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German Pages 138 Year 1993
FRANK VOGEL
Die Rechnungslegungsvorschriften des HGB für Kapitalgesellschaften und die 4. EG-Richtlinie (Bilanzrichtlinie)
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten
Band 15
Die Rechnungslegungsvorschriften des HGB für Kapitalgesellschaften und die 4. EG-Richtlinie (Bilanzrichtlinie)
Von Frank Vogel
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Vogel, Frank: Die Rechnungslegungsvorschriften des HGB für Kapitalgesellschaften und die 4. EG-Richtlinie (Bilanzrichtlinie) I von Frank Vogel. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum europäischen Recht ; Bd. 15) Zug!.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07619-2 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-07619-2
Geleitwort Die Vierte Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 1978 aufgrundvon Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen ist durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19. Dezember 1985 als Drittes Buch des Handelsgesetzbuchs in deutsches Recht umgesetzt worden. Angesichts dieser umfassenden Kodifikation ist es von großem praktischen und theoretischen Interesse, inwieweit diese Transformation dem Umsetzungsauftrag der Richtlinie entspricht, ob insbesondere der Anwendungsbereich der Richtlinie eingehalten ist, ob sie vollständig in deutsches Recht transformiert worden ist, ob von den in der Richtlinie eingeräumten Wahlrechten zutreffender Gebrauch gemacht worden ist und ob die einzelnen Regelungen mit den Vorgaben der Richtlinie im Einklang stehen. Soweit sich Diskrepanzen ergeben, ist weiter zu fragen, zu welchen Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die Richtlinie führt. Eine solche umfassende Untersuchung fehlt bisher; es gibt nur sporadisch einzelne Erörterungen vermeintlicher Richtlinienverstöße. Es ist daher außerordentlich verdienstvoll, daß sich der Verfasser der mühevollen Aufgabe unterzogen hat, das Dritte Buch des Handelsgesetzbuchs, soweit es die Kapitalgesellschaften betrifft, auf die Übereinstimmung mit der 4. EG-Richtlinie zu untersuchen. Er gelangt dabei zu weiterführenden, teilweise zu überraschenden Ergebnissen, die auch unter dem Gesichtspunkt der Buropatreue des deutschen Gesetzgebers gesehen werden müssen. Die Arbeit ist im Dezember 1992 mit einem der vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller e.V. ausgelobten Preise "Europa-Forschung in Berlin" ausgezeichnet worden. Berlin, im Dezember 1992 Univ.-Prof. Dr. Joachim Schulze-Osterloh
Vorwort Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat die vorliegende Arbeit im Sommersemester 1992 als Dissertation angenommen. Die Arbeit widmet sich in erster Linie der vierten EG-Richtlinie zum Gesellschaftsrecht vom 25. Juli 1978 (Bilanzrichtlinie) und dem zu ihrer Umsetzung erlassenen Bilanzrichtlinien-Gesetz vom 19. Dezember 1985. Darüber hinaus berücksichtigt sie die Änderungsrichtlinie vom 8. November 1990, welche die Kapitalgesellschaft & Co. in den Anwendungsbereich der Bilanzrichtlinie einbezieht, und das Gesetz zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes 1990 vom 22. Dezember 1989, mit dem die umfassende umgekehrte Maßgeblichkeit der Ausübung steuerlicher Wahlrechte für die Handelsbilanz festgeschrieben wurde. Rechtsprechung und Literatur konnten bis zum Frühjahr 1992 verwertet werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Joachim Schulze-Osterloh, der die Arbeit betreut hat, für die zahlreichen weiterführenden Gespräche und Anregungen. Ebenso gebührt mein Dank dem Zweitgutachter der Dissertation, Herrn Professor Dr. Lorenz Fastrich. Für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe "Schriften zum Europäischen Recht" bin ich den Herausgebern, Herrn Professor Dr. Siegfried Magiera und Herrn Professor Dr. Detlef Merten, sowie dem Verleger, Herrn Professor Norbert Simon, zu großem Dank verpflichtet. Berlin, im September 1992
Frank Vogel
Inhaltsverzeichnis §1
Einleitung . . .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. . .. . .. .. .. . .. . .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. . ..
15
§2
Vereinbarkeit der deutschen Rechnungslegungsvorschriften mit der Bilanzrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
A. Anwendungsbereich der Richtlinie: Art. I .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . I. Den vereinheitlichten Rechnungslegungsvorschriften unterworfene
17
Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
II. Zweck und Grundgedanke der Bilanzrechtsvereinheitlichung . . . . . .
18
III. Vereinheitlichungszweck und in der ursprünglichen Fassung der Richtlinie nicht genannte Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
B. Das Bilanzierungsziel: Art. 2 der Richtlinie .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
20
I. Erweiterung des Wortlauts von Art. 2 III in § 264 li HGB . . . . . . . .
20
II. Die Ausnahmeregelung des Art. 2 V .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
23
1. Gesetzesauslegung im deutschen Recht .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
23
2. Der Aussagegehalt von Art. 2 V .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
24
a) Ursprung des Art. 2 V im englischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
b) Gesetzesanwendung im englischen Recht .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
24
C. Die Gliederungsschemata: Art. 9, 23 und 25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I. Abweichungen in der Numerierung der Posten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
II. Abweichungen in der Bezeichnung der Posten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
III. Das Bilanzschema .. .. . .. .. . .. .. .. . .. . .. .. . .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
29
1. Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
a) Ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital . . . . . . . . . .
29
b) Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens ... . ... . ......... . ....... . ...... . . .. . . . .. .. ..... . .. . . . ... .
30
c) Forschungs- und Entwicklungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
d) Konzessionen, Patente etc. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
30
e) Geschäfts- oder Firmenwert .. .. .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. ..
31
f) Grundstücke und Bauten .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
32
g) Forderungen des Finanzanlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
h) Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
i) Eigene Anteile im Anlagevermögen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
34
j) Unfertige Erzeugnisse .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
36
10
Inhaltsverzeichnis k) Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens ..................... . .... . . ........... , . . . . . . . . . . . . l) Gezeichnetes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . m) Aktivischer Rechnungsabgrenzungsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . n) Eigene Anteile im Umlaufvermögen . .. . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . .. . o) Flüssige Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . p) Verlust des Geschäftsjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnisvortrag und Ergebnis des Geschäftsjahres . . . . . . . . . . c) Wechselverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Passivischer Rechnungsabgrenzungsposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gewinn des Geschäftsjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Schema der Gewinn- und Verlustrechnung .. . . . . . .. . .. . . . . . .. . . . 1. Gesamtkostenverfahren (Art. 23/§ 275 II HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umsatzerlöse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestandsveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Materialaufwand . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . aa) Inhalt des Postens in der Richtlinie . . . .. .. . . .. . .. .. .. . .. . bb) Inhalt des Postens nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . .
38 39 39 40 40 40 41 41 42 42 43 43 44 44 44 44 44 45 46
cc) Oberbegriff "Materialaufwand" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sozialer Aufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . e) Wertberichtigungen I Abschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erträge aus Forderungen des Finanzanlagevermögens . . . . . . . g) Steuerausweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ergebnis des Geschäftsjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 2. Umsatzkostenverfahren (Art. 25/§ 275 III HGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abweichungen, die schon die Schemata des Gesamtkastenverfahrens enthalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wertberichtigungen, die in den drei Unternehmensbereichen Produktion, Vertrieb und Verwaltung anfallen . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige betriebliche Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47 47 48 48 49 49 49
D. Inhaltliche Erörterung einzelner Bilanzpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechnungsabgrenzungsposten: Artt. 18 und 21 . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Regelung in § 250 I S.2 HGB . . .. . . . . . . . . . . . . . . . a) Zölle und Verbrauchsteuern . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . b) Umsatzsteuer auf erhaltene Anzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit von § 250 I S.2 HGB mit Art. 18 . . . .. . . . . . . . . . . . . II. Rückstellungen: Art. 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückstellungen für Verluste aus schwebenden Geschäften . . . . . . a) Die Auffassung Söffings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 54 54 54 55 56 56 57
49 49 50
Inhaltsverzeichnis
11
b) Umfang der Verlustrückstellungen nach der Richtlinie . . . . . .
58
aa) Systematisierung der Rückstellungstatbestände in Art. 20
58
bb) Folgerungen für die Verlustrückstellungen in Art. 20 . .
60
cc) Präzisierung der Voraussetzungen für eine Verlustantizipation gemäß Art. 20 I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61
c) Umfang der Verlustrückstellungen nach deutschem Recht .
62
aa) Gegenstand der Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften im deutschen Recht . . . . . .
63
bb) Schuldenausweis im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
cc) Folgerungen für die Verlustantizipation nach § 249 I S. 1 HGB . . . ...................... . . . ...... .............. . . . .
64
2. Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen . . .
64
a) Sondervorschriften in Richtlinie und Bilanzrichtlinien-Gesetz
65
b) Vereinbarkeil von Art. 28 EGHGB mit der gemeinschaftsrechtlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
aa) Gegenstand der Passivierungswahlrechte in Art. 43 I Nr. 7 der Richtlinie und Art. 28 I EGHGB . . . . . . . . . . . . .
66
( 1) Pensionsähnliche Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
(2) Mittelbare Pensionsverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
(3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
bb) Alternativen des Mitgliedstaaten-Wahlrechts . . . . . . . . .. . .
68
3. Instandhaltungsrückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
a) Bedenken gegenüber den Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungsaufwendungen nach deutschem Recht . . . . . . .
70
b) Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungsaufwendungen als Bestandteil der Aufwandsrückstellungen nach Art. 20 II . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
c) Vereinbarkeil der Passivierungspflicht in § 249 I S. 2 HGB mit Art. 20 II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
III. Latente Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . ..
74
I. Gegenstand latenter Steuern.......... ........ ................ .......
74
2. Regelung latenter Steuern in der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
3. Passivische Steuerabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
a) Behandlung passivischer latenter Steuern als herkömmliche Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . .
78
b) Behandlung passivischer latenter Steuern nach der Richtlinie
80
c) Behandlung passivischer latenter Steuern nach deutschem Recht....... . . ..... . . ............... . . . . .. . . . . ............. . . . . . . . .
85
4. Aktivische Steuerabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
6. Auswirkungen der Richtlinienregelung latenter Steuern auf die Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
12
Inhaltsverzeichnis E. Die umgekehrte Maßgeblichkeil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auswirkungen der umgekehrten Maßgeblichkeit auf den Ansatz: Der Sonderposten mit Rücklageanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Sonderposten als handelsbilanzieller Ansatz steuerrechtlicher Passivposten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung des Sonderpostens durch Art. 4 I . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung des Sonderpostens durch Art. 2 V . . . . . . . . . . . 2. Der Sonderposten als handelsbilanzieller Ansatz steuerrechtlicher Abschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen der umgekehrten Maßgeblichkeit auf die Bewertung 1. Abschreibungen für die Anwendung von Steuervorschriften . . . . 2. Das Wertaufholungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§3
89 89 89 90 92 93 94 94 97
F. Sanktionen der Verletzung der Offenlegungspfl.icht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Notwendigkeit wirkungsvoller Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 99
II. § 335 S. 1 Nr. 6 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 2 I S. 2 LöschG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100 101 102
G. Zusammenfassung der Richtlinienverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
102
Konsequenzen der Richtlinienverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
A. Verf ahren vor dem Europäischen Gerichtshof . . ..... . . .. . . .. . . . . . . . . . .. ...
104
B. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien im nationalen Recht .. .. .. .. .. .. . I. Entwicklung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unmittelbare Wirkung der 4. EG-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unmittelbare Verpflichtung zu richtlinienkonformer Rechnungslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unmittelbare Berechtigung zu richtlinienkonformer Rechnungslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 3. Konsequenzen der unmittelbaren Wirkung für die einzelnen Richtlinienverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen, latente Steuern .... .... .... ...... ........ .... .... . .. . .. .... .. .. .... ..... .. . b) Gliederungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sanktionen für unterlassene Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Umgekehrte Maßgeblichkeit .. .. .. . .. .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. aa) Sonderposten mit Rücklageanteil .. .. .. . .. .. .. .. . .. . .. .. .. bb) Ausschluß des Wertaufholungsgebotes durch die §§ 280 II HGB und 5 I S. 2 EStG .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. . 4. Konsequenzen der unmittelbaren Wirkung für den Bestätigungsvermerk .. . .. . .. . .. . .. . .. .. . .. .. . .. . .. .. . .. .. .. . .. .. . .. . .. .. .. . .. .. . .. . 5. Konsequenzen der unmittelbaren Wirkung für die Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 105 106 106 108 110 110 110 111 112 112 113 114 115
§4
Inhaltsverzeichnis
13
C. Exkurs: Anwendung der vereinheitlichten Rechnungslegungsvorschriften auf die Kapitalgesellschaft & Co. im Wege gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
I. Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
li. Bedeutung und Inhalt von Mindestanforderungen des Rechts im Rahmen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . .
117
I . Praktikabilität und Bedürfnisse des Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . .
117
2. Rechtsethische Grundprinzipien und die "Natur der Sache" . . . .
117
III. Die Einbeziehung der Kapitalgesellschaft & Co. in die vereinheitlichten Rechnungslegungsvorschriften unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
118
1. Vergleichskriterium Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . .
118
2. Vergleichskriterium wirtschaftliche Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .
119
3. Vergleichskriterium Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . .. . .
120
4. Vergleichskriterium Gläubiger- und Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . .
120
a) Schutzbedürfnis der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
b) Schutzbedürfnis der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
aa) Haftungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
121
bb) Insolvenzanfälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122
IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123
Zusammenfassung und Würdigung
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 1 Einleitung Die vierte EG-Richtlinie zum Gesellschaftsrecht 1 (Bilanzrichtlinie) wurde maßgeblich durch das deutsche Aktienrecht bestimmt. Als in den Jahren 1965 bis 1968, angeregt von der Generaldirektion "Innerer Markt" der EWG, eine Sachverständigengruppe aus Vertretern der Berufsorganisationen der Wirtschaftsprüfer den Grundstein für eine vereinheitlichte Rechnungslegung in der EWG erarbeitete, waren die gesetzlichen Bestimmungen zur Erstellung des handelsrechtliehen Jahresabschlusses in den Mitgliedstaaten Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden nur rudimentär ausgebildet 2 • Die Praxis orientierte sich an Handelsbräuchen oder- soweit vorhanden- an steuerlichen Regelungen. Allein in Deutschland hatte der Jahresabschluß schon in den§§ 38 ff. HGB a.F. und den §§ 125 ff. AktG 1937 eine relativ umfassende Regelung erfahren. Die aktienrechtlichen Vorschriften wurden 1965 überarbeitet und ergänzt, so daß mit dem AktG 1965 in Deutschland die detaillierteste und fortschrittlichste Kodifizierung handelsrechtlicher Rechnungslegung in der EWG bestand 3. Darauf ist es wohl zurückzuführen, daß die oben erwähnte Sachverständigengruppe der Leitung eines deutschen Wirtschaftsprüfers, Dr. Wilhelm Elmendorff, unterstellt wurde und daß besonders in dem Vorentwurf vom 9. März 1968 und in dem Vorschlag vom 16. November 1971 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu der vierten Richtlinie 4 eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den deutschen und den vorgeschlagenen europäischen Vorschriften zur Erstellung des Jahresabschlusses wahrzunehmen ist 5 . Diese Dominanz deutschen Gedankenguts im europäischen Bilanzrecht hat zwar mit dem Eintritt Großbritanniens in die EG durch die so einfließenden angelsächsischen Rechnungslegungsvorstellungen eine gewisse Relativierung gefunden 6 , doch bleibt die Prägung der Richtlinie, wie sie 1978 verabschiedet wurde, durch das deutsche Aktienrecht nach wie vor unverkennbar 7 • ABI. EG vom 14.8. 1978, Nr. L 222111 - 31. Siehe dazu im einzelnen A WV, Der Jahresabschluß von Aktiengesellschaften in Europa und USA, I. und li. Teil, und Busse von Colbe I Lutter (Hrsg.), Die Rechnungslegung in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft und in den USA. 3 Hahn, DStR 1979, S. 553. 4 Beide abgedruckt in der Synopse bei Schroff, Spalten 1 und 2. 5 Müller, AG 1971, S. 11; Niehus, The International Journal of Accounting- Education and Research, Vol. 7, No. 2, S. 91 , 93; Nobes I Parker, S. 348 (14.4). 6 Näher zu den Einflüssen des englischen Rechts auf die 4. EG-Richtlinie: Nobes, lntroduction, S. 185 f. (15.5); ders., Towards 1992, S. 121. 7 Hahn, DStR 1979, S. 553; Knobbe-Keuk, EuR 1979, S. 312, 315; Niehus, WPg 1978, S. 465, 466; Nobes, Introduction, S. 185 (15.5); Oldham, S. 66. I
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§ 1 Einleitung
Entsprechend dieser Funktion des deutschen Aktienrechts als maßgebliches Vorbild für eine vereinheitlichte Rechnungslegung in Europa konnte vom deutschen Gesetzgeber in besonderem Maße erwartet werden, daß er auch bei der Transformation der Richtlinie durch zügige und fehlerfreie Umsetzung eine "Vorbild-Rolle" einnehmen werde. In zeitlicher Hinsicht gelang dies nicht: Als im Dezember 1985 das Bilanzrichtlinien-Gesetz 8 erlassen wurde, war die in Art. 55 I der Richtlinie den Mitgliedstaaten gesetzte Frist schon seit über fünf Jahren verstrichen 9, und die Umsetzung hatte in Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg und den Niederlanden schon stattgefunden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist zu klären, ob das deutsche Gesetzeswerk inhaltlich mit der europäischen Vorgabe übereinstimmt. Dabei werden nur die kritischen Punkte der deutschen Transformation erörtert. Wo Richtlinienverstöße festzustellen sind, soll außerdem untersucht werden, welche Konsequenzen sich hieraus für das nationale Recht ergeben. Anhand dieser Fragen läßt sich schließlich beurteilen, ob und inwieweit die deutschen Rechnungslegungsvorschriften der Verwirklichung der Richtlinienziele entsprechen oder entgegenstehen.
BGBI. 1985 I, S. 2355 ff. Aus diesem Grund war vor dem EuGH bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet worden, siehe Krieger, ZHR 150 (1986), S. 182, 183 f.; Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 12, 13, FN. 14. 8
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§ 2 Vereinbarkeit der deutschen
Rechnungslegungsvorschriften mit der Bilanzrichtlinie In diesem Teil der Arbeit werden zunächst der Anwendungsbereich und die grundlegenden Zielvorschriften des europäischen und deutschen Rechnungslegungsrechts für Kapitalgesellschaften erörtert. Dann werden die Gliederungsschemata für die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung verglichen und die Übereinstimmung einzelner problematischer Posten untersucht. Schließlich wird geprüft, ob die umgekehrte Maßgeblichkeil der Steuerbilanz für die Handelsbilanz im deutschen Recht mit der Bilanzrichtlinie vereinbar ist und ob der deutsche Gesetzgeber hinreichende Sanktionen für den Fall der Verletzung der Offenlegungspflicht erlassen hat.
A. Anwendungsbereich der Richtlinie: Art. 1 I. Den vereinheitlichten Rechnungslegungsvorschriften unterworfene Gesellschaftsformen
Art. 1 der 4. EG-Richtlinie begrenzte in seiner ursprünglichen Fassung vom 25. Juli 1978 den Anwendungsbereich der in der Richtlinie enthaltenen Vorschriften für die Bundesrepublik Deutschland auf die AG, KGaA und GmbH. Streng an diesem Wortlaut orientiert hat der deutsche Gesetzgeber davon abgesehen, die Kapitalgesellschaft & Co. in den zweiten Abschnitt des dritten Buches des HGB einzubeziehen. Es wurden verschiedentlich Zweifel daran geäußert, daß es mit den Zielen der Richtlinie vereinbar sei, die in Deutschland wirtschaftlich so bedeutende GmbH & Co.KG von den vereinheitlichten Rechnungslegungsvorschriften auszunehmen 1• In der Richtlinie 90 I 605 /EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 8. November 1990 2 ist nunmehr die Bilanzrichtlinie dahingehend geändert worden, daß sie auch für die Kapitalgesellschaft & Co., in der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, Anwendung findet. Art. 3 der Änderungsrichtlinie schreibt vor, daß die Mitgliedstaaten vor dem 1. Januar 1993 die erforderlichen Vorschriften erlassen, um diese Rege1 Begr. RegE. BT-Drs. 9/1878, S. 63; Biener, AG ... , S. 24; Busse von Colbe I Chmielewicz, DBW 46 (1986), S. 289, 291; Goerdeler, AnwBI. 1986, S. 220, 224 f. ; Großfeld, NJW 1986, S. 955; Kübler, S. 259 (§ 18 I 5 b); Lutter/Mertens / Ulmer, BB 1983, S. 1737, 1738 f.; Marx/Delp, DB 1986, S. 298, 290; SchaUer, RIW 1988, S. 632, 634; Schulze-Oster1oh, ZHR 150 (1986), S. 403, 429; Schwierz, BB 1984, S. 703, 704. 2 ABI. EG vom 16.11.1990, Nr. L 317/60 ff.
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§ 2 Vereinbarkeil der HGB-Vorschriften mit der Richtlinie
Jung umzusetzen, und daß dabei vorgesehen werden kann, daß die Gesellschaften der betroffenen Rechtsform die vereinheitlichten Rechnungslegungsvorschriften zum ersten Mal für das am 1. Januar 1995 oder im Laufe des Jahres 1995 beginnende Geschäftsjahr anwenden. Mit dieser Änderungsrichtlinie ist nun ausdrücklich festgeschrieben, was - wie im folgenden erläutert werden soll aufgrund der Richtlinienziele ohnehin geboten erschien.
II. Zweck und Grundgedanke der Bilanzrechtsvereinheitlichung
Der Präambel der Bilanzrichtlinie sind die Motive zu entnehmen, die den Richtliniengeber bewogen haben, das Gesellschaftsrecht in Form dieses Regelungswerkes zu vereinheitlichen: die häufig über das nationale Hoheitsgebiet hinausreichende Tätigkeit der genannten Gesellschaften, Fragen des Wettbewerbs und schließlich das Schutzbedürfnis der Gesellschafter, insbesondere aber auch Dritter, denen nur ein beschränktes Haftungspotential zur Verfügung steht. Die genannten Gesichtspunkte der internationalen Tätigkeit und des Wettbewerbs werden durch die allgemeine Begründung zum Vorschlag einer 4. Richtlinie der Kommission vom 16. November 197P verdeutlicht. Dort heißt es: "Die bestehenden Unterschiede zwischen den nationalen Gesetzgebungen auf dem Gebiet der Rechnungslegung können Gesellschaften auch dazu veranlassen, bei der Wahl ihres Niederlassungsorts Länder zu bevorzugen, in denen die diesbezüglichen Anforderungen gering sind. Schließlich können diese Unterschiede auch einen nachteiligen Einfluß auf eine rationelle Orientierung der Kapitalinvestitionen in der Gemeinschaft ausüben, insofern als die Investoren nicht über ausreichende und vergleichbare Auskünfte verfügen, um ihre Entscheidung in voller Sachkenntnis treffen zu können." 111. Vereinheitlichungszweck und in der ursprünglichen Fassung der Richtlinie nicht genannte Gesellschaftsformen
Eine beschränkte Haftung ist im deutschen Gesellschaftsrecht nicht nur bei der AG und GmbH zu finden. Auch den Gläubigem der eingetragenen Genossenschaft haftet gemäß § 2 GenG nur das Gesellschaftsvermögen, wobei es den Gesellschaftern freisteht, für den Konkursfall gemäߧ 6 Nr. 3 GenG eine Nachschußpflicht zu vereinbaren. Bei der Kapitalgesellschaft & Co., in der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, sind Dritte gleichfalls aufgrund des so beschränkten Haftungspotentials besonders schutzbedürftig. Die Genossenschaft indes weist Charakteristika auf, die sie unter dem Aspekt der anderen oben genannten Richtlinienziele deutlich von der AG und der GmbH unterscheiden: Die Erzielung und Maximierung von Gewinnen darf nicht alleini3
Abgedruckt bei Schruff, S. 10-15, Spalte 2.
A. Anwendungsbereich der Richtlinie: Art. 1
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gerZweckdes Unternehmens sein 4 • Vielmehr steht als Gesellschaftszweck dieser Rechtsform die Förderung der Mitglieder im Vordergrund. Diese vorrangige Ausrichtung der Genossenschaft auf die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitglieder mindert den Stellenwert eines Anlegerschutzes gegenüber Kapitalgesellschaften erheblich. Außerdem binden der Förderungszweck und die stärkere persönliche Beziehung zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern die Genossenschaft in höherem Maße als eine Kapitalgesellschaft an den Sitz ihrer Genossen. Eine Genossenschaft zur Förderung landwirtschaftlicher Kleinbetriebe in Süddeutschland wird sich kaum aus gesellschaftsrechtlichen Erwägungen in England oder Portugal niederlassen. Und schließlich ist ein Genossenschaftsanteil auch nicht Gegenstand von Kapitalinvestitionen, wie sie die oben zitierte Begründung anspricht. Vergleichbare Besonderheiten gegenüber AG und GmbH weist die Kapitalgesellschaft & Co. hinsichtlich der Richtlinienziele dagegen nicht auf. Insbesondere die Gesellschafter der oft in dieser Mischform organisierten Massenpublikumsgesellschaften bedürfen desselben Schutzes wie die großer Kapitalgesellschaften. Denkt man ferner an die zahlreichen Immobilienprojekte derartiger Gesellschaften im Bereich des Tourimus, so steht diese Rechtsform auch, was die internationale Betätigung angeht, jedenfalls der zwingend einbezogenen GmbH nicht nach. Der Grund dafür, daß die Kapitalgesellschaft & Co. in der Richtlinie zunächst nicht erwähnt war, ist offenbar allein die mangelnde wirtschaftliche Bedeutung, die diese Rechtsform im übrigen europäischen Raum hat 5 • Die bisherige richterliche 6 wie gesetzgeberische 7 Angleichung der GmbH & Co.KG an die Kapitalgesellschaften in der Bundesrepublik gab berechtigten Anlaß zu der Erwartung, diese Tendenz werde in einer den Richtlinienzielen entsprechenden Einbeziehung fortgeführt 8 • Erst nachdem sich am 19. Dezember 1985 mit Erlaß des Bilanzrichtlinien-Gesetzes diese Erwartung nicht erfüllt hatte, legte die Kommission einen Ergänzungsvorschlag 9 vor, in dessen Präambel bereits - wie nun mit fast gleichen Worten auch in der Änderungsrichtlinie- festgestellt wurde: "Es stünde mit Sinn und Zweck der bezeichneten Richtlinie (= Bilanzrichtlinie, Anm. des Verfassers) in Widerspruch, wollte man es zulassen, daß ein Mitgliedstaat auf solche offene Handelsgesellschaften oder solche Kommanditgesellschaften (deren alleinige unbeschränkt haftende Gesellschafter die Rechtsform einer AG oder einer GmbH haben, Anm. des Verfassers) die Vorschriften dieser Richtlinien nicht anwendet." 4 So Eisenhardt, S. 375, Rd.-Nr. 273 (§ 43 I); Kübler, S. 146 (§ 13 I 1 b); Reinhardt I Schultz, S. 361, Rd.-Nr. 890. s Biener, AG ... , S. 23: Siehe zur Bedeutung der Kapitalgesellschaft & Co. in den einzelnen europäischen Staaten Hesselmann I Tillmann, Rd.-Nr. 41, S. 41 ff. 6 BGHZ 62, S. 216, 227; 65, S. 103, 105; 67, S. 171, 176 f. 7 Siehe§§ 19 V, 125 a, 129 a, 130 a und b, 172 a, 177 a HGB, 4 MitbestG. s So auch Schwierz, BB 1984, S. 703, 704. 9 Vorschlag einer ergänzenden Richtlinie vom 6. Mai 1986, abgedruckt bei Schroff, S. 271 ff.
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§ 2 Vereinbarkeit der HOB-Vorschriften mit der Richtlinie
Die Verwirklichung der mit der Bilanzrichtlinie verfolgten Ziele setzt also die Einbeziehung der GmbH & Co.KG in die vereinheitlichten Rechnungslegungsvorschriften voraus 10• Die Frage, inwieweit Sinn und Zweck der Bilanzrichtlinie im Rahmen einer teleologischen Auslegung über den klaren Wortlaut hinaus eine Verpflichtung des Richtlinienadressaten zu solcher Einbeziehung begründen, hat nunmehr mit Erlaß der Änderungsrichtlinie ihre Bedeutung verloren. Angesichts der Fristenregelung in Art. 3 dieser Änderungsrichtlinie kann ein Vorwurf, der deutsche Gesetzgeber habe gegen die Bilanzrichtlinie verstoßen, indem die GmbH & Co.KG nicht in den zweiten Abschnitt des dritten Buches des HGB einbezogen wurde 11 , nicht mehr aufrecht erhalten werden, sofern bis zum I. Januar 1993 der neuen Regelung Rechnung getragen wird. B. Das Bilanzierungsziel: Art. 2 der Richtlinie Art. 2 der Richtlinie sieht in seinem dritten Absatz als übergeordnetes Ziel der Rechnungslegung die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des jeweiligen Unternehmens vor. Das Gewicht dieser Generalnorm wird in den Absätzen vier und fünf verdeutlicht: Soweit es die Vermittlung eines solchen Bildes erfordert, sind Angaben zu machen, die über das hinausgehen, was die Richtlinie im einzelnen vorschreibt, im Einzelfall ist sogar davon abzuweichen. Die deutsche Umsetzung der Generalnorm des Art. 2 der 4. EG-Richtlinie durch§ 264 li HGB wirft in zweierlei Hinsicht die Frage nach der Vereinbarkeil mit dem europäischen Recht auf: Der deutsche Gesetzgeber hat zum einen den Wortlaut des Art. 2 III erweitert, zum anderen Art. 2 V nicht umgesetzt.
I. Erweiterung des Wortlauts von Art. 2 111 in § 264 II HGB
Art. 2 III bestimmt, daß der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln hat. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Regelung in der Umsetzung in§ 264 li HGB um den Zusatz " unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" w So auch Begr. RegE. BT-Drs. 9/1878, S. 63; Biener, AG ... , S. 24; Busse von Colbe iChmielewicz, DBW 46 (1986), S. 289, 291 ; Goerdeler, AnwBI. 1986, S. 220, 224 f.; Lutter I Mertens I Ulmer, BB 1983, S. 1737, 1738 f.; Marx I Delp, OB 1986, S. 289, 290; Schwierz, BB 1984, S. 703, 704. II Diesen Vorwurf erhoben vor Erlaß der Änderungsrichtlinie wohl zu Recht Kühler, S. 259 (§ 18 I 5b);Schaller, RIW 1988, S. 632, 634; Schwierz, BB 1984, S. 703, 704. Die Gefahr dieses Vorwurfs sahen auch Begr. RegE. BT-Drs. 911878, S. 63; Biener, AG .. ., S. 24; Großfeld, NJW 1986, S. 955; Lutter I Mertens I Ulmer, BB 1983, S. 1737, 1738 f.; Marx I Delp, OB 1986, S. 298, 290; Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), S. 403, 429.
B. Das Bilanzierungsziel: Art. 2 der Richtlinie
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erweitert. Eine solche Ergänzung kann nur dann einen Richtlinienverstoß begründen, wenn diese Grundsätze und die Forderung nach einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage voneinander abweichen. Die Zielbestimmung der Richtlinie geht auf den Grundsatz des "true and fair view" des englischen Rechts zurück 12 • Eine Umschreibung oder Definition dieses Begriffes ist ausgesprochen schwierig 13 • Es gibt aber auch im englischen Recht, ähnlich den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, anerkannte Bilanzierungsprinzipien, deren Anwendung regelmäßig Voraussetzung für die Vermittlung eines "true and fair view" ist 1\ so zum Beispiel die Grundsätze der Willkürfreiheit (objectivity) 15 und der Stetigkeit (consistency) 16• Hier schon zeigt sich eine Parallele von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und der Forderung nach einem "true and fair view". Zu Recht wird in diesem Zusammenhang "dieselbe Abstraktionshöhe" beider Leitmotive festgestellt 17 • In die gleiche Richtung deutet die Tatsache, daß gleichzeitig mit der Forderung nach einem "true and fair view" weitere in England als grundlegend erachtete Bilanzierungsregeln in die Richtlinie aufgenommen bzw. dort verdeutlicht wurden 18 : So fanden das "going concem concept", wonach bei der Rechnungslegung von der Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist, und das "accrual concept", das eine periodengerechte Berücksichtigung der Erfolgsbeiträge eines Geschäftsjahres im Jahresabschluß unabhängig von der jeweiligen Ausgabe oder Einnahme fordert, Niederschlag in Art. 28 I a und d des Vorschlags vom 26. Februar 1974 19 (Art. 31 I a und d der endgültigen Fassung), das "prudence concept"- das Vorsichtsprinzip- wurde in Art. 28 I c des Vorschlags vom 26. Februar 1974 (Art. 31 I c der endgültigen Fassung) gegenüber früheren Entwürfen hervorgehoben. Nunmehr gibt die Richtlinie selbst vielerlei Hinweise darauf, daß das "true and fair view"-Konzept und die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung vergleichbare Inhalte aufweisen: Es sind dort kodifiziert das Gebot der Klarheit des Jahresabschlusses in Art. 2 li, das going-concem-Prinzip in Art. 31 I a, das 12 ADS, § 264, Rd.-Nr. 38; Biener, AG ... , S. 27; Hofbauer, DStR 1982, Sonderbeilage zu Heft 15, S. 5. 13 Chastney, S.49; Edey, Accountancy Aug. 1971, S.440f.; Nobes/Parker, S.68 (3.5). Siehe dazu auch Niehus, DB 1979, S. 221 f. und Scho1tissek, RIW 1986, S. 966, 967. 14 Lee, 2. Aufl., S. 326 (14.3); ferner auch Hofbauer, DStR 1982, Sonderbeilage zu Heft 15, S. 5 und Tubbesing, AG 1979, S. 91, 93. 15 Lee, 2. Aufl., S. 326 (14.3). 16 Chastney, S. 53. 11 Schu1ze-Osterloh, ZHR 150 (1986), S. 532, 539. Ähnlich auch Nobes, Towards 1992, S. 91 f. 18 Die folgenden Prinzipien bringt auch Woolf, S. 366 f. (9.3.17), in Zusammenhang mit der Forderung nach einem "true and fair view". 19 Abgedruckt bei Schruff, S. 140!141, Spalte 3.
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§ 2 Vereinbarkeil der HGB-Vorschriften mit der Richtlinie
Realisations- und Vorsichtsprinzip in Art. 31 I c und der Grundsatz der Einzelbewertung in Art. 31 I e, alles Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nach deutschem Bilanzierungsverständnis. Die Protokollerklärung des Rates zu Art. 2 IV 20, wonach die Befolgung der einzelnen Richtlinienbestimmungen in der Regel der Zielvorstellung des Art. 2 III genügt, verdeutlicht die Übereinstimmung dieser Grundsätze und der Forderung nach einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Daneben ist diese Übereinstimmung aber auch der Entstehungsgeschichte der Richtlinie zu entnehmen: Während sich der Vorentwurf vom 9. März 1968 (Art. 2 I S.2) und der Richtlinienvorschlag vom 16. November 1971 (Art. 2 II) 21 noch ausdrücklich auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung bezogen, entfiel dies im geänderten Vorschlag vom 26. Februar 1974 mit der Begründung 22 , daß die Forderung nach einem getreuen Einblick deren Anwendung zwangsläufig zur Folge habe. Freilich ist das "true and fair view"-Konzept im englischen Recht in vielen detaillierten Bilanzierungsregeln konkretisiert. Hierbei kommt besondere Bedeutung den vom Accounting Standards Committee (ASC) herausgegebenen Statements of Standard Accounting Practice (SSAP) zu: Diese Bilanzierungsregeln haben zwar keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung, ihre Befolgung gewährleistet aber doch regelmäßig einen "true and fair view" im englischen Sinne23. Jahresabschlüsse werden sowohl von Wirtschaftsprüfern wie auch vor Gericht daraufhin überprüft, ob sie mit diesen Regeln übereinstimmen; das Ergebnis dieser Untersuchung gilt als prima-facie-Beweis für oder gegen die Vermittlung eines "true and fair view"24 • Art. 2 III und V der Richtlinie sind indes nicht so zu verstehen, daß aufgrund dieser Vorschriften jedes einzelne SSAP und anderweitige Konkretisierungen des "true and fair view"-Konzepts im englischen Bilanzrecht Bestandteil der europäischen Regelung geworden sind. Für die Frage, ob die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und das Gebot des Art. 2 III voneinander abweichen, kann nicht ausschlaggebend sein, inwieweit jede Einzelheit der britischen Auffassung von einem "true and fair view" den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht 2S, sondern nur, welche Anforderungen der Richtliniengeber an einen "true and fair view" stellt. Trotz Anlehnung der Generalklausel des Art. 2 III an das englische Konzept handelt es sich bei der Forderung der Richtlinie 20 Abgedruckt bei Schroff, S. 30131, Spalte 4. 21 Abgedruckt bei Schroff, S. 28129, Spalten 1 und 2. 22 Geänderter Vorschlag zu Art. 2 mit Begründung abgedruckt bei Schroff, S. 28129,
Spalte 3. 23 Coopers & Lybrand, Student's Manual, S. 40 (3.39); Nobes I Parker, S. 68 f. In diesem Sinne wohl auch Edey, Accountancy Aug. 1971, S. 440, 441. 24 Hoffman I Arden, Accountancy Nov. 1983, S. 154, 155, Rd.-Nr. 9; siehe auch Rd.Nr. 8 und 11. 2s Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), S. 532, 539.
B. Das Bilanzierungsziel: Art. 2 der Richtlinie
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nach einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage um einen autonomen Gemeinschaftsbegriff, dessen Bedeutung anband des Gemeinschaftsrechts zu ermitteln ist 26. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß der Grundsatz des "true and fair view" im Sinne der Richtlinie und die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung einander entsprechen27. Ein Richtlinienverstoß ist in der Ergänzung des Wortlauts von Art. 2 III durch den deutschen Gesetzgeber in § 264 II HGB nicht zu sehen 28 .
II. Die Ausnahmeregelung des Art. 2 V
Art. 2 V der 4. EG-Richtlinie gebietet, von in der Richtlinie vorgegebenen Einzelbestimmungen abzuweichen, wenn deren Anwendung im Einzelfall mit dem in Art. 2 III normierten Ziel eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unvereinbar wäre. Diese Regelung wurde vom deutschen Gesetzgeber mit der Begründung, daß es einer solchen Bestimmung nicht bedürfe, da ihr Inhalt im deutschen Recht ohnehin durch die Regeln der Auslegung gewährleistet sei 29 , nicht in das BilanzrichtlinienGesetz übernommen. In der Literatur wird teilweise bezweifelt, daß das Unterlassen der Transformation mit der Richtlinie vereinbar ist 30 : Der klare Vorrang der in Art. 2 III niedergelegten Zielbestimmung gegenüber den Einzelvorschriften, wie er in Art. 2 V in besonderem Maße zum Ausdruck komme, erfahre im deutschen Recht ohne ausdrückliche Umsetzung keine hinreichende Berücksichtigung 31 • Dieser Vorwurf soll anhand der Reichweite der Auslegungsmöglichkeiten im deutschen Recht und des Aussagegehalts von Art. 2 V der Richtlinie überprüft werden.
1. Gesetzesauslegung im deutschen Recht Im deutschen Recht ist die am Wortlaut orientierte Auslegung eine Methode unter anderen. Daneben dienen die historische, die systematische und insbesonde-
26 Allgemein für die in der Richtlinie verwendeten Begriffe Bleckmann in HURB,
s. 11, 24, 25.
27 Hofbauer, DStR 1982, Sonderbeilage zu Heft 15, S. 5; Niehus, DB 1979, S. 221,
225.
2s So auch Beisse in Mellwig I Moxter I Ordelheide, S. 15, 26; Biener, AG, ... , S. 29; Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), S. 532, 538 f. 29 So Begr. RegE. BT-Drs. 101317, S. 77. 3o So ADS, § 264, Rd.-Nr. 43,47, 48; Grabowski, S. 88 f.; Schwark, BB 1982, S. 1149, 1151. 31 Grabowski, S. 88, 89; Schwark, BB 1982, S. 1149, 1151. Ähnlich auch ADS, § 264, Rd.-Nr. 43.
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§ 2 Vereinbarkeil der HGB-Vorschriften mit der Richtlinie
re auch die teleologische Methode der Rechtsfindung 32 . Dabei ist der Wortlaut nicht notwendig die Grenze jeder Gesetzesanwendung. Vielmehr kann die teleologische Auslegung sogar dazu führen, daß Normen, die ihrem Wortlaut nach zweifelsfrei anwendbar erscheinen, im Einzelfall unanwendbar sind (teleologische Reduktion) 33 • So wird beispielsweise § 181 BGB, der das Insichgeschäft verbietet, nicht angewendet, wenn das jeweilige Geschäft dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil verschafft 34• In die teleologische Auslegung können dabei auch gesetzlich festgelegte, allgemeine Zielbestimmungen einfließen, ohne daß deren Vorrang ausdrücklich vorgeschrieben sein muß 35 • 2. Der Aussagegehalt von Art. 2 V a) Ursprung des Art. 2 V im englischen Recht Die derzeit gültige Fassung von Art. 2 III- V der 4. EG-Richtlinie geht auf das englische Konzept des "true and fair view" zurück 36 und ist erst nach Eintritt Großbritanniens in die EG entstanden: Vorher gab es zwar eine allgemeine Zielbestimmung- vergleichbar dem heutigen Art. 2 III- in den Vorarbeiten, jedoch keine den Absätzen 4 und 5 des Art. 2 vergleichbaren Vorschriften 37 . Die Motivation für die Aufnahme des Abs. 5 nach Eintritt Großbritanniens wird deutlich, wenn man sich die Besonderheiten der Gesetzesanwendung im englischen Recht vergegenwärtigt. b) Gesetzesanwendung im englischen Recht Die Auslegung kodifizierten Rechts ist in England sehr viel stärker als in Deutschland an den Buchstaben des Gesetzes orientiert 38 . Dort nämlich haben die vom Parlament erlassenen Normen historisch bedingt eine andere Bedeutung als auf dem Kontinent: Sie werden als punktueller Einbruch des Gesetzgebers in das traditionelle, auf Präjudizien beruhende Richterrecht ("case-law") angesehen und entsprechend dieser Auffassung eng und strikt nach dem Wortlaut Larenz, MetL., S. 305 ff. Vgl. Larenz, MetL., S. 375. 34 BGHZ 59, S. 236, 240; 94, S. 232, 235. 35 Vgl. dazu Larenz, MetL., S. 380: "Mitunter wird die Einschränkung einer gesetzlichen Vorschrift auch auf dem Wege erreicht, daß der einschränkende Satz mit Hilfe der Konkretisierung eines ausfüllungsbedürftigen Maßstabes wie desjenigen von ,Treu und Glauben' gefunden wird." 36 ADS, § 264, Rd.-Nr. 38; Biener, AG ... , S. 27; Hofbauer, DStR 1982, Sonderbeilage zu Heft 15, S. 5. 37 Siehe hierzu Synopse bei Schroff, S. 26 - 31. 38 Dale, S. 308. Siehe auch Cross, Interpretation, S. 41 , 44 f., 47; Farrar I Dugdale, S. 145 f.; Maxwell I Langan, S. 28 ff. 32 33
B. Das Bilanzierungsziel: Art. 2 der Richtlinie
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ausgelegt 39. Rechtssicherheit und Gewaltenteilung werden als Gründe angeführt, so wenig wie möglich vom Gesetzeswortlaut abzuweichen oder über ihn hinauszugehen40. Der englische Gesetzgeber hat sich dieser Auslegungspraxis angepaßt41: Die meisten modernen Gesetze enthalten einen Abschnitt, in dem die verwendeten Begriffe erklärt und definiert werden. Zwar ist der Trend zu einer weniger auf den Wortlaut beschränkten Auslegung zu erkennen 42 , dessen Ausmaß und Durchsetzung aber noch nicht absehbar. Aus einer Debatte im House of Lords vom 15. Dezember 1982 über verschiedene Probleme der Gesetzgebung stammt folgende Äußerung des Lord Chancelors: "How often when a Minister has said ,the courts will take a sensible view of this' have I heard the words from the Back Benches, ,weil, Iet us have it written into the statute' ?" 43. Um ein vom Gesetzgeber gewolltes Abweichen von dem Wortlaut oder ein Hinausgehen über ihn sicherzustellen, bedarf es einer ausdrücklichen Ermächtigung. Die Notwendigkeit des Art. 2 V aus englischrechtlicher Sicht mag auch das folgende Beispiel englischer Rechtsprechung verdeutlichen: Das House of Lords hatte zu entscheiden, ob Prinz Ernst August von Hannover Schäden aus dem zweiten Weltkrieg nach englischem Kriegsentschädigungsrecht ersetzt verlangen konnte 44 • Gesetzliche Voraussetzung ist hierfür, daß der Anspruchsteller die englische Staatsbürgerschaft durch Geburt erlangt hat. Diese Voraussetzung erfüllte Prinz Ernst August von Hannover nicht. Allerdings wurde im Jahre 1705 ein Gesetz erlassen, wonach alle Nachfahren der Prinzessin Sophia als englische Staatsbürger durch Geburt gelten. Obgleich sich aus dem historischen Zusammenhang und der Präambel dieses Gesetzes ableiten läßt, daß es dessen Sinn allein war, die englische Thronfolge zu sichern 45 , wurde die Vorschrift streng nach dem Wortlaut im vorliegenden Fall angewandt und die Entschädigung, wiewohl eine Einschränkung des Anwendungsbereiches der in Frage stehenden Norm nach ihrem Sinn und Zweck geboten erscheint, zugesprochen. Zu dem Verhältnis von der in diesem Fall den Gesetzeszweck erhellenden Präambel zum eigentlichen Gesetzestext führt Viscount Simonds dabei aus, daß der anerkannten Regel zuzustimmen sei, wonach die Präambel nicht zur Überprü39 Näher dazu Fikentscher, S. 112, 115; James, S. 9; Zweigert I Kötz, S. 306 ff. (§ 20
III).
40 Siehe Stock v. Frank Jones (Tipton) Ltd. (1978) 1 AllER 948, 953; Duport Steels Ltd. and others v. Sirsand others (1980) 1 AllER 529, 541. 41 Bennion, S. 106. 42 Cross, Precedent, S. 166; Cross, Interpretation, S. 188 ff.; James, S. 10; Zweigert/ Kötz, S. 310, 311 (§ 20 III). 43 Parliamentary Debates, House of Lords, Vol. 437, Spalte 637. 44 Attomey-General v. H. R. H. Prince Emest Augustus of Hanover, (1957) I AllE. R. 49.
45 Das kommt auch in dem Votum Lord Normands zum Ausdruck, Attomey-General v. H. R. H. Prince Emest Augustus of Hanover, (1957) I AllE. R. 49, 57.
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§ 2 Vereinbarkeil der HGB-Vorschriften mit der Richtlinie
fung des eigentlichen Gesetzestextes herangezogen werden dürfe, wenn letzterer klar und eindeutig ist 46 • Und Lord Normand erklärt: "If they (= the enacting words) admit of only one construction, that construction will receive effect, even if it is inconsistent with the preamble, ..." 47 . Der klare und eindeutige Wortlaut einer Vorschrift genießt im englischen Recht also - anders als im kontinentalen - unbedingten Vorrang vor anderen Auslegungsquellen. Diese Einsicht ist deshalb von erheblicher Bedeutung für den Aussagegehalt von Art. 2 V, weil sie zeigt, daß diese Vorschrift nicht notwendig die Intention verfolgt, den Rahmen deutscher Gesetzesanwendung zu beeinflussen. Ferner ist bei der Frage, in welchem Ausmaß die Forderung nach einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage die Einzelbestimmungen überlagert, auch die Protokollerklärung des Rates zu Art. 2 IV 48 zu berücksichtigen. Danach genügt die Anwendung der Richtlinienvorschriften in der Regel dieser Zielsetzung. Aus diesen Erwägungen ist der Schluß zu ziehen, daß die in Art. 2 V zum Ausdruck gekommene Dominanz des "true and fair view"-Prinzips nicht den weiten Rahmen übersteigt, den das deutsche Recht im Bereich der Gesetzesauslegung und -anwendung eröffnet. Die Generalnorm des Bilanzrechts ist - auch von einem Kritiker der deutschen Umsetzung 49 - mit § 242 BGB verglichen worden 50 • Auch§ 242 BGB bedarf aber zur Durchsetzung des in ihm verankerten fundamentalen Rechtsgedankens keiner ausdrücklichen Bestimmung seines Vorranges 5 1. Die Möglichkeit, auch ohne Ausnahmeregelung wie Art. 2 V im deutschen Recht zu "zielkonformen" Ergebnissen zu gelangen, zeigt das vielfach als denkbarer Anwendungsfall von Art. 2 V zitierte 52 Beispiel der langfristigen Fertigung, wo schon lange vor dem Bilanzrichtlinien-Gesetz zum Zwecke einer getreuen Darstellung der Ertragslage ein Abgehen vom strengen Realisationsprinzip mit guten Gründen vertreten wurde 53 • Wenngleich sachlich im einzelnen umstritten 54, ist dies methodisch jedenfalls nicht zu beanstanden. Für die Übernahme des Art. 2 V in das HGB bestand daher keine Veranlassung 55 ; der deutsche In der angegebenen Entscheidung, S. 55. In der angegebenen Entscheidung, S. 58. 48 Abgedruckt bei Schruff, S. 30/31, Spalte 4. 49 Schwark, BB 1982, S. 1149, 1151. 5o Neben Schwark, s. FN. 49, auch Grossfeld, AG 1987, S. 261, 264. 51 Vgl. dazu Larenz, MetL., S. 380. 52 So z.B. bei Forster in einem Beitrag zum "Meinungsspiegel", BFuP 1979, S. 85; Grabowski, S. 89; Hartung, RIW 1988, S. 52; Schildbach, WPg 1979, S. 277, 284. 53 ADS, 4. Aufl., § 149, Rd.-Nr. 70, 71; Bodarwe, DB 1971, S. 1973 ff; am weitesten Krause/ Schmidt, DB 1972, S. 689 ff. 54 Siehe zu dem Streitstand Sarx in Beck' Bilkomm, 2. Aufl., § 255, Rd.-Nr. 452 ff., insbes. 460. 46 47
C. Die Gliederungsschemata: Art. 9, 23 und 25
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Gesetzgeber hat nicht gegen die Richtlinie verstoßen, indem er von einer ausdrücklichen Umsetzung absah 56•
C. Die Gliederungsschemata: Art. 9, 23 und 25 Die Richtlinie stellt den Mitgliedstaaten für die Bilanz in den Artt. 9 und 10 zwei Gliederungsschemata, für die Gewinn- und Verlustrechnung in den Artt. 23-26 sogar vier Gliederungsschemata zur Auswahl. Hinsichtlich der Bilanz kann zwischen Konto- und Staffelform gewählt werden, bei der Gewinn- und Verlustrechnung tritt die Wahl zwischen Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren hinzu. Es steht den Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 und Art. 22 frei, diese Wahlrechte an die Unternehmen weiterzugeben. Der deutsche Gesetzgeber hat nur die Schemata der Artt. 9, 23 und 25 umgesetzt. Danach ist die Bilanzierung nur in Kontoform zulässig. Die Gewinn- und Verlustrechnung muß nach deutschem Recht in Staffelform erstellt werden, die Unternehmen können aber zwischen Gesamtkosten- und Umsatzkostenverfahren wählen. Bleckmann und sich ihm anschließend Hartung rügen, daß der deutsche Gesetzgeber bei der Erstellung der Gliederungsschemata für Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung seinen Pflichten zu richtlinientreuer Umsetzung nicht hinreichend nachgekommen sei 57 • Dieser Vorwurf wird nicht weiter konkretisiert. Es wird allerdings darauf hingewiesen, daß es unter anderem Zweck der Richtlinie sei, Jahresabschlüsse gewissermaßen "international" lesbar zu machen: Der Europäer solljede europäische Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung lesen können - ohne Kenntnis der nationalen Regelungen und allein aufgrund seines Wissens um die europäischen Bestimmungen 58 • Tatsächlich weist die Gegenüberstellung der Schemata des HGB und der Richtlinie eine größere Zahl von Abweichungen sowohl der Postennumerierung wie auch der Bezeichnung der einzelnen Posten auf. Es erscheint allerdings fraglich, ob jede Abweichung einen Richtlinienverstoß darstellt.
I. Abweichungen in der Numerierung der Posten
Jedenfalls die bloße Änderung der Postennumerierung gegenüber der Richtlinie ist angesichts der Wahlrechte und Möglichkeiten, Posten hinzuzufügen oder So wohl auch Jonas, S. 59. So auch Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), S. 532, 541 f. 57 Bleckmann in HURB, S. 11, 25; ders. BB 1984, S. 1525; Hartung, RIW 1988, S. 52, 54. 58 Bleckmann in HURB, S. 11, 25; ders. BB 1984, S. 1525; ders. RIW 1987, S. 929, 933; Hartung, RIW 1988, S. 52, 54. 55
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§ 2 Vereinbarkeil der HGB-Vorschriften mit der Richtlinie
wegzulassen (vgl. Art. 4), unvermeidbar und daher mit der Richtlinie vereinbar. Dies bestätigt die Protokollerklärung des Rates zu Art. 4 59 : "Es wurde im übrigen anerkannt, daß die am besten geeignete Kodifizierung (z. 8. Dezimalkodifizierung) verwendet werden kann, soweit die Struktur der Schemata der Richtlinie bei der Rechnungslegung beachtet wird."
II. Abweichungen in der Bezeichnung der Posten
Mehr Gewicht scheint der Richtliniengeber auf die genaue Bezeichnung der einzelnen Posten zu legen. In der allgemeinen Begründung zum Vorschlag einer 4. EG-Richtlinie vom 16. November 1971 60 heißt es: "Gegenwärtig ist die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse von Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten alles andere als sichergestellt, auch weil die gängige Terminologie in den Mitgliedstaaten für die Posten der Bilanz und der Gewinnund Verlustrechnung vielfach unterschiedlich ist. In den meisten Fällen ist der Bilanzleser, der über die Gliederung der Jahresabschlüsse und die gebrauchte Terminologie in seinem eigenen Land auf dem laufenden ist, nicht imstande, die Jahresabschlüsse von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten zu analysieren." Die "internationale Lesbarkeit" des Jahresabschlusses wird - bei Kenntnis des Lesers von der Richtlinie - durch genaue Übereinstimmung der Postenbezeichnungen begünstigt. Indes darf dieser Effekt nicht überschätzt werden. Er setzt nämlich voraus, daß der Leser die Richtlinie in der Sprache des zu analysierenden Jahresabschlusses vor Augen hat. Anderenfalls ist nur die inhaltliche Entsprechung der Posten von Bedeutung. Hinzu kommt, daß auch für die Interpretation der einzelnen Posten nicht allein die sprachliche Fassung der Richtlinie in der jeweiligen Übersetzung ausschlaggebend ist, sondern die Texte in allen Sprachen der Mitgliedstaaten zu einer einheitlichen Auslegung heranzuziehen sind 61 • Dies dokumentiert die zweitrangige Bedeutung der einzelnen sprachlichen Fassung. Wo der Inhalt eines Postens durch eine vom Richtlinienwortlaut abweichende Bezeichnung im nationalen Recht - gemessen an der Richtlinie richtig, vor allem aber präziser und klarer umschrieben wird als in der jeweiligen landessprachlichen Fassung der Richtlinie, dient sie der Rechtssicherheit und damit auch den Richtlinienzielen, indem sie Unklarheiten bei der Anwendung des neuen Rechts vermindert und so zur Vereinheitlichung der Gliederungsinhalte beiträgt. Gleiches gilt für den Fall, daß frühere Postenbezeichnungen (für das Abgedruckt bei Schroff, S. 32/33, Spalte 4. Abgedruckt bei Schroff, S. 10-15, Spalte 2. 61 Allgemein für die Auslegung von Gemeinschaftsrecht Schweitzer I Hummer, 2. Auf!., S. 199 f. (§ 7 B li); EuGH Urteil vom 12.11.1969, RS. 29/69, Erich Stauder gegen Stadt U1m, Sozialamt, Slg. 1969, S. 419, 425. So verfährt auch der EuGH im Urteil vom 11. 7.1985, RS. 107/84, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1985, S. 2655, 2666. 59
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C. Die Gliederungsschemata: Art. 9, 23 und 25
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deutsche Recht die der § § 151, 157 AktG 1965), die sich inhaltlich mit denen der Richtlinie decken, beibehalten werden 62 • Entscheidend für die Frage der Richtlinientreue ist daher nicht die wörtliche Übereinstimmung der einzelnen Posten von Richtlinie und nationalem Gesetz 63, sondern ob die nationalen Gliederungspunkte inhaltlich der europäischen Vorgabe entsprechen. Hierbei ist allerdings zu beachten, daß interpretationsfähige Postenbezeichnungen der Richtlinie nicht jeder beliebigen- wenn auch vom Wortlaut her vielleicht möglichen- Interpretation des nationalen Gesetzgebers zugänglich sind. Es bedarf vielmehr einer einheitlichen Norminterpretation unter Beachtung der Zuständigkeiten der Gemeinschaft, da anderenfalls im Wege unterschiedlicher nationaler Umsetzungen das Harmonisierungsziel verfehlt würde 64 • Zu diesem Zweck ist die Richtlinie aus sich selbst heraus- gegebenenfalls unter Berücksichtigung der dazu vorhandenen Materialien und anderer gemeinschaftsrechtlicher Quellen- auszulegen. Ein Richtlinienverstoß liegt vor, wenn die so verstandene Auslegung der Richtlinienbestimmungen inhaltliche Abweichungen der nationalen Gliederungsschemata offenbart.
111. Das Bilanzschema
Der deutsche Gesetzgeber hat sich für die Übername allein des Schemas aus Art. 9 der Richtlinie entschieden, also für die Darstellung der Bilanz in der Kontoform. Es ist in § 266 II und III HGB umgesetzt. 1. Aktiva
a) Ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital Der Posten A. der Richtlinie "Ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital" fehlt in§ 266 II HGB. Eine dem in der Richtlinie zu diesem Posten eingeräumten Wahlrecht entsprechende Regelung findet sich jedoch in § 272 I S.2 HGB. Danach können - wie es auch die Richtlinie freistellt - die ausstehenden 62 So wurde beispielsweise die Formulierung "Erhöhung oder Verminderung des Bestands .. ."in§ 275 li Nr. 2 HGB in Abweichung von der Formulierung "Veränderung des Bestandes ..."in Art. 23 Nr. 2 der Richtlinie aus§ 157 I Nr. 2 AktG 1965 übernommen. Weitere derartige Fälle werden unten unter § 2 C. III. 1. d) und f) behandelt. Den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit betont auch Lutter, Europäisches Untemehmensrecht, s. 13. 63 Allgemein für Richtlinienbestimmungen Beisse, FS. Döllerer, S. 25, 37; Lutter, Europäisches Untemehmensrecht, S. 13. 64 Bleckmann, BB 1984, S. 1525; Für einen ähnlichen Fall so auch EuGH Urteil vom 8.12.1970, RS. 14/70, Deutsche Bakels GmbH gegen Oberfinanzdirektion München, Slg. 1970, S. 1001, 1008, 1011.
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§ 2 Vereinbarkeit der HGB-Vorschriften mit der Richtlinie
Einlagen entweder auf der Aktivseite vor dem Anlagevermögen ausgewiesen werden oder aber, soweit nicht eingefordert, vom gezeichneten Kapital auf der Passivseite offen abgesetzt und, soweit eingefordert, unter den Forderungen gesondert aufgeführt werden. b) Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens Der unter Aktiva B. in der Richtlinie enthaltene Posten "Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens" ist, wie dort beschrieben, abhängig von der Behandlung dieser Aufwendungen in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für ein Ansatzwahlrecht entschieden, hierbei aber den Umfang der Aufwendungen gegenüber der Richtlinie auf solche für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs beschränkt 65 : Die Aufwendungen, die im Rahmen der rechtlichen Gründung des Unternehmens entstehen, wie Notariatskosten, Kosten des Drucks der Aktienurkunden, Genehmigungsgebühren etc. sind in§ 248 I HGB einem Aktivierungsverbot unterworfen. Soweit hiernach Aufwendungen bilanziert werden, hat dies gemäß § 269 S.1 HGB an gleicher Stelle zu geschehen, wie in der Richtlinie vorgeschrieben. Aufgrund der ausdrücklichen Rücksichtnahme der Richtlinie auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ist in der beschränkten Zulassung der Bilanzierung im deutschen Recht kein Richtlinienverstoß zu erkennen. c) Forschungs- und Entwicklungskosten Der Posten "Forschungs- und Entwicklungskosten" unter C.I.l. der Richtlinie erscheint im deutschen Schema nicht, da deren Aktivierung, was die Richtlinie freistellt, nach deutschem Recht unzulässig ist. d) Konzessionen, Patente etc. Unter C.I.2. sind in der Richtlinie "Konzessionen, Patente, Lizenzen, W arenzeichen und ähnliche Rechte und Werte" auszuweisen. Der deutsche Gesetzgeber hat unter Anlehnung an den entsprechenden Posten in § 151 AktG 1965 die Bezeichnung "Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und
s:
65 Biener, AG ... , S. 43; Grabowski, 153. Siehe auch Begr. zu Art. 32 des Vorschlags vom 16. Nov. 1971, abgedruckt bei Schroff, S. 162/163, Spalte 2: "Die Richtlinie verbietet eine Aktivierung der Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens nicht. Den Mitgliedstaaten sind in dieser Beziehung keine Beschränkungen auferlegt ... Die Richtlinie gibt keine Definition der Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens. Die verschiedenen nationalen Definitionen bleiben folglich gültig."
C. Die Gliederungsschemata: Art. 9, 23 und 25
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Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten" gewählt. Inhaltlich entsprechen sich die Posten: Die gewerblichen Schutzrechte umfassen zum einen die in der Richtlinie ausdrücklich genannten Patente und Warenzeichen, zum anderen die dort zu den ähnlichen Rechten zählenden Gebrauchs- und Geschmacksmuster66. Eine Untergliederung des Postens nach Herkunft der Rechte und Werte, wie sie die Richtlinie zusätzlich vorsieht, konnte im deutschen Recht unterbleiben, da die Aktivierung selbst erstellter immaterieller Anlagewerte gemäߧ 248 li HGB verboten ist. Der Ansatz wird, wie aus Art. 9 Aktiva C.I.2.b) hervorgeht, auch von der Richtlinie nicht gefordert. e) Geschäfts- oder Firmenwert Die Richtlinie sieht gemäß Art. 9 Aktiva C.I.3. unter den immateriellen Anlagewerten einen Posten für den Geschäfts- oder Firmenwert vor, soweit dieser entgeltlich erworben wurde. Im Unterschied zu dem Posten "Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens" in Art. 9 Aktiva B. enthält die Richtlinie in Art. 9 Aktiva C.I.3. für den Geschäfts- oder Firmenwert keinen ausdrücklichen Hinweis auf ein Aktivierungs- oder Mitgliedstaaten-Wahlrecht. Hieraus ist geschlossen worden, daß die Richtlinie eine Pflicht zur Aktivierung des entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwertes begründe 67 und der deutsche Gesetzgeber durch Gewährung des Aktivierungswahlrechts in § 255 IV S.l HGB gegen dieses Gebot verstoßen habe68. Diese Folgerung erscheint jedoch nicht zwingend. Gemäß Art. 37 II S.l der Richtlinie gilt für den Geschäfts- oder Firmenwert die Regelung des Art. 34 I a) entsprechend, die einen Abschreibungszeitraum von höchstens fünf Jahren für Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens festlegt, soweit deren Aktivierung durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften gestattet ist. Diese Verweisung auf Art. 34 I a) kann auch so zu verstehen sein, daß der derivative Geschäfts- oder Firmenwert genau wie die Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens in die Bilanz aufzunehmen ist, "soweit die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine Aktivierung ... gestatten" 69 . Der Richtliniengeber hat den Mitgliedstaaten - wie bei der Erörterung der Pensionsverpflichtungen gezeigt werden wird 70 - auch an anderer Stelle Wahlrechte eingeräumt, die den Gliederungsschemata der Artt. 9 und 10 der Richtlinie als solche nicht zu entnehmen sind. Die Entwicklung der 4. EG-Richtlinie stützt die Auslegung der Artt. 37 li S.l und 34 I a) in diesem Sinne. Schon das Gliederungsschema des Art. 6 des 66 Siehe Hubmann, S. 1 f. 67 Biener, AG ... , S. 130; Jonas, S. 84, FN. 6. 68 Hofbauer in Hofbauer I Kupsch, BHR, § 255, Rd.-Nr. 74, 75. 69 So auch ADS, § 255, Rd.-Nr. 297. 70 Siehe unten, § 2 D. II. 2.
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§ 2 Vereinbarkeil der HGB-Vorschriften mit der Richtlinie
Vorentwurfs vom 9. März 1968 enthielt unter dem Gliederungspunkt B.l.2. den Posten "derivativer Firmen wert" ohne Hinweis auf ein Aktivierungswahlrecht7 1, obwohl Art. 28 II des Vorentwurfs ein solches ausdrücklich vorsah: "Ein derivativer Firmenwert darf aktiviert werden." 72 Dieses Wahlrecht wurde mit der entsprechenden Rechtslage und Bilanzierungspraxis in den Mitgliedstaaten begründet73• An die Stelle von Art. 28 des Vorentwurfs trat dann im Richtlinienvorschlag vom 16. November 1971 mit den Artt. 34 II und 32 I a) 74 eine Regelung, die der in den Artt. 37 II und 34 I a) der endgültigen Fassung der Richtlinie entsprach. Es ist nicht ersichtlich, daß hierdurch eine Aktivierungspflicht für den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert eingeführt werden sollte. Vielmehr kann man davon ausgehen, daß der Richtliniengeber ganz im Sinne der Begründung zu Art. 28 des Vorentwurfs den Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Aktivierung überlassen wollte. Hinsichtlich des Aktivierungswahlrechts für den entgeltlichen Geschäfts- oder Firmenwert nach § 255 IV S.I HGB ist dem deutschen Gesetzgeber daher kein Richtlinienverstoß vorzuwerfen. f) Grundstücke und Bauten
Die Erweiterung der Gliederungsüberschrift "Grundstücke und Bauten", Art. 9 Aktiva C.II.l. der Richtlinie, um "grundstücksgleiche Rechte" und "Bauten auf fremden Grundstücken" in § 266 Abs. 2 A II 1 HGB beruht zum einen auf Art. 16 der Richtlinie, der den ersten Zusatz rechtfertigt, zum anderen darauf, daß das Aktiengesetz 1965 in § 151 I einen gesonderten Unterposten "Bauten auf fremden Grundstücken" vorsah, der hier übernommen wurde, um klarzustellen, daß auch solche Bauten um faßt sind- eine Klarstellung, deren die Richtlinie nicht bedarf, da hier kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß der Begriff "Bauten" nicht jene auf fremden Grundstücken umfasse. g) Forderungen des Finanzanlagevermögens Eine weitere Abweichung des Wortlauts des deutschen Bilanzrichtlinien-Gesetzes von der Richtlinie fällt unter den Finanzanlagen auf. Während der nationale Gesetzgeber die Posten unter§ 266 Abs. 2 A III 2 und 4 HGB mit "Ausleihungen" überschreibt, tragen die entsprechenden Posten der Richtlinie (C.III.2. und 4.) die allgemeinere Bezeichnung "Forderungen". Abgedruckt bei Schruff, S. 46/47, Spalte I. n Abgedruckt bei Schruff, S. 172/173, Spalte I.
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Begr. Vorentwurf zu Art. 28, abgedruckt bei Schruff, S. 172/173, Spalte I. Abgedruckt bei Schroff, S. 172/173 und 160/161, jeweils Spalte 2.
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Ausleibungen sind Forderungen, die aus Kapitalhingabe herrühren 75 • Der deutsehe Richtlinientext legt nahe, daß der Richtliniengeber zwischen Forderungen im allgemeinen und Ausleibungen unterscheidet, da in Art. 9 Aktiva C.III.6. anders als in C.lll.2. und 4. Ausleibungen und nicht Forderungen genannt sind. Dennoch sprechen mehrere Gründe dafür, daß auch der Richtliniengeber mit den Posten C.III.2. und 4. nur an Forderungen gedacht hat, die auf Kapitalhingabe beruhen: Die systematische Eingliederung dieser Posten unter den Oberbegriff der Finanzanlagen läßt hier nur solche Forderungen erwarten, die aus der Hingabe von Kapital herrühren. Die englische Fassung der Richtlinie bestätigt dies: Dort sind durchgehend "loans", also Ausleihungen, nicht Forderungen ("debtors") zu finden. Die Bedeutung der anderssprachigen Übersetzungen für die Wortlautinterpretation einer EG-Richtlinie wurde bereits oben festgestellt 76 • Schließlich kann man auch die Bezeichnung "sonstige Ausleihungen" des Sammetpostens unter C.III.6. der Richtlinie als ein Indiz dafür ansehen, daß unter C.III.2. und 4. besondere Ausleihungen, nämlich solche an die dort genannten Unternehmen, auszuweisen sind. Ein Richtlinienverstoß ist daher in der Umsetzung als Ausleibungen nicht zu erkennen. h) Beteiligungen Übereinstimmend sehen die Richtlinie in Art. 9 Aktiva C.III.3. und das HGB in § 266 Abs. 2 A III 3 unter den Finanzanlagen den Posten "Beteiligungen" vor. In Art. 17 der Richtlinie sind die hier zu aktivierenden Beteiligungen als Anteile an anderen Unternehmen definiert, " ... die dazu bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu jenen Unternehmen zu dienen". Diese Definition hat der deutsche Gesetzgeber in § 271 I S.l HGB nahezu wörtlich übernommen. Allerdings nimmt er in § 271 I S.5 HGB Genossenschaftsanteile ausdrücklich hiervon aus. Hintergrund dafür war die Überlegung, daß anderenfalls normale Kredite, die Kreditinstitute in der Rechtsform der Genossenschaft ihren Genossen gewähren, regelmäßig gemäß § 266 Abs. 3 C 7 HGB als Verbindlichkeiten gegenüber Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht, ausgewiesen werden müßten 77 • Auch müßten normale Bankguthaben unter denselben Voraussetzungen als Forderungen nach § 266 Abs. 2 B II 3 HGB bilan~iert werden. 75 Glade, Teil Il, § 266, Rd.-Nr. 228; Pankow I Gutike in Beck' Bilkomm, 2. Aufl., § 266, Rd.-Nr. 77. 76 § 2 C. II. Siehe dazu Schweitzer I Hummer, 2. Aufl., S. 199 f. (§ 7 B II); EuGH Urteil vom 12. 11.1969, RS. 29169, Erich Stauder gegen Stadt Ulm, Sozialamt, Slg.
1969, s. 419, 425. 77 Bericht der Abgeordneten He1mrich, Kleinert und Stiegler, BT-Drs. 1014268, S. 86, 106. 3 Vogel
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§ 2 Vereinbarkeit der HGB-Vorschriften mit der Richtlinie
Indes findet diese Regelung keine Grundlage in der 4. EG-Richtlinie. Genossenschaftsanteile erfüllen in aller Regel die Voraussetzungen des Art. 17. Die Beteiligung an einer Kreditgenossenschaft dient üblicherweise dem Zweck, für eine gewisse Dauer Kredite zu Mitgliedskonditionen in Anspruch nehmen zu können, und genügt damit den Anforderungen des Art. 17 78 • Wollte der deutsche Gesetzgeber diese Konsequenz vermeiden, so hätte er sein Anliegen in den Verhandlungen zu der Richtlinie vorbringen und durchsetzen müssen. Im übrigen beziehen sich die im deutschen Gesetzgebungsverfahren geäußerten Bedenken allein auf die Bilanzierung der Forderungen und Verbindlichkeiten, die im Rahmen eines solchen Beteiligungsverhältnisses bestehen. Den Ausweis der Genossenschaftsanteile als Beteiligungen nach § 266 Abs. 2 A III 3 HGB betreffen sie nicht. Die Regelung des§ 271 I S.S HGB verstößt somit gegen Art. 17 der Richtlinie. i) Eigene Anteile im Anlagevermögen Ein Posten "Eigene Aktien oder Anteile" im Anlagevermögen, wie er unter C.III.7. auf der Aktivseite in der Richtlinie vorgesehen ist, fehlt in§ 266 II HGB. Statt dessen sieht § 265 III S.2 HGB im Gegenteil ausdrücklich vor, daß eigene Anteile "unabhängig von ihrer Zweckbestimmung nur unter dem dafür vorgesehenen Posten im Umlaufvermögen ausgewiesen werden" dürfen. Dies kann nicht darauf zurückgeführt werden, daß nach deutschem Recht eigene Anteile nicht dazu bestimmt werden dürften, "dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen", wie es§ 247 II HGB für eine Zugehörigkeit zum Anlagevermögen voraussetzt. Zwar hat der Erwerb eigener Aktien in den §§ 71 ff. AktG eine Regelung gefunden, die vielfach nur einen Durchgangserwerb vorsieht79 , doch läßt sich hieraus kein allgemeines Prinzip ableiten, das das dauerhafte Halten eigener Anteile ausschlösse. Die Beschränkung des Erwerbs eigener Aktien soll die Einlagenrückgewähr an Gesellschafter unterbinden 80 • Anknüpfungspunkt der Restriktion ist der Erwerbsvorgang, nicht der Besitz eigener Aktien 81 • Das wird besonders deutlich anhand der in§ 71 I Nr. 4 AktG normierten generellen Zulässigkeit, eigene Aktien unentgeltlich zu erwerben. Auch § 33 II GmbHG reglementiert allein den Erwerb, nicht das Halten eigener Geschäftsanteile. Eigene 78 Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren zum Bilanzrichtlinien-Gesetz auch so gesehen, siehe Bericht der Abgeordneten Helmrich, Kleinert und Stiegler, BT-Drs. 1014268, S. 86, 106. Zu den Voraussetzungen des Art. 17 siehe auch Biener, AG .. ., S. 68. 79 So in den §§ 71 I Nr. 2, 3, 4 2. Alt., 6, III S.2, 71 c AktG. so Hefermehl I Bungeroth in GeBier I Hefermehl I Eckardt I Kropff, § 71 , Rd.-Nr. 3; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 675 (§ 29 II 2c). SI So in Zusammenhang mit Arbeitnehmeraktien nach § 71 I Nr. 2 AktG Lutter in Kölner Kommentar zum AktG, § 71 , Rd.-Nr. 38.
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Anteile können somit auch nach deutschem Recht bestimmt werden, dem Geschäftsbetrieb auf Dauer zu dienen. Die Regelung in§ 265 III S.2 HGB ist aus§ 151 III S.3 AktG 1965 übernommen worden. Ihr liegt wohl der Gedanke zugrunde, über die Einordnung in das Umlaufvermögen zwingend eine vorsichtige Bewertung der eigenen Anteile zu erreichen 82 • Bereits im Aktiengesetz 1965 galt für das Umlaufvermögen nach § 155 II das Niederstwertprinzip, so daß die eigenen Anteile gegebenenfalls mit ihrem niedrigeren Börsenpreis zu bewerten waren. Außerdem wird zur Begründung des einheitlichen Ausweises im Umlaufvermögen angeführt, daß eigene Anteile strenggenommen nicht den Kategorien Umlaufvermögen I Anlagevermögen im betriebswirtschaftliehen Sinne entsprächen, die Zuordnung nur vorgenommen wurde, um die Bildung einer weiteren Kategorie unter den Bilanzpositionen zu vermeiden 83 • Die Richtlinie indes sieht die Trennung nach Anlage- und Umlaufvermögen gemäß Art. 15 I und II auch für eigene Anteile vor. Das zeigt schon die Aufführung des Postens "Eigene Aktien und Anteile" sowohl im Anlage- wie auch im Umlaufvermögen. Auf den ersten Blick mag zwar das Fehlen eines Postens für eigene Anteile im Anlagevermögen mit der Richtlinie vereinbar erscheinen: Die Richtlinie fordert den Ausweis eigener Anteile nicht zwingend, sondern überläßt es den nationalen Gesetzgebern, die Bilanzierung zu gestatten oder zu untersagen. Jedoch steht dies in Zusammenhang damit, daß das europäische Bilanzrecht eine Saldierung mit der Rücklage für eigene Anteile nach Art. 9 Passiva A.IV.2./Art. 10 L.IV.2. als Alternative akzeptiert 84 . Ein Wahlrecht hinsichtlich der Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen scheint nicht beabsichtigt. Das wird insbesondere in der Begründung des Vorschlags einer 4. EG-Richtlinie vom 16. November 1971 zu Art. 8 85 deutlich. Dort heißt es: . "Gestattet das nationale Recht die Bilanzierung eigener Aktien, so sind diese entweder unter dem Anlagevermögen oder unter dem Umlaufvermögen auszuweisen, soweit die Gesellschaft die fraglichen Aktien bewahren oder binnen kurzem verkaufen will." Daraus ergibt sich, daß das von der Richtlinie eingeräumte Ansatzwahlrecht hinsichtlich der eigenen Anteile allein die Frage betrifft, ob eigene Anteile bilanziert werden oder nicht, hingegen den Mitgliedstaaten keine Entscheidungsfreiheit darüber zugesteht, wo sie auszuweisen sind. Bestimmt der nationale Gesetzgeber also, daß eigene Anteile bilanzierbar sind, so fordert die Richtlinie ihren Ansatz entsprechend ihrer Zwecksetzung im Anlage- oder Umlaufvermögen. 82 So v.Godin I Wilhelmi, § 151, Rd.-Nr. 26; Mellerowicz in Großkomm. AktG, § 151, Rd.-Nr. 68. 83 So Claussen in Kötner Kommentar zum AktG, § 151 , Rd.-Nr. 29. 84 Siehe dazu Art. 22 I b) der 2. EG-Richtlinie (77 / 91 /EWG), ABI. EG vom 31.1.1977, Nr. L 26/8. 85 Abgedruckt bei Schruff, S. 42-45, Spalte 2.
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Auch die oben für die deutsche Regelung angegebenen Begründungen können ein Abweichen von diesen Richtlinienbestimmungen nicht rechtfertigen: Der Richtliniengeber gibt ein Zuordnungskriterium zu den Kategorien Anlage- und Umlaufvermögen eben auch für eigene Anteile vor. Die Gefahr, die von der Freistellung der eigenen Anteile im Anlagevermögen von dem strengen Niederstwertprinzip ausgeht, ist ohnehin weitestgehend durch das aufgrund der 2. EGRichtlinie86 ergangene Gebot der Rücklagenbildung für eigene Anteile (§ 272 IV HGB) gebannt: Werden die eigenen Anteile gemäß § 253 II S.3 HGB nicht auf den niedrigeren Wert am Abschlußstichtag abgeschrieben - wie in § 253 III HGB für Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens zwingend vorgesehen-, weil es sich nicht um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung handelt, so kann auch die entsprechende Rücklage für eigene Anteile nicht aufgelöst werden. Der Ausweis aller eigenen Anteile ungeachtet ihrer Zwecksetzung im Umlaufvermögen, wie ihn § 265 III S.2 HGB vorschreibt, verstößt gegen die Richtlinie. Der europäische Bilanzleser wird hier nur solche eigene Anteile vermuten, die nicht dazu bestimmt sind, dauernd im Geschäftsvermögen zu verbleiben. j) Unfertige Erzeugnisse Der deutsche Gesetzgeber hat den Posten D.l.2. "unfertige Erzeugnisse" in § 266 II B.I.2. HGB um "unfertige Leistungen" ergänzt. Damit sollte einem wirtschaftlichen Bedürfnis abgeholfen werden, die nicht abgeschlossenen und daher noch nicht abgerechneten Dienstleistungen der Unternehmen entsprechend den noch nicht fertiggestellten Erzeugnissen im Vorratsvermögen zu berücksichtigen87. Obgleich auch § 151 Aktivseite III A Nr. 2 AktG 1965 die unfertigen Leistungen hier nicht erwähnte, wurde dies offenbar bereits vor der neuen gesetzlichen Regelung praktiziert und für zulässig erachtet 88 . Die Erweiterung des Postens gegenüber der Richtlinie wird außerdem damit gerechtfertigt, daß unfertige Leistungen auch in anderen Mitgliedstaaten in das Vorratsvermögen einbezogen würden 89 und diese Handhabung im Kontaktausschuß mit der Kommission und den Mitgliedstaaten abgestimmt worden sei 90. Weder die Praxis in den Mitgliedstaaten noch die Beratungsergebnisse des Kontaktausschusses, dessen Konsultierung kein obligatorisches Element im 86 Richtlinie 77191 IEWG, ABI. EG vom 31.1.1977, Nr. L 26!1 ff., hier Art. 22 I b), L 2618. 87 So Biener I Bemeke, S. 147, 148, Anm. 21. 88 ADS, 4. Aufl., § 151 AktG, Rd.-Nr. 122 und Mellerowicz in Großkomm. AktG, § 151, Rd.-Nr.45. So auch BieneriBemeke, S. 147, 148, Anm. 21. 89 Biener I Bemeke, S. 147, 148, Anm. 21. 90 Bericht der Abgeordneten Helmrich, Kleinert und Stiegler, BT-Drs. 10I 4268, S. 86, 105.
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Rechtsetzungsverfahren ist und lediglich unterstützende Funktionen hat 91 , binden aber den über Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts entscheidenden Europäischen Gerichtshof. Auch das Klagerecht von Mitgliedstaaten und Kommission gegen richtlinienwidrige Transformation wird durch Abstimmung im Kontaktausschuß-wie Art. 52 der Richtlinie mit dem Vorbehalt zugunsten der Artt. 169 und 170 des EWG-Vertrages ausdrücklich klarstellt- nicht berührt. Der Richtlinie ist eine derartige Ausdehnung des Postens "unfertige Erzeugnisse" nicht zu entnehmen. Man mag dazu neigen, dies auf den Umstand zurückzuführen, daß die Gliederungsschemata der Richtlinie auf Handels- und Industrieunternehmen zugeschnitten sirid 92 . So wäre gemäß Art. 4 li eine Änderung der Schemata zwar nicht generell, aber doch für Ausnahmefälle zu rechtfertigen. Indes setzt eine derartige "Anpassung" voraus, daß die Besonderheiten des Unternehmens - hier die Erbringung von Dienstleistungen - eine Abweichung von denVorschriftender Richtlinie erfordern. Das ist zu verneinen, da der Richtliniengeber Vorsorge getroffen hat, derartige Posten zu aktivieren: Art. 18 sieht die Aktivierung von "Erträgen, die erst nach dem Abschlußstichtag fällig werden", als Rechnungsabgrenzungsposten oder unter den Forderungen vor. Diese antizipativen Posten weisen Erträge aus, die, obwohl noch nicht vereinnahmt, wirtschaftlich doch dem abgeschlossenen Geschäftsjahr zuzuordnen sind 93 • Als solche dürften auch die in Rede stehenden unfertigen Leistungen zu qualifizieren sein 94 • Die bei einem derartigen Ausweis eintretende Vorverlagerung von Ertrag ist allen antizipativen Posten immanent 95 und wurde vom Richtliniengeber gesehen, wie die Begründung des Richtlinienvorschlags vom 26. Februar 1974 zu den Artt. 15 und 18 belegt 96 : "Es ist zu vermeiden, daß als Rechnungsabgrenzungsposten die antizipativen Elemente, ... , mißbräuchlich ausgewiesen werden. Daher wird . . . vorgeschrieben, diese Elemente im Anhang zu erläutern, falls sie eine gewisse Bedeutung haben." Die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, antizipative Rechnungsabgrenzungsposten nicht vorzusehen, darf nicht dazu führen, Beträge, die sachlich hier einzustellen wären, an anderer Stelle unterzubringen. Der an der Richtlinie orientierte Bilanzleser vermutet im Vorratsvermögen keine antizipativen Posten, sondern - abgesehen von den geleisteten Anzahlungen - greifbare Gegenstände, was gerade unter dem Aspekt einer getreuen Wiedergabe der Vermögenslage Siehe Art. 52 und Bulletin der Europäischen Gemeinschaften 2/80, S. 9, 13. So ausdrücklich die Begr. zu Art. 3 des Vorentwurfs vom 9. März 1968 und Art. 4 des Vorschlags vom 16. November 1971, abgedruckt bei Schruff, S. 34/35, Spalten 1 und 2. 93 Kuentzel, S. 212; HWR von Wysocki I Halbinger, Spalte 173. 94 So auch Begr. RegE. BT-Drs. 10/317, S. 63, 81. § 246 III dieses Entwurfs sah nicht abgerechnete Leistungen in der Aufgliederung der Forderungen vor. 95 Thiel, S. 163, Rd.-Nr. 389. 96 Abgedruckt bei Schruff, S. 92/93 und 96/97, Spalte 3. 91
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seine Bedeutung erhält. Der Ausweis der unfertigen Leistungen unter den Vorräten verstößt daher nach hier vertretener Auffassung gegen die Richtlinie. k) Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens Dem Posten D.ll. "Forderungen" der Richtlinie steht in § 266 II HOB unter B.II. der Posten "Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände" gegenüber. Dieser Abweichung folgend trägt der Unterposten B.Il.4. im HOB die Bezeichnung "sonstige Vermögensgegenstände", während in der Richtlinie an entsprechender Stelle "sonstige Forderungen" auszuweisen sind. Als Beispiele sonstiger Vermögensgegenstände im deutschen Recht werden vorwiegend Forderungen und forderungsähnliche Rechte genannt 97, daneben aber auch GmbH-Geschäftsanteile, soweit sie nicht dem Anlagevermögen zugehören98, und zur Weiterveräußerung bestimmte Gegenstände des Sachanlagevermögens, die nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend genutzt werden99 • Die Position des HOB geht also inhaltlich über die der Richtlinie hinaus 100 , da jedenfalls die zuletzt genannten Beispiele wohl als "sonstige Vermögensgegenstände", nicht aber als "sonstige Forderungen" aufzuführen sind. Damit stellt sich die Frage, wo solche sonstigen Vermögensgegenstände in der Bilanz der Richtlinie einzuordnen sind. Die oben genannten GmbH-Geschäftsanteile sind ihrer Zwecksetzung entsprechend nicht dem Anlagevermögen zuzurechnen. Gemäß Art. 15 II zählen hierzu nur Gegenstände, die dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen bestimmt sind. Im Umlaufvermögen kommt nur der Posten "sonstige Wertpapiere" in Betracht. Auch hierhin gehören diese Anteile aber nicht 101 • Der Bilanzleser erwartet unter diesem Posten nämlich Finanzpositionen, die jederzeit in Geld umsetzbar sind 102 • Diese Eingrenzung trifft offenbar auch für die Richtlinie zu: Dort sind die Posten nach dem Grad ihrer Liquidität geordnet 103 • "Sonstige Wertpapiere" werden als letzte Position vor den flüssigen Mitteln aufgeführt. Noch deutlicher war dieser 97 Biener, AG . . ., S. 45; Glade, Teil Il, § 266, Rd.-Nr. 433; Sarx I Pankow in Beck' Bilkomm, 2. Aufl., § 247, Rd.-Nr. 120 ff., 124. 98 Ettwein in Beck HdR, B 215, Rd.-Nr. 48; Knop in Küting I Weber, § 266, Rd.Nr. 80; Niebus I Scholz in Meyer-Landrut u.a., HGB §§ 238-335, Rd.-Nr. 485; SchulzeOsterloh in Baumbach I Hueck, GmbHG, § 42, Rd.-Nr. 145. 99 ADS, § 266, Rd.-Nr. 134; Biener I Bemeke, S. 148, Anm. 25. 100 Das sehen auch Biener, AG ... , S. 45; Jonas, S. 96; Matschke in Hofbauer I Kupsch, BHR, § 266, Rd.-Nr. 108. 101 Sarx I Pankow in Beck' Bilkomm, 2. Aufl., § 266, Rd.-Nr. 142; Schulze-Osterloh in Baumbach I Hueck, GmbHG, § 42, Rd.-Nr. 146. 102 Glade, Teil Il, § 266, Rd.-Nr. 246. 103 So ausdrücklich die Begründung zu Art. 6 des Vorentwurfs vom 9. März 1968 und Art. 8 des Vorschlags zu der Richtlinie vom 16. November 1971 , abgedruckt bei Schroff, S. 42143, Spalten I und 2.
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Zusammenhang im Vorentwurf und in den Vorschlägen zu der Richtlinie 104 ersichtlich, wo die Wertpapiere außerdem mit den verfügbaren Mitteln in einem oberen Gliederungspunkt mit römischer Ziffer zusammen aufgeführt waren. Die Zuordnung der für die Weiterveräußerung vorgesehenen ehemaligen Anlagegegenstände unter einen geeigneten Posten der Richtlinie ist ähnlich schwierig. Als Anlagevermögen sind sie aufgrund der geänderten Zwecksetzung gemäß Art. 15 II nicht mehr zu bilanzieren. Aber auch bei den Vorräten finden sie keinen Platz, da hier nur Vermögensgegenstände auszuweisen sind, die zwecks Verbrauchs oder Veräußerung angeschafft oder hergestellt wurden 105 . Waren und fertige Erzeugnisse des Vorratsvermögens sind nur solche, die im Rahmen des normalen Absatzprogramms des Unternehmens veräußert werden 106, um den Pozeß der "Wiedergeldwerdung" abzuschließen 107 • Das trifft aufzur Weiterveräußerung bestimmte Anlagegüter nicht zu. Findet sich also keine Position in der Richtlinie, unter der diese sonstigen Vermögensgegenstände aufzunehmen sind, so eröffnet Art. 4 I S.3 die Möglichkeit, einen neuen Posten hinzuzufügen. Ein Gliederungspunkt "sonstige Vermögensgegenstände" ist also grundsätzlich zulässig. Hingegen ist es wegen der damit verbundenen Gefahr der Irreführung des europäischen Bilanzlesers nicht mit der Richtlinie vereinbar, einen neuen Posten mit einem in der Richtlinie vorgesehenen zusammenzufassen. Das aber hat der deutsche Gesetzgeber getan, indem er auf den Posten "sonstige Forderungen" verzichtete und statt dessen die hierzu gehörigen Forderungen in die sonstigen Vermögensgegenstände einbezog. 1) Gezeichnetes Kapital Den Posten D.II.5. "Gezeichnetes Kapital, das eingefordert, aber noch nicht eingezahlt ist", sieht zwar nicht § 266 II HGB, wohl aber § 272 I S .3 HGB in Übereinstimmung mit der Richtlinie für den Fall vor, daß die ausstehenden Einlagen auf das gezeichnete Kapital nicht vor dem Anlagevermögen auf der Aktivseite ausgewiesen werden. m) Aktivischer Rechnungsabgrenzungsposten Der aktivische Rechnungsabgrenzungsposten ist im Gliederungsschema des HGB entsprechend dem von der Richtlinie eingeräumten Wahlrecht (Art. 9 Aktiva D.II.6.) nicht unter den Forderungen, sondern als selbständiger Hauptposten Siehe Abdruck bei Schruff, S. 50-53, Spalten 1-3. Sarx I Pankow in Beck' Bilkomm, 2. Auf!., § 247, Rd.-Nr. 60; Schulze-Osterloh in Baumbach I Hueck, GmbHG, § 42, Rd.-Nr. 133. 106 ADS, § 266, Rd.-Nr. 114; Niehus I Scholz in Meyer-Landrut u.a., HGB §§ 238335, Rd.-Nr. 470. 107 Matschkein Hofbauer I Kupsch, BHR, § 266, Rd.-Nr. 91. 104 105
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nach dem Umlaufvermögen angesiedelt. Die inhaltliche Übereinstimmung der Posten in Richtlinie und HOB wird an späterer Stelle erörtert 108 • n) Eigene Anteile im Umlaufvermögen Anstelle des Postens D.III.2. "Eigene Aktien und Anteile" in der Richtlinie steht im HOB die Gliederungsbezeichnung "eigene Anteile". Beide Bezeichnungen decken sich inhaltlich. Das Wort "Anteile" wird in § 266 li B III 2 HOB als Sammelbezeichnung für Kapitalgesellschaftsanteile jeder Art verwendet 109• Die Richtlinienwidrigkeit, gemäß § 265 III S.2 HOB alle eigenen Anteile unabhängig von ihrer Zweckbestimmung im Umlaufvermögen auszuweisen, wurde bereits oben bei der Erörterung der eigenen Anteile im Anlagevermögen festgestellt 110• o) Flüssige Mittel Die Postenbezeichnungen für flüssige Mittel, D.IV. in der Richtlinie und B.IV. in§ 266 II HOB, weichen im Wortlaut geringfügig voneinander ab, nicht jedoch inhaltlich. Die im HOB besonders erwähnten Bundesbankguthaben fallen in der Richtlinie unter die Guthaben bei Kreditinstituten. Der Begriff der Postscheckguthaben ist durch dieneuere Bezeichnung "Postgiroguthaben" ersetzt worden. p) Verlust des Geschäftsjahres Der Verlust des Geschäftsjahres (Art. 9 Aktiva F der Richtlinie) wird in Übereinstimmung mit dem Wahlrecht der Richtlinie nach deutschem Recht in den Ergebnisausweis auf der Passivseite einbezogen. Allerdings sieht § 268 III HOB ausnahmsweise für den Fall, daß das Eigenkapital durch Verluste aufgebraucht ist und die Passivseite der Bilanz die Aktivseite überwiegt, einen Posten an letzter Stelle auf der Aktivseite unter der Bezeichnung "nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag" vor. Einen solchen Posten kennt die Richtlinie nicht. Es bleibt in der europäischen Regelung offen, wie ein derartiger Fehlbetrag auszuweisen ist, wenn für die Bilanz die Kontoform und der Ergebnisausweis auf der Passivseite gewählt werden. Da in dem Gliederungsschema des Art. 9 auch kein anderer Posten enthalten ist, der einen solchen das Eigenkapital überschießenden Fehlbetrag deckt, ist die deutsche Regelung in § 268 III HOB gemäß Art. 4 I S.3 gerechtfertigt und mit der Richtlinie vereinbar. ws Siehe unten, § 2 D. I. So für Aktien und GmbH-Anteile ausdrücklich Sarx I Pankow in Beck' Bilkomm, 2. Auf!., § 266, Rd.-Nr. 138. 110 Siehe oben, § 2 C. III. I. i). 109
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2. Passiva a) Rücklagen Auf der Passivseite weicht zunächst die Aufgliederung der Rücklagen in § 266 III HGB von der in der Richtlinie ab. Während die Richtlinie hier unter Art. 9 Passiva A.II.- IV. als Posten mit römischer Bezifferung "Agio", "Neubewertungsrücklage" und "Rücklagen" aufführt, unterteilt der deutsche Gesetzgeber auf derselben Ebene nach Kapital- und Gewinnrücklagen. Zum Teil wird in der Literatur vertreten, der Posten "Agio" der Richtlinie umfasse genau das, was der deutsche Gesetzgeber mit Kapitalrücklage umschreibe 111 • Indes belegen der englische 112 und französische 113 Text der Richtlinie, dort heißt diese Position "Share premium account" bzw. "Primes d'emission", daß der Richtliniengeber mit dem Begriff "Agio" - entsprechend der eigentlichen deutschen Verwendung und Bedeutung des Wortes 114 - tatsächlich nur das bei einer Emission erlangte Aufgeld bezeichnet. Die für den gesonderten Ausweis des Agios in der Richtlinie gegebene Begründung 115 , das Agio entstehe durch Kapitaleinzahlungen, gilt freilich auch für die anderen Bestandteile der deutschen Kapitalrücklage gemäß § 272 li HGB. Dies allein kann jedoch gegenüber dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Richtlinie nicht als ausreichender Hinweis dafür verstanden werden, daß hier auch andere auf Kapitaleinzahlungen beruhende Rücklagen einzustellen seien. Der Richtlinie liegt offensichtlich nicht die dem deutschen Gesetzgeber vorschwebende Strukturierung der Rücklagen nach ihren Quellen zugrunde 116 • Das belegt die Entwicklung des Sammelpostens innerhalb der Rücklagen seit dem Vorentwurf vom 9. März 1968 117 : Hieß er dort noch "sonstige Gewinnrücklagen", so ist in der Bezeichnung nun die Beschränkung auf den Gewinn als Quelle, als Herkunft der dort ausgewiesenen Beträge entfallen. In den Posten "sonstige Rücklagen" lassen sich auch solche einstellen, die nichts mit dem erwirtschafteten Ergebnis der Gesellschaft zu tun haben, zumal da sich die Richtlinie jeder Aussage über Bildung und Form von Rücklagen enthält.
s:
11 1 So ADS, § 272, Rd.-Nr. 63; Biener I Bemeke, S. 194; Jonas, 101; Sarx in Beck' Bilkomm, 2. Auf!., § 272, Rd.-Nr. 59. 11 2 Abgedruckt bei Schruff, S. 277 ff, hier S. 281. 113 Abgedruckt bei Schruff, S. 301 ff, hier S. 305. 114 Darauf weist zurecht Holtmann in Albach I Klein, S. 133, 136 hin. Siehe auch Gabler Bank-Lexikon, S. 31 und Lexikon des Rechts, S. VII/ 8 zu dem Stichwort Agio. Danach ist Agio der Betrag, um den der Preis oder Kurs eines Wertpapiers dessen Nennwert übersteigt. 115 Begründung des Vorschlags vom 16. Nov. 1971 zu Art. 8, abgedruckt bei Schroff, S. 44/45, Spalte 2. 116 So wohl auch Holtmann in Albach/Klein, S. 133, 140. 111 Siehe die Synopse bei Schroff, S. 54/55.
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Weder Art. 4 der Richtlinie noch die hierzu ergangene Protokollerklärung des Rates 118 lassen aber eine Umstrukturierung zu, da sie zwangsläufig die allgemeine Lesbarkeit der Bilanzen vereiteln würde. Die Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit der Richtlinie kann deshalb auch nicht dadurch wiederhergestellt werden, daß die Kapitalrücklage entsprechend der Aufzählung ihrer Bestandteile in § 272 II HGB aufgegliedert wird 119 • Auch dann gehen die Abweichungen der deutschen Gliederung von der Richtlinie noch über die nach Art. 4 I zulässigen hinaus, da die Position "Kapitalrücklage" gemäß § 272 II HGB neben dem bei einer Emission erlangten Aufgeld Posten umfaßt, die gemäß Art. 9 Passiva A bzw. Art. 10 L nicht als Agio, sondern als sonstige Rücklagen auszuweisen sind, nämlich gemäߧ 272 II Nr.3 HGB die "Zuzahlungen, die Gesellschafter gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Anteile leisten" und gemäß § 272 II Nr.4 HGB andere "Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten". § 266 III HGB verstößt insoweit gegen die gemeinschaftsrechtliche Vorga~e. Das Fehlen einer Position für die Neubewertungsrücklage ist allerdings mit der Richtlinie vereinbar, da dieser Posten nur gebraucht wird, wenn die Mitgliedstaaten die in Art. 33 I beschriebenen Bewertungsmethoden zulassen. Das hat der deutsche Gesetzgeber nicht getan. b) Ergebnisvortrag und Ergebnis des Geschäftsjahres Die Posten A.V. und A.VI. der Richtlinie, "Ergebnisvortrag" und "Ergebnis des Geschäftsjahres", decken sich inhaltlich mit den in der Bezeichnung abweichenden Posten A.IV. und A.V. des§ 266 III HGB, "Gewinnvortrag I Verlustvortrag" und "Jahresüberschuß/ Jahresfehlbetrag". c) Wechselverbindlichkeiten Der deutsche Gesetzgeber hat den Posten C.5. "Verbindlichkeiten aus Wechseln" der Richtlinie dahingehend präzisiert, daß gemäß der Bezeichnung in § 266 III C.5. HGB hier "Verbindlichkeiten aus der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener Wechsel" auszuweisen sind. Es fragt sich, ob er damit den Posteninhalt gegenüber der Richtlinie beschränkt hat. Möglicherweise könnte die Position der Richtlinie auch die Verpflichtungen des Indossanten nach Art. 15 I WG oder des Wechselbürgen nach Art. 32 I WG umfassen, die der deutsche Gesetzestext ausklammert. Indes stellen allein die in der deutschen Bezeichnung genannten Verpflichtungen Wechselverbindlichkeiten im eigentlichen bilanzAbgedruckt bei Schroff, S. 32/33, Spalte 4. Das suggerieren Niehus I Scholz in Meyer-Landrut u.a., HGB §§ 238-335, Rd.Nr. 525 und der Bericht der Abgeordneten Helmrich, KleineTt und Stiegler, BT-Drs. 10/ 4268, S. 86, 106. Eine solche Aufgliederung wird unter anderen Gesichtspunkten erörtert bei ADS, § 272, Rd.-Nr. 63, 64. Ablehnend Glade, Teil II, § 272, Rd.-Nr. 592. 11s
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technischen Sinne dar. Nur hier tritt nämlich die Verbindlichkeit aus dem Wechsel gegenüber einer an sich zu bilanzierenden, dem Wechsel zugrundeliegenden Verbindlichkeit derart in den Vordergrund, daß der Gläubiger zunächst aus dem Wechsel Befriedigung zu suchen hat. Dementsprechend wird statt der zugrundeliegenden die Wechselverbindlichkeit ausgewiesen 120 • In den anderen Fällen handelt es sich dagegen um eine lediglich hilfsweise eintretende Haftung, also um Garantieverpflichtungen, deren Behandlung auch in der Richtlinie besonders geregelt ist: Gemäß Art. 14 sind diese Garantieverpflichtungen - sofern nicht unter den Passiva auszuweisen - im Anhang oder unter der Bilanz anzugeben. Dabei weist der Vorbehalt des Passivausweises nicht auf Posten wie den für Wechsel verbindlichkeilen hin, sondern auf die dem Vorsichtsprinzip entsprechende Bilanzierung unter den Rückstellungen, wenn eine Inanspruchnahme wahrscheinlich erscheint. Dies verdeutlicht die Begründung zu dem inhaltlich mit Art. 14 übereinstimmenden Art. 11 des Richtlinienvorschlags vom 16. November 19711 2 1. Dort heißt es zur Passivierungspflicht: "Ist es wahrscheinlich, daß solche Verpflichtungen erfüllt werden müssen, so sind sie auf der Passivseite der Bilanz zu verbuchen." Zudem wird ausdrücklich klargestellt, daß zu den Garantieverpflichtungen, die in der begründeten Bestimmung eine Regelung erfahren haben, auch solche aus der Begebung und Übertragung von Wechseln gehören. Aus alledem ist zu schließen, daß der Richtlinienposten "Verbindlichkeiten aus Wechseln" nur die Verbindlichkeiten umfasst, die in der Bezeichnung der entsprechenden Position des HOB genannt sind. Die deutsche Regelung ist insoweit mit der europäischen Vorschrift vereinbar. d) Passivischer Rechnungsabgrenzungsposten Der passivische Rechnungsabgrenzungsposten ist im HOB in Übereinstimmung mit dem hierzu von der Richtlinie eingeräumten Wahlrecht (Art. 9 Passiva C.9.) nicht unter den Verbindlichkeiten, sondern als selbständiger Hauptposten danach aufgeführt. Die inhaltliche Übereinstimmung der Posten in Richtlinie und HOB wird an späterer Stelle erörtert 122 • e) Gewinn des Geschäftsjahres Der Posten E. "Gewinn des Geschäftsjahres" fehlt im HOB, da nach § 266 III A HOB, wie es die Ri