Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana in Transvaal und Betschuanaland [Reprint 2021 ed.] 9783112602003, 9783112601990

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana in Transvaal und Betschuanaland [Reprint 2021 ed.]
 9783112602003, 9783112601990

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana in Transvaal und Betschuanaland von

Dr. Paul-Lenert Breutz

HAMBURG FRIEDERICHSEN, DE GRUYTER & CO.

1941

SCHRIFTEN DES KOLONIAL-INSTITUTS DER HANSISCHEN UNIVERSITÄT Band 3 Völkerkundliche Reihe Nr. 1

Paul-Lenert Breutz

Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana in Transvaal und Betschuanaland

HAMBURG FRIEDERICHSEN, DE GRUYTER & CO. 1941

D 18

M

Druck von J. J . Augiistin in Glückstadt und Hamburg

Vorwort Der Kultur der Sotho-Tswana-Stämme in Transvaal und Betschuanaland ist in beschreibender Form vielfältige Würdigung zuteil geworden. Dennoch fehlen bislang sowohl ein besonders eingehendes, zusammenfassendes Werk über die gesamte Sotho-Tswana-Kultur, als auch größere Untersuchungen über die politischen Kräfte dieser Kultur, welche beide den Verwaltungsbeamten, Missionaren u. a. eine ausreichende Grundlage und ein inneres Verständnis für einen artgemäßen Neubau der Eingeborenenkultur vermitteln. Doch gerade für das dringende Gebot der Zeit, die Reste der Eingeborenenkultur nutzbringend einzusetzen, liegt die Frage nach den politischen Kräften früherer und heutiger Zeit besonders nahe, weshalb auch in der vorliegenden Arbeit diesem Problemkreis das Interesse gewidmet wurde. Das gesammelte Material gründet sich, außer auf Literaturdurcharbeitung, auf eine mehr als einjährige Reisezeit (1936/1937) in Transvaal und Betschuanaland, mit Aufenthalten bei den Stämmen der Pedi und Tau in Sekukuniland, den Xananwa und Tlokwa in Blauwberg (NordTransvaal) und den Hurutse in West-Transvaal, sowie mit kürzeren Besuchen der Kxatla in Mochudi, der Kwena in Molepolole und West-Transvaal und der Malete in Ramoutsa. Ergänzendes Material über weitere Stämme und Europäisierungsfragen ließ sich in Pretoria, Johannesburg, den Minenarbeiterlägern in Brakpan und im Orange Freistaat ermitteln. Die gefundenen Tatsachen gelten im allgemeinen auch für die Süd-Sotho, doch muß durch die auf dem Literaturwege nicht zu ermittelnden Besonderheiten und bei dem Fehlen persönlicher Feldarbeit in diesem Gebiet davon Abstand genommen werden, die Süd-Sotho eingehender zu berücksichtigen. Einige Erscheinungen, die im Kulturleben der Sotho-Tswana von besonderer Bedeutung sind, wie die Heiratssitten, die Initiationszeremonien und die Regenzeremonien, sind eingehender behandelt worden, um sie nicht bei der Betrachtung der vielen allgemeinen Gesichtspunkte zurücktreten zu lassen, außerdem enthalten sie bisher unveröffentlichte Tatsachen. Mit dem Gefühl großer Dankbarkeit gedenke ich aller derjenigen, durch die mir für die Durchführung meiner Studienreise, meiner wissenschaftlichen Arbeiten, sowie der hiesigen Studien selbstlose Hilfe zuteil wurde. Es sind dies vor allem die Deutsch-Afrikanische Kulturgemeinschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Herren Professoren Dr. Meinhof, Dr. Thilenius f, Dr. Termer; außerdem Dr. van Warmelo (Pretoria), Dr. Beukes (Pretoria), Prof. Dr. Skawran (Pretoria); ferner die Herren Missionare Hagens (Lobetal), Jensen (Linikana),Trott(Blauwberg), Hoffmann (Bochabelo), Krige (Mochudi), Dr. Tscheuschner (Usaramo in Deutsch-Ostafrika) und Herr Knobel jun. (Molepolole).

Inhaltsverzeichnis Vorwort Einleitung: Die politische Bedeutung soziologischer Probleme der Eingeborenen .

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I. Ubersicht über die allgemeinen inneren und äußeren Verhaltnisse der SothoTswana-Stämme : a) Das Land und die Stämme b) Die Wirtschaftsgrundlagen c) Die allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnisse d) Das Weltbild e) Die Europäisierung der südafrikanischen Eingeborenen II. Die gemeinschaftlich-gruppenhaften Züge als Grundlage für die Geschlossenheit des sozialen Zusammenlebens a) Die Sippe und ihre gruppenhaften Lebensformen Aufbau der Sippe und Beziehungen ihrer Mitglieder zueinander Wirtschaftlich-gemeinschaftliche Erscheinungen Heirat und Kleinfamilie Europäisierung in Sippe und Eheverh<nissen b) Das politische Gemeinwesen In der Ausübung politischen Handelns innerhalb des Stammes Die Erziehung zum politischen Gemeinwesen (Initiation) c) Die Totalität des gemeinschaftlichen Lebensgefühls und die Stellung von Personen, die durch besondere Tätigkeiten hervortreten III. Die Bedeutung des Rangsystems als Grundlage des politischen Lebens und die die Rangordnung bezeugenden Institutionen a) Die Rangstellung von Sippen, Häuptlingen und Fremden b) Die Häuptlingsfunktionen c) Der Rang in der Stammesführung und Träger besonderer Dienste für den Häuptling d) Die Bedeutung der Rangstellung in der Allgemeinheit des Volkes und bei gewissen Institutionen e) Die Bedeutung der Rangordnung und ihre Auflösung durch das Zusammentreffen mit der europäischen Lebensweise IV. Alter, Geschlecht und Altersklassensystem a) Alter und Geschlecht in der Lebensgemeinschaft der Sippe b) Das Altersklassensystem Schluß: Politisches Wirken in vor- und nachkapitalistischer Zeit

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Literaturverzeichnis

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Einleitung Die politische Bedeutung soziologischer Probleme der Eingeborenen Die Kultur und Sprache der Sotho-Tswana bilden einen einheitlichen Komplex, der sich von den umwohnenden Nguni-Völkern, Venda, Shangana-Tonga, Shona und anderen Bantu unterschiedlich abhebt. Dieser Kulturkomplex teilt sich in drei verhältnismäßig einheitliche Stammesgruppen: die Tswana, die Nord-Sotho und die Süd-Sotho. Die Grundlage für die Eigenart der Kultur des gesamten Gebietes geht von den Tswana aus und hat bei den Nord-Sotho unter geschichtlichen Einflüssen aus dem Norden und Südosten, sowie bei den Süd-Sotho unter solchen von den Nguni her ein von den Tswana abweichendes Gepräge erhalten, wohinzu in den Randgebieten noch die mehr oder weniger starken Einflüsse seitens der andersartigen Nachbarkulturen kommen. Das soziale System der Sotho-Tswana ist in seiner Naturhaftigkeit, wie dies bei vielen afrikanischen Stämmen der Fall ist, das wesentlichste Charakteristikum ihrer Kultur und die Grundlage ihres volklichen Fortbestehens. In der rauhen Natur der afrikanischen Welt ist der Mensch ganz besonders auf ein enges Zusammenleben angewiesen. So nimmt es nicht Wunder, daß der geistige oder technisch-materielle Gehalt der meisten lebenswichtigen oder die Eigenart der Stämme bestimmenden Kulturelemente in der Form soziologischer Gegebenheiten seine Prägung erhielt. Noch unbekannte rassische und psychologische Eigenschaften und der spezielle weltanschauliche Gehalt der geistigen Kultur haben auf dem Grund afrikanischer Umwelt gewissermaßen die Farben abgegeben zu einem bunten Bild, dessen Verstehen erst durch die formgebende Zeichnung der soziologischen Grundlagen möglich wird. Somit weist als Beispiel die Ahnenreligion ihre tiefste Verwurzelung im Sozialen auf, denn schon äußerlich ist der oberste politische Führer zugleich auch oberster Priester, und um ein weiteres zu nennen, ist das gesamte Wirtschaftsleben, wo es sich in seiner Gliederung und Ordnung an den Menschen wendet, bis in Einzelheiten soziologisch bestimmt. Da für die Bantu aber die soziale Grundlage eine solche bedeutende Rolle im Volksleben spielt, hat auch der Einfluß auf die alte Ordnung im Volksleben und deren Zersetzung durch die europäische Zivilisation seine tiefgreifendste und schädigende Wandlung gerade in diesem Sozialorganismus hinterlassen. Deshalb haben die Untersuchungen vor allem auf diesem Gebiet für das Erkennen des Europäisierungsvorganges und für die sich entwickelnde moderne Eingeborenenpolitik die wesentlichsten Gesichtspunkte herausgestellt. Ebenso ist nur aus gleicher Quelle heraus eine Selbstbesinnung des afrikanischen Eingeborenen auf das artgemäße Alte und dessen Verschmelzung mit dem 1

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Einleitung

eindringenden Neuen möglich, eine Notwendigkeit, die vielleicht unterstützt durch die Erkenntnisse moderner europäischer Wissenschaft, zwangsläufig ihren Weg finden wird und zwar zum sehr erheblichen Nutzen für beide betroffenen Rassen in der Verwaltungspolitik, der Wirtschaft und im persönlichen Verkehr. Dagegen würde das Mißlingen solche] Formgebung nach der heutigen Zerstörung des Alten und Artgemäßen und nach der Herrschaft des Individualismus am falschen Platz mit gegen den Europäer gestimmten Einflüssen, ein soziales und wirtschaftliches Chaos mit langandauernder heftiger Revolutionierüng die sichere Folge sein. Um der Eingeborenenverwaltung und allen denen, die an einem geordneten Kulturaufbau der Eingeborenen interessiert sind, das für ihre Arbeit geeignete Material an die Hand zu geben, ist es die Aufgabe der Wissenschaft, die lebendigen politischen Kräfte der Eingeborenenkultur vor allem in ihrem sozialen System, dessen Kenntnis di'e wesentlichste Voraussetzung dafür ist, festzustellen. Die politischen Kräfte im Stammesleben afrikanischer Völker können sehr mannigfaltiger Art sein, wobei sie nicht allein von der heute schon feststellbaren Wechselwirkung verschiedenster Kulturelemente und der europäischen Einflüsse auf diese, sondern in starkem Maße auch von plötzlichen Gegebenheiten personeller und umweltlicher Natur, wie ebenso von zum großen Teil noch unbekannten psychologischen und rassischen Eigenschaften abhängen. Die Vielfältigkeit des Gesamtkomplexes läßt die gründliche Bearbeitung dieser Probleme daher nur für sehr eng begrenzte Wohngebiete der Eingeborenen, etwa einer Oberhäuptlingschaft oder einem Verwaltungsbezirk, zu. Am eindeutigsten und über größere Gebiete gleicher Art sich erstreckend, sind jedoch die politischen Kräfte in der Wechselwirkung ihrer soziologischen Elemente zu erkennen, wie der Versuch dazu in vorliegender Arbeit unternommen wurde. Bei der Naturhaftigkeit und der Ähnlichkeit des Stammeslebens mit dem Leben innerhalb der Sippe kommen diese politischen Kräfte im Wesentlichen der Bearbeitung des Gruppenhaft-Gemeinschaftlichen und der Aufgliederung desselben gleich. Das Gemeinschaftliche drückt sich dabei im Rahmen der Sippe, der öffentlichen Ratssitzungen und innerhalb der einzelnen Altersklassen aus, während die politisch wichtige Gliederung des Gemeinschaftlichen vor allem in einem religiös begründeten Rangsystem und eine weitere Gliederung in den natürlichen Alters- und Geschlechtsunterschieden, wie der verschiedenen Altersklassen liegt.

I. Übersicht über die allgemeinen inneren und äußeren Verhältnisse der Sotho-Tswana-Stämme E i n allgemeines Bild über das Land, die K u l t u r u n d die neuzeitlichen Gegebenheiten soll zuvor eine Anschauung von den Sotho-Tswana vermitteln, die die Betrachtung der eigentlichen vorliegenden Fragen erleicht e r t und eine über die Enge des Themas hinausgehende notwendige Ergänzung bietet. a ) Das Land und die Stämme Die Tswana und die Nord-Sotho, auf die die Bearbeitung ihres Volkst u m s im vorliegenden Sinne bezogen ist, leben in den Reservatgebieten des britischen Protektorats Betschuanaland u n d der Provinz Transvaal der Südafrikanischen Union, wohingegen die Süd-Sotho unter ähnlichen Verhältnissen in dem f ü r sich abgetrennten britischen Protektorat Basutoland ansässig sind. Transvaal ist ein nach Norden abfallendes Hochland, das von der Küste des Indischen Ozeans nach Überwindung weniger, steil ansteigender, hoher Stufen — den Verkehrsverhältnissen entsprechend von Durban aus — erreicht wird. I n Transvaal werden landschaftlich unterschieden: im Süden das „Hochfeld", das sich mit einer Höhenlage von 1300—1500 m ü. M. (Witwatersrand 1800 m) über den Oranjefreistaat u n d Basutoland erstreckt, und im Norden, etwa in der Höhe von Pretoria beginnend und sich über den östlichen Teil von Betschuanaland erstreckend, das „Buschfeld", das mit einer Höhenlage von 1200—900 m zur Limpoposenke hin abfällt. Das Hochfeld ist zur Hauptsache ein f ü r Viehzucht geeignetes Grasland, das daneben eine besondere wirtschaftliche Bedeutung durch seinen Erzreichtum hat. Die wellenförmigen Ebenen des Buschfeldes dagegen, aus denen sich in charakteristischer Weise einzelne Tafelberge erheben, sind außer mit Savannengras zur Hauptsache m i t Dornbüschen, einzelnen Bäumen und in von Eingeborenen besiedelten Gebieten mit Feigenkakteenarten mehr oder weniger dicht bestanden. Die Siedlungs- u n d Bewirtschaftungsverhältnisse des Landes werden besonders durch den Wassermangel beeinflußt, der sowohl in der geringen Regenmenge (Sommerregen), wie in den wenigen dauernd Wasser führenden Flüssen (Olifant-, Krokodil- und Nylfluß) begründet liegt. Noch größere Trockenheit charakterisiert die Eingeborenengebiete in Betschuanaland, wo der Sandboden neben wenig Gras, n u r Dornbüschen u n d Bäumen das Wachstum gestattet u n d damit einen Übergang zu der weniger als 1000 m hoch gelegenen Kalahari bildet. Die klimatischen Verhältnisse entsprechen in ihrem gemäßigten u n d gesunden Charakter mit besonders langer Sonnenscheindauer während des Jahres und starken Temperaturschwankungen zwischen 1#

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

Tag und Nacht, vor allem im Winter, der trockenen, subtropischen Höhenlage und nehmen erst zur Limpoposenke hin tropischen Charakter an. Die Verteilung und Geschichte der Sotho-Tswana-Stämme ist durch N. J . v a n Warmelo in klarer Ubersicht in „A preliminary survey of the B a n t u tribes of South-Africa" 1935 und in „Grouping and ethnic history" in dem von Schapera herausgegebenen Werk „The B a n t u speaking tribes of South-Africa" 1937, S. 43—66, dargelegt, so daß in der folgenden kurzen Übersicht zweckmäßigerweise darauf zurückgegriffen wird. Die NordSotho und die Tswana, die zur Hauptsache noch in den Gebieten wohnen, in denen sie von Reisenden zu Anfang des 19. J a h r h u n d e r t s angetroffen wurden, sind der Zugehörigkeit ihrer einzelnen Stämme nach nicht ausgesprochen der einen oder anderen Gruppe zuzuweisen, zumal ein großer Teil der Nord-Sotho geschichtlich von den Tswana abstammt u n d viele Tswana sich als Sotho bezeichnen. Die Tswana erstrecken sich außer über den Osten u n d Norden von Betschuanaland, wo sie vor allem in Städten siedeln, auch nach WestTransvaal und der Kap-Provinz hin. Am Südrand von Betschuanaland, im Südwestzipfel von Transvaal und in die Kap-Provinz hinübergreifend wohnen die Thlaping,Thlaro und Rolong. I n West-Transvaal schließen sich daran die Hurutse mit dem H a u p t o r t Dinokana (Linokana) an, u n d davon westlich wohnen in Betschuanaland auf einem schmalen Gebiets streifen die Malete mit dem H a u p t o r t Ramoutsa, sowie nordwestlich von diesen die Kxatla mit der Stadt Mochudi, von denen Teilstämme weit nach Transvaal hinein verstreut leben. I n Betschuanaland grenzen von Süden nach Norden die Reservate der Ngwaketse mit dem H a u p t o r t Kanye, der Kwena mit Molopolole, der Ngwato mit Serowe u n d nordwestlich davon die Tavana mit Maun aneinander, wobei Gruppen dieser Stämme wieder bei verschiedenen Nachbarn versprengt leben. Bei der vor Jahrhunderten erfolgten Tswana-Einwanderung entstand durch eine geringe Vermischung mit Buschleuten der T y p der Sarwa, andere Tswana degenerierten zu Kxalaxadi und schließlich mögen auch rassische Verbindungen mit Hottentotten sich ereignet haben, denn viele Tswana fallen in Gesichtsform und hellerer Hautfarbe als mit H o t t e n t o t t e n oder Buschmännern verwandt auf. Die Nord-Sotho setzen sich aus zahlreichen kleineren Stämmen, vor allem westlicher u n d östlicher H e r k u n f t , zusammen, als deren Kernteil die Bewohner des Sekukunilandes, vor allem die Pedi, angesprochen werden. Die Herrschaft der Pedi, die selbst von einem Kxatla-Stamm abgezweigt sind, hat sich über viele Stämme, wie die aus Swaziland eingewanderten Tau, einige Kwena, die Koni, die Ntwane u n d kleinere nach ihren Totem benannte Gruppen erstreckt. Auf den mittleren Norden Transvaals verteilen sich ferner die verschiedenen als Koni bezeichneten und von Osten her eingewanderten Stämme der Dikxale, Matlala, Mphathlele, Thshwene, Mathabatha. Weitere im Nordwesten Transvaals verstreut lebende Stämme sind die X a n a n w a in den Blauwbergen, die Moletshe (Kwena), einige Tlökwa u . a., während im Nordosten Transvaals Stämme mit Beziehungen zu ihren nördlichen bzw. östlichen Nachbarn, wie die Lobedu, K x a x a , Mamabolo, Letswalo, Phalaborwa, Molepo u. a. wohnen. Die Süd-Sotho zeigen in ihrer politischen Zusammenfassung u n t e r d e m

I, Übersicht über die allgemeinen inneren und äußeren Verhältnisse

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derzeitigen Oberhäuptling Moshesh eine Zugehörigkeit zu einer Anzahl von Stämmen, von denen nur die Fokeng, Tlökwa, Taung, Kwena, Kxwakxwa, Kxolokwe, Sia, Phuthi genannt seien. Ihre Geschichte wurde von Ellenberger, „History of the Basuto" 1912, eingehend bearbeitet. b) Die Wirtschaftsgrundlagen Die Wirtschaftsgrundlage hat bei den südafrikanischen Bantu einen religiösen und einen profanen Zweig. Der religiöse wird durch die Viehzucht vertreten, er ist von größter Bedeutung nach Ansicht der Stämme, während der profane, das ist die Anbauwirtschaft, der eigentlichen Ernährung dient. Der religiöse Zug, den die Viehzucht aufweist, hat seinen Ausgang von den hamitischen und nilotohamitischen Hirtenstämmen genommen und bildet dort meist auch die alleinige Wirtschafitsgrundlage. Das Großvieh, das nur auf Größe des Gehörns gezüchtet wird und dessen Farben das Interesse der Männer in Begeisterung versetzt, macht als Opfervieh und als Heiratsgabe den Reichtum seines Eigentümers aus. Nur als Schlachtopfer wird das Rind bei festlichen Gelegenheiten gegessen, nicht aber der Ernährung halber — man würde lieber unterernährte Kinder bei ihrem Zustande lassen, als eine Kuh schlachten. — Das Rinderopfer wird bei dem kleinen Mann durch die Ziege, das Bantutier, ersetzt. Die Mahlzeit der Sotho-Tswana enthält nicht oft eine Fleischportion, so sehr der Bantu solche schätzt. Für die Ernährung schlachtet man nur gefallenes oder krankes Vieh, sowie Kleinvieh oder Jagdwild. Die Milch der Kühe, die nur von Männerhand gemolken werden dürfen (29, S. 232), wird in saurem Zustande vor allem von den Hirten auf dem Viehposten genossen. Bei der heutigen Generation jedoch ist die Bedeutung des Rindes von der halbwegs ideellen zur materiellen Bedeutung gesunken, so daß auch die Heiratsviehgabe kein religiöser Austausch der Sippen mehr ist, sondern heute in Zivilisationsnähe nach Vereinbarung sogar in Pfundnoten ausgezahlt wird. In Stadt- und Zivilisationsferne begleitet bis heute noch das Vieh den Lebensweg der Männer und läßt tiefe Eindrücke im Erleben zurück. In der Jugend führen sie als Hirten das Vieh an Futterplätze und Tränke, denn nur bei sehr günstigem Graswuchs kann das Vieh in der Nähe des Wohnortes weiden. Als heiratsfähige Burschen, sowie als Vater oder Mutterbruder eines heiratsfähigen Sohnes bzw. Neffen der Familie beschäftigt sie die Gabe des Heiratsviehs an die Großfamilie der Braut. Im Mannesalter ergibt der Viehreichtum die Möglichkeit — außer der Versorgung der Söhne mit einer Frau — selbst mehrere Frauen heiraten zu können und durch die damit gesicherte Zahl von Nachkommen dieses kinderlieben Volkes dann eine größere soziale Geltung für die Zukunft zu haben. Ferner führt man an das Gericht des Häuptlings zur Begleichung einer Schuld Vieh ab und als Oberhaupt der Sippe ist es dessen Aufgabe, die rechten Rinder zu wählen, um sie als Opfer für die Ahnen darzubringen. Selbst noch nach dem Tode muß das Oberhaupt der Gruppe mit seinem Vieh verbunden bleiben und es über seinem Grabe trampeln hören. Das Vieh ist also, wie bei vielen ostafrikanischen Stämmen, eng mit dem Leben

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der Menschen verbunden. Somit soll es früher selbst für einen Häuptling eine würdige Beschäftigung gewesen sein, sich für längere Zeit nach dem Viehposten zu begeben und dort das Vieh mit zu hüten. Das Vieh wird im allgemeinen von jungen Männern und Knaben gehütet, wobei sich arme Leute für einen gemeinsamen Viehposten zusammenschließen. Zuweilen sind auch arme Leute die Hirten der Reichen und vor allem der Häuptlinge. Die Hirten dürfen die Milch für sich nehmen und die Ochsen zum Pflügen der eigenen Felder benutzen, auch wird ihnen oftmals nach einer gewissen Zeit ein junges Tier zum Geschenk gemacht (140, S. 639). J e mehr aber heute die jungen Leute die Möglichkeit haben, sich Geld auf dem Arbeitsmarkt zu verdienen und im gleichen Maße die Hochschätzung des Viehs bei ihnen abnimmt, je weniger halten sie das Viehhüten für eine ehrenvolle Beschäftigung (vgl. 99, S. 60). Lohnarbeiter übergeben Verwandten und Freunden das Vieh und dementsprechend wird es vernachlässigt, oder läuft zuweilen sogar unbeaufsichtigt herum. Aber selbst in Gebieten, wo das noch nicht der Fall ist, ist die Qualität des Viehs überall eine schlechte. Der Eingeborene schätzt in erster Linie die Kopfzahl seines Viehs. Qualitätsvieh an Stelle des zahlreichen minderwertigen Viehs ist heute, soweit die ärmlichen Regen- und Bodenverhältnisse es erlauben, ein unter anderem dringendes Erfordernis für die Eingeborenen, wenn die engen unfruchtbaren Reservatgebiete für einen größeren Teil der Bevölkerung reichen sollen. Westermann (162, S. 85) gibt z. B. für die Tswana einen Rinderbestand von 500000 bei einer Eingeborenenzahl von 155 000 an. Bei dem Verflochtensein der Viehstückzahl mit den kultischen und soziologischen Erscheinungen der Eingeborenenwelt ist es jedoch schwer, den konservativen Eingeborenen davon zu überzeugen, daß die Güte des Viehs wesentlicher ist als die Menge. Der profane Zweig der Wirtschaftsgrundlage der Sotho-Tswana ist der Anbau, der die Ernährungswirtschaft darstellt. Diese Stämme haben entsprechend ihrer friedliebenden Natur mehr Neigung zum Ackerbau als die Zulu- und Xosanachbarn (51, S. 187). Der Anbau lag als Hackbau in voreuropäischer Zeit nur in Händen der Frau. Die Arbeit der Frau ernährte vor allem die Familie, so daß ein Mann mit vielen Frauen, die seine Äcker bestellten, schon als wohlhabend galt. Eine Wandlung dieser Arbeitstrennung ist durch die Einfuhrung des Pfluges seitens der Missionare geschaffen worden und zwar zuerst in Basutoland, dann sich ausbreitend über ganz Südafrika. Den vom Vieh gezogenen Pflug zu führen, ist Männerarbeit geworden, da Frauen mit Vieh nichts zu tun haben dürfen. Gleichzeitig ist dadurch aber auch die Arbeit der Frau entlastet worden (74, S. 422/3). Verwandte, Nachbarn, vor allem Leute niederen Standes helfen bei der Feldarbeit, wofür ihnen Verpflegung und Bier entboten wird, oder, wenn nötig Ochsen und Pflug nachher für deren eigene Felder zur Verfügung gestellt werden (140, S. 637). Man baut vor allem Mais, verschiedene Arten des alteinheimischen Kaffernkorns (mabèle) — die von den Xananwa gebauten Arten sind z. B. lekxaxa, lenthata, kibikwane, motleriane, masehlanyana, mphöxö und lebèlebèle oder leotsha —, Bohnen (dinawa), dazwischen gepflanzt Kürbisse (marotse), Melonen (maxapu), Erdnüsse (ditloxo), auch Zuckerrohr (dinyöba) und Tabak (fòla). Wo dauernd, wenn

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auch nur in geringer Menge, fließendes Wasser vorhanden ist, baut man schon Weizen unter Benutzung von Bewässerungsanlagen, deren Verteilungssystem jeweils für bestimmte Tage den verschiedenen Dorfgenossen durch abriegelbare Kanäle Wasser zuführt. Die Felder, die eine Familie zur Bewirtschaftung benutzt und die als solche gegen weidendes Vieh mit Dornengestrüpp oder Kaktushecken eingezäunt sind, liegen sehr oft, früher war das noch mehr der Fall, nicht beieinander. Bei den Gefahren, von denen die afrikanischen Äcker immer wieder heimgesucht werden, wie Heuschrecken- und Würmerplagen (Raupen ?), Sturm, Hagel, spärlicher Regen über kleinen Flächen (140, S. 637) und früher als Opfer der feindlichen Raubzüge wird der Nutzen dessen verständlich, auch wird die Tatsache durch rechtliche Verhältnisse herbeigeführt. Wo, wie in Basutoland und Nordtransvaal ein mühseliger Terrassenbau in den Bergen vorhanden war — noch heute kann man in den Blauwbergen (Transvaal) die Anlagen vieler kleiner, jeweils wenige Quadratmeter großer, von halbkreisförmigen Steinwällen gehaltener Beete sehen —, der gegen Feinde geschützt werden konnte, hat man heute mit der Umstellung auf den Pflugbau die Felder in die breiten Täler und Ebenen vor die Berge verlegt, also von den Hauptsiedlungen weiter entfernt liegend. Jeder verheiratete Mann hat bei den Kxatla in der Regel zwei Felder, selten aber mehr als vier oder fünf (140, S. 636). Die Xananwa in den Blauwbergen Transvaals berichten bis zu sechs Felder zu haben, wovon der Besitzer seinen Frauen und Söhnen zuteilt. Das Land, für das eine Frau mit der Bearbeitung verantwortlich war und zum großen Teil heute noch ist, überwachte sie und duldete keine Beeinflussung (153, S. 206). Noch heute haben viele Frauen, wie z. B. in Sekukuniland, das Verfügungsrecht über das geerntete Getreide und wenn der Mann für sich Kleidung oder Vieh kaufen will, benötigt er deren Zustimmung. Wie verbunden die Frau mit ihrem Feld ist, zeigt sich am besten in der Bedeutung des Dreschplatzes (So.: seboa) — einer glattgeklopften Lehmtenne mit erhöhtem Rand auf dem Felde — als der ihr vorbehaltenen Stätte des Begräbnisses. Die Verstorbene soll, wie man vermeint, auch über ihrem Grab das rhythmische Stockschlagen des Dreschens weiterhin hören können (165, S. 65). Bei der Größe der viele tausend Einwohner aufnehmenden Siedlungen liegen die Felder der Tswana vielfach in einem Umkreis von 3—16 km und mehr außerhalb ihrer Städte. Da wegen dieser Entfernungen die Ländereien nicht von den Wohnstätten aus bearbeitet werden können, ziehen, sobald nach den ersten Regenfällen, etwa im November, die Zeit der Feldbestellung herangekommen ist, die arbeitskräftigen Mitglieder der Familien für 8—9 Monate mit Nahrung und dem nötigen Hausrat versehen hinaus auf die Felder, wo sie während dieser Zeit die dort stehenden Feldhütten benutzen. Diese vorübergehende Abwanderung einer großen Zahl der Einwohner hat zur Folge, daß die eigentlichen Städte immer für längere Zeit bis auf alte Leute und einige Kinder entvölkert sind. Bis nach der Erntezeit hält man sich auf den Feldern auf, dehn mit dem Pflügen und Säen ist die Arbeit bis zur Ernte nicht allein getan, da in der Zwischenzeit das Unkraut gejätet und Schädlinge, wie vor allem Vögel und auch Heuschrecken, von Frauen und Kindern vertrieben werden müssen. Dabei greift man außerdem zu

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verschiedenen zauberischen Mitteln. Die Feldschutzzauber sind Privat' angelegenheiten der Familien zum Unterschied vom Regenzauber, dei Sache des ganzen Volkes und somit des Häuptlings ist. Im Herbst besuchen die Besitzer von ihren Feldern aus auch ihre Yiehposten, auf denen das Vieh außer den Zugochsen das ganze Jahr hindurch gehalten wird, Diese Weidegebiete liegen auf einem noch weiteren Umkreis als die Felder, bis zu 60 km und mehr, von den Ortschaften entfernt. Der Besuch des Viehpostens bietet zugleich eine willkommene Nahrungsabwechslung bei der sonstigen einseitigen Maisbreiernährung, indem man dort von saurei Milch lebt, die die Hauptnahrung der Hirten darstellt. Mit der Befriedigung und Sicherung der Stammesgebiete durch die europäische Herrschaft geschieht es nicht selten, daß Eingeborene das ganze Jahr hindurch auf den Viehposten leben, wodurch eine weniger wirksame Regierung, wie viele Häuptlinge es beklagen, entsteht (147, S. 124). Der südafrikanische Boden, der kein Humusboden ist und wenig Regen erhält, kann schon an sich keine reichen Ernten in den Eingeborenengebieten hervorbringen. Noch weniger aber wird dadurch produziert, daß die Eingeborenen nicht tief genug pflügen und außer dem Feldbrand, also der Aschendüngung, keine Düngung dem Boden zuführen. Nur vereinzelt wird in Sekukuniland schon der Mist aus dem Viehkraal zum Düngen gebraucht. Der Düngung steht in weiten Gebieten bei der Heilighaltung des Viehs der Glaube entgegen, daß Dung nicht aus dem Viehkraal genommen werden darf, da das Vieh sonst an einer besonderen Krankheit sterben würde (129, S. 117). Wenn der Getreidewechsel auf den Feldern auch geübt wird, so wird der Boden dennoch für europäische Begriffe verschwenderisch bewirtschaftet, da man aus der voreuropäischen Zeit gewohnt ist, reichliche Bodenfläche zur Verfügung zu haben, um beim Nachlassen des Ertrages ein neues Stück Land durch Brandrodung herzurichten. Ein Feld wird keine 10 Jahre genutzt (140, S. 639). Der Bewirtschaftung neuen Bodens sind schon heute durch die Reservatbegrenzung Schranken gesetzt, auch kann man unter europäischer Herrschaft sich nicht mehr im Notfall das Land seines Nachbarstammes aneignen. Trotz dieser Mängel produzieren heute viele Eingeborene einen Überschuß über den eigenen Verbrauch hinaus, der verkauft wird. Durch die Möglichkeit des Getreideverkaufs und Kreditwesens gerät der eingeborene Bauer durch Verschuldung oftmals in Abhängigkeit von jüdischen, europäischen und indischen Händlern. Auch wird zuviel von dem Ernteertrag verkauft, so daß bei Knappheit vor der nächsten Ernte wieder Getreide vom Händler teuer zurückgekauft werden muß, der es in der Zwischenzeit nur unter seinem Dache stapelte. Eine rationellere und intensivere Bodenbewirtschaftung ist dringend erforderlich, wenn der anbaufähige Boden in den zu eng bemessenen Eingeborenengebieten seine Bevölkerung hinreichend ernähren soll. In Südafrika hat man daher begonnen, einige „agricultural demonstrators" auszubilden, d. s. Eingeborene, die ihren ländlichen Rassegenossen zur Verfügung stehen, um sie in fortschrittlicheren Praktiken des Anbaus und der] Viehhaltung zu unterweisen. Solchen Verbesserungen steht hemmend» allerdings die Einstellung der Eingeborenenbauern gegenüber, an den imj

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eigenen Stamm traditionsmäßig geübten Verfahren festzuhalten. Erschwerend kommt weiter hinzu, daß eine große Zahl arbeitsfähiger männlicher Kräfte für viele Monate immer wieder in die Städte zur Lohnarbeit abwandert und Frauen mit alten Leuten und Arbeitsunfähigen für die Landarbeit zurückbleiben. Da außer den eigenen Feldern noch die Häuptlingsäcker vom Volk bearbeitet werden müssen und meistens auch einem Nachbarn geholfen werden muß, können die verbleibenden Arbeitskräfte oft den ausreichenden Ertrag nicht sichern. Der Boden ist nach altem Recht nicht Privateigentum; als solches gilt nur, was die Familie sich auf dem ihr vom Häuptling zugewiesenen Boden an Feldfrüchten erarbeitet hat, wofür der Familienvater etwa Vieh anschaffen kann. Der Boden gehört der Stammesgemeinschaft und wird vom Häuptling an die Unterhäuptlinge als Lehngut verteilt, die wieder ihren politisch Untergebenen Anbauflächen zuweisen. Privater Landbesitz, der die Häuptlingsmacht erheblich schwächt, wird selbst heute nur wenig angetroffen. Solange eine Familie ihr Land bebaut, darf es ihr rechtmäßig nicht vom Häuptling entzogen werden, auch kann die Familie das Land nicht verkaufen oder verpachten (165, S. 92). Einem Freunde kann jedoch ein Teil Landes, zur Verfugung gestellt werden, wenn die Familie es in dem Jahr nicht selbst bebauen will. Für die Wirtschaftsgrundlage ist die Jagd und Sammeltätigkeit unbedeutend. Das Jagdwild ist bei der Dichte der Bevölkerung und der Vernichtung durch Schußwaffen im vorigen Jahrhundert nicht mehr zahlreich. Da Schußwaffen für Schwarze nur in* seltensten Fällen genehmigt werden und ihnen das Tragen von Speeren verboten ist, erlegen sie kleineres Jagdwild nur mit Kirris (Keulen) und mit Hilfe von Hunden, oder sie stellen für den Fang von Geflügel Fallen. Jagdzüge in Gemeinschaft vieler Teilnehmer werden heute außer in Initiationsschulen nur sehr selten veranstaltet. Das Sammeln erstreckt sich auf einige Früchte — die Früchte der Feigenkakteen ernähren während der Zeit ihrer Reife stellenweise ganze Dörfer — Honig, Heuschrecken, Würmerarten und ähnliches Getier. Der Ertrag dieser Jagd- und Sammelmöglichkeiten bietet außer Milch, Melonen und Zuckerrohr die geringe Abwechslung in der außerordentlich einseitigen Mais- und Hirsebreiernährung. c) Die allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnisse Die Eingeborenenbevölkerung von Transvaal und Betschuanaland gliedert sich in Stämme; andere, selbst umfassendere Gruppierungen, wie etwa Totemgruppen oder sprachliche Einheiten sind unwesentlicherer Natur. Der Stamm bildet eine politische Einheit (Tsw.: sethshaba, morafe), die unter ihrem mehr oder weniger unabhängigen Oberhaupt, einem Häuptling oder Oberhäuptling, einen besonderen Namen hat, eigenes dem Stamm gehörendes Land besitzt und ihre inneren Angelegenheiten, soweit die europäische Verwaltung es zuläßt, selbst regelt. Stämme können untereinander freundschaftlich, mit der Verpflichtung zur gegenseitigen Hilfsbereitschaft, verbunden leben oder einander untergeordnet sein, d. h. früher mit der Verpflichtung Tribut oder Arbeits- und Kriegsdienste zu

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leisten, wobei solche Unterordnung freiwillig etwa nach Aufspaltung eines Stammes oder durch Eroberung geschehen kann. Unter einzelnen Oberhäuptlingen haben sich größere staatliche Zusammenschlüsse gebildet, wie die Süd-Sotho unter Moschesch, die Pedi unter Thulare und die Ngwato unter Exama. Solche Zusammenschlüsse erfolgten einerseits mit Hilfe der Macht besonders befähigter Häuptlinge, andererseits aber durch einen äußeren Druck anderer feindlicher Völker, wie etwa der Zulu, wobei sie nicht über das Sotho-Tswana Sprachgebiet hinausreichten. Die Sprache läßt die Sotho-Tswana, unterstützt durch die vielen dialektischen Unterschiede, nur wenig über die Häuptlingschaften und nächsten Nachbarn hinaus sich als untereinander zusammengehörig empfinden, wenn auch völlig Fremdsprachige, wie z. B. die Zulu, als besonders fernstehend betrachtet werden. Die dialektischen Unterschiede werden durch die heute für das Schulwesen geschaffene Schriftsprache zunehmend überbrückt, wobei aber, für die Sotho und die Tswana eine Trennung in der Entwicklung der Schriftsprache besteht und die der Tswana höchstens als annähernd abgeschlossen bezeichnet werden kann. Die tiefere Bedeutung des Totemismus, der auf das Vorhandensein alter Jägervölker hinweist, ist in ihrer lebendigen Geltung nur noch sehr schwer festzustellen. „Welches ,seboko' (d. i. Totem) betanzt du?" ist die Frage der sich begegnenden Fremden. Ein Mokoni benutzte außer dem Wort sebökö auch „mothöpö", Brown (22, S. 42) nennt als Bezeichnungen für Totem: seamö (the venerated thing), seretö (the named thing, having a special relationship to the namer) — das Wort dürfte aber mehr für ein Lobgedicht als solches stehen, weniger für den totemistischen Teil des Inhalts — und sebökö (the praised thing). Betanzen die beiden Fremden das gleiche sebökö, so sind sie einander schon keine Fremden mehr, man erkundigt sich eingehender nach den gegenseitigen häuslichen und familiären Verhältnissen und erwartet eine größere Hilfsbereitschaft voneinander. Ein solches sebökö ist meistens ein Tier, zuweilen aber auch ein Gegenstand oder sogar bei einem Stamm der Schlaf (van Warmelo). Viele Stämme nennen sich nach dem Totem, wie z. B. die „Kwena" = Krokodilleute, die „Tlapi" = Fischleute, „Tlou" = Elefantenleute, „Tau" = Löwenleute, „Roka" = Wildschweinleute usw. Nun haben aber die Angehörigen eines Stammes bei weitem nicht alle das gleiche Totem, es kommt sogar vor, daß die fremden Totems zusammen an Zahl die Angehörigen des Stammestotems übertreffen, wenn auch das Totem des Häuptlings gegenüber jedem anderen einzelnen Totem überwiegt. Diese verschiedene Zusammensetzung erklärt sich durch Abwanderung in das Gebiet eines anderen Häuptlings, unter dessen Schutz man sich begeben hat, oder dadurch, daß ein Häuptling ein Gebiet eines fremden Totems durch Eroberung unter seine Macht gestellt hat. Es bestehen keine Heiratsbeschränkungen unter Leuten verschiedener Toteme. Auch ist das Totem für die Grundlagen des sozialen und politischen Lebens nicht von Bedeutung, und selbst im täglichen Leben tritt es heute nur noch selten in Erscheinung. Ein Mosotho erklärte seine Bedeutung für den Eingeborenen, indem er meinte, es sei nicht viel mehr als sein Nachname. Gering ist auch die kultische Bedeutung des Totems, wenn man nur noch von einem „betanzen" (xo vina) spricht,

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da der Kult selbst in zeitlich nebelhafter Ferne zurückliegen muß. In den Reservaten wird das Totem jedoch noch als Speisetabu für seinen Träger beachtet, sowie dieser ein solches Tier auch nur in Verbindung mit allerlei Reinigungsopfern töten darf. Nach Hoffmann (67, S. 99) kann das TotemTabu mit einem anderen Tier oder Baum vertauscht werden, so daß z. B. der Mamabolo-Stamm, der das Schwein verehrt (kolöbe), dieses doch tötet und ißt, aber an seine Stelle den Gelbholzbaum (moxöbaxöba) treten läßt und dessen Holz dann nicht benutzen darf. Dabei sind Eheleute, sowie Untertanen und Häuptling, wenn sie verschiedenen Totems angehören, bei ihrem Zusammenleben nur den Tabugesetzen des eigenen Totems unterworfen, doch achtet zuweilen die Frau wegen der Kinder auch die Tabugesetze des Mannes. Das Kind wird allgemein der Familie und dem Stamm des Vaters zugerechnet und übernimmt somit auch das Totem des Vaters. Ein Stamm kann sein Totem ändern, denn man fühlt sich nur zu einem Totemtier zugehörig, glaubt aber nicht an eine Abstammung davon. Zu solcher Änderung dienten früher meist äußere Anlässe, ein Ereignis oder eine besondere Eigenschaft des Totems. So haben z. B. die Pedi bei ihrer Abwanderung vom Kxatla-Stamm auf dem Wege ein neues Totem angenommen; Brown beschreibt die Totemüberlieferung der Hurutse und der Ngwato (22, S. 37/8) und Hoffmann (67, S. 108) berichtet die Änderung des Wildschweintotems der Lovedu (Medingen, Nord-Transvaal) zum Rotbocktotem (phala) anläßlich einer Stammestrennung von den Mamabolo. Oftmals erzählt man sich in einem Ort verschiedene Geschichten über den Ursprung seines Totems, wie dies mit folgendem Beispiel illustriert sein mag. Der für die Tswana kultisch bedeutungsvolle Stamm der Hurutse hatte früher das Totem „phofu", heute das Totem „tsoeni", den Pavian. Nach einer Erzählung soll der jüngere Bruder des Häuptlings Tsoenyana auf einem Jagdzug einen jungen Pavian gefunden haben, der dem Häuptling als Jagdbeute überbracht wurde. Da der Häuptling aber das Tier nicht annehmen wollte, behielt der jüngere Bruder es und wurde dieser, da der Pavian in seiner kxotla (Ratsecke) angebunden war, viel und gern von den Leuten des Ortes besucht. Darüber wurde der Häuptling ärgerlich und verlangte den Pavian für sich, worüber sich ein Streit entspann, in dessen weiterem Verlauf es zu einer Abwanderung des jüngeren Bruders mit seinen Leuten kam und dieser mit seiner Gruppe den Pavian als neues Totem annahm. Eine andere mehr scherzhafte Erklärung für das Paviantotem der Hurutse ist die, daß der Pavian zuerst den Kürbis beißt, d. h. es sich herausnimmt, den höchsten Rang aller Hurutse zu haben (vgl. Fest des Kürbisbeißens, III d). In den Reservatdörfern wird heute bei besonderen Anlässen das Wort für das betreffende Totemtier noch als Lobpreisung seines Trägers ausgesprochen, indem Häuptlinge oder angesehene Personen, wenn man sie besonders ehren will, in der Anrede mit dem Totemtier identifiziert werden. Es ist dies früher und z. T. noch heute der korrekte Weg für die Anrede eines Häuptlings gewesen. In dem Lobspruch, den jeder Mann in der Initiationsschule mit auf den Lebensweg bekommen hat, kehrt sein Totem wieder, ebenso wie in den Lobpreisungen, die man dem Heiratsvieh zuruft, während es der Familie der Braut zugeführt wird. Die Mutter ruft dem Kind, das gerade niesen muß, sein Totem als „Dank"

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zu, es würde sonst von den Ahnen im Traum belästigt werden. Das Kriegsfeldzeichen, das im Sekukunireservat „sefoko" genannt wird, hängt vielleicht noch mit der Darstellung des Totems zusammen (vgl. für die Tswana 22, S. 42 und für Basutoland 98, S. 21/2 „siboko"). Was jedoch gerade den Stamm zur charakteristischen politischen Einheit werden ließ, ist, daß sich sein Aufbau aus den großfamiliären Lebensformen herleitet und unter dem Gedanken eines Ahnenkultes noch dazu eine sippenmäßig-religiös orientierte Führung erhielt. Daher ließ die fast verwandtschaftlich anmutende Geschlossenheit im Stamm das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Abstand gegenüber Außenstehenden sich besonders entwickeln. Von dieser Tatsache, die im Verlaufe der Arbeit näher analysiert wird, ist stets auszugehen, wenn die sittenmäßigen und moralischen Anschauungen der Eingeborenen in ihrem Verhalten einerseits gegenüber Stammesgenossen und andererseits gegenüber Stammesfremden, vor allem solcher untergeordneter Art, aber auch gegenüber Europäern erfaßt werden sollen, denn sie finden ihren Ursprung in erster Linie in sozialen und erst in zweiter in psychologischen oder gar rassischen Gegebenheiten. Dem Gemeinschaftsleben, den gemeinschaftsgliedernden Institutionen und dem Ahnenkult sind die den Eingeborenen auszeichnenden Eigenschaften, wie Gehorsam und Unterordnung unter Autoritäten, Anhänglichkeit nach Gewöhnung an Personen oder Menschengruppen, Bereitwilligkeit zu gegenseitiger Hilfe, Gastfreiheit, Gerechtigkeitsinn, Höflichkeit u. ä. zu verdanken. In Volksbewußtsein und Sitte werden verurteilt: Zauberei, sofern damit nach magischem Denken Schaden angerichtet wird, Mord, Diebstahl, Ehebruch, Lüge, Gehässigkeit, Anmaßung, Geiz u. a. Der größte Teil der genannten positiven Eigenschaften kann aber auch von gegenteiliger Bedeutung sein, wenn diese, wie bei Reisenden des vorigen Jahrhunderts und bei vielen in Südafrika ansässigen Weißen, nicht im Bantusinne verstanden werden. Die Sitten sind im Rahmen der Sippe oder des Stammes entstanden und haben entsprechend dem engeren Zusammenschluß dieser Gruppen vorwiegend nur innerhalb derselben Geltung und werden auch nur dort durch die öffentliche Meinung oder die Verwandtschaft beaufsichtigt, um im Sinne der Verantwortlichkeit gegenüber den Ahnengeistern eingehalten zu werden. Es wird damit das rücksichtslose Verhalten gegenüber schwächeren Fremden, das oftmals unliebsame und widerspruchsvoll erscheinende Verhalten gegenüber Europäern und die Umgehung allgemein sittlicher Gebote seitens Einzelner, wenn die Aussicht entdeckt zu werden gering ist, erklärt. Die Zugehörigkeit zum Stamm von Angehörigen, die nicht im Stamm geboren sind, wird durch den Häuptling offiziell entschieden. Solcher erworbenen Zugehörigkeit geht meistens, vor allem bei Leuten ohne Vieheigentum, eine Zeit als Besucher vorauf mit einer im äußeren Verkehr fast gleichberechtigten Stellung. Langfristige Besuche müssen jedoch, ebenso wie vielerorts das Verlassen des Reservats auf längere Zeit, beim Dorfoberhaupt oder Häuptling gemeldet werden. Hat der Besucher den Wunsch, Mitglied des Stammes zu werden, so wird nicht selten sein Verhalten erst viele Monate beobachtet, ehe er als Stammesmitglied niedersten Ranges aufgenommen wird und damit Land zum Anbau und

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für Weidezwecke, sowie die Erlaubnis zum Hausbau, Unterstützungsanrecht in wirtschaftlicher Notlage und Rechtsschutz vom Häuptling erhält. Andererseits kann ein Stammesangehöriger auf Grund schwerer Vergehen oder bei besonders schlechtem Betragen seine Bürgerrechte verwirken und vom Häuptling ohne ein Anrecht auf sein bisheriges Eigentum aus dem Stamm verwiesen werden. In gleicher Weise wie einzelne Personen können auch größere oder kleinere Gruppen die gleichen Stammeszugehörigkeitsrechte erwerben, sei es nach freiwilliger Unterordnung oder kriegerischer Unterwerfung. Gehörten die Unterworfenen aber an sich schon einem sehr viel niederen Rang an, dann wurden sie bei den Tswana Sklaven oder Tributpflichtige, wie z. B. die Mpukushu, Kxalaxadi, Subia und Sarwa im Tavana-Reservat oder bei den Ngwato früher außer den Sarwa und Kxalaxadi die Kalaka und Tswapong (147, S. 121). Als Sklavenvölker sind vor allem die am Rande der Kalahari wohnenden Barwa, (Ma-)Sarwa, (Ma-)Kxalaxadi und (Ma-)Denassana bekannt geworden. Das Stammesleben der Tswana wurde in den betreffenden Gebieten nicht wesentlich beeinflußt, wenn auch diese Völker eine ganz bestimmte für sich wiederum verschiedene 'Rechtsstellung einnahmen. Außer beiläufigen Beschreibungen von E. Holub in „Sieben Jahre in Südafrika", 1881 und „Von der Kapstadt in das Land der Maschukulumbwe", 1890 und Schapera in „The Bantu Speaking Tribes of South-Africa", 1937, fehlt bislang noch eine spezielle Bearbeitung dieser Sozialverhältnisse. Die betreffenden Völker stellen vermutlich eine verschiedengradige Vermischung von Buschmännern mit Tswana dar. Recht buschmannähnlich in Aussehen und Lebensweise sind die Barwa, in den nördlichen Gebieten (Ma-)Sarwa genannt, während die Kxalaxadi, auch (Ba-)Kalahari genannt, und die den Ngwato hörigen Denassana (74,1, S. 433), von großem Wuchs bei dunklerer Hautfarbe sind. Die Hörigkeitsverhältnisse bestehen noch im Norden, im Tavana- und Hgwato-Reservat und haben in den südlicheren Gebieten, wo man noch vereinzelte Individuen der ehemaligen Hörigen bei den Kwena und Kxatla als Stammeszugehörige sehen kann, seit ein bis zwei Generationen aufgehört, so daß hier der Hauptteil für sich am Rande der Kalahari wohnt. Die Barwa sind vor allem verstreut wohnende Jäger, die nach Buschmannart mit Pfeil und Bogen jagen und ihren Herren, ebenso wie z. T. die Kxalaxadi, in Abständen von einigen Monaten Jagdwild, Fleisch und Felle abzuliefern haben und früher noch als Spione gegen herannahende Feinde benutzt wurden. Die größere Anhänglichkeit gegenüber ihren Frauen zum Unterschied der Tswana und Kxalaxadi, sowie die Tierliebe zu ihren Hunden, deren Versorgung und gute Behandlung den Tswana völlig abgeht, wird von Holub (76, S. 436) hervorgehoben. Die Kxalaxadi und Denassana dagegen bewohnen kleine im Busch versteckte Siedlungen unter jeweiliger Führung eines Oberhauptes. Sie dienen außer als Jagdführer auf Unternehmungen, die früher den Tswanahäuptlingen Elfenbein, Straußenfedern, Fleisch und Felle liefern sollten (74, S. 93/4) auch als Hirten, wozu die Sarwa nicht geeignet sind. Durch den Wassermangel der Kalahari scheinen diese Völker auf die im Besitz der Tswana befindlichen Wasserstellen angewiesen zu sein, wodurch sie in Abhängigkeit von

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den Tswana geraten sein mögen. So berichtet Holub (74, S. 431/2; 76, S. 54), daß die Sarwa und Barwa in dem Gebiet, in dem er sie antraf, sich weigerten, die Wasserstellen ohne Erlaubnis ihrer Tswanaherren zu zeigen. Schapera berichtet (145, S. 167) von den Sarwa und Kxalaxadi, daß sie als sklavenartige Diener des Häuptlings und der Familien vererbt, vom Häuptling als Lehnsgut zugeteilt werden und nicht selbständig ihre Herren wechseln können. Eine Häuptlingstochter kann bei ihrer Heirat für ihr neues Heim einige von ihnen als Eigentum mitbekommen. Schapera sagt weiter (145, S. 191), daß diesen Sklavenvölkern die Kinder für Dienste im Hause ihrer Herren fortgenommen werden können, ohne daß sie irgendeinen Rechtsschutz genießen, denn sie haben weder an der Regierung teil, noch sind sie Mitglieder der Altersklassenverbände. Die Kxalaxadi sollen eine mildere Behandlung zum Unterschied von den Sarwa und Barwa genossen haben und nach langjährigen nutzbringenden Diensten nicht selten von ihren Herren mit der Erlaubnis im Ort zu siedeln freigelassen worden sein, woraufhin zuweilen bei den Kwena eine Annäherung und Verschmelzung mit den Kxalaxadi — dagegen nicht mit den Barwa, Sarwa und Denassana im Ngwato-Gebiet — ermöglicht wurde. d) Das Weltbild Die Betrachtung des Weltbildes von Naturvölkern pflegt im allgemeinen in Hinsicht auf das, was schlechthin als Religion der Eingeborenen bezeichnet wird, kaum eine Trennung zwischen der profanen magischen Denkweise und dem eigentlich Religiösen zu machen. Die Schwierigkeit solcher Unterscheidung liegt einerseits in der schwer zu erfassenden Fremdartigkeit der magischen Denkweise und andererseits in der starken Verflochtenheit des täglichen profanen und religiösen Erlebens mit psychologischen Gegebenheiten, wie Affekte, Furcht, Abhängigkeitsgefühl u. a. Zur profanen Seite des Weltbildes gehören daher entsprechend dem in dieser Hinsicht zwar wenig ausgeprägten Gefühl der Eingeborenen, die Naturkenntnis, die Kenntnis, die auf mit Hilfe der magischen Denkweise gefundene Erklärungen zurückgeht, ferner die Heilkunst, Zauberei, animistische Vorstellungen und Traumdeutungen, soweit diese sich dem direkten Einfluß der Ahnen entziehen. Der wirklich religiöse Gehalt des Weltbildes liegt im Ahnenkult und dem Lebensgefühl vom Wachsen und Werden begründet, zu dem ferner noch Vorstellungen von sogen. Gottheiten und solche mythologischer Art zu rechnen sind. Das Weltbild auf seiner profanen wie religiösen Seite entspricht wieder dem auf die innere Einheit gerichteten und innerhalb des Stammes fest geschlossenen Lebensgefühl, das jedoch hier nicht, trotz der gleichen Voraussetzungen, seinen symbolischen Ausdruck etwa in einem magisch verflochtenen, von allem Irdischen des Stammes enthaltenden Ringknäuel findet, wie dies von den Zulus her bekannt ist. Recht bedeutend ist die naturkundliche Erfahrung des Eingeborenen in allem, was ihn in seiner geographischen Umwelt umgibt. Dabei handelt es sich meistens um Dinge wie Tiere, Pflanzen, Steine, Gestirne, physikalische Erscheinungen u. ä., die ihm in irgendeiner Weise nützlich, merk-

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würdig oder schädlich sind, oder auch seinen Deutungs- u n d Spieltrieb angeregt haben können. Das diesbezügliche Vokabular der Sprache ist sehr reichhaltig, wenn auch mit wachsender Europäisierung im Abnehmen. Aus jahrhundertelanger Praxis h a t sich eine beachtliche volksmedizinische Heilkunst entwickelt, die zwar durch magische Gedankengänge und Manipulationen, wie durch hypnotisch-suggestive Einflüsse in ihrer Wirkung undurchsichtig ist. Die Fragen des Eingeborenen nach dem Zusammenhang der Dinge und den Ursachen von Erscheinungen sind stärker als sein naturwissenschaftliches Erkenntnisvermögen. E s ist daher nicht verwunderlich, wenn die von allen Naturvölkern her bekannten Gedankenverknüpfungen nach zufälligen räumlichen u n d zeitlichen Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten der äußeren Erscheinung, Partizipationen u. a. auch hier die magische Denkweise zur Hauptsache mitbedingen. Wodurch die Magie f ü r den Eingeborenen besondere Bedeutung gewonnen h a t , ist die dauernde Unsicherheit seiner Person, seiner Familie, seines Viehs u n d seiner Felder vor plötzlichen u n d unerwarteten unheilbringenden Geschehnissen, denen er auf diese Weise mit den ihm vermeintlich zur Hilfe stehenden Mitteln entgegenzutreten versucht. Vor allem in der Vermeidung der Ursache des Unheils — denn alles h a t nach seiner Auffassung einen Entstehungsgrund — versucht er sich durch Meidungen, E n t haltungen und Verbote den Gefahren zu entziehen, oder, wenn dies versäumt wurde, nachträglich in der Zeit der Not durch magische Manipulationen u n d Ahnenopfer den Schaden einzudämmen u n d zu beseitigen. Doch bleiben diese magischen Vorstellungen und Handlungen nicht allein auf die Denkweise und psychologischen Momente beschränkt, sondern erstrecken sich weiterhin auf das Gebiet des Animismus, des Hexenwesens u n d der Ahnengeister. Der Animismus, das Traumerlebnis, die Magie des Hexenwesens tragen nicht eigentlich den Charakter von etwas wirklich Religiösem wie der Ahnenkult, sondern es handelt sich hier u m ähnliche Erscheinungen wie bei der magischen Denkweise, nämlich u m die Frage nach den unsichtbaren Ursachen, die noch durch ein Furcht- und Unsicherheitsgefühl verstärkt sein mag. Die Eigenschaften u n d Wirkungen von Substanzen, die Schatten, Bewegungen, Veränderungen und ungewohnten Erscheinungen in der Umwelt sind gewissermaßen Aktionen oder tragen den Charakter von etwas Lebendem. Sie setzen damit f ü r den Eingeborenen eine unsichtbare K r a f t voraus u n d t r e t e n somit in seiner Phantasie mehr oder weniger anthropomorph, etwa als Geister, hervor. Der Traum wird durch seine Tatsache bei dem Eingeborenen zum Erlebnis seines zweiten Ichs, einer Art Geisterseele, die den Schlafenden verlassen kann. Gleicherart verläßt auch der Mensch des bösen Zaubers während der Nachtzeit seinen Körper, u m sich mit Hilfe der H y ä n e auf den Weg der Unheilstiftung zu begeben. Beidem pflegt man, wenn eine Schädigung befürchtet wird oder ihr Bevorstehen durch Vorzeichen oder mittels der Orakelknochen festgestellt ist, mit magischen Mitteln handelnd oder zu den Ahnen betend entgegenzutreten. Auf den nichtreligiösen Gebieten der magischen Denkweise, der Magie u n d des Seelenerlebnisses der Lebenden, die sich zwar nicht scharf gegen das Religiöse abgrenzen lassen, wiegt entsprechend als Reaktion darauf

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das Handeln, und zwar gleichfalls in magischer Weise, vor, während als Reaktionen auf der religiösen Seite das Gebet und das Opfer in Erscheinung treten. Als wirkliche Religion der Eingeborenen sind die ineinandergreifenden Gebiete des Ahnenkults und des höheren Weltgeschehens in der Mythologie sowie in dem Lebensgefühl des naturhaften Wachsens und Werdens zu verstehen. Die seelisch-geistige Reaktion innerhalb derselben ist ohne Zweifel die der Ehrfurcht, die dennoch von dem durch die Unsicherheit der Lebensverhältnisse hervorgerufenen Furchtgefühl stark überschattet wird. Die besondere Bewertung europäischerseits bezüglich des Vorhandenseins eines Hochgottes geht an dem wirklichen Wert der Eingeborenenreligion, der in dem natur- und lebensverbundenen Ahnenkult liegt, vorbei. Der Ahnenkult, der seiner Entstehung nach auf das Unfaßliche des z. T. plötzlichen Ubergangs des menschlichen Lebens zum unabänderlichen Tod, verbunden mit der Macht und dem Ansehen des Alters zurückgehen mag, beeinflußt das gesamte Leben und Verhalten der Eingeborenen auf das Tiefgreifendste. Die enge Verbindung der Ahnen, gewissermaßen als einer ranghöheren Altersklasse, mit den Lebenden schließt nicht nur die sippenmäßige, bzw. bei den Häuptlingsahnen die stammesmäßige, soziale Organisation zusammen, sondern schafft auch den kulturellen Halt der Tradition. Es wird als Wille der Ahnen angesehen, daß alle Sitten und Anschauungen des Rechts strengstens gewahrt werden und daß das Verhalten des Einzelnen gegenüber den Alten, der Sippe, den Ahnen und den Altersklassengenossen ein den sozialen Gepflogenheiten entsprechendes ist. Treten irgendwelche Schädigungen in den Rinderherden, auf den Feldern, durch Krankheiten oder Unglück auf, so liegt, wenn magische Mittel dem nicht abhelfen oder der Wurf der Orakelknochen dies feststellt, eine Strafe von Seiten der Ahnen vor, die über die durch irgendein Vergehen oder Versehen gestörte Ordnung erzürnt sind und eine Wiederherstellung derselben mit einem Opfer verlangen. Solche nach dem Versagen magischer Mittel gegen Unglück oder bei besonderen Anlässen und Wünschen, wie auch nach Vergehen und Übertretungen bereiteten Opfer sind vor allem Rinder- und Ziegenopfer, doch auch andere Speise- und Trankopfer, die am Grabe der Verstorbenen dargebracht werden. Besondere Gelegenheiten, wie Heirat, Tod, Regenopfer, Initiation u. a., die den Schutz oder die Hilfe der Ahnen erfordern, lassen stets ihren Höhepunkt der Feierlichkeiten in einem Rinderopfer erkennen, an dessen Stelle bei Familien geringsten Besitztums das Opfer einer Ziege treten kann. Nachdem die Gebete der Ranghöchsten der Sippe bzw. des Stammes, gesprochen sind, wird im Kreise der Verwandten das Fleisch des Opfertieres in Gemeinschaft mit den Ahnen verzehrt, wobei oftmals, besonders bei Todesfällen, bis zum nächsten Morgen nichts mehr von der großen Menge des Fleisches übrig bleiben darf. Innerhalb der Herde können sogar bestimmte Tiere schon lange Zeit vorher auf Grund besonderer Eigenschaften für spätere Opfer ausgewählt sein und dürfen dementsprechend, was für die Eingeborenenverwaltung von Bedeutung sein kann, keinem anderen Zweck, etwa Pfändung oder Verkauf, zugeführt werden. Aber auch Gebete mit kleineren

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Opfern, bei denen nur Bier und vielleicht etwas Breispeise dargebracht werden, finden am Aufenthaltsort der Ahnen statt, der bei den Xananwa in Besonderheit eine im Gehöft wachsende und gepflegte Pflanze (lekwamo) darstellt. Für manche Opfer soll sogar die Möglichkeit bestehen, die Ahnen durch magische Mittel vorher für die Gebete und Opfer geneigt zu machen. Wie bei allen kultischen Handlungen, so muß auch bei den Ahnenopfern das Rituell peinlich genau eingehalten werden. Über das Wesen und die Eigenart der Ahnen herrscht bei den Eingeborenen eine unklare Vorstellung. Sehr eingehend hat in seinem Buche „The Soul of the Bantu" Willoughby diesen Fragenkreis behandelt. Die Ahnen, die die fortlebende und fortwirkende gesamte seelisch-geistige Substanz der verstorbenen Familienangehörigen darstellen, scheinen unter Beibehaltung aller spezifischen, auch der körperlichen Eigenschaften ein Abbild der menschlichen Figur im kleinen zu sein (vgl. 165, S. 64/5; 166, Kap. über Offenbarung der Ahnen). Sie sind im allgemeinen unsichtbar und können nur von einigen visionell veranlagten Individuen und Medizinmännern, wie auch zuweilen von Nachkommen oder Verwandten im Traum gesehen werden (vgl. 3, S. 341). Es besteht die Vorstellung, daß sich der Geist eines Toten zunächst einige Zeit in der Nähe seines Grabes aufhält, um dann in das Ahnenreich einzukehren und dort ein den irdischen Verhältnissen ähnliches Leben, vor allem bei seinen Rinderherden, zu führen. Sein Einfluß auf das Wohlergehen der Hinterbliebenen ist sehr wesentlich und von den Launen oder den unangenehmen Eigenschaften seines Charakters abhängig, wobei sein Wille oder seine Unzufriedenheit in Offenbarungen verschiedenster Art, wie etwa im Trancezustand der dafür empfänglichen Personen, im Traum, durch Hineingehen in eine Person als Medium, durch Propheten, durch Divination, durch Verkörperung in bestimmten Tieren — Schlange, Vogel u. a. —, durch Wiedergeburt in Enkelkindern u. a. m., zutage treten kann. Der Glaube an eine Wiederkehr der Ahnen in den Enkelkindern ist noch heute in dem zuweilen besonders höflichen Verhalten gegenüber Kindern und ihrer Namengebung zu erkennen. Die Vorstellung über die Macht der verschiedenen Ahnen ist analog dem politischen Instanzenweg entwickelt, indem die Ahnen gebeten werden, sich bei höher gestellten Ahnen, etwa denen der alten Häuptlingsgeschlechter, oder bei dem obersten Haupt der Ahnenwelt für das gewünschte Wohl der Hinterbliebenen einzusetzen (vgl. 166, S. 80; 165, S. 1). Die engere Verbundenheit mit bestimmten Ahnen reicht kaum über drei Generationen hinaus, wohingegen die Erinnerung an einzelne ehemals berühmte Häuptlinge sich zum Vorhandensein einer Art mythischen Gottheit verdichtet haben mag. Die Bezeichnung für den Hochgott, die erst mit der Einflußnahme der christlichen Missionen hervortretende Bedeutung gewann, ist Modimo; sie bedeutet dem Wortgehalt nach „Geisterort". Alte Quellen (118, S. 69; 51, S. 197; 53, S. 67/68 u. a.) stellen Modimo als einen Schöpfergott dar, der der Beschreibung nach dem heutigen mythologischen Thovèxe bei den Tswana entspricht. Tatsächlich ist Thovèxe nur der Sendbote des Hochgottes Modimo. Er wird als einbeinig beschrieben und ist zusammen mit den ersten Menschen und Tieren aus einem etwa 2,5 m tiefen Wasser2

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loch in den Felsplatten eines ehemaligen breiten Flußbettes, das in der Gegend von Mochudi vom Verfasser besucht wurde, hervorgekommen. Die mit Thoväxe ihm geschaffenen ersten Wesen hinterließen eine Reihe jeweils einzelner Fußabdrücke, die alte u n d in natürlicher Größe des Dargestellten, in den Stein geschlagene Buschmannzeichnungen sind. Später sollen dem Gott die Menschen nicht gefallen haben, woraufhin Thovexe wieder in das Loch zurückgegangen ist und seitdem keinen wesentlichen Einfluß auf das Erdgeschehen mehr ausgeübt hat. Der Hochgott Modimo zeigt sich weder als den Menschen nützend und f ü r sie sorgend, noch f ü g t er ihnen Schaden zu, weshalb n u r in seltensten Fällen an ihn Gebete gerichtet werden. Dagegen sollen jedoch an dem Wasserloch des Thovexe bei sehr langem Ausbleiben des Regens religiöse Zeremonien aufgeführt werden. Auch gedachten früher die Hurutse in großer Not mit dem Opfer eines weißen Ochsen — Friedenszeichen — dem Gottesboten Thovexe u n d es soll dieser dem Häuptling im T r a u m erscheinend Ratschläge für die kriegerisch-politische Z u k u n f t gegeben haben. Die mit dem Gottesboten Thov&xe zusammenhängende Mythe ist über das gesamte Sotho-TswanaGebiet verbreitet, wenn auch der Name desselben verschieden sein mag. Der bei den Sotho mit dem Namen Xubeane bekannte Gott mag seiner Bedeutung nach mit Thovexe identisch sein. Ferner wird bei den Sotho als Trink- und Häuptlingsgruß oft der Ausruf „Thov^la" (So.: Spießer, Stecher) gebraucht, der auf einen urzeitlichen Häuptling zurückgehen soll. Während die Entstehung einzelner Gottheiten auf legendäre bedeutende Persönlichkeiten u n d auf mythologische Vorstellungen zurückgeht, scheint f ü r den Hochgott, dessen Wesen und Wirken schwer genau zu ermitteln ist, das Erleben des Naturgeschehens verbunden mit Einflüssen des Ahnenglaubens, formgebend gewesen zu sein. Das Vorhandensein einer, wenn auch heute in Vergessenheit geratenden Mythologie, die von Mond, Gestirnen, Meteoren, Sonne, phantastischen Tieren, menschlichen Gestalten u. a. berichtet, sei n u r angedeutet. Weiterhin findet sich im Übergangsbereich vom Ahnenglauben — soweit es sich u m fast vergessene Ahnen u n d deren Aufenthaltsorte handelt — zum Animismus der Glaube an die verschiedensten Geisterarten, wie Fluß-, Baum-, Weg-, Berg- und Höhlengeister, den Durchgang von Schluchten beherrschende einbeinige Wesen oder bei Zeremonien erscheinende maskierte Figuren. Das Gefühl der Furcht gegenüber diesen Geistern wird meist durch kleine, an den betreffenden Stellen niedergelegte Gaben, wie Breistreifen, Bier, Tabak u . ä. oder durch magische Handlungen, wie Stein- u n d Stockwürfe, oder auch durch vorheriges Orakel entspannt. Besonders tief h a t diese Naturvölker stets das Werden und Vergehen im Reich der Lebewesen beeindruckt und beschäftigt, das nach ihrer Anschauung auch bezüglich des Werdens den eigentlichen Lebenszweck des Menschen ausmacht. E i n wesentliches Ahnengebet enthält daher die Bitte „gib uns Regen, Rinder u n d Kinder". Stetig begegnen dem Beobachter Zeugen von Fruchtbarkeitswünschen, deren Verwirklichung mit magischen oder mit kultisch-religiösen Mitteln angestrebt wird, während ebenfalls die Hauptzeremonien im Stammes- und Privatleben wie Regenzeremonien, früher magische Wachstumsförderung mit geweihtem Ge-

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treide, Mannbarkeitsfeierlichkeiten und -lehren, gewisse Eheschließungszeremonien u. a. die gleiche Vorbereitung bzw. Förderung der Fruchtbarkeit als Kernpunkt enthalten. Die Frucht von Mensch und Tier partizipiert daher auch an Quellen, Gewässern und Regen, so daß z. B. die Mädcheninitiation mit täglichen Bädern verbunden ist, verstorbene Säuglinge meist in der Nähe von Wasser bestattet werden müssen, Unglückskinder, wie einer von Zwillingen, zuweilen durch Eingießen kochenden Wassers in den Hals getötet werden, im Busch verstorbene Kälber mit heißem Wasser abgebrüht werden müssen u. ä. m. Der größte Teil dieses im Vorhergehenden flüchtig gestreiften Weltbildes der Sotho-Tswana ist heute in Vergessenheit geraten oder hat sich zum Vorteil wie auch zum Nachteil ihres Kulturgefüges verändert. Bei selbst lang ansässiger Stadtbevölkerung hat die Zivilisation und reale Erkenntnis des natürlichen Geschehens es bis jetzt nicht vermocht, die Zauber- und Geisterfurcht zu beseitigen, während zugleich die religiösen Vorstellungen und Kulte in den meisten Fällen bereits abgetan sind. In gleicher Weise erhält sich bei der christlichen Bevölkerung der Aberglaube. Der die Sippe und den Stamm verbindende Ahnenglaube dagegen und die naturhafte Lebensauffassung mit dem Inhalt, stetig neues Leben in den Herden, auf den Feldern und in der Familie gezeugt zu sehen, haben weitgehend den neuzeitlichen individualistischen Idealen des Geldes, der persönlichen Geltung und z. T. schon der besonderen Leistung unaufhaltsam Raum geben müssen. e) Die Europäisierung der südafrikanischen Eingeborenen Das Wesen und die Auswirkung der Europäisierung südafrikanischer Völker geschlossen in der ganzen Tiefe der Erscheinung darzustellen, bleibt weiterhin der Zukunft vorbehalten. Dennoch liegen auf diesem Gebiet bereits zahlreiche Schriften und Bücher zur Veranschaulichung der in Frage stehenden Probleme vor, und mag es für die vorliegende Arbeit genügen, in einer allgemeinen Übersicht nur andeutungsweise das Gebiet zu umreißen. Die unerfreulichen Folgen, die die zum großen Teil geradezu entartende Zivilisierung der Eingeborenen gezeitigt hat, gehen auf verschiedene ineinandergreifende Quellen zurück, als deren hauptsächlichste 1. das europäische Wirtschaftsleben in seiner ganzen Vielfältigkeit, 2. die Landespolitik mit ihrem geringen Verständnis für die Eigenart und das Wohlergehen der Eingeborenen und 3. die von falschen Voraussetzungen ausgehende geistige Beeinflussung der Eingeborenen zu nennen sind. Entsprechend den wohngebietsmäßigen Beziehungen der Eingeborenen zur Zivilisation finden sich verschiedenartig und verschiedengradig europäisierte Gruppen: 1. Eingeborene als vorwiegend indirekt beeinflußte dauernd ansässige Reservatsbewohner, 2. als Reservatsbewohner, die zeitweilig einer Lohnbeschäftigung bei Europäern nachgegangen sind, 3. als langjährige Minenarbeiter oder Hausangestellte, 2*

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4. als Bewohner stadtnaher Lokationen, 5. als dauernde Stadtbewohner und 6. als auf Farmen ansässige Arbeiter. Mit der Ausbreitung der europäischen Eigenart des Wirtschaftslebens hat sich für den Eingeborenen eine völlig neue, mit dem Altgewohnten unvereinbare Einstellung zum Erwerb, zu den Eigentumsverhältnissen, zur Bedürfnisbefriedigung und zur wirtschaftlichen Produktivität ergeben. Die Arbeitsleistung eines jeden diente nach der alten Auffassung dem Nutzen der verwandtschaftlichen Gruppe ohne besondere Bewertung einer größeren Fähigkeit, solange jeder nach bestem Können sich betätigte, d. h. daß der Leistungsfähigere die geringere Leistung des Schwächeren auszugleichen hatte. Sonderverdienste jüngerer Leute mußten den Alten der Familie, evtl. neben einem Teil als Geschenk für den Häuptling, abgeliefert werden. Die Nutznießung des Ertrages erstreckte sich dann nicht gleichmäßig-kollektivistisch auf alle Mitglieder der Gruppe, sondern gewährte den Älteren, etwa Brüdern, und den Alten, vor allem denen höheren Ranges, ein selbstverständliches Vorrecht. Solche Anschauungen werden selbst heute noch nicht selten in die Tat umgesetzt, wo es sich um Güter oder Werte handelt, die jüngere Leute in den Städten während längerer Zeit mit ihrer Arbeitskraft erworben haben. Es treffen damit die beiden verschiedenen sozial-rechtlichen Anschauungen aufeinander, wobei entsprechend der alten einerseits die Arbeit eines jeden für die Gruppe geleistet wird und zum anderen die vom Europäer übermittelte neuzeitliche, bei der jeder Einzelne eine Arbeit nur für den eigenen persönlichen Gewinn leistet. Dennoch erhält sich bei den Eingeborenen europäisch-individualistischer Anschauung die Gewohnheit der wirtschaftlichen Hilfsbereitschaft im Verwandtenkreise. Eine starke Wandlung gegenüber der alten Zeit haben weiterhin die Anschauungen über die Verwendung der geschaffenen Werte erfahren, die in ihrer heutigen Art von den alten Leuten vielfach beklagt werden. Während die Alten solche Werte in Viehbesitz als indirekte soziale Stärkung umwandeln würden, sind jüngere Leute stets bestrebt, in den Besitz europäischer Güter zu gelangen, um damit das Äußere der eigenen Person, vor allem gegenüber dem anderen Geschlecht, zu heben oder die verdienten Gelder für europäische Gebrauchsgüter, wie Fahrräder, Decken, Grammophone u. ä., oder oftmals für Vergnügungen auszugeben. Die Befriedigung der sich steigernden zivilisatorischen Wünsche läßt zusammen mit den Verpflichtungen zu hohen öffentlichen Abgaben die von Eingeborenen im europäischen Wirtschaftsleben geleistete Arbeit wesentlich in ihrer Produktivität erhöhen, jedoch zugleich zum Nachteil der Landarbeit in den Reservaten, der auf diese Weise die besten Arbeitskräfte entzogen werden. Andererseits werden Hungersnöte bei den großen, vielfach auftretenden Feldschäden durch die europäische Wirtschaft mit der in solchen Fällen sich bietenden Lohnarbeit in ihren Härten abgeschwächt. Die europäische Wirtschaft kann sogar neben der Möglichkeit zur Schaffung wenn auch recht bescheidenen Reichtums dem einzelnen arbeitsfähigen Eingeborenen vielfach eine gewisse größere wirtschaftliche Sicherheit bieten, die sich um so mehr erhöht, als er sich an eine geregelte Arbeit gewöhnt hat.

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Die Landespolitik hat sich über die Verwaltung und zum geringen Teil über die Entwicklung der Eingeborenen hinaus mit den stetig zunehmenden Problemen zu befassen, die sich aus dem Zusammentreffen zweier so grundverschiedener Kulturen in soziologischer und ökonomischer Hinsicht mit ihren Folgen ergeben haben. Die Verwaltung kann unter der für Südafrika stets selbstverständlichen Politik der Rassentrennung und einer mehr oder weniger extremen Segregation von einer verschiedenartigen Grundhaltung ausgehen. Die burischen Einwanderer hatten unter Schwierigkeiten und Mühen ihren Boden zu erwerben und gegen die schwarzen Bewohner des Landes zu verteidigen, wodurch sie, unterstützt durch biblisch-religiöse Vorurteile, die Haltung schärfster Ablehnung gegenüber den Eingeborenen als „skepsels" (Geschöpfe) und nicht als Menschen einnahmen. Diese Einstellung ist die geschichtliche Wurzel zur heutigen „Segregationspolitik", die sich von der englischen Auffassung bei ebenso geringem Verständnis für die sozialen Nöte der Eingeborenen, unterscheidet und den entrechteten Eingeborenen in eine scharfe oppositionelle Front drängt. Die Segregation betrifft in ihren Zielsetzungen alle Lebensgebiete: (1) blutsmäßig die Unterbindung der Rassenmischung, wie dies übrigens auch der Auffassung der ländlichen Eingeborenen entspricht; (2) die Trennung der Wohngebiete, wobei die Reservate, in denen den Eingeborenen ausschließlich der Bodenbesitz gestattet ist, für die Zahl der Bevölkerung bei weitem zu eng bemessen sind; (3) politisch die Beschränkung des Stimmrechts auf die weiße Bevölkerung, wobei heute im Parlament die Interessen der Eingeborenen von einigen Europäern vertreten werden sollen; (4) wirtschafts- und arbeitspolitisch soll die „zivilisierte Lebensführung" allen Weißen vorbehalten und gewährleistet werden — das wird z. B. durch die „colour bar", die sogen. Farbenschranke, bewirkt, die den Nichtweißen von allen besserbezahlten, erlernten Handwerken ausschließt oder durch eine Lohnpolitik, die für eine gleiche ungelernte Arbeit dem Weißen einen um ein Vielfaches höheren Tageslohn sichert —; (5) sozialpolitisch wird eine strenge Kontrolle der Eingeborenen durch ein vielfältiges Paßsystem ausgeübt, ohne daß dem Eingeborenen eine soziale Fürsorge oder ein Polizeischutz geboten wird. Die verschiedenen Pässe dienen zum Nachweis der Steuerzahlung, zum Reisen, zum Arbeitsuchen, zum Dienst in einer Stellung, zum Ausgehen nach 9 Uhr abends, zum Eintritt und zum Verlassen einer Eingeborenen-Stadtsiedlung usw. Ferner besteht die Absonderung im öffentlichen Leben, in Organisationen, Schulen, Kirchen, Verkehrsmitteln, gesonderten Schalterzugängen in Betrieben und Postämtern usw. Aus den Kreisen volkskundlicher Kenntnis der Eingeborenenverhältnisse heraus hat sich jedoch eine neuere Strömung gegen die bestehende Haltung der Landespolitik unter der Bezeichnung ,kooperativer" Bestrebungen entwickelt, d. h. einer Richtung, die bemüht ist unter Berücksichtigung sozialer, wirtschaftlicher und volkskundlicher Probleme den Lebensverhältnissen der Eingeborenen gerecht zu werden und die bestehenden Entwicklungsmöglichkeiten nicht zu unterbinden. Die Hauptträger dieser von Leubuscher (102, S. 209—212) u. a. behandelten Fragen sind die

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„Joined Councils of Europeans and Natives" und das „ South-African Institut of Race Relations". Die Vertreter der Eingeborenenseite werden von der Schicht der gebildeten Eingeborenen gestellt, die zwar durch das europäische Leben völlig beeinflußt den natürlichen völkischen Bindungen wenig Verständnis entgegenbringen. Dabei schließt die cooperative Richtung die Segregation nicht aus, während dagegen die alte britische liberalistische Auffassung nach den Worten von Cecil Rhodes: „gleiche Rechte für alle zivilisierten Südafrikaner", keine Segregation befürwortete. Die geistige Beeinflussung und Erziehung im europäischen Sinne, soweit sie sich nicht zum großen Teil schon aus dem wirtschaftlichen Zusammenleben in europäischen Städten mit neuen individualistischen Wertungen und Verhaltensweisen ergeben, gehen im wesentlichen von der Lehrtätigkeit der Mission aus. Dabei wurde stets besonders seitens der deutschen Mission, bei der englischen ist das Verständnis dafür gering, die Eingeborenensprache als Mittel benutzt, um dem Volkstum nahe zu kommen. Doch wandte die Mission sich, wie dies von führenden Missionaren auch zugegeben wird, mit ihren christlichen Vorurteilen nicht an den alten, naturgewachsenen patriarchalischen Sozialorganismus oder wandelte ihre individuellen Lehren in der Weise, daß sie den vorhandenen, z. T. sogar wertvollen sozialen Anschauungen angepaßt wurden. Es wurde damit versäumt, sowohl der Europäisierung wirksam entgegenzuarbeiten, als auch den engen Anschluß an das Volkstum zu finden. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die alte Bantureligion stark soziologischen Charakter trägt, d. h. alle gesellschaftlichen Institutionen religiösen Gehalt haben und selbst die politische Führung zugleich untrennbar die religiöse Führung bedeutet. Die christliche Dogmatik war jedoch nicht elastisch genug, zu verhindern, daß die schwarzen Christen aus ihren Großfamilien herausgetrennt, sowie der Autorität ihrer Häuptlinge und der strengen Stammeserziehung entzogen wurden. Der Häuptling Sekhukhuni versuchte sogar durch Ernennung seines jüngsten Bruders Dinkwane zum Unterhäuptling der Christen, diese fester in den Stammesverband einzugliedern. Das gelang wohl in Bezug auf das Eintreten für den Stamm nach außen, nicht aber fiir die Einheit des Stammeslebens und die gemeinschaftlichen Verpflichtungen (Eiselen in 142, S. 69). Es ist mithin nicht zu verwundern, daß so viele Eingeborene die Mission weniger als Bestandteil ihres Volkstums — wenn auch zum Stamm gehörig — empfinden, sondern mehr als Mittel, durch Erlernung europäischer Art und Berufe die eigene unglückliche, wirtschaftlich-soziale Lage zu bessern. Das schließt jedoch nicht aus, daß es der Mission gelang, gewisse ethische Werte in einem großen Teil ihrer Anhänger zu entwickeln, was bei engerer Anknüpfung an die alte Bantu-Ethik noch erfolgreicher hätte sein können. Ein gleiches gilt von dem durch die Mission begründeten und geförderten Schulsystem, für das verschiedentlich eine Reform in dem Sinne vorgeschlagen wurde, daß anstelle des bisher betonten literarischen und zugleich volksfremden Charakters des Schulwesens den praktischen Lebensbedürfnissen — z. B. betreffs Landwirtschaft, Viehzucht, Hygiene, Heimatkunde u. a. — dem Familien- und Gemeinschaftsleben des Stammes vor allem Rechnung getragen werden möchte (vgl. 150, S. 121; 162, S. 243; 244;

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165, S. 181 u. a.). Die staatlichen Aufwendungen für das EingeborenenSchulwesen sind außerordentlich gering, jedoch ist trotz aller bestehenden Hindernisse und Schranken, sowie größter Armut, ein stetig anwachsendes Bestreben der Eingeborenen vorhanden, auf den verschiedensten Gebieten lernen und besonders europäische Handwerke ausüben zu dürfen. Zur Frage, inwieweit die Lebensweise der Eingeborenen unter europäischem Einfluß in den verschiedenartigen Wohngebieten sich unterscheidet, wird für die Reservate bezüglich der Wirtschaftsgrundlagen, der geistigen Anschauungsweise und vor allem des Soziologischen an mehreren Stellen der vorliegenden Arbeit behandelt. Als Gebiete eingeborenen Bauernlandes ergibt sich für die Reservate als Problem, neben der qualitativen Bewirtschaftung, der Menge der Arbeitskräfte und des hinreichenden Profits, vor allem der Umfang und die Güte des Bodenbesitzes. Letzterer verteilt sich mit 8 % des schlechtesten Bodens der südafrikanischen Union auf den mehr als 70 % betragenden Eingeborenenanteil an der Gesamtbevölkerung (vgl. 162, S. 97), womit z. B. kaum einem kleinen Teil von 2,5 Mill. Eingeborenen die Möglichkeit gegeben wird, im Reservat zu wohnen. Eine geringe Erweiterung der Reservatsgebiete ist auf Grund der siedlungsmäßig und wirtschaftlich bedrängten Lage der Eingeborenen bereits vorgesehen und begonnen worden. Bei neu erworbenem, d. h. mit Stammesmitteln gekauftem Boden vollzieht sich das Eigentumsrecht weiterhin nach den alten Eingeborenenanschauungen. Der Stamm kauft als Gesamtheit den Boden, der Gemeinschaftseigentum bleibt und nur zur Bewirtschaftung auf die einzelnen Familien verteilt wird. Jedes männliche Stammesmitglied hat mit einer nicht unbeträchtlichen Summe — etwa 5—15 £ — und stellenweise jede verheiratete Frau mit einem geringeren Betrag den Landkauf zu unterstützen. Individueller Landbesitz, wie er im Transkei-Reservat im Süden des Landes üblich ist, pflegt in den SothoTswapa-Reservaten nur selten vorzukommen. E s wird damit ein weiterer Faktor ausgeschaltet, der die Häuptlingsautorität und die Stammesgemeinschaft zu untergraben geeignet ist. Nichteingeborene, d. h. Europäer, Juden, Inder und Syrer, können in den Reservaten, wie die Bezeichnung schon sagt, kein Land erwerben, sondern nur vom Häuptling für die Zwecke ihrer Anwesenheit — etwa als Händler — zugewiesen bekommen. Die Reservate sind fast alle mit dem Eisenbahn- oder Bahnautobusverkehrsnetz verbunden, wodurch den Eingeborenen, wie dies auch durch die> Anwerbung und deren Beförderungsmittel geschieht, die Möglichkeit geboten ist, sich periodisch in ein Lohnarbeitsverhältnis zu begeben. E s gibt daher in den Reservaten nur wenig arbeitsfähige junge Männer, die mit dem europäischen Leben noch gar nicht in Berührung gekommen sind und keine, die nicht europäische Kleidungsstücke tragen. Trotzdem läßt sich nicht sagen, daß etwa ein oder zwei Jahre fremden europäischen Einflusses die Leute völlig von ihrem gewohnten Denken entfernt hätten, denn selbst bei den vielen neu aufgenommenen und zu vierarbeitenden Gedankengängen und Vorstellungen bleibt das Gewohnte in seinen Grundlagen hier weitgehend erhalten. Die Anzahl der jeweils periodisch zur Lohnarbeit vom Reservat abwesenden Männer ist beträchtlich und schränkt den Wert der bäuerlichen Wirtschaftsführung durch einen Mangel an Arbeitskräften zuweilen stark ein.

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Die an sich recht ärmliche Wirtschaftslage der Eingeborenen in den Reservaten wie auch in den Städten wird durch hohe Steuern verschärft. Entsprechend der „Native Taxation and Development Act" (Nr. 41 von 1925) wird in allen Provinzen der Südafrikanischen Union gleichmäßig von jedem „scheinbar" über 18 Jahre alten männlichen Eingeborenen — abgesehen von seltenen Sonderfällen—eine Kopfsteuer (polltax) in Höhe von £ 1/— p. a. und eine Hüttensteuer mit 10 sh für jede seiner Hütten oder Behausung in einer Lokation erhoben. Zu den, Steuern und Einzahlungen für Landkauf kommen nicht selten noch weitere öffentliche Abgaben für die Schaffung von Gebäuden, wie Stammesschulen und Kirchen, oder besondere Ankäufe, wie z. B. einer großen Brunnenbohrmaschine in Mochudi u. ä. Ein wesentlicher Unterschied in der Entfremdung vom Stammesleben und der Europäisierung besteht zwischen den in den Compounds, den Arbeiterlagern der Minenindustrie, periodisch lebenden Eingeborenen und denen, die auf längere Dauer oder für immer in den städtischen Lokationen wohnen. Der Minenarbeiter, der von städtischer Verwahrlosung durch die relative Abgeschlossenheit des Compound-Lebens mehr fern gehalten wird, wenn es auch an üblen Einflüssen dort nicht fehlt, hat zum großen Teil seine eigentliche Heimat im Dorfleben des Reservats, steht mit diesem in enger Beziehung und übt die Lohnbeschäftigung vor allem aus, um sich für irgendwelche Zwecke, sei es für Cetreidekauf, Steuern, Anschaffungen, Vergnügungen oder vom Häuptling beordert für den Stamm, Geldmittel zu verdienen. In den Compounds, zu deren Einrichtung Betriebe von einer bestimmten Anzahl von Arbeitern an verpflichtet sind, leben nur Männer. Es wurde jedoch in einigen mittelgroßen Betrieben, wie z. B. die Thabazimbi-Eisenmine, der Versuch unternommen, mit den Arbeitern auch die Familien in den Compounds anzusiedeln, um neben der Erreichung langfristigerer Arbeitsverhältnisse den Arbeitern eine natürlichere und gesündere Lebensweise zu sichern. In den großen Minencompounds von mehreren tausend Insassen bestehen vor allem Gegensätze und Streitigkeiten in Bezug auf die Stammeszugehörigkeit. Die Anwesenheit in den städtischen Lokationen dagegen bedeutet weitgehend die Trennung vom Stammesleben und damit auch größtenteils die Zugehörigkeit zum schwarzen Proletariat. Begann ein langfristiges Fernbleiben aus dem Reservat mit der wirtschaftlichen Notlage und Verschuldung, so ergibt sich die dauernde Ansässigkeit in den Städten meist daraus, daß die Ehefrauen ihren Männern nachfolgen. Der geringe Verdienst und unverhältnismäßig hohe Mieten, wie nicht zuletzt die in den Städten um 10 sh höhere Kopfsteuer, verleiten vielfach zu illegalen Verdiensten mit Bierbrauen, Rauschgiftverkauf, Prostitution u. ä. Die Gesundheitsverhältnisse sind in den städtischen Lokationen schlecht und der moralische Halt gering, wie dies z. B. in mangelhafter ehelicher Treue und einem hohen Prozentsatz unehelicher Kinder zum Ausdruck kommt (Hellmann in 145, S. 422; 95, S. 4). Die Erziehung der Stadtjugend ist durch eine starke Schuleinschreibung charakterisiert und wird nicht selten durch einige Aufenthaltsjahre bei den Verwandten im Reservat und die dortige Teilnahme an den Mannbarkeitsschulen unterstützt. Letzteres bewirkt

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wiederum, daß selbst von vielen Stadteingeborenen noch der Häuptling und die Stammeszugehörigkeit wenigstens äußerlich anerkannt werden. Die Ordnung wird in den Lokationen mangels einer natürlichen oder gewählten Autorität vielfach unter europäischer Leitung und anmaßender und rücksichtsloser Eingeborenenpolizei sicherzustellen versucht. Ein Teil der städtischen Eingeborenen, der weder in Lokationen noch in Compounds lebt, sind die Hausangestellten bei Europäern. Sie zeigen durch den erzieherischen Einfluß der Weißen seltener die üblen Seiten der Stadteingeborenen und pflegen den Europäer und seine Art am besten zu kennen. Dennoch sind sie dem Stammestum vorwiegend nicht entwachsen und befolgen nicht selten Befehle ihres Häuptlings, die sogar mit dem plötzlichen Verlassen der Stadtbeschäftigung verbunden sein können. Durch ihre traditionslose Rückständigkeit vielleicht am besten charakterisiert sind die eingeborenen Landarbeiter, die man vor allem im OranjeFreistaat antrifft. Sie machen den Hauptteil der etwa 2 Mill. ländlichen Eingeborenen aus, für die die Bodenfläche der Reservate nicht ausreicht und die auf Grund der „Native's Land Act", Nr. 27 von 1913 nicht mehr außerhalb der Reservate Land von Europäern kaufen oder pachten dürfen. Diese eingeborenen Farmarbeiter sind mit ihren Familien für längere Dauer — nicht periodisch wie die Minenarbeiter — bei besonders geringer Entlohnung tätig und in der Veränderung des Arbeitgebers praktisch von diesem entsprechend der Vorschriften der „Native Service Contract Act" von 1932 abhängig. Ein Stammeszusammenhang oder ein kulturelles Traditionsgefühl besteht unter den Landarbeitern nicht mehr, auch spricht ein großer Teil von ihnen statt der Muttersprache nur noch Afrikaans. Die Kinder dieser Eingeborenengruppe genießen im allgemeinen weder die Stammeserziehung, noch besteht bei den großen Entfernungen der Farmen voneinander die Möglichkeit, in Schulen einen Unterricht zu erhalten. Als Reste alter Sitten kommen in abgeblaßter Form noch die Beschneidung und Viehheirat vor, ohne aber von sozialer Bedeutung zu sein.

II. Die gemeinschaftlich-gruppenhaften Züge als Grundlage für die Geschlossenheit des sozialen Zusammenlebens a) Die Sippe und ihre gruppenhaften Lebensformen In der Sippe erfolgt naturhaft ein politisch wirksamer Zusammenschluß, der ohne spezielle Abhängigkeit von den der Sippe übergeordneten Organen der Stammesführung und Altersklassenorganisation lebensfähig ist. Die Sippen leben politisch und machtmäßig in den Verbänden des Stammes, den Häuptlingschaften, eingegliedert. Eine Sippe mag vielleicht heute durch irgendwelche Einflüsse europäischer Art oder früher durch entlegenes Wohnen sich von den Bindungen zur Häuptlingschaft entfernt haben, jedoch in Rechtsfällen, die über den Rahmen der Sippe hinausgehen, wie in kultisch-religiösen Ereignissen und Bedürfnissen wird sie den Anschluß an die Häuptlingsschaft gebrauchen; es sei denn, daß es sich bei einer Verselbständigung um einen Sippenteil aus der Verwandtschaft des Häuptlings selbst handelt, der im Verhältnis zu seiner dadurch geschaffenen neuen Umgebung machtmäßig 6tark genug ist, für sich existieren zu können. Die politische Kraft einer Sippe, die nach außen vor allem in ihrer Rangstellung begründet liegt, verstärkt sich nach innen wie nach außen bei einer möglichst großen Zahl von Mitgliedern. A u f b a u der S i p p e u n d B e z i e h u n g e n i h r e r M i t g l i e d e r zueinander Für den Eingeborenen ist die Sippe die soziale Grundzelle. Die Kleinfamilie ist ein Glied davon, nicht aber das Primäre. Die wesentlichste Bindung innerhalb der Sippe ist das Mutter-Kind-Verhältnis, nicht das der Ehepartner. Im weiteren Kreise ist die nahe Stellung der Verwandten zum Einzelnen und dessen rechtmäßige Zugehörigkeit zu einer bestimmten Verwandtschaftsgruppe von größter Bedeutung. Die enge Verbindung mit dem aufwachsenden Geschlecht, sowie der Wunsch nach Nachkommen und andererseits der starke Einfluß der Verstorbenen, die in der ausgeprägten Weltanschauung des Ahnenkults zum Ausdruck kommt, geben der Sippe ihren Zusammenhalt in ihrer Art und zwar einen festeren als dies in einer Wirtschaftsgemeinschaft allein möglich sein kann. Die Sippe ist somit eine langlebige Einrichtung, solange die Bestrebungen ihrer Mitglieder, ihren Bestand für die Zukunft zu sichern und sie zu stärken, erfüllt werden. In dem Sinne ist auch der Einzelne unwichtig gegenüber der Sippengemeinschaft und er sieht sein Fortleben in ihrem Bestand, in dem er zeitlich gesehen nur ein Glied ist. Typisch dafür sind die von Junod in seinem Buche Sidschi geschilderten Gedanken eines jungen Schwarzen, der sich nach einer Geliebten sehnt und zwar vor allem, zum Unterschied von europäischer Auffassung, mit dem Gedanken der Aussicht auf die Nachkommenschaft.

II. Die gemeinschaftlich-grappenhaften Zöge

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Die Sotho-Tswana- Sippe ist vaterrechtlich orientiert. Sie u m f a ß t alle Verwandten in väterlicher Linie, die Verstorbenen mit eingeschlossen. Die mit dem Heiratsvieh angeheirateten Frauen aus fremden Sippen gehören erst durch ihre Kinder zur Mannessippe. N u r in Bezug auf die Ahnen behalten sie die Zugehörigkeit zu ihrer Mädchensippe, auch wenn ein Teil der Heiratszeremonien auf eine religiöse Aufnahme in die Mannessippe hindeuten mögen. Von der Möglichkeit Fremde durch Adoption, die außerdem dem Denken der Stämme gar nicht entsprechen würde, oder durch Blutsbrüderschaft in den Kreis der Sippe als Angehörige aufzunehmen, wußten alte Eingeborene nichts zu berichten. Fremde können sich aber bei Zuwanderung unter den Rechtsschutz einer Sippe begeben und teilweise in die Wirtschaftsgemeinschaft einbezogen werden. Wenn m a n bei diesen zugesiedelten Fremden zuweilen von „ B r u d e r " spricht — z. B., wenn die Familie von einer anderen eingeladen wird, sagt m a n etwa, sie solle ihren „ B r u d e r " mitbringen —, so ist das nur im Sinne der gruppenhaften Bezeichnung zu verstehen, denn m a n sieht den aufgenommenen Fremden selbst nicht einmal als rechtlichen Halbbruder an. F ü r die verwandtschaftliche Zugehörigkeit ist vor allen Dingen die Abstammung aus legaler Ehe der Eltern wesentlich, d. h., daß die Ehe mit der Heiratsviehgabe u n d den zugehörigenZeremonien ordnungsgemäß geschlossen wurde. Uneheliche Kinder von weiblichen Sippenmitgliedern gehören zu deren Sippe, sind aber in der moralisch-rechtlichen Stellung benachteiligt. Aber selbst die Legalität der Zugehörigkeit zur Sippe bietet keine Sicherheit, daß bei längerer Abwesenheit in der Fremde das betreffende Mitglied den Seinen, besonders in Bezug auf dieAhnen, nicht entfremdet wird. Es wird bei der Rückkehr, vor allem wenn sich Häuptlingsbrüder wiedersehen, eine Aufnahmezeremonie nötig, bei der die rechten Hände in den Mageninhalt — d. i. die wesentlichste Ahnenopfersubstanz — eines f ü r diesen Zweck u n d zum Opfer geschlachteten Ochsen eintauchen. Gleichfalls m u ß ein in der Fremde geborenes Kind durch ein Ahnenopfer u n d Einreiben mit dem besagten Mageninhalt in die Sippe aufgenommen werden (166, S. 196/198). Brown (22, S. 54) beschreibt die Aufnahme eines solchen Kindes durch einen Blutritus, indem Blut des Kindes u n d der männlichen Anwesenden der Sippe vermischt u n d in Hauteinschnitte verrieben wird. Die kultische Gemeinschaft der Sippe u n d die Abhängigkeit des Einzelnen, selbst wenn er sich in der Ferne aufhält, von dem Handeln u n d den Launen der Ahnen, ist neben der Gemeinwirtschaft der wesentlichste Zug der Sippenfunktion im Bewußtsein der Eingeborenen. Die Weltanschauung des Ahnenkults h a t am stärksten zum Zusammenhalt der Sippenordnung beigetragen, denn sie fordert die Wahrung der Tradition in der Ordnung des gesellschaftlichen Lebens. Daraus ergibt sich, daß jedes Individuum in seinen Verhaltensweisen gegenüber den Verwandten u n d Stammesgenossen sich streng an die Stammessitten hält. Das Verhalten eines jeden wird von den, besonders im Rang höherstehenden Sippengenossen genau beachtet, wobei m a n empfindlich die festgestellten Mängel am guten Ruf fürchtet. Das Leben in der Sippengemeinschaft fördert in dieser Weise das Verantwortungsgefühl des Einzelnen innerhalb seiner Gruppe, das weiterhin dadurch linterstützt wird, daß jeder nicht n u r mit seinem eigenen Gut f ü r

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Vergehen haftbar ist, sondern für ihn auch der Vater, die Brüder und sogar Kinder und Kindeskinder, wenn die Schuld nicht beglichen ist. Die Sippengemeinschaft, die den Einzelnen für viele Angelegenheiten zu ganz bestimmtem Handeln erzogen hat, gibt ihm trotzdem, daß für seine Unternehmungen vielfach die Zustimmung des Sippenoberhauptes oder 'wenigstens des Vaters verlangt wird, große Sicherheit im Auftreten, selbst bis zu einem gewissen Grade gegenüber Europäern. Um so größere Unsicherheit läßt sich wiederum feststellen, wenn in der Fremde völlig unbekannte Tätigkeiten zu verrichten sind und unbekannte Umgangsformen gelten. Die Selbständigkeit im Handeln muß dann entsprechend geringer sein. Das persönliche Verantwortungsgefühl kann außerdem auch da nicht vorhanden sein, wo es sich um Dinge handelt, die über die gewohnten Stammessitten hinausgehen und seitens der Sippengenossen nicht mehr eine Kontrollmöglichkeit besteht. Bei der Hervorhebung des Cemeinschaftscharakters der Sippe liegt es nahe, daß das Gemeinschaftliche als allein beherrschend aufgefaßt wird. Demgegenüber hat das Individuum in allem über die Sippe Hinausgehenden erheblich mehr Freiheit zum Handeln als man im allgemeinen vermuten mag. Von einer zu kollektiv vorgestellten Sippe nimmt man vielfach an, daß Individuen, die sich lange in Städten in fremdem europäischem Leben haben behaupten müssen und dort Unabhängigkeit genossen, für die Sippe verloren sind. Es hat sich aber des öfteren gezeigt, daß solche Sippengenossen nach ihrer Rückkehr in die alte Gemeinschaft, ohne ein störender Faktor zu sein, sich schnell wieder einlebten, sofern sie sich nicht gerade zu einer im Gegensatz zum gruppenhaften Denken stehenden Weltanschauung umstellten. Was einigen Sippenmitgliedern dazu eine besondere Freiheit im Handeln gibt, ist, daß die Sippe nicht im Vierkandtschen Sinne genossenschaftlich-kollektiv beschaffen ist, sondern stark nach Rang und Alter des Einzelnen im Sinne einer patriarchalischen Großfamilie gegliedert ist. Nicht ohne Einfluß auf die Erhaltung des Gemeinschaftsgefühls der Verwandten sind die sehr zahlreichen gegenseitigen Besuche, sowie die Einladungen der Verwandten zu jedem Fest. Hat man ein Tier geschlachtet, so bringt man auch den Verwandten etwas davon. Selbst entferntesten Verwandten gewährt man, wie es auch sonst allgemein in Afrika üblich ist, ohne weiteres Gastfreundschaft. Das Gleiche gilt von den Schwiegerverhältnissen, wobei besonders der Schwiegersohn stets bereit sein muß, zu helfen, und ebenso von dem Mutterbruder in seiner Beziehung zu den Schwesterkindern. Der gruppenhafte Charakter der Sippe drückt sich auch hier in den in Afrika sehr verbreiteten Bezeichnungen für das Verwandtschaftssystem aus (162, S. 168/69), indem von der Generation beider Eltern in der Sippe, den Onkeln und Tanten, als von „Vätern" und „Müttern" und von der eigenen Generation, den Vettern, Basen und Halbgeschwistern als von „Brüdern" und „Schwestern" gesprochen wird. Nur unterscheiden die Sotho-Tswana dem Altersrang entsprechend jeweils genau zwischen jünger und älter, wie es aus der Zusammenstellung „Kinship terminology of the South-african Bantu" von Dr. van Warmelo für verschiedene Stämme deut-

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lieh hervorgeht. Ein Beispiel f ü r die Tswana, bei denen es noch kleine dialektische Unterschiede gibt, mag an dieser Stelle genügen. I n bezug auf die Brüder des Vaters sagt man f ü r den älteren Bruder rremoxolo, „großer V a t e r " , f ü r den jüngeren Bruder rrangwane „kleiner V a t e r " ; kein Unterschied besteht in der Bezeichnung der älteren und der jüngeren Vaterschwester, rrakxadi. I n bezug auf die Mutterseite sagt m a n f ü r die ältere Schwester der Mutter mmemoxolo, „große M u t t e r " u n d deren Ehemann rremoxolo „großer Vater", für die jüngere Schwester der Mutter mmangwane „kleine Mutter" und deren Ehemann rragwane „kleiner V a t e r " ; kein Unterschied besteht in der Bezeichnung des jüngeren und älteren Mutterbruders, malome; für die älteren Geschwister u n d angeheirateten Personen, gleich ob männlich oder weiblich, sowie f ü r die Kinder der älteren Vaterb r ü d e r : moxolole und für die jüngeren Geschwister und angeheirateten Personen und Kinder der jüngeren Vaterbrüder: nnake. Es wird damit noch keine rangweise Stufenfolge angezeigt, sondern n u r ein allgemeines Höherstehen bzw. Niedrigerstehen in der Ehrerbietung. Wie aus den nachfolgenden Familienverhältnissen noch zu ersehen sein wird, entsprechen die gruppenhaften Bezeichnungen nicht einer Kollektiworstellung gleicher Zuneigung zueinander, sondern tatsächlich dem sippengemeinschaftlichen Eintreten der Personen f ü r die jeweils Bevorrechteten, indem z. B. f ü r einen verstorbenen Vater, dessen Brüder oder f ü r eine verstorbene Mutter deren Schwester oder Bruder eintreten müssen. Entsprechend solchem Beispiel ist das System des Füreinandereintretens innerhalb der Sippe so ausgeprägt, daß eine Adoption von Vollwaisen bei fremden Familien nicht denkbar ist, obgleich bei dem Fehlen von Verwandten den Waisenkindern etwa unter der Obhut einer Nebenfrau des Vaters eine schlechte Behandlung zuteil werden kann. So wie die Sippe allgemein durch rechtliche Rangabstufung gegliedert ist, so gibt es eine weitere Gliederung in der Generation der „ V ä t e r " und „ M ü t t e r " des Individuums, wobei bestimmte Verwandte dem Individuum neben den Eltern besonders nahe stehen in bezug auf die Hauptereignisse des Lebens, vor allem bei der Initiation u n d der Verehelichung, wie es aus den nachfolgenden Beschreibungen dieser Institutionen mit entsprechenden Hinweisen hervorgeht. Die Stellung solcher Verwandten ist die des Mutterbruders (malome), in bezug auf den Schwestersohn (motloxolo), die der Vaterschwester (rrakxadi) zu den Bruderkindern, und die der jüngeren Schwester zu den Kindern der älteren Schwester. Die Bezeichnung „malome" f ü r den Mutterbruder bedeutet an sich schon „männliche Mutter". Dazu ist die von A. R. Brown vertretene Ansicht hervorzuheben, daß die Beziehungen malome-Neffe in den Verhaltensweisen als dem Mutter-Kind-Verhältnis ähnlich und davon abgeleitet zu betrachten sind (21, S. 542—555). Die selbstlose Fürsorge u n d nachsichtige Güte, die das mütterliche Verhältnis gegenüber väterlicher Strenge charakterisiert, findet entsprechend dem gruppenhaften Gefühl der südafrikanischen B a n t u und darüber hinaus ihre Ausweitung auf die mütterliche Familie und betrifft da vor allem den Mutterbruder, der die Interessen derselben in bezug auf die Kinder seiner Schwester, die als Frau nicht in dem Maße öffentlich auftreten kann, zu vertreten h a t . Bei anderen

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Bantustämmen tritt die gruppenhafte Erweiterung des Mutter-Kind-Verhältnisses, z. B. bei den Tonga auf Großvater und Vetter bezogen, noch mehr in Erscheinung. Wenn der malome nicht gerade der gleichen Familie angehört, hat er auf die Erziehung des Neffen kein Anrecht, diese unterliegt der väterlichen Strenge bei den Sotho-Tswana. Etwas anderes ist dabei die Erziehung von verwaisten Neffen, die mehr den Fürsorgepflichtcn entspringt. Wie wenig ein strenges erzieherisches Verhalten vom Mutterbruder ausgeht, zeigt schon, daß bei den Hurutse Onkel und Neffe in einem besonderen Scherzverhältnis zueinander stehen. Die Hauptfunktionen des Mutterbruders erstrecken sich auf die dauernde Fürsorgebereitschaft und gewisse gegenseitige Geschenke, auf die Initiation und auf die Verheiratung des Neffen; letzteres sowohl hinsichtlich der Heiratsviehgabe (lobolo), wie der Heiratsordnung. Der Mutterbruder hatte z. Zt. der Verheiratung der Mutter die Nutznießung aus dem für sie eingegangenen lobolo, indem' er Vieh daraus erhielt (ditsoa). Dafür ist er später verpflichtet zum lobolo des Neffen beizutragen. Sollten Ahnenopfer mütterlicherseits notwendig werden, so nimmt der Mutterbruder aus dem „ditsoa"-vieh des lobolo für die Schwester (21, S. 552). Dieserart Opfer sind allgemein nicht so dringlich, da von den Ahnen mütterlicherseits — wie auch bei den Tonga und IIa (86, Bd. I, S. 162, Bd. II, S. 349) — nichts Böses zu erwarten ist, entsprechend der Ausdehnung der gruppenhaften Vorstellung vom MutterKind-Verhältnis selbst auf die Ahnen mütterlicherseits. Der Neffe kann sich ferner ungefragt bei dem malome mit Speisen versehen, in Notzeiten sogar ein Tier schlachten. Unter gewissen Umständen ist der Neffe Erbe aus dem Eigentum des malome und kann Frauen in Leviratsehe von ihm übernehmen. Er erhält zum mindesten sexuelle Freiheiten gegenüber den Frauen des malome zugebilligt. Die Initiierung des Neffen muß dem malome angezeigt werden. Am Ende der Beschneidungsschule hat der malome dem Neffen ein Ziegenlederkleidungsstück — außer für Häuptlingssöhne werden die Fellhaare davon abgeschabt — zu bereiten. Von ihm erhält der nunmehr Mannbare den Speer. Aus gleichem Anlaß darf bei den Hurutse und Tau (wahrscheinlich auch bei anderen Stämmen) der Neffe nach der Initiation von dem' malome ein Rind oder eine Ziege (Tsw.: mokhüreso) fortnehmen; ist dies eine Kuh, so schickt er die neugeborenen Kälber als „masori" wieder zurück. Ferner besteht ein Geschenkaustausch, indem der Neffe dem malome seinen ersten Verdienst, ein Rind oder Geld, sein erstes erjagtes Tier oder die erste handwerkliche Arbeit als Geschenk (Tsw.: masori; Xananwa: dihloxo, d. i. sonst das Kopf- und Nackenstück des Hochzeitschlachtochsen für den malome) anbietet. Dieses Geschenk wird vom Onkel im Laufe des folgenden Jahres entsprechend erwidert (bahlapisa). Ellenberger nennt noch für die Süd-Sotho die Erziehung des jungen Häuptlings durch den malome (43, S. 43), die jedoch mit gruppenhaftem Verhalten wenig zu tun hat und aus praktischen Gründen dort entstanden sein mag. Es scheint als habe der Mutterbruder bei den SüdSotho größere Bedeutung als bei den Tswana und Nord-Sotho. Die Stellung der Vaterschwester zeigt auf die Vatersippe bezogen eine ähnliche Auffassung, wie sie in der Stellung des Mutterbruders vorliegt. Wie der malome ein Mann mit mütterlicher Funktion ist, so ist die Vater-

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schwester, „rrakxadi", der weibliche Vater in der Verkörperung achtunggebietender Strenge. Entsprechend dem Gruppengefuhl ist die autoritative Haltung des Vaters gegenüber den Kindern auch auf die Vaterschwester übergegangen u n d t r i t t z. B. bei der Initiation ihrer Brudertöchter in Erscheinung. Zur Beschaffung des Heiratsviehs für den Brudersohn h a t sie beizutragen u n d erhält andererseits aus dem f ü r die Brudertöchter eingehenden lobolo. Eine besondere Rolle spielt sie bei den Heiratsberatungen über die Bruderkinder. I n den verschiedenen Fragen, so auch bezüglich der Ahnen, t r i t t sie im Vergleich zur Frau des Bruders weit mehr hervor, denn sie ist mit allen Besonderheiten der väterlichen Sippe als Frau am besten vertraut u n d zugleich mitverantwortlich, daß alles im Sinne der Ahnen ihrer Sippe geschehen möge. Die sogenannten mutterrechtlichen Züge haben nichts mit einer vorangegangenen mutterrechtlichen Zeit oder ehemals wirtschaftlich-gesellschaftlicher Vorrangstellung der Frauenarbeit zu t u n — Annahmen, die allgemein heute abgetan sein dürften —, sondern sind eigentlich „muttersippenrechtliche" Züge, wie Beukes sie genannt u n d weiter ausführlich festgestellt hat, daß es sich bei dieser Erscheinung einfach um den machtmäßigen Einflußkampf der beiden Sippen auf die neugegründete Kleinfamilie handelt (8, S. 22—41). Art und Umfang der muttersippenrechtlichen Züge drücken die Stärke des Muttersippeneinflusses aus, der auf lange Zeit hin u n d bei den einzelnen Sippen nicht immer konstant zu sein braucht. So überwiegt bei den Sotho-Tswana die vatersippenrechtliche Orientierung. Die Eigenart der von der einen oder anderen Seite bestimmenden K r a f t aber ist das gruppenhafte Lebensgefühl, das die väterlichen bzw. mütterlichen Eigenschaften auf den Kreis der Sippe vor allem auf die nahestehendsten Geschwister erweitert. Wie groß die ausgeübten Interessen der beiden Sippen auf ein junges Paar sind, zeigt sich besonders bei der ,,lobolo"-Festlegung sowie der Kinderzugehörigkeit und haben nach Beukes (8, S. 29, 33) ihr Nachspiel zwecks Stärkung der Sippenbeziehungen in der Vettern-Basen-Heirat und Leviratsehe der Mutterbruderwitwen mit dem Neffen, was im einzelnen aus den Heiratssitten nachfolgend ersichtlich wird. Unter in Europäisierung begriffenen Verhältnissen verschwinden mit dem Abnehmen des Sippenzusammenhaltes, entsprechend den gruppenh a f t e n Grundlagen dieser Ordnung, auch die muttersippenrechtlichen Funktionen, wie auch Beukes (8, S. 35) die gleiche Erscheinung — Verfall des Muttersippenrechts bei Sippenauflösung — mit der Ursache der Nguni-Raubzüge bei einigen Stämmen herausstellt. Wirt schaftlich-gemeinschaftliche Erscheinungen Das Gemeinschaftsleben der Sippe t r i t t in der Siedlungsanlage am sichtbarsten in Erscheinung. Das Beieinanderwohnen der Sippengenossen von meist 3 Generationen deckt sich nicht überall mit der Dorfanlage, da die Tswana in großen Siedlungen mit etwa 5—12 000 Einwohnern und darüber wohnen u n d die Sotho in manchen Gegenden NW-Transvaals zum Teil in sehr kleinen Siedlungen verstreut leben. Die Betschuanensiedlung unterscheidet sich etwas, wenn auch nicht im Prinzip, von der Sothosiedlung. Die Form der Sothosiedlung (motse) entspricht in alter Zeit der des Kraales,

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

indem hier die Haushalte kreisförmig um den nach vorn offenen großen Viehkraal (kxoro) angeordnet sind. Jede Frau eines Mannes hat ihren eigenen Haushalt, der aus einer Schlafhütte, einer Vorrats- und Kochhütte — zugleich für den winterlichen Abendaufenthalt der Frauen und Kinder, sowie als Schlafraum der letzteren — und einem, von einer das ganze umgrenzenden und schön ornamentierten Lehmmauer oder Binsenwand abgegrenzten Vorhof (lelapa), dem eigentlichen Wohnraum des Haushaltes besteht. Nicht allein das Gemeinschaftliche des Beieinanderwohnens zeigt diese Siedlungsart, sondern zugleich — was dem betreffenden Abschnitt II vorweg genommen sei — das Rangsystem der Sippenmitglieder, indem, wie es bei der Häuptlingsmoschate besonders deutlich ist, die Hauptfrau gegenüber dem Viehkraal und Eingang wohnt, links und rechts davon die jeweils im Rang nächststehenden Nebenfrauen, ebenso die Brüder des Sippenältesten und zum Eingang hin, wenn noch Platz vorhanden ist, sonst außerhalb des Ringes, die Söhne. Ein großes Häuptlingsdorf erweitert sich dann in labyrinthartigen Zellen nach vorn frei bleibend um den Viehkraal herum. Seitlich an den Viehkraal sind noch der Kälberund der Ziegenkraal angeschlossen mit der Diskutier- und Versammlungsecke der Männer (kxotla), in der die Männer vielfach auch die Mahlzeit gemeinsam einnehmen und wo Frauen sich nicht aufzuhalten haben. Der Mann hat keine besondere Hütte für sich. Symbolisch steht ihm die Hütte der Hauptfrau am nächsten, hier wurde früher sein Speer, den er vom Mutterbruder als dafür würdiger Jüngling empfangen hatte, aufbewahrt— heute ist der Besitz von Speeren für Eingeborene seitens der Regierung verboten —. In der Betschuanenstadt hebt sich die Gruppe der Sippenangehörigen dadurch ab, daß die Haushalte nebeneinander in gerader oder etwas gebogener Linie westlich vor dem Viehkraal liegen — über dem Viehkraal muß die Sonne zuerst aufgehen —. Zwischen dem Viehkraal und der Gehöftreihe haben die Männer ihre kxotla in Gestalt eines etwas rundlichen Windschirmes. Das zellenartige Beieinander, wie es bei einer Sotho-Häuptlingssiedlung besonders in Erscheinung tritt, läßt jeden Bewohner auf das Verhalten des anderen achten, führt aber andererseits leichter zu Streitigkeiten zwischen den Frauen. So äußerte ein junger Tauhäuptling, der von seiner Mutter noch stark im Sinne der Tradition bevormundet wurde, daß er nach ihrem Tode ein Straßendorf mit Rechteckhäusern zur Vermeidung der gegenseitigen Kontrolle bauen lassen wolle. Diese europäische Bauart tritt stets dann auf (z. B. im Sekukuni-Reservat, weniger in Betschuanaland), wenn Kleinfamilien, die sich nicht von der Sippe abhängig fühlen, aus deren Wohnverband ausscheiden. Bei der heutigen Auflösung der Sippengemeinschaft versuchen viele Eingeborene durch den Zivilisationseinfluß oder durch die Christianisierung sich durch getrenntes Wohnen dem Einfluß der Sippe zu entziehen. Die Transvaal-Sotho-Siedlungen, die gegenüber den Tswanastädten viel schwächer an Zahl sind und somit Feinden gegenüber allein schon dadurch nicht so widerstandsfähig sein können, wohnen mit ihren dem Landschaftsbild als sehr unauffällig angepaßten Hütten, meistens mit der Rückseite im Schutze eines Felsenhügels, wenn nicht sogar, wie die Xananwa in den Blauwbergen, ganz auf den Bergen.

II. Die gemeinschaftlich-grappenhaften Züge

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Die H ü t t e n des Häuptlings sind dann vielfach, besonders in Sekukuniland, am geschütztesten hoch an den Felsen mit Aussicht über die ganze „ m o s h a t e " angebaut. Die Gemeinwirtschaft als Charakteristikum f ü r die Sippe ist in Abhandlungen über die Naturvölker vielfaltig besprochen worden. I n einer den Sotho-Tswana eigenen Form ist sie dort vorhanden in Bezug auf gemeinsamen Ackerland- und Viehbesitz, gemeinsame Feldbearbeitung in gewissem Maße und ein Fürsorgeverhältnis für alle Sippenzugehörigen. Der Viehbesitz, der f ü r die alte Zeit nur in weiterem Sinne als Wirtschaftsgut angesehen werden kann, ist zum Hauptteil Gemeinschaftsbesitz, wobei jedes Tier am Ohr mit einem Zugehörigkeitszeichen der Sippe vergehen ist. Die wirtschaftliche Nutznießung, die sich auf die geringe Milchmenge bezieht, steht den Hirten zu. Es scheint jedoch schon früher außerdem individuelles Vieheigentum durch Erwerb oder Geschenke gegeben zu haben. Selbst eine F r a u und Kinder können eigenes Vieh, das ihrem Hausstand zugerechnet wird, in der Familienherde unter Aufsicht des Mannes haben. Solches Vieh vererbt sich später an den ältesten Sohn dieser F r a u , auch wenn sie eine Nebenfrau ist (Hurutse). I n bezug auf die Nutznießungsunbedenklichkeit h a t die Frau nicht teil an dem Vieh der Sippe ihres Mannes; wenigstens f ü r eine bestimmte Zeit, etwa bis zum ersten Kind, das sie erst enger mit der Familie verbindet, erhält sie eine K u h von ihrer eigenen Sippe, deren Milch sie genießen darf. Mit Bezug auf den gemeinschaftlichen Viehbesitz spricht man auch nicht von „meinem" Vieh (vgl. 22, S. 48), sondern von „ u n s e r m " Vieh. Beabsichtigt aber jemand mit privateigenem Vieh etwas zu unternehmen — erst als verheirateter Mann h a t er darin Handlungsfreiheit —, so muß das dem Sippenobersten zum mindesten angezeigt werden. Stirbt ein Stück Vieh, so h a t nach dem Schlachten jeder Verwandte seinen Teil zu beanspruchen. Es ist jedoch nicht das gesamte Vieh an den Sippenkraal gebunden, denn m a n pflegt gute Beziehungen mit anderen Familien, indem m a n ihrer Obhut Vieh anvertraut (Tsw.: xo fisa), das somit gleichzeitig in früherer Zeit vor Feinden und heute vor Pfändung zum Teil gesichert werden soll. Die Menge des jeweiligen Viehbesitzes wird dadurch von außen f ü r Fremde unübersichtlich, so daß, da es als beleidigend empfunden wird nach der Menge des Viehbesitzes zu fragen, selbst der Häuptling nicht genau über die jeweiligen Besitzverhältnisse orientiert ist. Während der Viehbestand bei Heiratsgaben, Bußzahlungen, durch Anliegen einzelner Sippenmitglieder, Kälbergeburten und Rindersterblichkeit gegenüber dem Bodenbesitz größerer Veränderlichkeit unterworfen u n d auch nicht rein wirtschaftlicher Natur ist — Viehverkauf und Züchtung besserer Qualitäten stehen noch in den Anfängen —, erweist sich der Bodenbesitz als verhältnismäßig gleichbleibend u n d läßt somit die teilweise gemeinwirtschaftliche Einstellung in der Bodenbewirtschaftung sichtbarer hervortreten. Nur ist die bodenbesitzende gruppenhafte Einheit nicht die Sippe allein, sondern der Stamm bzw. die Häuptlingschaft, denn vom Häuptling wurden der Sippe früher die Grenzen des Wohngebietes angewiesen. Der zur Hauptsache — früher ausschließlich — von den Frauen erarbeitete Feldertrag dient, abgesehen von dem Überschuß, von dem 3

Breuls.

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

Vieh angeschafft werden soll nach Anschauung der Alten, der Ernährung der ganzen Sippe u n d zwar auch der arbeitsunfähigen Mitglieder. Unter den Sippenangehörigen besteht ein gegenseitiges Fürsorgeverhältnis im gruppenhaften Sinne, d. h. daß jeder Überschuß in Werten oder jede Mehrleistung der Sippe zugute kommt, wenn auch unter der Bevorrechtung in der Linie des Alters. Das gilt ebenso von dem Verdienst, der f ü r den Lohnarbeiter über die „Deposit and Remittance Agency" in das Dorf seiner Familie überwiesen wird. Bei der Rückkehr des Arbeiters ist der Verdienst dann gewöhnlich von der Familie verbraucht worden. — Einer individualistischen Einstellung des neuzeitlichen schwarzen Arbeiters k a m m a n mit dem „Deferred pay"-Zahlungssystem, wovon heute in erster Linie Gebrauch gemacht wird, entgegen. Danach erhält der Arbeiter den gesamten Lohn am Ende seiner Dienstzeit ausbezahlt, abzüglich des monatlich bereits ausbezahlten üblichen Taschengeldes von 10 sh. — Ein Familienmitglied, das durch seine körperliche oder geistige Beschaffenheit n u r beschränkt oder gar nicht arbeitsfähig ist, wird nach der Volksauffassung nicht in seinen Rechten beschnitten, die es auf Grund seiner Rangstellung hat, es sei denn, daß hilflose Individuen vernachlässigt werden, was auch f ü r besonders alte Leute etwa im Alter über 80—90 J a h r e zutrifft. Bei Industriearbeitern ist dieses gruppenhafte Denken von der Sippe selbst auf die Arbeiter übertragen worden, wofür sich ein von Leubuscher zitiertes (102, S. 58/59 aus Lionel Phillips, Some Reminiscences Ldn. 1924, S. 23) Beispiel findet. Danach hielten Industriearbeiter, bei denen besondere Leistungen mit einer Extrazahlung zum Lohn bewertet wurden, diese nur dann f ü r berechtigt, wenn der Mehrbetrag f ü r alle gleichmäßig bemessen wäre. Sie äußerten ihre Ansicht dahin: „Wenn diese Arbeiter mehr leisteten als wir, so t a t e n sie ein wenig Arbeit f ü r uns", d. h . also f ü r die Gruppe der Arbeiter. Erleichtert wurde das gruppenhafte Denken schon dadurch, daß früher die Sondereinkünfte f ü r einzelne Individuen sehr gering waren, da ein handelsmäßiger Absatz der handwerklichen Produkte außerhalb der Sippe nur in sehr kleinem Maße stattfand. Viele der notwendigen Arbeiten, wie Kraalbau, Hausbau, Feldarbeiten u. a., können n u r als Gemeinschaftsarbeiten mit Hilfe der anwohnenden Verwandten u n d Freund^ ausgeführt werden, die dafür keine Entschädigung außer, wofür kein Zwang besteht, Verpflegung u n d vor allem Bier erhalten. Es wird nur gelegentliche Bereitschaft zur Gegenhilfe verlangt. Bei der gemeinschaftlichen Arbeit besteht jedoch eine scharfe Trennung nach den Geschlechtern hinsichtlich der Art der Arbeit. Solcher Arbeitstrennung, in die schon Kinder mit ihren Spielen hineinwachsen, entsprechen f ü r Frauen vorwiegend regelmäßige Beschäftigungen, wie Feuerholz- u n d Wasserholen, Getreidemahlen, Speisen- und Bierbereiten, das Gehöft täglich zu reinigen, Felldecken und Schlafmatten in der Sonne zu lüften und wenn nötig Transport aller Haushaltgegenstände zu übernehmen. Neben der Kleinkinderfür sorge liegt ihnen auch die Erziehung der Mädchen ob. Die Tätigkeit der Frauen erstreckt sich weiter auf Feldarbeiten, wie hacken, säen, jäten, das Feld bewachen u n d ernten, auf Bauarbeiten, wie Lehmbereitung für Mauern und Bodenbelag, aufsetzen der Gehöftmauern, glätten u n d bestreichen des Bodens in Vorhof und Hütten, ornamentieren von

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Mauern und Boden, Gras schneiden f ü r Dächer, sowie auf leichtere handwerkliche Fertigkeiten. Geschicktere Frauen beschäftigen sich mit eigentlichen handwerklichen Arbeiten, wie der Töpferei ohne Scheibe, mit dem Flechten von Körben u n d Matten f ü r den Haushalt, mit Perlenarbeiten u. a. Vorwiegend unregelmäßiger Art sind die Arbeiten der Männer, die sich besonders beziehen auf: Vieh h ü t e n — heute mehr durch K n a b e n u n d Jünglinge —, melken, schlachten, Fleisch rösten, öffentliche Beratungen aller A r t , u n d Erziehung der Knaben — in die aber Frauen schon mehr eingreifen —. Für den Anbau besorgen die Männer das Pflügen mit Ochsen, sowie die Anlage von Bewässerungsgräben, wo schon Weizen gfebaut wird, u n d helfen ferner den Frauen bei anderen Feldarbeiten, wie j ä t e n und ernten. Andere Männerarbeiten sind: Bauholz fiir deniKraal- u n d Hausb a u f&llen, jagen — soweit heute noch ein Kleinwildbestand vorhanden ist — und für handwerklich Geschicktere Fellnäharbeiten, Herstellung von Lederkleidung, Holzschnitzerei aller Art, früher Waffenherstellung u n d -instandhaltung u. a. m. Wenn diese Arbeitstrennung unter europäischem Einfluß sich zu verändern begann, so wird trotzdem noch recht konservativ vor allem weiblicherseits daran festgehalten, wobei es sogar vorkommt, daß sich Hausangestellte in europäischen Diensten weigern, bestimmte Arbeiten zu t u n , wie z. B. manche Mädchen es ablehnen, Blumen zu begießen, einen Spaten — nicht aber eine Hacke — zur H a n d zu nehmen oder einen Busch auszupflanzen, weil dies nach ihrer Auffassung keine Frauenarbeit ist. I n Missionsschulen wird heute Mädchen Nähunterricht erteilt, so daß die Anfertigung von Kleidung bald nicht mehr Männerarbeit sein wird. Heirat und Kleinfamilie Die gesamten Verhältnisse der Kleinfamilie und ihrer Gründung sind weitgehend abhängig von der Sippe u n d n u r im Rahmen derselben zu verstehen. Andererseits findet die Sippe weitgehend ihren Zusammenhalt in der Ordnung der kleinfamilialen Verhältnisse. Um das verständlich zu machen, ist es wünschenswert, den Sinn der Einstellung in den Heiratsverhältnissen durch eingehende Behandlung im folgenden hervortreten zu lassen. I n die soziale Stellung wird das Individiuum hineingeboren. Damit allein sind noch nicht das Ansehen und die vollen Rechte in Sippe u n d Stamm gesichert. Ein Mann, der noch unverheiratet ist, kann nicht die F ü h r u n g über eine Großfamilie oder einen Stamm übernehmen, selbst wenn er der rechtmäßige Nachfolger ist. E r bietet noch nicht die Gewähr, zum dauernden Fortbestand der Gruppe beizutragen. Die T a u sagen: „Ehelose haben keinen Namen", nach ihnen können keine Kinder benannt werden. Ebenso genießt eine Frau noch kein Ansehen, solange sie nicht Mutter ist. W e n n man einer Frau mit einem höflichen Gruß Achtung erweisen will, wird „ m a " (Mutter) hinzugefügt. Daß der Menschenbestand der Sippe möglichst vergrößert, zum mindesten aber gewahrt bleiben muß, ist die H a u p t a u f g a b e der ehelichen Verhältnisse. Von der Erfüllung dieser Forderung ist das Ansehen eines Menschen, besonders in der politischen Führung, abhängig. I n dem Sinne ist auch die Sippe stark an den ehelichen Ver3»

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hältnissen ihrer Mitglieder interessiert. Wie wesentlich es ist, den Kinder' nachwuchs für die Sippe sicherzustellen, zeigt die Heiratsviehgabe. Ebenso hat die Vielehe in erster Linie die Aufgabe der Erzeugung einer möglichst großen Kinderzahl, und erst in zweiter Linie sind wirtschaftliche Gesichtspunkte für sie maßgebend. Sie fügt sich in dem Sinne und mit dem besonderen Hervortreten des Mutter-Kind-Verhältnisses dem gruppenhaften Charakter der Sippe ein. Für diePraxis kann sie nicht ohne Rücksicht darauf bewertet und nach individualistischen europäischen Gesichtspunkten als ungesetzlich angesehen werden (vgl. 89, S. 198). Der Kinderreiche hat neben dem gehobenen Ansehen, das er genießt, für die Zukunft eine mächtigere Vertretung seiner Sippe in Recht, Wehr und wirtschaftlicher Existenz, sowie meistens persönlich im Alter eine bessere Fürsorge zu erwarten. Bei dem Leben in einer gemeinschaftlichen Gruppe, wie sie die Sippe ist, beziehen sich die Auffassungen über eine Arterhaltung auch nur auf diese Gruppe, d. h. die Sippenverwandtschaft, in erster und auf den Stamm erst in zweiter Linie. Daher kann auch nach Anschauung der Sotho-Tswana die Hauptfrau, deren ältester Sohn einmal die Führung übernehmen soll, nicht eine dem Wesen der Sippengenossen Fremde, sondern nur eine nahe Verwandte sein. Die Eingeborenen begründen das außer dem wirtschaftlichen Vorteil (vgl. Heiratsviehgabe) damit, daß man in diesem Falle wüßte, wen man heiratet, man kenne die Fehler der eigenen Sippe, nicht aber die Fremder. Dabei erscheint dem Eingeborenen eine individuelle blutsmäßige Vererbung nicht so wesentlich als die Vererbung der Gruppeneigenart. Somit ist innerhalb der Gruppe die Nachfolgeberechtigung der Nachkommenschaft in Bezug auf die Führung nicht so sehr an die blutsmäßige Abstammung von den Eltern, sondern an die rechtlich-zeremoniale Ordnung der Abstammung innerhalb der Gruppe gebunden. Dementsprechend sind auch Heiratsordnung und -sitten sehr streng geregelt. Wie sich weiterhin aus dem Vorhergehenden erwarten läßt, ist die Eheschließung in allen Einzelheiten eine Angelegenheit der Sippe oder wenigstens der nächsten Verwandten elterlicher Generation. Das bezieht sich auf die Auswahl der Ehepartner sowohl wie auf die Sicherung der ordnungsmäßigen Heiratszeremonien, die zum legalen Abschluß der Ehe fuhren und auf die Einhaltung aller Voraussetzungen in Verhaltensweisen und Leistungen, sowie Regelung von Störungen in der Ehe. B e s c h r e i b u n g der H e i r a t s v e r h ä l t n i s s e Über die Heiratsfahigkeit von Jugendlichen entscheidet die Absolvierung der Initiationszeremonien. Dem entspricht für die Mädchen auch das Heiratsalter, während die Jünglinge, die nicht in dieselbe Altersklasse hineinheiraten dürfen, auf die folgende oder eine spätere als die eigene zu warten haben und somit ein durchschnittliches Heiratsalter von 21—28 Jahren — 25—30 Jahre nach Schapera (146, S. 86) — und Mädchen 19—26 Jahre aufweisen. Für Christen soll das Heiratsalter durchweg noch etwas höher liegen. Dagegen ist ein Heiratsversprechen nicht an die Zeit gebunden. Die Eltern sind vor der Ausbreitung der europäischen Zivilisation vorwiegend für die Auswahl nach einer Besprechung mit den nahen Verwandten ausschlaggebend gewesen, während die jungen Leute keinen Einfluß auf die

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Auswahl haben sollten. Gesichtspunkte f ü r die Auswahl waren freundschaftlicher oder politischer Art von Seiten der beiden Elternpaare oder Sippen; d. h. daß eine Sippe, die den Wunsch hatte, m i t einer anderen eng verbunden zu sein, oder Väter, die als gute Freunde ihre Beziehungen stärken wollten, ihre Kinder miteinander verheirateten. Zu dem Zwecke k a n n ein Heiratsversprechen schon gegeben u n d zeremoniell bekräftigt werden, bevor die Kinder geboren sind. I m allgemeinen achtet m a n bei der Auswahl des Mädchens auf Arbeitsamkeit, gutes Benehmen und Gehorsam. Dabei ist m a n möglichst darauf bedacht, nicht ein Mädchen aus einer Sippe niederen Ranges zu wählen. Mit gleicher Begründung, nämlich, weil sie im Rang zu tief stehen, lehnen die Tswana die Heirat m i t Buschmännern u n d Makxalakxadi ab. Die jungen Männer der Tswana h a t t e n früher von sich aus k a u m Berührung mit den Mädchen, da sie stets draußen auf dem Viehposten lebten. Die Bewertung bei der Auswahl h a t sich heute dahin zum großen Teil zu ändern begonnen, daß auch W e r t auf die Kapitalkräftigkeit der Familien gelegt wird oder entsprechend der eigenen Auswahl der jungen Leute Zuneigung und Ansehnlichkeit besonders gewertet werden. Eine Auswahl der Frau seitens der Eltern — heute haben die jungen Leute schon selbst E i n f l u ß auf die Wahl — k a n n sich n u r auf eine Nebenfrau beziehen, die vor der H a u p t f r a u geheiratet wird, weil letztere etwa noch nicht heiratsfähig ist. Die H a u p t f r a u , die nach Möglichkeit die Tochter des Mutterbruders sein soll, braucht nicht zuerst geheiratet zu werden, f ü r sie ist aber die Werbung mit einem Rind zuerst anzubringen (63, S. 124/25). H a t der malome später die Absicht seine Tochter nicht dem Neffen zu verheiraten, so gibt er ein Rind an die Eltern, womit die Ansprüche auf die Tochter erlöschen (63, S. 126/27). H a t der Mutterbruder keine Tochter, so k a n n die Tochter der Vaterschwester oder eine andere nahe Verwandte als Hauptf r a u geheiratet werden (bei den Pedi, T a u u. a., nicht bei den Xananwa). Trotzdem bleibt die Familie des malome eine Frau schuldig, die später, wenn sie vorhanden ist, von einem der Söhne des Neffen geheiratet wird (63, S. 125). Da stets die älteste Tochter zuerst verheiratet wird, so bleibt diese in den meisten Fällen als H a u p t f r a u in der Sippe, während die weiteren Töchter außerhalb der Sippe, teils als Nebenfrauen geheiratet werden. E s gilt auch f ü r die weiteren Töchter und f ü r die Söhne, daß die bzw. der jüngere nicht vor einer bzw. einem älteren heiraten kann. E n t sprechend den Anschauungen des Leviratsrechts k a n n eine H a u p t f r a u selbst in Sonderfallen nach dem Tode des Mannes noch geheiratet werden, u m mit Hilfe eines jüngeren Bruders des Mannes einen etwa notwendigen rechtmäßigen Nachfolger z. B. f ü r eine Sippenführung zu erhalten. Die Notwendigkeit eines rechtmäßigen Nachfolgers in der Führung ist überh a u p t ausschlaggebend gewesen f ü r die Bedeutung der H a u p t f r a u . Wo heute der Zusammenhalt der Verwandten noch nicht wesentlich gestört ist, macht sich doch verbreitet die Abneigung bemerkbar, die vorschriftsmäßige H a u p t f r a u zu heiraten, da die Einehe mehr als früher u m sich greift und, außer den vorher genannten heutigen Freiheiten der Jugend, in solchem Fall die Base meistens im Alter nicht harmoniert. Trotzdem gibt es heute noch christliche Ehen, selbst jüngerer Leute, die nach der

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traditionellen Auffassung der Basenheirat geschlossen sind. Das gilt besonders aus erbrechtlichen Gründen f ü r christliche Häuptlinge. Bei Einhaltung der Heiratsordnung für die H a u p t f r a u bleibt nach Generationen eine enge verwandtschaftliche Verflechtung erhalten (vgl. Schema bei Krüger 96, S. 74). Andere verwandtschaftliche Verbindungen wurden, solange Eltern und Familie Einfluß auf die Auswahl h a t t e n , bevorzugt u n d zwar besonders unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt, daß das bei der Heirat übergebene Vieh im Besitz der Sippe bleibt. Man sagt dazu allgemein: „Ngwana wa rrangwane nyale kxomo di boele shakang" — heirate beim Vaterbruder, damit das Vieh im Kraal bleibt — (Pedi, Tau). Solche Verbindungen sind die Tochter der Vaterschwester oder Töchter bzw. Söhne der Vaterbrüder miteinander zu verheiraten — sekundäre Entwicklung aus wirtschaftlichen Gründen (32, S. 555). Dagegen ist es nicht möglich, daß die Kinder zweier Schwestern oder Halbgeschwister, letztere sind Kinder gleichen Vaters und verschiedener Mütter, einander, heiraten. Sie gelten als engere Geschwister. Ein Mann k a n n auch nicht die Tochter seiner Schwester heiraten. Die Stellung der Frauen, die der gleichen Sippe des Mannes angehören, wozu vor allem die H a u p t f r a u gehört, ist gegenüber dem Manne wesentlich beschützter, da deren Angehörige das Wohlergehen dieser Frauen eingehender und wirksamer überwachen können. So achtet z. B. die Familie der H a u p t f r a u darauf, daß der Mann nicht von dem Besitz des Haushaltes durch Gaben an eine bevorzugte Nebenfrau verschwendet. Die Polygynie der Sotho-Tswana weist f ü r die frühere Zeit in Bezug auf die Zahl der Frauen einen geringeren Umfang auf als die der östlichen Nachbarvölker (50, S. 192; 74, S. 478) und anderer afrikanischer Völkerschaften. Heute ist die Zahl der Vielehen stark zurückgegangen, so daß m a n n u r einen geringen Prozentsatz von in Vielehe lebenden Männern antrifft.. Z. B. gibt Schapera (141, S. 403) f ü r die freilich stark christlichen Kxatla etwa 5 % Vielehen an. F ü r das Betschuanaland-Protektorat besteht eine zusätzliche Steuer f ü r Polygamisten, die auch viele Einehen bewirkt hat. Wohlhabende Leute einfachen Ranges h a t t e n f r ü h e r k a u m mehr als 2—3 Frauen, Unterhäuptlinge etwa 3—6 (110, S. 410; 74, S. 478) und Häuptlinge etwa 8 oder mehr. Über die erste Frau und über die Hauptf r a u hinaus bestand freie Wahl des Mannes, abgesehen von Heiraten mit politischer Absicht. Zur Vielehe gehört, da die Ehe mit einer beträchtlichen Viehgabe geschlossen wird, ein gewisses Kapital, das Männer im allgemeinen in jungen J a h r e n noch nicht erworben haben. Da die älteren Männer sich früher auf Grund des Alterseinflusses das Recht nahmen, f ü r sich zuerst die Mädchen nach Absolvierung der Initiationsschule zu sichern — der Altersunterschied solcher Eheleute war vielfach beträchtlich —, war es zuweilen nicht möglich f ü r alle jüngeren Leute F r a u e n zu finden. Dagegen besteht heute ein Überschuß an heiratsfähigen Mädchen, die dann vielfach im Konkubinat leben. Neben den legalen Frauen ist es möglich noch Konkubinen zu haben (nyatsi bei den Hurutse), die daneben rechtmäßige Frauen eines anderen Mannes sein können. Der Mann m u ß jedoch seine Zustimmung dazu gegeben haben, da sonst eine Ehebruchsschuld vorliegen würde, was mancher

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E h e m a n n allerdings gern in K a u f nimmt, u m eine gute Bußzahlung fordern zu können. Die aus solchen Verhältnissen entspringenden Kinder werden dem Ehentann auf Grund der erstatteten Heiratsviehgabe zugerechnet (vgl. 45, S. 40; 168, S. 115). F ü r gewisse Sippenangehörige, wie z. B. Vett e r n oder Neffen des Mutterbruders, sind solche Rechte, die auch den Leviratsanschauungen entsprechen, verbreitet. Zur Zeit der Eingeborenenkriege bestand abweichend noch die Möglichkeit Frauen vom Feinde f ü r sich zu rauben. Solche F r a u e n h a t t e n sozial eine sehr niedrige Stellung, so d a ß ihre Aufgabe vor allem die Arbeit war. Das Zeremonial der Werbung u m eine Frau und die Zeremonien, die mit der Heiratsviehgabe u n d Eheschließung in Verbindung stehen, sind genau vorgeschrieben und haben f ü r die H a u p t f r a u u n d f ü r die davor geheiratete erste Nebenfrau gleiche, f ü r die weiteren Frauen ähnliche Formen. Eine E h e oder selbst eine Verlobung, bei deren Schließung nicht alle Zeremonien erfüllt wurden, k a n n z. B. bei einem Streitfall u m die erbrechtliche u n d politisch führende Stellung eines Sohnes, selbst wenn eine kostspielige Heiratsviehgabe überbracht wurde, für unrechtmäßig erklärt werden. Die offizielle Werbung um ein Mädchen, wird durch einen Besuch der Eltern des Jünglings oder, was bei Häuptlingsfamilien nötig ist, durch einen nahen Verwandten als Boten bei der Familie des Mädchens eingeleitet. Man bittet überall um „eine Kalebasse Wasser", womit die Frau gemeint ist. Dieses Symbol deutet auf das hin, was f ü r den Mamabolostamm (i. NO — Transvaal) bei H o f f m a n n (63, S. 127) als Auffassung über den Inhalt der Ehe deutlich wird, indem der Bote sagt: „ L a ß t uns Leben zeugen" . . . . „Wir sprechen von einer F r a u " . Nach E n d e m a n n wird eine kleine Kalebasse, „ n g w a n a " (Kind) genannt, von der Verlobung bis zur Schwangerschaft u m den Hals getragen (45, S. 39). H a t m a n sich über die Heirat zustimmend geeinigt, dann wird die Verlobung bei den Sotho u n d Tlokwa (27, S. 258) mit der Gabe eines Rindes (teveletso = Bürgschaft, Sicherheit) abgeschlossen (xo leveletsa =•= mit Beschlag belegen, verloben). Für einen Häuptling als Bräutigam (Pedi, Tau) gibt m a n 5 Rinder; wenn er noch ein Kind ist, n u r eins, u m die Verlobung abzuschließen (xo thiba sefero = u m die T ü r zu schließen). Bei den H u r u t s e als T y p der Tswana von alter Tradition findet ein offizieller Besuch der Verwandten des Mannes — Männer u n d Frauen gehen getrennt — bei der Familie der Braut statt (xo batla), bei dem auch Wortscheingefechte und abfällige Äußerungen über das Mädchen stattfinden, die jedoch keinen ernsthaften Streit bewirken, da die wichtigen Abmachungen schon vorher und bei dem ersten Werbungsbesuch seitens der Eltern des Bräutigams getroffen sind. Dieser Besuch ist insofern wesentlich, als damit die Verwandten des Mannes, die W a h l des Mädchens offiziell anerkennen, und als Garantie f ü r die B r a u t sich verpflichten, f ü r ihre Rechte gegenüber ihrer Familie verantwortlich zu sein. Z. B. wurde ein Erbrechtsstreit u m die Zuerkennung des Besitzes an eine der beiden Frauen eines Mohurutse nach dem Stammesrecht so entschieden, daß der Besitz nicht der F r a u zuerkannt wurde, mit der der Mann den Besitz erarbeitet hatte, sondern, weil der xo-batla-Besuch bei ihrer Verlobung nicht stattgefunden h a t t e , der Frau, bei der als der rechtmäßigeren alle Zeremonien erfüllt waren. Eine ähnliche Bedeutung n i m m t

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bei den Sotho der Werbebesuch ein. Welchen Wert m a n den Formen beimißt, zeigt z. B., daß selbst ein Häuptling mit europäisierten Anschauungen die Klage eines jungen Mannes, dessen Braut sich, während er in der Stadt f ü r einige Zeit einer Lohnbeschäftigung nachging, anderweitig verheiratet h a t t e , abwies, weil er zwar mit reichen Geschenken, aber ohne seine Eltern zur Familie der B r a u t gehen zu lassen, sich verlobt hatte. E s bestand in diesem Falle auch kein Anspruch auf Rückgabe der Geschenke. Nach der Verlobung besucht der Bräutigam f ü r längere öder kürzere Zeit das Gehöft der Braut, während es — vielleicht auf Grund der bestehenden Schwiegerscheu — nicht üblich ist, daß die Braut im Hause ihrer Schwiegereltern verkehrt. Dem xo-batla-Besuch folgt bei den Tswana am nächsten Tage die Übergabe des serufo-Tieres — d. i. ein Ochse oder ein Schaf —, das der Bräutigam zu bestreiten h a t und von seinen Verwandten dem Mutterbruder der Braut ausgehändigt wird. Die serufo-Gabe befestigt die Abmachungen u n d vereinigt die Brautleute. Da sie über den Sinn einer Verlobung schon hinausgeht, ist sie wohl von größerer Bedeutung als das tebeletso-Tier bei den Sotho. Der Mutterbruder schlachtet das Tier und verteilt die Stücke entsprechend der Überlieferung. Dabei erhält das junge P a a r das Brustteil (sehuba) des Tieres — das sonst dem rangmäßig Höchsten zusteht — u n d ißt gemeinsam aus einer Schüssel, während sonst jeder seine eigene Schüssel zu haben pflegt. F ü r die Eheschließung sind zwei zusammenfließende Ereignisse zu beachten. Einmal die zeremonielle Vereinigung des Paares mit der Heimholung, also die Hochzeitsfeierlichkeiten, und zum anderen die Verbindung der beiden Sippen in Bezug auf die geschlossene Ehe u n d Sicherung der legalen Zugehörigkeit der Kinder väterlicher Linie durch die Heiratsviehgabe (So: lobolo, Tsw.: boxadi, bohali). Während die Übergabe des Brautpreises für die Sotho u n d Tlokwa den Heiratszeremonien und der Heimführung der Braut vorausgeht, geschieht dies bei den Tswana hinterher. Wenn auch die gesamte Viehgabe bei den Tswana erst später überbracht wird, so soll dies nach Möglichkeit doch geschehen, bevor Kinder geboren werden, spätestens aber vor der Initiation des ersten Kindes, u m die Zugehörigkeit zum Vater sicherzustellen. E n t sprechend der alten Überlieferung soll die Höhe der Viehgabe einer beliebigen Menge des Gebenden entsprechen, praktisch einigt m a n sich heute vorher auf bestimmte Abmachungen in der Richtung. Die Höhe der Viehgabe ist der Braut und ihrer Verwandtschaft ein Zeichen f ü r ihre Wertschätzung ; bei gewissen Tänzen zeigt m a n sogar die Menge des gegebenen Viehs öffentlich an. Für die Sotho wird nach dem Verlöbnis von Seiten der Familie der Braut in zeremonialer Weise eine Verwandte mit einer gefüllten Schnupftabaksdose zur Familie des Mannes als Bote (mmaditsela) gesandt, u m anzuzeigen, daß m a n die Besprechung und Übergabe des lobolos (Viehgabe) erwartet (vgl. 63, S. 128). Darauf t r i t t die Familie des Mannes zusammen u n d jeder nennt die Zahl u n d Farbe der Tiere, die er geben kann. „Lobolo"-Vieh ist bei den N- Sotho das Rind, die Ziege u n d das Schaf, jedoch kein Pferd, wie in Basutoland und bei den Tswana keine Ziegen. Den Hauptteil bestreitet der Vater des Mannes, heute durch die Verdienstmöglichkeiten auch der junge Mann selbst. Bei dem Mamabolo-

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s t a m m (NO-Transvaal) macht die Schwester des Mannes den Anfang ein R i n d zu bieten (63, S. 128), anderenorts t u t das die Vaterschwester. Der Mutterbruder vor allen Dingen und die Vaterschwester, stellenweise auch der jüngere Vaterbruder (rrangoane) müssen wenigstens ein Tier (matsela) bieten. Freiwillig können die jüngere Schwester des Vaters, Brüder, Schwestern und Freunde des Mannes geben. Die Mindestzahl soll bei den T a u und Pedi f ü r Heiden 5 Stück, f ü r Christen 3 Stück betragen. Als Heiratsvieh gibt man nicht die Zahl 7, bei den Hurutse außerdem nicht 9. F ü r Christen und Stadtbevölkerung kommen allgemein noch die Kosten hinzu, die f ü r Kleidung, Geschenke und Festlichkeiten entstanden sind, d a f ü r fallen ein bzw. zwei f ü r die Ahnenopfer mitbestimmte Tiere weg. Für die Stadtbevölkerung hängt die Zahl des Heiratsviehs von der gegenseitigen privaten Abmachung ab, wobei vielfach gleich in Bargeld umgerechnet und bezahlt wird, was allerdings eine nützliche Auswirkung der Viehgabe unterbindet. Bei Mittellosigkeit wird heute auch vielfach kein lobolo gegeben. D a f ü r bleibt m a n unter gleichen Bedingungen der Gläubigerfamilie eine Tochter zur Ehe schuldig. H a t m a n selbst eine Tochter, so wird bei Mittellosigkeit zuweilen gewartet, bis f ü r diese die „lobolo-"Gabe eingeht. Es kann auch Vieh f ü r den Zweck des „lobolo" geliehen werden, dafür verspricht m a n d a n n dem Gläubiger eine Tochter. Die Baxananwa sprechen darüber von einem Geschäft, das nichts einbringt (xo tsea khuru). Bei der Verheiratung eines Häuptlings kommt zur reichen Viehgabe von vielleicht 20—50 Stück die Beteiligung des Volkes, das damit seinen Häuptlingsnachwuchs legalisiert, indem jede Sippe ein bis zwei Tiere als „matshwela" gibt. Das ,,lobolo"-Vieh wird unter Lobpreisungen von den Heiratsboten (bakxonyana), voran das Rind, das der Mutterbruder gab, dem Brautkraal zugeführt. Hier suchen'bei den Sotho die Frauen das Vieh zurückzutreiben u n d die Boten, die außerhalb des Gehöftes bleiben müssen, werden wie Fremde behandelt, solange m a n über die Höhe des Brautpreises verhandelt, was in wenig friedlicher Form vor sich geht und wobei die Boten fast vertrieben werden. Stück u m Stück wird heraufgehandelt, zu welchem Zweck m a n zuweilen sogar von dem gesamten mitgeführten ,,lobolo"-Vieh einen Teil in der Nähe verborgen hält. Ein Rest bleibt bei den Sotho zuweilen lange Zeit als Schuld stehen, selbst bis zur Verheiratung der Tochter, aus deren lobolo m a n f ü r die Mutter noch zahlt. Eine offen gezeigte materialistische Art ist bei den Tswana nicht üblich, sie mag f ü r die Sotho m i t der Eigenart der Zulunachbarn in der Beziehung in Verbindung stehen. Die „lobolo"-Gabe steht n u n nicht allein dem Brautvater zu, dem sie übergeben wurde, u n d der seinen Teil f ü r seine Söhne weiter als lobolo verwenden kann, sondern ein Teil fallt bestimmten Familienmitgliedern zu (xo bofela), und zwar vor allem dem Mutterbruder der Braut wenigstens m i t einem Tier (masori) und ebenso der Vaterschwester der Braut. I s t viel Vieh gegeben, so erhält auch die älteste Schwester der Braut ein Tier, wofür später die jüngere Schwester aus dem lobolo f ü r die Tochter der älteren Schwester ein Tier zurückerhält. Eine ähnliche Anschauung m a g auch dem zugrunde liegen, daß die Kinder der Schwester des malome (Mutterbruder) stets ein Recht auf Hilfe seitens des Onkels in Notzeiten haben, u n d selbst ungefragt eins seiner Tiere töten dürfen, weil das

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f ü r die Schwester eingegangene lobolo (bzw. boxadi) f ü r die Heirat ihres Bruders, des späteren malome verwandt wird. Noch in heutiger Zeit ist bei den Kwena z. B. die Klage eines malome wegen der Tötung eines Rindes durch seinen Neffen vom Häuptling auf die Feststellung hin abgewiesen worden, daß f ü r die Schwester boxadi gegeben war. I n der Zusammenstellung und Verteilung, sowie in der nachfolgenden Rechtsbedeutung entspricht das vom lobolo der Sotho Gesagte dem boxadi der Tswana. An die Übergabe des lobolo schließt sich eine Zeremonie im Brautgehöft an, die mit dem Schlachten eines Rindes vielfach unpassend als Hochzeitsu n d eigentliche Heiratszeremonie bezeichnet wird. Wie das Heiratsvieh beziehen sich auch diese Zeremonien, zunächst mit einem gemeinschaftlichen Mahl — wobei die einzelnen Stücke des Schlachttieres an bestimmte Verwandte zugeteilt werden — auf das Gemeinschaftsgefühl der Verwandtengruppe mit den Ahnen. Sie mögen die Familiengötter beschwichtigen sollen. I m weiteren Verlauf wird dabei das junge Paar mit dem Mageninhalt des Schlachttieres bestrichen u n d ihm bei den Tswana das Magenfett als „limipi" u m den Hals gelegt. H a t sich die boxadi-Übergabe über die Initiation des Kindes hinausgezögert, so wird diesem als zur Familie des Großvaters mütterlicherseits gehörig das limipi umgelegt. Es läßt sich heute schwer feststellen, welche Idee der Heiratsviehgabe ursprünglich zugrunde gelegen hat. Es mag eine religiöse Ausgleichshandlung für die guten Beziehungen der Sippen u n d ihrer Ahnen in bezug auf die geheiratete Frau mit der Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfe, oder eine religiös-beschwichtigende Entschädigung f ü r das Ausscheiden eines Sippenmitgliedes und dessen Nachwuchses sein. Praktisch t r i t t jedoch noch die Bedeutung f ü r den Nachwuchs u n d eine gewisse Garantie f ü r die Sicherung des Eheverhältnisses, sowie politisch-rechtliche Unterstützung der beiden Sippen in Erscheinung. Die Kinder werden erst durch die Viehgabe als zur Sippe des Vaters gehörig legalisiert. Auch ist für die Zugehörigkeit des Kindes die Viehgabe allein u n d nicht die Blutsverwandtschaft ausschlaggebend, wie nachfolgend das Sororat u n d das Levirat zeigen u n d ebenso die Zugehörigkeit eines unehelichen Kindes zu dem Manne, der das Heiratsvieh gab, erkennen läßt — denn es ist sein Kind, auch wenn er blutsmäßig nichts damit zu t u n hat —. Dieser Auffassung entsprechend würden sogar Kinder einer geschiedenen Frau aus nachfolgender Ehe dem ersten Mann gehören, solange kein neues lobolo (bzw. boxadi) f ü r die zweite Ehe gegeben ist. Weiterhin k a n n ein Kind, das vor der Ehe mit einem andern Mann gezeugt wurde, von dem E h e m a n n mit der Viehgabe, wofür etwa ein Tier extra gegeben wird, als sein Kind übernommen werden. Das Geben von meist 7 Tieren — die Zahl des bösen Zaubers und des Unglücks, die beim Zählen mit dem rechten Zeigefinger angezeigt, diesen auf etwas Böses hinweisen läßt — ist f ü r ein uneheliches Kind seitens des blutmäßigen Vaters an den Vater des Mädchens bzw. an den Ehemann n u r eine Bußzahlung. D a r a u f h i n wird das Kind dem Großvater mütterlicherseits bzw. dem Ehemann zugerechnet, u n d als solches erhält es später i n der Initiationsschule seinen Platz. Auf das Eheverhältnis wirkt sich die Viehgabe weiterhin so aus, d a ß sie

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die beiderseitigen Verwandten verpflichtet, auf die Verträglichkeit des Paares genau zu achten, da in manchen Gegenden die Möglichkeit besteht, das Vieh im Scheidungsfall zurückgeben zu müssen — die Tswana geben kein Vieh zurück, auch ist m a n bei anderen Stämmen n u r selten dazu in der Lage — oder im anderen Fall die Familie des Mannes die Frau ohne Entschädigung verlieren kann. Bei Unverträglichkeiten, die vom Mann herrühren, kann die F r a u zu ihren Eltern entlaufen, u n d er wird sie dann mit einem Geschenk, etwa eines Rindes und unter Verhandlungen seiner Verwandten (xo batla) zurückholen oder im Wiederholungsfall seine Ansprüche ganz verwirken. Ist die F r a u die Schuldige, so wird ihre Familie sie zurückschicken u n d auf sie entsprechend einwirken. Die Viehgabe h a t selbst unter heutigen Verhältnissen, abgesehen von einigen Stadteingeborenen, nichts mit einem Kauf zu t u n , wenn auch die äußere Form und das Handeln einem Kauf sehr ähnlich sehen mögen. Jeder Eingeborene würde sich gegen eine solche Auffassung wenden, denn m a n kann eine Frau durch die Viehgabe weder zum Eigentum, noch zur Sklavin machen, auch kann sie nicht beliebig behandelt oder an eine andere Familie weiterverkauft werden. I m Sororat, Levirat u n d in der fehlenden Adoption von Waisenkindern drückt sich das gruppenhafte Verhalten von Sippenmitgliedern in Bezug auf das Füreinandereintreten im Eheverhältnis bzw. der Fürsorge aus. Dabei entspricht die rechtliche Zugehörigkeit der aus solchen Verhältnissen entspringenden Kinder wieder der Heiratsviehgabe. Stirbt die E h e f r a u ohne Kinder gehabt zu haben vorzeitig, oder ist sie unfruchtbar — was der Medizinmann feststellt, der sie zunächst dagegen behandelt — dann h a t die Familie der Frau nach Sororatsrecht deren jüngere Schwester oder eine andere nahe Verwandte zu stellen (seantlo — geht ins Haus), die f ü r sie die Kinder gebiert. Die Kinder werden als diejenigen der unfruchtbaren F r a u betrachtet. Ist die jüngere Schwester bereits verheiratet, wenn an sie. die Anforderung gestellt wird, ihre ältere Schwester zu vertreten u n d sind keine weiteren Schwestern vorhanden, dann h a t t e sie in alter Zeit ihren Mann zu dem Zweck zu verlassen, der als Entschädigung n u r seine Kinder erhält. H a t die Schwester eine Tochter, So kann diese die Sororatspflichten übernehmen. Stirbt der Ehemann, so h a t der Bruder nach Leviratsrecht die Fürsorge fiir die Witwe u n d Kinder zu übernehmen, oder, wenn keine Kinder als zukünftige E r b e n vorhanden sind, solchen Nachwuchs zu zeugen. Das geht so vor sich, daß etwa ein halbes oder ganzes J a h r nach dem Tode des Ehemanns, d. i. nach Ablauf der sog. Trauerzeit, die Eltern der F r a u einen Ochsen schlachten. Die Witwe ißt von dem Fleisch des Tieres (sehuba) aus einer Schüssel zusammen mit dem Bruder ihres Mannes, den sie heiraten will. Um einen der Brüder auszuwählen, treten diese nacheinander an die Wiftye heran und fordern sie auf, gemeinsam zu essen, bei dem Erwählten stimmt sie zu (Hurutse). Wenn sie keinen der Brüder ihres verstorbenen Mannes heiraten will, darf sie sich heute nach einem anderen Manne umsehen, sofern dieser die Familie des Verstorbenen mit boxadi entschädigen kann. Die Kinder, die ein jüngerer Bruder des Verstorbenen mit der Witwe zeugt, werden dem Verstorbenen zugerechnet. Das gilt nicht, wenn ein

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älterer Bruder die Witwe übernommen hat, wofür man das Sprichwort hat: „Ein Häuptling zeugt keine Kinder für seinen Diener" (Tau). Hat der Verstorbene keine Brüder, dann kann auch sein Vaterbruder, oder in weiterer Folge dessen Sohn eintreten. Auch ist es vorgekommen, daß ein Sohn junge Frauen — abgesehen von der eigenen Mutter — von seinem Vater erben konnte. Entsprechend der gruppenhaften Auffassung gibt es keine Adoption von Waisenkindern durch Fremde im europäischen Sinn. Solche Kinder werden in der lebensgemeinschaftlichen Gruppe, also von Verwandten, selten von Freunden oder Nachbarn aufgezogen. Das geht umgekehrt sogar so weit, daß man Frauen, die keine Kinder haben, solche von einer Schwester zum Aufziehen übergibt, um eine natürliche Betätigung der Frau herbeizuführen und sie nicht sich allein zu überlassen. Es ist aber zwischen diesem oft geübten Aussiedeln der Kinder und dem Eintritt der Kinder in alle legitimen Rechte und Pflichten bei Verwandten zu unterscheiden. Da sich die Viehgabe mehr auf die Rechtsverhältnisse der Gruppe bezieht, sind als Heirat oder Hochzeit eher die Heimführung und die Zeremonien, die ihr vorangehen, zu werten. Bei den Tswana könnte man vom Schlachten des serufo-Tieres bis zur Heimführung der Braut von der Heirat sprechen. Auf die serufo-Gabe folgen seitens der Freunde und Verwandten Geschenke, etwa Decken und Hausrat, die zum Gehöft der Braut gebracht werden. Man bereitet dem Bräutigam dort ein Schlaflager. Der Braut werden in den Tagen Hinweise gegeben, wie sie sich ihren Schwiegereltern gegenüber in Ehrerbietung und unbedingtem Gehorsam zu verhalten hat, entsprechend der bei den Sotho-Tswana gegebenen Schwiegerscheu. Der Bräutigam wohnt daraufhin längere Zeit bei den Schwiegereltern, denen er früher seine Aufmerksamkeit zu erweisen hatte, indem er mehrere Wochen hintereinander morgens als erster aufzustehen und das Feuer in der kxotla anzufachen hatte. Vielfach lassen die Schwiegereltern sich Beweise von der Arbeitsamkeit des Schwiegersohnes dadurch geben, daß sie ihm schwierige Arbeiten zuteilen. Gewöhnlich wohnt der Schwiegersohn bei den Schwiegereltern, bis sein eigenes Haus gebaut ist. Um die Frau zur Familie des Mannes heimführen zu können, muß den Schwiegereltern noch ein Rind (mokwele) gegeben werden, das nicht zum später folgenden boxadi gehört. Der Frau wird ferner bei der Heimführung von ihrer Familie die Kuh mitgegeben (Hurutse), die nur für sie gemolken wird. Diese Kuh würde sie im Scheidungsfall mit zu ihren Eltern zurücknehmen, während das boxadi nicht zurückgegeben wird. Bei den Sotho wird, wie Hoffmann (63, S. 132—137) es für die Koni und Mamabolo beschreibt, kürzere oder längere Zeit — 1—2 Jahre, bei den Pedi und Tau, bis das erste Kind geboren wird — nach der lobolo-Übergabe ein Bote (mmaditsela) geschickt um die Heimführung der Braut einzuleiten. Bis dahin kommt der Bräutigam hin und wieder für einige Zeit nur zum Besuch ins Gehöft der Braut. Es wird darauf die Gabe einer Kuh (tsweci ya mmamotho) an die Mutter der Braut und eines Rindes (seepe sa kxoro) an den Vater der Braut notwendig. Die Tlokwa, die eine Zwischenstellung in den Heiratssitten einnehmen, verlangen diese Gabe (likhomo tsa selelekela) als khomo ea letswele für die Mutter und als khomo seholo-

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holo für den Vater vor dem Heiratsvieh (bohali) (27, S. 259). Ferner hat der Bräutigam vor der Heimführung noch selbst ein Rind, stellenweise mit einem Kalb für das erste Kind seiner Frau zu geben. Ist er hierzu nicht in der Lage, so muß er unter Umständen lange Zeit auf die Frau warten und im Hause der Schwiegereltern Dienste verrichten. Zum Fest der Heimfiihrung — (lenyalo = Hochzeit) — wird ein Tier geschlachtet und in Gemeinschaft mit den Ahnen von der Sippe entsprechend der traditionell vorgeschriebenen Verteilung der Fleischstücke verspeist. An der nachfolgenden Heimfuhrung der Braut zum Gehöft der Schwiegereltern nimmt eine ganze Reihe ihrer Verwandten und Freundinnen teil, die prozessionsartig Biertöpfe — dieses Bier wird als „Nahrung des Kindes" bezeichnet — und einen Teil vom Fleisch des für die Festlichkeit geschlachteten Tieres tragen. Während die Tswana nur bei der Braut feiern, findet bei den Sotho ein doppeltes Fest, sowohl im Kraal der Braut, wie nach der Heimfuhrung in dem des Bräutigams statt — nach den Ngunigebieten zu wird nur noch im Haus des Bräutigams gefeiert —. Die Braut zeigt sich bei der Heimfiihrung unwillig, das Haus der Eltern zu verlassen, so daß sie in manchen Gegenden von Zeit zu Zeit auf dem Wege stehen bleibt und nur durch Geschenke zum Weitergehen zu bewegen ist (bei den Koni, nicht bei den Pedi und Tau). Es soll nicht unbedingt nötig sein, daß der Bräutigam bei den Heimführungsfeierlichkeiten zugegen ist, er bittet dann seine Angehörigen die Feierlichkeiten abzuhalten. Die Braut mit ihren Freundinnen, ebenso der Bräutigam mit seinen Freunden (kxonyana = Hochzeitsgesellen) — bei diesen Freundschaften handelt es sich meistens um die Kameraden bzw. Kameradinnen des gleichen Beschneidungsjahrganges — verbringen die auf das Fest folgende Nacht gemeinsam und intim in einer dunklen Hütte. Die Brautleute halten sich in der Nacht voneinander fern, auch ist vorher das Gesicht der Braut für den Bräutigam verdeckt gehalten. Von der Braut wurde früher Unberührtheit verlangt; im Nichterfullungsfall konnte eine Rechtsforderung entstehen (27, S. 262). Für die magische Vereinigung des Paares sorgt später ein Medizinmann (ngaka), der beiden Partnern Einschnitte an Ellenbogen, Hand-, Fuß- und Kniegelenken macht und das heraustretende Blut vom Manne auf die besagten Wunden der Frau verreibt (58, S. 83). Unter christlichen und europäisierten Verhältnissen vereinfachen sich die vielen Hochzeitszeremonien außerordentlich und treten nur noch als ein Festtag nach europäischer Art in Erscheinung, wobei die Stadtbevölkerung solche Feierlichkeiten gern in die Tanzsalons verlegt. Die Heirat eines Häuptlings entspricht in den zeremoniellen Grundlagen dem für die verschiedenen Gebiete Beschriebenen mit dem Unterschied des größeren Aufwandes. Sie erstreckt sich hinsichtlich der Festteilnahme und den Wünschen bei den Ahnenopfern über die Häuptlingssippe hinaus auf das Volk. Dieses hat einen inneren Anteil an der Heirat der Hauptfrau des Häuptlings, indem es die Sicherstellung des aus der Ehe zu erwartenden und somit einer höheren Ordnung entsprechenden Nachfolgers feiert. Seine Anteilnahme zeigt sich schon in der erwähnten Beteiligung an der Heiratsviehgabe. Wie sehr die Hauptfrau eines Häuptlings durch ihre Heirat ein Glied zwischen der Abhängigkeit des Volkes von der höheren Ord-

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nulig und der Fortsetzung seines Bestandes für die Ewigkeit ist, zeigt die Zeremonie, nach der ihr die Bezeichnung „dimmamollo" beigelegt wird, und die das Entfachen des heiligen Feuers darstellt. Bis zur Heimftthrung werden sämtliche Feuer in den Gehöften des Volkes gelöscht, so daß nach Ankunft der Braut im Häuptlingskraal dort in traditioneller Weise mit zwei Stäben einzeiliges Feuer gebohrt wird. Für eine solche Heirat kommen noch besondere Veranstaltungen hinzu, von denen u. a. nur ein Wettrennen der Rinder für die Pedi genannt sei. E u r o p ä i s i e r u n g in Sippe und E h e v e r h ä l t n i s s e n Bei den Häuptlingssippen werden die genannten Zeremonien und Vorschriften, die den Heirats- und Eheverhältnissen vor allem den Gruppencharakter geben, noch weitgehend befolgt, während sie im Volk zum Teil verschwunden sind oder sich wenigstens in Verfall befinden. Was sich selbst nach dem Zerfall alles großfamilialen Einflusses als besonders eingewurzelt noch behauptet hat, ist die Einrichtung der Heiratsviehgabe, die für eine rechtmäßig geschlossene Ehe höchstens durch Armut, nicht aber durch Europäisierung eingeschränkt ist. In Betschuanaland hatte die Mission den Versuch unternommen, die Heiratsviehgabe für Christen zu verbieten wegen der heutigen materialistischen Einstellung der Leute. Man kehrte aber nachher zu der alten Sitte zurück, da die Folgen der sozialen Unordnung von größerem Übel waren. Der Zerfall der sozialen Ordnung in familialer Beziehung geht von der Stadtarbeit aus. Durch den Einfluß, den die Lohnarbeit auf die jungen Männer ausübt, ist die Zahl der unehelichen Kinder bedenklich groß, ein Problem, das von Schapera (146, S. 59—89) für die Kxatla bearbeitet worden ist und weitgehend für die Sotho-Tswana im allgemeinen gilt. Für drei Eingeborenenlokationen in Pretoria wurden z. B. von Krige 59 % aller Geburten als unehelich festgestellt (170 S. 4). Bei dem Mangel bindender Ordnung in den Städten haben die jungen Leute reichlich Gelegenheit zu sexuellem Umgang, der sich schnell auf die Landgebiete ausgedehnt hat. Die Jünglinge, die den Verfall von den Städten in die Dörfer tragen, sind meist auf Grund ihres europäisierten Äußeren schon die begehrenswertesten Partner. Sie geben leicht Heiratsversprechungen und verschwinden wieder in die Städte, wo sie nicht aufzufinden sind, wenn die Lage etwa durch uneheliche Kinder für sie unangenehm wird. Der Überschuß an heiratsfähigen Mädchen, der zum großen Teil durch die geringe Zahl der Vielehen veranlaßt ist, sowie die durch die Lohnarbeit und Schule bewirkte größere Unabhängigkeit des Willens der jungen Leute von den Eltern und Verwandten, erhöhen die Zahl der Konkubinate. Durch uneheliche Kinder und ungeordnete, überhebliche Verhaltensweisen der jungen Leute wird zur Lockerung der gesamten traditionellen Ordnung beigetragen. Denn die gesamte soziale und politische Struktur baut sich in vieler Beziehung analog den Elternschaftsprinzipien auf und wird allein schon durch deren Zersetzung stark in Mitleidenschaft gezogen. Dauer und Festigkeit mußten in den europäisierten Ehen geringer werden durch die fehlende Überwachung der geordneten Verhaltensweisen der Ehepartner

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seitens der Verwandten und durch die Freiheiten, die das städtische Leben den Eingeborenen gewährt. Außer den genannten Übeln, denen m a n in der Praxis k a u m wirksam begegnen kann, sei noch auf die Konfliktstoffe hingewiesen, die sich für den Eingeborenen in schwerwiegender Form einstellen können, wenn eine Gesetzgebung europäisch-gesellschaftliche Einrichtungen an falscher Stelle zu übertragen versucht. Das sind Probleme, wie sie f ü r die Ngunivölker von K n a k (89, S. 181—198) herausgestellt wurden u n d weitgehend ftir die B a n t u Geltung haben. Solche europäischen Einrichtungen sind etwa, eine afrikanische F r a u mit 21 Jahren f ü r mündig erklären zu wollen u n d sie damit dem Einfluß des Ehemannes und vor allem der Eltern in Bezug auf Abwanderung zur Lohnarbeit, Verehelichung u n d anderes zu entziehen, oder ihr als christliche Witwe eine benachteiligte Stellung zu schaffen. I n gleicher Weise k a n n eine Einführung von ehelicher Gütergemeinschaft den Mann in seinen Besitzrechten ungerecht benachteiligen. Der arteigene soziale Zusammenhalt liegt im Gruppenhaften und dessen gemeinschaftlichem Wirken. Von dieser Grundhaltung m u ß stets ausgegangen werden, wenn m a n beständige Einrichtungen f ü r die Eingeborenen schaffen will. Diese müssen stets gemeinschaftlichen Charakter tragen. I n Hinblick auf das Lebensgemeinschaftliche der Sippe als Grundlage der Eingeborenengesellschaft konnte auch das Christentum nicht entsprechend helfen. Es konnte n u r durch Begründung klein-familialer Verhältnisse, die durch christliche Verhaltensweisen unter Aufsicht der Gemeinde befestigt wurden, eine gewisse Ordnung sichern, doch fehlt auch diese weitgehend bei der gleichen Gruppierung in Kleinfamilien, wo sie durch das Zusammenleben mit der europäischen Welt u n d ihrem fördernden Einfluß auf die Stammesentfremdung entstanden. Ferner besteht eine weitgehende Trennung von Christen und „Heiden", wie sie z. B. selbst darin nicht selten zum Ausdruck kommt, daß christliche Eingeborenenmädchen sich in ihrer dogmatischen Überheblichkeit weigern, von einem heidnischen Mann geheiratet zu werden. Die verschiedenen Anlässe, unabhängige Kleinfamilien zu gründen, haben auch verschiedene Bedeutung f ü r die Lösung der Bindungen mit der Sippengemeinschaft, je nachdem es sich u m städtisch-europäische Einflüsse während einer Lohnarbeitperiode, u m Christianisierung oder u m dem Stammestum entwachsenes Stadt- bzw. Farmleben handelt. Eingeborene, die vom Stadtleben stark beeindruckt zur Lebensweise ihres Heimatdorfes zurückfinden, bemühen sich heute auf Grund erworbener Neigung zu gewisser persönlicher Selbständigkeit des Handelns möglichst nicht im Verband mit der Verwandtschaft zu siedeln. Es wird allerdings zum Teil dadurch begünstigt, daß junge Frauen sich von der starken Abhängigkeit von den Schwiegerverwandten, vor allem der Schwiegermutter, zu befreien suchen u n d zum andern auch bodenwirtschaftliche Momente von Einfluß sind. Es ist dies die schwächste Form der Loslösung von der Sippe, aber doch die am meisten vorkommende. Mit einer derartigen räumlichen Trennung h a t sich eine stärkere Individualisierung des Besitzes vollzogen und zum anderen aber wird die Menge kleiner Streitigkeiten mit den Verwandten geringer, weil m a n sich dem beobachtenden

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Einfluß auf die Verhaltensweisen seitens der Verwandten damit weitgehend entzieht. Aufrecht erhalten bleibt der Glaube vor allem an die Magie und Zauberei, weniger aber an die Ahnen. Es bleibt jedoch weiterhin im gemeinschaftlichen Verkehr mit der verwandtschaftlichen Gruppe die gegenseitige wirtschaftliche Hilfe und gelegentliche Fürsorge für Arbeitsunfähige, sowie die selbstverständliche Hilfe bei Krankheit und die rechtliche Vertretung durch die Ältesten beim Häuptling bestehen. Am längsten erhalten sich die verwandtschaftlichen Bande hinsichtlich der Heiratssitten und weniger anderer feierlicher Anlässe, wie etwa der Initiation von Jugendlichen. Bei christianisierten und halbgebildeten Reservatseingeborenen — letztere gehen meist mit mehr oder weniger Erfolg aus christlichen Missionsschulen hervor—liegt die Trennung von der heidnischen und „ungebildeten" Verwandtschaft auf weltanschaulichem Gebiet und wird vor allem stark fühlbar, wenn der christianisierte Eingeborene sich nicht den vielen magisch-zauberischen Schutzhandlungen unterwerfen will, ohne die sich der Heide von stetem Unheil heimgesucht glaubt. Bei dem Halbgebildeten kommt oftmals auf Grund des nicht in jeder Weise seinen natürlichen Bedürfnissen entsprechenden Schulsystems und des falschen Eindruckes vom Wert europäischer Bildung, eine gewisse Überheblichkeit hinzu, die sich jeder Einfügung in die bestehende Ordnung und Anpassung an den Willen der Autoritäten der Sippe entzieht. In den Betschuanenstädten, in denen die Abspaltung von Kleinfamiliensiedlungen überhaupt wenig in Erscheinung tritt, gelang es den Missionen glücklicherweise, im Interesse des Gemeinschaftslebens die Christen im verwandtschaftlichen Siedlungsverband zu halten. Dagegen scheint es vorwiegend bei den TransvaalSotho aus irgendwelchen äußeren Gründen unvermeidlich gewesen zu sein, daß Christen in Kleinfamilien getrennt von der verwandtschaftlichen Gruppe siedelten. Der Widerstand der Heiden gegen christliche Eingeborene ist zu Zeiten sehr erbittert und mit allen Mitteln vorgetragen worden. Ihre Verhaltensweisen, die selbständig sind, werden in abnehmendem Maße von Verwandten, dafür mehr von der christlichen Gemeinde, die vielfach beieinander wohnt, beobachtet und beeinflußt. Die Beziehungen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hilfe der Verwandten untereinander sind zum großen Teil erhalten geblieben. Bei beiden Typen der Sippenlockerung ist die Gebepflicht für die Heirat des Neffen und die Verantwortung der Verwandten für den Zusammenhalt der Ehe — letzteres wird bei den Christen ein wenig durch den Einfluß der Gemeinde ersetzt — im Nachlassen begriffen. Man empfindet auch von heidnischer Seite die Zerstreuung des Sippenbestandes als das Aufhören ihrer eigentlichen Bestimmung. Dagegen erhoffen diejenigen, die den Verband in wesentlich vermindertem gruppenhaftem Denken und Fühlen, ohne die Dinge ganz zu durchschauen, verlassen haben, etwas Neues, in dem Vorbild des Europäers. Dabei läßt die neue Form vorläufig noch jegliche Ansätze zu einer Eigenständigkeit der Art vermissen. Noch individualistischer liegen die Verhältnisse bei der dem Stammesleben entwachsenen Bevölkerung der Stadteingeborenen, die mit ihren Kleinfamilien in den Lokationen der Stadt oder auf geringem Landbesitz in

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„Townships" nahe der Stadt leben. Die Beziehungen zu den im Reservat verbliebenen Verwandten bleiben auf seltene Besuche beschränkt, ein Einfluß auf das allgemeine Verhalten des Einzelnen seitens der Verwandten scheidet damit ganz aus. Wirtschaftliche Hilfe und evtl. nötige regelmäßige Fürsorge wird im allgemeinen nur in dringenden Fällen je nach Einstellung des Individuums erfolgen. Wenn es sich dagegen um die Versorgung alter Eltern handelt, wird man dieser Notwendigkeit auch hier nachkommen. In weiterer Folge verliert sich bei dem Leben in Kleinfamilien und dem Zurückgehen des Gemeinschaftsgefühles der Sinn für eine arteigene Tradition und, was verwaltungspolitisch von wesentlicher Bedeutung ist, die Anerkennung einer natürlichen Autorität, die gegenüber einem neuzeitlichen beamtenartigen Ersatz stets einen größeren Einfluß im Stammesleben gehabt hat. b) Das politische Gemeinwesen In der A u s ü b u n g p o l i t i s c h e n H a n d e l n s Der Ausdruck einer genossenschaftlich-gemeinschaftlichen Behandlung aller öffentlichen Angelegenheiten tritt vor allem in den Ratsverhandlungen zutage. Diese bilden eine Beschränkung der individuellen Wünsche des Häuptlings und verhindern, von seltenen Ausnahmen abgesehen, eine Willkürherrschaft desselben. In den Ratsbesprechungen, vor allem des öffentlichen Rates, schlägt sich bis zu einem gewissen Grade die Volksmeinung nieder, auf die der Häuptling in seinen Beschlüssen angewiesen ist. Der Rat ist somit natürlicherweise das organische Bindeglied zwischen Volk und Häuptling. Gerade dieses ist heute von besonderem Wert für die praktische Erhaltung des Stammesgemeinwesens, da die europäische Verwaltung den Häuptling bereits in eine individualistische Stellung gedrängt hat. Es lassen sich zwei Hauptformen des Rates neben einer Volksversammlung unterscheiden, das sind der „öffentliche R a t " und der „geheime R a t " . Der geheime Rat, der als eine gruppenhafte Erweiterung der Person des Häuptlings auf seine Sippe anzusehen und somit eine Institution der Rangordnung ist, wird nachfolgend behandelt (s. IIIc). Der öffentliche Rat (lekxotla, bei den Sotho Unterhäuptlingen auch kxoro) ist in seiner Zusammensetzung entsprechend den von ihm zu behandelnden Angelegenheiten sehr veränderlich. Die Mitglieder werden nicht in den Rat gewählt, sondern gehören ihm bei Befähigung entweder auf Grund ihres Ranges, in den sie als nahe Verwandte des Häuptlings hineingeboren sind, (bakxomanna) oder als Unter- und Dorfhäuptlinge an. Sie können auch als Leute aus dem Volk, nachdem sie lange Zeit durch besondere Geschicklichkeit hervorgetreten oder ihre Ansichten wiederholt maßgeblich gewesen sind, in die Mitgliedschaft hineinwachsen. Lestrade erwähnt (101, S. 430) sehr alte Leute, meist Kraalhäupter, die als das Gedächtnis des Häuptlings (baxakolodi) bezeichnet werden und deren Aufgabe es ist, bei den Beratungen ihre Erfahrungen betreffs zur Sprache stehender Rechtsbräuche an Hand weit zurückliegender Präzedenzfalle zur Verfügung zu stellen. Im allgemeinen hat ferner jeder initiierte Mann, soweit er es an 4

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Ernsthaftigkeit in seinen Ausführungen nicht fehlen läßt, das Recht sich in der Ratsversammlung zum Wort zu melden. Vielfach folgen die Söhne den Vätern als Ratsleute nach, doch ist es nach Lestrade bei den Hurutse — das gilt vereinzelt auch von Transvaal- Sotho — nicht erlaubt, daß Vater und Sohn zugleich in einer lekxotla sitzen (101, S. 430). Bei vielen Arten von Ratsbeschlüssen ist praktisch unter den Ratsherren die Macht der Unterhäuptlinge am größten, da sie bei Übereinstimmung mit dem ihnen untergebenen Volksteil diesen als Rückenstärkung besitzen. Wenn z. B. früher in einer großen Tswana-Stadt zwei Stadtteiloberhäupter (matoona) im Kriegsrat gegen eine kriegerische Aktion Stellung nahmen, wurde diese nicht durchgeführt. Der Rat tritt in der „lekxotla", dem mit dünnen Baumstämmen halbkreisförmig umfriedigten Versammlungsplatz der Männer, zusammen. Der Sprecher des Häuptlings leitet den Rat ein und kann in einzelnen Fällen den über dem Ganzen stehenden Häuptling auch vertreten. Zu Beginn der Sitzung gibt der Sprecher eine kurze Übersicht über die zur Sprache stehende Angelegenheit, woraufhin jeder in 1—2 Redegelegenheiten seine Meinung und Vorschläge gibt. Es besteht im Rat in bezug auf die eingenommenen Sitzplätze keine bestimmte Ordnung, doch wird beim Sprechen, wenigstens für die „Großen" des Stammes (bakxomanna), von unten begonnen die Rangordnung eingehalten. Wer nicht gerade die Intrigen seines Häuptlings gegen sich zu fürchten hat, wagt es nicht selten sogar als Einzelner gegen den Häuptling Stellung zu nehmen oder ihn selbst zu beschuldigen (vgl. 118, S. 66; 96, S. 79/80). Die Angelegenheiten werden so lange besprochen, bis die verschiedenen Stellungnahmen eine gemeinsame Form annehmen. Selbst bei Gerichtssitzungen versucht man möglichst eine Übereinstimmung zwischen den beiden Parteien zu erzielen. Durch die Art der Redefreiheit wird gern davon Gebrauch gemacht, sich in Spitzfindigkeiten zu ergehen, um damit gegebenenfalls die Lage in ein anderes Licht zu stellen. Zuweilen sind solche Spitzfindigkeiten und auch allgemeinere Aussagen, die einen Schuldbefand abwenden können — besonders vor einem europäischen Gerichtshof —, unter mehreren Anwesenden sehr geschickt vorher verabredet worden, um das Ergebnis in eine beabsichtigte Richtung zu lenken. Am Ende der Sitzung faßt der Sprecher den Tatbestand oder bei Rechtsprechungen den Schuldbefund zusammen, wobei von Seiten des Rates genau darauf geachtet wird, daß er nichts ausläßt oder in seiner Bedeutung verändert. Auf der Grundlage der so dargelegten Ratsmeinung trifft der Häuptling die endgültige Entscheidung in Form einer Verordnung, eines Gesetzes oder eines Rechtsentscheides. Sollte die Häuptlingsansicht zu sehr von der des Rates abweichen, so kann es vorkommen, daß der Rat droht, die Ausführung der Häuptlingsentscheidung zu verweigern. Dagegen schließt sich anderenorts der Rat in solchen Fällen j e nach den persönlichen Gegebenheiten, wenn auch unwillig, der Entscheidung des Häuptlings an. Während der Häuptlingsrat für die Stammesangelegenheiten und als oberste Rechtsinstanz zuständig ist, haben auch die Unter- und Dorfhäuptlinge ihre eigenen ähnlichen Ratsversammlungen im kleinen, die sich besonders mit Rechtsfällen zu befassen haben.

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Ein recht bedeutender gemeinschaftsbildender Faktor ist die Art der Rechtsprechung, in dem die Entscheidung nicht allein vom Häuptling getroffen, sondern das Für und Wider des Tatbestandes im Rat bis ins kleinste erörtert wird. J e eingehender die Behandlung des Falles ist, um so mehr gewinnt der Eingeborene, wenn nicht gerade Mißtrauen oder Verdacht auf Intrigen vorliegt, den Eindruck, daß man, wie es die Aufgabe der Eingeborenenrechtsprechung ist, nicht Parteien konstruiert, sondern lediglich bemüht ist, die Rechtslage herauszufinden. Wenn sogar viel Zeit verwendet wird, um Kleinigkeiten zuweilen tagelang zu verhandeln, so dient dies im Endresultat dem Bewußtsein, die von den Ahnen geforderte Ordnung des Gemeinschaftslebens zu erhalten. E s hat sich auch herausgestellt, daß die Parteien einander im Gerichtshof nicht so unversöhnlich gegenüberstehen, wie es europäische Art ist, und sogar in der Verhandlungspause oftmals gemeinsam die Mahlzeit einnehmen. Das Recht bedeutet hier die Einhaltung oder Herstellung der natürlichen Ordnung im Stamm. Es wurzelt als Gewohnheitsrecht im lebendigen organischen Sozialgefüge und ist somit keine tote Sammlung von Ge- und Verboten. Für Eingeborene formelhafte Gesetzbücher zu schaffen, würde daher nicht dem organischen Leben des Stammes entsprechen. Deshalb wird bei der Ausbildung südafrikanischer Verwaltungsbeamter besonderes Gewicht auf die Kenntnis der völkerkundlichen Zusammenhänge der inneren Stammesordnung gelegt. Dem Verfahren nach kann sich ein Eingeborener in seinem Gerichtshof bei einem unbeweisbaren Vergehen nicht dadurch gesichert fühlen, daß, wie im britischen Gerichtshof, unbedingt Beweise nötig sind, denn zunächst ist schon jemand damit schuldig, daß er überhaupt vom Häuptling vor das Gericht gerufen wird oder die Leute über seineSache zu reden pflegen, so daß es kein „schuldig oder unschuldig" gibt. Weiterhin genügt es für eine Verurteilung, daß eine große Wahrscheinlichkeit für eine Tat vorliegt, da der Eingeborene es sehr oft ausgezeichnet versteht, sich aus einer für ihn verhängnisvollen Sache so herauszureden, daß er trotz größter Wahrscheinlichkeit der Tat nicht gefaßt werden kann. So wird z. B. mancherorts derjenige schon für einen Viehdiebstahl verantwortlich gemacht, zu dessen Viehkraal die Spur führt; denn man sagt: dieser wird von der Sache wenigstens etwas wissen. Eine Anklage wird von einem Einzelnen nicht allein unternommen. Nachdem in der Familie die Sachlage besprochen worden ist, vertritt deren Oberhaupt, oder beim Häuptlingsgerichtshof auch das Dorfoberhaupt, in Begleitung eines Bruders und des Klägers — das gleiche gilt für den Angeklagten — die Angelegenheit. Selbst Entschädigungszahlungen nimmt das Familienoberhaupt zunächst entgegen. Für die Klage einer Frau tritt der Ehemann, ihr Bruder oder Vater zusammen mit dem Familienoberhaupt ein. Eine Strafe als Erziehungsmittel anzusehen entspricht nicht eigentlich der Eingeborenenauffassung, es sei denn, daß sie zur Abschreckung für andere besonders hoch angesetzt werden kann. Mit einer Bußzahlung und einer Gebühr für Häuptling und Rat ist die Ordnung, wie es in Afrika eine sehr verbreitete Anschauung ist, wiederhergestellt und der Fall erledigt. Daher ist auch eine Gefängnisstrafe, wenn sie verbüßt ist, im Ansehen bei den 4*

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übrigen Dorfbewohnern keine Schande. Dagegen ist die Begleichung einer Schuld nicht nur an das Individuum gebunden, sondern seine Eltern, z. T. ältere Geschwister und vor allem auch seine Nachkommen sind für die Begleichung derselben verantwortlich. Die Eingeborenen sagen dazu: „Eine Schuld stirbt nicht". Vielfach sind solche Schulden ein noch ausstehender Teil des Heiratsviehs, die nicht selten dadurch beglichen werden, daß man der betreffenden Gläubigerfamilie eine Tochter in die Ehe gibt und entsprechend weniger Heiratsvieh dafür erhält. Die Selbsthilfe eines Einzelnen ist bei einem Streitfall mit Ausnahme von Ehebruch nicht erlaubt. Jeder Rechtsstreit muß vor dem Rat verhandelt und vom Häuptling bzw. dem Unterhäuptling entschieden werden. In gemeinschaftlicher Form gibt es vereinzelt Selbsthilfen (Nord-Sotho), indem z. B. einer Frau, die es bei öffentlichen Arbeiten stark an nötigem Fleiß hat fehlen lassen, der Boden der „llapa" — d. i. der mit Lehm und Kuhdung glatt bestrichene und geklopfte Yorhof — aufgehackt und zerstört wird; oder, wie ein anderes Beispiel zeigt, der Gläubiger Tanzlustige zum Gehöft des allzu säumigen Schuldners bestellt und diese dort so lange, oft mehrere Tage tanzen, bis ihnen, den Wirtsverpflichtungen entsprechend, ein Ochse geschlachtet wird, zu dessen Verzehrung sich nach Bekanntwerden auch die übrigen Dorfbewohner noch einfinden. Die Rechtsanschauungen im einzelnen sind bei Hoffmann, in der Zeitschrift für Eingeborenensprachen Bd. 24, 1923/24, bei Krüger, Das Recht der Sotho-Chuanagruppe, in den Mitteilungen des Seminars fiir Orientalische Sprachen Bd. 38, 1935 und bei Schapera, Handbook of Tswana Law and Custom, 1938 eingehend behandelt. Eine weitere Institution der Stammesgemeinschaft ist die Volksversammlung (So.: pitsho, Tsw.: pitso), zu der alle erwachsenen Männer gerufen werden. Sie wird im allgemeinen bei der Verkündung von neuen Gesetzen, besonderen den Stamm betreffenden Beschlüssen oder bei Verlesung von Regierungsmaßnahmen einberufen. Kommt bei der Behandlung wichtiger Stammesangelegenheiten, zumal wenn etwa ein neues Gesetz geschaffen werden soll, keine Einigung im Rat zustande, dann können sich in der Volksversammlung, um dort erneut die Verteilung der Meinungen und Vorschläge aufzuzeigen, alle dazu fähigen Männer äußern. Wer sich zum Wort meldet, muß in einmaliger Rede seine Stellungnahme darlegen. Die Volksversammlung ist daher für die Stammesführung eine Art Sicherheitsventil, wenn auf Grund von Meinungsverschiedenheiten der Stammeszusammenhalt gefährdet ist. Für eine Volksversammlung ist Nichterscheinen nur mit triftigem Grund entschuldbar, woraufhin derjenige dann auch keinerlei Kritik an den gefaßten Beschlüssen üben darf und durch sein Familienoberhaupt über das Resultat zu informieren ist. Willoughby (165, S. 96/97) berichtet, daß die Volksversammlung in jedem Jahr einmal einberufen wurde und gelegentlich einer solchen Versammlung im Jahre 1825 bei den Kwena die Verurteilung eines Häuptlings wegen despotischer Regierungsausübung erfolgte. Die Rats- und Volksversammlungen geben ein Zeugnis davon, wie stark die öffentliche Meinung im Stamm für seine Führung wirksam sein kann. Aber nicht allein das politische Leben wird hier von der öffentlichen

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Meinung beeinflußt, sondern in hohem Maße auch jeder Einzelne in seinen Verhaltensweisen, vor allem im Rahmen der Familien- und Dorfgemeinschaft. Dadurch, daß die Familie ihren Ruf entsprechend der Handlungsweise eines jeden Einzelnen erhält, achtet jeder auf das Verhalten des Anderen, womit allgemein eine gewisse Rücksicht im Umgang und Gebundenheit an höfliche Formen erzielt werden. Dagegen besteht eine öffentliche Meinung als Kontrolle des Verhaltens nicht in genügendem Maße in den Stadtgebieten. Die Erziehung zum politischen Gemeinwesen (Initiation) Die grundlegende Erziehung zur politischen Gemeinschaft des Stammes erhält jeder Jugendliche in eindringlicher Form in der Initiationsschule. Z u m Nutzen der Stammesgemeinschaft wirkt diese sich im späteren Leben innerhalb des Altersklassenverbandes bei den gemeinschaftlichen und im öffentlichen Interresse liegenden Unternehmungen und Arbeiten aus. Das gewohnte gruppenhafte Denken und Handeln innerhalb der Sippenverhältnisse läßt das Gefühl, sich stets zum Nutzen einer größeren Gemeinschaft einsetzen zu müssen, auch f ü r den Stamm sehr viel leichter zur Selbstverständlichkeit werden. Die Vielfältigkeit solcher Inanspruchnahme wird bei der Behandlung der Altersklassen hervortreten. Ferner dient die jedem Manne freistehende Teilnahme an den öffentlichen Beratungen und die nachfolgende Besprechung der erörterten Fragen im Familienkreise noch der Geschlossenheit des Ganzen, allein schon dadurch, daß der Abstand zwischen öffentlichen und privaten Angelegenheiten damit verringert wird. Als Hauptinstitution zur Bildung der politischen Gemeinschaft ist die Initiationsschule auf die Gesamtheit des Stammes bezogen, wenn auch eine innere Gliederung nach den Stammesunterabteilungen und Familien vorhanden ist. Sie findet unter einem großen oder einem Oberhäuptling, nicht aber allein unter einem Dorf- oder Unterhäuptling statt. Es gibt eine erste u n d eine zweite Schule f ü r Knaben u n d in der Zwischenzeit oder allein stattfindend eine f ü r Mädchen. Der zeitliche Abstand solcher Initiationsschulen voneinander beträgt mehrere Jahre, etwa 4, 5 oder mehr und richtet sich nach einer genügenden Zahl von Teilnehmern, wie vor allem auch nach dem Vorhandensein eines gleichalterigen Führers aus dem Kreise der nahen Häuptlingsverwandten f ü r die mit dem Schuljahrgang zu bildende Altersklasse. Die Initiationsschule f ü r Mädchen kann bei den Tswana dann unabhängig von der f ü r Knaben stattfinden, wenn ein neuer Häuptling sein A m t angetreten h a t oder eine neue Stadt gegründet und besiedelt worden ist, wobei sie dem Neubegonnenen Glück bringen soll. DieZahl der Initiierten kann f ü r eine Knaben- bzw. Mädchenschule zwischen 40 u n d einigen H u n d e r t schwanken. Da die Initiationsschule auf die engere Stammeszugehörigkeit zum eigenen Häuptling bezogen ist, haben Fremdstämmige, wie vor allem etwa Sarwa oder Kxalaxadi keinen Zutritt. Selbst wo unter Tswana noch andere B a n t u leben, wie z. B. im TawanaReservat die Herero, Kuba, Mpukushu, dürfen diese ihre Kinder nicht zur Initiation schicken, trotzdem sie später verpflichtet sind, an den öffentlichen Arbeiten teilzunehmen (147, S. 108).

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Mit dem Abschluß der Initiations- oder Beschneidungsschule wird durch die Ausbreitung der Tradition, der religiösen und mythologischen Anschauungen, wie durch die Erziehung in die gesamte soziale Ordnung und die Stärkung des Existenzwillens des Stammes mit einer weiteren Zahl von Trägern der Stammesgemeinschaft ein Weiterleben gesichert. Durch die nicht unerhebliche Zahl der Mitglieder und deren Geschlossenheit erfahrt der Stamm nach einer neu gebildeten Altersklasse eine weitere Stärkung oder besser Auffrischung. Aus dem Kindheitsstadium des Menschen, das für den Stamm, außer bei einigen kultischen Gelegenheiten keine Bedeutung hat, werden die Jugendlichen mit der Initiationsschule zu „Menschen" erhoben, d. h. sie nehmen religiös und sozial eine Stellung ein, treten in die Rechte und Pflichten gegenüber der Öffentlichkeit ein und sind damit physisch und sozial befähigt eine Ehe einzugehen. Die Wandlung und Vervollkommnung des Einzelnen in der Initiationsschule erstreckt sich auf alle das Stammesleben angehenden Gebiete, seien sie physischer, geistiger, psychologischer oder sozialer Natur. Die wesentlichsten und selbstverständlich erscheinenden Merkmale, die die Zugehörigkeit des Einzelnen zur großen Stammesgemeinschaft kennzeichnen, sind die eigentliche Beschneidung der Männer und die Kenntnis geheimer Formeln und Worte, erst bei weiterer persönlicher Fühlungnahme treten dann die Altersklassen- und Häuptlingszugehörigkeit in Erscheinung. In physischer Hinsicht schließen die gemeinsame Durchführung ungeheurer körperlicher Anstrengungen, wie das „Elefantenstechen" (d. i. eine Speerwurfübung), Jagdzüge und das gemeinsame Erdulden großer Schmerzen durch Prügel, bei der Beschneidungsoperation und durch qualvolle Strafen, die Mitglieder einer Altersklasse außerordentlich eng zu einer Erlebnisgemeinschaft zusammen. Geistig wird in den Monaten der Initiation eine vorher nicht gekannte Leistung verlangt, und zwar in der Erlernung langer geheimer Verse, die zum Eintritt in jeden für eine Initiation hergerichteten Kraal berechtigen, eines Geheimvokabulars, vieler Gesänge, der Preisverse über die Stammestradition und der jedem Einzelnen zugedachten Namensverse oder auch in der probeweisen Verhandlung von Rechtsfallen und Aufnahme vieler mythologischer Vorstellungen. Bei dieser Gelegenheit werden meistens diejenigen herausgefunden, die sich durch ein gutes Gedächtnis und durch kluge Behandlung der Fragen, vor die sie gestellt werden, auszeichnen oder die als zukünftige Stammesdichter bereits in Erscheinung treten. Die Minderbegabten erhalten, wenn sie den geforderten Stoff nicht nachsprechen können, ausgiebig Prügel. Das Lernen ist dabei durch magische Manipulationen eng an das Erlebnis gebunden. Die Schüler befinden sich dauernd in einem Gefuhlszustand, bei Verfehlungen betreffs der vielen Vorschriften gefahrlichen magischen Kräften ausgesetzt zu sein und die Meisterung der Gefahren sich andererseits nach Ablauf der Zeit einmal zur Ehre anrechnen zu dürfen. Mit dem Beginn der Beschneidung sind die Jünglinge keine eigentlichen Menschen mehr, worauf schon eine weiße Körperbemalung hindeutet, sondern „baloi" (böse Geister, böse Zauberer). Sie gehen daher hier nicht, wie das in Ostafrika vorkommen soll, in das Reich der Ahnen über. Jedoch

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die Ehrfurcht davor und die große Bedeutung der Ahnen für alles Geschehen wird eindringlich gelehrt. Im Zusammenhang mit der Achtung vor den Ahnen wird ihnen die Anschauung von der Heiligkeit der Rinder vermittelt. Jede Handlung, sei es der Bau des Initiations-Kraales, der Eintritt jedes Einzelnen zur Initiation, die Geheimhaltung des Gelernten und Gesehenen, die Ernährung, die verschiedensten täglichen Unternehmungen und vieles andere, ist etwas Besonderes, dessen Gelingen nur mit magischen Mitteln herbeigeführt werden kann und somit bei den Neulingen geistig und psychologisch einen besonders starken Eindruck hinterläßt. Die Furcht vor den magisch bewirkten schweren Folgen auf gewisse Vergehen hin, z. B. Entlaufen aus der Schule, läßt durch Seibätsuggestion solche Folgen dann auch wirklich eintreten, wie z. B. Geisteskrankheit oder eingebildete Verwandlung in einen Hund. Die Festigung des Glaubens an magische Zusammenhänge und Zauberhandlungen tritt in keiner Institution deutlicher und für das ganze Leben nachwirkender hervor als ausschließlich in der Initiationsschule. Die gleiche Rolle kommt dieser Institution zu für die Überlieferung der mythologischen Vorstellungen. Von der großen Bedeutung der Initiationsschule werden vor allem die Außenstehenden durchdrungen, weil die Lehren und Handlungen streng geheim gehalten werden. Schon der Anblick der weiß bemalten Gestalten bringt den Unbefugten, solche sind Frauen oder Unbeschnittene, die unmittelbare Tötung, es sei denn sie werden als Männer in den Initiationskraal geführt, dort beschnitten und der Gemeinschaft der Neulinge eingegliedert. Das kann auch mit den Männern geschehen, die in ihrer Jugendzeit der Beschneidung auf irgendeine Art entgingen. Man kann heute noch unbeschnittene halbgebildete Christen in Transvaal in Todesängsten sehen, wenn von ferne die weiß bemalten Jünglinge sich nähern. E s geschieht allerdings nur selten, daß ein Unbefugter sich in die betreffenden Gefahrengebiete begibt; das gilt auch für die Europäer, die nur auf Hauptwegen den Schutz der Regierung in Anspruch nehmen können oder aber vorher den Häuptling von ihrem Durchmarsch an den gefährdeten Stellen in Kenntnis setzen müssen. In sozialer Hinsicht wird den Neulingen neben der Unterweisung in der rangmäßigen Differenzierung der zu bildenden Altersklasse die Ehrerbietung gegenüber den Alten und den Autoritäten eingeprägt. Mit der Initiationsschule wird nicht nur der Eintritt in eine soziale Stellung vollzogen, sondern für die Gesamtheit wird, durch symbolische Handlungen unterstützt, die Rangstellung jedes Einzelnen hervorgehoben und befestigt. Durch das gleiche Schicksal der äußerst strengen Erziehung treten die Rangunterschiede hier bei den Schülern untereinander nicht zutage, außer in einer geringen Sonderstellung des Rangobersten, der nach der Bildung der Altersklasse deren Führer wird und in der Initiationsschule schon die Dienste und den Einsatz einiger Rangniederer in Anspruch nimmt. Auch sind diejenigen, die keine schützenden Verwandten haben, in der Behandlung stark benachteiligt. Die Gehorsamsforderung bezieht sich mehr auf die Altersstufe und setzt schon gegenüber dem nächstälteren Beschneidungsjahrgang ein, wobei ungebührliches Verhalten von Neulingen gegenüber Älteren mit harten Strafen bedacht wird. Die un-

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bedingte Achtung und Befolgung der Anordnungen der Autoritäten, die wiederum das Interesse der Gesamtheit vertreten, und damit zugleich das Verständnis für den Dienst an der Stammesgemeinschaft wird schon einige Jahre vor dem Beginn der Initiation durch Arbeitsleistungen anerzogen und in der Beschneidungsschule weiter befestigt. Außerdem wird das Verhalten zum anderen Geschlecht und dessen Stellung gelehrt, was in der Mädchenschule mit einer eingehenden Vorbereitung auf jegliches Verhalten in der späteren Ehe besonders hervortritt. Während bei der Initiationsschule für Jünglinge das Hauptgewicht der Erziehung und Lehren auf den Stamm gerichtet ist, überwiegt für die Mädchenschule die Erziehung für die Familiengemeinschaft. Durch alle somit eindringlichst vermittelten Anschauungen über die soziale Ordnung und die zu deren Erhaltung nötigen Verhaltensweisen bildet die Initiationsschule den Hauptfaktor für den Bestand einer geschlossenen und organischen Stammesgemeinschaft, wie für den Autoritätswert des Häuptlings. Dies fand früher seinen konkreten Ausdruck in der körperlichen, psychologischen und geistigen Ausbildung der Jünglinge für das Kriegswesen, das seinem aktiven Teil nach den Altersklassen zufiel. Mit der Befriedung der Stämme untereinander durch die europäische Verwaltung wurde diese am deutlichsten zu erkennende Aufgabe der Initiationsschule überflüssig und verschwand bis auf ihre gelegentlichen polizeilichen Einsatzmöglichkeiten im Stamm. Das Weiterbestehen der Initiationsschule wurde damit nicht aufgehalten. Der Verfall und das Aufhören der Initiationsschule bei einigen Stämmen geschah nicht durch die Berührung mit Europäischem in den Städten, sondern auf Betreiben der Missionen. Die Mission sieht die Beschneidungsschule als unmoralisch an, weil in ihr Lieder und Redensarten sexuellen Gehaltes gelehrt und gebraucht werden, die zu anderer Zeit unter Eingeborenen auszusprechen nicht möglich wären. Diese enthalten die Beschimpfung aller Merkmale und Eigenschaften des weiblichen Geschlechtes und mögen, da es sich um die bevorstehende Mannbarkeitserklärung handelt, auch absichtlich sexuell aufreizenden Charakter haben. Während die deutsche Mission in Transvaal nur ihren Christen die Teilnahme an der Beschneidungsschule verbot, gelang es der britischen Mission bei einigen Tswanastämmen über die Häuptlinge das Verbot oder eine unbedeutende Form derselben zu bewirken. Im Tswana- Gebiet findet die Initiation in ihrer traditionellen Form daher nicht mehr statt bei den Ngwato, Tawana, Kxatla, Ngwaketse, Rolong (147, S. 105) und hat sich nur bei den Tlökwa, Malete, Kwena und Huxutse erhalten können. Die europäische Verwaltung verlangt hier zur Teilnahme an der Beschneidung die Zustimmung der Eltern oder gesetzlichen Vertreter. Wo die Initiation eine umgewandelte Form erhielt, wie bei den Kxatla, Ngwato, Tawana, hat sie neben einigen wichtigen Stammeslehren die Aufgabe der Bildung von Altersklassen. In Transvaal hat die Initiationsschule vorwiegend ihren alten Charakter erhalten können, was bei der heute für den Stammeszusammenhalt drohenden Gefahr von besonderem Wert ist. Nur einzelne christlich gebildete Häuptlinge, die die Initiation nicht selbst durchgemacht haben, stehen vor der Frage, ob sie gegen die

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Erhaltung der Initiationsschule Stellung nehmen sollen. Dagegen sind sich solche Christen, die die Initiation selbst miterlebt haben, des Wertes dieser Einrichtung bewußt. Bei einem Missionszentrum in Nord-Transvaal soll nach Mears (in 142, S. 88) der Versuch gemacht worden sein, die Initiationsschule auf Grund ihres Wertes f ü r die natürliche soziale Erziehung in das Christentum einzubeziehen. Sogar bei langangesessener Stadtbevölkerung ist neben den familialen Bindungen zum Heimatdorf die Initiationsschule u n d durch diese auch die Anerkennung eines Häuptlings, das einzige Band zum eigenen Stammestum. Viele Jünglinge, die in der Stadt aufwuchsen, entlaufen in die Schule zum Häuptling ihres Vaters. Manche Eltern schicken auch ihre Töchter, die in der Stadt aufwuchsen, wegen der sozialen u n d moralischen Gefahren ins Heimatdorf zur Initiation und lassen sie oftmals J a h r e dort, damit die Stammeserziehung wirksam werden soll. Stellenweise soll bei Häuptlingen die Neigung bestehen, der Initiation neuen Auftrieb zu geben, wobei neben dem Wunsch nach erneuter Festigung der Tradition und der Häuptlingsautorität auch die willkommene finanzielle Einnahme stehen mag, die vielerorts mit 1 £ für jeden Schüler eingezahlt wird. Es fehlt leider bis heute der Versuch auf Grund spezieller ethnologischer Untersuchungen, die mit der Initiation anerzogenen charakterlichen u n d stammesmoralischen Werte durch eine geeignete Neuformung — evtl. sogar der Verschmelzung mit einem einfachen Volksschulwesen — in vollem Umfang zu erhalten und nutzbringend einzusetzen. Das könnte n u r bei außerordentlich gründlicher Durcharbeitung der Verhältnisse unter jedem einzelnen größeren Häuptling gelingen, mit dem Erfolg f ü r die Z u k u n f t wenigstens eine Institution wirksam gegen die unerwünschte Art der Europäisierung, sowie zur Stärkung der Häuptlingsautorität und eines organischen Volkstums zu entwickeln, während oberflächliche Versuche einer n u r abgeschwächten Nachahmung des Alten bei den genannten Tswanastämmen ihre praktisch nützliche Wirkung einbüßen müssen. Die Beschneidungsschule der Jünglinge ist wohl durch ihren geheimen Charakter ein Thema, dessen eingehende Bearbeitung besondere Beliebtheit gefunden h a t . Die bestehenden umfassenden Arbeiten, etwa von Beyer (für NW-Transvaal, Matlala), Brown (für die Tswana), Eiselen (für die Pedi, O-Transvaal), Ellenberger (für die Süd-Sotho), Hoffmann (für die Koni, NO-Transvaal), J u n o d (mit den Sotho fast übereinstimmend f ü r die Tonga, NO-Transvaal), Krige (Bolubedu, N-Transvaal), Roberts (für die Pedi und f ü r die Xananwa), Schapera (für die Tswana) u. a. lassen es unnötig erscheinen, eine eingehende vergleichende Beschreibung zu geben. Daher mag die Beschränkung auf eine knappe Übersicht genügen, der das bei den Pedi, T a u , Koni, Xananwa, Tlokwa, Hurutse und Kwena gesammelte Material zugrunde liegt. Die erste Knaben-Initiationsschule, die bodika oder koma (die Tswana, die nur noch eine Schule kennen, nennen diese mit dem Namen der zweiten, boxwera), wird in der kalten Jahreszeit des Südwinters abgehalten u n d beginnt im April oder Mai mit einer Dauer von etwa 3 Monaten. Die Abhaltung einer solchen wird im Häuptlingsrat beschlossen, nachdem die Jugendlichen schon einige J a h r e vorher f ü r den Häuptling Dienste abge-

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leistet haben. Das Alter der Teilnehmer schwankt sehr durch den großen zeitlichen Abstand der Schulfe und liegt f ü r Knaben etwa zwischen dem 13. und 24. Lebensjahr, für Mädchen vielleicht etwas früher. Die Unbeschnittenen (mashovoro), die noch nicht an die Stammesgesetze gebunden sind, zeigen vor dieser Zeit ein besonders gesetzloses Verhalten. Den Anf a n g der Schule macht, nachdem einige Zeit vorher schon Tänze aufgef ü h r t wurden, die Versammlung aller im Häuptlingskraal, wo die ersten Mutproben gegenüber Stockhieben an den Tag gelegt werden müssen. Bis zu dieser Zeit ist außerhalb des Ortes auf einem Berg bereits ein a m zäuntes Lager hergerichtet worden, das n u n anschließend bezogen wird. Die viereckige Grundform des Lagers h a t sich meistens, vielleicht nach dem Vorbild der Siedlungen, abgerundet. Ein von Osten nach Westen verlaufender kastenartig langgestreckter Feuerplatz (tau = Löwe oder tlou = Elefant) teilt das Lager in zwei Hälften. Die nördliche Hälfte dient dem Aufenthalt der Schüler, die südliche dem der Männer und Gäste. I n beiden oder wenigstens in der Nordhälfte sind Überdachungen hergerichtet. I m Osten ist in der Umzäumung ein Eingang f ü r die Initiationsschüler (badikana) freigelassen, im Westen einer f ü r die Männer. Die weitere Einteilung ist bei den verschiedenen Stämmen etwas abweichend, obwohl die Aufstellung kultischer und zeremonieller Objekte innerhalb und außerhalb des Kraales — deren tiefere Bedeutung noch unklar ist — sowie der Platz des Häuptlings beim Feuer u n d der Beschneidungsplatz vor dem Kraaleingang an bestimmte Plätze gebunden sind. Den Neulingen steht der letzte oder vorletzte Beschneidungsjahrgang als Helfer zur Seite. Die Neulinge müssen um Menschen zu werden, jede alltägliche Handlung von neuem lernen, wobei ihnen dieser Jahrgang vor allem behilflich ist. Darüber, welcher Jahrgang die Helfer stellt, wird durch eine Stockschlacht zwischen den beiden dafür in Frage kommenden Jahrgängen entschieden. An dem Morgen, an dem n u n die Männer mit den Neulingen unter der Führung des Zauberers hinausziehen, legen die Jungen ihre alten Kleidungsstücke ab u n d erhalten dafür eine weiße Körperbemalung. Danach wird die eigentliche Beschneidung, das Abtrennen der Vorhaut, draußen vor dem Kraaleingang bei jedem Neuling vorgenommen, währenddessen die Männer mit lauten Gesängen die Schmerzensschreie der J u n g e n zu übertönen suchen. Noch am gleichen Tage wird das heilige Feuer mittels zweier Hölzer nach alter Art gebohrt, das während der ganzen Zeit der Zeremo* nien von einem Wächter gehütet wird und nicht auslöschen darf. Schweren körperlichen Anstrengungen werden die Neulinge bis zum Anfang der Heilung ihrer Wunden nicht ausgesetzt, doch haben sie die Lehren (koma) u n d vor allem Lobgesänge auf die Tradition, wie zahlreiche Verse zu lernen. Das tägliche Leben der J u n g e n verläuft zur Abhärtung ohne jegliche Bequemlichkeiten. Des Nachts dürfen beim Schlafen in der kalten Jahreszeit mit Frostnächten keine Decken oder Kleidungsstücke verwendet werden, n u r das Feuer dient zum Wärmen. Der Schlaf ist ein Feind u n d soll überwunden werden, so daß beim Erscheinen des Morgensterns alles geweckt wird. Die im Häuptlingskraal zubereitete Nahrung, die in Holzschüsseln zu phallischer Form aufgetürmt von den Frauen in die Nähe

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des Beschneidungskraales gebracht wird, besteht nur aus Maisbrei. Salz u n d Fleisch dürfen die Jünglinge nicht genießen u n d Wasser n u r in geringen Mengen trinken. Zuweilen wird n u r der — vielleicht m i t den Ahnen im Zusammenhang stehende — bittere Mageninhalt der erjagten Tiere über den Maisbrei gegossen, wobei die Speise hastig verschlungen werden m u ß . Außerdem ist jede Tätigkeit von Stockhieben begleitet. Die täglich mehrfach wiederkehrende Beschäftigung ist neben den Lehren und Gesängen das ausgiebig geübte „Elefantenstechen". An der einen Seite des langgestreckten Feuers sitzend, geschieht das in Form einer andauernden, mit aller K r a f t ausgeübten Speerwurfubung, bei der den Neulingen durch reichliches Prügeln über die E r m a t t u n g u n d Unlust hinweggeholfen wird. An vielen Tagen müssen die Neulinge vom Beschneidungskraal weit entfernt zu Jagdübungen ausziehen u n d bestimmte Mengen Kleinwildes heimbringen. Früher kamen Verteidigungsübungen gegen R a u bwild zum Schutz der Rinder hinzu. Infolge der körperlichen Anstrengungen, der Strafen oder der durch Verunreinigung der Wunde hervorgerufenen Blutvergiftungen sterben fast immer einzelne Neulinge. I n den Dörfern werden die Todesfälle erst nach der Beendigung der Schule bekanntgegeben. E t w a im letzten Drittel der ersten Initiationsschule, sowie auch später noch in der zweiten Schule, wo diese vorhanden ist, werden verschiedene Mysterien vorgeführt oder durchgemacht. Nachdem di£ Wunden verheilt sind, erhalten die Jünglinge zu dieser Zeit eine Art Bastrock und es wird die E r n ä h r u n g dann abwechslungsreicher gegeben. Während sie bisher bei ihren täglichen Übungen alle nach Westen blickten, sitzen sie jetzt so, daß sie nach Osten sehen. Außerdem ist dieser Zeitpunkt mit einem Rinderopfer verbunden, dessen Fleisch die Männer mit Bier zusammen verzehren. Zu diesem zeitlichen Wendepunkt wird in einer Nacht ein langer Baumstamm errichtet, an dessen Ende ein Federbüschel befestigt ist. Die Jünglinge haben jeden Morgan u n d Abend diesen symbolischen S t a m m als „ G r o ß m u t t e r " , auch als „Großvater", zu grüßen, u m an die Ehrerbietung gegenüber den Alten oder mehr noch den Ahnen erinnert zu werden. Viele andere Komalehren werden täglich gegen Abend vorgeführt, wobei die Grundidee von Sitten u n d Erfahrungen im Sinne einer „Moral von der Geschichte" in anschauliche, gleichnisartige Handlungen gekleidet wird. U m ein Beispiel aus den vielen Komaarten zu nennen, heißt eine koma „geschlechtliche Beiwohnung des Mannes". Sie zeigen mit dem Finger dicht a n der Flamme ins Feuer, wobei gesagt wird, „fürchte dich, mit dem Finger darauf zu weisen, sonst t u s t du dir weh!", damit soll ihnen die Heilighalt u n g des geschlechtlichen Umganges bedeutet werden (64, S. 93). Zum Ende der Schulzeit bereiten die Väter oder Onkel mütterlicherseits neue Kleidung. Am letzten Tage der Schule, zur Zeit des Neumondes, verlassen die J u n g e n in einem Wettlauf — bei den Hurutse das Totemtier, den Pavian, nachahmend — den Beschneidungskraal, der d a n n m i t allem, das dort benutzt wurde, abgebrannt wird und wohin sich keiner der Jünglinge umsehen darf. Es ist nicht unmöglich, daß es f r ü h e r dabei ein Menschenopfer gegeben hat, das bei den Kwena ein nach dem Entscheid der Orakelknochen des Zauberers bestimmter Jüngling niederen Ranges sein sollte,

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der mit dem Abbrennen des Kraales auch verbrannt -werden mußte. Ebenso sagen auch die Hurutse, daß früher immer einer zum Schutze der Stätte hätte zurückbleiben müssen. Zur Erinnerung an den Beschneidungsjahrgang wird ein kegelförmig phallischer Haufen unbekannten Inhalts aus Steinplatten aufgebaut. Nach der Rückkehr der Jünglinge ins Dorf, führen diese bestimmte Tänze auf und verbringen noch eine bis zwei Wochen im Häuptlingskraal. Bei dem Vorhandensein einer zweiten Schule nehmen die Jünglinge in der etwa 10 Monate langen Zwischenzeit, in der die Mädcheninitiation vor sich geht, eine sozial besonders niedrige und verachtete Stellung als „Unfertige" (maxaola) ein. Erst die zweite Schule macht sie zu „Menschen", die in den Krieg ziehen und mit den Männern zusammensitzen dürfen. Die zweite Schule heißt „boxwera" oder auch „komana" und dauert 1 bis 2 Monate. Nach vorherigen Diensten für den Häuptling spielt diese sich im Häuptlingskraal ab, wo eigens für die Schüler eine große Hütte errichtet ist. Es werden von Männern seltsam geformte große Bastmasken geflochten, die mit Baströcken, wie mit Arm- und Beingrasschmuck getragen werden. Der Inhalt dieser Schule besteht in weiteren Lehren, Züchtigungen und Tänzen, wie sie besonders bei Hoffmann (64, S. 100—112) eingehend behandelt sind. Die Lehren gehen auf tiefere Stammesgeheimnisse ein und sollen neben dem Erkennen der Bedeutung der Ahnen auch mit den Regenriten im Zusammenhang stehen — wenigstens in Nord-Transvaal bei den Lobedu — (Krige in 145, S. 104). Alles, was vor sich geht, ist bei Todesstrafe streng geheim. Mit einer gebogenen eisernen Nadel wird jedem Neuling das Zeichen der Initiationsschule und somit zugleich eine Art Stammeszeichen vom Kinn bis zu den Ohren eingeritzt (N-Sotho). Damit verlieren die Schüler ihren inneren Zusammenhang mit bösen Geistern und werden Menschen. Das Ende der Schule wird mit großen Festlichkeiten und Kriegsgeschrei gefeiert. Der ersten Schule der Jünglinge folgt im Juli oder August die S c h u l e der Mädchen, die bojale (Tsw.) oder byale (So.). Das nachfolgende Material darüber stützt sich auf die Stämme der Hurutse, Pedi und Tau, wenn auch daneben sehr kurze Beschreibungen von Franz (über die NordSotho), Willoughby (über die Tswana) und Wangemann (über die NordSotho) bestehen. Die Erlaubnis zur Abhaltung der byale erteilt die Häuptlingshauptfrau. Nachdem die sich sammelnden Mädchen mit Medizin bedoktert sind und man festgestellt hat, daß keine von ihnen bezaubert ist, beginnt (bei den Tswana) eine Art Werbegang (xo nya kwedi, zum Mond gehen) durch den Häuptlingsort, bei dessen Abschluß die Häuptlingshauptfrau jedes Mädchen mit einem Stock schlägt. Für jedes dieser Mädchen (So.: ngwale) ist eine Verwandte vorgesehen, die ihr während der Initiationszeit behilflich zu sein hat. Der Inhalt der byale ist wie bei der Jünglingsschule gegenüber denen streng geheim, die sie nicht selbst durchgemacht haben. Dementsprechend gibt es hier in gleicher Weise strenge Strafen bei Verrat der Geheimnisse oder wenn Unbefugte sich der Schulversammlung auch nur ahnungslos nähern. Für die täglichen -Übungen, besonders während der ersten 10 Tage,

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spielt das Wasser und das Baden eine besondere Rolle, was über den Vorstellungszusammenhang mit dem Regen magisch, heute wohl n u r noch symbolisch mit der Steigerung oder Sicherung der Fruchtbarkeitsfähigkeit zusammenhängt. Es wird f ü r diese Zwecke ein Wasserloch gesucht oder hergerichtet, in dem alle Mädchen zugleich Platz finden können. Schon nach Aufgang des Morgensterns f ü h r t der Weg zunächst zum Wasser, das bei der Nachtkälte nur wenige Grade h a t . Die Mädchen hocken im Wasser nieder und werden von den Frauen noch aus Schöpfgefäßen mit Wasser übergössen, wobei sie unbeweglich sitzen bleiben müssen. Sollte dabei ein Mädchen sich schütteln oder wasserscheu zeigen, so fallt sie als „lets h o p y a " (So.) allgemeiner Verachtung anheim und soll — wahrscheinlich weil m a n daraufhin bei ihr geringere Fruchtbarkeit befürchtet — nur schwer verheiratet werden können. Nach diesem angeblich jeweils eine Stunde dauernden zeremoniellen Bad wird ihnen, nachdem sie sich ihrer Rangordnung entsprechend aufgestellt haben, diese Reihenfolge durch von der Häuptlingsfrau ausgeführte Stockschläge eingeprägt. Es beginnen zugleich in dieser Zeit die Lehren über die Tradition u n d vor allem über die Gesetze und Sitten des Frauentums. Geheime Tänze, die z. T. alte Tiermythen darstellen, und Gesänge werden aufgeführt u n d gelehrt. Ebenso findet in dieser Zeit die Vorbereitung f ü r die nachfolgende Beschneidung statt, die darin besteht, daß durch gegenseitiges Ziehen eine künstliche Verlängerung der Klitoris (Tsw.: kxola) herbeigeführt wird. Damit beginnen übrigens schon lange vor der ,,bojale"-Zeit die kleinen Mädchen, indem sie je zu zweien wechselseitig die Prozedur ausüben. Die Tswana betrachten diese Zeit mit der Bezeichnung „khunyane" als eine Periode der bojale. Bei den Sotho wird danach eine große H ü t t e gebaut (So.: thöpa ntlö), in der alle Initiationsmädchen nach der eigentlichen Beschneidung Platz finden können. Dagegen kennen die Tswana mehrere H ü t t e n jeweils hinter den Familiengehöften. I m zweiten Stadium der Schule folgt nun im Zusammenhang mit der eigentlichen Beschneidung die bedeutungsvolle Zeremonie des Verschlingungsmythos „ m a s h u p y a n e " wie er von den Sotho mitgeteilt wurde. Mittels einer besonderen Trommel wird die Stimme dieses Fabelwesens, mashupyane, im Ort hörbar. Man benutzt dazu einen Tontopf, über dessen R a n d eine H a u t wie bei einer Trommel gespannt und in dessen Boden ein Loch, in das etwa 4 Finger passen, gebrochen wird. Durch das Loch werden Riedhalme gesteckt, die, während m a n den Topf seitlich schlägt, inVibration versetzt werden u n d ein seltsames und ungewohntes Geräusch erzeugen. Am Abend nach Sonnenuntergang beginnt die Zeremonie im Häuptlingskraal, die bei den Tswana „ditilodi" genannt wird, entsprechend der Bemalung der Frauen mit einem weißen Ring um den Leib herum, der wieder in der Mitte der Brust von einem breiten weißen Streifen gekreuzt wird. Dabei stehen die Frauen in zwei Reihen, jede vor sich ein Mädchen haltend, mit dem Gesicht an der Brust der Frau. Die beiden die Reihen anführenden Frauen fechten mit Stöcken u n d schlagen nachher die Mädchen dem Rang nach. Ferner werden bestimmte Tänze und Gesänge dabei aufgeführt. Danach gehen alle wieder zum Badeplatz (der Ort wird bei den Tswana matelebeng genannt), wo sie sich bis vor Sonnenaufgang aufhalten, u m

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dann zur Beschneidung in die große H ü t t e geführt zu werden oder bei anderen Stämmen noch einige Tage im Felde zu bleiben. Während der Nacht werden sie am Badeplatz vom „mashupyane" verschlungen, was m a n auch in der ersten Zeit nach der Beschneidung, in der sie den Augen der Öffentlichkeit fern bleiben, behauptet. Mit Tagesbeginn geht auch die Beschneidung vor sich, die bei den Stämmen verschieden ist. Bei den Tswana und in NW-Transvaal wird die künstlich verlängerte „kxola" abgeschnitten, bei den Pedi u n d T a u in zwei Teile eingeschnitten (xo bolotsha). Außerdem wird auch von kleinen Einschnitten an den Schenkeln, in die Medizin eingerieben wird, gesprochen. Bei den Sotho werden die Oberschenkel dann mit einer starken Schnur für 2—3 Monate zusammengebunden, wodurch die Mädchen einen eigenartigen Gang bekommen, bei dem sie mit dem linken F u ß über den rechten und umgekehrt zutreten. Sie dürfen zu niemanden sprechen. I m übrigen tragen sie eine Lammfellkleidung in der Art, wie die Jünglinge sie zu tragen pflegen (So.: lekxeswa), eine Lederkopfbedeckung u n d sind außerdem weißlich-aschfarben (mit Tsw.: daka) bemalt. Bei den Tswana wird diese Einkleidung und Bemalung auch eingeleitet mit der angeblichen Verschlingung einer alten F r a u durch einen Löwen, dessen Brüllen m a n an der Badestelle nachahmt. Es folgt dann eine Zeit der Lehre mit anschaulichen, diese demonstrierenden Handlungen, die meistens an sich schon Mutproben gegen Schmerzen darstellen. Alsdann werden wieder längere Zeit Lehren erteilt mit Lobgedichten auf die Stammesgeschichte und Gesängen, vor allem aber Unterricht über das Verhalten zum späteren Ehemann und den Schwiegereltern, der Trauerübung beim Tode der Schwiegermutter und anderer Verwandter, die Stellung als Ehefrau in der Familie, die Pflichten der Frau Kinder zu gebären u. ä. Um die Lehren zu veranschaulichen, sei als Beispiel eine solche über die Vorbereitung auf die Schmerzhaftigkeit des Geburtsaktes angeführt. Es wird aus Lehm ein Baby geformt, dicht mit langen Dornen besetzt und in der Sonne h a r t getrocknet. Das sogen. Baby (lesea) wird jedem Mädchen zwischen die Oberschenkel gelegt und diese werden so zusammengedrückt, daß die Dornen tief genug eindringen, u m Blut fließen zu lassen. Danach gilt das Kind als geboren und wird dann dem Mädchen auf den Rücken gebunden, worauf es kniend hin u n d her geschaukelt wird, u m es sinnbildlich einzuschläfern. Der Lehmklumpen wird weiter auch erhitzt und sie h a t daran zu lecken. Wenn sie sich dabei von den durch die Dornen oder die Hitze verursachten Schmerzen etwas anmerken läßt, wird sie mit Dornenstöcken geschlagen. Für andere Lehren werden jeweils f ü r einen Tag ähnlich verschiedene aus Lehm geformte Tiere vorgestellt, u m daran bestimmte Bedeutungen zu knüpfen. Während der Unterrichtszeit erscheinen, bei den Tswana fast 2 Monate lang in Abständen von einigen Tagen, die „masoko"-Geister, (xananwa: „phudi", Ziege) die bei den Hurutse aus der Gegend kommen, von der der Stamm einmal abgewandert ist. Es sind dies verkleidete Frauen, die besonders gut tanzen können und f ü r ihre Arbeit von den Mutterbrüdern der Mädchen belohnt werden. Sie tanzen und prügeln die Mädchen. Gelegentlich nehmen sie jeweils einem Mädchen etwas von derem Eigentum u n d laufen davon; wenn es dem Mädchen nicht gelingt ihre Sache zurückzu-

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gewinnen, wird sie mit Stockhieben bestraft. An einem Tage tanzen die Mädchen, sofern sie schon Männern zur Ehe versprochen sind, vor der Öffentlichkeit. Ihre zukünftigen Männer nähern sich ihnen ebenfalls tanzend und hängen ihnen Fellstreifen der „tsipa"-Katzen um. Mädchen, die nicht mittanzen, dürfen ihre Genossinnen nicht dabei sehen. Schon zur Zeit dieser Unterrichtsperiode erhalten die Mädchen (bei den Tswana) zu der bisherigen Kleidung noch eine Art Graskostüm. Kleine Stücke der Kaffernkornstengel (mabele) und Melonenkerne werden aufgereiht und in endloser Länge so um den Körper gewickelt, daß sie sogar im Gehen behindert sind und nur in halbsitzender Stellung schlafen können. In kleinen Gruppen laufen sie rangweise hintereinander mit kleinen schnellen Schritten umher, um etwa Wasser oder Holz zu holen. Niemand darf dabei ihre Schatten berühren. In der letzten Nacht der „byale"-Zeit findet die „thojane"-Zeremonie (Tsw.: thoj ana) statt, die neben ihrer religiös-magischen Bedeutung einer Geduldprobe gleichkommt. Das Fett vom Rinder- oder Ziegenmagen wird zerstampft und mit einer klebrigen Medizinmasse vermengt. Damit werden die Mädchen von den Zehen bis zum Kopf dick eingerieben, so daß nur die Augen heraussehen. Sie haben mit ausgestreckten Armen auf einen Stab gestützt dann die ganze Nacht stillzustehen. Sollte eine durch eine Bewegung das Fett rissig werden lassen, wird sie im Stamm verachtet und ist als „letshopya" schwer zu verheiraten (vgl. die Bedeutung des Magenfettes bei der Hochzeit). Mit Tagesanbruch ist nach dieser Zeremonie die Initiation beendet und die Heiratsfähigkeit der Mädchen erlangt. Es wird dann der Körper mit der für Festlichkeiten üblichen roten Farbe eingerieben und eine neue Bekleidung angelegt um für mehrere Tage das Abschlußfest zu feiern. Wie der Beginn der Beschneidung, so ist auch das Ende der Mädcheninitiation, vielleicht im Zusammenhang mit physischen weiblichen Erscheinungen, ah den Neumond gebunden. In gleicher Weise wie die Jünglinge, gehören die Mädchen einer Schule einem Beschneidungsjahrgang (mpatho) an, der den gleichen Namen wie der entsprechende Jahrgang der Jünglinge hat. c) Die Totalität des gemeinschaftlichen Lebensgefiihls und die Stellung von Personen, die durch besondere Tätigkeiten hervortreten Die afrikanische Welt konnte von jeher die Existenz des Einzelnen oder einer Kleinfamilie nur dann ermöglichen, wenn diese in dem gegenseitigen Aufeinanderangewiesensein einer Gruppe von Menschen eng verbunden war. Welches soziale Gebilde konnte sich daher im Existenzkampf naturhafter entwickeln als die Großfamilie, die bis zur Zeit des europäischen Einflusses die Grundzelle allen sozialen Lebens war und dies noch weitgehend bis auf den heutigen Tag geblieben ist. Der Glaube an die Ahnen und ihr Wirken hat vor allem den Willen zum Fortbestand bestärkt. Damit erblickt auch der Einzelne seine natürliche Lebensaufgabe und Pflicht gegenüber der Sippe in einer möglichst großen Nachkommenschaft. Bei der religiösen Durchdringung aller Sippenfunktionen durch den Ahnenkult mußte die natürliche Folge die feste Geschlossenheit der Sippe sein. Damit

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ist es dem Einzelnen wiederum ermöglicht worden, in der Sippe in jeder Weise seinen Halt zu finden, ihm nach außen hin eine Sicherheit im Auftreten zu geben und den Kreis der Verwandten zu seiner eigentlichenHeimat werden zu lassen. Der bedeutende soziale Wert der gemeinschaftlichen Sippenfunktionen hat in der Folge eines umfassenderen Zusammenschlusses von Menschengruppen diese immer wieder als erprobtes Vorbild dienen lassen. So bietet sich dem heutigen Beobachter die Tatsache, daß die Sozialformen größerer Gruppen, sei es einer Häuptlingschaft, einer Unterhäuptlingschaft, eines Tswanastadtteiles (engl.: ward), oder eines Dorfes einen stark familialen Charakter in dem Verhältnis von Führung und Volk aufweisen, wie es z. B. auch darin zum Ausdruck kommt, daß die Eingeborenen von ihrem Häuptling sagen, daß er der „Vater des Volkes" sein soll. Freilich kommen im Fall einer Häuptlingschaft oder eines Stammes noch eine Reihe von mehr oder weniger wichtigen Einrichtungen hinzu, die über das von der Sippe her Gewohnte hinausgehen. Diese sind religiöser und magischer Natur, wie sie in den Regen- und Fruchtbarkeitsriten, in den Initiationszeremonien, in den magischen Fähigkeiten vieler Häuptlinge, ebenso in dem magischen Stammes- und Stadtschutz hervortreten. Andere für das Stammesleben hinzukommende charakteristische Einrichtungen, die analog der Sippenverfassung ausgebildet wurden, sind solche, wie sie in diesem und den beiden folgenden Abschnitten als Ratseinrichtungen, Häuptlingstum, Erziehung der Jugend zur Stammesgemeinschaft, Ausgleich von Rechtsvergehen, Altersklassensystem u. a. behandelt werden. Als Mittel der Traditionsüberlieferung zeigt gerade die Stammeserziehung der Jugend in der Beschneidungsschule ganz besonders, wie sehr die größte gemeinschaftliche Geschlossenheit als wichtig für das Fortbestehen und die innere Ordnung im Stamm angesehen wird und wie sehr das ganze Denken auf die Entwicklung von gemeinschaftlichen Formen mit möglichst wenig Reibungen innerhalb des Gruppenhaften ausgerichtet ist. In dem Funktionieren und der Ausgestaltung einer natürlich gewachsenen sozialen Ordnung liegt die eigentliche und bemerkenswerte Kulturleistung der Bantu. Das Gemeinschaftlich-Gruppenhafte ist in voreuropäischer Zeit von so umfassender Bedeutung gewesen, daß die gemeinschaftsgliedernden Einrichtungen der Führung und des Rangsystems, wie der Altersklassen dieser bindenden Kraft untergeordnet und eingegliedert waren, so daß der Einzelne vollkommen von einer Gruppe abhängig war. Eine strafweise Ausstoßung des Einzelnen aus der Gruppe kam einer Existenzbedrohung gleich. Sogar etwaige zentrifugale politische Kräfte waren der Gemeinschaft untergeordnet und führten kein das Gruppenbewußtsein schädigendes Eigenleben. Die Behandlung der ersten beiden Tatsachen tritt verschiedentlich im Verlaufe der vorliegenden Arbeit hervor, dagegen soll hier auf "die letztere mit der Stellung von Personen mit besonderen Tätigkeiten im Stamm und ihrem Einfluß auf die Geschlossenheit des Gemeinschaftlichen noch hingewiesen werden. Als Personen mit besonderen Leistungen werden im Volkstum die Dichter, Tänzer, Trommlerinnen, Handwerker und die verschiedenen Arten von Zauberern angesehen. Dabei bezieht sich die Besonderheit solcher

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Personen lediglich auf deren Leistungen, die einer sozialen Geschlossenheit im Stamm nicht entgegenstehen. Alle Leute dieser verschiedenen Kategorien führen kein für sich abgeschlossenes Leben, wenn man von Ausnahmen unter den Zauberern absehen will, sondern sind vollkommen, wie jeder andere Stammesgenosse in den familialen Verband eingegliedert. Während die Achtung vor Zauberern von einer gewissen Scheu begleitet ist, genießen die Darsteller der Stammeskünste, die Dichter unter ihnen in besonderem Maße, ein hohes Ansehen. Fast in jedem größeren Dorf findet sich ein Stammesdichter (sereti), der meist auf speziellem Gebiet befähigt ist, sei es im Deklamieren von Stammessprüchen (So.: moeno), Heldenliedern und Lobpreisungen auf die Großen des Stammes anläßlich besonderer Veranstaltungen oder in der Kenntnis von Erzählungen, zahllosen Sprichwörtern und Liedern. Dichter sind dazu nicht selten als Redner beliebt. Sie sind besonders geeignet, bei den Stammesgenossen die Bedeutung von größeren Festen und der Stammestradition zu heben. Die Meister von Handfertigkeiten haben keinen speziellen Einfluß auf das politisch-gesellschaftliche Leben. Obgleich die Handfertigkeiten vielfach innerhalb der Familie weiter vererbt werden, leben solche Familien wie andere im Stammesverband. Nicht selten kommen Handwerke, wie Töpferei, Mattenherstellung, Korbflechterei u. a., nur in einzelnen Dörfern vor und stellen damit eine lebendigere Verbindung mit anderen Orten her, wenn auch die Absatzmenge eine recht geringe ist und vorwiegend nur auf Bestellung etwas angefertigt wird. Von der Töpferei und dem Schmiedehandwerk abgesehen, entspricht der alte Stand handwerklicher Tätigkeiten einem Übergangsstadium von Arbeiten geschickter Leute für den Familienbedarf zu eigentlicher handwerklicher Arbeit. Daher gilt das Handwerk im allgemeinen als eine Nebenbeschäftigung zu den sonst üblichen Wirtschaftsgrundlagen und wird nur, vor allem in Notzeiten und unter neuzeitlicher individualistischer Lebensweise, als Haupterwerb ausgeübt. Der Hauptbedarf handwerklicher Erzeugnisse liegt in Tontöpfen, die, da zum Hausstand gehörig, von Frauen hergestellt werden. E s ist dies eins der wenigen Handwerke, die der heutigen Zeit standhalten können und außerdem geeignet ist, christlichen Witwen, die nicht an die Brüder der Verstorbenen als Nebenfrauen übergehen können, einen Lebensunterhalt zu sichern. In manchen Gegenden, besonders in Betschuanaland, gibt es schon Leute, die mit Wagen, voll mit Töpfen beladen, umherziehen, um in Nach^argebieten ihre Waren abzusetzen. Gering ist dagegen der Bedarf an Korbschalen (So.: sethebe) — für frisch gemahlenes Mehl — und Schlafmatten (So: mahoö), die beide von Frauen gefertigt werden. Andere kleine (So: seroto) und mittlere (les6lo) Korbarten, wie große Getreidekörbe werden von Männern, letztere gern — wenigstens in Sekukuniland — von Häuptlingen, hergestellt. Vorwiegend die Beschäftigung alter Männer ist es Fellarbeiten auszuführen, wenn auch diese Arbeiten heute schon von einzelnen im Mannesalter Stehenden als Haupterwerb betrieben werden. An Holzschnitzereien werden von Männern Holzschüsseln für Brei, Mörser und Mörserkeulen — vor allem bei den Tswana —, Milchgefaße, Löffel, Stöcke, plastische Darstellungen und früher auch Holztüren gearbeitet. Eine besonders geachtete Stellung genossen früher gute Schmiede, 5

Breatz.

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deren es verschiedene für Eisenarbeiten (So.: mothudi), wie Beile, Speerspitzen, Hacken, Sansainstrumente (im Norden) u. a., für die Herstellung von I^upfer- und Messingschmuck und solche für Drahtarbeiten (So.: moloxi wa maseka) gegeben hat. Nicht so sehr die Person des Schmieds hat im Volk etwas Geheimnisvolles an sich als gerade seine Tätigkeit, weshalb er außerdem „ngaka a tsepe" (Zauberer des Eisens) genannt wird, weil der Vorgang des Schmiedens, wie selbst das Werkzeug, mit magischen Kräften verbunden gedacht werden. Um seine Tätigkeit gelingen zu lassen, mußte ein Schmied sich früher magischen Reinigungen unterziehen und es durften, wenn er außerhalb des, Ortes beim Verhütten des Eisens war, nur ihm nahestehende Männer und Kinder, die noch nicht die Geschlechtsreife erreicht hatten, zugegen sein. Das Schmiedehandwerk hat sich jedoch gegenüber den importierten europäischen Waren nicht behaupten können, so daß es im Sotho-Tswana-Gebiet nur noch vereinzelte Schmiede gibt, aber keiner von ihnen noch selbst Eisen verhüttet. Die gesamten alten Handwerke sind der Nachfrage nach billigen Exportwaren und den neuzeitlichen Verdienstansprüchen nicht mehr gewachsen. Mit dem Aufhören der alten Handwerke schwindet auch ein Stück des Volkstums, das zu verhindern man durch Einführung von Handfertigkeiten in den Schulunterricht begonnen hat. Dagegen ist das Bedürfnis, europäische Handwerke zu erlernen, bei jungen Eingeborenen außerordentlich groß. Wenn den Eingeborenen auch die Ausübung gelernter Arbeiten in den Städten und außerhalb der Reservate gesetzlich verboten ist, so besteht doch in den Reservaten ein gewisses Betätigungsfeld. Die Eingeborenen zeigen gerade als Handwerker eine gute Geschicklichkeit. Dagegen kann der Handel in den Reservaten, den Juden, Inder und Syrer in Händen haben, nicht von Eingeborenen betrieben werden. Neben der Erschwerung seitens der Regierung, kann vor allem durch die alte Auffassung der Familiengemeinschaft, wonach Besitz zur Verteilung an die Verwandten verpflichtet, ein Warenlager auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden. Dagegen würde es manchem Eingeborenen nicht an Handelsgeist fehlen, um mit Fremden auf das Hartnäckigste zu schachern, sofern er den Wert ihrer Waren kennt. E s steht solches Verhalten scheinbar in Widerspruch zu dem in der Familiengemeinschaft und im Stammesverband anerzogenen Altruismus, doch bezieht sich dieser selten auf schutzlose Fremde. Die starke Anspannung in der Forderung nach Rücksichtnahme auf nahestehende Personen mag gerade eine entsprechende Entspannung gegenüber außenstehenden Fremden begünstigen. Eine für die Nöte der Eingeborenen besonders wichtige Person ist der Zauberer. Außer der Unterscheidung von guten (ngaka) und bösen Zauberern (baloi/plur.), oder besser Medizinmännern und Hexen, gibt es noch verschieden spezialisierte Medizinmänner. Der ngaka genießt bei Befähigung im Gegensatz zu Hexen ein gewisses Ansehen und kann, wenn nicht ein Häuptling sogar zugleich selbst der Zauberei kundig ist, wie z. B. Kolokwe in Sekukuniland, dem Häuptling in einem wichtigen Amt mit der Erfüllung von Aufträgen, die die Kenntnis ihrer geheimen Wissenschaft erfordern, zur Seite stehen. Bei der Rechtsprechung und Gesetzgebung haben die Zauberer wie jeder andere Dorfgenosse nicht mehr Rechte, als.

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es ihrem Familienrang entspricht, doch können sie mit Aussagen, die sich auf die geheimen Mächte berufen, teilweise die öffentliche Meinung beeinflussen. Im Sprachgebrauch werden drei Arten von guten Zauberern unterschieden und zwar der ngaka, der vielseitige und bekannte Medizinmann, der moröka und der moköme (bei den Nordsotho). Zauberer sind, wenn sie nicht zugleich die Stellung von Sippen- oder Stammesautoritäten inne haben, keine Priester, deren Aufgaben als eigentlich religiöse nur auf den Ahnenkult bezogen sind. Doch reicht die übernatürliche Befähigung der Medizinmänner aus, um die Taten und den Willen der Ahnen erkunden zu können. Fast jedes Dorf hat einen „ngaka", der ScHutzmedizinen für Menschen, Tiere, Hütten, Kraal- und Dorfzugänge, so^ie für Veranstaltungen u. a. bereitet, der die Ursachen von Krankheiten, Tod, Unglück und besonderen Ereignissen festzustellen weiß, der Geheimnisse aufdeckt, Diebe herausfindet, den rechten Zeitpunkt für den Beginn von Arbeiten und Unternehmungen bestimmt und Vorzeichen zu deuten vermag. Sein Rüstzeug sind vor allem die Orakelknochen (ditaola), die aus einer Anzahl Gelenkknochen von verschiedenen Tieren, Hufstücken und mit Brandzeichen versehener flacher Stäbchen bestehen. Die Lage dieser mehrmals geworfenen Knochen gibt mit der Bedeutung des Totems, des Geschlechts, der Richtung u. a. dem ngaka Auskunft über das, was er wissen will, z. B . für eine Krankheitsdiagnose oder die Bestimmung einer Todesursache, über die Verzauberung von Menschen und Tieren, um Übeltäter herauszufinden u. a. In der Heilung von Krankheiten durch volksmedizinische Mittel und Suggestion werden von Zauberern zahlreiche gute Erfolge erzielt. Krankheiten werden oftmals als das Werk erzürnter Ahnen angesehen, so daß ihre Heilungsbehandlung meist mit dem Opfer, wenigstens einer Ziege (sedimo), verbunden ist. Die zweite Art von Medizinmännern, die „barökä", können bei erfolgreichen Resultaten ihrer Fähigkeit, den Regen herbeizurufen und damit die Fruchtbarkeit des Landes zu sichern, großes Ansehen im Stamm gewinnen. Ein ngaka kann auch zugleich' moröka sein. Der „moköme" dagegen ist ein tanzender Zauberer, der die Zukunft weissagt, den Leuten Ratschläge gibt über das, was sie bedroht oder als seine Hauptbeschäftigung während des Tanzes mit einem Kuhschwanz in der Hand diejenigen „herausriechen" kann, die als Hexen von einem bösen Geist besessen sind. Obgleich die verschiedenen Zauberer weitgehend an die unsichtbaren Mächte, deren Tätigkeiten und Beeinflussungsmöglichkeiten glauben, verstehen sie doch ausgezeichnet durch falsche Vorspiegelungen und Betrügereien ihren Ruhm und materiellen Gewinn zu vergrößern. Davon wird besonders in den Städten Gebrauch gemacht, denn dort hat sich selbst bei der europäisierten Bevölkerung der Glaube an ihre Fähigkeiten weitgehend erhalten. Die Medizinmänner sind Gegner des Christentums, gegen das von ihnen bei den Stammesgenossen der Wille der Ahnen erhoben wird, wenn Unglücksfälle davon herrühren sollen, daß die Einhaltung der von den Ahnen geforderten traditionellen Sitten von den Christen verletzt wird. Besonders gefürchtet sind als Ursache allen Unglücks die bösen Zauberer oder Hexen, die baloi (sing, moloi). Niemand weiß ohne weiteres, wer ein moloi im Dorf ist und oftmals soll jemand es selbst nicht erkennen, daß ihm 5*

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die betreffenden bösen Eigenschaften, die außerdem als erblich gedacht werden, innewohnen. Die baloi treiben vor allem nachts ihr Unwesen, wobei sie als Schatten oder Hyäne gesehen werden können. Während der Schlafenzeit erhebt sich der moloi von seinem Lager und verwandelt mancherorts seinen Körper in eine auf der Schlafmatte zurückbleibende Hyäne (Tswana) oder verschwindet anderenorts (N-Sotho) vollständig. Die baloi treffen sich darauf außerhalb des Ortes untereinander in einer fest verschworenen Gemeinschaft, der alles Feind ist, was nicht zu ihr gehört. Glaubt man, solche Wesensart in einer Person herausgefunden zu haben, so wurden früher härteste Strafen über sie verhängt. Wo Mißtrauen gegen das soziale Verhalten eines Menschen entsteht, sind Frauen und alte Männer schnell damit bei der Hand, einen moloi zu vermuten. Unter europäischer Verwaltung können Todesstrafen für Zauberei nicht mehr verhängt werden, doch meiden die Dorfbewohner den Verkehr mit Personen, die des bösen Zaubers verdächtigt werden. Damit ist aber das Unglück, das Jahrhunderte durch den Glauben an bösen Zauber zumeist unschuldigen, wenn auch unbeliebten Personen zuteil wurde, beseitigt. Auch scheint der Glaube an den Einfluß der vermeintlichen baloi schon heute weniger wirksam geworden zu sein.

III. Die Bedeutung des Rangsystems als Grundlage des politischen Lebens und die die Rangordnung bezeugenden Institutionen Die gemeinschaftlichen Verhältnisse und gruppenhaften Auffassungen bei Naturvölkern sind stets leichter erkannt und zusammenhängend bearbeitet worden als die Art der Differenzierung dieser Verhältnisse. Das Gemeinschaftliche bildet die passive Grundlage im politischen Geschehen, während das aktive Handeln und damit weitgehend die Eigenart des politischen Geschehens zur Hauptsache dem hier behandelten Teil der Gemeinschaftsgliederung, in dem die Führung der Stämme begründet liegt, entspringt. Die ausübenden Institutionen, wie etwa Häuptlingtum, Sippenführung, Räte, sind allgemein annähernd bekannt, wesentlich aber ist, wenn wir heute nach dem Wert und den erhaltenden Faktoren solcher Institutionen fragen, ihr Rückhalt im praktischen Leben. Mögen in anderen Gebieten Afrikas im politischen Geschehen und in der Führung die Geltung der Altersklassen oder der Alten oder durch Volksüberlagerung entstandene herrschaftliche Systeme das Übergewicht haben, so wird bei den SothoTswana u. a. südafrikanischen Stämmen fast alles durch die Rangzugehörigkeit bestimmt. Das Wesen der Rangzugehörigkeit bildet die Grundlage fiir die gemeinschaftsgliedernden Institutionen. Der Rang liegt in religiösen Anschauungen begründet und wirkt sich politisch aus, da das Politische weitgehend kultisch-religiösen Grundlagen entwachsen ist. Erst wer von der religiösen Welt des Eingeborenen ausgeht, wird auf die eigentliche soziale Bedeutung des Ranges stoßen, die das für die Eingeborenenverwaltung äußerst wichtige soziale Funktionieren weitgehend bestimmt. Der Beobachter von südafrikanischen Eingeborenen hat im allgemeinen den Eindruck, wie man ihn auch aus dem vorangegangenen Teil gewonnen haben mag, daß die Eingeborenen untereinander eine stark gleichwertige Stellung einnehmen. Der Eingeborene selbst dagegen wird das bestreiten und dazu nicht einmal verstehen können, wieso zwei Stammes- oder Dorfgenossen sozial genau gleichwertig, d. h. von gleichem Rang, sein können. Jedes Individuum wird in den Rang hineingeboren und kann diesen nicht wieder ablegen oder verlieren. Da der Rang innerhalb der Sippe vererbt wird, ist er besonders an diese gebunden. a) Die Rangstellung von Sippen, Häuptlingen und Fremden Die R a n g o r d n u n g i n n e r h a l b der S i p p e n g e m e i n s c h a f t : u n t e r F a m i l i e n m i t g l i e d e r n , b e i der F a m i l i e n f ü h r u n g , S t e l l u n g der Frau Die Eigenart der Rangordnung beruht weitgehend auf polygamen Eheverhältnissen. Wenn jedes Kind einer Familie entsprechend seiner Geburt

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eine bestimmte soziale Stellung einnehmen soll, so ist das bei der Einehe insofern einfach, als das Alter dann allein ausschlaggebend ist. Anders dagegen, wenn bei der Vielehe die Frauen eines Mannes eine verschiedene Stellung zu diesem einnehmen und die Kinder somit der Stellung der Mutter als Hauptfrau, zweiter oder dritter Frau des Vaters folgen und außerdem noch das Alter von Bedeutung ist. Damit nimmt der älteste Sohn der Hauptfrau — nicht, wie oft zu lesen ist: der „älteste Sohn" — den höchsten Rang ein und genießt, sofern er bereits erwachsen ist, das Vorrecht in den gemeinsamen Angelegenheiten der Gruppe. Er folgt nach dem Tode des Vaters oder auf dessen vorherigen Wunsch diesem in die Stellung als Familienhaupt. Der älteste Sohn der geringsten Nebenfrau nimmt entsprechend der Mutter den niederen Rang ein und für die Stellung etwa eines jüngeren Sohnes einer Hauptfrau zum älteren Sohn einer Nebenfrau wirken das Altersklassensystem und eine gewisse Altersehrerbietung mitbestimmend. Die Rangstellung der Frauen eines Mannes tritt in der Siedlungsanordnung sichtbar hervor. Die Führungsbefugnis des Familienoberhauptes beruht allein auf seiner Rangstellung. Um aber irgendwelche wesentliche Entscheidungen zu treffen, hört er die Ansicht des Familienrates und läßt sich von diesem Vorschläge machen. Inwieweit aber das Oberhaupt oder die Familienmitglieder ihren Willen durchsetzen, hängt jeweils von der Stärke der Persönlichkeiten ab. Im allgemeinen wird auf der Basis der Familienmeinung entschieden. Die Verantwortung des Oberhauptes steht seinen Rechten und seiner Macht nicht nach. Auf das Vergehen eines Familienmitgliedes hin wendet man sich zunächst an das Familienoberhaupt und die ganze Familie haftet nach außen hin für die Tat. Andererseits hat das Oberhaupt stets die Mitglieder der Familie zu schützen, sei es bei der Rechtsprechung im Häuptlingsrat, sei es um notleidenden Mitgliedern zu helfen oder' sich in anderer Form für die Seinen einzusetzen, und es hat sie über alles zu unterrichten. Mit der Erfüllung seiner religiösen Pflichten hilft er weiterhin das Wohlergehen seiner Gruppe zu sichern. Er kontrolliert alles, was für die Familiengemeinschaft von Interesse ist, mag es sich etwa um die Äcker, das Vieh, die Leitung des Lebens seiner Angehörigen oder anderes handeln. Jugendliche und Unverheiratete sind vollkommen von ihm abhängig, sie dürfen z. B. weder ohne seine (bzw. seines Vertreters) Zustimmung heiraten, noch das Haus für längere Zeit verlassen. Sie haben zwar eigenen Besitz, können aber nicht über ihn verfügen. Sie müssen beabsichtigte Geschäfte mitteilen und allen Verdienst an die Gemeinschaft abführen. Auch dürfen sie nicht bitten oder gebeten werden ohne seine Vermittlung. Der Rang ist nicht unbedeutend für die Heiratsordnung, denn eine Verbindung mit einer Familie niedrigen Ranges wird nach Möglichkeit vermieden. Die Stellung der Frau ist nicht wesentlich durch den Rang bestimmt, weil sie von der Mitarbeit an den öffentlichen und politischen Angelegenheiten ausgeschlossen ist. Trotzdem gilt die Rangordnung für die Frauen in gleicher Weise, wie es z. B. aus der Ordnung der weiblichen Initiationsschule hervorgeht, oder wie es sich ergibt, wenn bei mehreren Töchtern die

I I I . Die Bedeutung des Rangaystems

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ältere mehr Rechte, wenn auch n u r häuslich-familialer Natur, genießt. F r a u e n dürfen ungerufen den Ratsplatz der Männer nicht betreten, es sei denn, die Häuptlingsfrau bringt ihrem Manne Wasser. Desgleichen darf keine F r a u den Viehkraal betreten oder K ü h e melken. Ist eine F r a u in öffentliche Angelegenheiten, wie etwa eine Gerichtssache, verwickelt, so wird sie von ihrem Manne begleitet, eine Unverheiratete von ihrem Vater oder Bruder, der f ü r sie spricht. Sie h a t im allgemeinen lediglich Fragen zu beantworten und selbst keine Vorschläge zu machen. Auch h a t eine F r a u wenig Gelegenheit, eine Klage gegen einen Mann zu führen. I n Angelegenheiten gegen ihren Mann u n d seine Familie wird die Frau von ihrem Bruder unterstützt und vertreten. Indirekt machen Frauen nicht Selten ihre Haltung in öffentlichen Angelegenheiten geltend, indem sie ihre Männer zu Haiise mit ihrer Meinung überzeugen. Auf die Familienangelegenheiten und selbst auf Besitzverhältnisse — in Bezug auf das Vieh — ü b t die H a u p t f r a u ihren Einfluß aus, wozu sie durch die Entwicklung aus Heiratsordnung und Viehheirat in der Lage ist. Die Sotho-Frau ist im Vergleich mit der Schangaan-Frau intellektuell entwickelter, was sich aus ihrer unabhängigeren Stellung ableitet (32, S. 555). Die eigentliche gesellschaftliche Anerkennung und Ehrung genießt die Frau nur in der E r füllung ihrer Aufgabe als Mutter. Die Rangordnung innerhalb der Sippe wird oftmals nicht als solche bezeichnet, weil sie sich zum Unterschied von der öffentlich u n d politisch wichtigen Rangordnung, die sich auf die „ G r o ß e n " vom Dorfoberhaupt aufwärts erstreckt, durch ihre interne Bedeutung dem Interesse entzieht. Dennoch wird gerade durch das Funktionieren der Rangordnung u n d die dadurch geschaffene Macht die Familie und Sippe in erster Linie zusammengehalten, was bei diesen Stämmen n u r in sehr geringem Maße durch die Gemeinschaft des Blutes geschieht. Es ist daher von besonderer Bedeutung, daß die eindringende Zivilisation u n d auch das Christentum in erster Linie die rangmäßig begründete Autorität untergraben haben, wodurch heute schon die meisten der genannten Beziehungen zwischen Oberhaupt u n d Familienmitgliedern wirkungslos u n d unzuverlässig geworden sind. Damit wird zugleich dem öffentlich politischen Leben die gesunde Grundlage geordneter Familien- u n d Sippenverhältnisse weitgehend entzogen. R a n g o r d n u n g der Sippen Mit der Frage nach dem Ursprung der Rangordnung eröffnet sich ein unsicheres Gebiet. Selbst bei der Frage, wie sich die Ranghöhe einer Sippe berechnet, geben die Eingeborenen heute recht verschiedene Antworten, da sie sekundäre Dinge, wie Mitgliederzahl, Zeit der Ortsansässigkeit, Ansehen nach Charakter, Leistung, Besitz mit einbeziehen. Einig sind sie sich jedoch darin, daß die Ranghöhe der Verwandtschaftsnähe zum H ä u p t ling u n d der sozialen Entfernung von der untersten Schicht nach einer geschichtlichen Zuwanderung oder Unterwerfung entspricht. Der jeweils älteste, aus direkter väterlicher Linie stammende, politisch mündige Nachfahre eines einmal in eine Gegend eingewanderten Ahnen genießt die E h r e n u n d trägt die Verpflichtungen des f ü r die Gruppe der Nach-

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fahren höchsten Ranges. Der Ahne hat aber in dem Ort, den er verließ, auch einen bestimmten Rang eingenommen. Je nachdem nun, ob die Abwanderung mit mehr oder weniger großen Streitigkeiten verbunden war oder räumlich weit entfernt erfolgte, sind die Beziehungen auf bestimmte Einrichtungen wie Heiraten, seltene Ahnenopfergesuche oder gegenseitige Hilfe beschränkt worden oder schließlich — was bei dem guten Volksgedächtnis der Leute selten geschehen mag — ganz vergessen worden. Auch haben unruhige Zeiten des Krieges die Sippen mehr isoliert, während in Gebieten größerer Ruhe, wie bei den meisten Tswana sich die Kenntnis der Sippenbeziehungen, die sich vereinzelt sogar noch auswirken, besser erhalten haben. Ist solche eingewanderte Sippe lange Zeit ansässig, so wird sie auch zahlreich sein; trotzdem ist die Zahl kein sichtbares Kennzeichen für die Ranghöhe. Nach langer Ansässigkeit differenzieren sich die Ränge durch die von der direkten väterlichen Linie abweichenden Geschwister und den Abstammungen von Nebenfrauen, wie durch neu Hinzugewanderte. Nach den beiden Extremen der Ranghöhe hin, besonders aber nach oben, tritt der Rang hauptsächlich in Erscheinung. Die große Reihe der mittleren Rangordnungen ist wohl im Ort und bezüglich der Häuptliogssippen für den Stamm bekannt, nur treten sie heute praktisch fast gar nicht mehr hervor. Das Ansehen einer Sippe entspricht in erster Linie ihrer Rangstellung. Wie wenig dieses Ansehen jedoch im Grunde von Besitz, Leistungen oder besonderen Charaktereigenschaften beeinflußt wird, zeigt die nachfolgend behandelte Rangstellung des Individuums. Ihren engsten Zusammenhang findet die Rangstellung in dem Verhältnis zu den Ahnen, den Gebeten und Opfern. Der jeweils Ranghöchste einer Gruppe — sei das die Sippe, Unter- oder Oberhäuptlingschaft —hat den AJinen der Gruppe die Opfer und Gebete darzubringen. Je mehr dann die religiösen Bedürfnisse das ganze Volk betreffen, je höhere Ahneninstanzen werden angerufen. Selbst für die Ahnen untereinander sind, wenn auch nur mit wenig hervortretender und unsicherer Vorstellung bei den Eingeborenen, Rangunterschiede vorhanden, indem die Gebete zuweilen von den Ahnen zu höheren Ahneninstanzen nach irdischem Vorbild weiter geleitet werden. Sogar bei Christen ist die ähnliche Vorstellung erhalten, wenn z. B. Schapera davon spricht, daß die Christen annehmen, Gott schicke über ihren Häuptling den Regen (142, S. 54), so ist das nur so im Sinne der Eingeborenen zu verstehen, daß sie sich zwischen Gott und dem Häuptling das Handeln der Häuptlingsahnen vorstellen. Im übrigen ist solche Verschmelzung von christlichen und Ahnenvorstellungen für ein einigermaßen gesundes Funktionieren der alten sozialen Ordnung, wo sie unter Christen noch erhalten ist, durchaus nützlich. Die religiösen Vorstellungen haben über das rein Kultische hinaus bestimmend auf das politische Leben, sei es in Recht, Wirtschaft oder anderem, eingewirkt. Damit stehen die Aufgaben und Rechte auf diesen Gebieten normalerweise auch dem Ranghöchsten zu. Nicht selten aber wird solche Norm von mächtigen oder entsprechend begünstigten Individuen bzw. Stammesteilen durchbrochen. Im ernsten Streitfall scheint der Stärkere alle Funktionen zu übernehmen. Dagegen ist es bei friedlicherem Abtreten des Ranghöchsten bekannt geworden, daß dieser und seine

III. Die Bedeutung des Rangsystems

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Gruppe die kultischen Pflichten nicht abgeben können und somit allein die politischen Rechte und die Führung übertragen werden. Ein Beispiel d a f ü r sind die bei Willoughby angeführten Sippen der H u r u t s e und Kwena, die Mankgodi- bzw. Ntloedive-Sippe, die eine eigene politische Stellung einnehmen. Die rechtlichen Instanzen sind f ü r Mitglieder solcher Sippen das Oberhaupt der betreffenden Sippe oder des Klans und darüber hinaus f ü r schwere kriminelle Fälle nur der oberste Häuptling, der König. Bei geringeren Anklagen gegen ein Mitglied dieser Sippen ist der oberste Häuptling nicht befugt zu richten oder Vieh zu beschlagnahmen auf Grund des höheren Ranges der Sippe von Geburt. Die Mitglieder der bevorrechteten Sippen mußten wie die der anderen Sippen in ihren Jungmannschaften und Altersklassen dienen, n u r durften sie nicht bei Vergehen, wie sonst üblich bestraft werden; m a n meldete ihr Verhalten nur ihrem Sippenoberhaupt. Uber den Ursprung dieser Sonderstellung bestimmter Sippen gibt Willoughby weiter Aufschluß über die Ntloedibe-Sippe der Kwena, indem in alter Zeit ein rechtsmäßiger Nachfolger der königlichen Linie ein Schwächling gewesen sein soll, der seine politische Macht einem fähigeren jüngeren Bruder übertrug. Die weiteren Nachfolger gingen bis heute aus der Linie des jüngeren Bruders hervor. Diesem jüngeren Bruder konnten die militärischen? politischen und rechtlichen Vorrechte übertragen werden, nicht aber der priesterliche Vorrang, der sich in der Linie des ursprünglich rechtmäßigen Nachfolgers, dem älteren Bruder, vererbt (166, S. 228). •Die u n t e r e R a n g s t u f e d e r F r e m d e n Innerhalb der Rangordnung können drei Stufen unterschieden werden. Die obere ist die der Stammes- bzw. Ortsführung, sie wird nachfolgend besprochen. I m Vorhergehenden wurde die mittlere Stufe behandelt. Beide Stufen hängen normalerweise organisch ineinander übergehend zusammen, während sich die dritte Stufe nach u n t e n anfügt. E s ist dies die Stufe der Zugewanderten, der Fremden u n d der Unterworfenen. Dazu gehören nicht die Sklavenvölker der Tswana, die Makxalaxadi u n d Masarwa, die außerhalb der religiös-sozialen Ordnung stehen. Die Einstellung der Eingeborenen gegenüber der unteren Rangstufe wird durch die religiös-verwandtschaftliche Grundlage der Ränge u n d die geschlossene Siedlungsweise begründet. F ü r den Eingeborenen gibt es daher in egozentrischem Denken vor allem die „ I c h " — wie man das „ W i r " bei den Eingeborenen schon nennen muß — und auf der anderen Seite die bedeutungslosen anderen, die Fremden, die weder zu den Stammesahnen Beziehung haben, noch in lebenswichtiger Beziehung zu den Stammesmitgliedern stehen. Fremde werden aber vom Häuptling zur Erhöhung der Zahl seiner Untertanen gern angesiedelt. Somit ergibt sich für die zuwandernden Fremden, daß sie im Volk den niedrigsten Rang einnehmen, jedoch von Seiten des Häuptlings Rechtsschutz genießen. Der Zuwandernde wendet sich an Freunde oder Bekannte oder wird einer Familie zugewiesen, u m sich unter deren Schutz u n d Rechtsvertretung zu stellen. Das Familienoberhaupt bzw. der Unterhäuptling meldet ihn über den Instanzenweg beim Häuptling mit einem Geschenk an. Dem Frem-

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den wird eine Ackerfläche zugeteilt. Der Rechtsschutz, den er genießt« ist auf Grund seiner niedrigen Rangstellung schwach, besonders wenn er auf Unterstützung aus der Öffentlichkeit angewiesen ist. Zuweilen bezeichnet man ihn als „molata" (Diener); in solcher Weise zu einem anderen Stammesangehörigen zu sprechen, würde als Beleidigungsklage vor den Häuptling kommen können. Die niedrige Rangstellung des Fremden geht auf seine Kinder über und kommt in der Initiationsschule mit Dienstleistungen und ungeschütztester Behandlung zum Ausdruck. Die einzige Geltungsmöglichkeit, die neben der Auswirkung besonderer persönlicher Fähigkeiten erwachsen kann, ist die des Häuptling-Leibdieners. Mit dem Einfluß der Yerwaltungspolitik hat solche Umsiedlung zu anderen Häuptlingen hin an Bedeutung verloren. Die R a n g o r d n u n g der H ä u p t l i n g e , ihre m a c h t p o l i t i s c h e n Beziehungen u n t e r e i n a n d e r und die S t e l l u n g des Oberhäuptlings Die obere Stufe der Rangordnung weist die Stellung der Häuptlinge zueinander auf. Diese Stufe ist praktisch weitgehend machtpolitisch bestimmt. Wenn die machtpolitische Entwicklung nicht in den Vordergrund treten würde, entspräche sie der religiös-verwandtschaftlichen Rangordnung der Sippen. Solcher natürlichen Rangordnung sehr nahe kommen Verhältnisse, unter denen das Rangansehen im Kultischen erhalten ist, in Bezug auf machtmäßige Überlegenheit jedoch auf Häuptlingschaften niederen Ranges übergegangen ist. Letzteres trifft z. B. in großem Maßstab für den Tswanastamm der Hurutse zu, der den höchsten Rang unter den Tswanastämmen einnimmt, wie das beim Fest der ersten Früchte oder bei Zusammenkünften u. a. hervortritt; trotzdem sind die Hurutse aber durchaus nicht der politisch und wirtschaftlich mächtigste Stamm. Im Kleinen haben Häuptlinge von geringeren Stämmen ein ganz ähnliches Verhältnis zueinander. Stärker' getrennt ist z. B. solche Verbindung bei den Pedi, die einmal von den entfernt wohnenden Kxatla abzweigten und letztere rangmäßig zu ehren hätten. Es sind hier nip noch Beziehungen in der Heiratsordnung der Oberhäuptlinge bewahrt. Übrigens scheint die Erhaltung der wechselseitigen Beziehungen in der Häuptlingsheiratsordnung besonders lange erhalten zu bleiben, wie es sich auch bei den Verhältnissen innerhalb des Sekukunireservats zeigt. Zuweilen erhält sich jedoch zu einem nicht zu fern wohnenden rangmäßig höheren Häuptling, besonders wenn dessen Land von der Natur begünstigter ist, der Glaube an den höheren Einfluß der ihm somit näherstehenden gemeinsamen Ahnen, etwa bei großer Dürre oder Epidemien. Man wendet sich über ihn mit Gebeten und Opfern an die Ahnen. Zwischen den Oberhäuptlingen in Transvaal scheint eine Rangordnung nicht zu bestehen oder überhaupt nicht bestanden zu haben. Sie ist aber bei den verschiedenen Häuptlingen, die dem Oberhäuptling unterstellt sind, vorhanden und kann leicht, etwa bei einem Treffen mehrerer Häuptlinge, beobachtet werden. Jeder solcher Häuptlinge ist dem Oberhäuptling direkt unterstellt; sie bilden keine Instanzenkette, wie etwa die Dorf- oder Unterhäuptlinge über den Häuptling zum Oberhäuptling.

III. Die Bedeutnng des Rangsystems

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Die Rangordnung der Häuptlinge weicht in der Praxis von der eigentlichen, religiös bedingten Eigenart der Rangeinteilung stark ab durch die machtpolitischen Bestrebungen. Das k a n n dadurch geschehen, daß ein S t a m m einen persönlich starken oder fortschrittlichen Häuptling h a t , die F ü h r u n g bezüglich außenpolitischer Ziele m i t dem Volkswillen gut zusammenarbeitet, der S t a m m gute oder zahlreiche Krieger zum Einsatz bringen kann u. a. m., u m damit etwa die Nachbarn zu unterwerfen. Der Rang entspricht damit praktisch schon in voreuropäischer Zeit weitgehend der politischen Geltung. E i n unterworfener Häuptling wird daher seine Stellung verlieren u n d einem vom Oberhäuptling eingesetzten Häuptling Platz machen, wie es bei den Süd-Sotho seit Moscheschwe systematisch betrieben wurde (5, S. 303/04). E i n Häuptling aber, der sich freiwillig zur Sicherung seines Volkes u n d u m nicht dauernder Beraubung ausgesetzt zu sein, unter den Schutz eines Oberhäuptlings stellt, wird meistens seine Stellung beibehalten. Die Stellung eines Häuptlings zum Oberhäuptling oder zu einem benachbarten Häuptling k a n n durch die Heirat einer von deren Töchtern weitgehend gesichert werden, denn eine Heirat verpflichtet beide Seiten zum Beistand, woraus der Schwächere den größeren Nutzen zieht. Wurden früher zu Zeiten, als der Ahnenglaube noch gefestigter war, Bündnisse zwischen Häuptlingen geschlossen, die ein Gelübde der Treue, Freundschaft und des Vertrauens darstellten, so geschah das unter zeremonieller Befestigung im Beisein der Ahnen, indem m a n sich die Hände in dem Inhalt des aufgeschnittenen Magens eines Opferrindes eingetaucht reichte (74, S. 486). Unter der Oberfläche scheint f r ü h e r jedoch ein beständiger Geltungs- u n d Rachekampf zwischen den Häuptlingen bestanden zu haben, so daß m a n nicht selten einen unerwünschten Nachbarhäuptling heimlich mit Gift u n d Zauber zu beseitigen suchte (51, S. 309). Mehrere Häuptlingschaften können in verschiedenem Umfang unter einem Oberhäuptling zusammengefaßt sein. I m größten Stil geschah das im Basutoland u m 1830 herum unter Moscheschwe, dem es durch persönliche Tüchtigkeit neben ausgezeichneter Landeskenntnis gelang, verschiedenartige, zahlreiche Stammesbestandteile mit starker H a n d unter seiner Führung zu vereinigen. Von nicht geringerer Größe ist auch das Gebiet, das die beiden Pedi-Oberhäuptlinge beherrschen, während m a n f ü r die großen selbständigen Häuptlinge im Norden Transvaals u n d wegen der gleichartigen Bevölkerung f ü r die Häuptlinge in Betschuanaland weniger die Bezeichnung Oberhäuptling f ü h r t . Dieser oberste Rang eines Oberhäuptlings h a t in Bezug auf die ihm unterstellten Häuptlingschaften besonders starken politischen Einschlag, wobei das eigentlich Kultische sich auf die Häuptlingschaften-selbst beschränkt. Seine Stellung gründet sich auf die Macht, die Nachbarn eingegliedert u n d unterworfen zu haben. Eigentlicher „Vater des Volkes" scheint er, wie in gleicher Weise die ihm unterstellten Häuptlinge (sofern sie nicht durch ihn machtmäßig eingesetzt sind), n u r für die ihm durch Tradition nahestehenden Untertanen, nicht aber für die eingegliederten fremden Stammesteile zu sein. F ü r eine Oberhäuptlingschaft k a n n m a n schon die Vorstufe des Begriffs Nation ansetzen, obgleich es sich zahlenmäßig n u r u m einen S t a m m bzw. Teile verschiedener Stämme handelt. Das Ansehen erhielt sich früher ein großer Häuptling

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

in den Nachbargebieten, wie einer der beiden Pedi-Oberhäuptlinge selbst erklärte, dadurch, daß er einige Regimenter periodisch auf Viehraub ausschickte, um damit den Nachbarn seine Stärke zu zeigen. Wie beliebt solche Stärkeproben waren, geht sogar aus einem Versuch gegen eine Burenfarm hervor, deren Bewohner von Schwarzen aufgefordert wurden, die Farm sofort zu verlassen. Als sich der Bure somit gezwungenermaßen auf den Weg machte, ließ ihn der Häuptling zurückrufen, indem er ihm mitteilte, er hätte nur sehen wollen, ob der Bure auch tun würde, was er befehle (51, S. 143). b) Die Häuptlingsfunktionen Die S t e l l u n g des H ä u p t l i n g s Die Stellung des Häuptlings entspricht der Eigenart der Anschauung von der Rangordnung und wird jeweils von persönlichen oder anderen gegebenen Umständen nach außen hin mitbestimmt. In dem Sinne ist die Bezeichnung „Vater des Volkes" am treffendsten. Die früher bei Reisenden so beliebte Vorstellung, den Bantuhäuptling als willkürlichen Herrscher anzusehen, gilt bei den südafrikanischen Bantu nur für seltene Ausnahmen, die aus besonderen Umständen heraus entstanden sind. Die populäre europäische Vorstellung bei dem Wort „Häuptling" verhält sich zur Wirklichkeit gerade so, wie unser Wort „Herr" zum Sotho-Wort dafür „morena" (der Unsere). Prof. Brookes beschreibt die Stellung des Häuptlings in seinem Buche „The History of Native Policy in South-Africa", als „Verkörperung des Stammes, das Haupt und Zentrum seines Gewebes" (zit. aus 88, S. 255). Man spricht ferner vom Häuptling eines Volkes, nicht eines Landes — über den Boden und alles, was darauf lebt, verfügt er erst sekundär im Hinblick auf das Wohl des Volkes; — so ist z. B. Griffith Lerothodi nicht „Paramount Chief of Basutoland", sondern „morena e moholo oa BaSotho", der große Häuptling der Süd-Sotho-Leute (145, S. 173). Die Autorität des Häuptlings beruht auf der Rechtmäßigkeit seiner Stellung, die in ihrer religiösen Grundlage als Vertreter und Sprecher des Volkes zu den Ahnen begründet liegt, selten jedoch wirklicher Achtung seiner Person entspringt. Seine Aufgabe ist es, die Ordnung nach der traditionellen Vorstellung, entsprechend den Forderungen der Ahnen, aufrechtzuerhalten und dementsprechend auch sich selbst dieser Ordnung zu fügen. In seinem Häuptling ehrt somit der Stamm, wie Westermann ausführt (162, S. 185), sich selber und seine Vergangenheit. Bei der Stellung des Häuptlings als organisches Haupt des Stammes, wie bei der innigen Verwobenheit der Häuptlingsfunktionen mit allen Institutionen, bestimmt die öffentliche Meinung als wirksame Kraft den Lauf des Politischen weitgehendst. Der Befehl des Häuptlings gilt normalerweise und wird, unterstützt durch den Glauben an die Macht des Ranges und der Ahnen, befolgt. Er gründet sich aber auf das Resultat der Rats- und somit zum großen Teil der Volksmeinung, der der Häuptling sich, von Ausnahmen abgesehen, anzupassen pflegt. Einzelne Entschließungen bedürfen sogar der Zustimmung einer Versammlung aller Männer. Andererseits gibt es persönlich starke Häuptlinge — meist Oberhäuptlinge, bei denen rein politisches Machtstreben

III. Die Bedeutung des Rangsystems

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mehr hervortritt —, die ihren eigenen Willen durchsetzen, wie z. B. derzeit der Oberhäuptling der Süd-Sotho, Moscheschwe, der Hexenverfolgungen und Alkoholmißbrauch einzuschränken suchte (162, S. 184), oder der Ngwato-Oberhäuptling Khama, der als Christ die Vielehe und die Heirat mit Viehgabe verbot, Erbrecht f ü r Töchter u. ä. einzuführen versuchte (145, S. 375), oder der heutige Pedi-Oberhäuptling Sekwati u. a. Durch deren Handeln wurden, abgesehen vielleicht von einigen volkstumsfremden Maßnahmen Khamas, keine wesentlichen Störungen im Volk erzeugt, denn das Volk fühlte sich nicht vernachlässigt. Individuelle politische Macht kann auch bei einzelnen Ratsmitgliedern liegen, wie z. B. die Regierungsgeschäfte des heutigen Pedi-Oberhäuptlings Sekukuni durch seinen ersten Ratgeber bestimmt werden. Das Volk unternimmt selbst im äußersten Falle nicht gern etwas gegen seinen Häuptling, da er -als solcher „geboren" wurde. Vernachlässigt er jedoch sein Volk und stellt seine individuellen Vorteile in den Vordergrund, wie z. B. der heutige junge Häuptling der Kxatla, dann wächst die Mißstimmung so sehr, daß der Stamm sich in früheren Zeiten leicht gespalten h ä t t e und zum Teil zu einem anderen, rangmäßig dem eigenen nahestehenden Häuptling abgewandert wäre. I h m k a n n in solchen Fällen auch aus der eigenen Familie ein Nebenbuhler erwachsen (51, S. 194), der die Unzufriedenen unter seiner Führung vereinigt. Jeder Häuptling wünscht aber, sich seine Untertanen zu erhalten, wenn möglich sogar vermehrt zu sehen und ist er somit zur Zusammenarbeit mit seinen Ratsleuten gezwungen, u m eine andauernde Mißstimmung zu vermeiden. Durch die europäische Verwaltung ist gegen einen Häuptling das Druckmittel der Abwanderung in Fortfall gekommen. Die Beschaffenheit und der Wohlstand des Volkes fallen auf den Häuptling sprichwörtlich in der gleichen Weise zurück, wie m a n der mageren Frau eines Mannes ansehe, daß dieser sie nicht zureichend verpflege: „Morafe ke basadi ba kxosi", der Stamm ist gleich Frauen des Häuptlings. Einen Häuptling wegen seiner despotischen Regierungsform zu beseitigen, entspricht nicht der Stammesauffassung, selbst wenn es sich als Ausnahme ereignet haben mag. Die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Meinung in den Regierungsgeschäften schließt trotzdem Unterdrückungsakte gegen einzelne Individuen nicht aus. Wer dem Häuptling zu reich oder als Ratsherr zu mächtig wird, mußte früher damit rechnen, eines Tages sich in einen strafrechtlichen Prozeß verwickelt zu sehen oder zu verschwinden, heute steht dem die gerichtliche Instanz der europäischen Verwaltung u n d Verfolgung von Mordfallen entgegen. Ebenso wie die durch die Tradition überlieferten, ungeschriebenen Gesetze f ü r den Häuptling Geltung haben, erwartet m a n von ihm eine gerechte Anwendung dieser Gesetze. Gegen die Nichterfüllung hat m a n keine sicheren Zwangsmittel, weil die Stellung des Häuptlings eine heilige Grundlage hat. Nach der Anschauung der Eingeborenen k a n n daher ein Häuptling nie verantwortlich oder h a f t b a r gemacht werden. H a t ein Häuptling sich vergangen, so wird nicht öffentlich gegen ihn geklagt, sonderp m a n kann, was selten geschieht, versuchen, sich an die großen Ratgeber, das sind zugleich Verwandte des Häuptlings, zu wenden, die, wenn

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sie sich der Sache zugänglich zeigen, einen Beschluß fassen und den Häuptling zu einer bestimmten Buße zwingen, sei es, daß ihm in früherer Zeit für einen begangenen Mord Vieh abgenommen, für kleinere Vergehen eine Strafe auferlegt, oder er für Schäden haftbar gemacht wurde. Als z. B. ein Pedi- Häuptling einen Mann in seinem Arger schlug, weil er ihn entgegen der Meinung des öffentlichen Rates für schuldig hielt, wurde er unter Drohung, daß das Volk die übliche Arbeit auf den Häuptlingsfeldern verweigern würde, mit einer Zahlung in Strafe genommen. Im Verkehr mit einem Häuptling tritt überall die Ehrerbietung für ihn zutage, sei es in dem Freudentrillern der Frauen, in Anreden oder Lobpreisungsversen seines Namens. Im Verkehr mit den Untertanen trennt nicht Unnahbarkeit, sondern nur eine Art Ehrerbietung. Jeder kann mit dem Häuptling reden, nur nicht direkt, sondern durch einen Vermittler, der wie die Eingeborenen sagen, der Kanal der beiderseitigen Reden ist. Die Grundidee ist vielleicht, daß der Häuptling soviel magische Kraft besitzt, daß man nicht direkt mit ihm reden darf (41, S. 302/3). Zum Vermittler sind die dem Häuptling nahestehenden Verwandten besonders geeignet. Andererseits scheint die Ehrerbietung bei gewissen Gelegenheiten aufzuhören, wenn man erfahrt, daß ein Kwena-Ratsherr seinen Häuptling wegen Ehebruchs — der nach Eingeborenenrecht als einzige Ausnahme tätliche Rechtfertigung gestattet — verprügelte. Im allgemeinen aber ist über die Ehrerbietung hinaus die Erfüllung jeglicher Form im Verhalten gegenüber dem Häuptling Selbstverständlichkeit. Schon wer durch Geltungsdrang und Sichhervortun unangenehm in Erscheinung tritt, läuft Gefahr, durch den Häuptling in Strafe genommen zu werden. Die innere Haltung des Einzelnen gegenüber seinem Häuptling kann recht verschieden sein. Einerseits gibt es sogar unter der jungen Generation dauernder Stadtbewohner noch viele, die ihren Häuptling anerkennen und seinen Namen mit Ehrfurcht nennen (Hellmann in 145, S. 430), andererseits empfinden junge Leute, die eine Zeitlang in der Stadt lebten oder eine Schule besuchten, ihren Häuptling als unwissend und rückständig, weil er mit den Dingen, die sie kennen gelernt haben, nicht vertraut ist. Jegliche Mitteilung, Besuchsanmeldung u. ä. gehen über einen Vermittler oder Boten an den Häuptling. Die Folge ist, daß der Häuptling stets von Ratgebern begleitet wird und heimliche Sonderwünsche, wie privater Einfluß auf ihn seitens einzelner Personen, ziemlich erschwert werden. Der Häuptling hat weniger eigentliche Führereigenschaften aufzuweisen als traditionelle Pflichten und Rechte zur Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Ordnung zu erfüllen. Das geschieht durch die kultischen Beziehungen zu den Ahnen, durch politische und gerichtliche Beschlüsse, durch Regelung in Arbeits- und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Die zur Durchführung nötigen Beschlüsse werden in Zusammenarbeit mit dem Rat- gefaßt und können sowohl als Handlungen praktischer Art — dem europäischen Denken entsprechend — wie magisch zauberischer Art — dem Denken der Eingeborenen in Unkenntnis der natürlichen Zusammenhänge entsprechend — erfolgen.

III. Die Bedeutung des Rangsystems

Häuptlingsnachfolge, Regentschaft, weibliche

79 Häuptlinge

Die Häuptlingsnachfolge wird durch den Ranghöchsten, das ist der älteste legale Sohn des verstorbenen Häuptlings und seiner H a u p t f r a u , erfüllt. Die Rechtmäßigkeit der Nachfolge garantiert das ganze Volk durch den Beitrag zur Viehgabe bei der Heirat der H a u p t f r a u . Daher bezeichnet man den Nachfolger auch als „ngwana wa d i k x o m o . . . . " , Kind der Rinder . . . . (des Häuptlings N. N.). E i n Häuptling ist damit als solcher geboren und h a t ungeachtet evtl. negativer Qualitäten ein Anrecht auf die Stellung als solcher. Das Ansehen und die Behandlung als H ä u p t ling genießt dieser aber erst nach dem Antritt seiner Regierung, wenn m a n von der Initiationsschule absehen will. Einem Häuptlingssohn, selbst wenn er der zukünftige Nachfolger ist, begegnet m a n im täglichen Leben nicht anders als andern Jünglingen. Die zahlreichen Streitfalle in der Häuptlingsnachfolge sind gerade die hervorstechendsten Abweichungen von dem Lauf der Ordnung im Stammesleben. Das Volk besteht, von Ausnahmen abgesehen, darauf, den nach Stammessitte berechtigten Nachfolger einem anderen vorzuziehen. Die davon abweichenden Sonderwünsche gehen von dem alten Häuptling und seinem Verhältnis zu einer bevorzugten F r a u bzw. einem Sohn oder von der Einstellung und den Intrigen des Rates aus. So h a t t e z. B. im PediGebiet ein christlicher Häuptling eine Frau geheiratet u n d entgegen der Stammessitte diese Frau zur H a u p t f r a u und deren wohl recht intelligenten Sohn zu seinem Nachfolger bestimmt und öffentlich erklären lassen. Später heiratete der Häuptling eine F r a u mit dem Vieh des Volkes, deren zwar nicht sehr begabter Sohn somit doch der rechtmäßige Erbe war. Nach dem Tode des Häuptlings verlangte das Volk der Sitte entsprechend die Nachfolge des letzteren Sohnes und in diesem Fall stimmten die Ratsältesten zu, weil ihnen der erste Sohn als zu klug im Wege war. Der Kat versteht es in andern Fällen durch Spitzfindigkeiten gegen die Rechtmäßigkeit Einspruch zu erheben und zu verhindern, daß etwa ein unbrauchbarer, aber an sich berechtigter Nachfolger zur Regierung k o m m t . Entspann sich früher ein Streit u m die Nachfolge zwischen Brüdern, dann bildeten sich u m diese herum schnell Parteien, die, wenn sie sich nicht einigen konnten, zum Teil abwanderten. Das ist eine Erscheinung, die sich in der Geschichte der meisten Stämme ereignet h a t u n d selbst die Ursache zu Eingeborenenkriegen gewesen ist. Heute werden solche Unregelmäßigkeiten in ihren Auswirkungen dadurch erschwert, daß die bodenrechtlichen Verhältnisse dies verhindern und ferner die europäische Verwaltung auf eine Einigung dringt. Auch behält sich die Verwaltung das Recht vor, den H ä u p t ling anzuerkennen. Wie m a n aus der Geschichte der Pedi erfahrt, entscheidet sich ein leichterer Nachfolgestreit, der nur zwischen Brüdern oder Halbbrüdern besteht, durch das Ausführen der ersten Amtshandlung, nämlich d e r Bestattung des verstorbenen Häuptlings (vgl. 41, S. 301). Der Öffentlichkeit wird der neue Häuptling in einfacher Form bei einer d a f ü r einberuferien Volksversammlung vorgestellt, wobei außerdem der älteste Bruder des Verstorbenen f ü r das bevorstehende Amt Ermahnungen erteilt (5, S. 302). Dem Nach-

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

folger wird die Festlichkeit einleitend der königliche Leopardenfellmantel umgelegt. Er übernimmt danach eine Reihe von Insignien, wie heilige Hörner — das Kriegshorn (phalafala) —, heilige Trommeln — die in N-OTrvl. eine besondere Rolle spielen —, und Waffen, ferner bei großen Häuptlingen uralte, geschliffene Steinperlen, im Pedigebiet den Häuptlingshalsperlenring (pheta ya thaxe) aus kleinen gelben und schwarzen röhrenförmigen Perlen unbekannter Herkunft (vgl. 41, S. 301). Weiterhin verfügt der neue Häuptling jetzt über die großen Zaubermedizinen für Regen, über solche, vermöge deren Kraft die Untertanen magisch an ihn gebunden werden, über Schutzzauber u. ä. Die Vieherbschaft des jungen Häuptlings entspricht nicht dem vollen Besitz des Vaters, da ein großer Teil des Bestandes den Nebenfrauen und somit Halbbrüdern gehört, in deren Linie er sich weitervererbt (vgl. 124, S. 350). Ein alter und schwacher Häuptling gibt zuweilen die Regierungsgeschäfte schon zu Lebzeiten seinem Sohne und Erben in Form einer Art Juniorenregentschaft ab. Dabei ist es jedoch fraglich, ob die Ubergabe auch in Bezug auf die kultischen Aufgaben geschieht. Die Nachfolge des dazu berechtigten Sohnes erscheint dann gesicherter, wenn der alte Häuptling im Volke Vieh sammeln läßt und es dem Sohn übergibt (vgl. 77, 8/9). Der vorzeitige Tod eines Häuptlings, bei dem z. Zt. der Nachfolger noch zu jung und nicht regierungsfähig, oder seine Geburt noch möglich und zu erwarten ist, erfordert eine Regentschaft. In den verschiedenen Gebieten erfahrt man, daß je nach den Umständen mal der nächstälteste Bruder des verstorbenen Häuptlings — und somit der Rangnächste nach dem Häuptling —, mal die Hauptfrau dieses Häuptlings die Regentschaft übernimmt. Die öffentliche Ausübung der politischen Geschäfte liegt in jedem Falle in männlichen Händen, da eine Frau nicht im Rat der Männer verhandelt. Wieweit gegenüber der Häuptlingswitwe, die nachher in Leviratsehe zu dem besagten Bruder des Verstorbenen tritt, dieser selbständige Beschlüsse fassen kann oder die Anweisungen und Zustimmung der Häuptlingswitwe einholen muß, ist von Fall zu Fall verschieden entsprechend der individuellen Energie und Fähigkeit sich durchzusetzen. Nach Aussage des Pedi-Oberhäuptlings Sekwati wird die Regentschaft in Zusammenarbeit der Häuptlingswitwe mit dem Bruder des Verstorbenen als ausübendem Häuptling durchgeführt, wobei die Witwe Gerichtsfalle nicht entscheidet. Bei den Tau hat sich durch die geschichtlichen Gegebenheiten das Gefühl herausgebildet, daß die Häuptlingswitwe das Vorrecht vor dem Bruder des Verstorbenen hat, während Koni aussagten, daß der Häuptlingsbruder die Witwe lediglich über seine Tätigkeit informiert. Hinterläßt der verstorbene Häuptling nur Halbbrüder, d. s. Söhne der Nebenfrauen, dann hat bei den Süd-Sotho die Mutter das Vorrecht auf die Regentschaft (5, S. 300), was auf Grund der Rangauffassung den übrigen Sotho-Tswana auch entspricht. In der älteren Geschichte werden vorwiegend männliche Regenten genannt, da weibliche nicht nach außen in Erscheinung treten, doch mag letzteren eine größere Bedeutung zukommen. Eine Regentschaft muß auch dann erfolgen, wenn die Geburt eines legalen Nachfolgers aus einem Leviratsverhältnis noch erwartet wird. Die Hauptfrau soll sogar nach dem Tode des Häuptlings noch mit Unter-

III. Die Bedeutung des Bangsystems

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Stützung des Stammes geheiratet werden können, damit aus einem Leviratsverhältnis ein rechtmäßiger Häuptling hervorgehen kann, wie es sich bei den Tau unter der Regentschaft des weiblichen Häuptlings Mantlatle ereignet haben soll. Entsprechend den Anschauungen über die Zurechnung der Kinder kommt weiterhin für die Sicherung der Nachfolge auch die Sororatsverpflichtung in Anwendung. In sehr vielen Fällen der Regentschaft sind dem rechtmäßigen Nachfolger durch einen Regenten, der etwa größere Kriegserfolge zu verzeichnen hat, und noch mehr durch seinen Sohn die Ansprüche streitig gemacht worden (vgl. 51, S. 246). Ein Beispiel dafür mag genügen. Dem Pedi-Häuptling Malekutu, Sohn des Thulare, folgte sein Bruder Sequati als tatenreicher Regent. Sequati sollte mit der Hauptfrau des zu alten Malekutu einen Nachfolger zeugen, der namens Mampuru geboren wurde. Die eigene Hauptfrau Sequatis gebar ihm Sekukuni. Im Streit um die Nachfolge ergriff Sekukuni mit der erzwungenen Begräbnishandlung des Vaters die Herrschaft (1861), während Mampuru fliehen'mußte. In Unkenntnis erkannte die europäische Regierung anstatt Mampuru Sekukuni I. an (77, S. 15—28; etwas ungenau auch bei Endemann, 45, S. 34). Zuweilen wird die Ausübung der Regentschaft lange hinausgezögert, da sie nicht an einen festen Zeitpunkt gebunden ist. So enthält z. B. die Mutter dem regierungsfähigen und europäisch gebildeten Tauhäuptling, Tseke Marischane, die Berechtigung zu völlig selbständigem Handeln als Regentin z. Zt. noch vor. Ein weibliches Häuptlingtum entspricht nicht dem patriarchalischen Charakter der Sotho-Tswana-Gesellschaft. Wo man weibliche Häuptlinge findet (nur bei den Nord-Sotho, nicht bei den Tswana), hat deren Stellung mit Ausnahme der Modschadschi in N-Transvaal den Charakter von Regentinnen für spätere männliche Häuptlingsnachfolger (fiir die SüdSotho vgl. 5, S. 300). Die besagte Stellung wird eigentlich nur von Häuptlingshauptfrauen bekleidet, nicht von Häuptlingstöchtern, die mit der Heirat das Gehöft verlassen. Da eine Frau nicht persönlich an den Regierungsgeschäften teilnehmen und sie ihren Willen nur über die Ratgeber geltend machen kann, wird durch eine weibliche Führung die Zusammenfassung der politischen Kräfte des Stammes geschwächt, was einigen Ratgebern stets zu selbständigerer Stellung verhilft. Leicht spinnt sich ein geheimnisvolles Dasein um einen weiblichen Häuptling, da die Öffentlichkeit ihn fast nie zu Gesicht bekommt. Eine Sonderstellung nimmt die mit Geheimnissen umgebene Häuptlingin Modschadschi ein, indem sich ihre Stellung in weiblicher Linie vererbt. Sie genießt in weiten Gebieten den Ruf als große Regenmacherin und soll früher ein grausames Regime mit Giftmorden geführt haben. Wie andere weibliche Häuptlinge soll sie sich eine große Zahl legaler Nachkommen gesichert haben, indem sie mit ihrem Viehbestand Frauen in Leviratsehe heiraten läßt, deren Kinder ihr zugerechnet werden. Der p o l i t i s c h e und w i r t s c h a f t l i c h e W i r k u n g s k r e i s des Häuptlings In der politischen Geschäftigkeit außerhalb der Stammesgrenzen ist der Häuptling der Sprecher des Stammes und steht mit den Nachbarhäupt6

BreoM.

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lingen durch stets bereite Boten —jeweils ein bestimmter für einen Häuptling — in Verbindung. Für Vergehen von Untertanen ist der Häuptling, besonders wenn er nicht der Mächtigere ist, nach außen verantwortlich. Er beobachtet weigehend das Verhalten der ihm untergebenen Häuptlinge und Autoritäten. Beides zusammen sichert den Stamm vor der Gefahr von Friedensbrüchen seitens einzelner Stammesangehöriger. Uneinigkeit zwischen zwei Häuptlingen kann je nach Art des Falles durch einen dritten, einen wahrscheinlich mächtigeren oder ranghöheren Häuptling geschlichtet werden (vgl. 77, S. 6). Das gilt vor allem, wenn Streitigkeiten in den Häuptlingssippen selbst vorliegen. Ausgesprochen kriegerische Auseinandersetzungen entwickelten sich früher etwa um die Erwerbung eines neuen Wohngebietes, zur Unterwerfung von Nachbarn oder bei Grenzstreitigkeiten — wo Grenzen von großer Bedeutung waren, nämlich in Bezug auf die regelmäßige Wasserversorgung aus Quellen. — Den äußeren Umfang kriegerischer Handlungen beschreibt Schapera (145, S. 194). Danach sind die Angriffe kurz, mit denen man einen Ort umstellt, soviel Männer wie möglich tötet, Frauen, Kinder und Vieh raubt und die Gehöfte dem Feuer überläßt. Das wiederholt sich, bis der eine Häuptling um Frieden bittet, sich den feindlichen Wünschen fügt und dauernden Tribut zu zahlen bereit ist (die vielen Einzelheiten über das Kriegswesen der Sotho-Tswana berichten die alten Quellen; 71, S. 177 — 198; 8, S. 67—72). Die Angriffe werden nicht von den Häuptlingen persönlich angeführt, vielmehr erhalten die Führer der Altersklassen, die meist Verwandte des Häuptlings sind, bestimmte Aufgaben zugewiesen, deren Pläne sie vorher mit dem Häuptling zusammen gefaßt haben. Auch ist der Häuptling nicht für einen unglücklichen Ausgang des Krieges verantwortlich, sondern seine Anführer (71, S. 178). Die politischen und wirtschaftlichen Aufgaben des Häuptlings innerhalb des Stammes erstrecken sich auf die Kontrolle der untergebenen Autoritäten, die Rechtsprechung, die Verkündung von Gesetzes- und Verordnungsbeschlüssen, die Bodenverteilung und das gelegentliche Interesse für die wirtschaftliche Nutzung des Bodens, ferner auf die Aufsicht über permanente Ab- und Zuwanderimg seiner Untertanen, die Meldungsentgegennahme von Todesfallen und besonderen Besuchern, die Festsetzung von Terminen für verschiedenste Zeremonien und Arbeiten, dazu heute noch auf die Schaffung und Unterhaltung neuzeitlicher Einrichtungen auf dem Gebiet der Erziehung, der Mission, des Gesundheitswesens, wie auch für Anbau, Bewässerung, Viehzucht und Steuereinziehung. Den breitesten Raum dieses Aufgabengebietes nimmt die Rechtsprechung ein, die entsprechend dem Stammesgefühl das von den Ahnen gewünschte Gleichgewicht der Ordnung aufrecht erhalten soll. Die Tätigkeit des Häuptlings besteht darin, das Urteil zu fallen, nachdem er den vom öffentlichen Rat festgestellten Sachverhalt und Schuldbefund selbst mitangehört hat, oder dieser ihm durch den obersten Ratgeber mitgeteilt worden ist. Bei Abwesenheit oder Krankheit kann er, wenn der Fall kein Warten zuläßt, von dem Rangnächsten — seinem oder seines Vaters nächstältestem Bruder gleicher Mutter — vertreten werden. Die behandelten Fälle können privatrechtlicher Natur sein, die Familienordnung, das Eigentum oder ver-

III. Die Bedeutung des Rangsystems

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schiedenartige Beleidigungen betreffen, sie können aber auch strafrechtlicher Natur sein, wie Ungehorsam gegen den Häuptling, schlechtes Verhalten gegen die anerkannten politischen Größen oder bei Verhandlungen, Hexerei u. a. und es kann sich drittens um Bezeugungen des Häuptlings oder Rates über private Abmachungen und Versprechungen handeln. Die obere Grenze der Zuständigkeit und des Strafmaßes einer Instanz ist von der Regierung festgelegt, so daß ein Häuptling nach Brookes (in 142, S. 249) im Strafrecht die Befugnis bis zu 5 £ oder 2 Rindern hat. Berufung bei Unzufriedenheit über das Urteil, sowie größere Fälle unterstehen der europäischen Verwaltung — d. i. zunächst der Eingeborenen-Kommissar bzw. der Magistrat —, der auch das Recht über Todesurteile zu entscheiden obliegt, das früher dem Oberhäuptling vorbehalten waz. Die Verwaltung besteht auf Bestrafung von Mord und Diebstahl (8, S. 88), die nach Eingeborenenanschauung weitgehend privatrechtlicher Natur waren. In Bezug auf das Rangwesen ist es von Interesse, daß ein wesentlich höherer Rang gegenüber einem niedrigeren bei dem Rechtsentscheid praktisch bevorzugt wird, wogegen Bestechung des Häuptlings durch Vermögende — die nur zur Nachtzeit geschehen kann — nicht oft genutzt wird. In solchen Fällen würde außerdem die abweichende Haltung des Häuptlings vom Rat schnell entdeckt. Eine gewisse Schwächung erfährt der Häuptling in der Rechtsprechung dadurch, daß bei der europäischen Verwaltung gegen sein Urteil Berufung eingelegt werden kann. In der Gesetzgebung sind sozial einschneidende Wandlungen seitens des Häuptlings selten beschlossen worden, da der Stammeswille die Aufrechterhaltung aller Tradition hütet. Wo solche Wandlungen vorliegen, ist Anregung und Einfluß der Mission leicht festzustellen. Es war dies nützlich, soweit die Todesstrafen in Hexenprozessen hierdurch ein Ende nahmen, führte aber in der Mehrzahl der anderen Fälle, wie der Ablehnung von Institutionen, die weitgehend den Stammeszusammenhalt und seine innere Ordnung bedingten, zur völligen Verwirrung mit den entsprechenden Folgen, wie z. B. bei einzelnen Stämmen Verbote der Initiationsschulen, Viehheirat, in gewissem Maße Polygamie, oder Einführung von ehelicher Gütergemeinschaft und Mündigkeit der Frau. Die gesetzgebende Tätigkeit der Stammesffrhrung bezieht sich auf Verfügungen, meist neuzeitlichen Inhalts, wie, um Beispiele zu nennen, etwa darauf, den privaten Verkauf von Vieh und Getreide an Europäer oder farbige Händler nur mit der Genehmigung des Häuptlings geschehen zu lassen (Kxatla), die Niederlassung weiterer indischer und syrischer Händler im Ort zu verbieten (Kwena, Molepolole), die Regelung und Verteilung der Wassernutznießung für Bewässerungszwecke, Reinhaltung des Trinkwassers (Hurutse und Pedi), Sonderabgaben für öffentliche Zwecke, wie Landkauf, Schul- und Kirchenbau mit den Unterhaltungskosten usw. zu erheben, öffentliche Arbeiten zu beschließen u. a. m. Wichtige Beschlüsse und einige Verordnungen der europäischen Verwaltung werden durch den Häuptling der Volksversammlung (pitso) verkündet und in einzelnen Fällen dort weiter besprochen. Der Häuptling hat das Recht, den Boden in seinem Gebiiet nach seinem Ermessen zu verteilen und die Grenzen festzusetzen. Er bestimmte früher den Bereich der Unter- und Dorfhäuptlinge, die wieder — wie er im Gebiet 6*

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seiner ihm direkt unterstellten Familien — den Sippen und Familien die Äcker einmalig zuteilen. Durch die europäischen Eigentumsbegriffe ist gerade das Bodenrecht stark den Versuchen der Neuformung unterworfen — eine Frage, die dringend ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung wartet — und von Einfluß auf die Stellung des Häuptlings. In Sekukuniland ergibt sich z. B. bei einzelnen Untertanen mit privatem Bodenbesitz, daß diese sich vom Häuptling unabhängiger fühlen und sich in Ermangelung von Zwangsmitteln ungehorsam zeigen. Die Erweiterung der Wohngebiete eines Stammes kann nur noch durch Bodenkauf geschehen, den der Stamm gemeinschaftlich vornimmt und verteilt. Der Häuptling kann den Befehl zu öffentlichen Arbeiten geben, zu denen auch die für den Häuptling persönlich zu leistenden Dienste gehören. Für solche Arbeiten wird nach Altersklassen — das sind die Beschneidungsjahrgänge — aufgerufen, wobei Bauarbeiten am Häuptlingsgehöft mit den Kraalpalisaden vor allem den jüngsten Jahrgängen, die jährlichen Arbeiten auf den Häuptlingsäckern allen arbeitsfähigen Jahrgängen zufallen und alte Männer früher zuweilen zum Nähen von Felldecken eingeladen wurden. Unter neuzeitlichen Verhältnissen hat sich der Einsatz von Altersklassen insofern geändert, als der Bau europäischer Gebäude für Schul- u. a. Zwecke spezielle Fertigkeiten verlangt und für Ackerdienste Eigentümer von Zugochsen, Pflügen und Wagen von besonderem Wert sind. Stellenweise kritisieren die Leute den Häuptling offen wegen Mißbrauchs der unbezahlten Zwangsarbeiten und andere verschwinden in die Städte, wenn große Arbeiten in Aussicht stehen (142, S. 50). Aber auch die eigennützige materialistische Anschauung vieler Lohnarbeiter stellt sich gegen die Verpflichtung zu öffentlichen Arbeiten. Wer durch handwerkliche Fertigkeit die Möglichkeit hat, etwas zu verdienen, entzieht sich einer solchen Arbeit gern, wenn er z. B. als Tischler für den Bau einer Stammesschule kostenlos für den Häuptling tätig sein soll. Wer sich bei öffentlichen Arbeiten nicht beteiligen kann oder will, zahlt einen Geldbetrag. Auch wer die Feldarbeit für den Häuptling nicht leistet, ist verpflichtet, ein Rind, zwei Ziegen oder 1 £ zu geben, woraufhin der Häuptling im Weigerungsfall seine Jungmannschaft zur Einziehung einsetzen kann. Für Botendienste kann jeder in Anspruch genommen werden. Die für den Häuptling geleistete Arbeit wird von heutigen Eingeborenen als Gegenleistung für die Bemühung des Häuptlings um die öffentlichen Interessen, seine Verwaltungstätigkeit, Hilfs- und Versorgungsverpflichtung angesehen. So wie jeder andere für geleisteten Tagesdienst Verpflegung und Bier gibt, hat auch der Häuptling während der Zeitdauer eines Initiationslagers die Verpflegung zu stellen. Aber auch ganz allgemein soll der Häuptling seinen Reichtum nach alter Anschauung zum Wohl des Volkes verwenden. Daher versorgt er auch Arme und Alte mit Speisen, wenn sie darum bitten und keine Angehörigen haben. Er läßt sie sein Vieh hüten und ist dafür bei der Verheiratung mit einer Viehgabe behilflich oder gibt in längeren Zeitabständen ein Stück Vieh als Geschenk. Bei Hungersnot stellt er seinen Kornbestand mit zur Verfügung. Das geschieht heute allerdings durch den Beginn einer europäisch-individualistischen Einstellung auf persönlichen Gewinn viel weniger als früher. Ein alter Tswana

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charakterisierte die Lage ironisch: „Wenn wir in der alten Zeit Hungersnot hatten, half uns unser Häuptling, wenn heute Hungersnot ist, hilft der liebe Gott." Es besteht ein stetiges Verhältnis von Geschenken, Gaben und Gegengaben, das freilich heute zwischen Volk und Häuptling aus genannten Gründen seine Abschwächung erfahren hat. Dem früheren Anteil des Volkes am Wohlergehen des Häuptlings stehen verschiedenerlei Abgaben an den Häuptling gegenüber. Zunächst gibt es eine Art Luxussteuer, die der Huldigung des Häuptlings dient und die der Pedi-Oberhäuptling Moukangoe (Mitte des 17. Jahrhunderts) in Zeiten des Wohlstandes eingeführt haben soll (77, S. 5), sich aber auch bei den Tswana findet. Danach erhält der Häuptling von jedem geschlachteten Rind die rechten drei vorderen Rippen (sehuba), von einer großen Menge frisch gebrauten Bieres seinen Teil u n d früher wurden nach der Ernte Körbe (leselo) mit Getreide (So.: madutla, Tsw.: dikxafela) für ihn gesammelt. Etwas ähnliches scheint die übliche Entrichtung von £ 1 an den Häuptling von jedem von der Lohnarbeit zurückkehrenden Arbeiter in Transvaal und Betschuanaland zu sein — das ist im Koni-Gebiet nach Hoffmann (71, S. 178/9) von den Pedi übernommen —, mit der m a n seinen Häuptling „ g r ü ß t " oder in dem Zusammenhange auch von „ s e h u b a " spricht. I n der ersten Zeit der Minenarbeit sollen etwas Gold oder Diamanten gegeben worden sein. Wer sich beim Häuptling eine freundliche Stimmung sichern will, macht ihm eine Ziege oder Werte von etwa 10 sh zum Geschenk, u m das Herz des hohen Herrn, wie man in Afrika sehr verbreitet sagt, „weiß" zu machen. Auch von fremden Besuchern werden Geschenke erwartet und früher verstand m a n solche Gelegenheiten stellenweise, wie Fritsch von der KxatlaH a u p t s t a d t berichtet (50, S. 322), gründlich zu nutzen. Das Gleiche gilt, wenn der Häuptling irgendwo einen Besuch abstattet. Eine gewisse Einnahme des Häuptlings ist das anläßlich der Initiationsschule f ü r jeden Zögling einzuzahlende P f u n d Sterling. Nicht unbeträchtlich können die Einnahmen aus der Rechtsprechung sein, indem der Häuptling an einer auf dem Rechtsweg beglichenen Schuld, außer den Strafzahlungen, seinen Anteil hat, wofür beispielsweise Ashton f ü r Basutoland die Spanne von £ 1 bei einem kleinen Dorfoberhaupt bis zu £ 200 p. a. f ü r einen großen Häuptling angibt (5, S. 305). F ü r besondere öffentliche Zwecke — vorwiegend f ü r Landkauf — k a n n eine regelmäßige oder einmalige Abgabe beschlossen werden, von der der Häuptling k a u m privaten Nutzen hat. Ein interessantes, aber vielleicht nötiges Druckmittel zur Sicherung der Mittel f ü r Landkauf war (1936) bei einem Tau-Häuptling üblich, der erst dann die Heirat eines jungen Paares zuließ, wenn £ 6 des von jedem f ü r Landkaufzwecke zu zahlenden Betrages von £ 10 eingezahlt waren. Als Sondereigentum des Häuptlings, dessen alleiniger Besitzer n u r er sein kann, gelten Leoparden- und Gepardenfelle, die ihm stets abgeliefert werden müssen und wofür er den Jägern ein Rind zu geben hat, ferner bestimmte Glas- und Steinperlen und, was heute keine Bedeutung mehr h a t , Gold u n d Elfenbein. Die grundlegenden Wandlungen des Häuptlingstums greifen in ihrer Be-

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deutung derart in die gesamte soziale Ordnung ein, daß sie nachfolgend unter allgemeinen Gesichtspunkten besprochen werden, dagegen sei an dieser Stelle nur das formelle Verhältnis zur Regierung berührt. Die Oberhäuptlinge sind nicht mehr alleinige Herren ihrer Gebiete, sondern der „Governor-General" wird als „ Supreme Chief" aller Eingeborenenbezeichnet (Administration Act 1937 Nr. 38). Er kann Stämme teilen, verschmelzen oder innerhalb der Südafrikanischen Union verschieben. Die Stämme haben in den Reservationen ihre festen engen Grenzen gefunden. Wanderungen von Stammesteilen und kriegerische Auseinandersetzungen haben aufgehört. Die Stellung des Häuptlings soll der Form nach in den Protektoraten Betschuanaland und Basutoland eine freiere sein als in den Reservaten der Union, wobei sie stets nur auf die Vermittlung zwischen Regierung und Stamm beschränkt bleibt. Die Regierung setzt Häuptlinge mit einer Bestätigung ein und kann unerwünschte Häuptlinge aus deren Amt entfernen, wobei oftmals wenig Gewicht darauf gelegt wird, ob jemand im Volk wirklich das Ansehen der Häuptlingswürde und damit die Autorität genießt (88, S. 261). Die Regierung behält sich in der Gerichtsbarkeit Todesstrafen und schwere kriminelle Vergehen zu bestrafen vor. Sie erhebt durch den Häuptling die Steuern und zwar in der Union eine Kopfsteuer („Polltax") von jedem „scheinbar" 18 Jahre alten männlichen Eingeborenen in Landgebieten in Höhe von 1 £, in Stadtgebieten 10 sh mehr und eine Hüttensteuer von jedem Inhaber einer Hütte oder Behausung im Reservat oder in einer Lokation. — Die Art der Steuereintreibung wird von den Eingeborenen als ungerecht empfunden, da Nichtzahlung ohne Rücksicht auf Zahlungsfähigkeit mit Gefängnis bis zu 3 Monaten oder Zwangsarbeit bestraft wird und j eder Eingeborene verhaftet werden kann, der einem Polizisten oder einer dazu befugten Amtsperson seine Steuerquittung nicht vorlegen kann. — Der r e l i g i ö s - k u l t i s c h e W i r k u n g s k r e i s des H ä u p t l i n g s Die priesterliche Stellung des Häuptlings wird ausgedrückt durch sein Verhältnis zu den Ahnen. Darin liegt die eigentliche Bedeutung des Rangwesens. Mit Hohen und Großen kann nicht jeder persönlich reden — vielleicht mag das ursprünglich Scheu vor magischer Kraft gewesen sein —, sondern nur immer ein dem Übergeordneten nahestehender Vermittler. Der Häuptling hat mit seinen und seines Volkes Ahnen auf Grund der direkten verwandtschaftlichen Linie die engste Verbindung unter den Lebenden, andererseits ist sein Abstand von den Ahnen wiederum der ihrer magischen Kraft, ihrer großen Erfahrung in allen Dingen auf Grund ihres Alters und ihrer Transzendenz. Jedoch vereint der Häuptling zum Unterschied von den mit ihm lebenden Untergebenen starke magische Kräfte in sich, die er ererbt hat. So wie der Häuptling in politischen Angelegenheiten der Vertreter und Sprecher seines Stammes nach außen ist, so ist er dies damit auch in religiösen Angelegenheiten bei der überirdischen Welt. Das Volk wendet sich über ihn an seine Ahnen für die Fruchtbarkeit der Felder und der Herden. Für das allgemeine Wohlergehen einer Gruppe sollen regelmäßige Ahnengebete von dem jeweiligen Rangobersten einer Gruppe — Familie, Sippe,

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S t a m m — ausgeführt werden, deren praktische Einhaltung aber je nach Gewissenhaftigkeit der Betreffenden schwanken wird. Während allgemein in den Familien die Ahnen k a u m weiter zurück als drei Generationen — Vater, Großvater, Urgroßvater — bedacht werden (166, S. 6), kennen die Häuptlingsfamilien größere Ahnenreihen u n d einzelne sagenhafte Ahnen, wie der als Häuptlings- u n d Trinkgruß vielgenannte, aber religiös weniger bedeutende Thobela der Nord-Sotho, oder der Menschen- u n d Tierschöpfer Thobexe der Tswana. Die Ahnenverehrung k a n n öffentlicher u n d privater N a t u r sein. Privater Natur sind die Anliegen der Sippen- oder Familienhäupter, so auch des Häuptlings im Rahmen seiner Familie, die ihre Ahnen u m Schutz bei gewissen Unternehmungen, Befreiung von privaten Übeln, Eheschließung, Geburt u n d die Gesunderhaltung der Kinder u. ä. bitten. Die Wünsche f ü r das öffentliche Wohl erbittet der Häuptling von den Häuptlingsahnen. Solche sind Anliegen, wie Regenfall, Fruchtbarkeit des Bodens, Schutz der Ernte, Fest der ersten Früchte, Vermehrung u n d Schutz der Herden, im K a m p f siegreich u n d auf der Mannschaftsjagd erfolgreich zu sein, Befreiung von Epidemien, Schutz der Initiationszöglinge, Heirat der H a u p t f r a u des Häuptlings, Tod eines Häuptlings u. a. Die zu den Ahnen gesprochenen Wünsche werden durch Gaben, wie Bier und Breispeisen, u n d durch Opfer von Ziegen oder Rindern, die m a n in Gemeinschaft mit den Ahnen bei gewissen Gelegenheiten verspeist, unterstützt. F ü r alle besonderen Angelegenheiten genügen nicht n u r die Hilfebemühungen der Ahnen, sondern die Dinge u n d zuvor die Ahnen selbst müssen durch zauberische Manipulationen mit jeweils bestimmten magischen Medikamenten beeinflußt werden, deren Anwendung in vielen Fällen erst durch den Wurf der Orakelknochen (ditaola) festgestellt werden muß. Bei der großen Bedeutung der Ahnen und der Magie bei diesen Stämmen, mit denen der Häuptling in engster Verbindung steht, h a t sich dieser mit einem Teil des Wissens aus der Magie der Medizinmänner bekannt gemacht u n d besitzt selbst eine Reihe von Medizinen. Trotzdem ist in den meisten Fällen f ü r den Häuptling noch die Unterstützung seitens spezialisierter Medizinmänner nötig. Mit dem Wurf der Orakelknochen werden die unglückbehafteten Tage festgestellt, denen m a n durch besondere Handlungen u n d Arbeitsenthaltungen entgegentritt. Der Häuptling gibt somit die Tage der Arbeitsenthaltung, etwa nach Todesfällen, Hagelstürmen, Neumond und Zaubermedizinversprengung auf den Feldern u n d Wegen bekannt. E r verkündet ferner den Beginn magisch gefahrvoller Unternehmungen, wie die Initiation der Jugendlichen, den Genuß der ersten F r ü c h t e (siehe Fest der ersten Früchte I H d ) , u . a. Zeremonien, sowie den Beginn der Feldarbeit u n d die Freigabe der abgeernteten Felder zum Abweiden durch das Vieh. Die Rangstellung des Häuptlings — vielleicht ursprünglich seine größere magische K r a f t — verlangt, daß er in vielem vor seinen Untertanen den Anfang macht, so daß z. B. bei ihm die Felder zuerst bestellt werden müssen, ehe die Familien ihre Felder zu pflügen beginnen, daß beim Abweiden der Stoppelfelder die Rinder des Häuptlings zuerst dorthin getrieben werden, oder daß nach Holub (74, S. 420/1), wenn bei den Tswana

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z. Zt. der Kafferkornreife die Stämme eines Dornbusches (Accacia detinens) geschlagen werden, zuerst damit der königliche Viehkraal ausgebessert werden muß, ehe sich jemand überhaupt mit Asten von diesem Busch im Ort sehen lassen darf. Diese Vorrangstellung des Häuptlings, sowie die Arbeitsenthaltung ist heute bis auf Ausnahmen verschwunden. Je nach Ausdehnung des Übels ist der Feldschutz Sache des Häuptlings. Er veranlaßt, daß bei Würmer- (Raupen?), Heuschrecken- und Vogelplagen von dem Zauberer bereitete Medizinen durch Kinder auf die Felder versprengt werden (xo upa), daß der Medizinmann gegen Hagelstürme mit seiner aus dem Beinknochen des Sekretärvogels gefertigten Pfeife (makana) wirkt und daß in unfruchtbaren Jahren die Saat (vgl. 162, S. 79) mit wachstumsfördernder Medizin des Häuptlings vermischt wird. Der Häuptling mußte früher die Stadt jährlich gegen feindliche Angriffe wirklicher und magischer Art durch Schutzzauber (lipeku) sichern (von Mackenzie für die Ngwato beschrieben 110, S. 383ff.), er hatte seine Krieger magisch stark und unbesiegbar zu machen und besaß im Tau-Gebiet (Sekukuniland) eine Medizin (maima), die jeden beschnittenen männlichen Untertanen, nachdem der Häuptling beim Regierungsantritt seine Hände in diese Medizin getaucht hatte, an seine Macht band. — Die Medizin enthielt die bei der Beschneidung abgetrennten Vorhäute, die anderenorts und vor allem in heutiger Zeit verbrannt oder vergraben werden. Unter Namennennung mit einem Stock in den Topf zu zeigen, soll dem Häuptling ermöglicht haben, den Betreffenden zu töten. — Durch den großen Regenmangel in diesen Gebieten Süd-Afrikas haben die Regenzeremonien eine besondere Ausprägung erhalten und können bei guten Erfolgen das Ansehen des Häuptlings, auch bei den Nachbarn, außerordentlich fördern. Wegen der großen Bedeutung und um die Vielfältigkeit solcher Zeremonien zu veranschaulichen, möge hinsichtlich der Regenzeremonien eine eingehende Beschreibung dienen. Die Sotho-Tswana kennen eine kleine alljährliche und eine große außergewöhnliche Regenzeremonie. Die kleine Regenzeremonie ist magischer Natur und somit ein Regenzauber, bei dem der Regenzauberer (moroka), vielfach ist der Häuptling das zugleich, eine besondere Rolle spielt. Die große Regenzeremonie richtet sich, nachdem alle zauberischen Maßnahmen vergeblich blieben, vermittelnd an die Stammesahnen, wobei dem Häuptling entsprechend seiner priesterlichen Stellung die Darbringung der Opfer und Gebete zufällt und er von den Regenmachern Hilfe für die zusätzlichen magischen Handlungen, sowie von den alten Ratsherren Hilfe bei der priesterlichen Tätigkeit in Anspruch nimmt. Die kleine und die große Regenzeremonie werden beide vom Volk beim Häuptling erbeten. Der Regen ist gegenüber der sonst üblichen Feldfürsorge gegen Unwetter oder kleines und größeres Getier eine so umfassende Angelegenheit, die sich dazu über große Gebiete erstreckt, daß nur die Ahnen eines großen Häuptlings und durch dessen Vermittlung, als göttlicher Machthaber über den gesamten Boden, das Himmelselement — bei sehr vielen Stämmen wird der Himmel männlich gedacht — zur Befruchtung der Mutter Erde bewegen können (vgl. 115, S. 3). Dabei ist ein großer Häuptling der einzige Vermittler zu den Stammesahnengöttern der Unterwelt entsprechend dem

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höchsten Rang, den er auf Erden einnimmt. I h m ist der Regen von allen im Stamme lebenden zu verdanken, man sagt der Regen kommt „ v o m " Häuptling und denkt dabei wahrscheinlich im Sinne des Yermittelns. Es zeigt sich bei den Regenzeremonien besonders, daß der Rang bei den SothoTswana in erster Linie religiös u n d erst sekundär politisch begründet ist. Die Ausübung der Regenzeremonien geht bei den Sotho-Tswana in ziemlicher Übereinstimmung vor sich. Nur f ü r das Gebiet der Modschadschi-Königin (in N-Transvaal) ergeben sich nach der Beschreibung von Fräulein Krige (88) einige Unterschiede. Die kleine Regenzeremonie, die heute vielerorts in Vergessenheit gerät, wird zur Zeit des Pflügens vorgenommen — bei den Kxatla bevor jemand pflügt, bei den Pedi nach dem Pflügen —, in der m a n die ersten Regen erwartet. Wenn der Stern naka (Canopus), das ist ungefähr im November, sichtbar wird, der den Beginn des neuen Jahres anzeigt (49, S. 241; 93, S. 209), gehen die Leute zum Häuptling und bitten darum, daß die Regenmedizin hergerichtet werden möge. Die Zauberer stellen zugleich an H a n d der Zauberknochen, die hierbei als Ausnahme in Wasser gelegt werden, fest, was das neue J a h r bringen und wie der Regen ausfallen wird. Bei unsicheren guten Aussichten wird daraufhin dem Häuptling vorbeugenderweise Medizin (sethokxolö) gegen unerwünschte Ereignisse verabfolgt (49, S. 242). Darauf folgt die Herstellung der Regenmedizin hinter einer besonders dafür bestimmten Umzäunung (kxotlwana sa pula), innerhalb der sich eine Feuerstelle u n d ein, oder bei anderen Stämmen mehrere, Medizintöpfe befinden. Die Medizin wird bei strengstem Ausschluß der Öffentlichkeit vom Häuptling u n d seinen Regenzauberern (baröka sa pula) angerichtet, nachdem vom Volk ein Teil der nötigen Medikamente herbeigeschafft wurde. Die besonders fähigen Regenmacher kommen aus fremden Stämmen regenreicherer Gebiete; vor allem sind das die Baröka, alte Einwohner des Gebiets der bekannten Königin Modschadschi in Nordtransvaal (39, S. 392). Medikamente, die in der Öffentlichkeit bekannt sind u n d vor allem herbeigeschafft werden müssen, sind Holzarten, die am Wasser gewachsen sind, Zwiebeln u n d Wurzeln verschiedener Art, wie nach Schapera (138, S. 212) mothlware (Olea verrucosa), tejang, kxöphane, moxoxa. Bei den T a u wächst f ü r den Zweck im Gehöft des Häuptlings mit Hilfe von besonderer Medizin ein B a u m (ledutladutla). Diese Medizinbestandteile werden dann zerkleinert, gemahlen u n d mit Wasser angerührt, jedoch nicht gekocht. Bei den K x a t l a wird Mamba- und Schweinefett hinzugefügt, bei anderen Stämmen Organe u n d Haare von verschiedenen Tieren. Weiter kommen geheime Medikamente der Regenzauberer hinzu, wie Teile von nach Stammessitte getöteten Kindern, die mit Wasser im Zusammenhang stehend gedacht werden. — Kinder, die mit den Füßen zuerst zur Welt kommen, solche, die zuerst die Oberzähne erhalten, wie einer von Zwillingen müssen getötet werden, meistens mittels kochenden Wassers. Solche Kinder, ebenso j u n g gestorbene Kälber, müssen in der Nähe von Wasser bestattet werden.—Ein wichtiges Medikament ist die H a u t eines verstorbenen Häuptlings (vgl. Willoughby, 166, S. 212 f ü r die Ngwato, Krige f ü r die Lobedu u . a.), die bei den Pedi, Tau u. a. nach dem Tode vom Kopf

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gelöst wird. Bei den Lobedu, in Verwandtschaft mit nördlicheren Nachharn, ist der Körperschmutz des verstorbenen Häuptlings (93, S. 208), worin der Schweiß der wesentliche Bestandteil sein wird, von großer Bedeutimg. In großen Töpfen werden die genannten Medikamente mit viel Wasser vermengt, das von einer Reihe „matumasha" — d. s. kleine Mädchen, die noch nicht die Reifeschule besucht haben — in kleinen Töpfen herbeigetragen wird und wobei die Mädchen bestimmte Lieder singen müssen. Erwähnt sei die Anrede in einem von Schapera (138, S. 214) veröffentlichten Regenlied, das die Reihenfolge derer zeigt, die auf den Regen Einfluß haben, nämlich der verstorbene Häuptling der Kxatla, der Regent Isang und der derzeitige Häuptlingsnachfolger Molefi, der heute Häuptling ist. Verstorbene Häuptlinge werden in den von Ellenberger aufgezeichneten Liedern besonders genannt (43, S. 253/4). Zugleich richten die Regenmacher Ruten mit Medizin her. Am folgenden Tage finden sich die Mädchen wieder ein, zusammen mit den „mashovoro", den unbeschnittenen Knaben. Die Töpfe der Mädchen werden mit der beschriebenen Zaubermedizin gefüllt, die Knaben erhalten die Ruten. Dann werden alle Gehöfte mit dem Zauberwasser besprengt und auf den Pfaden, die zum Ort führen, wird in gescharrte Löcher davon gegossen und von den Knaben dabei jeweils ein Medizinstab quer über den Weg gelegt, um allem Bösen den Eintritt in den Ort zu verwehren und die zauberischen Bemühungen zu schützen. Bei den Kxatla wird die Medizin in Hörnern von den Knaben mitgefuhrt, die getrennt von der Tätigkeit der Mädchen ihre „dipeku" (Schutzzauber) auf die Wege legen. Währenddessen machen die Dorfbewohner durch Schreien viel Lärm (Xanawa, Tlokwa). Die Knaben und Mädchen erhalten für ihre Tätigkeit Geschenke und können alles Essen fortnehmen, das in den Gehöften gerade auf dem Feuer steht. Unter europäischen Verhältnissen erlaubten sich Lobedu-Knaben 1927 das Verfahren des Medizinabholens zu verkürzen, indem sie eine der Medizin ähnlich sehende Flüssigkeit bereiteten und versprengten. Interessant ist dabei, wie schwer die Übeltäter bestraft wurden, es wurde jedem eine Buße von 5 Rindern auferlegt (93, S. 224). Am gleichen Tage wird ein neues heiliges Feuer in der „kxotla" (Ratsversammlungsplatz) des Häuptlings nach alter Weise mit zwei Hölzern ge-'. quirlt, nachdem am Abend zuvor die Männer vom Rat etwas von einer breiigen Medizin in den Eingang eines jeden Gehöftes warfen, um zugleich damit anzuzeigen, daß am nächsten Morgen das alte Feuer nicht mehr brennen darf und die Feuerstellen gereinigt, bei den Ngwato (110, S. 385) sogar die Herdsteine entfernt sein müssen. Jedes Gehöft erhält von dem neuen Feuer ein paar glühende Stücke, um damit Feuer zu machen. In dem Regenzauberkraal aber wird mit Hilfe von Medizinen starker Rauch entwickelt, der als Analogiezauber mit den Wolken die Verbindung herstellen soll, „Weaving rain", wie Willoughby die Worte der Eingeborenen übersetzt. Die Ahnengeister sollen durch die Geister der Dinge beeinflußt werden, wenn Willoughby Recht hat (165, S. 57). Dazu gibt es noch einfache Analogiezauberhandlungen, wie z. B. bei den Tlokwa, daß man Wasser auf das Dach gießt und sich darunter stellt. Den Lobedu (93, S. 208) ist eine kleine heilige Trommel „ranxwedi" für die Regenzeremonien von großer

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Bedeutung — es ist zugleich die heiligste Trommel bei den Initiationsfeiern —, die mit der Cesichtshaut des verstorbenen Häuptlings oder des verstorbenen Häuptlingratgebers versehen ist u n d außen m i t dem Körperschmutz des verstorbenen Ratgebers eingerieben ist. W e n n die Wirksamkeit der Trommel früher dringend erneuert werden mußte, wurde einer aus dem Kreise des engeren Häuptlingsrates für den Zweck getötet. Menschentötungen f ü r den Regenzauber werden jedoch n u r als Ausnahmen angegeben. N u r selten wird nach der ersten Regenzeremonie der Regen einsetzen u n d m a n n i m m t dann zunächst an, daß bei den magischen Handlungen irgendein Formfehler unterlaufen ist oder, daß noch irgendwelche a n bereinigte Vergehen den Ärger der streng traditionsliebenden Ahnen erregen. Solche sind z. B., daß Kinder nach Stammessitte h ä t t e n getötet werden müssen oder Jünglinge, die in der Initiationsschule starben, nicht an der richtigen Stelle, nämlich in der Nähe von Wasser b e s t a t t e t worden sind oder die Leiche eines Erwachsenen nicht begraben wurde, ferner daß intime Beziehungen eines Mannes zu einer Witwe (die sich noch in der einjährigen Trauerzeit befindet und unrein ist) bestehen, auch daß Vergehen mit Mädchen, die noch nicht die Reifeschule durchgemacht haben, vorliegen, oder d a ß nach einer Bestattung nicht genug Wasser auf das Grab gegossen wurde (118, S.84) und vieles andere mehr. Eine ganze Reihe kleinerer Verbote kommen hinzu, wie z. B. daß m a n Elfenbein nicht offen dem Sonnenlicht aussetzen darf (29, S. 70), Beschneidungsschüler kein Wasser trinken dürfen, die Kleidung eines Verstorbenen nicht zu verbrennen ist, keine Fell- u n d Knochenreste offen herumliegen dürfen, m a n gewisse Schlangen nicht t ö t e n soll, da sie manchmal Wohngenossen der verstorbenen Häuptlinge sind — der Glaube daran geht so weit, daß wenn Dienstboten Fische, die mit Schlangen identisch gedacht werden, zubereiten sollten, lieber ihre Herrschaft verließen als den A u f t r a g auszuführen (50, S. 378). — Welche Vergehen vorliegen und wer sie begangen h a t , stellen die Zauberer mit ihren Divinationsknochen fest. Die Vergehen müssen darauf wieder der Ordnung entsprechend berichtigt, wie z. B. durch Umbestattungen von Leichen, oder gesühnt werden, wie z. B. bei sexuellen Vergehen, derentwegen beiden Partnern tiefe Schnitte beigebracht werden, aus denen das Blut f ü r Medizin aufgefangen wird (22, S. 134), oder bei einem gewesenen Zwiespalt zwischen Volk und Häuptling müssen Opfer gebracht werden, um die Häuptlingsahnen darüber zu beruhigen. Bleibt alles erfolglos, dann t r i t t der R a t zusammen, nachdem m a n mit Geschenken den Häuptling u m die große Regenzeremonie gebeten h a t . Auch hierbei müssen die Orakelknochen befragt werden, u m zu sehen, welche Schwierigkeiten noch im Wege stehen. Zwei Handlungen t r e t e n bei der großen Regenzeremonie besonders hervor, das sind die Regenjagd u n d die Rinderopfer. Für die Regenjagd r u f t der Häuptling die bewaffneten Männer mehrerer Beschneidungsjahrgänge auf. Bestimmte Antilopenarten, wie der Klippspringer (kome) u n d die Mpala-Antilope, „kolobo" bei den X a n a n w a u n d Tlokwa, „mokabayane" u n d K u d u bei den Kwena, müssen gejagt werden. Zuweilen müssen sogar Tiere, wie z. B. ein Pavian oder Klippspringer lebendig u n d unversehrt heimgebracht werden. Dabei fallen

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den verschiedenen Beschneidungsjahrgängen jeweils getrennte Aufgaben zu, wenn sie von mehreren Stellen ein Gelände umzingelnd das Wild zusammentreiben, um es zu töten. Von dem Wild werden dem Häuptling Geschenke gemacht. Nach der Jagd findet unterwegs bei den Tau und Pedi eine Zeremonie statt, bei der sich die Männer Fellhaare der kome-Antilope auf den Kopf legen und in gedämpftem Tone bestimmte Lieder singen. Der Nachfolger des Häuptlings verbringt in der Zeit mehrere Tage auf den Bergen zu, um nach Regen auszuschauen. Das lange Ausbleiben des Regens und die Unwirksamkeit der Regenzauberhandlungen wird in jeder Weise als eine Bestrafung von Seiten der Stammesahnen gedacht. Die Stammesahnen kann man nur durch Opfer und Gebete befriedigen, die wahrscheinlich in kleinerem Maßstabe schon bei den jährlichen Regenzeremonien vorgenommen werden. Dazu sagt Livingstone (104, S. 23) nach dem Wortlaut eines Eingeborenen, daß die Medizinen nur das Mittel wären zu den Ahnengöttern zu beten. Schon wenn die Häuptlinge der verschiedenen Bezirke zum Obersten Häuptling gehen, um seinen äußersten Einsatz für Regen zu erbitten, führen sie Opfertiere mit sich. Solche Opfertiere, seien es Ochsen oder Schafe, jedoch keine Ziegen (bei den Tswana), sind stets ganz schwarz. An den Opferhandlungen, die am Grabe des verstorbenen Oberhäuptlings stattfinden — letzteres befindet sich normalerweise im Viehkraal, zuweilen der Sicherheit halber aber in den Höhen der Berge verborgen — nimmt nur ein kleiner Kreis teil. Dazu gehören der regierende Häuptling, bzw. der Regent, sowie die Vaterschwester und einige der alten Ratsherren, soweit sie zur engeren Verwandtschaft des Häuptlings gehören. Allgemein wird berichtet, daß der Ochse, nachdem man dem Tier zu trinken gab oder es mit Wasser übergoß, geschlachtet wird, und der Mageninhalt, der für kultische Zwecke immer große Bedeutung hat, wird auf das Grab geschüttet; auch wird Bier auf das Grab gegossen. Darauf werden von der Person höchsten Ranges Worte an die Ahnen gerichtet, wobei über das durch die Trockenheit verursachte Los der Hinterbliebenen, die doch alle der Ahnen Kinder wären, geklagt wird, dann nach der Schuld gefragt und schließlich mit dem Hinweis auf die Opfer um Regen gebeten wird. Darauf wird das Fleisch des geschlachteten Opfertieres über Feuern bereitet und in Gemeinschaft mit den Ahnen gegessen, wobei der Rangstellung eines jeden entsprechend, oben angefangen, hintereinander gegessen wird. Bis zum folgenden Morgen muß alles aufgegessen sein. Die Knochenreste u. a. werden auf das Grab gelegt. Eine Abweichung wurde von Hurutse-Gewährsleuten angegeben, bei denen der Ochse nicht gleich geschlachtet, sondern am Grabe nur mit Zaubermedizin übergössen wird — urinierte er dabei, so war das ein sicheres Zeichen für zu erwartenden Regen —. Erst wenn Regen und Kornreife eingetreten waren, wurde der Opferochse geschlachtet und vom Häuptling und den Regenmachern im Regenkraal verzehrt. Hierbei handelt es sich also um eine Art Dankopfer. Kleinere Dankopfer werden auch von anderen Stämmen berichtet, nachdem sich die Bitten an die Stammesahnen erfolgreich gezeigt haben; zum wenigsten werden die Unterhäuptlinge dem Häuptling im Namen ihrer Untertanen Geschenke übermitteln. Zuweilen wird in Fällen von andauernder Trockenheit sogar ein seit langer Zeit vom Stamm verlassener Wohnort mit seinen

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Häuptlingsgräbern aufgesucht, u m dort die Opfer f ü r fast vergessene Stammesahnen darzubringen (138, S. 216). Das soll besonders f ü r solche älteren Ahnengötter geschehen, die noch als erfolgreiche Regenmacher bekannt sind. Willoughby (166, S. 211) berichtet, daß die Ngwato in verzweifelter Lage auch rituelle Menschentötungen vorgenommen haben, wobei der Häuptling anordnete, daß der erste, zweite oder dritte, der gerade an einem bestimmten Wege vorbeikommt, derjenige sein soll, den das Los t r i f f t . Gewisse Hautstreifen des Getöteten wurden vor allem gebraucht. Wie Wie die erwähnte ,,ranxoedi"-Trommel der Lobedu, scheinen diese Besonderheiten nach den Stämmen Südrhodesiens zu weisen. Es m u ß aber zwischen eigentlichen Menschen-,,Opfern" u n d Tötungen zu zauberischen Zwecken unterschieden werden (166, S. 215). Nicht selten sind Regenzauberer der Rache des Volkes zum Opfer gefallen, wenn das Mißtrauen sich nach endlosen Fehlschlägen gegen sie gewandt hat, dagegen erfahrt m a n nicht von der Tötung eines Häuptlings aus dem gleichen Grunde. Dies mag eine Bestätigung für die Trennung ihrer Aufgaben sein. Die zauberische Tätigkeit läßt gar leicht eine Betrugsmöglichkeit offen, oder aber die Fehlschläge beweisen die Unfähigkeit des Regenzauberers, der von den Leuten viele Gaben und Mühen dafür verlangt. Dagegen wendet sich der Häuptling in seiner priesterlichen Eigenschaft an die unsichtbaren, aber anwesenden Ahnen, denen m a n größeres Vertrauen entgegenbringt. Verschiedentlich sind Betrügereien der Regenzauberer bekannt geworden, wie z. B. Andersson (2, S. 460) aus dem Lande der Tawana (Ngami See) berichtet. Als der Regenmacher gerade schlief, fiel etwas Regen. Leute, die sich bei ihm sofort bedanken wollten, sahen, daß er geschlafen h a t t e u n d als sie ihrer Enttäuschung darüber Ausdruck gaben, daß er gar nicht mit dem fallenden Regen beschäftigt sei, antwortete er geschickt, ob sie denn nicht seine Frau, die gerade beim B u t t e r n war, aus Leibeskräften vor der Tür den Ledersack schütteln sähen. Die magischen K r ä f t e des Häuptlings beziehen sich besonders auf den Regen als Symbol aller Fruchtbarkeit, wie das die Handlungen u n d Zeremonien u m den Tod eines Häuptlings zeigen (Tod des Häuptlings z. T. bei H o f f m a n n 71, S. 183—187 beschrieben). Der Tod eines Häuptlings, der bei den Sotho und den Tswana durch einen herabfallenden „ S t e r n " angezeigt wird, ist zunächst n u r den Ratgebern und nächsten Verwandten bekannt u n d wird dem Volk erst nach der Bestattung u n d den Ahnenopfern, d. i. 1—2 Wochen später, eröffnet. Bei den Transvaal-Sotho (wahrscheinlich auch bei den Tswana) wird während einiger Tage der Verwesungsbeginn abgewartet, darauf die K o p f h a u t abgetrennt und die Körperhaare geschoren, u m beides f ü r Regenmedizin zu verwenden. Dann erst wird der Tote in die H a u t des Leitochsen seiner Herde in Hockerstellung eingenäht u n d begraben. I n Sekukuniland müssen darauf die Mädchen eine Woche täglich Wasser holen u n d über dem Grabe ausgießen, damit der Regen in Z u k u n f t nicht ausbleibe. Das hohe Ansehen, das der Häuptling entsprechend seiner Stellung bei den Regenzeremonien genoß, geriet seit der Einschränkung derselben in europäischer Zeit in Verfall, denn nur noch bei großer Trockenheit macht

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man von den Zeremonien Gebrauch. Das in Südafrika verhältnismäßig stark verbreitete Christentum konnte den Häuptling nicht in seiner Stellung bei den heutigen öffentlichen Gebeten um Regen stützen, wenn auch bei den Kxatla vielfach der Glaube besteht (142, S. 54), daß der Christengott über den Häuptling den Regen schickt. Ahnengötter duldet das Christentum in Yerkennung ihrer Bedeutung für die soziale Ordnung nicht, die Zivilisation ließ sie bei den jungen Stammesgenossen, sofern man sich nicht in großer Not befand, vergessen und somit wurde der Häuptling als priesterlicher Vermittler vom Volk zu den Ahnen, die sich wiederum nach irdischem Vorbild bei höheren Gottheiten um die Wünsche und Nöte ihrer Hinterbliebenen bemühen, in seinen Aufgaben, für Regen und Fruchtbarkeit im Lande zu sorgen, überflüssig. Das mag für den Glauben gleichgültig sein, nicht aber für die feste soziale Bindung vom Volk zu seinem Konzentrationspunkt, dem Häuptling. D o r f o b e r h a u p t , U n t e r h ä u p t l i n g und S t a d t t e i l o b e r h a u p t Das Dorfoberhaupt ist die einfachste politische Autorität und hat eine mehr naturhaft gegebene Stellung inne. Es ist nämlich aus einer Gruppe hervorgegangen, die eine eingewanderte oder wenigstens geschlossen wohnende Sippe als Kern darstellt. Ihm unterstehen in seinem Gebiet von der Größe einer Dorfsiedlung kleine Fälle in der Rechtsprechung, die Landverteilung, die Aufnahme von evtl. Zuwanderern. Er vertritt seine Gruppe beim Häuptling bzw. Unterhäuptling und bei den Ahnen. Der Begriff und die Stellung des Unterhäuptlings dagegen ist recht schwankend und verschiedenartig. — Eine knappe, genaue Untersuchung darüber durch einen Ethnologen wäre lohnenswert. — Unterhäuptling kann sein: ein Dorfhäuptling oder Sippenoberhaupt mit Außensiedlungen in seinem Bereich, ein unterworfener oder freiwillig untergebener Häuptling, dann ein einmal vom Häuptling über einen Bezirk ernannter Verwandter oder auch ein zu Würden gelangter Diener (motlhanka), der der Bezeichnung nach ein Viehlehn (kxamelo) inne hat (4, S. 70/71). Zum Unterschied von anderen Gebieten sind gerade im Tavana-Reservat nach Ashton (4, S. 70) die Unterhäuptlinge (district heads) nicht Verwandte und Ratsherrn (royal headmen) des Häuptlings; sie mögen bei der Weitläufigkeit des Gebietes wegen persönlicher Machtansprüche dem Häuptling zu unzuverlässig sein. Manchmal kann ein Unterhäuptling Herr über mehrere Unterhäuptlinge sein (145, S. 186). Ein Unterhäuptling als ein dem Häuptling unterstehendes Bezirksoberhaupt wird meistens als „toona" (sing, le-, plur. ma-) bezeichnet. Die gleiche Bezeichnung und der gleiche Aufgabenbereich gelten in den Städten der Tswana auch für das Oberhaupt eines Stadtteiles. So gibt z. B. der Oberhäuptling Sekwati (in Sekukumland) an, 16 „matoona" zu haben, die als Verwandte des Oberhäuptlings eingesetzt wurden und deren Amt vererbt wird. Der Unterhäuptling ist meistens weniger ein Vertreter des Häuptlings, als ein Oberhaupt und Vertreter der Bewohner seines Bezirkes unter der Oberherrschaft des Häuptlings. Doch hängt das davon ab, wie selbständig seine Stellung dadurch geworden ist, daß seine Familie das Amt seit Generationen, inne hat, daß er nächster Verwandter des Häuptlings ist oder in schlecht

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erreichbarer Ferne wohnt. Bei Bewährung wird das A m t meistens erblich. D a ß sich ferner die Stellung eines Dorfhäuptlings eher in den priesterlichfamilialen Gehalt des Rangwesens einfügte als die zum Unterhäuptling eingesetzten Untertanen ohne entsprechenden angeborenen Rang, ist bei der heutigen Auflösung der natürlichen religiös bedingten Bindungen von geringerer Bedeutung. Die Tätigkeit des Unterhäuptlings erstreckt sich im allgemeinen auf Folgendes: Die Vertretung seiner Gruppe beim Häuptling, ebenso beim Handel mit Fremden und im Verkehr mit den nächsten Nachbarn, die Einsammlung von Sonderabgaben f ü r den Häuptling, die f ü r den S t a m m etwa f ü r Landkauf, Schulbau, Viehgabe für die Heirat des Häuptlings, verwandt werden, oder Geschenke für den Häuptling, Ernteabgaben u n d in früherer Zeit Tribute (divexo), Entgegennahme und Bekanntgabe von Anordnungen des Häuptlings und der Regierung, sowie Besprechung von Anliegen der Kraalhäupter, permanente Ab- u n d Zuwanderung, sowie die Bodenverteilung in der Unterhäuptlingschaft; in beschränktem Maße die Rechtsprechung und damit verbundene Straf einnahmen; er k a n n zu öffentlichen Arbeiten und Botendiensten aufrufen, jedoch keine Arbeiten f ü r sich privat verlangen (Schapera und Goodwin in 145, S. 170), er n i m m t gelegentliche Geschenke an Fleisch, Bier u. a. entgegen, wie auch in einigen Gebieten die Anerkennungsgaben der zurückkehrenden Lohnarbeiter; in Zeiten der Hungersnot h a t t e er früher soweit wie möglich f ü r seine Leute zu sorgen und in Kriegszeiten für den Häuptling Leute auszuheben. Die Rechte eines „ t o o n a " im Pedigebiet erstrecken sieb jedoch nicht darauf, eine eigene Initiationsschule für die Jugend einberufen zu können. Zur Erledigung von Angelegenheiten beim Unterhäuptling wendet m a n — selbst Frauen t u n das — sich heute schon direkt an diesen u n d übergeht damit die Sitte, das Dorf- u n d Familienoberhaupt in Kenntnis zu setzen u n d vermitteln zu lassen. Das System, durch Dorf- u n d Unterhäuptlinge zu regieren , ist im allgemeinen f ü r den Häuptling eine sichere und billige Verwaltung, die n u r in einzelnen weitläufigen Gebieten, wie im Tawana-Reservat, größere Schwierigkeiten bietet (vgl. 4, S. 70). Die Einrichtung könnte f ü r die europäische Verwaltung einmal nutzbringend eingesetzt werden. Es k o m m t ferner nicht selten vor, daß eih Unterhäuptling mächtig genug ist und vor allem das volle Vertrauen seines Volkes genießt, wie z. B. ein „ t o o n a " in Randobeng (unter Sekukuni), jedoch von der Regierung trotzdem als Häuptling nicht anerkannt wird. c) Der R a n g in der Stammesführung und Träger besonderer Dienste f ü r den Häuptling Adelige und geheimer Rat Die größte Macht in der Stammesführung konzentriert sich normalerweise in dem Ranghöchsten, dem Häuptling. Nach dem Häuptling aber kommt die größte Bedeutung den „ b a k x o m a n n a " , die m a n als die Adeligen bezeichnen könnte, zu. Auch ihre Stellung entspricht der familial-religiösen Grundlage der Rangordnung, indem sie als Vaterbrüder, Brüder, Halb-

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brüder und Vettern die nächsten Verwandten des Häuptlings sind. Dennoch scheint der Begriff nicht ganz klar zu sein, indem man ihn nur bei politischer Bedeutung auf diese Verwandten anwendet. Die Adelszugehörigkeit, die im allgemeinen Ehrerbietung seitens des Volkes genießt, kann niemand, da er in sie hineingeboren wurde, genommen werden. Er könnte höchstens, wenn es nötig sein sollte, aus der Siedlung vertrieben werden. Eine gleiche an den Rang gebundene Rolle kommt den Verwandten der Häupter der Untergliederungen des Stammes im Verhältnis zu ihrem jeweiligen Oberhaupt zu. Die „bakxomanna", die Großen des Stammes, wohnen mit Ausnahme der „matoona", soweit diese dazu gehören, in der Häuptlingssiedlung (So.: moshate). Die „bakxomanna" stellen vor allem die wenigen Mitglieder für den „Geheimen R a t " des Häuptlings, der sich von den verschiedenen Formen des öffentlichen Rates abhebt. Weiter gehören zum geheimen Rat der Sprecher und Zeremonienmeister des Häuptlings (So.: mosteta e moxolo; Tsw.: ntona), der bei den Tswana kein Verwandter ist, und vereinzelte befähigte Männer, die sich als Mitglieder des öffentlichen Rates lange Zeit besonders bewährt haben. Außerdem kommt es heute nicht selten vor, daß der Häuptling persönliche Freunde mit hinzuzieht. Die Bezeichnung für den geheimen Rat lautet bei den Sotho „lekunuto" (Geheimnis), bei den Tswana (Hurutse, und in Transvaal bei den Xananwa) „kudutamaxa" (mit der Bedeutung „rot gefleckte Schildkröte"; der Vergleich rührt von dem Bild, das sich ergibt, wenn im Dunkeln die schattenhaften Gestalten ihre Köpfe um ein Feuer hockend zusammenstecken). Jede wesentliche Angelegenheit, außer der üblichen Rechtsprechung, die dem öffentlichen Rat unterliegt, wird im geheimen Rat unter dem Vorsitz des Häuptlings besprochen, ehe sie dem öffentlichen Rat zur Begutachtung mitgeteilt wird. Es wäre strafbar, wenn ein Mitglied vorzeitig über die behandelten Angelegenheiten nach außen hin sprechen würde. Im geheimen Rat kann jedes Mitglied dem Häuptling seine persönliche Meinung äußern, den Häuptling kritisieren und ihm Ratschläge geben. Auch wurden geheime Todesurteile in diesem Rat ausgesprochen (96, S. 79). Ein neuer Häuptling übernimmt, obwohl ihm das Recht, den bisherigen Rat zu entlassen, vorbehalten ist, die Ratsleute seines Vaters. Ausscheidenden alten Ratsleuten folgen deren Söhne nur dann in das Amt nach, wenn sie sich bei verschiedenen Gelegenheiten bereits besonders bewährt haben. Während der geheime Rat den Willen der Spitzen der Rangordnung in sich schließt, vertritt der öffentliche Rat weitgehend die Volksmeinung und ist daher kaum als eine Institution des Ranges, sondern der Gemeinschaft anzusehen (vgl. öfftl. Rat in IIb). V e r t r a u e n s p e r s o n e n , Boten und B e d i e n s t e t e des H ä u p t l i n g s Zu den Vertrauenspersonen des Häuptlings gehört der Sprecher oder Zeremonienmeister, dessen Amt durch die jeweils verschiedenen Gegebenheiten nach Gegend und Zeit eine veränderliche Erscheinung in der Auswahl der Person und Stellung zeigt. Während bei den Transvaal-Sotho verbreiteterweise das Amt des „motseta o moxolo" (Hauptbote) durch Häuptlingsbrüder oder -vettern versehen wird; kennt man bei den Tswana

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den sogen, „ntona" (pl. ditona) als Nichtverwandten. Er nimmt die Anmeldung aller Angelegenheiten und Rechtsfälle für den Häuptling entgegen, hat weitgehende Freiheit in Anordnungen und Besucher werden ihm anvertraut. Er ist überhaupt das Sprach- und Hörrohr des Häuptlings, vor allem, wenn es irgendwelche Beschlüsse mitzuteilen gibt. Bevor eine Angelegenheit, abgesehen von persönlichen Angelegenheiten des Häuptlings, im Rat verhandelt wird, bespricht der Häuptling sie mit seinem Sprecher oder läßt sich von ihm informieren. Nur in sehr schwierigen Fällen soll der Rat des Vaterbruders, dem des „ntona" vorgehen. Der „ntona" tritt ferner besonders für die Volksmeinung ein, wie man zu sagen pflegt. Bei den Hurutse hat der „ntona" 2—3 Gehilfen (barongor) unter sich, die nach den Hirten des Häuptlingsviehs sowie nach den Feldern und den darauf Beschäftigten zu sehen haben. Der „ntona" hat dem Häuptling für Sitzungen stets den Stuhl, nachzutragen und sitzt rechts von ihm. Ein junger Häuptling übernimmt zunächst den „ntona" des Vaters. Erst nach langer Überprüfung wählt der Häuptling dann einen „ntona" für sich aus, der von seinem Vorgänger viele Informationen für sein Amt erhält. Um selbständiger handeln zu können, haben Häuptlinge heute oftmals keine „ditona" mehr. Eine weitere Vertrauensstellung hat bei den Hurutse ein Halbbruder, der Sohn einer Nebenfrau des Vaters, der als „monnaakxosi" mehr Rechte als die übrigen Brüder des Häuptlings genießt. Haben die Häuptlingsbrüder oder der „ntona" Klagen gegen den Häuptling, so werden diese durch den „monnaakxosi" vorgebracht und andererseits gehen die Beschwerden des letzteren durch den „ntona" dem Häuptling zu. Eine gleiche und wahrscheinlich noch größere Vertrauensstellung nimmt dieser Halbbruder des Häuptlings bei den Sotho ein, wo er meistens zugleich der „mokxomanna motseta o moxolo wa moshate" (Adeliger, großer Bote der Hauptstadt) ist, d. h. beide vorgenannten Personen in sich vereinigt. Bei den Sotho, wie bei den Tswana ist er schicksalhaft mit dem Häuptling verbunden. Schon die Initiationsschule haben beide zusammen zu absolvieren, wobei der Halbbruder dem zukünftigen Häuptling „Feuer zu machen", d. h. ihn zu bedienen hat. — Hier zeigt es sich, daß kein Bruder von der gleichen Mutter die Stellung inne haben kann, da niemals zwei Kinder einer Mutter zugleich das unter einem Häuptling stattfindende Initiationslager besuchen können. — Beide gehören damit der gleichen Altersklasse oder dem sogen. Regiment an und sind einander schon dadurch besonders eng verbunden. Bei den Xananwa und einigen Pedi wurde die gleiche Rolle für den älteren Sohn des Vaterbruders bestätigt. Wenn früher der Häuptling starb, dann wurde auch der Vertraute des Häuptlings getötet und mit dem Häuptling zusammen als dessen „Kopfkissen" beerdigt. Damit hatte der Häuptling einige Sicherheit, in diesem Vertrauten nicht jemanden zu sehen, der ihn, um die Regierung an sich zu reißen, beseitigen könnte. Eine weitere, wenn auch meistens nicht politisch aktive Vertrauensstellung nimmt der Leibdiener, der „mpya ya kxoshi" (Hund des Häuptlings, oder mohlanka, Diener, auch molata, molaki, Aufseher genannt) ein. Dieser ist in den meisten Fällen ein Fremder niederen Ranges. Er hat vor allem dem Häuptling die Speisen, wenigstens die Fleischspeisen, zu 7

Brems.

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bereiten. Bei den Koni übernimmt er nach Hoffmann (71, S. 46) Aufgaben, die anderenorts dem Halbbruder bzw. Vetter des Häuptlings zukommen, nämlich der Vermittler (sebaka) des Häuptlings zu sein und mit dem Häuptling sterben zu müssen. Bei den drei genannten Typen von Vertrauenspersonen des Häuptlings hat in verschiedenen Gebieten der eine oder andere von ihnen die führende Stellung unter dem Häuptling erhalten. Es kann dabei möglich sein, daß das Amt eines „ntona" bei den Hurutse aus der bei den Sotho noch vorhandenen Stellung eines Leibdieners hervorgegangen ist. Charakteristisch aber ist für die genannten Vertrauensstellungen, daß die betreffende Person nicht aus dem höchsten Rang nach dem Häuptling hervorgeht. Da nur höchster Rang zur Herrschaft berechtigt, besteht für den Häuptling daher von Seiten der Vertrauensperson kaum eine Gefahr für seine politische Stellung. Für die Regierung benötigt der Häuptling verschiedene Ehrenämter, wie die der vielen Boten (motseta, maditsela, Tsw.: morongoi), der Diener (mohlanka), die im Kraal etwa Besucher zu betreuen haben oder Aufseher (molaki) für Feld- und andere öffentliche Arbeiten und die Hirten. Ein schriftlose8 Volk wie die Sotho-Tswana ist auf ein System von Nachrichtenübermittlern angewiesen. Dafür hält der Häuptling sich für jeden Nachbarhäuptling jeweils einen bestimmten Boten, der außer der Besorgung seiner Wege die von dort kommenden Boten empfängt. Zu solchen Diensten wird entsprechend der Eignung ausgewählt, wobei für einen Oberhäuptling etwa ein halbes Dutzend von einiger Bedeutung sind. Seitdem man Schriftwechsel kennt, gibt es auch einen Häuptlingsschreiber, dessen Tätigkeit oftmals von Lehrern nebenamtlich ausgefüllt wird. Diener und Aufseher werden vielfach nur bei Bedarf angefordert. (Es sei auch auf die Angaben von Ashton über Ratsleute, Diener und Hirten am Hofe eines Tawana-Häuptlings in 4, S. 76—87, hingewiesen). d) Die Bedeutung der Rangstellung in der Allgemeinheit des Volkes und bei gewissen Institutionen Die B e f e s t i g u n g der R a n g s t e l l u n g b e i m I n d i v i d u u m Aus der Behandlung der Rangordnung innerhalb der Sippengemeinschaft ist bereits hervorgegangen, daß einmal jede Sippe ihre Rangstellung hat und damit jeder ihrer Angehörigen nach außen hin diese Stellung der Sippe vertritt, zum andern, daß jedes Individuum innerhalb seiner Sippe eine eigene Rangstellung einnimmt. Die Bedeutung der Rangzuordnung tritt für den Einzelnen, sofern et nicht dem Oberhaupt der Gruppe sehr nahe steht, außer bei den nachfolgenden Gelegenheiten kaum zutage. Man kann sagen, daß das Alter und die Altersklassenzugehörigkeit in den Verhaltensweisen im täglichen Leben eher ausschlaggebend sind. Da die Geburt eines Menschen und sein Aufwachsen in der Gemeinschaft ihn noch nicht allein zu einem vollgültigen Mitglied derselben erheben (vgl. Initiation IIb), gilt dies auch für die Gemeinschaftsgliederung in der Rängordnung und den Altersklassen. Wer sich den Initiationszeremonien nicht unterzogen hat, um ein sozial vollgültiger „Mensch" zu werden, der kann

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weder rang- noch altersmäßig für die Angelegenheiten der Stammesgemeinschaft von irgendwelcher Bedeutung sein. Jedoch genießt er nach Beendigung der Initiation noch so lange ein geringeres Ansehen, als er nicht verheiratet ist. Die Befestigung der Rangzuteilung erfolgt natürlicherweise für Jünglinge wie Mädchen in der Initiationsschule, deren Gemeinschaft lediglich rangmäßig gegliedert ist. Bei den Jünglingen im Initiationslager und bei den Mädchen im Häuptlingskraal — bei den letzteren nur für die Festtage des Abschlusses — sind in einem weiten Kreis Feuer angeordnet, wobei jedes Feuer dem Platz der initierten Angehörigen einer Sippe oder Familie entspricht. In der Mitte gegenüber dem Haupteingang befindet sich analog dem Muster einer Siedlung, deren Haushalte, so gut es geht, rangmäßig angeordnet sein sollen, das Feuer der Häuptlingsfamilie und seitlich im Ring rangmäßig abgestuft schließen sich die anderen Feuer an. Bei den Mädchen gibt es im Pedigebiet auch eine Art Tanz, bei dem die Mädchen, in der Mitte die Häuptlingstochter, nebeneinander und nach beiden Seiten rangmäßig zum niedersten Rang abfallend, Aufstellung nehmen. Den Jünglingen wird bei der Zuteilung der Lobsprüche auf ihre Namen unter Stockschlägen die Rangordnung und ihre persönliche Rangzugehörigkeit in das Gedächtnis eingeprügelt, wobei man, mit dem höchsten Rang beginnend, der Reihenfolge nach vorgeht. I n s t i t u t i o n e n , die den R a n g b e f e s t i g e n oder zum A u s d r u c k bringen Da die strengere kultische Betätigung im Sinne der Ahnenreligion schon zu Beginn der europäischen Einwanderung in diesen Gebieten eine starke Abschwächung fand, sind von den in Frage stehenden zuerst solche Institutionen verschwunden, die rein sozial-religiöser und nicht politischer Natur waren. Diese waren vor allem die Gelegenheiten der Entzündung und Verteilung eines heiligen Feuers und das Fest der ersten Früchte, die heute, vielleicht mit Ausnahmen, nicht mehr vorkommen. Um die damalige Wichtigkeit einer solchen kultischen Gelegenheit zu zeigen, sei das Fest der ersten Früchte, „das Fest des Kürbisanbeißens", eingehender beschrieben. Es sollte dem Volk und den Familien jedes Jahr die Rangstellung der Individuen, der Familien, der Stammesteile vor Augen führen und immer erneut befestigen, um durch solche Rangordnung der Stellung der Personen auch die Ordnung des traditionellen Lebens zu wahren. Diese Einrichtung mag der Ordnung des gesellschaftlichen Lebens einen wertvollen Rückhalt gegeben haben. Das genannte Fest veranschaulicht besonders den Charakter der Rangordnung in seiner Beziehung zu den Ahnen, was aber — wie Willoughby vom Oberhäuptling Khama für die Ngwato beschrieben wurde — dem Volk kaum mehr bewußt gewesen ist, als das Fest vor 50 Jahren noch allgemein ausgeübt wurde. Die Zeremonien werden nach dem Rang der Beteiligten, oben angefangen, vorgenommen. Zuerst die Oberhäuptlinge mit ihren Familien nacheinander entsprechend ihrem Rang, dann in gleicher Weise die Häuptlinge, die Dorfoberhäupter und schließlich die Familien. Für die-Tswana wird der Stamm der Hurutse als kultisch führend angesehen, ohne die politische Macht noch in Händen zu haben. So berichtet Willoughby (166, S. 227/8) 7*

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z. B., daß in dem Ort Mankxodi der Hurutse ein Klan lebt, der politisch unbedeutend ist, jedoch in den religiösen Riten den Vorrang über alle anderen, selbst den herrschenden Oberhäuptling-Klan dieser Stammesgemeinschaft inne hat. Wenn also der oberste Häuptling der Hurutse das Fest der ersten Früchte feiern lassen will, muß er das Oberhaupt des Mankxodi-Klans befragen. Somit ist in einzelnen Fällen, wie bei den Hurutse und Kwena, der oberste Häuptling nicht berechtigt, den Beginn des Festes vor dem priesterlich bevorrechteten Klan einzuleiten. In gleicher Weise sind die Hurutse wiederum bei den anderen Tswanastämmen der führende Stamm für die in Frage stehenden Zeremonien, obgleich sie nicht zu den politisch mächtigeren zählen. Die Oberhäuptlinge der TransvaalSotho sind nicht kultisch-rangmäßig voneinander abhängig; wahrscheinlich, weil es sich hier um ehemalige Stammesteile entfernt ansässiger Stämme in Betschuanaland (Pedi), Swaziland (Tau) und Süd-Rhodesien handelt, die meist aus Streitgründen ihre Stämme verließen und heute für sich unter ihrem Oberhäuptling leben. Das Fest der ersten Früchte, das bei den Sotho-Tswana verschieden benannt wird, mit „Fest des Kürbisanbeißens, xo loma lerotse (So.), xo loma thotse (Tsw.) oder „Das Jahr anbeißen" xo loma ngwaxa, findet nicht, wie der Name vermuten läßt, zu Beginn des Jahres statt, sondern ungefähr im 6. Monat der Sotho-Tswana-Zeitrechnung, im herokong, der ungefähr unserem Januar entspricht. Dort beginnen dann das Getreide und die ersten Kürbisse und Melonen zu reifen. Der oberste Häuptling kündet, abgesehen von den oben dargelegten Ausnahmen, den Tag für die Zeremonien, die auf dem Ratsversammlungsplatz beginnen, an. Es geschieht dies zur Zeit, wenn der neue Mond kurz vor Sonnenuntergang schon zu sehen ist (65, S. 266). Blätter der Kürbispflanze — bei den Ngwato und anderen Tswanastämmen — oder Kürbisse (Tsw.: maoane) selbst werden herbeigebracht. Ein neues heiliges Feuer muß entfacht werden. Bevor dann die Zeremonie vom Oberhäuptling eröffnet wird, muß zunächst den Ahnen am Grabe des verstorbenen Häuptlings geopfert werden. Sind kleine Kinder vorhanden, so läßt man sie vor dem Vater beginnen. — Das zeigt, in welch hohem Ansehen Kinder stehen, die, nach verschiedenen kultischen Gelegenheiten zu urteilen, dem Reich der Ahnen noch verbunden zu sein scheinen und zu dem die Hurutse mit einem Sprichwort erklären: „Derjenige gibt am besten, der dem Kind, dem Häuptling und dem Höhergestellten gibt". — Nach dem Oberhäuptling folgen die Verwandten rangweise. Die zeremoniale Handlung, die jeder ausführt, ist die, daß er Kürbisblätter nimmt oder von einem rohen Kürbis ein Stück abbeißt — das ist nach Stämmen und vielleicht nach der Reifezeit in dem Jahr verschieden—und damit die Nabelgegend und die Fußsohlen (bei den Hurutse) oder über die großen Zehen, Nabel und Stirn (bei den Ngwato nach Willoughbyl66, S.229)reibt. Richtig ausgeführt soll die Handlung das Wohlbefinden des Körpers schützen; wird sie dagegen in falscher Reihenfolge der Personen ausgeführt, sind Magenschmerzen und Krankheit die Folge. Darauf wird ein zweiter Kürbis gekocht (bei den Hurutse) und in gleicher Reihenfolge ißt jeder Einzelne ein wenig davon. Unter die Essenschüsseln reibt man die gekochten Kürbisblätter (Hurutse und Kwena).

III. Die Bedeutung des Rangsystems

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Die Transvaal-Sotho essen nur ein kleines Stück von dem gekochten Kürbis (Pedi, Tau, Koni, Xananwa). Zur Darstellung der Ränge kommt bei dem Fest ein weiteres Symbol hinzu, indem der Mann in der Nacht nach dem Fest mit seiner H a u p t f r a u zu schlafen h a t und in den folgenden Nächten nacheinander mit seiner zweiten, dritten usw. Frau (vgl. 166, S. 231). Die Frauen dürfen bei den Kwena (Molepolole) in diesem Monat keinen geschlechtlichen Umgang mit ihren Freunden, sondern nur mit den Ehemännern haben. Männer, die sich auf der Jagd befinden u n d Hirten, die bei den Tswana auf Grund der weiten Entfernung der Viehposten vom Ort vielfach nicht zum Fest nach Hause kommen können — f ü r die Transvaal-Sotho kommt das weniger in Frage — führen in der Abwesenheit die Zeremonie so aus, daß sie Kürbisblätter, die dabei n u r mit Stäben aufgenommen werden dürfen, oder kleine wilde Kürbisarten genießen. Nach der Rückkehr des Mannes erfüllen erst seine Frauen und Kinder die Zeremonie. Der Mann m u ß vom Zauberer erst magisch gereinigt werden, ehe er mit seiner Frau im Gehöft zusammenlebt, auch h a t er sich in solchem Falle ein J a h r vom geschlechtlichen Umgang mit seiner F r a u zu enthalten, wenn er sich und seine Frau nicht bösen Folgen aussetzen wollte. I n der Nacht nach dem Anbeißen wird viel Merula- oder Hirsebier get r u n k e n und m a n schläft nicht. Von Zeit zu Zeit wird das phalafala, das Kriegshorn, geblasen, auch soll man möglichst viel Lärm machen (Xananwa). Am folgenden Morgen findet ein Wettlauf der Rinder statt, die schon lange vorher daran gewöhnt sind, auf die Locksignale zu hören. Die Tiere der einzelnen Familien laufen von einer Stelle im offenen Gelände ab, das Ziel ist der Kraal. Beim Laufen werden sie von den Hirten mit Hornrufzeichen gelockt. Das zuerst eintreffende Rind wird besonders geehrt, indem m a n es mit Milch übergießt und seinen Besitzer lobpreist. Diesen Wettlauf veranstalten die Sotho im Holzbuschgebirge (65, S. 266), die Pedi u n d Tau — bei denen er auch anläßlich einer Häuptlingsheirat stattfindet — sowie die Bevölkerung in Blauwberg in N-W-Transvaal; dagegen wird von den Tswana nichts darüber berichtet. Mit dem Fest der ersten Früchte genießt jeder zum erstenmal von den Feldfrüchten des Jahres — wilde Früchte machen eine Ausnahme —, denn vorher ist es verboten, etwas davon zur Speise zu ernten. Insgeheim wird das Gebot von solchen übertreten, die nicht an eine Strafe der dunklen Mächte ernsthaft glauben.— : Nach Angabe desPedi-Oberhäuptlings Sekwati entspricht es nicht der Stammessitte, wenn Harries (59, S. 60) schreibt, daß die Untertanen, nicht aber der Häuptling vorher von den neuen Früchten essen dürfen. — Ob diese dunklen Mächte, die erst beschwichtigt werden sollen, bevor der Mensch Nutzen von dem Geschenk der N a t u r zieht, nun der Unwille der Ahnen ist, die ihre Opfer und bevorzugte Teilnahme verlangen, oder nur das Furchtgefühl vor dem magisch Unreinen, vor dem m a n sich durch die in priesterlicher Linie ausgeführten Zeremonien mit Medizinen feiht, läßt sich schwer entscheiden. Der religiöse Gehalt der Weihe der ersten Früchte muß ursprünglich ein großer gewesen sein, wenn die Tswana (166, S. 249/50) sogar beim „ t h o t s e " den heiligsten Eid schworen, der bindender war als der beim Totemtier geschworene.

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

Zum Fest der ersten Früchte gehören bei den Tswana weiter Kriegsgesänge und -tänze der Männer (166, S. 234), worauf auch das „phalafala"Blasen bei den Xananwa hindeutet. Die Kriege wurden früher vielfach nach der Einbringung der Ernte ausgetragen, weshalb solche Kriegstänze mit dem Fest zusammenfielen und vielleicht auch damit zusammenhängen mochten. Für die Zulu spielen nach den Ausführungen Gluckmanns (56, S. 25—41). solche Kriegstänze in Verbindung mit der Weihe der ersten Früchte eine ganz besondere Rolle, so daß letztere in Regimentern, nicht in Familien die Zeremonien ausführen. Während die Sotho-Tswana-Gewährsleute das Priesterlichrangmäßige als für das Fest bedeutend hervorheben, scheint dies bei allen Nguni gegenüber der Weihe der kriegerischen Organisation ganz zurückzutreten. Bei den Nguni erzeugt das Fest patriotische Gefühle innerer Geschlossenheit und scharfe Trennung von den feindlich gesonnenen Nachbarn, dagegen bewirkte es bei den Sotho-Tswana die Festigung der innerpolitischen Stellung der Einzelnen und ihrer Gruppen voneinander und stellt die Verwandtschaftsbande dar. Die politische Bedeutung liegt jedenfalls für die Sotho-Tswana bei der starken Verquickung von religiösem Inhalt und gesellschaftlicher Form deutlich in der Festigung der rangmäßigen Gliederung der Gesellschaft. Ein weiteres Beispiel für das Hervortreten der Rangordnung ist das Entzünden eines h e i l i g e n F e u e r s und seine Verteilung gewesen. Anlässe, die ein neues heiliges Feuer erforderten, waren die Heirat der Hauptfrau des Häuptlings — die danach die Bezeichnung „dimamollo" hat —, die Regenzeremonien, der Beginn des Pflügens — vielleicht nur im Zusammenhang mit den Regenzeremonien —, ferner bei den Tswana das Fest der ersten Früchte, bei Epidemien oder wenn ein neuer Stadtteil bezogen wurde. Eine Eigenschaft des neuen heiligen Feuers, dessen Entzünden auch im Familienleben etwa bei der Geburt eines Kindes nötig war (Xananwa), ist auf Grund der Anlässe dazu die symbolische Befreiung von dem magisch Unreinen. Jeder Haushalt hat vor der Zeremonie das alte Feuer auszulöschen und die Asche, mancherorts sogar die Herdsteine, zu entfernen. Auf dem Versammlungsplatz im Häuptlingskraal wird dann in alter Weise mit zwei Holzstäben ein neues Feuer gebohrt, wobei der Stamm eines „modumela"-Baumes als Brennmaterial dient, nachdem er mit Medizin bestrichen worden ist (166, S. 291/2). Die Verteilung des Feuers geht darauf dem Rang entsprechend vor sich, indem die Dorf- und Unterhäuptlinge hintereinander zunächst Feuer nehmen und zu ihren Versammlungsplätzen bringen, wo dann die einzelnen Familien Feuer erhalten. Auch heute wird die Rangordnung vielfach noch anläßlich des Biertrinkens inne gehalten, wobei derjenige höchsten Ranges zuerst trinkt, nachdem der Gastgeber selbst durch eine Probe die Genußfähigkeit des Getränkes bewiesen hat, und derjenige niedersten Ranges oder der Jüngste die Trinkgefaße zu füllen hat. Daß bei Zusammenkünften hoher Gäste oder bei Beratungen und Beschlüssen die Berechtigung zum Wort dem Rang nach besteht, ist z. T. gesagt worden. Es ist sogar vorgekommen, daß man beim Photographieren von Volkstypen, wie Fritsch (51, S. 311) es erlebte, gezwungen war, die rangmäßige Ordnung einzuhalten.

III. Die Bedeutung des Rangaystems

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e) Die Bedeutung der Rangordnung und ihre Auflösung durch das Zusammentreffen mit der europäischen Lebensweise Zusammenfassend geht aus dem Inhalt des behandelten Kapitels deutlich hervor, daß das Rangsystem in voreuropäischer und in seinen Resten in heutiger Zeit die Hauptrolle in der Gesellschaftsordnimg der SothoTswana einnimmt. Das Rangsystem ist neben dem Altersklassensystem der eigentlich gliedernde Bestandteil der Gemeinschaft. Die übernatürliche Welt der mächtigen Ahnengeister ist in lebendiger Form mit der realen Welt verbunden und in ihrem kultischen Ausdruck an die Spitze der Rangordnung gebunden gewesen. Alles aber, was um den Menschen herum geschah und von ihm gewünscht wurde, sogar wirtschaftliche, kriegerische oder technische Handlungen, war von einem so starken religiösen Einschlag begleitet, daß damit auch die politische und wirtschaftliche Führung ausschließlich den obersten Rängen überantwortet war. Die Ehrfurcht vor den Ahnen und damit auch vor . denen, die den Stammesahnen in ihrer Rangstellung nahestanden, gab dem Volk den eigentlichen Respekt vor seinem Oberhaupt und war zugleich das Machtmittel, die Tradition der Gesellschaftsordnung mit ihren sittlichen Forderungen zu wahren. Dieser weitgehend durch den Glauben und weiterhin durch die Macht der öffentlichen Meinung, vor allem innerhalb einer Verwandtschaftsgruppe oder eines Dorfes, bedingte Zusammenhalt kann schon, wie vielfach angenommen wird, in voreuropäischer Zeit eine innere Schwäche für seinen Bestand aufgewiesen haben. Dagegen ging die eigentliche Zersetzung aller alten Ordnung erst unter Einfluß europäischer Lebensformen und Anschauungen vor sich. Der Verwaltung ist es stets wertvoll erschienen, den Häuptling für ihre Aufgaben zu erhalten, da er entsprechend seinem Ansehen im eigenen Volke der geeignete Vermittler der Regierungswünsche sein konnte. Heute ist man vor die Frage gestellt, ob und mit welchen Mitteln dies überhaupt noch für die Zukunft allgemein möglich sein wird. Die Stellung des Häuptlings wurde von allen Seiten her rücksichtslos geschwächt. Mit dem Schwinden der Ahnenreligion verblieb seiner priesterlichen Würde die Popularität nur bei besonderen Gelegenheiten oder hörte mit dem Übertritt des Häuptlings zum Christentum ganz auf. Trotzdem ist noch allgemein die Anschauung lebendig, daß der Häuptling als solcher geboren ist und man seine persönliche Stellung nicht weitgehender als in früherer Zeit angreifen kann. Die Mission hielt die jungen Christen aus der Initiationsschule fern und erleichterte in Transvaal — durch geschichtliche Ereignisse veranlaßt — die Loslösung von Christen aus dem Familiensiedlungsverband; beides schwächte die Stellung des Häuptlings. Die Lohnarbeit, der z. T. artfremde Inhalt des Schulwesens und europäische Anschauungen wirkten individualisierend und ließen, indem die junge Generation das Neuerworbene gegenüber der alten Ordnung überschätzte, ein überhebliches Selbstbewußtsein im Verhalten zu heidnischen Autoritäten und Eltern aufkommen. Vor allem aber verkannte die europäische Verwaltung als eigentlich verantwortungtragender Teil die Grundlagen für die Stellung eines Häuptlings völlig und macht heute, wo es fast zu spät dazu ist, noch kaum Versuche, sich ernsthaft damit zu befassen.

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Die politischen tind gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

Seit der Befriedung der Stämme, die die europäische Oberherrschaft erst zu sichern vermochte, sind die nach außen gerichteten Aufgaben des Häuptlings im wesentlichen auf die Vermittlung der Anordnungen der europäischen Verwaltung zum Stamm beschränkt worden, womit der Häuptling, wenn er' nicht von sich aus ein sehr starker Charakter ist, zum Beamten anstatt zum Führer seines Stammes gemacht wird. Die europäische Verwaltung verlangt dabei zuweilen vom Häuptling die Annahme von Verordnungen, über die er, da er keine absolutistische Stellung inne hat, bei seinem Volk nach gewohnter Ordnung nicht verfügen kann. Wenn die Eingeborenen auch sagen, „das Wort des Häuptlings ist Gesetz", so darf dabei nicht vergessen werden, daß dieses Wort auf der öffentlichen und der Ratsmeinung aufgebaut ist. Dabei ergibt sich für den Häuptling nicht selten die Lage, worüber sich Khama (Ngwato-Oberhäuptling) beklagt (88, S. 256—8), zwischen seinem Volk, das eine Regierungsmaßnahme ablehnt, und der Regierung zu stehen. Wie klar es im übrigen den Eingeborenen selbst ist, wohin solche Entwicklung führt, erweisen ihre Gedanken auf die im Pedigebiet gestellten Fragen darüber, wie sie sich in der Zukunft die Stellung eines Häuptlings vorstellen. Anstelle des Häuptlings denken sie sich einen aus eigenen Reihen gewählten Beamten zu haben, dem lediglich die Verwaltungsarbeiten obliegen und wobei die Rechtsprechung eine Extrainstitution sein würde. Es ist das eine Parallele zu dem im Transkei-Reservat bereits bestehenden System (bei Westermann, 162, S. 190/1 kurz aufgezeichnet), das deutlich die Nachteile des Mangels an Autorität aufweist. In der eingehenden Untersuchung des Problems der Autorität im Häuptlingswesen afrikanischer Völker, das auch bei den Sotho-Tswana nicht allein von der religiösen Grundlage abhängt, sieht Mair (113, S. 313/4) sehr richtig die Schaffungsmöglichkeit einer geordneten Stammesführung. Eine weitere Notwendigkeit, die organische Stellung des Häuptlings im Volk zu erhalten, ist die Starrheit der Verwaltung durch größere Freiheit des Verwaltungsbeamten am Platz — der freilich dann entsprechend vorgebildet sein muß — und durch Zusammenarbeit mit den Häuptlingen, deren Ansicht und Rat bis heute selten eingeholt werden, elastischer zu gestalten (vgl. Khama 88, S. 256/8). Im einzelnen aber ergibt sich immer wieder die Schwierigkeit der örtlichen Verschiedenheit in der Beschaffenheit des Volkes wie seiner Führung. In dem einen Gebiet ist die Europäisierung bereits soweit fortgeschritten, daß die Eingeborenen von nichts anderem als einem möglichst europäerähnlichen System etwas wissen wollen, ohne sich über den Wert dessen im klaren zu sein. In anderen Gebieten ist ein Widerstand aufgetreten durch den Unwillen traditioneller Einstellung, durch die Unfähigkeit des Häuptlings, der, wie das vielfach der Fall ist, sich vollkommen dem Alkohol ergeben hat, oder der durch seine egoistische Einstellung einen möglichst großen Profit ohne Gegenleistung erzielen will. Gelegentlich ist auch schon die spezielle Schulung junger Häuptlinge erörtert worden, die jedoch sowohl in den nicht einheitlich ausgerichteten Zielen für die Stellung des Häuptlings als in der bisherigen geringen Durcharbeitung der weiteren damit im Zusammenhang stehenden grundlegenden Probleme einen Mangel aufweist. Dennoch mag es sehr nützlich erscheinen, junge Häuptlinge

III. Die Bedeutung des Rangsystems

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mit Fragen der Boden- u n d Wasserbewirtschaftung f ü r den Anbau u n d die Viehzucht, mit Fragen des Gesundheitswesens, der Veranschaulichung des Wertes gewisser Erscheinungen im Volkstum, persönlicher Pflichten gegenüber der Geineinschaft u . ä. vertraut zu machen. I m Verkehr mit mehreren Häuptlingen ist sogar heute noch deren Rangordnung zueinander zu beachten. E s ist dies auch f ü r praktische Zwecke von Wichtigkeit, wenn eine Einrichtung geschaffen werden soll, die zum Nutzen eines großen Kreises von Eingeborenen bestimmt ist. U m ein Beispiel zu nennen, wurde im Pedigebiet der Bau einer Stammesschule bei einem Häuptling unterstützt, die Kinder aus dem Ort eines in der Nähe wohnenden höher gestellten Häuptlings sollten aber deswegen die Schule nicht besuchen, weil sie bei einem rangniederen Häuptling zuerst gebaut worden war. I m täglichen Leben des Volkes dringen europäische Wertungen mehr und mehr ein, die im Gegensatz zur Rangordnung als Bewertungsmaßstab eines Menschen stehen. Es sind dies Begriffe wie Bildung, Eigentum des Einzelnen u n d dessen individuelle Nutznießung, z. T. auch Leistung, also Wertungen die in voreuropäischer Zeit dem Rangansehen untergeordnet waren. Ein Reicher ohne hohe Rangzugehörigkeit konnte sich durch Geschenke u n d als stetiger Gastgeber in der Öffentlichkeit beliebt machen. Den Söhnen eines reichen Vaters wurden durch die Aussicht auf eine große Heiratsviehgabe gern Töchter zur Ehe gegeben. Jedoch war Reichtum nie geeignet, u m allein damit zu politischer Geltung oder etwa höherem Rang zu gelangen. Besonders großer Reichtum war sogar von Seiten des Häuptlings gefährdet, der in diesem P u n k t ein Wetteifern mit ihm nicht duldete. Mit jedem Reichtum aber, sowohl hohen wie niederen Ranges, ist noch heute die Verpflichtung verbunden, jeden durch Freigebigkeit teilhaben zu lassen. Bei einem Reichen oder bei einem Häuptling stellten sich früher täglich Gäste zur Mahlzeit ein. Man fragt einen Reichen nicht, wie das bei Minderbegüterten üblich ist, nach etwas „Wasser", sondern nach „Milch", u m den Durst zu löschen oder b i t t e t a n s t a t t u m etwas Breispeise, gleich u m Bier u n d Fleisch. Betteln gilt als Ehrenbezeugung, nicht nur u m dem Reichen dessen Wohlstand anzuzeigen, sondern wohl vor allem deshalb, weil m a n in ihn die guten Eigenschaften, sozial zu denken und freigebig zu sein, setzt. Dagegen stellt m a n sich beim Geben, wie beim Bitten stets ärmer als m a n gegebenenfalls ist, vielleicht u m ein geringeres Vorhandensein der lobenswerten Eigenschaften zu verdecken. E i n Europäer, der übrigens außerhalb einer Rangordnung steht, wird stets als reich angesehen u n d somit als Besucher in Eingeborenengebieten auch nicht davon verschont — bei den Tswana m i t den W o r t e n : „ I c h habe H u n g e r " —, zahlreiche kleine Geschenke zu machen, besonders wenn er die Stimmung der Leute gewinnen will. Hervorstechende Leistungen, sowie vorbildliche Umgangsformen Einzelner werden anerkannt u n d geschätzt; sie dienen aber lediglich der gemeinschaftlichen Lebensform u n d sind nicht geeignet, rangmäßige oder politische Stellungen zu erwerben. Besonders intelligente und redegewandte Männer werden bei Ratssitzungen gern gesehen; sie können auf solche Weise einen politischen E i n f l u ß ausüben, doch haben sie im allgemeinen,

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entsprechend den Grundlagen des Rangsystems als Leute ohne hohen Rang keine Aufstiegsmöglichkeiten zu Stellungen von Autoritäten. Bewährte Krieger (vor allem bei den Süd-Sotho) oder Viehlehninhaber (Tawana-Reservat) zu Autoritätsstellungen zu erheben, geschah nicht oft und ist keine Form alter Tradition. Um von Seiten der Verwaltung oder irgendwelcher europäischer Institutionen her in den noch nicht übermäßig europäisierten Eingeborenenwohngebieten besondere Eigenschaften und Einrichtungen fördern zu wollen, ist es oftmals sehr wohl angebracht, einer Erleichterung bzw. Erschwerung durch die Rangordnung Rechnung zu tragen. Gehen z. B. Häuptling und Ratsleute in einer Neuerung voran, so werden die Eingeborenen der Gegend viel eher darin folgen, als wenn gar ein Widerstand dagegen von der Führung ausgeht. ' Die europäische Bildung der Eingeborenenlehrer und ihre Berührung mit der Öffentlichkeit durch den Unterricht lassen sie zu einer Stellung gelangen, die sonst ihrem Alter oder ihrer sozialen Abstämmling nicht entspricht. Gefördert wird solches Ansehen dadurch, daß sie vielfach vom Häuptling für Schreibarten in Anspruch genommen werden. Durch die Lohnarbeit und die Art der Schullehrpläne gewinnt bei der jungen Generation immer mehr die Wertschätzung entsprechend den Eigentumsverhältnissen, individuellen Äußerlichkeiten und dem Grad der erworbenen Halbbildung die Oberhand. Dabei bemüht man sich nicht selten, anmaßende Umgangsformen zu zeigen. Demgegenüber sind alte Leute und alles heidnische Volkstum bei diesen Individuen der Inbegriff der Rückständigkeit.

IV. Alter, Geschlecht und Altersklassensystem Im familiären und politischen Leben der Sotho-Tswana, wie es im gruppenhaften Zusammenleben der Sippe einerseits und im festgefugten Stammesverband andererseits vor sich geht, tritt für den europäischen Beobachter die starke Trennung von Alter und Geschlecht besonders in Erscheinung. In ihr vollzieht sich eine weitere Aufgliederung der geschlossenen gemeinschaftlichen Ordnung, ohne diese nachteilig zu beeinträchtigen. Das Verhältnis von Jung und Alt und die sich ergänzenden Wirkungskreise der Geschlechter werden ordnend zum Ganzen gestaltet. Erwies sich aus dem Vorhergehenden die gemeinschaftsgliedernde Rangordnung in ihren Spitzen als religiös-politisch handelnd, so erscheint die Gliederung des gemeinschaftlichen Lebens nach Alter, Geschlecht und Altersklassen mehr passiv als geordnete Grundlage des politisch Aktiven. Die in Rede stehende Gliederung läßt sich entsprechend ihrer natürlichen Einfachheit im folgenden mit wenigem Material darlegen. a) Alter und Geschlecht in der Lebensgemeinschaft der Sippe Im täglichen Leben der Sippengemeinschaft spielt das Alter und zwar vor allem in bezug auf die Verhaltensweisen der jüngeren Mitglieder eine besondere Rolle. Der Ältere sieht stets auf den Jüngeren herab, selbst wenn der Jüngere von höherem Rang, also etwa ein Häuptlingsnachfolger ist, von dem man nun wiederum in der Beziehung sagt, daß der junge Häuptling sonst zu eingebildet werde. Das Alter verlangt unbedingte Ehrerbietung und in vieler Hinsicht Gehorsam. Das Alter hat einen wesentlichen Einfluß auf Sitten und Verhalten im täglichen Leben und materielle Vorrechte besonders innerhalb der Sippe, nicht dagegen über das politische Geschehen, es sei denn, daß der politisch bevorrechtete Rang sich zugleich mit hohem Alter deckt oder sehr alte Leute als das „Gedächtnis der Tradition des Stammes" (Hurutse) im Rat mitwirken. Bei Geschwistern hat der Altere das größere Recht der Nutznießung an dem Gemeinschaftseigentum, welches die jüngeren Geschwister durch ihre Arbeitskraft mit geschaffen haben. Reicht also z. B. für die Verheiratung mehrerer Brüder der Viehbestand nicht aus, oder haben zwei Brüder oder zwei Schwestern gleicher Mutter das Alter für die Mannbarkeitsschule erreicht, so hat stets das ältere der Geschwister zunächst einmal das Vorrecht ; ebenso muß die ältere Tochter vor der jüngeren verheiratet werden und der ältere Sohn vor dem jüngeren eine Ehe eingehen. Bevor der Individualismus seinen Einzug hielt, war es jedem eine Selbstverständlichkeit, daß Überschüsse auf Grund besonderer Arbeitsleistung Einzelner der Sippe zugute kamen und daß die älteren Geschwister ein Vorrecht in bezüg auf die Nutznießung hatten. Dem Lohnarbeiter, dem die europäischindividualistische Auffassung über seinen Verdienst näher liegt, ist aber

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heute schon die alte Stammesanschauung höchst unerwünscht, u n d n u r in geringem Maße kommt der Heimkehrende der alten Verpflichtung nach, die Verwandtschaft mit Geschenken zu versehen. Durch solche Geschenke, wie auch die Sonderabgabe an den Häuptling (s. I H b ) , wird es den jungen Leuten erschwert, sich die Mittel zur Verheiratung, zumal diese heute meistens von dem jungen Mann zum großen Teil selbst getragen werden müssen, zu erarbeiten. Es geschieht nicht selten, daß der f ü r den Lohnarbeiter der Sippe überwiesene Verdienst von dieser, u n d zwar besonders den älteren Brüdern verbraucht wird, z. B. u m Heiratsvieh f ü r einen älteren Bruder zu kaufen. Es ist auch vorgekommen, d a ß dem jüngeren Bruder der neue Maßanzug mit der Begründung, „ D u bist j a nur ein Kind gegen uns", abgenommen wurde, und deshalb manches derartige Prunkstück bei Freunden in der Stadt aufbewahrt wird. Niemand der alten Leute würde in solcher Fortnahme etwas Unrechtes, sondern n u r die Bantuauffassung von der Bevorrechtung des Alters innerhalb der Sippengemeinschaft sehen. Zur Ehrerbietung gegenüber dem Alter gehört auch, daß ein junger Mann in der Gesellschaft von alten Männern zu schweigen und nur, wenn er gefragt wird, zu reden hat. Die scharfe Trennung entsprechend der Altersunterschiede geht sogar so weit, daß beispielsweise bei den Hurutse ein Greis einem etwa 10 J a h r e jüngerem Alten mit der Anrede „mosimanyane" (Knabe) das Wort entzog. I m persönlichen Umgang gilt es auch als Ehrung, jemand älter darzustellen, als er in Wirklichkeit ist. Mit sehr hohem Alter schwindet die Achtung vor den Alten ein wenig, doch bleibt die Unterhaltspflicht seitens der Kinder u n d Verwandten bestehen. Was K n a k (89, S. 195) von einem Vendahäuptling über die Unterhaltspflicht der Mutter mitgeteilt worden ist: „Von Mutter u n d Sohn ist anzunehmen, daß sie niemals miteinander in Meinungsverschiedenheit kommen. Ich habe niemals einen Fall vor mir gehabt, wo die Mutter sich darüber beklagte, daß ihr Sohn sich weigerte, sie zu unterhalten", h a t im allgemeinen auch Geltung f ü r die Sotho-Tswana. Bei den Sotho-Tswana h a t der jüngste Bruder stets bei der alten Mutter zu bleiben und f ü r sie zu sorgen, woraufhin er auch nach ihrem Tode ihre H ü t t e n erbt. Wenn es auch nicht selten vorkommt, daß hilflose Alte vernachlässigt werden, so ist doch die von Holub (74, S. 409/10) berichtete Sitte der Altentötung, nach der lästige Alte bei den Kwena früher von einer steil abfallenden Felswand gestürzt wurden, wenn nicht gerade große Notzeiten vorgelegen haben, recht unwahrscheinlich. — Dagegen erzählen die Kwena u n d andere Tswana, daß das Hinunterstürzen von Felsen eine Hinrichtungsmethode f ü r böse Zauberer gewesen ist. — Es ist aber, besonders f ü r Notzeiten, durchaus möglich, daß vorwiegend alte Leute der Hexerei beschuldigt u n d hingerichtet wurden, wie es Fritsch (51, S. 391/2) von den Matebele beschreibt. Die Trennung der Geschlechter ist derartig ausgeprägt, daß m a n fast nur, außer in persönlicher Zuneigung u n d der Auswahl der Ehepartner, in der Zeugung u n d dem Aufziehen der Kinder eine innere Gemeinsamkeit erblicken k a n n ; eine Gemeinsamkeit, die sich innerhalb der Sippe durch die Abgrenzung des jeweiligen Haushalts von F r a u und Kindern nach außen hin sichtbar abhebt. I n der übrigen gesamten Lebenssphäre fügen sich

IV. Alter, Geschlecht und Altersklassensystem

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mosaikartig die vielen Einzelheiten als Männer- oder Frauentätigkeiten und Einflußbereiche der Männer bzw. Frauen zur geordneten Ganzheit zusammen. Für das wirtschaftliche Gebiet wurde das bereits ausgeführt über die Arbeitstrennung und Arbeitsteilung der Geschlechter in der Ernährungswirtschaft und bei den Handfertigkeiten. Der soziale Einfluß der Frau liegt vor allem im Bereich der Sippe auf Grund ihrer Stellung als Vater- oder Mannesschwester bezüglich der Bruderkinder, nicht dagegen bei der ausgesprochenen Schwiegerscheu gegenüber dem anderen Geschlecht als Schwiegertochter, die den Schwiegereltern größte Ehrerbietung zu erweisen hat, oder auch als Schwiegermutter, die dem Schwiegersohn stets aus dem Wege geht. Im öffentlichen und politischen Leben, wo sich offiziell nur Männer betätigen können, haben jedoch energische Frauen indirekten Einfluß auf ihre Männer oder sie setzen ihren Willen als Regentinnen durch. Die Häuptlingshauptfrau, wie auch die Schwestern und Töchter des Häuptlings, können politischen Einfluß auf die weiblichen Altersklassen haben, der aber nicht von besonderer Bedeutung ist. Nicht selten wird die sittenungebundenere Zeit der Mädcheninitiation von der Häuptlingshauptfrau dazu ausgenutzt, ihrer Willkür gegen ihr verhaßte Frauen freien Lauf zu lassen, wobei z. B. in Sekukuniland eine Häuptlingsfrau einer anderen Frau das Kind auf dem Rücken im Tragtuch erschlug. Die Frauen stellen, wie auch die Alten, das konservative Element im Stamm dar, was schon äußerlich bei den Heidenfrauen zum Unterschied von ihren Männern im Festhalten an der alten voreuropäischen Kleidung sichtbar wird. Die Ahnen fordern alles so beizubehalten, wie es zu ihren Lebzeiten üblich war und ausgeführt wurde, eine Vorschrift, die der Eigenart der Frau besonders angelegen zu sein scheint. Dagegen zeigen die Frauen in neuzeitlichen Angelegenheiten, die nicht den überkommenen Gepflogenheiten widersprechen, größere Zugänglichkeit und in einzelnen Fällen bewundernswürdigen Unternehmungsgeist, wenn es sich z. B. darum handelt, auf große Entfernungen hin unter Benutzung europäischer Verkehrsmittel und Güterbeförderung oder nach langen Fußwanderungen Waren abzusetzen, oder auch den Gewinn von selbständigen Verdienstmöglichkeiten und Lohnarbeit zu nutzen. Durch die Abwesenheit der Männer zur Lohnarbeit gewinnt die Frau, besonders in kleineren Familien, heute größere Selbständigkeit im Handeln und ist daher entsprechend weniger geneigt, sich der stammesüblichen Autorität des Mannes nach dessen Rückkehr zu unterwerfen. Das Alter eines Menschen wird bei den Sotho-Tswana nicht nach Jahren gerechnet, da die Zeitrechnung außer nach Mondmonaten nur nach großen Ereignissen und Initiationsjahrgängen bestimmt wird, sondern vor der Verheiratung nach biologischen Altersstufen. Die Folge der Altersstufen gliedert sich daher wie folgt: lesea „ B a b y " , ngwana „ K i n d " etwa bis zum 6. Jahre für beide Geschlechter; moshimanyana „ K n a b e " bis zur Beschneidung und kurz vor der Beschneidung leshovoro (So., plur.: ma-) „Unbeschnittener" oder lepudi (Tsw.) „Ziege", für Mädchen bis zur Initiation ngwanenyana (So.), und bei körperlicher Reife vor der Initiation lethumasha (So., plur.: ma-); während der Initiation heißen Knaben bei den Tswana moxwera (sing.) bei den Sotho in der ersten Schule madikana

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S i e politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

(plur.), in der zweiten maxwera (plur.) und die Mädchen ngwale; nach der Initiation wird ein unverheirateter junger Mann lesoxana (So., plur.: ma-), lekau (Tsw., plur.: ma-) oder kurz nach Beendigung der Schule lekolwanyane (Tsw.) und ein unverheiratetes jungens Mädchen kxar£be, kurz nach der Initiation auch motheba (So.), mohnyana (Xananwa) oder sealoxane (Tsw.) genannt; erst mit der Verheiratung ist jemand wirklich monna „Mann" «der mosadi „Frau" und zählt sein Alter nach dem Namen des betreffenden Initiationsjahrganges. Mit zunehmender Würdigkeit des Alters redet man Personen mit monnamoxolo „großer Mann", mokxalabye (So.) „Alter", oder mosadi-moxolo „große Frau", maa „Mutter" und mokxekolo (So.) „Alte" an. b) Das Altersklassensystem Die Alterseinteilung der Stammesgenossen beiderlei Geschlechts geschieht nicht nach Generationen — die nur für die Nachfolgeverhältnisse von Bedeutung sind — sondern nach Altersklassen, die jeweils nach dem Abschluß einer Initiationsschule mit einem Abstand von ca. 5—7 Jahren ins Leben gerufen werden, um zeitlebens ihrer Mitglieder zu bestehen. Die allgemeine Bezeichnung für die Altersklasse lautet „mophato" (plur.: me-) in der Bedeutung „Geheimnis" und bei den Sotho außerdem (Hörnle in 145, S. 93) „thaka". Die mit dem Abschluß der Initiation begründete „mophato" erhält ihren Namen—den gleichen für den zusammengehörigen Jahrgang von Jünglingen und Mädchen — nach Ereignissenz. B. (Hurutse) matlhoma kxosi „die den Häuptling machten4', maakantoa „die während des Krieges hineinkamen", maxaneloa „verschiedener Meinung", oder etwa den Namen des jungen Häuptlingsnachfolgers, wenn dieser den Namen seines verstorbenen Großvaters führt. Die „mophato" ist eine genossenschaftliche Zusammenfassung der Gleichaltrigen für den Dienst an der Allgemeinheit des Stammes unter dem Befehl des Häuptlings. Wie alles, was den Stamm als Ganzes betrifft, rangmäßig gegliedert ist, so zeigen auch die Altersklassen bei ihrem vorwiegend genossenschaftlichen Charakter eine strikte Rangordnung ihrer Mitglieder. Für die Sippenverhältnisse aber erfahren vor allem geringe Altersunterschiede von Brüdern oder Schwestern durch die Altersaufteilung in mephato eine schärfere Trennung voneinander, denn es ist nicht möglich, daß zwei Söhne oder zwei Töchter einer Mutter die zu gleicher Zeit unter einem Häuptling stattfindende Initiationsschule besuchen und dem entsprechenden Jahrgang angehören können. Das Geheimnis der Initiation, das mit soviel Opfern und Mühen hat erkämpft werden müssen, wie auch früher die ruhmreichen Taten der Jahrgänge für den Stamm, läßt einen jeden „mophato"-Angehörigen mit besonderem Stolz der Zugehörigkeit erfüllen. Die Mitglieder eines Beschneidungsjahrganges sind untereinander zu steter Hilfsbereitschaft verpflichtet, nachdem sie alle das gleiche Schicksal in der Initiationsschule durchzumachen hatten. Das Verhältnis der Jahrgänge zueinander ist das von Gehorsam und einer gewissen Ehrerbietung des jüngeren zum älteren, was während der Beschneidungsschule symbolisch dadurch dargestellt wird,

IV. Alter, Geschlecht and Altersklassensystem

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daß der jeweilig ältere Jahrgang dies dem jeweilig jüngeren durch Stockschläge anzeigt. Dagegen gibt es bei den beiden jüngsten Jahrgängen zu dieser Zeit gewisse Stockgefechte um die Vorherrschaft, etwa die Helfer für die Neulinge eines zu bildenden Jahrgangs zu stellen. Diesen Helfern haben die Neulinge als solche unbedingten Gehorsam zu leisten, bei den Sotho bis zum Ende der zweiten Schule, in der sie auch ein Stockgefecht gegen die Nächstälteren liefern. Jede „mophato", sowohl der Männer wie der Frauen, steht unter der Führung ihres ranghöchsten Mitgliedes (Tsw.: kxosana wa mophato), einem Bruder oder Sohn bzw. einer Schwester oder Tochter des Häuptlings. Dieser Führer erhält die Befehle vom Häuptling und ist für ihre Ausführung, wie z. B. bei einem fehlgeschlagenen Kriegszug oder Undiszipliniertheit bei öffentlichen Arbeiten, ebenso verantwortlich, wie er auch die Ehrung bei einer Auszeichnung der „mophato" genießt. Früher konnten die anderen Mitglieder der „mophato" nicht eher heiraten, als dieser Führer geheiratet hatte. Ein junger Häuptling, der dem verstorbenen Vater nachfolgt, gibt die Führung seiner „mophato" mit dem Eintritt in die Regierungsgeschäfte ab. Alle Mitglieder einer Unterhäuptling- oder Dorfschaft haben innerhalb ihrer „mephato" wieder die jeweiligen Ranghöchsten als ihre Unterführer (147, S. 109). Die Hauptaufgabe der „mephato" der Männer war invoreuropäischer Zeit der Kriegsdienst, daneben aber bestand die Verpflichtung, für öffentliche Arbeiten — auch Arbeiten für den Häuptling werden als solche angesehen — und für Polizeidienste gegen widerspenstige Stammesgenossen zur Verfügung stehen. Zu den öffentlichen Arbeiten, die schon vor der eigentlichen Begründung des Jahrganges beginnen, gehören der Bau und die Ausbesserung des Viehkraals und der Behausung des Häuptlings, der Bau von neuzeitlichen Gebäuden, wie Schulen und Kirchen, Transportdienste, Arbeiten auf den Äckern des Häuptlings und seiner Hauptfrau, wobei zum Pflügen Geräte und Ochsen von den Arbeitern mitzubringen sind, weiterhin für kultische Veranstaltungen, die Durchführung von Jagden und in früherer Zeit das Vertreiben oder die Jagd von wilden Tieren. Die Dienste werden entsprechend der Arbeitstrennung nach Geschlechtern den „mephato" der Männer bzw. der Frauen zugewiesen, dabei führen die jüngeren Jahrgänge die schwereren Arbeiten aus, während die älteren von den Arbeiten befreit sind. Schapera berichtet von den Kxatla (147, S. 110/1), daß der Häuptling auch Männer einer „mophato" ausschicken kann, um bei Europäern zu arbeiten und eine bestimmte Summe Geldes aufzubringen, etwa für den Bau von Gebäuden oder um Stammesland und früher Feuerwaffen zu kaufen. Von öffentlichen Arbeiten sind nur Leute befreit, die während der Zeit des Aufrufs zur Arbeit nicht im Ort leben und sich etwa auf den Viehposten befinden, weshalb auch mancher heute rechtzeitig in die Städte verschwindet, weiterhin Lehrer und solche, die sich in den Trauerzeremonien befinden und dementsprechend als unrein gelten. Mit fortschreitenden individualistischen Einflüssen und solchen unbezahlten Arbeiten, die nur dem Nutzen der Europäer dienen, wie etwa einen Flugplatz planieren und Straßen bauen, wurde das Gefühl untergraben, öffentliche Arbeiten für den Stamm als eine Ehre zu eöipfinden. Auch ist der Einfluß der

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Ratsleute auf Befehle zu öffentlichen Arbeiten — besonders bei den Tswana — geringer geworden u n d h a t das Vertrauen zu dem Nutzen der Arbeit f ü r die Allgemeinheit vermindert. Zu den öffentlichen Arbeiten werden bei den Tswana auch die untergebenen Fremdstämmigen, die Herero, Kuba, Mpukushu, Kxalaxadi und Sarwa, hinzugezogen, ohne den Altersklassen, die freilich in den betreffenden Gebieten von geringerer Bedeutung sind, anzugehören (147, S. 108). Unter den heutigen europäischen Verhältnissen sind besonders bei den Tswana die Bindungen in den Altersklassen geringer u n d weniger wertvoll geworden. Bei den Kxatla ist es sogar möglich, in eine „ m o p h a t o " aufgenommen zu werden, ohne die an sich dort schon schwache Initiation durchgemacht zu haben (146, S. 63/4). Ebenso ist die Erlaubnis, daß nur ,,mophato"-Mitglieder heiraten dürfen, bei vielen Tswanastämmen nicht mehr vorherrschend, wenn sie auch von den Mädchen gewünscht wird (142, S. 49). Der sogen. Eingeborenenprofessor J a b a v u beklagt sich darüber (78, S. 120/1), daß die Missionen die natürlichen Gemeinschaftsbildungen der Jugendlichen verurteilt hätten, anstatt sie zu erhalten, da sie deren Handlungen und Tänze als unmoralisch ansahen. Die Folge sind zugleich mit der Beseitigung der Initiation Lockerungen der sexuellen Sitten gewesen, die sich vor allem in den Städten übel ausgewirkt haben. Mögen die Altersklassen hier nur sehr einfach und mit geringer Vielfältigkeit in Erscheinung getreten sein, so kommt ihre Bedeutung f ü r den Sozialorganismus u n d das politische Stammesleben dem Rangsystem als grundlegend und bestimmend gleich.

Schluß Politisches Wirken in vor- und nachkapitalistischer Zeit Die bei gedrängter Fülle des Materials dargebotene Übersicht über die lebenswichtigen Erscheinungen der Sotho-Tswana-Kultur mochte ausreichend sein, die neuzeitlichen Probleme auf diesem Gebiet, von ihrem inneren Zusammenhang her beleuchtet, hervortreten zu lassen. Der Versuch solche Probleme praktisch zu lösen, erfordert jedoch in Teilgebieten erheblich weiter in die Materie einzudringen und auch hier nur von Fall zu Fall in einigen Stämmen Entscheidungen zu treffen, was dennoch keineswegs ein vergebliches Unternehmen wäre. Die in Südafrika nicht selten vertretene Ansicht, daß die Zersetzung der inneren Stammesbindungen bereits zu weit fortgeschritten sei, als daß ihr mit der Erhaltung der aufbauenden inneren Kräfte entgegengetreten werden könnte, mag sich hauptsächlich aus der Überschätzung der Tiefe der Europäisierung herleiten. Ist doch die Europäisierung des Eingeborenen nicht so tiefgreifend, als sie sich nach außen hin allgemein dartut, denn um eines zu nennen, trägt der Eingeborene alles in der Zivilisation Erworbene offen zur Schau oder läßt es freimütig erkennen, während alle im Stammestum wurzelnden Gefühle und Anschauungen vor dem Einblick des Europäers sorgsam und mißtrauisch verborgen werden. Fernerhin fehlt es selbst nicht an Beispielen, wonach Eingeborene, die lange Jahre als scheinbar völlig europäisiert in Städten lebten, plötzlich eines Tages dem Ruf ihres Häuptlings Folge leisteten. Dennoch läßt die Zersetzung des Stammestums sehr ernst zu nehmende Probleme entstehen. Die Tatsache der Eingliederung des Eingeborenen in die europäischeWirtschaft und Lebensweise, wie seine intensiven Bestrebungen, vom europäischen Fortschritt zu lernen, schließen den Gedanken aus, etwas Gewesenes im Volkstum wieder herstellen zu wollen. Es sei daher in abschließender Zusammenfassung noch einmal aufgeführt, welche Problempunkte sich zur Hauptsache ergeben und in welcher Richtung an ihre Lösung zu denken wäre. Die beständigen Kräfte zur Bildung und Erhaltung einer sozialen und wirtschaftlichen Ordnung unter afrikanischen Eingeborenen können sich nie auf der mehr oder weniger artfremd überschichteten Zivilisierung aufbauen, sondern wurzeln tief in dem rassisch gebundenen und naturhaft gewachsenen Volkstum im weitesten Sinne. Ebensowenig können sie mit dem Christentum durch die in Südafrika recht intensive Missionierung der Eingeborenen in ihrer heutigen Form geschaffen werden. Das Christentum der Eingeborenen liegt weder in der Tiefe der Lebensweise, noch entspricht es der afrikanischen Eigenart. Wenn es andererseits notwendig erscheint, die Mission als einzige europäische Institution zu erhalten, die wirklich selbstlos arbeitet und lange Zeit hindurch gute persönliche Beziehungen zu Dörfern und Häuptlingen gehabt hat, so kann ihre nütz8

Brenu.

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liehe Mitarbeit nur dann Früchte tragen, wenn die gesamten Stützen des afrikanischen Volkstums mit der Ahnenreligion, der Initiation, dem afrikanischen Eherecht u. ä. auch im Christentum zur Grundlage erhoben werden und der Begriff des „Heidnischen" mit dem Begriff des kulturell Sinnvollen vertauscht wird. Weiterhin ist die Erkenntnis der Bindungen des Volkstums erforderlich, um selbst die Bedeutung der Europäisierung ermessen zu können. Die unvermeidliche Berührung des südafrikanischen Eingeborenen mit der europäischen Zivilisation und Wirtschaft kann aber vor allem nur dann ohne katastrophale Auswirkungen der sich ergebenden Konfliktstoffe bleiben, wenn der natürlichen Eigenart Rechnung getragen wird. Bei der Einbeziehung der Eingeborenen in europäische, politische und wirtschaftliche Notwendigkeiten ist daher zunächst stets die zu erwartende Auswirkung auf die Stammesinstitutionen zu prüfen und daraufhin eine Durchführung zu beschreiten, die sich nach Möglichkeit mit dem im Stammestum Vorhandenen verschmelzen läßt oder wenigstens daran angeschlossen werden kann. Solche auf lange Sicht arbeitende Politik ist nicht nur mühsam in der Vorbereitung, sondern stößt außerdem noch auf Widerwillen bei den Eingeborenen, da einerseits der europäisierte und der gebildete Eingeborene in Überschätzung aller zivilisatorischen Erscheinungen die Zeugen seines Volkstums zu verachten begonnen hat und andererseits der traditionell gebundene Eingeborene auf dem Lande jegliche Neuerungen ablehnt, da er den Nutzen nicht einsieht, und Althergebrachtes nach dem Willen der Ahnen weiter befolgen zu müssen glaubt, sowie außerdem eine Übervorteilung durch den Weißen befürchtet. Die alte Ordnung, die sich in ihrer politischen Führung auf der familialen Struktur Ackerbau treibender Völker gründet und dennoch bei dem Vorhandensein einer strengen Jugenderziehung eine straffe politische Führung aufweist, hat bereits heute starke Einbruchsstellen durch die Auswirkung der Zivilisation erlitten. Dabei sind fast alle Erscheinungen des sozialen und geistigen Lebens der Eingeborenen solcherart vielschichtig und organisch miteinander verflochten, daß bei der Auflösung einzelner Einrichtungen und Vorstellungen gleich eine Reihe anderer ihren Halt verlieren müssen. So beeinflussen sich beispielsweise, um drei der Schwerpunkte herauszugreifen, diese folgendermaßen wechselseitig: 1. ein gelockertes Familienleben läßt eine schwächere Jugenderziehung, geringere Wertschätzung der Stammesmoral, Unwirksamwerden der Ahnenreligion, Schwächung der Häuptlings- und Ratsautorität u. ä. m. entstehen; 2. eine zum inhaltlosen Volksbrauch absinkende Jugenderziehung bewirkt die Autoritätslosigkeit des Häuptlings und damit einen schwächeren Stammeszusammenhalt, geringere Unterwerfung unter die Altersautorität mit ungünstigen Auswirkungen auf die familiale Eingliederung und Unterordnung, weiterhin die Lockerung gefestigter Rechtsanschauungen u. ä.; 3. ein geschwächtes Häuptlingstum aber ergibt sich bei einem geringeren Umfang der Aufgaben und Interessen des Häuptlings, nachdem eine Jugenderziehung nicht mehr geeignet ist, die zukünftigen Stammesmitglieder an ihn zu binden, europäische individualistische Eigentumsauffassungen besonders in Verbindung mit privatem Bodeneigentum um sich greifen, eine Einschränkung der kultischen Aufgaben mit der Auflösung der Sippen vor sich geht usw.

Schluß

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Der Zusammenhalt dieses Gewebes von soziologischen, geistigen und wirtschaftlichen Elementen wird weiterhin besonders gefährdet durch die große Armut und wirtschaftlich-rechtliche Unzufriedenheit der Eingeborenen. Da nur aus den vorhandenen Einrichtungen im wesentlichen das Aufbaumaterial für den notwendigen sozialen Rückhalt der Eingeborenen gewonnen werden kann, mögen die hauptsächlichsten Elemente der SothoTswana-Kultur kurz auf ihre Brauchbarkeit hin überprüft werden. Die großfamilialen Bindungen gründen sich seit alter Zeit auf die Gemeinwirtschaft:, gemeinschaftliches Siedeln und die Rechtsgemeinschaft, auf die Ahnenreligion und die Altenherrschaft, wie auf die gegenseitige Beeinflussung der Verwandten zu bestimmten Handlungen. Sie können zum guten Teil neu belebt werden durch die Aufrechterhaltung des gemeinschaftlichen Bodenbesitzes, einer möglichst geschlossenen Siedlungsweise gegenüber der neuzeitlichen Abspaltung von Kleinfamilien, einer Förderung der familiären und nachbarlichen Gemeinschaftsarbeit, einer zweckmäßigeren Abgrenzung und entsprechenden Kontrolle des EingeborenenEherechts unter besonderer Berücksichtigung der Legalisierung der Nachkommenschaft und Verringerung der Konkubinate, sowie ferner einer größeren Bindung des ländlichen Lohnarbeiters an seine engere Heimat. Einer "wachsenden soziologischen Differenzierung der Eingeborenen müßte allerdings Rechnung getragen werden. Der erzieherische Wert, den die Initiationsschule als Erlebnisgemeinschaft für den Zusammenschluß einer Häuptlingschaft und für ein Volkstumsbewußtsein hat, kann auch für die praktische Eingeborenenverwaltung nicht übersehen werden. Geht doch hier neben den Lehren der Stammesmoral und denen zur Stärkung des Gedächtnisses, der Selbstbeherrschung und Mannhaftigkeit, die Erziehung zur Achtung des Häuptlings und der Älteren vor sich. Zur Erhaltung dieser Schulen, die die Mission zu beseitigen bemüht ist, sollten nicht nur Häuptlinge ermutigt werden, sondern könnte sogar über Eingeborenenlehrer, sofern sie selbst solche Schulen durchgemacht haben, Einfluß genommen werden. Daneben ließe sich in das Volksschulsystem der Missionen und der wenigen Stammesschulen mancher nützliche Gedanke des alten Erziehungsbrauches wie auch die Wohngemeinschaft um so besser übernehmen, als man bemüht ist, das Schulsystem den praktischen wirtschaftlichen und geistigen Bedürfnissen der Eingeborenen anzupassen. Über die genannten Grundlagen erhebt sich von besonderer Bedeutung das Häuptlingstum und die politische Führung. Die Schwächen des Häuptlingstums liegen einerseits in der immer geringer werdenden Autorität mit dem Schwinden der Bedeutung des Kultischen und der Wirksamkeit sozialer Einrichtungen und andererseits in dem zu kleinen Kreis ernsthafter verantwortlicher Aufgaben, worin der Hauptgrund für die verbreitete Trunksucht der Häuptlinge liegen mag. Die für Familie und Jugenderziehung genannten Notwendigkeiten würden die Stammesgenossen zunächst enger unter dem Häuptling zusammenfassen. In der wirtschaftlichen Entwicklung und Kontrolle, in der Erweiterung des Bodenbesitzes, im Schul- und Erziehungswesen, in der Rechtsprechung, schließlich in der verwaltungsmäßigeren Erfassung seiner Gemeinden und einem 8*

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strengeren. Einfluß auf die gesamte Ab- und Zuwanderung können sich viele z. T. zusätzliche Aufgaben für den Häuptling und seine Ratsleute ergeben. Von großem Wert könnte eine Schulung der Häuptlingssöhne für ihre zukünftigen Aufgaben und Unterweisung in den traditionellen Gegebenheiten des Stammestums sein, da bei einer Reihe junger Häuptlinge die große Unkenntnis und der mangelnde Ernst für ihre Aufgaben von Volk und Ratsleuten beklagt werden. Die alte durch den Ahnenkult gegebene Autoritätsberechtigung kann durch Aufgaben, Leistung und Verantwortlichkeit weitgehend ersetzt werden, wenn nicht sogar mit dem bis zu einem geringen Grade heute noch verbleibenden Ahnenkult wenigstens auch kultische Aufgaben bestehen können. Von besonderer Wichtigkeit für die Regierungsbestätigung eines Häuptlingsamtes bleibt, daß der Häuptling nicht nur ernannt wird, sondern im Stamm das nötige Ansehen und die Nachfolgeberechtigung besitzt. Die politische Führung liegt nicht allein in Händen des Häuptlings, sondern wird in jeder Handlung durch die Ranghöchsten im Rat vorbereitet. Die Beratungen fördern für die Beschlüsse das Vertrauen der Stammesgenossen und sind dem Häuptling eine wesentliche Hilfe in der Sicherheit der zu treffenden Entscheidungen. Als recht nützlich mag es sich erweisen, wenn der oberste auf verwandtschaftlicher Grundlage beruhende Rat durch die Mitgliedschaft besonders fähiger Stammesgenossen erweitert werden würde, was zwar zugleich jedem unfähigen guten Freund des Häuptlings oder eines Ratgebers auch den Zugang ermöglichen würde. Die Ratseinrichtung darf keinesfalls in ihrer stammesverbindenden Eigenschaft beseitigt werden, sowie auch der Häuptling möglichst nicht in einen Gegensatz zu Rat und Volk gedrängt werden soll. Politisch und wirtschaftlich sind aufbauende Kräfte nur in sehr geringem Maße am Werk. Eine Voraussetzung für die Belebung und notwendige Festigung der sozialen Verhältnisse der Eingeborenen ist die bisherige bäuerliche Wirtschaftsgrundlage, die Liebe zum Vieh und die Bindung an den Boden. Unterstützt wird dies durch die Steigerung der Qualität in der Wirtschaftsführung, womit bereits in der Ausbildung von „agricultural demonstrators" (vgl. I, b), vorbeugenden Schutzmaßnahmen gegen Viehseuchen und in geringem Maße im Schulunterricht Anfange gemacht sind. Sozialpolitisch sind die Bemühungen über wissenschaftliche Arbeiten, Zeitschriften und die entsprechende Schulung der Studenten des Verwaltungsdienstes hinaus kaum bis zur praktisch aufbauenden Arbeit fortgeschritten. Eine Bereinigung der sich aus der politischen Lage der Eingeborenen ergebenden Unzufriedenheit, die wachsend eine organisierte Form annehmen wird, stößt stets auf den Widerstand der Besitzenden, die um einer gefährlichen politischen Unordnung vorzubeugen, keineswegs geneigt sind, das nötige Verständnis oder irgendwelche Opfer aufzubringen. An Positivem ist auf diesem Gebiet nur eine geringe Erweiterung der Reservate zu nennen. Dagegen ließe sich der Aufbau einer neuzeitlichen sozialen Ordnung unabhängig von den politischen Problemen weitgehend vorbereiten und durchführen, wobei der Ertrag solcher Aufwendungen über den praktischen Nutzen für das Zusammenleben der Völker hinausgehend auch einen ideellen kulturschaffenden Wert darstellt.

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Die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Sotho-Tswana

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