Die Reform des juristischen Studiums in Preussen: Rede geh. bei Antritt d. Rektorates an der Univ. Marburg am 17. Okt. 1886 [Reprint 2016 ed.] 9783111541266, 9783111173115


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German Pages 56 Year 1886

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Einleitung
I. Der Niedergang des juristischen Studiums
II. Die Ursachen dieser Erscheinung
III.Mittel der Abhilfe
Schluß
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Die Reform des juristischen Studiums in Preussen: Rede  geh. bei Antritt d. Rektorates an der Univ. Marburg am 17. Okt. 1886 [Reprint 2016 ed.]
 9783111541266, 9783111173115

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Die Deform des

Juristischen Studiums in Prentzen.

tUbe, gehalten bei Antrttt des Rektorates an der ilniversttät M arburg am 17. Oktober 1866

Dr. F r a « ; «. Kisst e. ö. Professor der Rechte.

Berlin. Verlag

von I. G u t t e n t a g £). Collin.) 1886.

Vorwort. E s bedarf beinahe der Entschuldigung, daß ich die Anzahl der vorhandenen Schriften über die Reform des juristischen S tu ­ diums in Preußen um eine weitere vermehre.

Ich erblicke die

Rechtfertigung für dieses Unternehmen in der doppelten Thatsache, daß einerseits jene Schriften in den maßgebenden Kreisen leine Beachtung gefunden haben; daß anderseits auch unter uns aka­ demischen Lehrern die Meinungen über die M ittel der Abhilfe noch keineswegs zur völligen Klärung gelangt find. ungeschminkte Schilderung der

S o mag denn die

herrschenden Zustände

vielleicht

immer noch ebensowenig unzeitgemäß sein, wie die Ausführung und Begründung von Nerbesserungsvorschlägen. — Erst als ich meine Arbeit bereits abgeschloffen hatte, erhielt ich durch die Güte des Verfassers D e r n b u r g s Schrift „die Re­ form der juristischen Studienordnung."

E s war mir nicht mehr

gut möglich, und es schien mir auch der Bedeutung und dem Einfluffe deö Verfassers gegenüber nicht zweckmäßig, dieselbe im Zu­ sammenhange meiner Ausführungen nebenher mit zu berücksichtigen. S o ist es denn notwendig geworden, daß ich hier noch nachträg­ lich zu Dernburgs Schrift Stellung nehme. Dernburg wiederholt in andrer Form

einey schon früher

gemachten Vorschlag: Nach einem theoretischen Studium von fünf, ausnahmsweise von vier Semestern soll das Referendarsexamen abgelegt werden; darauf zwei Jah re Vorbereitung in der Praxis, dann wiederum anderthalbjähriges Studium auf der Universität

und schließlich anderthalbjähriger Dienst

in

der P ra x is ,

worauf

das Assessorexamen folgt. Ic h kann diesen Vorschlägen nicht beistimmen. „Dem

juristischen

Studierenden

schauung." — Zugegeben.

fehlt

vor

allem

die

An­

Aber unsere, der Lehrer, Aufgabe besteht

gerade darin, durch Einrichtung der Vorlesungen und insbesondere durch Seminarübungen ihm diese Anschauung zu geben. können es auch.

Dernburgs Pandekten —

eins der schönsten juristischen Bücher —

Und w ir

nach meiner M einung

sind ein schlagender B e ­

weis dafür, daß strenge Systematik und anschaulichste Lebendigkeit fich recht gut vertragen?) während

Und daß der S tudent keine Zeit habe,

der drei Universitätsjahre

mitzumachen,

ist einfach

S tu dien p lan,

den jeder in M arb u rg

find Weise

Vorlesungen verteilt,

sein kann.

und daß

nicht

richtig.

Übungen

von

auch

auf

noch Seminarübungen In

unserm

studierende sechs

Überbürdung

juristischen

Jurist

Semester

w ahrhaftig

erhält,

in

einer

keine

Rede

Wenn w ir in den Seminarübungen mehr Teilnehmer

als Zuhörer in den Vorlesungen haben —

ist das denn nicht ge­

nügender Beweis dafür, daß für die ersteren es nicht an Z eit mangelt?! D ie zweijährige P raxis soll dem jungen Juristen die reichen Anschauungen deS Rechtslebens geben. —

W ir haben doch stets,

vor und nach 1879, gehört, daß unser mündliches Verfahren so arm

an Bildungselementen

ist;

daß

man

die

große Z ah l

der

Referendare nicht genügend beschäftigen kann, und auch nicht beschäf­ tigen mag, weil ihre Abrichtung (man verzeihe das W o rt) gerade in der ersten Zeit so unendlich viel M ü he und Geduld erfordert — soll das jetzt auf

einmal anders

geworden sein?

Is t

denn die

Duhendwaare von Prozesien, wie sie jahraus jahrein, einer genau wie der andere, bei A m ts- und Landgerichten vorzukommen pflegen, wirklich lehrreicher, ist ihre schablonenhafte Behandlung

’) Vgl. auch Note 6 meiner Schrift.

wirklich

fruchtbringender, a ls die genaue Verfolgung ausgesuchter Rechts­ fälle an der Hand der Akten durch alle Instanzen hindurch, wie wir sie in den Sem inaren von Göttingen, B onn, Greifswald, Gießen, M arburg und an anderen Fakultäten zu betreiben pflegen?! W er einmal im Leben die Akten eines Landgerichts zu dem Zwecke durchgestöbert hat, um die eine oder die andere für Sem inar­ zwecke zu verwerten, der weiß, wie unendlich selten sich ein Fall findet, an dem der S tudent etwas lernen kann. I n der P raxis soll der junge Jurist Liebe zur Wissenschaft gewinnen. — W arum ist denn der größte Teil unserer Referendare so gänzlich bar alles wisienschaftlichen S innes? Warum besuchen so wenige von ihnen noch irgend eine Vorlesung? Weil doch ein ganz besonderer wiffenschaftlicher Ernst, eine tiefwurzelnde Liebe zur Wissenschaft notwendig ist, wenn die Beschäftigung mit der All­ tagspraxis S in n und Verständnis für die Probleme der Theorie nicht gänzlich ertöten soll. Und dann das zweite Studium an der Universität.

Andert­

halb Ja h re und eines davon dem Mllitärdienste gewidmet!

Nach

allem, was ich selbst gesehen und von andern gehört habe, ist das M ilitärjahr fast ausnahmslos für wissenschaftliche Thätigkeit gänzlich verloren.

Und es kann ja auch gar nicht anders sein.

Wer den ganzen Tag körperlich in der angestrengtesten Weise ge­ arbeitet hat, der kann dann nicht noch von 6 bis 8 Uhr abends Vorlesungen hören; der wird, selbst beim besten Willen, nicht im stände sein, sich an Seminarübungen zu beteiligen oder die zu einer wissenschaftlichen Arbeit notwendigen Studien

zu machen.

Auf das eine Halbjahr aber, das nach Abzug der Dienstzeit übrig bleibt, wird Dernburg selbst kein Gewicht legen. S o bleibt als praktisches Ergebnis der Vorschläge: Ablegung des nicht unwesentlich erleichterten Referendarsexamens schon nach fünf, sogar schon nach vier Semestern, also Verkürzung deS Uui-

versitätsstudiums um mindestens ein bis zwei Semester. ist aber wahrhaftig nicht das Ziel, das wir anstreben.

D as

E s liegt in den Dernburg'schen Vorschlägen ein Grundfehler, unS ist wichtig, ihn klar festzustellen.

Dernburg hat ganz aus­

schließlich die Berliner Verhältnisse im Auge.

N ur so läßt sich

eine Reihe von Äußerungen, insbesondere die auf S . 18 über die geringe Bedeutung der Sem inare, erklären.

Freilich — daran

wird kein Einsichtiger zweifeln — können an einer Fakultät, die 800 bis 1000 Studierende zählt, die Seminarübungen nur für einen verschwindend kleinen Bruchteil von Studierenden fruchtbar werden; auch werden sie hier stets mehr in das Fahrwasser von rein wissenschaftlichen, besonders stark von Ausländern be­ suchten, Instituten geraten.

Aber die juristische Stndienordnung

werden wir nicht für Berlin allein, ßen machen müffen.

sondern für ganz P reu ­

Und an allen andern preußischen Uni­

versitäten liegt in den Seminarübungen ein unschätzbares E r­ ziehungsmittel, das in demselben Augenblicke seine ganze Bedeu­ tung entfalten wird, in welchem die erste Prüfung kein Kinder­ spiel, kein Gaukelwerk mehr ist. Hier, an dem Prüfungs-Unwesen haben wir den Hebel anzusehen. u ns Profefforen überlassen.

D as übrige mag man getrost

Wenn unsere Studenten erst einmal

etwas zu wissen brauchen, dann werden wir es ihnen auch bei­ zubringen verstehen.

Sollten dabei die kleinen Preußischen J u -

risten-Fakultäten wieder an Bedeutung gewinnen, so wäre das nicht der kleinste Vorteil, den die Reform unserm Volksleben brächte. M arburg, im Oktober 1886.

Franz v. Liszt.

Inhaltsübersicht. E i n l e i t u n g .............................................................................................................9 I.

D e r N ie d e r g a n g des ju ris tis c h e n S t u d i u m s ........................ 15 Unfleiß

der juristischen

Studierenden.

Examenskandidaten. — Notwendigkeit

einer

Unwissenheit gründlichen

der und

umfassenden Universitätsbildung. — D e r H inw eis auf die Tüch­ tigkeit des preußischen Beam tentum s und seine Berechtigung. II.

D i e U rsachen d ie s e r E r s c h e i n u n g ................................................ 2 4 Unsere Unterrichtsmethode. — D e r Gegensatz von Theorie und

P raxis. —

D ie

M ängel

der

Prüfungsordnung:

A us­

schließliche Zuständigkeit des Justizm inisters; H äufung der P r ü ­ fungsfächer; Zusammensetzung der Prüfungskommissionen; die „wissenschaftliche" Arbeit.

m.

M i t t e l d e r A b h i l f e .................................................................................... 39 Beschränkung

der

akademischen

examen? — Zerlegung der P rü fu n g Verlängerung

des

Freiheit?



Zwischen­

in zwei Abteilungen. —

UniversitatsstudiumS? —

D ie

schriftliche

P rü fu n g . — P rü fu n g durch Fachleute. S c h lu ß

55

Hochansehnliche V ersam m lung!

Wenn unsere Hochschule die Übertragung ihres höchsten Amtes an den neuen Inhaber desselben getreu der alten S itte in feier­ licher Form, in Gegenwart nicht bloß der Angehörigen, sondern auch der Gönner und Freunde unserer Philippina vollzieht, so geschieht das nicht aus eitler Freude an festlichem Gepränge, auch nicht nur aus treuer Anhänglichkeit an althergebrachte, durch Nätersitte geheiligte Gebräuche. Indem Buch und Siegel, Kette und Szepter, all' die Abzeichen des Amtes an das vom Gesamt­ senate gewählte, von der Regierung bestätigte neue Haupt über­ geben werden, soll vielmehr — und das ist die tiefere Bedeutung der feierlichen Handlung — die eine der beiden Seiten in dem geschichtlich begründeten, durch die Jahrhundert gefestigten Doppel­ charakter der deutschen Universitäten zum unzweideutigen Ausdrucke gebracht werden: die korporativ-geschlossene S e lb s tä n d ig ­ keit der Universitas litterarum. Als freie Vereinigung der Lehrenden und Lernenden, geeint durch gemeinsame Arbeit auf dem Gesamtgebiete der Wissenschaften, find die Universitäten ins Leben getreten, Vorboten eines neuen Zeitraums in der Geistesgeschichte Europas. Als freie Hochburgen wissenschaftlicher Forschung haben sie sich erhalten, Jahrhunderte hindurch allem Wechsel der Geschicke trotzend, bis auf den heutigen Tag. Allerdings haben im Laufe der Zeit die Universitäten aufge­ hört, private Gelehrten-Akademien zu sein; sie find zu staatlich anerkannten, geförderten, geleiteten Anstalten geworden; zu — vielfach vom Staate selbst neubegründeten — Hochschulen, aus

deren Angehörigen S ta a t und Kirche, Schule und bürgerliche Gesellschaft ausschließlich ihre Seelsorger, Beam ten, Ärzte und Lehrer entnehmen: aber der ursprüngliche Charakter ist ihnen da­ durch, daß ein neues und hochbedeutsames Element in denselben aufgenommen wurde, nicht verloren gegangen. D ie fre ie W issenschaft im D ien ste d er sta a tlic h e n Zwecke: das ist der Doppelcharakter der deutschen Universitäten; die akademische Freiheit einerseits und anderseits das staatliche Auffichtsrecht bil­ den die treibenden Kräfte ihrer Entwicklung; durch die o r g a n i ­ sche, in der Person der staatlich berufenen Lehrer und in ihrer Lehrmethode gewährleistete, V e r b in d u n g von F o rsch u n g un d U n te rric h t unterscheidet sich die deutsche Hochschule gleichweit von der Akademie, aus der sie erwachsen ist, wie von der Fach­ schule, zu der sie so Gott will niemals herabfinken wird. Liegt aber die Gefahr nicht nahe, daß diese geschichtlich ge­ wordene Verbindung zweier auf den ersten Blick gegensätzlicher Grundgedanken zu schwierigen und langwierigen Grenzstreitigkeiten Anlaß geben könnte? muß nicht der Gedanke sich aufdrängen, daß S ta a t und Wisienschaft besier fahren würden, wenn sie den ge­ meinsamen Haushalt lösten? — Ich glaube es nicht. I n der Reibung der Gegensätze liegt das Geheimnis der Kraft. Die Geschichte lehrt uns, daß ernste, das Wesen der Ver­ bindung ergreifende Zerwürfnisie niemals eingetreten find, mag es auch an kleinen Meinungsverschiedenheiten selten gemangelt haben. Und noch vor wenig Wochen haben wir alle es fteudig miterlebt, daß nach wie vor das deutsche Volk mit berechtigtem S tolz, bad Ausland mit bewunderndem Neid zu den Universitäten, dieser eigentümlichen, zu kräftiger Blüthe fich entfaltenden Schöpfung des deutschen Geistes emporblickt. Nur in bezug auf diejenige Fakultät, der anzugehören ich die Ehre habe, scheint die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Regelung der Grenzen zwischen der freien Wisienschaft und der staatlichen Oberaufsicht von J a h r zu J a h r im Wachsen begriffen zu sein. Im m er lauter und ungestümer, aus immer weiteten

Kreisen erklingt der Stuf nach einer gründlichen R e fo rm d es ju ristisc h e n S t u d i u m s in P r e u ß e n . J a , fast möchte man meinen, wenn mau die lebhafte Debatte verfolgt, welche im Laufe der letzten M onate die S palten unserer Zeitungen und Zeitschriften erfüllte, als habe sich ein u n lö s lic h e r G egensatz herausgestellt zwischen den A n f o r d e r u n g e n d er ü b e r lie f e r te n ak a d e m i­ schen F r e i h e i t u n d dem u n a b w e is lic h e n I n te r e s s e d e s S t a a t e s an d e r H e r a n b ild u n g e in e s tü c h tig e n B e a m te n ­ s ta n d e s. Gern benutze ich die heute mir gebotene Gelegenheit, im S treite der Meinungen das W ort zu ergreifen. Ich folge damit der alten und guten Gepflogenheit, von dieser Stelle aus Ange­ legenheiten zu erörtern, welche, zunächst den Verhältnissen eines besonderen Zweiges der Wissenschaften entstammend, doch nicht nur das Interesse der gesamten Universität, sondern das geistige Leben des deutschen Volkes überhaupt berühren. Ich gehe mit um so größerer Zuversicht an die Erörterung der heute brennen­ den Tagesfrage, als ich, tief durchdrungen von der Erkenntnis, daß das juristische Studium in Preußen an den schwersten, fiix das Gemeinwohl gefährlichsten Gebrechen krankt und sofortige gründliche Abhilfe dringend geboten ist, doch zugleich der festge­ gründeten Überzeugung mich hingebe, daß uns die Heilung mög­ lich ist, ohne das innerste Wesen der deutschen Hochschulen, die akademische Freiheit, anzutasten.

S eit beinahe einem halben Jahrhundert wollen die Klagen über die M ängel des juristischen S tudium s in Preußen — trotz der stets ablehnenden Haltung der Regierung — nicht verstumm en1)- Wie Goldschmidt bemerkt, hat bereits 1842 C h r is tia n ') Nachstehend verzeichne ich die mir bekannt gewordene und von mir benutzte Litteratur der Frage. C. v. R a u m e r , Die deutschen Universitäten. 2. Ausl. 1854. G o l d s c h m i d t , DaS preußische Recht und daö Rechtsstudium. P reuß. Jahrbücher Ul 29 (1859). H äl s ch n e r , DaS juristische S tudium in Preußen. B onn 1859.

F r i e d r i c h Koch

eine gründliche Univerfitätsbildung und

strenge erste Prüfung energisch verlangt. Goldschmidt,

eine

I m Jahre 1859 trat

damals noch Heidelberger Privatdozent,

als der

D r t l o f f , Methodologie oder Lehre deS S tudium s der Rechts- und StaatSwiffenschast. Braunschweig 1863. E u g e n Ri cht er, Die Vorbildung der höheren Verwaltungsbeamten in Preußen. Preuß. Jahrbücher X V II. 1. 1866 (mit der drastischen Schil­ derung der „Schnellaffefforenfabrik zu Baumgartenbrück bei Potsdam "). S c h ä f f l e , Zur Frage der Prüfungsansprüche an die Kandidaten dehöheren Staatsdienstes. Tübinger Zeitschr. X X IV . 601. 1868. v. S y b e l , Die deutschen und die auswärtigen Universitäten. B onn 1868. 2. vermehrte und verbeflerte Aufl. unter dem Titel: die deutschen Universitäten, ihre Leistungen und Bedürfnisse. 1874. Nas se, Über die Universitätsstudien und Staatsprüfungen der preu­ ßischen Verwaltungsbeamten. Bonn 1868. G o e p p e r t , Bemerkungen zu d e m . . . . E ntw urf eines Gesetzes über die juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum höheren Justizdienst. B erlin 1869. K r ü g e r , Z ur Reform der juristischen Prüfungen. B reslau 1869 (gegen Goeppert). M u t h e r , Die Reform des juristischen Unterrichts. Weimar 1873. So l l t ) , Die Ausbildung der Verwaltungsbeamten (Tübinger Z eit­ schrift X X X I. 420. 1875). I . B . M e y e r , Deutsche Universitäts-Entwicklung, Vorzeit, Gegenwart und Zukunft. Deutsche Zeit- und S treitftagen, III. Jahrg. Heft 48. Berlin 1875. D a h n , Zur Reform des Rechtsstudiums an den preußischen Hoch­ schulen. Zeitschr. f. d. deutsche Gesetzgebung und einheitliches deutsches Recht VHI. 662. 1875. G e o r g M e y e r , DaS S tudium deö öffentlichen Rechts und der StaatSwiffenschasten in Deutschland. Jen a. 1875. v. B e t h m a n n - H o l l w e g . Über Gesetzgebung und Rechtswissenschaft als Aufgabe unserer Zeit. B onn 1876. Lo re n z v. S t e i n , Gegenwart und Zukunft der Rechts- und S ta a tswiffenschaft Deutschlands. (Stuttgart 1876. K l e i n w ä c h t e r , Die rechts- und staatswiffenschaftlichen Fakultäten Österreichs. Wien 1876. Gier k e , Die juristische Studienordnung. Ja h rb . für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschast im Deutschen Reich. Neue Folge I 1. 1877. Ad. W a g n e r , Z ur Statistik und zur Frage der Einrichtung des natio­ nalökonomischen und statistischen Unterrichts an den deutschen Universitäten. Zeitschr. deö Kgl. Preuß. Statistischen BüreauS X V II 1877.

erste unter den Fachgenoffen in einer ohne Nam ensnennung in den Preußischen Jahrbüchern erschienenen bedeutsamen Abhandlung für eine durchgreifende Reform des ganzen Studienganges der jungen Juristen, insbesondere für Änderung der Prüfungsordnung und Verlängerung des akademischen Triennium s, in die Schranken. I m wesentlichen in derselben Richtung bewegte sich die ungefähr gleichzeitig erschienene Schrift H ä lsch n er'S . I m folgenden Dezennium war der Kampf auf der ganzen Linie entbrannt. R a f f e verlangte dringend die Ausdehnung des S tu diu m s auf die politischen und ökonomischen D isziplinen. Der im Jahre 1868 eingebrachte Regierungsentwurf eines Gesetzes betreffend die juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum L. G o ld schm id t, D as dreijährige Studium der Rechts- und S ta a tswiffenschasten. Berlin 1878. V e r h a n d lu n g e n d es 14. deutschen J u r i s t e n t a g s . Jena 1878. Gutachten von Gierke I. 1. 3, G n e is t I. 1. 119, F ü rs t I. 2. 77; Bericht von v. Schwarze II 262. v. S c h u lte , Gedanken über Aufgabe und Reform des juristischen S tudium s. Bonn 1881. v. J h e r i n g , Scherz und Ernst in der Jurisprudenz. 1884. S . 366 ff. S ta m m le r . Die Behandlung des Röm. Rechts in dem juristischen Studium nach Einführung des deutschen Reichs-Zivilgesetzbuchs. Freiburg i./B . 1885. E is e le , das Deutsche Zivilgesetzbuch und das künftige Privatrechts­ studium 1885. L e o n h a rd , E in W ort über die juristischen P rüfungen. Köln. Zeitung v. 27. Dez. 1885 Nr. 358 II. v. B a r in Nr. 22 und 25 der „Nation" 1886. Aus der durch G . S c h m o lle r hervorgerufenen Zeitungspolemik er­ wähne ich nur die Aufsätze in der „Allgem. Zeitung" 1886 N r. 246—248: „Universitätsfragen. Kollegienbesuch und Desuchskontrolle. Von einem beutschen akademischen Lehrer". Vgl. auch die Verhandlungen der beiden Häuser des preußischen Land­ tags über das Gesetz vom 6. M ai 1869 beb. die juristischen Prüfungen und die Vorbereitung zum höheren Justizdienst 1868 und 1869; sowie über den Entw . eines Gesetzes beb. die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst 1875— 1877; endlich die Verhandlungen der Justizkommission des deutschen Reichs­ tages.

höheren Justizdieust (es ist das spätere Gesetz vom 6 . M ai 1869 ) veranlaßte lebhafte und auch heute noch lehrreiche Erörterungen in beiden Häusern des preußischen L andtages, aus welchen H ä ls c h n e r's Herrenhausrede vom 19 . Dezember 1868 besonders hervorragt. Außerhalb des Parlam ents besprach G o e p p e rt in leidenschaftsloser aber entschiedener Weise die Gebrechen der durch die Regierungsvorlage im Wesentlichen unverändert gelassenen Zustände. Noch lebhafter wurde der Kampf in den siebziger Jah ren geführt. M u t h e r und D a h n traten für die Reform ein; der greise B e th m a n n - H o llw e g erhob seine warnende Stim m e; G. M e y e r und J o l l y , L. v. S t e i n und K le in w ä c h te r, G ierk e und A. W a g n e r verfochten mit neuen Gründen die For­ derungen der Vertreter des öffentlichen Rechts und der National­ ökonomie. J e näher der Zeitpunkt für die Einführung der großen Reichsjustizgesetze und damit der neuen Gerichtsversaffung heran­ rückte, um so dringender wurde das Verlangen, durch einheitliche Regelung des juristischen Prüfungswesens für das Gesamtgebiet des deutschen Reiches den zähen Widerstand der Preußischen Büreankratie zu brechen. Deutlich trat dieses Streben auf den Verhandlungen des 14 . deutschen Juristentages (Je n a 1878 ) hervor, auf welchem Gutachter und Berichterstatter, Profefforen und Praktiker einmütig waren in der schärfsten und uneinge­ schränktesten Verurteilung der preußischen Prüfungsordnung. Roch in demselben Jah re erschien Goldschmidt's zweite, meisterhaft ge­ schriebene Abhandlung. Eine reiche, fast zwanzigjährige Erfah­ rung auf dem Lehrstuhl wie auf der Richterbank verlieh den Worten des Verfaffers, deffen Anficht in allen Hauptpunkten un­ verändert dieselbe geblieben w ar, vermehrtes Gewicht, erhöhte Bedeutung. Aber ungehört verlangen die Klagen; das preußische Justiz­ ministerium verharrte auf feinem ablehnenden Standpunkt, ohne sich auf eine Widerlegung der Gründe einzulassen. Und als die neue Gerichtsversaffung für das ganze deutsche Reich ins Leben trat, fand sie in Preußen die alten Übelstände vor. Dem preu­ ßischen Juristenstande war durch die Fürsorge des Justizministers

bis auf weiteres das b eneficium flebile gerettet, weniger wissen zu dürfen, als die Juristen aller andern deutschen Bundesstaaten. Eine Zeit lang schien es, als hätten die Anhänger der Re­ form. müde des fruchtlosen Kampfes, die Waffen gestreckt vor der zwingenden Macht der Thatsachen. Aber schon 1881 bewies S c h u l t e 's schneidige Rektoratsrede, daß es sich nur um eine kurze Waffenruhe gehandelt habe. Andre folgten nach. Die Frage ist seitdem nicht zur Ruhe gekommen. Und als vor wenig Wochen G. S c h m o lle r in kurzen, aber bitterbösen Worten den Unfleiß der juristischen Studierenden verdientermaßen an den Pranger stellte und die einschneidendsten Beschränkungen der akademischen Freiheit verlangte, da bewies die lebhafte Erörterung der Frage in allen Tagesblättern, daß eine zehrend^ Wunde nicht nur im Leben der Universitäten, sondern in dem O rganism us unseres ganzen Volkes von schonungsloser Hand bloßgelegt war. Hinüber, herüber wogt heute der Kampf. Wenn nicht alle Zeichen trügen, so stehen wir am Vorabend der Entscheidung. M ir ist es keinen Augenblick zweifelhaft, daß sie eine gründliche Umgestaltung unserer heutigen Zustände herbeiführen muß, soll nicht eine der schwersten Gefahren heraufbeschworen werden, die ein mitten in der kräftig­ sten Entwicklung begriffenes Volk treffen können: M iß tr a u e n in die G r ü n d lic h k e it s e in e r R e c h ts p fle g e , in die T ü c h tig ­ keit se in e r V e r w a l t u n g .

I. Wenn ich die während einer neunsemestrigen Lehr-Thätigkeit an der hiesigen Universität sich mir aufdrängenden Erfahrungen in Bezug auf Fleiß und Kenntnisse der Studierenden mit den­ jenigen vergleiche, welche ich in den drei Jahren meines Gießener Aufenthalts oder sieben Semester lantz als Grazer Privatdozent gemacht habe, so treten zunächst zwei unzweifelhafte Thatsachen mit vollster Bestimmtheit vor allen anderen mir entgegen; die eine ist der an sich Graz wie Gießen gegenüber wesentlich geringere und noch dazu von Semester zu Semester a b n e h m e n d e F le iß der hi e-

sig e n S t u d i e r e n d e n in d em B e su c h der ju r istisch e n V o r ­ le s u n g e n ; die andere, deren ursächlicher Zusammenhang m it der ersten w ohl kaum eines Nachweises bedarf, ist die geradezu e r ­ schreckende U n w is s e n h e it der E x a m e n s -K a n d id a te n . Ich kann ohne jede Übertreibung sagen, daß ich, so lange ich in M ar­ burg als Lehrer thätig bin, noch keinen Kandidaten kennen ge­ lernt habe, der im stände gewesen wäre, in Österreich oder in Hessen die entsprechenden Prüfungen auch nur mit der schlechtesten Note zu bestehen. Am besten noch sind zumeist die Kenntnisse aus dem römischen Privatrecht; aus Handels- und Wechselrecht, aus Strafrecht und Zivilprozeß finden sich ab und zu wenigstens dürftige und oberflächliche A nfangsgründe; Strafprozeß, römische und deutsche Rechtsgeschichte, Staatsrecht, Kirchenrecht, Völker­ recht wird nur ganz ausnahm sweise kurz vor der Prüfung auf das flüchtigste durch genommen; von den durch das Gesetz vom 6. M ai 1 8 6 9 geforderten Grundlagen der Staatswiffenschaften aber ist wohl überhaupt niem als die Rede. D ieses anscheinend harte Urteil wird, so viel ich sehen kann, von allen Kundigen ohne Einschränkung geteilt2). 3) Bezüglich der Unwissenheit der juristischen Kandidaten in allen nicht rein privatrechtlichen Fächern vgl. unten Note 10. — Die Klagen über den Unfleiß der Studierenden unserer Fakultät sind ebenso alt wie allgemein. M an vgl. H ä lsc h n e r 19, G o e p p e rt 15, G ie r te (1877) 16, G o ld sc h m id t (1878) 29, S c h u lte 16. L e o n h a rd a. O ., S c h m o lle r a. £)., v. B a r a. O . — Nach meinen Erfahrungen haben sich die Zustände in den letzten Semestern noch wesentlich verschlechtert. W enn von zehn angemeldeten Zuhörern Einer ganz regelmäßig die Vorlesungen besucht, so ist das ein besonders erfreulicher und vom Lehrer dankbar anerkannter Ausnahm sfall; meist pflegen etwa vier Zehntel unregelmäßig, d. h. mit mehrwöchentlichen Pausen, die übrigen sechs Zehnte! nur ab und zu ins Kolleg zu kommen. W ir sind demnach gezwungen, unsere systematischen Vorlesungen vor einem stets wechselnden Auditorium zu halten. Welche Erfolge unter diesen Verhältnissen der eif­ rigste Lehrer zu erzielen im stände ist, bedarf keiner Ausführung. Auch ist es wohl klar, daß m itunter die ganze Anspannung des Pflichtbewußt­ seins erforderlich ist, damit dem Lehrer selbst nicht alle Freude, alles I n ­ teresse an der Vorlesung verloren gehe. — Ausdrücklich möchte ich hier schon betonen, daß im Gegensatze zu den svstematischen Vorlesungen der Besuch der Sem inarübungey nach meinen Erfahrungen ein sehr guter ist und durchschnittlich 90 bis 100 Prozent der Angemeldeten sich ganz

S in d diese beiden Thatsachen allein schon bedenklich genug, so halte ich doch eine weitere Erscheinung, auf welche besonders hinzuweisen ich nicht unterlassen kann, fü r noch beklagenswerter und

gefahrdrohender.

D as

ist der M a n g e l a n a llg e m e in e r

B i l d u n g , ja auch n ur des Strebens nach einer solchen, der bei unseren

jungen Juristen

droht.

mehr

und mehr zur Regel zu werden

M a n frage unsere Historiker und Philosophen,

die V e r­

treter der klassischen Sprachen oder der Naturwissenschaften, wie viele Juristen bei ihnen Vorlesungen über Gegenstände von a ll­ gemeinem Interesse zu hören und man w ird

erfahren,

oder auch n u r zu belegen pflegen,

daß alle andern Fakultäten, die vielbe­

schäftigten und meist auch räumlich getrennten M ediziner nicht aus­ genommen? einen größeren Prozentsatz von Zuhörern stellen als gerade diejenige Fakultät, welche m it Psychologie und Logik, m it Nationalökonomie und S o zia lp o litik, m it politischer Geschichte und Sprachwissenschaft, m it Psychiatrie und gerichtlicher M edizin die zahlreichsten und nächsten Berührungspunkte hat.

O der man frage

unsere Bibliotheksbeamten, welche nicht-juristischen Bücher unsere jungen Juristen entlehnen und man w ird eine S ta tistik erhalten, welche einen tiefen und traurigen Blick thun läß t in die geistige Verödung desjenigen Standes, der bisher die Führung in unserem gesamten öffentlichen Leben inne gehabt hat. D a ist es denn kein W under, wenn die mühsam erworbenen Gymnasialkenntnisse stückweise abbröckeln;

wenn

die Gewohnheit

geistiger Anspannung verloren geht; wenn der Geist, dem keinerlei N ahrung

zugeführt

w ird,

allmählich verödet; wenn die bedeut­

samsten Ereignisse unseres geistigen Lebens spurlos an dem stumpf­ gewordenen jugendlichen Gemüte vorüberziehen. Ohne alle gründlichen Fachkenntnisse, m it den kümmerlichen Resten dung;

der vom Gymnasium herübergeretteten allgemeinen B i l ­ ohne jede Liebe zur Wissenschaft,

auf

die sie als graue,

im Examen n u r hinderliche Theorie herabblicken; regelmäßig

an den Arbeiten

N r . 247 der „A llgem . Zeitg."

beteiligen (vgl. unten

ohne jede U n­

S . 26). —

v. 1886 aufgestellte Berechnung

D ie

in

über daS

Schwanken der Frequenzziffern wahrend des Semesters ist wenigstens fü r M a rb u rg ganz unrichtig.

häoglichkeit an den Lehrer, den fie vielleicht nur zweimal im Semester, bei der Überreichung des Anmeldebuches, zu Gesicht bekommen haben; ohne Verständnis, und darum auch ohne jede Begeisterung für die großen unser Volk bewegenden Zeitfragen, Philister trotz des dreifarbigen B andes, dem Handwerkergeiste rettungslos anheimgefallen — so verläßt die Mehrzahl unserer jungen Juristen den Tempel der Wissenschaft, den fie, lediglich um ein notdürftiges Examen bemüht, zur Krämerbude gemacht haben. D as ist der Stoff, aus dem Preußen seine Richter, seine Verwaltungsbcamten machen, das find die M änner, aus welchen das deutsche Volk die künftigen Führer in den Kämpfen des öffent­ lichen Lebens entnehmen soll! Und doch sollte darüber kein Zweifel möglich sein, daß neben umfasienden allgemeinen Kenntniffen eine g rü n d lic h e w isse n ­ schaftliche F a c h b i l d u n g dem künftigen juristischen Praktiker unentbehrlich ist. Sichere Herrschaft über die täglich mehr an­ schwellende F lu t von Gesetzen aller Art ist durchaus unmöglich, wenn nicht die Rechtsnormen, auf ihre leitenden Grundgedanken zurückgeführt, zum geschloffenen System gefügt, nach ihrem gegen­ seitigen Zusammenhange gegliedert, dem geistigen Auge des Prak­ tikers stets gegenwärtig find. Die Gewandtheit in der Anwen­ dung der RechtssLhe auf die stets wechselnden, von Tag zu Tag verwickelter sich gestaltenden Erscheinungen des Rechtslebens kann nicht erworben werden, wenn mcht der Blick, durch jahrelange Übung geschärft, sich daran gewöhnt hat, das Wesentliche von dem Zufällige« zu sondern, hinter der Form der Erscheinung den sachlichen In h a lt zu finden. Ich wäre der letzte, die große B e­ deutung des praftischen Vorbereitungsdienstes zu unterschätzen; aber das System der Rechtswiffenschast kann er niemals geben, uitb die juristische Methode ebensowenig. D er praftische Ju rist ist also ebensosehr auf den wissenschaft­ lichen Unterricht der Universität angewiesen, wie der Arzt, der Lehrer, der Theologe. Ic h leugne ja gar nicht, daß eS aus­ nahmsweise begabten und ausnahmsweise fleißigen M ännern möglich ist, durch eigenes S tudium und praktische Erfahrung noch

in reiferen Jah ren Ergebniffe und Methode der Rechtswissenschaft sich zu eigen zu machen. Aber auch dem begabtesten und fleißig­ sten Autodidakten wird es nicht ohne unverhältnismäßige Opfer an Zeit und Kraft, nicht ohne zahlreiche, ermüdende I r r - und Umwege, ohne gar manchen für das Gemeinwohl höchst gefähr­ lichen Fehler gelingen, dieses Ziel zu erreichen. Und der großes Masse unserer jungen Juristen, die weder ungewöhnlich begabt noch übermäßig fleißig zu sein Pflegen, gelingt es ganz sicher nicht. Vielleicht hat einmal der eine oder der andere das Schwim­ men wirklich in der Weise erlernt, daß er einfach ins Wasser ge­ worfen und seinem Schicksale überlassen wurde; aber ich glaube nicht, daß viele von uns diese Methode einem regelmäßigen Schwimmunterrichte vorziehen möchten. Die Notwendigkeit einer gründlichen wissenschaftlichen B il­ dung ist durch die E i n f ü h r u n g d e r R e i c h s z i v i l p r o z e ß o r d u u n g sehr wesentlich gesteigert worden. Nicht nur deshalb, weil die mündliche öffentliche Verhandlung ungleich höhere Anforde­ rungen an alle Beteiligten stellt in Bezug auf den Umfang und die stete Verfügbarkeit der Kenntnisse wie in Bezug auf die jedem unerwarteten Einwand gegenüber gerüstete formelle Gewandtheit; sondern ganz besonders darum, weil das neue Verfahren, wie otte Sachverständigen schon vor 1879 betonten, ungleich weniger als der gemeine Prozeß geeignet ist, die gründliche wiffeuschastliche Ausbilduug der Referendare zu fördern^). S o weist gerade der F ort­ schritt unserer Reichsgesetzgebung mit immer größerer Eutschieden-

3) E in Beispiel für viele. Gneist sagte auf dem 14. d. Juristentag ( I I 113): „Ich kann als Zeuge versichern, daß in den vierzig Jahren, während welchen ich im beinahe täglichen Verkehr mit denen stehe, welche die Ausbildung unserer Praktikanten völlig übersehen, mir kein ernstes Urteil vor­ gekommen ist, welche- nicht zugestände, daß wir mit jedem Element deS schriftlichen Prozesse- und der Justizverwaltung-geschäfte, ein Element der Ausbildung de- Praktikers verloren haben, und daß w ir von Jahrzehnt zu Jahrzehnt die Anforderungen an den praktischen Kursus trotz alles W ider­ strebens um etwas haben herabstimmen müssen. Die Reichsgesetze bedeuten für diese abw ärt- gehende Richtung aber m ir ein beschleunigte- Tempo." — M an vgl. auch Goldschmidt (1878) 69.

heit auf die gebieterische Notwendigkeit einer gründlichen Univerfitä tsb ild u n g hin. Is t

das Gesagte überhaupt richtig,

dann ist es aber auch

klar, daß ein einseitig privatrechtliches, im Wesentlichen auf P a n ­ dekten

beschränktes S tu d iu m ,

selbst wenn es noch so gründlich

betrieben werden sollte, in keiner Weise ausreicht', um den künf­ tigen Praktiker zur E rfü llu n g der ihm gestellten Aufgaben zu be­ fähigen.

D ie S tr a f r e c h t s p fle g e stellt neue und wesentlich an­

dere Anforderungen an Richter, S ta a ts a n w a lt, Verteidiger. fie ihre hohe und schwere Aufgabe

erfüllen,

S o ll

die Rechtsgenossen

und zwar die Gesamtheit derselben wie jeden Einzelnen zu schützen gegen

verbrecherische A ngriffe,

so ist fü r die an ih r B eteiligten

eine dürftige Kenntnis der Strafgesetze, eine gewisse formalistische Gewandtheit in

Auslegung und

in keiner Weise genügend.

der Seele des Verbrechers wie können;

Anwendung der Rechtsnormen

D er strafrechtliche in einem

Praktiker

offenen

muß

Buche

in

lesen

er muß genau bekannt sein m it a ll' den dunklen Seiten

des gesellschaftlichen Lebens, bewandert m it der eigentümlichen, fast ständisch geschlossenen Gestaltung des berufsmäßigen Verbrechertums; er muß die S tra fe erkannt haben als eines der staatlichen Sicherungs­ m ittel, das neben gar manchem andern der planmäßigen und ziel­ bewußten Bekämpfung des Verbrechens zu dienen bestimmt ist. P sy­ chologie und Psychiatrie, Krim inalstatistik und die weitverzweigten Gebiete des Gefängniswesens müssen ihm durchaus geläufig sein, soll er nicht zeitlebens ein S tüm per bleiben, der w ahrhaftig vor dem Geschworenen nichts voraus hat als etwas R o u tin e.

Je weniger

der heutige Vorbereitungsdienst geeignet ist, gründliche und um ­ fassende Kenntnisse aus diesen Gebieten zu ve rm itte ln , desto wich­ tiger, desto unerläßlicher w ird der akademische Unterricht auf dem weiten Felde der Strafrechtswissenschaft. Ganz besonders aber möchte ich auf die Notwendigkeit einer gründlichen ö ffe n tlic h r e c h tlic h e n u n d n a tio n a lö k o n o m is c h e n B il d u n g unserer juristischen Praktiker Hinweisen.

Ic h

w ill gar

nicht davon sprechen, daß Niemand den Zusammenhang und dam it die eigentliche Bedeutung der Rechtssätze überblicken und würdigen kann,

dem

die eine große H älfte des Systems v ö llig unbekannt

geblieben ist; daß Niemand ein guter Richter oder A nw alt in Angelegenheiten des Verkehrs sein kann, der keine Ahnung von der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Handel und W andel be­ sitzt; daß auch der Zivilrichter oft genug in die Lage kommen kann, Fragen des öffentlichen Rechts zu beurteilen und daß nichts verkehrter und gefährlicher wäre, als an diese mit den landläu­ figen privatrechtlichen Vorstellungen heranzutreten. Aber so lange die V erw altungsbeam ten fast aller Zweige denselben B ild u n g s­ gang durchzumachen haben wie die künftigen Justizbeamten — und soviel ich weiß, wünscht Niemand in Preußen eine Nach­ ahmung der süddeutschen Einrichtungen, nach welchen die S o n ­ derung der beiden Berufszweige schon an der Universität durch­ geführt wird — , ebensolange muß Kenntnis des S taatsrechts und des D erw altungsrechts, der Nationalökonomie und der Finanzwissenschaft voll jedem Juristen ohne Ausnahme gefordert werden. Diese Kenntnisse aber können wiederum nur an der Universität in umfassender und gründlicher Weise erworben werden. E s sei m ir gestattet, noch einen Gesichtspunkt hervorzuheben, auf dessen B etonung ich großes Gewicht lege. Die neuen Ver­ hältnisse haben neue und schwierige Aufgaben nicht nur für die Regierungen und ihre Beam ten, sondern auch für die Volksver­ tretungen und die Presse, für die O rgane der Selbstverw altung und die einzelnen Berufsstände m it sich gebracht. Die alten, in­ haltlos gewordenen Gegensätze der liberalen und konservativen Parteipolitik sind in den Hintergrund getreten. Die Lösung der großen sozialpolitischen Fragen — das W ort im weitesten S in n e genommen — bildet die Aufgabe der nächsten Zukunft. An dieser Aufgabe mitzuarbeiten find die Juristen aller A rt in erster Linie berufen, in der Gesetzgebung wie in der V erw altung. M eint m an im Ernste, daß einseitig privatrechtliche B ildung für diesen Zweck genügt? D aß mit den Form eln des Zivilrechts die Lösung der sozialpolitischen Fragen gelingen wird? W enn das M ißtrauen gegen die „Ju risten " nicht nur in Regierungskreisen, sondern auch in den weitesten Schichten der Bevölkerung um sich gegriffen hat, wenn infolge der auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens be­ wiesenen Unfähigkeit unseres Reichstages die Gleichgültigkeit, ja die

Abneigung

gegen

parlamentarische Einrichtungen

von J ah r zu

Ja h r gestiegen ist — liegt es nicht zum guten Teile daran, daß unser gesamter Juristenstand sich daran gewöhnt hat, Fragen des öffentlichen Rechts nur vom privatrechtlichen Standpunkte aus zn betrachten?*)

____________

Man glaube doch nicht, alle Klagen über die mangelhafte Ausbildung unserer Juristen durch den H in w e is auf die a n ­ erkannte T ü ch tig k eit des preußischen B eam ten stan d e s entkräften zu können. Schon Goldschmidt hat zum Motto seiner im Jahre 1878 veröffentlichten Schrift die Worte genommen, welche Fürst Bismarck, gewiß kein Freund der bloßen Theorie, am 19. Dezember 1868 im preußischen Herrenhause geäußert hat (Stenogr. Ber. I. 119): „E s spricht wesentlich für die Tüchtigkeit der Menschenraffe, die Preußen bewohnt, wenn die aus ihr hervorgehenden Beamten durch die bestehenden Einrichtungen nicht verhindert worden find, dem S taate

so wesentliche Dienste zu leisten,

wie fie geleistet

haben." Auch an eine zutreffende Bemerkung Gierke's (1877.12) möchte

4) D ie Notwendigkeit des S tudium s des öffentlichen Rechts und der sog. Staatswissenschaften wird von allen Seiten betont. Vgl. Gierte 1877 S . 24 Gutachten 12, Gneist 14. Juristentag II 217, M uther 14, Schulte 15. Besonders aber Nasse, Schaffte, G. M eyer, v. S tein , Kleinwächter in den oben Note 1 angeführten Schriften. Einige Stellen mögen genügen. G o e p p e r t 16: „D er ganze Gang unserer politischen Entwicklung — man hat eS längst bemerkt — ist nicht unerheblich dadurch beeinflußt worden, d aß w ir h e u tig e n J u r i s t e n so g u t w ie a u s sc h lie ß lic h P r i v a t r e c h t s - J u r i s t e n s in d " . G o ld s c h m id t 1878 S . 62: „W er ohne ordentlichesWiffen mindestens vom öffentlichen Recht und von politischer Oekonomie gegenwärtig in daS öffentliche Leben tritt, weiß nur einen Teil des Unerläßlichen, steht ratlos und jedem Windhauche öffentticher Meinung preisgegeben da in dem immer gewaltiger anschwellenden Kampf der sozialen Jntereffen". N asse 36: „M ir scheint, der preußische S ta a t hat schon die Erfahrung gemacht, daß es nicht wünschenswert ist, wenn infolge dieses Einflusses (der Richter und Advokaten) polittsche Fragen ausschließlich vom privatrechtlichen S tandpuntt erörtert werden".

ich erinnern. Gierke sagt: „M an wird m it dem Hinweis auf die Dortrefflichkeit des preußischen B eam tentum s erwidern. Aber m an sehe sich vor, daß es diesem Axiom nicht wie so manchen andern ergeht: sie werden so oft wiederholt und so unschütterlich geglaubt, bis sich endlich eines T ages zeigt, daß sie wahr — g ew esen sind." T ie bereits zu Tage getretenen M ängel unserer V e r w a l ­ tu n g hat Gierke in eindringlicher Weise geschildert. Und kann man es ernstlich in Abrede stellen, daß, mögen auch manche Klagen übertrieben sein, die Einführung des mündlichen Z i v i l ­ v e r fa h r e n s wenigstens in einem Teile der Monarchie Übelftände an den Tag gebracht hat, welche sich nur daraus erklären lassen, daß unser Juristenstand vielfach jenen hohen Anforderungen zu ge­ nügen nicht im stände ist, welche der Gesetzgeber an ihn gestellt hat? S ollte jemand wirklich den M ut haben zu leugnen, daß unsere S t r a f g e s e t z g e b u n g , unsere S t r a f r e c h t s p f l e g e , unser S t r a f v o l l z u g an den schwersten, unerträglichsten M ängeln leiben5); daß insbesondere die Rechtsprechung unserer Strafkam m ern längst nicht mehr und zum Teil aus guten Gründen, das V ertrauen der Bevölkerung genießt; daß das Verlangen nach W iederein­ führung der Berufung, nach Entschädigung unschuldig V erurteilter, nach strengerer Bestrafung der Gewohnheitsverbrecher in keinem andern Bundesstaate so dringend und so allgemein lau t geworden ist wie gerade in Preußen? I n der T hat, wenn m an auch heute wieder wie früher auf all' unsere Klagen und Vorschläge m it dem Hinweis auf die Vortrefflichkeit unserer preußischen Zustände in Gericht und Verwaltung anworten wollte — der Zeitpunkt wäre herzlich schlecht gewählt. Ich stehe nach dem Gesagten keinen Augenblick an, mich der übereinstimmenden M einung aller meiner V orgänger rück­ haltslos anzuschließen und den M angel jedes genügenden akade­ mischen S tu d iu m s bei unseren jungen preußischen Juristen für 5) Ich werde demnächst Gelegenbeit haben, in der „Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft" in eingehender Weise auf diesen Punkt zu­ rückzukommen.

eine ebenso beklagenswerte wie gefahrdrohende Erscheinung u n ­ seres Volkslebens zu erklären, welche der ernsten Aufmerksamkeit der leitenden S ta atsm ä n n er würdig wäre. W ollen w ir aber weiter über die M i t t e l uns verständigen, von deren Anwendung eine Verbesserung des gegenwärtigen trostlosen Zustandes zu erwarten wäre, so ist es notwendig, vorerst die U r s a ­ chen ins Auge zu fassen, welche zu demselben geführt haben. Ich werde mich dabei streng auf diejenigen Punkte beschränken, welche im Umkreise meiner eigenen Erfahrung liegen und der Versuchung widerstehen, insbesondere auch auf die Einrichtung des praktischen Vorbereitungsdienstes und der sog. Assessorprüfung einzugehen.

ii. E s ist so außerordentlich bequem, für den Unfleiß und die durch diesen verursachte Unwissenheit unserer jungen Juristen die P r o ­ fessoren und ihre Lehrmethode verantwortlich zu machen. E in p aar alte M eidinger über Professoren-Untugenden stehen ja stets zu Gebote und find des B eifalls der Zuhörer sicher, von welchen wohl kaum einer aus eigener Anschauung weiß, wie es heute in unseren Hörsälen zugeht, von welchen auch kaum einer das B e ­ dürfnis empfindet, die thatsächliche Grundlage seines wegwerfenden U rteils gewiffenhast festzustellen. Versuchen w ir es, unS über die Aufgabe und M ethode des juristischen akademischen Unterrichtes zu verständigen, um die B e ­ rechtigung jenes V orw urfes zu prüfen. Die nächste Aufgabe, die w ir als Lehrer des Rechts zu lösen haben, ist meiner Auffaffung nach eine doppelte. W ir müssen einerseits dem jungen Juristen in dem großen Rahm en e in e s g esch lo ssen en S y s t e m s den Zusammenhang der Rechtsnormen und ihre Bedeutung für die Regelung des Rechtslebens darstellen. D erartige streng systematische Vorlesungen werden bei dem eigen­ tümlichen hier nicht näher zu erörternden Charakter der Rechtswisienschaft (ich erinnere an die Bedeutung des logischen Elem entes

fü r die juristische B egriffsbildung) niemals entbehrt werden können, und

es ist eitel S tüm perei,

sie etwa (w ie das von seiten eines

bekannten Kollegen geschieht) durch das Abfragen eines Lehrbuches ersehen zu wollen.

V on der In d iv id u a litä t des Lehrers und der

Beschaffenheit der vorhandenen litterarischen H ü lfs m itte l w ird eS abhängen,

ob

diese Vorlesungen,

was

ich fü t das Beste halte,

als freier D ortrag an ein vorhandenes brauchbares Lehrbuch sich anschließen oder ob sie, wenn es an einem solchen fehlt, die Ge­ stalt eines kurzen, m it freiem V o rtrage verbundenen Diktates an­ nehmen. W ir sollen aber anderseits dem S chüler auch die M e th o d e der

ju ris tis c h e n A r b e it

Erachtens

am

klarlegen.

besten dadurch,

Es

geschieht dies meines

daß ein einzelnes, kleineres und

möglichst abgeschlossenes Gebiet herausgegriffen und an der Hand der Gesetzgebung, der L itte ra tu r und der Rechtsprechung, unter einge­ hender Berücksichtigung aller wichtigeren Kontroversen, unter genauer Besprechung möglichst zahlreicher praktischer F älle behandelt, also etwa,

wenn

ich so sagen d a rf,

in monographieenartiger B re ite

vo r dem Zuhörer durchgearbeitet w ird . P rüfen

w ir

nun

von

diesem Standpunkte

aus

die heute

herrschende Unterrichtsweise, so werden w ir zugeben müssen, daß sie im wesentlichen den gestellten Anforderungen durchaus entspricht. N u r der eine V o rw u rf kann wohl einer Anzahl unserer Kollegen nicht erspart werden, daß sie bei der Darstellung des Systems zu vie l Gewicht auf die Ueberlieferung des gesamten S toffes in allen seinen Einzelheiten systematischen

legen

Vorlesung

und aus

dam it den Hauptzweck der streng den Angen

verlieren.

D ie

not­

wendigen Folgen dieses pädagogischen Fehlers find das übermäßige Anschwellen der Stundenzahl (m it dem ganz verwerflichen D u p lie ren

und T rip lie re n

der S tunden

am Schluffe

des Semesters),

sowie eine unverhältnismäßige B re ite des Diktates, das den K am pf m it

dem Lehrbuch

aufnehmen möchte,

ohne doch jemals diesem

gewachsen zu sein. D ie Aufgabe des akademischen Lehrers der Rechtswissenschaft ist aber m it den eben geschilderten Vorlesungen, Studierende

sich lediglich rezeptiv v e rh ä lt,

bei welchen der

nicht erschöpft.

D er

Lehrer soll weiter dahin wirken, die eigene Thätigkeit des S tu d ie ­ renden anzuregen, zu fördern, zu überwachen.

D ie R echtsw issen­

schaft soll ja die Lehrerin der R e c h ts p fle g e sein. dienen die ju ris tis c h e n S e m i n a r e .

Diesem Zwecke

Fast scheint es, wenn man

die Reden und Abhandlungen unserer P olitiker in P arlam ent und Presse

verfolgt,

als

ob

von der Existenz dieser Einrichtung in

weiteren juristischen Kreisen gar keine oder doch nur recht dunkle Vorstellungen vorhanden wären. seit

einer

ganzen Reihe

Und doch bestehen die Sem inare

von Jahren wohl an allen preußischen

Juristenfakultäten und erfreuen sich eines regen, gegen den sonst hervortretenden Unfleiß seiten

sehr

der Studierenden.

lebhaft

Auch

in

abstechenden Besuches

von

dieser Hinsicht sind also die

gegen uns Profefforen erhobenen Vorw ürfe unbegründet und nur durch

den

weit

verbreiteten M a n g e l an Sachkenntnis erklärbar.

Aber man vergesse nicht,

daß unter den heute noch herrschenden

Verhältnissen die Erfolge der juristischen Sem inare nur ganz be­ scheidene sein können.

Selbständige Arbeiten eines Studierenden,

mögen sie sich auch auf die Besprechung und Entscheidung eines leichteren praktischen F alles beschränken, setzell eine nicht unbedeu­ tende S um m e

von juristischen Kenntnissen voraus.

W en n,

wie

das heute fast ausnahmslos der F a ll ist, die Teilnehmer an den Sem inarübungen

bisher weder eine Vorlesung besucht,

noch ein

Buch angesehen haben, so geht mehr als die H älfte des Semesters für die eigentlichen Seminarzwecke verloren.

Praktische und theo­

retische Übungen haben den A b s c h lu ß der Vorlesungen zu bilden, dürfen aber nicht als E rs atz derselben betrachtet werden. konnte

man

daher

über

die

B illig

auch in den maßgebenden Kreisen

herrschende Unklarheit in der Auffassung der Verhältniffe erstaunt sein, als eine von den M inisterien der Justiz und des Unterrichts vereinbarte Verfügung im vorigen Jahre die Fakultäten anwies, die Studierenden

wiederholt auf den hohen W e rt der S e m in a r­

übungen aufmerksam zu machen^). 6) Ic h weiß sehr wohl, daß in der Einrichtung der juristischen S e m i­ nare noch gar manches geändert werden kann. an dieser S telle breiten.

ES

mag m ir gestattet sein,

meine Ansichten dem Urteile der Fachzenoffen zu u n ter­

D re i D ing e müssen, meines Erachtens auseinander gehalten werden.

D a nach betn Gesagten eine wesentliche Änderung unserer Lehrmethode weder notwendig noch wünschenswert ist, kann diese Z u n äc h st lassen sich mit den systematischen Hauptvorlesungen selbst eine ganze Anzahl von Nebenvorlesungen verbinden, durch welche der abstrakte und darum für den Zuhörer wenig anziehende Stoff anschaulicher gemacht wird. S o kann ganz gut schon im ersten Semester G ajus, im zweiten ein leichterer Pandektentitel gelesen werden. M an beachte dabei nu r, daß bei solchen „Übungen" die eigene Thätigkeit des Studierenden eine ganz unter­ geordnete, etwa auf Lesen und Übersetzen sich beschränkende, bleiben m u ß ; die Erklärung ist aus dieser S tufe des Unterrichts noch Sache des Lehrers. Ich selbst babe wiederholt, und zwar ohne V e r m e h r u n g d e r S t u n d e n ­ zahl (darauf lege ich großes Gewicht) in der Vorlesung über Strafrecht eine S tunde wöchentlich von der ersten Woche an der kursorischen Erklärung de- Strafgesetzbuchs unter Erörterung geeigneter praktischer Falle gewidmet. Ich habe mit sehr gutem Erfolge in derselben Weise meinen Zuhörern tut Zivilprozeßrecht gleich in der ersten Woche die (gedruckten) Akten eines praktischen Falles in die Hand gegeben und einmal wöchentlich mit ihnen durchgesprochen. D a jedes System mit den höchsten und darum abstraktesten Begriffen anheben muß, deren W ert dem Anfänger nicht einleuchten kann, deren eingehende E rörterung ihn darum kalt lasten muß, ist eine derartige Betonung des konkreten, einfachen und darum anschaulichen Urmaterials gerade in den ersten Wochen von kaum zu überschätzender Bedeutung. I n s „Sem inar" aber gehören solche Erörterungen nicht. — Die e i g e n t ­ lichen S e m i n a r ü b u n g e n sollen meiner M einung nach, da ja der künftige Praktiker berufen ist die erworbenen Kenntniffe auf das Rechtsleben anzu­ wenden, die Rechtswistenschaft im Dienste der Rechtspflege zu verwerten, vorzugsweise in der Behandlung praktischer Fälle bestehen. Die Durch­ führung dieses Gedankens muß dem individuellen Ermesten des einzelnen Lehrers überlasten bleiben. Doch dürfen diese Übungen weder in Repeti­ torien ausarten und den Einpaukern Konkurrenz machen, noch zu wissenschaftlichen Spezialuntersnchungen werden. S ie haben sich an die rein theoretischen Vorlesungen als deren notwendige Ergänzung anzuschließen und es ist darum ganz verkehrt, sie im Gegensatze zu diesen unentgeltlich zu halten oder gar Präm ien zu verteilen. Die Zahl der Teilnehmer kann und darf nur 'eine beschränkte sein, sollen sie ihren Zweck errei­ chen. M ehr als etwa zwanzig schriftliche Arbeiten alle Wochen kann kein Lehrer mit der nötigen Genauigkeit durchsehen; utehr als zwanzig Teil­ nehmer kann er nicht in ihrer Individualität beurteilen und berücksich­ tigen. D ie strenge Durchführung dieses Grundsatzes würde auch den klei­ neren preußischen Juristenfakultäten die ihnen heute arg gefährdete Stellung zurückgeben. — Wesentlich andern Charakter tragen nach meiner Auf­ fassung die wi s senschaf t l i chen Ü b u n g e n . S ie sind nicht für die große

Frage bei der weiteren Betrachtung füglich ganz außer Acht ge­ lassen werden.

M it

viel

Einrichtung

der

Studenten G e is t

größerer Berechtigung als auf die „unpraktische" juristischen Vorlesungen

könnte der Unfleiß der

zurückgeführt werden auf den u n w is s e n s c h a ftlic h e n

d er

p re u ß is c h e n

P r a x is .

G ern

lasse

ich

zu diesem

den

14.

deutschen

Punkte berufenere M ä n n e r sprechen. Gneist

sagt

in

seinem

Gutachten

an

Juristentag ( S . 1 5 2 ): „Unsere

preußische P raxis

gespanntem Fuße

lebt

leider

m it der „bloßen Theorie".

schon zu lange auf D ie Universitäten

haben so lange das preußische Landesrecht vornehm ignoriert und die preußische Gerichtsordnung verspottet, die preußischen Praktiker haben so lange ihre geringe M ein un g von der „bloßen Theorie" zur Schau getragen, daß in unserm Lande eine gegenseitige E n t­ fremdung

entstehen konnte,

welche in den übrigen deutschen G e­

bieten kaum verständlich ist. sammenhang

zwischen

ganz aufgehört,

E in sachlicher und persönlicher Z u ­

beiden Seiten

hat in Preußen allmählich

seitdem die Thätigkeit der Juristenfakultäten als

Spruchkollegien erlischt; seitdem kaum noch ein Praktiker zur U n i­ versität

übergeht;

seitdem

kein Professor

mehr in die Gerichts­

kollegien ein tritt; seitdem die unfreundlichen Maßregeln der Justiz-

Menge

der Studierenden bestimmt, sondern fü r die kleine Zahl derjenigen,

welche Begabung, Fleiß und Zeit fü r selbständige wissenschaftliche Thätigkeit, wenn auch in bescheidenem Umfange, besitzen.

In

erster Linie würde eS

sich also um Arbeiten von dem wissenschaftlichen Werte tuchtiger DoktorSdiffertationen handeln. I n

zweiter Linie könnten diese Übungen zur H eran­

bildung eines kräftigen Nachwuchses von jungen Gelehrten dienen.

D aß

in Bezug auf die Einrichtung dieser „ In s titu te " , wie ich sie zum Unter­ schiede von den Sem inarien nennen möchte, alles der In d iv id u a litä t deS Lehrers überlassen bleiben muß, daß es durchaus überflüssig ist, sie an jeder F aku ltä t fü r sämtliche juristische Zweige ins Leben zu rufen, bedarf keines Nachweises.

W ie ich selbst m ir die Einrichtung denke, habe ich hier nicht

weiter auseinanderzusetzen.

M i r kam es n u r darauf an, den Unterschied der

drei G ruppen von „Übungen" scharf zu betonen und vor jeder Vermischung derselben eindringlichst zu warnen.

Verwaltung

jede

Universitäten

gleichzeitige

grundsätzlich

Thätigkeit

hindern;

der

Praktiker

bei

den

seitdem die Budgetbeschlüsse

des Abgeordnetenhauses jede Thätigkeit der Universitätslehrer an den Gerichten unmöglich machen^)." G o ld s c h m id t (1 8 7 8 )

schreibt ( S . 2 7 ):

„Und

alle

diese

Ursachen zusammen haben dann wieder in einem sehr beträchtlichen und einstußreichen Teile des preußischen Juristen- und B eam ten ­ standes

eine erschreckende, nahezu cynische Verachtung aller ju r i­

stischen

Wissenschaft,

Rademacher'schen welche für

es

bei

die

Vergötterung

einer

und Routine

großgezogen, für

mehr

als

jedem andern Bildungszweige in Preußen selbst,

das Gebiet

andern Lande

blinde

rohen Em pirie

der Rechts-

und Staatswisienschaften

in jedem

europäischer K u l t u r ................an jedem Analogon

fehlt." Und G ie rk e sagt (1 8 7 7 nicht

mehr

Talents,

um

das

geschweige

spottenden Genies:

S . 1 2 ):

„H ier

entschuldbare Selbstgefühl denn

es

handelt

es

sich

des praktischen

um den edlen S to lz deS der Regeln

handelt

sich

einfach

um

den kleinlichen

Hochmut des auf die technische Routine pochenden Handwerks." Leider auch

heute

find

diese Urteile,

wisienschaftlicher Thätigkeit Büreaukratie.

denen ich vollkommen beipflichte,

noch in jedem W orte richtig.

D ie Mißachtung rein

durchzieht alle Kreise der preußischen

Aus ihr aber stammt die große M eh rzahl unserer

juristischen Studierenden. sie die Anschauung

D a rf man es diesen übelnehmen, wenn

der V äte r und G roßväter herübernehmen in

ihr akademisches Leben, die vererbte und anerzogene M ißachtung der Wiffenschast

und

ihrer Vertreter zur Richtschnur ihres V e r­

haltens an der Universität machen? Vorüber find die Zeiten, in welchen sich „Gesetz und Rechte,

0 N u r ganz nebenher möchte ich betonen, daß nach meiner festen Ueber­ zeugung die Verwendung einzelner dazu geeigneter und w illig e r Rechtslehrer als H ülfsrichter von kaum hoch genug anzuschlagender Bedeutung fü r die Befruchtung des akademischen Unterrichtes wäre.

Sachsen hat unö in dieser

Beziehung ein höchst beachtenswertes Beispiel gegeben.

W enn dieses in

Preußen bisher keine Nachahmung gefunden hat, so liegt, wie w ohl jedermann weiß, die Schuld nicht an den Rechtslehrern.

wie eine ew'ge Krankheit" fortgeerbt. I n dem unter Preußens Führung neu erstandenen deutschen Reich ist uns, wiederum unter dem Vortritte Preußens, ein Reichsrecht emporgeblüht, mit uns geboren, von kräftiger deutscher Eigenart. Aber Preußens Juristeu ist das Herz nicht warm geworden, der S in n nicht aufgegangen für die wissenschaftliche Pflege des neuen Rechts; wie vordem, so steht sie auch heute noch unter dem Banne des mephistophelischen RateS: „Verachte nur Vernunft und Wiffenfchaft, des Menschen allerhöchste Kraft!" D as ganze deutsche Volk hat vor wenigen Wochen die Jubelfeier einer unserer ältesten Hochschulen als uatiouales Fest gefeiert; nach der Auffassung des preußischen Bureaukraten gehen doch nur subalterne Geister ins Kolleg. UtA dann wundert man sich darüber, daß niemand von den jungen Leuten diese Bezeichnung verdienen will; dann will man uns Profefforen dafür verantwortlich machen, daß die preußische juristische Praxis unberührt geblieben ist von dem Wehen des wiffenschaftlichen deutschen Geistes!

Die Hauptschuld aber au all' den traurigen Erscheinungen, welche in dem akademischen Leben unserer preußischen Juristen zu Tage treten, trägt unzweifelhaft die g e g e n w ä rtig e E in ric h tu n g d er ersten ju ristisc h e n P r ü f u n g . M ag man noch so tief von der Überzeugung durchdrungen sein, daß Prüfungen überhaupt ein notwendiges Ü b el find, das wird doch Niemand leugnen wollen, daß sie für die ganz überwiegende Mehrheit unserer jungen Leute nicht e n tb e h r t werden können, und daß sie, ohne das Wesen der akademischen Freiheit zu berühren, in bestimmender Weise auf die gesamte Gestaltung des Studium s einwirken. Die Mißstände in letzterem find daher ebensoviele Beweise für die ver­ kehrte Einrichtung der Prüfung. Wenn es möglich ist, daß je­ mand, der fünf Semester lang weder Vorlesungen besucht noch für sich gearbeitet, dann aber sechs bis acht M onate die Anlei­ tung eines bewährten Einpaukers genoffen hat, mit genügendem Erfolg das Examen besteht; wenn es möglich ist, daß ein beson­ ders strebsamer junger M ann, der unter gleichen Verhältnissen

noch überdies einzelne Bändchen seines Qucrritsch oder andre handliche Kompendien auswendig gelernt hat, sogar die volle Zufriedenheit der Prüfungskommission sich erwirbt; wenn ein der­ artiger offenkundiger Skandal sich tagtäglich vor unsern Augen ereignen kann, dann ist damit das Prüfungssystem selbst ge­ richtet. Nicht daß dieses System unhaltbar ist, will ich hier aus­ führen. Darüber besteht seit 30 Jahren unter Kundigen keine Verschiedenheit der Meinungen mehr^). Aber es kommt mir darauf an zu zeigen, w elches die H a u p tg e b re c h e n des gegen­ wärtigen Systems nach meiner Auffassung find, um den sicheren Boden für meine Verbefferungsvorschläge zu gewinnen. Den ersten Grundfehler der heutigen Prüfungsordnung er* blicke ich darin, daß die ganze Einrichtung der ersten juristischen P rüfung in allem Wesentlichen in d a s fre ie E rm e sse n des J u s t i z m i n i s t e r s gestellt ist. D as Gesetz vom 6. M ai 1869 hat sich die Sache ungemein bequem gemacht. § 4 desselben be­ stimmt: „Den Gegenstand der Prüfung bilden die Disziplinen des öffentlichen und Privatrechts und der Rechtsgefchichte, so­ wie die Grundlagen der Staatswissenschasteu. Die P r ü ­ fung muß auf Erforschung der positiven Kenntniffe des Kandidaten, seiner Einsicht in das Wesen und die geschicht­ liche Entwicklung der Rechtsverhältniffe, sowie darauf ge­ richtet werden, ob der Kandidat sich überhaupt die für

8) Die gegenwärtige Einrichtung der ersten juristischen Prüfung ist von allen, welche aus eigener Erfahrung über die Frage geschrieben haben, mit seltener Einmütigkeit und mit den schärfsten Worten verurteilt worden. M an vgl. die Äußerungen von v. Bethmann-Hollweg, Brunner, Dahn, Dernburg, Gneist, Göppert, Gierke, Goldschmidt, Hälschuer, Leonhard, Georg Meyer, Muther, Nasse, Ortloff, v. Stein, Stiutzing, Ad. Wagner, v. Bar. — Und wenn man die Professoren für befangen halten sollte, so lese man die Verhandlungen des preußischen Landtags vom Jahre 1868/69, während welcher Redner aller Fraktionen und aller Lebensstellungen sich im gleichen Sinne geäußert haben (vgl. auch Goldschmidt 1878 S . 25).

seinen künftigen B eruf erforderliche allgemeine rechts- und staatswissenschaftliche B lldung erworben habe." Aber welche Fächer demnach zu prüfen find, wer fie zu prüfen hat, wie die schriftliche P rüfung eingerichtet werden soll usw. usw., kurz alle die Fragen, von deren B eantw ortung Ge­ staltung und B edeutung des Examens abhängt — übergeht das grundlegende, nach langen parlamentarischen B eratungen zu stände gekommene Gesetz m it Stillschweigen. Einige gutgemeinte p a­ pierene Redensarten — das Weitere mag im Derordnungswege geregelt werden. Und wenn nur noch gerade das J u s t i z ­ m in iste riu m seine Zuständigkeit für eine derartige, ganz einseitige Regelung darzuthun vermöchte! M an sollte doch meinen, daß in Preußen, wo alle Zweige der V erw altung, von wenigen A us­ nahmen abgesehen, m it Juristen beseht zu werden pflegen, auch die ü b rig e n M in is te r ie n , v o r a n der M in is te r d es I n n e r n , ein lebhaftes Interesse daran haben müßten, wissenschaftlich ge­ bildete Beam te zur Verfügung zu haben, und daß fie eben darum auch Gewicht darauf legen sollten, die akademische Ausbildung derselben zu überwachen. Und es scheint weiter doch die A n­ nahme recht nahezuliegen, daß es dem U n te r ric h ts m in is te r von W ert sein müßte, au s den Ergebnissen der ersten P rüfung zu entnehmen, ob die m it teurem Gelde bezahlten Juristenfakultäten ihre Pflicht erfüllen oder ob die juristischen Professoren wirllich so unbrauchbar und ihre akademischen V orträge wirllich so über­ flüssig find, wie die Stim m führer der öffentlichen M einung be­ haupten! G esetzliche R e g e lu n g der ersten juristischen P rü fu n g ist mithin das Erste, w as gefordert werden muß, um dem heute herrschenden Unwesen ein Ende zu bereiten. Die A usführung des Gesetzes aber müßte in die Hände des G e s a m tm in is te r iu m s oder doch einer besonderen, aus den V ertretern der verschiedenen beteiligten M inisterien zusammengesetzten Kommission gelegt wer­ den. Die einseitige Zuständigkeit des Justizm inisters steht in grellem Widersprüche zu der weitgehenden Bedeutung des ReferendarexamenZo). 9) Auch hier möchte ich mich auf G neist berufen. Derselbe Betont

T e r zweite und weitaus wichtigste Grundfehler liegt meines Erachtens in der H ä u f u n g d e r in d e m s e lb e n T e r m i n e zu p r ü ­ fe n d e n F ä c h e r.

Ic h w ill gar nicht davon sprechen, daß es bei

der durchschnittlichen Begabung unserer preußischen Kandidaten für die ganz überwiegende M ehrzahl derselben einfach ein D in g der Unmöglichkeit ist, Gegenstände von solcher Verschiedenheit wie etwa Reichsftaatsrecht

und

römische

Rechtsgeschichte,

Staatswisscn-

schaften und Zivilprozeß neben einander gleichzeitig durchzuarbeiten und iu derselben Stunde von den erworbenen Kenntnissen Rechen­ schaft zu geben.

Ic h w ill davon nicht sprechen: denn es kommt

ja auch nicht dazu, weder zum Studieren all' dieser Fächer von seiten der Studenten, noch zum

Prüfen derselben von feiten der

Examinatoren. Thatsächlich beschränkt sich die erste P rü fu ng auf Pandekten; alle andern Fächer werden entweder gar nicht oder doch in einer Weise geprüft, welche es von der ersten Frage an als unzweifel­ haft erscheinen läßt,

daß

auch

die

bodenloseste Unwissenheit

in

diesen Fächern ohne wesentlichen Einfluß aus das Gesamtergebnis der Prüfung sein w ird. Und es kann ja auch gar nicht anders sein. fach an der Zeit, die übrigen Fächer

E s fehlt ein­

eingehend zu prüfen.

Ic h

weiß freilich nicht,

wie

In

wenn nicht der eine oder der andre der A n ­

Cassel werden,

es anderswo in Preußen gemacht w ird.

gemeldeten ausgeblieben ist, regelmäßig sechs Kandidaten in einem, höchstens sechsstündigen Term ine geprüft.

Zw ei Stunden reichlich

entfallen auf Pandekten; eine halbe Stunde kann fü r Pausen an­ gesetzt werden.

E s bleiben demnach

(Gutachten 1 5 3 ),

„daß

für alle andern Fächer zu-

das Justizministerium sich ausschließlich m it einer

Angelegenheit

befasse,

Sie Gestaltung

einer rein wisienschaftlichen P rü fu n g und des davon untrenn­

baren

Studienplans

der

Wisienschaft im Kreise seiner Räte,

w elch e es n ich t sachgemäß Universitäten

nach

dem

behandeln kann, w eil heutigen

S tan d e

der

der Erfahrungen weder eines Justizm inisters, noch

noch der Präsidenten der

Appellaiionsgerichte liege".

Auch

G ie r k e 1877 S . 27 hebt hervor, daß abgesehen vom Unterrichtsminister, auch „der

M in ister

beamten

des

In n e r n

und

vorgesetzten M inisterien

die

übrigen den

höheren V e rw a ltu n g s ­

in gleichem M aße an einer P rü fu n g in ­

teressiert sind, die zugleich zum Verwaltungsdienst qualifiziert". 3

sammengenommen 3 ‘/a Stunden oder 210 M inuten, also 35 M i­ nuten für jeden der sechs Kandidaten. Ich rechne nun auf Grund des Gesetzes vom 6. M ai 1869 zu den Prüfungsfächern außer den Pandekten noch 1. römische, 2. deutsche Rechtsgeschichte; 3. deutsches Privatrecht mit Handels-, Wechsel- und Seerecht; 4. Zivilprozeß; 5. Strafrecht; 6. Strafprozeß; 7. S taatsrecht; 8. Kirchenrecht; 9. Völkerrecht; 10. die berühmten „Grundlagen der Staatswissenschaften". D as ergiebt für jedes einzelne Fach d re i u n d e in e h a lb e M in u te . Bedarf es noch eines Nachweises, daß es auch dem gewandtesten Praktiker nicht möglich ist, in einer Prüfung von drei, oder sagen wir von fünf Minuten, sich eine gewissenhafte Überzeugung von dem wirklichen Wissen und Können des Kandidaten zu bilden? Die unvermeidliche Folge dieser Einrichtung ist also, daß ein Teil der angeführten Fächer überhaupt nicht und der andere mit beispielloser Flüchtigkeit ge­ prüft wird. Die weitere, ebenfalls unausbleibliche Folge aber besteht darin, daß jene überwiegende Mehrheit von Kandidaten, welche in einem oder in zwei Semestern mit der Vorbereitung zur Prüfung fertig werden will, diese Fächer einfach bei S eite liegen läßt. Will man es den jungen Leuten übel nehmen, wenn sie das thun? wenn sie ihren Fleiß den Anforderungen anpassen, die an sie gestellt w erden")?

10) Auch hier nur einige wenige Belegstellen zur Unterstützung meiner Ansicht. Eine Vermehrung derselben ist leicht möglich: man lese die erste beste der oben Note 1 angeführten Schriften. G n eist Gutachten 145: Die Mehrzahl der nicht privatrechtlichen D isziplinen „wird entweder übergangen oder gestreift oder von Personen exa­ miniert, welche die A n fa n g sg r ü n d e zu vor selbst kennen lern en m üssen". G ierk e Gutachten 15. „Höchstens das römische Recht komm: dabei mit einiger Sicherheit und Gleichmäßigkeit zur Geltung." (1877 S . 26.) G e o rg M ey er 14. Zuristentag II 219. Man finde heute wenig Leute (im Examen) „welche eine genügende Kenntnis im Staatsrechte haben; ja z. T. herrscht in dieser Beziehung eine b od en lose U n w is­ sen h eit" . E n n e c c e r u s daselbst II 233. Ost genug gehen die Leute inS Examen „mit v ö llig e r I g n o r a n z in B e zu g au f S ta a tsr e c h t u n d Kirchenrecht".

In dritte

nächstem Zusammenhange

Hauptgebrechen

sam m en setzu n g

der

m it

dem Gesagten steht das

unserer Prüfungseinrichtungen: P r ü f u n g s k o m m is s io n e n .

die

Zu­

Bekanntlich

w ird die erste juristische P rü fu n g in Preußen bei den Oberlandes­ gerichten abgehalten, liegt also in der Hauptsache in den Händen älterer

und

erfahrener Praktiker.

unter denselben einzelne sehr

Nun

gebe ich gerne zu,

tüchtige Exam inatoren

sich

daß

finden;

M ä n n e r, welche das eine oder das andre Fach in jener Ausdeh­ nung und m it jener Gründlichkeit beherrschen, welche nun einmal unerläßlich find, soll der E xam inator nicht ängstlich an dem vor­ her entworfenen Fragebogen wenn diese F ä lle

an

festzuhalten gezwungen sein.

sich nicht

zweckentsprechende Verwendung ragend geeigneten Praktiker

Aber

gerade häufig find, so w ird die der für bestimmte Fächer hervor­

unmöglich gemacht

durch den päda­

gogisch ganz verkehrten a llg e m e in e n P r ü f u n g s a u f t r a g . preußische

Oberlandesgerichtsrat

muß

als Exam inator in

Der allen

S ä tte ln gewandt sein; er muß jedes Fach prüfen, das ihm zuge­ wiesen w ird. tüchtig wäre.

Und

d a s k a n n er n ic h t, selbst wenn er noch so

M i t den Pandekten freilich weiß der gemeinrecht­

liche Praktiker zumeist Wechselrecht, Aber

wie

recht guten Bescheid;

vielleicht noch Zivilprozeß

steht

es

G ö p p e r t 10.

mit

auch Handels- und

liegt

ihm

nahe genug.

der römischen und deutschen Rechtsge-

„Unvermeidlich

treten dadurch Z iv il-

und K rim in a l­

prozeß, Strafrecht und ganz besonders Staatsrecht in dem S tu d iu m unserer Juristen

im m er

mehr in den H in terg ru n d , zumal sie auch noch bei der

heutigen Zusammensetzung unserer Kommissionen s e lte n G e g e n s ta n d der ersten P rü fu n g bilden." G o ld s c h m id t 1878 S . 40 .

„ W ie

steht

eS m it

öffentlichen Rechts oder gar der S taa tsw iffen schäften? h e rk ö m m lic h e S t a m m

der P rü fu n g

deS

V e r m a g h ie r d e r

d e r E x a m i n a t o r e n , o h n e sich v o r den K a n ­

d i d a t e n lä c h e r lic h z u m a c h e n , auch n u r F r a g e n zu s te lle n ? " N asse 11.

„ W ir dürfen wohl, ohne Widerspruch zu befürchten, be­

haupten, daß m it seltenen Ausnahmen unsere juristischen Studierenden m i t e in e r

a u s s c h lie ß lic h

K enntnis

z io n is tis c h e n

B ild u n g

ohne

irgend

gründliche

weder im Staatsrecht noch in anderen Teilen der S taa tsw iffen -

schast, von der Nationalökonomie ganz zu geschweigen, die Universität verlassen."

schichte, die dem Praktiker gar lein unmittelbares Interesse bie­ ten? Wie steht es mit Strafrecht und Strafprozeß, mit wel­ chen seit dem Ja h re 1879 unsere Oberlandesgerichte nur mehr in ganz untergeordneter Weise zu thun haben? Wie mit S ta a ts ­ recht, Kirchenrecht, Völkerrecht, die der Richter kaum einmal prak­ tisch anzuwenden Gelegenheit hat? Und gar erst die „Grund­ lagen der Staatswissenschaften"! Wie zahlreich find die Richter, die sich mit Verwaltungsrecht und Nationalökonomie so gründlich befaßt haben, um — ich spreche mit Goldschmidt — auch nur eine Frage stellen zu können, ohne sich vor den Kandidaten lächer­ lich zu machen?! M an wird doch nicht im Ernste die Behaup­ tung aufstellen wollen, daß unsere Oberlandesgerichtsräte so un­ endlich wenig zu thun haben, um alle Zweige der gesamten Rechts- und StaatSwiffenschaften stets bis zum augenblicklichen Stande der Entwicklung mitzuarbeiten?! Niemand, der unbefangen urteilt, wird es den heutigen Examinatoren übel nehmen, wenn sie bei der Prüfung auf die­ jenigen Fächer sich, so gut es eben gehen mag, beschränken, welche sie einigermaßen beherrschen: römisches und deutsches Privatrecht; daß sie, wenn sie andre Fächer zu prüfen durch die Umstände genötigt werden, ihrem eigenen Urteile über das E r­ gebnis dieses für beide Teile gefährlichen Experimentes gar keine oder doch nur verschwindende Bedeutung für den Ausfall der Prüfung beilegen. Niemand, der unbefangen urteilt, wird es aber auch unsern Studierenden verargen können, wenn sie alle nichtprivatrechtlichen Fächer als das betrachten und behandeln, was ste wirklich sind: als überflüssigen B allast, dessen Abstoßung im Jntereffe eines raschen und guten Vorwärtskommens nur nützlich, niemals schädlich sein kann. Nun wird allerdings, soviel mir bekannt ist, von sämÜichen preußischen Oberlandesgerichten zu jedem Prüfungsterm ine je ein Profesior der benachbarten Universität zugezogen. Aber diese Zuziehung ist unter den gegenwärtigen Derhältnisien von ganz geringem Werte, jedenfalls aber nicht ausreichend, um den ge­ schilderten Übelständen zu steuern. Zunächst liegt es, bei dem vorsichtigen Schweigen des Gesetzes ganz in der Hand des Justiz-

Ministers, jeden Augenblick und ohne jede Begründung diese ziehung

wieder zu beseitigen.

zuzuziehenden

Ferner

akademischen Lehrer

steht die

durchaus

messen des Oberlandesgerichtspräfidenten. die A usw ahl

in

A usw ahl

Zu­ der

dem freien E r­

Woher dieser die fü r

maßgebenden Personalkenntnisse schöpft,

wie er im

stände ist, über die Lehr- und Prüfungsbefähigung des Einzelnen sich ein zuständiges U rte il zu bilden,

ist m ir nicht bekannt;

aber kann ich aus eigener E rfahrung berichten,

das

daß Professoren,

welche durch ih r Auftreten das M iß fa lle n des Präsidenten erregen, einfach während einer Reihe von Jahren bei jedem Termine über­ sprungen werden können.

Diese eine Thatsache allein würde h in ­

reichen,

fa lls

um zu beweisen,

es

eines solchen Beweises noch

bedürfte, daß von der durch das Gesetz nicht gewährleisteten Z u ­ ziehung

einzelner Rechtslehrer eine bestimmende Einw irkung auf

Gang und Ergebnis der P rü fu n g

nicht

erwartet

werden

kann.

E s darf endlich auch nicht vergessen werden, daß bei der gegenwärti­ gen Zusammensetzung der preußischen Juristenfakultäten, in welchen die V ertreter der „Staatswissenschaften" weder Sitz noch S tim m e haben, stühle

in welchen ganz

oder

die größere M ehrzahl der vorhandenen Lehr­ teilweise dem Privatrechte gewidmet ist, selbst

durch strenges Festhalten

der Reihenfolge

in der Zuziehung der

akademischen Lehrer n u r eine abermalige Verstärkung des Gewichts der privatrechtlichen Fächer bewirkt werden würde. E in letzter Punkt bedarf noch der E rw ähnung. lichen

Examen

voran.

S ie

geht

besteht

in Preußen

eine

s c h riftlic h e

Dem münd­ P rü fu n g

(wenigstens in unserem Sprengel) in der

A nfertigung einer nach sechs Wochen abzuliefernden „wissenschastlichen" A rbeit, deren Thema dem Kandidaten aus dem von diesem bezeichneten Fache

(aus

naheliegenden Gründen in neun unter

zehn Fällen aus dem Pandektenrecht) durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes bestimmt w ird. ist in

Auch dieser T e il der P rü fu n g

durchaus zweckwidriger Weise geregelt.

Ic h komme unten

auf die Frage zurück, ob dem Charakter des ersten Examens die Forderung

einer

wissenschaftlichen

A rb e it

überhaupt

entspricht.

D as aber w ird m ir, denke ich, von jedem, der einmal im Leben

wissenschaftlich gearbeitet hat, zugegeben werden, daß die genauste und umfassendste Beherrschung des Stoffes dazu notwendig ist, um eine größere Anzahl von wenig umfangreichen wiffenschaftlichen Aufgaben zu schriftlicher Bearbeitung zu stellen. M it der glück­ lichen Wahl des Themas ist bereits die Hälfte der Arbeit ge­ leistet. Unseren Oberlandesgerichtspräfidenten mutet man zu, aus allen Gebieten der Rechtswiffenschaften geeignete Aufgaben in ge­ nügender Anzahl auf Lager zu haben! Die unglaublichsten M iß­ griffe sind denn auch an der Tagesordnung. M an lasse einmal von maßgebender Seite die sämtlichen in den letzten Jah ren zur schriftlichen Bearbeitung gegebenen Aufgaben zusammenstellen und veröffentlichen: das gäbe eine Blumenlese, welche vernichtender wäre für das herrschende System als die schärfste Kritik. Oder man sehe den jungen Leuten einmal zu, wenn sie, die niemals ernstlich mit Rechtswiffenschaft sich befaßt haben, im Zeitraum von sechs Wochen ein Thema „wissenschaftlich" bearbeiten sollen, zu dessen Erörte­ rung der Fachgelehrte die Arbeitskraft eines guten Ja h re s nötig hätte; man sehe ihnen zu, wie sie aus Lehrbüchern, Kommentaren und Abhandlungen sich mühselig ein erbärmliches Machwerk zu­ sammenstückeln, das das P apier nicht wert ist, auf dem es sorg­ sam ins Reine geschrieben steht. Und auf Grund dieser konven­ tionellen Lüge wird der Kandidat zur mündlichen Prüfung zugelaffen! M it einer Verhöhnung aller Wiffenschaft hat das Examen seinen Anfang genommen! D as ist das B ild unserer ersten juristischen Prüfung in Preußen. Dem Belieben des Justizministeriums in allem Wesent­ lichen anheimgegeben, abgehalten vor einer ganz ungeeignet zu­ sammengesetzten Kommission, alle nicht privatrechtlichen Fächer auf jede nur denkbare Weise in den Hintergrund drängend, ist sie eine Präm ie für Bummelei und Denkfaulheit, ein Hemmschuh für fleißige und ernste Arbeit. Wenn man die Absicht gehabt hätte, den wiffenschaftlichen Geist unserer juristischen akademischen Jugend im Keime zu ertöten, die Rechtspflege zum Handwerke zu er­ niedrigen — wahrhaftig man hätte die Erreichung des Zieles nicht zweckentsprechender sichern können. Jene Absicht hat man

nicht gehabt, mag auch immerhin die in der preußischen B ü re au kratie herrschende M ißachtung Einfluß

geäußert haben;

schaftliche S in n

unserer

aller Wissenschaft unbemerkt ihren

aber das Z ie l ist erreicht:

der wissen­

juristischen Kommilitonen ist erstorben,

und, mag es auch eine ganze Reihe von Ausnahmen geben, die große Masse ist dem geistigen Philistertum verfallen,

ehe sie die

Schwelle der praktischen Thätigkeit betritt.

in. E s ist klar, daß der unabsehbaren G efahr gegenüber, welche eine solche Erstarrung

in einem der einflußreichsten Berufsstände

für das gesamte ethische, politische und wirtschaftliche Leben un­ seres Volkes m it sich bringt, sofort und m it aller Entschiedenheit eingeschritten kaum noch

werden muß.

Es

dürfte nach betn Gesagten auch

einem Zweifel unterliegen,

daß die Abhilfe,

soll sie

anders gründlichen W andel schaffen, das Übet an der W urzel er­ fassen,

m ithin

fu n g s o rd n u n g

von der g ä n z lic h e n U m g e s ta ltu n g d e r P r ü ­ auszugehen hat.

Denn daß an unserer U n ter­

richtsmethode zw ar einzelnes verbessert,

aber nichts Wesentliches

geändert werden kann, glaube ich gezeigt zu haben; und ehe der Geist der preußischen P ra xis

ein

andrer w ird ,

muß eine neue

Generation herangewachsen sein. M it jenigen

ganz besonderer Entschiedenheit aber müssen alle die­

Vorschläge zurückgewiesen werden,

schränkung

der akademischen Freiheit

welche auf eine B e ­

abzielen.

Durch Z w a n g s­

vorlesungen oder Dorlesungszwang und wie die kleinen M ittelchen alle heißen mögen, die man neuerdings aus der alten Rüstkammer verrosteter büreaukratischer W affen herausgeholt, wird man w oh l den äußern F leiß , niemals aber den wissenschaftlichen Geist unserer jungen Juristen heben. Der

Dieser aber ist es,

den w ir vermissen.

wissenschaftliche Geist aber gedeiht nur auf dem Boden der

akad em isch en F r e i h e i t .

D a ß m it dem W orte viel M ißbrauch

getrieben w ird, sei zugegeben.

Auch ist es wohl überflüssig, dem

Verständigen nachzuweisen, daß, sowie die Freiheit der Lehre uns

Professoren nicht die Befugnis gewährt überhmrpt nicht zu lehren, so auch die Lernfreiheit für den Studierenden nicht darin bestehen kann, daß er das verbriefte Recht hätte nichts zu lernen. Freiheit ist vielmehr die aus eigener Entschließung hervorgewachsene Unterwer­ fung unter das Gebot der Pflicht. Darum ist Freiheit der Grund­ begriff jeder Ethik. Die Freiheit ist ihrem innersten Wesen nach unvereinbar mit dem Zwang; aber sie verträgt sich sehr wohl mit der strengsten Verantwortlichkeit für jede Pflichtversäumnis. D as alles gilt auch von der akademischen Freiheit. Der vom Gymnasium entlassene Jüngling bringt das Zeugnis geistiger Reife mit sich; dem Gängelband der Schule ist er entwachsen. Nach freiem, wenn auch durch sachverständigen R at beeinflußtem Ermessen mag er Art und Gang seiner Studien bestimmen; im Gebrauche seiner Selbständigkeit soll er zum Manne heranreifen. Aber toetm die Univerfitätsjahre vorüber sind, dann mag er Rechenschaft dar­ über ablegen, was er mit seiner Zeit, was er mit seiner Kraft in diesen für das spätere Leben entscheidenden Jah ren gemacht hat, ob er imstande ist, sich als M ann zu bewähren"). Gerade von diesem Standpunkte aus bin ich aber auch nicht in der Lage, mich zu Gunsten eines gerade in den letzten Jahren vielfach gemachten Vorschlages auszusprechen: ich meine das sog. Z w i s c h e n e x a m e n . Etwa am Schlüsse des 3. oder 4. Semesters soll nach diesem Vorschlage eine Prüfung aus dem römischen und deutschen Rechte, vielleicht noch aus den Grundlagen der Volks­ wirtschaftslehre, vor der Fakultät abgelegt werden. Nach der Prüfung hätte der junge Ju rist noch eine bestimmte Anzahl von u ) Schm ollers Vorschlägen vermöchte ich also selbst dann nicht zuzu­ stimmen, wenn sie, w as ich entschieden bestreite, praktisch durchführbar wären. Änderungen des An- und Abmeldewesens sind zwar möglich und wünschendw ett; ihre Besprechung liegt aber nicht mehr innerhalb der Aufgabe, die ich m ir gestellt habe. — Hervorgehoben sei (denn auch das scheint in manchen Kreisen nicht bekannt zu sein), daß sorgfältig ausgearbeitete Ratschläge für die zweckmäßigste Einrichtung der juristischen S tu d ien w ohl von den meisten Fakultäten den Zuhörern verabreicht werden; davon, daß der Studierende hnlflos sich selbst überlasten bliebe, kann also keine Rede sein-

Semestern an der Universität zuzubringen, ehe er sich zum Referen­ darsexamen melden dürfte. M an will durch diese Zwischenprüfung die juristischen Studierenden veranlassen, schon während der ersten Semester sich an ernsten, regelmäßigen Fleiß zu gewöhnen. Z ur Begründung des Vorschlages verweist man mit Vorliebe auf die Einrichtungen in Österreich einerseits, das ten tam e n p h y sicu m (genauer: die ärztliche Vorprüfung) der M ediziner anderseits"). Ic h halte den Vorschlag für gänzlich verfehlt. Wollen wir wirklich den wisienschastlichen S in n unter den juristischen S tu d ie­ renden heben, so ist es sicher verkehrt, durch gesetzliche Vorschriften noch besonders darauf hinzuwirken, daß schon in den ersten S e ­ mestern der Blick aus die Prüfung gerichtet, von allem Anfange an das S tudium als Brotstudium betrieben werde. Aber mag m an auch in diesem Punkte anderer Ansicht sein, so wird es doch kaum gelingen, den zweiten nach meiner M einung gegen das Zwischenexamen entscheidenden Grund zu widerlegen. D as Hauptgebrechen der gegenwärtigen Prüfungsordnung liegt, wie w ir gesehen haben, darin, daß die nicht rein privatrechtlichen Fächer nicht zu ihrem Rechte kommen. W as aber ist die not­ wendige Folge der Einführung des Zwischenexamens? D aß r ö ­ m isches u n d v ie lle ic h t auch d eu t s ch es P r i v a t r e c h t n u n z w e i m a l g e p r ü f t w i r d , einmal von der Fakultät im Zwischeneramen, und ein zweitesmal beim Oberlandcsgerichte im Referen­ darsexamen. Die Vernachlässigung der nicht privatrechtlichen Fächer I3) D as Zwischenexamen hat zahlreiche Vertreter gefunden. Meist gehen dieselben aber ganz kurz über die Frage hinweg, ohne sich über Um­ fang und Einrichtung dieser Prüfung naher zu äußern. Zu den Anhängern des Zwischenexamens gehören: C. v. Raumer 220, I . B . Meyer 2 7 , Nasse 34, 4 2 , Jolly 442, G. Meyer 2 7 , Dahn 671, BethmanN'Hollweg, Kleinwächter 41, Goldschmidt 1878 S . 72, Schulte 18, Eisele 27. Auf dem 14. D . Juristentage schwankend Gneist Gutachten 146, II 236; sehr entschieden Enneccerus II 232; die Versammlung sprach sich zu Gunsten des „Tentamen" aus. II 238. Gegen das Zwischenexamen haben sich erklärt G ie r k e 1877 29, H e in z e Allg. Ztg. 1885 Nr. 104, S t a m m le r 30, (welcher m. E . mit vollem Recht auch für die Zeit nach Einführung des Reichs-Zivilgesetzbuchs das Zwischenexamen verwirft), v. B a r 369 Schlußnote.

bleibt bestehen, ja die zweimalige P rü fu n g w ird unsere Studieren­ den geradezu zwingen,

m it noch größerer Ausschließlichkeit als

bisher ihre ganze Zeit und ihre volle K ra ft dem Privatrechte zu­ zuwenden. m ithin

D e r Hauptfehler des gegenwärtigen Zustandes würde

durch das Zwischenexamen nicht etwa beseitigt,

sondern

wesentlich verschärft. Denn der Hinw eis

auf die österreichische Prüfungsordnung

ist w ohl nicht ernst zu nehmen.

In

Österreich muß (vgl.

die

Studienordnung für die rechts- und staatswissenschaftlichen Fakul­ täten vom 2. Oktober 1 8 5 5 ) nach dem vierten Semester die sog. rechtshistorische Prüfung aus deutscher Reichs- und Rechtsgeschichte, Kirchenrecht und römischem Recht abgelegt werden.

Aber die ge­

nannten Fächer sind d a m it e r le d ig t und werden in den folgen­ den

Prüfungen

Staatsprüfung examen.

nicht

wieder

gefragt.

D ie

erste

ist also kein Zwischenexamen,

österreichische

sondern ein T e i l ­

S ie ist erste und le tzte P rü fu n g über einen T e i l der

sämtlichen Prüfungsfächer.

Ic h

glaube nicht,

daß irgend einer

unter den deutschen Anhängern des Zwischenexamens dasselbe als Teilprüfung

gedacht und gewollt hat.

In

der T h a t wäre der

Vorschlag auch in diesem S in n e ein durchaus unglücklicher.

Dolle

Beherrschung des umfangreichen privatrechtlichen Stoffes ist nicht möglich Kenntnis

ohne

Teilnahme

an

des Zivilprozeßrechts;

den

Sem inarübungen

und

ohne

sie kann m ithin nicht nach drei

oder auch vier Semestern, sondern erst nach Beendigung der ge­ samten Studien

erwartet und verlangt werden.

die Zweckwidrigkeit

einer

früheren

und

D a m it ist aber

abschließenden Prüfung

aus dem römischen Rechte zum mindesten fü r so lange erwiesen, als nicht durch die Einführung des deutschen bürgerlichen Gesetz­ buchs das römische Recht in jene im wesentlichen bloß propädeu­ tische S tellun g herabgedrückt werden sollte, welche es gegenwärtig in Österreich einnimmt.

Durch diese kritische Betrachtung des Zwischenexamens haben w ir uns aber zugleich auch den Weg zu positiven R eform vor­ schlägen gebahnt.

W enn die oben von m ir eingehender begründete Ansicht richtig ist, daß der Grundfehler des heutigen Examens in der g ä n z lic h e n V e r n a c h lä s s ig u n g d e r n ic h t r e in p r iv a tr e c h t lic h e n F ä c h e r lie g t,

so muß

Punkte

einsetzen.

die Reform Es

auch an diesem und keinem andern

muß dafür S o rg e getragen werden,

d aß

je d e s e in z e ln e F a c h , w elch es ü b e r h a u p t G e g e n s ta n d d er P rü fu n g

ist, zu se in e m R e ch te k o m m e ;

gemacht werden,

daß ein K and idat,

gar nichts gelernt hat, das Examen bestehe. geben

w ill,

der

beschränke

römisches Privatrecht;

das

die Prü fu ng ist

es muß unmöglich

der außer etwas Pandekten W er das nicht zu­

lieber ausdrücklich auf

ehrlicher und darum immer noch

bester als das gegenwärtige Gaukelspiel. S o ll aber auch den übrigen Fächern ihr Recht werden, dann wird

es

sich nicht vermeiden lassen,

g ew is se ,

w enn

auch

ih n e n im

E x a m e n e in e

noch so bescheiden b em essen e Z e i t

zu w id m e n . In

etwa

drei

bis

fünf M in u te n kann niemand, der seine

Aufgabe auch nur einigermaßen ernst nim mt, sich die Überzeugung verschaffen,

ob

der Kandidat

in einem Fache gründliche Kennt­

nisse besitzt. Und nun versuche man, sich die D auer einer solchen Prüfung zu berechnen.

Ic h nehme an, daß für römisches Privatrecht etwa

eine halbe Stunde,

für

M in u te n

genügen:

zur N o t

jedes der übrigen zehn Fächer etwa 15 das

giebt

ein Examen

von drei­

stündiger Dauer fü r jeden einzelnen Prüfungskandidaten. nun

aus

einer

ganzen Reihe

D a es

von Gründen nicht durchführbar

sein w ird, für jeden einzelnen Kandidaten die gesamte P rü fu n g s­ kommission

zusammentreten

zu

lassen,

so

erreicht die P rü fu ng ,

soll sie wirllich ernst genommen werden, eine geradezu unmögliche D a u e r: bei drei Kandidaten ohne Pause 9 Stunden; bei der gegen­ w ärtigen, freilich ganz unbegreiflichen Unsitte unserer O berlandes­ gerichte, einmal

der Bequemlichkeit vorzunehmen,

halber

gleich

sechs Kandidaten auf

würde die mündliche Prü fu ng , selbst ohne

jede Pause, gerade 18 Stunden in Anspruch nehmen. D araus ergiebt sich, weiSlicher Notwendigkeit,

sollte ich meinen, d aß

die

m it geradezu unab-

m ü n d lic h e

P rü fu n g

in

m eh rere D as

ist

s e lb s t ä n d ig e A b t e ilu n g e n z e r le g t w er d e n m uß. der Vorschlag,

den Gierke und Gneist schon vor acht

Jahren gemacht H ab en s, der aber in neuerer Zeit, wie es scheint, über dem Zwischenexamen vergessen worden ist.

Dem Stationen­

wesen der M ediziner") soll damit nicht das Wort geredet werden, obgleich

dasselbe

eine Reihe von Vorzügen aufweist;

eine Zer­

legung in große, wenn auch nur lose zusammenhängende Gruppen genügt.

Darüber mag man verschiedener Ansicht sein,

ob zwei

oder drei Abteilungen gebildet und wie die einzelnen Fächer auf sie

verteilt

werden

sollen.

Nach meiner Ansicht genügen zw e i

13) G ie rk e Gutachten 16 (vgl. auch denselben 1877 S . 29) verlangt „Zerlegung des ExamenS in d re i A b te ilu n g e n nach bestimmten in sich zusammenhängenden Gruppen von Fächern (etwa römisches und deutsches Recht einschließlich ihrer Geschichte und Rechtsphilosophie — öffentliches Recht und Staatswiffenschaften — Strafrecht, Prozeß und geltendes Landesrecht)"; will aber die Einheit der P rüfung festhalten, um die Vervielsältigung der Prüfungen zu vermeiden. G n e is t Gutachten 144 will „Zerlegung der Prüfung in mindestens zwei Abteilungen: I. Römisches und Deutsches P riv a tre c h t, einschließlich des Handelsrechts. Römische und Deutsche Rechtsgeschichte (Rechtsphilosophie, Encyklopädie). II. S t a a t s - und Derwaltungsrecht, Völkerrecht, Kirchen­ recht, Strafrecht, Zivil- und Strafprozeß, S taa ts- und Volkswirtschafts­ lehre (Staatswiffenschaften). Ähnlich auch S c h w a rz e 14. Juristentag I I 204. Dagegen hat sich der Juristentag selbst (II 238) für ein Zwischenexame» und gegen die Teilung der ersten P rüfung ausgesprochen. 14) Nach dem Bundesrat-Beschlusse vom 2. J u n i 1883 umfaßt die ärzt­ liche P rüfung, abgesehen von dem ten tam en physicum , folgende Abschnitte (S tatio n en ): I. die anatomische; II. die physiologische Prüfung; III. die P rüfung in der pathologischen Anatomie und in der allgemeinen Pathologie; IV. die chirurgisch-ophthalmiatrische P rüfung; V. die medizinische; VI. die geburtshülflich-gynäkologische Prüfung; V II. die Prüfung in der Hygiene. (§ 5.) — I s t ein Prüfungsabschnitt oder ein Teil eines solchen ungenügend oder schlecht bestanden, so muß er wiederholt werden (§ 20 Abs. 1). — D ie Prüfung kann vor jeder ärztlichen Prüfungskommission bei einer Universität des deutschen Reichs abgelegt werden. Die Kommission, einschließlich des Vorsitzenden und seines Stellvertreters, wird von der zuständigen Behörde für jedes P rüfungsjahr nach Anhörung der medizinischen Fakultät der betr. Universität aus geeigneten Fachmännern ernannt. (§ 3.)

A b te ilu n g e n , welche im Wesentlichen der Unterscheidung deS privaten und des öffentlichen Rechtes entsprechen würden. Tie erste A b t e i l u n g hätte demnach zu umfassen: 1. R ö ­ misches Privatrecht. 2. Deutsches Privatrecht mit Einschluß des Handels-, Wechsels- und Seerechts. 3. Geschichte der beiden ge­ nannten Fächer. 4. Zivilprozeßrecht, das, wenn es auch streng systematisch dem öffentlichen Rechte zuzuzählen ist, doch seinem Gegenstände wie seiner Methode nach diesem weniger nahe steht als jenem. Der z we i t e n A b t e i l u n g würden zuzuweisen sein: 1. S ta a ts ­ und Verwaltungsrecht. 2. Strafrecht und Strafprozeßrecht. 3. K ir­ chenrecht. 4. Volkswirtschaftslehre. Völkerrecht könnte als „äußeres Staatsrecht" mit diesem geprüft werden. Rechtsphilosophie und Encyklopädie der Rechtswisienschaft sind kaum geeignet, selbständige Prüfungsfächer abzu­ geben. Und das Landesrecht gehört jedenfalls besser in das Affessorexamen als in die erste Prüfung. Für jedes der genannten Fächer wäre eine besondere Note zu geben und in den Prüfungsakten zu verzeichnen. Aus den Einzelnoten für die zu einer Abteilung gehörenden Fächer würde die Gesamtnote zu bilden sein. Die S e l b s t ä n d i g k e i t der beiden Abteilungen müßte u n ­ bedingt in der Weise gewahrt werden, daß wer in einer Abteilung nicht besteht, die Prüfung aus allen zu derselben gehörenden Fächern wiederholen müßte. E s wäre ein verhängnisvoller Rück­ fall in die Fehler des gegenwärtigen Systems, wollte man ge­ statten, daß der schlechte Ausfall einer Abteilungsprüfung durch den guten Erfolg der andern ausgeglichen werden könnte. Ganz besonderes Gewicht aber lege ich auf die Bestimmung, daß die eine wie die andere der beiden Teilprüfungen erst nach B e e n d i g u n g der aka de mi s c he n S t u d i e n a b g e l e g t w e r d e n kann. Die Gründe, die mir f ü r diese Bestimmung ausschlag­ gebend zu sein scheinen, habe ich bereits dargelegt: es sind die­ selben, die ge g e n das Zwischenexamen sprechen. Die Reihenfolge der beiden Teilprüfungen möchte ich nicht im Gesetze bestimmen, sondern dem Ermeffen des Kandidaten

überlaffen. Ebenso halte ich jede Anordnung darüber für entbehr­ lich, wie die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Teilprüfung zu verwenden sei. Der Kandidat mag an die Universität zurück­ kehren, um hier weitere Vorlesungen zu hören, insbesondere an den Seminarübungen teilzunehmen; oder aber er mag die Zeit dazu benutzen, um seine Privatstudien zu vervollständigen: er ist reif genug, selbst zu wählen, was für ihn, nach seinen individuellen Verhältnissen, als das Beste erscheint. I n der so gut wie ausschließlichen Berücksichtigung des rö­ mischen Privatrechtes erblicke ich das Hauptgebrechen der heutigen preußischen Referendarsprüstmg; in der Zerlegung derselben in zwei selbständige Abteilungen das einzige durchgreifende M ittel der Abhilfe. Alle andern einschlagenden Fragen erscheinen mir diesem einen Punkte gegenüber von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung. S o verkenne ich keinen Augenblick, daß die von so vielen Seiten geforderte V e r l ä n g e r u n g des d r e i j ä h r i g e n U n i v e r ­ s i t ä t s s t u d i u m s unserer Juristen dringend wünschenswert w äre"). Ganz abgesehen davon, daß die Einrechnung des M ilitärjahres das sog. Triennium in den meisten Fällen auf zwei Ja h re herab-

1S) Die Ausdehnung des akademischen juristischen Studium s von 3 auf 4 Jahre ist fast von allen Seiten für notwendig erklärt worden. Zuerst von Goldschmidt 1859 und dann wieder 1878 (die letztere Schrift erklärt die Einführung des Quadrienniums für Grundbedingung jeder Reform); von Ortloff 102, Nasse 33, v. Sybel 24, Goeppert 10, Muther 14, Dahn 662, G. Meyer 27, Bethmann-Hollweg 63, Gierke Gutachten 10 (1877 S . 8); Gneist Gutachten 139, Brunner und G. Meyer auf dem 14. Juristentag II 204 und 209, Schulte 15 und 18, v. B a r 368. Während der Verhandlungen des preußischen Landtags 1868 und 1869 ist die Notwendigkeit einer Verlängerung von Rednern aller Parteien betont und sogar von Minister Leonhard anerkannt worden. Besonders wichtig ist die HerrnhauSrede Hälschners vom 19. Dezember 1868. Dagegen hat der 14. Juristentag (II 238), insbesondere unter dem Einflüsse v. Schwarzes, den Beschluß gefaßt: „Eine Ausdehnung deS drei­ jährigen Universitätsstudiums vorzuschreiben, ist nicht erforderlich". Bekanntlich ist vierjähriges Studium gesetzlich vorgeschrieben in Österreich und Baiern, dreieinhalbjähriges in Baden.

setzt, ist eine den heutigen Bedürfnissen einigermaßen entsprechende staatswissenschaftliche eine Verlängerung

und

nationalökonomische Ausbildung

der Studienzeit einfach nicht möglich.

ohne Aber

der gesetzlichen Einführung des Q uadriennium s stehe ich durch­ aus

kühl

gegenüber.

wenig geholfen.

M it

all' diesen äußerlichen Maßregeln ist

W e r vier oder fünf Semester verbummelt,

w ird eS auch fertig bringen, zwei weitere dazuzulegen. zu

dienen,

drei Jahre fleißig gearbeitet hat,

der

W er, ohne

kann bei m ittlerer

Begabung genügendes Wissen gesammelt haben; warum w ill man ihn hindern, die P rü fu ng abzulegen, zu der er völlig gerüstet ist? B lo ß um der Kom m ilitonen willen, die es vorgezogen haben, ihr M ilitä r ja h r als Studenten abzudienen? oder gar den Bum m lern zu Liebe, damit diese nicht verkürzt werden?

D a s , was w ir alle

dringend wünschen und wünschen müssen, die th a ts ä c h lic h e V e r­ längerung eben

zu

sind — E ine

der Universitätsjahre anbertt Zwecken

wird

als

in allen F ä lle n ,

durch Annahme meines Vorschlages

strenge Prü fu ng

aus

in welchen sie

zum Studieren verwendet worden

allen

sicher erreicht.

juristischen Hauptfächern kann

niemand bestehen, der nicht mindestens drei Jahre lang ernst und treu seine Pflicht gethan hat. W ie

die T in g e

D as mag uns fürs erste genügen.

sich gestalten werden,

wenn einmal das Reichs-

Zivilgesetzbuch eingeführt ist oder wenn Staatswissenschaften und Nationalökonomie

in erweitertem Umfange zum Gegenstände des

S tu d iu m s unserer jungen Juristen gemacht werden sollten — das wollen

und

können

w ir abwarten.

F ü r heute mögen w ir uns

darauf beschränken, von dem preußischen Justizminister zu verlangen, w as

ein auch ihn verbindendes Reichsgeseh uns zugesichert hat:

ein dreijähriges Univerfitätsstudium ohne A b z u g s ).

16) D ie

schwierige Frage,

ob und in welcher Weise die Nichteinrech­

nung des M ilitä rja h re s durchgeführt werden soll, w ird meinem Borschlage gegenüber bedeutungslos.

D ie Nichteinrechnung haben inSbes. Gierke 1877

S . 20, Gutachten 10, Schulte 15, Eisele a. O . verlangt; der erstere m it dem Zusatze, daß nach der 2. P rü fu n g daS P atent um die D a u e r deS M i l i t ä r ­ dienstes zurückzudatieren sei. tages ( I I 2 3 8 ):

Ebenso lautet der Beschluß des 14. Juristen­

„D aS militärische F reiw illigenjahr ist in die Studienzeit

nicht einzurechnen".

A u f eine neben dem mündlichen Examen einhergehende s c h r ift­ lic h e P rü fu n g möchte ich nur ungern verzichten. erwünschte

Gelegenheit,

Eigenschaften

S ie bietet die

des Kandidaten,

die bei

mündlicher Rede und Gegenrede wenig oder garnicht hervortreten, kennen zu lernen: die Sicherheit in der Beherrschung des S toffes, die in schriftlicher Anordnung und D urchführung der Gedanken sich äußert, die Fähigkeit, das Wesentliche von dem Nebensächlichen zu scheiden, In

K la rh e it,

Bestimmtheit

und

dem leider nicht zu seltenen F a lle ,

Kürze

des

Ausdruckes.

daß der Kandidat

ant

grünen Tische vor versammelter Kommission die Geistesgegenwart verliert, gewährt sie zudem die

Möglichkeit

einer billigen

und

gerechten W ürdigung der individuellen Beanlagung. Aber wie soll die schriftliche P rü fu n g eingerichtet werden? Daß die gegenwärtig verlangte „wissenschaftliche A rb e it" den Zwecken der ersten P rü fu n g thatsächlich in keiner Weise entspricht, glaube

ich

gezeigt

zu

haben.

Ic h

muß mich aber gegen je d e

wiffenschaftliche Bearbeitung sei es eines von der Kommission aus­ gegebenen, sei es eines von dem Kandidaten frei gewählten Themas ü b e r h a u p t aussprechen.

D ie U niversität soll — abgesehen von

ihrer hier nicht zu besprechenden Aufgabe, fü r den nötigen Nach­ wuchs

an

Dozenten

zu

sorgen —

nicht Gelehrte heranbilden,

sondern den jungen Juristen in den S ta n d sehen, die von ihm gewonnene wiffenschaftliche Erkenntnis im Dienste der Rechtspflege und der V erw altung zu verwerten.

Eine s e lb s tä n d ig e wissen-

fchaftliche A rbeit setzt ganz andere und unendlich viel tiefere Kenntniffe, ganz andere und ungleich höhere Begabung voraus, als w ir sie bei der M ehrzahl unserer jungen Juristen zu erwarten berech­ tig t find.

S ie

legt

zudem die Gefahr nahe, daß der Schüler

oder der eben der Schule entwachsene J ü n g lin g , lang ehe er den unerläßlichen Gesamtüberblick über alle Zweige seines Wissensge-

Dagegen hat Gneist Gutachten 139 auf die praktischen Schwierigkeiten hingewiesen, welche der D urchführung des Gierke'schen Vorschlages im Wege stehen; andre, wie insbes. Goldschmidt 1878 S . 63 haben aus der Einrech­ nung des M ilita rja h re s gewichtige G runde fü r die Verlängerung des akademischen S tu d iu m s hergeleitet.

bietes sich erworben hat, in Spezialarbeiten Zeit und K ra ft ver­ zehrt. E s wäre weiter möglich,

dem Kandidaten eine R e ih e v o n

k u rz e n s c h riftlic h e n F r a g e n aus den verschiedenen P rü fu n g s­ fächern zu stellen und diese in gleicher Weise von ihm beantworten zu lasten.

Ic h halte auch dieses System für ein wenig empfeh­

lenswertes.

E s führt notwendig zu Klausurarbeiten m it dem un­

würdigen Kam pf gegen den bis zur Vollkommenheit entwickelten Gebrauch unerlaubter H ilfs m itte l; nachlässigung

wichtiger

Fächer

eö zwingt entweder zur V e r­

oder zu einer pädagogisch ganz

widersinnigen Häufung der schriftlichen Arbeiten. widerspricht es dem Hauptgrundsahe P rü fu n g :

daß die gestellte Frage

einer richtig

V o r allem aber durchgeführten

nur den Ausgangspunkt einer

möglichst weit sich erstreckenden Unterhaltung

zwischen dem P r ü ­

fenden und dem Kandidaten bilden bars17). Ganz anders stellt sich die Sache, wenn s c h riftlic h e E n t ­ sc h e id u n g

e in e s

p rak tis ch en

F a lle s

verlangt w ird.

Dieses

System schließt sich unmittelbar an die Aufgabe des akademischen

17) Z u r höchsten Vollkommenheit hat die Großherzogl. hessische P r ü ­ fungsordnung dieses System durchgebildet. hat der Kandidat 14, sage vierzehn,

V o r der mündlichen P rü fu n g

schriftliche Klausurarbeiten zu liefern:

3 aus dem römischen, 3 aus dem deutschen Privatrecht; je eine aus Kirchenrecht, Staatsrecht, Zivilprozeßrecht, S traftecht, Strafprozeßrecht, Völkerrecht, Nationalökonomie, Polizeiwifsenschast. hat, w ird es wohl kaum empfehlen.

W e r nach diesem System gearbeitet Ganz abgesehen von der Unmöglichkeit,

aus dieser übergroßen Anzahl von Einzelarbeilen ein richtiges B ild von der Befähigung des Kandidaten zu gewinnen, (bei 20 Kandidaten hat die K o m ­ mission 280 Arbeiten zu prü fe n ); ganz abgesehen ferner von der geistigen und

körperlichen

Abspannung, welche nach der ersten H älfte der K la u su r­

termine Prüfende wie Geprüfte regelmäßig überfällt, fü h rt der stete K am pf zwischen der Aufmerksamkeit des überwachenden Lehrers und dem Scharfsinn der Kandidaten in Szenen.

E in fü h run g

von

„Spickern"

zu den widerwärtigsten

W ir haben in Gießen, um den „ExamenSmappen" m it ihren G e­

heimfächern

zu begegnen,

gestempelte Unterlagen

und Schreibpapier

im

Klausursaale verteilt (die gestempelten Manchetten waren scherzweise wieder­ holt vorgeschlagen worden), und haben das Abschreiben doch nicht gänzlich verhindern können.

Nach meinem Em pfinden liegt in der Überwachung von

Klausurarbeiten fü r alle Beteiligten etwas geradezu knabenhaft unw ürdiges. 4

Studium s. E s verlangt von dem Kandidaten, was von ihm verlangt werden kann und verlangt werden muß: Herrschaft über den Stoff in seiner praktischen Anwendung. E s zeigt das that­ sächliche K ö n n e n des jungen M annes, wie es, begründet in den rein theoretischen Vorlesungen, durch die Seminarübungen entwickelt und befestigt worden ist. Eine solche schriftliche Arbeit mag man in der Wohnung des Kandidaten oder in den Räumen des P rü sungsgebäudes anfertigen lassen, je nach ihrem kleineren oder größeren Umfange und der zur Bewältigung des Falles erforder­ lichen Zeit; jede Überwachung ist überflüssig, da die Benutzung des gesamten wissenschaftlichen Apparates nur als wünschenswert erscheinen kann. Ich würde daher dieser Einrichtung der schrift­ lichen Prüfung vor jeder anderen den Vorzug geben. Wird die erste Prüfung, wie ich es verlangt habe, in zwei selbständige Abteilungen zerlegt, so müßte fü r jede d e rse lb e n e in e sch riftliche A r b e it verlangt werden. Am zweckmäßigsten schiene es mir, in der ersten Abteilung einen zivilrechtlichen, in der zweiten einen straftechtlichen Fall, welche zugleich zu prozeßrecht­ lichen Erörterungen Anlaß bieten, zur Entscheidung zu geben. Einige hunderte geeigneter Fälle stehen jedem zur Verfügung, der die Litteratur der beiden Fächer einigermaßen kennt. Keinesfalls dürste aber, wie das jetzt geschieht, der ungünstige Ausfall dieser schriftlichen Prüfung ausgeglichen werden können durch guten E r­ folg der mündlichen. Wer den praktischen Fall zur Zuftiedenheit der Kommission zu entscheiden nicht vermag, muß unbedingt als durchgefallen betrachtet werden. Dagegen würde ich es für meine Person sehr entschieden empfehlen, daß der Kandidat, welcher tüchtige und als solche von dem betreffenden Lehrer anerkannte Seminararbeiten der Kommission vorzulegen int Stande ist, von dieser die Befteiung von der einen oder anderen schriftlichen P r ü ­ fung erlangen könnte. Anspornung des Fleißes während der Studienzeit, Entlastung der Kommission, Verkürzung und Verein­ fachung der Prüfung würden die Folgen einer solchen Befreiungs­ Möglichkeit sein"). '*) Die Ansichten über die Einrichtung der schriftlichen Prüfung gehen

Wenn die erste Prüfung in der von mir vorgeschlagenen Weise eingerichtet wird, so kann die jetzt noch teilweise vermißte Überein* stimmung der Ansichten über die zweckmäßigste Zusammensetzung der Prüfungskommissionen nicht mehr lange ausbleiben"). Eine ernste

ebenfalls noch weil genug auseinander. Ganz im S inne des Textes v. B a r 366. Ebenso auch im Wesentlichen E n n e c c e ru s in der Sitzung deS Ab­ geordnetenhauses vom 1. Dezbr. 1882 (Sten. Der. I 223). Bethmann-Hollweg verlangt g än z lic h en W e g fa ll der schriftlichen Arbeit. A n h ä n g e r d e r K la u s u r e n sind Schulte 26, Note 17; Goeppert 25 (schriftliche Beantwortung einer Reihe von Fragen). G eg en die K la u s u re n erklären sich Gierte Gutachten 14, 1877 S . 31, M uther 22. S e lb s tä n d ig e w issen sch aftlich e Arbeit über ein freigewähltes Thema wünschen Gierke Gutachten 14, 1877 S . 31, Gneist Gutachten 147. Dagegen will Goeppert (außer den Klausurarbeiten) eine Wissenschaftliche Arbeit über eine auS einer Anzahl von Aufgaben, welche von der Prüfungskommission von Zeit zu Zeit veröffentlicht werden sollen. 19) Über die Unfähigkeit der gegenwärtigen Prüfungskommissionen, die ihnen gestellte Aufgabe zu lösen, herrscht beute allerdings fast E in ­ stimmigkeit der Ansichten. Dagegen gehen die Meinungen darüber ausein­ ander. ob die erste P rüfung lediglich als Fakultätsexamen abgelegt oder ob gemischte Kommissionen aus Universitätslehrern und geeigneten Praktikern gebildet werden sollen. M u th e r 21, B e th m a n n -H o llw e g 63, E is e le a.O . haben sich im S inne der ersten Ansicht ausgesprochen. Die Mehrzahl der Schriftsteller empfiehlt dagegen gemischte Kommissionen mit vorzugsweiser B e­ rufung der akademischen Lehrer. S o H älsch n e r 22, N asse 33, G o e p ­ p e r t 24, G n e ist Gutachten 148, G ie rk e Gutachten 12, S c h u lte 16, 18, v. B a r 368. Dabei wird vielfach die Notwendigkeit betont, für die P rüfung über die „Grundlagen der Staatswiffenfchaften" einen Fachmann, mag er Theoretiker oder Praktiker sein, zu berufen. An dieser Stelle sei eine in weiteren Kreisen vielleicht wenig bekannte Thatsache erwähnt. Als mein hiesiger Kollege Leonhard in dem oben Note 1 erwähnten Aufsatze Ende 1885 die M ängel der gegenwärtigen E in ­ richtung scharf betonte, trat der Direktor der preuß. Forstakademie zu Eberswalde, Borggreve, in den „Forstlichen B lättern" im Februar 1886, unter gleichzeitigem Abdrucke deS Artikels den dort gemachten Vorschlägen bei. Und mit dem besten Erfolge. S e it Ostern 1886 ist daS erste sorstwifsen, schastliche Examen an die Forstakademien verlegt worden und wird, unter Leitung eines vortragenden Rates aus dem Ministerium und unter Z u­ ziehung zweier Forstmeister auS der Verwaltung, von den akademischen Lehrern als Examinatoren abgehalten.

Prüfung aus den verschiedenen juristischen Fächern mit Einschluß der „Staatswiffenschasten" wird sich sofort als unvereinbar her­ ausstellen mit dem gegenwärtig beliebten allgemeinen Prüfungs­ austrage; die Tellung der Prüfung wird die s o r g f ä l t i g e A u s ­ w a h l g e e i gn e te r F a c h m ä n n e r mit sachlich genau umschriebenem Prüfungsauftrage zur notwendigen Folge haben. Zwei Eigen­ schaften werden dann von dem Examinator verlangt werden müssen: vollständige Beherrschung des Stoffes und ein gewisies praktisches Geschick gerade zum Prüfen des übertragenen Faches. Wer den zu prüfenden Stoff nicht völlig beherrscht, wird immer an den von ihm vorher entworfenen Fragebogen gebunden sein, statt ein möglichst umfassendes Gebiet im raschen Fluge zu durch­ eilen, dahin und dorthin die prüfende Sonde führend, um Umfang und Tiefe der Kenntniffe des Kandidaten klarzulegen. Und wer es nicht versteht, in die Seele des zu Prüfenden sich hineinzu­ denken, Mißverständniffe sofort zu erkennen, Befangenheit und Unwissenheit zu unterscheiden, dem Schwerfälligen nachzuhelfen und den Schwätzer zu entlarven — der wird trotz aller Gelehr­ samkeit zeitlebens ein schlechter Examinator bleiben. Beide Eigen­ schaften find allerdings nicht oft in demselben Individuum vereinigt zu finden; aber w e n n sie sich verbinden, dann darf es keinen Unterschied machen, ob der zum Examinator Befähigte etwa Profeffor oder Privatdozent, Richter oder Verwaltungsbeamter, Staatsanw alt oder Mitglied des Anwaltstandes ist. E s kommt mir also nicht in den Sinn, der ausschließlichen Berufung von Rechtslehrern das Wort zu sprechen. Aber ebenso muß ich betonen, daß das vielfach sich findende Mißtrauen in die Befähigung der Profefforen den heutigen Verhältnissen gegenüber ganz unbegründet ist und nur aus der weitverbreiteten, auch in den Ministerien vorkommenden, Unkenntnis unserer gegenwärtigen Unterrichtsmethode erklärt werden kann. Die zerstreuten und un­ praktischen Gelehrten leben fast nur noch als Lustspielfiguren fort. Wer jahraus jahrein als Leiter eines juristischen Seminars thätig ist, die schriftlichen Arbeiten der Schüler mit ihnen und den Kommilitonen besprechend, die Debatte anregend und leitend, auf jede unerwartete Frage Rede stehend, den manchmal recht sonder-

baren Einwänden begegnend, jede In d iv idualität berücksichtigend — der ist wohl auch geeignet, am grünen Tische während weniger Stunden die Thätigkeit fortzusetzen, die er das J a h r über mit aufopfernder Mühe aber auch mit erfreulichem Erfolge getrieben hat. Wer, wie der Blinde von den Farben urteilt, uns in Bausch und Bogen die Befähigung abspricht gut zu prüfen — mehr als 4 oder 5 M inuten brauchen wir allerdings um mit unserm Urteile fertig zu werden und in der Fixigkeit find uns die jetzigen Pri'lfungskommissionen jedenfalls über — der gebe uns die Ehre einmal unsere Sem inarübungen zu besuchen. W ir werden uns freuen ihm zu zeigen, daß es doch mitunter recht mißlich sein kann über Dinge zu sprechen, die man nur vom Hörensagen kennt. Neben den Universitätslehrern gibt es in Preußen eine ganze Reihe von Praktiken!, welche in einzelnen Fächern eine gründliche wissenschaftliche Bildung besitzen und durch selbständige Arbeit die Wissenschaft mehr gefördert haben als vielleicht mancher von und. Freilich gestatte ich mir zu bezweifeln, daß sie gerade nur unter den Oberlandesgerichtsräten sich finden. G ar mancher S ta a ts a n ­ walt wird von Strafrecht und Strafprozeß, gar mancher Ver­ waltungsbeamte von Staatsrecht und Nationalökonomie, gar mancher Rechtsanwalt vom Zivilprozesse mehr verstehen als unsere im wesentlichen doch nur privatrechtlich gebildeten und durch das mündliche Verfahren etwas in den Hintergrund gedrängten Richter am Oberlandesgericht. Auch will es mir nicht recht' einleuchten, woher selbst dem vortrefflichsten Richter die Befähigung kommen sollte, alles zu wissen, und — auf Präsidialkommando — heute Strafrecht, morgen Rechtsgeschichte, übermorgen Pandekten zu prüfen. Also P r ü f u n g durch F a c h l e u t e : das muß die Losung sein. Woher man sie nimmt, ist Nebensache. N ur hüte man sich, die W ahl ausschließlich dem Justizministerium zu überlaffen. Wenn Verwaltungsbeamte zugezogen werden, w as ich für uner­ läßlich halte, wird die Mitwirkung wenigstens des Ministers des In n e rn nicht zu umgehen sein. Und auch die Auswahl der Universitätslehrer wird wohl geeigneter durch eine Instanz er-

folgen, die in der Lage ist sich über unsere Befähigung ein Urteil zu bilden. O b man die Zentralleitung der ersten Prüfung einer besonderen aus Vertretern der beteiligten Ministerien gebildeten Kommisfion übertragen will (die Wichtigkeit der Sache schiene mir diese Umständlichkeit genügend zu rechtfertigen), oder ob man es vorzieht, auf andere Weise eine Verständigung der Ministerien herbeizuführen, ist nebensächlich. Gänzlich entbehrt werden kann eine Zentralleitung irgend welcher Art wohl kaum. Ich möchte ihr nicht nur die Ernennung der Prüfungskommissäre und die Überwachung der Prüfungen, sondern auch die Zuweisung der Kandidaten an die einzelnen Kommissionen übertragen. Dadurch würde einerseits eine gleichmäßige Belastung der verschiedenen Kommissionen gesichert, anderseits jede Gefahr beseitigt werden, daß durch ausgedehntere Zuziehung von Universitätslehrern die Freiheit des akademischen S tudium s irgendwie gefährdet werde. Weitere Vorschläge über die Berufung und die Thätigkeit der Prüfungskommissionen sind heute wohl noch verfrüht"). S ie werden ohne jede Schwierigkeit gemacht und besprochen werden können, wenn nur erst einmal an maßgebender Stelle das Ver­ ständnis für die Notwendigkeit einer Reform erwacht und der gute Wille zur Durchführung derselben bewiesen ist. Unsere Pflicht ist gethan, indem wir die Dringlichkeit einer durchgreifenden Reform und die Wege nachweisen, auf welchen sie erreicht werden kann; möge der S ta a t die seinige thun.

*°) Nur einen Punkt möchte ich nicht ganz mit Stillschweigen über» gehen. D ie mündliche Prüfung muß unbedingt öffentlich abgehalten werden. D as ist nicht nur deshalb notwendig, damit das Vertrauen in die Gründlichkeit und Unparteilichkeit der Kommissionen erhalten bleibe, sondern auch im Jnteresie der Studierenden dringend wünschenswert. Erfahrungsgemäß stellt überall, wo die Prüfungen öffentlich abgehalten werden, ein Kreis von studentischen Zuhörern sich regelmäßig ein, um zu erfahren, was eigentlich im Examen verlangt wird, und um selbst beurteilen zu können, nach welchen Richtungen hin eine Vertiefung oder Erweiterung der bereiterworbenen Kenntniffe erforderlich ist. I n der Öffentlichkeit der Prüfungen liegt für die jüngeren Kommilitonen ein mächtiger Ansporn zu angestrengterer und zielbewußterer Arbeit. — Man vgl. auch Gneist Gutachten 150; Gierke Gutachten 21; Schwarze 14; Juristentag II 203 , 209; die B e­ schlüsse der Versammlung daselbst II 238.

Inzwischen aber habe ich noch ein W ort an S ie, meine jungen juristischen Kommilitonen. Den ernsten M ahnruf möchte ich an S ie richten: aus eigener Kraft, aus freiem Entschluß den gegenwärtigen Übelständen ein Ende zu bereiten, ehe die Gesetz­ gebung S ie dazu zwingt. Vergessen S ie, im Vollgefühl Ih re r akademischen Freiheit nicht, daß Recht und Pflicht, daß Freiheit und sittliche Gebundenheit nur verschiedene Seiten eines und des­ selben Begriffes sind. Strengste Pflichterfüllung, im Kleinen wie im Großen, ohne Bedingung und ohne Einschränkung — das ist altpreußischer und darum echt deutscher Geist. Trachten S ie, diesen Geist in Ih re n Kreisen zu wecken und zu fördern. Hüten S ie sich vor der Unwahrhaftigkeit, die heute ihr akademisches Leben in seinem innersten Wesen vergiftet. S ie können es, sobald S ie nur ernstlich wollen. Die akademische Freiheit wollen wir uns nicht verkümmern lassen; und die alte Burschenherrlichkeit erst recht nicht. Noch unsern Söhnen und Enkeln soll das Auge feucht, und die Wange warm werden, wenn sie alt geworden, der Tage gedenken, da sie in überschäumender Jugendkraft die Klingen kreuzten und in fröhlicher Tafelrunde die Becher frcifcu ließen bis zur heraufdäm­ mernden Morgensonne. Aber froher Burschenfinn und treue Pflichterfüllung find keine Gegensätze. Ernste Arbeit ist daS S tahlbad des freien Geistes, der Jungbrunnen ungebundener Lebenslust. Noch hat, soviel ich weiß, der Besuch der Vorlesungen keinem die S an g es­ freudigkeit verdorben oder das Handgelenk steif gemacht. Der echte Bursche beugt sich nicht, wo man die Tiefquart schlägt; aber er drückt sich auch nicht, wenn man von ihm verlangt, daß er seine M annes- und Bürgerpflicht erfülle. D as eine wie das andre mag er den Philistern überlaffen. Ganz besonders aber richte ich meinen M ahnruf an die akademischen Korporationen. Ich habe stets die Überzeugung ver­ treten — und werde ihr in diesem Ja h re nicht untreu werden — , daß in dem kräftigen Emporblühen der studentischen Verbindungen eine der sichersten Bürgschaften für die Bewahrung und Festi-

gung echt akademischer Gesinnung erblickt werden muß.

N u r in

den kleinen, geschloffenen Gruppen ist jene stramme Zucht möglich, welche den Einzelnen lehrt, seine Neigungen allezeit und unbedingt allgemeineren Interessen unterzuordnen; nur in ihnen gedeiht jene scharfe Anspannung

eines hochentwickelten Ehrgefühls,

welche in

meinen Augen das schönste Vorrecht der akademischen Jugend bildet. Unsere studentischen Verbindungen sind was auch die N ö rg ler da­ gegen sagen mögen, P re is missen möchte. über der Form

eine Schule

fürs Leben,

die ich um keinen

Aber sehen S ie zu, meine Herren, daß S ie

den I n h a lt

nicht vergessen.

Strenge Pflichter­

füllung ist, wie das letzte Z ie l aller Zucht, so auch die Seele der Standesehre.

Erfassen S ie

in seinem ganzen G eh alt, auch

als

den Geist der

sittliche Gebundenheit;

auch die juristischen, die Führung

der

akademischen Freiheit

nicht nur als Berechtigung,

zu ernsten,

erziehen treuen

studentischen Jugend

sondern

S ie I h r e M itg lied er, Staatsbürgern —

auf

und

allen Gebieten des

akademischen Lebens, w ird Ih n e n sicher sein. Freie, wenn auch unter staatlicher Aufsicht stehende V erein i­ gung der Lehrenden und Lernenden, geeint durch gemeinsame Arbeit auf dem Gesamtgebiete

der Wiffenschaft:

so habe ich oben das

Wesen der deutschen Universitäten gekennzeichnet.

Trachten S ie ,

meine jungen juristischen Komm ilitonen, das in W ahrheit zu sein, was I h r

alter

Ehrenname besagt:

unsere mitarbeitenden, m it­

kämpfenden Genossen im Dienste der Wiffenschaft, und Dienste des Reichs und unseres Kaisers.

Buchdruckerei von Gustav Schade (Otto Francke) in Berlin N.

damit im