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German Pages [272] Year 2016
QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR HÖCHSTEN GERICHTSBARKEIT IM ALTEN REICH HERAUSGEGEBEN VON ANJA AMEND-TRAUT, FRIEDRICH BATTENBERG, ALBRECHT CORDES, IGNACIO CZEGUHN, PETER OESTMANN UND WOLFGANG SELLERT
Band 67
Die Neuordnung des Prozesses am Hofgericht Rottweil 1572 Entstehungsgeschichte und Inhalt der Neuen Hofgerichtsordnung
von ULRIKE SCHILLINGER
2016 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Titelblatt der Neuen Ordnung des Hofgerichts Rottweil aus dem Jahr 1573. Universität Heidelberg, Maximilian : Ernewerte Ordnung Der Rö. Kay. Mt. Kaiserlichen Hoffgerichts zu Rottweil – Mainz, 1573, Blatt: Titelblatt, Sign.: I 2600 C Folio RES
© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Patricia Simon, Langerwehe Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-50533-2
Inhalt Danksagung ...............................................................................................................
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A. Einleitung ............................................................................................................ I. Geschichtlicher Hintergrund . . .................................................................. 1. Überblick über die Geschichte des Rottweiler Hofgerichts ......... 2. Grundlegende Gedanken zum Hofgericht ...................................... II. Forschungsstand .......................................................................................... III. Untersuchungszeitraum und Fragestellung ............................................ 1. Untersuchungszeitraum . . ..................................................................... 2. Fragestellung .......................................................................................... IV. Quellen und Methode ................................................................................
9 9 9 11 16 18 18 22 23
B. Im Vorfeld der Neuen Hofgerichtsordnung ................................................ I. Die Alte Hofgerichtsordnung ................................................................... 1. Handschrift ............................................................................................ 2. Drucke .................................................................................................... 3. Aufbau .................................................................................................... II. Reichskammergerichtsordnung von 1555 . . ............................................... 1. Frühere Reichskammergerichtsordnungen ...................................... 2. Aufbau .................................................................................................... 3. Nach 1555 ................................................................................................ III. Visitation des Hofgerichts 1571 . . ............................................................... 1. Die Kommissare .................................................................................... 2. Verlauf und Ergebnisse . . ....................................................................... 3. Vorgänge bis zur Konfirmierung der NHGO ................................. 4. Ergebnis ..................................................................................................
27 27 28 31 32 33 34 37 38 39 44 45 48 51
C. Die Neue Hofgerichtsordnung von 1572 . . ................................................... 53 I. Rechtsnatur .................................................................................................. 53 II. Aufbau . . ......................................................................................................... 55 III. Zuständigkeit und Organisation .............................................................. 56 1. Zuständigkeit . . ....................................................................................... 56 2. Organisation .......................................................................................... 62 IV. Verfahren .. ..................................................................................................... 77 1. Verfahrensarten ..................................................................................... 77 2. Hofgericht und Audienz ..................................................................... 78 3. Verfahrensgrundsätze ........................................................................... 81 4. Verfahrensablauf .. .................................................................................. 107
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Inhalt
V. Exekutionsverfahren ................................................................................... 1. Acht . . ....................................................................................................... 2. Aberacht ................................................................................................. 3. Anleite .................................................................................................... 4. Beläutung .. .............................................................................................. 5. Exekutionsverfahren am Reichskammergericht .............................. 6. Ergebnis .................................................................................................. VI. Exemtionsprivilegien und Ehehaften ....................................................... 1. Exemtionsprivilegien . . .......................................................................... 2. Abforderungsverfahren . . ...................................................................... 3. Ehehaften .. .............................................................................................. 4. Verhältnis Exemtionsprivilegien – Ehehaften .................................. VII. Appellation an das Reichskammergericht . . ............................................ 1. Suspensiv- und Devolutiveffekt .......................................................... 2. Entscheidungen des Appellationsgerichts ........................................
168 168 174 175 182 184 186 187 187 189 190 194 195 200 201
D. Unter der Neuen Hofgerichtsordnung von 1572 ....................................... I. Zustände am Gericht .................................................................................. II. Auseinandersetzungen mit den Kurfürsten und dem Schwäbischen Kreis . . .................................................................. 1. Mit den Kurfürsten .............................................................................. 2. Mit dem Schwäbischen Kreis .. ............................................................ III. Visitationsversuche ..................................................................................... IV. Ergebnis ........................................................................................................
203 203 205 205 210 214 222
E. Das Rottweiler Hofgericht im Spannungsfeld des Südwestens .............. 223 I. Verhältnis zum Kaiser und Stellung in der Gerichtslandschaft ........... 223 1. Das Rottweiler Hofgericht und der Kaiser ...................................... 223 2. Das Rottweiler Hofgericht in der Gerichtslandschaft des Reiches 226 II. Das Haus Österreich . . ................................................................................. 231 III. Ergebnis ........................................................................................................ 237 F. Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................. 239 Literaturverzeichnis . . ............................................................................................... Handschriftliche Quellen .................................................................................. Gedruckte Quellen ............................................................................................. Nachschlagewerke . . ............................................................................................. Literatur . . ..............................................................................................................
245 245 245 247 248
Sachregister . . .............................................................................................................. 265
Danksagung Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Juristischen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Sie entstand zwischen 2011 und 2014 im Rahmen des Graduiertenkollegs des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte sowie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main (International Max Planck Research School for Comparative Legal History – IMPRS). Vor diesem Hintergrund möchte ich mich bei einer Vielzahl von Menschen bedanken, ohne deren private wie auch professionelle Unterstützung diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Zunächst bedanke ich mich bei den Herausgebern der Reihe „Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich“ für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe. Weiterhin danke ich in diesem Zusammenhang den Mitarbeitern des Böhlau Verlages, welche mich während des gesamten Prozesses der Drucklegung wunderbar unterstützt haben. Ein großer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Bernd Kannowksi. Er hat die Arbeit von Anfang an eng begleitet und stets wertvolle Tipps gegeben. Darüber hinaus bedanke ich mich bei Herrn Prof. em. Dr. Diethelm Klippel für die Zweitbegutachtung der Arbeit. Entscheidende Impulse hat die Dissertation durch die vielen Diskussionen im Rahmen der Sitzungen der IMPRS erhalten. Hierfür danke ich dem Leitungsgremium – vor allem Herrn Prof. em. Dr. Bernhard Diestelkamp – sowie den weiteren Mitgliedern der IMPRS herzlich. Vielen Dank auch an Dr. Michael Jack für unseren intensiven Austausch per Telefon und E-Mail und Herrn Dr. Joachim Hock für die Hilfe bei so mancher Übersetzung. Für die schöne gemeinsame Zeit am Institut mit vielen anregenden Gesprächen und Diskussionen möchte ich mich insbesondere bei meinen Mit-Doktoranden Gesine Güldemund, Dr. Lea Heimbeck, Dr. Simon Groth und Dr. Dennis Majewski bedanken. Den beiden letztgenannten gilt ferner ein großer Dank für die Unterstützung bei der Korrektur der Arbeit. Insgesamt danke ich sämtlichen Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte für die exzellenten Forschungs bedingungen und die stete Hilfsbereitschaft. Ferner möchte ich mich bei den Mitarbeitern des Hauptstaatsarchivs Stuttgart für die Hilfe bei der Recherche vor Ort bedanken. Schließlich gilt mein besonderer Dank meinen Eltern, Sibylle und Gottfried Schillinger, sowie meiner Schwester, Dr. Eva-Kathrin Schillinger, die mich hinsichtlich des Projekts „Dissertation“ stets unterstützt und mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Ulrike Schillinger
Frankfurt am Main, im Mai 2016
A. Einleitung Im Jahre 1749 berichteten Rottweiler Bürger, aus der Hofgerichtsstube im Rathaus sei eine Gefangenschaft und Waschkammer gemacht worden.1 Während bei der letzten Amtseinführung von Unterhofrichtern im selben Jahr die Gerichtssitzung gerade einmal eine halbe Stunde dauerte, nahmen die Festlichkeiten und Bankette mehrere Tage in Anspruch. Die Sitzungen des für den Landstrich Schwaben einst bedeutends ten Gerichts waren angeblich zu reinen Vergnügungsveranstaltungen geworden. Mit einem kurzen Überblick möchte ich zunächst in die Geschichte des Hofgerichts Rottweil, mit dessen Verfahren ich mich im Folgenden befassen werde, einführen.2
I. Geschichtlicher Hintergrund 1. Überblick über die Geschichte des Rottweiler Hofgerichts Erstmals erwähnt wurde das Rottweiler Hofgericht in einer Urkunde aus dem Jahre 1299, in welcher K aiser Albrecht I. die Stadt Rottweil vom Gerichtszwang jeglicher fremder Gerichte, auch dem des kaiserlichen Landgerichts (Hofgericht) zu Rottweil, befreite.3 Über den Ursprung des Hofgerichts wird seit langer Zeit diskutiert. Seine Wurzeln werden in einem schwäbischen Herzogsgericht 4, in einem Grafschafts gericht 5 oder der Landvogtei Niederschwaben 6 gesehen. Überzeugender ist jedoch die Ansicht, die das Hofgericht zusammen mit einem Pürschgericht, welches für in der Pürsch 7 begangene Straftaten zuständig war, zu den Nachfolgern eines königlichen 1 HStASt (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) C1 Bü 225 fol. 2 (24. August 1749). 2 Die Fragestellung wie auch ein Teil der Ergebnisse werden in einem Sammelband zur Tagung „Höchsgerichte im Heiligen Römischen Reich – Stand und Perspektiven der Forschung“ (22. und 23. November 2013 in Wetzlar) vorgestellt: Ulrike Schillinger, Die Neue Rottweiler Hofgerichtsordnung von 1572, in: Alexander Denzler/Ellen Franke/ Britta Schneider (Hg.), Prozessakten, Parteien und Partikularinteressen. Höchstgerichtsbarkeit in der Mitte Europas vom 15. bis zum 19. Jahrhundert (Bibliothek Altes Reich, Band 17), Berlin/Boston 2015, S. 55 – 69. 3 Rottweiler Urkundenbuch (RUB), Nr. 57, S. 19 f. 4 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 285; Maurer: Rottweil (1968), S. 71 und S. 77. 5 Baumann: Gaugrafschaften (1879), S. 163 f.; Greiner: Recht (1900), S. 25 f.; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 4 und S. 6. 6 Niese: Verwaltung (1905), S. 203 und S. 295 f. 7 Auch Pirsch genannt. Dabei handelt es sich um ein verstreutes Gebiet, welches aus der ehemaligen Reichsvogtei Oberschwaben hervorgegangen war. Im Rottweiler Pirschgebiet
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Einleitung
Patrimonial- und Domanialgerichts an der Königsburg erklärt.8 Dieses Gericht war für die Bewohner der königlichen Ländereien, die Reichsbeamten und die Schutzkirchen zuständig.9 In seiner produktivsten Zeit (circa 1360 bis circa 1494) wirkte das Hofgericht weit über Schwaben hinaus. So finden sich auch in späterer Zeit in den Akten noch Parteien aus Frankfurt am Main und Umgebung 10, aus Speyer 11, Mainz 12 und Worms 13, aus dem Elsass 14, Österreich 15 und Franken 16. Lang verweist in diesem Zusammenhang auf jüdische Parteien aus Hessen und Bayern, deren gegen Christen gerichtete K lagen das Rottweiler Hofgericht als eines von wenigen Gerichten annahm.17 Das Hofgericht machte sich insbesondere mit seiner Beurkundungstätigkeit einen Namen.18 Daneben baute es seine richtende Tätigkeit in streitigen Sachen immer weiter aus.19 Strafrecht lich wirkte es lediglich in Ausnahmefällen.20 Das Rottweiler Hofgericht konkurrierte mit anderen Land-, Territorial- und Stadtgerichten insbesondere im Südwesten und in Franken, konnte sich in dieser Zeit jedoch auch eine Art Oberstellung über die anderen kaiserlichen Landgerichte erarbeiten. Alle reichsunmittelbaren, in seinem Wirkungsbereich sesshaften Personen und Institutionen waren dem Hofgericht grundsätzlich unterworfen.21 Jedoch bestanden nebeneinander das „Recht der Hochgerichtsbarkeit“ sowie eine „Jagdhoheit“ (Deutsches Rechtswörterbuch Band 10 (1997 – 2001), Sp. 1065 Ziff. 1). 8 Feine: Landgerichte (1948), S. 160 – 163; Grube: Verfassung (1969), S. 10 f.; Scheyhing: Landgericht (1962), S. 86 – 88. 9 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 1 – 3. 10 HStASt C1 Bü 265 (1590), Bü 312 (1591 – 1592), Bü 517 (1597 – 1599) und Bü 665 (1455). 11 HStASt C1 Bü 426 (1580 – 1590). 12 HStASt C1 Bü 453 (1578). 13 HStASt C1 Bü 641 (1555 – 1572). 14 HStASt C1 Bü 231 (1594), Bü 347 (1581 – 1599), Bü 371 (1575; 1577 – 1582), Bü 511 (1590 – 1593), Bü 556 (1585 – 1587), Bü 584 (1588 – 1598) und Bü 654 (1432). 15 HStASt C1 Bü 238 (1573; 1576 – 1583), Bü 251 (1587 – 1590) und Bü 474 (1574). 16 HStASt C1 Bü 206 (1601), Bü 213 (1577), Bü 277 (1592 – 1595) und Bü 531 (1599 – 1600). 17 Lang: Ausgrenzung (2008), S. 221 – 224. 18 Feine: Landgerichte (1948), S. 155 f.; Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 241; Grube: Verfassung (1969), S. 12 – 14, S. 42 f. 19 Grube: Verfassung (1969), S. 26, S. 75 f. Hierunter wurden auch Prozesse zur Durchsetzung des Landfriedens geführt. Grube betont allerdings, dass Fälle wegen Landfriedensbruch „nur wenige Mal im Jahr“ vor dem Gericht verhandelt wurden. Grube: Verfassung (1969), S. 26. So auch Scheyhing: Landgericht (1962), S. 90. Feine verweist darauf, dass das Hofgericht über die vermögensrechtlichen Folgen von Landfriedensbrüchen entschied (Feine: Landgerichte (1948), S. 154). 20 Grube: Verfassung (1969), S. 26; Scheyhing: Landgericht (1962), S. 85; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 75 f. 21 Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 74.
Geschichtlicher Hintergrund
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begehrten schon in dieser noch sehr produktiven Zeit des Gerichts eine zunehmende Anzahl von Obrigkeiten, Städten, Personen etc. die Befreiung von seinem Gerichtszwang durch den Kaiser.22 Trotz vielfacher Bemühungen des Gerichts, diesem Trend entgegenzuwirken, stieg die Zahl der Exemtionen immer weiter an. Zudem verlor das Gericht im Zuge der Errichtung des Reichskammergerichts im Jahre 1495 an Ansehen.23 Aus einem anfänglichen Konkurrenzverhältnis entwickelte sich schnell ein Subordinationsverhältnis: Vom Hofgericht war – wie auch schon zuvor zum königlichen beziehungsweise kaiserlichen Kammergericht – die Appellation an das Reichskammergericht möglich.24 Parallel hierzu bauten die Territorien ihre eigenen Gerichtsbarkeiten auf und versuchten diese mit Privilegien de non evocando und de non appellando zu stärken.25 Die nunmehr vermehrt zu hörenden Klagen der Stände über das Hofgericht, insbesondere auf den Reichstagen, führten zu einer Visitation des Hofgerichts im Jahre 1570 und im Zuge dieser zur Errichtung der Neuen Hofgerichtsordnung (NHGO), w elche ab 1572 Geltung hatte. Gegen die zunehmenden Beschwerden über das Gericht und die Befreiungen von dessen Zuständigkeit sowie die Nichtdurchsetzbarkeit seiner Urteile konnte jedoch auf lange Sicht auch diese Neuerung nichts ausrichten. 1692 stellte das Gericht seine letzte Urkunde aus.26 Am 22. Juni 1784 fand die letzte Gerichtsverhandlung statt.27 Offiziell aufgelöst oder abgeschafft wurde das Rottweiler Hofgericht jedoch nie.
2. Grundlegende Gedanken zum Hofgericht Im Südwesten des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation wurden im beginnenden Spätmittelalter in Ergänzung zum königlichen beziehungsweise kaiserlichen Hofgericht sogenannte Landgerichte tätig, die sich seit dem 14. Jahrhundert als kaiserlich bezeichneten.28 Ihre Wurzeln werden unter anderem in königlichen Reichsgutgerichten, Reichs- oder Landvogteien beziehungsweise in öffentlichen Lehen
22 Siehe hierzu auch die von Battenberg mit Blick auf das Rottweiler Hofgericht aufgeführten Gerichtsstandsprivilegien (Battenberg: Gerichtsstandsprivilegien, 2. Teilband (1983), S. 854). 23 Grube: Verfassung (1969), S. 34 f. und S. 66 f.; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 85. 24 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53r f. 25 Grube: Verfassung (1969), S. 33, S. 39 und S. 63. 26 HStASt C1 IV Bü 324 (12./15. Januar 1692); Grube: Verfassung (1969), S. 80. 27 Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 1 (1836), S. 114 – 119. 28 Grube: Verfassung (1969), S. 8.
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Einleitung
reichslehnshängiger Grafschaften gesehen.29 Die meisten dieser Landgerichte gehen wohl auf die Staufer zurück.30 Neben dem Rottweiler Hofgericht zählten zu den wichtigsten dieser Gerichte das Landgericht des Burggraftums Nürnberg, das Würzburger Landgericht sowie das Landgericht auf der Leutkircher Heide und in der Gepürs.31 Die kaiserlichen Landgerichte waren für die in ihrem Wirkungsbereich gesessenen Reichsunmittelbaren zuständig. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Beurkundung jeg licher Art von Schriftstücken, sodass sie auch als „Notariatskollegien“ 32 bezeichnet wurden.33 Daneben waren sie in streitigen Sachen vornehmlich auf dem Gebiet des heutigen Zivilrechts, teils auch – nach moderner Auffassung – im Verwaltungsrecht tätig. Die Blutgerichtsbarkeit hatten jedoch nur einige von ihnen inne.34 Langfristig etablieren konnten sich einige der kaiserlichen Landgerichte, unter ihnen insbesondere das Landgericht Rottweil, zum einen aufgrund der Schwäche des Reichshofgerichts, welches im Gegensatz zu den Landgerichten über keinen festen Sitz verfügte.35 Zum anderen war es im Südwesten keiner Territorialmacht gelungen, an die Herrschaft der Staufer anzuknüpfen, weshalb eine Vielzahl kleiner Herrschaften, Städte und Gemeinden nebeneinander bestand, die allesamt ihren eigenen Wirkungsbereich hatten.36 Diese Situation gesteigerter Rechtsunsicherheit weckte das Bedürfnis nach einem über das lokale Gebiet hinaus anerkannten Spruchkörper, welchen lediglich die kaiserlichen Gerichte aufgrund ihrer Reichsunmittelbarkeit befriedigen konnten.37
29 Merzbacher: Landgericht, HRG Bd. 2 (1978), Sp. 1499. Hinsichtlich des Landgerichts Würzburg besteht Merzbacher zufolge die Besonderheit, dass sich sein Lehen mit dem Herzogtum Ostfranken deckte. Es fungierte zudem als landesfürstliches Obergericht und als Berufungsinstanz des Bischofs von Würzburg (Merzbacher: Landgericht, HRG Bd. 2 (1978), Sp. 1499). 30 Siehe überblicksartig zu den Landgerichten Feine: Landgerichte (1948), S. 148 – 235. Darüber hinaus Grube: Verfassung (1969), S. 8 und Jänichen: Untersuchungen (1957), S. 6 f. 31 Dieses wurde auch Landgericht Schwaben oder Landgericht in Schwaben genannt. Darüber hinaus bestanden kaiserliche Landgerichte in Rothenburg ob der Tauber, Schweinfurt, Wimpfen, Bamberg, in der Baar zu Fürstenberg, im Hegau, im Albgau zu Stühlingen, im Klettgau, im Thurgau und in Rankweil (Grube: Verfassung (1969), S. 8). Oestmann nennt darüber hinaus Ulm und Zürich (Oestmann: Hofgerichte, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1088). Hierzu auch Merzbacher: Landgericht, HRG Bd. 2 (1978), Sp. 1499. 32 Meyer: Verwaltungsorganisation (1933), S. 200. 33 Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 241; Grube: Verfassung (1969), S. 8. 34 Merzbacher: Landgericht, HRG Bd. 2 (1978), Sp. 1499. 35 Franklin: Reichshofgericht (1867/1869), S. 4. 36 Bader: Südwesten (1978), S. 47 f., S. 54 f., S. 56 f. und S. 60. 37 Hierzu auch Grube: Verfassung (1969), S. 9.
Geschichtlicher Hintergrund
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Wohl seit der Mitte des 15. Jahrhunderts bezeichnete sich das Landgericht Rottweil als kaiserliches Hofgericht.38 Einem sich über das Rottweiler Landgericht b eschwerenden Beklagten hatte man im Jahre 1438 geantwortet, dass es in Rottweil kein Landgericht, sondern ein kaiserliches Hofgericht gebe.39 Auch andere Landgerichte bezeichneten sich als Hofgerichte.40 Mit Blick auf diesen Terminus müssen weiterhin die Hofgerichte des sogenannten „älteren Typs“ und die Hofgerichte „jüngeren Typs“ differenziert werden.41 In die erstgenannte Kategorie fällt auch das Hofgericht Rottweil. Klassischerweise bestand an diesen Gerichten die Trennung z wischen Richter und Urteilsprechern und das Verfahren lief weitgehend mündlich ab. In die zweite Kategorie fallen die Gerichte, an denen sogenannte Räte in vom Herrscher bestimmten Sachen entschieden. Als wichtige Unterscheidungskriterien hebt Oestmann hervor, dass die Urteilsfindung an den Hofgerichten jüngeren Typs nicht mehr durch Laienurteilsprecher, sondern durch gelehrte Juristen stattfand.42 Weiterhin hätten die Hofgerichte jüngeren Typs über Hofgerichtsordnungen verfügt und seien zumindest zum Teil mit Rechtsgelehrten besetzt gewesen.43 Gerade für das Rottweiler Hofgericht fällt eine genaue Einordnung nicht ganz so leicht, wie auf den ersten Blick angenommen. Rottweil ist seiner Entstehung nach zwar klar als Hofgericht älteren Typs zu qualifizieren, jedoch verfügte das Hofgericht bereits in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts über eine Gerichtsordnung. Im späteren Verlauf versuchten die Hofgerichte älteren Typs – sofern sie noch existierten 44 –, sich durch neue Gerichtsordnungen 45 und durch juristisch gebil-
38 Grube: Verfassung (1969), S. 10; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 68. Im Jahre 771 erschien erstmals ein Königshof Rotuvilla in den Urkunden (Sydow: Städte (1987), S. 23). Dieser bestand spätestens seit der zweiten Hälfte des 9. und mindestens bis in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts (Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 21). Der Name des Hofgerichts rührt von seiner Gerichtsstätte her, die sich in unmittelbarer Nähe zu d iesem ehemaligen Königshof befand (Grube: Verfassung (1969), S. 10). 1418 gestattete König Sigmund die Verlegung des Hofgerichts in den Tiergarten (RUB, Nr. 841, S. 360 f.). 39 RUB, Nr. 1011a, S. 423 beziehungsweise HStASt C1 Bü 108. 4 0 Oestmann: Hofgerichte, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1088. 41 Lück: Gerichtsverfassung (1997), S. 120. 42 Zu den vorhergehenden Ausführungen: Oestmann: Hofgerichte, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1089 f. Zudem Oestmann: Gerichtsbarkeit (2011), S. 298 f. 43 Oestmann: Hofgerichte, HRG Bd. 2, Sp. 1089 f.; Lück: Gerichtsverfassung (1997), S. 119 f. 4 4 Zum Teil gingen die Landgerichte unter. Andere wurden in die Gerichtssystematik des Territoriums, in dem sie lagen, integriert (Leiber: Landgericht der Baar (1964), S. 47 – 50; Merzbacher: Franken-Würzburg (1956), S. 15 – 17; Weitzel: Appellation (1976), S. 67). 45 Neben dem Hofgericht Rottweil auch das Landgericht in Schwaben (Feine: Landgerichte (1948), S. 168).
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Einleitung
deteres Personal weiterhin konkurrenzfähig zu halten. Oftmals gab es keine festen Regelungen zu den Zuständigkeiten der Gerichte, weshalb potenzielle Kläger sich wohl genau überlegten, an welchen Gerichten sie in nachvollziehbaren Verfahren am ehesten Chancen hatten, mit ihren Forderungen durchzudringen.46 Insofern beginnt an dieser Stelle die Abgrenzung der beiden Hofgerichtstypen zu verschwimmen. Zur Abgrenzung von königlichem Kammergericht und königlichem Reichshofgericht führt Weitzel ferner an, dass die Beisitzer nicht mehr als „Träger und Künder von Recht und Urteil der Dinggenossenschaft“, sondern als „Urteiler im Namen und in Vertretung des Königs“ gesehen wurden.47 Die weiterhin auch beim Reichskammergericht bestehende Unterteilung z wischen Richter und Urteilern sei „nur noch der Form nach eine Erinnerung an die Dinggenossenschaft“ gewesen.48 Wiederum ergibt sich für die kaiserlichen Landgerichte in diesem Zusammenhang eine besondere Situation. Als ursprünglich nicht nur der Form nach dinggenossenschaftliche Gerichte – das heißt Gerichte, in denen die Rechtsfindung vom Rechtszwang getrennt und „unter maßgeblicher Beteiligung der Genossen der streitenden Parteien an der Rechtsfindung“ 49 stattfand – mussten sie für ihr weiteres Bestehen den Wandel hin zu einem mit „ratenden Fachleuten“ 50 besetzten Gericht vollziehen. Das Rottweiler Gericht hatte sich während des 14. und 15. Jahrhunderts eine Art beschränkte Oberstellung über die anderen schwäbischen Landgerichte erarbeitet. Die AHGO nennt Fälle, in denen die Landgerichte nach Rottweils Empfinden ihren Wirkungskreis überschritten hatten oder schwere Fehler im Verfahren vorgefallen waren.51 Grube betont jedoch, dass hier erst „von einer Vorstufe zu einem Berufungsgericht aus[zu]gehen“ sei und dass das Hofgericht in dieser Zeit nicht danach strebte, diese Stellung weiter auszubauen.52 Auch Etzold weist darauf hin, dass das Hofgericht in diesen sogenannten Übergriffsverfahren lediglich die Zuständigkeit des jeweiligen Landgerichts überprüfte.53 Von einer eigentlichen Berufung könne man auch vor dem Hintergrund von AHGO Part. 5 Tit. 16, der ausdrücklich eine inhaltliche Überprüfung 4 6 Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 83. 47 Weitzel: Dinggenossenschaft Bd. 2 (1985), S. 1266. 48 Weitzel: Dinggenossenschaft Bd. 2 (1985), S. 1266 f. Hierzu auch Battenberg: Herrschaft und Verfahren (1995), S. 20. 49 Weitzel: Ding, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1072. Darüber hinaus ders.: Dinggenossenschaft Bd. 1 (1985), S. 89. 50 Weitzel: Dinggenossenschaft Bd. 2 (1985), S. 966. 51 AHGO, Part. 5 Tit. 16, S. 335 f.; Part. 6 Tit. 1, S. 338; Part. 8, S. 341 f., Part. 9 Tit. 15 und Part. 11 Tit. 15, S. 367 f. Die NHGO qualifiziert das Überschreiten des Wirkungskreises durch ein anderes Landgericht als Ehehaftstatbestand (NHGO, Part. 2 Tit. 5 § 14, fol. 37r f.). 52 Grube: Verfassung (1969), S. 18. In diese Richtung auch Feine: Landgerichte (1948), S. 154 f. 53 Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 110.
Geschichtlicher Hintergrund
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von Urteilen anderer Gerichte durch das Hofgericht verneint, nicht sprechen.54 Feine merkt zu der Thematik an, dass die „Berufung“ des Landgerichts in Schwaben immerhin bis 1530 nach Rottweil ging.55 Fischer steht dem kritisch gegenüber, spricht für das 15. Jahrhundert von einer noch nicht eindeutig geklärten Frage und betont, dass ab 1495 die Appellation an das Reichskammergericht gegangen sei.56 Auch Weitzel findet die Aussage Feines widersprüchlich und fragt sich, wie die Berufungen bis 1530 nach Rottweil hätten gehen können, wenn doch das Gericht keine Appellationszuständigkeit in Anspruch genommen habe.57 Er kommt weiterhin zu dem Schluss, dass es vor dem Aufkommen des Appellationsverfahrens um die Mitte des 15. Jahrhunderts bei den von den Gerichten ausgesprochenen Entscheidungen geblieben sei.58 Es wird zudem angeführt, dass das Hofgericht im oberen Neckarraum im 14. Jahrhundert eine Vorbildfunktion hatte und für andere Territorial- und Stadtgerichte als eine Art Zuginstanz wirkte.59 Ab und an bestätigte das Hofgericht Rechtssprüche des Kaisers, legte ihm jedoch auch seinerseits Sachen zur Entscheidung vor.60 Bedingt durch die institutionellen Beschränkungen des Reichshofgerichts war der Kaiser die eigentliche Kontrollinstanz für die Entscheidungen der kaiserlichen Landgerichte.61
54 Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 110 f. AHGO Part. 5 Tit. 16 lautet: Item wer dehain gericht fürvordert und latt umb das das er maint, er sige durch des selben gerichcz urtail beswaert und im anders geurtailt, denn recht ist, da denn der cleger mit wilkür in das selb recht getreten ist, sölichs rechtvertiget das hofgericht nit, denn warüber geurtailt ist, dabi lat man das beliben. Dann so verre von der lantgericht wegen, die da über griffend und richtend über die si nit ze richten hand, die werdend darumb fürgenomen als hernach begriffen ist. Darüber hinaus Weitzel: Oberhöfe (1981), S. 35 Fn. 115a. 55 Feine: Landgerichte (1948), S. 154. 56 Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 275 f. 57 Weitzel: Appellation (1976), S. 72 Fn. 75. 58 Weitzel: Appellation (1976), S. 111. 59 Grube: Verfassung (1969), S. 18; Jänichen: Rechtszug (1956), S. 219; Jänichen: Landtage (1958), S. 117 – 119 und S. 134. Darüber hinaus ist anzumerken, dass das Hofgericht lediglich im Feld der streitigen Gerichtsbarkeit anderen Gerichten übergeordnet war. Im Feld der Beurkundungstätigkeit gab es kein Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen den Gerichten (Grube: Verfassung (1969), S. 19). 60 Feine: Landgerichte (1948), S. 155; Grube: Verfassung (1969), S. 17; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 27. 61 Franklin: Reichshofgericht Bd. 2 (1869), S. 205 – 211; Grube: Verfassung (1969), S. 16.
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Einleitung
II. Forschungsstand Die meisten Abhandlungen über das Rottweiler Hofgericht stammen aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts und konzentrieren sich auf die Entstehung des Gerichts, seine Zuständigkeit, sein Personal sowie die Alte Hofgerichtsordnung (AHGO). In seiner im Jahre 1904 erschienenen Publikation 62 stellt Josef Kohler 63 das Verfahren des Gerichts nach der AHGO dar und zieht hierfür Urkunden aus verschiedenen südwestdeutschen Archiven hinzu. Auf das Verfahren der NHGO geht er lediglich vereinzelt und nur kurz ein.64 1911 widmet sich Friedrich Thudichum der Geschichte sowohl der Reichsstadt Rottweil als auch der des Hofgerichts.65 Er befasst sich dabei in erster Linie mit dem Herkommen des Gerichts, seiner Verfassung und seiner Zuständigkeit. Max Speidel untersucht in seiner aus dem Jahre 1914 stammenden Arbeit den mitpublizierten Text der AHGO.66 Im Jahre 1920 veröffentlichen Heinrich Glitsch und Karl Otto Müller die von ihnen wieder aufgefundene Handschrift der AHGO samt Anmerkungen zum Fund und zur Ausgestaltung der Handschrift.67 Über das Hofgericht im 14. und 15. Jahrhundert, insbesondere seine Verfassung nach der AHGO, fertigt Robert Hermann Etzold im Jahre 1924 seine Dissertation an, die ein erhebliches Urkundenaufkommen umfasst.68 Ein knappes Vierteljahrhundert später beschäftigt sich Hans Erich Feine 1948 mit den kaiserlichen Landgerichten in Schwaben im Spätmittelalter und widmet sich dabei insbesondere dem Ursprung und der Geschichte des Hofgerichts sowie seiner Verfassung und Bedeutung für das späte Mittelalter.69 In einem Beitrag für die Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte betont Robert Scheyhing 1962 die Ausnahmestellung des Rottweiler Hofgerichts im Vergleich mit den anderen kaiserlichen Landgerichten und sucht insbesondere in den Ursprüngen des Gerichts, seiner Zuständigkeit und seinem Wirkungsbereich die Gründe hierfür.70 Das ausführlichste im 20. Jahrhundert zum Rottweiler Hofgericht erschienene Werk stammt aus dem Jahr 1969 von Georg G rube.71 62 Kohler: Verfahren (1904). 63 Der „Universaljurist“ (Spendel: Kohler (1983), S. V) Kohler, der bekanntermaßen an allen erdenklichen (zu seiner Zeit wie zum Teil auch noch heute) aktuellen sowie grundsätz lichen Rechtsfragen interessiert war und in beachtlichem Umfang kreative und innovative Veröffentlichungen hierzu vorlegte, hat auch dem Hofgericht Rottweil Aufmerksamkeit geschenkt. Weiterführend zu Kohler: Fernandes Fortunato: Josef Kohler, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1936; Luig: Joseph Kohler, Juristen (2001), S. 361 f.; Spendel: Kohler (1983). 6 4 Kohler: Verfahren (1904), S. 60, S. 116 f. 65 Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911). 66 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914). 67 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920). 68 Etzold: Hofgericht Bd. 1 und Bd. 2 (1924/1925). 69 Feine: Landgerichte (1948). 70 Scheyhing: Landgericht (1962). 71 Grube: Verfassung (1969).
Forschungsstand
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Grube befasst sich dabei in einer profunden und quellengespickten Untersuchung zum einen mit der Geschichte des Rottweiler Hofgerichts, zum anderen – im Hauptteil des Buches – mit den Personen des Hofgerichts. Wolfgang Irtenkauf veröffentlicht 1981 Abbildungen aus der Handschrift der AHGO samt einigen Anmerkungen.72 1993 schließlich schreibt Adolf Laufs in seinem Beitrag für den Südwestdeutschen Arbeitskreis für Stadtrechtsforschung über das Hofgericht Rottweil als „Residenz des Rechts“ und beschäftigt sich hierfür mit der Geschichte der Stadt Rottweil, der Geschichte des Hofgerichts und ihren Verflechtungen.73 Vor Kurzem erschienen ist die Arbeit von Michael Jack über die Ehehaften 74 des Rottweiler Hofgerichts vor dem Reichskammergericht.75 Jack untersucht dabei die einzelnen seitens des Hofgerichts vorgebrachten Ehehaftstatbestände und teilt sie in Gruppen ein. Unter Zuhilfenahme der Bochumer Datenbank arbeitet er aus der Perspektive des Reichskammergerichts die Argumentationen der Parteien vor d iesem als Appellationsinstanz fungierenden Gericht heraus. Nicht im Speziellen über das Hofgericht, aber über die Stadt Rottweil – und als Teil von dieser auch über das Hofgericht – berichtet Heinrich Ruckgaber in seinem zweibändigen, aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammenden Werk über die Freiund Reichsstadt Rottweil.76 Mit Blick auf die Reichskammergerichtsordnung (RKGO) von 1555 ist die Disserta tion von Bettina Dick als grundlegende Studie zum Kameralprozess hervorzuheben.77 Darüber hinaus sind Wolfgang Sellerts Arbeit über Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat und am Reichskammergericht sowie, grundlegend zum Zivilprozess, das Werk von Georg Wilhelm Wetzell aus dem 19. Jahrhundert zu nennen.78
72 Irtenkauf: Rottweiler Hofgerichtsordnung (1981). 73 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993). 74 Der Begriff Ehaft ist bedeutungsreich und wurde infolgedessen in unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen verwendet. Werkmüller nennt im HRG-Eintrag zu Ehaft unter anderem die ehaft not im Sinne von echter Not, darüber hinaus Bedeutungen wie „gesetzlich“, „rechtlich“, „richtig“, „berechtigt“, „vorschriftsmäßig“, „rechtsgültig“ und „rechtskräftig“ (Werkmüller: Ehaft, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1191). Der Begriff wurde jedoch vorwiegend im Kontext von Entschuldigungsgründen, insbesondere für die Säumnis verwendet ( Jack: Ehafte (2012), S. 25). Erst im Privileg Maximilians I. von 1496 respektive in der darauffolgenden NHGO wird der Begriff Ehehaft für Sachverhalte benutzt, in denen eine Sache trotz Exemtionsprivileg nicht verwiesen wird (NHGO, Part. 2 Tit. 5, fol. 34r–40r). 75 Jack: Ehafte (2012). 76 Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil (1835 – 1838). 77 Dick: Kameralprozess (1981). 78 Wetzell: System (1861).
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Einleitung
III. Untersuchungszeitraum und Fragestellung 1. Untersuchungszeitraum Genauer untersucht wird der Zeitraum zwischen circa 1550 und dem Dreißigjährigen Krieg. Der Untersuchungszeitraum ist stark von den Ausläufern der zeitlich davor liegenden Reichsreformbestrebungen des 15. und 16. Jahrhunderts geprägt. Die Reformbestrebungen waren aufgrund der Handlungsunfähigkeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation entstanden.79 Ein starkes Auftreten nach außen war für den Kaiser nur in Übereinstimmung mit den Kurfürsten, den Reichsfürsten und -städten möglich.80 Bei ihnen lag ein Großteil der Macht im Reich. Im Gegensatz zum Kaiser verfolgten sie das Ziel, ihre jeweiligen Territorien zu verfestigen und sie langsam zu staatsähnlichen Gebilden heranreifen zu lassen.81 Vor d iesem Hintergrund wollten und mussten die Stände an der Reichsregierung beteiligt werden.82 Alleine die starken Beharrungskräfte und die Tatsache, dass man sich weiterhin in der Nachfolge und Tradition der Staufer sah, verhinderten ein Auseinanderbrechen des Reiches über der „lange ungelösten Reformfrage“.83 In einer ersten Welle von Reformversuchen wurde in den 30er-Jahren des 15. Jahrhunderts über die Einteilung des Reiches in Kreise, ein Fehdeverbot und eine Reform des Münz- und des Geleitrechts verhandelt.84 Aufgrund der allzu unterschiedlichen Interessenlagen von Kaiser – Ausbau der Zentralgewalt – und Reichsfürsten – Beibehaltung des Kollegialprinzips – scheiterten jedoch diese Verhandlungen.85 Nach vertieften Reformdiskussionen unter Maximilian I. wurden schließlich Übereinkünfte erzielt.86 Auf dem Reichstag zu Worms 149587 wurde der Ewige Landfrieden aus-, das Reichskammergericht zu dessen Förderung und Überwachung ins Leben gerufen 88 und, wie Oestmann es ausdrückt, die bis zu diesem Zeitpunkt „engste 79 80 81 82 83 84 85 86
Moraw: Reichsreform (1983), S. 58 f. Angermeier: Reichsreform (1984), S. 181. Angermeier: Reichsreform (1984), S. 181; Laufs: Rechtsentwicklungen (1991), S. 85. Laufs: Rechtsentwicklungen (1991), S. 84 f. Laufs: Rechtsentwicklungen (1991), S. 85. Molitor: Reichsreformbestrebungen (1921), S. 77 – 112. Molitor: Reichsreformbestrebungen (1921), S. 112. Laufs: Reichsreform, HRG Bd. 4 (1990), Sp. 735 – 737; Molitor: Reichsreform bestrebungen (1921), S. 172 – 222. 87 Vertiefend zu Maximilian I. und dem Wormser Reichstag: Wiesflecker: Maximilian I. (1975), S. 217 – 249. 88 Angermeier: Reichsreform (1984), S. 173 – 184; Laufs: Rechtsentwicklungen (1991), S. 81 f.; Moraw: Reichsreform (1983), S. 62 f. Oestmann weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei dem 1495 eingeführten Reichskammergericht um „keine echte Neugründung“ handelte. Das Gericht sprach in Kontinuität zum Königlichen Kammergericht Recht, war
Untersuchungszeitraum und Fragestellung
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Verbindung von Justizgewährleistungsanspruch, Fehdeverbot und Gerichtszwang“ 89 geschaffen. Das Gericht sollte nunmehr die zuvor in blutigen Fehden ausgetragenen Auseinandersetzungen im Reich kanalisieren und verrechtlichen.90 Das Gewalt monopol sollte folglich in der Hand des Reiches und nicht in der Hand von kleineren Gruppierungen oder Einzelnen liegen.91 Das Reichskammergericht als Nachfolger des Königlichen beziehungsweise Kaiser lichen Kammergerichts tagte im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht mehr dort, wo sich der Kaiser aufhielt (was aufgrund des häufigen Verweilens der Habsburger außerhalb des Reiches auch schwierig gewesen wäre), sondern zunächst für circa anderthalb Jahre in Frankfurt am Main. Nachdem das Gericht zur Wende des 16. Jahrhunderts mehrfach seinen Sitz gewechselt hatte – hier sind die Städte Worms, Augsburg, Nürnberg, Regensburg, Speyer und Esslingen am Neckar zu nennen –, war es schließlich ab 1527 in Speyer ansässig.92 Von 1689 bis 1806 fand es seinen letzten Sitz in Wetzlar. Auch wenn das Gericht in der Tradition des Königlichen beziehungsweise Kaiser lichen Kammergerichts stand, brachte es insofern eine große Neuerung mit sich, als nunmehr neben dem K aiser auch die Reichsstände Assessoren an das Reichskammergericht präsentieren konnten.93 Die höchste Gerichtsbarkeit löste sich folglich zum Teil von der Person des Kaisers ab. Das Reichskammergericht war zum einen in Verfahren gegen Reichsunmittelbare sowie bei Appellationen von reichsständischen Untertanen gegen Urteile der unteren Gerichte zuständig. Auch bei Verweigerung der Rechtsprechung durch die Untergerichte konnten die Untertanen vor dem Reichskammergericht klagen.94 Als Gegengewicht zum Reichskammergericht und zur Stärkung der kaiserlichen Macht entstand im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts der Reichshofrat. Auf diesen hatte der K aiser in organisatorischen und personellen Fragen im Vergleich zum Reichskammergericht deutlich mehr Einfluss. Diese höchsten beiden Reichsgerichte hatten zum Teil sich überlappende Kompetenzen, weshalb sie oft miteinander konkurrierten, jedoch auch kooperierten. Zum Ende des 16. Jahrhunderts hin hatten die Reichsfürsten zu einem großen Teil das Interesse am Reichskammergericht verloren. Dies führte zu einem Bedeutungsrückgang des Reichskammergerichts im Verhältnis zum Reichshofrat.
89 90 91 92 93 94
jedoch nicht mehr ausschließlich an den Herrscher angebunden (Oestmann: Gerichtsbarkeit (2011), S. 292). Oestmann: Gerichtsbarkeit (2011), S. 285. Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Einleitung, S. 1. Moraw: Reichsreform (1983), S. 62. Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Einleitung, S. 5. RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 1 und Tit. 2, S. 73 – 75. Ausführlich zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts nach der RKGO von 1495: Schildt: Zuständigkeit (2006), S. 13.
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Einleitung
Als weitere Maßnahme im Zuge der Reichsreform wurde auf dem Wormser Reichstag von 1495 der Gemeine Pfennig, eine allgemeine von jedem Untertanen an den K aiser zu zahlende Reichssteuer, eingeführt.95 Gegen die Einführung dieser Steuer regte sich viel Widerstand, was schließlich zum Schwabenkrieg ( Januar bis September 1499) gegen die sich dem Gemeinen Pfennig widersetzenden Eid genossen und zu deren Entfremdung vom Reich führte.96 Der Augsburger Reichstag von 1500 setzte den Reformprozess fort. Es wurde ein aus Vertretern der Reichsfürsten und der Reichsstädte sowie dem Kaiser bestehendes Reichsregiment gebildet, welches in Fragen der Finanzen, der Verteidigung, der Kriegsführung und der Außenpolitik entscheiden sollte.97 Anfang des 16. Jahrhunderts wurde das Regiment aufgrund von Unstimmigkeiten wieder aufgelöst.98 Schließlich wurde das Reich im Zuge der Reichstage von Trier und Köln 1512 in sechs verschiedene Reichskreise 99 – den Schwäbischen, den Bayerischen, den Oberrheinischen, den Westfälischen, den Fränkischen und den Niedersächsischen – gegliedert 100, w elche als zusätzliche Organisationsstufe zu seiner Verdichtung beitragen sollten 101. 1512 kamen noch der Burgundische, der Österreichische, der Obersächsische und der Kurrheinische Reichskreis hinzu.102 Die Kreiseinteilungen gingen auf Entwürfe aus dem Jahr 1438 zurück 103, wobei die Kurfürstentümer außen vor geblieben waren 104. 95 Angermeier: Reichsreform (1984), S. 178 f.; Laufs: Rechtsentwicklungen (1991), S. 82; Moraw: Reichsreform (1983), S. 63 f. 96 Laufs: Rechtsentwicklungen (1991), S. 83. Vertiefend zum Schwabenkrieg (auch Schweizer krieg genannt): Wiesflecker: Maximilian I. (1975), S. 330 – 357. 97 Angermeier: Reichsreform (1984), S. 192 – 199; Laufs: Rechtsentwicklungen (1991), S. 83; Moraw: Reichsreform (1983), S. 64 f. 98 Moraw: Reichsreform (1983), S. 65. 99 Vertiefend zur Bildung der Reichskreise unter Maximilian I. und Karl V.: Laufs: Kreis (1971), S. 38 – 54. 100 Hartmann: Reichskreise (2000), S. 27. 101 Bader: Südwesten (1978), S. 191 – 197; Grube: Verfassung (1969), S. 38. Zum Begriff der Verdichtung: Moraw: Verdichtung (1985), S. 21 – 27. Dabei stellt er für das späte Mittel alter an der Wende zur Frühen Neuzeit die Begriffe „Offene Verfassung und Gestaltete Verdichtung“ gegenüber, die „durch das Phänomen des Wandels der Verfassung miteinander verbunden“ waren (Moraw: Verdichtung (1985), S. 21). So habe das Reich – im Reichstag von 1495 gipfelnd – einen Wandel von wenigen „institutionalisierten Moment[en]“ hin zu einem „Minimum an Durchgestaltung“ erfahren (Moraw: Verdichtung (1985), S. 21 und S. 26). In diesem Zusammenhang sind die Aspekte der rechtlichen Kanalisierung von Konflikten und der Landfriedensbewegung zu nennen, zu deren Durchsetzung auch die Bildung der Reichskreise beitrug. 102 Hartmann: Reichskreise (2000), S. 27. Laufs merkt hierzu an, dass die Kreise zur Zeit ihrer Errichtung noch keine Namen trugen (Laufs: Kreis (1971), S. 45). 103 Laufs: Kreis (1971), S. 32 – 34 und S. 42 – 4 4. 104 Laufs: Kreis (1971), S. 45.
Untersuchungszeitraum und Fragestellung
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Nachdem in den Anfängen der Reichsreformbewegung die kaiserlichen Landgerichte in den neuen Justizplanungen keine Rolle gespielt hatten 105, wurde in den 30er-Jahren des 15. Jahrhunderts im Zuge der Reichstagsverhandlungen über die Reichsgerichtsbarkeit auch über die kaiserlichen Landgerichte und insbesondere ihre Wirkungsbereiche verhandelt. Grube und Scheyhing halten es deshalb für keinen Zufall, sondern für eine Abwehrmaßnahme, dass die just zu dieser Zeit entstandene AHGO den Sprengel des Hofgerichts ganz genau angibt. Die Kurfürsten hielten schon in dieser Zeit die ihnen lästigen Feme- und Landgerichte für veraltet und überholt, während der Kaiser sie erhalten wollte.106 In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stagnierte die Reichsreformbewegung zunächst 107, weshalb das Rottweiler Hofgericht, welches zum Teil auch Zuständigkeit in Landfriedenssachen beanspruchte, aufgrund der weiterhin ungeklärten Umstände dieses Vakuum in der Reichsgerichtsbarkeit für seine Spruchtätigkeit ausnutzen konnte 108. Das Gericht war in diesen Jahren sehr produktiv. Mit der Errichtung des Reichskammergerichts nahm das Reichsreformvorhaben jedoch wieder vollen Schwung auf.109 Weitzel weist darauf hin, dass die durch die Reichsreform erfolgte Erneuerung des Justizwesens in Kombination mit der immer stärker werdenden Aufnahme des gelehrten Rechts die Reichsgerichtsbarkeit festigte.110 Die kaiserlichen Landgerichte schienen daneben überflüssig.111 An dieser Stelle setzt die Untersuchung ein. Sie endet zeitlich mit dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges, wobei zu beachten ist, dass Rottweil erst am 19. November 1643 vom französischen Marschall Jean Baptiste Budes de Guébriant eingenommen wurde.112 Rottweil war jedoch schon im Dezember 1632 von Württemberg besetzt worden 113, woraufhin es den Gerichtsbetrieb zunächst für sieben Jahre einstellen musste 114. Insofern scheint der Dreißigjährige Krieg, der zu einer so langen Unterbrechung der Tätigkeit des Gerichts führte, als angemessene Zäsur.
105 Die Reformprojekte konzentrierten sich auf die zwei höchsten Gerichte und thematisierten, soweit von Untergerichten die Rede war, die kaiserlichen Landgerichte daneben nicht näher (Franklin: Reichshofgericht Bd. 1 (1867), S. 226 – 232; Molitor: Reichsreformbestrebungen (1921), S. 57 – 60). 106 Grube: Verfassung (1969), S. 33. 107 Laufs: Rechtsentwicklungen (1991), S. 79. 108 Grube: Verfassung (1969), S. 33. 109 Angermeier: Reichsreform (1984), S. 164 – 184. 110 Weitzel: Appellation (1976), S. 342. 111 Grube: Verfassung (1969), S. 34; Schröder/Künssberg: Lehrbuch (1932), S. 919. 112 Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1838), S. 275 – 293. 113 Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1838), S. 256. 114 HStASt C1 Bü 194 und Bü 195 fol. 304; Grube: Verfassung (1969), S. 61.
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Einleitung
2. Fragestellung Mit dieser Arbeit möchte ich die von der Forschung weitgehend unbehandelte NHGO von 1572 untersuchen. Grube bezieht diese zwar in seine Untersuchung mit Blick auf die Darstellung der einzelnen Hofgerichtspersonen mit ein und auch Jack untersucht die in der NHGO dargestellten Ehehaftstatbestände sowie das Abforderungsverfahren 115, jedoch ist das in der NHGO dargestellte Verfahren bisher noch nicht Gegenstand einer gründlicheren Untersuchung gewesen. Kohler und Thudichum stellen lediglich kurz fest, dass die Ordnung der Reichskammergerichtsordnung von 1555 nachgebildet sei und keinen großen Eigenwert besitze.116 Grube betont jedoch, dass sich mit dieser Beurteilung noch auseinanderzusetzen sei.117 Es sollen folgende Fragen untersucht werden: •• Inwieweit hat die RKGO von 1555 die NHGO geprägt? •• Wurde bei Errichtung der NHGO auch auf die AHGO zurückgegriffen? •• Gibt es eigenständige Regelungen? •• Kam der Antrieb, eine neue Ordnung zu schaffen, von außen oder/und von innen? •• Wer nahm Einfluss auf die Ausgestaltung der NHGO? •• Welche Ziele wurden mit der Neuordnung des Prozesses verfolgt und wurden diese Ziele erreicht? •• Welche Stellung hatte das Rottweiler Hofgericht vor/nach der Reformierung seiner Ordnung im Südwesten inne? Zunächst werden kurz die AHGO und die RKGO von 1555 in ihren Entstehungs geschichten und ihrem Aufbau dargestellt, bevor – speziell anhand des Quellenmaterials – die Visitation des Hofgerichts im Jahre 1570 nachgezeichnet wird. In Teil C erfolgt die Untersuchung der NHGO, wobei vergleichende Blicke auf die AHGO und vor allem die RKGO von 1555 geworfen werden. Stellenweise werden auch frühere Reichskammergerichtsordnungen oder die Ordnungen weiterer Gerichte herangezogen. Teil D widmet sich – wiederum anhand des Quellenmaterials – der Darstellung der Verhältnisse und Geschehnisse nach Errichtung der NHGO. Mit Teil E schließlich soll die Stellung des Rottweiler Hofgerichts im Südwesten näher betrachtet werden.
115 Seit dem 15. Jahrhundert wurde neben dem Begriff Avokation auch die deutsche Übersetzung Abforderung verwendet (Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 88 f.). 116 Kohler: Verfahren (1904), S. 116 f.; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 87 f. 117 Grube: Verfassung (1969), S. 57.
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Quellen und Methode
IV. Quellen und Methode Aus der Vorrede der NHGO 118 geht hervor, dass man sich bei ihrer Errichtung – wie auch bei vielen anderen aus dieser Zeit stammenden Gerichtsordnungen – an der RKGO von 1555 orientierte. Ferner sollten das bis zu d iesem Zeitpunkt in Rottweil angewandte Prozessrecht, also insbesondere die Regelungen der AHGO , Berücksichtigung finden. Um die Regelungen der NHGO besser nachvollziehen zu können, war eine Synopse NHGO von 1572 – AHGO von circa 1435 – RKGO von 1555 deshalb eine unabdingbare Voraussetzung. Verwendet wurden hierfür der Druck der NHGO von 1573119, die von Glitsch und Müller wieder aufgefundene und herausg egebene Handschrift der AHGO 120 sowie die von Laufs edierte RKGO von 1555121. Darüber hinaus wurde an verschiedenen Stellen – soweit weiterführend – noch ein Blick auf andere Verfahrensordnungen geworfen. Dies konnte jedoch aufgrund der großen Zahl an Verfahrensordnungen nur vereinzelt geschehen. Es werden in erster Linie die Verfahrensregelungen nach der NHGO dargestellt und untersucht. Die vergleichende Darstellung erfolgt schwerpunktmäßig in Teil C. III . zum Verfahren, wobei an manchen Stellen zur Erleichterung des Verständnisses zuerst die Darstellung der RKGO von 1555 erfolgt. In Teil C. I. und C. II . werden auch Vergleichslinien – aus Gründen der Quantität jedoch nur in beschränktem Umfang – gezogen. Quellenmaterial für die Untersuchung der Verhältnisse und Geschehnisse in Bezug auf das Hofgericht findet sich in erster Linie im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, wo heute die ehemaligen Archivbestände des Gerichts lagern.122 Bis zum Jahre 1828 befand sich das Hofgerichtsarchiv – unter anderem in einer Kapelle untergebracht – in Rottweil. Danach wurde es in das königliche Staatsarchiv nach Stuttgart 123, später in das Nebenarchiv in der Tübingertorkaserne verbracht 124. 1869 erfolgte ein weiterer Umzug in das Staatsfilialarchiv Ludwigsburg, bevor der Bestand nach einer Neu verteilung im Jahre 1969 schließlich im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart untergebracht
1 18 NHGO, Vorrede, fol. 2ar–3av. 119 Ernewerte Ordnung der Rö. Kay. Met. [Römischen Kaiserlichen Majestät] Kaiserlichen Hoffgerichts zü Rottweil (1573). 120 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 312 – 369. 121 Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), S. 57 – 280. 122 Zum Folgenden die Beständeübersicht zum Bestand C1 des Hauptstaatsarchivs Stuttgart: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olb/struktur.php?archiv=1&sprungId= 3974&sprungStufe=B7&letztesLimit=suchen (abgerufen am 24. April 2016). 123 Günter: Urkundenbuch (1896), S. XIII. 124 Müller: Gesamtübersicht (1937), S. 8 f. und S. 13 f.
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Einleitung
wurde.125 Von 1844 bis 1846 ordnete der Justizreferendar Eduard von Seckendorff den Bestand und fasste hierüber zwei Berichte ab. Er teilte den Aktenbestand dabei in zwei Gruppen und listete die Akten in der jeweiligen Gruppe auf. Die erste Gruppe umfasst 220 Faszikel zur Geschichte, Einrichtung und Organisation des Hofgerichts. In der zweiten Gruppe dokumentierte er die vor dem Hofgericht geführten Rechtsstreitigkeiten, die er auf über 5000 bezifferte und nach den Namen von Klägern und Beklagten geordnet aufschrieb. Aus den 5000 Sachen wählte er 586 Fälle aus, die er verzeichnete und die anschließend konserviert wurden. Der Rest wurde aufgrund von Bedeutungslosigkeit oder schlechtem Zustand 1846 kassiert.126 Bedingt durch einen Archivalienaustausch mit Elsass-Lothringen verringerte sich der Bestand Ende des 20. Jahrhunderts weiter. Darüber hinaus ist ein Teil der Rottweiler Prozesse auch in den Appellationsakten im Stuttgarter Reichskammergerichtsbestand erfasst, mit dem sich jüngst Michael Jack in seiner 2012 erschienenen Arbeit zu den Rottweiler Ehehaften vertieft auseinandergesetzt hat.127 Im Rahmen der Recherchearbeiten für die vorliegende Dissertation wurden circa 200 Prozessakten aus dem 15. und 16. Jahrhundert gesichtet. Die Masse dieser Akten konzentriert sich dabei auf die letzten dreißig Jahre des 16. Jahrhunderts. Die Akten aus dem 15. und dem Beginn des 16. Jahrhunderts enthalten oftmals nur wenige Schriftstücke, darunter zumeist Abforderungen seitens der beklagten Partei. Auch die späteren Prozessakten haben wenig Aussagekraft in Bezug auf den Verfahrensgang. Gerichtliche Verfügungen sind selten, zumeist brechen die Prozessakten schon in einem frühen Stadium durch Abforderungsbegehren beziehungsweise Appellationen an das Reichskammergericht ab.128 Viele Prozessakten sind auch nicht vollständig. An verschiedenen Stellen der Arbeit wird jedoch trotzdem zur Untermauerung oder Konterkarierung auf die Prozessakten verwiesen, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass die Arbeit gerade nicht auf die Darstellung des am Rottweiler Hofgericht angewandten Prozessrechts abzielt, sondern auf das in der NHGO dargestellte Verfahrensrecht. Ergiebig war das Stuttgarter Material in erster Linie für die den Hauptteil umrahmenden Kapitel der Arbeit. Hier ist vor allem das im Findbuch von Seckendorffs unter Teil I: A. Generalia 129 verzeichnete Material zu nennen.
125 Gönner: Hauptstaatsarchiv (1969), S. 13 f. 126 Näheres hierzu in den von Seckendorff abgefassten Berichten vom 4. September 1945 und vom 9. April 1946 (HStASt E61 Bü 544). 127 Jack: Ehafte (2012). 128 In den seltensten Fällen kam es noch zu Beweiserhebungen (Grube: Verfassung (1969), S. 77). Aufgrund von Streitigkeiten über die Zuständigkeit, welche nunmehr nahezu ausnahmslos auf Ehehaftstatbestände gestützt wurde, zogen sich viele Prozesse in die Länge, was zu Beschwerden führte (exemplarisch HStASt C1 Bü 192 fol. 94). 129 Wiederum unterteilt in: I. Geschichtliches, II. Verhältnisse zu den Reichsständen bzw. Exemtionen von demselben, III. Innere Verhältnisse und Einrichtungen des Hofgerichts.
Quellen und Methode
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Ferner wurden im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien archivierte Konfirmierungen der NHGO von 1572130 gesichtet. Weiterhin wurde die aus dem Jahre 1610 stammende Kommentierung der NHGO von Paul Matthias Wehner mit Blick auf die prozessrechtlichen Regelungen für die Untersuchung herangezogen.131 Vereinzelt wird auch auf das Handbuch von Johann von Zimmern verwiesen, das zum Teil wichtige Hinweise liefert.132 Dieses Handbuch wurde allerdings erst im Jahre 1679 verfasst – stammt somit nicht aus dem Untersuchungszeitraum – und war auch vor allem für die tägliche Praxis gedacht. Gerade im Verfahrensteil nimmt von Zimmern zudem oft auf den Jüngsten Reichsabschied von 1654 Bezug, der zwar am „Wesen des Prozesses“ wenig änderte, jedoch Veränderungen hinsichtlich der einzelnen Termine der RKGO von 1555 vorsah.133 Vor dem Hintergrund, dass mit dieser Arbeit jedoch die NHGO gerade unter Heranziehung der RKGO von 1555 sowie der AHGO untersucht werden soll, findet die Arbeit von von Zimmern nur bedingt Berücksichtigung. Viele der dem Leitbild der RKGO von 1555 folgenden Prozessordnungen stehen im Verdacht, keinen oder zumindest nur stark begrenzten Eigenwert zu besitzen. Diese pauschale Bewertung erscheint bei längerer Betrachtung als zu kurz gegriffen. Gerade durch die Untersuchung der näheren Umstände der Visitation des Hofgerichts und der Errichtung der NHGO wird ersichtlich, welche Punkte für die jeweiligen Seiten wichtig waren und wie man versuchte, diese in der NHGO umzusetzen. Für weitere Forschungen zum Rottweiler Hofgericht, im Speziellen das Verhältnis zum Reichshofrat betreffend, dürften die Ergebnisse des von Sabine Ullmann und Gabriele Haug-Moritz geleiteten Forschungsprojekts zu Supplikationen an den Reichshofrat in der Regierungszeit Kaiser Rudolfs II. von Interesse sein.134
130 Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Reichshofrat, Confirmationes privilegiorum 182. 131 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610). Wehner beschäftigt sich allerdings schwerpunktmäßig nicht mit dem verfahrensrechtlichen Teil der NHGO, sondern mit den im zweiten Teil thematisierten Abforderungen und Ehehaften. Allein dieser Teil umfasst 55 Seiten. 132 Zimmern: Manuale (1720). 133 Dick: Kameralprozess (1981), S. 62. Generell zu den Änderungen durch den Jüngsten Reichsabschied: Dick: Kameralprozess (1981), S. 62 f. Speziell zu den Änderungen im Terminsystem: Planck: Beweisurtheil (1848), S. 180 – 184. 134 http://www-gewi.uni-graz.at/suppliken/konzeption.html (abgerufen am 24. April 2016).
B. Im Vorfeld der Neuen Hofgerichtsordnung I. Die Alte Hofgerichtsordnung Nach dem nun Koenig Conrad allen seinen Widerwertigen durch Huelff deren von Rotweil gluecklich vnd mannlichen angesiegen / hat er derselben von Rotweil ime bewie sener getrewer Dienst nicht vergessen woellen / besondern dieweil sie von seinet wegen nit allein ihr Gut / sonder auch ihr Leib und Leben dargestreckt / vnnd ihr Blut von seinet wegen vergossen haben. Darumb er inen und allen iren Nachkommen / zu ewigem Gedaechtnuß / der vorgeschribenen ihrer Gutthat / für sich vnnd alle seine Nachkom men / Roemische Keyser vnd Koenige / eine solche Gab vnd Freyheit gegeben / also / daß des H. Reichs Hoffgericht bey ihnen zu Rotweil ewiglich seyn vnnd bleiben / vnnd das naechst vnd wuerdigst deß H. Reichs Gericht seyn solt nach dem Hoffgericht / das ein Roemischer Keyser oder Koenig in seinem Keyserlichen oder Koeniglichen Hoff hette.135 Mit diesen Worten beschreibt die Alte Hofgerichtsordnung die Entstehung des Rottweiler Hofgerichts in ihrer Vorrede. Der Stauferkönig Konrad III. habe 1147 der Stadt Rottweil das Gericht samt der Alten Hofgerichtsordnung als Dank für die im Kampf gegen Kaiser Lothar III. geleistete Waffenhilfe verliehen. Vieles lässt jedoch an dieser Darstellung zweifeln. Im Hinblick auf die Befreiung der Reichskurfürsten vom Hofgericht beruft sich die Alte Hofgerichtsordnung in Teil 3 Titel 1 ausdrücklich auf die Goldene Bulle 136, w elche jedoch erst im Jahre 1356 erlassen wurde. Darüber hinaus befand sich Konrad in den Jahren 1147 und 1148 auf einem Kreuzzug ins Heilige Land 137. Schließlich kann nach der Einschätzung von Heinrich Glitsch und Karl Otto Müller die AHGO schon ihrer Form und ihres Inhalts wegen nicht aus der Zeit K aiser Konrads III. stammen, wenn auch das in ihr aufgezeichnete Recht „bedeutend älter als die Aufzeichnung selber“ sein mag 138. Dennoch kann die Gründungssage wichtige Erkenntnisse liefern. Für Robert Scheyhing ist sie zwar „als Geschichtsquelle […] anfechtbar“, jedoch dürften gerade das erfundene Gründungsprivileg die für den Verfasser der Hofgerichtsordnung herausragenden Merkmale des Hofgerichts widerspiegeln. Als s olche Merkmale arbeitet Scheyhing den ständigen Sitz des Gerichts in Rottweil, die Organisationshoheit des Reichsoberhaupts, die Reichsunmittelbarkeit des Gerichts sowie die Vorgaben hinsichtlich der Person des Hofrichters und der Position der Urteilsprecher heraus. Lediglich zur Größe des Gerichtsbezirks verliere das Privileg kein Wort.139 135 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), Prooemium, S. 203. 136 AHGO, Part. 3 Tit. 1, S. 326. 137 Roche: Conrad III (2008), S. 3. 138 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 295, S. 300. 139 Scheyhing: Landgericht (1962), S. 86.
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Die von Scheyhing genannten Punkte sind in der Tat wichtige Charakteristika des Hofgerichts, insbesondere die Stellung der Urteilsprecher ist hier hervorzuheben. Das Recht des Stadtrats, die anfänglich dreizehn Beisitzer 140 aus der eigenen Mitte zu wählen, war eine Besonderheit des Hofgerichts, an welcher – trotz Rottweiler Befürchtungen – auch die reformierte Gerichtsordnung von 1572 nichts änderte 141. Die AHGO kann somit nicht aus dem 12. Jahrhundert stammen. Vielmehr lässt die Gründungssage auf eine Entstehungszeit schließen, in der die zuvor erwähnten Besonderheiten des Gerichts hinterfragt wurden und daher besonders betont werden mussten.
1. Handschrift Im Herbst 1919 sichtete der Vorstand des Staatsfilialarchivs Ludwigsburg Karl Otto Müller den handschriftlichen Katalog der Königlichen Hofbibliothek Stuttgart, deren Bestände 18 Jahre zuvor an die Württembergische Landesbibliothek (damals noch Königliche Landesbibliothek) übergegangen waren.142 Er stieß dabei in Abteilung VI, Iuridica et politica, auf ein unter Nr. 110 geführtes „undatiertes Rechtsbuch des Hofgerichts Rottweil cod. chart“. Zunächst notierte er sich lediglich die Signatur, kam jedoch alsbald auf seinen Fund zurück und veranlasste ausführlichere Unter suchungen. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem „Rechtsbuch“ um die bislang unbekannte Originalhandschrift der Alten Rottweiler Hofgerichtsordnung handelte. Drei Jahre s päter gab er zusammen mit Heinrich Glitsch, Ordinarius an der Universität Leipzig, die entdeckte Handschrift heraus.143 Müller und Glitsch datieren die mit einem Einband aus Holzdeckeln versehene und mit rotem Leder überzogene Handschrift auf um 1435144. Als Terminus post quem führen sie das Jahr 1383 an. In diesem Jahr erfolgte hinsichtlich der Verfassung und des Verfahrens des Hofgerichts eine Mitteilung an die Stadt Zürich, die Müller und Glitsch zufolge älter ist als die Hofgerichtsordnung.145 Als spätestmög lichen Entstehungszeitpunkt nennen sie das Jahr 1450; die Ordnung gehe von
140 Den Schultheiß einbegriffen. 141 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1v. 142 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 283. 143 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 284. 144 Hiergegen wandte sich wiederholt Stenzel, der meinte, dass Müllers zeitliche Einordnung „etwas zu früh“ sei und die Handschrift „eher in die Zeit gegen 1450“ datierte (Stenzel: Besprechung (1922), S. 206 f.). Müller konnte jedoch aufgrund zum Vergleich herangezogenen Archivmaterials seine Datierung „um 1435“ bestätigen (Müller: Datierung (1925), S. 280 f.). 145 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 297.
Die Alte Hofgerichtsordnung
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einem noch existierenden Reichshofgericht aus, welches bis circa 1450 bestanden habe.146 Ein weiteres Indiz für die zeitliche Einordnung sei das in Teil 9 Titel 7 der AHGO enthaltene Muster eines vom Hofgericht ausgestellten Absolutionsbriefes, in dem abschließend die Formel von des obgenannten unsers allergnedigisten herren des römischen keisers gewalt verwendet werde. Im Zeitraum von 1383 bis 1450 habe es jedoch lediglich in den Jahren 1433 bis 1437 einen römischen K aiser gegeben, Kaiser Sigmund.147 Auch die Handschrift selbst untermauere diesen Befund: Schrift wie auch Wasserzeichen des Papiers sprächen für eine Entstehung in den 30er-Jahren des 15. Jahrhunderts.148 Weitere Argumente untermauern die Datierung durch Glitsch und Müller. In dem ermittelten Zeitraum wirkte der überaus aktive und fähige Graf Johann II . von Sulz als Hofrichter, welcher das Hofrichteramt als junger Mann übernahm und dem Gericht über ein halbes Jahrhundert, zumeist in Person 149, vorsaß.150 Nach Glitsch und Müller war es wohl ein zu dieser Zeit am Gericht tätiger Hofgerichtsschreiber, Unterschreiber oder einer der Prokuratoren, der auf Anregung des Grafen die Ordnung entwarf.151 Hervorzuheben ist in d iesem Zusammenhang der zum vermuteten Entstehungszeitpunkt am Hofgericht beschäftigte Schreiber Jodocus ( Jos) von Pfullendorf. Dieser hatte von 1390 bis 1393 an der Universität Heidelberg studiert und sein Studium mit dem Magister Artium abgeschlossen.152 Später betätigte er sich als Notar in Schwäbisch Gmünd 153 und erschien 1417 erstmals in Rottweil als Notar des Hofgerichts und der Stadt.154 Von 1425 bis 1428 wirkte er als Rottweiler Hofschreiber.155 Da er im Vollbesitz der mittelalterlichen theolog ischen und kanonistischen Gelehrsamkeit gewesen sei, senkt sich für Karl Otto Müller die Waagschale doch sehr zugunsten des geisteswissenschaftlich tätigen Meisters Jos von Pfullendorf als Verfasser der Rottweiler HGO .156 Zwar gibt es ab 1428 keine weiteren Anhaltspunkte 146 Hinsichtlich des Bestehens des Reichshofgerichts weist Battenberg darauf hin, dass sich die Institutionen des Reichshofgerichts, darunter die Hofgerichtskanzlei, bis in das Jahr 1451 nachweisen lassen (Battenberg: Gerichtsschreiberamt (1974), S. 2). 147 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 297 f. 148 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 298. 149 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 299. Die Hofrichter konnten sich durch einen Statthalter vertreten lassen (Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 216). 150 Grube: Verfassung (1969), S. 95 f. und Anhang S. 213 f. 151 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 299 f. 152 Irtenkauf: Rottweiler Hofgerichtsordnung (1981), S. 6. 153 Burger: Stadtschreiber (1960), S. 312 f.; Irtenkauf: Rottweiler Hofgerichtsordnung (1981), S. 6. 154 Elben: Patriziat (1984), S. 181. 155 Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 229. 156 Müller: Datierung (1925), S. 280 f.
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für eine weitere Tätigkeit von Pfullendorfs in Rottweil, auf der anderen Seite besteht gerade in der Zeit zwischen 1428 und 1438 eine Lücke in der Liste der Hofschreiber.157 Auch daraus ließe sich schließen, dass von Pfullendorf über das Jahr 1428 hinaus in Rottweil wirkte. Im Jahre 1438 übernahm A mbrosius Hermann von Pfullendorf, möglicherweise ein Sohn des Jodocus, das Hofschreiberamt.158 Auch für Wolfgang Irtenkauf ist Jodocus von Pfullendorf nicht nur der Schreiber der AHGO , sondern darüber hinaus „mit großer Wahrscheinlichkeit“ ihr Verfasser.159 Irtenkauf allerdings datiert die Ordnung zeitlich etwas früher – um 1430 – als Glitsch und Müller und beruft sich hierfür auf den wahrscheinlichen Tod Jodocus von Pfullendorfs zwischen 1428 und 1433.160 Während der fünfzigjährigen Amtszeit Johanns II . von Sulz (1434 bis 1484) stiegen die jährlichen Sitzungstage des Gerichts von sieben in den Jahren 1373 bis 1433 auf 39 im Jahr 1469 an.161 Die damit verbundene Steigerung des Arbeits umfanges dürfte ein Grund für die Kodifizierung des Rottweiler Prozesses gewesen sein. Weiterhin wollte der Sulzer Graf vermutlich das Hofgericht vor etwaigen Konkurrenten und den Beschwerden der Reichsstände s chützen. Seit 1434 war die Erneuerung der Reichsgerichtsbarkeit Gegenstand von Reichstagsverhandlungen. Hierbei wurde auch über das Rottweiler Hofgericht beraten. Insbesondere hinsichtlich der Besetzung des Gerichts und seiner örtlichen Zuständigkeit machte der K aiser auf den Reichstagen zu Frankfurt am Main 1435 und zu Nürnberg 1438 den Reichsständen gegenüber Zugeständnisse.162 Dieser Umstand ist ein weiteres Indiz für den Entstehungszeitpunkt der AHGO . Neben der Gründungssage spricht auch die Gliederung der Hofgerichtsordnung dafür, dass die zuvor genannten Punkte für den Verfasser wichtig waren. Sowohl die Besetzung des Gerichts als auch die örtliche Zuständigkeit werden bereits im ersten Teil der AHGO behandelt.163 Die AHGO weist erkennbare Spuren von gelehrtem Recht auf. So taucht beispielsweise im vierten Titel des zweiten Teils der Ordnung die Bezeichnung procuratores auf.164 Darüber hinaus ist auch die wachsende Bedeutung des Hofgerichtsschreibers, die ebenfalls ein Merkmal der Auflösung der alten Strukturen ist 165, an der AHGO
1 57 Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 229. 158 Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 229. 159 Irtenkauf: Rottweiler Hofgerichtsordnung (1981), S. 8. 160 Irtenkauf: Rottweiler Hofgerichtsordnung (1982), S. 7 f. 161 Grube: Verfassung (1969), S. 28. 162 Beckmann (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Sigmund, Fünfte Abteilung 1433 – 1435, Band 11 (1957), S. 511, S. 515. 163 AHGO, Part. 1 Tit. 1 – 7, S. 316 – 322. 164 AHGO, Part. 1 Tit. 4, S. 318. 165 Weitzel: Dinggenossenschaft Bd. 2 (1985), S. 1151.
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erkennbar.166 Gleichwohl ist zu betonen, dass die AHGO eine Gerichtsordnung dinggenossenschaftlichen Charakters ist. Das bedeutet, dass Urteile nicht alleine durch den Herrscher oder dessen Beamte, sondern unter Mitwirkung der Rechtsgenossen gefunden werden sollten.167 Das dinggenossenschaftliche Modell der Rechtsfindung war dabei in der gesamten Gerichtslandschaft – an Hof-, Dorf-und Bauerngerichten, an den Stadt- und Landgerichten sowie am Reichshofgericht – zu finden.168
2. Drucke Auswärtigen Rechtsgelehrten und den Parteien war es verboten, in die Rottweiler Hofgerichtsordnung Einsicht zu nehmen. Der Hofschreiber hatte die Aufgabe, die Handschrift vor unbefugten Blicken zu schützen.169 Nach der Zimmerischen Chronik durften sich nicht einmal die Prokuratoren am Hofgericht über deren Inhalt informieren, lediglich den Urteilsprechern war die Einsicht erlaubt.170 Dass die Handschrift grundsätzlich unter Verschluss blieb, hatte wohl taktische Gründe: Indem man den genauen Verfahrensablauf vor den Parteien und deren Vertretern geheim hielt, sollte das Vorgehen gegen gerichtliche Urteile erschwert und d iesem gegenüber anderen Gerichten ein Wettbewerbsvorteil verschafft werden.171 Es überrascht somit nicht, dass der Rottweiler Stadtrat und das (übrige) Hofgerichtspersonal nicht sehr erfreut waren, als 1523 ein erster Druck der AHGO unter dem Titel Ordenung und sundere gesatz des heilgen römischen reichs hof gericht zu Rotweil bei Johann Grieninger in Straßburg erschien.172 Auf Anfrage der Stadt Rottweil teilte die Stadt Straßburg mit, dass der Druck auf einer – wohl unerlaubt angefertigten – Abschrift beruhe, die im Hausrat des ehemaligen Rottweiler Prokurators Georg Hut aufgefunden worden und dann in den Besitz der Familie Baldung – der auch der Straßburger Advokat Dr. Caspar Baldung angehörte – gelangt sei.173 Ob diese Handschrift noch existiert, ist nicht bekannt. Da 166 AHGO, Part. 1 Tit. 3, S. 317 f. Der Eid des Hofgerichtsschreibers wird in der AHGO direkt nach dem Eid des Hofrichters aufgeführt. 167 Weitzel: Ding, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1071. 168 Weitzel: Ding, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1072. Ferner ders.: Dinggenossenschaft Bd. 1 (1985), S. 125 – 138. 169 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 302. 170 Decker-Hauff (Hg.): Chronik Bd. 3 (1972), S. 297. 171 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 302. 172 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 302 f. 1 73 Ausführlich zum gesamten Komplex: Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 302 – 304; Stenzel: Besprechung (1922), S. 211. Die Zimmerische Chronik hingegen berichtet, dass ein ehemaliger Rottweiler Prokurator mit Namen Peter Villenbach im Zuge der Vertreibung der evangelischen Minderheit Rottweils im Jahre 1529 mit seiner
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alle späteren handschriftlichen Zusätze der Originalhandschrift in den Drucken nicht erscheinen, ist jedoch davon auszugehen, dass der erste Druck von 1523 wie auch sämtliche weiteren Drucke nicht auf der Originalhandschrift, sondern auf der zuvor genannten Abschrift beruhen.174 Die drei Frankfurter Ausgaben von 1535, 1551 und 1564 erschienen als Folgedrucke bei Christian Egenolff & Erben in Frankfurt am Main.175 Diese Drucke hatten bis zur Einführung der Neuen Hofgerichtsordnung von 1572 – insbesondere für in Rottweil tätige Advokaten und Prokuratoren – hohen praktischen Nutzen.176 Aber auch Regierungs- und Stadtkanzleien waren zu einem großen Teil mit der Rottweiler Ordnung vertraut.177 Melchior Goldast von Haiminsfeld ließ die Alte Ordnung 1609 in seiner „Reichssatzung“ abdrucken.178 Im darauffolgenden Jahr stellte Paul Matthias Wehner die Alte und die Neue Rottweiler Hofgerichtsordnung in einem Band zusammen und gab sie in Frankfurt am Main heraus.179 1720 wurde die Alte Hofgerichtsordnung in Christian Lünigs Sammelband „Teutsches Reichs=Archiv“ abgedruckt.180 Einen auf der wehnerschen Ausgabe basierenden Nachdruck veröffentlichte schließlich Max Speidel im Jahre 1914.181
3. Aufbau Die Alte Hofgerichtsordnung, sowohl die Originalhandschrift als auch die Drucke, besteht aus Vorrede (Geschichtserzählung), Register und dem eigentlichen Textkorpus. Sie gliedert sich in zwölf Teile, die wiederum aus einzelnen Titeln bestehen. Sowohl für den mit dem heutigen Prozessrecht vertrauten Betrachter als auch im Vergleich zu der erneuerten Hofgerichtsordnung von 1572 mag eine feste Struktur nicht erkennbar sein. Max Speidel betonte jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts, die AHGO stelle „ein systematisch durchdachtes Gesetzgebungswerk dar, das in seiner Systematik ziemlich modern anmutet. Die Sprache sei „[…] – abgesehen von den
Familie nach Straßburg umgesiedelt sei, zuvor jedoch die AHGO habe abschreiben und sodann veröffentlichen lassen (Decker-Hauff (Hg.): Chronik Bd. 3 (1972), S. 297). 174 AHGO, Part. 3 Tit. 3, Tit. 6 a. E., Part. 7 Tit. 1 (3 Zusätze), Tit. 2 (Schluss), Part. 11 Tit. 7 (2 Zusätze), Tit. 12 (Schluss); Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 304. 175 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 307 – 310. 176 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 310. 177 Grube: Verfassung (1969), S. 51. 178 Goldast von Haiminsfeld: Reichssatzung (1609), S. 6 – 29. 179 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 199 – 330. 180 Lünig: Reichs=Archiv (1720), S. 94 – 114. 181 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), Anhang.
Reichskammergerichtsordnung von 1555
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weitläufigen Inhaltsangaben – verhältnismäßig knapp und meist präzis, der Aufbau übersichtlich.“ 182 Dieser von der RKGO von 1555 und der NHGO grundsätzlich verschiedene Aufbau ist ein weiteres Merkmal für den dinggenossenschaftlichen Charakter der AHGO . In der Tat sind die einzelnen Paragraphen der jeweiligen Teile eher kurz gehalten. Thematische Schwerpunkte werden – im Hinblick auf den Vollzug von Urteilen – vor allem in den Teilen 7183, 9184 und 10185 mit der Behandlung des Acht- und Anleiteverfahrens gesetzt. Der erste Teil 186 behandelt die Besetzung und die örtliche Zuständigkeit des Gerichts, woraufhin sich der zweite Teil 187 mit der Ladung, Verkündung und Klagsetzung, der dritte Teil 188 mit Regelungen zum Umgang mit Befreiungen von der Gerichtsbarkeit des Hofgerichts anschließt. Im vierten Teil 189 werden – neben Teil 3 Titel 5 – die Ehehaftsfälle 190 aufgeführt. Beweis- und Zuständigkeitsregelungen werden im fünften Teil 191 behandelt. Im achten Teil 192 wird die übergeordnete Stellung des Hofgerichts gegenüber anderen Landgerichten betont. Der vorletzte Teil 193 widmet sich der Vertretung von Frauen, Geistlichen und Kindern vor Gericht (Bevogtung) sowie der Beglaubigung und Konfirmierung von Briefen. Die AHGO schließt mit Bestimmungen zum Urteils- und zum Achtausspruch und legt in ihren letzten beiden Titeln die Gerichtstage fest.194
II. Reichskammergerichtsordnung von 1555 Schon aus der Vorrede der NHGO von 1572 tritt deutlich zutage, dass die RKGO von 1555 als Vorbild für die NHGO galt. Es sollte die alte Hoffgerichts ordnung fuergenom men / dieselb mit unsers Kayserlichen Chammergerichts ordnung / conferiert, darauß auff unsern sondern beuelch / ein Reformation, und newe ordnung gezogen werden.195 182 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 72. 183 AHGO, Part. 7 Tit. 1 bis Tit. 3, S. 339 bis S. 341. 184 AHGO, Part. 9 Tit. 1 bis Tit. 1 bis Tit. 31, S. 342 bis S. 356. 185 AHGO, Part. 10 Tit. 1 bis Tit. 8, S. 356 bis S. 360. 186 AHGO, Part. 1 Tit. 1 bis Tit. 7, S. 316 bis S. 320. 187 AHGO, Part. 2 Tit. 1 bis Tit. 14, S. 320 bis. S. 326. 188 AHGO, Part. 3 Tit. 1 bis Tit. 7, S. 326 bis S. 330. 189 AHGO, Part. 4 Tit. 1 bis Tit. 3, S. 330 f. 190 Die Ehehaften waren Fälle, in denen das Rottweiler Hofgericht eine Sache trotz Exem tionsprivilegs des Beklagten nicht verwies. Näher hierzu S. 190 – 194. 191 AHGO, Part. 5 Tit. 1 bis Tit. 22, S. 331 bis S. 337. 192 AHGO, Part. 8 Tit. 1, S. 341 f. 193 AHGO, Part. 11, Tit. 1 bis Tit. 16, S. 360 bis S. 368. 194 AHGO, Part. 12, S. 368 f. Dieser Teil enthielt wohl ursprünglich keine Titel. 195 NHGO Vorrede, fol. 3av.
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1. Frühere Reichskammergerichtsordnungen Schon vor 1555 gab es eine Reihe von Reichskammergerichtsordnungen, die laufend aufgrund von in der täglichen Praxis gemachten Erfahrungen überarbeitet wurden.196 Ausgangspunkt sämtlicher Ordnungen ist die Kammergerichtsordnung von 1471.197 Im Gegensatz zu den späteren Ordnungen wurde diese Ordnung noch allein durch kaiser liche Macht erlassen und war für den Vorläufer des Reichskammergerichts, das König liche beziehungsweise Kaiserliche Kammergericht, bestimmt.198 Die Ordnung geht noch von einem mündlichen Gerichtsverfahren bei Anwesenheit der Parteien aus 199 und regelt ausführlich die Folgen der Säumnis auf Kläger- und Beklagtenseite sowie die Gerichtskosten.200 Dick betont, dass die Einflüsse des römischen und kanonischen Prozessrechts schon deutlich in dieser Ordnung zu erkennen sind.201 Nach Entwürfen in den Jahren 1486 und 1487 folgte 1495 – im Zuge der Errichtung des Reichskammergerichts – die erste Reichskammergerichtsordnung.202 Diese Ordnung lehnt sich stark an die vorhergehenden Entwürfe an. Ihre Bedeutung liegt insbesondere in verfassungspolitischen Aspekten. Der Verfahrensgang wird nur knapp dargestellt, wobei die Ordnung vor allem zu Zweifelsfragen Stellung bezieht.203 Auch diese Ordnung widmet sich mit Blick auf die Verfahrensvorschriften vor allem Fragen der Säumnis.204 Weiterhin ist im Zusammenhang mit den Verfahrensvorschriften zu erkennen, dass der Versuch unternommen wurde, Verzögerungen im Verfahren einzugrenzen.205 Auf die RKGO von 1495 folgten eine weitere Ordnung von 1496 sowie ein davon zu unterscheidender Entwurf aus demselben 196 Ausführlich zu den jeweiligen Ordnungen: Dick: Kameralprozess (1981), S. 11 – 50; Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 70 – 87. 197 Abgedruckt bei Battenberg: Kammergerichtsordnung (1978), S. 51 – 59. 198 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 70. 199 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 70 f. 200 Battenberg: Kammergerichtsordnung (1978), S. 55 f. und S. 57. 201 Dick: Kameralprozess (1981), S. 13 f. 202 Abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. I., S. 1 – 7. 203 Dick zufolge sollten s olche Zweifelsfragen schon nach der RKGO von 1495 durch Gemeine Bescheide geregelt werden (Dick: Kameralprozess (1981), S. 8 f. und S. 19). Oestmann hingegen meint, dass die RKGO von 1495 diesbezüglich noch „im Ungefähren“ bleibe und erst die RKGO von 1500 dem Reichsregiment „ausdrücklich die Zuständigkeit zur Fortbildung der Kammergerichtsordnung zuweise[n]“. Erst mit dem Reichsabschied von 1532 sei es – aus der Perspektive des 18. Jahrhunderts – zur Kategorisierung von Gemeinen Bescheiden, Dubia Cameralia und Kammergerichtsvisitationen gekommen. Schließlich habe RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 36, S. 217 dem Reichskammergericht in Zweifelsfällen die Normsetzung nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 23 – 25). 2 04 RKGO von 1495, Tit. 18 f.; Dick: Kameralprozess (1981), S. 17 f.; Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 74. 205 RKGO von 1495, Tit. 21.
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Jahr.206 Daraufhin erging im Jahre 1500 eine neue RKGO 207, die sich wiederum stark an den Vorarbeiten aus den Jahren 1496 und 1498 orientierte.208 Verfahrensrechtlich ist mit Blick auf diese Ordnung hervorzuheben, dass sie zum ersten Mal eine feste Terminfolge bestimmte, welche von den übrigen Verfahrensvorschriften getrennt behandelt wird.209 Durch die festen Termine sollte das Verfahren gestrafft werden.210 Generell bildet diese Ordnung von 1500, was den Prozessgang betrifft, die Grundlage aller nachfolgenden Ordnungen. Die wichtigsten verfahrensrechtlichen Stationen sind in ihr schon vorgegeben.211 Zudem führt sie, wenn auch erst in Ansätzen, das Eventualprinzip ein. Gleichartige Prozesshandlungen, insbesondere Einreden, sollen danach kumuliert eingebracht werden.212 Die nächste RKGO von 1507213 nimmt kaum Ergänzungen am Verfahrensrecht vor, sondern widmet sich wieder verstärkt der Organisation des Gerichts.214 Insgesamt wird der Prozess wiederum schriftlicher, indem schriftliches Vorbringen der Parteien zur Regel wird.215 Nach einem nie ratifizierten und auch später nicht mehr berücksichtigten Entwurf einer RKGO aus dem Jahre 1508216, welcher sich stark auf römisch-rechtliche und kanonistische Literatur bezieht 217, erschien 1517 die nächste RKGO 218. Diese greift zuvor gemachte Beanstandungen – insbesondere hinsichtlich des Ablaufs der Audienzen – auf 219 und forciert die Beschleunigung des Verfahrens durch die Einhaltung der Schriftform 220. 1521 folgte sodann die, wie Dick es darstellt, „im Entwicklungsgang der Reichskammergerichtsordnungen nach der RKGO von 1500 und vor der RKGO von 1548/1555 den bedeutendsten Meilenstein dar[stellende]“ RKGO.221 Sie widmet sich eingehend den
206 Abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. III., S. 7 – 12. 207 Abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. V., S. 12 – 21. 208 Dick: Kameralprozess (1981), S. 20. 209 RKGO von 1500, Tit. 36. 210 Dick: Kameralprozess (1981), S. 21. 211 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 75. 212 RKGO von 1500, Tit. 38; Dick: Kameralprozess (1981), S. 21 f.; Schwartz: Civilproceß- Gesetzgebung (1898), S. 76. 213 Abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. VII., S. 21 – 27. 214 RKGO von 1507, Tit. 2 – 15. 215 RKGO von 1507, Tit. 5; Dick: Kameralprozess (1981), S. 27. Schwartz: Civilproceß- Gesetzgebung (1898), S. 78. 216 Abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. IX., S. 30 – 38. 217 Dick: Kameralprozess (1981), S. 28; Nörr: Rechtsprechung (1975), S. 203; Wolter: Jus canonicum (1975), S. 145. 218 Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. XIV., S. 40 – 43. 219 RKGO von 1517, Pr. und Tit. 2. 220 RKGO von 1517, Part. 1 § 3, § 10, §§ 12 f. und § 17. Dick: Kameralprozess (1981), S. 31. Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 80. 221 Dick: Kameralprozess (1981), S. 32. Abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. XVI., S. 44 – 56.
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prozessrechtlichen Regelungen und bezieht hierfür die Visitationsergebnisse aus dem Jahre 1517 ein.222 Erfahrungen aus der Praxis beziehungsweise der Anwendung vorhergehender reichskammergerichtlicher Ordnungsvorschriften führten zu einer Reform des Terminsystems.223 Dick hebt in d iesem Zusammenhang den Willen der Verfasser hervor, die Ordnungsvorschriften weiter zu systematisieren.224 So trennt die Ordnung grundsätzlich zwischen Regelungen zur Gerichtsverfassung und Regelungen zum Prozessgang.225 Auch in dieser Ordnung sind eine weitere Verschriftlichung des Prozesses 226 sowie ein Wiederaufgreifen des Eventualprinzips 227 zu erkennen. Ein ebenfalls im Jahre 1521 errichteter Entwurf einer Reichskammergerichtsordnung, der stark auf den Entwurf von 1508 rekurriert, wird in der RKGO von 1521 nicht berücksichtigt. Die Reichskammergerichtsordnung von 1523228 änderte an dem 1521 festgesetzten Verfahrensgang nur wenig. Die Pflicht, die Klage sofort artikuliert einzubringen, wurde wieder aufgehoben,229 das Eventualprinzip als Mittel zur Beschleunigung des Verfahrens weiter gestärkt.230 Auch das Säumnisverfahren wurde zum ersten Mal seit der RGKO von 1500 wieder zum Regelungsgegenstand.231 Bis 1527 wurde keine neue RKGO errichtet, es ergingen allerdings zahlreiche Gemeine Bescheide.232 Auf Grundlage einer 1526 stattfindenden Visitation kam schließlich die RKGO von 1527 zustande.233 Diese RKGO lehnte sich stark an die RKGO von 1521 an.234 Da die vor dem Reichskammergericht verhandelten Prozesse in diesen Jahren immer wieder aufgrund des Bauernkrieges ins Stocken gerieten und das reichskammergerichtliche Verfahren sowieso schon von Grund auf mit einer Tendenz zu erheblichen Verzögerungen zu kämpfen hatte, dehnte die Ordnung die Möglichkeit der Prozessführung vor deputierten Assessoren aus, um dadurch das
222 Dick: Kameralprozess (1981), S. 32. 2 23 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 81, der die Einleitung zur Ordnung zitiert. 224 Dick: Kameralprozess (1981), S. 32 und S. 35. 225 RKGO von 1521, Tit. 1 – 18 (Gerichtsverfassung) und Tit. 19 – 25 (Prozessgang). 226 Dick: Kameralprozess (1981), S. 32. 227 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 82 f. 228 Abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. XX., S. 57 – 62. 229 RKGO von 1523, Tit. 3 § 3. 230 Dick: Kameralprozess (1981), S. 39. Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 86. 231 RKGO von 1523, Tit. 6. 232 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 116 – 133. Zur näheren Bestimmung der Gemeinen Bescheide, die Oestmann zufolge in eine „Grauzone z wischen Gesetzgebung, Verwaltungsanordnung und Rechtsprechung, also genau in das Spannungsfeld von allgemeiner Norm und Einzelfallentscheidung“ (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 2) fallen: Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 2 – 19. 233 Dick: Kameralprozess (1981), S. 41. Abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. XXXV., S. 66 – 69. 234 Die RKGO von 1527 verweist ständig auf die RKGO von 1521.
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Gericht zu entlasten.235 Darüber hinaus regelte die Ordnung, dass mündliche Beschlüsse zu jeder Zeit getroffen werden könnten,236 und beschränkte gleichzeitig das schriftliche Vorbringen der Parteien.237 Nach einer längeren Periode mit zahlreichen Reichsabschieden und Gemeinen Bescheiden 238 folgte 1548 eine RKGO, in der alle vorherigen, noch gültigen Ordnungen zum Ausgleich gebracht wurden. Sämtliche zwischen 1548 und 1555 ergehende Visitationsabschiede und Gemeinen Bescheide brachten keine Neuerungen für den Verfahrensgang im eigentlichen Sinne, sondern nahmen Stellung zu Regelungen der RKGO von 1548.239 Auf dem Reichstag von Augsburg 1555 wurde schließlich die Präsentation evangelischer Beisitzer am Reichskammergericht zugelassen.240 Während der Passauer Vertrag von 1552 mit Blick auf die Eidesformeln beide Möglichkeiten – zu Gott und den Heiligen beziehungsweise zu Gott und auf das Heilige Evangelium – zulässt,241 lässt die RKGO von 1555 nur noch den Eid auf Gott und das Heilige Evangelium zu.242 Am reichskammergerichtlichen Verfahrensgang wurde jedoch nichts verändert. Um keine Unklarheiten hinsichtlich der verfassungspolitischen Neuerungen aufkommen zu lassen, wurde die RKGO 1555 erneut – unter Berücksichtigung der wenigen Änderungen – gedruckt.243
2. Aufbau Die RKGO von 1555 gliedert sich in drei Teile: von personen des cammergerichts 244, vom gewalt und gerichtszwang deß keyserlichen cammergerichts in erster instantz 245 und von dem gerichtlichen proceß 246. Der erste Teil widmet sich zunächst den Rechten und den Pflichten des reichskammergerichtlichen Personals. Nacheinander werden Kammerrichter, Beisitzer, kaiserlicher Fiskal, Advokaten und Prokuratoren, das Kanzleipersonal samt Ausführungen 2 35 RKGO von 1527, § 27. 236 RKGO von 1527, §§ 15 f. 237 Eindringlich weist die RKGO von 1527, § 19 f. darauf hin, dass sich die Prokuratoren an die vorgegebene Anzahl von Schriftsätzen halten sollen. 238 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 134 – 192. 239 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 192 – 202. 240 Augsburger Reichsabschied von 1555, § 106 (Extrakt abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. XC., S. 112). 241 Passauer Vertrag von 1552, § 10 (Extrakt abgedruckt bei Ludolff: Corpus Juris Cameralis (1724), Num. LXXXVII., S. 111). 242 Siehe die Eide nach RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 57 – 86, S. 151 – 165. 243 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 87. 244 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 1 bis Tit. 86, S. 73 bis S. 165. 245 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 1 bis Tit. 36, S. 167 bis S. 217. 246 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 1 bis Tit. 54, S. 219 bis S. 280.
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zu Gebührensätzen und Taxen sowie das Botenpersonal inklusive grundsätzlicher Regelungen zur Zustellung behandelt.247 Mit Regelungen zu den Finanzen und zur Überprüfung des Reichskammergerichts – Stichwort Visitation –248 sowie breiten Ausführungen zu den vor dem Gericht zu leistenden Eiden 249 schließt der erste Teil. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Rolle des Reichskammergerichts als Appella tionsinstanz für Austrägalgerichte 250 sowie generell mit seiner Zuständigkeit in erster Instanz bei Landfriedensdelikten und Justizverweigerung.251 Der zweite Teil enthält ferner Vorschriften zum Possessions- und zum Mandatsprozess 252 und endet schließ lich mit Regelungen zur Appellationszuständigkeit 253. Der dritte Teil setzt sich mit dem Verfahren auseinander. Auf die Vorschriften zur gerichtlichen Audienz mit ihren sechs Umfragen und der Verhandlung vor den Deputaten 254 hin befasst sich die Ordnung mit den einzelnen Terminen in erster und in zweiter Instanz 255. Hervorzuheben sind die darauffolgenden Regelungen zur Schriftlichkeit im Kameralprozess.256 Es folgen Titel zum Kontumazial- und zum Exekutionsverfahren.257 Der dritte Teil beschließt sodann die Ordnung mit Ausführungen zu den Verfahrenskosten, zu Restitution und Revision sowie zur Syndikatsklage gegen der Rechtsbeugung verdächtige Urteiler.258
3. Nach 1555259 Der Visitationsabschied von 1556 bemängelte ein weiteres Mal den zögerlichen Gang des Verfahrens und versuchte diesen vor allem durch Änderungen in der Organisation, wie zum Beispiel durch Reduzierung der Anzahl der Beisitzer, die an den Sitzungen teilnahmen, zu beschleunigen.260 Der Reichsabschied von 1570 verstärkte wiederum 247 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 1 bis Tit. 49. 248 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 50 bis Tit. 56. 249 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 57 bis Tit. 86. 250 Die Austrägalgerichte waren erstinstanzliche Schiedsgerichte, gegen deren Urteil an das Reichskammergericht appelliert werden konnte (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 294). 251 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 1 bis Tit. 20. 252 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 21 bis Tit. 27. 253 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 28 bis Tit. 36. 254 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 1 bis. Tit. 11. 255 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 12 bis Tit. 39. 256 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 40. 257 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 41 bis Tit. 49. 258 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 50 bis Tit. 54. 259 Ausführlich hierzu wiederum Dick: Kameralprozess (1981), S. 61 – 6 4. 260 Visitationsabschied von 1556, §§ 2 ff., insbesondere § 10.
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das Eventualprinzip im reichskammergerichtlichen Verfahren, was sich vor allem in der Einführung der Eventuallitiskontestation 261 äußerte.262 Mit dem Reichsabschied von 1594 wurde der Eventualitätsgrundsatz jedoch aus Praktikabilitätsgründen wieder abgemildert.263 Über einen dem Reichstag schon 1603 vorgelegten Entwurf einer RKGO verhandelte man erst auf dem Reichstag von 1613. Obwohl der Reichstag diesen Entwurf nie ratifizierte, wurde er gedruckt und de facto wie eine Reichskammergerichtsordnung behandelt.264 1654 schließlich erfuhr der Reichskammergerichtsprozess durch den Jüngsten Reichsabschied ein weiteres Mal Änderungen. Dabei hielt der Reichsabschied an der strikten Terminfolge fest und forcierte in Anlehnung an den Reichsabschied von 1570 erneut die Anwendung des Eventualitätsgrundsatzes. Der Abschied gibt dem Kläger auf, schon mit seiner Klage alle für die Entscheidung erheblichen Schriftsücke einzureichen.265 Der Beklagte muss bereits in seiner Erwiderung seine gesamten Verteidigungsmittel vorbringen und zusätzlich den Krieg befestigen.266 Ferner schafft der Jüngste Reichabschied die Artikulierung der Schriftsätze, mit Ausnahme des Beweisverfahrens 267, ab.268 Allerdings rät der Abschied dazu, die Schriftsätze weiterhin thematisch zu untergliedern.269 Der Beklagte muss die Litiskontestation nicht mehr ausdrücklich mündlich erklären, sondern diese wird in die Klageerwiderung hineingelesen.270 Bei Säumnis des Beklagten kann das Gericht zudem nicht mehr die Acht verhängen.271 Im Übrigen wird die Appellationssumme auf 600 Gulden erhöht.272
III. Visitation des Hofgerichts 1571 Schon auf dem Reichstag zu Augsburg 1518 hatten sich die Stände über das Rottweiler Hofgericht beschwert. Sie prangerten unter anderem die Besetzung des Gerichts, die Ladungen von eximierten Obrigkeiten und Untertanen vor das Gericht sowie 261 „Zweiseitiger Akt als Grundlage des Verfahrens, gebildet durch Klagbitte und Gegenbitte“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 306). Die Litiskontesta tion soll in diesem Fall eventualiter eingebracht werden. 262 Reichsabschied von 1570, §§ 89 – 92. 263 Reichsabschied von 1594, §§ 63 f. 264 Dick: Kameralprozess (1981), S. 62. 265 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 35. 266 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 37. 267 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 41. 268 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 34. 269 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 34. 270 Näher hierzu unter Litiskontestation, S. 116 – 123. 271 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 36. 272 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 112.
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die daraus entstehenden Kosten, hierunter auch Kosten für Appellationen an das Reichskammergericht, an. Es wurde insbesondere angeführt, dass das Hofgericht bei Einlegung der Appellation Prozesse nicht aussetzte, sondern die Verfahren weiterlaufen ließ.273 Im Jahre 1531 wurde gegen das Hofgericht weiterhin vorgebracht, dass es das Hauptverfahren vom Kostenverfahren abkoppele sowie dass die Kanzlei die Akten nicht, wie vorgegeben, so schnell wie möglich kompiliere, was für die Parteien, insbesondere mit Blick auf die Appellation, nachteilig sei. Im Übrigen beanstandete man, dass das Hofgericht bei Appellationen die Vorlage von Inhibitionsbriefen im Original verlangte.274 Auf dem Reichstag zu Regensburg erging die Aufforderung an die Stände, für eine mögliche Visitation ihre Beschwerden und Bedenken an den Kaiser zu überschicken. Dem Hofgericht sollte bei Nichtachtung der ihm gemachten Vorgaben mit der Suspendierung oder sogar der Aufhebung seiner Jurisdik tion gedroht werden.275 Mit Schreiben vom 21. Mai 1533 berichteten schließlich die für eine Visitation des Rottweiler Hofgerichts designierten Kommissare, dass das Hofgericht der Aufforderung, seine Mängel, Missbräuche und Beschwerden samt etwaiger Lösungsansätze schriftlich aufzuzeichnen und den Kommissaren bei der Reichskammergerichtsvisitation zu übergeben, nicht nachgekommen sei. Dies solle ihm deshalb nochmals befohlen und im Falle der Nichtbeachtung mit der Aufhebung der Gerichtsübung gedroht werden.276 Mitte des 16. Jahrhunderts ebbte die Diskussion um das Rottweiler Hofgericht ab, vermehrte reichständische Klagen entfachten sie jedoch wieder in den 1560ern. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1566 beschwerten sich die Reichsstände wie schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts darüber, dass Rottweil ihre Exemtionsprivilegien nicht anerkannte und die Prozesse nicht an das zuständige Gericht verwies.277 Der Kurfürstenrat war sich zwar darin einig, das man das rottweilisch gericht pleiben lassen soll[e]278, jedoch beschloss er auch, den K aiser darum zu bitten, geeignete M aßnahmen 273 Harpprecht: Staats-Archiv Bd. 3 (1759), S. 388 f. Weitere Klagen über diese Punkte sowie diverse Ansuchen um die Reformation des Gerichts finden sich in Harpprecht: Staats-Archiv Bd. 3 (1759), S. 27 f., S. 114. 274 Harpprecht: Staats-Archiv Bd. 3 (1759), S. 251 f. und S. 259. 275 Harpprecht: Staats-Archiv Bd. 3 (1759), S. 284 f.; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 86 f. 276 Harpprecht: Staats-Archiv Bd. 5 (1767), S. 339 – 342. 277 Lanzinner/Heil (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Augsburg 1566, 1. Teilband (2002), S. 851 f. Es wurde unter anderem vorgeschlagen, sämtliche eximierte Stände auf einer Tafel zu verzeichnen und diese im Gericht – wohl in der Rathausstube – anzubringen (Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 706). 278 Lanzinner/Heil (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Augsburg 1566, 1. Teilband (2002), S. 444. So auch Lanzinner/Heil
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zur Behebung der Missstände zu ergreifen.279 Daneben rügten die Reichsstädte das Hofgericht zusammen mit dem kaiserlichen Landgericht in Schwaben, dass es im Falle von Schuldverschreibungen gegenüber einem Juden, welche vor des contrahie renden christen nechsten oberkhait, darunder er gesessen ist, unnd mit derselben con sens nit aufgericht sein, jüdische Klagen annahm und auch Urteile erließ.280 Rottweil argumentierte hingegen, dass jeder – egal welchen Glaubens er sei – vor Gericht sein Recht einfordern können solle.281 Hintergrund dieser Auseinandersetzung war der Umstand, dass zahlreiche Juden am vermeintlich „unabhängigen“ 282 Rottweiler Hofgericht gegen ihre mit Zahlungen in Rückstand geratenen Schuldner prozessierten.283 Das Rottweiler Gericht war für die jüdischen Kläger attraktiv, weil es ihre
(Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Augsburg 1566, 1. Teilband (2002), S. 479. 279 Lanzinner/Heil (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Augsburg 1566, 1. Teilband (2002), S. 484. 2 80 Lanzinner/Heil (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Augsburg 1566, 2. Teilband (2002), S. 995. In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass die zeitgenössische juristische Literatur nach dem Vorbild des Römischen Rechts die Juden durchaus nicht als rechtlos darstellte. Die Juden waren danach ebenso vom Schutz der Rechtsordnung umfasst wie die Christen. Diesbezüglich merkt Güde an, dass sich der frühneuzeitliche Jurist hier wohl in einem Zwiespalt befunden habe. Während er einerseits die Gebote des Rechts auch gegenüber den Juden einzuhalten hatte, teilte er auf der anderen Seite „die grundsätzlich judengegnerische Stimmung der Zeit“. Insgesamt hierzu: Güde: Stellung (1973), S. 4 – 19. Auch Battenberg betont, dass „in der Frühen Neuzeit ein Konsens darüber, dass die Juden keine rechtliche Sonderstellung mehr inne hatten, keineswegs bestand“ (Battenberg: Juden (2006), S. 178). Er führt weiter aus, dass für die Gerichtspraxis im 16. Jahrhundert, insbesondere die der obersten Reichsgerichte, überwiegend die weltliche Stellung der Juden nach dem Römischen Recht maßgebend war (Battenberg: Juden (2006), S. 178), und unterstreicht den um 1500 stattfindenden Paradigmenwechsel hinsichtlich der Beziehungen zwischen Juden und Christen (Battenberg: Juden (2006), S. 182). Es wurde nunmehr „zwischen der Rechtssache und der hinter ihr stehenden Person differenziert“, was dazu führte, dass Juden ebenso wie Christen „am täglichen Rechtsverkehr und an gerichtlichen Prozessen teilhaben konnten“ (Battenberg: Juden (2006), S. 197). 281 Lanzinner/Heil (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Augsburg 1566, 2. Teilband (2002), S. 1445. Vertiefend zu den Juden als Prozesspartei vor dem Rottweiler Hofgericht samt einer Auswertung der Reichskammergerichtsbestände in Stuttgart und in München: Lang: Ausgrenzung (2008), S. 221 – 224. Zur großen Bedeutung des Rottweiler Hofgerichts für elsässische Juden: Mentgen: Bedeutung (1995), S. 396 – 4 07; Bournof: Paysans (1977), S. 4 und S. 8. 282 Mentgen: Bedeutung (1995), S. 407. 283 Den Prozessakten zufolge erscheinen Juden in Rottweil oftmals als Kläger, seltener als Beklagte. Als Kläger: HStASt C1 Bü 201 (1590 – 1594); Bü 227 (1576 – 1578); Bü 370 (1575; 1576 – 1580); Bü 406 (1549; 1560 – 1562); Bü 407 (1594 – 1596); Bü 439 (1589 – 1610);
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Klagen ohne vorherige Überprüfung der Zuständigkeit annahm und die Sachen erst auf Antrag der beklagten Partei an das zuständige Gericht verwies.284 Für das Gericht wiederum stellte diese Praxis eine lukrative Einnahmequelle dar, da sowohl das Stattgeben als auch das Ablehnen einer Remission der Sache an ein anderes Gericht mit hohen Kosten für die beklagte Partei verbunden war.285 Um die Schuldner zur Zahlung zu bewegen, genügte es seitens der jüdischen Gläubiger oftmals schon, mit der Einschaltung des Hofgerichts zu drohen.286 Bereits auf den vorhergehenden Reichstagen beanstandeten die Reichsstände zudem die mangelnde Ausbildung und Erfahrung der Richter und Anwälte.287 Die Zahl der Appellationen an das Reichskammergericht stieg um ein Vielfaches an, wobei das höchste Gericht im Reich meist gegen die Rottweiler Vorinstanz entschied.288 Durch die Flut an Prozessen wurde der kammergerichtliche Verfahrensgang merckhlich gehindert.289 Überwiegend wurde jedoch das ausufernde Berufen Rottweils auf die sogenannten Ehehaften, Ausnahmeregelungen zu den Exemtionsprivilegien, thematisiert. Das Hofgericht begründete in einer Vielzahl der beim Gericht anhängigen Klagen seine Zuständigkeit über eine der vielen Ehehaften, was in der Regel zu einer Appellation an das Reichskammergericht führte.290 Die Stände forderten von Rottweil eine Stellungnahme zum Begriff der Ehehaft sowie eine genaue Auflistung der einzelnen Ehehaftsfälle.291 Aber auch Rottweil beklagte sich beim Kaiser, dass renittierende Herrschaften, Gottes häuser unnd Stätt die process, theyls halßstärrig, theils muethwillig, theils verächtlicher weiß biß in die contumaciam, ja die aachts unnd verbieths brieff selbst, ohne sich weder per
Bü 467 (1596 – 1601); Bü 504 (1576 – 1586) und Bü 524 (1586 – 1595). Als Beklagte: HStASt C1 Bü 201 (1590 – 15949; Bü 408 (1582) und Bü 409 (1591). Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten waren zu einem überwältigenden Teil Schuldforderungen, daneben Abrechnungen und Verpfändungen. Burnouf: Paysans (1977), S. 3 f. und S. 8. 284 Mentgen: Bedeutung (1995), S. 397 f. Generell liegt die Vermutung nahe, dass die Kläger gut einschätzen konnten, w elche Gerichte sie mit ihrem Vorbringen am ehesten anhören würden (Hierzu auch Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 83). 285 NHGO, Part. 1 Tit. 13 § 15, fol. 12r; Part. 2 Tit. 4, fol. 32v–34r. 286 Mentgen: Bedeutung (1995), S. 403. 287 Wrede (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten ( Jüngere Reihe) unter Karl V., Band 2 (1962), S. 296 ff., S. 298. 288 Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 706, S. 689, S. 824, S. 839, S. 1228; Grube: Verfassung (1969), S. 49. 289 Kaiser Maximilian II. an den Hofrichter und die Urteilsprecher des Hofgerichts Rottweil vom 26. Februar 1571, HStASt C1 Bü 9. 290 Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 689, S. 824 und S. 839. 291 Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 689 und S. 824.
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procuratorem, noch selbsten zu stellen unnd zue veranthworten […] als ob s olche sie nichts angehen, lauffen lassten, um sich sodann, ohne weitere Berücksichtigung der Hofgerichtsordnung, auf ihre Privilegien zu berufen und an das Reichskammergericht zu appellieren.292 Nach wiederholten Vertröstungen seitens des Hofgerichts 293 gab der K aiser schließ lich seine Zurückhaltung auf und stimmte auf dem Frankfurter Deputationstag von 1569 einer Visitation 294 des Hofgerichts unter Aufrechterhaltung der reichsständischen Exemtionsprivilegien zu, bei deren Gelegenheit auch die Ehehaften näher erläutert werden sollten. Der Speyerische Reichsabschied von 1570 dokumentierte diesen Beschluss.295 In diesem Abschied wurde zudem den Ständen aufgegeben, ihre Beschwerden und mit Blick auf das Gericht festgestellte Mängel aufzuzeichnen und dem Kaiser oder den kaiserlichen Kommissarien zukommen zu lassen.296 Auf dem Reichstag zu Speyer wollten die Kurfürsten eigentlich den Rottweiler Vertreter, den Hofgerichtsschreiber Dr. Johann Spreter, zu den verschiedenen Beschwerdepunkten im Rahmen des Kurfürstenrats hören.297 Spreter lehnte dies jedoch unter Verweis auf noch von den Rottweiler Richtern einzuholende Dokumente und einer Supplikation des Rottweiler Hofrichters Graf Alwig X. von Sulz ab.298 Mit der Supplikation räumte der Hofrichter ein, dass viele Fragen mit Blick auf die Hofgerichtsjurisdiktion und das Rottweiler Verfahren zu erörtern und zu klären seien. Er bat jedoch darum, bevor Änderungen in dieser Sache veranlasst würden, das Hofgericht vor Ort zu untersuchen.299 292 Hofrichter und Urteilsprecher des Hofgerichts Rottweil an Kaiser Ferdinand I. vom 24. Mai 1563 (HStASt C1 Bü 7). 293 Lang: Ausgrenzung (2008), S. 224. 2 94 Eine Visitation ist eine „Überprüfung von Personen oder Einrichtungen durch einen aufsichtsberechtigten Oberen“ (Becker: Visitation, HRG Bd. 5 (1998), Sp. 927). Sie hat ihre Wurzeln im kanonischen Recht. Durch die Visitationen konnte die Kirche ihrer Aufsichtsfunktion über Bistümer und Pfarreien nachkommen. Die Ergebnisse wurden in Visitationsprotokollen schriftlich festgehalten. Im weltlichen Bereich kamen Visitationen vor allem seit dem 16. Jahrhundert an Gerichten – insbesondere dem Reichskammer gericht – und Universitäten (unter anderem Pill-R ademacher: Zu Nutz (1993)) vor. 295 Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 1228 f. Hierzu auch Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 1. Teilband (1988), S. 266 f. 296 Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 707, S. 935 f. und S. 1229. 297 Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 1. Teilband (1988), S. 266 f. 298 HStASt C1 Bü 112, fol. 3r f. Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 1095. 299 Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 1095.
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1. Die Kommissare Mit Brief vom 26. Februar 1571 kündigte K aiser Maximilian II. die bevorstehende und aufgrund allerlay unrichtigkeiten des process unnd anndere mehr mengel anberaumte Visitation des Hofgerichts für den Monat April an. Weiterhin befahl der Kaiser Hofrichter und Urteilsprechern auch des gerichts Cannzley Personen, advocaten, procu ratoren zu bestimbter Zeit anheimbs zuhalten unnd zu ankhunfft gedachter unnserer kaiserlichen Comissarien von denselben Iren habenden bevelch weitter zu vernemen.300 In einem weiteren Schreiben vom 2. März 1571 nannte der K aiser schließlich die für die Visitation verantwortlichen Kommissare: Graf Heinrich von Fürstenberg und den Straßburger Doktor der Rechte Johann Nervius.301 Heinrich von Fürstenberg war den Rottweilern nachbarschaftlich gutgesinnt. Zwischen 1572 und 1580 standen die noch unmündigen Sulzer Hofrichter Graf Rudolf VII . und Graf Karl Ludwig von Sulz unter seiner Vormundschaft. In den Jahren 1580, 1583 und 1585 wirkte er als Statthalter am Gericht.302 Auch Johann Nervius war mit dem Rottweiler Hofgericht vertraut. Er war von 1570 bis 1590 Hofgerichtsadvokat und hatte bereits Rechtsgutachten zu Rottweiler Kammergerichtsprozessen erstellt.303 Dem kaiserlichen Auftrag zufolge sollten die Kommissare alles das jenig bedencken handlen und zue werck richten […] das zu verbesserung und ordentlicher anstellung bemelts unsers hoffgerichts und denselben proces, auch befurderung und erhaltung d[er] Iustitien dienlich erspreis lich und nottig sei und sich vermög ermelts jungsten unser des Reichs abschiedt gepuren wirdt.304 Um seinen Ansichten genügend Nachdruck zu verleihen, hatte auch der Schwäbische Kreis über die beiden vom K aiser bestellten Kommissare hinaus zwei rechtsgelehrte Doktoren nach Rottweil entsandt.305 Die beiden Vertreter fanden im Folgenden Gelegenheit, die Bedenken und Ansichten des Kreises vorzubringen. 306 Der Rottweiler Magistrat merkte hierzu an, dass es notwendig sei, uff soliche gsanten ain sunder vffmerken zu haben.307 300 Kaiser Maximilian II. an den Hofrichter und die Urteilsprecher des Hofgerichts Rottweil vom 26. Februar 1571 (HStASt C1 Bü 9). 301 Kaiser Maximilian II. an den Hofrichter und die Urteilsprecher des Hofgerichts Rottweil vom 2. März 1571 (HStASt B203 Bü 2). 302 Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 219. 303 Grube: Verfassung (1969), S. 53, Anhang S. 237. 304 Kaiser Maximilian II. an den Hofrichter und die Urteilsprecher des Hofgerichts Rottweil vom 2. März 1571 (HStASt B203 Bü 2). 305 HStASt C1 Bü 9 (1576); HStASt B203 Bü 2; Grube: Verfassung (1969), S. 53. 306 HStASt C9 Bü 188 Q 3, fol. 20 f.; Grube: Verfassung (1969), S. 53; Lang: Ausgrenzung (2008), S. 224 f., der insbesondere die Beschwerden des Kreises darüber, dass Rottweil in Forderungs- und Schuldsachen zugunsten der Juden erkannte und diesen auch Achtund Anleitebriefe erteilte, aufführt. 307 HStASt B203 Bü 2.
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2. Verlauf und Ergebnisse Trotz nur bruchstückhaft vorhandener Quellen zur Visitation des Hofgerichts lässt sich feststellen, dass sich der Ablauf wohl stark an dem der reichskammergericht lichen Visitation orientierte.308 Ein vom Rat der Stadt verfasstes Dokument mit dem Titel Instructio. Was sich zu ankunfft der kay[serlichen] Commissarien anfangs zuverhalten lässt auf den Ablauf der Visitation schließen.309 Danach sollten die Kommissare von Ober- und Unteramtleuten empfangen und sodann mit ihnen besprochen werden, wann und wo sy die sachen furnemen wellen – entweder auf dem Rathause oder in der Herrenstube.310 Die Visitation begann damit, dass die Kommissare den Visitationsbefehl des Kaisers verlasen.311 Die Gerichtsverantwortlichen brachten hierauf ihre Privilegien vor und betonten die seit alters her b estehende Rottweiler Treue zu Kaiser und Reich.312 Sodann übergaben sie den Kommissaren die [bisherige] gerichtlich ordnung in schrifften.313 Im Folgenden vernahmen die Kommissare die Gerichtspersonen wohl über eine Zusammenstellung von Beschwerden und Fragen seitens der Reichsstände und die Rottweiler Entgegnungen hierzu.314 Sie sollten dabei den bisherigen Ablauf des Hofgerichtsprozesses,
3 08 Am Reichskammergericht gab es zwei Arten von Visitationen, die später als ordentliche und außerordentliche Visitation bezeichnet wurden. Waren die Beteiligten nach einem bestimmten, in den Reichsgesetzen festgelegten Schema von vornherein bestimmt und stand auch jährlich ein bestimmter Zeitpunkt für die Visitation fest, handelte es sich um eine ordentliche Visitation. Ein vorheriger Reichstagsbeschluss war keine Voraussetzung. Bei der außerordentlichen Visitation, für die es meist einen aktuellen Anlass gab, war ein besonderer Reichstagsbeschluss, der die mitwirkenden Stände festsetzte, hingegen unabdingbare Voraussetzung (Mencke: Visitationen (1984), S. 11 f.) Eingehend zu den Merkmalen und Schritten: Moser: Justiz=Verfassung Bd. 2 (1774), S. 814 – 822. Generell zur Visitation am Reichskammergericht unter vielen: Malblank: Anleitung Bd. 2 (1791), S. 1 – 4 25; Moser: Justiz=Verfassung Bd. 2 (1774), S. 734 – 858; Nettelbladt: Abhandlung (1772/73), S. 189 – 224. Aus neuerer Zeit: Mencke: Visitationen (1984). Bei Lanzinner findet sich eine Beschreibung der Reichskammergerichtsvisitation von 1571 samt Fragstücken, an der man sich wohl auch für die Hofgerichtsvisitation orientieren kann (Lanzinner: Reichsversammlungen (1995), S. 42 – 63). 309 HStASt B203 Bü 2. 310 HStASt B203 Bü 2. Herrenstube wurde die Stube genannt, in welcher der Bürgermeister zusammen mit den Müßiggängern und Patriziern der Stadt tagte (Elben: Patriziat (1964), S. 51 f.). Ausführlich zur Rottweiler Herrenstube: Elben: Patriziat (1964), S. 51 – 70. 311 HStASt B203 Bü 2; Grube: Verfassung (1969), S. 54. 312 HStASt B203 Bü 2. Es sollte erklärt werden, was man bißher uff dise stundt bey der Röm. Kay. Mt. vnd furnemblich dem Hauß Oesterreich gethan. 313 HStASt B203 Bü 2. 314 Grube: Verfassung (1969), S. 54.
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die Rolle der Gerichtspersonen sowie deren Entlohnung behandeln.315 Vor allem mit Blick auf das Personal, insbesondere die Urteilsprecher und Prokuratoren, die Kanzleibeamten und die Boten, stellten die Kommissare erhebliche Mängel fest, welche auch in den Formulierungen der NHGO in diesen Bereichen deutlich zutage treten.316 Die Kommissare verfassten noch vor Ort einen Entwurf der neu zu erstellenden Ordnung. In Rottweil hatte man sich schon seit 1566 auf eine mögliche Visitation des Hofgerichts vorbereitet und selbst angefangen, die AHGO zu überarbeiten.317 Graf Alwig X. von Sulz schrieb in einem Brief vom 31. Oktober 1570 an den Bürgermeister und den Rat von Rottweil, dass diese als denen die Sachen am mehisten durch die hanndt gehet vnnd am besten bewusst, one allen verzug furnemen, berhatschlagen vnnd solliche ord nung vergreiffend, mit deren man zu volgender vnnd könftiger Visitation, besteen und gefast erscheinen mög.318 Zudem solle man also möglichen fleiß furwenden, damit die hergeprachte Hofgerichts Jurisdiction nit allain gen so vilfaltige ausgeprachte freyhaiten vnnd eingriff erhalten, sonder auch wo möglich erweitert werde.319 Der Hofgerichtsschreiber Dr. Johann Spreter und der Anwalt Dr. Hans Bernhard Rümelin hatten infolge dieser Anordnung schon im Vorfeld der Visitation an einer Reformation der Hofgerichtsordnung gearbeitet. Diese Vorarbeiten von Spreter und Rümelin dürften wohl berücksichtigt worden sein.320 Die Rottweiler hatten damit gerechnet, dass man das Recht der Stadt zur Auswahl der Beisitzer beschneiden würde. In einem Brief des Rottweiler Rats, wohl aus den Jahren 1571 oder 1572,321 tat dieser seine mainung 3 15 HStASt B203 Bü 2. 316 Urteilsprecher, NHGO Part. 1 Tit. 3, fol. 4r–5v; Prokuratoren, NHGO Part. 1 Tit. 5, fol. 6r–7v; Boten, NHGO Part. 1 Tit. 16, fol. 14r–17v; Kanzleipersonal, NHGO Part. 1 Tit. 7, fol. 7v–10v. 317 Grube: Verfassung (1969), S. 53. 318 Brief des Hofrichters Graf Alwig X. von Sulz an den Bürgermeister und den Rat der Stadt Rottweil vom 31. Oktober 1570 bezüglich seiner Teilnahme am Reichstag zu Speyer (HStASt C1 Bü 112 fol. 1 f.). 319 Brief des Hofrichters Graf Alwig X. von Sulz an den Bürgermeister und den Rat der Stadt Rottweil vom 31. Oktober 1570 bezüglich seiner Teilnahme am Reichstag zu Speyer (HStASt C1 Bü 112 fol. 1 f.). 320 Graf Alwig X. von Sulz als Hofrichter stimmte dem Entwurf, der auf dem Reichstag zu Speyer 1570 eingebracht werden sollte, zu (HStASt C1 Bü 110 fol. 11 f. (27. April 1570)). 321 HStASt C1 Bü 7 fol. 3 f. Das Schreiben ist undatiert. Es lässt sich aus dem Inhalt jedoch erschließen, dass es nach Erstellung der Ordnung durch die Kommissare, jedoch vor der Bestätigung durch den Kaiser (vnd achtet, das allein bey der kay. Mt. daruff zuhandlen, das ßy Confirmiert vnd erhalten werde) verfasst wurde. Die Kommissare hatten den Entwurf 1571 an den Reichshofrat gesandt. Am 13. November 1572 schließlich unterzeichnete Kaiser Maximilian II. die NHGO. HStASt B203 U 63 sowie ein Schreiben des Kaisers vom 12. November 1572 an Rottweil (HStASt B203 Bü 20). Siehe auch Grube: Verfassung (1969), S. 56.
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vnnd Rhatschlag kund. Hinsichtlich der Neuordnung des Hofgerichtsprozesses, die sich nach Meinung des Rates in großen Teilen an der RKGO von 1555 orientierte, wayst sy ain Ersamen Rhat nit zuverbeßern.322 Der Rat betonte in seinem Schreiben jedoch, dass er auf jeden Fall darauf hinwirken wolle, dass die Siben bey Irer waal pleib.323 Hinter dieser Wendung verbarg sich die Wahl der Urteilsprecher durch einen aus sieben Mitgliedern des Rates bestehenden Ausschuss, an dem seit dem 14. Jahrhundert auch die Rottweiler Zünfte beteiligt waren.324 Diese Herren Sieben wählten die Urteilsprecher anfänglich für eine Amtszeit von einem Jahr. 1503 jedoch wurde das Amt des Urteilsprechers ein Amt auf Lebenszeit.325 Aus rein formalen Gründen bestätigte der Wahlausschuss die Urteilsprecher jährlich in ihrem Amt.326 Dieses Auswahl- und Bestätigungsrecht sollte der Stadt auch nach der NHGO erhalten bleiben.327 Im Übrigen betonte der Rat in seinem Schreiben, dass an den Ehafftin vnnd erhaltung der Personen, das fundament vnnd Substantz allein gelegen und man beim Kaiser unbedingt um eine Bestätigung dieser ansuchen müsse.328 Die Kommissare hatten den Rottweilern nicht nur die Erhaltung, sondern sogar die Vergrößerung ihres Kanzleipersonals vorgeschlagen.329 Rottweil nahm d iesen Vorschlag positiv auf, machte jedoch zugleich darauf aufmerksam, dass die canzley gefell so ringfueg [seien], das die canzley personen daraus nit wol besoldet werden mögen.330 Im Gegensatz zum Reichskammergericht war das Hofgericht – obwohl es als reichsunmittelbares Gericht allein dem Kaiser unterstand und einen von der Stadt Rottweil unabhängigen Status genoss – vollumfänglich auf die Kanzleigefälle 331 angewiesen. Da immer
3 22 HStASt C1 Bü 7 (undatiert). 323 HStASt C1 Bü 7 (undatiert). 324 Grube: Verfassung (1969), S. 129; Leist: Reichsstadt Rottweil (1962), S. 32 f. und S. 40 – 42. Zum Wahlverfahren im Einzelnen: Leist: Reichsstadt Rottweil (1962), S. 62 – 67. Darüber hinaus zur engen personellen Verquickung von Stadtrat und Hofgerichtspersonal, insbesondere Urteilsprecher: Leist: Reichsstadt Rottweil (1962), S. 194 – 197. 325 Leist: Reichsstadt Rottweil (1962), S. 97. 326 Elben: Patriziat (1984), S. 39 f. Fn. 21; Grube: Verfassung (1969), S. 129; Leist: Reichsstadt Rottweil (1962), S. 97. 327 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1v. 328 HStASt C1 Bü 7 (undatiert). 329 NHGO, Part. 1 Tit. 7, fol. 7v f. 330 HStASt C1 Bü 195 fol. 245 und HStASt C1 Bü 192 fol. 132 f. Auch Grube bringt d ieses Zitat an und macht zudem darauf aufmerksam, dass man am Hofgericht eine Gebührenerhöhung vorschlug (Grube: Verfassung (1969), S. 55 Fn. 160). 331 „Die Kanzleigebühren, die für die Ausfertigung der Prozesse und anderer vom Kammer gericht [hier Rottweiler Hofgericht] ergangener, gerichtlicher Schriften der Kanzlei, der die Ausfertigung zukommt, zu zahlen sind“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 304).
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weniger Parteien vor dem Hofgericht stritten und auch die Nachfrage mit Blick auf Hofgerichtsbeurkundungen zurückgegangen war, waren die Einnahmen des Gerichts jedoch in erheblichem Maße geschrumpft.332 In einem Schreiben an den Kaiser vom 27. Juni 1571 bat der Stadtrat vergeblich um finanzielle Unterstützung.333
3. Vorgänge bis zur Konfirmierung der NHGO Nachdem die Kommissare den Entwurf der NHGO fertiggestellt hatten, übersandten sie diesen sampt nothwendiger außführlicher Relation, vnd bericht des gantzen gerichtlichen wesens an den Reichshofrat nach Wien.334 Dort bearbeiteten Reichshofräte den Entwurf und sandten diesen im Anschluss an die für das Reichskammergericht verantwortlichen Visitatoren. In der Vorrede der NHGO heißt es hierzu, dass der Entwurf mit vnsren Rechts vnd gleichßfals vnsers Keyserlichen Cammer gerichts wolerfarnen Räthen zum fleissigsten ersehen [und] berathschlagt 335 worden sei. Die Reichskammergerichtsräte fühlten sich jedoch für eine Überprüfung der Ordnung nicht zuständig. Man habe diese nit lesen wollen, sonder Ir. May. simpli citer haimgestellt.336 Mag einem dies zunächst verwunderlich erscheinen, da doch gerade das Reichskammergericht unter den vielen Appellationen gegen Rottweiler Entscheidungen litt und es somit sicherlich im Interesse des Gerichts gelegen hätte, Einfluss auf die Ausgestaltung der Ordnung zu nehmen, kann dies wohl zum einen mit der Reichsunmittelbarkeit des Gerichts, zum anderen mit einer „zumindest partiellen Funktionsteilung“ 337 zwischen Reichshofrat und Reichskammergericht erklärt werden. Das Rottweiler Hofgericht lag als kaiserliches Landgericht alleine im Verantwortungsbereich des Kaisers und damit des in diesem Zusammenhang als Regierungs-/Verwaltungsorgan tätig werdenden Reichshofrats. Es steht zu vermuten, dass das Reichskammergericht hier wohl keine hinreichende Zuständigkeit für sich ausmachen konnte. Ende März 1572 kehrten Graf Heinrich von Fürstenberg und Dr. Nervius nochmals nach Rottweil zurück, um die NHGO an einigen Stellen unter Mitarbeit des Hofgerichtspersonals zu verbessern.338 Hatte man in in Rottweil schon im Juli 332 Grube: Verfassung (1969), S. 55. Siehe hierzu auch HStASt C1 Bü 192 fol. 132v. Hier wird nochmals auf die Möglichkeit einer Gebührenerhöhung hingewiesen. 333 HStASt B203 Bü 20. 334 NHGO, Vorrede, fol. 3a v. 335 NHGO, Vorrede, fol. 3a v. 336 Senckenberg: Abhandlung (1760), Beilage Num. XV., S. 41. 337 Weitzel: Beschneiden (2013), S. 168. 338 Grube: Verfassung (1969), S. 55. Grube führt weiterhin aus, dass diese Revision den Stadtsäckel 205 Gulden gekostet habe. HStASt B203 Bü 20.
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1571 gehofft, dass der Kaiser die neue Ordnung bestätigen würde,339 zerschlug sich diese Hoffnung jedoch aufgrund von Einwendungen der Reichsstände und des daraufhin anberaumten nochmaligen Erscheinens der Kommissare.340 Der K aiser ließ sich jedoch auch nach den an der Ordnung vorgenommenen Verbesserungen weiterhin Zeit mit der Bestätigung der Ordnung, sodass der unruhige Rottweiler Rat den Hof- und Stadtschreiber Dr. Johann Spreter sowie den Assessoren Dr. Hans Beck und den Zunftmeister Georg Weiler zur Beförderung der Rottweiler Sache nach Wien entsandte.341 In einem in diesem Zusammenhang stehenden, allerdings undatierten Schreiben werden Bedencken und Instruction des Rottweiler Magistrats In Sachen deß Kay[serlichen] Hoffgerichtz Jungst gehaltene Visita tion betreffen[d] festgehalten.342 Aufgrund der ausbleibenden Reaktion aus Wien auf den verbesserten Entwurf der NHGO hatte man in Rottweil die Sorge, dass die Angelegenheit auf den nächsten Reichstag in Regensburg 1576 verschoben werden sollte.343 Rottweil befürchtete insbesondere, dass die Ehehaften nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt würden, und forcierte die kaiserliche Konfirmierung dieser.344 Es sollte zudem darauf hingewirkt werden, bereits gegen die Ehehaften ausgebrachte Befreiungen vom Kaiser kassieren zu lassen. Als Argument führte die Stadt an, dass das aigentumb deß Hoffgerichts Ir Mt. [Majestät] zustendig sei.345 Rottweil wies zudem darauf hin, dass für die Erhöhung des Gerichtspersonals finanziell nicht allein die Grafen von Sulz, welche das Hofrichteramt innehatten, und die Stadt aufkommen sollten.346 Die Stadt trug daher den Rottweiler Abgesandten auf, den K aiser zu ersuchen, uff mittel und weg gedenck, das alle und jede hoffg[erichts] personen nach eines jeden stand sein geburliche underhaltung haben möge.347 Ferner war der Ansicht einiger Reichsstände entgegenzutreten, die dem Hofgericht keine konkurrierende Zuständigkeit zu den eigenen territorialen Gerichten zubilligen wollten, sondern dieses nur für subsidiär zuständig erachteten.348 Die Rottweiler Abgesandten sollten sogar den Vorschlag machen, das Reichskammergericht zugunsten Rottweils zu entlasten, da von weg der menge 339 HStASt C1 Bü 110 fol. 13r f. 340 HStASt B203 Bü 20. 341 Grube: Verfassung (1969), S. 55; HStASt C1 Bü 110 fol. 13r f. 342 HStASt C1 Bü 192 fol. 134r. 343 HStASt C1 Bü 192 fol. 130: Erstlich dieweil sich deß Kay[serlichen] Hoffgerichtz Visitation Resolution uff der Hern Comissarien beschehene Resolution so lang verweylet, wil und zu besorgen, das wie man sagt Im Kurtzem ein Reichs tag von der Kay[serlichen] Mt. [Majes tät] solle außgeschriben werden. 344 HStASt C1 Bü 192 fol. 131. 345 HStASt C1 Bü 192 fol. 131. 346 HStASt C1 Bü 192 fol. 131. 347 HStASt C1 Bü 192 fol. 133. 348 Grube: Verfassung (1969), S. 56.
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der sach am Kay[serlichen] Kamerg[ericht] die Rechtvertigung zu großem nachtail und vnwiderbringlich Schad der Parteyen vil Jar uffgehalt wurden.349 So were der Kay[serlichen] Majestet aller underthenigist zu bedenck zugeben, Ob nit mittel vnd weg zu befind. Das solche vnd dergleich sach, in prima instantia uff der ansuchend Parteyen begern am Kay[serlichen] Hoffg[ericht] gerechtvertiget vnd dardurch deß Kay[serlichen] Hoffg[erichts] Jurisdiction erweitert werden möchte.350 Um das Rottweiler Vorhaben zu beschleunigen, sollten die Abgesandten beim Vizekanzler und den Räten des Reichshofrats vorstellig werden, um diese über die Rottweiler Belange zu informieren und zu bitten der sachen zum beßten zugedencken. Das werde man umb sy danckbarlich verdienen.351 Eine s olche nit ring fuege verehrung mussten die Rottweiler Abgesandten dann schließlich auch zur Vorantreibung der Sache den mit den Vorgängen betrauten Räten zukommen lassen.352 Nach der Rückkehr Maximilians II . aus Pressburg 353 beriet der Reichshofrat an drei Tagen über die NHGO . Am 13. November 1572 schließlich unterzeichnete der Kaiser die in Wien ausgearbeitete Fassung der erneuerte[n] ordnung des kayserlichen hof gerichts zu Rotweyl.354 Im Oktober 1573 wurde den Rottweilern die mittlerweile gedruckte neue Ordnung überreicht, wobei jede Hofgerichtsperson einen Eid auf diese zu schwören hatte.355 Noch bevor die Eide auf die Neue Hofgerichtsordnung abgenommen worden waren, hatte sich am 26. August 1573 der Kurfürst von Mainz beim Reichshofrat darüber beschwert, dass die Kurfürsten im Rahmen der neuen Ordnung nicht von den – zum Teil neu eingeführten – Ehehaften eximiert worden waren.356 Am Ende der Auflistung der Ehehaften in NHGO Part. 2 Tit. 5 wurde daraufhin – unter Hinweis auf die Goldene Bulle – die Befreiung der Kurfürsten von den Ehehaften eingefügt.357
349 HStASt C1 Bü 192 fol. 132. 350 HStASt C1 Bü 192 fol. 132. 351 HStASt C1 Bü 192 fol. 134. 352 Grube: Verfassung (1969), S. 56. 353 Dort war der damalige Kronprinz und spätere Kaiser Rudolf II. zum König von Ungarn gekrönt worden. 354 HStASt B203 U 63; Grube: Verfassung (1969), S. 56. 355 Grube: Verfassung (1969), S. 56; Senckenberg: Abhandlung (1760), Beilage Num. XV., S. 41. 356 Senckenberg: Abhandlung (1760), Beilage Num. XV., S. 41. 357 NHGO Part. 2 Tit. 5 § 30, fol. 40r.: Doch inn allen oberzelten Artickeln den Churfürsten vermoeg der Gülden Bullen ihre gerechtigkeyten wie sie die herbracht vorbehalten.
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4. Ergebnis Der Antrieb, eine neue Ordnung für das Hofgericht zu errichten und damit die Mängel in der Gerichtsorganisation und im Verfahrensverlauf zu beheben, kam von außen. Die Stände hatten sich auf etlichen Reichstagen über das Hofgericht beschwert und den K aiser um eine Visitation ersucht. Allerdings ergab sich Rottweil nicht einfach in sein Schicksal, sondern wollte – zumindest ein Stück weit – die Kontrolle über Gerichtsorganisation und Verfahrensgang behalten und die aufgezwungene Visita tion zum eigenen Vorteil n utzen. So hatten der Hofgerichtsschreiber Spreter und der Anwalt Rümelin im Vorfeld der Visitation einen Ordnungsentwurf ausgearbeitet. Auch die vom K aiser bestellten Kommissare – Dr. Johann Nervius und Graf Heinrich von Fürstenberg – waren Rottweil freundschaftlich verbunden und hatten keinerlei Intention, die Jurisdiktion des Gerichts zu schmälern. So lässt sich erklären, dass die Stadt das Recht zur Auswahl der Beisitzer behielt und grundsätzlich auch nichts in Bezug auf die Rottweiler Ehehaften als zuständigkeitserhaltende Tatbestände unternommen wurde.
C. Die Neue Hofgerichtsordnung von 1572 I. Rechtsnatur Die Frage nach der Rechtsnatur der NHGO ist – wenn überhaupt – nur schwer zu beantworten. Im Gegensatz zu den Reichskammergerichtsordnungen, w elche auf Reichstagen nach längeren Verhandlungen der Reichsstände als Satzungen erlassen wurden,358 rührt die NHGO allein aus der Macht des Kaisers her.359 Aufgrund eines unmittelbar nach Erlass der NHGO errichteten kaiserlichen Privilegs, welches nochmals explizit die Ehehaftstatbestände des Hofgerichts auflistet, tendiert Jack dazu, die neue Ordnung als Organisationsstatut einzuordnen.360 Dagegen spreche allerdings, wie Jack fortfährt, dass am Ende der Ordnung aus kaiserlicher Macht geboten wird, dass die sich im Wirkungskreis des Hofgerichts befindenden Reichsstände samt ihrer Untertanen, die Richter und Beisitzer des Reichskammergerichts sowie vor allem der Rottweiler Hofrichter und die Urteilsprecher in Zukunft an die NHGO inklusive der dort aufgezählten Ehehaften halten sollen.361 In der Ordnung selbst fällt in eben diesen abschließenden Ausführungen das Wort satzungen.362 Die Hofgerichtsordnung qualifiziert sich jedoch nicht selbst als Satzung, sondern statuiert lediglich, dass von nun an solcher newen Hoffgerichts ordnung / Erklerung der Ehehafften / vnd andern darin begriffenen satzungen Geltung zukomme.363 Satzungen wie die RKGO wurden jedoch nicht allein aufgrund von kaiserlicher Macht erlassen,364 ihnen gingen vielmehr Reichstagsverhandlungen zwischen dem Kaiser und den Ständen voraus.365 Da eine Mehrheitsentscheidung nicht möglich war, sondern eine umfassende Einigung erzielt werden musste, nahmen die Verhandlungen oftmals lange Zeit in Anspruch.366 Der NHGO gingen keine direkten Verhandlungen des Kaisers mit den Ständen voraus. Jedoch muss in d iesem Zusammenhang beachtet werden, dass den Ständen durchaus Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Ordnung
358 Dick: Kameralprozess (1981), S. 7; Ebel: Gesetzgebung (1988), S. 45 f.; Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), S. 19. Hiergegen betont Smend die starke Position des Herrschers (Smend: Reichskammergericht (1911), S. 42 – 51). 359 NHGO, Einleitung, fol. 3av. Jack: Ehafte (2012), S. 94. 360 Jack: Ehafte (2012), S. 94. 361 Jack: Ehafte (2012), S. 94. NHGO, Part. 3 Tit. 21, fol. 55r. 362 NHGO, Part. 3 Tit. 21, fol. 55r. 363 NHGO, Part. 3 Tit. 21, fol. 55r. 364 Jack: Ehafte (2012), S. 94. 365 Dick: Kameralprozess (1981), S. 11. 366 Dick: Kameralprozess (1981), S. 11.
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zugekommen waren. Zum einen hatten die Stände großen Anteil daran, dass es überhaupt zu einer Visitation des Hofgerichts kam. Der Reichsabsschied von 1570, der die Visitation des Hofgerichts anordnete, war mit Zustimmung der Stände ergangen.367 Zum anderen waren auch zwei Doktoren als Abgesandte des Schwäbischen Kreises bei der Visitation anwesend,368 weshalb zu vermuten steht, dass sie durch Vorbringen der Positionen und Bedenken des Kreises auch auf die Ausgestaltung der Ordnung Einfluss nehmen konnten. Richtig ist allerdings, dass die neu errichtete Hofgerichtsordnung weder auf einer Reichsversammlung noch ansonsten mit Zustimmung der Stände erlassen worden war. Die vom Hofgericht befreiten Stände wandten sich sogar explizit gegen die Regelungen der NHGO.369 Zudem kam auch in den Verhandlungen auf dem Reichstag zu Speyer klar zum Ausdruck, dass die Stände es als alleinige Aufgabe des Kaisers sahen, dem Hofgericht eine neue Ordnung zu geben.370 Jack tendiert dazu, die NHGO als Privileg zu qualifizieren, und verweist hierfür auf die Wendung in der Einleitung der Ordnung, dass diese aus kaiserlicher Machtvollkommenheit erlassen wurde.371 Diese Einordnung würde auch dadurch gestützt, dass die Hofgerichtsordnung im Vergleich zu den Exemtionsprivilegien, insbesondere auch vom Reichskammergericht, nicht als höherrangiges Recht aufgefasst wurde.372 Im Endeffekt, zu diesem Schluss kommt auch Jack, kann und muss die Rechtsnatur der NHGO offengelassen werden. Aussagen über feste Normenhierarchien im „Rechtsquellengestrüpp“ 373 des 16. Jahrhunderts zu treffen, ist schwierig. Dass die Rechtsnatur der neu errichteten Ordnung eines in der Gerichtslandschaft des 16. Jahrhunderts von der modernen Literatur als „Anomalie“ 374 bezeichneten Gerichts keine Rolle spielte, zeigt sich auch daran, dass sich weder die zeitgenössische Literatur noch die höchs ten Reichsgerichte mit der Stellung beziehungsweise dem Verhältnis der NHGO zu anderen Normierungen beschäftigen.375
367 HStASt C1 Bü 9 (1571). 368 HStASt C1 Bü 9 (1576); HStASt B203 Bü 2. 369 HStASt C3 Bü 3293 I, Q 65 S. 4v. Jack: Ehafte (2012), S. 94. 370 Im Kurfürstenrat auf dem Speyrer Reichstag von 1570 drückte das der Vertreter Sachsens kurz und knapp aus: caesar hett ein ordnung zumachen (Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 1. Teilband (1988), S. 267). 371 NHGO, Einleitung, fol. 3av. 372 Jack: Ehafte (2012), S. 95 – 97. 373 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 1. Oestmann benutzt den Begriff allerdings im Zusammenhang mit den Gemeinen Bescheiden von Reichskammergericht und Reichshofrat. 374 Kohler: Verfahren (1904), S. 113. Hierauf verweist auch Grube (Grube: Verfassung (1969), S. 34). 375 Jack: Ehafte (2012), S. 97.
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Aufbau
II. Aufbau Die NHGO gliedert sich in drei Teile. Der erste handelt von personen des hofgerichts, der zweite vom gezirk, jurisdiction und gerichtszwang und der dritte von dem gericht lichen prozeß. Im ersten Teil 376 werden zunächst die Rechte und Pflichten der Hofgerichtspersonen – im gemeinen und vor Gericht – dargestellt. Behandelt werden der Hofrichter beziehungsweise sein Statthalter, die Beisitzer, der Fiskal, die Prokuratoren, der Kanzleiverwalter, der Protonotar, die Sekretäre und Kanzleischreiber, die Kopisten, der Kanzleidiener, die Zeugenkommissare, der Pedell, der Botenmeister und schließ lich die Boten. Im Anschluss folgen die von den jeweiligen Personen zu leistenden Eide sowie weitere Vorschriften wie beispielsweise die Leistung des Kalumnieneides, des Zeugeneides, des Armeneides und des Judeneides. Im Zusammenhang mit den Vorschriften zum Kanzleipersonal wird auch die Kanzleitax geregelt.377 Der zweite Teil 378 der Ordnung beschäftigt sich mit dem Wirkungsbereich des Hofgerichts, seinen Terminen und den im Rahmen der Termine abzuhaltenden Umfragen. Sehr ausführlich werden ferner die zu beachtenden Förmlichkeiten bei Abforderungen sowie die Ehehaftsfälle behandelt.379 Es folgt eine allgemeine Vorschrift zur Zitation, in deren Anschluss die zwei Formen der Zitation, die Ladung und die Verkündung, geregelt werden.380 Es schließen sich Bestimmungen zur Beläutung und zur Anleite an.381 Der zweite Teil schließt mit einer Vorschrift zu den sogenannten Supplicatorien.382 Der dritte Teil 383 der Hofgerichtsordnung eröffnet mit einer allgemeinen Bestimmung zum Terminsystem des Hofgerichts. Es folgen Ausführungen zu den maximal 12 Terminen des Rottweiler Prozessgangs. Getrennt hiervon regelt die Ordnung im Anschluss die Termine, in denen über die dilatorischen und die peremtorischen Einreden verhandelt wird. Die Ordnung widmet sich in ihren weiteren Bestimmungen der Rekonvention (Gegenklage), dem Kontumazialverfahren (Säumnisverfahren), der Loslösung aus der Acht, der Urteilsfindung, der Appellation an das Reichskammergericht, der Exekution von Urteilen und den Gerichtskosten. Der vorletzten
3 76 Zum Folgenden: NHGO, Part. 1 Tit. 1 – 45, fol. 1r–29v. 377 NHGO, Part. 1 Tit. 13, fol. 11r–12v. 378 Zum Folgenden: NHGO, Part. 2 Tit. 1 – 14, fol. 30r–44r. 379 NHGO, Part. 2 Tit. 4 und Tit. 5, fol. 32v–40r. 380 NHGO, Part. 2 Tit. 7, Tit. 8 und Tit. 9, fol. 40v–41v. 381 NHGO, Part. 2 Tit. 10 bis Tit. 13, fol. 41v–43v. Vertiefend zu beidem siehe S. 160 – 169. 382 NHGO, Part. 2 Tit. 14, fol. 43v f. Unter Supplicatoria sind in diesem Zusammenhang die an das weltliche Rottweiler Hofgericht gerichteten Bitten eines geistlichen Gerichts zu verstehen, die gerichtlich Gebannten zugleich in die Acht zu erklären. 383 Zum Folgenden: NHGO, Part. 3 Tit. 1 – 21, fol. 44v–55r.
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Regelung zufolge sollen regelmäßige Visitationen am Gericht stattfinden. Wie das Gericht in Sachen handeln soll, welche die Ordnung nicht erfasst, sieht die letzte Vorschrift der Ordnung vor.
III. Zuständigkeit und Organisation 1. Zuständigkeit a. Örtlich Nach NHGO Part. 2 Tit. 1 bilden Chur, Appenzell, Schwyz, Luzern, Bern, Freiburg im Uechtland und Neuenburg (Neuchâtel) die südliche Grenze des Rottweiler Gerichtsbezirkes. Grenzorte im Westen sind Pruntrut (Porrentruy), Mömpelgard im Elsass und Köln, wobei die Sprengelgrenze den Vogesen und dem Rhein folgen soll. Östliche Sprengelstädte sind Augsburg und Nürnberg.384 Die hier beschriebene örtliche Zuständigkeit darf jedoch nicht als feststehend betrachtet werden, denn die Grenzen und der Einfluss des Gerichts konnten sich schnell ändern.385 Man darf sich den Gerichtssprengel zudem auch nicht als flächendeckenden Zuständigkeitsbereich des Gerichts vorstellen. Die in NHGO Part. 2 Tit. 1 genannten Städte geben vielmehr wieder, woher viele Parteien kamen. Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, nicht von einem Gerichtsbezirk oder Gerichtssprengel, sondern vielmehr von einem Wirkungsbereich zu sprechen. Je mehr die Entfernung von Rottweil allerdings zunahm, desto weniger Einfluss hatte das Gericht. Eine starke Position hatte das Hofgericht in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Oberschwaben, insbesondere um den Bodensee herum, in Teilen der Schweiz, im Oberelsass und im heutigen württember gischen Franken – insbesondere der Heilbronner Gegend.386 Mit der Realität hatte dieser sowohl in der AHGO als auch in der NHGO beschriebene Wirkungsbereich 384 Von Rotweil auß biß an die Fürst vnd an das gebierg inhalb ober Elsaß vnd herdißhalb dem gebierg den Rhein ab vnd ab biß gen Coeln vnd nit fuerter vnd hierdißhalb den Rhein wide rumb herauff gen franckfurt vnd als weit franckenland gehet biß an den Thüringer waldt und in francken und Schweinfelden biß ans Bayerlandt vnd hiediß halben Bayrn inher biß gen Augspurg ahn den Lech vnd nit vber den Lech vnd vor dem gepierg inher was vor dem Buerg inher gen Schwaben zue bis gen Chur vnd was in demselben strich und kreiß vmbher ligt biß gen Appenzel gen Schweitz gen Luzern gen Bern gen Freyburg in Iechtlandt vnd den selben Kreyß vmbher biß gen welschen Neuwenburg. Da dannen inher biß gen B runtrautt gen Muempelgart vnd nit füro vnd daselbst wider her ein biß an den Fürst vnd an das gepierg innerhalb obern Elsas (NHGO, Part. 2 Tit. 1, fol. 30r f.). 385 Ähnlich auch beim Landgericht Nürnberg und den Femegerichten (Grube: Verfassung (1969), S. 20). Zu den zum Teil sich überlappenden Jurisdiktionsansprüchen mit den Femegerichten: Schröder/Künssberg: Lehrbuch (1932), S. 628). 386 Grube: Verfassung (1969), S. 21.
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im 16. Jahrhundert nicht mehr viel zu tun. Im 14. und 15. Jahrhundert hatte sich das Rottweiler Hofgericht von den anderen Landgerichten in Schwaben noch durch seinen großen Einflussbereich ausgezeichnet und sich teils auch über diesen hinaus eine Zuständigkeit angemaßt.387 Er ging weit über das heutige Baden-Württemberg hinaus und umfasste auch große Teile Frankens. Grube vermutet, dass die Ausdehnung des Sprengels nicht nur allein auf die Anmaßung des Gerichts, sondern darüber hinaus auch auf die Gunst der römisch-deutschen Könige zurückzuführen ist.388 Auch Scheyhing zufolge kann die exakte Abgrenzung der Zuständigkeit nicht allein das zufällige Ergebnis des Rottweiler Strebens nach Ausdehnung des Jurisdiktionsbereichs sein.389 Anfang des 16. Jahrhunderts erfuhr der Sprengel eine erhebliche Verkleinerung. Köln und Frankfurt wandten sich vom Hofgericht ab.390 Ferner wurde die Eidgenossenschaft in einem Vertrag mit Rottweil aus dem Jahre 1519 von der Zuständigkeit des Hofgerichts befreit.391 Gegen Ende des 16. Jahrhunderts setzte sich Rottweils Wirkungsbereich lediglich noch aus Oberschwaben, dem Oberelsass und Teilen Frankens zusammen.392 Aus Rottweiler Sicht waren dem Hofgericht Mitte des 17. Jahrhunderts noch folgende Herrschaften und Städte unterworfen: das Herzogtum Württemberg, die Grafen von Fürstenberg, von Hohenzollern, von Hohenems, von Königsegg, von Montfort und von Waldburg, die Freiherren von Langenstein und von Marbach, der Bischof von Bamberg, die Klöster Salmannsweiler, Schussenried, St. Blasien und Zwiefalten, der Deutschordenskomtur in Altshausen sowie die Reichsstädte Biberach, Buchhorn, Gengenbach, Lindau, Memmingen, Offenburg, Pfullendorf, Ravensburg, Reutlingen, Straßburg, Überlingen, Ulm, Wangen und Zell am Harmersbach. Rottweil verschickte an die soeben Aufgelisteten im Jahre 1655 ein kaiserliches Privileg F erdinands III. zugunsten Rottweils, um damit die Befreiungen dieser Herrschaften, Klöster und Städte in Abrede zu stellen.393 Allein daran, dass sämtliche dieser Herrschaften und Städte über Exemtionen von der Hofgerichtszuständigkeit verfügten, lässt 387 Siehe hierzu beispielsweise Etzold: Hofgericht Bd. 2 (1924/1925), S. 268 und S. 320 f. Regest Nr. 1176: Verbietbrief des Grafen Johann von Sulz an Bürgermeister, Rat und Bürger zu Frankfurt am Main (11. Oktober 1470); Regest Nr. 1408: Verbietbrief des Grafen Johann von Sulz an Bürgermeister, Rat und Bürger zu Köln (6. Februar 1479); Regest Nr. 1409: Verbiertbrief des Grafen Johann von Sulz an Bürgermeister, Rat und Gemeinde zu Frankfurt am Main (6. Februar 1479). 388 Grube: Verfassung (1969), S. 18. 389 Scheyhing: Landgericht (1962), S. 88 f. 390 Grube bezeichnet die Beziehungen der Städte zu Rottweil ohnehin als „nie sonderlich ertragreich“ (Grube: Verfassung (1969), S. 42). 391 Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1838), S. 230. Der gesamte Vertrag ist bei Ruckgaber abgedruckt (Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1838), S. 223 – 231). 392 Grube: Verfassung (1969), S. 73. 393 HStASt C1 Bü 22.
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sich erkennen, dass das Rottweiler Hofgericht nicht einmal mehr in seinen früheren Kernzuständigkeitsgebieten über Einfluss verfügte. Nachdem das Reichskammergericht aufgrund eines Reichstagsbeschlusses von 1689 von Speyer nach Wetzlar verlegt worden war, wandten sich auch noch die letzten fränkischen Parteien vom Hofgericht ab.394 b. Sachlich Sachlich zuständig war das Hofgericht sowohl für vor Gericht auszutragende recht liche Auseinandersetzungen (streitige Gerichtsbarkeit) als auch für Beurkundungen (freiwillige Gerichtsbarkeit). In der NHGO wird nicht explizit auf die sachliche Zuständigkeit des Hofgerichts eingegangen. Jedoch kann man aus dem Titel über die Ehehaften 395 auf Zuständigkeitsbereiche des Gerichts schließen. In § 12 dieses Titels statuiert die NHGO eine Ehehaft bei Injurien (Ehr- und Schmachsachen).396 Ferner soll die zivilrechtliche Folgebehandlung von strafrechtlichen Delikten wie Totschlag, Mord, Brandstiftung, Diebstahl, Landfriedensbruch oder Straßenraub in die Zuständigkeit des Gerichts fallen.397 Auch in Erbschaftssachen, insbesondere des Adels, sowie bei Geldforderungen beziehungsweise Zahlungsklagen soll das Hofgericht zuständig sein.398 Schließlich begründet die NHGO noch eine Ehehaftszuständigkeit bei Spoliensachen respektive Entsetzungen.399 Aus den noch verbliebenen Rottweiler Prozessakten geht hervor, dass sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die meisten Prozesse um Schuldforderungen 400, Forderungen aus Zinsgeldern 401, 3 94 Grube: Verfassung (1969), S. 81. 395 NHGO, Part. 2 Tit. 5, fol. 34r–40r. 396 NHGO, Part. 2 Tit. 5 § 12, fol. 37r. 397 NHGO, Part. 2 Tit. 5 § 13, fol. 37r. 398 NHGO, Part. 2 Tit. 5 §§ 21, 23 und 24, fol. 38v. 399 NHGO, Part. 2 Tit. 5 § 26, fol. 39v. Unter Entsetzung wird die Verdrängung aus dem Besitz oder die Beraubung des Besitzes, unter Spoliensachen Sachen, die gewaltsam entzogenen Besitz betreffen, verstanden (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 299 und S. 315). 4 00 HStASt C1 Bü 206 (1601), Bü 213 (1577), Bü 215 (1592 – 1600), Bü 230 (1590), Bü 250 (1599), Bü 290 (1596), Bü 312 (1591 – 1592), Bü 314 (1573 – 1581), Bü 370 (1575; 1576 – 1580), Bü 384 (1599), Bü 391 (1589 – 1592), Bü 406 (1549; 1560 – 1562), Bü 407 (1594 – 1596), Bü 422 (1592 – 1603), Bü 439 (1589 – 1610), Bü 467 (1596 – 1601), Bü 504 (1576 – 1586), Bü 511 (1590 – 1593), Bü 514 (1584 – 1591), Bü 524 (1586 – 1595), Bü 533 (1580 – 1590), Bü 535 (1580 – 1583), Bü 556 (1585 – 1587), Bü 568 (1582), Bü 570 (1590 – 1602), Bü 589 (1577 – 1579), Bü 591 (1581 – 1596), Bü 593 (1431), Bü 600 (1591 – 1592), Bü 603 (1577 – 1578), Bü 611 (1583), Bü 614 (1583 – 1598), Bü 628 (1591 – 1601), Bü 653 (1578 – 1579). 4 01 HS tAS t C1 Bü 208 (1592 – 1594), Bü 255 (1587 – 1596), Bü 294 (1592), Bü 383 (1588 – 1598), Bü 417 (1579 – 1588), Bü 420 (1597 – 1603), Bü 421 (1588 – 1590), Bü 456 (1588 – 1593), Bü 633 (1592).
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Erbschaftsstreitigkeiten 402, Forderungen aus beziehungsweise Exekutionen wegen Bürgschaften 403 sowie Injurien 404 drehten. Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts fungierte das Rottweiler Hof gericht, wie auch die anderen kaiserlichen Landgerichte, hauptsächlich als Beurkundungs- und Beglaubigungsorgan.405 Insbesondere der benachbarte Adel wie auch schwäbische Königs- und Reichsstädte begehrten die Rottweiler Vidimierung wichtiger Urkunden. Darüber hinaus agierte das Hofgericht – jedoch noch eingeschränkt – auf dem Felde der streitigen Gerichtsbarkeit.406 Aus den Vorschriften der AHGO lässt sich herleiten, dass das Hofgericht vor allem in Schuld- und Lehensachen 407, Erbsachen 408, Leib- und Ehrsachen 409 sowie in aus Missetaten (Mord, Totschlag, Raub und Brandstiftung) folgenden schadensrechtlichen Sachen (Landfriedensbruch)410 judizierte. Dies legt auch ein Vergleich mit der sachlichen Kompetenz anderer Landgerichte, namentlich der fränkischen Landgerichte Nürnberg und Würzburg, nahe.411 Eine mög liche strafrechtliche Zuständigkeit des Gerichts ist für diese Zeit nicht nachgewiesen und könnte höchstens temporär und räumlich begrenzt relevant gewesen sein.412 Für Strafsachen war außerdem das Rottweiler Pürschgericht 413 zuständig.414
4 02 HStASt C1 Bü 277 (1592 – 1595), Bü 283 (1601 – 1603), Bü 328 (1578 – 1580), Bü 399 (1594 – 1604), Bü 517 (1597 – 1599), Bü 520 (1592 – 1610), Bü 612 (1584 – 1586), Bü 617 (1562 – 1596). 4 03 HStASt C1 Bü 347 (1581 – 1599), Bü 403 (1598), Bü 426 (1580 – 1590), Bü 453 (1578), Bü 546 (1570 – 1574). 4 04 HStASt C1 Bü 210 (1578), Bü 215 (1591 – 1600), Bü 231 (1594), Bü 243 (1588 – 1590), Bü 251 (1587 – 1590), Bü 271 (1595 – 1596), Bü 277 (1592 – 1595), Bü 313 (1591 – 1594), Bü 483 (1591 – 1596), Bü 490 (1577), Bü 570 (1590 – 1602). 4 05 Hierunter fielen vor allem Grundstücksverträge und Nachlassregelungen (Grube: Verfassung (1969), S. 12). 4 06 Grube: Verfassung (1969), S. 13. 4 07 AHGO Part. 5 Tit. 2, S. 331; Tit. 4, S. 332 und Tit. 7, S. 333. 4 08 AHGO, Part. 5 Tit. 14 und 15, S. 335. 4 09 AHGO, Part. 2 Tit. 14, S. 325 f. 4 10 AHGO, Part. 6 Tit. 1, S. 337 f. und Part. 7 Tit. 1, S. 339 f. In der gesamten Zeit der hofgerichtlichen Tätigkeit gab es jedoch nur wenige s olche Fälle. An dieser Stelle s eien angeführt HStASt C1 Bü 358 (1577); Bü 538 (1572 – 1577); Bü 594 (1598 – 1608) und Bü 636 (1595 – 1608). 411 Für das Landgericht Würzburg: Merzbacher: Franken-Würzburg (1956), S. 56 – 68. Für das Landgericht Nürnberg: Dannenbauer: Reichsstadt (1928), S. 143 – 148. 412 Grube: Verfassung (1969), S. 13; Scheyhing: Landgericht (1962), S. 93 – 95. 413 Siehe hierzu auch Fn. 7. 414 Näher hierzu Feine: Landgerichte (1948), S. 159 – 167; Merkle: Territorium (1913), S. 6 – 12; Niese: Verwaltung (1905), S. 295 f. Auch das Landgericht Nürnberg hatte nicht die peinliche Gerichtsbarkeit inne; (Dannenbauer: Reichsstadt (1928), S. 144 f.).
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Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts und während des 15. Jahrhunderts folgte nun die produktivste Zeit für das Hofgericht. Weiterhin wirkte das Gericht vor allem im Beurkundungs- und Beglaubigungsbereich.415 In den Beurkundungen dieser Zeit ist der gesamte schwäbische Hochadel vertreten.416 Darüber hinaus ließen Städte – insbesondere Reichsstädte –, Spitäler und Bürger ihre Geschäfte beurkunden.417 Die Verhandlung streitiger Rechtssachen nahm um ein Vielfaches zu, sodass sie dem Beurkundungs- und Beglaubigungsbereich kaum mehr nachstand.418 Die Kompetenz des Gerichts konzentrierte sich dabei auf Sachen, die heute in den Bereich der Zivilbeziehungsweise der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallen würden. In den meisten Fällen ging es um Klagen umb schuld, das heißt Geld-, insbesondere Kaufpreis- und Darlehensforderungen.419 Die Parteien stritten sich jedoch auch um Hoheitsrechte und zogen gelegentlich wegen Landfriedensbruchsachen vor das Hofgericht. Das Gericht verhängte keine blutigen Strafen, sondern ahndete vielmehr Fehdegeschehnisse.420 Darüber hinaus griff es nicht in die Kompetenz der geistlichen Gerichte ein.421 In Lehensachen erachtete es sich lediglich in bestimmt gelagerten Fällen für zuständig.422 Im 16. Jahrhundert erfuhr das Hofgericht im Bereich seiner Beurkundungs- und Beglaubigungstätigkeit empfindliche Einbußen. Das kaiserliche Notariat setzte der Vormachtsstellung der Landgerichte in d iesem Bereich ein Ende.423 Die Reichs notariatsordnung von 1512 bewirkte, dass die von Notaren beurkundeten und beglaubigten Schriftstücke nunmehr den Beurkundungen und Beglaubigungen durch die Landgerichte in nichts mehr nachstanden.424 Die Notare arbeiteten jedoch zum einen 415 Für das Landgericht im Thurgau und das Landgericht der Baar: Blumer: Landgericht (1908), S. 57 und Leiber: Landgericht der Baar (1964), S. 192 – 196. 416 Grube: Verfassung (1969), S. 25. 417 Grube: Verfassung (1969), S. 26. 418 Hierzu auch Etzolds Regesten (Etzold: Hofgericht Bd. 2 (1924/1925), S. 6 – 10). Bader hingegen bewertet auch für das späte Mittelalter „die meisten der beim Hofgericht anhängigen Verfahren [als] s olche der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (Bader: Schiedsverfahren (1929), S. 25). 419 Grube: Verfassung (1969), S. 26. 420 Grube: Verfassung (1969), S. 26. Die Beteiligten versuchten gelegentlich noch während der Fehde, einen Rechtstitel gegen den Gegner zu erwirken. Nach Ernst bekämpften sich die Parteien „mit der Acht des Rottweiler Hofgerichts und Appellationen an den Kaiser“ (Ernst: Eberhard im Bart (1933), S. 145 f.). 421 AHGO Part. 5 Tit. 11 und 12, S. 334 f. 422 Grube spricht dem Gericht jegliche Gerichtsbarkeit in Lehenssachen ab (Grube: Verfassung (1969), S. 26). Dem widerspricht jedoch zumindest AHGO Part. 5 Tit. 4, S. 332 und Tit. 21, S. 337 (hier geht es immerhin um Geld oder Zins aus einem Gut, das ein Lehen ist). 423 Feine: Landgerichte (1948), S. 155 f.; Zerbes: Wirkung (2012), S. 93 und S. 102 f. 424 Conrad: Grundlagen (1960), S. 5 – 7, S. 11 und S. 27; Schmoeckel: Reichsnotariatsordnung (2012), S. 46 – 55, S. 62 f., S. 70.
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schneller und billiger als die Landgerichte,425 zum anderen verfügten sie oftmals über ein profunderes Rechtswissen als die Kanzleibeamten der Gerichte.426 Für ihr Klientel mag es im Übrigen eine Rolle gespielt haben, dass sie im Gegensatz zu den kaiserlichen Landgerichten aus ihrer Tätigkeit keine Jurisdiktionsansprüche ableiten konnten.427 In der Folge wurden den Notaren immer mehr Aufgaben aus der streitigen Gerichtsbarkeit übertragen. So agierten sie beispielsweise als Beweiskommissare und konnten Appellationen aufnehmen sowie Ladungen zustellen.428 Streitig wurde vor Gericht eine Fülle unterschiedlicher Sachen verhandelt: Es ging um Geldforderungen, um Schuld und Zins aus Darlehensgeschäften, um Vormundschaft und Erbe und um Injurien (insbesondere Widerruf von Äußerungen).429 Abseits dieser zivilrechtlichen Rechtssachen stritt man sich vornehmlich um Hoheitsrechte in Wald und Flur 430 wie um Gerichtsrechte 431. Der einzelne Untertan zog nun vermehrt gegen seine Obrigkeit vor das Rottweiler Hofgericht, meist aus Gründen der Amtspflichtverletzung.432 Auch im umgekehrten Fall stritt man vor dem Hofgericht; oftmals wurden Bauern, die ihrer Leistungspflicht nicht nachkamen, vor das Gericht gezerrt.433 Im letzten Drittel des 16. und im 17. Jahrhundert machten die streitigen Rechts sachen schließlich den Großteil des Gerichtsbetriebes aus. Gestritten wurde um Schuldforderungen, Vertragserfüllung und -auflösung, Eigentum und Besitz, Heiratsgut und Erbe.434 Zudem bildeten Injuriensachen einen größeren Tätigkeitsbereich des Gerichts, was nicht zuletzt daran lag, dass das Hofgericht diese als Ehehaftsfälle einordnete.435 Die letzten Beurkundungen wurden schließlich im Jahre 1692 vorgenommen.436 Grube gibt an, dass in den Jahren 1701 und 1702 noch mehr als 20 Prozesse am Gericht 425 Grube: Verfassung (1969), S. 43. 426 Schmoeckel: Reichsnotariatsordnung (2012), S. 53 f., S. 62. Die Notare fungierten häufig auch als Stadtschreiber (Elsener: Notare (1962), S. 15 – 17). 427 Grube: Verfassung (1969), S. 43. 428 Conrad: Grundlagen (1960), S. 11 f. Conrad betont, dass es sich hierbei um „eine Beurkundungstätigkeit im Vollzuge gerichtlicher Entscheidungen und Maßnahmen“ handelte. 429 Siehe auch Fn. 400 – 4 04. 4 30 HS tAS t C1 Bü 322 (1597 – 1605); Bü 323 (1593 – 1596); Bü 357 (1595); Bü 377 (1597 – 1600); Bü 476 (1596 – 1614); Bü 583 (1570 – 1574). 431 HStASt C1 Bü 274 (1564 – 1565); Bü 305 (1568 – 1569); Bü 368 (1575 – 1581); Bü 377 (1597 – 1600); Bü 378 (1520); Bü 447 (1589 – 1598). 432 Grube: Verfassung (1969), S. 44 mit Beispielen. 433 Zum Beispiel HStASt C1 Bü 450 (1566 – 1567, 1583, 1590); Bü 537 (1597 – 1612) und Bü 641 (1555 – 1572). 434 Siehe hierzu auch Fn. 400 – 4 04. Darüber hinaus zum Heiratsgut: HStASt C1 Bü 353 (1575 – 1607) und HStASt C1 Bü 636 (1595 – 1608). 435 NHGO, Part. 2 Tit. 5 § 12, fol. 37r. 436 HStASt C1 IV Bü 324 (12./15. Januar 1692).
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anhängig waren, bei denen es sich jedoch zumeist um schon seit Jahren anhängige und zumeist von Querulanten angestrengte Verfahren handelte.437 Neue Rechtssachen konnte das Gericht hingegen kaum verbuchen. Grube führt diesbezüglich an, dass oftmals nicht einmal die Auskunftsersuchen in diesen Sachen beantwortet wurden.438 Verweisungen von Rechtsstreiten an andere Gerichte waren an der Tagesordnung – nahezu jeder Reichsstand verfügte über ein Exemtionsprivileg, weshalb fast jeder Rottweiler Prozess vor dem Reichskammergericht oder dem Reichshofrat landete, welche in den seltensten Fällen im Sinne Rottweils entschieden.439
2. Organisation Das Wesen des Hofgerichts zeigt sich auch mittels der an ihm tätigen Personen. Im Folgenden soll – insbesondere anhand der NHGO – auf die für das Verfahren wichtigsten Personen ein kurzer Blick geworfen werden. Andere Hofgerichtspersonen wie die Beweiskommissare oder die Boten werden im Zusammenhang mit ihrem jeweiligen Tätigkeitskreis näher betrachtet. Im Übrigen sei auf den zweiten Hauptteil von Grubes Arbeit verwiesen, in dem er umfassend auf die Personen des Hofgerichts eingeht.440 a. Hofrichter und Statthalter Im allerersten Titel der neuen Ordnung stellt der Kaiser klar, dass das Rottweiler Hofrichteramt von vns / vnd dem Heiligen Reich zu Lehen ruert vnd gehet.441 Grube merkt hierzu an, dass das Hofrichteramt schon seit Anfang des 15. Jahrhunderts „unter Übertragung auf Lebenszeit als Lehen bezeichnet“ wurde.442 Auch wenn die NHGO von dem Hofrichteramt als Lehen spricht, so lag de facto kein Lehen, sondern „eher eine Anreicherung von Rechtsförmlichkeiten vor“ 443, die jedoch dem Reichslehensrecht
4 37 Grube: Verfassung (1969), S. 80. 438 Von 1680 bis 1700 im Schnitt drei bis vier. Zwischen 1700 und 1710 lediglich zwei; HStASt C1 Bü 175. 439 Zum Reichskammergericht: HStASt C1 Bü 192 fol. 285 f. Zum Reichshofrat: HStASt C1 Bü 193 fol. 128 f. 4 40 Grube: Verfassung (1969), S. 92 – 212. 4 41 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1r. 4 42 Grube: Verfassung (1969), S. 93. Am kaiserlichen Landgericht in Schwaben hingegen mussten die Landrichter, die oftmals aus einem bestimmten Kreis von Familien stammten, eine Kaution von 1000 Gulden für das Landrichteramt stellen, welche ihnen von ihren Nachfolgern zurückerstattet wurde (Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 249). 4 43 Scheyhing: Landgericht (1962), S. 84.
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entsprechend behandelt wurde.444 Dass das Amt nicht direkt dem Lehensrecht unterstand, lässt sich auch daran erkennen, dass der Rottweiler Hofrichter im Namen des Kaisers Recht sprach (procurata regis).445 Des Weiteren kam es nach der Ordnung nur dem Kaiser zu, einen Hofrichter zu ernennen. Dieser sollte zumindest ein Graf oder ein Freiherr sein.446 Das Hofrichter amt hatten seit 1360 die Grafen von Sulz dauerhaft inne.447 Bei mehreren Erben in der Sulzer Linie vererbte sich das Lehen später „zur gesamten Hand mit Ausübung durch den Ältesten“.448 Nach dem Aussterben der männlichen Linie der Grafen von Sulz ging das Hofrichteramt 1687 über eine Sulzer Tochter auf die Fürsten von Schwarzenberg über.449 Wie Grube anführt, konnten sich die Hofrichter schon im 14. Jahrhundert von einem Statthalter vertreten lassen.450 Es ist somit nicht verwunderlich, dass sowohl die AHGO 451 als auch die NHGO 452 nur kurz hierauf eingehen und im Folgenden die Wendung Hoffrichter oder sein Statthalter verwenden. Auch der Statthalter sollte von keinem geringeren Stand als ein Graf oder ein Freiherr sein.453 Der Hofrichter durfte den Statthalter nur mit Zustimmung des Rates einsetzen.454 Die klassische Trennung zwischen Richter und Urteilern verlagerte sich im Laufe des 16. und des 17. Jahrhunderts langsam hin zu einer gewichtigeren Rolle des Richters.455 Sehr prägnant stellt die NHGO daher die wichtigste Aufgabe des Hofrichters beziehungsweise seines Statthalters 456 dar: die Prozessleitungsfunktion.457 Er hat alle sachen im Hoffgericht Rath / vnd Gericht zu dirigiern / anstellen / unnd die partheyen
4 44 Feine: Verfassungsentwicklung (1932), S. 74 – 77; Grube: Verfassung (1969), S. 93. 4 45 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 2r. Scheyhing: Landgericht (1962), S. 87 f. Scheyhing spricht zudem von einer „Verquickung“ des Amtsrechts des Hofrichters mit dem Lehensrecht (Scheyhing: Landgericht (1962), S. 84). 4 46 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1r. 4 47 Schäfer: Sulz (1969), S. 53 f. 4 48 Grube: Verfassung (1969), S. 93 und Anhang, S. 213 – 216. 4 49 Grube: Verfassung (1969), S. 110 – 112 und Anhang, S. 215 f. 450 Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 216. 451 AHGO, Part. 1 Tit. 1, S. 316. 452 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 2v. Die NHGO fügt an, dass der Hofrichter sich nur dann vertreten lassen soll, wenn er durch ehaffte vnd erhebliche vrsachen vnd verhinderung dem gericht nicht selbst beywohnen / oder außwarten moechte. 453 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 2v. 454 AHGO, Part. 1 Tit. 1, S. 316. Feine: Landgerichte (1948), S. 151 f. 455 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 301 und S. 317. 456 Soweit im Folgenden lediglich der Hofrichter genannt wird, ist – wenn nicht anders vermerkt – sein Statthalter inbegriffen. 4 57 Zu den gleich gelagerten Aufgaben des Landrichters am kaiserlichen Landgericht Schwaben: Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 247 f.
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in iren Rechtfertigungen zu schleunigem außtrag / vnd vrtheyl [zu] befürdern.458 Im Rahmen dieser Aufgabe hat er unter anderem darauf zu achten, dass die Sitzungszeiten eingehalten werden – vormittags im Sommer von sechs bis zehn Uhr, im Winter von sieben bis zehn Uhr und nachmittags, im Sommer und im Winter von zwölf bis drei oder vier Uhr.459 Erscheinen zu diesen Zeiten der Hofrichter oder die Beisitzer nicht, haben der Hofrichter oder sein Statthalter die zuvor zwischen ihm und den Beisitzern festgesetzte Strafe einzufordern, w elche sodann zwischen ihnen verteilt wird.460 Der Hofrichter hat zudem dafür Sorge zu tragen, dass der Prozess möglichst zügig durchgeführt wird.461 Ferner hat er darüber zu wachen, dass die Gerichtspersonen sich der Ordnung gemäß verhalten.462 Um dieser Aufgabe nachzukommen, kann er die Gerichtspersonen mit Strafen belegen und in schwerwiegenden Fällen ihres Amtes entheben.463 Verhalten sich Hofrichter oder Statthalter nicht der Ordnung entsprechend, haben die Urteilsprecher den K aiser hierüber in Kenntnis zu setzen.464 Um jederzeit einen Überblick darüber zu haben, was die Beisitzer im Rat und in der gerichtlichen Audienz votieren und beschließen, soll der Hofrichter die Umfragen selbst durchführen und nicht gestatten, dass andere als gerichtliche Sachen verhandelt werden. Er soll darauf achten, dass die relationes vnd vota / ordenlicher weiß beschehen / vnd eingenommen werden.465 Mit Blick auf die Voten soll der Hofrichter dafür sorgen, dass jeder Urteilsprecher sein Votum unter Darlegung seines Motivs, das heißt seiner Beweggründe, abgibt.466 Auch über die Prokuratoren hat der Hofrichter die Aufsicht zu führen. Diese haben pünktlich zu den Audienzen zu erscheinen, ihre Rezesse und mündlichen Vorträge knapp und ohne Umschweife vorzubringen sowie sich jeglicher Beschimpfungen und Schmähungen des Gerichts wie auch der Kanzlei zu enthalten.467 Bei Zuwiderhandlungen gegen diese Verhaltensregeln kann der Hofrichter den Prokuratoren eine Strafe auferlegen.468 Im Zuge der Reformation des Hofgerichts durch die NHGO wollten auch die Grafen von Sulz wieder mehr Einfluss, insbesondere das Personal betreffend, auf das Hofgericht gewinnen. Neben dem Recht zur Examinierung potenzieller Urteilsprecher 469
458 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 2v. 459 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 3v. 4 60 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 3v. 4 61 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 2v. 4 62 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 2v. 4 63 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 3r. 4 64 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 3r. 4 65 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 4r. 4 66 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 4r. 4 67 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 4r. 4 68 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 4r. 4 69 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 2r und Tit. 3, fol. 4v.
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drückte sich dies vor allem in der Präsentationspflicht des Hofgerichtsschreibers beziehungsweise des Kanzleiverwalters aus. Nachdem die Sulzer Vormünder den Rat dafür gerügt hatten, dass dieser 1582 ohne Sulzer Wissen, sondern lediglich in Abstimmung mit dem Statthalter einen neuen Kanzleiverwalter berufen hatte, musste sich nunmehr ein jeder neuer Kandidat für den Posten den Grafen von Sulz vorstellen.470 b. Beisitzer Die Besetzung der Rottweiler Urteilerbank mit dem Bürgermeister und zwölf Ratsherren bildete seit jeher ein Charakteristikum des Hofgerichts.471 Ein an die Stadt Zürich gerichtetes Schreiben Rottweils über das Hofgericht aus dem Jahr 1383 berichtet von zwölf am Hofgericht urteilenden Bürgern der Stadt.472 Es handelte sich hierbei wohl um altes Gewohnheitsrecht, welches schon im Jahr 1317 dokumentiert wurde.473 Auch an anderen kaiserlichen Landgerichten, namentlich dem Landgericht Nürnberg, beteiligten sich Bürger an der Urteilsfindung.474 Die Besonderheit des Rottweiler Hofgerichts liegt in diesem Zusammenhang jedoch darin, dass neben vereinzelten Rittern 475 das Assessorat komplett aus Rottweiler Bürgern bestand. Sowohl Thudichum als auch 470 Grube: Verfassung (1969), S. 154 f.; Leist: Reichsstadt Rottweil (1962), S. 196. HStASt C1 Bü 194, fol. 153 f. und Bü 195, fol. 50 f. 471 So schon in der AHGO, Part. 1 Tit. 1, S. 316. Ausführlich zu den Verflechtungen z wischen Stadt und Hofgericht: Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 23 – 25. Laufs betont, dass Stadt und Hofgericht zwar unterschiedliche Rechtskreise gehabt hätten, der personelle Zusammenhang jedoch beachtlich gewesen sei (Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 27 f.). 472 Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 297; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 33 – 37. 473 Freiburger Urkundenbuch Bd. 3, Nr. 441, S. 330. 474 In den Aufzeichnungen des Ritters Ludwig von Eyb dem Älteren wird lediglich auf die Beteiligung zweier Nürnberger Bürger als Beisitzer hingewiesen (Vogel: Aufzeichnung (1867), S. 65 § 8). 475 AHGO, Part. 1 Tit. 1, S. 316 f. In diesem Titel wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei der Urteilsfindung Ritter mitwirken können, dies jedoch kein Erfordernis sei. Das Urteil konnte folglich auch alleine vom Schultheiß und den zwölf Männern aus dem Rat gefunden werden. Thudichum weist zudem darauf hin, dass die Ritter im Laufe der Zeit immer seltener zu den Gerichtssitzungen erschienen, weshalb die aus dem Rottweiler Rat stammenden Urteilsprecher das bestimmende Element gewesen s eien (Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 69). Es ist jedoch festzuhalten, dass grundsätzlich dem Adel eine gewisse Rechts- und Prozesskenntnis durch die AHGO zugesprochen wird. Hierzu Schönbach: Hartmann von Aue (1894), S. 288 f. Darüber hinaus Ignor: Rechtsdenken (1984), S. 209 f. und Kannowski: Ritter der Gerichte (2011), S. 8 f.
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Scheyhing betonen diese Besonderheit des Gerichts. Thudichum meint, die in der AHGO angelegte Gleichstellung mit den Rittern darauf zurückführen zu können, dass die Urteiler aus den städtischen Geschlechtern, den Patriziern oder Müßiggängern stammten.476 Scheyhing vermutet, dass zum einen durch die Hinzuziehung der Rottweiler Bürger ein ständiger Gerichtsbetrieb gewährleistet werden und zum anderen durch die grundsätzliche Beteiligung der Ritter das Gericht jedoch auch für den Adel attraktiv gemacht werden sollte.477 Die Urteilsprecher bekleideten die höchsten Ämter der Stadt. Neben dem Bürger meister setzten sie sich unter anderem aus dem Obervogt, dem Pürschvogt, dem Oberumgelter, dem Oberrechner, dem Kasten- und dem Steuerherrn zusammen.478 Die das Assessorat ausmachenden Rottweiler Bürger wurden zunächst als Urteilsprecher oder Urteiler bezeichnet, später auch als Beisitzer oder – in Anlehnung an das Reichskammergericht – als Assessoren.479 Ihre Tätigkeit als Urteilsprecher stellte ein weiteres Amt neben Ämtern in der Stadtverwaltung dar.480 Anfänglich, als das Hofgericht noch spontan einberufen wurde, stellte dies für die Beisitzer kein Problem dar. Als das Hofgericht dann jedoch zu einer regelmäßig tagenden Institution wurde, machte sich der Nebentätigkeitscharakter des Beisitzeramtes bemerkbar.481 Trotz Rottweiler Befürchtungen und Klagen der Reichsstände änderte die NHGO nichts an dem Recht der Stadt, die Urteilerbank zu besetzen. In der Ordnung heißt es hierzu: Solchem vnserm Hoffrichter / oder seinem Stathalter / seindt von alterhero dreyzehen Assessores, oder Vrtheilsprecher auß dem Stattrath zu Rotweil zugeordnet worden / dabey es auch nochmals bleiben soll.482 Es sei jedoch darüber nachzudenken, wie in Zukunft die Zahl der adligen und rechtsgelehrten Beisitzer erhöht werden könne.483 In den Jahren 1576 und 1580 beriet man in Rottweil darüber, wie man dieser Forderung nachkommen konnte, musste jedoch sehr bald feststellen, dass man nicht über die notwendigen Mittel verfügte, um geeignete Personen als Beisitzer für das Hofgericht gewinnen zu können.484
4 76 Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 72. 477 Scheyhing: Landgericht (1962), S. 92. In diese Richtung argumentiert auch Laufs, der im Assessorenamt eine Art Auszeichnung der Rottweiler Oberschicht sah, welche sie von den übrigen Bürgern abhob und dem Landadel annäherte (Laufs, Reichsstadt Rottweil (1993), S. 24 f.). 478 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 29. 479 Zum Beispiel AHGO, Part. 1 Tit. 1, S. 316; NHGO, Part. 1 Tit, fol. 1v und fol. 4r f. 480 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 29. 481 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 29. 482 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1v. 483 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1v. 484 HStASt C1 Bü 191 fol. 354v.
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Für den Fall, dass vor das Hofgericht gelangende Fälle einen erhöhten Schwierigkeitsgrad aufweisen, schreibt die NHGO vor, dass Hofrichter und Urteilsprecher mit Blick auf die Entscheidungsfindung den Rat insonderheit bestelter Aduocaten, vnd Rechtsgelerte[r] einholen sollen.485 Die NHGO führt ferner an, dass bisher allein der Stadtrat die 13 Urteilsprecher erwoelet vnd gesetzt und es zudem in dessen Belieben gestanden habe, die Beisitzer am Ende eines jeden Jahres zu confirmirn vnd zubestettigen / oder andere an ihre statt zuuerordnen.486 Nachdem die Zünfte 487 ein größeres Mitspracherecht im Rottweiler Rat bekommen hatten, wurde ein aus sieben Ratsherren bestehender Wahlausschuss 488 gebildet, der die Urteilsprecher aus dem Rat auswählte.489 Ursprünglich berief der Wahlausschuss diese zunächst für ein Jahr mit der Möglichkeit der Wiederwahl. Ab dem Jahr 1503 wurden die Beisitzer auf Lebenszeit gewählt und – rein formal – jedes Jahr durch die Herren Sieben bestätigt.490 Der K aiser wollte das althergebrachte Rottweiler Recht, die Urteilsprecher zu bestimmen, mit der NHGO nicht schmälern, allerdings sollte der Hofrichter als Stellvertreter des Kaisers in Zukunft an diesen Vorgängen beteiligt werden und nicht wie bisher davon völlig ausgeschlossen sein.491 Vor Errichtung der NHGO hatte es zudem immer wieder Klagen darüber gegeben, dass Urteilsprecher ohne ersichtliche Gründe ein- und abgesetzt worden waren.492 Dieser Willkür will die NHGO ein Ende setzen, indem sie anordnet, dass der Rat Urteilsprecher, die sich ihrem Stand entsprechend verhalten, nicht ohne Weiteres ihres Amtes entheben beziehungsweise ersetzen könne.493 Als Ergänzung hierzu ist
485 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1v. Hierzu passt auch, wie Liermann erwähnt, dass von Zeit zu Zeit versucht wurde, das nicht vorhandene Rechtswissen adliger Beamter in hoher Stellung durch das Zurseitestellen eines Juristen zu kaschieren (Liermann: Richter (1957), S. 32). Auch nach der Peinlichen Gerichtsordnung K aiser Karls V. (Carolina) können beziehungsweise sollen die Richter im Zweifelsfall bei den nechsten hohen schulen, Stetten, Communen oder andern rechtsuerstendigen, da sie die vnderricht mit dem wenigsten kosten zu erlangen vermeynen, rath zu suchen schuldig sein (Schroeder: Peinliche Gerichtsordnung, Tit. 219, S. 127) beziehungsweise wo sie zweiffelig sein, sollen sie weither radts pflegen, bei den rechtsuerstendigen (Schroeder: Peinliche Gerichtsordnung, Tit. 81, S. 60). 486 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1v. 487 Die Zünfte waren zudem seit dem 16. Jahrhundert dazu berechtigt, sich durch einen Zunftmeister in den Gerichtssitzungen und den Beratungen, allerdings ohne Stimmrecht, repräsentieren zu lassen (Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 30). 488 Die sogenannten Herren Sieben. 489 Grube: Verfassung (1969), S. 129; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 29. 490 Grube: Verfassung (1969), S. 129; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 29. 491 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1v f. 492 Grube: Verfassung (1969), S. 136. 493 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 2r.
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die letzte Regelung des ersten Titels im ersten Teil der NHGO zu verstehen. Danach hat zwar weiterhin der Stadtrat das Recht, die Beisitzer zu wählen, allerdings sollen Hofrichter und Urteilsprecher die Kandidaten zuvor prüfen.494 So sollen nur taugliche und qualifizierte Personen an das Hofgericht gelangen. Die Hofrichter interpretierten das Prüfungsrecht so, dass ihnen das Recht zustand, auf jegliche Veränderungen in der Zusammensetzung des Assessorats Einfluss zu nehmen.495 Nach Protesten aus dem Rottweiler Rat beschränkte sich diese Einflussnahme jedoch bald auf eine bloße Bestätigung der neu gewählten Beisitzer.496 Nach der NHGO sollen sich die Urteilsprecher auch außerhalb des Gerichts und des Rats der Ordnung gemäß verhalten und sich unter anderem anständig kleiden.497 Laufs bemerkt hierzu, dass es den Hofgerichtsassessoren vorbehalten war, „sich mit Gold, Perlen, Samt, Scharlach, Seide und Zobel zu schmücken“.498 Ferner haben die Beisitzer nach der NHGO pünktlich im Gericht zu erscheinen und dürfen dem Gericht ohne vorherige Entschuldigung weder fernbleiben noch sich während der Sitzungen entfernen oder/und anderer Geschäfte annehmen.499 Um Urteile beschließen zu können, müssen mindestens sieben Beisitzer anwesend sein.500 Schließlich dürfen die Beisitzer nicht in Fällen entscheiden, in denen sie einer Partei mit Sipschafft / Schwagerschafft / oder sonst der gestalt […] verwandt / oder sonst aduociert, consuliert, oder in ander weg gedienet haben.501 Eine solche Befangenheit soll die Beisitzer jedoch nicht daran hindern, den jeweiligen Parteien beratend zur Seite zu stehen.502 Viele im 16. Jahrhundert am Hofgericht tätige Beisitzer hatten die Rottweiler Lateinschule durchlaufen. Eine große Zahl absolvierte zudem ein Universitätsstudium, etwa die Hälfte schloss es mit einem Magistergrad ab. 503 Wie Grube und Laufs betonen, gab es jedoch stets nur wenige rechtsgelehrte Assessoren, welche Doktoren der Rechte oder Lizenziaten waren.504 Grube ergänzt, dass seit 1590 regelmäßig zwei rechtsgelehrte Assessoren auf der Urteilerbank saßen.505 Zu nennen sind hier unter anderem Gall Möcker, Johann Jakob Beck und Johann Spreter
494 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 2r und Tit. 3, fol. 4v. 495 Grube: Verfassung (1969), S. 137. 496 Grube: Verfassung (1969), S. 137. 497 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 4v. 498 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 30. 499 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 4v. 500 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 4v. 501 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5r. 502 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5r. 503 Grube: Verfassung (1969), S. 135; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 30. 504 Grube: Verfassung (1969), S. 135; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 30. 505 Grube: Verfassung (1969), S. 135.
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von Kreudenstein.506 Oftmals übten einflussreiche Rottweiler Familien ein Urteil sprecheramt über mehrere Generationen hinweg aus.507 Im Gegensatz zu anderen kaiserlichen Landgerichten hatte das Hofgericht somit auch in späterer Zeit noch eine funktionsfähige und wenigstens zum Teil gelehrt besetzte Urteilerbank.508 Diese konnte allerdings dem Reichskammergericht mit seinen durchweg rechtsgelehrten Assessoren nicht entsprechen. c. Hofgerichtsschreiber Die enge Verknüpfung von Stadt und Hofgericht zeigte sich inbesondere in der Person des Hofgerichtsschreibers, der gleichzeitig das Stadtschreiberamt bekleidete.509 Erstmals wird ein Hofgerichtsschreiber im Jahre 1364 genannt, existiert hat das Amt – wenn auch nicht in einer Person verkörpert – wohl schon seit dem Übergang vom 13. auf das 14. Jahrhundert.510 Mit wachsender Spruch- und Beurkundungstätigkeit des Gerichts wuchs auch die Hofgerichtskanzlei und der Hofgerichtsschreiber wandelte sich zu einem den anderen Kanzleibeamten vorstehenden Kanzleiverwalter.511 Die NHGO misst dem Kanzleipersonal insgesamt große Bedeutung zu. So sei ahn den Cantzleypersonen / als durch w elche die Proceß / vnd acta verfertiget / ver wart / vnd die gerichtshendel dirigiert, nit wenig gelegen.512 Daher solle eine ehrbare, erfahrene und rechtsgelehrte Person, welche ein besonderes Vertrauen und Ansehen 506 Grube: Verfassung (1969), S. 135 und Anhang S. 223 – 229. 507 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 30. Zu nennende Familiennamen sind hier beispielsweise Spreter, Dettinger, Blum und Herderer. Siehe auch Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 223 – 229. 508 Conrad merkt bei seinem kurzen Überblick über die kaiserlichen Landgerichte an, dass die Rottweiler Beisitzer „überwiegend juristisch gebildet“ gewesen s eien (Conrad: Rechtsgeschichte Bd. 2 (1966), S. 169). 509 AHGO, Part. 1 Tit. 3, S. 317. Auch am kaiserlichen Landgericht in Schwaben waren die Stadtschreiber der vier Gerichtsstätten gleichzeitig die Landgerichtsschreiber (Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 252). Generell zum hohen Ansehen von Stadtschreibern, die vielfältig juristisch tätig werden konnten: Döhring: Schreiber, HRG Bd. 4 (1990), Sp. 1492. 510 Grube: Verfassung (1969), S. 152. In Lübeck finden sich gelehrte Stadt- beziehungsweise Ratsschreiber bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts (Ebel: Lübisches Recht (1971), S. 250 f.; Hoffmann: Lübeck (2008), S. 227; Tandecki: Verwaltungsschriftlichkeit (2006), S. 5 f.). Die Kanzleileitung übernahmen gelehrte Juristen (Hoffmann: Lübeck (2008), S. 229; Tandecki: Verwaltungsschriftlichkeit (2006), S. 9 f.). Generell zu Bildung und Ansehen der Stadtschreiber in den Hansestädten: Tandecki: Verwaltungsschrift lichkeit (2006), S. 9 – 14. 511 NHGO, Part. 1 Tit. 7, fol. 8r. 512 NHGO, Part. 1 Tit. 7, fol. 8r.
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genieße, der Kanzlei vorstehen.513 Der Kanzleiverwalter dirigiert alle Kanzleigeschäfte und soll in d iesem Rahmen vor allem darauf achten, dass in der Kanzlei Ordnung gehalten wird und dass sich das Kanzleipersonal an die Dienstzeiten hält und seinen Aufgaben nachkommt.514 Er hat dafür Sorge zu tragen, dass die Kanzleibeamten die Akten und Protokolle in den Sachen, die beschlossen sind und verlautbart werden sollen, ordentlich kompilieren.515 Um den Parteien ein rasches weiteres Vorgehen zu ermöglichen, sollen dabei alle Gerichtsbriefe so schnell wie möglich in der Kanzlei ausgestellt werden.516 Der Kanzleiverwalter ist zudem – mit Unterstützung des Hofrichters oder des Statthalters und der Beisitzer – dazu befugt, personelle oder institu tionelle Mängel der Kanzlei so gut wie möglich zu beheben.517 Wie die Urteilsprecher gehörten auch die Hofgerichtsschreiber dem Rottweiler Patriziat, und daraus resultierend der Herrenstube an und stammten gleich jenen häufig aus regelrechten Dynastien.518 Viele von ihnen wurden nach ihrer Tätigkeit als Hofgerichtsschreiber Assessor, einige auch Bürgermeister der Stadt.519 Die Hof gerichtsschreiber agierten häufig als Vertreter ihrer Stadt. Dies zeigt sich unter anderem auf dem Reichstag zu Speyer von 1570, auf welchem Dr. Johann Spreter als Hof gerichtsschreiber zusammen mit dem Grafen von Sulz die Stadt repräsentierte.520 Ferner waren sie mitunter Mitglieder von Schiedsgerichten und fungierten außerhalb des Rottweiler Wirkungskreises als Advokaten und Rechtsgutachter.521 Ihre überaus wichtige Stellung im Rottweiler Verfahren zeigt sich neben der Organisation des gesamten Prozessablaufs 522 auch darin, dass sie als Berichterstatter agierten. In der NHGO steht hierzu lediglich, dass der Hofgerichtsschreiber darüber wachen soll, dass die Sachen im Rat zügig referiert und daraufhin die Urteile beziehungsweise Bescheide verfasst und publiziert werden.523 Das Referieren war jedoch auch Aufgabe des Hofgerichtsschreibers, was von Zimmern wohl – da er lediglich kurz 5 13 NHGO, Part. 1 Tit. 7, fol. 8r. 514 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v. 515 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v. 516 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v. 517 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 9r. 518 Grube: Verfassung (1969), S. 153; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 28. 519 Grube: Verfassung (1969), S. 153, S. 155 und Anhang S. 229 – 233. Bedeutende Stellungen im Reich bekleideten die ehemaligen Hofgerichtsschreiber Johann Gessel als Fiskal am Reichskammergericht und Dr. Johann Hildebrand Möck von Balgheim als Reichshofrat und kaiserlicher Geheimer Rat (Grube: Verfassung (1969), S. 155). 520 HStASt C1 Bü 112 fol. 1 f. So sei Johann Spreter bösser zu hof erkannt dann ale die von Rottweyl (HStASt C1 Bü 191 fol. 6 (1572)). 521 Grube: Verfassung (1969), S. 159. 522 Battenberg stellt dies auch für den Hofgerichtsschreiber am Reichshofgericht fest. Battenberg: Gerichtsschreiberamt (1974), S. 203 f. und S. 215. 523 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v.
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hierauf eingeht 524 – für eine Selbstverständlichkeit hält. Zudem darf er ohne vorherigen gerichtlichen Beschluss Ladungen vor das Hofgericht ausfertigen lassen.525 Er sagt dem Hofrichter beziehungsweise dessen Statthalter die an die Urteilsprecher zu richtende Umfrageformel vor 526 und hat selbst prozessuale Handlungen vorzunehmen 527. Bei einer solchen Fülle von Aufgaben verwundert es nicht, dass der Hofgerichtsschreiber die am besten ausgebildete Person am Gericht war, hinsichtlich deren Ausbildung man auch höhere Erwartungen hatte.528 Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts bildete der Magis tergrad die fachliche Voraussetzung für die Tätigkeit. Danach waren sie – meist an süddeutschen Universitäten ausgebildete – Doktoren der Rechte oder Lizenziaten.529 Der Hofgerichtsschreiber war somit Dreh- und Angelpunkt des gesamten Rottweiler Prozesses.530 Nicht nur hatte er als Kanzleiverwalter den Überblick über sämtliche vor dem Gericht verhandelte Rechtssachen. Bedingt durch seine fachliche Qualifikation und seine zentrale Position im Rottweiler Verfahren kannte er sich auch am besten im Prozessrecht des Gerichts aus.531 Hier sind gewichtige Parallelen zur Person des Hofgerichtsschreibers am Reichshofgericht zu sehen.532 Ausdruck findet die überragende Rolle des Kanzleiverwalters in seiner Besoldung. An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert belief sich diese auf circa 500 Gulden, wovon circa 3/5 aus den Gefällen, 524 Dem Kanzleiverwalter werden die Akten ad referendum übergeben (Zimmern: Manuale (1720), S. 263). 525 AHGO, Part. 2 Tit. 1, S. 320. 526 AHGO, Part. 1 Tit. 7, S. 320. 527 So beispielsweise bei Bevogtungen, beim Beweis der Morgengabe und bei Erbverzichten (AHGO, Part. 11 Tit. 2, S. 361; Tit. 3, S. 362; Tit. 5, S. 363 und Tit. 6, S. 363). 528 Siehe hierzu auch Liermann: Richter (1957), S. 27 und S. 32. Noch heute nimmt der juris tisch ausgebildete clerk of the court an den mit Laienrichtern besetzten Magistrates‘ Courts in England eine herausragende Position ein. Neben seinen Verwaltungsaufgaben berät er das Gericht in rechtlichen und prozessualen Fragen, wobei sich die Richter nicht an seine Vorgaben halten müssen. Vertiefend zum Ganzen: Sims: English Law (2010), S. 37 f.; Slapper/ Kelly: English Legal System (2010), S. 425 f. Ähnliches berichtet Battenberg für das Reichshofgericht. Battenberg: Gerichtsschreiberamt (1974), S. 192 f., S. 206, S. 213 und S. 215. 529 Sehr gut an Grubes Auflistung der Hofgerichtsschreiber beziehungsweise der Kanzleiverwalter zu sehen (Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 229 – 233). Elsener: Notare (1962), S. 16 f. 530 Der im Jahre 1521 am Reichskammergericht eingeführte Kanzleiverwalter spielte ebenfalls eine bedeutende Rolle am Gericht, was sich unter anderem an seinem hohen Verdienst zeigte. Wie die Assessoren musste er über eine juristische Ausbildung verfügen (Diestelkamp: Vom Königlichen Hofgericht (1999), S. 203). Darüber hinaus Diestelkamp: Verwissenschaftlichung (1999), S. 266 f. 531 Dies gilt insbesondere für Jodokus von Pfullendorf, den vermeintlichen Verfasser der AHGO, sowie für Johann Spreter, der am Entwurf der NHGO mitwirkte. Weitere Rottweiler Stadtschreiber aufgeführt bei Burger: Stadtschreiber (1960), S. 45. 532 Battenberg: Gerichtsschreiberamt (1974), S. 192, S. 203 f., S. 205 f., S. 213 und S. 215.
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etwa 1/5 aus der Tätigkeit als Stadtschreiber und nochmals circa 1/5 aus seinen freien Tätigkeiten stammten.533 Zu Recht merkt Grube jedoch an, dass die wichtige Stellung des Hofgerichtsschreibers, w elche ihn oft auf Reisen führte, wie auch die Fülle seiner Aufgaben (gerade im städtischen Bereich) zwangsläufig zu einer Vernachlässigung einiger der ihm obliegenden Aufgaben führen musste.534 Exemplarisch seien hier die Aufsicht über das Kanzleipersonal oder die zügige Bearbeitung der Akten genannt.535 d. Prokuratoren und Advokaten Die aus dem kanonischen Recht herrührende Unterscheidung der Sachwalter einer Partei in Prokuratoren und Advokaten fand an den Gerichten des Alten Reiches Ende des 15. Jahrhunderts ihren Niederschlag.536 Die Advokaten berieten die Parteien rechtlich und fertigten die Schriftsätze an, während die Prokuratoren sie vor Gericht vertraten.537 Auch im deutschrechtlichen Prozess des Mittelalters hatte es schon Differenzierungen mit Blick auf die Sachwalterschaft gegeben. Dabei unterschied man den Anwalt, auch Sach- oder Klagführer genannt, vom Vorsprecher (Fürsprech).538 Auch die AHGO nimmt diese Begriffe auf.539 Zum Vorsprecher ist anzumerken, dass dieser oftmals aus dem Kreise der Urteilsprecher stammte und sozusagen ein Bindeglied z wischen Partei und Gericht darstellte, der Anwalt hingegen war bevollmächtigter Vertreter der Partei.540 Interessant ist, dass die AHGO den Begriff Prokurator zwar kennt,541 ihn jedoch im System Anwalt– Fürsprecher scheinbar nicht richtig unterzubringen weiß.542
533 Grube: Verfassung (1969), S. 155 f. Auch der Hofgerichtsschreiber am Reichshofgericht erhielt Battenberg zufolge aus seinen verschiedenen Einnahmequellen ein „recht einträg lich[es]“ Entgelt (Battenberg: Gerichtsschreiberamt, S. 207 f.). 534 Grube: Verfassung (1969), S. 160 f. 535 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v f. 536 Buchda/Cordes: Anwalt, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 257; Kannowski: Geschichte (2007), S. 47 f. 537 Baumann: Berufswege (2000), S. 550; Baumann: Advokaten und Prokuratoren (2011), S. 24; Döhring: Rechtspflege (1953), S. 119; Kannowski: Ritter der Gerichte (2011), S. 21 f. 538 Döhring: Rechtspflege (1953), S. 121; Kannowski: Ritter der Gerichte (2011), S. 9 – 13. Zum Fürsprecher (mit einer Begründung, warum diese Bezeichnung den Vorzug gegenüber der Bezeichnung Vorsprecher verdiene): Cordes: Vorsprecher, HRG Bd. 5 (1998), Sp. 1065 f. 539 Zum Klagführer: unter anderem AHGO, Part. 1 Tit. 4, S. 318; Part. 2 Tit. 3, S. 321; Part. 2 Tit. 9, S. 323; Part. 9 Tit. 1, S. 344; Part. 10 Tit. 1, S. 357. Zum Vorspecher: AHGO Part. 1 Tit. 7, S. 319; Part. 11 Tit. 11, S. 365. 540 Grube: Verfassung (1969), S. 146 f. 541 AHGO, Part. 1 Tit. 4, S. 318. 542 Generell zu diesem Punkt: Buchda/Cordes: Anwalt, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 257; Kannowski: Ritter der Gerichte (2011), S. 8 – 20.
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Die NHGO bekennt sich hingegen umfassend zur Differenzierung z wischen Prokuratoren und Advokaten, wobei das Prokuratorenamt weit ausführlicher als die Tätigkeit des Advokaten dargestellt wird.543 Dies lässt sich damit erklären, dass dem Advokaten vor Gericht keine große Rolle zukam. Er schrieb die Schriftsätze, übergab sie sodann jedoch dem Prokurator, der sie an das Gericht weiterleitete. Der Prokurator ließ dem Advokaten die gerichtlichen Verfügungen zukommen.544 Daraus folgte, dass der Prokurator als „Nebenperson“ des Gerichts diesem deutlich näher stand als der Advokat.545 Am Gericht ansässige Advokaten gab es in Rottweil jedoch nicht. Dies betont auch die NHGO mit den Worten Wiewol biß anhero kein Aduokat bey dem hoffgericht gewesen / sondern die partheyen außlendische in ihren sachen gebraucht.546 Grube legt dar, dass es zwar keinen Advokatenzwang gegeben habe, jedoch die Beauftragung eines Advokaten, der in schwierigen Fällen auch vor Gericht erschien, gebräuch lich gewesen sei.547 Zudem s eien in Rottweil die Prokuratoren gleichzeitig Advokaten gewesen, was man auch daran sehen könne, dass sich die Prokuratoren des Öfteren als advocat und procurator bezeichneten.548 Wesentlich häufiger lässt sich jedoch die Bezeichnung magister und procurator oder doctor und procurator in den Akten finden.549 Zum Teil wird auch schlicht die Bezeichnung Anwalt verwendet.550 An diesen 543 Die NHGO enthält Ausführungen zum Prokuratorenamt im Gemeinen, zum Prokuratorenamt vor Gericht sowie die von den Prokuratoren zu schwörende Eidesformel, wohingegen mit Blick auf die Advokaten lediglich deren Eidesformel geregelt wird. NHGO, Part. 1 Tit. 5, fol. 6r f.; Tit. 6, fol. 6v ff.; Tit. 24, fol. 20r f. und Tit. 25, fol. 20v f. 544 Döhring: Rechtspflege (1953), S. 119 f. 545 Döhring: Rechtspflege (1953), S. 120 f.; Grube: Verfassung (1969), S. 186. 546 NHGO, Part. 1 Tit. 24, fol. 20r. Hierzu auch Weissler: Rechtsanwaltschaft (1905), S. 160. Auswärtige Advokaten zum Beispiel auch in HStASt C1 Bü 524 (1586 – 1595) und Bü 524 (1586 – 1595). 547 Grube: Verfassung (1969), S. 182. 548 Grube: Verfassung (1969), S. 182 f. Diese Bezeichnung findet sich beispielsweise in HStASt C1 Bü 206 (1601), Bü 283 (1601 – 1603), Bü 328 (1578 – 1580) und Bü 518 (1596 – 1599). Am kaiserlichen Landgericht in Schwaben übten die Prokuratoren zu einem großen Teil die Aufgaben der Advokaten aus. Die Advokaten werden folglich in der Landgerichtsordnung von 1618 mit keinem Wort erwähnt und scheinen nach Fischers Darlegung keine bedeutendere Rolle im Gerichtsleben gespielt zu haben (Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 254 f.). Zur Aufweichung dieser Unterscheidung auch Buchda/Cordes: Anwalt, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 257; Kannowski: Geschichte (2007), S. 47 f. 549 Magister und Prokurator: HStASt C1 Bü 363 (1593), Bü 369 (1596 – 1623), Bü 383 (1588 – 1598), Bü 407 (1594 – 1596), Bü 490 (1577), Bü 511 (1590 – 1593), Bü 514 (1584 – 1591), Bü 533 (1580 – 1590) und Bü 614 (1583 – 1598). Doktor und Prokurator: HStASt C1 Bü 283 (1601 – 1603), Bü 362 (1596 – 1600), Bü 377 (1597 – 1600), Bü 383 (1588 – 1598), Bü 413 (1580 – 1582), Bü 672 (1534). 550 HStASt C1 Bü 243 (1588 – 1590), Bü 274 (1564 – 1565), Bü 312 (1591 – 1592) und U 207 (1575).
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Bezeichnungen lässt sich der Ausbildungsstand der Prokuratoren ablesen. Grube merkt hierzu an, dass die Prokuratoren ab Mitte des 15. Jahrhunderts ein „mehr oder minder gründliche[s] Universitätsstudium“ absolvierten.551 Am häufigsten verfügten die Prokuratoren über den Grad eines Magisters, zur Wende des 17. Jahrhunderts gab es jedoch vermehrt Doktoren in ihren Reihen,552 während Lizenziaten in der Stellung eines Prokurators kaum vorkamen. Wie Urteilsprecher und Hofgerichtsschreiber stammten auch die Prokuratoren aus angesehenen Rottweiler Familien, in denen sich das Amt durch Generationen hindurch zog.553 Gerade in der Wende zum 17. Jahrhundert gab es Grube zufolge unter den Prokuratoren „etliche recht tüchtige Vertreter ihres Fachs“, die auch Parteien vor anderen Gerichten, insbesondere den fürstenber gischen, vertraten.554 Die Advokaten hingegen waren durch und durch rechtsgelehrte Doktoren oder Lizenziaten.555 Obwohl der Rat oftmals fähige Prokuratoren aus ihren Ämtern entließ, um sie für andere Positionen, insbesondere das Assessorat 556, zu gewinnen, sollen die Prokuratoren nach der NHGO weiterhin vom Rottweiler Rat gesetzt / vnd entsetzt werden.557 Ein jeder Prokurator soll jedoch vor seiner Aufnahme durch Hofrichter und Urteilsprecher examiniert und ohn Rechtmessige vrsachen nicht mehr entlassen werden können.558 Die Ordnung erklärt im Folgenden, wie der Prokurator von seiner Partei Vollmacht erlangen kann: eintweders schrifftlich / oder vor gericht am Stab / oder in des Hoffgerichts Cantzley / wie herkommen.559 Hat ein Prokurator sub spe ratificationis, also in der Hoffnung auf Bestätigung, von seiner Partei ohne Erteilung einer Vollmacht den Befehl erhalten, vor Gericht zu erscheinen, kann er trotzdem vom Hofrichter und den Urteilsprechern zur Vertretung zugelassen werden, sofern er in einer ihm gesetzten Frist seine Vollmacht nachreicht.560 Er muss jedoch aufgrund seiner mangelnden Legitimation der gegnerischen Partei eine Sicherheitsleistung erbringen.561 Die NHGO nimmt ferner zum Verhalten der Prokuratoren vor Gericht Stellung. Die Prokuratoren haben an den Gerichtstagen pünktlich zu erscheinen und dürfen
5 51 Grube: Verfassung (1969), S. 183. 552 Grube: Verfassung (1969), S. 183 und S. 238 – 240. 553 Grube: Verfassung (1969), S. 184. 554 Grube: Verfassung (1969), S. 184. 555 Döhring: Rechtspflege (1953), S. 120; Weissler: Rechtsanwaltschaft (1905), S. 170. 556 Beispielhaft hierzu auch HStASt C1 Bü 221 (1597 – 1618) und Bü 397 (1561 – 1588). 557 NHGO, Part. 1 Tit. 5, fol. 6r. 558 NHGO, Part. 1 Tit. 5, fol. 6r. Wie auch bei der Auswahl der Urteilsprecher und des Kanzleiverwalters (siehe oben) sollte der Einfluss des Hofrichters bei der Auswahl der Prokuratoren wieder gestärkt werden. 559 NHGO, Part. 1 Tit. 5, fol. 6v. 560 NHGO, Part. 1 Tit. 5, fol. 6v. 561 Dies wird auch cauiern genannt. NHGO, Part. 1 Tit. 5, fol. 6v.
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sich ohne Erlaubnis des Hofrichters oder seines Statthalters nicht vom Gericht entfernen, sondern sollen in irer ordnung stehen bleiben.562 Zudem sollen sie bei rechtlichem mündlichem Vortrag dergestalt in die feder reden / das der Protonotarius […] solches von wort zu wort prothocoliern / vnd auffschreiben moege.563 Den Prokuratoren wird weiterhin verboten, den Belangen ihrer Parteien zuwiderzuhandeln oder jemanden arglistig in einen Prozess zu drängen beziehungsweise davon abzuhalten.564 Als ein weiteres Beispiel für generell vnzimliche geding wird das pactum de quota litis, also das Erfolgshonorar, genannt.565 Besonderen Wert legt die NHGO darauf, dass die Prokuratoren arme, mittellose Parteien ebenso gut wie andere Parteien zu vertreten haben.566 Mit Blick auf die Vergütung gerichtlicher Schreiben, hinsichtlich derer die Prokuratoren die Kanzlei üblicherweise an die Parteien verwiesen hatten, sollen sie nun in Vorleistung treten.567 Erhalten die Prokuratoren von ihren Parteien für die Kanzlei bestimmtes Geld, haben sie es dort unverzüglich abzuliefern.568 Schließlich sollen die Prokuratoren in der Kanzlei vber die auffgerichte Schrancken nit gehen, keine Geschäfte innerhalb der Kanzlei erledigen und die Kanzleipersonen nicht von ihrer Arbeit abhalten.569 Die Reichskammergerichtsordnung von 1555 ist in Bezug auf die Pflichten – sowie auf die Person – des Prokurators wiederum deutlich ausdifferenzierter. Sie unterscheidet insofern z wischen den Pflichten vor dem Rat, den Pflichten vor Gericht und den Pflichten vor der Kanzlei.570 Insbesondere die Verhaltenspflichten der Prokuratoren vor dem Rat gehen dabei über die Rottweiler Regelungen hinaus. Dies liegt unter anderem daran, dass es neben den einzelnen Räten, auch als Senate bezeichnet, sogenannte Nebenräte gab, deren Vorsitzender nicht der Kammerrichter, sondern einer der Präsidenten war.571 Dies machte es notwendig, Vorgaben beispielsweise dazu zu machen, bei welchem Rat beziehungsweise Nebenrat die Prokuratoren ihre Supplikationen einzureichen hatten.572 Im Übrigen sind auch die Verhaltensvorschriften für Prokuratoren im Rahmen der RKGO von 1555 insbesondere darauf ausgerichtet, das Verfahren zu beschleunigen, das heißt unnötige
5 62 NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 6v. 563 NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 6v. 564 NHGO, Part. 1 Tit. 25, fol. 20v f. 565 NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 7r. 566 NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 7r. So auch in der RKGO: RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 19 § 5, S. 105. 567 NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 7r f. 568 NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 7v. 569 NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 7v. 570 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 22 – 24, S. 107 – 113. 571 Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 308. 572 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 22 § 2, S. 107.
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mündliche Vorträge, nicht notwendige Prozesshandlungen, Streitereien mit anderen Prokuratoren oder die Nichtachtung des Verfahrensablaufes zu unterbinden.573 Einen Eid müssen sowohl Prokuratoren als auch Advokaten vor dem Rottweiler Hofgericht schwören. Überwiegend geben die Eidesformeln dabei dasselbe Programm vor: Prokuratoren und Advokaten sollen ihre Parteien mit Fleiß vertreten, kein Erfolgshonorar mit ihnen vereinbaren, die Angelegenheiten ihrer Parteien vertraulich behandeln, das Gericht und die Gerichtspersonen ehren, von den Parteien nicht mehr Geld verlangen, als ihnen zusteht, und ihr Mandat ohne Begründung nicht einfach aufgeben, sondern den jeweiligen Rechtsstreit zu Ende führen. Zudem soll das Hofgericht für Streitigkeiten z wischen dem Advokaten beziehungsweise dem Prokurator und der von ihm vertretenen Partei zuständig sein.574 Die Prokuratoren müssen jedoch darüber hinaus schwören, dass sie nicht grundlos durch Dilationsbegehren 575 die Rechtsstreite aufhalten werden oder ihre Parteien zu einer solchen Vorgehensweise anhalten.576 Generell sollen sich die Prokuratoren an alle sie betreffenden Regelungen in der Hofgerichtsordnung halten.577 Auch die RKGO von 1555 sieht nahezu identische Eide für den Advokaten und den Prokurator vor, die inhaltlich den Eidesformeln der Prokuratoren und Advokaten am Rottweiler Hofgericht entsprechen.578 Auch hier muss der Prokurator allerdings zusätzlich schwören, dass er das Verfahren nicht verzögern und auch seinen Mandanten hierzu nicht anweisen werde.579 Dass dem Advokaten durchaus eine wichtige – oftmals die wichtigere – Rolle in der Vertretung des Mandanten zukam, sieht man an seinem Entgelt, das viel höher als das des Prokuratoren war.580 Zu Beginn konnten die Parteien nach ihrem eigenen Ermessen ihre Anwälte bezahlen. Später vereinbarte man den Lohn, wobei Erfolgshonorare, wie schon erwähnt, verboten waren.581 Nach der NHGO müssen ledig lich die Gerichtskosten erstattet werden, über die Anwaltskosten verliert sie kein Wort.582 In der juristischen Praxis wurden sie jedoch später auch berücksichtigt.583 5 73 Hierzu insbesondere RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 23 §§ 3, 5, 7 – 11, S. 109 – 111. 574 Zum gesamten Komplex: NHGO, Part. 1 Tit. 24, fol. 20r–21r. 575 Unter Dilation ist ein Aufschub, in machen Fällen auch eine Frist, zu verstehen (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 298). 576 NHGO, Part. 1 Tit. 25, fol. 21r. 577 NHGO, Part. 1 Tit. 25, fol. 21r. 578 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 63 f., S. 154 – 156. 579 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 63, S. 155. 580 Grube verweist auf einen Kostenfestsetzungsbeschluss aus dem Jahr 1615, dem zufolge dem Advokaten 15 Gulden, dem Prokuratoren 9 Gulden zustanden (Grube: Verfassung (1969), S. 193). 581 NHGO, Part. 1 Tit. 24, fol. 20v und Tit. 25, fol. 21v. 582 NHGO, Part. 3 Tit. 19, fol. 54r. 583 Zimmern: Manuale (1720), S. 268 – 272.
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Verfahren
Eine vom normalen Advokaten zu unterscheidende Rolle spielte der Hofgerichtsadvokat. Nach der neuen Ordnung sollten sich der Hofrichter und die Urteilsprecher bei juristisch schwierigen Fällen des Rats darzu insonderheit bestelter Aduocaten, vnd Rechtsgelerte[r] bedienen.584 Um diese Vorgabe zu erfüllen, wurden 1574 zwei Hofgerichtsadvokaten, Dr. Johann Spreter und Dr. Johann Nervius, ernannt.585 Beide Personen hatten das Amt jedoch lediglich als Nebenamt inne. Der Stadt fehlten schlichtweg die Mittel, einen hauptberufl ichen Hofgerichtsadvokaten für das Gericht zu gewinnen.586 Spreter und Nervius blieben sodann auch die aktivsten aller Hof gerichtsadvokaten. Nervius als ehemaliger Visitator des Hofgerichts erstattete Gutachten zu Rottweiler Reichskammergerichtsprozessen und stellte insgesamt ein wichtiges Bindeglied zwischen Rottweil und Speyer dar, während Spreter sich mit eher praktischen Fragen des Rottweiler Prozesses beschäftigte. Er hatte bei der Errichtung des Entwurfs der NHGO mitgewirkt und vertrat in den Folgejahren mehrfach die Rottweiler Interessen auf den Reichstagen.587 Insgesamt ist festzuhalten, dass die Rottweiler Prokuratoren ein höheres Ansehen besaßen und über eine bessere fachliche Qualifikation verfügten als ihre Kollegen an anderen Untergerichten.588 An die Qualität der reichskammergerichtlichen Prokuratoren konnten sie jedoch nie heranreichen.589
IV. Verfahren 1. Verfahrensarten Es finden sich in der NHGO Hinweise darauf, dass es neben dem regulären, im Folgenden behandelten ordentlichen Verfahren ein weiteres Verfahren für die Verhandlung einfacher Sachen gab, welches vorwiegend mündlich ablief.590 In diesen Sachen, da mündtlich / vnd ohne ordentlichen Proceß gehandlet, soll es wie von alters herkommen gehalten werden.591 Indikator für d ieses alte Herkommen ist die AHGO,
5 84 NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 1v. 585 HStASt C1 Bü 194, fol. 118r f. 586 Grube: Verfassung (1969), S. 203 f. 587 Grube: Verfassung (1969), S. 204 f. 588 Weissler: Rechtsanwaltschaft (1905), S. 169. 589 Döhring: Rechtspflege (1953), S. 121. 590 NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45r und Tit. 3, fol. 46r. Auch am Landgericht in Schwaben gab es bei geringfügigen Sachen lediglich ein mündliches Verfahren (Gut: Landgericht (1907), S. 66). 591 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. Fischer berichtet, dass am kaiserlichen Landgericht in Schwaben in der Kanzlei vor dem Beginn der jeweiligen Sitzung die „geringere[n] und
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nach der das Verfahren nahezu ausschließlich mündlich abläuft. Die Verfasser der NHGO werden wohl die große Gefahr der Prozessverzögerung durch die Verschrift lichung des Prozesses vor Augen gehabt haben und wollten vermutlich wenigstens bei einfach gelagerten Sachen einen schnellen, wenn auch nicht ordentlichen Prozess ermöglichen.592 Die Darstellungen des Prozessrechts, insbesondere die Ordnungen, behandelten vorrangig den von Förmlichkeiten geprägten ordentlichen Prozess.593 In kleineren, kürzeren und als weniger wichtig angesehenen Verfahren sollte im Interesse der Prozessbeschleunigung auf solche Förmlichkeiten, beispielsweise die Vornahme der Litiskontestation, verzichtet werden können.594
2. Hofgericht und Audienz Während die öffentlichen Sitzungen des Reichskammergerichts als Audienzen bezeichnet wurden, verwendete man in Rottweil den allgemeineren Begriff Hof gericht. Zu Anfang eines jeden Jahres wird der NHGO zufolge am Gericht bestimmt, in welchen Monaten und an welchen Tagen die Hofgerichtssitzungen stattfinden sollen.595 Dabei sollen nicht weniger als vierzehn Termine vorgesehen werden. Klassische Sitzungstage sind nach der NHGO der Dienstag (ab zwölf Uhr), der Mittwoch, der Donnerstag und der Freitag (Vormittag).596 Die AHGO geht hingegen lediglich von Dienstag und Donnerstag als Sitzungstagen aus.597 Das lässt vermuten, dass der Verhandlungsaufwand des Gerichts im Laufe des späten 15. und des 16. Jahrhunderts gestiegen war, weshalb nunmehr an mehreren Tagen in der Woche verhandelt werden sollte.598 Zur Eröffnung der Sitzungswoche soll der Kanzleiverwalter drei Umfragen vornehmen. Zuerst, ob es Zeit sei, das Rottweiler Hofgericht zu eröffnen. Bejahen die Beisitzer diese Frage, eröffnet der Pedell auf Befehl des Hofrichters das Gericht. Mit der zweiten Umfrage soll in Erfahrung gebracht werden, ob jemand mit Blick auf zuvor geächtete
schlechtere[n] Sachen“ protokolliert worden seien, um sodann in der Sitzung referiert zu werden (Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 251). 592 In diese Richtung argumentiert auch Kern mit Blick auf die Erhöhung des mündlichen Anteils im Verfahren an den Kurpfälzer Gerichten (Kern: Gerichtsordnungen (1991), 242 f.). 593 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 333. 594 Näher hierzu Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 333. 595 NHGO, Part. 2 Tit. 2, fol. 30v. 596 NHGO, Part. 2 Tit. 2, fol. 31r. 597 AHGO, Part. 12 Tit. 4, S. 369. 598 Dies würde auch zu Grubes Beobachtung passen, dass die streitige Gerichtsbarkeit des Gerichts immer bedeutender wurde (Grube: Verfassung (1969), S. 26 und S. 43).
Verfahren
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Personen, Städte, Gemeinden etc. Acht-, Verbiet-599 oder Anleitbriefe begehrt. Um Supplikatorien kann im Zuge der dritten Umfrage angesucht werden. Die im Rahmen der zweiten und dritten Umfrage vorgebrachten Begehren sollen die Urteilsprecher nur positiv bescheiden, soweit das Stadium des Verfahrens dies zulasse.600 Nach diesen drei Eingangsumfragen wurde die Sitzung – ab dem 15. Jahrhundert in der Ratsstube 601 – fortgeführt. Nach der NHGO sollen an jedem Hofgerichtstag drei weitere Umfragen 602 gehalten werden: in nouis, in praefixis, & in contumaciis.603 In der Umfrage in novis sollen dienstags und donnerstags jeweils am Nachmittag die Verkündungen 604, Beläutungen und Supplicatorien ausgebracht werden, mittwochs jeweils am Vor- und Nachmittag sowie donnerstags am Nachmittag über Abforderungen der Verfahren und Reproduzierung der (neu) eingebrachten Prozesse verhandelt werden.605 In der Umfrage in praefixis, in der es um bereits laufende Verfahren geht, haben die Prokuratoren Prozesshandlungen vorzunehmen, für die ihnen durch Übereinkunft mit dem prozessualen Gegner oder durch das Gericht eine Frist gesetzt worden war.606 In der Umfrage in contumaciis schließlich können die Prokuratoren – wenn die gegnerische Partei die ihr gesetzte Frist nicht eingehalten hat – die Ungehorsamsbeschuldigung erheben.607 Es ist deutlich zu erkennen, dass dieses Umfragesystem noch aus den früheren Zeiten eines überwiegend mündlichen und dinggenossenschaftlich strukturierten Verfahrensganges stammt. Es liegt nahe, dass am Hofgericht nach dem Vorbild des Reichskammergerichts aufgrund der zunehmenden Verschriftlichung des Prozesses die Umfragen vor allem zur Vorlage und Übergabe der Schriftsätze genutzt wurden.608 Mag das Umfragesystem des Hofgerichts schon kompliziert und schwerfällig erscheinen, ist es im Vergleich zum reichskammergerichtlichen System einfacher und übersicht licher gehalten. Die RKGO von 1555 geht in der einzelnen Audienz von insgesamt 599 An Obrigkeiten, Gemeinden und Städte gerichtete Schreiben, mit denen die Ächterhausung und -hofung verboten wird (Mentgen: Bedeutung (1995), S. 402). 600 Dies erinnert an die heutige Entscheidungsreife. Zum ganzen Absatz: NHGO, Part. 2 Tit. 2, fol. 31v. 601 Das Gericht war zuvor im Freien eröffnet und auch gehalten worden. 6 02 Auch Schwartz sieht diese Abweichung von der RKGO von 1555 (Schwartz: Civilproceß- Gesetzgebung (1898), S. 759). 603 NHGO, Part. 2 Tit. 3, fol. 32r. 604 Das Gericht musste lediglich die Verkündungen veranlassen, da die einfachen Ladungen (Fürbott) von den Parteien veranlasst wurden ( Jack: Ehafte (2012), S. 56; Kohler: Verfahren (1904), S. 62 und S. 84). 605 NHGO, Part. 2 Tit. 3, fol. 32r. 606 NHGO, Part. 2 Tit. 3, fol. 32v. 607 NHGO, Part. 2 Tit. 3, fol. 32v. 608 Auch Grube führt an, dass die Prokuratoren lediglich noch ihre Anträge öffentlich verlasen und ihre Schriftsätze daraufhin dem Gericht übergaben. Grube: Verfassung (1969), S. 190. Für das Reichskammergericht: Dick: Kameralprozess (1981), S. 84.
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sechs Umfragen aus: die Umfrage auf eröffnete Urteile 609, die Umfragen in novis, in praefixis und in ordinariis sowie zwei Umfragen in contumaciis.610 Vor der Umfrage in novis verkündete das Reichskammergericht die Urteile.611 In der Umfrage auf eröffnete Urteile dürfen die Prokuratoren grundsätzlich keine Anträge stellen. Sie sollen das ihnen per Gerichtsentscheidung Auferlegte – beispielsweise die Litiskontestation oder das Einbringen von Schriftsätzen – vornehmen.612 Ähnlich wie am Hofgericht sollen in der Umfrage in novis alle mit Blick auf die neu eingebrachten Prozesse vorzunehmenden Handlungen vorgenommen und Anträge gestellt werden.613 Hinsichtlich der Umfrage in praefixis ergeben sich keine Unterschiede zwischen den Ordnungen.614 Alle Prozesshandlungen, für welche das Gericht keinen festen Termin vorsieht, sollen in der Umfrage in ordinariis vorgenommen werden.615 Abschließend werden zwei Umfragen in contumaciis durchgeführt.616 Im Zuge der ersten Umfrage können nicht fristgerecht handelnde Parteien ihre Entschuldigungen vorbringen. Wird diese Entschuldigung für nicht ausreichend bewertet, kann der gegnerische Prokurator in der zweiten Umfrage in contumaciis – wie am Hofgericht – die Ungehorsamsbeschuldigung erheben. Schon die RKGO selbst weist auf die enormen Probleme hin, die dieses komplizierte System bereitete. So hätten die Prokuratoren in der Vergangenheit die ordnung mit fürbringung irer sachen in obbestimpten umbfragen nit gehalten, sonder solche umbfragen undereynander vermischt und also unordenlich und confuse gehan delt. Aus diesem Verhalten seien nit kleine unrichtigkeyt, auch verhinderung der sachen erfolgt.617 Auch nach 1555 ergingen viele Gemeine Bescheide des Reichskammergerichts zu den Schwierigkeiten im Audienzablauf.618 Oestmann merkt zu einem undatierten
609 Auch ordo sententiarum genannt (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 54). 610 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 6 – 10, S. 223 – 227. 611 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 54. 612 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 6, S. 223. 613 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 7, S. 224. 614 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 8, S. 224. 615 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 9, S. 224 f. 616 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 10, S. 225 – 227. 617 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 5 § 2, S. 222. 618 Etwa Gemeiner Bescheid vom 16. März 1560 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 53, S. 210 f.), Gemeiner Bescheid vom 16. September 1560 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 54, S. 211 f.), Gemeiner Bescheid vom 20. Februar 1566 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 58, S. 217 – 219), Gemeiner Bescheid vom 14. November 1567 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 59, S. 219 f.), Gemeiner Bescheid von 1570 (ohne Datum) (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 62, S. 222 f.), Gemeiner Bescheid vom 1. Juni 1571 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 63, S. 223 f.), Gemeiner Bescheid vom 12. Juni 1571 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 64, S. 225 f.), Gemeiner Bescheid vom 12. Juni 1571 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 65, S. 226 f.), Gemeiner Bescheid vom 15. Juni 1571
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Bescheid aus dem Jahre 1570 an, dass das System der Umfragen mit seinen verschiedenen Abschnitten „schwerfällig“ und für viele Prokuratoren „kaum zu durchschauen“ geblieben sei.619 Mit Blick auf einen Gemeinen Bescheid vom 12. Juni 1571 ergänzt er, dass das am Reichskammergericht praktizierte Umfragesystem „augenscheinlich nicht nur umständlich, sondern auch extrem zeitaufwendig“ gewesen sei.620 Dass sich die NHGO zumindest auch zum Teil an den Regelungen der Gemeinen Bescheide orientiert, sieht man daran, dass sie hinsichtlich der in der Umfrage in novis vorzunehmenden Handlungen bestimmte Wochentage vorschreibt.621 Nach dem schon zuvor erwähnten Gemeinen Bescheid vom 12. Juni 1571 waren auch am Reichskammergericht bestimmte Wochentage – allerdings für die einzelnen Umfragen – vorgeschrieben.622 Dieses Auseinanderreißen der einzelnen Umfragen stellte sich jedoch als wenig praktikabel heraus, weshalb die Festsetzung einzelner Wochentage für bestimmte Umfragen s päter wieder wegfiel.623 Am Hofgericht hingegen hatte man an der vollständigen Audienz – in Rottweil Hofgericht genannt – mit sämtlichen Umfragen festgehalten. Generell drängt sich der Eindruck auf, dass man in Rottweil den Hofgerichtsablauf nicht vollständig ausregeln, sondern durch die Vorgabe einer niedrigeren Anzahl an Umfragen die Sitzung flexibler und weniger starr halten wollte.
3. Verfahrensgrundsätze a. Terminsystem Nach reichskammergerichtlichem Vorbild führte die NHGO von 1572 das Terminsystem am Rottweiler Hofgericht ein. Zur besseren Nachvollziehbarkeit des neuen Systems werden im Folgenden zunächst die Termine am Reichskammergericht dargestellt. Unter dem Begriff Termin wird im Kameralverfahren zum einen der für die prozessualen Handlungen der Parteien bestimmte Tag, zum anderen der zwischen diesen Tagen liegende Zeitraum verstanden.624 Neben den in den Ordnungen 625 fest
(Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 66, S. 227 f.), Gemeiner Bescheid vom 27. November 1571 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 67, S. 228 f.). 619 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 62, S. 222 f. 620 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 64, S. 225. 621 Siehe S. 79. 622 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 64, S. 225. 623 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 68, S. 229 f. (Gemeiner Bescheid vom 18. Januar 1572). 624 Dick: Kameralprozess (1981), S. 104; Albrecht: Ausbildung (1837), S. 19. 625 Grundsätzlich soll die NHGO vor allem mit der Reichskammergerichtsordnung von 1555 verglichen werden. Stellenweise werden jedoch auch frühere Reichskammergerichts
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v erankerten Terminen kann auch das Gericht Termine anberaumen. Wird einer der Substanzialtermine nicht eingehalten, ist der Prozess grundsätzlich nichtig. Damit diese strenge Folge nicht allzu schnell und häufig eintreten kann, statuieren die Ordnungen, dass Substanzialtermine unter bestimmten Voraussetzungen wiederholt werden können.626 Mit zunehmender Schriftlichkeit des Kameralverfahrens gewann auch das Terminsystem immer mehr an Bedeutung. Die Audienz dient nur mehr dazu, den schriftlichen Rezess zu übergeben,627 woraufhin der gegnerischen Partei Zeit gegeben werden musste, um ihre Antwort ebenfalls schriftlich darlegen zu können.628 Jeder Prozesshandlung war folglich ein gesonderter Termin vorbehalten.629 Die RKGO von 1555 geht von 12 Terminen in der ersten Instanz aus. Um eventuelle dilato rische 630 und peremtorische 631 Einreden zu verhandeln, besteht die Möglichkeit, drei oder mehr zusätzliche Termine vor beziehungsweise nach der Kriegsbefestigung (Litiskontestation) abzuhalten.632 Die Beweisaufnahmen zu Artikeln und Einreden erfolgen in getrennten Verfahren, welche parallel zum erstinstanzlichen Prozess stattfinden.633 Aus der Ordnung ergibt sich – im Gegensatz zur NHGO 634 – für die Abstände zwischen den Terminen eine feste Taktung: in ordinariis 635 die zwölfte auf den jeweiligen Termin stattfindende Audienz, in extraordinariis 636 die sechste. Vor dem Hintergrund von drei pro Woche gehaltenen Audienzen ergeben sich daraus Fristen von vier beziehungsweise zwei Wochen.637 ordnungen herangezogen. 6 26 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 39, S. 256; RKGO von 1507, Tit. 8 § 7. 627 Wetzell: System (1861), S. 735 f. 628 Wetzell: System (1861), S. 738 f. 629 Wetzell: System (1861), S. 738. 630 Zu den dilatorischen Einreden siehe S. 130 f. 631 Zu den peremtorischen Einreden siehe S. 131. 632 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 25 – 29, S. 244 – 247. 633 Dick: Kameralprozess (1981), S. 106. 634 In Rottweil sollten zum Ende des alten beziehungsweise zu Beginn des neuen Gerichtsjahres die Sitzungstage festgelegt werden. Dies mag zum einen daran gelegen haben, dass viele der Assessoren ihre Rolle nicht haupt-, sondern nebenamtlich innehatten (Grube: Verfassung (1969), S. 128 f.). Es führte jedoch auch zu einer gewissen Flexibilität in der Verhandlung der einzelnen Sachen. 635 Eilbedürftige Sachen, z. B. Friedbruch oder Unterhalt betreffend (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 296). 636 Grundsätzlich alle vor dem Reichskammergericht verhandelbaren Sachen, die nicht in der Liste der causae extraordinariae aufgeführt sind (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 296). 637 Danz/Gönner: Grundsäze (1806), §§ 195; Dick: Kameralprozess (1981), S. 109; Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Einleitung, S. 45; Schwartz: Civilproceß- Gesetzgebung (1898), S. 92.
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Im ersten Termin hat der Kläger die ordnungsgemäße Ladung des Beklagten zu belegen sowie seine schriftliche Klage und, soweit er durch einen Anwalt vertreten wird, dessen Vollmacht vorzulegen.638 Im zweiten Termin befestigen die Parteien den Krieg 639 und schwören ihre Prozesseide.640 Diese Prozesshandlungen kann der Beklagte allerdings durch Geltendmachung dilatorischer Einreden blockieren, über welche sodann ein Zwischenverfahren durchgeführt werden muss.641 Erhebt der Beklagte jedoch keine Einreden, repetiert der Kläger nach Kriegsbefestigung und Eidschwur seine Klage.642 Hat er die Klage nicht artikuliert, sondern summarisch eingereicht, kann er für die Artikulierung bis zum dritten Termin um Aufschub bitten.643 Mit Blick auf die im zweiten Termin vorzunehmende Litiskontestation weist die RKGO von 1555 die Parteien ausdrücklich darauf hin, sich kurz und an die in der Ordnung vorgegebene Wendung zu halten.644 Hat der Kläger seine Klage schon im zweiten Termin artikuliert vorgebracht, steht es ihm offen, im dritten Termin zusätzliche Artikel (additionales) einzubringen.645 Die Ordnung ruft die Prokuratoren dazu auf, alle Artikel spätestens zu diesem Termin vorzubringen und nicht, wie es vor 1555 der Fall gewesen war, darüber hinaus noch additionales additionalium, additionales supra additionales und dergleichen in späteren Terminen vorzubringen.646 Der Beklagte soll daraufhin im vierten Termin auf jeden einzelnen Klageartikel des Klägers antworten sowie alle seine peremtorischen Einreden vorbringen.647 Über die peremtorischen Einreden läuft ein paralleles Verfahren ab, welches mit einem Zwischenurteil endet.648 Im fünften Termin wird das Beweisverfahren eingeleitet,649 indem den Parteien aufgegeben wird, jeweils für die von ihnen vorgebrachten Artikel Beweis zu erbringen. Hinsichtlich der streitigen Artikel bestellen die deputierten Assessoren (Deputaten) auf Antrag der 638 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 12 § 1, S. 228 f. Die folgenden Ausführungen zu den einzelnen Terminen orientieren sich an den Ausführungen von Dick: Kameralprozess (1981), S. 106 f. 639 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 1, S. 232 f. Ausführlich zur Kriegsbefestigung beziehungsweise zur Litiskontestation: S. 116 – 123. 6 40 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 2, S. 233. 6 41 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 1, S. 232 f. 6 42 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 3, S. 233. 6 43 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 5, S. 234. 6 44 In sachen N. contra N. bin ich der clag nit gestendig, bit mich von derselbigen mit abtrag costen und schäden zu erledigen (RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 4, S. 233 f.). 6 45 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 14 § 1, S. 234. 6 46 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 14 § 3, S. 234. 6 47 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 1, S. 235. 6 48 Dick: Kameralprozess (1981), S. 107. Über dieses Parallelverfahren: RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 17, 18 und 19, S. 239 f. 6 49 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 § 1, S. 238.
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beweispflichtigen Partei die für die Beweisaufnahme zuständigen Kommissare.650 Auch das Beweisverfahren läuft parallel zum Hauptprozess ab.651 Das Gericht setzt jedoch eine Beweisfrist fest, nach deren Ablauf die Ergebnisse des Beweisverfahrens in den Hauptprozess eingebracht werden.652 Sofern der Kläger keinen Beweis anbietet oder das Gericht befindet, dass ein (weiteres) Beweisverfahren nicht vonnöten sei, hat der Kläger unmittelbar in d iesem Termin seinen weiteren Vortrag einzubringen und zu konkludieren.653 Im sechsten Termin soll der Kläger die publication und öffnung der zeugensag und kundtschaft vornehmen, also die Ergebnisse des Beweisverfahrens in den Prozess einbringen.654 Hat der Kläger bereits im vorherigen Termin konkludiert, ist es nun an dem Beklagten, seine Konklusionen schriftlich einzureichen.655 Der Beklagte kann sich zudem im siebten Termin mittels weiterer Einreden gegen die Ergebnisse des Beweisverfahrens zur Wehr setzen.656 Im achten Termin hat der Kläger die Möglichkeit, hierauf zu replizieren und soll zudem alle vor seiner Konklusion noch ausstehenden Schriftsätze einbringen.657 Der Beklagte wiederum hat im neunten Termin seine Duplikschrift einzulegen und ebenfalls alle noch vor der Konklusionsschrift ausstehenden Schriftsätze einzubringen.658 Für den zehnten Termin ist das Konkludieren des Klägers 659, das des Beklagten für den elften Termin 660 vorgesehen. Im zwölften Termin beschließen beide Parteien ihre Vorträge mündlich 661 und das Gericht kann nun den Prozess mit der Urteilsfindung abschließen. Zu Recht sieht Dick in d iesem strikten Terminsystem, aber vor allem in der Mög lichkeit, bis zu drei Mal einen Termin zu verschieben, einen gewichtigen Grund für die immer größer werdende Anzahl von Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung und zur Prozessökonomie sowie für die Ausbildung der Eventualmaxime.662 650 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 §§ 1 und 2, S. 238. Es soll niemand lediglich aufgrund seines Standes zum Kommissar ernannt werden, vielmehr sollen diese tüglich und geschickt sein (RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 § 4, S. 238). Es sollen keine Prokuratoren als Kommissare bestellt werden (RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 § 5, S. 238). Ausführlich zu den Kommissaren: S. 140 – 143. 651 Dick: Kameralprozess (1981), S. 166. Ausführlich zum Beweisverfahren: S. 140 – 144. 652 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 § 3, S. 238. 653 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 § 8, S. 239. 654 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 17 § 1, S. 239. 655 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 17 § 2, S. 239 f. 656 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 18 § 1, S. 240. 657 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 19, S. 240 f. 658 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 20, S. 241. 659 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 21, S. 241. 660 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 22 § 1, S. 241. 661 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 23 § 1, S. 241 f. 662 Dick: Kameralprozess (1981), S. 108.
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Nach dem soeben skizzierten Vorbild wird am Hofgericht Rottweil mit der NHGO von 1572 das strikte Terminsystem eingeführt. Schon die AHGO sah Gerichtstermine vor.663 Sie gebot jedoch grundsätzlich nicht, zu welchen Terminen die Parteien welche Prozesshandlungen vorzunehmen hatten. In der einleitenden Bestimmung zu den Terminvorschriften der NHGO wird darauf verwiesen, dass bisher die Termin am Keyser lichen Hoffgericht vngewiß gewesen seindt und sich die Parteien und Advokaten nicht auf das Abhalten der Termine hätten verlassen können.664 Künftig sollen die Termine am Hofgericht praecise angesetzt vnd gehalten werden, es soll jedoch auch den Parteien respektive Hofrichter und Urteilsprechern unbenommen sein, Termine auf das Begehren einer Seite hin oder/und nach gelegenheit der sachen anzusetzen.665 Die NHGO sieht für den ersten Termin den Nachweis der ordnungsgemäßen Ladung des Beklagten sowie das Einbringen der schriftlichen Klage – artikuliert oder summarisch – und, im Falle der Vertretung durch einen Anwalt, die Vorlage einer Vollmacht vor.666 Der Kläger hat nicht mehr, wie noch in der AHGO vorgesehen, persönlich zu erscheinen und die Klage mit siner hande und mit des hofrichters hande in des clagfürers 667 hande zu setzen.668 Die NHGO betont weiter, dass dem Beklagten der Prozess mindestens vierzehn Tage vor dem Hofgerichtstermin durch einen Boten verkündet werden müsse. Werde diese Frist nicht eingehalten, habe der Beklagte erst zum nächsten Hofgericht zu erscheinen.669 Auch die NHGO sieht für den zweiten Termin die Litiskontesta tion sowie die Prozesseide der Parteien vor.670 Mit Blick auf möglicherweise durch den Beklagten vor der Kriegsbefestigung vorzubringende dilatorische Einreden nennt sie insbesondere die exceptiones fori declinatorias.671 Die NHGO hebt sodann – noch immer im Gleichklang mit der RKGO von 1555 – hervor, dass der Kläger seine Klage zu repetieren habe, verweist jedoch gleichzeitig darauf, dass es in sachen / da mündtlich / und ohne ordentlichen Proceß gehandlet / wie von alters herkommen gehalten werden solle.672 Der dritte Termin wird in der NHGO parallel zur RKGO von 1555 ausgestaltet: Entweder soll der Kläger seine vormals summarische Klage artikuliert einbringen oder er kann, soweit er bereits eine artikulierte Klage eingebracht hat, diese um weitere Artikel 663 AHGO, Part. 12 Tit. 4. 664 NHGO, Part. 3 Tit. 1, fol. 44v. 665 NHGO, Part. 3 Tit. 1, fol. 44v. 666 NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45r. 667 Die Prozessbevollmächtigten der Parteien wurden Anwälte, Sach- oder eben Klagführer genannt. Allerdings verwendet auch schon die AHGO den Begriff Prokurator, ohne darunter jedoch einen zum Vortrag für die Parteien berechtigten Prozessvertreter zu verstehen (Grube: Verfassung (1969), S. 182). 668 AHGO, Part. 2 Tit. 3; Glitsch/Müller: Alte Ordnung (1920), S. 321. 669 NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45v. 670 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. 671 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. 672 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r.
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ergänzen (additionales).673 Im vierten Termin soll der Beklagte auf jeden Artikel antworten und zudem seine peremtorischen Einreden vorbringen. Wie die RKGO von 1555 gibt die NHGO eine bestimmte Wendung für das Beantworten der einzelnen Artikel vor. Auf alle faktischen Artikel (Tatsachenbehauptungen) hat der Beklagte lediglich mit glaub war oder nit war sein zu antworten.674 Im Übrigen können die Parteien, wie auch am Reichskammergericht, schon in diesem Termin Kommissare für die Beweisaufnahme beantragen.675 Im darauffolgenden, fünften Termin liegt es beim Kläger, auf die Gegenartikel des Beklagten zu antworten. Darüber hinaus soll der Kläger spätestens zu diesem Termin die Kommissare für das Beweisverfahren beantragen.676 Zuletzt betont die NHGO für den fünften Termin, dass es sich in der Vergangenheit zugetragen habe, dass die Prokuratoren während Beweisaufnahmen, insbesondere Zeugenverhören, schrifftliche handlung gerichtlich fürgebracht hätten. Dies solle nun bey vermeidung einer straff / weiters nit gestattet werden.677 Nach dem Zeugenverhör hat der Kläger im sechsten Termin seine Attestationes, vnd sonst brieffliche vrkunden vorzubringen und kann nach Publikation und Eröffnung seiner Kundschaft deren Abschrift begehren.678 Die NHGO führt hier weiter aus, dass – soweit der Beklagte seine Zeugen nicht verhören lasse und solches auch gerichtlich anzeige – die auf Antrag des Klägers zustande gekommenen Zeugenaussagen vneröffnet und verschlossen bleiben sollten, bis der Beklagte seine kundtschafften gefueret / vnd gerichtlich produciert habe.679 Anders als die RKGO von 1555 sieht die NHGO des Weiteren vor, dass, nachdem die Beweise gerichtlich eingebracht und eröffnet sowie kopiert worden wären, im siebten Termin beide Parteien ihre probationes & respectiue exceptiones, vnd einreden vorbringen sollen.680 Dick weist darauf hin, dass die RKGO von 1555 im Gegensatz hierzu den Gegenbeweis nicht ausdrück lich vorsehe sowie dass ein dem Jüngsten Reichsabschied vergleichbarer Hinweis fehle. Allerdings dürfe man davon ausgehen, dass auch schon im früheren Kameralprozess der Gegenbeweis zulässig gewesen sei.681 Die NHGO nimmt somit für das Hofgericht die später im Jüngsten Reichsabschied 682 schriftlich fixierte Regelung vorweg. Die Hofgerichtsparteien sollen sodann im achten Termin exzipieren und replizieren, im neunten
6 73 NHGO, Part. 3 Tit. 4, fol. 46r. 674 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v. Über die Auseinandersetzungen der Parteien hinsichtlich der Abgrenzung der Tatsachen- von den Rechtsäußerungen siehe Oestmann: Rechtsvielfalt (2002), S. 205 – 214. 675 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. 676 NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. 677 NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 48r. 678 NHGO, Part. 3 Tit. 7, fol. 48r. 679 NHGO, Part. 3 Tit. 7, fol. 48r. 680 NHGO, Part. 3 Tit. 8, fol. 48v. 681 Dick: Kameralprozess (1981), S. 170. 682 Jüngster Reichsabschied von 1654, §§ 52 – 54.
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Termin replizieren und duplizieren, im zehnten Termin duplizieren und triplizieren sowie im elften Termin triplizieren und konkludieren.683 Daraufhin ist keine schrift liche Handlung mehr zugelassen. Die Parteien sollen schließlich im zwölften Termin muendtlich zu beschliessen verbunden sein.684 In dieser abschließenden Vorschrift weist die NHGO zudem explizit darauf hin, dass jede Partei ihre Prozesshandlungen zur Beschleunigung des Verfahrens vorziehen könne 685 – eine deutliche Ausprägung des Eventual- und des Beschleunigungsgrundsatzes. Insgesamt sind die Regelungen zum Terminsystem in der RKGO von 1555 ausführ licher und deutlich länger als in der NHGO, w elche im Wesentlichen nur kurz die einzelnen Termine nachzeichnet. Die NHGO verweist zudem an einigen Stellen auf den bisherigen stylo des Hofgerichts, also das bisherige Verfahren.686 Dadurch sowie durch die beschriebene Verankerung der Eventualmaxime und der Prozessbeschleunigung bleibt das Terminsystem des Hofgerichts im Vergleich zu dem der RKGO beweglicher. b. Artikelprozess Der Artikelprozess, auch Positionalverfahren genannt, hat seine Grundlage im römisch- kanonischen Recht 687. Das Reichskammergericht übernahm d ieses Verfahren schon in seiner ersten Ordnung von 1496.688 Im Artikelprozess ist der Sachvortrag sämtlicher Schriftsätze – Klage, Exzeptionsschrift, Replik, Duplik etc. – in einzelne Behauptungen (Artikel oder Positionen) aufzugliedern.689 Dadurch soll das Gericht leichter ermitteln können, w elche Teile des Sachvortrags streitig und welche unstreitig sind. Für die streitigen Tatsachen hat die beweispflichtige Partei (weitere) Beweisartikel (Probatorialartikel) vorzubringen.690 Die gegnerische Partei kann eigene Fragstücke (Interrogatorien) anfügen.691 683 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. 684 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. 685 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 49r. 686 Beispielsweise NHGO, Part. 2 Tit. 7, fol. 41r, Tit. 10, fol. 41v; Part. 3 Tit. 1. fol. 45r. 687 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 101 f.; Danz: Reichsgerichts-Prozess (1795), § 219, S. 366 – 369 (speziell zum artikulierten Klaglibell); Wetzell: System (1861), § 49, S. 473, § 70, S. 790; Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Einleitung, S. 47. 688 RKGO von 1496, Tit. 12 §§ 3 – 11. Vertiefend zur Ausgestaltung des Artikelprozesses in den einzelnen Reichskammergerichtsordnungen: Dick: Kameralprozess (1981), S. 141. 689 Dick: Kameralprozess (1981), S. 121; Oestmann: Artikelprozess, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 313; Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 102. 690 Oestmann: Artikelprozess, HRG Bd. 1, Sp. 313. 691 Oestmann: Artikelprozess, HRG Bd. 1, Sp. 313. Zu den Fragstücken auch Gail: Practi carum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 95, S. 302 – 305.
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Nach der RGKO von 1555 kann der Kläger im ersten Termin seine Klageschrift entweder artikuliert oder summarisch (in gemeiner Weise, einfaches Libell) einreichen.692 Im ersten Fall muss der Kläger die Klage im zweiten Termin (Termin der Litiskontestation) reproduzieren.693 Hat er die Klage summarisch eingebracht, muss er sie bis zum dritten Termin durch die Artikulierung weiter substanziieren.694 Durch die Wahlmöglichkeit hat es der Kläger in der Hand, den Prozess zu beschleunigen oder in normalen zeitlichen Bahnen verlaufen zu lassen. Mit der Intention, das Verfahren zu beschleunigen, wird diese Wahlmöglichkeit in § 88 des Speyrer Reichsabschieds von 1570 eingegrenzt.695 Der Kläger soll die Klage nunmehr schon im ersten Termin artikuliert einreichen. Der Jüngste Reichsabschied von 1654 schafft schließlich den Artikelprozess für das Hauptverfahren gänzlich ab und lässt ihn lediglich noch für das Beweisverfahren zu.696 Sellert betont, dass die dem Sächsischen Prozess und dem Reichshofratsprozess unbekannten Artikulierungen nicht einfach nur an Bedeutung verloren, sondern aufgrund gewichtiger Erwägungen – insbesondere zur Verfahrensbeschleunigung – im Jüngsten Reichabschied für das Hauptverfahren abgeschafft wurden.697 Die in Zwischenverfahren zu erledigenden Auseinandersetzungen der Parteien darüber, ob einzelne Artikel so präzise formuliert waren, dass man sie lediglich mit glaub war oder nit war sein beantworten konnte, hatten viele Hauptprozesse entgegen der beabsichtigten Wirkung in die Länge gezogen. Die RKGO von 1555 sieht – in Anlehnung an den Ordnungsentwurf von 1538 – neben dem allgemeinen Kalumnieneid nunmehr besondere Kalumnieneide für die Übergabe der Artikel vor (iuramentum dan dorum articulorum et respondendorum).698 Hinsichtlich der Artikulierung der Klage kann man, im Unterschied zur RKGO von 1555, an der NHGO aus dem Jahre 1572 schon Einwirkungen des Speyrer Reichsabschieds erkennen. Zwar besteht auch nach der NHGO die Möglichkeit, die Klage noch bis zum dritten Termin zu artikulieren. Allerdings könnte die in NHGO Part. 3 Tit. 2 in Klammern gesetzte Ergänzung, die sich auf das artikulierte Libell bezieht, so verstanden werden, dass nur noch in einfachen Sachen eine summarische, im
692 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 12 § 8, S. 230 und Tit. 13 § 5, S. 234. 693 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 3, S. 233 und § 5, S. 234; Tit. 14 § 1, S. 234 und § 2, S. 234; Tit. 15 § 1, S. 235. 694 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 3, S. 233 und § 5, S. 234; Tit. 14 § 1, S. 234 und § 2, S. 234; Tit. 15 § 1, S. 235. 695 Lanzinner (Bearb.): Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, Der Reichstag zu Speyer 1570, 2. Teilband (1988), S. 1233. 696 Jüngster Reichsabschied von 1654, §§ 34, 35, 37, 41, 49, 52 und 64. 697 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 147 – 152. 698 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 96.
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ordentlichen Verfahren jedoch immer eine artikulierte Klage einzureichen ist.699 Zumindest kann in dieser Regelung wie auch im Reichsabschied von 1570 eine stärkere Eingrenzung der Wahlmöglichkeit gesehen werden.700 Auch in der NHGO finden sich zusätzlich zum allgemeinen Kalumnieneid spezielle Kalumnieneide für die Übergabe der Artikel.701 Im Übrigen hatte die Artikulierung von Schriftsätzen schon vor 1572 Eingang in den Rottweiler Prozess gefunden.702 Hieran wird deutlich, dass man sich am Hofgericht schon frühzeitig am Reichskammergerichtsprozess orientierte. Eine Orientierung, die wohl zu einem nicht unwesentlichen Teil durch die rechtsgelehrten und auch vor anderen Gerichten tätigen Advokaten herrührte. c. Eventualgrundsatz Nach dieser noch heute im deutschen Zivilprozess 703 geltenden Maxime sind alle gleichartigen Prozesshandlungen in einem bestimmten Prozessstadium vorzubringen. Folge der Eventualmaxime ist es, dass die Parteien ihre Prozesshandlungen unter Umständen eventualiter und subsidiär einbringen müssen. Wird eine Handlung von einer Partei verspätet eingebracht, ist diese damit grundsätzlich präkludiert.704 Neben Prozesshandlungen, welche aufeinander basieren (Klage, Klageerwiderung, Replik, Duplik etc.), gibt es auch solche, die miteinander konkurrieren und welche die Parteien entweder sukzessiv oder kumulativ einbringen können.705 Diese 699 Gegen das Einreichen einer artikulierten Klage: Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 759. 700 Hierzu auch Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 79 Nr. 3, S. 261. 701 NHGO, Part. 1 Tit. 30 (allgemeiner Kalumnieneid), Tit. 33 und 34 (spezieller Kalumnieneid bei Übergabe der Artikel durch den Kläger bzw. seinen Anwalt), Tit. 35 und 36 (spezieller Kalumnieneid bei Übergabe der Artikel durch den Beklagten bzw. seinen Anwalt), fol. 22v–24v. 702 Insbesondere HStASt C1 Bü 641 (1555 – 1572). Zudem in HStASt C1 Bü 546 (1570 – 1574), HStASt C1 Bü 406 (1560 – 1562), HStASt C1 Bü 397 (1561 – 1588) und HStASt C1 Bü 274 (1564 – 1565). 703 Die Eventualmaxime gilt im heutigen deutschen Zivilprozessrecht nicht in ihrer Reinform. Vielmehr steht sie in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Einheit der mündlichen Verhandlung. Nach diesem Grundsatz können die Parteien noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vortragen (Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann: Zivilprozessordnung (2013), Übers. § 253, Rn. 3 und 4). 704 Es würden jedoch in den Fällen Probleme entstehen, in denen sich beispielsweise Beweise erst ergeben, nachdem die Verfahrensstufe, in der Beweise vorzubringen sind, verstrichen ist. In dieser Striktheit wurde und wird die Eventualmaxime darum nicht angewandt. Vielmehr ließ auch schon die RKGO von 1555 verspätetes Vorbringen unter bestimmten Voraussetzungen zu. 705 Dick: Kameralprozess (1981), S. 112.
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Prozesshandlungen können wiederum in gleichartige und ungleichartige unterteilt werden. Gleichartig sind sie, wenn sie die gleiche Verfahrensfunktion haben (z. B. mehrere Einreden, mehrere Beweismittel), ungleichartig, wenn sie lediglich zum selben prozessualen Zeitpunkt vorgebracht werden, jedoch unterschiedliche Funk tionen erfüllen (z. B. Bestreiten und Angriffsmittel).706 Schon in der RKGO von 1500 sind erste Spuren des Eventualgrundsatzes sichtbar. Gleichartige konkurrierende Prozesshandlungen sollen die Parteien – auch wenn nur eventualiter infrage kommend – zusammen vornehmen.707 In der RKGO von 1555 verfestigen sich diese Ansätze. Der Kläger wird dazu angehalten, alle seine Artikel spätestens im dritten Termin vorzubringen und keine neuen Artikel nachzuschieben.708 Der Beklagte hat vor der Litiskontestation sämtliche Einreden schriftlich und artikuliert einzubringen.709 Die Peremtorialartikel sollen alle zusammen nach der Litiskontestation in einem Termin eingeführt werden.710 Der Beklagte ist mit jeglichem späteren Vorbringen präkludiert, es sei denn, er kann durch Eid glaubhaft machen, dass er erst im Nachhinein Kenntnis von den nachträglich vorgebrachten Tatsachen erlangt hat.711 Auch ungleichartige konkurrierende Prozesshandlungen können seit 1521 zusammen vorgebracht werden.712 Die RKGO von 1555 stellt dies folgendermaßen für ein Idealverfahren dar: Zunächst hat der Kläger seine Klage einzulegen. Der Beklagte muss daraufhin – noch vor der Kriegsbefestigung – seine dilatorischen und prozesshindernden Einreden geltend machen. Daraufhin muss der Kläger Stellung zu den Exzeptionalartikeln nehmen und seine Replik einbringen. Der Beklagte wiederum antwortet auf die Replik und dupliziert zugleich.713 Folglich sind sowohl
706 Dick: Kameralprozess (1981), S. 112; Schubert: Streben (1968), S. 136 f.; Wetzell: System (1861), S. 781. 707 RKGO von 1500, Tit. 37 § 1; RKGO von 1508, Tit. 4 § 1. Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 152 Fn. 412 und S. 227. 708 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 14 § 3, S. 234. Siehe hierzu Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 151. 709 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 1, S. 232 f. und § 6, S. 234; Tit. 26 § 4, S. 244 f. 710 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 9, S. 237; Tit. 27 § 1, S. 245 und § 2, S. 245. 711 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 8, S. 237. 712 RKGO von 1521, Tit. 19 § 8; RKGO von 1523, Tit. 3 § 4; RKGO von 1527 §§ 9 f. Zur engen Verknüpfung des Eventualgrundsatzes mit dem Prinzip der Reihenfolge: Linde: Lehrbuch (1825), § 119, S. 168 f.; Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 95; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 228, S. 250 – 261 und S. 251; Wetzell: System (1861), § 69, S. 780 und S. 783, §§ 70 und 71. Hatte die RKGO von 1521 dem Beklagten vorgegeben, seine gesamten Verteidigungsmittel in der Responsionsschrift zu kumulieren, gibt die RKGO von 1555 diese Vorgabe zwar nicht auf, schwächt sie jedoch ab (Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 95 f.). 713 Zur ähnlichen Verfahrensweise im Zwischenverfahren nach dem vierten Termin: Dick: Kameralprozess (1981), S. 113.
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gleichartige wie auch ungleichartige Prozesshandlungen kumuliert und antizipiert in den Prozess einzuführen. Im Übrigen sollen verspätete Schriftsätze nicht zugelassen werden.714 Allerdings können die Parteien bis zu drei Mal um eine Verlängerung der Frist bitten 715 und die Richter – auf Antrag und Eid der Partei, nicht missbräuch lich zu handeln – nachträgliche Schriften zulassen.716 Das Gericht kann schließlich generell (auf Antrag oder von Amts wegen) Fristen verlängern, soweit es dies aufgrund der Sachlage für notwendig erachtet.717 Wie Dick feststellt, zeigen sich somit schon im älteren Kameralprozess „Ansätze einer gelockerten Eventualmaxime“.718 Die Reichsabschiede von 1570719, 1594720 und 1654 ( Jüngster Reichabschied)721 führen diese Entwicklung weiter, lösen die Säumnisfolgen vom Ermessen des Richters und lassen somit die Präklusion als automatische Folge eintreten. Im Gegensatz zur RKGO von 1555 ruft die NHGO den Kläger nicht ausdrück lich dazu auf, alle seine Artikel spätestens im dritten Termin vorzubringen, sondern äußert sich mit Blick auf den dritten Termin generell eher knapp.722 Darüber hinaus betont die NHGO weder ausführlich, dass der Beklagte vor der Litiskontestation samptlich miteinander seine Exzeptionen artikuliert und schriftlich 723, noch, dass er seine Peremtorialartikel samentlich miteynander nach der Litiskontestation in einem Termin 724 vorzubringen hat. Jedoch lässt auch sie mit Blick auf die peremtorischen Exzeptionen nach Triplik und Konklusionsschrift des Klägers keine ferneren Handlungen zu.725 Eine Regelung im Sinne von RKGO von 1555 Part. 3 Tit. 27 § 8726 findet sich in der NHGO nicht.
7 14 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 10 § 4 bis § 8, S. 226 f. 715 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 § 6, S. 238 f.; Dick: Kameralprozess (1981), S. 111 und S. 114. 716 So RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 38, S. 255 f. 717 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 38, S. 255 f. 718 Dick: Kameralprozess (1981), S. 114. Dick weist jedoch auch darauf hin, dass dies umstritten ist und zum Teil eine Eventualmaxime im älteren Kameralprozess in Abgrenzung zum sächsischen Prozess abgelehnt wird. Siehe hierzu Dick: Kameralprozess (1981), S. 115. 719 Reichsabschied von 1570, § 89. 720 Reichsabschied von 1594, §§ 59 f. 721 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 37. 722 In diesem Termin, so die klag nit articuliert einkommen, soll der Kläger seine Positionales, die der Klag gemeß gestelt, quottiert, oder Additionales, Da aber die Klag articuliert alß dann der beklagt darauff seine Responsiones fuerzubringen schuldig sein. NHGO, Part. 3 Tit. 4, fol. 46r. 723 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 45v f.; Part. 3 Tit. 10, fol. 49r. f. 724 NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50r f. 725 NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50v. 726 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 §§ 7 f., S. 236 f. besagt, dass der Beklagte bei Säumnis mit jeglichem verspäteten Vorbringen präkludiert ist, es sei denn, er kann durch Eid glaubhaft
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Die NHGO enthält keine konkreten Vorschriften zur Behandlung verspäteter oder zur Zulassung nachträglicher Schriftsätze beziehungsweise zu Fristverlängerungen. Vereinzelt statuiert sie, dass keine weitere (schriftliche) Handlung zugelassen sei.727 Den Parteien beziehungsweise dem Hofrichter und den Urteilsprechern ist es jedoch unbenommen, Termine auf das Begehren einer Partei hin nach Sachlage zuzulassen.728 Zudem können der Hofrichter und die Urteilsprecher die Beweisfristen (dilatio probandi) nach Gestalt und Lage der Sache und der Parteien festsetzen.729 Einen generellen Ausdruck findet die Eventualmaxime in NHGO Part. 3 Tit. 9. Danach ist es jeder Partei zur Beschleunigung des Prozesses unbenommen, jeglichen Termin zu antizipieren, also ihre Prozesshandlungen zeitlich vorzuziehen.730 Das gesamte Terminsystem steht unter diesem Grundsatz. Mit Blick auf den Eventualgrundsatz enthält die NHGO damit zwar zahlenmäßig weniger konkrete Regelungen, mit der zuletzt dargestellten Regelung bekennt sie sich jedoch ausdrücklicher als die RKGO von 1555 zu d iesem. d. Beschleunigungsgrundsatz Mit der Eventualmaxime eng zusammen hängt der Beschleunigungsgrundsatz. Parteien und Gericht sind danach aufgefordert, das Verfahren zügig durchzuführen. Mit der Verschriftlichung des Prozesses am Reichskammergericht war die Hoffnung verbunden, die Verfahren zu beschleunigen.731 Hierfür sollen nach der RKGO von 1555 die Klagtatsachen schon im Ladungsbrief stehen,732 die Anzahl der Prozessschriften die der Termine nicht übersteigen 733 und für den mündlichen gerichtlichen Vortrag die von der Ordnung vorgegebenen Formeln verwendet werden.734 Die Schriftlichkeit soll vorherrschen, mündlicher Vortrag ist lediglich zugelassen, soweit er zu einer schnelleren Erledigung der Sache geeignet ist.735 Man erhoffte sich durch das Gebot der Schrift lichkeit, die Audienzen effektiver gestalten zu können, um möglichst vielen Prokuratoren
machen, dass er erst im Nachhinein Kenntnis hinsichtlich der nachträglich vorgebrachten Tatsachen erhalten hat. 727 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v (keine verrere schrifftliche handlung); Part. 3 Tit. 11, fol. 50v (keine fernere handlung). 728 NHGO, Part. 3 Tit. 1, fol. 44v. 729 NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. 730 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 49r. 731 Dick: Kameralprozess (1981), S. 115. 732 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 12 § 3, S. 229. 733 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 4 § 14, S. 173 f. 734 Dick: Kameralprozess (1981), S. 115 f. 735 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 22 § 2, S. 241.
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ihre Prozesshandlungen zu ermöglichen.736 Jedoch erhöhte die Schriftlichkeit auch gleichzeitig die Bereitschaft, Prozesshandlungen auf folgende Termine zu verschieben, was das Verfahren wieder verzögerte.737 Weitere reichskammergerichtliche Regelungen, die eine Beschleunigung des Verfahrens anstrebten, sind die Aufteilung der Prozesse in causae ordinariae und causae extraordinariae,738 das vor den Kommissaren abgehaltene Beweisverfahren 739, die Möglichkeit zur Gegenklage bis zum Zeitpunkt der Litiskontestation 740, die conclusio in causa 741 und der Erlass von Kompulsorialbriefen 742. Im Übrigen sind Kammerrichter und Beisitzer dazu angehalten – mit Ausnahme eilbedürftiger Sachen – die Reihenfolge der Verfahrensschlüsse auch mit Blick auf die Urteile einzuhalten.743 Bei geringen Rechtssätzen 744 müssen die Akten innerhalb eines Tages erledigt werden.745 Auch am Hofgericht erhoffte man sich durch die Verschriftlichung des Verfahrens und vor allem durch die Einführung des Terminsystems eine Beschleunigung des Prozesses. In NHGO Part. 3 Tit. 1 wird angeführt, dass bißher die Termin am Keyserlichen Hoffgericht vngewiß gewesen seindt und die Parteien sich nicht auf die Ansetzung und Abhaltung der Termine hätten verlassen können. 746 In Zukunft sollten die Termine jedoch spätestens zur zweiten Hofgerichtssitzung praecise angesetzt und gehalten werden.747 Zudem kann auch am Hofgericht die Beweisaufnahme durch hierzu bestellte Kommissare 748 sowie die Gegenklage bis zum Zeitpunkt
7 36 Dick: Kameralprozess (1981), S. 116. 737 Dick: Kameralprozess (1981), S. 116 f. 738 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 3 und 4, S. 220 f.; Dick: Kameralprozess (1981), S. 116, S. 87 – 103 und S. 109. Causae ordinariae sind Verfahren vor dem Reichskammergericht, welche durch eine Ladung eingeleitet werden und in der Form des Terminsystems ablaufen (Dick: Kameralprozess (1981), S. 87). Causae extraordinariae sind summarische, schnell abzuwickelnde Verfahren, welche in der RKGO von 1555 in Part. 3 Tit. 3, S. 220 f. aufgelistet sind. 739 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 11, S. 237 und Tit. 16, S. 238 f. Dick: Kameralprozess (1981), S. 168 f. 740 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 30, S. 246 f. 741 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 21 und 22, S. 241. Dick: Kameralprozess (1981), S. 173 – 176. 742 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31, §§ 10 – 12, S. 213 f. Ein Kompulsorialbrief ist ein Zwangsbrief, der dem säumigen Unterrichter aufgibt, die Edition der Akten für das Appella tionsverfahren zu beschleunigen (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), S. 296). 743 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 47 § 3, S. 264 (vgl. Part. 1 Tit. 10 § 22, S. 88). 744 „Einfacher Antrag einer Partei, zumeist Termine und Fristen betreffend“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 311). 745 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 11 § 2, S. 90; Part. 1 Tit. 13 § 18, S. 98; Part. 3 Tit. 11 § 1, S. 227. 746 NHGO, Part. 3 Tit. 1, fol. 44v. 747 NHGO, Part. 3 Tit. 1, fol. 44v. 748 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r; Part. 3 Tit. 6, fol. 47v.
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der Litiskontestation erfolgen. Stets sollen die Eltisten und gefreigte Sachen 749, welche Spolien 750, die Vollstreckung oder Waisen und Witwen betreffen, bevorzugt behandelt werden.751 Für die Beantwortung der einzelnen Artikel gibt die Ordnung bestimmte, sehr kurz gehaltene Formeln vor.752 Ferner haben die Parteien im elften Termin die Konklusionsschriften einzubringen, woraufhin keine weitere schrift liche Handlung mehr zugelassen wird und die Parteien dann im zwölften Termin mündlich beschließen.753 Das in der NHGO aufgezeichnete Terminsystem steht insgesamt unter d iesem Grundsatz. Zudem beinhalten die einzelnen Termine nicht mehr nur eine Prozesshandlung einer Partei; beide Parteien konnten ihre jeweilige Prozesshandlung in einem Termin vornehmen.754 Im Übrigen gibt es in der Neuen Hofgerichtsordnung einzelne Regelungen, die darauf abzielen, bisherige Störungen des Verfahrensganges 755 zu unterbinden und damit den Prozess zu beschleunigen. Maßgebliche Wendungen in diesem Zusammenhang sind alß sich auch etwan zugetragen […] woellen wir das solches hinfuerter abgeschnitten / vnd […] weiters nit gestattet werde 756 oder es soll auch hinfürter kein Procurator 757. Insbesondere ist jeg liche schriftliche Handlung der Prokuratoren während der Beweisaufnahme, vor allem der Zeugenverhöre – wie es vor 1572 wohl öfters vorkam –, unter Androhung einer Strafe verboten.758 In den Terminen, in welchen das Gericht die dilatorischen Einreden behandelt, soll es für die Prokuratoren fortan verboten sein, die hauptsach ein[zu]mischen / noch [zu] disputiern / vnd Hoffrichter und beysitzer mit verlesung solcher vndienstlicher handtlung nit [zu] bemuehen.759 Ferner haben auch Hofrichter und Urteilsprecher die Möglichkeit – beispielsweise durch das Recht, dilationes
749 Gefreite Sachen oder Freisachen sind zeitlich bevorzugt zu behandelnde Sachen (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), S. 300 f.). 750 Spoliensachen oder causae spolii sind Sachen gewaltsam entzogenen Besitz betreffend (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 315). 751 NHGO, Part. 3 Tit. 16, fol. 53r. 752 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v. Auf sogenannte faktische Artikel (Artikel, die Tatsachenbehauptungen enthalten) soll mit glaub war oder nit war sein geantwortet werden. 753 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. 754 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. 755 Die AHGO enthält keine nennenswerten Vorschriften zur Beschleunigung des Verfahrens. Da sie in einer sehr produktiven Zeit des Hofgerichts entstand, in welchem dieses noch ein hohes Ansehen genoss, und sie (lediglich) den Prozessgang der AHGO wiedergibt, bestand wohl kein großes Interesse, Veränderungen des zu d iesem Zeitpunkt noch angesehenen Prozesses vorzunehmen. 756 NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 48r. 757 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49v. 758 NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 48r. 759 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49v.
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probandi (Beweisfristen) nach ihrer Beurteilung der Sache zu moderirn, vnd [zu] messigen 760 –, beschleunigend auf das Verfahren einzuwirken. Wiederum konzentriert sich die NHGO, anders als die RKGO von 1555, weniger auf einzelne prozessbeschleunigende Regelungen, sondern schließt die Vorschriften zum Terminsystem mit der Regelung ab, dass jeder prozessual zu handeln verpflichteter Partei zur Beschleunigung des Verfahrens unbenommen beziehungsweise vorbehalten sein soll, jeglichen Termin zu antizipieren.761 e. Mündlichkeit – Schriftlichkeit Wie Wetzell formuliert „ist die Schriftlichkeit nichts Willkührliches; sie hat ihren Grund in dem Bedürfniß einer zuverlässigen Fixierung der Verhandlungen und in der Schwierigkeit, mündliche Vorträge so schnell zu Papier zu bringen, daß der Gang der Verhandlung nicht gestört und aufgehalten wird“.762 Schon im kanonischen Prozess sollte das mündliche Vorbringen schriftlich fixiert und somit Grundlage für die Urteilsfindung werden.763 Um den mündlichen Vortrag möglichst umfassend zu gestalten und nichts zu vergessen, verlasen die Parteivertreter ihre zuvor schriftlich angefertigten Konzepte und reichten diese zu den Akten.764 Das eigentliche mündliche Vorbringen der Parteien beschränkte sich auf einige wenige Worte bei der Übergabe der Schriften.765 Diesem Vorbild folgt auch die RKGO von 1495. Um den Prozess noch mehr zu straffen, machen die RKGO von 1507 sowie ihre Nachfolger das Überreichen von schriftlichen Rezessen, welches bis zu diesem Zeitpunkt noch fakultativ gewesen war, zur Regel.766 Es sollen lediglich die Worte In Sachen z wischen A. und B. übergebe ich diese Schrifft, nemblich Libell, Exceptiones, Artikel, Replicas, Duplicas etc. gesagt werden.767 Dem Anwalt des Beklagten ist es nur erlaubt, sich kurz mündlich zu Zulässigkeit, Vollmacht des gegnerischen Anwalts, einem möglichen Vergleich oder dem Tod einer der Parteien zu äußern. Ansonsten soll er lediglich vom Kläger eine Kopie der Klage erbitten und alles darüber Hinausgehende schriftlich vorbringen.768 Aufgrund
7 60 NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. 761 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 49r. 762 Wetzell: System (1861), S. 740. 763 Wetzell: System (1861), S. 734 f. 764 Wetzell: System (1861), S. 740. 765 Wetzell: System (1861), S. 735. 766 RKGO von 1507, Tit. 5; RKGO von 1523, Tit. 7 § 4. RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 11 § 5, S. 91; Tit. 23 §§ 4 und 5, S. 109 f.; Part. 3 Tit. 40 § 1. S. 256 f. 767 RKGO von 1507, Tit. 5; RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 23 § 4, S. 109 und Part. 3 Tit. 40 § 1, S. 256 f. 768 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 40 § 1, S. 256 f.
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des Schriftlichkeitserfordernisses gibt es für jede Parteihandlung einen gesonderten Termin.769 Im Gegensatz zum h eutigen Verfahren, in welchem nur das in die münd liche Verhandlung Eingebrachte (bei Schriftsätzen durch Verlesung) in der gericht lichen Entscheidung berücksichtigt wird, kommt es im Kameralverfahren (Verfahren vor dem Reichskammergericht) darauf an, dass jegliche Entscheidungsgrundlage für das erkennende Gericht schriftlich fixiert war. Nur hierdurch konnte Rechtswirksamkeit erlangt werden (Quod non est in actis non est in mundo).770 Wetzell betont jedoch, dass das reichskammergerichtliche Verfahren nichtsdestoweniger gerade wegen seiner Termine und Audienzen nach wie vor als ein Mündliches eingestuft werden kann,771 während Dick d ieses als „ein[en] der Sache nach schrift liche[n] Prozeß“ mit „letzten Ausläufer[n] der Mündlichkeit“ beschreibt.772 Sellert bezeichnet die sogenannte mündliche Verhandlung als „juristische Fiktion“ 773, die zur „Farce“ 774 geriet, will sie jedoch auch nicht als bloße „leere Formalität“ bewerten.775 Die Audienz sei eine der wenigen Möglichkeiten des Gerichts gewesen, sich ein Bild von den Parteien beziehungsweise deren Prozessvertretern zu machen, und könne somit als eine der wenigen Ausprägungen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes im kammergerichtlichen Verfahren beurteilt werden.776 Baumann zieht hieraus den Schluss, dass es deshalb „dem Selbstverständnis des Gerichts [widersprach], die Audien zen abzuschaffen und ganz zum Schriftlichkeitsprinzip überzugehen“.777 Während das in der Audienz praktizierte Umfrageverfahren zunächst noch als ein Überbleibsel des mündlichen, dinggenossenschaftlich strukturierten Verfahrens gesehen werden kann, wurde die Audienz später vor allem für Organisatorisches und die Überreichung der Schriftsätze genutzt.778 Sie blieb jedoch insofern von Bedeutung, als nur in ihr Prozesshandlungen ausgeführt werden konnten.779 Faktisch förderten viele – zum Teil neu eingeführte – Elemente des Kameralprozesses die weitere Verschriftlichung des Verfahrens, wie zum Beispiel das Artikel verfahren oder die kommissarische Vernehmung von Zeugen. Daraus kann jedoch nicht
7 69 Wetzell: System (1861), S. 738. 770 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 40, S. 256 f.; Feuerbach: Öffentlichkeit und Mündlichkeit (1821), S. 199. 771 Wetzell: System (1861), S. 737. 772 Dick: Kameralprozess (1981), S. 120. 773 Sellert zitiert hier Wetzell (Wetzell: System (1861), S. 737); Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 135. 774 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 135. 775 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 135. 776 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 135 f. 777 Baumann: Advokaten und Prokuratoren (2011), S. 30. 778 Diestelkamp: Audienz (1993), S. 6. 779 Diestelkamp: Audienz (1993), S. 7.
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geschlossen werden, dass der Prozess in vollem Umfang schriftlich ablief. Diestelkamp zeigt auf, dass vom 16. über das 17. bis hin zur Mitte des 18. Jahrhunderts durchaus mündliche Elemente im Reichskammergerichtsprozess enthalten waren.780 Er verweist insbesondere auf die Gemeinen Bescheide, welche wiederholt das ausschweifende mündliche Vorbringen der Prokuratoren rügen,781 und demonstriert, dass nicht die Mündlichkeit an sich, sondern die daraus resultierende Weitschweifigkeit beanstandet wird.782 Diestelkamp unterteilt die Fälle, in denen die Mündlichkeit eine Rolle spielt, in drei Gruppen: erstens die schriftlichen Rezesse, welche verlesen werden, um allen Assessoren den Inhalt der jeweiligen Akte zur Kenntnis zu bringen, zweitens die Fälle, in welchen der mündliche Vortrag der Parteien durch das Diktieren in die Feder des Protokollierenden zum Prozessstoff wird und drittens Fälle, in denen für die Prozesshandlung eigentlich Mündlichkeit vorgesehen ist, diese jedoch durch Schriften ersetzt wird (schriftlicher statt mündlicher Rezess).783 Abschließend attestiert Diestelkamp dem im Grundsatz schwerfälligen reichskammergerichtlichen Verfahren aufgrund der mündlichen Elemente eine gewisse Flexibilität.784 In Rottweil lief vor Einführung der NHGO nahezu die gesamte Verhandlung mündlich ab – dies gilt auch für die Vorträge der Prokuratoren 785. Die NHGO führt hierzu aus, dass es hohe notturfft erfordere, dass von nun an der Protonotar alle und jede Recess, und mündtliche fürträg im Gericht alßbald fleissig verzeichne, und damit er an solchem geschefft, und schreiben nit verhindert, soll ihme ein Cantzleyperson zuge setzt werden.786 Darüber hinaus legt die NHGO fest, dass die Prokuratoren auch in den rechtlichen mündtlichen fürträgen dergestalt in die feder reden, das der Protonota rius (welcher alle und jede ire wort und reden zuuerzeichnen schuldig) solches von wort zu wort prothocoliern und auffschreiben möge.787 Spätestens seit dem 17. Jahrhundert stellten die Prokuratoren lediglich noch ihre Anträge mündlich und reichten ihre 780 Diestelkamp: Beobachtungen (2009), S. 105 – 115. 781 Hierzu exemplarisch auch Gemeiner Bescheid vom 19. Juni 1532 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 19, S. 143 – 145), Gemeiner Bescheid vom 18. Juni 1533 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 20, S. 146 – 148) und insbesondere Gemeiner Bescheid vom 29. November 1536 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 28, S. 165 f.). 782 Diestelkamp: Beobachtungen (2009), S. 108. 783 Diestelkamp: Beobachtungen (2009), S. 114. 784 Diestelkamp: Beobachtungen (2009), S. 115. 785 Kohler: Verfahren (1904), S. 64. Bereits die AHGO verwendet neben den Bezeichnungen Anwalt und Klag- bzw. Sachführer den Begriff Prokurator (AHGO, Part. 1 Tit. 4, S. 318). 786 NHGO, Part. 1 Tit. 9, fol. 9r. 787 NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 6v. Auch am Reichskammergericht sollten die Prokuratoren ihre mündlichen Rezesse in die Feder diktieren (Baumann: Advokaten und Prokuratoren (2011), S. 30). Oestmann merkt hierzu an, dass solche Rezesse von den Schriftsätzen zu unterscheiden seien. So bedeute ein mündlicher Rezess nicht etwa, dass die Prokuratoren
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Schriftsätze zu den Akten. Diese wurden dann in den im Rathaus stattfindenden Gerichtssitzungen von einem Sekretär verlesen.788 Die Schriftsätze der Anwälte gewannen somit für den Prozess am Hofgericht immer mehr an Bedeutung. Dies kann auch schon vor der Einführung der NHGO im Jahre 1572 beobachtet werden.789 Die Schriftsätze gliedern sich in Geschichtserzählung, medium concludendi und Antrag.790 Sie wurden grundsätzlich von den Advokaten in folio geschrieben, in Quart gefaltet, von den Prokuratoren unter Nennung des Advokaten unterschrieben und in der Verhandlung übergeben.791 Die Hofgerichtsanwälte (in ihrer Eigenschaft als Advokaten) führten Geschichtserzählung (Sachverhaltserzählung) und rechtliche Bewertung oft sehr breit aus, woraufhin das Gericht das Vorbringen zurückwies beziehungsweise die Entscheidung aufschob.792 Allerdings mussten auch im Hofgerichtsprozess nach 1572 die Parteien nicht alles schriftlich vorbringen, was die sogenannten mündlichen statt schriftlichen Rezesse belegen.793 Diese mündlichen Vorträge wurden jedoch auch schrift lich fixiert und kopiert. Im Übrigen überwiegt jedoch, insbesondere nach Einführung der NHGO, der gegenteilige Fall, nämlich der schriftliche statt mündliche Rezess.794 Wie Diestelkamp betont, ist dieses – am Reichskammergericht allem Anschein nach jedoch seltener als am Hofgericht auftretende – „dem Prinzip der Schriftlichkeit vom Ansatz her widerstreitende Phänomen gleichwohl nicht zu übersehen“.795 Daraus folgt, dass in der Theorie für das Rottweiler Verfahren grundsätzlich in erhöhtem Maße mündliche Anteile vorgesehen waren, während diese in der Praxis oftmals durch Schriftlichkeit ersetzt wurden. Die NHGO regelt grundsätzlich nur das ordentliche schriftliche Verfahren. An zwei Stellen verweist die Ordnung jedoch auf einfache Sachen, in denen die
in den Audienzen ihre Schriftsätze vorlasen (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 53 f.). 788 Grube: Verfassung (1969), S. 190; Zimmern: Manuale (1720), S. 23 f. Ruckgaber führt allerdings mit Blick auf die letzte im Jahre 1784 gehaltene Gerichtssitzung aus, dass die Prokuratoren ihre Supplikationen und Rezesse bei der Eröffnung der Sitzung öffentlich vorlasen (Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 1 (1836), S. 118). Dies mag jedoch daran gelegen haben, dass das Gericht faktisch nicht mehr tätig war und die Gerichtseröffnung in erster Linie der Unterhaltung der Anwesenden diente (Laufs: Verfassung und Verwaltung (1963), S. 72 f.; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 26). 789 So beispielsweise HStASt C1 Bü 406 und HStASt C1 Bü 641. 790 Grube: Verfassung (1969), S. 190; Zimmern: Manuale (1720), S. 36 f., S. 179 – 186, S. 237. 791 Weissler: Rechtsanwaltschaft (1905), S. 197 f. 792 Grube: Verfassung (1969), S. 191; Zimmern: Manuale (1720), S. 23 f., 25 f., S. 225. 793 So zum Beispiel HStASt C1 Bü 238 (undatiert), HStASt C1 Bü 310 (1579), HStASt C1 Bü 636 (1606). 794 Unter vielen: HStASt C1 Bü 310 (1582), HStASt C1 Bü 409 (1593), HStASt C1 Bü 520 (1602), HStASt C1 Bü 537 (1612). 795 Diestelkamp: Beobachtungen (2009), S. 114.
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Parteien mündlich verhandelten,796 beziehungsweise auf Sachen, die mündlich und ohne ordentlichen Prozess gehalten wurden.797 Zusammen mit anderen summarischen Verfahrensformen 798 wie Mandatsprozessen 799 wurden sie zwar am Hofgericht 800 durchgeführt, jedoch nicht als eigenständiges Verfahrensmodell in der NHGO behandelt. f. Unmittelbarkeit Nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz sollen die den Rechtsstreit entscheidenden Personen die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen und Beweise unmittelbar wahrnehmen können. Die Unmittelbarkeit des Verfahrens ist nahezu immer mit der Mündlichkeit des Verfahrens verbunden. Das muss jedoch nicht unbedingt heißen, dass ein schriftlicher Prozess stets geheim ist. Je weiter sich der Prozess am Reichskammergericht verschriftlichte, desto mehr rückte die Unmittelbarkeit des Verfahrens in den Hintergrund. Während der Reichskammergerichtsprozess nach der RKGO von 1471 noch weitgehend mündlich ausgestaltet ist, die Richter also unmittelbar die gerichtlichen Parteihandlungen wahrnehmen konnten, verschriftlichen die folgenden Reichskammergerichtsordnungen den Prozessgang zusehends.801 Die Parteien sollen die Termine lediglich noch nutzen, um ihre Schriftsätze zu übergeben, und kein Wort mehr über deren Inhalt verlieren.802 Zudem sollen die Prozessakten nicht mehr dem gesamten Richterkollegium, sondern nur noch dem Referenten und dem Koreferenten vorliegen.803 Auch die personale Zusammensetzung des Gerichts hat im Laufe des Verfahrens nicht gezwungenermaßen die gleiche zu bleiben: Deputate (deputierte Assessoren) sollen über die zu Beginn des Verfahrens eingereichten Supplikationen, w elche zumeist die Ladung betrafen,804 entscheiden. Das im weiteren Verlauf des Prozesses stattfindende Beweisverfahren
796 […] (Im fall er klagen, vnd nit, wie in causis liquidis zugeschehen pflegt, muendtlich handlen wolt) […] (NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45r). 797 […] oder in sachen, da mündtlich, vnd ohne ordentlichen Proceß gehandlet, wie von alters herkommen gehalten werden. NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. 798 Zum summarischen Prozess oder summarischen Verfahren siehe Sedatis: Summarischer Prozeß, HRG Bd. 5 (1998), Sp. 79 f. 799 Zum Mandatsprozess siehe Hinz: Mandatsprozeß, HRG Bd. 3 (1984), Sp. 232 – 240. 800 HStASt C1 Bü 363 (1593). 801 Dick: Kameralprozess (1981), S. 125. 802 RKGO von 1507, Tit. 5; RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 23 § 4, S. 109 und Part. 3 Tit. 40 § 1, S. 256 f. 803 Diese Regelung ist schon in der RKGO von 1500 enthalten (RKGO von 1500, Tit. 18). 804 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 11 § 1, S. 227.
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sollen – durch die deputierten Assessoren ernannte – Kommissare durchführen 805 und das Kontumazialverfahren vor vier Beisitzern und einem Vorsitzenden stattfinden.806 Hatte am Hofgericht das Verfahren nach der AHGO noch mündlich und öffentlich stattgefunden,807 ändert sich dies mit Einführung der NHGO. War die Verhandlung zuvor in Rede und Widerrede abgelaufen,808 verlasen die Prokuratoren im ordentlichen Verfahren nach 1572 lediglich noch ihre Anträge und reichten ihre Schriftsätze zu den Akten.809 Auch am Hofgericht führten, allerdings vom Hofrichter und den Urteilsprechern bestellte Kommissare die Beweisaufnahme durch.810 Die NHGO weist in d iesem Zusammenhang darauf hin, dass es am Hofgericht Brauch sei, Zeugen sowie andere Beweismittel von zwei hierfür bestellten Kommissaren examinieren zu lassen, und es bei diesem Brauch auch in Zukunft bleiben solle.811 Eine weitere Durchbrechung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit findet sich in Part. 1 Tit. 3 der NHGO. Bei Stimmengleichheit der Urteilsprecher respektive, wenn die Gruppe mit der geringeren Stimmenzahl ansehenliche vnd dapffere vrsachen vorweisen kann, sollen der Hofrichter, sein Statthalter und andere Urteilsprecher, die nicht zugegen sind, den Ausschlag geben.812 Zudem hat auch am Hofgericht ein Berichterstatter die zur Entscheidung anstehenden Sachen zu referieren.813 Die Urteile selbst sollen in einem Beihofgericht 814 von mindestens sieben Beisitzern verfasst und an dem nächsten darauf folgenden Odinarii Hoffgericht in vollem Rath abgehoert werden.815 Die von den Prokuratoren in den gerichtlichen Audienzen übergebenen producten und schrifften hat der Pedell dem verordneten Registratori alßbald hinein ins gericht auff den Tisch [zu] vberantworten 816, das heißt, dass Hofrichter und Urteilsprecher diese zunächst nicht zu sehen bekommen sollten. Eine größere Rolle als im kammergerichtlichen Verfahren könnte der Unmittelbarkeitsgrundsatz aufgrund der vermehrt mündlichen Handlungen in einfachen Sachen (causae liquidae) gespielt haben. Zu diesem Verfahren enthält die NHGO jedoch keine näheren Bestimmungen. 805 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 11 § 3, S. 228 und Tit. 16 §§ 1 und 2, S. 238. 806 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 10 § 1, S. 225; Dick: Kameralprozess (1981), S. 125. 807 Kohler: Verfahren (1904), S. 64. 808 Kohler: Verfahren (1904), S. 64. 809 Grube: Verfassung (1969), S. 190. 810 NHGO, Part. 1 Tit. 14, fol. 13r, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. 811 NHGO, Part. 1 Tit. 14, fol. 13r. 812 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5r. 813 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 3v und Tit. 8, fol. 8v. 814 In NHGO, Part. 1 Tit. 3 werden Beihofgerichte als Termine, darinnen die beschlossenen sachen referiert, vrtheil vnd bescheydt verfasst werden, bezeichnet. Für diese Beihofgerichte waren vor 1572 keine bestimmten Zeiten vorgesehen gewesen. Die NHGO ordnet an, dass in Zukunft alle zwei Wochen Beihofgerichte stattfinden sollen. Zu allem siehe NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5v. 815 NHGO, Part. 3 Tit. 16, fol. 53r. 816 NHGO, Part. 1 Tit. 15, fol. 13v.
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g. Öffentlichkeit Mit Blick auf die Öffentlichkeit des Verfahrens muss zunächst zwischen allgemeiner Öffentlichkeit und Parteiöffentlichkeit unterschieden werden. Unter der (allgemeinen) Öffentlichkeit des Verfahrens wird die Öffentlichkeit der Verhandlung, also deren freie Zugänglichkeit verstanden. Die Parteiöffentlichkeit hingegen gestattet den am Prozess beteiligten Parteien und ihren Vertretern, Einsicht in die Prozessakten zu nehmen. Dick ordnet das Verfahren am Reichskammergericht nach der Ordnung von 1555 „im ganzen als ein nichtöffentliches geheimes Verfahren“ ein, in dem den Parteien ein „eingeschränktes Recht auf Einblick in die Prozessakten“ zugekommen sei.817 Elemente der Öffentlichkeit im kammergerichtlichen Verfahren waren die Audienzen, die mit den Urteilsverkündungen bei geöffneter Tür anfingen.818 Danz berichtet für das Ende des 18. Jahrhunderts, dass die Audienzen frei zugänglich gewesen seien.819 Ob dies auch im 16. und 17. Jahrhundert der Fall war, lässt sich nicht belegen.820 Ansons ten wirkt das schriftliche Kameralverfahren dem Öffentlichkeitsgrundsatz entgegen. Rein schriftliche Verfahrenshandlungen lassen sich durch die Öffentlichkeit nicht unmittelbar kontrollieren und machen diese weitgehend entbehrlich. Die Schrift lichkeit eines Verfahrens führt somit zwar nicht zwangsläufig dazu, das Verfahren als geheimes anzusehen, sie lässt jedoch die Öffentlichkeit als Verfahrensgrundsatz in den Hintergrund treten. Dies lässt sich ferner an den Geheimhaltungspflichten des Kanzleipersonals 821 sowie daran erkennen, dass den Prokuratoren der Zutritt zur Kanzlei mittels einer Schranke verwehrt war.822 Der Prozess nach der AHGO lief mündlich und öffentlich ab und die Parteien stritten vor dem Hofgericht mittels Rede und Widerrede.823 Die Vorbereitungen für die Verhandlungen fanden in der Rathausstube statt 824 und dienten den Urteilsprechern dazu, den Hofrichter oder seinen Statthalter willkommen zu heißen 825. Begann die Hofgerichtsglocke zu läuten, verließ das Hofgerichtspersonal das Rathaus und begab sich zur Mal- und Dingstätte im Haingarten.826 Thudichum 817 Dick: Kameralprozess (1981), S. 124. 818 RKGO von 1555 Part. 3 Tit. 1 § 1, S. 219. Dick: Kameralprozess (1981), S. 123. 819 Danz: Reichsgerichts-Prozess (1795), §§ 130 und 131, S. 221 – 223; Dick: Kameralprozess (1981), S. 123. 820 Dick: Kameralprozess (1981), S. 123. 821 RKGO von 1555 Part. 1 Tit. 58 bis 61, S. 151 – 153, Tit. 63 f., S. 154 – 156 und Tit. 79 f., S. 159 f. 822 RKGO von 1555 Part. 1 Tit. 24 § 4, S. 112. 823 Kohler: Verfahren (1904), S. 64. 824 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 33 f. 825 Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 89. 826 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 34. Näheres zum Zeremoniell bei Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 89 f. Ursprünglich hatte das Gericht auf dem
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betont jedoch, dass seit dem 16. Jahrhundert – es lässt sich nicht genau sagen, ob schon vor oder erst nach Einführung der NHGO – lediglich noch die Eröffnungs- und Verkündungstermine im Freien 827, die eigentliche Verhandlung der Sachen jedoch wieder in der Rathausstube stattfanden.828 Ein Bild aus dem Druck der AHGO von 1535 zeigt das Hofgericht als eigenes großes Gebäude mit einem Innenhof. Jeweils ein Tor führt links in den Sitzungssaal, rechts in die Kanzlei.829 Auch in der dritten Basler Ausgabe der Kosmographie von Sebastian Münster von 1550 ist ein Bild eines stattlichen Baus enthalten, welcher das Hofgericht darstellen soll.830 Zu dem mehrstöckigen Gebäude führt eine große Freitreppe hinauf. Vor dem Bau und auf der Treppe stehen zahlreiche Menschen, die zum Teil in Gespräche vertieft sind.831 Laufs sieht in solchen „Phantasiebild[ern]“ 832 des Hofgerichts als Gebäude das Bemühen der Rottweiler, das Hofgericht als „Residenz des Rechts“ 833 darzustellen und dessen jurisdiktionellen Anspruch sowie den vermeintlich daraus folgenden verlässlichen und effektiven Rechtsgang zu manifestieren. Ein weiteres Bild in den Frankfurter Drucken der AHGO von 1551 und 1564 zeigt eine mit einer Schranke abgesperrte Gerichtsstätte. Innerhalb der Schranke befinden sich der auf dem Gerichtsstuhl sitzende Hofrichter, die links und rechts von ihm auf Bänken platzierten Urteilsprecher, eine der Parteien sowie der Waibel.834 Grube merkt hierzu an, dass die Anwälte im Haingarten außerhalb der Gerichtsschranke stehen mussten, in der Rathausstube jedoch an Tischen innerhalb der Schranken sitzen durften.835
Königshof in der Mittelstadt bei der Mauritiusklause getagt, bevor König Sigismund am 7. September 1418 die Verlegung in den zentraler gelegenen Haingarten (auch Tiergarten genannt) gestattete. RUB , Nr. 841, S. 360 f.; Steinhauser: Rottweiler Hofgericht (1940), S. 24. 827 Wie sehr man im Freien zum Teil unter den Launen des Wetters litt, beschreibt Elsbeth von Rechberg in einem Brief vom 25. Oktober 1459 mit den Worten Dann wir sien uff dem nehsten hofgericht bi uch gewesen. Do hand ihr frowen und junkfrowen, edel und unedel, ouch buren ussgericht und hand uns laussen friezen in grossem ungewitter und hand kain erbermd mit uns gehapt […]. RUB, Nr. 1244, S. 554 f. 828 Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 89. 829 Steinhauser: Rottweiler Hofgericht (1940), S. 24 f. 830 Steinhauser: Rottweiler Hofgericht (1940), S. 25. 831 Steinhauser: Rottweiler Hofgericht (1940), S. 25. 832 Steinhauser: Rottweiler Hofgericht (1940), S. 25. 833 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 35. 834 Eine nähere Beschreibung findet sich bei Steinhauser: Rottweiler Hofgericht (1940), S. 26. 835 Im Übrigen habe auch das Publikum im 18. Jahrhundert im Haingarten auf Bänken innerhalb der Schranke sitzen dürfen (Grube: Verfassung (1969), S. 189).
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Es steht zu vermuten, dass mit der durch die NHGO forcierten Verschrift lichung des Prozesses auch am Hofgericht die Öffentlichkeit des Verfahrens stark abnahm. Die im Freien stattfindenden Eröffnungs- und Verkündungstermine 836 legen zwar nahe, dass auch die in der Rathausstube stattfindende Verhandlung öffentlich war, nachweisen lässt sich dies jedoch nicht. Die Prokuratoren sollten fortan dem Protonotar ihre Vorträge in die Feder diktieren.837 Es wurde jedoch im Laufe des 17. Jahrhunderts gebräuchlich, dass die Prokuratoren lediglich noch ihre Anträge verlasen und die Rezesse zu den Akten reichten.838 Wie auch am Reichskammergericht dürfen die Prokuratoren nach der NHGO nicht die Schranke zur Kanzlei passieren.839 Vielmehr soll der Pedell in den gerichtlichen audientien, die producten / vnd schrifften / so die Procuratores einlegen empfahen / vnd dem verord neten Registratori, alßbald hinein ins gericht auff den Tisch vberantworten.840 Auch die Betonung der Geheimhaltungspflichten in den Eiden des Kanzleipersonals 841 sprechen für einen Rückgang der Öffentlichkeit des Verfahrens. Die Verkündung des Urteils erfolgt jedoch weiterhin in offener Audienz. 842 Zur Bedeutung der Öffentlichkeit in den mündlichen Verhandlungen der causae liquidae 843 lässt sich mangels tiefer reichender Bestimmungen zum Verfahren in einfachen Sachen in der NHGO nichts sagen. h. Dispositionsgrundsatz Gemäß dem Dispositionsgrundsatz haben es die Parteien in der Hand, ob sie einen Prozess durchführen oder nicht. Entschließen sie sich dafür, bestimmen sie auch dessen Gegenstand. 836 Ähnlich nach der Carolina: Von besitzung vnnd beleuttung des entlichen gerichts (Schroeder: Peinliche Gerichtsordnung, Tit. 82, S. 61) und Wie der Richter die u rtheyl öffen soll (Schroeder: Peinliche Gerichtsordnung, Tit. 94, S. 66 f.). 837 NHGO, Part. 1 Tit. 6. Die gleiche Vorschrift findet sich auch in RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 23 § 6, S. 110, jedoch nur für solche Fälle, in denen ein mündlicher Vortrag der Prokuratoren vorgeschrieben war. Davon, dass diese unmittelbare Art der Protokollierung des Öfteren Schwierigkeiten bereitete, zeugen unter anderem ein Gemeiner Bescheid vom 27. November 1539 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 38, S. 183) und ein weiterer vom 22. Januar 1556 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 50, S. 206 f.). 838 Grube: Rottweiler Hofgericht (1969), S. 190. 839 NHGO, Part. 1 Tit. 6. 840 NHGO, Part. 1 Tit. 15. 841 NHGO, Part. 1 Tit. 19 bis 22, Tit. 24 bis 26, Tit. 42 und Tit. 43. 842 NHGO, Part. 3 Tit. 16. 843 NHGO, Part. 3 Tit. 2.
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Wie das Reichskammergericht 844 wird das Hofgericht sowohl nach der AHGO 845 als auch nach der NHGO 846 grundsätzlich nur auf Begehren der Parteien tätig. In der NHGO benutzte Wendungen wie begehrt, zu erkennen bittet, sich zu […] Handlung zuzulassen weisen auf Dispositionsmöglichkeiten der Parteien hin.847 Wird der Kläger vor der Kriegsbefestigung säumig, soll (wie bißhero) das furnemen ab erkendt / vnd der beklagt von der citation absoluiert / vnd ime der kleger in die kosten condemniert werden.848 Ist er jedoch vor der Kriegsbefestigung erschienen und hat seine Klage vorgebracht, bleibt aber danach – immer noch vor der Kriegsbefestigung – aus, hat der Beklagte nach der NHGO die Wahl, sich auf Antrag von der Ladung entbinden zu lassen oder den Krieg zu befestigen und mit dem Verfahren fortzufahren.849 Diese Regelungen zur Säumnis des Klägers beinhalten sowohl die RKGO von 1555 als auch die NHGO. Während Sellert das Nichterscheinen des Klägers mit der Folge, dass der Beklagte von der Ladung entbunden wird, als eine Art Klageverzicht einstuft 850, differenziert Damrau überzeugenderweise zwischen dem Nichterscheinen des Klägers und dem ausdrücklich kundzugebenden Klageverzicht.851 Eine Regelung wie die zur Litiskontestation in Part. 3 Tit. 3 § 14 der RKGO von 1555, aus der man e contrario eine Regelung für das Anerkenntnis ziehen könnte, sucht man in der NHGO vergeblich. Sie regelt zwar die Kriegsbefestigung, jedoch nur in wenigen Worten.852 Es ist allerdings davon auszugehen, dass auch im hofgerichtlichen Prozess ein Anerkenntnis bei der affirmativen Litiskontestation vorgesehen war.853 Eine Geständnisfiktion für beide Parteien im Sinne von Part. 3 Tit. XV § 7 der RKGO von 1555 findet sich auch in der NHGO. Hat es danach eine Partei versäumt, auf die Artikel des Gegners zu antworten, kann dieser begehren, seine Artikel fuer bekant anzu nemen.854 Die NHGO äußert sich nicht explizit zur Möglichkeit der Klageänderung. Jedoch ist anzunehmen, dass sie der in Part. 3 behandelten Litiskontestation die gleichen materiellrechtlichen Wirkungen beimisst, wie sie auch für die Litiskontestation am Reichskammergericht galten.855 844 Zum Beispiel RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 41 § 1, S. 140. 8 45 AHGO , Part. 2 Tit. 1, S. 320 (Ladung des Beklagten), Tit. 3, S. 321 (Klagsetzung durch Kläger). 846 NHGO, Part. 2 Tit. 8, fol. 41r (Ladung) und Tit. 9, fol. 41r (Verkündung). 847 Beispielhaft hierfür NHGO, Part. 2 Tit. 2, Tit. 3, Tit. 10, Tit. 14, Part. 3 Tit. 5. 848 NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 51r. 849 NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 51r f. 850 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 273. 851 Damrau: Prozeßmaximen (1975), § 9, S. 33. 852 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. 853 Dick: Kameralprozess (1981), S. 308 Fn. 240. 854 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v f. Siehe auch NHGO, Part. 3 Tit. 13 und 14. Vertiefend zum Verhältnis Geständnis – Anerkenntnis, S. 137. 855 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 247 f.; Weiske: Rechtslexikon Bd. 6, S. 164 f.; Dick: Kameralprozess (1981), S. 126.
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Eine ähnlich ausführliche Regelung des Armenrechts, welches die Disposi tionsfreiheit durch eine Vorprüfung der Erfolgsaussichten der Parteien einschränkt und wie sie in der RKGO von 1555 beschrieben wird,856 findet sich in der NHGO nicht. Lediglich an zwei Stellen der Ordnung wird auf arme Parteien Bezug genommen. Zum einen im Zusammenhang mit der Beschreibung der Aufgaben der Prokuratoren vor Gericht,857 zum anderen muss die arme Partei nach NHGO Part. 1 Tit. 41 einen Eid leisten, dass sie sich weder einen Advokaten noch einen Prokurator leisten kann und über keinerlei Vermögen verfügt (weder fahrende noch liegende Habe; keine Forderungen).858 Das Exemtionsprivileg bietet dem Beklagten eine weitere Möglichkeit, über das Verfahren zu disponieren. Macht er es geltend, muss das Hofgericht die Sache remittieren.859 Schließlich steht es dem Beklagten nach Part. 3 Tit. 12 NHGO bis zum Zeitpunkt der Kriegsbefestigung frei, eine Gegenklage (Rekonvention) gegen den Kläger anzustrengen.860 Wie auch im Reichskammergerichtsprozess konnten die Parteien im Hofgerichtsprozess somit den Verfahrensgegenstand bestimmen und mit Blick auf Beginn und Beendigung des Prozesses überwiegend frei disponieren. Gerade mit Blick auf die Geltendmachung von Exemtionsprivilegien versuchte das Gericht, dieser Disposi tionsfreiheit durch die Ehehaftsfälle entgegenzuwirken. i. Verhandlungsmaxime Im heutigen Prozessrecht wird z wischen der Dispositions- und der Verhandlungs maxime differenziert. Im Unterschied zur Dispositionsmaxime betrifft die Verhandlungsmaxime nicht die Disponibilität des Verfahrensgegenstandes, sondern die Beibringung des Tatsachenstoffs, auf der die Entscheidung des Gerichts beruht. Das Gericht soll lediglich als Forum für den Rechtsstreit dienen. Die Parteien entscheiden, welche Tatsachen sie in den Prozess einführen, w elche sie unstreitig stellen und für welche Tatsachen sie den Beweis antreten. 8 56 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 41, S. 140 f. 857 Da auch der armen bartheyen sachen an ir, der Procuratorn einen gelangt, soll derselbig die abzunemen, vnd seinem besten fleiß nach zuuerwalten schuldig sein, vnd damit gleich heit gehalten, keiner darunder fuer den andern beschwerdt werde (NHGO, Part. 1 Tit. 6, fol. 7r). 858 NHGO, Part. 1 Tit. 41, fol. 26r f. 859 NHGO, Part. 2 Tit. 4, fol. 32v–34r. Freilich versuchte das Hofgericht, durch strenge formelle Voraussetzungen in Bezug auf die Exemtionsprivilegien (NHGO, Part. 2 Tit. 4, fol. 32v–34r) und durch die Ehehaften (Part. 2 Tit. 5, fol. 34r–40r) dieser Möglichkeit, das Verfahren aus der Zuständigkeit des Hofgerichts zu lösen, entgegenzuwirken. Vertiefend zu Exemtionsprivilegien und Ehehaften siehe S. 187 – 195. 860 In der RKGO von 1555 wird die Gegenklage in Part. 3 Tit. 30 geregelt.
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Die gemeinrechtliche Literatur differenziert überwiegend nicht z wischen diesen zwei Grundsätzen, sondern fokussiert die Gemeinsamkeit, das heißt die Maßgeblichkeit des Parteiwillens.861 Wetzell schreibt hierzu, dass „der Richter das Urtheil nicht aus objectiven Gründen zu schöpfen [hat], sondern aus dem ihm von den Parteien gelieferten Material, und auf den Inhalt des Urteils übt daher der Wille der Parteien durch Verzicht und Geständniß einen unbemeßbaren Einfluß“.862 Vor dem Reichskammergericht sind die Parteien nach der RKGO von 1555 selbst dafür verantwortlich, die prozessrelevanten Tatsachen beizubringen und dafür Beweis anzubieten.863 Dies ist auch gemäß der NHGO von 1572 der Fall.864 Das Artikelverfahren erleichterte es ihnen dabei, ihr Prozessrechtsverhältnis zu schärfen und die verfahrensentscheidenden Punkte herauszuarbeiten. Die Parteien hatten die entscheidenden Prozessimpulse zu geben, wie beispielsweise die Veranlassung der Zitation (Ladung und Verkündung)865 des Gegners. Vorschriften, in denen von einem Ermessen des Richters 866 die Rede ist, lassen nicht notwendigerweise auf die Inquisitionsmaxime respektive eine Durchbrechung der Verhandlungsmaxime schließen. In ihnen manifestiert sich lediglich die Prozess leitungsbefugnis des Hofrichters.867 j. Rechtliches Gehör Nach diesem Grundsatz haben die Parteien das Recht sich zu äußern, bevor eine mög licherweise für sie nachteilige Entscheidung des Gerichts ergeht. In der NHGO finden sich viele Stellen, die darauf hinweisen, dass sich die Parteien vor Entscheidungen des Gerichts äußern durften. Unter anderem sind hier die frühzeitige 868 Ernennung der Kommissare 869, das Nichtbestreiten beziehungsweise Bestreiten einer Abforderung durch den Anwalt des Klägers 870, die Terminverlegung 871 und die Befreiung aus 8 61 Dick: Kameralprozess (1981), S. 126 f.; Wetzell: System (1861), S. 61 f. 862 Wetzell: System (1861), S. 422. 863 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 11, S. 237 und Tit. 17 § 1, S. 239. 864 NHGO, Part. 3 Tit. 5 und Tit. 7. 865 NHGO, Part. 2 Tit. 7, Tit. 8 und Tit. 9. Zur Zitation im Gemeinen und zur Unterscheidung zwischen Ladung und Verkündung siehe S. 108 – 114. 866 Zum Beispiel NHGO, Part. 3 Tit. 6 (Ermessen hinsichtlich Beweisfristen) und Tit. 15 (Ermessen hinsichtlich der Befreiung des Beklagten aus der Acht). 867 So für das Reichskammergericht Dick: Kameralprozess (1981), S. 127. Wobei anzumerken ist, dass die Position des Rottweiler Hofrichters durch die NHGO insgesamt gestärkt wurde. 868 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. 869 NHGO, Part. 1 Tit. 14, fol. 13r; Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. 870 NHGO, Part. 2 Tit. 4, fol. 33v und 34r. 871 NHGO, Part. 3 Tit. 1, fol. 44v.
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der Acht mit dem Willen des Klägers 872 zu nennen. Somit sichert die NHGO den Parteien grundsätzlich zu, dass das Gericht sie vor wichtigen Entscheidungen hört. Schwartz sieht in dem seiner Ansicht nach übermäßig gewährten rechtlichen Gehör sogar einen der zentralen Gründe für den schleppenden Gang des Verfahrens.873 Vordergründig ist dem zuzustimmen, allerdings kann durch die Gewährung rechtlichen Gehörs auch der Austausch der Parteien weiter gefördert und eventuell ein Ausgleich gefunden werden.
4. Verfahrensablauf a. Klage Die NHGO enthält keine Regelung zur Einleitung des Verfahrens. Vielmehr steigt sie sogleich mit dem ersten Termin in die Verfahrensvorschriften ein. Aus den Akten geht jedoch hervor, dass der Kläger durch Supplikation an das Gericht die Zitation und das Erscheinen des Beklagten vor Gericht beantragte.874 Seit dem Jüngsten Reichs abschied von 1654 hatte er neben diesem Prozessantrag die Verurteilung des Klägers zu beantragen (Sachantrag).875 Die Klageschrift selbst soll nach der NHGO dem Kläger in Fällen der Ladung erst im ersten Termin übergeben werden.876 In Fällen der Verkündung soll der Beklagte die Klageschrift zwar auch im ersten Termin erhalten,877 sie soll jedoch schon in summarischer beziehungsweise artikulierter Weise in der Verkündung enthalten sein.878 Dies erinnert an den Sächsischen Prozess 879, in welchem der
872 NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52v. 873 Schwartz: Cicvilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 100 f. 874 Supplikationen um Zitation: HStASt C1 Bü 251 (1587 – 1590), Bü 271 (1595 – 1596), Bü 322 (1597 – 1605), Bü 335 (1597 – 1599), Bü 384 (1599), Bü 403 (1598), Bü 412 (1579 – 1584), Bü 417 (1579 – 1588), Bü 467 (1596 – 1601), Bü 470 (1580 – 1592), Bü 533 (1580 – 1590), Bü 538 (1572 – 1577), Bü 570 (1590 – 1602), Bü 594 (1598 – 1608), Bü 612 (1582 – 1586) und Bü 614 (1583 – 1598). Supplikationen um Verkündung: HStASt C1 Bü 517 (1597 – 1599), Bü 533 (1580 – 1590) und Bü 600 (1591 – 1592). 875 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 34. 876 NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45r. So auch am Reichskammergericht: RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 12 § 8, S. 230 §§ 15 und 16, S. 232 und Tit. 13 § 5, S. 234. 877 NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45r. 878 NHGO, Part. 2 Tit. 7 fol. 41r. Siehe auch HStASt C1 Bü 231 (1594), Bü 236 (1593 – 1595), Bü 283 (1601 – 1603), Bü 370 (1576 – 1580), Bü 397 (1561 – 1588), Bü 399 (1594 – 1604), Bü 410 (1571 – 1578), Bü 602 (1591 – 1594), Bü 636 (1595 – 1608) und Bü 641 (1555 – 1572). 879 Im Gegensatz zum vom römisch-kanonischen Recht geprägten Kameralprozess hatten sich im Sächsischen Prozess deutschrechtliche Eigenheiten erhalten und weiterentwickelt (Sellert: Sächsischer Prozess, HRG Bd. 4 (1990), Sp. 36 f.).
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Beklagte unter Übergabe der Klageschrift geladen wurde.880 Im reichskammergericht lichen Prozess informierte man den Beklagten mittels der Zitation zur Vorbereitung seiner Verteidigung lediglich kurz über den Sachverhalt.881 aa. Zitation Unter dem Oberbegriff der Zitation unterscheidet die NHGO zwischen der Ladung als einfacher Form und der Verkündung als strengerer Form der Zitation und beruft sich diesbezüglich auf den stylo, und gebrauch des Hofgerichts.882 Mit dieser Unterscheidung übernimmt die NHGO ein wesentliches Merkmal der AHGO, w elche diese verschiedenen Ladungsarten – die einfache Ladung nennt sich hier Fürbott – schon für das 15. Jahrhundert vorsieht.883 Im Folgenden wird deshalb insbesondere auch auf die Vorschriften der AHGO verwiesen. Die RKGO von 1555 hingegen stellte ledig lich gewisse Anforderungen an Form und Inhalt der Ladungsschreiben 884, unterteilte diese jedoch nicht in zwei verschiedene Arten. Aus den Vorschriften über die Tax der Kanzleigefälle ergibt sich jedoch, dass die Ladung auch als schlechte Zitation beantragt werden und ergehen kann.885 Die Ladung kann mit einem Kompulsorialbrief, einer Inhibition oder einem Mandat verbunden werden.886 Herkömmlicherweise beinhalteten die Zitationen sechs Merkmale: den Namen des Richters, den Namen des zitierten Beklagten, den Namen des Klägers, den Ort des Gerichts und den Tag und Termin, an dem der Prozess stattfinden sollte.887
880 Die Ladung unter Übergabe der Klageschrift wurde durch den Jüngsten Reichsabschied auch am Reichskammergericht eingeführt ( Jüngster Reichsabschied von 1654, §§ 34 und 37). 881 Gail: Practicae Observationes (1673), Lib. 1 Obs. 51 Nr. 1, S. 178.; Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 310 und S. 412. 882 NHGO, Part. 2 Tit. 7, fol. 40v f. 883 AHGO, Part. 2 Tit. 1, S. 320 und Tit. 14, S. 325 f. 884 RKGO von 1555 Part. 3 Tit. 12, §§ 3 – 6, S. 229 f. Das Ladungsschreiben soll danach beispielsweise den Streitgegenstand detailliert genug wiedergeben, damit der Beklagte gefaßt erscheinen kann. Die Ladungsfrist beträgt dreißig Tage ab Zustellung (Dick: Kameralprozess (1981), S. 132). Eine Formel findet sich bei Danz: Reichsgerichts-Prozess (1795), § 181, S. 300 – 302. Vertiefend zur Ladung darüber hinaus: Danz/Gönner: Grundsäze (1806), §§ 105 – 119, S. 224 – 240; Wiggenhorn: Reichskammergerichtsprozeß (1966), S. 190 – 198. 885 RKGO von 1555 Part. 1 Tit. 33, S. 121 – 123; Dick: Kameralprozess (1981), S. 132. 886 RKGO von 1555 Part. 3 Tit. 31 § 1, S. 247; Part. 1 Tit. 38 § 16, S. 135. 887 Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 48 – 53, S. 165 – 189; Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 309.
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aaa. Ladung Ist die Klage in der Zitation nicht enthalten und betrifft der Rechtsstreit Zins oder andere schriftliche Obligationen, heißt diese einfache Zitation nach der NHGO Ladung.888 Speidel merkt hierzu an, dass in den hofgerichtlichen Ladungen ein Termin anberaumt und der Kläger benannt, der Klagegrund jedoch nicht angegeben wurde.889 Die NHGO schreibt weiter vor, dass Ladungen und gemeine schlechte Citationen wie bisher allein von den Prokuratoren auß der Cantzley genommen vnd dem Bottenmeister, durch die Botten verkünden zulassen, zugestalt werden.890 Die Zustellung hat also auf Initiative des Klägers zu erfolgen. Wehner gibt eine beispielhafte Ladung aus dem Jahr 1603 mit folgenden Worten wieder: Wir N. N. Keyserlichen Hoffgerichts Ampts zu Rottweil Statthalter gebieten Dir N. N. dass du antwortest auff den Hoffe zu Rotweil Zinstag nach Hilarii naechstkommendt gegen Klage L. P. zu R. geben Zinstag auff Martini Anno 1603 mit einem Zustellungsvermerk des Hofboten Hans Bregetzer.891 Wehner merkt weiter zur Ladung an, dass der Kläger, nachdem die Ladung übermittelt worden wäre, drei Hofgerichtstage abzuwarten habe und dann den Pedell um das dreimalige Rufen ersuchen solle. Bleibe der Beklagte dann immer noch aus, solle ihn der Hofrichter mit den Worten Allen denen so gerufft und sich nicht verantworten weil das Hoffgericht weret vnnd wir sitzen so künden wir sie in den Unfrieden erlauben sie ihren Feinden Leib Haab vnd Gütter aller männiglich ächten.892 Bevor der Hofrichter diese Achtformel ausspricht, soll jedoch, laut Wehner, unter den anwesenden Prokuratoren nachgefragt werden, ob einer von diesen den Beklagten vertritt.893 Die AHGO ordnet an, dass ein jeglicher selbst oder durch einen Vertreter auch außerhalb der Gerichtstermine beim Hofschreiber die Fürbott anfordern kann.894 Kohler qualifiziert deshalb die Fürbott als „Privatladung“.895 bbb. Verkündung Ist die Klage in summarischer oder artikulierter Form in der Zitation enthalten, wird sie nach der NHGO Verkündung genannt.896 Im Fall der Verkündung sollen die Prokuratoren dienstags oder donnerstags nachmittags die Klage im Hofgericht verlesen, 888 NHGO, Part. 2 Tit. 7, fol. 40v f. 889 Speidel: Hofgericht (1914), S. 102. 890 NHGO, Part. 2 Tit. 8, fol. 41r. 891 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 138 f. 892 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 138. 893 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 138. 894 AHGO, Part. 2 Tit. 1, S. 320. 895 Jack: Ehafte (2012), S. 56; Kohler: Verfahren (1904), S. 62 und S. 84. 896 NHGO, Part. 2 Tit. 7 fol. 41r.; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 102.
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übergeben und schließlich das Gericht um Verkündung anrufen.897 Sowohl der Kläger wie auch der Beklagte müssen nach der AHGO im Fall der Verkündung persönlich vor Gericht erscheinen.898 Ob dies nach der NHGO auch noch galt, ist allerdings zu bezweifeln. Erscheint der Beklagte nicht persönlich zum anberaumten Termin, kann er noch an Ort und Stelle in die Acht erklärt werden.899 Wehner führt aus, dass der Beklagte grundsätzlich auch sogleich in das Achtbuch eingetragen werden kann.900 Jedoch solle der zustellende Bote zuvor eidlich schwören, dass er die Verkündung zugestellt habe, und wiederum bei den anwesenden Prokuratoren nachgefragt werden, ob der Beklagte von einem von ihnen vertreten werde.901 Nach AHGO Part. 6 Tit. 1 soll in folgenden Fällen verkündet werden: Mord oder Totschlag, Raub, Brandstiftung, Rechtsverweigerung nach Remission, Achterklärung durch ein nicht zuständiges Landgericht, Enthaltung eines Ächters sowie bei der Nichtbefolgung eines Urteils.902 Wenn das Hofgericht in Gegenwart des Hofrichters geschmäht 903 und/oder wenn der Kläger an seiner Rechtsverfolgung gegen einen Geächteten gehindert 904 wird, ist ebenfalls zu verkünden. Jack merkt hierzu an, dass die Fälle, in denen nach der AHGO Verkündungen ergehen, späteren in NHGO Part. 2 Tit. 5 aufgezählten Ehehaftsfällen stark ähneln.905 In der AHGO fallen sie jedoch noch nicht unter die dort explizit als Ehehaften aufgeführten Fälle.906 Die sich daraus aufdrängende Frage, ob die in der AHGO genannten Verkündungsfälle auch schon als Ehehaftsfälle behandelt wurden, beantwortet Jack überzeugend folgendermaßen: Es sei zwar denkbar, dass die AHGO für bestimmte Fälle die Verkündung als strengere Form der Zitation vorschreibe, um eine Remission an ein anderes Gericht zu erschweren oder gar zu verhindern. Es sei dann jedoch nicht nachvollziehbar, warum gewisse Fälle sowohl als Verkündungs- als auch als Ehehaftsfälle eingestuft würden. Hätten Verkündung und Ehehaft dieselbe Rechtsfolge gehabt, nämlich keine Verweisung an das ansonsten zuständige Gericht, wäre eine doppelte Nennung überflüssig gewesen.907 Vielmehr könne ein Grund für die Ähnlichkeit z wischen ursprünglichen Verkündungsfällen
897 NHGO, Part. 2 Tit. 9 fol. 41r f. 898 Der Kläger musste jedenfalls in Leib- und Ehrsachen persönlich erscheinen, AHGO, Part. 2 Tit. 14, S. 325 f. Eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen galt nach AHGO, Part. 2 Tit. 7, S. 322 auch für den Beklagten. Hierzu auch Jack: Ehafte (2012), S. 56. 899 AHGO, Part. 9 Tit. 1, S. 342. 900 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 138. 901 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 138. 902 AHGO, Part. 6 Tit. 1, S. 337 f. 903 AHGO, Part. 4 Tit. 2, S. 330. 904 AHGO, Part. 9 Tit. 24, S. 353. 905 Jack: Ehafte (2012), S. 57. 906 AHGO, Part. 3 Tit. 5, S. 328 f. 907 Jack: Ehafte (2012), S. 59.
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und späteren Ehehaftsfällen darin liegen, dass das Hofgericht im Laufe der Zeit sowie im Angesicht der sich mehrenden Exemtionen seine Jurisdiktion ausweiten wollte und somit aus den Verkündungsfällen Ehehaftsfälle werden ließ.908 Diese These Jacks passt zum Auftreten der Gerichtsverantwortlichen im Zuge der Visitation des Hofgerichts und der Errichtung der NHGO. Auch hier versuchte man die Jurisdiktion des Gerichts zu erweitern, indem man unter anderem vorschlug, das Reichskammergericht durch Verweisung erstinstanzlicher Sachen an das Rottweiler Hofgericht zu entlasten.909 Vor dem Hintergrund, dass das Reichskammergericht gerade durch Rottweiler Appellationsprozesse stark belastet war,910 mutet dieser Rottweiler Vorschlag allerdings geradezu ironisch an. bb. Exekution der Zitationen Ausführlicher widmet sich die NHGO der Exekution der Zitationen – insbesondere in den Vorschriften zum Botenamt. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts beschäftigte das Hofgericht für die Zustellung sämtlicher gerichtlicher Schreiben etwa 20 Männer als Boten, kurz vor dem Untergang des Gerichts waren es noch zwei.911 Nach der NHGO müssen die Boten eine Büchse, das heißt ein Metallabzeichen mit einer Darstellung des Kaisers, an der Brust tragen.912 Der Lohn, den die Boten für ihre Arbeit erhielten, war sehr niedrig; um 1600 wird das Jahreseinkommen mit gerade einmal 20 Gulden angegeben.913 Schon nach der AHGO ist es verpflichtend, einen Gerichtsboten zur Zustellung aller aus der Gerichtskanzlei stammenden Schriftstücke einzusetzen.914 Von Zimmern ergänzt, dass die Parteien für ihre Korrespondenz zum Teil auch eigene, nicht dem Gericht angehörige Boten beauftragen beziehungsweise seit 1652 die Post verwenden konnten.915 908 Jack: Ehafte (2012), S. 60. Jack führt hier zum einen die Etymologie des Begriffs Ehaft nach Otto an; Otto, Ohnverfänglicher Entwurff, S. 4. Zum anderen verweist er auf Etzold, für den das Hofgericht im 14. und 15. Jahrhundert große Anstrengungen an den Tag legte, seine Jurisdiktion in Landfriedenssachen auszubauen (Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 15). 909 Siehe oben unter „Verlauf und Ergebnisse“ sowie „Vorgänge bis zur Konfirmierung der NHGO“, S. 45 – 50. 910 Siehe oben unter „Visitation des Hofgerichts 1571“, S. 39 – 43. 911 HStASt C1 Bü 195 fol. 113 und fol. 237; HStASt C1 Bü 191 fol. 9; HStASt C1 Bü 193 fol. 86, fol. 209 und fol. 281. 912 NHGO, Part. 1 Tit. 16, fol. 14v. 913 HStASt C1 Bü 124 fol. 2r f. 914 AHGO, Part. 2 Tit. 1, S. 320; Part. 10 Tit. 1, S. 356 f. und Tit. 8, S. 360. 915 Zimmern: Manuale (1720), S. 45 f. Auch Notare fungierten oft als Gerichtsboten (Schmoeckel: Reichsnotariatsordnung (2012), S. 63 f.; Zerbes: Wirkung (2012), S. 98 f.).
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Der Ablauf der Exekution wird in der NHGO folgendermaßen dargestellt: Der Botenmeister soll die Proceß, in diesem Zusammenhang die Zitationen, sobald diese in der Kanzlei angefertigt worden sind, an sich nehmen, an die vereidigten, für die einzelnen Gebiete zuständigen Boten verteilen und damit unverzuegenlich abfertigen.916 Der Rottweiler Zuständigkeitsbereich war in bestimmte Gebiete unterteilt, in denen jeweils zwei bis vier Boten für die Zustellung verantwortlich waren.917 Die NHGO schreibt vor, dass es weder den Prokuratoren noch den Boten zustehen soll, selbst die Zitationen aus der Kanzlei zu nehmen.918 Der Botenmeister wird dazu angehalten, dafür zu sorgen, dass die Boten möglichst zügig aufbrechen und sich nicht, wie es in der Vergangenheit gewesen sei, mit erheblicher Verspätung auf den Weg machen.919 Bevor die Boten aufbrechen, sollen sie noch den Erhalt der Zitationen in ein Regis ter eintragen.920 Die Boten sollen sich zudem gegenüber den Zustellungsadressaten, auch soweit ihnen diese feindlich entgegentraten, stets höflich und freundlich verhalten und anzeigen, dass sie verpflichtet seien, die Exekution durchzuführen.921 Die Zustellung soll entweder an den Adressaten selbst oder innerhalb seiner gewöhnlichen Behausung mindestens vierzehn Tage vor dem angesetzten Termin durch Verkündung, Überantwortung oder Anschlagen erfolgen.922 Die NHGO schreibt weiter vor, dass die Boten sodann die Exekution auf dem Original der Zitation vermerken und in ihr Register eintragen müssen.923 Grube merkt hierzu an, dass „Schriftzüge und Ausdrucksweise […] meist unbeholfen [wirken]“.924 Nach ihrer Rückkehr haben die Boten in der Hofgerichtskanzlei zu erscheinen, dem Botenmeister Bericht zu erstatten und die Exekution in das Register des Botenmeisters einzutragen.925 Zugleich sollen sie mögliche Parteihandlungen der Zustellungsadressaten vermelden 926 und ihnen von den Parteien überantwortetes und für deren Prokuratoren oder die Kanzlei bestimmtes Geld abliefern 927. Die NHGO weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Boten von den Parteien lediglich die übliche, in der Taxordnung festgehaltene Gebühr und nichts darüber hinaus verlangen dürfen.928
916 NHGO, Part. 1 Tit. 16, fol. 14r. 917 HStASt C1 Bü 191 fol. 472r f. (1565, 1566 und 1567); HStASt C1 Bü 123 fol. 1 f. (1608). 918 NHGO, Part. 1 Tit. 16, fol. 14r. 919 NHGO, Part. 1 Tit. 16, fol. 14v. 920 NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15r. 921 NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15v. 922 NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 16r. 923 NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 16r. 924 Grube: Verfassung (1969), S. 208. 925 NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15r. 926 NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15r. 927 NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15v. 928 NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15v.
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Explizit führt die NHGO die vom Grundfall abweichenden Zustellungen an bestimmte Adressatenkreise auf.929 Die Zustellung an Personen hohen Standes soll am Ort der gewöhnlichen Hofhaltung stattfinden. Wenn möglich, hat der Bote die Zitation diesen Personen zu überreichen, ansonsten dem Kanzler, den vornehmsten Räten oder Befehlshabern.930 Will von diesen Personen keine die Zitation entgegennehmen, hat sie der Bote an das Tor der Behausung zu stecken oder davor gut sichtbar zu platzieren. Keinesfalls soll er die Zitationen wieder mitnehmen.931 Bei Personen hohen Standes, die sich nicht das ganze Jahr über an einem Ort aufhalten, muss sich der Bote vor der Exekution erkundigen, an welchem Ort sie den Großteil des Jahres verbringen, und an d iesem Ort die Zustellung vornehmen.932 Erfolgt die Zustellung an einen Prälaten, einen Abt, eine Prälatin, einen Probst oder eine Äbtissin, soll der Bote die Exekution gegenüber diesen Personen persönlich vornehmen oder an den Verweser, Prior, Sekretär oder eine sonstige übergeordnete Person zustellen.933 Bei Verweigerung der Annahme hat der Bote die Zitationen entweder dem Pförtner zu übergeben, an das Tor zu stecken oder gut sichtbar vor dem Tor liegen zu lassen.934 Im Falle der Zustellung an einen Bürgermeister oder einen Rat ist der Bote angehalten, die Zitation vor versammeltem Rat zu übergeben. Ist der Rat jedoch nicht versammelt und wird er auch nicht auf Wunsch des Boten einberufen, hat er dem Bürgermeister oder seinem Verweser im Beisein von zwei Ratsmitgliedern oder – soweit diese nicht zur Stelle sind – dem Bürgermeister oder seinem Verweser alleine zuzustellen. Bei Verweigerung der Annahme soll der Bote die Zitation vor dem Bürgermeister liegen lassen. Die Exekution hat er unter Hinzufügung der Namen des Bürgermeisters und gegebenenfalls der beiden Ratsmitglieder zu verzeichnen.935 Hinsichtlich der Zustellung an eine Gemeinde oder an ein Gericht schreibt die NHGO vor, dass – sofern sich die Gemeinde oder das Gericht auf das Begehren des Boten hin nicht versammelt – die Zitationen an das Rathaus, die Pfarrkirche oder ander gewoenliche ort angeschlagen werden und dass der Bote in seinem Bericht an den Botenmeister hierüber ausführlich Auskunft erteilen soll.936 Stellt ein Bote Beläutungen, Acht- oder/und Anleitbriefe, Verbietbriefe und dergleichen zu, soll er diese an den Orten, die in den Briefen genannt sind, der Obrigkeit gegenüber verkünden oder öffent lich anschlagen.937 In allen beschriebenen Fällen ist der Bote angehalten, alles dasjenige,
9 29 Zum Grundfall siehe oben sowie NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 16r. 930 NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 16r. 931 NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 16v. 932 NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 16v. 933 NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 16v. 934 NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 17r. 935 Insgesamt zur Zustellung an einen Bürgermeister oder einen Rat: NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 17r. 936 NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 17r f. 937 NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 17v.
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was er […] verricht / vnd ime begegnet / fleissig auffschreiben / vnd zu seiner ankunfft dem Bottenmeister richtige Relation thun.938 Insgesamt lehnt sich der gesamte in der NHGO beschriebene Zustellungsvorgang stark an die Regelungen der RKGO von 1555 an.939 Die RKGO regelt die Materie jedoch noch um einiges ausführlicher. Bemerkenswert ist insbesondere, dass sich die reichskammergerichtlichen Ordnungen 940 wie auch Gemeine Bescheide 941 immer wieder dagegen wenden, dass Prokuratoren entweder die Zustellung direkt vornehmen oder sich mit einem eigenen Auftrag am Gericht vorbei an die Boten wenden.942 Auch die NHGO statuiert in Part. 1 Tit. 16 deutlich, dass die Boten die zuzustellenden Zitationen und andere Briefe nur aus der Hand des Botenmeisters entgegennehmen sollen.943 Allerdings regelt sie auch für die einfache Zitation, also die Ladung, dass diese wie bißher nur durch die Prokuratoren aus der Kanzlei genommen und erst dann dem Botenmeister zur Überreichung an die Boten gegeben werden soll.944 Formal erhält der Bote in beiden Fällen das zuzustellende Schreiben vom Botenmeister. Allerdings ergeht die Ladung auf Initiative des Prokurators und nicht auf Initiative des Gerichts. Nach der RKGO hingegen soll am Reichskammergericht das gesamte Zustellungswesen über die Kanzlei laufen, um so dessen Sicherheit und Verlässlichkeit zu gewährleisten. Die Beibehaltung der von Kohler so bezeichneten „Privatladung“ 945, also der alten Fürbott, verleiht dem Verfahren des Hofgerichts wiederum eine gewisse Flexibilität und wirkt mit Blick auf den Kanzleibetrieb entlastend. cc. Klageschrift Wie es auch Dick für die RKGO von 1555 konstatiert, gibt es in der NHGO nur wenige Hinweise, wie eine Klageschrift 946 auszusehen hat. Antworten hierauf findet man beispielsweise bei Gails Observationen zum Kameralprozess.947 Eine Klageschrift besteht danach aus Geschichtserzählung (narratio), Klagegrund und Klagbitte. Aus der narratio ergibt sich der (materiell-)rechtliche Anspruch des Klägers, 9 38 NHGO, Part. 1 Tit. 18, fol. 17v. 939 Die Zustellung wird in der RKGO von 1555 eingehend in Part. 1 Tit. 35 bis 38 dargestellt. 940 RKGO von 1495, Tit. 3 § 2; RKGO von 1496, Tit. 9 § 2; RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 37 § 6, S. 129. 941 Gemeiner Bescheid vom 27. Mai 1528 (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), RKG Nr. 15, S. 134 – 136). 942 Dick: Kameralprozess (1981), S. 134; Sellert: Ladung (1967), S. 208 f. 943 NHGO, Part. 1 Tit. 16, fol. 14r. 944 NHGO, Part. 2 Tit. 8, fol. 41r. 945 Kohler: Verfahren (1904), S. 62 und S. 84. 946 Die Klageschrift wird in der „gerichtlichen Sprache“ auch Klaglibell genannt (Hanzely: Anleitung Bd. 2 (1784), S. 304 f.). 947 Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 61, S. 211 – 214.
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der sogenannte Klagegrund. Der Klagegrund unterscheidet sich von der rechtlichen Begründung der Klage. Rechtliche Begründungen dürfen die Prokuratoren nur insoweit vorbringen, wie diese den geltend gemachten Anspruch stützen.948 Die Klage soll primär auf die narratio gestützt sein. Auf das gemeine Recht soll nur verwiesen werden, soweit sich dieses aus der Geschichtserzählung ergibt und der auf die nar ratio gestützte Anspruch dadurch untermauert wird.949 Die NHGO äußert sich zu dieser Problematik nicht. Sie verweist lediglich in ihrem letzten Titel auf die Anwendung gemeine[r] geschribne[r] Rechte[n], sollte die Ordnung keine Regelungen zu bestimmten Fällen aufweisen.950 Im gleichen Titel weist sie jedoch darauf hin, dass sich der Prozess bei mangelnden Vorschriften in der NHGO nach altem brauch / vnd herkommen oder aber nach gemeinen geschribnen Rechten / Des Heiligen Reichs abschiden / vnd ordnung zu procediern vnd zu vrtheiln schuldig / vnd pflichtig sein soll.951 Es steht somit zu vermuten, dass sich das Gericht bei – wie in diesem Fall – mangelnden Vorschriften zu Prozessfragen an der Ordnung des Reichskammergerichts, eventuell auch an den Gemeinen Bescheiden orientierte.952 Mit Blick auf die Klagbitte enthält das Klaglibell lediglich einen prozessualen Antrag auf Zitation des Beklagten. Parallel zur RKGO von 1555953 lässt die NHGO für den ersten Termin noch die summarische (allgemein gehaltene) Klageschrift zu.954 Das heißt, dass der Kläger die Klage im ersten Termin noch nicht in Artikel beziehungsweise Positionen unterteilt vorlegen muss, sondern er dies bis zum dritten Termin nachholen kann.955 Sowohl die Ladung als auch die Verkündung müssen mit dem Zustellungsvermerk versehen neben dem Klaglibell und einer Vollmacht für den Prokurator im ersten Termin vorgelegt werden.956 Ein Sachantrag muss danach folglich, bei schon artikulierter Klage, im zweiten Termin 957 nach der Litiskontestation oder, bei zunächst erst summarischer Klage, im dritten Termin 958 nach der Artikulierung erfolgen. 948 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 54 § 1. 949 Siehe hierzu insbesondere RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 40 § 2, S. 257. 950 NHGO, Part. 3 Tit. 21, fol. 54v. 951 NHGO, Part. 3 Tit. 21, fol. 54v. 952 Von einer „Ausstrahlungswirkung“ der Reichskammergerichtsordnungen geht auch Oestmann aus, zweifelt sie allerdings für die Gemeinen Bescheide an (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 17). Dafür, dass auch die Gemeinen Bescheide für das Rottweiler Hofgericht eine Rolle gespielt haben könnten, spricht, dass es einige personelle Beziehungen und Verquickungen zwischen dem Reichskammergericht und dem Rottweiler Hofgericht gab. Siehe hierzu S. 44. 953 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 12 § 8; Tit. 13 §§ 3 bis 5; Tit. 24 §§ 1 und 2. 954 NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45r. und Tit. 4, fol. 46r. 955 NHGO, Part. 3 Tit. 4, fol. 46r. 956 NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45r. 957 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. 958 NHGO, Part. 3 Tit. 4, fol. 46r.
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Wie die RKGO macht die NHGO keine konkreten Angaben zum Sachantrag.959 Die Ordnungen legen jedoch nahe, dass er wohl neben der Hauptforderung auch Nebenforderungen wie Prozesskosten und Verzugsschäden umfasste.960 Dick führt zur RKGO von 1555 überzeugend aus, dass diese zwar nicht explizit statuiere, dass das Gericht nicht über den Klagantrag hinausgehen dürfe, sich dies jedoch aus dem System der RKGO und der Dispositionsmaxime ergebe. Die Kläger hätten in der Praxis allerdings eher dazu tendiert, unbestimmte Klaganträge geltend zu machen.961 Aus den Prozessakten des Hofgerichts geht schließlich hervor, dass die Kläger neben der Einreichung eines schriftlichen Klaglibells auch die Möglichkeit hatten, dem Gerichtsschreiber die Klage in die Feder zu diktieren.962 b. Litiskontestation und Kalumnieneid aa. Litiskontestation „Die Bewertung der litis contestatio im 16. und 17. Jahrhundert entzieht sich einer einfachen und eindeutigen Antwort, zu vielschichtig und gegensätzlich sind die Quellenzeugnisse.“ So resümiert Schlinker seine Untersuchungen zur Behandlung der Litiskontestation in dieser Zeit.963 Wetzell beschreibt in seinem „Ordentlichen Civilproces“ die Litiskontestation als „die beiderseitige Erklärung der Parteien, daß und worüber sie streiten wollen“.964 Sie sei somit „derjenige Act, durch welchen das zwischen ihnen bestehende materielle Streitverhältnis (actio oder res de qua agitur) in ein formelles (judicium) verwandelt wird“.965
959 Dick: Kameralprozess (1981), S. 143. 960 Zumindest die Gerichtskosten werden des Öfteren in der NHGO erwähnt, beispielsweise in den Titeln zum Ungehorsam der nicht erscheinenden Parteien, NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 51v und Tit. 14, fol. 52r. Darüber hinaus NHGO Part. 3 Tit. 19, fol. 54r. In der RKGO von 1555 werden kosten und scheden an verschiedenen Stellen erwähnt, z. B. Part. 1 Tit. 21 § 2 und Tit. 33 § 3 sowie Part. 2 Tit. 22. 961 Dick: Kameralprozess (1981), S. 143. 962 So in folgenden Sachen: HStASt C1 Bü 413 (1580 – 1582), Bü 420 (1597 – 1603), Bü 422 (1592 – 1603), Bü 447 (1589 – 1598), Bü 470 (1580 – 1592), Bü 476 (1596 – 1614), Bü 504 (1576 – 1586), Bü 511 (1590 – 1593), Bü 520 (1592 – 1610), Bü 537 (1597 – 1612) und Bü 612 (1584 – 1586). Diese Möglichkeit ist auch aus dem Sächsischen Prozess bekannt (Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 312 f. und S. 413). 963 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 439. Generell ist auf diese Monographie Schlinkers zur Problematik der Litiskontestation zu verweisen. 964 Wetzell: System (1861), S. 80. 965 Wetzell: System (1861), S. 80.
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aaa. Grundlagen Ihre Wurzeln hat die Litiskontestation im Römischen Recht. Schlinker sieht die Litiskontestation der römischen Antike als „ein[en] formelle[n] Akt, der durch einen Zeugenaufruf die Bereitschaft zur friedlichen Streitbeilegung vor Gericht ausdrückte“.966 In der klassischen Zeit des Römischen Rechts bestand die Litiskontestation im feierlichen Aufsagen von Spruchformeln unter der von den Parteien bewirkten Hinzuziehung von Zeugen.967 Dieser gemeinsame Akt, welcher fester Bestandteil des Legisaktionen- und des Formularprozesses war, stellte den Übertritt vom Zulässigkeitsverfahren vor dem Prätor hin zum Beweismittelverfahren vor dem iudex dar.968 Zugleich unterwarfen sich die Parteien damit dem vom Gericht vorgegebenen Verfahrensprogramm.969 Im Kognitionsverfahren der klassischen Zeit bildete der Akt der Litiskontestation keinen eigenen Teil des Verfahrens, jedoch verwendete man die Bezeichnung litis contestatio, um bestimmte Wirkungen der rechtshängigen Klage zu beschreiben. Es reichte aus, dass der Beklagte der Klage widersprach.970 Auch in der nachklassischen und justinianischen Zeit stellte die Litiskontestation lediglich die Einlassung des Beklagten zur Hauptsache dar, wobei der Begriff an sich nur noch selten verwendet wurde.971 Erst wenn nach der Feststellung der Prozessvoraussetzungen und nach dem Vortrag des Klägers zur Hauptsache verhandelt wurde, galt die Litiskontestation als vollzogen.972 Die Litiskontestation des mittelalterlichen römisch-kanonischen Prozesses stellte eine „höchst feierliche[n] Prozesshandlung“ 973 dar. Durch sie bekundeten die Parteien dem Richter gegenüber gemäß ihrem Willen zu streiten und benutzten hierfür feste Formeln.974 Der Kläger brachte sein Klagebegehren folgendermaßen vor: Peto litem contestando. Der Beklagte entgegnete: Litem contestando nego narrata, prout narrantur, et dico petita fieri non debere.975 Die Reichskammergerichtsordnungen bis zum Jahre 1654 schrieben vor, dass der Beklagte durch sein Klagabweisungsbegehren die Litiskontestation im zweiten Termin vollendet.976 Während nach der RKGO von 1500 noch eine ausdrückliche förmliche
966 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 139. 967 Kaser/Knütel: Römisches Privatrecht (2009), S. 411. 968 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 139. 969 Kaser/Hackl: Zivilprozessrecht (1996), S. 490. 970 Kaser/Hackl: Zivilprozessrecht (1996), S. 490. 971 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 237. 972 Kaser/Hackl: Zivilprozessrecht (1996), S. 490 f.; Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 139. 973 Sohm: Litis contestatio (1914), § 19, S. 193. 974 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 238. 975 Sohm: Litis contestatio (1914) § 19, S. 192. 976 RKGO von 1500, Tit. 36 § 1; RKGO von 1508, Tit. 1 § 4; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 1, S. 232.
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Erklärung notwendig ist,977 beschreibt die RKGO von 1508 die Möglichkeit, die Kriegsbefestigung als in der Klageerwiderung des Beklagten enthalten anzusehen, und führt somit die Fiktion der Litiskontestation in den Prozess ein.978 Auch nach der RGKO von 1555 muss der Akt der Kriegsbefestigung nicht mehr förmlich als Litiskontestation bezeichnet werden. Die Aufzeichnung der von Beklagtem 979 und Kläger 980 zu sprechenden Formeln in der RKGO von 1555 legt jedoch nahe, dass die Litiskontestation regelmäßig mündlich in der Verhandlung erfolgte.981 Der Speyrer Reichsabschied von 1570 schaffte mit Blick auf die Litiskontesta tion eine weitere Neuerung. Diese sollte nunmehr nicht mehr mündlich, sondern schriftlich vorgenommen werden,982 was eine Aufweichung der Kriegsbefestigung als eigenständigen formalen Akt zur Folge hat.983 Wie Schlinker anmerkt, kamen nunmehr „in der Übergabe der Klageschrift und der Antwort des Beklagten die jeweils gegeneinander gerichteten Entschlüsse der Parteien, die animi litem c ontestandi, zum Ausdruck, über die streitige Angelegenheit einen Prozess zu führen“. 984 Eine weitere Neuerung, welche der Reichsabschied von 1570 einführte, war die Verpflichtung, die Litiskontestation bei geltend gemachten dilatorischen Einreden 985 eventualiter einzubringen.986 Während bis 1570 vor der Litiskontestation zuerst geklärt werden musste, ob der Prozess überhaupt zulässig war, muss der Beklagte nach dem Reichsabschied also parallel zur Einbringung seiner dilatorischen Einreden auch den Krieg befestigen. Diese Regelung sollte vor allem verhindern, dass es der Beklagte in der Hand hatte, durch Geltendmachung zulässigkeitsbezogener 977 RKGO von 1500, Tit. 36 § 1; Dick: Kameralprozess (1981), S. 145; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 238; Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 141. 978 RKGO von 1508, Tit. 1 § 4. 979 Und nachdem bißher die procuratores in litis contestationibus jhe zuzeiten vil unnotürftiger und überflüssiger wort gebraucht, dardurch die gerichtlichen audientz verlengert und andere sachen verhindert worden, wöllen wir, dass fürhin eyn jeder procurator, der in disen sachen simplicis querelae mit nitgestehen uff die clag antwurten und also litem negative contestirn will, andere oder mehr wort nit gebrauchen soll, dann nemlich also: In sachen N. contra N. bin ich der clag nit gestendig, bit mich von derselbigen mit abtrag costen und schäden zu erledigen; und mit diesen worten soll der krieg, ob auch der litis contestation nit außtrücklich meldung geschehe, bevestigt zu sein gehalten und verstanden werden. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 4, S. 233. 980 In angeregter sach repetir ich mein articulirt clag anstatt der articul, bit inhalt derselben (bei artikulierter Klage) bzw. In angeregter sach erhole ich mein clag und bitt zeit zu ferrer handlung laut der ordnung. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 4, S. 233 f. 981 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 141 f. 982 Reichsabschied von 1570, § 89. 983 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 143. 984 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 143. 985 Ausführlicher zu dilatorischen und peremtorischen Einreden: S. 130 f. 986 Reichsabschied von 1570, § 89.
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Einreden den Hauptprozess aufzuschieben. Wollte der Beklagte danach nur dilatorische und keine peremtorischen Exzeptionen geltend machen, befestigte er den Krieg eventualiter. Wollte er darüber hinaus keine dilatorischen Einreden geltend machen, erklärte er die Litiskontestation in puram.987 Folge dieser Vorschrift war allerdings, dass die Litiskontestation nicht mehr die Zäsur z wischen der Prüfung der Zulässigkeit und dem Hauptverfahren darstellte.988 Der Reichsabschied von 1594 hob die Eventuallitiskontestation vorläufig wieder auf.989 Mit dem Jüngsten Reichsabschied von 1654990 erfuhr die Litiskontestation nochmals eine tief greifende Wandlung.991 Dadurch, dass nach d iesem Reichsabschied der Kläger seine Klage nicht mehr in artikulierter, sondern nur noch in summarischer Form einbringen 992 und die Klage zudem mit der Ladung übergeben werden soll 993, musste der Beklagte schon im ersten Termin explizit schriftlich auf die sachlichen Aspekte der Klage erwidern und nicht mehr lediglich seine generelle Bereitschaft zur Prozessführung signalisieren.994 Aus der generellen Litiskontestation wurde somit eine spezielle.995 Sie wurde mit der Klageerwiderung identisch, was ihre Wahrnehmung als eigenständige Prozesshandlung in den Hintergrund treten ließ.996 Der Beklagte war außerdem dazu gezwungen, schon in seine Klageerwiderung mögliche dilatorische Einreden zu integrieren, weshalb die Kriegsbefestigung eventualiter im ersten Termin erfolgen sollte.997 Das Verständnis der Litiskontestation hatte sich gewandelt. Hatte man sie ursprünglich als zweiseitigen Akt, als einen aus Klage und Erwiderung bestehenden Quasivertrag, eingeordnet, sah man nunmehr in ihr lediglich die Antwort des
987 Seyfart: Teutscher ReichsProceß (1756), S. 141. 988 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 147. 989 Reichsabschied von 1594, § 63. 990 Abgedruckt bei Laufs: Der jüngste Reichsabschied von 1654 (1975). 991 Der Jüngste Reichsabschied verband Elemente des römisch-kanonisch durchdrungenen Reichskammergerichtsprozesses mit Elementen des sächsischen Prozesses. Auf dieser Basis entwickelte sich der gemeine Prozess (Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 407). Sellert hingegen zweifelt an einer Beeinflussung des Reichskammergerichtprozesses durch den sächsischen Prozess und geht vielmehr von einem unabhängigen Umgestaltungsprozess aus (Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 148 f.). 992 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 34. 993 Jüngster Reichsabschied von 1654, §§ 34 und 37. 994 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 149; ders.: Litis C ontestatio (2008), S. 348 f., S. 414 und S. 440. 995 Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 118. Im Gegensatz zu der anfänglich generellen Litiskontestation war die Litiskontestation des sächsischen Prozesses schon immer spezieller Natur, also eine spezifische Erwiderung des Beklagten auf die Darstellungen des Klägers (Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 440 f.). 996 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 441. 997 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 422.
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Beklagten.998 Die zunehmende Schriftlichkeit des Prozesses machte es zudem immer schwieriger, die Litiskontestation als eigenständigen prozessualen Akt wahrzunehmen. Als solcher wurde sie jedoch nach wie vor bewertet.999 bbb. Affirmative Litiskontestation Problematisch war der Fall, wenn der Beklagte die Klage nicht bestreiten, sondern sie anerkennen wollte. Im 16. Jahrhundert war die Ansicht verbreitet, dass es eine negative sowie eine positive beziehungsweise affirmative Litiskontestation gebe, dass es also für die Kriegsbefestigung ausreiche, wenn der Beklagte die Klage einfach bejahe und somit die in der Klage geltend gemachten Punkte zugestehe. 1000 Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass unter der affirmativen Litiskontestation nicht nur das Anerkenntnis des klägerischen Antrags, sondern auch die Bekräftigung des eigenen Antrags durch den Kläger verstanden wurde.1001 In den Reichskammer gerichtsordnungen stößt man lediglich auf die negative Litiskontestation.1002 Reagierte der Beklagte auf die Klage nicht mit Bestreiten der klägerischen Behauptungen und machte er auch keine Exzeptionen, das heißt keine eigenen Verteidigungs- und/ oder Angriffsmittel, geltend, erging kein Urteil, sondern lediglich ein gerichtliches Gebot, die Forderungen des Klägers innerhalb einer bestimmten Frist zu befriedigen.1003 Eine Litiskontestation war somit nicht notwendig.
998 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 341 f. 999 Während beispielsweise Goldschmidt (Goldschmidt: Litiscontestation und Einreden (1812), II § 1, S. 33 – 37 und III § 2, S. 47 – 49) meint, die Litiskontestation sei vollständig in der Erwiderung des Beklagten aufgegangen, bewerten sie Albrecht (Albrecht: Exceptionen (1835), S. 140 f. und S. 147 f.) und in neuerer Zeit Sellert (Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 238) weiterhin als notwendigerweise zweiseitigen Akt. Der Beklagte erwidere schließlich auf den in der Klageschrift enthaltenen Antrag, der auf ein gericht liches Urteil abziele. Siehe hierzu Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 443. 1000 Wetzell: System (1861), S. 78; Goldschmidt: Litiscontestation und Einreden (1812), III § 2, S. 49. 1001 Gobler: Gerichtliche Proceß (1578), S. 39v; Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 354. 1002 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 144; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 244 f. Auch in der NHGO gibt es keine positive beziehungsweise affirmative Litiskontestation. In den Prozessakten lässt sich die affirmative Litiskontestation – allerdings in der Form, dass der Kläger den Klageinhalt bekräftigt – finden: HStASt C1 Bü 504 (1576 – 1586), 533 (1580 – 1590) und 614 (1583 – 1598). 1003 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 144.
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ccc. Wirkungen Über die Dokumentation der Streitabsicht der Parteien hinaus hatte der Zeitpunkt der Litiskontestation zahlreiche Wirkungen. Die Litiskontestation gab dem Beklagten bei wiederholter Geltendmachung des Klagegrundes die Einrede der Rechtshängigkeit (exceptio litis pendentis) beziehungsweise des rechtskräftigen Urteils (exceptio rei iudi catae) an die Hand, und löste die perpetuatio fori aus. Klageänderungen und Klagerücknahmen waren lediglich bis zum Zeitpunkt der Litiskontestation zulässig.1004 Die Rekonvention (Gegenklage) war ebenfalls nur bis zum Zeitpunkt der Litiskontesta tion möglich, der darüber hinaus auch die Verjährung sowie andere Fristen wie die der Ersitzung unterbrach.1005 Sie bewirkte die Streitbefangenheit der Sache und setzte damit einhergehend auch den maßgeblichen Zeitpunkt für Bösgläubigkeit und verschärfte Haftung. Schließlich richtete sich auch die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs nach dem Zeitpunkt der Kriegsbefestigung.1006 Insbesondere mit Blick auf die Rechtshängigkeit des Verfahrens wurde im 16. Jahrhundert vertreten, dass diese schon mit der ordnungsgemäß vollzogenen Zitation des Beklagten eintrete.1007 Man war sich jedoch einig, dass die Rechtshängigkeit spätestens im Zeitpunkt der Litiskontestation vorlag.1008 Insoweit änderte sich auch nichts an der allgemeinen Auffassung, dass der Prozess erst mit der Litiskontestation beginne, die Ladung jedoch das Fundament des Prozesses bilde.1009 Bis zur Litiskontestation bestand danach zwischen den Parteien lediglich ein Konflikt (controversia), jedoch noch kein Rechtsstreit (iudicium).1010 Zum Zeitpunkt der Kriegsbefestigung mussten daher die Zulässigkeit des Verfahrens, die Prozessbeteiligten sowie der Gegenstand des Prozesses festgelegt sein.1011 ddd. Die Litiskontestation in der NHGO Die NHGO geht an sechs Stellen näher auf die Litiskontestation ein: Part. 3 Tit. 3 (Vom andern Termin, wie vnd was in demselben gehandlet werden soll), Part. 3 Tit. 10 (Von Terminen Dilatorischer exceptionen vnd aufzzuegen), Part. 3 Tit. 12 (Von Reconuention, oder Gegenklag), Part. 3 Tit. 13 (Wie vnd welcher gestalt gegen dem nit erscheinenden kleger gehandlet werden soll) und Part. 3 Tit. 14 (Von vngehorsam des nit erscheinenden beklagten).
1004 Gobler: Gerichtliche Proceß (1578), S. 16v. 1005 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 400 und S. 402. 1 006 Zum gesamten Komplex: Dick: Kameralprozess (1981), S. 147. Darüber hinaus Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 361 – 4 07. 1007 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 301 f. und S. 307. 1008 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 369. 1009 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 302 und S. 306. 1010 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 366. 1011 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 363.
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Im zweiten Termin soll der Anwalt des Beklagten, nachdem der Kläger die ausgegangenen und verkündeten Prozesse reproduziert hatte, den Krieg auff das kuertzest befestigen, soverr er keine exceptiones fori declinatorias, oder andere dilatorias fuer zuwenden hette.1012 Während die NHGO den Anwälten lediglich aufgibt, auff das kürtzest zu repetieren, gibt die RKGO von 1555 bestimmte Formeln für die Vorträge von Kläger und Beklagtem vor.1013 Die NHGO ist in diesem Punkt somit weniger strikt als die RKGO von 1555 wie auch einige andere territoriale Rechtsordnungen 1014 und orientierte sich hier vermutlich an der Praxis, die sich Schlinker zufolge oftmals mit einer weniger formelhaften Kriegsbefestigung zufriedengab.1015 Ein weiterer Punkt also, der die Praxisorientierung und Flexibilität der NHGO betonte. Eventuell nahm die Ordnung hier auch schon die Regelung des Reichsabschieds von 1570 auf, der vorschreibt, dass die Kriegsbefestigung schriftlich und nicht mehr ausdrücklich zu erfolgen hat.1016 Die für die Litiskontestation notwendigen Komponenten sah man nunmehr in Klageschrift und Klageerwiderung enthalten.1017 Auch mit Blick auf die dilatorischen Exzeptionen und Auszüge spielte die Litiskontestation eine wichtige Rolle. Brachte der Beklagte vor der Kriegsbefestigung dilatorische Einreden vor, sollte er im Zusammenhang mit diesen nicht die Hauptsache ansprechen, sondern lediglich dasjenige, was zur Geltendmachung der Einreden nötig war und somit Hoffrichter vnd beysitzer mit verlesung solcher vndienstlicher handtlung nit bemuehen.1018 Die entsprechende Vorschrift für den reichskammergerichtlichen Prozess findet sich in RKGO von 1555 in Part. 3 Tit. 26 § 4.1019 Wie die RKGO von 15551020 verlangt die NHGO 1021, dass der Beklagte seine perem torischen Einreden nach der Kriegsbefestigung im vierten Termin vorzubringen hat. Die RKGO geht jedoch darüber hinaus und betont, dass alle peremtorischen Einreden in d iesem Termin vorgebracht werden sollen, außer der Beklagte erhalte erst nach diesem Zeitpunkt Kenntnis von weiteren Einreden.1022 Der Beklagte ist damit ab dem Zeitpunkt der Litiskontestation grundsätzlich als mit weiteren peremtorischen 1 012 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. 1013 Siehe S. 117 f. 1014 Schlinker zählt hier die Solmser Gerichts- und Landrechtsordnung von 1571 (Tit. 21), die Hofgerichtsordnung für das Fürstenturm Lüneburg von 1538 (Tit. 21) und die Gerichtsordnung für das Erzstift Köln von 1538 (fol. 48v) auf (Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 343 Fn. 210). 1015 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 343. 1016 Reichsabschied von 1570, § 89. 1017 Schlinker: Litis Contestatio im Kameralprozess (2009), S. 142 f. 1018 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49v. 1019 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 26 § 4, S. 244 f. 1020 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 27 § 1, S. 245. 1021 NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50r f. 1022 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 27 § 2, S. 245.
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Einreden präkludiert anzusehen. Beide Ordnungen 1023 sehen auch die Kriegsbefestigung als maßgeblichen Zeitpunkt für die Einbringung der Gegenklage an, unterscheiden jedoch verschiedene Situationen vor und nach der Litiskontestation.1024 Gleiches gilt für die Säumnis von Kläger 1025 beziehungsweise Beklagtem 1026, bei welcher abhängig von ihrem Zeitpunkt – vor oder nach der Litiskontestation – das Vorgehen der Parteien variieren kann.1027 bb. Die Kalumnieneide aaa. Grundlagen Schon zu Zeiten des im Römischen Rechts praktizierten Formularverfahrens hatte man erkannt, dass die Kläger häufig arglistig Prozesse führten. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, mussten die Kläger eidlich versichern, dass sie Veranlassung zur Klageerhebung hatten.1028 Zu Zeiten Kaiser Justinians wurden beide Parteien sowie ihre Anwälte seitens des Richters dazu aufgefordert, den Kalumnieneid zu schwören.1029 Wurde der Aufforderung von einer der Parteien nicht nachgekommen, riskierte diese, den Prozess zu verlieren. Mit der Zeit verlor der Kalumnieneid jedoch an Bedeutung.1030 Nach kanonischem Recht war er keine unabdingbare Prozessvoraussetzung mehr. Es stand sogar im Belieben des Richters, die Eidesleistung anzuordnen. 1031 Parallel hierzu lässt sich auch schon im deutsch-rechtlichen Prozess ein Eid des Klägers – der Wider-, Vor- oder Gefährdeeid –, nicht ohne Grund und böswillig zu klagen, nachweisen.1032 Für Sellert scheint es durchaus möglich, dass „Voreid und Kalumnieneid in ihren Wesensgehalten zu den ethnologischen Urphänomenen des Rechts gehören“.1033
1023 1024 1025 1026 1027 1028 1029 1030 1031 1032
1033
NHGO, Part. 3 Tit. 12, fol. 50v; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 30, S. 246 f. Ausführlicher zur Gegenklage: S. 135 f. NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 51r f.; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 42 §§ 2 und 3, S. 259. NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 52r; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 43 §§ 4 und 5, S. 260 f. Ausführlicher hierzu: S. 163 – 165. Kaser/Hackl: Zivilprozessrecht (1996), S. 283 – 285. Der Kläger versicherte, „dass er nicht aus Schikane“ klage. Der Beklagte gab an, dass er „im Glauben, eine gute Sache zu vertreten“, der Klage entgegne (Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 489). Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 155 f. Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 489 f. Deutsches Rechtswörterbuch Band 3 (1935 – 1938), Sp. 1390 Ziff. 4.; Grimms Wörterbuch, Zwölfter Band, II. Abteilung, Band 26 (1951), Sp. 991; Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 497. Auch Gobler verwendet den Terminus „Gefährdeeid“ (Gobler: Gerichtliche Proceß (1578), S. 40r f.). Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 499 f.
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Der Voreid habe dabei den Boden für den gelehrten Kalumnieneid bereitet und sei mit diesem schlussendlich verschmolzen.1034 bbb. Allgemeiner und spezieller Kalumnieneid Die Leistung des allgemeinen Kalumnieneids fand sowohl nach der RKGO von 15551035 als auch nach der NHGO 1036 auf Begehren einer oder beider Parteien zeit lich unmittelbar nach der Litiskontestation statt. Er bezog sich auf den gesamten Prozess 1037 und war sowohl für die Parteien als auch die Prokuratoren verbindlich.1038 Der Schwörende sollte von dem Verdacht befreit werden, er würde die Unwahrheit behaupten und ungerechtfertigte Anträge stellen.1039 Darüber hinausgehend wirkte der Eidt der Boßheit genant Iuramentum malitiae, den der Prokurator in seinem eigenen und dem Namen seiner Partei schwor.1040 Im Gegensatz zum allgemeinen Kalumnieneid bezog sich der spezielle Kalumnieneid lediglich auf einen einzigen Antrag. Folglich konnte seine Ablehnung auch nur die Zurückweisung dieses Antrags zur Folge haben.1041 Die Parteien konnten die Eidesleistung beliebig oft beantragen.1042 In die Kategorie des speziellen Kalumnieneids fielen das iuramentum dandorum (articulorum) des Klägers 1043 und das iuramentum 1034 1035 1036 1037 1038
Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 501 f. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 §§ 2 und 3, S. 233. NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. Wetzell: System (1861), S. 191. NHGO, Part. 1 Tit. 30, fol. 22v: Ir werdend schweren einen Eydt zu Gott vnd den Hei ligen in ewer Partheyen vnd ewer eigen Seel Das ir glaubt ein guete sach zu haben Das ir auch kein vnnottuerfftigen geuerlichen schub der sachen begerend Vnd so offt ir im Rechten gefragt werdend die warheit nit verhalten auch in dieser sachen neimandts andern dann dem jenigen so das Recht zulast ichts geben oder verheissen woellend damit ihr die vrtheil erlangen vnd erhalten moegent alles getrewlich und ungeuerlich. Gleicher weys soll der Principal den Eydt auch schweren. Nahezu wortgleich RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 65, S. 156. 1039 Wetzell: System (1861), S. 191. 1040 NHGO, Part. 1 Tit. 37, fol. 24v f.: Ihr werdent in ewer Partheyen vnnd ewer eigne Seelen schweren einen Eydt zu Gott und den Heiligen Ob ir das in ewer gewissenheit thun moe gent das ir das jenig das ir vorbringt vnnd begert nit auß geuerden oder boeser meinung noch verlengerung der sachen sonder allein zur notturfft thuet vnd das ir das also zuthun von ewer partheyen vnderrichtung vnd gewalt empfangen habt. Siehe auch RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 74, S. 158. 1041 Wetzell: System (1861), S. 192. 1042 Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 495. 1043 Die Ordnungen unterscheiden hierbei, ob der Kläger selbst anwesend ist oder ob er durch seinen Anwalt vertreten wird. NHGO, Part. 1 Tit. 33 und 34, fol. 23v; RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 69 und 70, S. 157.
Verfahren
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respondendorum des Beklagten 1044. Der Kläger schwor, dass sein artikuliertes Klaglibell nicht arglistig eingebracht sei, der Beklagte, dass er aufrichtig auf das Klaglibell antworte. Diese besonderen Kalumnieneide waren eigentlich überflüssig, da sich der allgemeine Kalumnieneid ja auf das ganze Verfahren erstreckte. Sellert begründet ihre Existenz damit, dass „das Mißtrauen […] offenbar groß [war]“.1045 Spezielle Kalumnieneide für das Einreichen weiterer, außerordentlicher Schriftsätze, für Fristverlängerungen und für das Nachschieben neuer Tatsachen sind in der RKGO von 15551046, jedoch nicht in der NHGO vorgesehen. ccc. Bedeutungsverlust Zunächst musste der Kalumnieneid noch auf Aufforderung der Parteien hin geschworen werden.1047 Seit dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 war es jedoch in das Ermessen des Richters gestellt, die Partei dazu aufzufordern, einen Kalumnieneid zu leisten.1048 Letztendlich verlor der Kalumnieneid an den Gerichten des Alten Reiches – vor allem an dem weder an Formalien noch eine Prozessordnung gebundenen Reichshofrat 1049 – immer mehr an Bedeutung.1050 Im Vergleich zu anderen Beweismitteln wie Urkunden, Zeugen und Augenschein wurde er, auch aufgrund seines häufigen Missbrauchs 1051, 1044 Die Ordnungen unterscheiden hierbei, ob der Beklagte selbst anwesend ist oder ob er durch seinen Anwalt vertreten wird. NHGO, Part. 1 Tit. 35 und 36, fol. 24r f.; RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 71 bis 73, S. 157 f. Dem Beklagten stehen dabei zwei Varianten der Eidesleistung zur Verfügung. 1045 Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 495. 1046 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 38, S. 255 f. (Mäßigung der Termine), Tit. 11, S. 227 f. und Tit. 23 §§ 6 und 7, S. 242 f. (neuer Vortrag in oder nach dem mündlichen Beschluss), Tit. 27, S. 245 und 15 § 8, S. 237 (Vortrag der Defensional- und Peremtorialartikel). 1047 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 §§ 2 und 3, S. 233. 1048 Dort heißt es: daß eine jede Partei […] wann es entweder die Partei begehrt und der Richter es darauf erkennet, oder auch von selbsten, in welcherlei Teil des Gerichts von Amts wegen auferlegt, das iuramentum calumniae dahin zu erstatten schuldig sein, daß sie nämlich eine gerechte Sache zu haben glauben, was sie vorbringen und begehren nicht aus Gefährde oder böser Meinung, noch zu Aufschub und Verlängerung der Sachen, sondern allein zur Notdurft tun, die Wahrheit nicht verhalten […]. Jüngster Reichsabschied von 1654, § 43. 1049 Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 496 f. 1050 Wetzell: System (1861), S. 193. 1051 Hugo: Missbrauch (2012), S. 17, S. 24, S. 30 f. und S. 38 f. Oestmann weist in der Einleitung unter anderem darauf hin, dass im Rahmen von Appellationsprozessen Appellanten mittels des Kalumnieneids schwören mussten, dass sie an ihre gerechte Sache glaubten und den Gegner nicht unnötig schädigen wollten. Bei dieser Eidesleistung konnten sie sich jedoch – unter Verwendung vorgefertigter Formulare – von Reichskammergerichtsprokuratoren vertreten lassen. Die gegnerischen Parteien befürchteten oftmals, dass die Appellanten hierdurch den Prozess weiter in die Länge ziehen und den
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immer unattraktiver.1052 Für den Richter rückten die Tatsachen, deren Beweis und die Begründungen der Parteien in das Zentrum des Prozesses.1053 Die eidliche Versicherung der Parteien, nicht willkürlich und im Glauben an ihr Recht zu handeln, stellte eine bloße Förmlichkeit dar und trat in den Hintergrund. Auch in der NHGO zeichnet sich der Bedeutungsrückgang des Kalumnieneids ab. Trotz der sehr ausführlichen Aufzählung der unterschiedlichen Eide im ersten Teil der Ordnung finden sich anders als in der RKGO von 1555 eben keine Regelungen zu weiteren speziellen Kalumnieneiden als den oben aufgeführten.1054 c. Einlassung des Beklagten Der Beklagte kann nach der NHGO auf die Klage mit seiner Antwort oder mit Einreden reagieren, das heißt, ähnlich wie im heutigen Zivilprozessrecht, die einzelnen mit der Klage vorgebrachten Behauptungen bestreiten oder eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen. Ihm wird dabei jedoch eine Reihenfolge vorgegeben – zuerst die Responsionen, sodann die Exzeptionen. Dabei hat sich der Beklagte auch an der Reihenfolge der in der Klage vorgebrachten Artikel zu orientieren. Eine weitere Möglichkeit für den Beklagten besteht darin, die in der Klage geltend gemachten Ansprüche anzuerkennen. aa. Responsionen Bei artikuliert erhobener Klage soll der Beklagte seine Responsionen schon im dritten Termin 1055, bei summarisch eingereichter Klage erst im vierten Termin 1056 einbringen. Die NHGO beschreibt, wie der Beklagte auf die einzelnen klägerischen Positionen zu antworten hat. Bei sogenannten faktischen Artikeln, also Tatsachenbehauptungen, soll er durch das wort glaub war oder nit war sein ohn fernern anhang respondieren.1057 Für Artikel, die iuris sind, also Rechtsbehauptungen, schreibt die Ordnung hingegen
1052 1053 1054 1055 1056 1057
Urteilsvollzug somit weiter hinauszögern wollten. Die Eidesleistung war vor diesem Hintergrund zur reinen Formsache geworden. Insgesamt hierzu: Hugo: Missbrauch (2012), S. 17. Seyfart: Teutscher ReichsProceß (1756), S. 213 f.; Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 502; Zimmermann: Glaubenseid (1863), S. 292 f. Sellert: Faires Verhalten (2009), S. 502 f. Siehe S. 124 f. NHGO, Part. 3 Tit. 4, fol. 46r. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v. Siehe hierzu auch Oestmann: Rechtsvielfalt (2002), S. 205 – 214.
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keine formelhafte Antwort vor. Die Gründe für diese Regelung ergeben sich aus der RKGO von 1555.1058 Danach hatte es in der Vergangenheit zwischen den Parteien oftmals Streit darüber gegeben, ob auf die einzelnen Artikel in ausreichender Art und Weise geantwortet worden sei. Dies habe die sachen den partheien zu nachtheil uffge halten.1059 Zur Zeit der Errichtung der NHGO war die formelhafte und kurze Beantwortung der Positionen wohl schon dermaßen zur Gewohnheit geworden, dass man es anscheinend nicht mehr für nötig befand, die Gründe für diese Vorgehensweise in das Gesetz mit aufzunehmen. Die NHGO gibt dem Kläger allerdings auch bei nicht ausreichender Beantwortung einzelner Artikel die Möglichkeit, dies anzuzeigen und sich dazu zu äußern. Daraufhin soll ohne fernere Replik über diese Artikel alßbaldt oder im nechsten Hoffgericht ein mündlicher Beschluss gefasst werden.1060 Zusätzlich besteht für den Kläger die Möglichkeit, sogenannte exceptiones, wider des klaegers arti cul / warumb dieselbige nit zulessig einzubringen.1061 Der Beklagte kann mit diesen nach der Litiskontestation einzubringenden Exzeptionen geltend machen, dass klägerische Artikel unstatthaft oder unerheblich seien, nicht zum Streitstoff gehörten oder nicht mit Ja beziehungsweise Nein zu beantworten s eien.1062 Die RKGO von 1555 sieht darüber hinausgehend vor, dass der Beklagte seine Antwort salvo iure impertinentium – die Antwort soll also nur im Fall der Zulässigkeit des klägerischen Artikels gelten – einbringen soll.1063 Machte er s olche Exzeptionen im Hinblick auf die Zulässigkeit der einzelnen Artikel geltend, wurde hierüber ein Zwischenverfahren durchgeführt.1064 Die Unterteilung seiner Einwendungen in Responsionen und Einreden hatte es dem Beklagten ursprünglich ermöglicht, stufenweise zu agieren. Zuerst wurde über die von ihm bestrittenen Artikel Beweis erhoben.1065 Erst danach konnte der Beklagte seine peremtorischen Einreden in den Prozess einführen.1066 Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung hatte er seit der RKGO von 1521 nicht mehr lediglich gleichartige, sondern nunmehr auch ungleichartige Prozesshandlungen zusammen
1058 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 4, S. 236. 1059 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 4, S. 236. 1060 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. 1061 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v. In der RKGO von 1555 werden diese Exzeptionen als exceptions contra articulos bezeichnet, RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 1, S. 235. Goldschmidt: Litiscontestation und Einreden (1812), III § 3, S. 51. 1062 Dick: Kameralprozess (1981), S. 152. 1063 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 4, S. 236. 1064 Die NHGO macht keine Ausführungen zu diesem Zwischenverfahren, welches von dem in NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r zu unterscheiden ist. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass man sich am Hofgericht diesbezüglich am kammergericht lichen Verfahren orientierte. Siehe Dick: Kameralprozess (1981), S. 152. 1065 Reichsabschied von 1500, Tit. 13 § 5. Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 227. 1066 Reichsabschied von 1500, Tit. 13 § 6. Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 227.
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vorzubringen.1067 Auch die RKGO von 1555 übernahm diese Regelung.1068 Für den Beklagten hieß das, dass er nicht mehr einfach die klägerischen Artikel bestreiten und das Ergebnis der Beweisaufnahme hierzu abwarten konnte, bevor er seine peremtorischen Einreden in den Prozess einbrachte. Stattdessen hatte er seine Responsionen und peremtorischen Einreden gemeinsam vorzubringen.1069 Im Reichsabschied von 1570 wurde schließlich statuiert, dass beide großen Einredearten – dilatorische und peremtorische – zusammen in das Verfahren eingebracht werden mussten.1070 Der Kläger konnte also weder durch das Vorschützen von Responsionen noch durch dilatorische Einreden das Verfahren aufhalten. bb. Einreden Die Einrede stellt das Verteidigungsmittel des Beklagten gegen die vom Kläger vorgebrachten Behauptungen dar. Mit den Einreden stellt der Beklagte seine Gegenbehauptungen auf, die „ein selbständiges, den Klageanspruch hemmendes oder vernichtendes Gegenrecht begründen“ 1071. Sie bestehen somit nicht nur im bloßen Leugnen des Klaganspruchs. aaa. Grundlagen Ihre Wurzeln haben die Einreden sowohl im Römischen als auch im einheimischen Recht. Der noch im Formularverfahren des Römischen Rechts klar definierte Begriff der exceptio weichte im Kognitionsverfahren der klassischen Zeit auf. Unter exceptio beziehungsweise praescriptio wurde „überwiegend noch die Geltendmachung eines selbständigen, den Klaganspruch hemmenden Gegenrechts, bisweilen aber in einem weiteren Sinn jedes Vorbringen eines zur Verteidigung des Beklagten dienenden Sachumstandes“ verstanden.1072 In der justinianischen Zeit wurde exceptio insbesondere für das den Klaganspruch hemmende Gegenrecht des Beklagten verwendet, daneben jedoch auch für die Einreden, mit denen das Fehlen von Prozessvoraussetzungen geltend gemacht wurde, sowie für das Verteidigungsverhalten des Beklagten insgesamt.1073 Parallel hierzu finden sich auch Spuren der im Sinne des einheimischen Rechts 1067 RKGO von 1521, Tit. 19 § 8. 1068 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 1, S. 235. Albrecht: Ausbildung (1837), S. 42 – 45; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 251. 1069 Schubert: Streben (1968), S. 136 f.; Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 82 – 84; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 251; Wetzell: System (1861), S. 812 f. 1070 Reichsabschied von 1570, §§ 88 und 89. 1071 Dick: Kameralprozess (1981), S. 153. 1072 Kaser/Hackl: Zivilprozessrecht (1996), S. 582. 1073 Kaser/Hackl: Zivilprozessrecht (1996), S. 583 f.
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verstandenen Einrede in der NHGO.1074 Anders als die RKGO von 1555 erwähnt sie zwar nicht die in deutschrechtlicher Tradition stehende gemeine Einrede.1075 Allerdings finden sich auch in der NHGO Termini wie Antworter, Notdurft oder Auszug, welche dem einheimischen Recht entsprungen waren.1076 Im frühneuzeitlichen Prozess wurde das Vorbringen des Beklagten in Antworten (Responsionen) und Einreden (Exzeptionen) aufgeteilt. Die Einreden wurden an den Grundsätzen des römischen Formularverfahrens ausgerichtet und in dilatorische und peremtorische unterteilt.1077 Diese Unterscheidung findet sich explizit ausgeführt jedoch lediglich in der RKGO von 1508, während die nachfolgenden Reichskammergerichtsordnungen diese stillschweigend voraussetzen.1078 Die RKGO von 1555 erwähnt die dilatorischen Einreden im dritten Teil. Zum einen als dilatorias oder andere exceptiones, dardurch das recht verhindert oder aufgeschoben oder kriegßbevestigung verhindert würde 1079, zum anderen als außzüge[n], so die hauptsach aufhalten und nicht gar abschneiden, genant dilatoriae 1080. Auch die NHGO nennt die dilatorischen und ausdrücklich die fori deklinatorischen Einreden in Part. 3 Tit. 3: In dem andern Termin […] soll des beklagten Anwaldt / souerr er keine exceptiones fori declinatorias, oder andere dilatorias fuerzu wenden hette / den krieg Rechtens auff das kuertzest befestigen.1081 Part. 3 Tit. 10 trägt die Überschrift Von Terminen Dilatorischer exceptionen vnd außzuegen, nennt jedoch im ersten Absatz lediglich die forideklinatorsichen Einreden 1082 und verwendet erst später den Begriff der dilatorischen Einrede 1083. 1074 Einrede soll danach als Gegenrede beziehungsweise Antwort verstanden werden. Siehe hierzu auch Schlosser: Spätmittelalterlicher Zivilprozess (1971), S. 331 – 334. 1075 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 17 § 1, S. 239; Tit. 23 § 5, S. 242 und Tit. 33 § 2, S. 252. 1 076 Dick: Kameralprozess (1981), S. 154. Siehe beispielsweise NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v; Part. 3 Tit. 7, fol. 48r; Part. 3 Tit. 10, fol. 49r (Antworter); NHGO, Part. 1 Tit. 1, fol. 2r; Part. 1 Tit. 5, fol. 6r; Part. 1 Tit. 30, fol. 22v (Notdurft); NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r; Part. 3 Tit. 11, fol. 50r (Auszug). 1077 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 232. 1078 Zu den dilatorischen Einreden heißt es dort in Tit. 5: Von den Terminen, da die Aus züge die Haupt-Sach aufhalten, und nicht gar abschneiden, Exceptiones dilatoriae. Zu den peremtorischen Einreden in Tit. 4: Wie die Termin gehalten sollen werden, so fürgewen det werden endlich Außzug, so die Haupt-Sach ableynen, und gar abschneiden, zu Latein genannt Exceptiones peremptoriae. Siehe auch Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 232. 1079 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 §1, S. 232 f. 1080 RKGO von 1555, Part. 3 Überschrift der Tit. 24 – 26, S. 243 f. 1081 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. 1082 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r: Wann der antworter exceptiones fori declinatorias hette Soll er dieselbig im ersten Termin [einbringen] […]. 1083 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49v: Es soll auch hinfürter kein Procurator in d iesem puncto fori declinatoriarum, vel dilatoriarum exceptionum, die hauptsach einmischen noch dis putiern vnd Hoffrichter vnd beysitzer mit verlesung solcher vndienstlicher handtlung nit bemuehen.
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bbb. Dilatorische Einreden Unter den Begriff der dilatorischen Einrede im weiteren Sinne fielen Einreden formeller Art, aufgrund welcher der Beklagte sich nicht gezwungen sah, auf den Klagegrund einzugehen.1084 Wie die RKGO von 15551085 unterteilt die NHGO 1086 die dilatorischen Einreden im weiteren Sinne in die forideklinatorischen Einreden und die dilatorischen Einreden im engeren Sinne. Die forideklinatorischen Einreden betrafen unter anderem den Rechtsweg und die Zuständigkeit des Gerichts (exceptiones fori incompetentes), die Qualifikation des Richters (exceptio des unfä higen und verdächtigen Richters). Ferner umfassen sie die Einrede der Prävention und die Einrede der Rechtshängigkeit (exceptio litis pendentis).1087 Die dilatorischen Einreden im engeren Sinne betrafen weitere, die Zulässigkeit der Klage berührende Punkte wie die Prozessfähigkeit der Parteien, die Sachwalter der Parteien (Einrede der mangelnden oder fehlerhaften Prozesslegitimation) und die streitige Sache selbst (zum Beispiel die Einrede der Vorausklage). Schon die RKGO von 1508 stellt jedoch einige der peremtorischen Einreden – zwar nicht in der Herbeiführung der verzögernden Wirkung, jedoch in ihrer prozessualen Behandlung – den dilatorischen gleich.1088 Die RKGO von 1555 nennt diese peremtorischen Einreden peremptorias (exceptiones peremtoriae) in vim dilatoriarum.1089 Unter die perempto rias in vim dilatoriarum fielen neben dem pactum de non petendo auch die Einrede des beendeten Rechtsstreits wie auch die Einreden, dass der Klaggrund nicht mehr bestehe beziehungsweise dass man sich verglichen habe.1090 Das besondere an diesen Einreden war, dass sie entweder dilatorisch oder peremtorisch wirkten. Konnten sie mit zur Verfügung stehenden Beweismitteln wie Urkunden oder anwesenden Zeugen unverzüglich bewiesen werden, kam es nicht mehr zur Litiskontestation.1091 Ansonsten konnten sie auch nach der Litiskontestation geltend gemacht werden.1092 Im Gegensatz zu den Ordnungen des Reichskammerg erichts nennt die NHGO weder im Zusammenhang mit den Terminen dilatorischer Exzeptionen noch an einer anderen Stelle die exceptiones peremptoriae in vim dilatoriarum. Auch Wehner kommentiert dies nicht weiter. In der die Termine dilatorischer Exzeptionen
1084 1085 1086 1087 1088 1089
Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 235. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 26 § 4, S. 244 f. NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r und Tit. 10, fol. 49v. Dick: Kameralprozess (1981), S. 155; Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 319. RKGO von 1508, Tit. 5 § 4. Hier wird beispielsweise der pactum de non petendo genannt. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 24 §1, S. 243. Planck: Beweisurtheil (1848), S. 177 Fn. 2; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 235 f. 1090 Budischin: Zivilprozeß (1974), S. 137 f.; Danz/Gönner: Grundsäze (1806), § 188, S. 324 – 326; Dick: Kameralprozess (1981), S. 156 f. 1091 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 331. 1092 Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 331.
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betreffenden Vorschrift nimmt die NHGO , wie schon dargelegt, zunächst ledig lich auf die forideklinatorischen Einreden Bezug.1093 Insgesamt benutzt sie häufiger den Begriff der forideklinatorischen Einrede als die RKGO von 15551094, was darauf hindeutet, dass die forideklinatorischen Einreden – hierunter insbesondere die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts – für das Rottweiler Hofgericht eine größere Bedeutung hatten als die restlichen dilatorischen Einreden. ccc. Peremtorische Einreden Die peremtorischen Einreden als Gegenstück zu den dilatorischen Einreden wandten sich nicht gegen die Zulässigkeit der Klage, sondern gegen den Klagegrund an sich, also die Begründetheit der Klage.1095 Der Beklagte kann sich nach den Ordnungen entweder mit entgegenstehenden Tatsachenbehauptungen (excep tiones facti) oder mit abweichenden Rechtsansichten (exceptiones iuris) zur Wehr setzen.1096 Inhaltlich konnten die Einreden rechtshindernder, rechtsvernichtender oder rechtshemmender Natur sein. Beide Ordnungen verwenden die unterschied lichsten Bezeichnungen für die schriftlich und in Artikeln vorgebrachten Einreden: articuli defensionales 1097, articuli elisivi 1098, articuli peremtoriales 1099 und a rticuli exceptionales 1100. 1093 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r. 1094 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r, Tit. 10, fol. 49r und Tit. 10, fol. 49v. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 26 § 4, S. 244 f. 1095 Danz/Gönner: Grundsäze (1806), §§ 185 – 194, S. 318 – 333; Dick: Kameralprozess (1981), S. 156; Hanzely: Anleitung Bd. 2, S. 305 § 576; Planck: Beweisurtheil (1848), S. 177; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 232. 1096 Siehe hierzu NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 4, S. 236. 1097 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 1, S. 235. Laufs definiert diese als diejenigen Artikel, „durch w elche der Beklagte seine Exzeptionen zur Verteidigung vorträgt“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 293). 1098 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 1, S. 235. Brainl und Danz sehen die articuli elisivi im Beweisverfahren verankert; Brainl: Lehrsätze (1776), S. 186 f. § 368; Danz/Gönner: Grundsäze (1806), § 278, S. 424 – 426. Nach Laufs sind jedoch die articuli elisivi mit den articuli defensionales gleichzusetzen (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 293). Auch Gails Ausführungen legen das nahe (Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 79, S. 261 f.). Vertiefend zur gesamten Problematik: Dick: Kameralprozess (1981), S. 330 f. Fn. 536. 1099 NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50r; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 1, S. 235. Laufs bezeichnet diese als diejenigen Artikel, welche peremtorische Einreden enthalten (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 293). 1100 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 26 § 2, S. 244. Nach Laufs diejenigen Artikel, „welche eine Exzeption, sie sei dilatorisch oder peremtorisch,
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ddd. Geltendmachung der Einreden Prozessual von Bedeutung war vor allem der Zeitpunkt, zu dem die Einreden in den Prozess eingebracht werden mussten. Gemäß der RKGO von 1555 sollen die dilato rischen (insbesondere die forideklinatorischen) Einreden immer nach der Reproduk tion der Klage, jedoch vor der Kriegsbefestigung im zweiten Termin vorgebracht werden.1101 Der Beklagte musste sich nämlich lediglich auf die Klage einlassen und somit, positiv oder negativ, den Krieg befestigen, wenn die Klage zulässig war. Über die dilatorischen Einreden findet sodann ein vom Hauptsacheverfahren abgetrenntes eigenes Vorverfahren statt, welches sich jedoch stark, insbesondere auch in den Beweisgrundsätzen, am Hauptsacheverfahren orientiert.1102 Fiel dieser Zwischenstreit über die dilatorischen, forideklinatorischen und peremtorischen Einreden in vim dilatori arum zugunsten des Beklagten aus, musste sich dieser nicht auf die Klage einlassen. Es erging eine absolutio ab instantia in Form eines Interlokuts.1103 Fiel der Zwischenstreit zugunsten des Klägers aus, erging ebenfalls ein Interlokut, welches den Beklagten mit seinen Einreden abwies und ihm aufgab, noch in der stattfindenden Audienz den Krieg zu befestigen. Weigerte er sich weiterhin, dies zu tun, wurde die Kriegsbefestigung fingiert. Blieb der Beklagte auch nach dieser fingierten Litiskontestation untätig, trafen ihn die Folgen seiner contumacia. Die NHGO weist, ähnlich wie die RKGO von 15551104, ausdrücklich darauf hin, dass die Prokuratoren in diesem Zwischenverfahren nicht die hauptsach einmischen noch disputiern vnd Hoffrichter vnd beysitzer mit ver lesung solcher vndienstlicher handtlung nit bemuehen sollen.1105 Schließlich zeigt die NHGO in d iesem Zusammenhang noch eine Rottweiler Besonderheit auf. Es geht um den Fall, dass ein Jude aufgrund eines Schuldbriefes einen Christen verklagt, die für den Christen zuständige Obrigkeit jedoch vorbringt, das der contract vermoeg […] des heyligen Reichs Polliceyordnung mit wissen der nechsten Obrigkeyt nit ergangen noch gesiglet sey und den Beklagten daraufhin abfordert.1106 Darüber, ob diese Exzeption vor der Kriegsbefestigung als dilatorische Exzeption oder erst nach der Kriegsbefestigung im Hauptsacheverfahren zu beachten war, hatte es der NHGO zufolge in der Vergangenheit Auseinandersetzungen gegeben.1107 In der NHGO wird der ersten Variante
enthalten“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 293). 1 101 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13, S. 232 – 234. 1102 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r; RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 24 – 26, S. 243 – 245. 1103 Grundsätzlich erfolgte die Abweisung der Klage als „so wie sie angebracht ist“. Bei Einreden, die eine verfrühte Geltendmachung rügten, wurde die Klage als „zur Zeit unzulässig“ abgewiesen. Unter einem Interlokut wird ein Beiurteil verstanden. Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 303. 1104 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 26 § 4, S. 244 f. 1105 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49v. 1106 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49v f. 1107 NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 50r.
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der Vorzug gegeben, sofern der Beklagte sich erbietet, solches incontinenti darzuthun vnd zu beweysen anerpietig macht.1108 Der Prozess sollte danach im Falle einer solchen Exzeption möglichst nicht weiter in die Länge gezogen werden. War der Beklagte mit seinen peremtorischen Einreden erfolgreich, wurde die Klage als unbegründet abgewiesen.1109 Über die peremtorischen Exzeptionen wird zusammen mit den Klagartikeln und deren Beweisen verhandelt. Im Gegensatz zur RKGO von 15551110 sind die Angaben der NHGO 1111 zum Verfahren bei peremtorischen Exzep tionen sehr kurz. Auch Wehner führt hierzu nichts weiter aus. Der Beklagte wird dazu angehalten, seine peremtorischen Einreden zusammen mit seinen Antworten auf die Artikel des Klägers im vierten Termin vorzubringen, woraufhin der Kläger im nächsten Termin seine Antworten und peremtorischen Artikel einbringen soll.1112 Beide Teile haben nach hinc inde einkommen ihre Antworten zu beweisen.1113 Nach der RKGO von 1555 hingegen sollen die Defensionalartikel des Beklagten abweichend von den übrigen Peremtorialartikeln behandelt werden. Bringt der Beklagte mit diesen Defensionalartiklen dem klägerischen Vortrag entgegenstehende Tatsachen vor, hat er diese in Zukunft vor der Publikation der Beweise des Klägers vorzubringen und zu beweisen.1114 Viele Beklagte hatten nämlich in der Vergangenheit in zum Teil missbräuchlicher Weise bis zur Vernehmung der klägerischen Zeugen und der Beweispublikation gewartet, bevor sie ihre Defensionalartikel einbrachten. Ein solches Verhalten wird ihnen nun unter Androhung der Präklusion verboten.1115 Vielmehr haben die Beklagten ihre Defensionalartikel bereits mit den Responsionen vorzulegen. Andere Peremtorialartikel, mit denen der Beklagte beispielsweise seine abweichende rechtliche Einordnung darlegen will, sollen im vierten Termin vorgebracht werden.1116 Im Gegensatz zum römisch-kanonischen Prozess konnten die peremtorischen Einreden also sowohl im Reichskammergerichtsverfahren als auch im Hofgerichtsverfahren nicht mehr bis zum Urteil erhoben, sondern sollten mög lichst in einem Termin eingebracht werden.1117 Auch hinter diesen Regelungen steht augenscheinlich die Intention, den gerichtlichen Prozess zu straffen.
1 108 1109 1110 1111 1112 1113 1114
NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 50r. Die Einrede musste also liquide sein (hierzu sogleich). Dick: Kameralprozess (1981), S. 161; Wetzell: System (1861), S. 99. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 27 – 29, S. 245 – 247. NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50r f. NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50r f. NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50v. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 8, S. 237. Ausführlicher zum Beweisverfahren: S. 124 – 128. 1115 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 8, S. 237. 1 116 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 §§ 9 und 10, S. 237 sowie Tit. 27 bis 29, S. 245 – 247. 1117 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 27 §§ 1 und 2, S. 245. NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50r f. Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 329.
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Sowohl mit Blick auf die dilatorischen als auch die peremtorischen Einreden kann der Beklagte nachträglich entstandene oder ihm verspätet zur Kenntnis gelangte Tatsachen nachschieben.1118 Bei den prozessrechtlichen Autoren war jedoch umstritten, ob und wenn ja, unter w elchen Voraussetzungen neben den peremtorischen Exzep tionen in vim dilatoriarum auch andere peremtorische Einreden schon in das dilatorische Zwischenverfahren gezogen werden konnten.1119 Der entscheidende Begriff ist in d iesem Zusammenhang die Liquidität der peremtorischen Einrede. War die Exzeption sofort – insbesondere durch das Vorlegen von Urkunden – beweisbar? Während Danz 1120 die Liquidität für sämtliche peremtorischen Einreden für erforder lich erachtet, gehen Linde und Wetzell 1121 davon aus, dass sie lediglich für die excep tiones peremptoriae in vim dilatoriarum als Voraussetzung fungieren soll. Dies leiten sie daraus ab, dass die peremtorischen Exzeptionen in vim dilatoriarum ja gerade ein Sonderfall gewesen s eien, in dem der Beklagte einen Anspruch darauf gehabt hätte, dass das Gericht seine peremtorischen Einreden antizipierte und es infolgedessen nicht mehr zur Litiskontestation kam.1122 Sie standen insofern den prozesshindernden Einreden gleich und mussten aufgrund dieser Wirkung liquide oder in continenti liquide gestellt werden.1123 Gemäß der RKGO von 1555 müssen die dilatorischen, insbesondere die forideklinatorischen Einreden immer nach der Reproduktion der Klage, jedoch vor der Kriegsbefestigung im zweiten Termin vorgebracht werden.1124 Der Beklagte musste sich nämlich lediglich auf die Klage einlassen und infolgedessen den Krieg befestigen, wenn die Klage zulässig war. Hinsichtlich des Vorbringens der peremtorischen Einreden differenziert die RKGO von 1555 danach, ob der Beklagte mit ihnen entgegenstehende Tatsachen oder abweichende rechtliche Würdigungen vorbringen wollte.1125 Die NHGO soll dieses Vorgehen – wohl auch vor dem Hintergrund der Beschleunigungsbestrebungen des Speyrer Reichsabschieds von 1570 – verschärfen. Sie gebietet dem Beklagten, seine forideklinatorischen Einreden, sofern er diese beweisen kann, bereits artikuliert im ersten Termin einzubringen.1126 Explizit nennt die NHGO an dieser Stelle nur die forideklinatorischen Einreden. Da die Ordnung ansonsten immer
1 118 1119 1120 1121 1 122 1123 1124 1125 1126
Dies muss der Beklagte beeiden. Ausführlich hierzu: Dick: Kameralprozess (1981), S. 158 f. Danz/Gönner: Grundsäze (1806), § 187 f., S. 322 – 326. Linde: Lehrbuch (1825), § 172, S. 242, § 179, S. 249 f. und §§ 196 f., S. 271 f.; Wetzell: System (1861), S. 805 – 807. Wetzell: System (1861), S. 806 f. Wetzell: System (1861), S. 805. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13, S. 232 – 234. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 §§ 8 bis 10, S. 237. NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r.
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die Begriffe forideklinatorische und dilatorische Einreden zusammen verwendet,1127 muss davon ausgegangen werden, dass an dieser Stelle tatsächlich nur die forideklinatorischen Einreden gemeint sind. Die restlichen dilatorischen Einreden sowie die forideklinatorische Einrede, die der Beklagte nicht sogleich beweisen kann,1128 soll er im zweiten Termin einbringen.1129 Seine peremtorischen Einreden hat der Beklagte im vierten Termin vorzubringen.1130 Der Jüngste Reichsabschied von 1654 ordnet schließlich an, dass die Einlassung des Beklagten sowie die Eventuallitiskontestation im gleichen Termin wie das Einbringen der dilatorischen und peremtorischen Exzeptionen erfolgen sollen.1131 Dies ist die logische Konsequenz der grundsätzlichen Abschaffung des Artikulierens 1132 der Schriftsätze. cc. Rekonvention Statt mit dem Verteidigungsmittel der Einrede konnte der Beklagte jedoch auch mit dem Angriffsmittel der Rekonvention, also der Gegen- beziehungsweise Widerklage gegen den Kläger vorgehen. Die Voraussetzungen der Rekonvention erinnern dabei stark an die Voraussetzungen der heutigen Widerklage: Rechtshängigkeit der Hauptsache, Zuständigkeit des die Klage verhandelnden Gerichts,1133 kein Instanzverlust des Beklagten beziehungsweise Gegenklägers und keine bloße Negation der Klage.1134 Zu der Frage, ob auch eine Konnexität zwischen Klage und Gegenklage vorliegen muss, nimmt weder die NHGO noch die RKGO von 1555 Stellung. Unter anderem Wetzell bejaht dies für das Reichskammergericht.1135 Sellert führt für den Reichshofrat aus, dass die Konnexi tät und Zuständigkeit des Gerichts als zusammenhängender Komplex zu bewerten seien. Das heißt, „daß sich die Widerklage, stand sie mit der Klage in einem solchen Zusammenhang, nach dem Gerichtsstand der Klage zu richten hatte (forum reconven tionis)“.1136
1 127 1128 1129 1130 1131 1132 1133
NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r und Tit. 10, fol. 49v. Dies ergibt sich im Abgleich mit NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r. NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r. NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50r f. Jüngster Reichsabschied von 1654, § 37. Jüngster Reichsabschied von 1654, §§ 34, 37 und 40. Danz/Gönner: Grundsäze (1806), § 482, S. 720 – 722; Dick: Kameralprozess (1981), S. 162; Wetzell: System (1861), S. 360 f. 1134 Dick: Kameralprozess (1981), S. 162. 1 135 Danz: Reichsgerichts-Prozess (1795), § 233, S. 384 – 386; Dick: Kameralprozess (1981), S. 162; Wetzell: System (1861), S. 687. 1136 Sellert: Stilus Curiae (1976), S. 268.
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Für beide Ordnungen spielt der Zeitpunkt der Litiskontestation, wenn auch mit unterschiedlichen Ergebnissen, eine zentrale Rolle. Reicht der Beklagte (Gegenkläger) seine Rekonvention vor der Kriegsbefestigung beziehungsweise einen oder zwei Termine s päter ein, werden nach der RKGO von 1555 Klage und Gegenklage zusammen verhandelt.1137 Wird sie erst danach, jedoch noch vor dem Beschluss der Sache vorgebracht, ist sie immer noch zulässig, wird jedoch getrennt von der Klage verhandelt.1138 Die NHGO ist an dieser Stelle deutlich strenger. Bringt der Beklagte seine Gegenklage vor der Litiskontestation ein oder spätestens im Termin danach – hier darf der Beklagte nicht länger als bis zum nächstfolgenden Termin warten –, ist die Rekonvention zwar zulässig, sie wird jedoch trotzdem getrennt von der Klage behandelt.1139 Man wollte damit wohl die Aufblähung einzelner Klagverfahren verhindern. Wird die Gegenklage s päter eingereicht, ist sie nicht mehr zulässig.1140 Es steht zu vermuten, dass die NHGO mit dieser Regelung die einzelnen Verfahren nicht unnötig weiter in die Länge ziehen sollte. Werden Klage und Gegenklage zusammen verhandelt, kann dies zwar auch zu einer schnelleren Erledigung der z wischen den Parteien bestehenden gegenseitigen Ansprüche führen, die einzelnen Verfahren werden dadurch jedoch in die Länge gezogen. Mit dem Schreckensbild sich in die Länge ziehender Reichskammergerichtsprozesse vor Augen wollte man in Rottweil wohl die Verfahren durch getrennte Verhandlungen entschlacken. In diesem Fall stellt sich dann jedoch die Frage, ob die Konnexität von Klage und Gegenklage wirklich als Voraussetzung für die Erhebung der Rekonvention am Hofgericht gefordert wurde. Für eine Konnexität sprachen vor allem Praktikabilitätserwägungen. Nur wenn ein gewisser Sachzusammenhang zwischen Klage und Gegenklage bestand, war es sinnvoll, die Klagen gemeinsam zu verhandeln und zu entscheiden. Zugleich war damit die Absicht verbunden, die gesamten ökonomischen Beziehungen der Parteien zu klären und somit weitere prozessuale Auseinandersetzungen in der Zukunft zu verhindern. Mit ihren Vorgaben für die Rekonvention wendet sich die NHGO gegen diese Motivationen. Vielleicht fürchtete man über die Überfrachtung eines einzelnen Prozesses hinaus die Komplexität und Unübersichtlichkeit bei zwei in einem Verfahren zu behandelnden Klagen.
1137 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 30, S. 246 f. Schlinker merkt hierzu an, dass sich der Beklagte bei der Kriegsbefestigung die Erhebung der Widerklage vorbehalten konnte (Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 400). 1138 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 30, S. 246 f. 1139 NHGO, Part. 3 Tit. 12, fol. 50v. 1140 NHGO, Part. 3 Tit. 12, fol. 50v.
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dd. Anerkenntnis und Geständnis Tritt der Beklagte der Klage im Einzelnen oder insgesamt nicht entgegen, muss zwischen zwei verschiedenen Situationen differenziert werden – dem Anerkenntnis (confessio in iure) und dem Geständnis (confessio in iudicio). Bestritt der Beklagte einzelne Artikel nicht ausreichend oder bestritt er sie überhaupt nicht, galten diese Artikel als zugestanden.1141 Dies belegt auch die NHGO , indem sie regelt, dass Artikel bei Nichterscheinen des gegnerischen Teils fuer bekant anzunemen sind.1142 Wetzell merkt zum Geständnis an, dass es „eine durch Verzicht auf den Beweis bewirkte Disposition über das streitige Recht“ sei.1143 Da sich die einzelnen Geständnisse jedoch nur auf die jeweiligen Tatsachen beziehen, stellt die NHGO im Titel über die Säumnis des Beklagten dar, dass der gesamte Fall noch immer gegen den Kläger entschieden werden kann.1144 Eben hier liegt der Unterschied zum Anerkenntnis, mit welchem der Beklagte den gesamten mit der Klage geltend gemachten Anspruch anerkennt. In der RKGO von 1555 wird dies mittelbar durch die Formulierung der in disen sachen […] mit nitgeste hen uff die clag antwurten und also litem negative contestirn will verdeutlicht.1145 Der Beklagte hatte also auch die Möglichkeit, mit […]gestehen auf die Klage zu reagieren. Aus dem zweiten Teil dieser Formulierung ergibt sich auch, dass bei einer positiven beziehungsweise affirmativen Litiskontestation wohl von einem Anerkenntnis des Beklagten auszugehen ist.1146 Die NHGO enthält überhaupt keine, nicht einmal mittelbare Regelungen zur Problematik des Anerkenntnisses. Aus den Prozessakten des Hofgerichts ergibt sich allerdings, dass es durchaus affirmative Litiskontestationen und somit wohl auch (Teil-)Anerkenntnisse gab.1147 d. Replik, Duplik, Triplik Die Begriffe Replik und replicieren tauchen in der NHGO an unterschiedlichen Stellen auf. Die Ordnung gibt dem Kläger zum einen die Möglichkeit, auf die
1141 Danz/Gönner: Grundsäze (1806), § 239, S. 388 und §§ 292 – 294, S. 438 – 4 41; Dick: Kameralprozess (1981), S. 152 f.; Wetzell: System (1861), S. 105 f. 1142 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. 1143 Wetzell: System (1861), S. 105 f. 1144 NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 52r. In diesem Fall muss der Beklagte jedoch trotzdem die Gerichtskosten tragen. Näheres zur Säumnis des Beklagten, S. 160 – 168. 1145 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 13 § 4, S. 233 f. 1146 Dick: Kameralprozess (1981), S. 153. 1147 HStASt C1 Bü 504 (1576 – 1586), 533 (1580 – 1590) und 614 (1583 – 1598). Es sollte in diesem Zusammenhang jedoch beachtet werden, dass die affirmative Litiskontestation auch seitens des Klägers möglich war. Siehe S. 120.
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peremtorischen Exzeptionen des Beklagten im vierten Termin mündlich zu beschließen oder im fünften Termin darauf schriftlich zu replizieren.1148 Danach solle jedoch keine weitere schriftliche Handlung in diesem Punkt zugelassen werden. Eine weitere Vorschrift regelt den Fall, dass der Beklagte auf einen oder mehrere Artikel nicht ausreichend geantwortet hat. Dies kann der Kläger anzeigen, woraufhin das Gericht noch in derselben oder in der darauffolgenden Gerichtssitzung ohne weitere Replik des Beklagten mündlich entscheidet.1149 Im neunten Titel des dritten Teils der NHGO wird angeordnet, dass die Parteien im achten Termin zu exzipieren und zu replizieren sowie im neunten Termin zu replizieren und zu duplizieren haben.1150 Der Kläger kann schließlich im zweiten Termin des Verfahrens über die dilatorischen Einreden auf die forideklinatorische Einreden des Beklagten replizieren. 1151 Danach besteht für den Kläger im Verfahren über die peremtorischen Einreden des Beklagten, im Verfahren über das Beweisergebnis des Klägers – sofern der Beklagte hiergegen Einreden erhoben hat – sowie im Verfahren über die dilatorischen Einreden des Beklagten die Gelegenheit zu replizieren. Im Zwischenstreit über die genugsam Responsion des Beklagten soll aus Zeitgründen gerade keine Möglichkeit zur Replik bestehen.1152 Mangels Regelungen zum Verfahren bei Auseinandersetzungen über die Zulässigkeit der einzelnen Klagartikel gibt die NHGO in diesem Zusammenhang im Unterschied zur RKGO von 15551153 keine Möglichkeit zur Replik. Dasselbe gilt mit Blick auf die Bestellung der Beweiskommissare.1154 Im Übrigen stimmen beide Ordnungen überein.1155 In den drei genannten Fällen, in denen der Kläger replizieren kann, hat der Beklagte wiederum das Recht zu duplizieren.1156 Wie bei Klage und Klageerwiderung besteht für die Parteien auch hinsichtlich Replik, Duplik, Triplik, Quadruplik etc. die Vorgabe, diese Schriftsätze zu artikulieren.1157 Die NHGO gibt grundsätzlich den Parteien die Möglichkeit zu replizieren, zu duplizieren und zu triplizieren, bevor sie ihre Konklusionsschriften einzureichen
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NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v.; zudem NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50r f. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r f. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 §§ 2 und 3, S. 235 f. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 § 2, S. 238. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 19 – 22, S. 240 f.; Tit. 26 §§ 2 – 6, S. 244 f. und Tit. 29 §§ 2 f., S. 246. 1156 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v; Tit. 10, fol. 49v; Tit. 11, fol. 50r f. 1 157 Dies ergibt sich für die NHGO aus Part. 3 Tit. 10, fol. 49r f. zwar nur hinsichtlich der Replik. Allerdings kann man vor d iesem Hintergrund davon ausgehen, dass diese Vorgabe auch für weitere Schriftsätze galt. Für das Reichskammergericht: RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 40 § 2, S. 257.
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haben.1158 In einem großen Teil der vor dem Hofgericht verhandelten Verfahren findet man Repliken und Dupliken der Parteien.1159 Tripliken bilden eher die Ausnahme.1160 In lediglich zwei Verfahrensakten aus dem 16. Jahrhundert finden sich Quadrupliken.1161 Beide Schriftsätze stammen aus der Zeit vor 1572, nämlich aus den Jahren 1557 beziehungsweise 15601162 und aus dem Jahr 15631163. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass das Hofgericht nach 1572 über die in der NHGO erlaubten Schriftsätze hinaus keine weiteren zuließ. In diesem Zusammenhang muss jedoch beachtet werden, dass viele Prozesse immer häufiger bereits in einem frühen Stadium aufgrund von Abforderungen oder Appellationen abbrachen. Im Gegensatz zur RKGO von 1555 lässt die NHGO selbst also bereits die Triplik zu.1164 Im Hinblick auf weitere Schriftsätze musste wohl, ähnlich wie auch im reichskammergerichtlichen Verfahren, das Gericht diese zulassen.1165 Es steht zu vermuten, dass auch die Parteien am Hofgericht vorbringen mussten, dass sich aufgrund des letzten gegnerischen Schriftsatzes neue Umstände ergeben hätten, auf die nun entgegnet werden müsse.1166
1 158 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. 1159 HStASt C1 Bü 227 (1576 – 1578), Bü 238 (1573; 1576 – 1583), Bü 243 (1588 – 1590), Bü 251 (1587 – 1590), Bü 283 (1601 – 1603), Bü 294 (1592), Bü 312 (1591 – 1592), Bü 314 (1573 – 1581), Bü 328 (1578 – 1580), Bü 363 (1593), Bü 370 (1575; 1576 – 1580), Bü 374 (1574), Bü 391 (1589 – 1592), Bü 399 (1594 – 1604), Bü 403 (1598), Bü 409 (1591), Bü 410 (1571 – 1578), Bü 412 (1579 – 1584), Bü 424 (1592), Bü 426 (1580 – 1590), Bü 436 (1594), Bü 439 (1589 – 1610), Bü 456 (1588 – 1593), Bü 465 (1580 – 1583), Bü 469 (1580 – 1589), Bü 517 (1597 – 1599), Bü 520 (1592 – 1610), Bü 524 (1586 – 1595), Bü 531 (1599 – 1600), Bü 533 (1580 – 1590), Bü 537 (1597 – 1612), Bü 546 (1570 – 1574), Bü 556 (1585 – 1587), Bü 570 (1590 – 1602), Bü 578 (1581 – 1583), Bü 589 (1577 – 1579), Bü 591 (1581 – 1596), Bü 592 (1588 – 1599), Bü 594 (1598 – 1608), Bü 602 (1591 – 1594), Bü 610 (1577 – 1580), Bü 614 (1583 – 1598), Bü 636 (1595 – 1608). 1160 HStASt C1 Bü 206 (1601), Bü 209 (1597), Bü 274 (1564 – 1565), Bü 335 (1597 – 1599), Bü 354 (1583 – 1589), Bü 413 (1580 – 1582), Bü 417 (1579 – 1588), Bü 467 (1596 – 1601), Bü 483 (1591 – 1596), Bü 540 (1549 – 1593). 1161 HStASt C1 Bü 397 (1561 – 1588) und Bü 641 (1555 – 1572). 1162 HStASt C1 Bü 641 (1555 – 1572). 1163 HStASt C1 Bü 397 (1561 – 1588). 1164 Dick führt hierzu aus, dass zwar im Verfahren über die peremtorischen Einreden das Wort Triplik in der RKGO von 1555 auftaucht. Allerdings lasse sich daraus keine allgemeine Zulässigkeit der Triplik ableiten. Vielmehr sei hier die Bedeutung des Wortes Triplik in „der erneuten, hier in der Konklusion bestehenden Entgegnung des Klägers“ zu sehen. Dick: Kameralprozess (1981), S. 163 f. 1165 Wie soeben schon angemerkt. Vergleiche hierzu RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 38, S. 255 f. 1166 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 38, S. 255 f.; Dick: Kameralprozess, S. 163. Sellert führt für den Reichshofrat hierzu aus, dass mit der Zulassung von weiteren Schriftsätzen auch
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e. Beweis In ihrem ersten und dritten Teil beschäftigt sich die NHGO mit den Beweismitteln und dem Beweisverfahren. Das Artikelverfahren gab den Parteien vor, was sie zu beweisen hatten und was nicht. Jeder Artikel, der verneint wurde – hierunter fallen Klagartikel, Defensionalartikel, dilatorische und peremtorische Exzeptionalartikel, Replikartikel, Duplikartikel etc. –, war sogleich zu beweisen. aa. Beweisverfahren Aus NHGO Part. 3 Tit. 5 geht hervor, dass die Parteien sich zum Beweis zu erbieten haben.1167 Das Beweisthema und die Beweismittel haben sie somit selbst zu bestimmen. Das Gericht ordnet daraufhin den Beweis an. Diese Anordnung, mit welcher den Parteien der Beweis auferlegt wird, ergeht als Beiurteil und stellt kein Beweis interlokut dar.1168 Sie ist somit als besondere Ausprägung der Prozessführungsbefugnis des Richters zu bewerten 1169 und legt gerade nicht – wie das Beweisinterlokut im Sächsischen Prozess – das Beweisthema oder die Beweislast fest.1170 Der Kläger kann schon im vierten Termin den Beweis antreten, indem er die für die Beweiseinholung zu bestellenden Kommissare vorschlägt, die Beweisartikel und Beweismittel benennt und das Gericht um das Setzen einer Beweisfrist ersucht. 1171 Der Beweisantritt in Form der soeben beschriebenen Handlungen muss jedoch spätestens im fünften Termin erfolgen. 1172 Der Beweisgegner konnte insbesondere hinsichtlich der vom Beweisführenden genannten Zeugen Einwände erheben.1173 In der Ordnung wird weiter ausgeführt, dass es, dieweil an diesem hoffgericht zwen
1 167 1168
1169 1 170 1171 1172 1173
implizit über die Zulässigkeit des neuen Tatsachenvorbringens entschieden worden sei (Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 265). NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. Speziell für das Hofgericht, siehe Kohler: Verfahren (1904), S. 69. Für das Reichskammergericht siehe hierzu RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 6 § 3, S. 223. Mit dem Beiurteil wurde der beweispflichtigen Partei der „Beweis auferlegt“. Hierzu Planck: Beweisurtheil (1848), S. 179. Darüber hinaus Planck: Beweisurtheil (1848), S. 194 f. Zur Unterscheidung Beweisinterlokut – Beiurteil auch mit Verweis auf Hofgerichtsordnungen des 16. Jahrhunderts: Planck: Beweisurtheil (1848), S. 198 – 200. Ferner Dick: Kameralprozess (1981), S. 165; Schwartz: Civilproceß-Gesetzgebung (1898), S. 97; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 297. Dick: Kameralprozess (1981), S. 165; Planck: Beweisurtheil (1848), S. 199; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 297. Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 295. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. Kohler: Verfahren (1904), S. 69 f.
Verfahren
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Commissarien, zu allen / vnd jeden sachen von Hoffrichter / vnd Beysitzer bißhero verordnet / vnd beaidigt / Soll es damit […] gehalten werden.1174 Im ersten Teil der Ordnung wird hierzu ergänzt, dass es am Hofgericht herkommen sei, dass von zwei durch das Gericht verordneten Kommissaren in allen rechtshängigen Sachen die zeugen examinirt, vnd nottürfftige kundtschafft / vnd beweisung eingenommen werden.1175 Den Parteien soll es zudem vorbehalten sein, solchen Commissariis notarios zuzuordnen.1176 Dies galt insbesondere für die Fälle, in denen das Gericht nicht die von der Partei vorgeschlagenen Kommissare berücksichtigt hatte.1177 Wehner merkt hierzu an, dass die Problematik der Parteilichkeit der Kommissare durch die Heranziehung dieser Notare deutlich an Brisanz verlor.1178 Darüber hinaus folgt aus NHGO Part. 1 Tit. 14, der sich näher mit des Keyserlichen Hoffgerichts zeugen Commissarien ampt beschäftigt, dass in Ringschetzigen sachen zur Vermeidung von Kosten auch die nechstgesessenen Stadtschreiber oder Notare auf Vorschlag und Bewilligung der Parteien oder ihrer Anwälte zu Kommissaren zugelassen werden konnten.1179 Nach Wehner müssen diese Stadtschreiber und Notare allerdings keinen Eid leisten. Zur Begründung führt er an, dass dies weder in der NHGO noch in sonstigen Prozessvorschriften des Reiches vorgesehen sei.1180 Da an den Kommissaren nicht weniger als an dem Richter gelegen sei, sollen der Hofrichter und die Beisitzer dafür Sorge tragen, dass ehrbare, gelehrte und in der gerichtlichen Praxis erfahrene Personen, wenn möglich auch am Reichskammergericht approbierte Notare, vor ihrem Einsatz ernsthaft geprüft werden.1181 Zu den Kommissaren merkt Grube an, dass es diese als für die Beweisaufnahme „eigens bestellte[n] Gerichtbedienstete[n]“ seit 1525 gab.1182 Zuvor habe man die Obrigkeiten der Zeugen, insbesondere Stadtrichter, um die Erledigung der Beweisaufnahme gebeten. Sei dies nicht möglich gewesen, habe das Hofgericht eigene Beisitzer mit der Aufgabe beauftragt.1183 Das Amt des Kommissars wurde von den am Hofgericht tätigen Rechtsgelehrten oftmals als ein Übergangsamt bekleidet und fiel zumeist mit dem Amt des Hofgerichtsadvokaten zusammen.1184
1 174 1175 1176 1177 1178 1179 1180 1181 1182 1183 1184
NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. NHGO, Part. 1 Tit. 14, fol. 13r. NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v.; Part. 1 Tit. 14, fol. 13r. Grube: Verfassung (1969), S. 202. Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 163. NHGO, Part. 1 Tit. 14, fol. 13r. Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 164. NHGO, Part. 1 Tit. 14, fol. 13v. Grube: Verfassung (1969), S. 201. Grube: Verfassung (1969), S. 201. HStASt C1 Bü 194 fol. 119 (14. Dezember 1574). Grube: Verfassung (1969), S. 201 f.
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In ihrem Eid sollen die Kommissare geloben, die zeugen uber die beweiß articul vnd fragstueck mit gantzem fleiß vnd allen trewen zu examiniern vnd zuuerhoeren / auch nichts vnderlassen das zur erforschung / vnd ergruendung der warheit dienst lich / vnd die inen vorbrachte brieffliche Vrkunden / irem examen zueinuerleiben / auch alles vnd jedes was fuer ihnen gehandlet / fleissig auffzuschreiben / in geheim biß zu der gerichtlichen eroeffnung zuhalten / vnd Hoffrichter / auch den Beysitzern ver schlossen zuo vberantworten.1185 Die Beweisfristen sollen der Hofrichter und die Urteilsprecher nach Art und Umfang der Sache ansetzen.1186 Bei Streit über die Länge der Frist haben Hofrichter und Urteilsprecher die Parteien hierüber zügig zu bescheiden.1187 Zudem gebietet die NHGO den Prokuratoren – dies hatte sich wohl in der Vergangenheit des Öfteren zugetragen – unter der Androhung einer Strafe in Zukunft während der Dauer der Beweisaufnahme keine weiteren Prozessschriften mehr einzubringen.1188 Die Beweisaufnahme wurde mit der Ausschreibung eines Kommissionstages eingeleitet. Die Parteien reisten mit ihren Zeugen und anderen Beweismitteln zu diesem Tag an. Die Kommissare verlasen zu Beginn der Beweisaufnahme das Kommissionsschreiben. Aus ihrer Geheimhaltungspflicht bezüglich der Ergebnisse der Beweisaufnahme bis zu deren Publikation im Hauptverfahren ergibt sich, dass die Zeugenverhöre unter Abwesenheit der Parteien 1189 als auch der restlichen Zeugen 1190 stattfanden. Die Zeugen hatten vor ihrer Aussage den Zeugeneid zu leisten.1191 Die Kommissare protokollierten die Zeugenaussagen zu den einzelnen Beweisartikeln und fassten diese in einem sogenannten Zeugenrotul zusammen.1192 Auf unsorgfältige Protokollierungen und Verzögerungen der einzelnen Verhöre reagierte das Gericht mit Geldstrafen.1193 Die Zeugen hatten zudem auf die von dem Beklagten eingebrachten sogenannten Fragstücke (interrogatoria specialia) zu antworten.1194 Diese Fragenkataloge stellten über die Beweisartikel hinausgehende Fragen des 1 185 1186 1187 1188 1189 1190 1191 1192 1 193 1194
NHGO, Part. 1 Tit. 22, fol. 19v. NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 48r. NHGO, Part. 1 Tit. 22, fol. 19v. Dick: Kameralprozess (1981), S. 169; Wetzell: System (1861), S. 134. Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 311; Seyfart: Teutscher ReichsProceß (1756), S. 224 – 227 und S. 234. NHGO, Part. 1 Tit. 40, fol. 26r; Kohler: Verfahren (1904), S. 70. Für den Wortlaut des Eides siehe S. 144. Das Zeugenrotul ist also eine gerichtliche Niederschrift der Zeugenaussagen (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 314). Grube: Verfassung (1969), S. 202. Kohler: Verfahren (1904), S. 70; Seyfart: Teutscher ReichsProceß (1756), S. 255; Wetzell: System (1861), S. 133 f.
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Beweisgegners zusammen, mit denen vor allem die Glaubwürdigkeit der einzelnen Zeugen in den Fokus genommen werden sollte.1195 Zuvor wurden die Zeugen entweder auf Antrag des Beweisgegners oder von Amts wegen zur Person – insbesondere über ihre Identität, ihre Zeugnisfähigkeit und ihre Glaubwürdigkeit – vernommen (interrogatoria generalia).1196 Die fertigen Zeugenrotule sollen nach der NHGO verschlossen an das Hofgericht geschickt werden.1197 Der Kläger hat sodann im sechsten Termin seine Attestationes, vnd sonstige brieffliche vrkunden vorzubringen.1198 Ob, wie am Reichskammergericht 1199, die Kommissare auch über von den Parteien eingebrachte Urkunden schon zuvor ein Urkundenrotul fertigen konnten, ist für das Hofgericht nicht zu beantworten. Schließlich sollen auch im sechsten Termin die publication, vnd eroeffnung der Kundschaft 1200 des Klägers stattfinden.1201 Die Ordnung schreibt jedoch in diesem Zusammenhang vor, dass, sollte der Beklagte seine Zeugen nicht verhören lassen und dies gerichtlich anzeigen, die Aussagen der klägerischen Zeugen bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte seine kundtschafften gefueret vnd gerichtlich produciert hat, nicht geöffnet werden, sondern verschlossen bleiben sollen.1202 Die Beweiseröffnung kann somit erst stattfinden, wenn der Gegenbeweis geführt wird. Im Gegensatz zur RKGO von 1555 ist in der NHGO dieser Gegenbeweis des Beklagten ausdrücklich vorgesehen.1203 Die NHGO nimmt somit an dieser Stelle für das Hofgericht die s päter im Jüngsten Reichsabschied 1204 für das Reichskammergericht ergehende Regelung vorweg. Das Gericht publiziert die Zeugenbeweise, indem es das geöffnete Rotul den Akten hinzufügt. Mit der Publikation wurde die Beweisaufnahme abgeschlossen. Weitere Beweiserhebungen waren nicht mehr zulässig.1205
1 195 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 311. 1196 Kohler: Verfahren (1904), S. 70; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 311; Seyfart: Teutscher ReichsProceß (1756), S. 254 f.; Wetzell: System (1861), S. 131 f. 1197 NHGO, Part. 1 Tit. 22, fol. 19v. 1198 NHGO, Part. 3 Tit. 7, fol. 48r. 1 199 Dick: Kameralprozess (1981), S. 169. Generell zur Behandlung, insbesondere zur Transkription von Originalurkunden: Blum: Processus Cameralis (1665), Tit. LXXIII Nr. 39 – 42, S. 537 f. 1200 Laufs definiert die Kundschaft als „Aussage von Zeugen oder Sachverständigen“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 306). 1201 NHGO, Part. 3 Tit. 7, fol. 48r. 1202 NHGO, Part. 3 Tit. 7, fol. 48r. 1203 Siehe wie soeben: NHGO, Part. 3 Tit. 7, fol. 48r. Allerdings musste auch in der Praxis des Reichskammergerichts vor der Publikation der klägerischen Beweise der Gegen beweis geführt werden (Dick: Kameralprozess (1981), S. 170). 1204 Jüngster Reichsabschied von 1654, § 54. 1205 Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 315.
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Die gegnerische Partei kann von der Hofgerichtskanzlei eine Kopie des Rotuls verlangen.1206 Die ausgefertigten Kopien werden daraufhin dem Prokurator der gegnerischen Partei ausgehändigt. Antrag und Aushändigung verzeichnen die Kanzleibeamten in den Akten. Die Frist zur Einbringung von Exemtionen gegen die Beweisergebnisse beginnt erst ab dem Zeitpunkt der Aushändigung der Kopie(n) zu laufen.1207 Gegen die von den beiden Parteien erbrachten Beweise und Exzeptionen können die Parteien im achten Termin wiederum exzipieren und replizieren, im neunten Termin replizieren und duplizieren, im zehnten Termin duplizieren und triplizieren und schließlich im elften Termin triplizieren und die Konklusionsschrift einbringen.1208 Die Parteien sind danach nicht mehr berechtigt, schriftlich vorzutragen, sondern haben im zwölften Termin ihren Vortrag mündlich zu beschließen.1209 bb. Beweismittel Als Beweismittel bezeichnet die NHGO Zeugen und Urkunden. Jedoch sind auch Sachverständigen- und Augenscheinsbeweis in ihr angelegt. Der Parteieid spielt hingegen keine Rolle. Die Zeugen hatten vor ihren Aussagen folgenden Eid zu leisten: Ir sollend schweren einen Eydt zu Gott vnd den Heiligen / Das ir auff die articul in Recht zugelassen / vnd in der gantzen sachen zwischen N. vnd N. woellend sagen vor beyde Partheyen / keiner zu lieb noch zu leid / die warheit so euch dauon wissend ir besinnet vnd befragt werdent / zusagen / vnd das nit lassen vmb einiche schenck / gaab / nutz / gunst / haß freundschafft / forcht / oder anders / wie menschen sinn das erdencken moecht.1210 Grundsätzlich war der Zeugeneid ohne Ansehung des Standes des Zeugen zu leisten.1211 Seyfart zufolge soll jedoch insofern ein Unterschied gemacht werden, als das testimonium eines Fuersten, wenn es auch unbeschworen ist, dennoch bey Entscheidung der Sache in Consideration zu ziehen ist.1212 Die Verfasser der NHGO waren sich augenscheinlich der großen Problematik der Zeugenbeeinflussung und Zeugenbestechung bewusst.1213 Auch die Zeugen am Hofgericht waren deshalb wohl zur Geheimhaltung ihrer Aussage bis zu deren Publikation verpflichtet.1214
1206 NHGO, Part. 3 Tit. 8, fol. 48v. Kohler: Verfassung (1904), S. 70. 1207 NHGO, Part. 3 Tit. 8, fol. 48v. Siehe auch NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v. 1208 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. 1209 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. 1210 NHGO, Part. 1 Tit. 40, fol. 26r. 1211 Seyfart: Teutscher ReichsProceß (1756), S. 229. 1212 Seyfart: Teutscher ReichsProceß (1756), S. 229. 1213 Siehe hierzu auch Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 313. 1214 Grube: Verfassung (1969), S. 202. Jedenfalls für das Reichskammergericht: Dick: Kameralprozess (1981), S. 171; Stölzel: Reichskammergerichtsprozeß (1876), S. 280.
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Der im 16. Jahrhundert in den Gerichten aufkommende Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung findet auch in der NHGO erste Anklänge.1215 Wie schon Dick für das Reichskammergericht festgehalten hat, war es zwar erst der Speyrer Reichsabschied von 1570, der es in das Ermessen des Richters stellte, was vnd wie viel den abgehörten zeugen oder deren außsagen zu glauben,1216 allerdings dokumentierte der Reichsabschied damit eine schon längst an vielen Gerichten bestehende Praxis.1217 Attestationes, vnd sonst brieffliche vrkunden mussten im sechsten Termin eingebracht werden.1218 Schon in der AHGO wird bestimmt, dass der Kläger besiegelte Briefe – insbesondere Schuld- und Hauptbriefe – als Beweismittel vorlegen kann.1219 Im Zuge der zunehmenden Verschriftlichung des Verfahrens kam der Urkunde als vermeintlich objektivem Beweismittel immer mehr Bedeutung zu.1220 Im Vergleich zum Reichshofrat war jedoch im gerichtlichen Alltag der Zeuge das weit wichtigere Beweismittel.1221 In der Frage, wie am Reichskammergericht bei Zweifeln einer Partei an der Echtheit der vorgelegten gegnerischen Urkunde(n) reagiert werden soll, verweist Wiggenhorn auf die Möglichkeit einer von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei ergehenden Entscheidung des Gerichts über die Echtheit der Urkunde.1222 Zuvor soll jedoch eine Siegel- und Urkundenrekognition, das heißt eine Überprüfung der Urkunden und/ oder Siegel, stattfinden.1223 Die Parteien konnten bei dieser Gelegenheit, nach Besichtigung der infrage stehenden Urkunde(n), ihre Einwände vorbringen.1224 In späteren Zeiten hatten sie diesbezüglich einen Diffesionseid zu leisten.1225 Mangels Regelung
1 215 1216 1217 1218 1219 1220 1221 1222 1223 1224 1225
Für den Reichshofrat: Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 313. NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 4v f.; Tit. 19, fol. 18r. Reichsabschied von 1570, § 97. Dick: Kameralprozess (1981), S. 171. NHGO, Part. 3 Tit. 7, fol. 48r. AHGO, Part. 5 Tit. 4 – 9, S. 332 – 334. Schröder/Künssberg: Lehrbuch (1932), S. 851; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 301; Wetzell: System (1861), S. 137 f. Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 302. Wiggenhorn: Reichskammergerichtsprozeß (1966), S. 211 f. Eingehend zu den Voraussetzungen und dem Verfahren dieser Überprüfung: Wetzell: System (1861), S. 148 – 151, S. 152 – 157. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 40 § 1, S. 256 f. Darüber hinaus: Blum: Processus Cameralis (1665), Tit. LXXIII Nr. 39 – 42, S. 537 f.; Dick: Kameralprozess (1981), S. 171 f.; Wetzell: System (1861), S. 151. Dick: Kameralprozess (1981), S. 172. Dick: Kameralprozess (1981), S. 172; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 304; Wetzell: System (1861), S. 151. Bei Verweigerung der Rekognition der Urkunde durch eine Partei musste diese schwören, dass sie nicht lediglich aus dem Motiv der Prozessverzögerung etc. handelte.
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des Vorgehens bei gleicher Problemlage am Hofgericht steht zu vermuten, dass man bei Zweifeln an der Echtheit von Urkunden wohl ähnlich wie am Reichskammer gericht vorging. Sachverständige sind in der NHGO nur an einer Stelle erwähnt. NHGO, Part. 1 Tit. 44 gibt den Eid wieder, den ein Artzt Barbierer oder einer andern kunst erfarner schwert vber das so ime auß erfarung seiner kunst bewüst ist.1226 Die Regelung erinnert dabei nach heutigem Verständnis eher an den sachverständigen Zeugen als an den Sachverständigen.1227 Der Sachverständige bekundete also nicht nur wie der Zeuge, was er wahrgenommen hatte, sondern das, was ihm aus der Erfahrung seiner Kunst bekannt war. Über den Augenscheinsbeweis macht die NHGO keinerlei Angaben. Kohler weist ihn allerdings für das 15. Jahrhundert nach,1228 sodass zu vermuten ist, dass er auch im Prozess nach 1572 als Beweismittel eingesetzt wurde. Dick schließt für die RKGO von 1555, die ebenfalls nicht auf den Sachverständigenbeweis eingeht, dass sich aus der Verwendung des Wortes Kundschaft, welches sowohl in der AHGO als auch in der NHGO des Öfteren vorkommt, ein „enger begrifflicher Zusammenhang mit der deutschrechtlichen Tradition“ ergebe. Unter Kundschaft fiel neben der lebendigen (Zeugen und Sachverständige) und der schriftlichen Kundschaft (Urkunden) auch der Augenschein.1229 Insgesamt hält sich das in der NHGO geregelte Beweisverfahren, bis auf die oben dargestellten Unterschiede, sehr nah an den Regelungen der RKGO von 1555. Es nimmt für das Hofgericht jedoch auch schon Regelungen aus dem Jüngsten Reichsabschied von 1654 vorweg. cc. Beweisrecht nach der AHGO Das Beweisrecht nach der AHGO bezeichnet Kohler pauschal als „ziemlich altertüm lich“.1230 Eid und besiegelte Briefe waren in allen Sachen grundsätzlich zulässig.1231 Nach der AHGO kann der Beklagte bei Klagen um Schuld diese leugnen, was er sodann beeiden muss.1232 Dem Kläger steht dagegen nur der Urkundenbeweis zur Verfügung.1233 Leistete der Beklagte keinen Eid, hatten beide Parteien die Möglichkeit, Zeugen zu 1226 NHGO, Part. 1 Tit. 44, fol. 27r. 1227 Vergleiche zur parallelen Regelung in der RKGO von 1555 (Part. 1 Tit. 85). Dick: Kameralprozess (1981), S. 172. 1228 Kohler: Verfahren (1904), S. 67 – 69. 1229 Dick: Kameralprozess (1981), S. 173. 1230 Kohler: Verfahren (1904), S. 65. 1231 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 103. 1232 AHGO, Part. 5 Tit. 2, S. 331. 1233 AHGO, Part. 5 Tit. 2, S. 331.
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benennen.1234 Bei Streit darüber, ob bestimmte Güter Lehen- oder Eigengüter sind, war der Zeugenbeweis von vornherein zulässig.1235 Der Unschuldseid 1236 spielt eine gewichtige Rolle im Verfahren nach der AHGO und setzt sich sogar gegen Schuldbriefe, die während einer Zeit von 10 Jahren nicht geltend gemacht wurden, durch.1237 Der Zweikampf wird in der AHGO noch als Beweismittel genannt,1238 jedoch betonen sowohl Speidel 1239 als auch Kohler 1240, dass sich die Ordnung hinsichtlich dieses Beweismittels sehr bedeckt hält. Sein Einsatz wird ausdrücklich in das Ermessen der Urteilsprecher gestellt.1241 Wie auch Kohler darüber hinaus anmerkt, geht aus der beigefügten lateinischen Glossierung hervor, dass der Zweikampf als Beweismittel nicht mehr anzuwenden sei.1242 Wehner schließt sich in seiner Kommentierung diesem Befund allerdings nicht an, verweist hierfür auf den Einsatz des Zweikampfes an den kaiserlichen Landgerichten in Würzburg, Anspach und Fürth (Nürnberg) und merkt ferner an, dass noch im Jahr 1450 am Hofgericht das Beweismittel des Zweikampfes zugelassen gewesen sei.1243 Selbst wenn diesem danach noch formale Geltung zugekommen wäre, liegt es jedoch nahe, dass dieses Beweismittel – auch aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Urkundenbeweises – in der gericht lichen Praxis nicht mehr angewendet wurde. Oftmals reichte es zur Konfliktlösung schon aus, wenn dem Gegner der Zweikampf als Beweismittel angedroht wurde.1244 Am 1. Oktober 1484 erließ K aiser Friedrich schließlich eine Verordnung über die Kundschaft am Hofgericht Rottweil. Nach dieser Verordnung sollen die Parteien in der Wahl ihrer Beweismittel in Zukunft nicht mehr beschränkt sein und zumindest der Zeugenbeweis in allen Fällen zulässig sein.1245 Die AHGO trifft auch Regelungen für die Fälle, in denen die Parteien keine Beweise für ihre Vorträge vorbringen (können). Bringt der Angeklagte keine Beweismittel zum Termin bei und exkulpiert er sich hierfür auch nicht wegen 1234 Kohler: Verfahren (1904), S. 65. 1235 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 103 f. 1236 Durch den Unschuldseid wird die Behauptung der gegnerischen Partei negiert. Auch ein „Nichtwissen, Nichtwollen und Nichtkönnen“ kann beeidet werden. Der Eidleistende wird mit seinem Schwur unschuldig (Munzel-Everling: Eid, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1255 f.). 1237 AHGO, Part. 5 Tit. 7, S. 333. Kohler: Verfahren (1904), S. 66. 1238 AHGO, Part. 5 Tit. 3, S. 331. 1239 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 105 f. Speidel führt hier auch noch weiter zum Zweikampf als Beweismittel im Allgemeinen aus. 1240 Kohler: Verfahren (1904), S. 66 f. 1241 AHGO, Part. 5 Tit. 3, S. 331. 1242 Kohler: Verfahren (1904), S. 67. 1243 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 240 f. 1244 Schild: Zweikampf, HRG Bd. 5 (1998), Sp. 1841. 1245 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 104.
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ehehafter Gründe (ehaftin)1246, wird dem Kläger mit seiner Klage stattgegeben und der Beklagte mit der Acht und der Anleite belegt.1247 Aus dieser Acht sol noch mag in der hofrichter nit lassen on des clegers willen.1248 Bringt der Kläger für seinen mit der Klage erhobenen Anspruch keine Beweise bei und kann sich hierfür auch nicht aufgrund ehehafter Gründe entschuldigen, so ist der anclagt der ansprach von dem cleger ledig.1249 f. Urteil aa. Urteilsarten Wie die Reichskammergerichtsordnung von 1555 unterscheidet die NHGO zwischen Endurteilen und Beiurteilen.1250 Explizit erwähnt wird das Endurteil in der NHGO in Part. 3 Tit. 15 – einer Regelung über die Befreiung aus des Acht 1251 – und in Part. 3 Tit. 17, wo die Appellation vom Hofgericht an das Reichskammergericht behandelt wird.1252 Bewiesen die Parteien die in den Prozess eingeführten Behauptungen beziehungsweise erkannten diese an oder konnten die Behauptungen nicht bewiesen werden, war die Sache spruchreif.1253 Mit dem Urteil wurde ein Prozess in der Hauptsache und in der Kostenfrage entschieden.1254 Unabdingbare Voraussetzung für das Endurteil war die Litiskontestation 1255, da man wie schon dargestellt annahm, dass erst mit der Litiskontestation das materielle Streitverhältnis sich zu einem formellen umwandelte.1256 Nach Wetzells Auffassung fallen weder die auf ein Anerkenntnis ergehende „declaratorische Sentenz“ noch das Prozessurteil (absolutio ab instantia) unter den Begriff des Endurteils.1257
1246 Ehaftin ist in diesem Zusammenhang nicht mit der Ehehaft der NHGO gleichzusetzen, sondern steht für anerkannte Verhinderungsgründe, insbesondere Entschuldigungsgründe für Säumnis (Werkmüller: Ehaft, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1191). Darüber hinaus Kreuter: Dissertatio (1780), S. 29; Otterstedt: Dissertatio (1666), Caput III, Thesis IV; Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 105. 1247 AHGO, Part. 5 Tit. 6, S. 332 f. 1248 AHGO, Part. 5 Tit. 6, S. 333. 1249 AHGO, Part. 5 Tit. 6, S. 333. 1250 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53r f. 1251 NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52r f. 1252 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53r f. 1253 Wetzell: System (1861), S. 400. 1254 Dick: Kameralprozess (1981), S. 176; Wetzell: System (1861), S. 404 und S. 410. 1255 Wetzell: System (1861), S. 398 und S. 401. 1256 Wetzell: System (1861), S. 80 und S. 418. 1257 Wetzell: System (1861), S. 308 f.
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Mit dem Endurteil verurteilte das Gericht den Beklagten entweder (condemnatio), oder es wies die Klage ab (absolutio ab actione).1258 Entscheidungsgründe wurden in Endurteilen und auch in sonstigen Entscheidungen nicht angegeben.1259 Diesbezüglich bestehen für die Beteiligten nach der NHGO strenge Geheimhaltungspflichten.1260 Grube kommt für das Ende des 15. Jahrhunderts beziehungsweise für den Anfang des 16. Jahrhunderts aufgrund eines Schriftstücks des Assessorrats 1261 lediglich noch auf einen Durchschnitt von zwölf Endurteilen im Jahr, zweifelt allerdings auch diese Zahl noch an.1262 Aufgrund der weiter massiv steigenden Zahl von Exemtionen und der daraus resultierenden Abforderungen und Appellationen gelangten viele Prozesse gar nicht mehr bis zum Endurteil, geschweige denn bis zum Vollzug.1263 Von ähnlich niedrigen Endurteilszahlen berichtet Dick für das Reichskammergericht und verweist diesbezüglich unter anderem auf Goetze, Lieberich und Smend.1264 Die formelle Rechtskraft trat ein, wenn die Parteien das Urteil mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifen konnten.1265 Für die Appellation an das Reichskammergericht gewährt die NHGO den Parteien eine Frist von zehn Tagen.1266 In materielle Rechtskraft erwuchs lediglich die „Entscheidung selbst“ 1267, also der Tenor des Urteils. Nebenentscheidungen des Gerichts wurden als Beiurteile beziehungsweise Zwischenurteile oder Interlokute erlassen. Nebenentscheidungen in Form eines Interlokuts ergingen dabei insbesondere, wenn das Hofgericht beschloss, 1258 Wetzell: System (1861), S. 399 und S. 401. 1259 Für das Hofgericht: Kohler: Verfahren (1904), S. 72. Darüber hinaus: Dick: Kameral prozess (1981), S. 177; Linde: Lehrbuch (1825), § 168, S. 235 – 237 und § 198, S. 273; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 359. 1260 NHGO, Part. 1 Tit. 19, fol. 18r (Hofrichter, Statthalter und Beisitzer); Tit. 20, fol. 18v (Kanzleiverwalter); Tit. 21, fol. 19r (Protonotar, Registrator und Sekretäre). 1261 HStASt C1 Bü 195 fol. 402 f. 1262 Grube: Verfassung (1969), S. 77. 1263 Grube: Verfassung (1969), S. 49 f., 76 f. 1264 Dick: Kameralprozess (1981), S. 177. Siehe darüber hinaus Lieberich: Reichskammerprozesse (1971), S. 423 f.; Smend: Reichskammergericht (1911), S. 70 f. und S. 82 Fn. 2. Bei Goetze wird dies exemplarisch an dem von ihm behandelten Fall sichtbar (Goetze: Appellationsprozess (1975), S. 502 f.). Das Rottweiler Hofgericht fungierte in diesem Verfahren als Vorinstanz, deren Urteil jedoch vom übergeordneten kaiser lichen Kammergericht aufgehoben wurde (Goetze: Appellationsprozess (1975), S. 490 – 503). 1265 Wetzell: System (1861), S. 420 Fn. 11. 1266 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53r f. 1267 Wetzell: System (1861), S. 441. Wetzell äußert sich ausführlich zur Problematik der materiellen Rechtskraft, die sich seiner Meinung nach aus der negativen Wirkung, welche ihren Ausdruck in der exceptio rei judicatae findet, und der positiven Wirkung des Prozesses, aus welcher sich die actio judicati ableitet, zusammensetzt (Wetzell: System (1861), S. 420).
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dass – nach dem Abforderungsbegehren des Beklagten – ein Prozess aufgrund eines Ehehaftstatbestandes nicht remittiert würde.1268 Im Titel über die Appellation an das Reichskammergericht unterscheidet die NHGO z wischen Beiurteilen so krafft einer endturtheyl und schlechten Beiurteilen w elche nit krafft einer endturtheyl haben.1269 Das Wort Beiurteil taucht in der NHGO zudem in Part. 3 Tit. 15 auf, der die Loslösung aus der Acht behandelt. An dieser Stelle unterscheidet die NHGO zwischen zwei Verfahrensweisen, die jedoch beide die Acht zur Folge haben: die eine, wenn jemand nicht zum Termin erscheint und infolgedessen säumig wird; die Zweite, wenn jemand dem ihm durch ein Endurteil oder einem mit der Kraft eines End urteils ausgestatteten Beiurteils Auferlegten nicht nachkommt.1270 Beiurteile konnten grundsätzlich nur zusammen mit dem Endurteil angegriffen werden.1271 Allerdings gab es auch Beiurteile, die die Kraft eines Endurteils hatten und somit selbstständig angefochten werden konnten.1272 Voraussetzung für den Erlass solcher Beiurteile war ferner, dass das Gericht beide Parteien vor der Entscheidung rechtlich gehört hatte.1273 Lediglich von Bescheiden spricht die NHGO, wenn sie einfache Beiurteile meint. In der NHGO wird der Begriff an mehreren Stellen verwendet: Bei der Vorschrift über die Abfassung der drei Gerichtsbücher als Gegenstück zum Urteil,1274 in der Regelung über die Umfrage in praefixis, in welcher den Prokuratoren durch gerichtlichen Bescheid die Frist für ihre nächsten Handlungen gesetzt wird,1275 an der Stelle, an der das Vorgehen bei Streit über die Beweisfrist geregelt ist,1276 im Verfahren über die dilatorischen Einreden 1277 und im Verfahren gegenüber dem säumigen Beklagten.1278 Weitere Erläuterungen zu diesen Bescheiden sind in der NHGO nicht enthalten. Am Reichskammergericht ergingen die einfachen Bescheide nach Anhörung der gegnerischen Partei 1279 und konnten ohne Durchsicht der Akten unmittelbar in der Audienz ergehen.1280 1268 1269 1270 1271 1272 1273 1 274 1275 1276 1277 1278 1279 1280
Jack: Ehafte (2012), S. 81. NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53r f. NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52r f. Dick: Kameralprozess (1981), S. 178; Planck: Beweisurtheil (1848), S. 159 – 161. RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 28 § 6, S. 207. Dick: Kameralprozess (1981), S. 178. Hinsichtlich der RKGO von 1555: Part. 2 Tit. 29 § 3, S. 208; Part. 3 Tit. 31 § 11, S. 249; Part. 3 Tit. 33 § 5, S. 253. Dick: Kameralprozess (1981), S. 178; Wetzell: System (1861), S. 505. Sellert zufolge hat der Reichshofrat seine Zwischenentscheidungen, also auch Beiurteile, den Parteien gegenüber begründet (Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 360 f.). NHGO, Part. 1 Tit. 9, fol. 9v. NHGO, Part. 2 Tit. 3, fol. 32v. NHGO, Part. 3 Tit. 6, fol. 47v. NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49v. NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 52r. Wetzell: System (1861), S. 505. Vertiefend für das Reichskammergericht hierzu: Dick: Kameralprozess (1981), S. 179 f.
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bb. Aktenschluss Dem Beschluss der Sache begegnet man in der NHGO an verschiedenen Stellen. Zunächst kann der Kläger, sobald der Beklagte im vierten Termin seine Exzeptionen vorgebracht hat, hierauf mündlich beschließen.1281 Ab d iesem Zeitpunkt sind dann keine weiteren schriftlichen Handlungen in diesem puncten mehr zugelassen.1282 Hat der Beklagte im vierten Termin nicht ausreichend auf die Positionen des Klägers respondiert, kann der Kläger gegen diese Responsionen exzipieren und im weiteren Verlauf, ohne zusätzliche Replik des Beklagten, mündlich beschließen.1283 Sobald die Parteien im elften Termin ihre Konklusionsschriften eingebracht haben, sind weitere schriftliche Handlungen nicht mehr erlaubt.1284 Es darf lediglich noch mündlich der Schlussvortrag gehalten werden.1285 Im Verfahren über die dilatorischen Einreden hat der Kläger die Möglichkeit, bei nicht artikulierten Exzeptionen des Beklagten entweder zu replizieren oder per generalia [zu] beschliessen.1286 Wenn darüber hinaus im Verfahren über die dilatorischen Einreden die Replikartikel des Klägers nicht verneint werden, soll der Kläger auf die Duplik des Beklagten hin seinen Vortrag zu Ende bringen, woraufhin keine fernere schriftliche Handlung mehr zugelassen wird.1287 Schließlich wird bei der Behandlung der peremtorischen Exzeptionen betont, dass nach der Triplik und der Konklusionsschrift keine weiteren – weder schriftliche noch mündliche – Handlungen mehr zugelassen sind.1288 Wiederum hält sich die NHGO in großen Teilen an die Regelungen der RKGO von 15551289, macht jedoch viel weniger konkrete Vorgaben und widmet dem münd lichen Beschluss auch keinen eigenen Titel.1290 Im Gegensatz zur RKGO von 1555 findet man in der NHGO ferner keine Angaben zum Beschluss für den Fall, dass der Kläger nichts zu beweisen hat oder dass das Gericht ein Beweisverfahren nicht für nötig hält.1291 Allerdings sieht sie – auch im Gegensatz zur RKGO von 1555 – den mündlichen Beschluss für den Fall vor, dass der Beklagte nicht ausreichend auf die Positionen des Klägers geantwortet hat.1292
1281 1282 1283 1284 1285 1286 1287 1288 1289
NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 46v. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 48v. NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49r. NHGO, Part. 3 Tit. 10, fol. 49v. NHGO, Part. 3 Tit. 11, fol. 50v. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 15 § 3, S. 235 f.; Tit. 16 § 8, S. 239; Tit. 17 § 2, S. 239 f.; Tit. 22 §§ 1 und 2, S. 241. 1290 Wie das in der RKGO von 1555 der Fall ist. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 23, S. 241 f. 1291 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 16 § 8, S. 239 und Tit. 17 § 2, S. 239 f. 1292 NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r.
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Die Beschlüsse waren unabdingbare Voraussetzung für gerichtliche Entscheidungen, die nach Anhörung der Parteien ergingen.1293 Mit ihnen erbaten die Parteien eine Entscheidung des Gerichts.1294 Alle nach ihrer Auffassung notwendigen Schriftsätze waren ausgetauscht worden, womit die Sache spruchreif wurde 1295 und das Verfahren, zumindest aus der Sicht der Parteien, zu einem Ruhepunkt kam.1296 cc. Aktenkomplierung Nach Laufs wird mit der Komplierung der Akten im reichskammergerichtlichen Verfahren angestrebt, diese durch Ergänzung der Protokolle entsprechend den gehaltenen Vorträgen sowie durch Nummerierung der vorhandenen Schriften vollständig zu machen.1297 Die Akten wurden nach jedem Beschluss der Parteien und vor dem Ergehen wichtiger Gerichtsentscheidung – hierunter ist das Endurteil hervorzuheben – kompliert.1298 Zur Aktenkomplierung am Reichskammergericht führt Prange aus, dass nach den „geläufigen Vorstellungen“ auf den Aktenschluss folgend die Schriftsätze einer Sache aus der zuvor erstellten allgemeinen Serie herausgenommen und sodann zur Urteilsvorbereitung zu einer gesonderten Prozessakte zusammen geführt wurden. Diese Prozessakte wurde mittels Nummerierung, Quadrangulierung genannt, mit dem Spezialprotokoll verknüpft, welches ebenfalls anlässlich der ersten Aktenkomplierung erstellt wurde.1299 Prange äußert allerdings Zweifel an d iesem Ablauf, da auch für Rechtssachen, in denen kein Urteil erging, diese gesonderten Prozessakten angelegt wurden.1300 Gemäß der NHGO hat im hofgerichtlichen Prozess der Kanzleiverwalter dafür Sorge zu tragen, das die acta und prothocolla in den sachen / die beschlossen / vnd zu bescheid gesetzt / compliert [werden], auch fleiß anwenden / damit im complieren nichts vbersehen / oder versaumbt [wird].1301 Die eigentliche Komplierung erfolgt durch den Registrator, der auch auf den gerichtlichen Produkten 1302 und Schriften zu verzeichnen 1293 1294 1295 1296
Dick: Kameralprozess (1981), S. 173. Dick: Kameralprozess (1981), S. 174. NHGO, Part. 3 Tit. 16, fol. 53r. Wetzell spricht in diesem Zusammenhang von einem Ruhen des Verfahrens (Wetzell: System (1861), S. 817). 1297 Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 296. 1298 Danz: Reichsgerichts-Prozess (1795), § 196, S. 330 f.; Dick: Kameralprozess (1981), S. 180; Smend: Reichskammergericht (1911), S. 327 f. 1299 Prange: Reichskammergericht (2002), S. 53 und S. 55. 1300 Prange: Reichskammergericht (2002), S. 53. 1301 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v. 1302 Nach Laufs eine „bei Gericht übergeben Handlung“ in Form einer „Einlassung“, einer „schriftlichen Darlegung“ oder eines „Schriftsatzes“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 310 und S. 302).
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hat, wann sie am Gericht eingegangen sind.1303 Der Registrator soll in einer jeden Sache das Protokoll komplieren und die eingegangenen Produkte und Beilagen nach dem Beschluss der Sache zusammengebunden dem Kanzleiverwalter übergeben.1304 Der Kanzleiverwalter soll darauf achten, dass die komplierten Akten möglichst zügig im Rat referiert 1305 und die Urteile wie auch Bescheide verfasst und publiziert werden.1306 Damit sich die beschlossenen Sachen nicht unerledigt häufen, ordnet die NHGO an, dass die zusätzlich zu den normalen Hofgerichtssitzungen abgehaltenen Beihof gerichte mindestens alle 14 Tage stattfinden sollen.1307 In diesen Beihofgerichten sollen die beschlossenen Sachen referiert und die Urteile und Bescheide verfasst werden.1308 Dass die Beihofgerichte nicht mehr nach Bedarf, sondern alle 14 Tage abgehalten wurden, hatte wohl seinen Grund in den sich häufenden beschlossenen Sachen am Hofgericht und dem mahnenden Vorbild des in d iesem Punkt völlig überlasteten Reichskammergerichts.1309 dd. Relation, Beratung und Votum Das auf die Aktenkomplierung folgende Referieren der beschlossenen Sache stellte inhaltlich den Bericht eines Assessoren, meist Berichterstatter genannt, dar, der „den Prozeßstoff zusammenfasst, würdigt und einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet“.1310 Dieser Entscheidungsvorschlag wurde auch Relation genannt. Die Relation setzt sich aus Sachverhalt und Entscheidungsgründen zusammen.1311 Der Berichterstatter referierte nicht nur in den extra hierfür vorgesehenen Beihofgerichten 1312, sondern auch, wenn die Prokuratoren die angesetzte Verhandlungszeit mit ihrem Vorbringen nicht erschöpften.1313 Im Gegensatz zum Reichskammergericht hatten nicht die Assessoren abwechselnd die Rolle des Berichterstatters inne,1314 sondern 1303 NHGO, Part. 1 Tit. 10, fol. 10r. 1304 NHGO, Part. 1 Tit. 10, fol. 10r. 1305 Zur Rolle des Kanzleiverwalters beim Referieren sogleich. 1306 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v. 1307 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5v. 1308 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5v. 1309 Dick: Kameralprozess (1981), S. 181. 1310 Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 312. 1311 Danz: Reichsgerichts-Prozess (1795), § 232, S. 383 f.; Dick: Kameralprozess (1981), S. 182; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 340 Fn. 1806 und S. 362 Fn. 1946. 1312 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5v. 1 313 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 3v. Im reichskammergerichtlichen Verfahren hingegen wurden zum Teil durch Gemeine Bescheide besondere Termine festgelegt, in denen Liegengebliebenes verhandelt wurde (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 56). 1314 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 10 § 2, S. 83; Tit. 10 § 7, S. 84. Dies wird auch dadurch angedeutet, dass der Hofrichter darauf achtgeben soll, dass die relationes vnd vota [der
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alleine der Hofgerichtsschreiber.1315 Von Zimmern schreibt, dass ihm die Akten ad referendum übergeben worden s eien.1316 Grube weist darauf hin, dass die Beihofgerichte unter seinem Vorsitz stattgefunden hätten, dass oftmals aufgrund seiner Verhinderung Gerichtstermine verschoben worden seien und dass daraus folgend „sein Einfluß auf die Rechtsprechung des Hofgerichts […] kaum überschätzt werden [kann]“.1317 Der Hofrichter hat nach der NHGO darauf zu achten, dass die Beisitzer ihre Voten in ordenlicher weiß beibringen.1318 Die Ordnung sieht weiter vor, dass die Entscheidung über ein Urteil durch mindestens sieben Urteilsprecher erfolgen und s päter in vollem Rath abgehoert werden soll.1319 Die NHGO hält sich hier an den, wie Dick es nennt, reichskammergerichtlichen „Grundsatz, was durch acht Beisitzer gesprochen wird, gilt an Stelle aller gesprochen“.1320 Herrscht nach Abgabe der Voten jedoch Stimmengleichheit, können sich hiervon Abweichungen ergeben. Für die Abgabe der Voten gibt die NHGO, wie auch die RKGO von 1555, keine bestimmte Reihenfolge vor. Damit der Hofrichter weiß, was jeder zeit im Rath / vnd gerichtlichen audientien durch die Beysitzer votiert vnd beschlossen [wird] / sol er die vmbfragen 1321 selbs thun / vnd nit gestatten / das etwas anders dann gerichtliche sachen tractiert [wird].1322 Jeder Urteilsprecher hat sein votum vnd meinung / mit vermeldung der motiff, vnd vrsachen kuertzlich an[zu]zeige[n].1323 Urteilsprecher, die sich nicht an diese Vorgaben halten, soll der Hofrichter an die Ordnung erinnern und es ablehnen, ihre Voten in einer anderen als der vorgeschriebenen Form entgegenzunehmen.1324 Entsteht eine Pattsituation oder werden die Motive der Minderheit als ansehenliche vnd dapfere vrsachen bewertet, sollen die Urteilsprecher die Sache an den Hofrichter, seinen Statthalter oder an andere Assessoren, die nicht anwesend sind, herantragen
1315
1 316 1317 1318 1319 1320 1321
1322 1323 1324
Beisitzer] ordenlicher weiß beschehen vnd eingenommen werden sollen (NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 4r). Grube: Verfassung (1969), S. 158. Auch am kaiserlichen Landgericht in Schwaben wurden die Aktenrelationen nicht von den – zumeist juristisch nicht ausgebildeten – Assessoren, sondern von auswärtigen mit dem Landgerichtsalltag vertrauten Rechtsgelehrten vorgenommen: Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 257 f. Zimmern: Manuale (1720), S. 263. Grube: Verfassung (1969), S. 158. NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 4r. NHGO, Part. 3 Tit. 16, fol. 53r. Dick: Kameralprozess (1981), S. 82. Für das Reichskammergericht definiert Laufs die Umfrage folgendermaßen: „Der Kammerrichter läßt in der Audienz alle Prokuratoren fragen, ob sie etwas jeweils Einschlägiges zu übergeben hätten (Rezeß)“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 316). NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 3v f. NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 4r. NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 4r.
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und diese sich in ihrem Urteil der einen oder der anderen Seite anschließen. Die so zustande gekommene Mehrheit gibt den Ausschlag.1325 Ein analoges Modell wurde auch am Reichskammergericht praktiziert,1326 wobei zu betonen ist, dass ein votum decisivum des Kammerrichters in der RKGO von 1555 nicht mehr vorgesehen ist.1327 Nach der RKGO von 1555 sollen die Assessoren, soweit sie in votis spennig und in zwey gleych theyl zerfallen, die streitige Sache beziehungsweise den streitigen Punkt an den cammerrichter und die andere assessores gelangen lassen, in deren Ermessen es sodann stehen soll, zu sollicher strittigen sachen oder puncten nach gelegenheyt, grösse und wichtigkeit derselben etlich auß den beysitzern zu verordnen oder aber dieselben in dem andern diffinitive-rhat oder, so es für gut angesehen, in vollem rhat fürzunemen, die relationes widerumb anzuhören und sich einer urtheyl zu vergleichen.1328 Ruthmann berichtet mit Blick auf die paria vota in den Religionssenaten, dass eine Möglichkeit zur Auflösung der zerfahrenen Situationen in den verschiedenen Senaten darin hätte bestehen können, eine „Plenumssitzung aller Assessoren unter der Leitung des Kammerrichters“ entscheiden zu lassen.1329 Inwiefern dem Kammerrichter hier jedoch ein votum decisivum zugekommen wäre, bleibt offen. Die Mehrheitsentscheidung hatte sich schon im Prozess des 15. Jahrhunderts durchgesetzt 1330 und ist auch in der AHGO zu finden.1331 Bei einem Patt soll nach der AHGO die Auffassung des Hofrichters den Ausschlag geben.1332 Lenel hebt mit Blick auf die Regelung der NHGO, die er als „Übergangsform“ bezeichnet, hervor, 1325 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5r. 1326 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 13 § 10, S. 95 f. Die Abstimmung soll jedoch unter Abwesenheit des Kammerrichters stattfinden (RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 47 § 2, S. 264). Zum Verfahren in seinen Einzelheiten: Dick: Kameralprozess (1981), S. 182. 1327 Ein solches war in der RKGO von 1495 noch vorgesehen (RKGO von 1495, Tit. 1 § 1). 1328 RKGO von 1555, Part. 1 Tit. 13 § 10, S. 95 f. 1329 Ruthmann: Religionsprozesse (1996), S. 230. 1330 Dick: Kameralprozess (1981), S. 182; Schlosser: Spätmittelalterlicher Zivilprozess (1971), S. 398 Fn. 40. 1331 AHGO, Part. 1 Tit. 2, S. 317. 1332 Und ob das waer, da dehainest, in welherlai rechten das geschaehe, die urtail zerviele, das der halbtail der urteilsprecher ain urtail vallte und der ander halbtail ain ander urtail, warumb oder in was sachen das waere, das er denn der urtail vollge und die sprech und die velle, die in die gerechter bedunk […]. AHGO, Part. 1 Tit. 2, S. 317. Auch der Landrichter am kaiserlichen Landgericht in Schwaben konnte bei Stimmengleichheit „der pars sanior beitreten“ (Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 250 f.). Allerdings ist die Stellung des Landrichters hier schwächer, da dieser – außer im Fall des Stichentscheids – seine Bedenken nur mit „gebürender Bescheidenheit“ anbringen dürfen soll (Lenel: Scheidung (1913), S. 443). Weitzel hingegen betont noch, dass die AHGO „neben der offenkundig romanisierten“ RKGO von 1495 den „bislang einzigen bekannten Fall eines Stichentscheides des Richters bei Stimmengleichheit“ enthalte (Weitzel: Dinggenossenschaft Bd. 2 (1985), S. 955).
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dass der Hofrichter zum einen die Umfrage zur Ermittlung der Voten der Urteilsprecher selbst abhielt, zum anderen, dass es wohl in der Entscheidung des Hofrichters stand, ob es sich um ansehenliche vnd dapfere vrsachen handelte.1333 Insbesondere mit Blick auf diese Auswahlentscheidung kann man sehr deutlich die stärkere Stellung des Hofrichters im Urteilsfindungsprozess erkennen. Weiter verbietet die NHGO einem Beisitzer, der einer parthey mit Sipschafft, Schwagerschafft oder sonst der gestalt (das er de iure moecht recusiert werden) verwandt oder sonst aduociert, consuliert, oder in ander weg gedienet, zu urteilen.1334 Es soll ihm jedoch unbenommen sein, seine Verwandten zu beraten und ihnen beizustehen.1335 Eine ähnlich- oder gleichlautende Vorschrift für den Fall, dass der Hofrichter befangen sein sollte, gibt es in der NHGO nicht. Diese regelt lediglich, dass der Hofrichter, sofern er durch ehaffte vnd erhebliche vrsachen vnd verhinderung dem gericht nicht selbst beywohnen oder außwarten möchte, sich durch seinen Statthalter vertreten lassen soll.1336 Ob hierunter auch Fälle der Befangenheit fallen, ist fraglich. Weitere Vorgaben hinsichtlich der Umstände der Entscheidungsfindung erhalten Hofrichter und Beisitzer in den von ihnen zu schwörenden Eiden.1337 Danach sollen Hofrichter und Beisitzer die Parteien nicht aufgrund ihrer verschiedenen Stände unterschiedlich behandeln, keine Zuwendungen oder Gefälligkeiten für sich oder ihnen nahestehende Personen entgegennehmen, die Parteien nicht beraten oder warnen und den Prozess nicht verschleppen.1338 Ausdrücklich wird in dieser Vorschrift angemahnt, dass der gesamte Entscheidungsvorgang, also Relation, Beratung und Votum, absoluter Geheimhaltung unterliegt.1339 Auch der Protonotar, der Registrator und die Sekretäre werden zu strenger Geheimhaltung angehalten.1340 Anders als am Reichskammergericht, wo es üblich war, dass die Kanzleibeamten das im Rat Vorgetragene protokollierten, die Voten festhielten, das auf der Mehrheitsentscheidung basierende Urteil verfassten, es im Rat verlasen und den Referenten unterschreiben ließen,1341 war es am Hofgericht nicht gebräuchlich, die Beratung zu protokollieren.1342 Wie Grube hierzu anmerkt, geht aus einer Sitzungs niederschrift von 1764 über die Beratung lediglich hervor, dass die Vota colligiert und die Urtl und Bescheyd, wie solche der Protonotarius concipiert, abgefaßt wurden.1343 Schließlich
1333 Lenel: Scheidung (1913), S. 443. 1334 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5r. 1335 NHGO, Part. 1 Tit. 3, fol. 5r. 1336 NHGO, Part. 1 Tit. 2, fol. 2v. 1337 NHGO, Part. 1 Tit. 19, fol. 18r f. 1338 NHGO, Part. 1 Tit. 19, fol. 18r f. 1339 NHGO, Part. 1 Tit. 19, fol. 18r. 1340 NHGO, Part. 1 Tit. 21, fol. 19r. 1341 Dick: Kameralprozess (1981), S. 183; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 353. 1342 Grube: Verfassung (1969), S. 175. 1343 Grube: Verfassung (1969), S. 175; HStASt C1, Bü 154 fol. 38.
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schreibt die NHGO vor, dass im gesamten Entscheidungsverfahren grundsätzlich immer die ältesten und gefreiten 1344 Sachen zuerst behandelt werden sollen.1345 Unter die gefreiten Sachen fallen dabei spolien, Execution, witwen vnd pupillen belangende / vnd dergleichen.1346 ee. Publikation und Urteilsbriefe Die Urteile sollen in offener Audienz publiziert und ausgesprochen werden.1347 Der Kanzleiverwalter hat dafür Sorge zu tragen, dass die komplierten Akten im Rat referiert, Bescheide und Urteile verfasst und publiciert werden.1348 Die Parteien können in der Kanzlei einen Urteilsbrief anfordern. Auch hier fordert die NHGO den Kanzleiverwalter dazu auf, darauf zu achten, dass die Kanzleibeamten die Prozess-, Urteils- und andere Briefe so schnell wie möglich in der Kanzlei ausfertigen, damit die Parteien nicht allzu lange warten müssen.1349 Denn nur mit dem Urteilsbrief konnte die obsiegende Partei den Vollzug des Urteils erwirken.1350 Kohler ergänzt, dass auf Wunsch der Parteien auch umfangreichere Urteilsbriefe, die den gesamten Gang des Prozesses dokumentierten, erteilt werden konnten.1351 Entscheidungsgründe fehlten hingegen im Urteilsbrief.1352 Die NHGO befiehlt dem Protonotar schließlich, drei Bücher anzulegen. Im ersten sollen danach alle mündlichen Rezesse und Vorträge verzeichnet werden. Das zweite ist das Ratsprotokoll, in welchem die Urteile und Bescheide niedergeschrieben werden sollen, die jeder zeit auff muendliche fürtraeg der procuratorn in continenti erlassen worden sind. Schließlich wird der Protonotar dazu angehalten, in einem dritten Buch sämtliche Urteile und Bescheide des laufenden Gerichtsjahres festzuhalten.1353
1344 „Zeitlich vom Gericht bevorzugt zu behandelnde Sachen“ (Laufs: Reichskammer gerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 300). 1345 NHGO, Part. 3 Tit. 16, fol. 53r. 1346 NHGO, Part. 3 Tit. 16, fol. 53r. 1347 NHGO, Part. 3 Tit. 16, fol. 53r. Gail merkt für den Kameralprozess in diesem Zusammenhang an, dass sich das Urteil nicht gegen die Prokuratoren der Parteien, sondern gegen die Parteien selbst richte (Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 111 Nr. 2, S. 358). 1348 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v. 1349 NHGO, Part. 1 Tit. 8, fol. 8v. 1350 Dick: Kameralprozess (1981), S. 183. 1351 Kohler: Verfahren (1904), S. 71 f. 1352 Kohler: Verfahren (1904), S. 72. Ausführlich zur Problematik der Veröffentlichung von Urteilsgründen und Relationen: Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 358 – 367. 1353 Zu den drei Büchern: NHGO, Part. 1 Tit. 9, fol. 9v. Diese drei Bücher sind im heutigen Bestand allerdings nicht mehr enthalten.
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ff. Prozesskosten Mit ihrem Urteil bestimmten die Urteilsprecher auch, wer die Kosten des Prozesses zu tragen hatte.1354 Anders als am Reichskammergericht – hier setzten sich die Prozess kosten aus den Gerichtskosten, vor allem den Kanzleigebühren, den Zeugenauslagen und den außergerichtlichen Kosten, insbesondere den Anwaltskosten, zusammen 1355 – sollen nach der NHGO die Parteien lediglich die Gerichtskosten, hierunter im Speziellen die Kanzleigebühren, erstatten.1356 In der Praxis wurden jedoch im Laufe der Zeit auch die zu bescheinigenden Anwaltskosten berücksichtigt.1357 Aufgrund ihres geringen Verdienstes machten die Anwälte jedoch oftmals höhere, ihnen nicht zustehende Gebühren geltend.1358 Ein Umstand, der den Rottweiler Prokuratoren einen schlechten Ruf bescherte.1359 Hinsichtlich der Gerichtskosten merken die Verfasser der NHGO an, dass diese in der Vergangenheit des Öfteren compensiert, vnd verglichen worden seien.1360 In Zukunft soll jedoch stets die unterliegende Partei dem obsiegenden Teil seine Gerichtskosten erstatten. Ausnahmen gelten für den Fall der Säumnis.1361 Die Kanzleigebühren finden sich im ersten Teil der NHGO .1362 In 16 Paragraphen führt die Ordnung die Gebühren für verschiedene Kanzleitätigkeiten auf. Die Gebühren mit Blick auf die Zitationen beispielsweise betragen vier Kreuzer für eine Ladung, fünf Batzen 1363 für eine gemeine und einen Gulden und einen Ort für eine artikulierte Verkündung.1364 Das Kopiegeld beträgt pro Blatt einen Batzen und zwei Kreuzer.1365 Die Gebühr für einen auf normalem Papier verfassten Urteilsbrief beträgt 30 Kreuzer, soll der Brief
1354 Dies ergibt sich mittelbar aus NHGO, Part. 3 Tit. 19, fol. 54r. Ferner Dick: Kameralprozess (1981), S. 184; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 356; Wetzell: System (1861), S. 417. Generell zu den Kosten: Wetzell: System (1861), S. 410 – 418. 1355 NHGO, Part. 1 Tit. 13, fol. 11r–12v; Part. 2 Tit. 5 § 28, fol. 39v. 1356 NHGO, Part. 3 Tit. 19, fol. 54r. 1357 Grube: Verfassung (1969), S. 193. 1358 Zimmern: Manuale (1720), S. 29 – 33. Generell zu den Gerichtskosten: Zimmern: Manuale (1720), S. 268 – 272. Weiterführend hierzu Döhring: Rechtspflege (1953), S. 159 – 162. 1359 So auch Grube: Verfassung (1969), S. 193. 1360 NHGO, Part. 3 Tit. 19, fol. 54r. Ähnliches berichtet Dick für das Reichskammergericht: Dick: Kameralprozess (1981), S. 185. 1361 Siehe hierzu S. 158 f. 1362 NHGO, Part. 1 Tit. 13, fol. 11r–12v. 1363 Ein Batzen entspricht dem fünfzehnten Teil eines Guldens (Deutsches Rechtswörterbuch Band 1 (1914 – 1932), Sp. 1249 Ziff. 1). 1 364 NHGO, Part. 1 Tit. 13 §§ 1 – 3, fol. 11r. Ein Ort entspricht dem vierten Teil einer Münze, in diesem Fall eines Guldens (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 308). 1365 NHGO, Part. 1 Tit. 13 § 14, fol. 12r.
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auf Pergament geschrieben werden, ist die Gebühr mit der Kanzlei zu verhandeln. 1366 Auch in dem, wie es in der NHGO heißt, häufigen Fall, dass die Parteien die Kanzleischriften nicht auslösen wollen, sollen sich die Parteien doch wegen der labores Cancellariae vergleichen.1367 Die Tax für Vidimus konnte je nach Stand variieren und beträgt laut Ordnung für den Adel und Personen hohen Standes sieben bis fünfzehn Gulden, für Personen niedrigeren Standes viereinhalb bis sieben Gulden.1368 Die Kanzlei finanzierte sich bis ins 16. Jahrhundert hinein alleine durch die Gebühren.1369 Häufig übten die Kanzleibeamten noch zusätzliche notarielle Tätigkeiten aus. Als die Gebühren jedoch zur Jahrhundertwende um ein erhebliches Maß zurückgingen, erhielten die Kanzlei beamten neben ihren Einnahmen aus der Tax 1370 ein festes Gehalt.1371 Hinsichtlich des Botenlohns statuiert die NHGO , dass die Boten lediglich einen festgesetzten Lohn verlangen dürfen.1372 Eine Tafel, auf der sämtliche Gebühren für Botengänge verzeichnet waren, befand sich in der Kanzlei.1373 Nach der NHGO sind dabei die Gefälle für die jeweiligen Teilbezirke verschieden.1374 Grube vermutet, dass hierdurch für die Boten g leiche Verdienstchancen geschaffen werden sollten.1375 Im Jahre 1630 schließlich wurden die Gebühren für die Botendienste vereinheitlicht.1376 Eine schriftlich fixierte Boten-Tax-Ordnung befindet sich jedoch schon in einer einen Injurienprozess betreffenden Hofgerichtsakte aus dem Jahre 1577.1377 Wehner verweist in seiner Kommentierung zum Titel über die Gerichtskosten ausdrücklich darauf, dass eine auf Ehehaft basierende Zuständigkeit des Hofgerichts bei Klagen um Gerichtskosten, den Lohn von Prokuratoren und Boten sowie bei Klagen um Kanzleigebühren bestehe.1378 Eine s olche Zuständigkeit sieht auch schon die 1366 1367 1368 1369 1370 1371 1372 1373 1374 1375 1376 1377 1378
NHGO, Part. 1 Tit. 13 § 16, fol. 12r f. NHGO, Part. 1 Tit. 13, fol. 12v. NHGO, Part. 1 Tit. 13, fol. 12v. Grube: Verfassung (1969), S. 166. Der Hofschreiber erhielt ein Drittel, der Unterschreiber und die Sekretäre zusammen ein Zehntel der Einnahmen. Die Kopisten wurden nach der Anzahl der von ihnen beschriebenen Blätter vergütet (Grube: Verfassung (1969), S. 166). Grube: Verfassung (1969), S. 167. NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15v. NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15v. NHGO, Part. 1 Tit. 17, fol. 15v. Grube: Verfassung (1969), S. 208 f. Ferner HStASt B203 Bü 99 (1601), C1 Bü 123 fol. 1 (1608). Grube: Verfassung (1969), S. 209. HStASt C1 Bü 490 (1577). Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 189. NHGO, Part. 2 Tit. 5 § 28, fol. 39v.
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AHGO für Klagen um Botenlohn vor.1379 Diese Sachen waren so eng mit dem Rottweiler Hofgericht verknüpft, dass sie auch nur vor d iesem geltend gemacht werden konnten. Insgesamt war der Prozess an den kaiserlichen Landgerichten kostengünstiger und zum Teil auch schneller als am Reichskammergericht.1380 Ein Vorteil, den die Landgerichte langfristig jedoch nicht nutzen konnten.
g. Kontumazialverfahren Unter dem Begriff Kontumazialverfahren wurde ein ganzes Bündel von Säumnisgründen in verschiedenen Prozessstadien verstanden, beispielsweise Säumnis bei Nachweis der Prozessvollmacht, bei Einbringung von Replik und Duplik oder bei Beantwortung von Beweisartikeln.1381 An dieser Stelle soll die prozessuale Standardsitua tion im Mittelpunkt stehen, in welcher der Beklagte auf die Zitation nicht reagiert beziehungsweise der Kläger nach Klageerhebung keine weiteren Prozesshandlungen vornimmt.1382 Darüber hinaus sind zwei Unterfälle dieser Säumnis zu unterscheiden – das Nichthandeln (contumacia de non agendo) und das Nichterscheinen (contumacia de non comparendo).1383 Die NHGO bestimmt für den Fall des Nichthandelns in einer generalisierenden Vorschrift, dass im fall ein theil in dem angesetzten termin, auff seines gegentheils arti cul zu antworten seumig sein wirdt / Alßdann mag er begern / in contumaciam seine artickel für bekant anzunemen […].1384 Der Beklagte ist also mit seinen Antworten ausgeschlossen, die klägerischen Artikel gelten als zugestanden. Auch nicht ausreichend bestrittene Artikel gelten als zugestanden.1385 Beide Vorschriften werden zwar unter den Titel gefasst, der sich mit den Responsionen und Exzeptionen des Beklagten auf die Positionen des Klägers befasst. Allerdings sind sie so formuliert, dass sie nicht nur die von Titel 5 erfasste prozessuale Situation regeln sollen, sondern generell die Reak tion einer Partei auf die Artikel des Gegners.1386 In diesem Zusammenhang darf das 1379 1380 1381 1 382
1383 1384 1385 1386
AHGO, Part. 4 Tit. 1, S. 330. Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 159 f.; Grube: Verfassung (1969), S. 35. Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 271. Auch Gail unterscheidet die Fälle, ob der Beklagte wenigstens einmal vor Gericht erscheint und eventuell die Litiskontestation vollzogen hat oder ob er gar nicht reagiert (Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 80 Nr. 1 und 2, S. 263; Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 385). Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 371. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r. Für eine solche Auffassung spricht, dass im Gegensatz zu den vorangehenden Absätzen die Ordnung nicht die Begriffe Kläger oder Beklagter, sondern die Begriffe ein Teil und anderer Teil verwendet (NHGO, Part. 3 Tit. 5, fol. 47r).
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Geständnis nicht mit dem Anerkenntnis verwechselt werden. Mit dem Geständnis wird lediglich der einzelne Artikel zugestanden, das Anerkenntnis bezieht sich auf den gesamten, mit der Klage geltend gemachten Anspruch. Erkennt der Beklagte an, ist das Verfahren beendet. Die NHGO regelt nicht direkt, wie der Fall zu behandeln ist, dass der nicht handelnde Teil den Prozess wieder aufnehmen möchte. Es könnte allerdings sein, dass die Vorschrift zum Wiedereinstieg der nicht erschienenen Partei 1387 Anwendung fand. Danach kann die aufgrund von Säumnis in die Acht g ekommene Partei sich von der Acht befreien und die sach in dem standt / so [sie] die findt anzune men, soweit sie mit dem Fiskal des Hofgerichts und der Kanzlei übereinkommt und die der gegnerischen Partei aus dem Ungehorsam entstandenen Kosten erstattet.1388 Die RKGO von 1555 sieht die gleiche Folge vor, regelt den Fall jedoch explizit.1389 Dem Fall des Nichterscheinens von Kläger oder Beklagtem vor Gericht widmet die NHGO ein eigenes kleines Unterkapitel, das insgesamt drei Titel umfasst.1390 Die Ordnung versucht, in diesen Vorschriften das frührömische beziehungsweise spätmittelalterliche Kontumazialprinzip mit dem kanonischen respektive nachklas sischen Eremodizialprinzip in Einklang zu bringen. Nach dem Kontumazialprinzip, dem auch die AHGO noch folgt, wird dem Kläger ohne nähere sachliche Prüfung der Klage bei Ausbleiben des Beklagten der geltend gemachte Anspruch zuerkannt. Der Beklagte wird ferner mit der Acht und/oder der Anleite belegt. Nach dem Eremodizialprinzip hingegen ist es für die erschienene Partei möglich, den Prozess alleine fortzusetzen, wobei eine Sachprüfung samt Beweisaufnahme stattfindet. In diesem Fall ist auch eine einseitige (Beklagter) beziehungsweise fingierte (Kläger) Kriegs befestigung möglich. Ebenfalls fingiert wird der endliche Beschluss vor dem Endurteil. Augenscheinlich soll der Beklagte dazu gezwungen werden, sich auf die Klage einzulassen. Die dem Kläger eröffnete Möglichkeit der einseitigen Prozessführung nach dem Eremodizialprinzip ist die nachrangige Option.1391 Das sächsische Prozessrecht hingegen wertete diese Option, also das Interesse an einem prozessbeendenden Urteil, stärker als den Einlassungszwang des Beklagten.1392 Dieser Bewertung schloss man sich letztendlich auch im Jüngsten Reichabschied von 1654 an, der nur noch auf das Eremodizialprinzip eingeht.1393 Unterschieden werden müssen ferner der Fall der Säumnis vor der Litiskontesta tion und der Fall der Säumnis nach der Litiskontestation. Stets spielt hierbei jedoch das Rufen eine Rolle, weshalb es vorab näher betrachtet werden soll. Grundsätzlich 1387 1388 1389 1390 1391 1392 1393
NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52v. NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52v. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 41, S. 258. NHGO, Part. 3 Tit. 13 – 15, fol. 51r–52v. Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 360. Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 380. Jüngster Reichsabschied, § 36. Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 421.
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sollte mit dem Rufen neben seiner Funktion als Ladung formell festgestellt werden, dass der Geladene nicht erschienen war.1394 Wehner legt dar, dass mit Blick auf das Rufen zwischen Verkündung und Ladung unterschieden werden muss.1395 Bei einer Verkündung kann das Rufen des Beklagten sogleich im ersten Termin erfolgen. Der Bote, der die Verkündung zugestellt hat, muss allerdings vor Gericht hierüber berichten und seine Angaben beschwören.1396 Daraufhin erklärt einer der Assessoren gegenüber dem Hofrichter Genaediger Herr, dieweil die Botten ihrer Execution gehoert vnnd gelert vnnd sich die citirten Partheyen auff außgegangene Verkündung nicht verantwortet dieweil mein gnediger Herr sitzt so erkenne ich ruffen.1397 Wurde der Beklagte lediglich auf das Hofgericht geladen, müssen dem Ausbleibenden weitere drei Hofgerichtstage zum Erscheinen eingeräumt werden.1398 In diesem Fall wendet sich einer der Assessoren auf Nachfrage des Hofrichters mit folgenden Worten an den Hofrichter: G. Herr, zu allen denen so die dritte Klage beschehen denen auch gerufft ist vnd sich nit verantwortet haben oder verantworten werden dieweil E. G. sitze vn diß Gericht wehret.1399 Bei einer Verkündung mussten also keine drei weiteren Hofgerichtstage abgewartet werden, bevor das Gericht die Säumnis des Beklagten endgültig feststellen konnte. 1400 Dies könnte über das in der AHGO vorgeschriebene persönliche Erscheinen des Beklagten hinaus darauf zurückzuführen sein, dass er aufgrund des in der Verkündung enthaltenen Klaglibells im Vergleich zur Ladung einen Wissensvorsprung hatte. Mit Blick auf die für das Rufen verwendete Formel berichtet Wehner: pflegt der Pedell den citierten also zu ruffen: Wann contumacia citati beklagt vnd ruffen begert […] rufft der Pedell mit folgenden Worten: N. N. sindt ihr allhie wollet ihr Antwort geben zum ersten andern vnd dritten mal wie recht ist.1401 Wehner merkt in diesem Zusammenhang an, dass in Fällen, in denen mehrere Personen zitiert wurden, jedoch nur eine erscheint und die anderen vertreten will, kein Kontumazialverfahren möglich sei.1402 Die Wurzeln des Rufens liegen wohl im deutschen und römischen Recht. In beiden rechtlichen Traditionen war es gebräuchlich, den Säumigen dreimal laden zu lassen.1403
1394 Sellert: Ladung (1967), S. 231. 1395 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 173 f. Siehe hierzu auch AHGO, Part. 9 Tit. 1, S. 342. 1396 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 173. 1397 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 173. 1398 NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 51v. Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 173. 1399 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 174. 1400 Siehe hierzu auch AHGO, Part. 9 Tit. 1, S. 342. 1401 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 173 und S. 157. Siehe auch Von deß Pedellen Ampt, NHGO, Part. 1 Tit. 15, fol. 13v. 1402 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 157. 1403 Dick: Kameralprozess (1981), S. 195; Kaser/Knütel: Römisches Privatrecht (2009), S. 428; Schlosser: Spätmittelalterlicher Zivilprozess (1971), S. 316 f.
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Auch die AHGO erwähnt das Rufen.1404 Dick ist darin recht zu geben, wenn sie dem Rufen eine „symbolische Ladungsfunktion“ und hinsichtlich des Nichterscheinens eine „formale Feststellungsfunktion“ attestiert,1405 wobei allerdings in späteren Zeiten die reine Symbolik überwogen haben dürfte. aa. Säumnis vor der Litiskontestation Die Säumnis des Klägers vor dem Zeitpunkt der Litiskontestation wird wiederum in zwei Unterfälle unterteilt. Erscheint der Kläger nach dem ausgebrachten Prozess nicht im ersten Termin, zeigt der Beklagte diesen Ungehorsam des Klägers an, und wird der Kläger auf Bitte des Beklagten dreimal ergebnislos gerufen, soll (wie bißhero) das furnemen ab erkendt / vnd der beclagt von der citation absoluiert / vnd ime der kleger in die kosten condemniert werden.1406 Erscheint der Kläger jedoch zum ersten Termin und bringt seine Klage nochmals vor, bleibt dann jedoch – noch vor der Litiskontestation – aus und wird auf Ersuchen des Beklagten gerufen, kann der Beklagte wählen, von außgangner ladung ledig erkendt zu werden / zubitten / oder den krieg Rechtens auff fürbrachte klag zu beuestigen / vnd also in der sachen biß zu endtlichem beschluß zu procedieren / vnd zuuolnfaren.1407 Das bedeutet, dass in d iesem Fall eine komplette Sachprüfung mit Beweisaufnahme vorgenommen wird. Hofrichter und Urteilsprecher haben schließlich nach Sachlage entweder zugunsten des Klägers oder zugunsten des Beklagten zu entscheiden.1408 Der Beklagte kann sich somit keineswegs sicher sein, dass er den Prozess gewinnt. Sollte das Urteil jedoch zuungunsten des Beklagten ausfallen, hat dieser dem Kläger die Gerichtskosten nicht zu erstatten.1409 Erscheint der Beklagte auf dem in der Verkündung angesetzten Termin oder auf die gemeine Ladung hin nach dem dritten Hofgericht nicht vor Gericht, bittet der Kläger daraufhin um das Rufen, und wird ihm dies gewährt, hat er die Wahl, ob er den Prozess einseitig fortführt oder ob er den Beklagten wie bißher gebreuchig ohne weitere Zitation ächten lässt.1410 Im Gegensatz zur RKGO von 15551411 verlangt die NHGO somit gerade keine zweite Ladung des Säumigen, bevor der Kläger mit dem Achtverfahren fortfahren kann. Die NHGO gewichtet hier anscheinend die Beschleunigung des Verfahrens stärker als den Schutz des Beklagten vor der schweren Folge der Acht. Entscheidet sich der Kläger für die Acht, sollen ihm nach dem Rufen 1404 AHGO, Part. 12 Tit. 1, S. 368. 1405 Dick: Kameralprozess (1981), S. 195. 1406 NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 51r. 1407 NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 51r f. 1408 NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 51v. 1409 NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 51v. 1410 NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 51v; hierzu auch NHGO, Part. 3 Tit. 2, fol. 45v. 1411 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 43 § 2, S. 260.
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und der gerichtlichen Verhängung der Acht Verbiet-, Acht- und Anleitbriefe auf sein Fordern hin erteilt werden.1412 Wenn innerhalb einer bestimmten Zeit niemand der Anleite widerspricht, sollen dem Kläger die erlangten Rechte und immission ex secundo decreto 1413 erkannt werden.1414 Wenn aber der Kläger den Prozess einseitig fortführen will, wird nach dem ergebnislosen Rufen die Kriegsbefestigung durch gerichtlichen Bescheid fingiert und der Kläger kann nun weitere Prozesshandlungen vornehmen.1415 Der Kläger kann sodann seine Beweisartikel übergeben. Werden diese als erheblich befunden, sollen der Hofrichter und die Urteilsprecher den Kläger durch gerichtlichen Bescheid zum Beweis der einzelnen Artikel zulassen und der Prozess samt Beweisaufnahme bis zum Beschluss der Sache fortgeführt werden.1416 Auch in d iesem Fall kann das Urteil des Gerichts zuungunsten des Klägers ausfallen. Das Gericht befreit den Kläger jedoch sodann von den Gerichtskosten.1417 Die NHGO stimmt folglich mit Blick auf die Säumnis vor der Litiskontestation mit den Vorschriften der RKGO von 1555 nahezu vollständig überein. bb. Säumnis nach der Litiskontestation Die NHGO enthält keine Regelungen für den Fall der Säumnis – sowohl des Klägers als auch des Beklagten – nach dem Zeitpunkt der Litiskontestation. Es scheint fast so, als ob man es nicht für nötig erachtete, diesen Fall wie in der RKGO von 1555 separat darzustellen. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass nach dem Vorbild der RKGO von 1555 auch im hofgerichtlichen Prozess nach dem Zeitpunkt der Litiskontestation für beide Parteien lediglich die Möglichkeit bestand, den Prozess einseitig weiterzuführen. Dies ergibt sich daraus, dass für den Fall der Säumnis vor der Litiskontestation beide Parteien ja gerade die Möglichkeit haben, diese Option zu wählen, und dann entweder einseitig der Krieg befestigt oder die Litiskontesta tion fingiert wird. Tritt die Säumnis erst nach der Litiskontestation ein, kann für die Parteien folglich nur noch die Möglichkeit bestehen, den Prozess einseitig weiterzuführen. Es steht zu vermuten, dass diese Schlussfolgerung für die Verfasser der NHGO so offensichtlich war, dass sie es nicht mehr für nötig erachteten, den Fall explizit zu regeln.
1412 NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 51v. 1413 „Einweisung des Klägers in das Vermögen des trotz Rufens ausgebliebenen Beklagten“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 307). 1414 NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 51v. 1415 NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 52r. 1416 NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 52r. 1417 NHGO, Part. 3 Tit. 14, fol. 52r.
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cc. Beiderseitige Säumnis Auch für den Fall der beiderseitigen Säumnis enthält die NHGO keine Regelung. Die RKGO von 1555 bestimmt hierzu, dass die Säumnis der Parteien als Einwilligung in die Aufhebung des Prozesses interpretiert wird.1418 Die beiderseitige Säumnis wird folglich nicht als Ungehorsam der Parteien angesehen, sondern als Ausdruck ihrer Disposition über den Prozess. Kläger und Beklagte können noch bis zum dritten auf den terminus citationis folgenden Gerichtstag vorstellig werden und ihr Ausbleiben aufgrund gewichtiger Gründe entschuldigen. Der Kläger kann dann gegen den weiterhin säumigen Beklagten mit dem Kontumazialverfahren fortfahren.1419 Der Beklagte wird bei weiterer Säumnis des Klägers von der Instanz freigesprochen.1420 Erscheinen die Parteien beziehungsweise eine der Parteien erst nach dem dritten Gerichtstag, ist die Zitation hinfällig. Der Kläger muss sie erneut einbringen.1421 Demgegenüber ruhte am Reichshofrat das Verfahren lediglich und konnte wieder aufgenommen werden. Dick sieht den Grund für diese unterschiedliche Behandlung „in der hervorragenden Bedeutung des Ladungstermins, dem ersten Glied der Kette im Terminsystem“.1422 dd. Umfrage in contumaciis Im Gegensatz zur RKGO von 15551423 sieht die NHGO 1424 nicht zwei, sondern ledig lich eine Umfrage in contumaciis vor. Danach soll in dem Fall, dass ein Prokurator Zeit zum Handeln erhalten habe, jedoch nicht handeln will, die gegnerische Partei fug / vnd macht haben ine zu contumacieren, vnd zu begeren / das dem gegenanwaldt terminus cum praeiudiciali comminatione zu gebuerlicher handlung angesetzt werde.1425 Anders als in der RKGO von 15551426 hat die nicht erscheinende Partei nach der NHGO keine Möglichkeit, ihr Fernbleiben zu entschuldigen. Es kann insofern jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die NHGO der säumigen Partei bewusst dies verwehren will oder ob sie eine Entschuldigungsmöglichkeit stillschweigend voraussetzt. Vor dem Hintergrund, dass man den Rottweiler Prozess attraktiver machen und beschleunigen
1418 1419 1420 1421 1422
1423 1424 1425 1426
RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 12 § 17, S. 232. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 43 § 1, S. 259. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 42 § 1, S. 258 f. Dick: Kameralprozess (1981), S. 192. Dick: Kameralprozess (1981), S. 193. Ausführlich zur circumductio: Blum: Processus Cameralis (1665), Tit. LXVI Nr. 10, S. 477; Danz/Gönner: Grundsäze (1806), § 119, S. 238 – 240; Dick: Kameralprozess (1981), S. 192 – 194; Sellert: Stilus Curiae (1973), S. 282 und S. 288. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 10, S. 225 – 227. NHGO, Part. 2 Tit. 3, fol. 32r f. NHGO, Part. 2 Tit. 3, fol. 32v. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 10 § 2, S. 225.
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wollte, könnte man davon ausgehen, dass die Regelung bewusst ausgenommen werden sollte. Andererseits ist auch zu beachten, dass aus der NHGO-Vorschrift zur Umfrage in contumaciis ja selbst hervorgeht, dass dem nicht handelnden Prokurator weitere Zeit zu gebuerlicher handlung zur Verfügung steht.1427 Eine Terminverlängerung war sowohl am Reichskammergericht als auch am Hofgericht grundsätzlich bis zu drei Mal möglich.1428 Grube schreibt zur Problematik der Dilationen, dass „obwohl die ‚vierte dilation‘ unzulässig war, […] auch einem solchen Begehren gelegentlich ‚aus bewegenden ursachen‘ stattgegeben [wurde]“.1429 Im hofgerichtlichen Alltag schienen Dilationen somit an der Tagesordnung gewesen zu sein, was den Schluss nahelegt, dass das Gericht auch auf Entschuldigungsgründe der Parteien Rücksicht nahm. Ordnung und Praxis scheinen hier (ein weiteres Mal) zu divergieren. h. Ergebnis Der Verfahrensablauf der Rottweiler NHGO ist ganz klar dem Kameralprozess und im Speziellen der RKGO von 1555 nachgebildet und hat mit dem dinggenossenschaft lich ablaufenden Verfahrensgang der AHGO nur noch wenig gemein. Insofern kann auch nicht von einer Reform oder Erneuerung der AHGO gesprochen werden. Vielmehr wurde eine neue, sich an den Vorgaben der RKGO von 1555 orientierende Ordnung geschaffen, welcher jedoch durch die Bezugnahme auf die AHGO in erhöhtem Maße Legitimation zukommen sollte. Ein Blick auf die noch vorhandenen Rottweiler Prozessakten zeigt zudem, dass sich der gelehrte Prozess am Hofgericht seit dem Beginn – in noch verstärkterem Maße seit der Mitte – des 16. Jahrhunderts immer mehr durchsetzte.1430 Die RKGO von 1555 enthält allerdings deutlich mehr Vorschriften zum Verfahrensgang als die NHGO. Der Prozess hat hier eine sehr dichte und ausgeklügelte Regelung erfahren, während die NHGO an mehreren Stellen eher grundsätzliche Regelungen 1427 NHGO, Part. 2 Tit. 3, fol. 32v. 1428 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 10 §§ 4 – 9, S. 226 f. Dick: Kameralprozess (1981), S. 197; Grube: Verfassung (1969), S. 191. 1429 Grube: Verfassung (1969), S. 191; zur vierten Dilation: Zimmern: Manuale (1720), S. 23 und S. 234 f. Für den Kameralprozess merkt Gail hierzu an, dass bei unverschuldeten Hindernissen dem Beweisführer auch eine vierte Dilation eingeräumt werden kann. Der Beweisführer muss jedoch schwören, nicht boeßlich oder betrueglich um einen solchen Aufschub zu bitten (Gail: Practicarum Observationum, Lib. 1 Obs. 91 Nr. 4 bis 6, S. 286 f.). 1430 Hier ist insbesondere das Einbringen von – oftmals schon artikulierten – Schriftsätzen zu nennen: insbesondere HStASt C1 Bü 641 (1555 – 1572). Zudem in HStASt C1 Bü 546 (1570 – 1574), HStASt C1 Bü 406 (1560 – 1562), HStASt C1 Bü 397 (1561 – 1588) und HStASt C1 Bü 274 (1564 – 1565).
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enthält, wie beispielsweise die letzte Vorschrift im Rahmen der Beschreibung des Terminsystems, nach der die Parteien Termine antizipieren können.1431 Auch ein Blick auf die Ausprägung bestimmter prozessualer Grundsätze wie etwa dem Eventualgrundsatz legt nahe, dass man sich bei ihrer Erstellung nicht nur an der RKGO von 1555, sondern auch an späteren Reichsabschieden und Gemeinen Bescheiden orien tiert hat.1432 Dies dürfte insbesondere für den der Rottweiler Visitation unmittelbar vorausgehenden Reichsabschied von Speyer im Jahre 1570 gelten, der für das Verfahren am Reichskammergericht zahlreiche Änderungen wie die verstärkte Artikulierung der Schriftsätze und die Flexibilisierung des Terminsystems vorsah.1433 Dass die Zuständigkeitsfrage weiterhin den Dreh- und Angelpunkt des Rottweiler Prozesses bildete, sieht man neben den Regelungen zum Abforderungsverfahren und den Ehehaften auch an den Vorschriften zum Verfahren. Zum einen wird die Zustellung der Ladungen und Verkündungen in der NHGO sehr ausführlich dargestellt. Zum anderen verdeutlicht die Vorschrift, dass man forideklinatorische Einreden – also auch Einreden, w elche die Zuständigkeit des Gerichts betreffen – bereits im ersten Termin artikuliert vorzubringen hatte, dass man die Zuständigkeitsfrage möglichst schnell klären und es den Beklagten erschweren wollte, sich gegen die Rottweiler Zuständigkeit zu wenden. Diese Regelung brachte zudem eine Beschleunigung des Verfahrens mit sich. Freilich ist zu berücksichtigen, dass das Reichskammergericht im Vergleich zum Rottweiler Hofgericht über einen professioneller besetzten Spruchkörper und auch aus diesem Grund über eine sehr detaillierte Gerichtsordnung verfügte.1434 Dass die NHGO im Vergleich hierzu stellenweise eher kurz gehaltene Vorschriften oder zum Teil auch Lücken aufweist, musste für den Verfahrensgang am Hofgericht nicht nur Nachteile haben. Es liegt nahe, dass das Verfahren dadurch mehr Spielraum und eine gewisse Flexibilität erhielt.1435 Dies sieht man beispielsweise daran, dass der Hofgerichtsschreiber nicht nur an den dafür vorgesehenen Beihofgerichten referieren konnte, sondern in Ergänzung hierzu auch, wenn die Prokuratoren mit ihrem Vorbringen nicht die ganze Verhandlungszeit ausgenutzt hatten. Auch mit Blick auf die Bemessung der Beweisfristen wurde Hofrichter und Beisitzern wie auch am
1 431 NHGO, Part. 3 Tit. 9, fol. 49r. 1432 Ob im Speziellen den Gemeinen Bescheiden Ausstrahlungswirkung zukam, ist jedoch unklar. Sie hatten jedenfalls mitnichten die Vorbildwirkung der Reichskammergerichtsordnungen (Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 17). 1433 Lanzinner: Reichsversammlungen (1995), S. 35. 1434 Ausführlich hierzu: Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 32 f., der Unterschiede in der „Trägerschaft“, der „Größe“, der „Professionalität“ und der „Wirksamkeit“ ausmacht. 1435 Siehe hierzu auch Ortlieb mit Ausführungen zu den unterschiedlichen Ausprägungen der Prozessformalien an Reichskammergericht und Reichshofrat (Ortlieb: Formierungsphase (2009), S. 137 f.).
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Reichskammergericht ein gewisser Spielraum zugestanden. In d iesem Zusammenhang ist zudem auf die im Vergleich zur AHGO wie auch zur RKGO von 1555 verstärkte Position des Rottweiler Hofrichters im Prozess der Entscheidungsfindung hinzuweisen. Dieser durfte in besonderen Fällen an der Urteilsberatung teilnehmen. Nicht zuletzt zeugt von der erhöhten Flexibilität des hofgerichtlichen Verfahrens die in der NHGO knapp angedeutete Möglichkeit, in einfach gelagerten Sachen münd lich und ohne ordentlichen Prozess zu verhandeln.
V. Exekutionsverfahren Überschaubar sind die Regelungen zum Urteilsvollzug in der NHGO. Sie schreibt vor, dass die volnziehung der außgesprochenen vrtheyl / von welchen nit appelliert, wirdt dem condemnierten, bey peen der Acht / gemeinlich zum dritten hoffgericht aufferlegt / Vnd da er / in solcher zeit nit parierte / er in das Achtbuech eingeschriben / vnd für ein erklerten Achter gehalten vnd darauff wider ine mit Acht / Verbiets / vnd Anleitbrieff procediert.1436 Schließlich verweist die Vorschrift am Schluss noch auf das vebliche[n] gerichtliche[n] herkommen und den stylo des Hofgerichts.1437 Daraus lässt sich schließen, dass man sich hinsichtlich der Vollziehung von Urteilen wohl weiterhin an der AHGO orientierte. Die NHGO enthält, ergänzend hierzu, Vorschriften zur Anleite und zur Beläutung 1438 sowie zur Loslösung aus der Acht 1439. Speidel fügt mit Blick auf das Exekutionsverfahren an, dass dieses weitgehend durch die Anträge des Klägers geprägt gewesen sei.1440
1. Acht Die Acht kann nach der AHGO sowohl über den Säumigen als auch über den ein Urteil nicht Befolgenden verhängt werden.1441 In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Ächtung im Rahmen des Säumnisverfahrens als Sanktion zu bewerten und somit grundsätzlich nicht dem Exekutionsverfahren zuzuordnen ist. Zur einheitlichen Behandlung wird an dieser Stelle jedoch auch auf die Acht als Teil des Säumnisverfahrens eingegangen. 1436 NHGO, Part. 3 Tit. 18, fol. 54r. 1437 NHGO, Part. 3 Tit. 18, fol. 54r. 1438 NHGO, Part. 2 Tit. 10 – 13, fol. 41v–44r. 1439 NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52r f. 1440 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 108. 1441 AHGO, Part. 5 Tit. 1, S. 331; Part. 7 Tit. 1, S. 339 f.; Part. 9 Tit. 1, S. 342 – 344. NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52r f. Kohler: Verfahren (1904), S. 82.
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Ausführlich beschäftigt sich die AHGO im neunten Teil mit der Ächtung von Personen beziehungsweise Gemeinden und Städten, mit möglichen Verhinderungsgründen sowie der Loslösung aus der Acht. Dieser neunte Teil besteht aus 31 Titeln und ist damit der regelungsintensivste Teil der AHGO. Daran lässt sich die große Bedeutung der Acht als Beugemittel für ein Gericht, das ansonsten über keine Zwangsmittel verfügte, erkennen.1442 Für den Geächteten bestehen die rechtlichen Folgen der Acht darin, dass er weder versetzen noch verkoufen, nieman besagen, nieman beclagen, über nieman richten, sich gen nieman verantwurten noch nüczit tuon das kraft oder macht hab, die wile er in aucht ist.1443 Nimmt der Geächtete gleichwohl eine solche Handlung vor, ist diese unwirksam.1444 Gleiches gilt für den durch ein geistliches Gericht Gebannten.1445 Männer unter 18 Jahren können in Sachen um Erbschuld und liegendes Gut nicht geächtet werden.1446 Bei einer misstat, die die Ehre und den Leib betrifft, haben die Urteilsprecher die Einsichtsfähigkeit des minderjährigen Jugendlichen in ihre Entscheidung einzubeziehen.1447 Diese Grundsätze sollen auch bei geweihten Personen, sei es ein accolit 1448 oder ein clerico, Anwendung finden.1449 Werden Töchter unter 14 Jahren auf das Hofgericht geladen, ist diese Ladung unwirksam.1450 Wie Grube anmerkt, machte die Acht den Ächter theoretisch geschäftsunfähig und „in beschränktem Umfang friedlos“.1451 Bei Fehlern im Ächtungsverfahren – der Beklagte wird zu schnell geächtet 1452, der Geächtete ist nicht der Geladene 1453 oder der Geächtete wird überhaupt nicht geladen 1454 – wird die Acht aufgehoben. Befindet sich eine ganze Stadt oder Gemeinde
1442 Grube: Verfassung (1969), S. 30; Kohler: Verfahren (1904), S. 82. Zum Strafcharakter der Acht: Gernhuber: Landfriedensbewegung (1952), S. 256 – 261; Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 373; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 76. 1443 AHGO, Part. 9 Tit. 28, S. 355. Siehe auch Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 76. 1444 AHGO, Part. 9 Tit. 28, S. 355. 1445 AHGO, Part. 9 Tit. 29, S. 355. 1446 AHGO, Part. 9 Tit. 17, S. 351. 1447 AHGO, Part. 9 Tit. 17, S. 351. 1448 Messdiener, Ministrant. 1449 AHGO, Part. 9 Tit. 18, S. 352. 1450 AHGO, Part. 9 Tit. 19, S. 352. 1451 Dies sei zwar an der Form der Achterklärung (siehe S. 170) nicht erkennbar, jedoch war die umfassende Friedlosigkeit nur durch die Aberacht zu erreichen (Grube: Verfassung (1969), S. 30 Fn. 202). Thudichum weist darauf hin, dass der Geächtete aufgrund seiner Vogelfreiheit ohne weitere strafrechtliche Verfolgung getötet werden konnte, ergänzt jedoch sogleich, dass es hierauf niemand ankommen ließ (Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 76). 1452 AHGO, Part. 9 Tit. 15, S. 350 f. 1453 AHGO, Part. 9 Tit. 16, S. 351. 1454 AHGO, Part. 9 Tit. 14, S. 350.
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in der Acht, sind auch alle ihre Einwohner Ächter. Dies gilt auch für jene, die erst im Nachhinein in die Stadt oder Gemeinde kommen.1455 Ziehen Einwohner aus einer geächteten Stadt oder Gemeinde weg, sind sie nicht mehr geächtet, es sei denn, dass sie im Rahmen der Ächtung namentlich hervorgehoben wurden.1456 Ist der Beklagte ein Jahr, einen Monat, einen Tag oder länger in Acht gewesen, schickt das Hofgericht auf Antrag des Klägers sogenannte Supplicatoria 1457 an das geistliche Gericht des Bistums, in dessen Wirkungsbereich der Geächtete wohnt. Mit diesen Anrufbriefen ersucht das Hofgericht das geistliche Gericht, über den Ächter zugleich den kirchlichen Bann zu verhängen.1458 Das geistliche Gericht kann im umgekehrten Fall das Hofgericht anrufen und darum ersuchen, dass ein seit einem Jahr, einem Monat, einem Tag oder länger Gebannter geächtet wird.1459 Der Hofrichter soll einen solchen Anrufbrief des geistlichen Gerichtes öffentlich verlesen und die Urteilsprecher – diese müssen mindestens zu siebt sein – um ihre Entscheidung ersuchen. Bescheiden diese das Ansuchen des geistlichen Gerichts positiv, wird über den Gebannten auch die Acht verhängt.1460 Die AHGO stellt die Ächtung folgendermaßen dar: Und wenn der hofrichter ufstat und nit mee richten wil, so hat er sinen stab in der hand und aechtet stend also: Allen den, den gerueft ist zu der dritten clag und die das nit verantwurt hand, die wile das gericht gewerot hat, die künd ich uß dem fride in den unfride und verbüt si iren fründen und erloub si und ir gut iren vienden. Und würfet den stab uß der hand.1461 Um die Wirksamkeit der Acht zu erhalten, musste der Kläger innerhalb eines Jahres ab der Achterklärung die Eintragung des Geächteten in das Achtbuch bewirken.1462 Die Besonderheit des Rottweiler Verfahrens ist hierbei, dass nicht das Urteil oder die Verkündung der Acht den rechtsentscheidenden Akt bilden, sondern die Eintragung in das Achtbuch.1463 Erst nach dieser Eintragung stellte der Hofrichter eine Verkündungsurkunde aus. Der Kläger hatte zuvor 1464 eine Gebühr an den Hofschreiber zu entrichten.1465 Die Wirkungen der Acht traten unverzüglich mit der urkundlichen Bescheinigung in Kraft.1466
1455 AHGO, Part. 9 Tit. 22, S. 353. 1456 AHGO, Part. 9 Tit. 21, S. 352. 1457 Anrufbriefe, AHGO Part. 9 Tit. 30, S. 355; NHGO, Part. 2 Tit. 14, fol. 43v f. 1458 AHGO, Part. 9 Tit. 30, S. 355; NHGO, Part. 2 Tit. 14, fol. 43v f. 1459 AHGO, Part. 9 Tit. 31, S. 355; NHGO, Part. 2 Tit. 14, fol. 44r. 1460 AHGO, Part. 9 Tit. 31, S. 355 f. 1461 AHGO, Part. 12 Tit. 2, S. 368 f. 1462 AHGO, Part. 9 Tit. 10, S. 349. 1463 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 275. 1464 Bereits vor Eintragung in das Achtbuch (Battenberg: Reichsacht (1986), S. 262). 1465 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 262. 1466 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 262.
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Wie es Speidel ausdrückt, hat „der Echter das Recht und die Pflicht, sich aus der Acht zu ziehen, indem er sich zum Rechten stellt“.1467 Für die Loslösung aus der Acht ist es dabei entscheidend, aus welchen Gründen die Acht verhängt wurde. Nach NHGO und AHGO kommt es darauf an, ob der Beklagte wegen seiner Säumnis oder wegen der Nichtbeachtung eines End- oder Beiurteils in die Acht erklärt wurde.1468 Im ersten Fall reicht es aus, dass der Ächter mit dem Fiskal und der Kanzlei eine Übereinkunft erzielt, der gegnerischen Partei die aufgrund seines Ungehorsams entstandenen Gerichtskosten ersetzt und verspricht, die Sache in dem standt so er die findt anzunemen und vor dem Hofgericht weiterzuführen.1469 Im zweiten Fall kann sich der Geächtete grundsätzlich nur mit der Zustimmung des Klägers aus der Acht lösen. Können sich die Parteien hierüber jedoch nicht einigen, wirdt die sach durch sie beyde zu Hoffrichter vnd vrtheilsprecher rechtlicher moderation, vnd erkandtnuß gesetzt.1470 In der gleichen Vorschrift wird darauf verwiesen, dass dieser am Hofgericht praktizierte uralte Brauch nahezu vollständig dem geschriebenen gemeinen Recht entspreche und deshalb diesbezüglich keine Änderungen vorgenommen werden sollen.1471 Der aus der Acht Entlassene erhält einen Absolutionsbrief, der die Loslösung aus der Acht bescheinigt und ihm aufgibt, auf dem nächsten Hofgericht zu erscheinen und sich gegenüber dem Kläger zu verantworten.1472 Daran soll ihn – bis auf Krankheit, Gefangenschaft oder Belagerung – nichts hindern. Erscheint er nicht zu diesem Hofgericht, kann der Kläger die Aberacht und die Anleite beantragen. Die AHGO gibt die Form des Briefes folgendermaßen wieder: Wir Graue N. etc. hofrichter von des allerdurchlüchtigsten fürsten und herren N. römischen kaisers zuo allenziten merers des richs etc. unsers allergnedigisten herren gewalte an siner statt uf sinem hofe zuo Rotwil, bekennen offenlich und tuen kunt allermeniglich, das wir N. usser der aucht des hofs zuo Rotwil gelassen haben, darin in N. geton hett lassen und künden in daruß und ist ouch er also usser und ab dem auchtbuch des vorgenanten hofs von der aucht wegen getilget und abgeschriben uf recht, also das er dem egenanten cleger N. sol und will umb die ansprach, so er zuo im und darumb er in in aucht getan hat uf dem hofe zuo Rotwil ains unverczogen rechten sin des nechsten hofgerichcz, das da wirt an dem nechsten zinstag nach sant Hilaritag nechstkomend, und daran sol denselben N. n üczit irren noch hindern weder vintschaft noch dehain ander anligend noch zuovallend sache, 1467 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 106. 1468 AHGO, Part. 9 Tit. 1, S. 343; NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52r f. 1469 NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52v. 1470 NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52v. Unter moderation ist die mäßigende Einflussnahme des Gerichts zu verstehen. Siehe hierzu auch Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 307. 1471 NHGO, Part. 3 Tit. 15, fol. 52v. 1472 AHGO, Part. 9 Tit. 7, S. 347 f.
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denn allain ußgenomen, ob im dazwüschen krankait sins libs zuofiele oder ob er gefangen oder in ainem schloss belegert wurde, darumb er desshalb uf das obgenant hofgericht nit komen möchte. Das sol er in sinem offenn besiegelten brief uf sinen aide sagen und solich ehaftin darinn erschainen und den brief uf das obgenant hofgericht schicken, als des hofs ze Rotwil recht ist. Denn wa er das alsdenn nit taete und dem also nit nachkaeme in vorgeschribner maß, so richte man dem cleger dennzemal füro zuo im mit aberaucht und anlaiti als des hofs zuo Rotwil recht ist. Und darumb von des obgenanten unsers allergnedigisten herren des roemischen keisers gewalt, so künden wir den egenanten N. wider usser dem unfride in den fride und erloben in meniglichen nider ze gemeinsamen der vorgeschriben auchte halb. Mit urkünd und kraft diß briefs mit des hofgerichcz zuo Rotwil ufgedrucktem insigel besigelt. Geben etc. nach Christi geburte.1473 Zur Absicherung des Klägers darf der aus der Acht Entlassene, bevor er sich nicht dem Kläger auf dem Hofgericht gestellt hat, das Seine weder versetzen noch verkaufen.1474 Die AHGO beschreibt in der Folge darüber hinaus verschiedene Szenarien mit Blick auf den im Absolutionsbrief angekündigten Hofgerichtstermin. Kommt der aus der Acht Entlassene nicht auf das im Absolutionsbrief angekündigte Hofgericht, kann das Hofgericht auf Antrag des Klägers gegen ihn mit Aberacht und Anleite vorgehen. Macht er jedoch Entschuldigungsgründe geltend,1475 wie beispielsweise Krankheit, Gefangenschaft oder Belagerung, wird ihm ein Aufschub gewährt.1476 Hat das Gericht in dem Zeitpunkt, in dem es Kenntnis von der Verhinderung des aus der Acht Entlassenen und seiner Entschuldigung erlangt, bereits die Aberacht über ihn verhängt, soll er aus dem Achtbuch geschrieben werden und weder den Achtschilling noch das Ausschreibgeld entrichten müssen.1477 Ist der Beklagte ernsthaft krank oder aus anderen ehaften Gründen nicht in der Lage, sich auf längere Sicht in Person vor dem Hofgericht zu verantworten, wird ihm das Recht eingeräumt, einen Vertreter, den sogenannten machtbot, auf das Hofgericht zu schicken.1478 Kann der Kläger aufgrund ehafter Gründe nicht zum im Absolutionsbrief festgesetzten Termin erscheinen, wird der Beklagte und ehemalige Ächter des klägerischen Anspruchs ledig.1479 Die AHGO regelt darüber hinaus noch die Fälle, in denen nicht mehr bekannt ist, auf wessen Antrag die Acht ergangen ist, Fälle, in denen der Kläger verzogen oder gestorben ist,1480 oder in denen der Ächter vom Kläger oder anderen Personen gefangen genommen wird.1481 1473 1474 1475 1476 1477 1478 1479 1480 1481
AHGO, Part. 9 Tit. 7, S. 347 f. AHGO, Part. 9 Tit. 8, S. 348. Sogenannte ehafte Gründe. AHGO, Part. 9 Tit. 1, S. 344. AHGO, Part. 9 Tit. 3, S. 345. AHGO, Part. 9 Tit. 6, S. 346 f. AHGO, Part. 9 Tit. 4, S. 345 f. AHGO, Part. 9 Tit. 11 – 13, S. 349 f. AHGO, Part. 9 Tit. 24 – 27, S. 353 f.
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Die Acht hatte nur innerhalb des Wirkungsbereichs des Hofgerichts Wirksamkeit.1482 Der Hofrichter teilte dem Umfeld des Geächteten dessen Ächtung mit und gab den mit ihm Verkehrenden in sogenannten Verbietbriefen auf, in Zukunft seine Gesellschaft zu meiden und ihn nicht zu beherbergen.1483 Dass Kaiser und Könige oftmals das Recht der Ächterbeherbergung einräumten,1484 schwächte die Rottweiler Acht und führte dazu, dass man sie in vielen Fällen einfach ignorierte.1485 Die Prozessacht war vom Willen des Klägers abhängig, weshalb sie grundsätzlich auch nur zwischen dem Kläger und dem Beklagten wirkte.1486 Jedoch konnten auch andere Gläubiger des Ächters die bestehende Acht n utzen und die Anleite begehren. Dies hatte für den Gläubiger eine gewisse Sicherungswirkung zur Folge.1487 Die Acht konnte ferner zu einer Ehehaft gegen ein Exemtionsprivileg führen. Grube ordnet das Ächtungsverfahren schon für das 14. Jahrhundert als „rechtstechnisch überholt“ ein und verweist hierfür auf AHGO Part. 9 Tit. 12, der sich mit alten Achten, bezüg lich derer niemand mehr weiß, wer der Kläger oder sein Erbe ist, auseinandersetzt.1488 Am meisten habe die Acht noch auf die Schwachen im Lande gewirkt, die tatsächlich fürchten mussten, vom Kläger oder anderen feindlich gesinnten Personen überfallen und gefangen genommen zu werden.1489 Dieser Beurteilung ist nicht zu widersprechen, allerdings muss betont werden, dass den kaiserlichen Gerichten schlichtweg keine anderen Zwangsmittel zur Verfügung standen, weshalb weiterhin die Acht als ursprünglich vor allem auf das s oziale Umfeld des Geächteten wirkendes Mittel angewandt wurde. Weiterhin könnte ein Grund für die Beibehaltung der Acht darin liegen, dass sich bereits geächtete Beklagte nach Ansicht des Hofgerichts eben nicht mehr auf ihr Exemtionsprivileg berufen konnten.
1482 Bannum Rotvvilense non esse generale, sed speziale (Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 177). Darüber hinaus Grube: Verfassung (1969), S. 30; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 107. 1483 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 107. 1484 Grube: Verfassung (1969), S. 30; Kohler: Verfahren (1904), S. 87; Speidel: Hof gericht zu Rottweil (1914), S. 108. 1485 Feine: Landgerichte (1948), S. 155; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 107. 1486 Kohler: Verfahren (1904), S. 92. 1487 AHGO, Part. 10 Tit. 5, S. 358 f. 1488 Grube: Verfassung (1969), S. 31. 1489 Grube: Verfassung (1969), S. 31.
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2. Aberacht Weder AHGO noch NHGO enthalten konkrete Regelungen zur Aberacht. Sie wird lediglich in den Ächtungsvorschriften mitbehandelt und orientiert sich zum Teil inhaltlich an den Regelungen in AHGO , Part. 9 Tit. 1, 3 und 8 bis 10.1490 Hatte der Ächter ein Jahr und einen Tag in der Acht verbracht und sich in dieser Zeit dem Kläger gegenüber nicht vor dem Hofgericht verantwortet, konnte das Gericht die Aberacht über ihn verhängen.1491 Eine Formel für die Aberacht lässt sich für das Hofgericht in den Ordnungen nicht finden, wohl aber in den Aufzeichnungen des Ritters Ludwig von Eyb für das Landgericht des Burggraftums Nürnberg: thu ich 1492 zu wissen mit dem brieff, das ich ine in die aberacht gesprochen hab und im genomen alle seine recht und setz in in alles unrecht und nime inn von dem frid und setz [in] in den unfrid allermenigclich, also das er an keinner stat frid haben soll, und erlaub auch den vorgenanten N. als ein offenbarn aberechter allermenigclichen allenthal ben zu wasser und zu land frei, und erteille sein ellich hauszfrawen zu einer wissent liche wittibe, seine kinder zu ehafftigen waszen, sein leib und flaische den diern in dem walde, den vogeln in den lufften, den fischen in dem wagen, und das in nimantz schutzen, noch schirmen, nach keinerlei zulegung thun soll mit kein sachen in kein weisz, sunder in achten fur rechtlosz, verweist, verurteilt, zu dem ein ieder recht hat und haben soll.1493 Die Aberacht stellte den Aberächter somit völlig rechtlos.1494 Er war friedlos und vogelfrei.1495 Die AHGO nennt darüber hinaus Prozesssituationen, in denen die Aberacht nicht erst nach Ablauf eines Jahres und eines Tages verhängt wird. Zum einen ist hier der Fall zu nennen, dass der Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen wurde, der Kläger vor d iesem Gericht klagt, der Beklagte sich jedoch nicht verantwortet. Der Kläger kann dies daraufhin vor dem Hofgericht rügen, woraufhin die Ladung des Beklagten vor das Hofgericht erfolgt. Erscheint der Beklagte nicht zu dem ihm verkündeten Termin, wird auf Antrag des Klägers die Aberacht verhängt.1496 Zum anderen ist der Fall zu nennen, in welchem sich der Geächtete aus der Acht lösen kann, jedoch nicht
1490 Grube: Verfassung (1969), S. 30. 1491 Grube: Verfassung (1969), S. 30; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 106. Dies legt auch die Regelung für das Landgericht Nürnberg nahe: […] und als der gemelt N. verechtlich uber jar und tag in der acht gelegen ist […]. Vogel: Aufzeichnung (1867), S. 76. 1492 Der Landrichter. 1493 Vogel: Aufzeichnung (1867), S. 76. 1494 Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 107. 1495 Grube: Verfassung (1969), S. 30; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 107; Thudichum: Geschichte der Reichsstadt Rottweil (1911), S. 76. 1496 Hierzu AHGO Part. 9 Tit. 1, S. 343 f.
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zu dem im Absolutionsbrief angegebenen Termin erscheint. Auch in diesem Fall kann sogleich die Aberacht verhängt werden.1497 Aus der Aberacht soll nach der AHGO niemand gegen den Willen des Klägers entlassen werden.1498
3. Anleite Die Acht war unabdingbare Voraussetzung für die Anleite.1499 Mit Anleite bezeichnete man die „zwangsweise Einweisung in fremdes Gut“.1500 Die Anleite fand ledig lich am Reichshofgericht und an den kaiserlichen Landgerichten im Rahmen der Exekution Anwendung.1501 Im Zuge der Rezeption wurde die Anleite romanisiert. Diese Romanisierung lässt sich sehr gut in einer Synopse von AHGO und NHGO erkennen. Zunächst wird darum das in der AHGO sehr ausführlich beschriebene Anleiteverfahren dargestellt. a. AHGO Nach der AHGO soll der Kläger dem Hofschreiber gegenüber angeben, auf welche Güter des Beklagten und Geächteten er anleiten will. Der Hofschreiber stellt sodann einen Anleitbrief aus, in welchem er einen der Urteilsprecher als Anleiter bestimmt und zaichet die stuck und guot alle an ainen cedel. Der Anleitbrief samt Zettel wird an einen Hofgerichtsboten übergeben, der damit zum Anleiter geht und von d iesem gewalt, das heißt Vertretungsmacht, zum Anleiten erhält. Der Bote übergibt den Anleitbrief wieder an den Kläger beziehungsweise dessen Klagführer, begibt sich mit dem Anleitzettel an den Ort, an dem die Güter gelegen sind, und übergibt den Zettel an denjenigen, der die guot inn hand […] hett.1502 Kann er eine solche Person nicht ausfindig machen, übergibt er den Zettel an den obersten Amtmann des Fleckens, in
1497 AHGO, Part. 9 Tit. 8, S. 348. Ähnlich der heutigen Regelung, nach der bei Einspruch des Beklagten eine weitere Säumnis zum technisch zweiten Versäumnisurteil führt, §§ 345, 514 Abs. 2 ZPO. 1498 AHGO, Part. 9 Tit. 9, S. 348. 1499 AHGO, Part. 10 Tit. 1 bis 7, S. 356 – 359; NHGO, Part. 2 Tit. 13, fol. 43r. Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 82 – 84; Franklin: Reichshofgericht Bd. 2 (1869), S. 295 f.; Grube: Verfassung (1969), S. 31. 1500 Ogris: Anleite, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 246. 1501 Ogris: Anleite, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 246 f.; Feine: Landgerichte (1948), S. 153; Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 262 f. 1502 Gut merkt für das Anleiteverfahren am Landgericht in Schwaben an, dass hiermit der aktuelle Bewohner gemeint sei (Gut: Landgericht (1907), S. 61 f.).
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welchem die Güter gelegen sind. Wird der Anleite innerhalb von mindestens sechs Wochen und drei Tagen nicht widersprochen, so wird ain anlaitbesiczungsbrief über den anlaitbrief gemacht. Diesen Anleitbesitzungsbrief soll der Anleiter besiegeln und einen Eid schwören, dass der Kläger so vil zites als vorbegriffen ist unversprochenlich bi guoten gerichten besessen hab. Der Brief wird vor offenem Gericht verlesen. Auf Antrag des Klägers beziehungsweise seines Klagführers wird diesem ein nuczlich gewerbrief erteilt und einem, vom Anleiter verschiedenen Urteilsprecher des Hofgerichts 1503 geboten, den Kläger in nuczlich gewer zu setzen. Wird innerhalb weiterer mindestens sechs Wochen und drei Tage der Nutzgewere nicht widersprochen, erstellt die Kanzlei einen nuczlichgewerbesiczungsbrief, der bescheinigt, dass die Besitzung in dieser Zeit bestanden habe. Dies muss diesmal der Gewerer beeiden. Auch der Nutzgewerbesitzungsbrief wird vor dem Hofgericht verlesen. Widerspricht auch jetzt niemand, erhält der Kläger einen volgbrief und einen schirmbrief. Mit diesen kann der Kläger zu den guoten grifen und damit tuon nach der brief sag. Nach der Ordnung des Landgerichts in Schwaben hieß das für die Position des Klägers, dass er die Güter ‚nutzen und nießen, verleihen, versetzen, angreifen, verkaufen oder für sich und seine Erben behalten und mit ihnen handeln und tun und lassen wie mit seinen eigenen Gütern‘.1504 Darüber hinaus sollen ihm nach der AHGO ouch schir mer daruber, wie vil fürsten, herren, edellute und stett er darüber ze schirmern begert gegeben werden.1505 Das Anleiteverfahren ermöglichte es also dem Kläger, in die Nutzgewere der Güter des Beklagten eingesetzt zu werden und damit „ökonomisch verwertbare Positionen“ zu erlangen.1506 Laufs definiert die Gewere im Allgemeinen als „Sachherrschaft, die Ausdruck eines dinglichen Rechts ist“.1507 Battenberg ergänzt, dass das Wort Nutz- nicht die Nutznießung des Gutes beschränken, sondern auf die begrenzte Aufgabe der Nutzgewere verweisen sollte. Dabei sei ihr Zweck lediglich gewesen, „eine ersatzweise Befriedigung des Klägers aus den benannten Gütern für 1 503 Der sogenannte Gewerer. 1504 Gut: Landgericht (1907), S. 63. 1505 Dieses gesamte Verfahren wird im ersten Titel des zehnten Teils der AHGO dargestellt. AHGO, Part. 10 Tit. 1, S. 356 f. Dazu auch Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 87 f. 1506 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 433 und S. 441. Franklin hingegen sieht als Ziel des Anleiteverfahrens, dem Kläger zum Besitz einer individuell bestimmten Sache zu verhelfen (Franklin: Reichshofgericht Bd. 2 (1869), S. 288). 1507 Laufs: Reichskammergerichtsordnung, Sachregister, S. 302. Battenberg formuliert vorsichtiger und bezeichnet die Gewere als „vorläufige[s] Recht zur Ausübung eines vermuteten dinglichen Rechts“ (Battenberg: Gerichtsbarkeit (1981), S. 210 Fn. 73; Battenberg: Reichsacht (1986), S. 444). Nach Hübner sind die beiden für die Gewere notwendigen Merkmale die „tatsächliche Herrschaft (Nutzung) und [die] Behauptung eines dieser zugrunde liegenden dinglichen Rechts“ (Hübner: Grundzüge (1930), S. 205).
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eine eingeklagte Geldsumme zu ermöglichen“.1508 Die Nutzgewereeinsetzung habe dem Kläger eine „bloß vorläufige prozessuale Position“ verschafft, welche seine Verfügungsbefugnis über das angeleitete Gut beschränkte.1509 Danach habe weder der Kläger noch der Beklagte eine volle Gewere innegehabt. Der Kläger einerseits habe eine „dingliche Berechtigung durch die ideelle Nutzgewereinsetzung“, nicht jedoch die tatsächliche Sachherrschaft über die Güter erhalten.1510 Der Beklagte wiederum hatte diese tatsächliche Sachherrschaft inne, war jedoch mit Blick auf seine Güter nicht mehr dinglich berechtigt.1511 Die Einsetzung des Klägers erfolgte zeitlich begrenzt und war bei Zahlung der Anleitesumme durch den Betroffenen sofort obsolet. Konnte der Kläger die Anleitesumme durch die Nutzung des Gutes erwirtschaften, war die Nutzgewere ebenfalls beendet.1512 Das Charakteristikum des Acht- und Anleiteverfahrens behielt das Rottweiler Hofgericht im Gegensatz zu vielen anderen Landgerichten bis zum Ende seiner Tätigkeit.1513 Battenberg ist darin recht zu geben, wenn er das Rottweiler Anleiteverfahren im Vergleich zum Anleiteverfahren des Reichshofgerichts als „umständlich[er] und langwierig[er]“ bezeichnet, ihm jedoch gleichzeitig, ebenfalls im Gegensatz zum Reichshofgericht, auch noch während des 15. Jahrhunderts „ein beträchtliches Ansehen[s]“ attestiert.1514 Dieses Ansehen führt Battenberg auf den, mit dem Rottweiler Verfahren beabsichtigten, erhöhten Schutz des Beklagten vor einer „leichtfertigen Inanspruchnahme“ der Anleite durch den Kläger zurück.1515 Das Rottweiler Verfahren sei konsensfähiger geblieben.1516 Die besondere Sicherung des Beklagten zeigt sich in der AHGO dabei insbesondere am – im Vergleich zum Reichshofgericht und dem Nürnberger Landgericht zusätzlichen – Gewerersitzungsverfahren, das heißt der nochmaligen Gewährung einer Frist von mindestens sechs Wochen und drei Tagen.1517 Die Nutzgewere alleine garantierte dem Kläger in Rottweil also noch keinen endgültigen Rechtstitel. Dem Betroffenen wurde somit in einem weiteren Verfahrensschritt die Möglichkeit gegeben, einzugreifen. Kohler meint hierzu, dass
1508 1509 1510 1511 1 512 1513 1514 1515 1516 1517
Battenberg: Reichsacht (1986), S. 437. Battenberg: Reichsacht (1986), S. 440. Battenberg: Reichsacht (1986), S. 445. Battenberg: Reichsacht (1986), S. 445. Dies wird auch als gewaltlich gewere bezeichnet (Battenberg: Reichsacht, S. 445). Battenberg: Reichsacht (1986), S. 433. Feine: Landgerichte (1948), S. 153. Battenberg: Reichsacht (1986), S. 342. Battenberg: Reichsacht (1986), S. 342. Battenberg: Reichsacht (1986), S. 342. Ausführlicher zum Konsens: Battenberg: Reichsacht (1986), S. 527. Etzold nennt dies die „Dreiteilung“ des Anleiteverfahrens (Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 89).
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sich die Nutzgewere nach dem Zeitablauf in eine rechte Gewere 1518 wandele und der Kläger nunmehr Eigentümer sei und damit vollumfänglich über die Güter verfügen könne.1519 Battenberg wendet dagegen zu Recht ein, dass der Kläger auch nach der Nutzgewereersitzung die Güter nur solange nutzen beziehungsweise sich aus ihnen befriedigen könne, bis die eingeklagte Geldsumme erreicht sei.1520 Er beschreibt die Nutzgewere des Klägers zwar auch als eine rechte Gewere, versteht darunter jedoch die oben schon dargestellte Stellung des Klägers als dinglich Berechtigtem ohne tatsächliche Sachherrschaft.1521 Das Rottweiler Exekutionsverfahren nach der AHGO weist noch eine weitere Besonderheit auf. Die Rottweiler Ordnung ist die einzige, die eine Verknüpfung zwischen Acht und Anleite voraussetzt.1522 Das Wortpaar Acht und Anleite 1523 beziehungsweise Aberacht und Anleite 1524 wird häufig verwendet. Am Reichshofgericht hingegen konnten beide Verfahren parallel zueinander ablaufen und der Kläger dementsprechend auch ohne vorangegangenes Achtverfahren in die Güter des Beklagten eingesetzt werden.1525 Mit dem schriftlich ausgefertigten Erfolgsbrief oder Folgebrief erhielt der Kläger schließlich einen endgültigen Rechtstitel.1526 Die im – zusammen mit dem Folgebrief erteilten – Schirmbrief zu Schirmern bestellten Personen, Städte und Gemeinden sollten gewährleisten, dass die Acht und die mit ihr verbundene Anleite durchgesetzt werden konnten.1527 Die Friedloslegung des Beklagten sollte durch ihre Hilfe 1518 Die rechte Gewere entstand, wenn eine „gehörig begründete“, aber unter Umständen „inhaltlich fehlerhafte“ Gewere eine bestimmte Zeit hindurch gerichtlich unangefochten ausgeübt wurde. War diese Zeit abgelaufen, konnte ein grundsätzlich materiell besser Berechtigter seine Rechte an der Sache gegen den Inhaber der Gewere nicht mehr geltend machen und durchsetzen (Ogris: Gewere, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 350 f.). 1519 Kohler: Acht und Anleite (1915), S. 10; Kohler: Verfahren (1904), S. 97. Siehe hierzu auch Franklin, der mit Blick auf das Reichshofgericht davon ausgeht, dass die Erteilung der Nutzgewere eine Übertragung der Grundstücke beinhaltet (Franklin: Reichshofgericht Bd. 2 (1869), S. 304 und S. 311 – 316). Zudem Battenberg: Reichsacht (1986), S. 446. 1520 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 328. 1521 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 445. 1522 AHGO, Part. 10 Tit. 1, S. 356 f. und Tit. 3, S. 357 f. Battenberg: Reichsacht (1986), S. 90 f. und S. 251. 1523 AHGO, Part. 6 Tit. 2, S. 338; Part. 6 Tit. 3, S. 338 f.; Part. 9 Tit. 1, S. 342; Part. 9 Tit. 31, S. 355 f. und Part. 10 Tit. 2, S. 357. 1524 AHGO, Part. 9 Tit. 6, S. 347; Part. 9 Tit. 7, S. 347 f.; Part. 9 Tit. 8, S. 348 und Part. 10 Tit. 4, S. 358. 1525 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 215, S. 533 und S. 534 f. 1526 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 329; Kohler: Acht und Anleite (1915), S. 10. AHGO, Part. 10, Tit. 3, S. 357 f. und Tit. 4, S. 358. 1527 Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 87 f.
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sichergestellt werden.1528 In den Schirmbriefen wurde den Schirmern aufgegeben, den Ächter weder zu hausen noch zu hofen, nicht zu ätzen oder zu tränken und jegliche Gemeinschaft mit ihm zu meiden. Befolgten die Schirmer diese Gebote, hatte dies eine „wirtschaftliche und s oziale Isolierung des Ächters“ zur Folge.1529 Natürlich musste der Kläger den Schirmern oftmals im Gegenzug – gerade bei Kappung wichtiger Handelskontakte – Ersatz verschaffen. Wie Battenberg konstatiert, gab der Schirmbrief hierzu die Möglichkeit und bot „einen psychologischen Anreiz zur Änderung bestehender Kommunikationslinien zu Lasten des Ächters“.1530 Aus der Formulierung Man git im ouch schirmer daruber, wie vil fürsten, herren, edellute und stett er darüber ze schirmern begert wird ersichtlich, dass der Kläger am Rottweiler Hofgericht Einfluss auf Anzahl und Auswahl der Schirmer hatte.1531 Nach der AHGO sollen die Schirmer den Kläger nicht im Hinblick auf seine erlangten Rechte behindern. Tun sie es doch, kann er mit Acht und Anleite gegen sie vorgehen.1532 Löst sich der Ächter aus der Acht, sobald der Kläger den Erfolgsbrief erhalten hat, und wird er ihm sodann vellig umb sin ansprach, dann bleibt der Kläger bei seinen erlangten Rechten, während über den Ächter die Aberacht verhängt wird.1533 Dass dem Erfolgsbrief maßgebliche Bedeutung zukam, lässt sich an folgender Vorschrift erkennen: Ist der Kläger in die Güter eingesetzt worden, hat jedoch den Erfolgsbrief nicht an sich genommen und löst sich nun der Ächter aus der Acht, hat der Kläger hinsichtlich der Güter keine dingliche Berechtigung mehr. Der Beklagte hat ihn jedoch nach wie vor in der Hauptsache zu befriedigen und ihm die Kosten in Form von Botenlohn, Gerichtskosten und Einschreibegeld 1534 zu erstatten. Ersetzt der Beklagte dem Kläger diese Kosten nicht, wird dies mit der Aberacht und der Anleite geahndet.1535 Trotz der Relativität der Acht können sich auch andere Gläubiger einer bestehenden Acht für eigene Anleiteverfahren bedienen.1536 Kommt der Ächter beziehungsweise Aberächter aus der Acht, ehe ein solches Anleiteverfahren beendet ist, hat dies die Unwirksamkeit des Verfahrens zur Folge und der Gläubiger verliert alle bisher erlangten rechtlichen Positionen. Ist das Anleiteverfahren jedoch schon beendet, 1 528 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 276. 1529 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 277. Zu den Schirmern auch Gut: Landgericht (1907), S. 63 und Jack: Ehafte (2012), S. 51. Von Zimmern weist darauf hin, dass als Schirmer ein jeglicher zur Vollstreckung Beauftragter bezeichnet wird (Zimmern: Manuale (1720), S. 121). 1530 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 277. 1531 AHGO, Part. 10 Tit. 1, S. 357. 1532 AHGO, Part. 10 Tit. 2, S. 357. 1533 AHGO, Part. 10 Tit. 3, S. 357 f. 1534 Für den Eintrag in das Achtbuch. 1535 AHGO, Part. 10 Tit. 4, S. 358. 1536 AHGO, Part. 10 Tit. 5, S. 358 f. Kohler: Verfahren (1904), S. 92. Gleiches berichtet Gut für das Landgericht in Schwaben (Gut: Landgericht (1907), S. 63 f.).
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wenn der Ächter sich aus der Acht löst, und will er die Unwirksamkeit dieses Verfahrens bewirken, muss er sich in der Hauptsache vor dem Hofgericht verantworten.1537 Bei versehentlichen Anleitungen auf Güter Dritter können diese bei Nachweis ihrer Position verlangen, dass die Güter wieder ausgesondert werden.1538 Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass der Dritte die Güter vom Ächter gekauft hat. Hier werden Scheinverträge vermutet und deshalb eine s olche Übertragung für nichtig erklärt.1539 Schließlich bestimmt die AHGO, dass man Frauen nicht ächten, jedoch die Anleite auf ihre Güter betreiben kann.1540 b. NHGO Die NHGO versucht die soeben dargestellten Regelungen der AHGO mit dem römischen Recht zu harmonisieren. Danach ist es am Hofgericht weiterhin Voraus setzung, dass der Beklagte in die Acht erkent declariert, vnd verschrieben wird, bevor auf seine Güter angeleitet werden kann.1541 Dem Kläger wird die Anleite auf des Beklagten Haab vnd Gueter / es sey Hauß / Hoff / etc. zu N. gelegen / sambt Renthen / Zinsen etc. gewährt und auf Einsetzung desselben erkannt. Hierüber wir ihm eine Urkunde erteilt.1542 Diesen ersten Schritt definiert Wehner als immissio ex primo decreto, bezeichnet ihn ferner als der Einsatz auß erster richterlichen Erkenntnuß oder die erste Einsatzung.1543 Diese Erkenntnis soll dann der Obrigkeit, in deren Einflussbereich die Güter gelegen sind, zugestellt und verkündet werden. Nach der Zustellung hat der Inhaber noch dreizehn Wochen und drei Tage Zeit, vor Gericht zu erscheinen und der Anleite zu widersprechen. Erscheint er vor Gericht, wird verhandelt. Wird der Anleite innerhalb der dreizehn Wochen und drei Tage nicht widersprochen, so gibt man auff des anleitters weiter begern erlangte recht, welche Krafft haben der immission ex secundo Decreto.1544 Über diese immissio, die Wehner auch als Einsatzung auff anderm Erkenntnuss beziehungsweise die andere Ein satzung bezeichnet,1545 wird für die Obrigkeit, in deren Einflussbereich die Güter
1 537 1538 1539 1540 1541 1542 1543
AHGO, Part. 10 Tit. 5, S. 358 f. AHGO, Part. 10 Tit. 6, S. 359. Gut: Landgericht (1907), S. 64. AHGO, Part. 10 Tit. 6, S. 359. Kohler: Verfahren (1904), S. 100. AHGO, Part. 10 Tit. 7, S. 359. NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 43r. NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 43r. Wehner: Observationum (1608), S. 23. Laufs definiert die missio ex primo decreto als „Einweisung des Klägers in das Vermögen des trotz Rufens ausgebliebenen Beklagten“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 307). 1544 NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 43v. 1 545 Wehner: Observationum (1608), S. 23.
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gelegen sind, ein Schirmbrief ausgestellt. Diesen Schirmbrief soll die Obrigkeit zu exequiern 1546 schuldig sein.1547 Die immissio ex primo (secundo) decreto wird auch missio in bona genannt. Im römischen Recht war die Zwangsvollstreckung dadurch eingeleitet worden, dass der Prätor das Vermögen des Beklagten auf Antrag des Klägers in Beschlag nahm und den Kläger zu seiner Befriedigung darin einwies. Dieser Vorgang wurde als missio in bona bezeichnet.1548 Dass sie auch immissio ex primo (secundo) decreto genannt wurde, ist darauf zurückzuführen, dass die Beschlagnahme des Vermögens durch den Prätor in Form eines Dekrets erfolgte, in welchem dieser erklärte, dass das Vermögen in Besitz genommen, verzeichnet und öffentlich bekannt gemacht worden sei und nun verkauft werde.1549 Daraufhin wurde der Kläger in den Besitz eingewiesen.1550 Zur Problematik, ob die Schirmbriefe ihre Wirksamkeit verlieren, wenn das Gericht sie nicht innerhalb eines Jahres zustellt respektive wenn der Kläger nicht innerhalb eines Jahres in das Vermögen eingewiesen wird, meint Wehner, dass dies grundsätzlich im Belieben des Klägers stehe. Er riskiere bei zu langem Warten allerdings, dass ein anderer Gläubiger komme und sich in das Vermögen des Beklagten einweisen lasse.1551 Das Exekutionsverfahren nach der NHGO fasst Wehner in seiner Kommentierung in insgesamt vier Schritten zusammen. Danach wird ein Beklagter „I. Ex contumacia in die Acht erkläret. II. Darnach wirdt Anlaitung begeret die so viel als immissio ex primo decreto gilt. III. Zum dritten begert man erlangt Recht die Guetter anzugreiffen ex secundo decreto. IV. Zum vierten vnd Letzten werden an die Obrigkeit da die Guetter gelegen Schirm vnd Einsatz Brieff begert.“ 1552 Eine s olche Verquickung des Anleiteverfahrens mit dem römischen Recht erfolgte auch am Landgericht Würzburg.1553 Hieran zeigt sich, dass die kaiserlichen Landgerichte versuchten, ihr im Grunde veraltetes Exekutionsverfahren für potenzielle Rechtssuchende attraktiver zu gestalten, indem sie ihm einen modernen, gelehrten Anstrich gaben. 1546 Vollziehen, vollstrecken (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 299). 1547 NHGO, Part. 3 Tit. 13, fol. 43v. 1548 Hierzu Kaser/Knütel: Römisches Privatrecht (2009), S. 409. 1549 Kaser/Knütel: Römisches Privatrecht (2009), S. 424. 1550 So stellt es auch Schlinker dar, allerdings ergeht nach seiner Darstellung das zweite Dekret erst nach Jahresfrist. Infolge des ersten Dekrets erhalte der Kläger den Besitz der herausverlangten Sache beziehungsweise bei persönlichen Klagen die Inhaberschaft der zugewiesenen Gegenstände. Mit dem zweiten Dekret erhalte der Kläger das Eigentum an den zugewiesenen Gütern beziehungsweise das Recht, die gepfändeten Sachen zum Marktpreis zu veräußern und sich aus dem Erlös zu befriedigen (Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 373 f.). 1551 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 150. 1552 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 151. 1553 Wehner: Observationum (1608), S. 24.
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4. Beläutung Beide Ordnungen enthalten Vorschriften zum Beläutungsverfahren als besonderem Unterfall des Exekutionsverfahrens. Nach der AHGO werden herrenlose Güter, auf die angeleitet wird, beläutet, um Personen, die ein Recht an diesen Gütern – sei es aus Erbschaft oder anderen Gründen – proklamieren, die Möglichkeit zu geben, dieses Recht auf dem Hof gericht geltend zu machen.1554 Stirbt danach etwa ein Mann oder eine Frau und hinterlässt keine Erben, können nach der AHGO Personen, denen Forderungen gegen den Erblasser zustehen oder die sich für eine Verbindlichkeit des Erblassers verbürgt haben, zu ihrer Befriedigung auf die Güter des Erblassers anleiten.1555 Dies sollen die Gläubiger, Bürgen etc. auf dem Hofgericht vorbringen, woraufhin der Hofschreiber einem geschworenen Hofgerichtsboten einen Beläutungsbrief übergibt, in dem die zu beläutenden Güter, die Forderungen des Gläubigers beziehungsweise Bürgen und ein Hofgerichtstermin 1556 bestimmt werden. Der Bote begibt sich samt Brief an den Ort, an dem die Güter gelegen sind, lässt die Kirchglocken läuten und verkündet öffentlich durch Verlesen des Beläutungsbriefs den Grund der Beläutung.1557 Zum bekannt gemachten Termin hat der Kläger vor dem Gericht zu erscheinen und den Boten vor die Richter zu bestellen. Der Bote muss schwören, dass er die Beläutung ordnungsgemäß vorgenommen hat. Melden sich in diesem Termin weder erbberechtigte Personen noch sonst jemand, der ein Recht an den beläuteten Gütern geltend macht, so gestattet das Gericht dem Kläger die Anleite auf die beläuteten Güter.1558 Das Anleiteverfahren verläuft wie oben dargestellt mit der Besonderheit, dass die Anleite nicht mehr bekannt gemacht werden muss.1559 Dieser Schritt wurde als in der Beläutung enthalten angesehen.1560 Die NHGO weicht von d iesem grundsätzlich von ihr beibehaltenen Verfahren 1561 in einigen Punkten ab. Zum einen versucht man die Beläutung begrifflich in römisch- rechtliche Kategorien einzuordnen: ein Beleütung das ist Citationem per Edictum,
1 554 So auch am Landgericht in Schwaben (Gut: Landgericht (1907), S. 64 f.). 1555 AHGO, Part. 10 Tit. 8, S. 360. Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 93 f. 1556 Etzold und Kohler bezeichnen diesen Termin als „Aufgebotstermin“ (Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 94; Kohler: Verfahren (1904), S. 101). 1557 So auch am Landgericht in Schwaben (Gut: Landgericht (1907), S. 65). 1558 Zu allem: AHGO, Part. 10 Tit. 8, S. 360. 1559 AHGO, Part. 10 Tit. 8, S. 360. Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 94. 1560 Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 94. 1561 Und nach dem Veblich herkommen beziehungsweise soll es bey solchem langhergebrachtem Stylo bleiben (NHGO, Part. 2 Tit. 10, fol. 41v).
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oder publicum proclama.1562 Zum anderen ordnet die NHGO an, dass in Zukunft die Beläutungen nicht mehr wie biß daher vnder eines vrtheilsprecher sonder des Hoffrich ters oder seines Statthalters namen wie hernachuolgt beschehen.1563 Hiermit werden die Prozessführungsbefugnis des Hofrichters ausgeweitet und seine Position gegenüber den Beisitzern gestärkt. Auch an der Formel der Beläutung lassen sich Veränderungen erkennen: Wir N. Keiserlicher Hoffrichter / oder Statthalter zu Rotweil / Bekennen hie mit das N. auf N. haab vnd güter / ob sich jemandt derselben in erb / kauff / oder andern rechtmessigen titul annemmen / vnd ihme auff sein zuespruech / vnd gerechtigkeit / auch kosten und schaeden / souil ihme an d iesem Keyserlichen Hoffgericht taxiert, bezalung / vnd abtrag thun wollte / oder sonst einred zuhaben vermeinte / das derselbig dann solches thue / vnd fuerbringe biß zum Hoffgericht / so sein / vnd gehalten wirdet / Zinstag nach N. nechstkommendt / ein Beleüttung mit Urtheil erkendt worden.1564 Im Gegensatz zur AHGO nennt die NHGO unter anderem den Kauf als von einem Dritten einzubringende Einwendung. Sie verweist weiter darauf, dass der Dritte in einem solchen Fall dem Kläger seine Kosten und Schäden ersetzen müsse. Um in Zukunft hohe Kosten aufgrund willkürlicher Beläutungen zu vermeiden, schreibt die NHGO ferner vor, dass eine Beläutung nur durchgeführt werden darf, wenn der Kläger schwört, dass ihm der Inhaber der zu beläutenden Güter unbekannt sei. Ist ihm der Inhaber der Güter jedoch bekannt, schwört er also falsch, muss er dem Inhaber die durch die Beläutung verursachten Kosten ersetzen. Hierzu gilt wiederum eine Ausnahme für den Fall, dass dem Beläuter der Inhaber der Güter zwar geläufig ist, dieser jedoch seinen Wohnsitz nicht im Wirkungsbereich des Gerichts hat. In d iesem Fall darf eine Beläutung vorgenommen werden. Der Inhaber kann in der Folge einen Vertreter oder bevollmächtigen Anwalt, der sich im Wirkungsbereich des Hofgerichts befindet, ernennen. Dieser soll sich dann für den Inhaber der Güter gegenüber dem Beläuter vor dem Hofgericht verantworten.1565 Die NHGO schreibt für den Fall, dass die Beläutung erkent / exequiert / vnd reproduciert sei und der Inhaber der Güter oder sein Anwalt auf dem Hofgericht erscheinen, vor, dass die Beläutung aberkannt und kassiert werden soll.1566 Erscheinen der Inhaber oder sein Anwalt nicht vor Gericht und ersucht der Beläuter das Gericht um Fortsetzung des Verfahrens, soll ihm das Gericht die Immissio ex primo Decreto so anleittung genent gewähren.1567 1562 NHGO, Part. 2 Tit. 10, fol. 41v. Kohler spricht diesbezüglich unter Verweis auf Wehner (Wehner: Observationum (1608), S. 53 – 55) von einer „romanistische[n] Form“ der Beläutung (Kohler: Verfahren (1904), S. 102). 1563 NHGO, Part. 2 Tit. 10, fol. 41v. 1564 NHGO, Part. 2 Tit. 10, fol. 42r. 1565 Zu allem: NHGO, Part. 2 Tit. 10, fol. 42r. 1566 NHGO, Part. 2 Tit. 11, fol. 42v. 1567 NHGO, Part. 2 Tit. 11, fol. 42v. Für diesen besonderen Einstieg in das Anleiteverfahren sieht die NHGO eine eigene Formel vor: Wir N. des Keyserlichen Hoffgerichts zu
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Augenscheinlich will die NHGO an dieser Stelle die Beläutung für zukünftige Exekutionsverfahren eindämmen, um eventuellem Missbrauch vorzubeugen. Man könnte auch daran denken, dass die Beläutung als Vollzugsinstrument insgesamt nicht mehr den Anforderungen und Gegebenheiten der Zeit entsprach, die NHGO aus Legitimitätsgründen weiter darauf verwies, sie jedoch langsam auslaufen lassen wollte. An den Ausführungen zur Beläutung in der NHGO ist zudem zu erkennen, dass es nicht mehr so stark auf die äußere Form, das heißt das Formale, ankam, sondern vielmehr inhaltliche Gesichtspunkte wie die subjektive Auffassung (Kenntnis) der Parteien in den Vordergrund rückten.
5. Exekutionsverfahren am Reichskammergericht Der Urteilsvollzug am Reichskammergericht erfolgte ähnlich wie am Rottweiler Hofgericht. Auch am Reichskammergericht wurde das Exekutionsverfahren mit der Acht als Voraussetzung für die Besitzeinweisung in die Güter des Geächteten durchgeführt. Nach der RKGO von 1555 erteilt das Reichskammergericht auf Antrag der obsiegenden Partei ein Executorial 1568, das vom unterliegenden Teil die Einhaltung des Urteilsspruchs fordert.1569 Mit dem Executorial wird dem Unterliegenden eine abschließende Frist, auch Paritionsfrist genannt, gesetzt. Zu dem im Executorial bestimmten Termin hat er vor Gericht zu erscheinen und nachzuweisen, dass er dem Urteil Folge geleistet hat.1570 Einen weiteren Aufschub kann er nicht erlangen. Gehorcht er dem Urteil nicht, kann der obsiegende Teil arctiores executoriales 1571 beantragen. Wendet der Gegner gegen das Urteil Einreden wie beispielsweise Nichtigkeit oder das Erlöschen der Verbindlichkeit ein, muss dies überprüft werden.1572 Auch die obsiegende Partei kann sich hierzu äußern. Werden die Einreden als nicht erheblich bewertet oder reagiert der Unterliegende nicht weiter,
Rotweil Hoffrichter / oder Statthalter / Bekennen hiemit / Demnach N. auff N. guettern hie beuor ein beleüttung außgebracht / vnd von niemandt versprochen /das ihme N. der wegen auff solche Gueter diese Ahnleitung / vnd einstz mit Vrtheil erkendt / in Vrkundt diß brieffs / so mit des Hoffgerichts aussgetrucktem Secret versiegelt / Geben Zinstags N. Anno etc. (NHGO, Part. 2 Tit. 12, fol. 42v f.). 1568 Gebotsbrief, Leistungsbefehl (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sach register, S. 299). 1569 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 48 § 1, S. 264 f. Auch zum Folgenden und darüber hinaus gehend sowie ausführlicher: Dick: Kameralprozess (1981), S. 211 – 215. 1570 Dick: Kameralprozess (1981), S. 211. 1571 Um Achtandrohung verschärfte Executorialien. Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 299. 1572 Dick: Kameralprozess (1981), S. 211.
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erklärt das Reichskammergericht ihn in die Acht.1573 Die Acht hat die Friedlosigkeit des Geächteten im gesamten Reichsgebiet zur Folge,1574 aus der er sich jedoch durch Sühneverhandlungen lösen kann.1575 Sobald der Unterliegende in die Acht erklärt wurde, kann die obsiegende Partei Einweisung in den Besitz des Geächteten verlangen.1576 Wie auch am Hofgericht war für das Reichskammergericht insbesondere die praktische Durchführung des Urteilsvollzugs problematisch. Auch das Reichskammergericht verfügte über keine eigenen Vollstreckungsorgane, sondern musste zunächst den Kaiser und die Stände, später die Territorialobrigkeiten und Reichskreise um Vollstreckung ersuchen.1577 Diese Exekutoren setzen die obsiegende Partei in die Güter des Geächteten ein beziehungsweise gewähren ihm vollständige Befriedigung daraus.1578 Wird die Vollstreckung durch die Obrigkeit abgelehnt, kann sich das Reichskammergericht an den Kaiser wenden.1579 Den Reichskreisen war der Vollzug von Reichskammergerichtsurteilen in Form der ersten Reichsexekutionsordnung, welche einen Bestandteil des Reichsabschieds von 1512 bildete, übertragen worden.1580 Die Reichskreise kamen dieser ihnen auferlegten Aufgabe als Vollstreckungsorgan jedoch – auch mangels vertiefter Vorgaben – zunächst nicht nach, sodass auf dem Reichsabschied von Augsburg 1555 erneut über ihre Rolle im Rahmen der Urteilsexekution verhandelt und im Zuge dessen eine weitere Reichsexekutionsordnung erlassen wurde.1581 In der Folge nahmen die Reichskreise verstärkt ihre Aufgabe als Exekutionsorgan wahr, was allerdings die Schwierigkeiten bei der Vollstreckung reichskammergerichtlicher Urteile aufgrund von religiösen wie auch territorialen Auseinandersetzungen nicht beseitigen konnte.1582 Die mangelnde Wirkung der Acht als Zwangsmittel zur Durchsetzung gerichtlicher Urteile führte dazu, dass das Reichskammergericht sie 1698 zum letzten Mal aussprach.1583
1 573 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 48 §§ 3 und 4, S. 265 f. 1574 Auch die reichskammergerichtliche Acht war in der Praxis jedoch zumeist wirkungslos (Dick: Kameralprozess (1981), S. 212). 1575 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 18, S. 194 f.; Part. 3 Tit. 46 § 2, S. 263; Part. 3 Tit. 48 § 5, S. 266 i. V. m. Part. 3 Tit. 49 § 1, S. 270. 1576 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 48 §§ 5 – 11, S. 266 – 268. 1577 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 48 und Tit. 49, S. 264 – 272. 1578 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 49, S. 268 – 272. 1579 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 49 § 7, S. 271 f. 1580 Mielke: Reichsexekution, HRG Bd. 4 (1990), Sp. 564. 1581 Sellert: Vollstreckung, Vollstreckungsverfahren, HRG Bd. 5 (1998), Sp. 1029; Mielke: Reichsexekution, HRG Bd. 4 (1990), Sp. 564. 1582 Mielke: Reichsexekution, HRG Bd. 4 (1990), Sp. 565. 1583 Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 261 f.
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6. Ergebnis Zunächst ist anzumerken, dass alleine die Zahl der Urteilsvollzüge keinen geeigneten Indikator für die Beurteilung der Effektivität – weder des Reichskammergerichts noch des Rottweiler Hofgerichts – darstellt. So verweist Diestelkamp für das Reichskammergericht darauf, dass allein die Existenz des Gerichtes die zuvor häufig gewaltsamen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Parteien befriedet und kanalisiert habe.1584 Generell ging es den Parteien oftmals gar nicht um die Durchsetzung ihrer Rechtsposi tionen, sondern darum, einen Konsens zu erzielen.1585 Das Urteil war dabei lediglich ein weiterer Schritt auf dem Weg zur friedlichen Beilegung des Konflikts, etwa durch einen Vergleich.1586 Wichtiger als ein vollstreckbares Urteil war für die Obrigkeiten offenbar, die Jurisdiktion des eigenen Gerichts durchzusetzen oder die eines anderen abzuwehren.1587 Für den einzelnen Untertanen dürfte der Gesichtspunkt der Durchsetzbarkeit hingegen stärker ins Gewicht gefallen sein. Weitzel weist jedoch darauf hin, dass man „die anderen Motive nicht unterbewerten“ dürfe und nennt in diesem Zusammenhang das moralische und rechtliche Gewicht der Gerichtsentscheidung.1588 Speziell in Bezug auf das Rottweiler Hofgericht ist anzumerken, dass die NHGO versucht, das in der AHGO festgehaltene Exekutionsverfahren des Hofgerichts, das „geradezu als das für Acht und Anleite zuständige Gericht des Reichs angesehen wurde“ 1589, zu konservieren. Die grundsätzliche Beibehaltung des Exekutionsverfahrens hatte im Zuge dessen eine legitimierende Wirkung für das Hofgericht. Um dem Hofgericht jedoch trotzdem das Antlitz eines modernen und professionellen Gerichts zu geben, wurde dieses Verfahren mit aus dem römischen Recht herrührenden Begriffen und Figuren versehen. An seinem Bedeutungsrückgang konnte dies freilich nichts mehr ändern. Dass das Hofgericht sogar noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit Acht und Anleite operierte, war für viele Zeitgenossen lediglich ein weiteres Zeichen für seinen überkommenen Verfahrensgang.1590
1 584 Diestelkamp: Verwissenschaftlichung (1999), S. 275. 1585 Diestelkamp: Verwissenschaftlichung (1999), S. 263; Diestelkamp: Vom König lichen Hofgericht (1999), S. 209. 1586 Diestelkamp: Rechtsleben (1999), S. 260. 1587 Weitzel: Appellation (1976), S. 9. 1588 Weitzel: Appellation (1976), S. 9 f. 1589 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 41. 1590 Battenberg: Reichsacht (1986), S. 42; Grube: Verfassung (1969), S. 81 f.
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VI. Exemtionsprivilegien und Ehehaften Eines der größten Probleme für das Hofgericht waren die gegen seinen Gerichtszwang erteilten Exemtionen.1591 Das Hofgericht versuchte diesen Befreiungen von seiner Gerichtsbarkeit zum einen mit strengen formellen Anforderungen im Abforderungsverfahren, zum anderen mit den Ehehaften entgegenzuwirken. Diese Themenfelder sind vor Kurzem ausgiebig von Michael Jack behandelt worden 1592 und sollen im Folgenden deshalb nur verhältnismäßig kurz dargestellt werden.
1. Exemtionsprivilegien Im kanonischen Recht wurde unter einer Exemtion die Freistellung bestimmter Personen, Körperschaften und/oder Personenverbände von dem Zuständigkeitsbereich eines ohne Mittel für sie zuständigen Amtsträgers verstanden.1593 In der Frühen Neuzeit wurden all jene vom Jurisdiktionsbereich eines Gerichts exemt, die – wie Meumann es im HRG-Artikel zur Exemtion ausdrückt – „einer eigenen Rechtsgemeinschaft angehörten“.1594 Grundsätzlich musste sich jeder reichsunmittelbare Stand im Einflussbereich des Hofgerichts auf dessen Ladung hin vor dem Gericht rechtfertigen. Die größeren benachbarten Territorien wehrten sich jedoch zum Teil schon seit den Anfängen des Gerichts mit vom König beziehungsweise K aiser erteilten Exemtionsprivilegien 1595 gegen diesen Zwang. In den frühen Jahren des Hofgerichts sind hier insbesondere die aufgrund der Goldenen Bulle von 1356 von der Gerichtsbarkeit befreiten Kurfürsten, Österreich (1156) sowie die Städte Reutlingen (1337), Esslingen (1346), Landau (1349), Heilbronn (1355) und Freiburg im Breisgau (1356) zu nennen.1596 1361 kassierte Kaiser Karl IV . zwar – mit Ausnahme Österreichs und der schwäbischen
1 591 1592 1593 1594 1595
Grube: Verfassung (1969), S. 21. Jack: Ehafte (2012). Meumann: Exemtion, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1451. Meumann: Exemtion, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1451 f. Im 13. Jahrhundert hatten sich viele Fürsten, Herren und Reichsstädte mittels Exem tionsprivilegs zusichern lassen, nur vor dem Reichshofgericht erscheinen zu müssen (Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 76). 1596 Feine: Landgerichte (1948), S. 153; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 46. Speidel gibt hier auch viele Exemtionsprivilegien wieder. Eine umfassendere Aufstellung für das 14. und 15. Jahrhundert findet sich bei Etzold, wobei sich dieser insbesondere auf solche Privilegien bezieht, die nicht generell die Zuständigkeit fremder Gerichte ausschließen, sondern speziell das Hofgericht Rottweil aufführen (Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 6 – 8).
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Reichsstädte – alle gegen das Hofgericht erteilten Exemtionsprivilegien,1597 erteilte im gleichen Jahr jedoch dem am stärksten konkurrierenden Nachbarn Württemberg ein Exemtionsprivileg, welches das Hofgericht empfindlich berührte.1598 Auch weitere Fürsten, Herren und Städte erhielten nach kurzer Zeit 1599 und im Folgenden durch das gesamte 15. Jahrhundert hindurch 1600 wieder umfassende Privilegien, wobei anzumerken ist, dass auch die eximierten Stände häufig in Rottweil prozessierten.1601 Dies brachte Grube auf die Formel: „Wer noch kein Exemtionsprivileg gegen das Hofgericht besaß, besorgte es sich im 16. Jahrhundert.“ 1602 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang unter anderem der Johanniter- und Deutschorden (1529), die Grafen von Castell (1530), die Grafen von Fugger (1530) und die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1541).1603 Im Jahre 1519 schloss Rottweil einen Vertrag mit der Eidgenossenschaft, der die eidgenössischen Territorien von der hofgericht lichen Jurisdiktion eximierte.1604 Eine Aufstellung weiterer Mitte des 17. Jahrhunderts eximierter Stände findet sich bei Grube.1605
1597 Feine: Landgerichte (1948), S. 153; Grube: Verfassung (1969), S. 22; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 47. 1598 Feine: Landgerichte (1948), S. 153; Grube: Verfassung (1969), S. 21; Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 48; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 77. Vertiefend zur Reichweite der Privilegierung Württembergs: Jack: Ehafte (2012), S. 120 – 122. 1599 Zum Beispiel Straßburg (1365), Radolfzell (1372) und Freiburg im Breisgau (1371) (Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 48). 1600 Unter anderem Rottweil selbst (1401), die Grafen von Montfort (1402), Köln (1416), die Grafen von Fürstenberg (1425), Zürich (1427), der Abt und das Konvent des Klos ters von St. Blasien (1433) (Speidel: Hofgericht zu Rottweil (1914), S. 48). 1601 Grube: Verfassung (1969), S. 22. 1602 Grube: Verfassung (1969), S. 41. 1603 Grube: Verfassung (1969), S. 41. Weitere Exemtionsprivilegien bei Wehner (Wehner: Alte und erneuerte Ordnung, S. 79 – 82) und bei von Zimmern (Zimmern: Manuale (1720), S. 69 – 75). Insgesamt zu den Privilegien mit Einteilung in sieben verschiedene Klassen (Kurfürstentümer, Erzherzogtum Österreich, Herzogtümer, Geistlichkeit, Grafen und Freiherren, Reichsstädte und Eidgenossenschaft): Zimmern: Manuale (1720), S. 67 – 75. 1604 Grube: Verfassung (1969), S. 42; Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1836), S. 230. 1 605 Grube: Verfassung (1969), S. 73. Zu nennen sind hier das Herzogtum Württemberg, die Grafen von Fürstenberg, von Hohenzollern, von Hohenems, von Königsegg, von Montfort und von Waldburg, die Freiherrn von Langenstein und von Marbach, der Bischof von Bamberg, die Klöster Salmannsweiler, Schussenried, St. Blasien und Zwiefalten, der Deutschordenskommentur in Altshausen, die Reichsstädte Biberach, Buchhorn, Gengenbach, Lindau, Memmingen, Offenburg, Pfullendorf, Ravensburg, Reutlingen, Straßburg, Überlingen, Ulm, Wangen und Zell am Harmersbach.
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Zu unterscheiden sind die Exemtionsprivilegien schließlich von den privilegia de non evocando und den privilegia de non appellando. Insbesondere die zuerst genannten sind nicht leicht von den Exemtionen abzugrenzen. Die privilegia de non evocando sollten davor s chützen, dass der Herrscher sein Evokationsrecht, das heißt sein Recht, sich von Territorialgerichten Prozesse an das Reichshofgericht beziehungsweise andere königliche oder kaiserliche Gerichte wie eben das Hofgericht Rottweil verweisen zu lassen, geltend machte.1606 Die Eximierten wollten mit den Privilegien sich und ihre Untertanen davor schützen, bereits in erster Instanz an ein fremdes Gericht geladen zu werden. Parallel zu den privilegia de non evocando versuchten die Territorialherren auch mit den privilegia de non appellando ihre eigenen Gerichtsbarkeiten zu schützen. Danach durfte gegen landesherrliche Gerichtsurteile ebenfalls nur an Gerichte dieses Territoriums appelliert werden.1607 Eisenhardt weist darauf hin, dass gelegentlich privilegia de non evocando und Exemtionsprivilegien zusammen erteilt worden seien.1608
2. Abforderungsverfahren Die NHGO schreibt den privilegierten Reichsständen und ihren Untertanen folgendes Abforderungsverfahren vor:1609 Fürsten, Grafen, Herren, Städte oder andere, die sich im Einzugsbereich des Hofgerichts befinden und im Allgemeinen oder Besonderen von Römischen Kaisern oder Königen von der Zuständigkeit des Hofgerichts durch ein Exemtionsprivileg befreit wurden, können sich selbst oder ihre Untertanen bei Ladung auf das Hofgericht an ein anderes Gericht remittieren 1610 lassen. Dieses Ersuchen um Verweisung, das heißt die Abforderung, muss vor Gericht geschehen. Dazu muss der Geladene nicht in Person erscheinen, sondern kann auch einen Vertreter schicken. Das Exemtionsprivileg ist im Original oder in einem vom Hofgericht ausgestellten Vidimus vorzulegen. Stammt es von einem Vorgänger des zur Zeit der Ladung vor das Gericht regierenden Kaisers beziehungsweise Königs, braucht der Geladene eine Bestätigung des aktuellen Kaisers respektive Königs. Damit der Klaeger / so alßdann die sachen geweist werden / wissen kuende / wie / und welcher massen er seinem rechten nachkommen moege, muss das Exemtionsprivileg im angesetzten Termin verlesen werden.1611 Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass die Befreiung beziehungsweise der beglaubigte Vidimus schon einmal im Rahmen eines Hofgerichts vorgebracht und dem Gericht überlassen oder im Gerichtsbuch 1 606 Eisenhardt: Jus evocandi, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1463. 1607 Eisenhardt: Jus evocandi, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1464. 1608 Eisenhardt: Jus evocandi, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1463. 1609 Zum Folgenden: NHGO, Part. 2 Tit. 4, fol. 32v–34r. 1610 Verweisen. 1611 NHGO, Part. 2 Tit. 4, fol. 33r.
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verzeichnet wurden.1612 Die Kurfürsten sind von diesen Regelungen ausgenommen, da ihre Privilegien dem Gericht aufgrund der Goldenen Bulle von 1356 bekannt waren. Es reichte somit aus, dass die Kurfürsten sich selbst oder ihre Untertanen mit einem besiegelten Brief abforderten.1613 Hält sich der Beklagte nicht an die zuvor genannten Voraussetzungen, wird er nicht remittiert, sondern der Prozess vor dem Hofgericht fortgeführt. Die NHGO unterscheidet im Weiteren z wischen dem Szenario, dass der Kläger dem Begehren nach Remission nicht widerspricht, und dem Szenario, in dem er das Begehren ablehnt. Erscheint in der ersten Situation der Anwalt des Beklagten vor Gericht, begehrt mittels schriftlicher Abforderung die Verweisung und widerspricht der Anwalt des Klägers diesem Begehren nicht, muss die Sache unverzüglich an das zuständige Gericht verwiesen werden. Das Gericht, an das die Sache verwiesen wird, muss in einer bestimmten, im Privileg festgesetzten Zeit 1614 dem Kläger die Möglichkeit zum Rechtsstreit eröffnen. Lehnt der Anwalt des Klägers in der zweiten Situation jedoch das Abforderungsbegehren des Beklagten ab und gibt Gründe an, warum das Privileg nicht greift, hat das Gericht über die Remission auf Grundlage der in NHGO Part. 2 Tit. 5 genannten Ehehaften zu entscheiden. Die Remission erfolgt durch Urteil. Nach der AHGO soll dem Beklagten im Fall eines das Remissionsbegehren positiv bescheidenden Urteils aufgegeben werden, dem Kläger sicheres Geleit zur neuen Gerichtsstätte zu garantieren sowie hierüber einen Geleitsbrief zu erteilen.1615 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die NHGO mit Blick auf das Abforderungsverfahren an die in der AHGO hierzu gemachten Vorschriften hält, sie jedoch in einen neuen, dem heutigen Juristen systematischer anmutenden Zusammenhang bringt.
3. Ehehaften Mit dem Rottweiler Hofgericht untrennbar verbunden ist der Begriff der Ehehaft. Die Ehehaften sollten neben den strengen Vorgaben des Abforderungsverfahrens ein weiteres Mittel gegen die ständig wachsende Zahl der Exemtionen, also der Befreiungen vom Rottweiler Gerichtszwang, bilden. 1 612 NHGO, Part. 2 Tit. 4, fol. 33r. 1613 NHGO, Part. 2 Tit. 4, fol. 33r f. 1614 War im Privileg keine bestimmte Frist angegeben, in welcher d ieses Gericht dem Kläger sein Recht zu gewähren hatte, wurde im Urteil eine Frist von sechs Wochen und drei Tagen anberaumt. Die Frist begann in dem Moment zu laufen, in welchem der Kläger vor dem nun zuständigen Gericht sein Recht forderte (AHGO, Part. 3 Tit. 3, S. 327 f.). Siehe auch Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 60. 1615 AHGO, Part. 3 Tit. 3, S. 326 f.
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Der Begriff Ehaft ist bedeutungsreich und wurde infolgedessen in unterschied lichen Bedeutungszusammenhängen verwendet. Werkmüller nennt im HRG-Eintrag zu Ehaft unter anderem die ehaft not im Sinne von echter Not, darüber hinaus Bedeutungen wie „gesetzlich“, „rechtlich“, „richtig“, „berechtigt“, „vorschriftsmäßig“, „rechtsgültig“ und „rechtskräftig“.1616 Der Begriff wurde jedoch vorwiegend im Kontext von Entschuldigungsgründen, insbesondere für die Säumnis verwendet.1617 Erst im Privileg Maximilians I. von 14961618 respektive in der darauf folgenden NHGO wird der Begriff Ehehaft für Sachverhalte benutzt, in denen eine Sache trotz Exemtionsprivileg nicht verwiesen wird.1619 Das Rottweiler Hofgericht war nicht das einzige Gericht, das sich mit den Ehehaften gegen die Befreiungen von seiner Gerichtsbarkeit zur Wehr setzte. Weitzel weist darauf hin, dass in den durch die habsburgischen K aiser neu erlassenen Gerichtsordnungen des Landgerichts in Schwaben „fast noch stärker als in Rottweil“ mit Ehehaften gearbeitet worden sei.1620 Nach Fischers Ansicht orientierte sich das Landgericht, an dem erstmals 1516 das Wort Ehehaft auftauchte, allerdings an der in Rottweil schon wesentlich früher bestehenden Praxis.1621 Über die Ehehaften des Hofgerichts Rottweil vor dem Reichskammergericht hat Michael Jack 2012 eine systematisierende Arbeit abgeliefert. Jack teilt dabei die Ehehaften in sechs unterschiedliche Kategorien ein: Geächtete und Gebannte, (faktische) Prorogation durch Vertragsklauseln, Rechtsverweigerung und Vollstreckungssachen, Landfriedenssachen/Kriminalität, einzelne Sonderkompetenzen des Reichs und des Hofgerichts und schließlich Angelegenheiten des Hofgerichts. Diese sechs großen Kategorien unterteilt Jack wiederum in Unterkategorien. 1622
1616 Werkmüller: Ehaft, HRG Bd. 1 (2008), Sp. 1191. Thudichum definiert die Ehehaften als „im Recht (Ewa, Ee) begründete Ausnahmefälle“ (Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 80). 1617 Jack: Ehafte (2012), S. 25. 1618 Abgedruckt bei Goldast von Haiminsfeld: Reichssatzung (1609), S. 206 – 209. 1619 NHGO, Part. 2 Tit. 5, fol. 34r–40r. Ausführlicher zur Verwendung der Begriffs in der AHGO: Jack: Ehafte (2012), S. 26 – 28. 1620 Weitzel: Appellation (1976), S. 70. 1621 Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 274. 1622 „1. Geächtete und Gebannte: a) ‚Grundtatbestand‘, b) Loslösung aus der Acht durch Stellungsversprechen, c) Ächterhausung, d) Vollstreckungshilfe für geistliche Gerichte/ Supplicatoria; 2. (Faktische) Prorogation durch Vertragsklauseln: a) Renunziation / insbes. bei Juden als Kläger, b) Gelübdt (Treu und Glauben); 3. Rechtsverweigerung und Vollstreckungssachen: a) Rechtsverweigerung nach Remission, b) Erfolgt und erlangt Recht / Vollstreckungssachen, c) Verweigerung der Zwangsvollstreckung, d) Abforderung nach Schuldanerkenntnis, e) Allgemeine Rechtsverweigerung / Versagt und verzogen Recht, f ) Beleutung (gegen Unbekannt); 4. Landfriedenssachen / Kriminalität: a) Ehrsachen / fürbott und verkündung, b) Totschlag und Straßenraub / Landfriedensbruch,
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In der NHGO sind die Ehehaftstatbestände allesamt in Part. 2 Tit. 5 geregelt. Im Gegensatz zu den an verschiedenen Stellen der AHGO behandelten Ehehaftsfällen 1623 vermittelt die NHGO für den heutigen Leser einen viel übersichtlicheren und strukturierteren Aufbau. Wie schon erwähnt, waren bereits vor Erstellung der NHGO die Ehehaftsfälle in einem Privileg Kaiser Maximilians I. vom 13. Juni 1496 zusammengestellt worden. Neben den in der AHGO zu findenden Ehehaften finden sich in diesem Privileg auch neue Ehehaftstatbestände. Wie Jack betont, lässt sich jedoch nicht feststellen, ob diese erst durch das Privileg eingeführt wurden oder ob das Privileg hier lediglich Gewohnheitsrecht schriftlich fixierte.1624 Der Auffassung Otterstedts 1625, dass das Hofgericht daneben Ehehaften auf einen mit dem Herzogtum Württemberg geschlossenen Vertrag gestützt habe, steht Jack skeptisch gegenüber. Schließlich habe der Vertrag nur z wischen den beiden Vertragsparteien gegolten und keine darüber hinausgehende Wirkung gehabt.1626 Um den Ehehaften eine größere Wirksamkeit und Akzeptanz zu verschaffen, hatte sich das Rottweiler Gericht auch nach 1496 seine Ehehaften vom K aiser konfirmieren lassen. Das erste dieser Privilegien erteilte Kaiser Maximilian II. kurz nach dem Inkrafttreten der NHGO am 18. November 1572.1627 Dieses Privileg unterscheidet sich kaum von der Aufzählung der Ehehaften in der NHGO. Wie auch Jack herausstellt, wird im Privileg zur Rechtsfertigung jedoch viel stärker Bezug auf ihr altes Herkommen 1628 genommen, während in der NHGO ihre kaiserliche Provenienz hervorgehoben wird, um ihnen damit die notwendige Legitimation zu verschaffen.1629 Weitere Konfirma tionen – sowohl der NHGO als auch der darin statuierten Ehehaften – erfolgten 1591
c) Gewaltsame, d) Spolium (und Entsetzung); 5. Einzelne Sonderkompetenzen des Reichs und des Hofgerichts: a) Dienstaufsicht über andere Landgerichte als Ehaft?, b) Juden als Beklagte, c) Das Hofgericht als Konservator von Privilegien, d) Erbsachen von Adeligen; 6. Angelegenheiten des Hofgerichts: a) Fiskalsachen, b) Gerichtskosten und Löhne, c) Störung des Hofgerichts“ ( Jack: Ehafte (2012), S. 3 f.). 1623 Für die später – insbesondere in der NHGO – sogenannten Ehehaftsfälle gibt es in der AHGO noch keinen übergreifenden Begriff. Sie sind jedoch an der Rechtsfolge, nämlich dass der Betroffene nicht remittiert (nit nach frihait sag gewiset) wird, beziehungsweise daran zu erkennen, dass bei ihrem Eintreten verkündet wird (Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 64; Jack: Ehafte (2012), S. 27 und S. 75). Zu weiteren Ehehaften in der AHGO: Jack: Ehafte (2012), S. 28, S. 34 f., S. 58 f. und S. 64 f. 1624 Jack: Ehafte (2012), S. 30. 1625 Otterstedt: Dissertatio (1666), Caput III, Thesis IV. 1626 Jack: Ehafte (2012), S. 30 f. 1627 Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Gratialserie des Reichshofrats, Confirmationes Privilegiorum 182. 1628 Näher zum vielschichtigen Begriff des Herkommens: Oestmann: Rechtsvielfalt (2002), S. 37 – 39, S. 113 – 119 und S. 228 f. 1629 Jack: Ehafte (2012), S. 111 f.
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durch K aiser Rudolf II., 1613 durch K aiser Matthias, 1620 durch K aiser Ferdinand II. und 1637 durch K aiser Ferdinand III.1630 Der Streitpunkt Rottweiler Zuständigkeit – Exemtionsprivilegien – Ehehaften konnte in unterschiedlichen Konstellationen vor dem Reichskammergericht als Entscheidungsinstanz verhandelt werden. Jack verweist hierbei auf insgesamt vier Mög lichkeiten. Der betroffene Privilegierte konnte zum einen gegen die Nichtverweisung der Sache trotz entsprechenden Antrags an das Reichskammergericht appellieren. Diese Gruppe bildet die umfangreichste der vier Gruppen.1631 Darüber hinaus hatten die Betroffenen die Möglichkeit, gegen Hofrichter und Urteilsprecher aufgrund der Verweigerung der Remission aus dem Exemtionsprivileg auf eine Privilegienstrafe zu klagen.1632 Zudem konnte vor dem Reichskammergericht auch im Wege der Appellation darauf geklagt werden, die Rottweiler Zuständigkeit aufrechtzuerhalten.1633 Viertens gab es – vor allem in der späteren Zeit des Hofgerichts – am Hofgericht obsiegende Parteien, die vor dem Reichskammergericht gegen die Blockierung des Urteilsvollzugs durch die Obrigkeiten der unterliegenden Partei klagten.1634 Jacks Untersuchungen geben Aufschluss darüber, auf welche Ehehaften sich das Hofgericht bei Verweigerung von Remissionen am häufigsten stützte. In etwa einem Drittel der Verfahren mit Ehehaftsbezug leitete das Gericht seine Zuständigkeit aus Gerichtsstandsvereinbarungen (Prorogationen) in Vertragsurkunden her. In einem weiteren Drittel bezog sich das Hofgericht auf Ehehaften, die „im weitesten Sinne unerlaubte Handlungen“, das heißt den Landfrieden thematisierten. Am dritthäufigsten rechtfertigte das Hofgericht ein Tätigwerden aus seiner Kompetenz für Injuriensachen. In Höhe eines Anteils von circa 10 Prozent zog das Rottweiler Hofgericht aus der Rechtsverweigerung beziehungsweise Rechtsverzögerung seine Kompetenz.1635 Speziell an diesem zuletzt genannten Punkt zeigt sich, dass für die Rottweiler – natürlich insbesondere unter Gebührengesichtspunkten – jeder am Hofgericht verhandelte Prozess zählte. Der Streit um die Zuständigkeit des Hofgerichts und damit verbunden um Exemtionsprivilegien und Ehehaften als Prozessvoraussetzung blockierte bereits im 15. Jahrhundert viele Prozesse.1636 Mitte des 16. Jahrhunderts, als die Zahl der
1630 Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Gratialserie des Reichshofrats, Confirmationes Privilegiorum 182. 1631 Jack berichtet, dass solche Appellationen vor allem ab 1650 extrem zunahmen und nahezu drei Viertel der Rottweiler Reichskammergerichtsverfahren ausmachten ( Jack: Ehafte (2012), S. 89). 1632 Jack: Ehafte (2012), S. 89. 1633 Jack: Ehafte (2012), S. 89. 1634 Jack: Ehafte (2012), S. 89. 1635 Zum gesamten Komplex: Jack: Ehafte (2012), S. 75 f. 1636 Grube verweist diesbezüglich insbesondere auf Prozesse gegen Frankfurter und Kölner Bürger (Grube: Verfassung (1969), S. 29).
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xemtionsprivilegien abermals massiv in die Höhe gegangen war, versuchten die E Rottweiler, durch „eine Beweiserhebung über die Hofgerichtsbarkeit“ ein für alle Mal die Zuständigkeit des Hofgerichts zu manifestieren.1637 Urteilsprecher und Gerichts bedienstete wurden hierfür auf dem Rottweiler Rathaus über das Gründungsprivileg, den Rottweiler Sprengel und die Ehehaften vernommen.1638 Es verwundert nicht, dass die Beweiserhebung für Rottweil günstig verlief, bestätigten doch sämtliche Vernommene die lange Tradition des Rottweiler Wirkungsbereichs und der Anwendung der Ehehaften.1639 Ab Ende des 16. Jahrhunderts konnte das Hofgericht seine Zuständigkeit in den meisten Fällen nur noch auf Ehehaften stützen.1640
4. Verhältnis Exemtionsprivilegien – Ehehaften In seiner Arbeit beschäftigt sich Jack eingehend mit dem Verhältnis zwischen Exemtionsprivilegien und Ehehaften. Er geht davon aus, dass die in der NHGO verankerten Ehehaften keine höhere Stellung als die einzelnen Privilegien der exemten Stände hatten,1641 und legt die hieraus folgenden Argumentationswege der Parteien dar. Zum einen beriefen sich die Parteien auf den Grundsatz, dass das jeweils ältere Recht – in diesem Zusammenhang das jeweils ältere Privileg 1642 – den Vorrang vor dem jüngeren genieße.1643 Als weiteres Argumentationsmuster nennt Jack die Ersitzung beziehungsweise Verjährung entgegenstehender Rechte nach dem Vorbild der praescriptio 1644 sowie systematische Erwägungen 1645. Als durchschlagende und insbesondere auch vom Reichskammergericht anerkannte Argumentation führt Jack schließlich mit Blick auf die Privilegien den Speziali tätsgrundsatz an. Hierauf hatte auch schon Grube – jedoch nur kurz und sehr 1 637 Grube: Verfassung (1969), S. 41. 1638 HStASt B203 Bü 23. 1639 Grube: Verfassung (1969), S. 41 f. 1640 Grube: Verfassung (1969), S. 76 f. 1641 Jack: Ehafte (2012), S. 97 und S. 129. Jack lässt zwar die Rechtsnatur der NHGO letztendlich offen, legt jedoch dar, dass „es […] vielmehr sachgerecht [erscheint], den Geltungskonflikt zwischen den Exemtionen der Stände und den Ehaften des Hofgerichts als Geltungskonflikt zwischen kollidierenden, normhierarchisch gleichrangigen Privilegierungen aufzufassen“. ( Jack: Ehafte (2012), S. 96). Generell zur Problematik der NHGO als lex superior: Jack: Ehafte (2012), S. 92 – 97. 1642 In diesem Zusammenhang ist neben der NHGO insbesondere das Privileg K aiser Maximilians I. vom 17. Juni 1496 zugunsten Rottweils zu beachten, welches eine explizite Aufzählung der einzelnen Ehehaften enthielt. 1643 Ausführlicher hierzu: Jack: Ehafte (2012), S. 98 – 112 und S. 129. 1644 Dazu Jack: Ehafte (2012), S. 112 – 115 und S. 130. 1645 Jack: Ehafte (2012), S. 122 und S. 130.
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generell – verwiesen.1646 Jack arbeitet hingegen ein ausdifferenzierteres, diesem Spezialitätsgrundsatz zugrunde liegendes System heraus. Danach ergaben sich mit Blick auf die Spezialität folgende Abstufungen: Grundsätzlich war das Hofgericht in seinem durch die NHGO bestimmten Wirkungsbereich zuständig. Gegen diese Zuständigkeit konnten die Stände Spezialregelungen in Form von Exemtionsprivilegien erwirken. Die Ehehaften des Hofgerichts waren jedoch wiederum gegenüber solch generell gehaltenen Exemtionen spezieller. Schließlich konnten sich die Stände spezielle gegen die Ehehaften gerichtete Exemtionen vom Kaiser erteilen lassen. Die Ehehaften mussten jedoch in diesen speziellen Exem tionsprivilegien explizit genannt sein.1647 Eine Privilegierung gegen die Rottweiler Ehehaften war also grundsätzlich möglich, jedoch reichte es nicht aus, dass das Hofgericht generell in der Privilegierung genannt war.1648 Vielmehr mussten die Rottweiler Ehehaften ausdrücklich genannt sein.1649
VII. Appellation an das Reichskammergericht In der NHGO wird die Appellationsmöglichkeit an das Reichskammergericht zum ersten Mal schriftlich fixiert.1650 So besagt die Ordnung, dass Parteien, die sich durch ein End- oder ein Beiurteil mit der Wirkung eines Endurteils beschwert fühlen, incontinenti, und in fueßstapffen mündlich / oder aber innerhalb zehen tagen / von zeit der außgesprochnen vrtheyl anzurechnen / vor einem Notarien, vnd zweyen gezeugen / fur / vnd an das Keyserlich Chammergericht zu Speyer appelliern, vnd sich berüffen.1651 Bei einfachen Beiurteilen, welche nicht die Wirkung eines Endurteils haben, sollen in das Appellationsdokument sämtliche grauamina vnd beschwer den des Appellierenden aufgenommen werden.1652 Sobald diese Formvorgaben 1 646 Grube: Verfassung (1969), S. 66. 1647 Jack: Ehafte (2012), S. 120. Jack nimmt von dieser letzten Stufe jedoch die Sonderzuständigkeit aufgrund Rechtsverweigerung aus. Insgesamt zum Spezialitätsgrundsatz: Jack: Ehafte (2012), S. 116 – 122 und S. 130 f. 1648 So noch Grube (Grube: Verfassung (1969), S. 66). 1649 Jack: Ehafte (2012), S. 117 f.; Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 107; Zimmern: Manuale (1720), S. 93. Nach von Zimmern soll damit manifestiert werden, dass die Befreiung von den Rottweiler Ehehaften durch den Kaiser eine bewusste Entscheidung gewesen sei. 1650 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53r f. 1651 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53r f. Zur Möglichkeit, die Appellation vor einem Notar einzulegen: Zerbes: Wirkung (2012), S. 98. 1652 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53v; Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 184. Schildt weist im Übrigen darauf hin, dass zum Teil durch Gesetz oder Gerichtsgebrauch gerichtliche Maßnahmen beziehungsweise Entscheidungen für inappellabel erklärt
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b eachtet und die Appellation dem Hofrichter und den Urteilsprechern bekannt gegeben worden ist, hat das Hofgericht – selbst wenn das Reichskammergericht keine Inhibition 1653 erlassen hat – in der Sache nicht weiter zu verfahren, sondern die Prozessakten auch ohne Compulsorial 1654 gegen eine Gebühr der appellierenden Partei auszuhändigen.1655 Bei Beiurteilen, so nit vim diffinitiuae haben, soll es dem Hofrichter und den Beisitzern jedoch unbenommen sein, in der Sache fortzufahren, solange das Reichskammergericht noch keine Inhibition erlassen hat.1656 Wehner betont in seiner Kommentierung, dass gerade gegen Urteile, die die Zuständigkeit des Hofgerichts betreffen, die Appellation an das Reichskammergericht zulässig sei.1657 In Bezug auf Fälle von Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung oder fehlerhafter Besetzung des Hofgerichts merken Wehner und von Zimmern an, dass allein der Reichshofrat für die Appellation zuständig sei.1658 Diese Vorschriften finden in den Ausführungen der RKGO von 1555 zur Appellation eine Ergänzung.1659 Danach muss die appellierende Partei die Appellation formgerecht worden waren. Jedoch sei in d iesem Bereich auch vieles umstritten gewesen (Schildt: Rechtsmittelinstanz (2013), S. 68). 1653 „Kammergerichtlicher Befehl an jemanden, dass er aufhöre, eine Handlung, w elche er angefangen hat, fortzusetzen. Er ergeht sowohl in Sachen simplicis querelae als auch in Appellationssachen“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 303). Vertiefend zur Inhibition auch: Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 183. 1654 „Zwangsbrief. Befehl, der dem säumigen Unterrichter aufgibt, die Edition der Akten für das Appellationsverfahren zu beschleunigen. Ein Compulsorial kann auch gegen dritte Personen ergehen, wenn sie bei ihnen befindliche Akten nicht herausgeben“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 296). Zu den Zwangsbriefen auch Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 134, S. 416 – 418. 1655 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53v. Otterstedt: Dissertatio (1666), Caput IV Thesis IV. Nach Kreuter (Kreuter: Dissertatio (1780), S. 40) hat das Reichskammergericht in späteren Zeiten jedoch stets Inhibitionen erlassen. 1656 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53v. 1657 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 184. 1658 Grube: Verfassung (1969), S. 68; Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 4 f. und S. 181; Zimmern: Manuale (1720), S. 292 – 296. Harpprecht spricht sich allerdings gegen die Einhaltung einer solch strikten Praxis aus. So seien auch in Fällen der Rechtsverweigerung und -verzögerung sowie bei fehlerhafter Besetzung des Hofgerichts Appellationen an das Reichskammergericht gegangen. Davon zeuge „die grosse Menge der Acten, w elche von dem Rothweilischen Hof=Gericht an das Kaiserl. Cammer=Gericht in dergleichen Fällen vor Alters gelanget seynd“ (Harpprecht: Staats-Archiv Bd. 5 (1767), S. 28). Zu Appellationen gegen Hofgerichtsurteile an den Reichshofrat: Gschliesser: Reichshofrat (1942), S. 36; Kreuter: Dissertatio (1780), S. 40; Otterstedt: Dissertatio (1666), Caput IV Thesis V. Näher zum Appella tionsverfahren am Reichshofrat: Sellert: Aspekte (2013), S. 104 – 112. 1659 Insgesamt zu den Voraussetzungen der Appellation jüngst Schildt: Rechtsmittel instanz (2013), S. 68 – 72.
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einlegen, es dürfen keine Appellationsprivilegien entgegenstehen und schließlich muss die Appellationssumme erreicht werden. Formgerecht heißt in d iesem Zusammenhang, dass die Appellation gradatim, also stufenweise, erfolgen muss.1660 Die Zuständigkeit des Reichskammergerichts umfasst dabei Appellationen Reichsmittelbarer von Hof- und Landgerichten sowie den höchsten Gerichten der Territorial herrscher und Appellationen Reichsunmittelbarer von den Austrägalgerichten.1661 Oftmals standen der Anrufung des Reichskammergerichts – insbesondere mit Blick auf die höchsten Territorialgerichte – Appellationsprivilegien 1662 wie beispielsweise eine erhöhte Appellationssumme, die Exkludierung gewisser Streitsachen oder die Voraussetzung eines speziellen Kalumnieneids entgegen.1663 Zudem konnten die Parteien auf die Appellation freiwillig verzichten.1664 Schließlich muss nach der RKGO von 1555 eine gewisse Appellationssumme erreicht werden, wobei sich diese nicht nach dem Streitgegenstand, sondern der Beschwer des Appellanten richtete.1665 Die Ordnung geht diesbezüglich noch von 50 Gulden aus,1666 der für die NHGO maßgebliche Reichsabschied von 1570 setzt sie jedoch bei 150 Gulden fest.1667 Einem Rottweiler Ansuchen, die Summe auf 500 bis 600 Gulden anzuheben, wurde nicht nachgekommen.1668 Zweifelt der Unterrichter am Erreichen der Appellationssumme, muss der Appellant einen Kalumnieneid schwören, dass er lieber 50 Gulden verliere als dass er nicht appellieren könne.1669 Auf diese Weise wollte man einem Missbrauch des Rechtsmittels vorbeugen. Die Appellation war demnach gegen Endurteile und Beiurteile mit der Wirkung von Endurteilen zulässig.1670 Um die NHGO -Vorschriften zur Appellation besser verstehen zu können, ist es wichtig, wie Dick betont, zwischen der Einlegung und
1 660 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 29 § 1, S. 207. 1661 Dick: Kameralprozess (1981), S. 68 f. 1662 Näheres zu den Appellationsprivilegien im Gebiet des Schwäbischen Kreises: Laufs: Kreis (1971), S. 204. 1663 Dick: Kameralprozess (1981), S. 69; Stölzel: Entwicklung Bd. 2 (1910), S. 137 ff., S. 162 und S. 164 f. 1664 Dick: Kameralprozess (1981); Weitzel: Appellation (1976), S. 249. 1665 Schildt: Rechtsmittelinstanz (2013), S. 69. 1666 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 28 § 4, S. 205 f. 1667 Reichsabschied von 1570, § 66. Nachdem die Summe im Jahre 1600 auf 300 Gulden erhöht worden war, setzt der Jüngste Reichsabschied von 1654 sie schließlich bei 400 Reichstalern beziehungsweise 600 Gulden fest ( Jüngster Reichsabschied von 1654, § 112). Hierzu auch Perels: Appellationsprivilegien (1908), S. 3 Fn. 1; Pütter: Historische Entwickelung Bd. 2 (1798), S. 221 Fn. s; Schildt: Rechtsmittelinstanz (2013), S. 69; Sellert: Aspekte (2013), S. 106. 1668 HStASt C1 Bü 194 fol. 247. 1669 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 28 § 4, S. 206. 1670 Dick: Kameralprozess (1981), S. 199.
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dem Anhängigmachen der Appellation zu unterscheiden. Gleichlaufend zur NHGO schreibt auch die RKGO von 1555 für die Einlegung der Appellation eine Notfrist von zehn Tagen vor.1671 Die appellierende Partei legt die Appellation beim Unterrichter, dem judex a quo, ein. Indem der Appellant die Appellation reproduziert, macht er sie – sofern die Appellation am Reichskammergericht angenommen worden ist – dort anhängig.1672 Bei Endurteilen und Beiurteilen, welche die Wirkung eines Endurteils haben, kann nach der RKGO von 1555 die Appellation entweder schriftlich ex inter vallo oder mündlich in continenti 1673 im Anschluss an die Urteilsverkündung eingelegt werden.1674 Übereinstimmend mit der NHGO schreibt auch die RKGO von 1555 vor, dass bei Beiurteilen ohne die Wirkung von Endurteilen die Appellation ledig lich schriftlich sowie stets mit anzeygung der ursach der beschwerden erfolgen soll.1675 Ferner kann bei einem Notar in Anwesenheit zweier Zeugen gegen das Urteil appelliert werden. Der Notar hat die Einlegung dem Unterrichter anzuzeigen; erst dann läuft die Frist zur Anhängigmachung.1676 Das Untergericht nimmt die Appellation entweder an oder es weist sie wegen offenkundiger Mängel als unstatthaft zurück.1677 Weist der Unterrichter zurück, kann der Appellant Beschwerde beim Reichskammergericht, dem judex ad quem, einlegen.1678 Nimmt der Unterrichter hingegen die Appellation an, setzt er dem Appellanten eine Frist von einem bis zu sechs Monaten, um die Appellation am Reichskammergericht anhängig zu machen.1679 Das Anhängigmachen hemmt dabei den Urteilsvollzug.1680 In dieser Frist kann der Appellant auch die Ausstellung sogenannter Apostelbriefe 1681 verlangen, mit denen der Unterrichter
1671 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 29 § 2, S. 207. Die RKGO von 1555 betont diesbezüglich, dass es unverzichtbar sei, dass das Untergericht den tag des monats und stundt außge sprochner urtheyl in den Akten vermerkt (RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31 § 5, S. 212). 1672 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 30 § 1, S. 209. 1673 Gegen welches Urteil er appelliert und dass die Appellationssumme erreicht ist, muss der Appellant bei der mündlichen Einlegung erst vorbringen, wenn er die Appellation am Reichskammergericht anhängig macht und auf Ladung vorträgt (Dick: Kameralprozess (1981), S. 200). 1674 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 29 § 3, S. 208. 1675 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 29 § 4, S. 208. Es muss also die materielle Beschwer dargelegt werden. So wird dem Unterrichter ermöglicht, der Beschwer unter Umständen selbst abzuhelfen (Dick: Kameralprozess (1981), S. 200; Wetzell: System (1861), S. 564). 1676 Vertiefend hierzu: RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 29 § 5, S. 208. 1677 Dick: Kameralprozess (1981), S. 201; Wetzell: System (1861), S. 569. 1678 Dick: Kameralprozess (1981), S. 201. 1679 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 30 §§ 1 – 4, S. 209 f. 1680 Dick: Kameralprozess (1981), S. 201. 1681 Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 292. Hinsichtlich dieser Apostelbriefe wurde z wischen apostoli refutatorii und apostoli reverentiales unterschieden.
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dem Oberrichter den ordnungsgemäßen Abschluss der vorherigen Instanz bestätigt.1682 Falls der Appellant diese Apostelbriefe beantragt, hat er sie zusammen mit den Prozessakten und dem Nachweis, dass er die weiteren Appellationsformalien eingehalten habe, beim Reichskammergericht einzureichen. 1683 Der Appellant hat das Untergericht innerhalb von 30 Tagen nach Annahme der Appellation um die Zusammenstellung und Aushändigung der Akten zu ersuchen.1684 In diesem Zusammenhang wird in der RKGO ausdrücklich betont, dass allenthalben dan den fürstenhöffen und andern commun-gerichten in schriften gehandelt oder das mündlich fürtragen jederzeyt eygentlich uffgeschrieben werde, um hierdurch das Appellationsverfahren zu erleichtern.1685 In dieser Vorschrift ist einer der maßgeb lichen Gründe für die Verschriftlichung des Verfahrens an den Untergerichten zu sehen. Der Akteninhalt – insbesondere Klage, Antwort, Aussagen der Zeugen, Vollmachten etc. – wird sodann gegen eine Gebühr, für w elche vorab Sicherheit zu leisten ist, kopiert.1686 Um dem Obergericht die nachherige Taxation zu erleichtern, vermerken die Kanzleibeamten die Kosten auf der kopierten Akte.1687 Kommt das Untergericht dem Ersuchen um Zusammenstellung der Akten nicht unverzüglich nach, kann der Appellant beim Reichskammergericht sogenannte Kompulsoriale beantragen. Mit diesen Zwangsbriefen hält das Reichskammergericht das jeweilige Untergericht dazu an, die Akten so zügig wie möglich zusammenzustellen 1688, bei Untätigkeit droht es ein Ordnungsgeld an.1689 Darüber hinaus trägt es die Kosten, welche aufgrund der Verzögerung entstanden sind.1690 Der Appellant hat die Kompulsoriale zusammen mit der Ladung zu beantragen, jedoch spätestens bis zum angesetzten Termin.1691 Auf das Ladungsersuchen des Appellanten hin prüft das Reichskammergericht summarisch die Zulässigkeit der Appellation. Ist sie offensichtlich aussichtslos, findet kein neuer Prozess statt.1692 Unter den apostoli refutatorii wurden „negative Apostelbriefe, in denen der Unterrichter die in der Appellation vorgebrachte Beschwer als unerheblich widerlegt“ verstanden. Im Gegensatz hierzu „stellt der Unterrichter dem Oberrichter [durch die apostoli reve rentiales] anheim, ob die Appellation statthaft sei“. Zu allem: Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 292. 1682 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 30 §§ 1 und 2, S. 209. 1683 Dick: Kameralprozess (1981), S. 202; Jüngster Reichsabschied von 1654, § 60. 1684 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31 § 1, S. 211. 1685 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31 § 2, S. 211. 1686 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31 § 1, § 5, § 6 und § 10, S. 211 – 214. 1687 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31 § 8, S. 213. 1688 Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 296. 1689 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31 § 12, S. 214. 1690 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31 § 12, S. 214. 1691 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 31 § 11, S. 214. 1692 Dick: Kameralprozess (1981), S. 203 m. w. N.
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1. Suspensiv- und Devolutiveffekt Die Suspensivwirkungen der Appellation sind umfangreicher als im heutigen Prozessrecht. Wetzell beschreibt sie folgendermaßen: „Der Suspensiv=Effekt bedeutet aber mehr; er nöthigt sowohl den Richter, als die Parteien, den bisherigen Stand der Sache beizubehalten, oder was dasselbe ist, sich jeder Neuerung zu enthalten.“ 1693 Während die RKGO von 1555 mit Blick auf den Suspensiveffekt noch nicht zwischen den Interlokuten unterscheidet, sondern erst der Reichsabschied von 1594 statuiert, dass bei einfachen Interlokuten – sofern die Vollstreckung nicht zu einem nicht wiedergutzumachenden Schaden führt – der Suspensiveffekt entfällt, findet diese der Prozessbeschleunigung dienende Regelung bereits in der NHGO Berücksichtigung. Danach soll bei beyurtheylen / so nit vim diffinitiuae haben und solange noch keine reichskammergerichtliche Inhibition ergangen ist, es dem Hofrichter und den Beisitzern vnbenommen / sonder vorbehalten sein, mit dem Verfahren fortzufahren.1694 Wird die Appellation bei einem Notar eingelegt, kommen die Wirkungen des Suspensiveffekts erst zum Tragen, wenn der iudex a quo hiervon Kenntnis erlangt.1695 Um die Wirkungen des Suspensiveffekts umfassend zu gewährleisten, kann das Reichskammergericht auf Antrag der appellierenden Partei Inhibitionsbriefe samt Strafandrohungen für den Fall der Zuwiderhandlung in Form von Attentaten 1696 an das Untergericht s chicken.1697 Der Devolutiveffekt tritt erst ein, wenn über die Zulässigkeitseinreden bereits verhandelt und die Ladung reproduziert worden ist.1698
1 693 Wetzell: System (1861), S. 514. 1694 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53v. Hierzu auch Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 144 Nr. 4, S. 455 f. 1695 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 29 § 5, S. 208. Diese Vorschrift führt weiter aus, dass eine solche Appellation jedoch auch dann am Reichskammergericht angenommen werden soll, wenn der Notar die Mitteilung unterlassen hat. Allerdings gelten dann die eventuell schon vom Untergericht vorgenommenen Vollzugshandlungen nicht als Attentate. 1696 Auch attentatum. „Verstoß gegen die durch die Litiskontestation oder den Suspensiveffekt gebotene Stillhalteverpflichtung im Hinblick auf die streitbefangene Sache“ (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 293). Zu den Attentaten auch Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 146, S. 458 – 4 62. 1697 Dick: Kameralprozess (1981), S. 204; Wetzell: System (1861), S. 575 f. 1698 RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 32 § 1, S. 250; Part. 2 Tit. 30 § 2, S. 209 und Part. 2 Tit. 30 § 5, S. 210. Dick: Kameralprozess (1981), S. 204. Vertiefend zum Devolutiveffekt: Wetzell: System (1861), S. 572 – 610.
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2. Entscheidungen des Appellationsgerichts Das Appellationsverfahren 1699 endet schließlich mit einem Endurteil, in welchem das Urteil der Vorinstanz entweder bestätigt oder abgeändert wird. 1700 Die Reichskammergerichtsordnungen schreiben eine Zurückverweisung an die Vorinstanz nur hinsichtlich der Kosten und des Urteilsvollzugs bei Verwerfung der Appellation vor.1701 Bei der zuvor stattfindenden Überprüfung der Zulässigkeit der Appellation kann das Reichskammergericht die Appellation entweder als desert 1702 oder als unzulässig zurückweisen: Ersteres im Falle, dass sie nicht an das Reichskammergericht erwachsen ist oder gegen die vorgegebenen Formalien verstößt; Zweiteres, wenn die Frist zur Einlegung der Appellation versäumt und die Appellation nicht fristgerecht am Reichskammergericht anhängig gemacht wurde.1703 Das Inter lokut sagt nichts über die Begründetheit der Appellation aus und ist folglich als Prozessurteil zu bewerten. Die Vorinstanz hat infolge einer solchen Verwerfung lediglich über die Kosten zu befinden und das Urteil zu vollziehen. Das Reichskammergericht begnügt sich mit der Taxation des Appellationsverfahrens.1704 Im Ausnahmefall der missbräuchlichen – in der RKGO von 1555 auch mutwillig oder frevelhaft genannten 1705 – Appellation, das heißt einer Appellation, die der Appellant offensichtlich nur eingelegt hat, um den Vollzug des Urteils zu verhindern, wird dem Appellanten zusätzlich zu den Kosten des Rechtsmittelverfahrens eine Prozessstrafe auferlegt.1706
1 699 Zur Ausgestaltung des Verfahrens: Dick: Kameralprozess (1981), S. 204 – 207. 1700 Dick: Kameralprozess (1981), S. 207 f.; Wetzell: System (1861), S. 601 – 604. Nehlsen- Von Stryk weist darauf hin, dass die schonendere Form des Appellationstenors dazu beigetragen haben mag, dass die Nichtigkeitsklage oftmals nicht prinzipaliter, sondern inzident im Rahmen einer Appellation erhoben wurde (Nehlsen-Von Stryk: Appella tion (2013), S. 100). 1701 Dick: Kameralprozess (1981), S. 208; Danz: Reichsgerichts-Prozess (1795), § 334, S. 581 f. RKGO von 1555, Part. 3 Tit. 50 §§ 5 und 6, S. 273. 1702 Eine Appellation wird als desert bezeichnet, wenn sie „vernachlässigt“ oder „aufgegeben“ wurde (Laufs: Reichskammergerichtsordnung (1976), Sachregister, S. 297). 1703 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 30 § 5, S. 210. 1704 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 30 § 5, S. 210. Jüngster Reichsabschied von 1654, § 119. Dick: Kameralprozess (1981), S. 207. Mit Blick auf die Taxation weist Harpprecht auf Beschwerden gegen das Rottweiler Hofgericht aus dem Jahre 1531 hin, in w elchen beklagt wird, dass das Hofgericht hinsichtlich der Prozesskosten häufig ein vom Hauptsachverfahren getrenntes Verfahren einleitet (Harpprecht: Staats-Archiv (1767), S. 251). 1705 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 28 § 3, S. 205 und Tit. 28 § 6, S. 207. 1706 RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 28 § 3, S. 205.
D. Unter der Neuen Hofgerichtsordnung von 1572 I. Zustände am Gericht Die NHGO von 1572 hatte der Stadt Rottweil und den Grafen von Sulz zahlreiche Vorgaben zur Verbesserung des Gerichtsprozesses gemacht. Um den Vorgaben nachzukommen, wollte der Rottweiler Rat möglichst zügig mit der personellen Aufstockung des Hofgerichts, insbesondere der Kanzlei, beginnen. Diese Aufstockung brachte jedoch eine erhebliche finanzielle Belastung der Stadt mit sich, die sie – wie schon zuvor die Visita tionskosten – zunächst alleine zu tragen hatte. Der Rat drängte die Grafen von Sulz, zu dieser Zeit unter der Vormundschaft der Grafen Heinrich von Fürstenberg und Georg von Helfenstein stehend, dazu, sich wie vorgesehen an der Hälfte sämtlicher das Hof gericht betreffender Kosten zu beteiligen.1707 Konkret ging es dabei um die Besetzung der Hofgerichtsadvokatur sowie um die Erweiterung des Kanzleipersonals. Nachdem man bereits Dr. Johann Nervius als Hofgerichtsadvokaten gewonnen hatte, sollte nunmehr Dr. Johann Spreter von Kreudenstein vom Amt des Hofgerichtsschreibers in das eines zweiten Hofgerichtsadvokaten wechseln.1708 Den dreien in der Kanzlei sollte einer als Substitut hinzugefügt werden. Von diesen drei Kanzleipersonen sollte ferner einer das Botenmeisteramt, der Zweite das Protokoll und der Dritte das Registrieren übernehmen.1709 Die Stadt sah zudem eine Erhöhung der Besoldungen der Kanzleipersonen vor.1710 Mit Blick auf die Hofgerichtsadvokaten meinte man in Rottweil, pro Hofgerichtsadvokat nicht weniger als 300 Gulden Jahresgehalt bezahlen zu können.1711 Aufgrund mangelnder Beteiligung der Sulzer Grafen bekamen die Advokaten allerdings in späteren Zeiten gerade mal 50 bis 80 Gulden im Jahr.1712 Jegliche mit der Erhöhung der Kanzleigefälle
1707 Auch zum Vorherigen: HStASt B203 Bü 2 (Kopie eines Schreibens an die Sulzischen Vormünder vom 22. Oktober 1573). 1708 HStASt C1 Bü 195 fol. 245r f. (Dienstlicher Bericht wegen etlicher Hofgerichtspersonen; um 1574). 1709 HStASt C1 Bü 195 fol. 245v f. (Dienstlicher Bericht wegen etlicher H ofgerichtspersonen; um 1574). Zu diesen insgesamt drei Kanzleipersonen und dem Kanzleiverwalter auch HStASt C1 Bü 195, fol. 241r f. (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1710 HS tAS t C1 Bü 195 fol. 245v f. (Dienstlicher Bericht wegen etlicher Hofgerichtspersonen; um 1574). Danach sollte die Besoldung des Botenmeisters um 25 Gulden, die des Registrators um 20 Gulden und die des Protokollanten um 15 Gulden erhöht werden. 1711 HStASt C1 Bü 195 fol. 245v f. (Dienstlicher Bericht wegen etlicher H ofgerichtspersonen; um 1574). 1712 Grube: Verfassung (1969), S. 203.
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erzielten Überschüsse sollten der Besoldung des Hofgerichtspersonals zugutekommen.1713 Die Sulzer Grafen betonten dabei, dass der Hofrichter und die Urteilsprecher die neuen Hofgerichtspersonen vor ihrer Anstellung examinieren und über etwaige Entlassungen unterrichten und befragen sollten.1714 Als abschreckendes Beispiel einer rein auf Vetternwirtschaft beruhenden Ernennung eines Kanzleibeamten führt ein Sulzer Schreiben Mitte der Siebzigerjahre des 16. Jahrhunderts die Berufung des Rottweiler Bürgers Veid Oschwaldt an.1715 Dieser sei dem Statthalter und den Hofgerichtsschreibern ohne vorheriges Examen und trotz völliger Untauglichkeit als neuer Kanzleisekretär vorgestellt worden.1716 Dabei sei Oschwaldt seins thuns vnnd wandels, so verhaßt vnnd suspect, dass die vonn Rottweil kurtzverschinen zeit, Ine zue sampt seinem weyb beyde zuemahl Inn Hafttung vnnd gefengnus haben legen lassen.1717 Sulz fährt in dem Schreiben fort, dass es auch mit Blick auf den Hofgerichtsschreiber vonnöten sei, eine ehrbare und qualifizierte Person zu finden. Dieser habe schließlich die Aufgabe, über alle Einnahmen und Ausgaben sowohl der Grafen von Sulz als auch der Stadt Rottweil Rechnung zu legen.1718 Insgesamt sei – nach der Vorgabe der Ordnung – danach zu schauen, dass in Zukunft mehr Rechtsgelehrte, Magister, aber insbesondere auch Doktoren am Hofgericht angestellt würden.1719 Sulz war sich in d iesem Zusammenhang jedoch auch darüber bewusst, dass die Stadt für diese Neubesetzungen finanzielle Unterstützung verlangen würde.1720 Sowohl den Grafen von Sulz als auch der Stadt war es somit wichtig, den Anordnungen der NHGO nachzukommen, um das Ansehen ihres Gerichts wieder zu rehabilitieren.1721 Insbesondere die Sulzer Vormundschaft wollte wieder aktiv am Gerichtsleben teilnehmen, weshalb sie zunächst auch auf ihr Mitbestimmungs- und Prüfungsrecht im Hinblick auf neu anzustellende Hofgerichtspersonen pochte.1722 Aus dem Sulzer
1713 HStASt C1 Bü 195 fol. 246r (Dienstlicher Bericht wegen etlicher Hofgerichtspersonen; um 1574). 1714 HStASt C1 Bü 195 fol. 241v f. (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1715 HStASt C1 Bü 195 fol. 241v f. (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1716 HStASt C1 Bü 195 fol. 241v f. (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1 717 HStASt C1 Bü 195 fol. 242r (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1718 HStASt C1 Bü 195 fol. 243r f. (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1719 HStASt C1 Bü 195 fol. 243v (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1720 HStASt C1 Bü 195 fol. 243v (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1721 So auch Grube: Verfassung (1969), S. 61 f., S. 68 f. und S. 71. 1722 Leist: Reichsstadt Rottweil (1962), S. 196.
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Umfeld wurde deshalb angesichts der Einsetzung des Veid Oschwaldt gemahnt, dass wo man auch allso mit dergleichen personen die Cantzlei ersötzen wolt, württ es Erger dann vor d. [er] Visitation nie gewesen wehre.1723 Sulz betonte in Beratungen mit dem Rottweiler Magistrat vehement, dass die Vorgaben der NHGO einzuhalten und umzusetzen s eien. Soweit dies nicht möglich sei, solle man die Gründe hierfür schriftlich festhalten.1724 Dass sich Rottweil des Öfteren gegen die Umsetzung sperrte, lag nicht daran, dass man das Gericht in seinem alten Zustand belassen und nicht wieder konkurrenzfähig machen wollte. Das Rottweiler Gegenargument bestand vielmehr im Fehlen finanzieller Ressourcen für die Umsetzung. Rottweil ging es zwar im ausgehenden Jahrhundert finanziell nicht schlecht. Man benötigte die finanziellen Mittel jedoch hauptsächlich für die Vergrößerung des Stadtgebietes und konnte somit das Hofgericht nicht komplett allein unterhalten und zusätzlich noch die Kosten für Visitation und Umsetzung der Neuerungen tragen.1725 Folglich mussten viele Gerichtspersonen die durch die NHGO neu eingeführten Ämter zusätzlich zu ihren bisherigen Ämtern übernehmen. Grube betont in diesem Zusammenhang, dass das Gerichtspersonal im Rahmen der Visitation von 1570 „zu schlecht weggekommen sei“.1726
II. Auseinandersetzungen mit den Kurfürsten und dem Schwäbischen Kreis 1. Mit den Kurfürsten Obwohl im Reichsabschied von Regensburg aus dem Jahr 1576 mit keinem Wort erwähnt, stellte das Rottweiler Hofgericht auch auf diesem Reichstag einen Streitpunkt, vor allem für die Kurfürsten, dar. Rottweil hatte unmittelbar nach Publika tion der NHGO – aggressiver als jemals zuvor – wieder angefangen, eximierte Stände und ihre Untertanen, insbesondere die Untertanen der rheinischen 1723 HStASt C1 Bü 195 fol. 242v (Bedenken in Annehmung eines Hofschreibers und Kanzleisekretärs etc.; um 1574). 1724 HStASt C1 Bü 192 fol. 106v f. (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1 725 Grube: Verfassung (1969), S. 71. Zur Entwicklung des Rottweiler Territoriums: Merkle: Territorium (1913), S. 82 – 130. Zwischen den Grafen von Sulz und Rottweil herrschte seit 1570 Streit hinsichtlich der Übernahme der Visitationskosten Streit; HStASt C1 Bü 192 fol. 101v f. (Abschied z wischen Sulz und Rottweil d. Hofgerichts neuen Ordnung Execution; ergangen den 16. Dezember 1574) und HStASt C1 Bü 191 fol. 372r (Abschied zwischen Sulz und Rottweil d. Hofgerichts neuen Ordnung Execu tion; ergangen den 16. Dezember 1574). Grube merkt hierzu an, dass die Grafen von Sulz schwer verschuldet waren und deshalb nicht zur Unterhaltung des Hofgerichts beitrugen (Grube: Verfassung (1969), S. 70). 1726 Grube: Verfassung (1969), S. 71.
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Kurfürsten, vor das Hofgericht zu zitieren.1727 Rottweil vertrat diesbezüglich die Auffassung, dass die Ehehaften zum Teil auch gegenüber der, in der Goldenen Bulle verbrieften, Befreiung der Kurfürsten von jeglicher fremden Gerichtsbarkeit griffen.1728 Zudem berief sich Rottweil darauf, dass man seit vielen Jahrhunderten die kurfürstlichen Untertanen an das Hofgericht geladen habe und die Kurfürsten diesem Vorgehen nie widersprochen hätten.1729 Rottweil argumentierte weiter, dass die Ehehaften keinesfalls eine Neuerung der reformierten Ordnung s eien, sondern schon seit jeher, das heißt, seitdem Rottweil Konrad gegen Lothar im Jahr 1147 unterstützt hatte,1730 bestanden hätten.1731 Die Zitationen seien zudem unabdingbar, da es oftmals unklar sei, welcher Obrigkeit der jeweilige Untertan unterstehe beziehungsweise ob er überhaupt einer Obrigkeit unterstehe.1732 Ferner könne man nicht von vornherein bei jeglicher Obrigkeit sagen, ob diese vom Hofgericht befreit sei oder nicht.1733 Es könne darüber hinaus die Möglichkeit bestehen, dass 1727 HStASt C1 Bü 9 (Kurfürstliche Bedenken; von den kurfürstlichen Gesandten am 26. August 1576 zu Regensburg übergeben); HStASt C1 Bü 195 fol. 168r f. und fol. 169v f. (Replik der sechs Kurfürsten in puncto des Rottweilschen Gerichts; anno 1576 zu Regensburg übergeben). 1728 HStASt C1 Bü 9 (Bericht der Stadt Rottweil als Antwort auf kurfürstliche Bedenken; von den Rottweiler Gesandten am 1. September 1576 an den Referenten des Reichshofrats übergeben). Zu dieser Haltung des Hofgerichtspersonals passt auch der Umstand, dass die Befreiung der Kurfürsten von den Ehehaften in Form der Goldenen Bulle erst im Nachhinein auf Druck des Kurfürsten von Mainz hin in die NHGO aufgenommen wurde. Siehe hierzu S. 50. 1729 HStASt C1 Bü 9 (Bericht der Stadt Rottweil als Antwort auf kurfürstliche Bedenken; von den Rottweiler Gesandten am 1. September 1576 an den Referenten des Reichshofrats übergeben). 1730 Zur Gründungssage S. 27 f. 1731 HStASt C1 Bü 9 (Bericht der Stadt Rottweil als Antwort auf kurfürstliche Bedenken; von den Rottweiler Gesandten am 1. September 1576 an den Referenten des Reichshofrats übergeben). 1732 HStASt C1 Bü 9 (Bericht der Stadt Rottweil als Antwort auf kurfürstliche Bedenken; von den Rottweiler Gesandten am 1. September 1576 an den Referenten des Reichshofrats übergeben). 1733 HStASt C1 Bü 9 (Bericht der Stadt Rottweil als Antwort auf kurfürstliche Bedenken; von den Rottweiler Gesandten am 1. September 1576 an den Referenten des Reichshofrats übergeben). Gail merkt zu d iesem Problem an, dass der Zitierte bei Zweifeln darüber, ob er der Zitation nachkommen muss oder nicht, jedenfalls vor Gericht zu erscheinen habe. Eine Ausnahme hiervon gelte lediglich, wenn offensichtlich sei, dass das Gericht keine Zuständigkeit beanspruchen könne (Gail: Practicarum Observationum (1673), Lib. 1 Obs. 48 Nr. 8 bis 10, S. 166). Auch Schlinker weist in diesem Zusammenhang auf die verbreitete Meinung hin, dass der Beklagte der Ladung Folge zu leisten habe. Dies sei auch dann der Fall, wenn er der Gerichtsbarkeit des Gerichts überhaupt nicht unterliege oder die Zitation fehlerhaft sei. Davon ausgenommen seien lediglich die
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zuvor ein Gerichtsstand prorogiert worden sei.1734 Deshalb halte die NHGO auch die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Abforderungen fest. Da häufig nicht klar sei, ob der Zitierte die Befreiung seiner Obrigkeit geltend machen oder darauf verzichten wolle, sei die Zitation erforderlich. Ihre Argumentation rundete die Stadt damit ab, dass sich schließlich auch die gemeinen Stände für die Erhaltung des Hofgerichts mit seinem alten Herkommen ausgesprochen hätten und mit der NHGO ihnen gegenüber keine neuen Regelungen geltend gemacht würden.1735 Man versuche zudem, allen in der NHGO gemachten Vorgaben nachzukommen und die festgestellten Mängel zu beheben, weshalb die NHGO nicht wieder aufgehoben werden dürfe.1736 Die Kurfürsten betonten hingegen, dass ihre geladenen Untertanen aufgrund der in der Goldenen Bulle verbrieften Befreiung nicht dazu verpflichtet s eien, vor dem Hofgericht zu erscheinen.1737 Eine solche Ladung sei mitsamt dem damit eingeleiteten Verfahren sowie einer damit verbundenen Exekution nichtig.1738 Der Kläger sei folglich mit seiner Klage an das jeweils zuständige Gericht unter der Obrigkeit der Kurfürsten zu verweisen. Ihm würde hierfür sicheres Geleit garantiert werden.1739 Ausnahmen zu diesem Grundsatz sollten lediglich drei Fälle bilden: bei Rechtsverweigerung beziehungsweise Rechtsverzögerung durch das Gericht, dem die Sache zugewiesen wurde, wenn der Beklagte zwar der Untertan eines Kurfürsten sei, jedoch keinen festen Wohnsitz habe und schließlich, wenn die Obrigkeit im Vorfeld über eine Prorogation unterrichtet worden sei und zugestimmt habe.1740 Es könne deshalb auch
1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740
Obrigkeiten beziehungsweise Personen, deren Exemtionen allgemein bekannt s eien (Schlinker: Litis Contestatio (2008), S. 321). HStASt C1 Bü 194 fol. 246r (Supplicatio des Erbhofrichters und der Beisitzer des kaiserlichen Hofgerichts an die Römische Kaiserliche Majestät; nach 1576). HStASt C1 Bü 9 (Bericht der Stadt Rottweil als Antwort auf kurfürstliche Bedenken; von den Rottweiler Gesandten am 1. September 1576 an den Referenten des Reichshofrats übergeben). HStASt C1 Bü 9 (Bericht der Stadt Rottweil als Antwort auf kurfürstliche Bedenken; von den Rottweiler Gesandten am 1. September 1576 an den Referenten des Reichshofrats übergeben). HStASt C1 Bü 9 (Kurfürstliche Bedenken; von den kurfürstlichen Gesandten am 26. August 1576 zu Regensburg übergeben). HStASt C1 Bü 9 (Kurfürstliche Bedenken; von den kurfürstlichen Gesandten am 26. August 1576 zu Regensburg übergeben). HStASt C1 Bü 9 (Kurfürstliche Bedenken; von den kurfürstlichen Gesandten am 26. August 1576 zu Regensburg übergeben). HStASt C1 Bü 195 fol. 171r f. (Replik der sechs Kurfürsten in puncto des Rottweilschen Gerichts; anno 1576 zu Regensburg übergeben). Hinsichtlich der Rechtsverweigerung beziehungsweise -verzögerung auch HStASt C1 Bü 9 (Kurfürstliche Bedenken; von den kurfürstlichen Gesandten am 26. August 1576 zu Regensburg übergeben).
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kein Untertan ohne Wissen der Kurfürsten auf die Exemtion verzichten.1741 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der erste und der dritte Fall in den Ehehaften geregelt waren, die Kurfürsten insofern die Ehehaften also anerkannten. Zum Fall der Rechtsverweigerung und Rechteverzögerung ist zudem anzumerken, dass in diesen Fällen die an den territorialen Gerichten Rechtssuchenden generell vor den Reichsgerichten klagen konnten.1742 Diese Erfüllung des Justizgewährungsanspruchs, der sich vom K aiser als „Ursprung aller Gerichtsbarkeit“ 1743, s päter aus dem – zum Teil eingeschränkten – Recht des Reiches zur „Justizaufsicht“ 1744 ableitete, erkannten die Kurfürsten zunächst wohl auch gegenüber den dem K aiser unmittelbar unterste1745 henden kaiserlichen Landgerichten an. Als weiteres Argument führten die Kurfürsten an, dass die in der Goldenen Bulle verbrieften Privilegien schon lange vor deren Errichtung existiert hätten und zu gentz licher cassierung alles deß Ihenigen was darwider dabeuor oder hernach von anndern außbracht oder fürgenomen führten.1746 Das Zitieren vor das Hofgericht führe deshalb nur zu unnötigen Appellationen an das Reichskammergericht und zu hohen Abforderungskosten.1747 Dies sei gerade in Fällen, da auch die Hauptsach vielmaln nit eines, zween oder drey gulden werdt sei, für die Zitierten ein großes Ärgernis.1748 Rottweil entgegnete hierauf, dass oftmals nicht der Beklagte, sondern der Kläger erhöhte Ausgaben habe, da ihm von dem Gericht, an das die Sache verwiesen worden war, die Remissionskosten auferlegt würden.1749
1741 HStASt C1 Bü 195 fol. 168v (Replik der sechs Kurfürsten in puncto des Rottweilschen Gerichts; anno 1576 zu Regensburg übergeben). 1742 Für das Reichskammergericht explizit in RKGO von 1555, Part. 2 Tit. 1 § 2, S. 168 und Tit. 26 § 1, S. 203. Im Übrigen Perels: Justizverweigerung (1904), S. 14 – 16. 1743 Willoweit: Herrschaftsverständnis (2011), S. 160. 1744 Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 139. 1745 Auch Erler betont, dass die Landgerichte des Spätmittelalters „auch außerhalb ihres Bezirks“ in Fällen von Rechtsverweigerung zuständig gewesen seien (Erler: Rechtsverweigerung, HRG Bd. 4 (1990), Sp. 416). 1746 HStASt C1 Bü 195 fol. 169v (Replik der sechs Kurfürsten in puncto des Rottweilschen Gerichts; anno 1576 zu Regensburg übergeben). 1747 HStASt C1 Bü 195 fol. 168r f. und 170v f. (Replik der sechs Kurfürsten in puncto des Rottweilschen Gerichts; anno 1576 zu Regensburg übergeben). Mit Blick auf die Abforderungskosten werden in der Replik mehrere Posten genannt: die Abfertigung der Boten, die Überbringung der Abforderung und die Zusicherung des Geleits, die Belohnung der Anwälte sowie die Kanzleigebühren. 1748 HStASt C1 Bü 195 fol. 170v (Replik der sechs Kurfürsten in puncto des Rottweilschen Gerichts; anno 1576 zu Regensburg übergeben). 1749 HStASt C1 Bü 194 fol. 244v (Supplicatio des Erbhofrichters und der Beisitzer des kaiserlichen Hofgerichts an die Römische Kaiserliche Majestät; nach 1576).
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Der K aiser stellte sich in der Auseinandersetzung auf die Seite Rottweils. Das kaiser liche Hofgericht sei zugleich gegen den hoeheren befreyten Churfuersten / und Fuersten / als auch den ringeren und unbefugten ihres Districts Staenden / und dero Underthonen des citirens und fuerladens in unverneinlichen herbringen / sonder auch noch darzu von einem Roemischen Kayser und Koenig nach dem andern darueber sonderlich pri vilegiert / und mit Kayserlichen Mandaten […] versehen worden.1750 Den Kurfürsten, Fürsten und Ständen werde deshalb unter Strafandrohung befohlen, bemelt Kayserl. Hoffgericht nicht weniger / als ob es nochmalens an Ihrer Majestaet Hoff selbst gehalten wurde / bey seinem ordenlichen Gerichts=Zwang / Ubung und Gebrauch / Recht= und Gerechtigkeiten / ruehwiglich bleiben zulassen / dasselbig nit zu veschmelern / noch mit Gebott / Verbott / neuen Ordnungen / Satzungen / Statuten / oder in ander Weeg mit Betrohung / Gefaengnuß und Vergwaltigung der Hoffgerichts=Botten zuverhindern.1751 Die Kurfürsten, Fürsten und Stände sowie ihre Untertanen sollten also den Zitationen nachkommen und hiergegen lediglich ihre vom Kaiser oder König erteilten Exem tionen vorbringen können.1752 Ferner sollten sie sich an die in der NHGO festgehaltenen Voraussetzungen des Abforderungsverfahrens halten.1753 Der K aiser wies zudem darauf hin, dass gerade Kurfürsten, Fürsten und Stände trotz ihrer Beschwerden und Klagen sich immer für die Erhaltung des Rottweiler Hofgerichts ausgesprochen hatten.1754 Die Visitation des Gerichts sei auf die Gravamina der Stände hin erfolgt und aufgrund der daraus gezogenen Erkenntnisse die NHGO errichtet worden. In diesem Zusammenhang nahm der Kaiser die Argumentation Rottweils auf, dass mit der Ordnung keine Neuerungen eingeführt, sonder allein das jenig / was loeblichen Vorfahren expresse privilegiert / und dasselbig in unzweiffentlichen Herbringen und Possession ist / außgezogen / erneuert / und bestättigt worden sei.1755 Der Kaiser betonte weiter, dass die Kurfürsten und die anderen Stände schließlich ihre Beschwerden und Bedenken während der Visitation hätten einbringen können.1756 Zugleich wies er jedoch den Hofrichter und die Urteilsprecher darauf hin, dass sie mit Blick auf die Zitationen ihre 1750 HStASt B203 Bü 2 (Kaiserliche Resolutiones auf der Rheinischen kurfürstlichen Räte Anbringen in puncto Iustitiae bei gehaltenem Reichstag zu Regensburg 1576). 1751 HStASt B203 Bü 2 (Kaiserliche Resolutiones auf der Rheinischen kurfürstlichen Räte Anbringen in puncto Iustitiae bei gehaltenem Reichstag zu Regensburg 1576). 1752 HStASt B203 Bü 2 (Kaiserliche Resolutiones auf der Rheinischen kurfürstlichen Räte Anbringen in puncto Iustitiae bei gehaltenem Reichstag zu Regensburg 1576). 1753 HStASt B203 Bü 2 (Kaiserliche Resolutiones auf der Rheinischen kurfürstlichen Räte Anbringen in puncto Iustitiae bei gehaltenem Reichstag zu Regensburg 1576). NHGO, Part. 2 Tit. 4, fol. 32v–34r. 1754 HStASt B203 Bü 2 (Kaiserliche Resolutiones auf der Rheinischen kurfürstlichen Räte Anbringen in puncto Iustitiae bei gehaltenem Reichstag zu Regensburg 1576). 1755 HStASt B203 Bü 2 (Kaiserliche Resolutiones auf der Rheinischen kurfürstlichen Räte Anbringen in puncto Iustitiae bei gehaltenem Reichstag zu Regensburg 1576). 1756 Grube: Verfassung (1969), S. 58.
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Privilegien und ihr Herkommen nicht missbrauchen oder die Beklagten in unnötige Kosten stürzen sollten. Insbesondere in Fällen, die die Kurfürsten und ihre Untertanen betrafen, sollten sie sich aller Bescheidenheit befleissen.1757 Im Jahre 1578 bestätigte der K aiser sämtliche Rottweiler Privilegien.1758 Daraufhin wandten sich auch die evangelischen Fürsten und Stände vehement gegen das Hof gericht.1759 Rottweil – selbst katholisch geblieben – war mit Blick auf die evangelischen Stände von Anfang an taktisch unklug vorgegangen. So erwog die Stadt im Zuge der Reformation, den Protestantismus als Ehehaft zu klassifizieren, positionierte sich also deutlich auf der Seite des Kaisers und beschwor die erbitterte Feindschaft der evange lischen Stände, allen voran des Herzogtums Württemberg, herauf.1760
2. Mit dem Schwäbischen Kreis Bereits zu Zeiten des Schwäbischen Bundes 1761 (1488 bis 1534) tat sich Rottweil gegenüber diesem bündischen Zusammenschluss südwestlicher Territorialgewalten schwer.1762 Die Stadt war im Jahre 1463 ein Bündnis mit den zur Eidgenossenschaft gehörenden Ortschaften eingegangen, welches 1477 und 1490 für jeweils 15 Jahre verlängert wurde.1763 1519 kam es dann schließlich zu einem Ewigen Bund z wischen Rottweil und der Eidgenossenschaft, der formal bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Bestand hatte.1764 Der Schwäbische Bund wollte sich von Anfang an gegenüber den aufstrebenden, benachbarten Mächten Bayern und Schweiz positionieren.1765 Folglich war der Druck des habsburgisch organisierten Bundes auf Rottweil, in eben diesen Bund einzutreten, immens, zumal auch die Grafen von Sulz als Rottweiler Hofrichter dem Zusammenschluss angehörten.1766 Der Bund etablierte eine eigene 1757 HStASt B203 Bü 2 (Endliche Kaiserliche Resolution, den 12. Oktober auf dem Reichstag zu Regensburg 1576 erteilt). 1758 HStASt B203 U 65 (25. August 1578). 1759 Grube: Verfassung (1969). S. 59. 1760 Speidel: Hofgericht (1914), S. 131. 1761 Mit dem Schwäbischen Bund als Friedens- und Rechtsgenossenschaft sollte die Reichsreform, insbesondere der Landfrieden, im Südwesten ermöglicht werden (Carl: Bund (2000), S. 365 – 369). 1762 Carl: Bund (2000), S. 149. 1763 Gasser: Entwicklung (1932), S. 154; Kläui: Eidgenossenschaft (1959), S. 1 – 14; Laufs: Kreis (1971), S. 75 Fn. 89; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 25. 1764 Gasser: Entwicklung (1932), S. 154; Kläui: Eidgenossenschaft (1959), S. 1 – 14; Laufs: Kreis (1971), S. 75 Fn. 89; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 25. 1765 Laufs: Kreis (1971), S. 75. 1766 Bütler: Eidgenossenschaft (1908), S. 95 f. Die Habsburger begnügten sich letzt lich jedoch mit einem im Jahre 1500 mit Rottweil geschlossenen Schirmvertrag und
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rechtsgelehrte Schiedsgerichtsbarkeit samt Gerichtsordnung, die für seine Mitglieder ausschließlich gelten sollte.1767 Damit wandte er sich gegen den Gerichtszwang der Femegerichte, des kaiserlichen Landgerichts auf der Leutkircher Heide und nicht zuletzt des Rottweiler Hofgerichts.1768 Der in der Nachfolge 1769 des Schwäbischen Bundes stehende Schwäbische Kreis 1770 ist im Unterschied zu diesem nicht als bloßer freiwilliger Zusammenschluss benachbarter Territorien zu bewerten.1771 Wie Laufs es ausdrückt, waren die Kreise vielmehr Institutionen der Reichsverfassung.1772 Im Gegensatz zum Schwäbischen Bund war nunmehr auch Rottweil Mitglied des Kreises.1773 Die Hauptaufgaben des Kreises bestanden zum einen in der Sicherung des Landfriedens, zum anderen in der Erleichterung von Urteilsexekutionen der Reichsgerichte.1774 Grube führt die anfängliche, bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts anhaltende Zurückhaltung des Kreises dem Rottweiler Hof gericht gegenüber auf den Umstand zurück, dass sowohl die Grafen von Sulz als auch die Stadt Rottweil selbst in ihm vertreten waren.1775 Im Gegensatz hierzu sah sich das österreichische Landgericht in Oberschwaben aufgrund seiner übergreifenden Jurisdik tion schon seit den Anfangsjahren des Kreises starken Anfeindungen ausgesetzt.1776 Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts und insbesondere nach Einführung der NHGO häuften sich jedoch die Beschwerden gegen das Hofgericht. Schon im Vorfeld der Visitation hatte der Kreis – vor allem auf Initiative des Herzogtums verzichteten auf den Eintritt der Stadt in den Bund (Carl: Bund (2000), S. 153). 1767 Grube: Verfassung (1969), S. 37; Laufs: Kreis (1971), S. 92 – 95. Zur bündischen Schiedsgerichtsbarkeit Carl: Bund (2000), S. 370 – 390. 1768 Grube: Verfassung (1969), S. 37; Laufs: Kreis (1971), S. 95. 1769 Zwar überschneiden sich die beiden Gebilde zeitlich, Bader betont jedoch, dass die Aufgaben des Bundes und des Kreises praktisch dieselben waren (Bader: Südwesten (1978), S. 192). Er sieht den Bund als „Vorläufer und Konkurrent des Kreises zugleich“ (Bader: Südwesten (1978), S. 193). 1 770 Ausführlich zu den Anfängen des Schwäbischen Kreises: Laufs: Kreis (1971), S. 156 – 162. 1771 Zwar war der Bund auch auf Initiative des Kaisers zustande gekommen, er stellte jedoch eher einen „Ausfluß des schwäbischen Einungswesens“ der Habsburger Kaiser dar. Den Kreis hingegen prägten hierarchische und herrschaftliche Gesichtspunkte (Bader: Südwesten (1978), S. 192 f.). 1772 Laufs: Kreis (1971), S. 15. 1773 Laufs führt Rottweil in einer Liste der vertretenen Stände auf einem Kreistag in Esslingen im April 1531 auf. Die Grafen von Sulz und Rottweil werden zudem in einem Verzeichnis über die Beiträge der einzelnen Mitglieder aus dem Jahre 1552 (Kreistag zu Ulm) genannt (Laufs: Kreis (1971), S. 160 Fn. 13 und S. 225 f. Fn. 43). 1774 Bader: Südwesten (1978), S. 191 f.; Laufs: Kreis (1971), S. 17, S. 20 f. und S. 47. 1775 Grube: Verfassung (1969), S. 38. 1776 Grube: Verfassung (1969), S. 38; Langwerth von Simmern: Kreisverfassung (1896), S. 213 – 221 und S. 242 f.
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Württemberg – immer wieder den inflationären Gebrauch der Ehehaften, die Nichtachtung von Befreiungen und infolgedessen das Unterbinden von Appellationen an das Reichskammergericht angeprangert.1777 Auf dem Kreistag zu Ulm im Jahre 1558 beschlossen die Kreismitglieder, ihren Untertanen zu verbieten, künftig Rechtsstreitigkeiten vor dem Rottweiler Hofgericht auszutragen.1778 Anlässlich der Visitation des Rottweiler Gerichts wurden die Beschwerden des Kreises zusammengestellt und zwei Abgesandte damit beauftragt, die Kreisinteressen in Rottweil zu vertreten.1779 Neben den üblichen Beschwerden über die Nichtachtung der Exemtionsprivilegien und die Berufung auf die Ehehaften führte der Kreis Rottweils Bereitschaft, Klagen von Juden gegen Christen anzunehmen 1780 sowie rechtlich nicht zu beanstandende Abweisungen vor ordentlichen Gerichten als Justizverweigerungen zu qualifizieren, an.1781 Unmittelbar nach der Visitation und der Errichtung der NHGO beschwerte sich der Schwäbische Kreis erneut über das Hofgericht. Durch die Visitation und die reformierte Ordnung seyen des Schwäbischen Craiß Fürsten und stenden beschwerden nicht geringert, sonnder augmentiert worden.1782 Ferner habe die NHGO den Speyrer Reichsabschied von 1570 überschritten und sei sub et obreptitie, also durch List und Täuschung, erlangt worden.1783 Dem Kreis missfiel dabei die in der Neuen Ordnung aufgeführte große Zahl von Ehehaftsfällen.1784 Auf dem Schwäbischen Kreistag in Ulm am 25. März 1582 brachten die Mitglieder des Kreises erneut etliche Beschwerden gegen das Rottweiler Hofgericht vor.1785 Man einigte sich darauf, dass jeglicher Kreisverwandte, der einen anderen Kreisverwandten verklagen wollte, ihn vor das Gericht seiner Obrigkeit und nicht vor das Rottweiler Hofgericht oder das Landgericht in Schwaben zitieren sollte.1786 Auf diesen Kreistag hatte Rottweil keine Abgesandten geschickt, weshalb ein den Rottweilern zugeneigter Kreistagsteilnehmer dringend empfahl, sich auf dem nächsten Reichstag bei Anwesenheit des Kreisadvokaten und 1777 Langwerth von Simmern: Kreisverfassung (1896), S. 312 f.; Laufs: Verfassung und Verwaltung (1963), S. 17 f. 1778 Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 87. 1779 Langwerth von Simmern: Kreisverfassung (1896), S. 312. Siehe hierzu auch S. 44. 1780 Das Hofgericht wurde Mitte des 16. Jahrhunderts sogar als „jüdisches Gericht“ bezeichnet (Lang: Ausgrenzung (2008), S. 221; Mentgen: Bedeutung (1995), S. 397). 1781 Langwerth von Simmern: Kreisverfassung (1896), S. 312 f. 1782 HStASt B203 Bü 2 (Schreiben des Schwäbischen Kreises; ohne Datum). Da in dem Schreiben auf die Visitation und die NHGO Bezug genommen wird, muss es wohl nach 1572 entstanden sein. 1783 HStASt B203 Bü 2 (Schreiben des Schwäbischen Kreises; ohne Datum). 1784 HStASt B203 Bü 2 (Schreiben des Schwäbischen Kreises; ohne Datum). 1785 Wie auch auf darauffolgenden Kreistagen zu Ulm in den Jahren 1583, 1584 und 1591; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 88. 1786 HStASt C1 Bü 10 (M. Johan Wilhelm Armbruster pro Hofgericht contra Schwäbischen Kreis, Zinstag nach Corpus Christi (19. Juni) 1582).
Auseinandersetzungen mit den Kurfürsten und dem Schwäbischen Kreis
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-konsulenten Dr. Tradel 1787 gegen die Beschwerden des Schwäbischen Kreises zu wehren und den Kaiser um Unterstützung zu bitten.1788 Nur so könnten andere Stände davon abgehalten werden, es dem Schwäbischen Kreis gleichzutun.1789 Bei der Kreisversammlung im Oktober 1584 schließlich war der Graf von Sulz als Rottweiler Hofrichter mit weiteren Rottweiler Abgesandten zugegen und prangerte das Vorgehen der Kreisangehörigen an, woraufhin sich der Kreis beim K aiser beschwerte.1790 1583 und 1585 ermahnte K aiser Rudolf II. den Schwäbischen Kreis, seine Angriffe auf das Hofgericht einzustellen.1791 Auf dem Reichsdeputationstag von Worms 1586 forderten die Abgesandten des Hofgerichts die schwäbischen Kreisstände wie auch die Kurfürsten dazu auf, den Gerichtszwang des Hofgerichts anzuerkennen.1792 Nach einer längeren Pause verschärfte sich die Auseinandersetzung ab dem Jahre 1590 erneut. Der Kreis wandte sich mit Vehemenz gegen die Rottweiler Prozesse und verbot seinen Untertanen, sich gegenseitig vor das Rottweiler Hofgericht zu zitieren.1793 Auch ein kaiserliches Pönalmandat vom 12. Februar 1591, welches gegen das Hofgericht belastende Kreisabschiede gerichtet war, konnte den Schwäbischen Kreis nicht zur Räson bringen.1794 Das ab 1594 abflauende Interesse des Kreises an der Auseinandersetzung mit dem Hofgericht sieht Grube in der Verlagerung der Kreistätigkeit hin zur Polizeiverwaltung und dem Reichswehrwesen bedingt,1795 während Lang darüber hinaus auf die aufkommenden Kriegswirren verweist.1796 1787 Dieser hatte 1566 einen Plan unterbreitet, nach dem für die Zirkel Franken, Bayern und Schwaben ein gemeinsames Landfriedensgericht errichtet werden sollte; Laufs: Kreis (1971), S. 137. 1788 HStASt C1 Bü 10 (M. Johan Wilhelm Armbruster pro Hofgericht contra Schwäbischen Kreis, Zinstag nach Corpus Christi (19. Juni) 1582). 1789 HStASt C1 Bü 10 (M. Johan Wilhelm Armbruster pro Hofgericht contra Schwäbischen Kreis, Zinstag nach Corpus Christi (19. Juni) 1582). 1790 Lang: Ausgrenzung (2008), S. 225 f. 1791 Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 1 (1836), S. 105. Zeugnis über die verschärften Auseinandersetzungen zwischen dem Kreis, Rottweil und den Grafen von Sulz geben insbesondere die Schriftwechsel zwischen 1583 und 1586; HStASt C1 Bü 61, Bü 191, Bü 194 und Bü 195. Lang merkt zu den dem Kaiser vorgebrachten Klagepunkten an, dass viele Städte – darunter Ulm und Heilbronn – sich vom Hofgericht nur noch bedingt beeinträchtigt sahen, sich jedoch aus Solidarität den Klagen des Kreises anschlossen (Lang: Ausgrenzung (2008), S. 226). 1792 Lang: Ausgrenzung (2008), S. 226 f. 1793 Ausführlicher hierzu: Lang: Ausgrenzung (2008), S. 227. 1794 HStASt C1 Bü 195 fol. 226r f. 1795 Grube: Verfassung (1969), S. 59 f. Zur Aufgabenverlagerung: Laufs: Kreis (1971), S. 17 und Bader: Südwesten (1978), S. 195. Vertiefend zu den Aufgaben der Reichskreise: Wüst (Hg.): Reichskreis und Territorium (2000); Wüst (Hg.): Die „gute“ Policey im Reichskreis (2001), Bd. I: Der Schwäbische Reichskreis. 1796 Lang: Ausgrenzung (2008), S. 228.
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III. Visitationsversuche Im Jahre 1576 fand eine Art interne Visitation des Hofgerichts durch die Sulzer Vormünder statt. Dazu wurden die Räte und Landvögte Johann Stor von Ostrach und Juvenalis Kreder (Landvogt von Vaduz) zur Untersuchung der Zustände am Hof gericht nach Rottweil geschickt. Zusammen mit Bürgermeister und Rat sollten sie sich der in den Beschwerden der Kurfürsten, Fürsten und anderer Stände gezeichneten Missstände annehmen.1797 Die Sulzer Vormünder hatten Stor von Ostrach und Kreder hierfür schriftliche Instruktionen mit auf den Weg gegeben, nach denen die Sulzer Gesandten zunächst die Rechnungen von Fiskal, Hofschreiber, Schaffner und Pfennigmeister überprüfen sollten.1798 Im Verbund mit Rat und Bürgermeister hatte sodann eine Überprüfung der NHGO samt eines Abgleichs mit der Gerichtspraxis zu erfolgen.1799 Dabei sollte genau festgehalten werden, w elche Regelungen der NHGO in der Gerichtswirklichkeit schwer einzuhalten waren.1800 Die schriftlichen Zeugnisse waren dazu bestimmt, auf den kommenden Reichstagen als Verteidigung gegenüber Kaiser und Ständen verwendet zu werden. Im Anschluss an die Überprüfung der Ordnung waren die einzelnen Hofgerichtspersonen auf ihre Tauglichkeit und ihr Verhalten zu examinieren.1801 Dem wiederholt vorgebrachten Rottweiler Einwand der mangelnden finanziellen Mittel sollten die Abgesandten entgegnen, dass das Gericht schließlich so viel Ertrag abwerfe, dass das Gerichtspersonal mehr Lohn als jemals zuvor erhalte. Dem gegenüber s eien die Anzahl und Dauer der Audienzen jedoch geringer geworden, weshalb die Gerichtspersonen nunmehr für weniger Arbeit mehr Geld bekämen.1802 Mit Blick auf die personellen Missstände am Hofgericht sollten den Rottweilern die möglichen Konsequenzen einer Nichtbeachtung dieser Missstände vor Augen geführt werden: der mögliche Entzug der Hofgerichtsbarkeit durch den Kaiser.1803 In diesem Zusammenhang beharrten die Grafen von Sulz auf 1797 HStASt C1 Bü 192 fol. 106r (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1798 HStASt C1 Bü 192 fol. 106r (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1799 HStASt C1 Bü 192 fol. 106r f. (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1800 HStASt C1 Bü 192 fol. 106v (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1801 HStASt C1 Bü 192 fol. 106v (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1802 Auch zum vorherigen Satz: HStASt C1 Bü 192 fol. 106v f. (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1803 HStASt C1 Bü 192 fol. 107v f. (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576).
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ihrem M itspracherecht bei der Auswahl und Überprüfung des Hofgerichtspersonals.1804 Ein Verhör der Urteilsprecher und des Kanzleibeamten sollte darüber Aufschluss geben, ob das Gerichtspersonal anwesend war und seinen Pflichten nachkam.1805 In Bezug auf den zweiten Teil der NHGO hatten die Gesandten mit Bürgermeister und Rat darüber zu konferieren, dass die Stände trotz schriftlicher Niederlegung der Ehehaftstatbestände in der NHGO weiterhin hiergegen an das Reichskammergericht appellierten, welches in nahezu allen Fällen gegen Rottweil entschied.1806 Da man damit rechnete, dass sich die Vertreter des Reichskammergerichts auf dem nächsten Reichstag über die hohe Anzahl an Appellationen beim Kaiser beschweren würden, wollte man hierauf vorbereitet sein.1807 Hinsichtlich des verfahrensrechtlichen, also des dritten Teils der NHGO sollten Stor von Ostrach und Kreder überprüfen, ob Richter, Kanzlei und Prokuratoren die Verfahren in der vorgegebenen Terminfolge verhandelten oder diese allzu sehr verzögerten.1808 Ferner hatten sie zu kontrollieren, ob die in der NHGO festgeschriebenen Erhöhungen der Kanzleigebühren auch wirklich durchgesetzt worden waren.1809 Schließlich bekräftigten die Sulzer Vormünder ihre Position mit Blick auf die Visitationskosten und die Rottweil hierdurch entstandenen finanziellen Belastungen. So seien s olche Belastungen eben durch die erhöhten Kanzleigebühren – insbesondere Kopieund Befreiungsgelder – aufzufangen.1810 Die Grafen von Sulz sahen sich selbst diesbezüg lich nicht in der Verantwortung, da man In ander weg auch vil Costen gelitten habe.1811 Bedingt durch den wachsenden finanziellen Druck und etliche Querelen zwischen Rottweil und den Grafen von Sulz – insbesondere bezüglich der Einstellung des Gerichtspersonals wie auch der Unterhaltung und der Gebührenverteilung des Gerichts – suchten die Grafen von Sulz bei K aiser Ferdinand II . um eine erneute
1804 HStASt C1 Bü 192 fol. 107v f. (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576); Leist: Reichsstadt Rottweil (1962), S. 196. 1805 Auch zum vorherigen Satz: HStASt C1 Bü 192 fol. 108r f. (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1806 HStASt C1 Bü 192 fol. 109r (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1807 HStASt C1 Bü 192 fol. 109r (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1808 HStASt C1 Bü 192 fol. 109r f. (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1809 HStASt C1 Bü 192 fol. 109v (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1810 HStASt C1 Bü 192 fol. 109v f. (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576). 1811 HStASt C1 Bü 192 fol. 109v (Instruktion gen Rottweil; darinnen eine gar gute Wegbereitung und Weise zu einer Hofgerichtsvisitation; 17. Januar 1576).
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ordentliche Visitation des Hofgerichts an. Sie machten dabei darauf aufmerksam, dass es ihnen, die aufgrund anderweitiger Beschäftigungen dem Hofgericht nicht mehr vorsitzen könnten, immer schwererfalle, einen Statthalter zu finden und zu benennen. Es sei deshalb zu befürchten, dass dieser Platz dauerhaft vakant bleibe.1812 Der Kaiser kam dem Sulzer Ersuchen mit Schreiben vom 16. September 1619 nach und ernannte Graf Froben von Helfenstein zum Visitator.1813 Dieser sollte darauf wie es dieser Zeit, mit mehrgeschribenen Hofgericht zue Rotweil, aigentlich bewandt vnd beschaffen, gewissten bericht vnnd erkhundigung einlangen, vnd vnß denselben mit den befundenen umbständen, vnd angehefften Zuthaten wie vnd was weiß, obgehörten erscheinenden unordnung zue bewegen vnd abzuhelffen sein müge mit dem ehisten veber schickhten.1814 Nachdem Graf Froben von Helfenstein z wischen 1619 und 1623 verstorben war, ernannte der Kaiser drei neue Kommissare: Abt Georg von Weingarten, den kaiserlichen Geheimen Rat und Juristen Dr. Johann Leonhard Roth und Wilhelm Heinrich Erbtruchsess von Waldburg.1815 Diesem Schreiben wurde eine ausführliche kaiserliche Instruktion für die durchzuführende Visitation beigefügt. Den Kommissaren wurde darin aufgegeben, über die Visitation und deren Ergebnisse so zügig wie möglich einen Bericht und ein Gutachten zu erstellen und dem Reichshofrat zukommen zu lassen.1816 Die kaiserliche Instruktion gibt dabei im Folgenden den geplanten Ablauf der Visitation vor. Zu Beginn der Visitation hatten die Visitatoren vor dem Hofrichter, den Beisitzern und den weiteren Gerichtspersonen samt Prokuratoren die kaiserliche Visitationsanordnung inklusive der darin aufgeführten Mängel des Hofgerichts zu verlesen.1817 Alle Hofgerichtspersonen sollten ermahnt werden, auf jeden 1812 HStASt C1 Bü 192 fol. 70r (Kopie eines Kaiserlichen Schreibens an Graf Frobenius zu Helfenstein wegen der Unordnung beim Hofgericht Rottweil; 16. September 1619); HStASt C1 Bü 192 fol. 55r (Kopie eines Kaiserlichen Schreibens an die Kommissare zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623); HStASt C1 Bü 192 fol. 91r f. (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1813 HStASt C1 Bü 192 fol. 70r f. (Kopie eines Kaiserlichen Schreibens an Graf Frobenius zu Helfenstein um Bericht wegen der Unordnung beim Hofgericht Rottweil; 16. September 1619). 1814 HStASt C1 Bü 192 fol. 70v (Kopie eines Kaiserlichen Schreibens an Graf Frobenius zu Helfenstein wegen der Unordnung beim Hofgericht Rottweil; 16. September 1619). 1815 HStASt C1 Bü 192 fol. 55r f. (Kopie eines Kaiserlichen Schreibens an die Kommissare zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623); HStASt C1 Bü 192 fol. 91r–92r (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). Der Abt zu Weingarten und der Erbtruchsess waren danach aufgrund der räumlichen Nähe zu Rottweil ausgewählt worden. 1816 HStASt C1 Bü 192 fol. 55v f. (Kopie eines Kaiserlichen Schreibens an die Kommissare zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1817 HStASt C1 Bü 192 fol. 92r (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623).
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einzelnen Artikel, über den sie befragt wurden, ehrlich zu antworten und nichts zu verschweigen.1818 Danach war einer nach dem anderen über die jeweiligen Fragstücke zu vernehmen. Zu behandelnde Themen sollten hierbei vor allem die Problematik des Gerichtsvorsitzes sowie die juristische Qualifikation und Erfahrenheit der Beisitzer – in specie aber wo vnnd wie weit ain yedtlicher beysitzer gestudirt habe – sein.1819 Die schriftlich erfassten Antworten sollten die Visitatoren miteinander vergleichen, mögliche Problempunkte herausarbeiten und unter Umständen auffällige Personen nochmals verhören.1820 Kam bei dieser Vorgehensweise die Untauglichkeit einzelner Personen zum Vorschein, hatten die Visitatoren diese Personen zur Rede zu stellen und an ihre Pflichten zu erinnern.1821 Der Kaiser wies in d iesem Zusammenhang darauf hin, dass man insbesondere bei den Urteilern darauf achten müsse, dass diese erfahren, besser noch juristisch gelehrt seien. Um den Urteilerposten für Rechtsgelehrte finanziell attraktiver zu machen, sollte man eine Erhöhung der Kanzleigebühren ins Auge fassen.1822 Der Kaiser beanstandete in der Instruktion ferner den gerichtlichen Prozess, über dessen vnformbligkhait bis dahero vilfältige Clagen einkhommen seien. Die Visitatoren wurden dazu angehalten, zusammen mit dem Hofrichter und den Beisitzern darüber zu beraten, wie man den Prozess verbessern könne. Soweit mög lich, waren die Ergebnisse sogleich schriftlich in Form einer Ordnung zu fassen und mit kaiserlicher Vollmacht zu verabschieden. Hofrichter, Kanzleiverwalter, Beisitzer und Prokuratoren sollten zudem auf die 1610 erschienenen Notas et observationes Pauli Matthiae Wehneri über die AHGO und die NHGO hingewiesen werden. Zudem hatten die designierten Visitatoren mit Blick auf das hofgerichtliche Verfahren zu untersuchen, was gestalt die letzte Visitation abgeholffen, vnnd waß für ain effect darauf eruolget.1823 Wo Unordnung und Mängel am Gericht so groß s eien, dass diese nicht vor Ort behoben oder verbessert werden könnten, sollten diese Mängel gesondert verzeichnet und zusammen mit dem Gutachten an den K aiser überschickt werden.1824 1818 HStASt C1 Bü 192 fol. 92r f. (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1819 HStASt C1 Bü 192 fol. 93r f. (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1820 HStASt C1 Bü 192 fol. 93v (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1821 HStASt C1 Bü 192 fol. 93v f. (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1822 HStASt C1 Bü 192 fol. 94r (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1 823 Zum gesamten Komplex des gerichtlichen Prozesses: HStASt C1 Bü 192 fol. 94r f. (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1824 HStASt C1 Bü 192 fol. 94v (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623).
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In der Instruktion wird speziell auf die zahlreichen Beschwerden über die Ehehaften eingegangen, nämlich daß daselbsten vnnder dem Schein deß wörtleins Ehehafften (zu welchem zwar gewisse Sachen in der Hofgerichts Ordnung part. 2 tit. 5 begriffen vnnd gehörig zu sein ertzehlt vnnd außgeführt werden) allerlay darzu nit gehörende, sonder dahin interpretirte, sonderlich aber der Juden verpottene wucherliche Sachen angenomen würden.1825 Dabei würden nach wie vor die Befreiungen der Kurfürs ten, Fürsten und Stände nicht berücksichtigt, sondern weiterhin deren Untertanen geladen und die Remission verweigert werden. Hierdurch käme es aufgrund zahlreicher Appellationen zu einer Überlastung des Reichskammergerichts.1826 Das Reichskammergericht gebe diesen Appellationen wiederum in nahezu allen Fällen statt. Rottweil übergehe jedoch die kammergerichtlichen Entscheidungen und zitiere die Untertanen immer wieder aufs Neue vor das Gericht.1827 Die Kommissare sollten deshalb das Wort Ehehaft näher bestimmen und erneut klären, welche Fälle hierunter zu fassen waren.1828 Mit Blick auf die Zitationen vollzog der K aiser, im Vergleich zu seiner Position im Jahre 1576, eine Kehrtwende. Die Kommissare sollten nämlich dem Hofgericht für die Zukunft aufgeben, befreite Stände, deren Privilegien ihnen einmal unterbreitet worden waren oder von deren Exemtionen oder Befreiungen sie Kenntnis hatten, nicht mehr vor das Hofgericht zu zitieren.1829 Um dem Hofgericht jedoch in d iesem Punkt auch Unterstützung zukommen zu lassen, sollten die Visitatoren zusammen mit den Gerichtspersonen in der Kanzlei die einzelnen dort aufbewahrten Exem tionsprivilegien in Augenschein nehmen und überprüfen. Das Gerichtspersonal hatte genau darüber unterrichtet zu sein, welcher Stand über ein Exemtionsprivileg verfügte und welcher sich lediglich anmaßte, über ein solches zu verfügen.1830 Die Gerichtspersonen sollten in d iesem Zusammenhang zu im Vorfeld der Visitationen eingereichten Beschwerden der Kurfürsten und Stände des Reichs Stellung nehmen.1831 Der Kaiser betonte zudem, dass das Hofgericht alleine von seinen Vorfahren und 1825 HStASt C1 Bü 192 fol. 94v f. (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1826 HStASt C1 Bü 192 fol. 95r (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1827 HStASt C1 Bü 192 fol. 95r (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1828 HStASt C1 Bü 192 fol. 95v (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1829 HStASt C1 Bü 192 fol. 95v (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1830 HStASt C1 Bü 192 fol. 96r (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1831 HStASt C1 Bü 192 fol. 96v (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623).
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von ihm herrühre und es deshalb alleine ihm zustehe, über Gerichtspersonen und Gerichtsprivilegien zu entscheiden.1832 Die Instruktion gibt den Rottweiler Sprengel – wie er auch in beiden Ordnungen beschrieben ist – wieder. Es wird betont, dass sich dies yetziger Zeit […] anderß befindt, die Visitatoren jedoch untersuchen sollen, wie sich die Jurisdiktion des Gerichts wieder erweitern und gegen andere Gerichte verteidigen lasse.1833 Abschließend fasst der Kaiser die Instruktion folgendermaßen zusammen: Derentwegen so ist vnnser mainung vnnd beuelch das vnnsere Kay. Commissarien in allen obgeschri benen Puncten, vnnd gantzen tractatu Visitationis fürnemblich dahin sehen, wie das Iehnige was etwa, ain Zeitlang mißverstandts, vnordnung vnnd Mißbrauchs, wider des Heyl. Reichs Satzung vnnd des Gerichts fundation eingeschlichen sein möchte, abgestelt, verbessert, vnnd zu richtiger Ordnung gebracht, sonsten aber sovil immer möglich, vnnser Gericht, bey desselben Jurisdiction, freyhaiten vnnd herkommen gelassen vnd erhalten werde.1834 Während einerseits also die Missstände am Hofgericht behoben werden sollten, garantierte der K aiser auf der anderen Seite, dass das Gericht in Bezug auf seine Jurisdiktion, seine Freiheiten und sein Herkommen keine Abstriche machen müsse. Am 21. August 1626 erkundigte sich Wilhelm Heinrich, Erbtruchsess und Graf von Waldburg-Scheer, bei dem zusammen mit ihm zum Visitator benannten Rechtsgelehrten und kaiserlichen Geheimen Rat Dr. Johann Leonhard Roth, wie dieser gedenke, in Sachen Rottweil weiter zu verfahren, da Roth hierzu seit fünf Monaten nichts mehr von sich habe hören lassen.1835 Am 30. Juni 1627 schrieb der Graf von Waldburg-Scheer an den Hofrichter Graf Karl Ludwig Ernst von Sulz, seinen liebe[n] Vetter, Schwager vnnd verthrawte[n] bruader, er habe den Eindruck, dass der ebenfalls als Visitator ausgewählte Abt Georg von Weingarten zue dißer Commission […] wenig lusst habe, und auch von Dr. Roth habe er noch nichts gehört.1836 Mit Schreiben vom 28. August 1628 gab der Kaiser gegenüber dem Grafen von Waldburg-Scheer bekannt, dass der Abt von Weingarten aufgrund seines hohen Alters von seinem Visitatorenamt befreit und der Abt Johann Christoph
1832 HStASt C1 Bü 192 fol. 97r f. (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1833 HStASt C1 Bü 192 fol. 98r f. (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1834 HStASt C1 Bü 192 fol. 97v (Kopie der kaiserlichen Instruktion zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil; 28. August 1623). 1835 HStASt C1 Bü 192 fol. 58r (Schreiben des Grafen Wilhelm Heinrich zu Waldburg- Scheer an den rechtsgelehrten kaiserlichen geheimen Rat Dr. Johann Leonhard Roth; 21. August 1626). 1836 HStASt C1 Bü 192 fol. 57r (Schreiben des Grafen Wilhelm Heinrich zu Waldburg- Scheer an den Hofrichter Graf Karl Ludwig Ernst von Sulz; 30. Juni 1627).
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von Weissenau statt seiner zum Visitator ernannt worden sei.1837 Es habe sich jedoch auch der Abt von Weissenau von d iesem Amt befreien lassen.1838 Zwischenzeitlich seien sowohl der Abt von Weingarten als auch Dr. Roth verstorben.1839 Die Visita tion solle jedoch nach wie vor – unter Leitung des Grafen von Waldburg-Scheer und mit neuen, noch zu ernennenden Kommissaren – stattfinden.1840 Dem Grafen wurden schließlich der neue Abt von Weingarten sowie der Rechtsgelehrte Dr. Albrecht Eberhard von Miltenburg zur Seite gestellt.1841 Daraufhin wandte sich Graf Wilhelm Heinrich von Waldburg-Scheer wiederum an seinen Vetter, den Hofrichter, und bat darum, Kopien aller Kay[serlichen] Freyheitten, So auch des Löbl[ichen] Hofgerichts, truckhte oder geschribene, Alt vnd Newe, statuten, sazunge, ordnungen, Vnd was dergleichen vorhanden sein möchte, übersendet zu bekommen.1842 Damit könnten sich die Kommissare bereits auf die Visitation vorbereiten und diese mög lichst rasch durchführen.1843 Diese Bitte wiederholte der Graf in einem Schreiben vom 21. Januar 1629.1844 Wohl zwischen 1629 und 1643 äußerte sich der Graf von Waldburg-Scheer in einem gehorsam unvergreiflichs Memorial und legte darin seine Gedanken hinsichtlich der bevorstehenden Visitation des kaiserlichen Hofgerichts nieder: Danach sah er die Visitation und Erneuerung des Hofgerichts als durchaus machbare Aufgabe an, die auch nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen sollte.1845 1837 HStASt C1 Bü 192 fol. 62r f. (Kopie eines kaiserlichen Schreibens an die neuen Kommissare zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil cum transmissione der Umfertigung, 28. August 1628). 1838 HStASt C1 Bü 192 fol. 62r f. (Kopie eines kaiserlichen Schreibens an die neuen Kommissare zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil cum transmissione der Umfertigung, 28. August 1628). 1839 HStASt C1 Bü 192 fol. 62r f. (Kopie eines kaiserlichen Schreibens an die neuen Kommissare zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil cum transmissione der Umfertigung, 28. August 1628). 1840 HStASt C1 Bü 192 fol. 62r f. (Kopie eines kaiserlichen Schreibens an die neuen Kommissare zur Visitierung des Hofgerichts zu Rottweil cum transmissione der Umfertigung, 28. August 1628). 1841 HStASt C1 Bü 192 fol. 64r (Recepisse der Kanzlei des prälatischen Gotteshauses zu Weingarten; 20. Oktober 1628). 1842 HStASt C1 Bü 192 fol. 66r (Schreiben des Grafen Wilhelm Heinrich zu Waldburg- Scheer an den Grafen Karl Ludwig Ernst zu Sulz; 10. November 1628). 1843 HStASt C1 Bü 192 fol. 66r (Schreiben des Grafen Wilhelm Heinrich zu Waldburg- Scheer an den Grafen Karl Ludwig Ernst zu Sulz; 10. November 1628). 1844 HStASt C1 Bü 192 fol. 68r f. (Schreiben des Grafen Wilhelm Heinrich zu Waldburg- Scheer an den Grafen Karl Ludwig Ernst zu Sulz; 21. Januar 1629). 1845 HStASt C1 Bü 192 fol. 119r–124r (fol. 119v f.) (Gehorsames unvergreifliches Memorial und einfältige Bedenken des kaiserlichen Hofgerichts bevorstehende kaiserliche Visita tion betreffend; undatiert). In dem Memorial führt der Graf von Waldburg-Scheer an, dass der K aiser die Kommissare bereits mit seiner Instruktion versehen habe, die
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Der Graf hatte sich, ergänzend zu der kaiserlichen Instruktion, Schriftwerk – insbesondere die NHGO – aus der kaiserlichen Kanzlei zur Vorbereitung der Visita tion zuschicken lassen und in dieses Einsicht genommen. In Bezug auf den Ablauf der Visitation wollte er sich dabei vor allem an der Vorrede der NHGO orientieren.1846 In seinem Schreiben stellte der Graf zudem klar, dass er unbedingt das in der Hofgerichtskanzlei vorhandene Material zur Visitation aus dem Jahr 1572 sichten wolle.1847 Insgesamt schien der Graf von Waldburg-Scheer darauf bedacht zu sein, Kosten und zeitlichen Aufwand der Visitation gering zu halten, weshalb er viel Wert auf umfangreiche Vorbereitung und Vorarbeit legte. So wollte der Graf, dass der Erbhofrichter und die Urteilsprecher, das Kanzleipersonal, die Prokuratoren und Advokaten, der Fiskal und der Bote – ein jeder für sich – im Vorfeld der Visitation die ihnen aufgefallenen Mängel schriftlich erfassen und den Kommissaren unter absoluter Geheimhaltung übermitteln sollten.1848 Er befand des Weiteren, dass es in d iesem Zusammenhang zudem nicht schädlich sei, Stellungnahmen und den Rat gänzlich unbeteiligter Personen einzuholen.1849 Auch die Stände sollten nach seiner Ansicht ihre Beschwerden schon frühzeitig und vor dem tatsächlichen Besuch der Visitatoren schriftlich vorbringen. Es sei dabei insbesondere auf die Problematik der Exemtionen einzugehen.1850 Hierfür sollte den Ständen Craißwaiß vnd ins gemein od[er] aber jedem standt absönderlich die aller gdst. [gnädigst] ernst lich anbefohlene Comission vnd fürhabende Hoffghts. [Hofgerichts] Visitation der gebür […] insinuir[t] werden.1851 Die Stände sollten folglich nicht die Möglichkeit haben, Unkenntnis oder Zeitnot in Bezug auf das Vorbringen ihrer Beschwerden vorzuschützen.1852 Darüber hinaus sollte den Kommissaren genügend Zeit zur Verfügung stehen, sich vorab mit den ständischen Gravamina zu befassen.1853 Mit der Vorverlagerung vieler Stellungnahmen – sowohl des Gerichtspersonals als auch der Stände – wollte der Graf die Visitationskosten für die Stadt Rottweil und die Grafen von Sulz möglichst gering halten. Nach seiner Auffassung sollten die Kommissare deshalb auch möglichst einfach und ohne großes Gefolge während der Visitation Kommission aber noch vnuerrichtet nunmehr ein sehr geraume Zeit anstehen gebliben ligt. Grube zufolge schlief die Kommission spätestens bei Übergreifen des Krieges nach Rottweil 1643 ein (Grube: Verfassung (1969), S. 70). Danach müsste das Memorial wohl zwischen 1629 (Feststehen der neuen Kommissare) und 1643 (die Stadt wird belagert), vermutlich in den 30er-Jahren des 17. Jahrhunderts, entstanden sein. 1846 HStASt C1 Bü 192 fol. 120r. 1847 HStASt C1 Bü 192 fol. 120v. 1848 HStASt C1 Bü 192 fol. 121v. 1849 HStASt C1 Bü 192 fol. 121v. 1850 HStASt C1 Bü 192 fol. 122r f. 1851 HStASt C1 Bü 192 fol. 122v. 1852 HStASt C1 Bü 192 fol. 122v. 1853 HStASt C1 Bü 192 fol. 122v f.
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Unter der Neuen Hofgerichtsordnung von 1572
beherbergt werden.1854 Verhältnismäßig deutlich tat der designierte Kommissar seine Meinung zur Rolle des Kaisers kund. Die Römische Kaiserliche Majestät, allß welcher dis Hofght. [Hofgericht] stracks vnd allain zue gehördt, habe daraus folgend auch für die Unterhaltung des Gerichts Sorge zu tragen.1855 Es liege insbesondere an dieser mangelnden Unterhaltung und nicht so sehr an den Hofgerichtspersonen, dass dem Gericht seit Längerem der Untergang drohe.1856 Nach d iesem Memorial des Grafen von Waldburg-Scheer verstummen die Quellen. Zur Durchführung der lang geplanten Visitation kam es nie.
IV. Ergebnis Sowohl Rottweil als auch die Grafen von Sulz bemühten sich, die in der NHGO statuierten Vorgaben zur Verbesserung der Rottweiler Gerichtsorganisation und des Verfahrensganges umzusetzen. Der Stadt fehlten jedoch schlichtweg die finanziellen Mittel, um das Assessorat mit juristisch ausgebildeten Beisitzern aufzustocken und andere Reformmaßnahmen durchzuführen. Weder von den Grafen von Sulz noch vom Kaiser war diesbezüglich Unterstützung zu erwarten. Auch was die Problematik der Exemtionen und Ehehaften anging, erfuhr Rottweil nur in unzureichendem Maße Unterstützung vom K aiser. Stellte er sich auf der einen Seite immer wieder hinter das ihm unmittelbar unterstehende Gericht, fuhr er auf der anderen Seite damit fort, Exemtionen gegen den Rottweiler Gerichtszwang zu erteilen und das Exekutionsverfahren des Gerichts durch Aufhebung seiner Achtsprüche wirkungslos zu machen.
1854 HStASt C1 Bü 192 fol. 122v–124r. 1855 HStASt C1 Bü 192 fol. 123v. 1856 Ebenda.
E. Das Rottweiler Hofgericht im Spannungsfeld des Südwestens I. Verhältnis zum Kaiser und Stellung in der Gerichtslandschaft 1. Das Rottweiler Hofgericht und der Kaiser Als kaiserliches Landgericht ist das Rottweiler Hofgericht klar dem Herrscher des Heiligen Römischen Reiches zuzuordnen. Am Hofgericht wurde von Beginn an „in Vertretung des deutschen Königs Recht gesprochen“.1857 Daraus resultierte das Bestreben des Gerichts, wenn nicht, wie für ein königliches Gericht üblich, überall im Reich, dann wenigstens in einem größtmöglichen Gebiet Recht zu sprechen.1858 Dieses Bestreben fiel in dem von den Gebieten her zersplitterten südwestdeutschen Raum anfänglich auf fruchtbaren Boden.1859 Scheyhing führt den insbesondere im 15. Jahrhundert bedeutenden Wirkungsbereich des Hof gerichts auf das „Vertrauen der Rechtssuchenden“ im Südwesten zurück.1860 Auch Battenberg stellt für das 14. und 15. Jahrhundert auf die Person des Herrschers als zentralen Punkt ab. Die eigentlich politischen Streitigkeiten s eien weiterhin vor den Gerichten des Herrschers ausgefochten worden, „da nur auf diese Weise die durch Privilegien, Schutzrechte und Rechtsgewohnheiten begründete und stabilisierte Herrschaft auf Dauer legitimiert werden konnte“.1861 Aus diesem Grund hätten die kaiserlichen Landgerichte und die Femegerichte besonderen Wert darauf gelegt, ihren Gerichtszwang durch Privilegien des Herrschers unmittelbar auf diesen zurückzuführen.1862 Für eine klare Zuordnung des Rottweiler Hofgerichts zum Herrscher des Heiligen Römischen Reiches spricht ferner, dass bereits im Zeitraum ab der Regierungszeit Ludwigs IV . (1328 bis 1347) bis in die Regierungszeit Friedrichs III . (1452 bis 1493), also in der produktivsten Zeit des Rottweiler Hofgerichts, die jeweiligen Reichsherrscher zahlreiche Gerichtsstands privilegien gewährten.1863 Die Kaiser konnten lediglich deshalb so agieren, weil sie das Rottweiler Hofgericht – wie auch andere kaiserliche Landgerichte – ihrem Zuständigkeitsbereich zuordneten. Die besondere Beziehung zeigte sich auch noch im 16. Jahrhundert vielfach in den Schriftwechseln zwischen der Stadt beziehungsweise den Grafen von Sulz und 1857 1858 1859 1860 1861 1862 1863
Scheyhing: Landgericht (1962), S. 88. Scheyhing: Landgericht (1962), S. 88. Scheyhing: Landgericht (1962), S. 88. Scheyhing: Landgericht (1962), S. 92. Battenberg: Herrschaft und Verfahren (1995), S. 17. Battenberg: Herrschaft und Verfahren (1995), S. 17. Battenberg: Gerichtsstandsprivilegien, 2. Teilband (1983), S. 854.
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Das Rottweiler Hofgericht im Spannungsfeld des Südwestens
dem jeweiligen Herrscher.1864 Kaiser Sigmund nannte das Rottweiler Gericht im Jahre 1427 sogar sein anderes Hofgericht.1865 Die Interessen der Stadt waren zu einem nicht unbedeutenden Teil von einer der Th eorie nach stadtfremden, dem K aiser unmittelbar unterstehenden Institution – dem Hofgericht – beeinflusst.1866 Die Zugehörigkeit zum K aiser lässt sich ferner daran erkennen, dass dieser von Zeit zu Zeit der Stadt damit drohte, ihr das Hofgericht zu entziehen.1867 Grube verweist darauf, dass die K aiser dem Gericht bis zum Ende des 15. Jahrhunderts auch immer wieder Sachen „zur kommissarischen Entscheidung“ übermittelten.1868 Die kaiser lichen Landgerichte, insbesondere das Rottweiler Hofgericht, sollten hierdurch zu im Reich fest verankerten Institutionen kaiserlicher Gerichtsbarkeit werden.1869 In der frühen Neuzeit häuften sich jedoch Rottweils Probleme: Mit den Territorialmächten wurden zeitaufwendige Streitigkeiten über die Rottweiler Kompetenz vor allem über Exemtionen und Ehehaften geführt, der Schwäbische Kreis, dem Rottweil sogar angehörte, beschloss wiederholt, das Gericht zu boykottieren, auch die Reichsstädte wandten sich vermehrt gegen Rottweil, und auf den Reichstagen war das Gericht schon längst ein Dauerthema.1870 Ab Mitte der 1520er-Jahre nahm, vor allem in den Zünften, die Anhängerschaft der evangelischen Lehre in Rottweil zu.1871 Bald schon war die Stadt in zwei Lager gespalten, wobei die Mehrheit des Rates sich im alten Glauben verwurzelt sah.1872 Aufgrund großen äußeren Drucks begann der Rat massiv gegen die Anhänger der neuen Lehre vorzugehen. Sie wurden dazu gezwungen, sich von ihren neuen
1864 Exemplarisch seien hier aufgeführt: HStASt B203 Bü 2 (26. Mai 1563): nach dem das obgenandt Hofgericht von vnnß vnnd dem Hailligen Reich heerfleußt und solch vnnser Kaiserlich Hofgericht, so vnns, vnnd dem Reich, on alles mittl aigenthumlich zugehördt; HStASt C1 Bü 7 (undatiert): Ewre Röm. Kay. Mayt. alß dißes Hoffgerichts allerhöchsten Oberhaubts; HStASt C1 Bü 192, fol. 97r (28. August 1623): dardurch verursacht, das ermeldtes Gerichts Jurisdiction, authoritet vnd hoheit, alßo ein Römischen Kayser vnnd König allein zustunde; HStASt C1 Bü 192, fol. 97v (28. August 1623): weyl solches Gericht vnnß vnnd vnnseren Nachkommen, Römischen Kaysern allain vnnd aigenthumb lich zustehet. Siehe hierzu auch Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 2. 1865 Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 75. 1866 Enderle: Rottweil (1993), S. 217. 1867 So beispielsweise, als er Rottweil dazu zwingen wollte, das Bündnis mit den Eidgenossen aufzugeben und in den Schwäbischen Bund einzutreten (Bütler: Reichsstadt Rottweil (1908), S. 101; Enderle: Rottweil (1993), S. 222). 1868 Grube: Verfassung (1969), S. 15. Ferner Etzold: Hofgericht Bd. 1 (1924/1925), S. 16. 1869 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 27. 1870 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 28. 1871 Grube: Verfassung (1969), S. 47; Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1838), S. 235. 1872 Enderle: Rottweil (1993), S. 221 f.; Grube: Verfassung (1969), S. 47.
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religiösen Überzeugungen zu distanzieren, bei Weigerung im Rottweiler Turm gefangen gehalten und schließlich, nach längeren, gewalttätigen Auseinandersetzungen, 1529 aus der Stadt vertrieben.1873 Dass der Rat so strikt gegen die reformatorische Bewegung vorging, lässt sich zum einen darauf zurückführen, dass der Kaiser der Stadt mit dem Entzug des Hofgerichts drohte,1874 was für Rottweil den massiven finanziellen Verlust der Hofgerichtsgebühren zur Folge gehabt hätte.1875 Zum anderen unterstützte das zu Beginn des 16. Jahrhunderts deutlich größer gewordene Rottweiler Territorium den Rat in der innerhalb der Stadt ausgetragenen Auseinandersetzung.1876 Problematisch für die Stadt wurde ihre enge Verbindung zur Eidgenossenschaft. Dass sich die Stadt der Eidgenossenschaft zugewandt hatte, mag auch dem ständig wachsenden Druck der Nachbarn Vorderösterreich und Württemberg geschuldet gewesen sein.1877 Im Gegensatz zu den Eidgenossen leistete Rottweil jedoch im Jahre 1498 den Huldigungseid gegenüber dem K aiser und verhielt sich trotz seines speziellen Bündnisses mit den Schweizern im 1499 beginnenden Schwabenkrieg neutral.1878 Nicht umsonst also hatte der Kaiser nach Aufnahme Rottweils in die Eidgenossenschaft 1519 die Stadt mit Steuern belastet und ihr die Bestätigung ihrer Privilegien versagt.1879 Die besondere Verbindung hielt – nach der Reformation immerhin noch mit den katholisch gebliebenen Eidgenossen – dem Papier nach bis zum Ende der Reichsunmittelbarkeit.1880 Für die evangelischen Orte der Eidgenossenschaft war es jedoch klar, dass das katholisch gebliebene Rottweil sich primär als „Glied des Reiches“ und nicht als „eidgenössisches Bundesglied“ sah, weshalb sie die Stadt seit 1632 nicht mehr als Mitglied des Bundes betrachteten.1881
1873 Decker-Hauff (Hg.): Chronik Bd. 3 (1972), S. 296 f.; Enderle: Rottweil (1993), S. 221 – 223; Press: Vorderösterreich (1989), S. 21; Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1838), S. 235 – 237 und S. 238 – 246. 1874 HStASt B203 Bü 16 (8. August 1529); Enderle: Rottweil (1993), S. 222; Grube: Verfassung (1969), S. 47; Press: Vorderösterreich (1989), S. 21. Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1838), S. 237 und S. 248 (auch von der oberöster reichischen Regierung in Innsbruck erhielt Rottweil ein Schreiben, in welchem mit dem Entzug des Hofgerichts gedroht wurde). 1875 Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 2 (1838), S. 237 f. 1876 Enderle: Rottweil (1993), S. 223. 1877 Enderle: Rottweil (1993), S. 217 f., S. 224. 1878 Gasser: Entwicklung (1932), S. 154. 1879 Bütler: Eidgenossenschaft (1908), S. 129; Grube: Verfassung (1969), S. 37 f. 1 880 Bütler: Eidgenossenschaft (1908), S. 129 f.; Enderle: Rottweil (1993), S. 223; Gasser: Entwicklung (1932), S. 154; Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 25. 1881 Gasser: Entwicklung (1932), S. 154.
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Das Rottweiler Hofgericht im Spannungsfeld des Südwestens
2. Das Rottweiler Hofgericht in der Gerichtslandschaft des Reiches a. Reichskammergericht und Reichshofrat Hatte das Hofgericht ab der Mitte des 15. Jahrhunderts die durch das Erstarken der Territorien hervorgerufene Schwäche von Reichshofgericht und Königlichem beziehungsweise Kaiserlichem Kammergericht im südwestdeutschen Raum zu seinem eigenen Vorteil nutzen können, änderte sich dies mit der Schaffung des Reichskammergerichts im Jahre 1495.1882 Das zu Beginn noch bestehende Konkurrenzverhältnis, welches wohl durch Prävention (Anhängigkeit der Streitsache) gelöst werden sollte,1883 wandelte sich bereits kurz nach der Gründung des Reichskammergerichts aufgrund der Appellationsmöglichkeit in ein Subordinationsverhältnis.1884 Potenzielle Kläger überlegten sich dabei wohl genau, an welchen Gerichten sie in nachvollziehbaren Verfahren am ehesten Chancen hatten, mit ihren Forderungen durchzudringen.1885 Von einer klaren Abgrenzung gerichtlicher Zuständigkeiten kann somit keine Rede sein. Beiden Gerichten – sowohl dem Rottweiler Hofgericht als auch dem Reichskammergericht – waren alle reichsunmittelbaren in ihrem Wirkungsbereich sesshaften Personen und Institutionen grundsätzlich unterworfen.1886 Für den Wirkungs bereich des Rottweiler Hofgerichts resultiert daraus somit zunächst ein Wirken beider Gerichte. Auch seitens des Reichskammergerichts wurden gegenüber den kaiserlichen Landgerichten keine klaren Zuständigkeitsabgrenzungen vorgenommen. Insbesondere mit Blick auf das Rottweiler Hofgericht hätte eine s olche Einflussnahme des Reichskammergerichts im Zuge der Visitation des Rottweiler Hofgerichts erfolgen können. Hierauf hatte es jedoch gerade verzichtet und in Bezug auf sämtliche Visita tionsvorgänge sowie der Errichtung der Neuen Hofgerichtsordnung auf den seiner Ansicht nach allein zuständigen Kaiser verwiesen.1887 Die Zahl der Appellationen stieg in der Folgezeit beträchtlich an.1888 Seine Stellung als quasi oberstes Reichsgericht für Schwaben verlor das Rottweiler Hofgericht hierauf 1882 Grube: Verfassung (1969), S. 33; Weitzel: Appellation, S. 344. 1883 Grube verweist allerdings zu Recht darauf, dass es offen sei, ob dies so auch der Praxis entsprach (Grube: Verfassung (1969), S. 35). Vielmehr steht zu vermuten, dass Streitsachen häufig, hinsichtlich des Streitgegenstandes zumindest partiell, an mehreren Gerichten anhängig waren. 1884 NHGO, Part. 3 Tit. 17, fol. 53r f. 1885 Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 83. Siehe hierzu auch Mentgen: Bedeutung (1995), S. 397 f. 1886 Grube: Verfassung (1969), S. 34. 1887 Senckenberg: Abhandlung (1760), Beilage Num. XV., S. 41; Weitzel: Beschneiden (2013), S. 168. 1888 Lanzinner/Heil (Bearb.), Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662, 1. und 2. Teilband (2002), S. 706, S. 689, S. 824, S. 839 und S. 1228; Grube:
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ziemlich schnell.1889 Gleichzeitig stellten die vielen Appellationen für das Reichskammergericht eine spürbare Belastung im Arbeitsablauf dar.1890 Während Grube die vielen Entscheidungen gegen das Hofgericht mit einer pauschalen Ablehnung der Rottweiler Ehehaften durch das Reichskammergericht begründet 1891 und hierfür auf Wehner 1892 verweist, legt Jack dezidiert dar, dass für das Reichskammergericht die Rottweiler Ehehaften nur dann nicht griffen, wenn sich das jeweilige Exemtionsprivileg konkret auf die Ehehaften des Hofgerichts bezog.1893 Daraus zieht Jack den Schluss, dass nicht so sehr die reichskammergerichtliche Rechtsprechung Rottweil in arge Bedrängnis brachte, sondern alleine schon dessen Existenz als Appellationsinstanz, da durch die Einlegung der Appella tion viele Rottweiler Prozesse blockiert wurden.1894 Eine grundlegende Untersuchung des Verhältnisses zwischen dem Rottweiler Hofgericht und dem Reichskammergericht muss an dieser Stelle zukünftigen Forscherinnen und Forschern vorbehalten bleiben. Wie bereits dargestellt, soll nach Wehner und von Zimmern dem Reichshofrat in Fällen von Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung oder bei fehlerhafter Besetzung des Hofgerichts eine alleinige Appellationszuständigkeit zugekommen sein.1895 Problematisch an dieser Darstellung erscheint, dass hier im Zusammenhang mit den Fällen der Rechtsverweigerung und der Rechtsverzögerung der Terminus der Appellation verwendet wird. Eine Appellation war in diesen Fällen aufgrund einer nicht vorhandenen untergerichtlichen Entscheidung nämlich gerade nicht möglich.1896 Vielmehr stand den betroffenen Parteien das Mittel der Rechtsverweigerungsbeschwerde zur Verfügung.1897 Oestmann betont allerdings, dass „im frühen 16. Jahrhundert noch nicht streng zwischen Rechtsverweigerungsprozessen und Apellationen unterschieden“ wurde und „diese Schwierigkeit auch in der späteren Zeit weiterhin bestand“. 1898
Verfassung (1969), S. 49. 1889 Grube: Verfassung (1969), S. 35; Ruckgaber: Frei- und Reichsstadt Rottweil Bd. 2 Abt. 1 (1836), S. 19 f.; Speidel: Hofgericht (1914), S. 131. Nach Diestelkamp musste sich das Reichskammergericht „erst einen Platz im Rechtsleben und Verfassungsgefüge des Reiches erkämpfen“ (Diestelkamp: Vom Königlichen Hofgericht (1999), S. 199). 1890 Kaiser Maximilian II. an den Hofrichter und die Urteilsprecher des Hofgerichts Rottweil, Brief vom 26. Februar 1571 (HStASt C1 Bü 9). 1891 Grube: Verfassung (1969), S. 66. 1892 Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 107. Jack begründet überzeugend, dass der Verweis auf Wehner nicht trägt. Wehner äußere sich hier lediglich zu einem bestimmten Fall, in welchem der Appellant gerade nicht über ein speziell die Ehehaften einschließendes Exemtionsprivileg verfügte ( Jack: Ehafte (2012), S. 117). 1893 Jack: Ehafte (2012), S. 116 – 120 und S. 131. 1894 Jack: Ehafte (2012), S. 131. 1895 Siehe S. 196. 1896 Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 60, S. 98 f., S. 115 und S. 117. 1897 Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 98 f. und S. 115. 1898 Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 94 f.
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Das Rottweiler Hofgericht im Spannungsfeld des Südwestens
Insofern steht zu vermuten, dass Wehner und von Zimmern hier zwar den Begriff Appellation verwenden, jedoch von einer Rechtsverweigerungsbeschwerde ausgehen. Harpprecht führt im Übrigen an, dass in der Praxis ebenfalls das Reichskammergericht mit Fällen von Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung und fehlerhafter Besetzung des Hofgerichts befasst gewesen sei.1899 Für weitere Forschungen zum Rottweiler Hofgericht, im Speziellen das Verhältnis zum Reichshofrat betreffend, dürften wohl auch die Ergebnisse des von Sabine U llmann und Gabriele Haug-Moritz geleiteten Forschungsprojekts zu Supplikationen an den Reichshofrat in der Regierungszeit Kaiser Rudolfs II. von großem Interesse sein.1900 b. Das Rottweiler Hofgericht und die Gerichtsverfassung des Reiches Nach anfänglichem Beharren auf den hergebrachten Rechtsvorstellungen wandte sich die juristische Praxis dem Umschwung im Rechtsdenken zu.1901 Das gelehrte Recht kam dem Vorhaben der territorialen Obrigkeiten, ihre eigenen Gerichtsbarkeiten unter dem Schutz der Exemtionsprivilegien und der Privilegien de non appellando und de non evocando auf- beziehungsweise auszubauen und dadurch ihre eigene Position gegenüber dem K aiser zu stärken, zugute. Die „Legitimierungs- und Sanktionierungskompetenz“ lag in der Folge nicht mehr beim Kaiser, sondern bei den territorialen Herrschaften.1902 Die regionalen Kräfte hatten Einfluss auf die Besetzung ihrer Gerichte und dadurch auch auf das von diesen anzuwendende prozessuale und materielle Recht. Herzog Ulrich von Württemberg beschrieb dies so: Er sei selbst ain loblicher fürst und stand des reichs und hab an aigen jurisdiction.1903 In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Reich bis zum Ende seines Bestehens einen Einfluss auf die Ausgestaltung der Gerichtsverfassungen in den Territorien bewahren konnte.1904 Dabei ist zum einen die auch am Rottweiler Hofgericht in Form von Ehehaften bestehende Möglichkeit zu nennen, bei Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung durch die
1899 Harpprecht: Staats-Archiv Bd. 5 (1767), S. 28. 1900 http://www-gewi.uni-graz.at/suppliken/projektteile.html (abgerufen am 24. April 2016). 1901 Diestelkamp: Vom Königlichen Hofgericht (1999), S. 204 f. Diestelkamp merkt jedoch auch an, dass der Prozess, trotz zahlreicher Änderungen im Verfahrensablauf selbst, weiterhin nicht primär auf das Erhalten eines vollziehbaren Urteils, sondern darauf gerichtet war, den Beklagten dazu zu bewegen, sich auf die Klage einzulassen und so einen Konsens zwischen den Parteien zu erzielen (Diestelkamp: Vom König lichen Hofgericht (1999), S. 209 – 211; Diestelkamp: Verwissenschaftlichung (1999), S. 263 und S. 275). 1902 Battenberg: Herrschaft und Verfahren (1995), S. 17. 1903 HStASt A148 Bü 10 (17. November 1540). 1904 Oestmann: Gerichtsbarkeit (2011), S. 293 f.
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territoriale Obrigkeit vor den Reichsgerichten zu klagen.1905 Alleine diese mögliche Inanspruchnahme der Reichsgerichte, verbunden mit dem Entzug der landesherr lichen Gerichtsgewalt, erzeugte einen großen Druck auf die Territorialherren, den Rechtssuchenden durch eine voll ausgebaute und ausgereifte Justiz zu ihrem Recht zu verhelfen.1906 Zum anderen unterstrich der Kaiser durch die Erteilung von Privilegien, vor allem Appellationsprivilegien, das weiterhin bestehende Bild seiner selbst als Quelle jeglicher Gerichtsbarkeit.1907 Gerade die Appellationsprivilegien garantierten dabei eine gleichlaufende, sich am Reich orientierende Ausgestaltung der einzelnen territorialen Gerichtsverfassungen, die sich dadurch ohne größere Gegensätze in die Gerichtsverfassung des Reiches eingliedern ließen.1908 Die kaiserlichen Landgerichte passten in diese Gerichtsverfassung des Reiches jedoch nicht mehr hinein 1909, weshalb das Rottweiler Hofgericht den rechtlichen Entwicklungen auch lange Zeit hinterherhinkte. Das Gericht stand in der Tradition des Reichshofgerichts, war also ein Gericht der dinggenossenschaftlichen Rechtsfindung, das mit einem Hofrichter und mit Laienurteilsprechern besetzt war.1910 Das Reichskammergericht hingegen wie auch die neu auf- und ausgebauten Gerichte der Territorien standen in der Tradition des seit dem 15. Jahrhundert in den Quellen auftauchenden Königlichen Kammergerichts.1911 Hier hatte sich der Herrscher ursprünglich von seinen rechtsgelehrten Räten beraten lassen. Folglich waren an 1905 Die NHGO unterscheidet zwei Fälle von Rechtsverweigerung. NHGO, Part. 3 Tit. 5 § 3, fol. 35r regelt den Fall der Rechtsverweigerung nach Remission. Hatte das Hof gericht einen Sache aufgrund eines Exemtionsprivilegs remittiert, musste der Beklagte dem Kläger die Rechtsverfolgung vor einem für ihn (den Beklagten) zuständigen Gericht ermöglichen. Hierfür war entweder im Exemtionsprivileg oder durch Urteil des Hof gerichts eine Frist vorgesehen. Wurde die Frist nicht eingehalten, konnte der Kläger erneut vor dem Hofgericht klagen, welches die Klage dann nicht mehr verwies. NHGO, Part. 3 Tit. 5 § 22, fol. 38v regelt den allgemeinen Fall der Rechtsverweigerung. Neben den Reichsgerichten war auch das Hofgericht als ein dem Herrscher unmittelbar unterstehendes kaiserliches Gericht in Fällen der Rechtsverweigerung zuständig (hierzu Perels: Justizverweigerung (1904), S. 14 f.). Wehner meint, dass der in NHGO, Part. 3 Tit. 5 § 3, fol. 35r geregelte Fall angesichts der allgemeinen Vorschrift in NHGO, Part. 3 Tit. 5 § 22, fol. 38v überflüssig sei (Wehner: Alte und erneuerte Ordnung (1610), S. 111 f.). Zu diesen Ausführungen auch Jack: Ehafte (2012), S. 47 f. und S. 52 – 55. 1906 Oestmann: Rechtsverweigerung (2010), S. 99 f., S. 139 f. und S. 141. 1907 Lück: Gestaltungsfaktoren (2013), S. 60. Willoweit merkt an, dass der Kaiser noch während des 14. und 15. Jahrhunderts „als Ursprung aller Gerichtsbarkeit ganz selbstverständ lich anerkannt“ war (Willoweit: Herrschaftsverständnis (2011), S. 160). 1908 Lück: Gestaltungsfaktoren (2013), S. 60 f. 1909 Grube: Verfassung (1969), S. 63; Weitzel: Appellation (1976), S. 67. 1910 Diestelkamp: Durchsetzung (1998), S. 19. 1911 Diestelkamp: Durchsetzung (1998), S. 19; Oestmann: Hofgericht, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1090.
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Das Rottweiler Hofgericht im Spannungsfeld des Südwestens
d iesem Gericht seit jeher ausgebildete Juristen tätig.1912 Um in diesen neuen Gerichtsstrukturen weiterhin bestehen zu können, mussten die kaiserlichen Landgerichte die Transformation von der dinggenossenschaftlichen Gerichtsorganisation hin zu der für sie vorbildhaften Gerichtsorganisation des Reichskammergerichts anstreben. Dass man in Rottweil kein Interesse daran gehabt hätte, das Gericht zu reformieren und sich damit für Rechtsuchende wieder attraktiver zu machen, kann somit nicht pauschal behauptet werden. Über die im Vorfeld der Visitation geleisteten Bemühungen zur Errichtung eines eigenen Entwurfes hinaus kann man auch für die Zeit nach 1572 Rottweiler Bemühungen zur Erhaltung des Gerichts konstatieren. Rottweil und die Grafen von Sulz bemühten sich durchaus – auch wenn, wie gesehen, eine gewisse Tendenz zur Vetternwirtschaft bestand 1913 –, die Qualität des Hofgerichtspersonals zu steigern.1914 So hatten die meisten Assessoren und Kanzleibeamten den akademischen Bildungsweg durchlaufen, auch wenn die wenigsten Rechtsgelehrte waren.1915 Insbesondere nach dem Dreißigjährigen Krieg, der Rottweil sehr in Mitleidenschaft gezogen und der Stadt schwere Verluste beigebracht hatte, wollten die Bürger ihrer Stadt und auch dem Hofgericht wieder zu altem Glanz verhelfen, was sie freilich nicht schaffen sollten.1916 Die Stadt musste weiterhin alleine für das Gericht, das im Übrigen kaum noch Gebühren abwarf, aufkommen und erhielt vom Kaiser keinerlei finanzielle Unterstützung.1917 Es verwundert deshalb umso mehr, dass sich das Rottweiler Hofgericht noch so lange Zeit – die letzte Gerichtsverhandlung fand immerhin erst 1784 statt – halten konnte, wurde es doch schon seit längerer Zeit als „Anomalie“ in der Gerichtslandschaft bezeichnet.1918 Grube macht hierfür die Habsburger „Hinhalte taktik“ verantwortlich: Die Kaiser stützten grundsätzlich das Hofgericht, machten jedoch auch immer wieder Rottweils Gegnern, die seit dem Westfälischen Frieden nunmehr ernstlich die Abschaffung des Gerichts verlangten 1919, Zugeständnisse.1920 Das Rottweiler Hofgericht war und blieb für die Kaiser insofern von Bedeutung, als es ein Zeugnis des Kaisers als oberstem Richter und Gerichtsherrn darstellte.1921 Vor diesem Hintergrund ist Willoweit zuzustimmern, der als Ursache des Abweichens der „modernen Beurteilung der neuzeitlichen Territorialverfassung und dem sich
1912 Diestelkamp: Durchsetzung (1998), S. 19 f.; Diestelkamp: Verwissenschaftlichung (1999), S. 267; Oestmann: Hofgerichte, HRG Bd. 2 (2012), Sp. 1089 f. 1913 Siehe S. 204. 1914 Siehe S. 204 f. Darüber hinaus Grube: Verfassung (1969), S. 68 f. 1915 Grube: Verfassung (1969), Anhang S. 223 – 229 und S. 229 – 233. 1916 Grube: Verfassung (1969), S. 61 f. 1917 Enderle: Rottweil (1993), S. 225; Grube: Verfassung (1969), S. 70 – 72. 1918 Grube: Verfassung (1969), S. 34; Kohler: Verfahren (1904), S. 113. 1919 Grube: Verfassung (1969), S. 62 f.; Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 88 f. 1920 Grube: Verfassung (1969), S. 63 – 66 und S. 79. 1921 Grube: Verfassung (1969), S. 79.
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einem zeitgenössischen Beobachter bietenden Bild“ das „Fortleben der hoch- und spätmittelalterlichen Herrschaftsformen“ ausmacht.1922 Willoweit weist insofern zu Recht darauf hin, dass Gerichtsbarkeit und höchste Gewalt langsam zu „Gegensätzen“ werden.1923 Die jurisdiktionelle Gewalt wurde zwar immer noch als integraler Bestandteil der umfassenden Territorialgewalt gesehen, sie war allerdings nur noch eine Form der öffentlichen Rechtsausübung beziehungsweise eine Machtbefugnis unter vielen.1924 In der Vorstellung der Zeitgenossen – auch der wissenschaftlichen Literatur – bestand jedoch weiterhin das Bild, dass es einzig die Gerichtsbarkeit des Landesherrn war, die seine politische Macht untermauerte.1925 Wurde das Rottweiler Hofgericht im Gefüge der Gerichtslandschaft als anomal bezeichnet,1926 gilt dies jedenfalls im Zusammenhang mit der intensivierten Territorialpolitik der Landesherren, die ihre umfassende territoriale Macht neben der jurisdiktionellen Gewalt auf weitere Säulen stützen konnten. Insoweit kann das Rottweiler Hofgericht als Anachronismus bezeichnet werden – es wurde nicht aufgrund der realen Gegebenheiten am Leben gehalten, sondern als Symbol eines überholten Verständnisses von Herrschaft.
II. Das Haus Österreich Eine weitere Funktion könnte das Gericht für die Habsburger, nicht als Herrscher des Heiligen Römischen Reiches, sondern als Erzherzöge von Österreich, speziell als Herrscher der österreichischen Vorlande, gehabt haben. Diese Perspektive ist in den bisherigen Forschungen zum Rottweiler Hofgericht nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Scheyhing verweist zu Recht auf die Reichsunmittelbarkeit als fundamentalen Faktor für das Hofgericht und betont gleichzeitig seine „Unabhängigkeit von jeder territorialen, dynastischen Macht“.1927 Dies kann zumindest für die lange Regierungszeit der Habsburger nicht in solcher Deutlichkeit gelten. Österreich stand als Territorialmacht vornehmlich hinter dem kaiserlichen Landgericht in Schwaben.1928 Mit dem Hofgericht hatte Österreich im 14. und 15. Jahrhundert eine komplizierte Beziehung. In einer Reihe von Exemtionsprivilegien, die 1355 ihren Anfang nahmen, wurde Österreich von der Jurisdiktion fremder Gerichte, also auch der des 1922 1923 1924 1925 1926 1927 1928
Willoweit: Territorialgewalt (1975), S. 3. Willoweit: Territorialgewalt (1975), S. 45. Willoweit: Territorialgewalt (1975), S. 45, S. 189 und S. 203. Willoweit: Territorialgewalt (1975), S. 187 und S. 189. Grube: Verfassung (1969), S. 34; Kohler: Verfahren (1904), S. 113. Scheyhing: Landgericht (1962), S. 84 – 86. In vorherigen Zeiten vor allem als kaiserliches Landgericht auf der Leutkircher Heide und in der Gepürs bekannt. Zum Landgericht in Schwaben in der Neuzeit: Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 237 – 286.
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Rottweiler Hofgerichts, befreit.1929 Komplexer wurde das Verhältnis jedoch, als die Habsburger seit 1438 wieder die Königs- beziehungsweise Kaiserwürde innehatten. Das Hofgericht unterstand dem jeweiligen Herrscher und symbolisierte insoweit auch seinen Machtanspruch als höchste gesetzgebende und richtende Gewalt. Andererseits war den Habsburgern als Territorialherren gerade daran gelegen, ihre Hausmacht zu erweitern und durch Innehabung der alleinigen Gerichtsgewalt zu durchdringen. Rottweil erkannte wie auch die höchsten Reichsgerichte die Befreiungen Österreichs nicht an und zitierte immer wieder österreichische Untertanen vor das Hofgericht.1930 1563 schließlich schlossen Kaiser Ferdinand I. und der Hofrichter, der Bürgermeister und der Rat zu Rottweil einen Vertrag 1931, nach dem trotz Exemtionsprivileg vor das Hofgericht geladene Untertanen Österreichs unter allen Umständen an das für sie zuständige Gericht remittiert werden sollten. Dies sollte auch dann gelten, wenn die Parteien ohne Wissen der österreichischen Obrigkeit auf die Exemtion verzichtet hatten. Ausnahmen sollten lediglich dann gelten, wenn österreichische Gerichte das Recht verweigerten, wenn Privilegien dem Gericht noch nicht hinreichend bekannt waren, bei Verfahren um Gerichtskosten und bei Parteien, die lediglich österreichische Schirmverwandte waren. Im Gegenzug sicherte Österreich zu, nicht mehr ohne gegebenen Anlass in den Rottweiler Prozessgang zu intervenieren. In Innsbruck war darüber hinaus 1539 eine Übereinkunft zur Abrenzung des Wirkungsbereichs des Rottweiler Hofgerichts und des Landgerichts in Schwaben erzielt worden, da es im Vorfeld über die sich überschneidenden Jurisdiktionsbereiche dieser Gerichte lange Auseinandersetzungen gegeben hatte.1932 Dem Landgericht wurde die Jurisdiktion über Oberschwaben zugesprochen, das Rottweiler Hofgericht sollte bei seinem Gerichtszwang bleiben. Wie Grube feststellt, war danach lediglich klar, dass der Rechtszug der österreichischen Gerichte fortan keineswegs nach Rottweil gehen konnte, im Übrigen blieb jedoch vieles im Unklaren.1933 Merzbacher merkt an, dass „immer seltener […] in der Neuzeit Sachen des österreichischen Reichskreises vor das Rottweiler Hofgericht“ gelangten, sich das angespannte Verhältnis zwischen dem Hofgericht und Österreich im Zuge dessen normalisierte und sich „eine neue Beziehung zwischen Rottweil und Wien, Schwaben und Österreich ergab“.1934
1929 Zu den einzelnen Exemtionsprivilegien: Merzbacher: Österreich (1965), S. 53 – 60. 1930 Merzbacher: Österreich (1965), S. 54. 1931 Abgedruckt bei Zimmern: Manuale (1720), Anhang. Zu Folgendem auch Grube: Verfassung (1969), S. 40; Jack: Ehafte (2012), S. 124; Merzbacher: Österreich (1965), S. 56. 1932 Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 269 f.; Grube: Verfassung (1969), S. 40; Gut: Landgericht (1907), S. 18. 1933 Grube: Verfassung (1969), S. 40. 1934 Merzbacher: Österreich (1965), S. 62 f.
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Ohne die Unterstützung der Habsburger hätte sich das Gericht zudem – ähnlich wie das Landgericht in Schwaben – nicht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts halten können.1935 Das Hofgericht konnte sich jedoch zu einem großen Teil seine Unabhängigkeit bewahren, während das Landgericht in Schwaben vollkommen „in die Abhängigkeit von Österreich“ geriet.1936 „Der innere Zwiespalt königlicher [später kaiserlicher] und territorialer Politik“ war von Anfang an das große Problem des Habsburger Gebietsausbaus in Schwaben.1937 Unter den Begriff der österreichischen Vorlande, der bereits in der Frühen Neuzeit verwendet wurde, fielen Schwäbisch Österreich im Osten, Vorderösterreich im Westen und das Walgäu (heute Vorarlberg).1938 Das aufgrund des Westfälischen Friedens geschrumpfte Gebiet dieser österreichischen Vorlande wurde seit einer Verwaltungsreform von 1753 insgesamt als Vorderösterreich bezeichnet.1939 Der Stammbesitz der Habsburger hingegen setzte sich aus dem nördlichen Aargau, dem Thurgau und dem oberen Elsass zusammen. Als der erste Habsburger, der spätere Rudolf I., zum deutsch-römischen Kaiser wurde, hatten sich die Habsburger schon weiter Richtung Schwaben orientiert und ihre Hausmacht ausgebaut.1940 Die Habsburger wollten damit an die Staufertradition anknüpfen und das schwäbische Herzogtum wiederherstellen. Hierfür war der Gebiets- und Machtausbau in Schwaben von besonderer Bedeutung.1941 Rudolf I. und sein N achfolger 1935 Grube: Verfassung (1969), S. 79. 1936 Weitzel: Appellation (1976), S. 68. Das Landgericht war eigentlich nur ein Pfand besitz des Hauses Österreich (Conrad: Rechtsgeschichte Bd. 2 (1966), S. 169), wurde jedoch als österreichisches Gericht angesehen ( Jack: Ehafte (2012), S. 125). 1937 Press: Vorderösterreich (1989), S. 4. 1938 Im Einzelnen setzte sich Schwäbisch Österreich aus der Markgrafschaft Burgau, der Grafschaft Kirchberg-Weißenhorn, der Herrschaft Schelklingen mit der Vogtei über das Benediktinerinnenkloster Urspring, der Stadt Ehingen, den fünf Donaustädten Munderkingen, Riedlingen, Mengen, Saulgau und Waldsee, den Grafschaften Sigmaringen und Veringen, der Oberen und der Niederen Grafschaft Hohenberg, der Herrschaft Schramberg, der Grafschaft Nellenburg, der Landvogtei Schwaben und der Stadt K onstanz zusammen. Das vorarlbergische Gebiet setzte sich aus den Herrschaften beziehungsweise Grafschaften Bregenz, Dornbirn, Feldkirch, Bludenz mit Montafon und Sonnenberg zusammen. Vorderösterreich bestand aus den Städten Villingen und Bräunlingen, dem Breisgau inklusive Freiburg, dem Schwarzwald, den vier Waldstädten Waldshut, Laufenburg, Säckingen und Rheinfelden, der Landvogtei Oberelsass und Sundgau, der Landvogtei Hagenau im Unterelsass und der Landvogtei Ortenau (Stievermann: Österreichische Vorlande (1993), S. 257). Diese Gebietsausdehnung unterlag jedoch aufgrund von Verpfändungen und Hinzugewinnen ständigen Änderungen. 1939 Stievermann: Österreichische Vorlande (1993), S. 259. 1940 Bader: Südwesten (1978), S. 65; Press: Vorderösterreich (1989), S. 3. 1941 Bader: Südwesten (1978), S. 67 f.; Press: Vorderösterreich (1989), S. 3 f. Zum staufischen Herzogtum Schwaben ab der Mitte des 12. Jahrhunderts: Maurer: Herzog
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Albrecht I. konnten so den Grundstein für eine starke Stellung der Habsburger im Südwesten legen.1942 Nach der Trennung des Habsburger Besitzes durch den Neuberger Vertrag von 1379, der Aufteilung in zwei Linien (Albertiner und Leopoldiner) und dem Übergang der Reichskrone an die Luxemburger und Wittelsbacher, dauerte es bis zur Regierung Maximilans I., bis der Herrscher der Vorlande mit dem Reichsoberhaupt wieder in einer Person zusammenfiel.1943 Zuvor hatte die Aufspaltung in unterschied liche habsburgische Linien dazu geführt, dass es zu Interessengegensätzen z wischen dem K aiser (Friedrich III.) und den Herzögen Albrecht und Sigmund gekommen war.1944 Friedrich III. nutzte seine Stellung nicht dazu aus, die territorialen Bestrebungen Österreichs im Südwesten zu unterstützen.1945 Das Auseinanderfallen z wischen der Person des Reichsherrschers und der Person des österreichischen Herzogs ermöglichte es den Habsburgern jedoch auch, zum Vorteil des gesamten Hauses unterschiedlich zu agieren.1946 Der wieder beide Positionen vereinende Maximilian I. verstand es unter anderem durch die Förderung des Schwäbischen Bundes, die Mächte im Südwesten auszu balancieren und sie gegen den wachsenden Einfluss der Eidgenossenschaft (dies galt allerdings nicht für Rottweil) abzusichern.1947 Nachdem der Schwäbische Bund im Jahre 1519 Herzog Ulrich aus Württemberg vertrieben und das Land an den König abgetreten hatte,1948 bot sich die „von der Geschichtsschreibung […] immer wieder [gepriesene] einmalige Chance einer territorialen Arrondierung Vorderösterreichs“.1949 Die Hinzugewinnung Württembergs schwächte jedoch die zuvor betriebene Politik der Habsburger empfindlich. Das Haus Österreich hatte nunmehr im Hinblick auf die Stärkung seiner Stellung in Schwaben zwei Möglichkeiten. Die eine Mög lichkeit bestand darin, das Gebiet durch Hinzuerwerbungen weiter territorial zu durchdringen.1950 Gegen diese Möglichkeit sprach jedoch, dass die Habsburger das Reichsoberhaupt stellten. Diese Stellung schloss eine intensivierte Territorialpolitik, wie sie unter den nicht über das Reich herrschenden Vorgängern Maximilians I. noch forciert werden konnte,1951 aus. Die andere Möglichkeit bestand darin, ein über
(1978), S. 268 – 300. 1942 Press: Vorderösterreich (1989), S. 5. 1943 Im Einzelnen hierzu: Speck: Kleine Geschichte (2010), S. 27 – 129. 1944 Speck: Kleine Geschichte (2010), Anhang Stammtafel III. 1945 Quarthal: Verankerung (2000), S. 18. 1946 Quarthal: Verankerung (2000), S. 18. 1947 Press: Vorderösterreich (1989), S. 11. 1948 Puchta: Württemberg (1967), S. 3 – 23. 1949 Press: Vorderösterreich (1989), S. 15. In diesem Sinne auch Bader: Südwesten (1978), S. 87; Ohler: Grenzen und Herrschaften (1989), S. 47 und Quarthal: Verankerung (2000), S. 9. 1950 Press: Vorderösterreich (1989), S. 13. 1951 Quarthal: Verankerung (2000), S. 18 – 20.
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ihr eigentliches Territorium hinausgehendes Satellitensystem nach Schwaben hinein aufzubauen und so ihren Einfluss zu vergrößern, wobei sich aus dieser Konstellation Probleme ergeben konnten, sollten die Habsburger nicht mehr auf dem Thron des Reiches sitzen.1952 Die Verbindung mit Württemberg sprach eigentlich für die erste Möglichkeit, scheiterte jedoch daran, dass Österreich seiner Position in Württemberg keine Stabilität verleihen konnte, was schließlich zur Rückkehr Herzog Ulrichs von Württemberg im Jahre 1534 führte.1953 Bader verweist zudem darauf, dass die schwäbischen Territorien einfach schon „zu fest gegründet“ gewesen seien.1954 Es liegt nahe, Rottweil eher als einen Unterstützer der Habsburger zu qualifizieren. Nachdem sich die Stadt – unter anderem auch wegen der kaiserlichen Androhung, das Hofgericht wegzunehmen – dazu entschlossen hatte, katholisch zu bleiben und seine gewichtige evangelische Minderheit aus der Stadt zu vertreiben, konnte man sie samt Hofgericht neben anderen wichtigen württemberg ischen Nachbarn wie den Zollern und den Fürstenbergern zu einem der Habsburger Satelliten zählen. Dafür, Rottweil mit seinem Hofgericht als Eckpfeiler der habsbur gischen Territorialpolitik während des 16. Jahrhunderts einzustufen, spricht zudem, dass sich das Landgericht Schwaben aufgrund territorialer Widerstände zu dieser Zeit in einer tiefen Krise befand.1955 Für Österreich konnte es somit nur günstig und lohnend sein, über ein weiteres ihm – zumindest in der Person des Kaisers – unterstehendes Gericht in Schwaben zu verfügen. Auch Rottweil selbst betonte oft die enge Bindung an das Haus Österreich.1956 Anlässlich der Visitation von 1570 sollte beispielsweise den Kommissaren dargelegt werden, was man bißher uff diese stundt bey der Röm. Kay. Mt. vnd furnemblich dem Hauß Oesterreich gethan hatte.1957 Und in seinem Bericht über einen schwäbischen Kreistag vom 25. März 1582 forderte der Rottweiler Vertreter, Magister Johann Wilhelm Armbruster, dazu 1952 Press: Vorderösterreich (1989), S. 13 f. 1953 Puchta: Württemberg (1967), S. 93 – 96. In d iesem Sinne auch Quarthal, der für das beginnende 16. Jahrhundert „das Ende spätmittelalterlicher habsburgischer Territorial politik in Südwestdeutschland“ markiert (Quarthal: Verankerung (2000), S. 20). 1954 Bader: Südwesten (1978), S. 84. 1955 Fischer: Landgericht Schwaben (1984), S. 277. 1956 Dies lässt sich beispielsweise auch daran erkennen, dass Rottweil Erzherzog Albrecht VI. von Österreich um seine Unterstützung bei der Aufnahme in den Fembund bat, was 1462 auch geschah (Thudichum: Reichsstadt Rottweil (1911), S. 84). 1957 HStASt B203 Bü 2. Ebenfalls aus HStASt B203 Bü 2: auch seydthero biß auf gegenwurd tige stund, wie wir vnß wol Ruemen vnnd fröwen dörffen, vnß bas in ainiche Conspiration oder abfall, deren nit wenig furgangen, Iemalen bewegen Laßen, sunder allwegen darbey als naturlicher von Gott gesetzter Oberkait vnnd neben demselben bey dem hochloblichen Hauß Österreych gehorsamist gebliben. Unter K aiser Friedrich III. war der Begriff des Hauses Österreich auf die vorländischen Besitzungen der Habsburger erstreckt worden (Quarthal: Verankerung (2000), S. 12 und S. 14).
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auf, sich Gedanken darüber zu machen, wie sich mit dem Hauß Össterreich (uff das man auch ain starckhen Ruckhen gleich alß wol, als das Landtgericht [in Schwaben] hette), einzelassenn were.1958 Laufs merkt ferner an, dass das Rottweiler Hofgericht „sein Aufblühen herzoglich-staufischen und königlich-habsburg ischen Antrieben verdankte“.1959 Österreich trat zudem wiederholt Forderungen der Stände entgegen, die überkommenen Landg erichte, insbesondere das Rottweiler Hofgericht und das Landgericht in Schwaben, abzuschaffen.1960 Es war somit nicht das Territorium, das die österreichische Herrschaft im südwestdeutschen Raum charakterisierte, sondern ihr großes weites Netz an Verbindungen und die daraus folgende Anbindung von weltlichen wie kirchlichen Adeligen und Reichsstädten. Quarthal merkt in d iesem Zusammenhang an, dass die Habsburger in keinem Gebiet des Reiches so „unmittelbar auf eine große Zahl von Reichsständen und Reichsfreien einwirken“ konnten wie in Schwaben.1961 Stellte das Rottweiler Hofgericht somit einerseits einen Störfaktor für die benachbarten Gebiete in ihrem territorialen Ausbau und damit verbunden dem Aufbau eigener Gerichte dar, steht andererseits zu vermuten, dass es von den Habsburgern trotz mancher Auseinandersetzungen als stabilisierender Faktor im Südwesten betrachtet wurde. Dass das Hofgericht in den Jahren nach 1572 Unterstützung durch den Kaiser erfuhr, könnte auch daran gelegen haben, dass sich im Umfeld des Herrschers ein prominenter Fürsprecher Rottweils aufhielt. Der von 1575 bis 1582 am Hofgericht als Kanzleiverwalter tätige Dr. Johann Hildebrand Möck (von Balgheim) war 1590 Kanzler in Innsbruck geworden und von 1596 bis 1601 Mitglied des Reichshofrats sowie 1598 des Inneren Rats K aiser Rudolfs II. 1599 war er Vertreter des Reichsvizekanzlers.1962 Dr. Johann Spreter von Kreudenstein und Dr. Johann Baptista Sachs hingegen hatten einen Ruf an die österreichische Kanzlei in Innsbruck beziehungsweise der Letztere einen Ruf an den Reichshofrat abgelehnt.1963 Auch dies war symptomatisch für die Habsburger Politik im Südwesten. Man versuchte nicht nur, territorialpolitische, sondern auch persönliche Beziehungen z wischen dem Hause Österreich und den Reichsstädten, Reichsrittern und anderen Reichsunmittelbaren im Südwesten zu schaffen. So bezeichnet Press die schwäbischen Städte teils aufgrund ihrer Reichsunmittelbarkeit, teils aufgrund hergebrachter guter Beziehungen zu Österreich als „beliebtes Rekrutierungsfeld“ der Habsburger.1964 Hier fanden sich viele bestens qualifizierte und mit 1958 HStASt C1 Bü 10 (Bericht des Magisters Johann Wilhelm Armbruster über den schwäbischen Kreistag zu Ulm am 25. März 1582). 1959 Laufs: Reichsstadt Rottweil (1993), S. 22. 1960 Moser: Justiz=Verfassung (1774), S. 924 f. und S. 926. 1961 Quarthal: Verankerung (2000), S. 17 und S. 21. 1962 Grube: Verfassung (1969), S. 231 Fn. 21. 1963 Grube: Verfassung (1969), S. 231 f. Fn. 20 und 24. 1964 Press: Vorderösterreich (1989), S. 9.
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Ergebnis
den Reichsgesetzen in Th eorie und Praxis vertraute Personen, die die Ausstrahlung des Innsbrucker und des Wiener Hofes anzog.1965 Die schwäbischen Reichsstädte selbst sahen sich mit einem Überangebot an fähigen Kräften konfrontiert, denen sie oftmals keine angemessene Stellung anbieten konnten.1966 Generell waren viele Juristen abwechselnd für das Reich, dann wieder für Territorien oder Reichstädte tätig, weshalb Diestelkamp sie als „verbindendes Moment im Verfassungsgefüge des Reiches“ bezeichnet.1967
III. Ergebnis Aufgrund der Reichsunmittelbarkeit sowohl der Stadt als auch des Hofgerichts konnte man sich in Rottweil der grundsätzlichen Unterstützung des Herrschers durchaus gewiss sein. Der Druck der Nachbarterritorien, allen voran Württembergs, aber auch Österreichs, war jedoch groß. Im Gegensatz zu Württemberg, das aktiv und vehement gegen den Zuständigkeitsanspruch des Hofgerichts vorging, agierte Österreich zurückhaltender. Zwar gab es Auseinandersetzungen mit Rottweil und den Grafen von Sulz in Bezug auf die Abgrenzung der Wirkungsbereiche des kaiser lichen Landgerichts in Schwaben und des Rottweiler Hofgerichts. Spätestens jedoch, seitdem die Kaiser wieder aus dem Hause Habsburg stammten, bildete Rottweil samt Hofgericht neben anderen Reichsstädten in Schwaben einen festen Eckpfeiler im österreichischen Satellitensystem. Dies zeigte sich unter anderem auch an personellen Verquickungen zwischen Rottweil und dem Reichshofrat in Wien beziehungsweise der Kanzlei in Innsbruck.
1965 Press: Vorderösterreich (1989), S. 9 und S. 17; Quarthal: Verankerung (2000), S. 21. Siehe hierzu auch Noflatscher: Schwaben (2000), S. 325 f. und vertiefend für die Zeit ab dem 18. Jahrhundert Zorn: Vorderösterreich (1989), S. 47 – 52. 1966 Noflatscher: Schwaben (2000), S. 338. 1967 Diestelkamp: Rechtsleben (1999), S. 236.
F. Zusammenfassung der Ergebnisse Der im Laufe des 16. Jahrhunderts ständig zunehmende Druck der Gegner Rottweils auf den K aiser, das Hofgericht visitieren zu lassen, trug – verbrieft im Reichsabschied von Speyer 1570 – schließlich Früchte. In Rottweil hatte man sich allerdings schon länger auf eine Visitation vorbereitet. Bei einer Überprüfung und Reformierung des Prozesses wollte man keinesfalls passiv bleiben, sondern aktiv an der Neuordnung des Verfahrens mitarbeiten und die Jurisdiktion des Gerichtes dabei festigen, wenn nicht sogar erweitern. Wenn man im Rahmen der Erneuerung der Ordnung den Prozessgang und die Organisation des Gerichts schon reformieren musste, wollte man hierauf den größtmöglichen Einfluss haben. Im Zuge dessen war am Hofgericht bereits ein Ordnungsentwurf erstellt worden, der auch in die NHGO Eingang fand. Die vom K aiser für die Visitation bestellten Kommissare waren Rottweil und dem Hofgericht verbunden und infolgedessen auch wohlgesonnen. Zwei Gesandte des Schwäbischen Kreises sollten zudem die Interessen der Kreismitglieder vertreten. Die Ergebnisse der Visitation sind für Rottweil und das Hofgericht als überwiegend positiv zu bewerten. Zwar wurde den Grafen von Sulz und dem Rottweiler Rat aufgegeben, mehr ausgebildete Juristen in das Gerichtspersonal aufzunehmen, was die Stadt finanziell belastete, aber Rottweil behielt, trotz gegenteiliger Befürchtungen, das Recht zur Auswahl der Beisitzer. Auch mit Blick auf die Rottweiler Ehehaften wurden keine Veränderungen vorgenommen, sondern die einzelnen Tatbestände zur besseren Übersicht in einem Abschnitt zusammengefasst. Hatte man noch zu Zeiten der AHGO versucht, die Ordnung geheim zu halten, fand die NHGO als Symbol der Modernisierung des Rottweiler Verfahrensganges weite Verbreitung. Wie viele andere Prozessordnungen dieser Zeit 1968 ist auch die Rottweiler NHGO der RKGO von 1555 nachgebildet. Bis auf die formal erhalten gebliebene Trennung zwischen Beisitzern und Hofrichter und das Exekutionsverfahren finden sich im Rottweiler Prozess kaum noch Merkmale der dinggenossenschaftlich geprägten AHGO. Folglich kann im Grunde genommen nicht von einer Reform oder Erneuerung der AHGO gesprochen werden. Mit der NHGO wurde vielmehr ein neues, sich an den Leitlinien der RKGO von 1555 orientierendes Verfahren eingeführt, welches durch die Bezugnahme auf die AHGO eine erhöhte Legitimation erhalten sollte. Die noch vorhandenen Rottweiler Prozessakten belegen zudem, dass sich der gelehrte Prozess schon deutlich vor Errichtung der NHGO – etwa ab dem beginnenden 16. Jahrhundert – am Rottweiler Hofgericht durchsetzte.
1968 Oestmann: Gemeine Bescheide (2013), S. 17.
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Zusammenfassung der Ergebnisse
Der Verfahrensablauf nach der RKGO von 1555 war deutlich feiner abgestimmt und verdichteter als der Verfahrensgang der NHGO. Die NHGO setzt im Gegensatz hierzu vermehrt auf allgemeinere grundsätzliche Vorschriften, wie zum Beispiel im Rahmen des Terminsystems. Hier wurde abschließend den Parteien die Möglichkeit gegeben, Termine zu antizipieren und das Verfahren somit zu beschleunigen und flexibler zu gestalten. Auch mit Blick auf die Litiskontestation hält sich die NHGO mit der Regulierung zurück und ruft den Beklagten lediglich dazu auf, den krieg Rechtens auff das kuertzest [zu] befestigen.1969 Die RKGO von 1555 hingegen sieht feste Formeln für die Kriegsbefestigung vor. Mit Blick auf bestimmte prozessuale Grundsätze wie etwa den Eventualgrundsatz meint man, Anklänge an nach 1555 ergangene Reichsabschiede und Gemeine Bescheide zu erkennen. Hier ist insbesondere der Reichsabschied von Speyer aus dem Jahre 1570 zu nennen, der für das Verfahren am Reichskammergericht zahlreiche Änderungen zur Beschleunigung und Flexibilisierung des Verfahrens vorsah. Den Vorschriften zum Verfahrenslauf ist zudem zu entnehmen, dass die Zuständigkeitsfrage weiterhin einer der zentralen Punkte für das Hofgericht war. Neben den ausführlichen Regelungen zum Abforderungsverfahren und den Ehehaftstatbeständen wird das gesamte Zitationsverfahren sehr detailliert dargestellt. Dadurch wollte man wohl verhindern, dass sich die Beklagten unter Vorschützen ihrer Unkenntnis von der Zitation allzu leicht vom Rottweiler Gerichtszwang befreiten. Durch die Regelung, dass der Beklagte seine forideklinatorischen Einreden – hierunter fallen auch die die Zuständigkeit des Gerichts betreffenden Einreden – bereits im ersten Termin artikuliert vorzubringen hat, soll es vermutlich zum einen dem Beklagten erschwert werden, die Rottweiler Zuständigkeit zu bestreiten, zum anderen soll er dazu gezwungen werden, diese Einreden möglichst frühzeitig im Prozess geltend zu machen. Strenger als die RKGO von 1555 zeigt sich die NHGO auch mit Blick auf die Gegenklage sowie bei Säumnis des Klägers vor der Litiskontestation, bei welcher sie im Gegensatz zur RKGO von 1555 keine zweite Zitation vor der Ächtung des Beklagten fordert. Grundsätzlich ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Reichskammergericht im Vergleich zum Hofgericht ein weitaus professionelleres, mit mehr rechtskundigen Personen besetztes Gericht war. Auch mit Blick auf die Träger der Gerichte und die Größe bestanden Unterschiede. Insofern verwundert es nicht, dass die verfahrensrechtlichen Vorschriften der RKGO von 1555 zu einem großen Teil detaillierter und umfassender sind als die des Hofgerichts. Allerdings könnten die eher kurz und grundsätzlich gehaltenen Vorschriften, an manchen Stellen auch die Lücken, der NHGO zu einer erhöhten Flexibilität im Verfahren am Rottweiler Hofgericht geführt haben. Dies ist in der NHGO unter anderem daran zu sehen, dass ungenutzte für Verhandlungen
1969 NHGO, Part. 3 Tit. 3, fol. 46r.
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anberaumte Zeit ersatzweise vom Hofgerichtsschreiber zum Referieren von Rechtssachen genutzt werden konnte. Generell bestand am Hofgericht mehr Spielraum mit Blick auf die abzuhaltenden Hofgerichtssitzungen. Deren Anzahl sollte jeweils zum Jahreswechsel nach Bedarf angesetzt werden. Lediglich die Beihofgerichte, auf denen man über die einzelnen Sachen beriet, sollten in einer festen Taktung stattfinden. Auch dass die Bemessung von Beweisfristen unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs der Rechtsstreitigkeit wie am Reichskammergericht im Ermessen von Hofrichter und Beisitzern lag, zeugt von einer gewissen Beweglichkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Hofrichter in der NHGO eine stärkere Stellung im Prozess zukam. Im Gegensatz zu AHGO und RKGO von 1555 etwa durfte er in gewissen Verfahren an den Urteilsberatungen teilnehmen. Nicht zuletzt bestand nach der NHGO am Rottweiler Hofgericht die Möglichkeit, in einfach gelagerte Sachen mündlich und ohne die Beachtung der strikten Vorgaben für den ordent lichen Prozess zu verhandeln. Was den Urteilsvollzug angeht, sollte mit der NHGO das Verfahren wohl nicht erneuert, sondern das bisherige Exekutionsverfahren erhalten werden. Das Achtund Anleiteverfahren war ein Rottweiler Charakteristikum, das sich in der Vergangenheit im Großen und Ganzen besser bewährt hatte als bei anderen Gerichten. Man wollte es aus Legitimationsgesichtspunkten und wohl auch mangels Alternative beibehalten. Die Verwendung von aus dem römischen Recht herrührenden Bezeichnungen für die einstweilige und die endgültige Einweisung des Klägers in die Position des Beklagten legt jedoch nahe, dass dem Exekutionsverfahren zugleich ein moderner und gelehrter Anstrich gegeben werden sollte. Das Hofgericht sollte noch bis ins 18. Jahrhundert mit der Acht und Anleite als Vollstreckungsmittel arbeiten, welche freilich keinerlei Auswirkungen mehr hatten. Generell ist jedoch anzumerken, dass der Erfolg im Sinne einer Durchsetzung des Urteils nicht unbedingt im Mittelpunkt der Parteiinteressen stand. Vielmehr ging es darum, eine für beide Seiten einigermaßen befriedigende Lösung zu finden und einen Konsens zu schaffen. Im Gegensatz zum einzelnen Untertanen, der eher ein Interesse daran gehabt haben dürfte, seine vor Gericht erstrittene Position durchzusetzen, war es für die Obrigkeiten wohl wichtiger, ihre eigenen Jurisdiktionen gegenüber fremden Gerichtszwängen zu schützen. Mit der Errichtung der NHGO war neben der schriftlichen Fixierung des Abforderungsverfahrens und der Ehehaftstatbestände die Reformierung und damit einhergehende Verbesserung der Hofgerichtsorganisation und des Verfahrensganges beabsichtigt worden. Von Rottweiler und Sulzer Seite war sogar anlässlich der Visitation der Vorschlag unterbreitet worden, die Rottweiler Jurisdiktion zur Entlastung des Reichskammergerichts – welches wohlgemerkt vor allem mit Appellationen gegen Rottweiler Urteile belastet war – auszuweiten. Die Grafen von Sulz und die Stadt Rottweil versuchten in der Folgezeit, die in der Visitation herausgearbeiteten und der NHGO niedergelegten Verbesserungsvorgaben,
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insbesondere die Rekrutierung von juristisch ausgebildetem Personal, umzusetzen. Trotz Bitten um finanzielle Unterstützung an den Kaiser, dem das Hofgericht schließ lich direkt unterstand, musste Rottweil für sämtliche Reformmaßnahmen allein aufkommen, was die im Grunde finanziell gut gestellte Stadt auf Dauer belastete. Im Streit um Exemtionen und Ehehaften versuchte der Kaiser, sich nicht zu posi tionieren. Kassierte er in einem Moment die gegen die Rottweiler Zuständigkeit erteilten Befreiungen, gewährte er im nächsten Moment zahlreiche neue. Indem er Rottweiler Achtsprüche aufhob, griff er zudem massiv in das hofgerichtliche Exeku tionsverfahren ein. Als reichsunmittelbares Gericht konnte sich das Hofgericht jedoch der grundsätz lichen Unterstützung des Kaisers sicher sein. Diese war gegen den Druck von größeren benachbarten Territorien wie Württemberg und Österreich auch nötig. Während Württemberg sich offen gegen das katholisch gebliebene Rottweil und insbesondere gegen das Hofgericht wandte, ging Österreich zurückhaltender gegen die Rottweiler Jurisdiktion vor. Zwar gab es auch mit Österreich Auseinandersetzungen – im Speziellen was die zum Teil sich deckenden Wirkungsbereiche des Rottweiler Hofgerichts und des unter österreichischem Einfluss stehenden Landgerichts in Schwaben anging. Als die Herrscher jedoch ab dem Jahr 1438 wieder aus dem Hause Habsburg kamen, entspannte sich die Beziehung zwischen Österreich und dem Rottweiler Hofgericht. Die Habsburger legten es nicht darauf an, den Südwesten territorial zu durchdringen, sondern bauten vielmehr eine Art Satellitensystem auf, in welches sie insbesondere katholisch gebliebene Reichsstädte, wie zum Beispiel Rottweil, integrierten. Personelle Verbindungen z wischen Rottweil und dem Haus Österreich lassen sich am Reichshofrat in Wien und in der Kanzlei in Innsbruck erkennen. Die Reform der Rottweiler Hofgerichtsordnung fand in einem Spannungsfeld zwischen Neuerung und einem Streben nach Attraktivität für Rechtssuchende auf der einen Seite und Legitimation durch die Tradition des Hofgerichts (das alte Her kommen) und der Konservierung der Formen auf der anderen Seite statt. Die immer effektiver werdende Rechtsprechung des Reichskammergerichts legte es nahe, den Leitlinien der RKGO von 1555 zu folgen, stellenweise jedoch auch darüber hinaus zu gehen. Indes blieb es für die kaiserlichen Landgerichte, insbesondere das Rottweiler Hofgericht, wichtig, in Anknüpfung an ihr durch die enge Beziehung zum Herrscher charakterisiertes hohes Ansehen im 14. und 15. Jahrhundert weiterhin ihren Jurisdik tionsanspruch durch Privilegien unmittelbar auf den K aiser zurückzuführen. Im 16. Jahrhundert hatten sich die Verhältnisse jedoch geändert, denn nunmehr lag die Kompetenz zu legitimieren und zu sanktionieren nicht mehr beim K aiser, sondern bei den territorialen Herrschaften. Insgesamt blieb der Rottweiler Verfahrensgang – ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, sei dahingestellt – weniger regelungsintensiv und ließ damit mehr Spielraum für die Parteien. War das Rottweiler Hofgericht einst vor allem wegen seiner
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Beglaubigungstätigkeit angesehen gewesen, versuchte es s päter auf dem Gebiet der streitigen Gerichtsbarkeit Anreize zu setzen und hierdurch wieder ein „komplementäres Gericht“ 1970 zu werden. Die Parteien sollten sich offenbar nicht nur aufgrund von Zwang in Form der Ehehaften, sondern auch weil der Prozess schneller und billiger als am Reichskammergericht war, nach Rottweil wenden. Auf lange Sicht scheiterte dieses Vorhaben jedoch. Was bleibt, ist der in den Quellen und insbesondere der NHGO dokumentierte Versuch, das Gericht am Leben zu erhalten.
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Sachregister
A Aberacht 169, 171 f., 174 f., 178 Abforderung 22, 24 f., 55, 79, 106, 139, 149 f., 207 f. Abforderungsverfahren 22, 167, 187, 189 f., 209, 240 f. absolutio – ab actione 149 – ab instantia 132, 148 Absolutionsbrief 29, 171 f., 175 Abstimmung 65, 155 Acht 33, 39, 44, 55, 60, 79, 106 f., 109 f., 113, 148, 150, 161, 163 f., 168, 169 ff., 174 f., 176 ff., 184 ff., 191, 222, 240 ff. – Formel 109 – Verfahren 163, 169 ff., 178 Advokat 31 f., 37, 44, 70, 72 ff., 85, 89, 98, 105, 141, 203, 212, 221 siehe auch Anwalt und Prokurator – Zwang 73 Aktenkomplierung 152 f. Aktenschluss 151 f. Anerkenntnis 104, 120, 137, 148, 161 Anleite 33, 44, 55, 148, 161, 164, 168, 171 ff., 175 ff., 182 f., 186, 241 Anwalt 42, 46, 51, 72 f., 76, 83, 85, 95, 98, 102, 106, 122 f., 141, 158, 183, 190 siehe auch Advokat und Prokurator – Kosten 76, 158 – Vergütung 76 Antrag 42, 79 f., 83, 86, 91, 93, 97 f., 100, 103 f., 115 f., 120, 124, 143 ff., 154, 168, 170 ff., 174, 176, 181, 184, 193, 199 f. – Prozessantrag 107 – Sachantrag 107, 115 f. Apostelbrief 198 f. Appellation 196 ff. – Frist 198, 201 – Gericht 201 f. – Privileg 197, 229 – Summe 39, 197 f. – Verfahren 15, 93, 196, 199, 201 Armeneid 55 siehe auch Armenrecht und Parteien, arme
Armenrecht 105 siehe auch Armeneid und Parteien, arme Artikel 82 f., 85 ff., 94 ff., 104, 106, 115, 125 ff., 131, 133, 137 f., 140, 142, 151, 160 f., 164, 187, 217 – Beweisartikel 87, 140, 142, 160, 164 – Defensionalartikel 133, 140 – Duplikartikel 140 – Exzeptionalartikel 90, 140 – Gegenartikel 86 – Klagartikel 133, 138, 140 – Peremtorialartikel 90 f., 125, 133 – Probatorialartikel 87 – Replikartikel 140, 151 Artikelprozess 87 ff. Artikelverfahren 96, 106, 140 Assessor 19, 36, 49, 65 f., 68 ff., 74, 82 f., 97, 99 f., 149, 153 f. 155, 162, 222, 230 siehe auch Beisitzer, Urteiler und Urteilsprecher Audienz 35, 38, 64, 78 ff., 92, 96, 98, 100 f., 103, 132, 150, 154, 157, 214 Augenscheinsbeweis 144, 146 siehe auch Beweismittel Austrägalgericht 38, 197 B Bann, geistlicher 55, 169 f., 191 Beisitzer 14, 28, 37 f., 46, 51, 53, 55, 64 65 ff., 70, 78, 93, 100, 141, 149, 154, 156, 167, 183, 196, 200, 207 f., 216 f., 222, 239, 241 siehe auch Assessor, Urteiler und Urteilsprecher Beiurteil 132, 140, 148 ff., 171, 195 ff. siehe auch Beweisinterlokut und Interlokut Beläutung 55, 79, 113, 168, 182 ff. Beratung 67, 153, 156, 168, 205, 241 Beschleunigung 35, 36, 78, 84, 87 f., 92 ff., 127, 134, 163, 167, 200, 240 Beschleunigungsgrundsatz 87, 92 ff. Besetzung 30, 33, 39, 65, 196, 203 f., 227 f. Beweisartikel 87, 140, 142, 160, 164 siehe auch Fragstück, Interrogatoria und Probatorialartikel Beweisfrist 84, 92, 95, 106, 140, 142, 150, 167, 241 siehe auch dilatio probandi
266 Beweisinterlokut 138 siehe auch Beiurteil und Interlokut Beweismittel 90, 100, 117, 125, 130, 140, 142, 144 ff. – Augenschein 125, 144, 146, 161 – Sachverständiger 143 f., 146 – Urkunde 125, 130, 134, 143, 144 ff. – Zeuge 55, 84, 86, 94, 100, 117, 125, 130, 133, 140 ff., 144 ff., 159, 195, 198 f. Beweiskommissar 61 f., 138 Beweisverfahren 39, 83 f., 86, 88, 93, 99, 131, 133, 140 ff., 151 Beweiswürdigung 145 Bote 38, 46, 55, 62, 85, 109 f., 111 ff., 159 f., 162, 175, 179, 182, 208, 221 Botenmeister 55, 112 ff., 203 C causae – extraordinariae 82, 93 – liquidate 100, 103 – ordinariae 93 – spolii 94 Citation 104, 109, 163, 165, 182 Commission 219 Condemnation 149 confessio – in iudicio 137 – in iure 137 contumacia 42, 132, 160, 162, 181 – de non agendo 160 siehe auch Nichthandeln – de non comparendo 160 siehe auch Nichterscheinen D Defensionalartikel 133, 140 Dekret 181 Devolutiveffekt 200 Dilation 76, 92, 94, 166 – dilatio probandi 92 siehe auch Beweisfrist Dinggenossenschaft 14, 30, 31, 33, 79, 96, 155, 166, 229 f., 239 Dispositionsgrundsatz 103 ff. Duplik 84, 86, 89, 137 ff., 151, 160
Sachregister E Eid – Advokat 76 – der Armen 55 – Gefährde 123 siehe auch Kalumnieneid – Juden 55 – Prokurator 76 – Zeuge 55, 142, 144 Ehehaft 14, 17, 22, 24 f., 33, 42 f., 49 ff., 53, 55, 58, 61, 105, 110 f., 148, 150, 159, 167, 173, 187 ff., 191 ff., 194 ff., 206, 208, 212, 215, 218, 222, 224, 227 f., 239 ff. Einigung 53 Einlassung – des Beklagten 117, 126 ff. – Zwang 161 Einrede – dilatorisch 55, 82 f., 85, 90, 94, 118 f., 121 f., 128 f., 130 f., 132, 134 ff., 140, 150 f. – forideklinatorisch 129 ff., 134 f., 138, 167, 240 – peremtorisch 55, 82 f., 86, 91, 118 f., 122, 127 ff., 131, 132 ff., 138 ff., 151 Einstellung 215 Endurteil 148 ff., 152, 195, 197 f., 201 Entscheidungsgründe 149, 153, 157 Eremodizialprinzip 161 Ermessen 76, 91, 106, 125, 145, 147, 155, 241 Eventualgrundsatz 89 ff., 167, 240 Eventuallitiskontestation 39, 119, 135 Evokationsrecht 189 Examen 142, 204 Exception 85 f., 95, 120 ff., 128 ff., 134, 149 – facti 131 – fori declinatoria 85, 122, 129 – fori incompetentis 129 – litis pendentis 121, 130 – peremptoriae 130 – peremptoriae in vim dilatoriarum 130 – rei iudicatae 121 Exekution siehe auch Urteilsvollzug und Zwangsvollstreckung – der Urteile 55, 59, 184 f. – der Zitationen 111 ff. – Verfahren 168 ff., 222, 239, 241 f. Exemtion 11, 57, 144, 149, 187, 189 ff., 194 f., 208 f., 218, 221 f., 224, 232, 242 Exemtionsprivileg 17, 33, 40, 42 f., 54, 62, 105, 173, 187 ff., 194 f., 218, 227 ff., 231 f.
267
Sachregister F Förmlichkeit 55, 62, 78, 126 Formularprozess 117 Formularverfahren 123, 128 f. Fragstück 45, 87, 142, 217 siehe auch Beweisartikel, Interrogatoria und Probatorialartikel Frist 74, 76, 79, 82, 84 f., 91 ff., 95, 106, 108, 120 f., 125, 140, 142, 144, 149 f., 160, 167, 177, 184, 190, 198, 201, 229, 241 Fristverlängerung 92, 125 Fürbott 79, 108 f., 114, 191 siehe auch Ladung und Zitation G Gegenbeweis 86, 143 Gegenklage 55, 93, 105, 121, 123, 135 f., 240 siehe auch Rekonvention und Widerklage Geheimhaltung 144, 156, 221 Geheimhaltungspflicht 101, 103, 142, 149 Gehör, rechtliches 106 f. Gemeine Bescheide 34, 36 f., 54, 80 f., 97, 114 f., 153, 167, 240 Gerichtsbarkeit 11 f., 15, 19, 21, 30, 33, 58 ff., 78, 187, 189, 191, 194, 206, 208, 211, 213, 224, 228 f., 231, 242 Gerichtskosten 34, 55, 76, 116, 137, 158 f., 163 f., 171, 179, 192, 232 Gerichtsorganisation 51, 222, 230, 241 Gerichtsverfassung 36, 228 f. Geständnis 104, 137, 161 Glaubwürdigkeit 143 H Handschrift 16 f., 23, 28 ff., 31 f. Haus Österreich 231 ff., 242 Herrenstube 45, 70 Hofgericht – Begriff 11 ff. – Kaiserlich 13 Hofgericht Rottweil – Geschichte 9 ff. Hofgerichtsadvokat 44, 77, 141, 203 Hofgerichtskanzlei 29, 69, 112, 144, 221 Hofgerichtsschreiber 29 f., 43, 46, 51, 65, 69 ff., 74, 154, 167, 203 f., 241
Hofrichter 9, 27, 29, 31, 43 f., 49, 53, 55, 62 ff., 67 f., 70 f., 74 f., 77 f., 85, 92, 94, 100, 102, 106, 109 f., 141 f., 148, 153 ff., 162 ff., 167 f., 170 f., 173, 183, 193, 196, 200, 204, 209 f., 213, 216 f., 219 ff., 229, 232, 239, 241 I Inquisitionsmaxime 106 Interlokut 132, 140, 149, 200 f. siehe auch Beiurteil und Beweisinterlokut Interrogatoria siehe auch Fragstück, Beweisartikel und Probatorialartikel – generalia 143 – specialia 142 iudex 117, 200 iuramentum – calumniae 125 – dandorum articulorum 88, 124 – malitiae 124 – respondendorum 88 J Juden 41, 44, 55, 191 f., 212, 218 Jurisdiktion 56, 61, 187, 211, 231 f. – Hofgericht Rottweil 40, 43, 51, 57, 102, 111, 186, 219, 239 – Territorien 186, 231, 241 Juristen 13, 67, 69, 190, 216, 230, 237, 239 Justizgewährung 208 Justizverweigerung 38, 212 K Kammergericht – kaiserliches 11, 19, 34, 149, 226 – königliches 11, 13, 18 f., 34, 226, 229 Kalumnieneid 55, 88 f., 116, 123 ff., 197 Kanzleigebühren 47, 158 f., 208, 215, 217 Kaution 62 Klage – artikuliert 36, 83, 85, 87 ff., 107, 109, 115, 118 f., 125 f., 134 – summarisch 83, 85, 88, 107, 109, 115 119, 126 Klaglibell 87, 114 ff., 125, 162 Klageänderung 104, 121 Klageschrift 88, 107 f., 114 ff., 120, 122 Kommissare – Beweisverfahren 55, 61 f., 84, 86, 93, 100, 106, 138, 140 ff.
268 – Visitation 40, 44, 45 ff., 48 f., 51, 216, 218, 220 f., 235, 239 Konfirmation 192 Konklusion 84, 139 Konklusionsschrift 84, 91, 94, 138, 144, 151 Konnexität 135 f. Kontumazialprinzip 161 Kontumazialverfahren 55, 100, 160 ff. Kosten – Anwalt 76, 158 – Gericht 34, 38, 42, 55, 76, 116, 137, 158 ff., 171, 179, 192, 201, 232 – Kanzlei 47, 76, 158 f., 208, 215, 217 – Säumnis 161, 163 f. Kriegsbefestigung 82 f., 85, 90, 104 f., 116 ff., 132, 134, 136, 161, 164, 240 siehe auch Litiskontestation Kurfürsten 18, 20 f., 27, 40, 43, 50, 54, 187 f., 190, 205 ff., 211, 213, 218 L Ladung 33, 39, 55, 61, 79, 83, 85, 92 f., 99, 104, 106 f., 109, 114 f., 119, 121, 158, 162 f., 165, 167, 169, 174, 187, 189, 198 ff., 206 f. siehe auch Zitation – Fürbott 79, 108 f., 114, 191 – Verkündung 33, 55, 79, 101 ff., 106 ff., 109 ff., 112, 115, 158, 162 f., 167, 170, 191 Ladungsfrist 108 Landfrieden 10, 18, 20 f., 38, 111, 169, 191, 193, 210 f., 213 Landfriedensbruch 58 ff., 191 Landgericht – in Schwaben 12 f., 41, 62, 69, 73, 77, 154 f., 175, 179, 182, 212, 231, 233, 236 – kaiserliches 9 f., 12, 14 ff., 21, 41, 48, 59, 61 ff., 65, 69, 73, 77, 147, 154 f., 160, 175, 181, 208, 211, 223 f., 229 ff., 237, 242 – Nürnberg 56, 59, 65, 174 – Würzburg 59, 181 Lehen 11 f., 59 f., 62 f., 147 Libell 95 – artikuliert 87 f. – einfach 88 Liquidität 134 litis contestatio 114 f. Litiskontestation 116 ff. siehe auch Kriegsbefestigung – affirmative 104, 120, 137
Sachregister – Eventual 39, 119, 135 – Grundlagen 115 ff. – in puram 119 – NHGO 121 ff. – Säumnis nach der Litiskontestation 164 – Säumnis vor der Litiskontestation 163 f. – Wirkungen 121 M Magistrat 44, 49, 205 siehe auch Stadtrat Mandat 76, 108, 209, 213 Mandatsprozess 38, 99 Mitbestimmung 204 mündlich – Beschluss 37, 125, 127, 151 – Rezess 64, 97, 98, 157 – Verhandlung 89, 95 ff. – Vorbringen 95 ff. – Vortrag 64, 75 f., 84, 89, 92, 95, 97 f., 103, 144, 151, 157 Mündlichkeit 95 ff. N Narratio 114 f. Nichterscheinen 104, 137, 161 f., 163 Nichthandeln 160 Nichtigkeitsklage 201 Notar 29, 55, 61 f., 111, 141, 195, 198, 200 Notariat 60, 75 Notfrist 198 O Öffentlichkeit 101 ff. Österreich, Haus 231 ff., 242 P pactum de non petendo 130 paria vota 155 Parteien, arme 105 siehe auch Armeneid und Armenrecht Parteieid 91, 144 Personenverbände 187 Pönalmandat 213 Positionalverfahren 87 Post 111 Präklusion 91, 133 Prävention 130, 226 Privileg – de non appellando 11, 189, 228
Sachregister – de non evocando 11, 189, 228 – Exemtion 17, 33, 40, 42 f., 54, 62, 105, 173, 187 ff., 194 f., 218, 227 ff., 231 f. siehe auch Exemtionsprivileg – Gründung 27, 194 Privilegienstrafe 193 Probationes 86 Probatorialartikel 87 Prokurator 29, 31 f., 37, 46, 55, 64, 72 ff., 79 ff., 83 ff., 92, 94, 97 f., 100 f., 103, 105, 109 f., 112, 114 f., 124 f., 132, 142, 144, 150, 153 f., 157 f., 165 ff., 215 ff., 221 siehe auch Advokat und Anwalt Prorogation 191, 193, 207 Protokoll 43, 70, 78, 97, 103, 142, 152 f., 156 f., 203 Protonotar 55, 75, 97, 103, 149, 156 f. Prozessantrag 107 Prozessfähigkeit 130 Prozesskosten 116, 158 ff., 201 siehe auch Gerichtskosten und Kosten, Anwalt Prozesslegitimation 130 Prozessrecht 23 ff., 32, 34, 36, 71, 78, 89, 105 f., 126, 134, 161, 200 Prozessvertreter 85, 96 Prozessverzögerung 78, 145 Prozessvollmacht 161 siehe auch Vollmacht, anwaltliche Publikation – Urteil 157 – Beweis 86, 133, 142 ff. R Rechtliches Gehör 106 f. siehe auch Gehör, rechtliches Rechtsbeugung 38 Rechtsfindung 14, 31, 229 Rechtshängigkeit 121, 130 135 siehe auch exceptio litis pendentis Rechtskraft – formell 149 – materiell 149 Rechtsmittel 149, 197, 201 Referent 99, 156, 206 Reform – Hofgerichtsordnung 22, 28, 33, 40, 46, 64, 166, 206, 212, 222, 239, 241 f. – Reich 18 ff., 210 – Verwaltung 233
269 Reichshofgericht 12, 14 f., 29, 31, 70 ff., 175, 177 f. 187, 226, 229 Reichshofrat 17, 19, 25, 46, 48, 50, 54, 62, 70, 88, 125, 135, 139, 145, 150, 165, 167, 196, 216, 226 ff., 234 f., 242 Reichsnotariatsordnung 60 Reichstag 11, 18, 20 f., 30, 37, 39 f., 43, 45, 51, 53 f., 58, 70, 77, 205, 212, 214 f., 224 Reichstagsbeschluss 45, 58 Rekognition – Siegel 145 – Urkunde 145 Rekonvention 55, 105, 121, 135 f. siehe auch Gegenklage und Widerklage Relation 48, 64, 114, 153 ff. Religionsprozesse 155 Remission 42, 110, 190 f., 193, 208, 218, 229 Renunziation 191 Replik 87, 89 f., 127, 137 ff., 140, 151, 160 Reproduktion 132, 134 Responsionen 90 f., 126 ff., 129, 133, 138, 151, 160 Restitution 38 Revision 38, 48 Rezeption 175 Rezess 64, 97, 103 – mündlich 97 f., 157 – schriftlich 82, 95, 97 f. Rotul 142 ff. siehe auch Zeugenrotul Rufen 109, 161 ff., 180 S Sachantrag 107, 115 f. Sachverständigenbeweis 146 Sächsischer Prozess 88, 91, 107, 116, 119, 140, 161 Säumnis 17, 34, 36, 39, 55, 91, 104, 123, 137, 148, 158, 160 ff., 171, 175, 191, 240 – beiderseitige 165 – nach der Litiskontestation 164 – Verfahren 36, 55, 168 – vor der Litiskontestation 163 f. – Umfrage in contumaciis 165 f. Schriftlichkeit 38, 82, 92 f., 95 ff., 101, 120 Schwäbischer Bund 210 f., 224 f., 234 Schwäbischer Kreis 44, 54, 210 ff., 224, 239 Schwarzenberg, Fürsten von 63 Sitzung 9, 30, 38, 64 f., 67 f., 77 f., 81 f., 93, 98, 102, 138, 153, 155 f., 241 Stadtrat 28, 31, 47 f., 67 f. siehe auch Magistrat
270 Statthalter 29, 44, 55, 62 ff., 70 f., 75, 100 f., 109, 149, 154, 156, 183 f., 204, 216 Stimmengleichheit 100, 154 f. Streitgegenstand 108, 197, 226 Sulz, Grafen von 29 f., 43 f., 46, 49, 63 ff., 70, 203 ff., 210 f., 213 ff., 223, 230, 237, 239, 241 summarisch – Klage 83, 85, 88, 107, 109, 115, 119, 126 – Prozess 99 – Verfahren 93, 99 Supplicatorien 55, 79 Supplikationen 25, 75, 98 f., 107, 228 Suspensiveffekt 200 Syndikatsklage 38 T Tenor 149, 201 Terminsystem 25, 36, 55, 81 ff., 92 ff., 165, 167, 240 terminus citationis 165 terminus cum praeiudiciali comminatione 165 Transformation 230 Triplik 91, 137 ff., 151 U Umfrage 38, 55, 64, 71, 78 f., 81, 96, 154, 156 – in contumaciis 79 f., 165 f. – in novis 79 ff. – in ordinariis 80 – in praefixis 79 f., 150 Unmittelbarkeit 96, 99 f. Unterhaltung – des Gerichts 222 Urkunde – Beweismittel 125, 130, 134, 143, 144 ff., 147, 170 – Echtheit 146 Urteil – Beiurteil 132, 140, 148 ff., 171, 195 ff. – Endurteil 148 ff., 152, 161, 195, 197 f., 201 – Urteilsberatung 67, 153 ff., 168, 241 – Zwischenurteil 83, 149 Urteiler 14, 38, 63, 65 ff., 217 siehe auch Assessoren, Beisitzer und Urteilsprecher Urteilsbrief 157 ff. Urteilsfindung 13, 55, 65, 84, 95, 156 Urteilsprecher 13, 27 f., 31, 44, 46 f., 53, 64, 65 ff., 70 ff., 74, 77, 79, 85, 92, 94, 100 ff., 142, 147, 154 ff., 158, 163 f., 169 f., 175 f.,
Sachregister 193 f., 196, 204, 209, 215, 221, 229 siehe auch Assessoren, Beisitzer und Urteiler Urteilsverkündung 101 ff., 198 Urteilsvollzug 126, 168 ff., 184 f., 186, 193, 198, 201, 241 siehe auch Exekution und Zwangsvollstreckung V Verfahren – mündliches 13, 34, 77 f., 95 ff., 99 ff. – ordentliches 77 f., 85, 89, 99 f., 116, 168, 241 – römisch-kanonisches 117, 119, 133 – sächsisches 88, 91, 107, 116, 119, 140, 161 – schriftliches 35 f., 78 f., 82, 95 ff., 99, 101, 103, 120, 145, 199 – summarisches 93, 99 Verfahrensgrundsätze 81 ff. Vergleich 95, 155, 159, 186 Verhandlungsmaxime 105 f. Verkündung – Ladung 33, 55, 79, 106 ff., 109 ff., 112, 115, 158, 162 f., 167 siehe auch Fürbott und Zitation – Urteil 101 ff., 198 Verlängerung – Frist 91 f., 125 – Termin 166 Vertretung, anwaltliche 33, 74, 76, 85 Vidimus 159, 189 Visitation 11, 22, 25, 34, 36 ff., 39 ff., 44 ff., 49, 51, 54, 56, 111, 167, 203, 205, 209, 211 f., 214 ff., 226, 230, 235, 239, 241 Visitator 48, 77, 216 ff. Vollmacht, anwaltliche 72, 74, 83, 85, 95, 115, 160, 183, 199 Votum 64, 153 ff. votum decisivum 155 W Waisen 94 Widerklage 135 f. siehe auch Gegenklage und Rekonvention Witwen 94, 157 Z Zeugenaussage 86, 142 ff., 199 Zeugenbeweis 142, 144 f., 147 Zeugeneid 144
271
Sachregister Zeugenrotul 142 f. Zeugenverhör 86, 94, 142 Zeugnisfähigkeit 143 Zins 58, 60 f., 109, 171, 180, 183 f. Zitation 55, 106 f., 108 ff., 121, 158, 160, 163, 165, 206 f., 209, 218, 240 Zitationsverfahren 240 Zünfte 47, 67, 224 Zuständigkeit 11, 14 ff., 19, 21, 24, 30, 33 f., 38, 42, 48 f., 51, 56 ff., 105, 112, 130 f., 135, 159, 167, 187, 189, 193 ff., 206, 223, 226 f., 237, 240, 242
Zuständigkeitsabgrenzung 226 Zuständigkeitsbereich 56, 58, 112, 187, 223 Zustellung 38, 108 ff., 111 ff., 115, 167, 180 Zustellungsadressat 112 Zustellungsvermerk 109, 115 Zwangsvollstreckung 181, 191 siehe auch Exekution und Urteilsvollzug Zwischenurteil 83, 149
QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR HÖCHSTEN GERICHTSBARKEIT IM ALTEN REICH
EINE AUSWAHL
BD. 64 | BERNHARD DIESTELKAMP VOM EINSTUFIGEN GERICHT ZUR
BD. 61 | PETER OESTMANN
OBERSTEN RECHTSMITTELINSTANZ
GEISTLICHE UND WELTLICHE GERICHTE
DIE DEUTSCHE KÖNIGSGERICHTS
IM ALTEN REICH
BARKEIT UND DIE VERDICHTUNG DER
ZUSTÄNDIGKEITSSTREITIGKEITEN UND
REICHSVERFASSUNG IM SPÄTMITTEL
INSTANZENZÜGE
ALTER
2012. XVIII, 859 S. 2 S/W-ABB. GB.
2014. 159 S. GB.
ISBN 978-3-412-20865-3
ISBN 978-3-412-22166-9
BD. 62 | LUDOLF HUGO
BD. 65 | ALBRECHT CORDES (HG.)
VOM MISSBRAUCH DER APPELLATION
MIT FREUNDSCHAFT ODER MIT RECHT?
EINGELEITET UND HERAUSGEGEBEN
INNER UND AUSSERGERICHTLICHE
VON PETER OESTMANN
ALTERNATIVEN ZUR KONTROVERSEN
ÜBERSETZT VON BERND-LOTHAR
STREITENTSCHEIDUNG IM 15.–19.
VON HUGO
JAHRHUNDERT
2012. X, 221 S. GB.
UNTER MITARBEIT VON ANIKA M. AUER
ISBN 978-3-412-20997-1
2015. 291 S. 7 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-22402-8
BD. 63,1 | PETER OESTMANN (HG.) GEMEINE BESCHEIDE
BD. 66 | CHRISTIAN O. SCHMITT
TEIL 1: REICHSKAMMERGERICHT
SÄUBERLICH BANQUEROTT GEMACHET
1497–1805
KONKURSVERFAHREN AUS FRANKFURT
EINGELEITET UND HERAUSGEGEBEN
AM MAIN VOR DEM REICHSKAMMER
VON PETER OESTMANN
GERICHT
2013. VIII, 802 S. GB.
2016. 386 S. 6 S/W-ABB. GB.
ISBN 978-3-412-21062-5
ISBN 978-3-412-50325-3
BD. 63,2 | PETER OESTMANN (HG.)
BD. 67 | ULRIKE SCHILLINGER
GEMEINE BESCHEIDE
DIE NEUORDNUNG DES PROZESSES
TEIL 2: REICHSHOFRAT 1613–1798
AM HOFGERICHT ROTTWEIL 1572
EINGELEITET UND HERAUSGEGEBEN
ENTSTEHUNGSGESCHICHTE UND
VON PETER OESTMANN
INHALT DER NEUEN HOFGERICHTS
2016. CA. 304 S. GB.
ORDNUNG
ISBN 978-3-412-21063-2
2016. 271 S. GB.
RJ524
ISBN 978-3-412-50533-2
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