92,94,96, 108, 170, 178 Assistenten 57 Rdnr. 211, 61, 64, 64, 178 (preuß.) Ausbildungsordnung von 1923 28,30,111,113,115,133,145,147,153 Auslandsstudium 40 f., 42, 44, 48, 68, 118 ausländisches Recht 87, 97, 116 f., 118, 118 Rdnr.637 Bankenrecht 93 Begriffsjurisprudenz (s.a. Positivismus) 57,91,99,122,160 ff., 169, 180 Besprechungsstunden 63, 178 Binding, Georg 168 BlondeI, Georges 23 Bruck, Werner Friedrich 30, 30 Rdnr. 36, 30 Rdnr. 38, 112 Rdnr. 591, 176 Rdnr. 74 Denkschrift d. preuß. Ministeriums f. Wiss., Kunst u. Volksbildung v. Mai 1930 31, 49 f., 62, 95
Dernburg, Heinrich 23, 23 Rdnr. 7, 55, 60, 89 Rdnr. 441 deutsches Privatrecht 76, 84, 84 f., 86, 86 Rdnr. 423, 86, 164 deutsche Rechtsgeschichte (s.a. Rechtsgeschichte) 74 ff., 120, 122, 124 f., 125 f. Eherecht 114 Ehrlich, Eugen 100, 131,131 Rdnr. 729 Einführung (s. a. Einführung in die Rechtswissenschaft) 32, 48, 58, 62, 94, 100, 122, 125, 142, 163, 164 Einführung in die Rechtswissenschaft 70 ff. einstufige Juristenausbildung 60, 60 Rdnr. 229, 180f Eisenacher Konferenz 25 f., 55, 71, 76, 89 f., 122,140,172,179 Enzyklopädie (s.a. Einführung in die Rechtswissenschaft, Methodologie) 19, 70 ff., 75, 76, 178 Erbrecht 88, 91 Examinatorium 53 Exegese (s. a. Quellen) 51, 55, 89, 121 f., 154, 164, 167 Exkursion 59, 174 Familienrecht 88, 91 Fakultät(entag) 16, 18,20,25 ff., 49, 64, 73, 89,96, 103, 115, 139, 144, 147, 151 Ferienkurse 65, 144, l46f Freirechtsschule 57,79,130,172 ff. Freiversuch 155f freiwillige Gerichtsbarkeit 51, 94 Friedberg, Emil 25, 25 Rdnr. 11 Frommhold, Georg 59 Rdnr. 221 Gefängniskunde 98, 99, 99 ff., 99 Rdnr. 514 Gerichtsmedizin 97 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (s. Reichsjustizgesetze)
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Sachwortregister
Gerland, Heinrich 100, 131, 131 Rdnr. 728, 144 Rdnr. 820 Geschworenengericht 98 Gewerberecht 108 gewerblicher Rechtsschutz (auch: Urheberrecht) 87, 92, 174 Gneist, Rudolf 23,23 Rdnr. 8, 44 Rdnr. 128, 106,139 Gierke, Otto von 86 Rdnr. 423, 139, 143 Rdnr. 809, 173 Goldschmidt, Levin 23, 23 Rdnr. 9, 88 Rdnr. 430, 140, 143 Rdnr. 809 Gross, Hans 59, 59 Rdnr. 225 Grundbegriffe (s.a. Grundbegriffe d. bürgerl. Rechts) 70, 90, 94, 101, 104, 111, 122, 127, 134, 138, 146, 157, 178 Grundbegriffe des bürgerlichen Rechts 81, 91,94
Kameralwissenschaften (s. Staatswissenschaften) kanonisches Recht (s. Kirchenrecht) Kartel1recht 93, 132 Kirchenrecht (auch: kanonisches Recht) 51, 52, 77, 107, 109, 111, 113 ff., 120, 152 Rdnr.890 Klassenjustiz 28, 100, 176 Klausur 49, 58, 111, 114, 133, 144, 149, 153 ff., 158 Kohler, Josef28, 118,118 Rdnr. 634,168 Kolonialrecht 108, 117, 179 Konkursrecht 87, 94 Konversatorium 31, 51, 63, 99 Kriegsteilnehmer 48, 63, 69, 79, 81 Rdnr. 384, 92, 115, 124, 136, 143 ff., 155, 155 f., 177 Kriminalistik 59, 100, 101 Krise der Justiz 26 ff., 100
Handelsrecht 55, 87 Rdnr. 425 f., 88 Rdnr. 430 Hausarbeit 22, 144, 149, 153 ff., 155, 158 Historische Schule 24, 52, 77, 83 ff., 84, 85, 89,120 ff., 161 f., 163 ff., 171 Holtzendorff, Franz von 99, 99 Rdnr. 514
Landesrecht (auch: Partikularrecht, vaterländisches Recht) 43, 83 ff., 88 f., 90, 97, 98, 121, 122, 165, 170 Landesuniversität (s. Auslandsstudium) Lehnrecht 85, 85 f., 86 Rdnr. 418, 86 Rdnr. 423 Lehrfreiheit 31, 43, 50 Liszt, Franz von 23, 23 Rdnr. 5, 28, 99, 170 Löw, Karl Friedrich von 22, 22 Rdnr. 1
Ihering, Rudolf von 22, 52, 52 Rdnr. 181, 57, 137, 137 Rdnr. 773, 152 Rdnr. 884, 168 Institutionen 51, 54, 74, 83 ff., 88, 119, 122, 164 Interessenjurisprudenz 57, 59, 91, 100, 118, 123, 130, 172 ff. Internationale Kriminalistische Vereinigung 23 Rdnr. 5, 45 Internationales Privatrecht 117 f. Internationales Strafrecht 100, 117 f. Jugendgerichtsgesetz 101 Juristentag, 4. 22, 42 f., 137 f., 148 ff. Juristentag, 11. 23, 89, 138 Juristentag, 14.23,45 f., 106, 139, 150 Juristentag, 25. 45 f., 140 Juristentag, 26. 45 f., 141 Juristentag, 31. 27, 48, 92, 100, 131 f., 142 Juristische Kliniken 58 f.
Methodologie (s. a. Enzyklopädie) 19,70 ff. Militärstrafrecht 99 Mohl, Friedrich 22 Most, Otto 30, 30 Rdnr. 37 mündliche Prüfung 28, 79, 104, 106, 107, 108,111,115,122, 124, 130, 133, 148 ff., 163, 180 Nationalökonomie (auch: Volkswirtschaftslehre) 37, 49, 69, 105, 109, 111, 112, 129 f., 132, 132 ff., 152, 153, 156 f., 157, 176, 178 Naturrecht 75,115,119,120,120 f., 164 Naturwissenschaften (s. Al1gemeinbildung) Nebenfach 96,113,117,135,178 Nebengebiet 92,99,100,101,170,174 Notprüfung 143 f., 155, 155f Numerus clausus 33, 33 Rdnr. 58, 33 Rdnr. 59
Sachwortregister objektive Auslegungstheorie 168 ff. Obligationenrecht (s. Schuldrecht) öffentliche Meinung (s. Öffentlichkeit) Öffentlichkeit (auch: öffentliche Meinung) 16,22,26,26,47,72, 114, 130, 138, 141, 150,174,177 Pandekten 51, 52, 85, 88, 91, 92, 122, 152 Rdnr. 890, 164 Partikularrecht (s. Landesrecht) Pflichtfach (s. Pflichtvorlesung) Pflichtübung (auch: Zwangsübung) 44, 49, 55,58,61 Rdnr. 238, 135 Pflichtvorlesung (auch: Pflichtfach, Zwangskollegium) 40 ff., 42 ff., 44, 86, 87, 120, 127, 163 Pöz151, 104, 104 Rdnr. 547 Polizeirecht 104 Positivismus 91, 98, 105, 105, 107, 108, 110, 122, 173, 174, 180 Prädikat 149 f., 150 Praktika (s. praktische Übung) praktische Ausbildung (auch: Praxisbezug) 27,29,55 f., 56 f., 59 ff., 65, 174 praktische Übung (auch: Praktika) 27, 44, 45 ff., 49, 51 f., 52 Rdnr. 181,53 f., 54 f., 55, 55 f., 56, 57 f., 61, 61 f., 62 Rdnr. 239 f., 63, 111, 123, 135, 145, 164, 167, 171,171 Rdnr.52, 174, 180 Praxisbezug (s. praktische Ausbildung) Psychologie 27, 69, 92, 97, 98, 100, 101, 123,131,174 Quellen (s. a. Exegese) 17 ff., 51, 55, 56, 70 f., 74, 89, 121 f., 124, 154, 161, 164, 164 Rdnr. 20, 167, 168 Referendariat (auch: Vorbereitungsdienst) 16,33,40,43,53,58,60,85,87,89,94, 101, 103 f., 105, 107, 109 f., 112, 127, 128, 129, 134 f., 134 Rdnr. 747, 138, 138 ff., 141 ff., 144, 145 f., 165 Rechtsanwalt (s. a. Anwaltstag) 26, 27, 39, 40 Rdnr. 103, 152, 152 Rdnr. 885, 171, 175,178 Rechtsgeschichte (s. a. dt. Rechtsgeschichte, röm. Rechtsgeschichte) 25, 26 f., 44, 45, 70, 74 ff., 88, 90, 118, 119, 120 ff., 121 14 Kühn
209
Rdnr.659, 122, 123 f., 124 f., 125 f., 152 Rdnr 890, 163 ff. Rechtsphilosophie 65 ff., 75, 75 Rdnr. 340, 118, 119, 120, 120, 121 Rdnr. 653, 123, 125 f., l64f Rechtssoziologie 59, 133, 172 f., 180f Rechtsvergleichung 79, 100, 116 f., 118, 125 Regierungsreferendariat (s. Verwaltungsreferendariat) Reichsjustizgesetze (auch: Gerichtsverfassungsgesetz, Reichsstrafgesetzbuch) 23, 87,98,138 Reichsstrafgesetzbuch (s. Reichsjustizgesetze) Repetitor 31, 44, 53, 63,136,141,156 Repetitorium 53, 63 f., 64 Richter (s.a. Richtertag) 26, 40, 46, 60, 61, 97, 103, 104, 126, 128, 131, 137, 139, 141, 149, 152, 157 f., 163, 169, 170 Rdnr. 51,171,172,175,176 Rdnr. 74 Richtertag 20, 39 Rdnr. 98, 47, 142 Rdnr. 804 römische Rechtsgeschichte (s.a. Rechtsgeschichte) 88,119,120,122,125,164 Rümelin, Max 54, 54 Rdnr. 194, 54 Rdnr. 195 Sachenrecht 88, 91 Sammlung 59, 174 Savigny, Friedrich earl von 57 Rdnr. 208, 84,84 Rdnr. 404, 161, 165 Schmoller, Gustav 23, 23 Rdnr. 3 Schuldrecht (auch: Obligationenrecht) 88,91 Semesterprüfungen 41, 67 Semesterbericht 41 Seminar 56, 154, 158, 171 Skript 63 Sozialgesetzgebung (s. Sozialrecht) Sozialrecht (auch: Sozialgesetzgebung) 88, 93, 106, 108, 110, 115, 128 Sozialwissenschaften (s.a. Soziologie) 69, 126 ff., 180 ff. Soziologie (s. a. Rechtssoziologie, Sozialwissenschaften) 27, 75, 92, 123, 131, 174, 176 Sperl, Hans 59, 59 Rdnr. 224 Staatsbürgerkunde 37 Staatslehre (s. Staatswissenschaften)
210
Sachwortregister
Staatsrecht (auch: Verfassungsrecht) 51, 52, ~~,~l~l~l~l~l~l~
108 ff., 113, 115, 116, 118, 128 Staatsreferendar und Staatsassessor 29 ff., 96, III f., 134, 176, 178 Staatswissenschaften (auch: Kameralwissenschaften, Staatslehre; s. a. Nationalökonomie, Wirtschaftswissenschaften) 22, 37, 68, 72, 75, 103, 103, 104, 104 Rdnr. 548, 107, 109, 1l0, 1l0, 126 ff., 138, 139, 152 Rdnr. 890, 165 Stammler, Rudolf 54,54 Rdnr. 193, 54 Rdnr. 195,175 Steuerrecht 110, III Strafprozeßrecht 52, 97, 98, 98, 101, 107, 116 Teilnehmerbeschränkung (s.a. Überfüllung) 52 Rdnr. 180, 58, 61 f., 62 Rdnr. 239, 62 Rdnr.242 Thomasius, Christian 84 Todesstrafe 99, 99 Rdnr. 515 Überfüllung 31, 33, 45, 48, 49, 58, 61, 62 Rdnr. 240, 178 Urheberrecht (s. gewerblicher Rechtsschutz) Vaterländisches Recht (s. Landesrecht) Vereinbarung zwischen Reich und Ländern von 1930 18, 29, 62, 74, 113, 125, 135, 147, 158 Verein für Socialpolitik 128 Verfassungsrecht (s. Staatsrecht) Versicherungsrecht 88, 88 Rdnr. 430, 92, 130,174 Verwaltungslehre (s.a. Staatswissenschaften) 102f
Verwaltungsreferendariat (auch: Regierungsreferendariat) 103 f., 105, 107 f., 109 f., 112, 127, 128, 129, 135, 134 Rdnr. 747 Verwaltungsrecht 68, 99, 103, 104, 105 f., 106 Rdnr. 554, 106 Rdnr. 558, 108, 108, 110 ff., 126, 129, 152 Rdnr. 890,179 Völkerrecht 104, 107, 109, Ill, 115 f., 117, 117, 128, 152 Rdnr. 890 Volkswirtschaftslehre (s. Nationalökonomie) Vorbereitungsdienst (s. Referendariat) Wach 168 Wahlfach 96, 96 Rdnr. 491 Wa\ch54 Wechselrecht 85, 86,90, 152 Rdnr. 890 Weltfremdheit 26, 37,47, 57, 91, 100, 123, 131,134,141,175,176 Wirtschaftsrecht 92, 93, 96, 174 Wirtschaftswissenschaften (s.a. Nationalökonomie) 27, 30 f., 69, 92, lll, 121, 126 ff., 153, 174 Zitelmann, Ernst 27, 27 Rdnr. 17, 54, 60, 63, 63 Rdnr. 251, 65, 72, 72 Rdnr. 315,171 Rdnr. 52,175,177 Zivilprozeßrecht 31, 51, 52, 54, 55, 85, 87, 94f.,lOl,107,1l6,122,178 Zulassungsschein 32, 50 Zwangskollegium (s. Pflichtvorlesung) Zwangsübung (s. Pflichtübung) Zwischenexamen (s. Zwischenprüfung) Zwischenprüfung (auch: Zwischenexamen, Zwischenzeugnis) 26, 41, 42, 44 f., 45 ff., 48 ff., 66, 67, 68, 68 Rdnr. 283, 69 Rdnr. 288,76,90,122,124,143,162,163 Zwischenzeugnis (s. Zwischenprüfung)