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UNIVERSITY OF MICHIGAN
GESCHICHTE DER MUSIKTHEORIE BAND ll
DIE MUSIKTHEORIE IM 18. UND19.JAHRHUNDERT ZWEITER TEIL DEUTSCHLAND
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
GESCHICHTE DER MUSIKTHEORIE // BAND ll
Herausgegeben im Auftrag des Staadichen Instituts
fiir Musikforschung PreuGscher Kulturbesitx Berlin
von pnwrwn 7.1““an
1989
WISSENSCHAFTLICHE BUCHGESELLSCHAFT DARMSTADT
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DIE MUSIKTHEORIE IM 18. UND 19. JAHRHUNDERT ZWEITER TEIL DEUTSCHLAND
von CARL DAHLHAUS
Herausgegeben von Ruth E. Miillcr
1989 WISSENSCHAFTLICHE BUCHGESELLSCHAFT DARMSTADT
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CiPmtelauinahrne der Dmuchen Bibliothek
mum der Musiktheorie/ hug. im Auhr. d. Sun]. Inst. hir Musihforschung Pm, Kulmrbesiu Berlin Von Frieder Zaminer, - Darmstadt; Wiss. Buchges. ISBN 3-534-01100-3 NE: bminer. Frieder mug.) Bd. tl. Dahlhalls, Carl: Die Musiktheorie im 18. und 19. Jahdumderr. Teil 2. Deursch1and.-19g9 Dahlhaus, Cart.. Die Musikzheorie im 18, und l9. Jahrhunden / Von Carl Dahihaus. - Wu Wiss. Buchges. Teil 2, Deutschland , hng. von Ruth E. Miiller. -1989
(Geschichte der Masikdseorie; Bd. II) ISBN 3-534-DI2H-9
Bestellmunmer: mom XI (Gesamtatssgabe)
Bestellmsmmer: alzn-9 (Band 11)
Das Wak in in mm sdnm Trilezs nrhzbenrchdich yuhim. Jerle angm ohm Zustirrummg des Wrlasrs unxuliuig. Du gilt insbesondere ktrWrviWihigungem
Ubenclmln‘m. Mik-dilrrnmgers und die Eieicherungim
und erbcilun; durch ekkmmisch: Sytmm
o 1939 by msserrschah1iche Bttchgeselisclsah, mm! Sata: Mum JaM, Pfunpud! Dunk m Emma: Fssmuchafih'che Burhgesellschdtr Darmstadt Primed in Gummy “WW“,
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Nomtsriche Helm!" Holmium. Berlin W601i: Ruth E. Milk! and Frieda Zlminu - Mimbeil van Marion Garschagrss
ISBN 3-534-01200-5 XI (Gesamrausgabe) ISBN 3-534~012u-9 (Band U)
Co gle
INHALT Vorwort. Von Frieda Zaminer .
VII
Verzeichnis der Abkiirzungen .
IX
06—.—
L Einleirung: Musikrheorie im Zeitaiter der Knhetik
l. Eine Epoche in der Geschichte der Musikxheorie?
2. Traditionsbesrindc und -verlusre 3. Das NeueIn der Musiktheorie des 18. Jahrhundens .
4. National: und lokale Oberlieferumten
5. Wisseuschahsanspruch und Handwerkslehre 6. Musiktheorie und Kunsrwerk
.
.
27
.
7, Die Hee eines Systems musikthcoretischer Disziplinen . g, Auswahlkriterien u, Der Anfang als Ende: Versuch einer Theorie des Elementaren 1. Die Paradoxie einer Allgemeinen Musiklehre
2. Tonsystem und Stimmung
3. Fragment: der Melodielehre 4. Grenzea der Schrihlichkeit . III.
3O 35 40 46 46 53 61 69
JJnterweisung im Tonsatz' als ,Theoric': Die Spaltung der Har-
?'??.N!‘
tnonielehre . Wage der iceiGez'ept'ioa" Logik und Grammauk der Musik . "Harmonik" und mHiuznonielebre"
75 75 90
Zur Strukrur des Dissonanzbegriffs
Akkorddissonanz und harmonidremder Ton
IV. Der Komnpunkt als .zweile Kultur" der Musik '
;w~.
, m. c.lMLm a” DA... "mi... r. ..
. Figurenlehre und freier Sate
128
n:
140 I45
. Backs koatrapunkt als Paradigma .
. Die Fuge als Technik und als Form
149
V, Metrik und Rhythmik: Amike Kategorien und modem: Phinomene 1. Theorie der Taktrbythmik
Cogle
97 l 15 124
,
157 157
Inhalx
2. Teilmomeme des Rhyehmus '
162
3. Der .Akzentstufentakt" 4. Musikalische Syntax
170 173
5. Jiatz" und .Periode'
189
VI. Von der Rherorik zur Morphologie: Die musikalische Formenlehre I. Die Enmchung der Formenlehre 2. Fonnenlehre und organismusmodell .
3. Zur Asthetik der Werkanalyse .
223 233
4. Instrurnentarionslehre und Gammgstheorie . VII. Schiu& Methodologiscker Riickblick. . . L Geschichte als Problem der Musiktheorie
.
204 204 217
.
2.Der Wisseuschaftscharakter der Musiktheorie Li L Prinzip einer historischen Dogmarik.
3. Der Ubergang ins 20. Jahrhundert .
242 242 252
261
Nuhwon. Von Ruth E. Miiller
265
Quellen und Litrratur
269
Personenreqister
279
Sachregister .
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Ongmal imm
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VORWORT
Cad Dahlhzus hatte fir die Geschichte der Musiktheorie im 18. und 19. Jahrqunden van vomherein eine gr6llere Darsrellung geplant. In dem urspriingJich auf drei Bind: "ranschlagten Gesamtproiekt einer neuen "Geschichte der Musiktheorie" sollte sie den Haupzuil des drinen Bands bildcn. Spira, nach dem Ausbau des Untemehmens auf 15 Binde, gedachxe Dahlhaus drei Bind: TU iiberneh-
mem Der mm davon mir dem Umenixel .Grundzrsgr einer Systemadk" ist 1984 als Band 10 erschienen. Die Rrrrsetzung, in einem Arbeiupapier .Hisrorischer Teil P und ,,Historischer Teil 11" genarmt, ghkderte sich einerseits in die deutsche
und andererseits in die franz6sische, italieaische und enghsche Musikrheorie. Der vorliegende Band 11 mit dem Uatertitel ,,Deutschland" cntspridn dem .Histo-
rischen Tail P. Far den .Historischen Teil ll" als Band 12 ham: Dahlhaus zulcm cine Arbeitsteilung mit Rama Groth vorgesehen, woniber am gegebenen On TV berichten sein wird. Von der schweren Krankheit der leuwn Jahre gezeiclmet, hat Carl Dahlhaus
im Oktober 1988, nach iiberstandener aluner Krise, damit begonnen. die vorhmdenen Teile seiner Darstellung der deutschen Musiktheorie durchzusehen, wie er mir damals saga, Anfang Dezember iibergab er mir das Mamsskripr. Ein Imus Kapiul, das die deuxschen Quellen einuln charakterisieren scum, bcabsichtigte er nachzuliefern. Das ausgeh'indigte Manuskript bedudie indes, iiber die am
Haupnm vorgenommene Revision hinaus, noch einer weiteren .Uberarbeitung". Deshalb bat mich der Amer, das Gauze erst einmal TV lesen und Vorschlige ftsr die Druckfassung EU machen. Als emes akzeptierre er sogleich die zwei generellen Vorschlige, Notenbeispiele in die Darstellung aufzunehmen und Stelleaangaben EU erginzen.
Dieser Aufgabe nahm sich, mil Zusrimmung von Carl Dahlhaus, seine Schiilerin Ruth E. Miller an. Sie haue hiediir im Januar 1989 die stelle einer Institute assistentin am Smdichen Institut fiir Musikforschung angetreten. Ans verschigdenen Griinden schien es ratsarn, Riickfragen, die sich wihrend der uktoratsund Redaktionsarbeit ergeben sollten, zunichst TU sammeln und spixer mit dem Autor zu besorechen. Dazu ist es aber nicht mehr zekornrnen. Am 13. Mir: 1989
erlag Carl Dahlhaus seinem schweren Leiden. Damit trat cine villi; verinderte Lage ein. Das Buch konnte nun nicht mehr in
der vorgeseheaen Form ferriggestellt werden. Im Nachlail fanden sich keinerlei Aufzeichnuugen zum geplantea SchluGapitel. Anagram ham der Autor sein Vorhaben, die zu einem Teil umbhingig voaeinander verfaihen Texte gegenseidg abzusu'rnmen, nicht bis TU End: durchfiihren kannen. In dieser Lag: schien es
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Vorwon
wenig hilfreich und auch nicht unproblcmztisch, die jmils in sich stimmigen Texte redaktionell waiter TU iiberarbeiten. Deshalb unterblieben Eingriéfe in den Wordaul, selbst don, wo Streichungen relaliv nahegelegen him (wie im Nile
von sachlichzn Wiederhohsngen oder von Exkursen in Nachbargebiete, die in anderen Binden dargestellt werden). Den vernindigen Laser warden solche Un-
ebenheiren nicht irritieren. Andererseits haben die vielen Einzelvorschlige, die der Wrfasser him durchsehon sollen, jetat unvmehens den Charakrer von mehr oder weuiger selbsdndigen 2iuatrn MI seinern Text Ingenommcn. Es ist daher
nur folgerichn'g, dd! Ruth E. Miller, die das Manuskript mit grotler Sorgfalr hir die Drucklegung hergerichret und das Quellen- und Literarur,erzeichnis um: den Registem angelegt hat, auf dem Titclblan als Herausgeberin zeichnet, Die url-
gewishnliche Aufgzbe brachte es mit sich, dag wir uns oft bemen haben. Und nicht ungem enuchicd sie dabei selbsr. 1m Nachwon, am schlui' des Bandes, wird sie iiber das Manuskript und seine Einrichrung (in den Drunk Rechenschah grben. . Dail das gesamre Unternehmen auf cine Initiative Von Carl Dahlhaus zuriicle
geht, m6chre ich an dieser Stelle dankbzr in Erinnerung bringen. Eine .6:schiclue der Musikrheorie" neu TV erarbeiten, dies war seine Idea. Als sich die
Maglichkeix der Realisierung in der Obhux des Staatlichen htstitots fiir Musikfoe
schung abzeichnere, hat a die enucheidendcn Vorschlige gemacht, die 1969 zur Griiudung des Proiekts geftihrt haben. Nachdern mir die Leitung iibertragea warden war, unterstiitzte er main: Bemiihuagen in der Anlaufzeit durch Rat und
Tat, Auf meine Bin: verfaihe er (in die Arbeitsugung I972 das gnmdlegeude Thesenpapier .Zur Methode einer Geschichte der Musikrheorie" (abgedruckt im
Jahrbuch des Staatlichen Instiruu fiir Musikforschnng 1973) und spam ebenso
prompt die Beitrise .Wax hem! Geschichte der Musikrheorie?" fiir Band 1 (I985) und Jhe Tactus- und Proportianenlehre des H. bis I7. Jahrlumderts" hu Band 6 (1987). Dd das Projekt nicht einfach TV realisieren sein wiirde, ham, sich herein
in den Anfangsjahren und besonders 1972 abgezeichnet. als im Heinen Kreis der dzmaligen Mitarbeirer bei der Diskussion des genannten Thesenpapiers eine Vielfalt der Ansichten iiber den Gegenstand und seine Darstelhmg Tutage trat - ein Pluralismus, der den Godankeu an tin einheidiches Konup: in Frage
Stella und zu einem eher pragmatischen Vorgehen Twang. Jeder Mitarbeiter sollre und nudhe die seinem Spezialrhema angemessene Method: selber finden. Carl Dahlhzus begieimm das EU Erweiterung und NeugWderung driingende Unrernehmen wiederholt mit konstrukdven Vorschligen, bisweilen and: mit kritischem Blick, alhn'ihlich aber mehr und mehr aus der Distauz, Der Denkweg indes, den er selbst als Autor eingeschlagen hat, ist einziganig und unnachahmljch
geblieben. Berlin, im August 1989
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Frieda laminar
_ - -
VERZEICHNIS DER ABK0RZUNGEN Abb.
Abbildung Abxeilung Archiv hir Musikwissenschaft Akademie
Allgemeine Musikaiische Zeirung Anmerkung Ndlage Ausgabe
bei
bearb. Bd., Bde.
BWV
beubeim Band, Bind:
Bach-Werke-Verzeichnis, hrsg. Von Wolfgang Schmieder, Leipzig 1950
bzw.
beziehuagsweise
D
Dominance
ders. Df d. b.
derselbe Durchfiihrung das bei&
Diss. dt.
Dissertation deutsch
cngl.
englisch
f., ff. hz. H. Hrsg., hrsg.
(olgende franz6sisch Heft Herausgeber, herausgegeben
Ex.
Exempel
HS
Hauptsatz
ital. JbP
iralienisch Jahrbuch der Musikbibliothek Peters
12.
Iahreznz
El).
kapixel"
Lit. MGG
Literatur Die Musik in Geschichte und Gegenwart, hrsg. Von Friedrich Blame, 17 Me., Kassel u. Basel 1949 if.
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Milzels Mezmnom
Kongr.-Ber. KongrerBericht
Cogle
'rr.rc"-r-F'r'r,
Verzeichnis der Abkrsrzangen
The Music Review Nummer Neue Zeitschrift fiir Musik
ohne Jahr ohne On Subdorninante Seite
subdominantparallele Spalte
Seitensatz Smdien Tur Musikwissenschafr
Tonika Takr
Tonikaparzllele
mm, iibers. Ubersetzung, iibersetzt vgl, Wiss., wiss. z. B. zmw ZIMG
una so weuer
wrgleiche Wissenschaft, wissenschafdich zum Beispiel Zeitschrift far Musikwissenschah Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft
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l. EINLEITUNG: MUSIKTHEORIE IM ZEITALTER DER ASTHETIK
1. Eine Epoche in ' Geschithee der Msssihtheorie?
Die Epochen, in die sich die Geschichte der Musiktheorie glicdm. brauchen mit denen der Mus'lgeschichte nicht iibereinzustimmen, obwohl es wzhrscheinIich in, dait TU einer kornposidons-, institutions- und ideeageschichtlichea Kriterienhiufung, durch die sich ein Historika berechtigt fiihlt, yon einerZaUur in der Entwickluug der Musikkultur EU sprechen, auch Merkmzle geh6ren, die :us der Musikrheorie summen. Die Tauache madam, dail der Ausganzspunkt Von Ver-
inderungen, die in die Tradition der Musiktheorie eiagreifen und sie in eine andere Richrung lenken, nicht allein in den Tonsatzregeln, die ihr unzrales Obiekr bilden, sondem auch in den Institutionen, von denen sie gmagcn wird, und in den wissenschaftlichm oder philosophischen Pr'imissen, auf die sie sich stiitat, lirgen kann, steht der Erwanung eines ungsdwn synchronen Verlaufs der Kompositions- und der Theoriegeschichte als sperriges Hindemis emgegen. Und dafi denaoch die Jahre zwischen I720 und 1730 und zwischen 1910 und 1920 sowohl kompositions- als auch rheoriegeschichdich tiefgreifende Zisuren markieren, ist
nach suvkturgeschichtlichen Kriterien nicht so selbsrverstadlich, wie es den Anhingcrn der geistesgeschichdichen Method: zwischea 1920 und 1950 erschien. Einer hismrischen Darsrellung der Musiktheorie die These Friedrich Blumes' zugrunde zu legen, daft Klzssik und Romantik oder das 18. und das 19. Jahrhunden cine musikgeschichtliche Einheit bilden, liegt insofern nahe, als Blume, um seinen historiographischen Entwurf zu rechtferrigem in der Enzyklopidie Die Mail: in Geschichte und Gegenmsrt von den fimdiunentalen Sachvrrhalren des Tonsatus zwischen dem Ende des Barockzeiuhers und dem Anfang der Neuen Musik des 20.JGrhunderrs ausging: von den Sachverhalren also, die den primim1 Gegenstand der Musiktheorie damcllen, Und es fill: nicht schwer, die Br
grenzllng einer Epoche in der Geschichte der Musiktheorie durch die Zeit um Ir20-30 einerseits and um 1910-20 andererseits durch Autorennamen und Buch-
aul omkm nlau LA 1" nm-Im. nkumlnl GM, A." G, Anni"... - ir, ,. WW Hmrium - mm W"
mcthodologische Schwierigkeit, dail zwar die zgsurbildenden Ereig migen Jahren auff'illig hiufen, ein insurer Zusammenhang zwischen ihnen aber kaum erkennbar ist, wieder eiamal aufdringt. " E Blame, Am: Klusik, MGG Bd, 7, Sp. 102r-1090; ders., Am: Romanah, MGG nd,11,5p.7ss-s4s.}
Cogle
,
I. Einleinmg. Musiktheorie im Zeiulm der Iudmik
2
Die chrxraologische Nihe Von Jean-Philippe Rameaus Traité de l’barmonie (1722) und Johann Joseph Fux' Gmdas ad Puma!» (1725) in bappieretsd, so
dd man uawillkiirlich dun neigt, von einer *icltzeitigen und insofern epochemachenden Begriindung langdauernder Traditionen in der Konrrapunkt- und der
Harmonielehre zu sprechen. Emens mukien iedoch das Buch von Fux rheorerisch das Ende einer Enrwicklung und ndlr lcdigiich pidagogisch, in der Geschidue des musikalischen Uaterrichts, cinch Anfang und eine Grundlage dar. Zweiteas sind die theoredschen Wraussetzungen der Konmpunh- und der Harmonielehre, obwohl die beiden Disziplinen in der musikalischen Didaktik in scheinbar mgmémr koexistenz nebeneinander herliefen, eigendich inkompatibei, Der chronologische und pidagogische Eusammenhang ist sachlich brachig. Drimns ist das, was kompositions- und ideengeschichdich .an der Zeit" gmsen wire: die primir: Orientierung der Musiktheorie am musikalischen Kunmrk, durch den pseudmtaturwissenschafilichen Ehrgeiz der Harmmtielehre und dutch die einseirige Konzentratioa des Kontrapunkts auf kodifizierbare Details sun auf
DrnurrurPr1nzqne" aes Aonslllcs encr gencmmx us Begunsngt women.
In much: Schwierigkeiten gait man bei dem Versuch, das Ende der vom
Barockzeitalter und der Neuen Musik des 20. Jahrhunderu umschlosseaen
Epoche nicht nut durch die Kninzidenz bedeutsamer Ereignisse pragmatisch TU
begninden. sondem and: von innen hmus TU vemuhzn und ideengeschicbtlich MI erklilen.
Dail zwischer1 1910 und 1920 in ungewéhnh'ch dichter Folge Bicher emhie-
mm, die in der Geschichte der Musiktheorie .Epoche machten' - Arnold Sch6re
bugs Herwurnieléhre (MI), Heinrich Schenkers erste Entwiirfe der ,Urliuien'-
Theon'el, August Halms Von zwei Kulmm der Masih (1913) und Ernst Kurths
Gnmdhgen des lineamx Konmpunlm (1917) -, ist unverkennbar. Und der Gedanke, die Enmehung des Neuen als kehrseite des Vorgmgs " beuachten, dai; die ilLele, aormativ-dogrnatische Musiktheorie, als deren Ietzm herausragendcr
Repr'a'sentant Hugo Riemann Wham, unter dem drcifacheu Druck des Him risrnus, der Etlmologie and der Modernen Musik zusamtnenbrach, dringt sich auf: Angesichts der Musik des Miuelalters, die Friedrich Ludwig ausgrub, der
"Existing Non-Harmonic Scales', auf die Alexander John Ellis berths 1884 die
Aufrnerksarnkeit gelenkt hates, und der Amnalirit, In der sich gleichzeitig und unabhingig voneirunder Arnold Schiinbcrg, Alexander Skrizbin und Charles
l- 1.1. ”mm scunluun ucn nay." mu cnnul ma: m. pm my '" :cmcr n:naulcrungsausgabe m Bcedlovens Kuviersonase op. 101, verwein don jaded: dmul, m das Prinzip herein in seinem Kmttrapunktbmch aus dem Jahre 1910 angedeutet sei (don s. DH.). Zur .Urlinie' ml. das 1935 postum erschieaene, in seinen Emma. iedoch bis 1915 zurackreichende Bach: Derfeie Satml I' A. J. Ellis, Tonomesrical Observations: On Some Existing Nonhannonic Scales, in: Proceedings of the w Society 27. 1886, s. 36m]
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l, Eine Epoch: in der Geschichre der Musikrheorie?
3
Ives vorwagun, wen die zzizloun, aber den geschichtlicher1 und ethnischen Ditfereazea thronenden Norman der ilsercn Musikrheorie nicht MI rmm. Mit
Raphael Kiesewetters frappierendern Dikmm, dail Verst6ge gegen das Parallelenmbox .moralisch unmiiglich" seien - und send: im scheinbar Exzeatrischea zeigt sich der Geist des 19.Jahrhunderts am dmstlichsteu -, liefua sich in einer empirisch denkeaden Epoch: die Quinteaparallelen im Chganum, in der Musik der Pygmim oder bei Debussy nicht mehr gum: Gewissens abtun. Das Zcinlm der .Systrme", so schien cs, wurde and: in der Musiktheorie durch tins der
,Forschung', also der wissenschafdichen Jtiickwerk-Technik" (Karl R. Rnsper'), abgel6st.
Die unmiuelbar einleuclnende ideeugeschichtliche Rrkonstruktion erweist sich jedoch als realgeschiehtlich fragwiirdig. Denn auger dem Appendix zu
Schanlmg: Hmrmorsielehre, der sich EU Bruchsicken einer Jaogh'' des zunichs: vom irrariorulen .Nrrngefthl'' diktieaen Umsturzes von 1907/8 vomsm, erscheint [mines der Bacher, von denen behaupret wurde, dafi sie in der Entwicklung der Munklhcone ,Epoche madman“, als Konscquenz van lmpulsen, die
vom Historismus, der Ethnologie oder der atonalen Musik ausgingen: Impulsen,
die einem uabefangenen Beobachter die Vermutung nahelegen andhen, dag sie das normative Denken der tmditionellen Musiktheorie gdihrden und schlialich zeméml minim. Schenkers Schichtedehre, cine Iaterpresation 'samsonisch-rorsaler Musik, ist in
smhtesn Gcgensau zu dem, was ideengeschichdich TU emanen war, geradezu der Irshegriff einer nonnativen Theorie, die unbeirrbar - und mit polrmischen Auxfillen gcgcn die Neue Musik - davon ausgeht, dail die Primissen ihrer Ana1ysernethoden zugleich Bedingungen 'isthetischen Gelingeus darstellen: Wo die .Urlinie" fehlt, in der Tonsatz mifilungen. Auikrdern handelt es sich - Irou cinigu Versuche von schenker-Anh'ingern, alter: und nzucre Musik den Karegorien der Schicbtealehre TU uatermedea - um die Dogmatik aim: Zeirstils: der kiassischen und sosnautischest Musik. Halms Entgegensetzung der Bachschen Fuge und der Beethovenschen Sonnen-
form als .zwci Kulturcn der Musik" in cine in die Musikthcorie verschlzgene Wriante der um mo in den Kohurwissenschaften grassierenden Typolagie-Mode, dam Sinn as war, zwischen der Historic, der man nicht ausweichen konme, und der Srsternatik, die man dennoch nicht preisgeben mocha, zu vermiueln. Und
zwar handeh cs sich bei Hahn: ungemein einfhsheichem Enrwurf um cine Typologic, derea ssorrnativuogmatischrr Gehalr in dem Postulat einer .drimn Kulrur der Musik" s, die sich in Bruckner: Symphonien abzeichnere, unverhohien zuuge
r' E. R. Pom iiberschreibr in seinem Bach Das Elend dbs Histrrrizistmts, Tiibingen ms, einen Abram des dritten Eapirels Jriickwerk-Technik sun atopischer Technik' (S. 5t-577 and ediurm am an methodischeVerfahren.] (s A. Hahn, Von zwiK-lzxm ta Musik, Smngan mm. s. 253.]
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L Eirdeiuut Musiktheorie im Zeiulm der Anhelik
mt. Der Geschichte gehiiren um die Entstehuagsbedingungen cine: Idedtypus an, aber nicht dessen Subsunz.
Von Halm war wiederum Kunh abhangig. Und dag er in den GrundUgen
des Iimunan Kanmpunkr: in aster Insunz einen geschichdich begrenztm Stil
- Backs Polyphonic - in Begriffe zu fassen versuchre, andm, wie sich rasch zeigt,
aichts an dem normativen Ansprudu den er dann dock erhob: nicht cine spezi-
fische Ausprigung des Kontrapunkts, sondem dessen gmerelles Wesen war der cigendiche Gegeastand, auf den Kunhs Darslellung ziclre.
Scheint es demnach, als bench: die Berechrigung ddiir, cine Tisur in der
Theoriegeschichte um 1910-20 und eine Epochengreaze in der Komposirions-
geschiclue einander .zuzuordnen'', in aichts anderem als der schieren Gleich-
zeitigkeit Von subsuntiell divergierenden Vorgingen, so lassen sich dennoch, alluding: nur indirekt und partiell, auch einige Umrisse eines innerm, ideere grschichtlichen Zusammenhangs skizzieren.
Ersreasim es nicht gleichgiilug, ob man wie Riemann das normativ-dogma-
uscne uemun us Be1DSWerSTar1tuMailretr (mum oaer on man es wle xncnm
durch konservative Polemik MI bewahren und zu rerun versuchx. Und die Dike-
renzierung ist auch aicht, wie s scheinen k6nnte, als Verdichcigung Schenkm
gemeinl. (Ein Historiker, der kouservatives Denken prinzipiell mil Geringschitlung behandelr, ist keiner.)Vielmehr soll sie der Vermutung den ch bahncn, dd
em durch den Ubergang Von einem unreflekrrerten Traditimtalisntus, fiir den sich (me, Von Natur gegebene Noam von selbst versunden, MI einem bewuiV
ten Konservatismus, der sich gegen die Axonalitir und den Historismus gleichzeirig Wehren mute, die Theorie der klassisch-ronuntischen Musik das Mail an Durchbildung erreiclue, dis Gerhaupt m ich war, dail also die Geiihrdung des
Uberlieferun, die zur Reflexion zwang, derTheorie niitzle, sun sie brachig werden TU lawn. Zwischen dem Neuen in der Kompositioaspraxis einerseits und in der Theorie andererseits bestiinde demnach - II'OKZ des Scheins von Beziehungr
losigkeit - doch ein Zusamrnenhang, wenn auch tin negative! und polemischer:
Der Koaservatismus ist, in der Musik wie in der Poliu'k, chemo ein charakrerisu'sches Phinomen der Moderne wie der grensberschreireade Foreschritt, den er
riickgingig machen oder wenigstens hemmen m6chte. Zweitens WK sich, um mit Sch6nbergs TU sprechen, die Uirkennmis", die ein Autor gewinnt, von der "Gesinnung", die a dadurch zu snitzen glaubr, manchmal weirgehend ihl6sen. Sowenig die .driue Kultur der Musik", die Anton Von
Webern in der Sinfonie Opus 21 durch die Verschrinkung Von Sonmniom und Fuge u. realisieren versuchre, dem and entsprach, das August Hahn var. schwebre, so drastisch zeigt berths die broik M6glichkeit einer Aneignung durch die ,,Gegenseite", dd die scheinbar auseinanderstrebenden deenzen der Kom-
1s A. Schénberg, Gtsinmmg uder Erkermmisf, in: 25Jahre Neue Musik. Jahrbuch der Universal-Edition Wren, Wien 1926.]
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l. Eine Epoch: in der Geschichte der Musikdleorie?
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positions- und der Theoriegeschichte seit me warm nicht urspriinglich eines
Sinnes, so doch in ihren Konsequenzen zumindest partial] kompatibel eren: Halms .Erkmntnis" war modemer als die ,.Gesimnsng'', mit der sie verquickt war. Und dag Ernst Knnh im Vomn zur drimn Auflage der Grundlagen des linearen Kmtmpwshts geger1 die Adaptieruug seiner Theorie dutch Hindemith oder die Hindemith-Anhiinger, die einem Von der tender: Harmonik emanzipierten Kontrapurht das Won redeem etttriisteten Einspruch erhob, sollte nichr dar-
iiber hinwegt'a'uschen, dd " sich keineswegs urn ein schiem .MBversasuinis" handeke, sondem um die Emdeckung und Nssnutzung einer zwar lalenten, aber vorhandenen Implikation, deren einseirige Hervurhebung bei Kurds einen heftigerem betroffenereu Zorn mega, als er durch einen bloeen Irrmm oder cine
leich: durchschaubare Wrzerrung pmvozien warden wire 7. Sugar Schenker in in den throrerischen Konun der Moderne, gegen derea
komposimrische Praxis er sich zeidebens striiubte, schlialich hineingezogen warden. Und die Versuche, die .Urlinie" von ihren tonalen Voraussetzungen " lésen, um sie auf atonale Musik TU applizicren, sind immerhin - xrotz ihrer sachlichen Fragwiirdigkeit - wagen der Harm'icla'gkeit, mit der sie in den Theoretiker-
zirkela der amerikanischen "unisersity composers" immer wieder unumommen wesden, ein ideengeschichtliches Indiz, Start durch Bacher, die in der Entwicklung der Musiktheorie .Epoche mach-
ten", kann man alluding; die Tisur, die das 20. Jahrhundm vom 18. und 19. air. hebr, auch dadurch bestimmea, dail der Theorie&griff im Zusammenhang mit der Nmen Musik gruadlegrnden Verinderuagen unterworfen war, so dait nicht Pubiikarionea, die im gewohmen, iiberlieferten Sinne tnusiktheormische Ablundlungen sind, sondem neuanige Former: von Gedankenentwiiden, in denen Theoriefragmeate divesgiereader Herkunfr als Snitze und Rechcfenigung des Knmponierens dienen, das eigendich iursschlaggebende Faktum darstellea.
AuBerdem ist es unverkennbar, dall gerade die im 18.Jahrhunderx neuen und
hir das Zeilalwr kennzeichnenden Kategorierc der Harmoniebegriff im Sinne Rameaus und d’Alembens und die Idea einer in sich selbst begrisnderen musikaiischen Form, in der Neuen Musik des 20.Jahrhunderts vom Zerfall bedroht erscheinen - das harmonische Denken wurde, um grab zu simplifizierea, Von einem koutrapunktischen und das formal: Von einem strukturellert abgeliist oder xuri'schgedr'a'ngt -, wihrend die 51mm, hinter die Grenze Von 1720 zun'ickrdchenden musiktheoreu'schen Disziplinem die Kontrapunkt- und die Rhythnurslehre, dd: ah dipiznim amiam hahan. die den Umsmn im 20, lahrlum-
den iiberdauerten. Das 18. und iii w. Jahrhunden bilden demnach insoiern :in‘e
[1 .Das Wort [linearer Kotstrapankt] wurde skmpellos zur Deckang cine. harmoaie freien, in neuen Klangbereichen "yerimentieres1den Zasasmnerdlickens "rnTorrlissien mus. branch: und auf alle méglichen Versuche eines rabsoluten' Oder tiscksichtsioseu, d, h. um alle zusammettkraage unbekiunmerrea Ksrntraparhts angewandt" (s. xnm
Co gle
I, Einleinmg. Musiktheorie im Muller der Anhelik
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Epoche in der Geschichte der Musiktheorie, als die Hmonie- and die Formanlchre - die cine als Damrellung von Grundlagrn, die andere als Kodiiizierung von
Erscheinungsformen der seit der Mine des 18. Jahrhunderes sich herausbildenden 'istherischen Idea des autonomen, in sich gcschlossenen musikalischrn Kunstwerks - die hir das Teitalter charakteristischen Disziplinen warm, und zwar in dem doppehen Sinne, dag sie einerseits zu Beginn des Zeitalters enmanden und
nach dessen Ende nur noch in epigonalen Ausprigungen weiterezistierren und
andererseits wihrend der Daner der Epoch: als zentral und dominierend galren. 2. Traditionsbestarrde and "xrlirste
Die intensive Anreiirulune, mit der die Geschichuschreibung die Urspriinge
Von Erscheiaungen rekonstruiert und bis in entlegene Voraussctzungen verfolgt, stein in einem seltsarnen Migverh'ilmis zu der Greichg'v'ltigheit gegestiiber End-Im... A-., 1:-..4,“ rum. -. muuub... .Lkmhnn .w...w.... .,.4... w... m-uv...., "mum... Dag geschichtliche Zisuren nicht allein dutch die Enmehung von Ncuem, son-
dem in mindestens gleichem Maile auch durch das Absterben von Alum markien werden, gelatin demnach zu den wissenschafdich unbcqumnen Trivialiaren, die zwar niemals ausdn'icklich bestritteu, aber implizit dadurch verlcugnn werden, dag man sie in der historiographischen Praxis 1mberacksichtigt l'igt. Und in der Tat ist cs nichr selten schwierig oder nahezu unmiiglich, das Abbr6ckela einer Entwicklung mit geniigender Eindeutigkeit BU bestimmen: Es gab zwar ein Ende
des ,,Generalbagzeitalters", wie das 17. und friihe 18. Jahrhundert Von Hugo Riev manu genannt warden 3, aber eigentlich keines der Geaeralbagpraxis und -lehre. Das Phinomen vmchwand nicht, sondem wurde lediglich satztechnisch glcichgaltig; und es gilt als historiograpltisch verlalicher, Tu zeigen, dag ein Sachverhalt nicht mehr existiem als plausibelzu machen, dd er nicht linger relevant ist.
Aulkrdem ist das Neue, als das Werk herausrageruler einzelner, der genuine Gegenstand einer Geschichtsschreibung, die individualisierend verfilln, wah. rend sich Alas eher bei denen behaupm, die im Schamn stehen, so dail sozialoder struktunrschichtiiclie Methodea sastwendig wiren, um Erscheinungen gemhr TU werden, die an die Peripherie gedxing: Wurden oder in das Souterrain absanken: Die musikzlische Realist, die den ungezihltm elemenurcn Hanno-
nielehren des spiten 19. Jahrlumdens emsprach, ist nicht in der an Wagner: Tristan tmd Isolde orientierten Modeme, sondem in lingst verschollenra, a,
gesellsge Zwecke bcmmmun Komposmonen halber 1hiettanten TU tutuen.
Ans der Tihigkeit des Uberdauems mancher Traditionsbestande resulu'en die
von Wilhelm Pinder in cine Formel gefaihe .Gleichzeitigheit des Ungleichzei[' H. Riemann, Handbupb der Mudkgeschidste, 2. BL, 2. Tail: Das Generalbdzeitalter,
Leipzig 1912.]
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2. Traditionsbesamk and ~v¢rlusu
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tigea" oder .Ungleichzeitigkzit des Gleichzeitigea" l die in 0bermag ziliert, iedoch selen erliutm wird, obwohl sie keineswegs unmiibverstindlich ist. Der Topos Mag: entweder, dag Phinomcne verschiedenen Ursprungs und Alters - also divergierender Entwicklungssmfe - nebeneinandcr besrehen, ohne dd ge-
schichtsphilosophisch von einem Vorrang des Mere,, oder des Neueren die Rede ist, oder er suggeriert, dail lediglich bestimmte Erscheinungen - in der Regel die fortgeschrittenen - ,.an der Zeit" seien, wihrend andere, die immer noch existie-
ren, eigenrlich der Wrgangenheit angehiiren. Der empirischen Interpretation
steht also cine metaphysische gegeniiber, die wiederum mit dem erwihnnen
Vorurteil fiir das jeweils Neue - einern Vorurteil, das seinerseits aus der individualisierenden Method: der Geschichtsschreibung entsprungen ist - eng zusammenhingl.
ist man sich abet der Verkarzung wrgangencr Wirklichkeit, die durch Knnzentration auf das Neue - das Werk bedeutender einzelner - unvenneidlich enurehl,
Csberhaupt em einmal als tints (einstweilen wohl unzufhebbareu) Mange]: bewuflt, so kann man (unter dem sandigen Vorbehalt, der daraus resultiest) mit
verringertem meehodologischern Risiko democh, und zwar Jdeahypisch" im Sinne Max Webers, das Neue, das in einer Epoch: hervortritt, mit dem Alan als dem friiher Entstandenea, abet darum keineswegs weniger .Gegenwbtigen" konfrmttieren, dern es sich entgegettstellt, Die kontrastierung ediih nuamehr nicht den Zweck, cine abrupt: ,Ablésung' des einen dutch das andere " suggerieren, die niemals sunfmd, sondem diam als begriffliche Folie fiir die Darnel-
lung der Widersprache, Transformationen und Differenzierungen, ans denen die geschichrliche Realitit besteht. Was die Rekonstruku'on idealtypischer Gegensitze zwischen Ahern und
Nam im Hinblick auf die Geschichte der Musikthcorie im 18.Jahrhurulert besagt, lat sich, wean man nach Sachverhalten such, die meehodologisch wrschiedene Zugriffe nomndig madam, an der Ars invenicndi, der Atfek> oder Geftshlsisthetik sowie der von ihr abhingigm musikalischen IRrrmeniehre und der musikalisch-rhetorischen Figurenlebre uigen.
Dail die Ars invenimdi - als Sammlung yon Kunstgrilfen, die einen komponi-
sm: dazu :nrcgen sollten, musikalische Gedanken aus sich herauszupressen, die er als Woche har Woche Kanmun produziercnder Kantor auch dann brauchte, wum er sie nicht hate - mit der Originaliats- und Spontaneititsidee des spireren
18. Jahrhurrderts in kimflikt gnaw: muihe, war unvermeidlich. Das AusrnUl alum
n Rm G. - wrdénm ....,. ~n- wdnn aldrhum b. An. Hnurmmri Aer
iri'dii abwanderte,iIsl einstweilen Inch! J2'oCiTi'Ci,U. 'aUii2,'li'c'i," wurde
lediglich die 6ffendiche Doktrin'm eine Privatsache umgewattdelt, die das Publi-
p w Pindu, Das Problem der Generation in der Kuastgeschichte Eumpas, Berlin 1926. Das cm: Kapitel trig: die Mm: lhs Probksn der grschichdichen Gleichzeitigkeit, Die JhsdeicUeitigkeif des Gleichzeitigen (S. m]
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L Einleimng. Musiktheorie im Zeitalter der hsthetik
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bum nichts aging und die man praktizUree, ohne sie " lehren. Die Gedichte, an denen endang Giuseppe Tartini Instrumeatalstiicke kompoaierte, Wen keine Programme, die zu den Werken als 'isthetischem Gegensmnd gehfmen, sondem Hilfsminel der An inveniendi, die im Verborgencn gehahen warden.
Der Versuch, die Transformation der humaaistisch-barockea Mektenlehre in die Aschetik der Empfindsarnkeit augmessen zu beschreibcn, ist methodologisch mit ihnlichen schwierigkeien helmet. Die schlicht kourrastierende Behauptung,
af bis zum iriihen 18. jahrhundm Melae gewissermaiun .von autun'' ponticien wurden, wihrend seit den 1760er Jahren tin Komponisl, der im Idealfill, wie Carl Philipp Emanuel Bach, zugleich sein eigener Interpret war, in der musikalischen Ernpiiruhmgssprache von sich selbst redeu und in Ténen .seine Scale aushauchte' (Daniel Schubm) - die These also, dail eine obiektivierende Gdihlsdarstellung von ether subiekdvierenden abgelfm Worden sei, in zwar nicht falsch, aber einseitig und "swolistudig. Dean der .Selbsuusdruck', den die Asdmik der EmpGdsarnkeit vom komponisten - und vom Interpreters als dessert Stellvertreter - emanate, warwuuga cine psychologische als eme ischmsche Kategone:
Der Komponist oder Interpret sollte, um andere MI Kshren, nicht selbst gerishrt "ein" - obwohl Carl Philipp Emanuel Bach dies postulierte", also Von realm, aicht von imaginienen Gefiihlen Tu sprechen scheint -, sondem geriihrt .wip Kea": Jichtheit" ist, poinden ausgedriickr, isthedsch irrelevant. (Urngekehn
war a im 17.Jahrhundert psychologisch hinawegs :usgeschlossen, aber Esthetisch gleichtiltig, dag sich Imerpmen in die Affekte, die sie darstelltea, auch persetztea"; Wenn es ihnen milzm, um Eifelrte zu erzielen, war as eine Privarv angelcgenheit, um die man sich nicht kiimmerte.)
Musiktheoretisch war der Ubetgang von der Mektenielue zur Gefiihls5sthetik der Ernphndsamkeit insofem bedeutsam, als mm bis Tum frihen 18. Jahrhunden von der Jiinheit" des Affekts, seit 1740 dagegess, jedcnfalls in der damals avandencn Musik, von der .Marmigfahigkeit" des Wechsels der Gefiihlsrgen auging: Dem sp'itbarocken J%heitsablauf", wie er Von Heinrich Besseler" genmn! wurde, steht in charakteristischen musikalischen Satzstrukturen des Zeiulrers der Envfindsunkeit - keineswegs in simdichen - ein m:nchmal zum Rmnzerfall tendierender, die Kandnuiri: zersplitternder Reichuun an expressiv
begxundmn melodisch»rhy1hmischen Pmikcln gegeniber, der em sekundir, dutch offene odor latent: Motivbzziehungen, inneren Zusammenhalt gewinnt oder wenigstens TU gewimten sucht, Die musikalische Formgeschichre des spitb
[w .Indem ein Musickus nicht mam nihren kan, er sey dann selbst gerrshn; so mal? er nodmndig sich selbst in alle Affecktea smen ham, welsh: er hey men Zuh6rera erregen will . . ." (c. Ph. E. Bach, Vmuch iiberdie wbre Arr das Clavia n spielen, Teil l, Berlin 1753. "L Hauptstack, s D, s. 112).] [u H. Besseler erlitaert diesen Begritf in dun Auhatz: Charakterthema und Erlebnisform bei Bach, in: Kongr.-Ber. Lamb“ 1950.5. 7-320
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2. Tradiriattsbestamde uud "erluste
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m 18. Jahrhunderrs lgih sich als niemals prinzipiell, sondem immer nur hsuell geschlichteser Widersueit zwischen dem aus einer gheren Tradition stammerulea Prinzip der Einheit des Thomas und des durch das Them: ausgedriickrea Jlauptaffekrs" und der entgegengesetzter1 ldee cine: slindigen Sdmmungsum-
schlags, dessen paradigmatische Ausprigung die Form oder Fkarmlosigreit der freien Phanusie war, (theoredsch) auffasen und (historiographisch) schildern. Mew aber kann Von einer einfachen .Ablamg‘ des Maren durch das
Neuere, also gleichsam Von einem Zusammetsprall der Epochm, die Rede sein: In
der klassischen Sonatenform, die cine mu Vollendung in Haydns Streichquarmun Opus 33 (1781) und den gleichzeitiges1 Symphonies, erreichte, ist der .Einheitsablzuf' des sp'itbasoclren Romans ebenso .aufgehoben' wie das .redcnde Prinzip"" und die expressir begriindete Vielfalt der empGdsamen Phas1tasie.
Die musikalisch-rhewrische Emma." des 17. Jahrhunderts war doppelt
determinierc isthetisch durch die nus der Amike stammende Priimisse, dag rhe-
torische Abweichuugen Von grammacischen Regeln - in der forensischen Praxis das Abbrechea von Siam unter dem Drunk dues iiberm5chtigen Geftshls oder die iusistietende, emphadsche Wiaderholung eiazelner Wiirter - dazu dienen kihutea, Aifehre MI erregan oder TV beschwichdgen; satztechnisch durch das Verfahren, Phinomene der Second: panic: als kodiiizierbare Liunzen von Norman
der Prim: prattica TV erkfiren: als Ausnahrnen, die sich auf den reguliren Ton-
sau. gegcn dessen Prinzipien sie ans Grandes, der Textdarstellung "rstoikn, in gedanklicher Rekonsmsktion zurackbeziehen hum. Die Gelmng der Figurenlehre - als eines differenziertea Systems musikalischer Textexegese und Allegorik - ist also, wie es scheim, von der ungebrocheneu Tradierung der satztechaischen GrundUgen des kUssischea Kortrrainsnkts - und das beifk: des Intervallsatzes im Unterschied zum Akkordsatz der Harmonielehre -
abhingig. Die Badman; eines Tritonus als Bestandteil eines Dominaatsepe akkords, die durch Rameaus Harmonielehre seit I722 allmihlich ins anssikalische Bewufitsein dung - ohne dd sich Rezepdimsstufess and: nut annihemd datieren lassen -. schlidk cine rhemrisch-iigiirliche Interpretation des sperrigen Inxervalls
als U?arrhesif prinzipiell ans: Eine Figur im Sinne des Barockaeitahers ist der Tritoaus einzig unter der Bedingung, dd er ein incgulires Phinomen im Intervallsatz und nicht sin regulates im Akkordsatx darstellt. Dennoch ligt sich nicht
mit Sicherheit behauprem dail die beim historischen Riickblick sich aufdringcnde M6elichkeit oder sonar Notwendiekeit, Bachs Tonsztz korrmositioastechnisch
mic'negrmen der Aikordhmonii TV crkliren, ciner figiiriichen Exegese, die sich auf Bachs isthedsches Denken beruft, a priori den Baden entzieht, Das Wahrschcinliche ist, dd Bach akkordharmonisch empfand und democh rheto-
(" W. dams A. Schering, Carl Plan” Emanuel Bach and das .ndtnde Prinzip' in der Musik, in: JbP fix 1938.13, 45, 1939, s, 13-2N
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I. Einkitung. Musihdteorie im Zeiulm der Anhuik
risch komponierte - die ideahypisch logische Kousequeuz, dail nus dem Zafall des Intervallsatzes die Aush6hlung der Figurcnlehre rmlldm, bunch! nicht die
empirisch trihige " sein. 3, Das Neue in der Mnsihtbeosie des 18Jahrhamdirts DUI die muiAgeschichtliche Tisur um 1720-30, die das .Generaibagzeitaiter"
von den Jahrzehnren mm, die man ans Vedegenheit als Jrorklassik" bendabnn, auch in der Entwicklung der Musiktheorie .Epoche machu', enchant ange-
sichts der Tarsache, dag die Publikzdon von Jean-Philippe Rameaus Traitg de l'harrmmie in die 1720er Jahre (ilk, als schien historiographische Selbstversénd» lichkeir, an der zu zweifeln geradezu anar6Gg wire, und 1w insofem, als selten
smug die Geschichte der Ereigr1isse und die der Ref1exion aber sie durch gleich. Ridge Einschnim: dem Historikerdas Gdthl wrmituln, dd Epochen, in denen
snch aer Mtl as umens ebenso vmnam m: oer us umuems, gesctuctttnctte Mama und nicht blofk Fikrionen sind. Ideengeschichte isr immer zwiespiltig: nach vomim und riickwgrts gmm-
der; doch indem die scholasdschen 1mplikarioner, bei Descartes und die platonischen, aus der Renaissancetradirion stammeuden bei Galilei niche in der Tat-
sache, dag sick im biihen l7. Jahrhunden cine wissetsschafilich-philomphische Revolution enigma. Und daft Ramaus Harmonielehre sowohl ein End: als auch einen Anhng markien, in cine Trivialixir, deren Diskussion en: dadurch,
daB man sich augesichts von Details, in denen .der Tanfcl steckt", aber die relative Bedeurung oder Inelmnz des Allen und des Neum vemindigen mall, iiberhaupt lohneud erscheint. Man kann die Theorie der Basse fondamentale als Wriante der Gerteralbdlehre darsullen, wiirde abet dutch die Interpretation .von nickwim' der immensen Geschichzswirkung, die von Rameaus Bichem - oder von damn Popularisicrung
durch d'Alemben in den Elérnens dc maxique théariqsse ztpmn'qu (1752) - ausging, schwerlich gerecht. Andererseits kann Von einer blofkn Ablésung der einen Tradition durch die andere nicht die Rode sein. Das Verhilmis zwischen Harmo~ nie- und Generalba3lelue ist psobumatiscber, als es in gesd1ichdichea Dannilungen erscheint, die den bis zur Mine des 19. Jahrhuadens Indium Terminus
"Generalbaglehre" als Synonym fiir .Harmonielehre" einfach igssoriererv. Doch sind die weseurlichen vorausseszungrn dahir, dafl die Hannonielehre aus dun abhingigen Status cine: blogrn Interpretation des Generalbasses herausgefiihrt warden komm, bucks von Ramcau - msrnindest in den Urnrissen - enworfen warden. Verxrackter ist das Problem, dag das Harmoniemodell, das Rameaus Theorie
der Basse fundamental: sugrunde lag, srrenggenommen wenign die tonal: Kadenz (I-rv-v-O als die Quintschrirtsequessz (i-N-WI-m-Wm-V-O war, die
sich dadurch, dail man sie im 19. Jahrhunden Jechtersche Kadenz' manta, Kei-
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3. Das Neue in der Musiktheorie des 18.Jahdnusderts
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neswegs in einen geschlossenen harmonischen Funktioaszusammenhang Vurwandelre, wie ihn der Ausdruck ,Kadenz" suggeriert. Die Quintschritssequenz ist vielmehr - in einem ihnlichen Sinne wie das in ihr oufgehobene" Tonsatzmodell
der Sexuuknu tttit septimenvorhalren - prinzipiell unbegrenu offen und iaik sich dutch unauffillige Chromatisicrungen, die das Hiuznoniegefiihl nicht im geringsten irritieren, Tu beliebigeu tonalen Zielen lenken. Dail sie als Jeirereigene"
Sequenz sirndiche Stufen der Tonm urnfaih und zudem mit dem Grundakkord beginnt und schliegt, liegt nicht im Wesen des Harmoniemodells begriindet, sondem ist vidmehr cine der - Von sich aus tonal iadifferenten - Sequenz ,von
auilen" olmyiem - an der LAalisienmg der vermiaderten Quince als willkiidich erkennbare - 2usatzbestimmure, die priazipiell mit einer anderen vertauschbar wiire. Zwischen der durch die Skala - als lnbegriff Jeitereigener" Ttine -defi-
nicnen Tonm and dem tonal zwar anpassungsfihigen, aber eigendich gleichtu'r tigen Tonsatzmodell bench: weniger cine innere Affinitat, wie sie der Terminus
Jechrersche Kadenz" aahelegr, als eine bloe "iufurliche Angleichung, Die Quintschrittsequenx war nun aber, um grub zu vereinfachcn, charakteri.
sdsch hir die .spitbarocke' Musik, die in den IT20er Jahren MI Ende ging, und gerade nicht fiir die .vorklassische", die sich damals allmihlich herausbildete. Der Hintergrund, an dem Rameau Riickhalt fand, and die Rrlgea, die er durch seine Theorie ausl6ste, scheinen also nicht zusammeazustimmea. Trotz der stilistischea Orientierung ,,nach riickwiirts" markim jedoch Rameaus Harmonielehre einen Neuansatz des musikalischen Denkens, dessen Tragweize kaum iibee schitzt werden kann. An der zentralen These des Traité de l’barmonie, dag nicht der rule Ball - der Basso continue " sondem ein durch Abstrakrion Von Akkordumkehrungen
rekonsrruierrer Fundamental" - die Base foadamentale - der eigentliche Triger harmonischen Lssammenhangs sei, ist das negative Moment ebenso wesentlich wie das positive: Der Generalbag ham auf, als Stimme den gleichsam greifbaren Konnex und Fongang des Tonsatus zu verbiirgen, und wurde in der Funktion, Zusarnrnenhalt TII sdftcn, durch Akkordbeziehungcn abgel6st, die - gleichg'u'ltiir, wie man sie interpretiesre r jedenfalls nicht an die Kontissuiti'st cine: realen Satzgeriistes gebunden waren, sandern gewissermaikn stat: einer konkmen Oberflichen- cine absuakre Tiefensrrukasr darstellten. Die Interpretation des Akkords
f-a-c-d in C-Dur als Subdominanre mit Dissonanzzusarz (d) teilt mit der emgegengesetzter1 und konkurrierenden Auslegung als IV. Stufe, die sich erst durch Suorxrsition der II. Stufe (d) in einen rezuliren Fundameatzane II-V-I einfiict
(13:51), die ausschulgeberid'e Eigenriimlizhkeir, eine - m din Iaien 5min abstmhierte - Jache der Auffassung und des besieheaden Denkens" (Carl Stumpf") Zn sein. [n C. Sumpi. Kmmz mi Kmm, in: Beitrige m Akustik und Musikwissenmm s, 1911. s. 136.]
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I. Einleitung. Musiktheorie im Zeitaiter der Kuhedk Ex.l
IGC ndexD’IGC
Mit dem Gedanken, die male Geriiststimme als Riickgrat des musikalischen Snzes durch eine ,,rnusikalische Logik“ (Johann Nicolaus Forkel") abzul6sen, die weniger eine an der Praxis orientierre .Lehn' als cine sich wissenschaftlich geb5rdende .Theorie' ist, hing: der Umsxand, dd der Durdreiklang yon Ra-
mcau wenn nicht 1722, so doch seit 1726" "irbysikalistisch" - durch Ableirung
von der Parriahonreihe - erklin wurde, zwar nicht sachlich zwingemi, aber
idcengeschichdich folgenreich zusammm. Nichrcm bnrachm ist es - auch im Hinblick auf die Basse fondarnentale - ylgichm'iltim oh man dem Durdrzikhnv
m: Zariino" die harmonische Proportion (oder Proporu'oaali t)
no (b;
Togett auf Saitenlingen) oder wie Rameau den 4. bis 6. Panilkon (also Frequenz-
verhilmisse) zugrunde leg. Denn die Behauptung, dag 15: 12: lo ein .ausgezeichnetes" Zahlenvcrhilmis sei - cine Behauprung, die an dem ins der Antike aber, Iiefemn Wort Jarmor1isch", also am scholastischm Begriffsrealismus hafiet -,
ist ebenso spekulativ wie die Gegenthese, dd der Durdreiklang im Naturvorbild
der Partialtonrtihe Jegriistdet" sei; Die Eigenschah, in der Serie der Obem5ne :nthalun TU sein, wilt er mit ungezihlren anderen Zusammenklingen (woraus
Arnold Sch6nberg rm die .Emanzipation der Dissonanz" deduziene"); und dag Panialxéne, die durch Verschmelzung eine Klangfarbe konstimieren, zugleich durch NichtNerschmelzung einen Akkord priformleren, is: strenggenommen
nicht einsehbar. Aulkrdem bleibt der Molldrciklang unerklin, und das emschei-
dende Moment der tonalen Harmonik, der Konnex zwischen Akkorden, ist physikalisch - oder physikzlistisch - vollends nichr interpretierbar. Die theorerische
Hannonielehre ist also nichts als sin karges Fragment dessen, was sie zu sein
pritendiert: Theorie der Harmorsik. Ideengeschichdich aber war der Physikalismus insofera bedeutsam, als er einen
[M Sigh: am mm s. 9011] [u Rameau,Nmrvmw systémedernusieetheurie Paris ms s 20 [n urnno, u mummy» nanmmmu, mm; mu, m, lup. u, a, m L) _ A. Schénberg. Harrmmiekbre, Leipzig u. Wren 1911. s. 19. Dan handle: schan. berg, dd Konsonanzen und Dissonanzm Gegensitze mm Der mas Jirnanziparion der Dissonanz" much! emmals Inf in dem Aufutzz Gesinnung ader Erkennmis? (Wren 1926), in: am, sul und Gedznke, Aulsim zur Musik, Camel" Schrihen 1, hug, van I, Vojtéch, Frankfurt a. M. 1976, s. 211. Eine ausfiihrlichere Erliuurung findet sich in: Komposition mit zwélf Tam, chem, . 72-96.]
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J. Das Neue in der Musiktheorie des 18.Jahrtmaderrs
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- wenn auch sachlich bagwiisdigen - Zusammenhang zwischen der Hannonielehre und der Physik, der Modellwissenschaft der Epoche, suggeriem and da-
durch die Musiktheosie, als dam aentmie Disziplin zweiJahrhunderre ling die Hasmonielehse gall, mit den dominierenden grisdgen Inmessen des Zeitalrers "rknaphe. Die selrsam zwiespihige Eigemiimlichkeit der 51mm Musica dico-
rica, dag musikalische Realiatsfrerndheit die thneiw philosophischer Bedeue samkeit bildexe, wiederholte sich unm vcrindenen Vorzeichen bei der theore tischen Hannonielehre, deren fiktiver, aber im 18. und 19.Jahrhundert geglaubm - gemuer: von der szoririr der NichI-Wissauchafder gegemiber der Minmit'a't der Wrssenschahler (Hermann Von Helmholtz) haminkig behauptmer-Wissen-
schahsanspruch zu den praktischen Prinzipien der musikalischen Satzlelue nick: in der entferntesten greifbaren Beziehung stand; Ans der theoren'schen Harmonielehre war aiemals - gJeichg'u'ltig, welche Gestalt sie annahm - cine einzige Kompositiousregel ableitbar. (Hugo Riemanns Wrmittlungsversuch in der 3hssikalisdrers Syntax} van 1877 endete in einer Karastrophe.)
Neben der physikalisch - oder pseudophysikalisch - fundimm Harmonielehre war die in isdmixchm Prinzipien wurzelnde Melodielehre cine der charakterisuu schen Disziplirseu, in denen sich das Neue in der Muaikrheorie des 18.]ahrhundens mauifestierre. Dali Johann Mattheson im Vollkommersen Cupellrseister (I739) behauprme, als mm cine Melodielehre mmdcn lu haben - ,,Niemand hat 5mm, meines Wissens, mit Vorsatz und Nachdruck Von der Melodie gescluieben" " -, ist zwar ein Irmnn, der dutch einen bistorischen Exkurs iiber Melodielehrcn Ins friheren Jahrhunderren oder soy: Jahrrausenden ohne Miihe wider-
legbar wire, gehén aber MI den aufbchiugreichen falsehen Ansprischess, in denen sich der Grin einer Epoche manchmal deudichcr zeigt als in den berechtigten und trivialen. Enmheidmd in, dail Madman (.Zweiter Theil, Fanthes HauptStick: Von der Kunst cine gum Melodie MI machen“ ") nicks Grringrres
versuchre, als der tnathematisch fisadierten Eoatrapunktlehre - der Substanz der uaditionellan Musica poedca - eine isdmisch begr'u'ndete Melodielelue emgegenzusnun und die 'ihere Disziplin zwar nicht mullet Gehung TU semen, was
widessinnig gm wire, aber doch dutch die neuere aus der Position cine: tsagenden Grundlage der Musiktheorie oder des musikalischea Saulehre zu "rdringcn. Zusammen mit dem musikalischen Gegenstand, der ins chuum niche, whack: die philosophische Orieutimmg: Starr der Mathematik. die
Manhason als bloile Hilfswissenschaft fiir Insrrumeatenbauer betrachtese, also “um mamlnm'u-Iun frdarr"Gerho,srrh-urhrr,t Anmmrlu kmuku war u Aie "r? ”1......
Asd-Am'k, an der er als Musiktheoreuher Riickhalt iii2i'J. Die Schwierigheit, die er lésen mulire, besnnd dabeim einer rn6gh'chst brachlosen Vennirdung zwischen dem fitadamentalen 'isthetischen Topos, dd Musik
t" J, Mauhcson, Der wmmm Capelhtteisrer, Hamburg 1739, s. 133, $4.] (" Ebenda, s. t9-16thl
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I. Einlgimng. Musiktheorie im Zeiulmet der Asduen'k
cine Entpfindangssprache sei, und den satztechuischen Details, die eine Maladie-
lehre regulieren mugte, um iherhaupt cine Lehre und nicht ein bloges Bruulel Von Reflexioners zu sein, die BU hoch iiber der musikalischen Realidr schwebten,
als M sie wirksam in sie einyeifen konnten. Manhason Mute, um einen tragfihigen Ubergang vom isthetisch Allgemeinen zum kmupositorisch Besottderen TV finden, vier mitdere kaegorien ein, damn Beracksichtigung dem upmsim. chck der Musik dienen und zugleich eine handgreifliche Ps'izisierung der rechnischen Mimi erlauben sollte. .Aus obiger richdgen Beschreibung und derert Erliurenlng allein kan also schon ein guter Grund zu brauchbaren melodischen Re-
geln abgeaommen, und die eingebildete Unrn9chkeit dmlben Icichr gehoben warden Denn, wean man nut firs em: die vier Eigeaschafftert; laid”. deuthth,
'fend und licblicb, recht ansiehet, und zur weitem Untersuchung vor sich aimmt, so ergeben sich von selbst vier Classes, oder Abtheilungen sothaner
Regeln. (. . .) Betrachten wir fiirs mam, dis bmegmde oder riihrende Weserr,
als worin en! die wahre melodische Sch6nheit bestehet, und dem die vier obge-
meldtcn Eigenschafhen nur bedienet und behiiWich sind; so haben wit die gantze Lehre von den nariirlichen Gemiiths-Neigungen vor ms, and wird gar kein Mange] an gulen Regeln verspiiret werden; vieleicht aha an deren kliighchen
Anwendung." " Dail Mmhesons Systemadk, die der .uichtigheit" (gemeim ist die Faglichkeit) siebem der ',Deutlichkeit" zehn und dem Jieflenden Wesen" sowie der .Lieblichkeit' ie acht .Grundsiae' zuordnn ", Von Brichen und Rissen dutchzogen ist, die der logischen Nachl5ssigkeit des eminesuen Publizisten zuzuschreihen sind, 153: sich nicht leugnen, ist iedoch ideengeschichtlich von geringer Bedeutung. (Die Regeln, die J.ieblichkeit" verbiirgen sullen, sind EU einem pollen Teil Wiederholungen: Der .richrige Wrhait aller Theile einer Melodie" " - die
Symmetric der mm, Phrasen und Sam -, die Fixierung der Tonan zu Beginn eines Suicks und die Vermeidung eines 0betmages an Jrerbr'a'trumgen und
Figuren' " warm von Mmheson, ohne dait er sich die 0bersclmeidustgest bewuihmachte, bemits EU den Bedingungen der "Deutlichkeit" gezihk warden,
die ihrerseirs Von der ,Leichtigkcir' mu rruahsam abgrenzbar erscheint). Nicht abschliegend zu kodifizierea war Mauhesons Sacha, sondem Bahnen EU brechem Kompositionstechniscl1 ausschlaggebend war, dag das Jewegeade und rill:reade Wesen", wie es die Empiindszmkeit von einer Musik :nvme, die sie als
melodisch oslten lieg, im 18. Izhrhunden untrcnnbzr mit dem Ideal der Einfach-
hail und timarahkiit mbu'ndm wurde. (Nichts wire falscher, als in der VerP" Ebenda, s. 140. 55 46, 4r.] F' Elma s. 1406., B48-524 [P Ebenda,s.156,§144.] [u Ebenda, s.148,S10Ll
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3. Das Neue in der Musiktheorie des 18.Jahrhunderrs
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kniipfung cine Sehstverstadlichkeit " seherc Aewegersd und rahrend" israuch
eine Musik Von dem Kornplikationspad der Tristmr-Nruhsr; und die Verschrinhung van Expressiviat und .cdler Einfah", die Mmheson pomllierte ", ist
datum tochenspeai6sch.) Ans dem Simpliziats- und Natiirlichkeitsideal resultigren die greifbaren Melodiesegelm in denen die didaktische Substanz Von Marthesons Abhandlung besteln. einer Abhandlung, die immerhin tin Jahrhundert Rang gelesen wurde: das aus der Rcmissanccpoedk stammende Posmlar, dd die Kunst sich nicht in
den Vordergruud dringen diirfe. sondem mboxgen warden mime, um wie Nam:
" widen; die ein wenig bomiene Meinung, Von einem engen Ambirus und einer
geringen Ling: werde die ,uichdgkeir einer Melodie bestimmr, cine .Lcichcig-
brit", die demaach als Nillichkeir im Sinne tines pidagogisch-philanvhmpisch
gmnnenen Zeitahers aufzufasun ist; die Forderung, dai' Gruppen mit gleicher
Takunuhl dander entsprechen sullen, .quadratische" Phrasal zu bevorzugen
seien und die Gliederune eines Tonsatzes in Kommata. Kola und Perioden sowolnl meuisch als auch harmonisch - also dutch analog: Abstufuug der Abschnittlingen und der relarhen SchhdTahigheit der Kadenzen und Halbkadenzen - begriin-
det min masse; die Primisse, dag Heinere Intervalle sangbarer wirken als griBere und dag im Nachsingeu-K6nuer1 die Probe musikalischcr Verstadlichkeit liege; das zum farm Arsenal jeder Popularisthetik gehiirm1de Prinzip, durch Wiederhalungen - allerdings ein wenig variiem - sowie durch Imitationen und Sequenzierungen die Nillichkeir EU fiirdern (ein Prinzip, das Arnold Sch6nberg als Zugest'a'nduis an die "ussikalische Begriffssturzigreit verpéme "). Das aselodische Ideal, das ans Matthesons Regeln resultien, ist unverkennbar das .Lied im volkston", wie a -Jaluzehnte spiur - Von Johann Abraham Ptter Schulz" "alisierx wurde. Und es ist fiir das t80ahrhunderr, die Epoche der Aufkliruug, des Klassizismas und der Empfindsamkeit - deren Tendmzen man weniger in abstnkrer Trmnung als in ihrer Durchdringung bermhten solhe -,
charakteristisch und aufschlufireich, dull cine Melodielehre iiberhaupt enmehen und Einfluit sewinnen konme, und zwar dadurch. dail die isthetischen Prgmissen, das .bewegenrle und riihreade Wesen" und die "die Einfalr", sowohl in der dominierenden Denkfonn des Zeitalters - dem Raisoanement der .philosophes" verwumlr warm als auch tin: didakrische Ausprigung erlaubren: Dem 17.12Mhunden, das mit der Vorsullung Von Noblesse den rhemrischen Prunk des
[in Die achte ma zur .Deudichkeit' lauum Jich einer edlen Einlal: im Ausdrucke bel1eiirzest"(S. 141,550“ ps A. Schénberg, Imam fiir die Bewemmg m Muik, in: Stil and chanke. Anis5tze Bur Mush, Gesammelw Schrifzen 1, hrsg. Von I.Voiréch, Frankfiux um, W76, s, 123-133.]
[a J. A. P. Schulz, Lieder im Valksmn, bei dem Klavicre z. singers, y Teile, Berlin IN2-90.l
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[ _'-"-' 2'r -r-,
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l. Einleitung, Musiktheorie im Zeiulrer der hsthetik
.hohcn Stils" mband, war die Idee der noble simplicite' noch frernd, und im 19. Jahrhundert verfiel sie, gerade in ihrer Vermischung mit der Gefiihliistheuh,
einer unaufhaltsunen Trivialisierung. (,,Edle Emma, nach den Begrikert des IT. Jahrhuuderts ein Paradox, war eine Herausfordensng der Barockpoedk dutch
den Klassizisrnus.) Dail Manheson, der cmpharisch das damals Neue prokiamierre, dennoch das Alte - die spitbarocke Tradition des JiirrheitsabUufs": die Tradition, in der er
aufgewachsen war - nicht resdos preisgeben mochte, uigen in der Melodielehre
des Wlrhommenen Cepelhrteisters die Regeln iiber das Jliaende Wesen", die fiihibar von Unsicherheit und L5gem geprigt sind. Die Auffassung, dd ,ein rechtfliaendes Melos nur wenig i6rmliche Cadentzen haben misse' " und dag Zisurcn zwar nicht unkenntiich gemacht, aber iiberbriickt werden sullen, ist mit der Rrrderung mall deutlicher, durch Kadenzabstufungrn differenzierter Gliede-
rung, die Mattheson in einem anderen Paragraphea erhob, kaum vereinbar; und der Widerspruch ist kgineswezs ein Zufall aus Nachrissiskeit, der nichts besaat, sondem enema." als Zeichen und Ausdruck einer kompositioasgeschichrlichen Situation, in der es schwediel, sich zwischen dem ilneren Stilideal bruch-
loser kontinuit'it und dem newen am durchgingigen - van den Zihlzeiten
bis zu den Perioden in simdjchen Gr6fknordrumgen realisienen - Kant
spondenzrnelodik eindeutig MI eatscheidea, und zwar insofem schwerfiel, als das "a'ltere Prinzip herein halb urfallen und das neuere erst hall, eatwickelt
war.
Geht man davon Ius, dag die Musiktheorie einer Epoche, deren Asrhetik oder
Poedk um den BegriR des kunstwerks im ernphatischen Sinae kreiste, die musikalische Form - statt des Tottsystems wie im Mitteldm und des Tonsuw wie in
der hishen Neuuit - ins Zentrum riicken miifhe, so hing: man einer Erwammg an, die, obwohl sie plausibel ist, entriiuscht wird. Und cine Historiographie, die aicht nur Tamachen registriert, sondern auch ungeliisten Problemen nachgeht,
sollte Tu erkliren wrsuchen, warum eine Disziplin, in der man die eigeadiche
Kompositionslehre des Teitahers vermumen wirde, "sdimeat'ir und 1mentwickelt blieb und ein lediglich peripheres Dasein fristete. Einer der Griinde liege zweifellas in der Gewohaheit, Form und Inhalt voneinander zu Lrenncn und die Individualiat und Originalilir cine: musikalischen
Werkes, die dessen Kuastcharakrer begriindet, im Inhah zu suchen. Die Folge war, dd man die Form als generelles Schema oder Modell, nicht als spezifische, . 4.1. vuu Esuuu~nuuyu L. ._.. uuvucucululuuc mulls sum uuuucn 5s5wmm.. 0.4. A Ivulclusu
begriff und augerdesn die Individualit& und "isthetische Substanz des Therm: aidn in der Strukrur und den formalen Eonsequenzen - durch die sich aberhaupt
em zeigt, was in einem Thema sleckt -, sondem in dem poeu'schen, chuakreristischen oder expressiven Gehalt Tu finden glaubte, den es in Time failt. Durch cine
[21 J. Manhmn. Der mmmm: Capellmeirter. s, 150, $113.l
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3. Das Neue in der Mmikrheorie des 18.Jahhuiderts
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Inhaltsisthetik, die wesendiche Kategorien wie Individualiri: und Origiaalit'it MI Unrecht an sich rill, wurde die musikalische Iirrsnenlehre gewissermaBen .enlv
problematisierr" und zur leeren Hike dessen, was sie him sein kiSnnem Uberdies ist der Sachverhalt, dag die Rsrmenlehre, analog znr Harmonielehre, eine charakteristische Disziplin der Musiktheorie des 18. uad t9.Jahrhunderts war, die alluding; im 18. noch rudimentar blieb und em im w. fesre Umrisse annahm, durch die Gewolmheit versulk worden, in einem Appendix, der oh gmug nicht einrnal als solcher kenntlich gemacht wurde, sogenanme Jwatrapunktische Fonnen“ - von der Moxerre iher die Osdnaxovariation bis zur Fuge - TV behan-
deln, obwohl ein fiwmbegriff, der sowohl die Maren: als auch den Sonatensatz urnfaih, nicht definierbar sein Mrfte oder so abstrala gait, dzil er unbraucle bar ist. Der Hang, die fktrmenlehre als so umfassend wie irgend maglich oder sugar als universal erscheinen zu lusm, verzeme ihr geschichtlich begrenztes Wesen. n.n 4.. ul‘ u...:L.L um 4.. ".. n Avuuvcsuu, um mummwm u“ w. unu n. J'""""""'"
zugrunde legte - cine Musiktheorie, die sich als Erginzung der Asthuik wrsxand und dadurch vor dem Vorwurf der Bomierrheit geschiitzt glaubte -, reduzien
und schematisierr in, 158: sich kaum leugnen; doch ist er gerade als geschrumpf-
ter geschichdich aufschluilreich, wihrend cine philosophisch fundiene linzre auffassung, die van der Metaphysik des Aristoteles und Von deren scholastischen Differeazierungen ausginge, die Gesamrheit t6nender Anchku - auiler cinigen
Phinomencn der auikreurapiischer1 und der Neuen Musik - einschlieikn wiirde, also TV historischen Abgrenzungen untauglich wire. Der Ikarmbegruf des 18. und 19.]ahrhundens, ans dem die musikalische Formenlehre hervorging, ist eng mit der Emanzipadon der Instrumenulmusik verbunden und beruht - jedenfalls in dem Teil, der beim Wickblick als der wesemliche erscheint - auf dem Prinzip der Korrelation oder Wechselwirkung zwischen
metrisch-syntaktischen, Khematisch-motivischen und harmonisch-tonalen Strule turen. Exempluizierx man an der Suitensatzform des friihen 18. Jahrhundens, so WU sich derea Grundgedanke, der hir das musikalische Forrndenken der gesamren Epoch: charzkteristisch in, in die einfache Funnel fusen, dail der erste und der mveite Teil syatakrisch und modvisch analog, aber harmonisch gegensitzlich sind, also dutch die Verschrankung von Parallelismus und Umkehrung die Verlauisspannung emugcn, die tin Instrumeatalstiick aus sich selbst heraus g Winne’n mu6, sun ste cmem lext Tu Vcrdankm: Der erste led moduuen, aut aer
syntaktischen Grundlage des ,Fortspinnungszypus" ", von der Grund- zur Dominanttonart (in Dur), der motivisch in den Umrissen gleiche - sowohl den
Motivbestand als auch dessen Disposition reproduzierende - zweite Teil umgekehn Von der Dominant- zur Grundtonarx.
[u Sieheuntens. 20.}
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L Einldmng. Musiktheorie im Zeiulm der Asdmik
Die systematiscUn Problem: der I%rmeniehre sind Voll den historischrn nicht mnnbu, denn eine Systemadk ohne Historie wire subsunz- und eine Historie ohne Sysmnatik beeiffsios. Und die Wrmirtlungsversuche, suit denen man die
Schwierigkeit, geschichdiche Voraussetzungen zu beriicUchtigem ohne anderersails den Theorieanspruch preiszugeben, 16sen wohe, reichen van der Chientie rung an Goethes Mirrphirlogie bis in den fir das friihe 20. Jahrhundm charakteristischen typologischen Enwirfen.
Um noch einmal an der Musik des 18.Jahrhundens als der Zeit, in der nicht
zulillig die Fonnenlehre enumnden in, in groben Umrissen zu exemplifizierem Von der Suitensatzfonn, die neben der Koazertsatzforrn das erste Modell eman-
zipiener, Von derVokalmusik unabh5rsgiger Iustrumentalmusik darstellre, unterscheidet sich die Sonatensatzform, deren Esttsehungsgeschichte sich aber das
ganze Jahrhunden erstseckte, ersuns durch die Verfestigung der Fonspinnung
und des Epilogs, die im ersten Teil dis Substrat der Modulation zur Dominant-
xonan bildmn, TU einem selbsnindigen, oh kanubleu Sritenthema, zweitcns
durch die Entwicklung der geringrugigen Modifiurionen, denea das Massthema EU Beginn des aweiters Tails wegen des mindenen Moduladonsgangs
unterworfen werden muilte, EU einer def eingreifeaden Durchiiiluamg von Partikeln des Haupt- und manchmal auch des Seitemhemas und drimns dadurch,
dail die unauff'illige, dutch cine bloge Fonspinnung herbeigefiihrre Wiederkehr
der Grundzonan durch cine Reprise des Anfangsthemas akzentuiert und Tum Ziel und Resuhat des Moduladonsgangs und der .Zcrgliederung' in der Dutchfiihruag erhoben wurde. Die Fbrmgeschichte, deren einzige Insunz die Empiric bildet, kann registriesrm, dag die Abweichungen, dutch die sich die Sonaxen- von der Suitensatzform
unterscheidet, zunichst einzeln und venueut begegnen, beror sie sich zu dem konnex zusammenschliegen, den das skizzicm Model] :heomisch erfaih und zugleich zu didaktischem Gebrauch bereirhill. Die fiarrnenlehre als Theorie aber
mug - und zwar durch eine idealtypische Konstrukdon - plausibel macheu, wie
die Veriiuderungea gegeniiber der Suitettsatzform, dutch die sich die Sonatensauform konstituierte, dutch inner: Afiinitit miteinander zusarnmenhingen und nicht dutch einen geschichtlichen Zufal], der in der schieren Gleichzeitigkeit Von
Formideen bestand, zueimnder in Verbindung mun. Dali die gleichzeitige tonale und thematische Akzemuiemng der Reprise einen
Dun: uhrungsrypus bcgunstigle,m dem die tonaltn Urnwege gerade als mA,.1''"""'""'6"" m; mung“. _ nvmmwpm mm lmmu nuuu unuymm
fi5blbar machten, daft also - mil anderen Wonen - die Herausbildung der Reprise Tum .erhobenen Augenblick" der Form cine :eleologische, dringend zielgerich-
me Strukrur der Durchhihrung bedingre oder heraushrrderte, leuchut ebenso unmittelbar ein wie der Zusammenhang einer weir ausgreifenden und manchmal labyrinthischen Modulation mit der Umwandlung der bloeen Modifikation cine: analogen thematisclwmotivischen Verlaufs in eine 2ergliederung" und Fragmen-
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3. Das Neue in der Musiktbeorie des 180ahrUnderts
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tierung des Haupuhernas: Die .mtwickelnde Variation" " der Themadk bildet, um in der Theoriesprach: Arnold Schénbergs " reden, das genaue Korrelat zur ',wandernden Toaalit'it" [roving harmonyPo der Durchhihrung. Schwieriger aber ist-nicht historisch beschreibend, sondern srstematisch oder idealtypisch verstehend und crklirend - die Herausbildung und Funkdon des kantablen Seitmsthemas zu erfassem Zwar ist der Sachverhalr, daB die Dominantwnan, sun uuaufSllig Bus der Grundtonart hervorzugehen, einen emphatischen mnalen Kontrasr bilder, insofem verstandlich, als es in der Sonatersatzform der Gegensatz der Tonamn in, der das modularorische Gefille der Durchfiihrung gewissermagers auslém ein Gefille, das dann wiederum den Ausgleich in der Reprise als Ziel und Ergebnis des Formprozzsus erscheinen Wh. Der Tonanmknnlust in der Exposition branch: jedoch, urn wirksam zu warden und cine Entwicklung in Gang TV bringen, strenggenommen keineswegs mit einem Gegensatz der Themm, sondcrn lediglich mit einer thematischen Verfestigung verbunden zu sein, die dem tonalen Moment zleichsam melodischen Riickhalt mleiht: und Haydn: scheinbar normwidriges Verfahrea, manchmal in der Dominaattonart das Hauptthema in variierter Gestalt wiederkehren zu lassen, sum einen gwensitz-
lichen musikalischen Gedauken zu expanieren, ist in Wahrheit forrntheoretisch
durchaus legitim. Das Prinzip, einen Themcnkonmst in der Exposition und cine Anstragung dieses Gegensatzes in der Darchftshruug zum eigentlichen Wesen der Sottatensatzform zu erkrirea, beruht jedettfalis auf einer groben, geschichtsfrem-
den Obertreibung; Die dualistische oder dialektische Interpretation, die im 19. Jahrhunden zur herrschenden wurde, stilisien mit unzulissiger Einseitigkcit cine M6glichkeit, die - neben anderen - in den Primissen der Sonatensatzform enthalten war (und in der Tat von Beethoven nicht sehen realisien wurde), zur
generelien Charakteristik des Typus. laik mm prinzipiell die korrelation oder Wechselwirkung zwischen thema-
tisch-motivischea und harmonisch-tonalen Strtskturen, wie sie an der Suiten- und der sortatensatzform exemplifuiere wurde, als tragende Voraussetzung des musi-
kalischen Formdtnktns im 18. Jahrhundert geltem so sind alluding: einige Einschrinkungen und Erginzungen des allzu groflzi'agig enrworfenen Gesamtbildes
umungingh'ch, wenn nicht die stets spenige Empirie dem "Modellplatonismus" einer idealtypischen Konstruktion gcopfert warden soll. Emens kann man ohne CJberrreibung yon einem zweicen, mit dem skizzierren Modell konkurriereuden Anna der musikzlischen Rwrnenlehre sprcchen, der gift. am" an A” Knn-IM. mar“. “ml q-r-ri..,, .mam‘ '" A... 13......
und den langsamen Sitzen des 18, Jahrhunderts, also prinfir am Menuett orientiene, Den Ausgangspunkt dieser Theorie, die zwischen Syntax und 1ktrmenlehre
P' Der Begriff much! ersrmals m in: A. Schsnberg, meg mm op. " in; Mil und Gedanke, s, 270.] po A. Sch6nberg, smsctural Functions of Harmony, New York 1954, s. a u. me.)
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l. Einlcitung. Musiktheorie im Zeitalrer der Anhmik
vermittelt, bildet - als Alwrnan'v: zum Jbrtspismungrtypus" - die Periode, deren achuaktiges Modell von Hugo Riemann als ,normadva Gruodschema" " "dgefdt wurde: als Typus, der Abweichungen - auch kornplizien: - zwar zulaik, aber an den Ham die Erwammg hemuigr, dag er sie - als Elisionen, Verschrinkungeu oder Augmentationen - in der bewuik oder unbewv& "bore struierenden musikzlischen Vorsrellung aul die Norm zuriickbniehn .Fonn' eatsteht nun durch Gruppierung von Perioden nach den Prinzipien der Wieder-
holung (A A), der Variation (A A') oder der 1rrrschirdenheit (A B), wobei die
m6glichen Modi, in denea Fon-nn-jle yerschieden sein k6nnen - zwischea den Examen der bezielmngslosen Andersheix und des komplcmentircn Kontrasts -, in der Fonnenlehu nicht immer geru1gend reflekzien wurden (um einen :klaunun Mangel, an dem die Gew6hnung an Buchstabenschemata - die Uaditferenziet heir der Fennel A B - eine nicht geringe Schuld uigt, zuriickhallend BU formuHum). Dail die Kamen-, die Suiten- und die sonatensataform nicht van der Ptriodeastrukrur ausgehen, ist alluding: em spit- leils in der Mine des W. Jahr-
hundem (Adolf Bernhard Marx) dutch die Pagung des Terminus Jatz" "
(Haupnheln: der Sonatenform; in der Regal aus einer Phrase, deren Sequenz und einer Motivabspalzung bestehend), reils zu Beginn des 20. Jahdumderts (Wilhelm Fischer) durch die Emdeckung des sp'itbarockea Jbrtspinmmgstypus" " (Koazert- und Suitensatzform; zusammestgesMzt aux einem Vordersatz, einer sequcn-
zierenden Fdrtapirmung und einem kzdenzierenden Epilog) - erkannt und be-
grifflich erfaih worden. Man kann also innerhalb der traditioaellen fiarrnenlehre - die allerdings die Differenz eher zu verdeckgn suchte als kenntlich machte cinen erszzn Ansaa, der Von der Korrelation zwischen Thematik und Harmonik ausgehr. von einem Zweilen untersdzeiden, dem der Ieriodenbegriff und die an der Meupher des .Architektonischea" orientierte, zum Gebrauch der nomrischen - zwar theoreu'sch verdiichrigen, abet kaum entbehrlichea - Buch-
subenschemata wie A B A oder A B B neigende Formvorstelluag zugrunde
Gegen. Zweirens wurde dutch cine Theorie der Sonateasatzform, die dun tmdiene, das Verfahren der rhemarisch-modvischen Arbeit oder der entwickclnden Variaion wean nicht ausschlieillich, so doch primir im Durddiihrungsteil zu ' lisiercn, die musikalische Wirklichkeit in einem Mali: wrangg wie es sugar bei
ideahypischen Konstruktioaen methodologisch unzulissig in. Dag die Uberleimng einer Exposition und die Coda einer Reprise nicht seken mit 2erglie[n H. Riemann, System derrmssikaltscher Rbyrbmik wrd Mmilt. Leipzig 1903. Dag 13 im N Kip. des IL Tail: in iiberschrieberv. Die voile achtraktige Period: als normatives Grundschema (s. 196-213M
r" Sick: “nun s. 194.} P' Der Begriif summr van W. Fischer und ward erl'iutert in am Aufsatz: Zur Esstwicklrmgsgrschichre des Messes numb": sat, in: Sth 3, m5. s. 24-64.l
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3. Das Neue in der MusiktUorie des 18.Jahrhursderrs
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derungen' besuiuen warden, die sich Von denen einer Durchfiihrung graduell, jedoch nicht prinzipiell unterscheidea, wurde zwar nicht geleugrret, aber auch nicht geniigend reflektiert. Und vor allem wich man mit einer Kbasequessz, die ein Zeichen theoretischer Wrlegenheit in, der Schwierigkeit ans, Methoden
wie die Abspalmng Von Moziven innerhalb cine: Jiatzes", der als Hauptthema fungim, oder die Aoutmstiereade Ableirung' (Arnold Schmitz"), durch die
ein Haupt- und ein Seitemhema aufeinander bezogen warden, begrifflich mit den
Techniken, die einem Durchfiihrungsteil, einer chrleimng Oder einer Coda zugrunde liegrn, EU vemlingln, also Gemeinsamkeiten und Unterschizde uh minologisch zu crhssen und analytisch dang”: EU machen, Zu fordem wire dmmach cine - im 18. und 19. Jahrhunderr nicht einmal in Ansilzen realisierte -
Theorie, die thernatisclwrnotivische Verkmiphmgen und Entwicklungen in Relation zu den syntaktischen und formalm Stellen, die sie einnehmen, und den Funktionm, die sie edtllea, TV beschreiben, Tu kiassifizieren und TU erldiren
vetsucht.
Drincns in mm. des engcn geschichtlichen Zusammenhangs, der unzweifelhah zwischen der Enumehung der Rumenlehre im 18. Jahrhuadert und der ink:tisch-komposirionstecUischen Emanzipation der lisstrumentahnusik besteht,
das Verhilmis zwischen Vokzl- und Instrmneatalf6rmen keineswegs problemlos. Die Beaiehungen zwischen der Konxert, und der Arienform im fnihen 18.Jahrhunden sind ebenso muck! und schwn entwinbar wie die vokalen Transformationen, denen das instrumenmle Sonatensatzmodell in der klassisch-roman-
tischen Epoch: unrerwoxfen war. Vor allem aber geht man schwedich fehl, wenn
man die formrheoretisch hsndamentale Forderung einer zwar modifizierbarea,
abet in den Grundzigen ungebrochenen Einheit des Affekrs an: den Primissen
einer Medk ableim, die im 18. Jahrhunden primir immer nod: cine Asdmik der Oper - und nicht, wie seit der Frrshrornantik, cine Mmphysik der Symphonie - war. Ans dem Ptsstuiat der Einheit des Affekts, der cine Einheit des Themas - als der musikalischen Rrmulierung des Atfekts - muprichr, rudder: nonundig die Teudenz, ein Seiteathema, auch tin koatrastiermtdes, als blogea .Ein-
wud", der ,,widerlegt" wird (Johann Martheson "), oder als Nebengedanken, der vom Hauprthema abschweih, ohne es isdledsch auger Geltung zu smen (Johann Nicolaus Rrrkel"), EU interpreting: oder abzumn. Dag ein gegenstzliches Seimnhema im 18.Jahrhunderr, ngcgcn der Auffusung von Adolf Bernhard
Marx ", die sich im W. Jahrhunden dumhsetzte, formal nicht konstitutiv war, ist bereirs erwahrtr warden: aber es wrde sour don. we es realisierr war- und cine
P' A. Schmitz, Beedovens .zwei Prinzipe', Berlin u. Bonn Bu, s. a K.] ps Sicheunwn s. 22M.] i" Sicheunun 5.10m P' A. B. Mm, Die Lek" van der mmsikalischen Abmposititm, Ed. m, Leipzig 3/1357, s. mi]
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L Einleiuutg. Musikrheorie im Zeiulur der Asthetik
offene, fiir den Komponisten verfigbare Maglichkeit stellte s immerhin dar " dutch cine Asthetik, die auf Einheit des Mela: beharm, an die Peripherie des musikalischen Formbewuihseins gedringt.
4. NatiomaU and lokale 0bertieiertmgett Die Vorstellung, dag die Musihhcori: in lateinischrr Sprache cine internationale Disziplin gewesen sei, die dann zwischen dem 16. und 18.Jahrhusuie" in
nationale, dutch die Reichweite Von Landessprachen begrenzle Traditiouen zerspliterre, besrichr zwar durch ihre Simpliu'tir, hi]: aber einer gmaueren Be, trachtur1g nicht stand. Zarlino srellte, obwobl tr italienisch schrieb, mit sdner
Kbr1rrapunktlehre cine internationale Aumririx dar. Und urngehehrt war die mu-
sikalisch-rutorisclse Figurenlehre des tr.Jahrlumderts - der Versuch deutscher Kantoren, die Satzwchnik de italienischen Second: panic: begritflich " erfassen - unabhanglg dzvon, ob :1: sick 1:: lament: ode: deutschcr Sprache pxisen-
ierre, ein :usschlidllich deusches Pianornen. Dail zwischen den 16. und dem 18.Jahrhunderr das Latcin, obwohl cs die Sprache der Gelehnen und daniber hinaus der Gebildeun war, aus der Musik-
theorie allmihlich vmiringz wurde, widerspricht zwar, wie u scheint, dem wachsenden Sozialen Ehtgeiz der Musikcr - cam gesellschmlich usqrew6hnlich asobilen Standes -, einem Ehrgeiz, der eigendich die Nrtizipation 1n der Bildungssprache nahelegte, ist aber dennoch nicht unverst'iadlich. Erstens wurde as im Zcichen des Hummismus und spite! des Neuhumanismus immer schwieriger,
den wachsemlea Anspriichen an ein Lauin, das man gum Gm drucken
lassen henna, gerecht MI werden. Zweimns schrumphe um 1720-30 ans kompositions- und iustituu'oasgeschichtlichen Griinden der Einflug der Ramona, die zugleich Lateiniehrer waren. Und drincns brauchte ein Musiker des 18. Jahrhundarts, der sich am Gesellschafrsideal der Zeit orienderte, also als "galant homme"
plan wollw, nicht mehr dis Lateinische, das ihn der Pedanwrie verdichdg machte, sondern sun dessen das Franz6sische als Sprache des isthetischen
Raisonnements und das Italienische als Versandiipmgsidiom einer internationa-
len - in einem ganz Europa auger Frankreich umfassenden System italienischer Hofmusik institutional] vennkznen - Praxis.
So muike sugar das fundamental: musikalische Lehrbuch der Epoche, Fux'
Gmdusad Parnassnm, 1ibersetzt werden; I742 ins Deutsche, 1761 ins Italienuche,
1770 ins Englische und 1773 ins Franz6sische, obwom die Behauptung, das Lauin des Hofkapellmcisters sei sdwer zugingh'ch, cine tJberrreibung warm Dag das Franz6sische im 18. und 19. Jahrhunden die Sprache der Gebilderen und das Iulicnische die der Musiker gewesen in, war allerdings in der Geschichte der Musikrheorie yon geringerer Bedeutung, als man :rwanen solke. selbstversrindlich sind die Harmonielehre Von Rameau - oder zumindest der Abriil m
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t National: and lokzle 0hediefervttgen
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dAlembert -, das Musiklexikon Von Jean-Jacques Rousseau" und spim einige Schriften von Frasteis-Joseph Fétis and: in Deutschland, Italian oder England
gelesen warden. Aber herein die Harmouielehre van Charles-Simon Ca t immerhin das offizielle Lehrbuch des Ptsiser Conservatoire, blieb auilerhalb der
Landesgrenzer1 wirkungxlos (mm einer italiesiischen Ubersetzung nach vier Jahrzehnlm). Und cine Mamba Masiktheorie, die irgendeinen transalpinest Emma ausiibte, gab a sail den spekulativen Trakumn Von Giuseppe Tardni und den gelehntu Biichern des Padre Martini ohnehin nicht mehr. Umgekelm existierxe zwar eine deutsche Musiktheorie Von Rang; aber die Spracltschrankr, die den Zugang TV ihr verspeme, scheint nahezu uniiberwiudlich geweun zu sein eine Ausnzhme stellt die umfassende Reupdon dutch Fehis dar, dessm Belesenv heit immer wieder in Suunen venetzt. Im abrigen ist jedoch die doppelre Emdekkung cine: Szchverhalts oder eines Theorems wahrscheinlicher als die lekuire
aber sprachgrenzen hinweg: Die Tatsache, dag Camel cine mural: Kategorie, den Begriff der Akkorddissonanz ", mit Johann Philipp Kimberger mm, 1513: ieden-
tails keinerwegs den SchluK TU, daii Cate! Kimbergers Kunst Ws reiners Satzes in der Mun! (1774-79) kannte; und der ch eines Genichs, das TU ihm gedrungen
sein kihmte, ist nicht reUnstruierbar. Um die Struktur der tJUrlieferung in der Musiktheorie des 18. und 19. Jahr-
hundm zu kennzeichnen, geaiigr es nicht einmal, Von der aaheliegeaden Hypothere einer Hierarchie der Sprachen auszugehen: davon also, M in der ma
zwar deutsche Richer nicht van Franmsen, aber wenigssens fhnz6sische Bacher Von Dcutschen studiert Wurden. Simon Sechler, der die Tradition der FundamentalbaMebre ins Extrem trieb, scheint weder Rameau noch dessen Popularisator
dNembesr, sondem lediglich Kimbergm Adaption der hanziUischea Theorie gelesen TV haben, ohne dds dadurch die Bedeurung seiner Theorie und die
Autheutizitit seiner konsequenzen aus Rameaus Primisscn geschm'slerx wiirdm. Die Entwicklung der Musiktheorie verlief demmch - im Unrerschied zum Gang der Wissenschafun, EU denen sie gehbren wollte - nicht als kominuierlicher ProzeB, in dem Probleme Msungen and Lésungen wiederum Probleme hervor-
bringen, so dat' die Publikationen, die zur zemnlen Uberlieferung der Disziplin guilt]! warden, wie Glieder cine! Eette 1heinandergreifer1, sondm eher-aualog zur Philosophie - in der Form, M einige paradigmatische, Jahraehnte oder sag" Jahrhunderu iibesdauemde Wake - die Harmonielehre Von Rameau in der Fassung dNemberrs, das kontrapunkrbuch m Fux, Marpurgs kodi6ziesung der Fuge"
_ H. Rousseau, Diaiomsabe a mun'que. Nris 1768.] [n Ch.-S. Cad, Traitg d%wmostie, Paris 1802.] P' W. dun R. Grmh, Die franz6sische Esstpositionslehse des 19. Jahrhanderrs, Wiesmm 1931.5. 30-36; 1.. mum" siehe “men s. 1245.] I" Fr. w. MarParg,Abbandbtsg m derNge, Md) m Gnmdu'hm m Eumpeln der burn: damchm m1 mama Meister, 2 Teile, Berlin 1753-54.l
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L Einlémng. Musihrheorie im Zdulm der Kuhaik
and spine: die Nrmealehre van Marx " - immer wieder den Ntuimfiutgspuakt spinner Thcorien hildeun, als Vixen sie gerade erst entstaaden. Man paraphrasiem. erginzte oder korrigiene nus niheran oder weirerem Abstand die Jiassi-
scherf Tune and gang iiber ksmunentierende oder polemische Anaemgen, die in der Zwischenzeit durch sie herausgefordert warden wen, im allgemeinen ache los hinweg (ohne dail venweute Einfliisse in Details geleugnet warden sullen). Ankerdem bildeten nicht die grofUn Emwiirfe, die im historischen Mckblick
das musikalische Denkea einer Epoch: zusaaanenzuiassen scheinen, sondem die Bacher, die Fuudamentales vermittehen, den Bestand anTheorie, von den man
ohne Risiko behauptcn kann, dd er bestimmeud in die Pruis einpiff: Von Beethoven ist - chemo wie Von Haydn und Mozart - bckanm, dail er Fux'
Gmdws ad Pamsum, und zwar in der Form Haydnscher Enerpte, studime und
als aotweudige Exerzitien erduldete"; iiber eine Uktiire der 1rbmpositioaslehre
von Heinrich Christoph Koch, immerhin des einzigen Buches, das halbwegs als theoredsches Aquivalen: des friihkiassischen Stils geken kann, vim wir dage-
gen menu. Una camber, me oer sogmanm: trme baa - em: Mmhung won unn-
zii5sem Konmpunkt, GeneralbaMbungen und Allgemeiner Musiklehre - unwrrichm wurde, ist man fir die Zeit bis Eur Gnindung des Purim Conservatoire
(1795) and des [Amiga Konurumrium: (IM3), in denen bmimmu mu. bacher privilegien warden sind - in Pads das Von Charles-Simon Calel und in
Ixipzig das Von Ernst Friedrich Richter" -, auf vage Vermutungcn angeviesen. Denn die Uhrbiicher m. Rang, wieJohann Philipp Kimbergcrs Kum des ,eirser, Sum, Johann Georg Albrcchubcrgen Gram Amiumg m Composition (1790) and Joseph mind]: poslum gedruckre und m Ignaz Von Scyfried bearbeime Wiener Tonsdrssie (m7) simdich NiedervchSige einer langjihrigen Un-
terrichtspsaxis -, wurden zwar gelesen, abet hum oder lediglich in Auszuigzn und zufillig auigegriifenen Details der alMglichen Unterweisung im Town, die
var Allen in Ubungen und nicht in En'mznmgen bestand, zugrunde gelegx. Andererseits in as nahezu ausgeschlossen, dail sich der gew6hnliche Pragmatismus - obwohl er zwcifellm dazu rendiene, unmr einem soliden Uaterricht einm t dankenlosen, nick: dutch Reflexion gest6rten EU vemchen - in dem erschiaphe,
was Spunn himerlie& Der ' der dutch Zufall gedmckren Dokumeme - wie eth der Ktsrzgefa9tert GeoeralksFsdsssu m WA. Mozart", die wahncheinlich cine Elschung ist, abet insofern, als sie nicht scion als solche durchschaut
I n. h. man, we um um mmumuumm Aompanmm. no. m, Lupus mm I" W. dazu G. Nombolun, Beethoveaiana. Ndsitze und Miuheihmpu, Leipxig u. Wmmhur 1372. s. m-PN I" E. Fr. Richter, Lebriudz der Hm, Leipzig 1853.) i" Erschienen in Wiea 1832. In. selbeuJahr enchien in Berlin: Fundwnm des GenemL basses m w, A. Mann. hag, won]. G. siegrrteyer(2.A1dlagruater dem Tuel: Theoriedér Rmsetzkarnst mit Beztsgmdmse aufdie mm m w. A. Mum. Berlin 1334),}
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4. National: and lokzle threriiefenmges,
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wurde, ein bedeutsames geschichdiches Zeugnis darstelk - kann nicht die Subsunz der Rauchlige gamer: sein, durch die ein Elmer Komponis: einen ifmgerm auf die Balm brachte; das Entscheidende muil verlorengegangen sein und ist sogar van praxisssahen Dokumenmn wie den Korrekmrcn, mit dcnen Mom in die Kompositiousversuche seine: schiilers Thomas Atwood eingriff", nur sehen und sporadisch zblabar.
Gegemiber dem Iudividuellen, auf das es anhommt, von den jedoch lediglich blasse Spurcn iiberliefert sind, diirfien die Untetschiede lokaler Traditiorten- wie die Differenaen zwischen den appmbienen uhrbiichern des Parker und des Uipziger Konservatoriums - im Grand: von sekundirer Bedeutung sein. Antler-
dem sollu, mu man geographisch gmenme Traditionen miteinander vergleich: und konfrontiert, der Gatumgscurakter der Biicher, die man herauzieht, nicht unberiicksichtigt blciben. Zwar is es zweifellos méglich, im 19. jahrhundm von einer Leipziger Tradition der Funktionstheorie (Morin. Hauplmann, Oscar Paul, Hugo Riemann) und einer Wiener Schule der Fuadamentalbagkhre (Simon
Seam, Anton Bruckner, mold Schiinberg) EU sprochen. Und die Versuchung, in dem Hang EV Abstraktioa und Dogmatik einen uiasddevtschen, in der Misclumg yon Pragmatismus und Ndanrerie dagegen einen 6stesreichischen Zug au sehen, in nicht gering - mu aller Skcpsis gegcn Kbllektivpsrhologie. Man am jedoch nick: verkennen, dafl in Leipzig neben der spekulativen Theorie, die Moritz
Hauptmann repr'a'seatierre, eine praktische Harmonielehre mam wurde, die
Ernst Friedrich Richter vernal. und zwar in einem unvermitelten Nebeneinander der Gegensiae. Und der greifbare EinMil auf die kompositorisch: Praxis m wahrscheinlich von der .Lchre‘, nicht Von der .Theorie" ans: Die Trivialilix war
der Verstiegenheit iiberlegen.
Wenn sich also die Funkticmstheorie Moritz Hauptmanns von der Slufenlehre Simon Sechlers durch einen Wissenschaftsanspruch unrerscheider, der sich null
auiiert in der Aneignuag der Sprache der Hegeischen Dialektik manifestierr, so ist es ar1gesichts der Tatuche, dag Hauptmann am Leipziger konservatorium den
banal pragmatischen Richter ncben sich dulden muihe, gendezu selbstverstiudlick, dais der geriuge szientifische Ehnriz, der sich bei Scchter zeigt, didakrisch
wirksarner war als Haupunanns .gepanzemf' Wissenschafdichkgit: In Wien handelte " sich um cine kaum merkliche Beimischung Von Spckulation zur band-
greiflich mitzlichen Harmonielehre, in Leipzig dagegen um eine in me
Abstraktionen gerriebene Theorie, die zu hoch iiber der musikalischen Wirklicheeh,sra.hre ole (ha 6. wanamm M" Inland h, lrnnn'n - a" ,,.. 4......“ ... .;. m Anmhn “.5
Damit ist iedoch mm gesagt, an; die onusiitgeschichtlichf Bedeurung, an
I" w. w. A. Mann, Neue Ausgabe sgmdicher Werke, Serie x. Supplement. Werkyuppe Jo, Bd. l: Thomas ArrwoodsTheorie and Eompositionsstudien bei Mom, Vergeleg: von E. Hemmann u. c, B. Oldman, fertiggesteilt m D. Heartr u. A. Mann, Kassel
um 1965,]
c-
Co sic'
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L Einleiumg. Masiktheorie im 2éitalter der Astutik
einer Theorie auch als solcher zukommen kann, mit dem Einflug auf die Praxis
zusammanfillt. Regional verschieden war oifenbar and: die Nahe oder Fem: dessea, was als
Theorie gelelm wurde, In der Art Von Praxis, die kantdgen Komponisten als Ziel vorschwebre. Die Kantatr, die am Pariser Conservatoire bei der Knnkurmu um
den Rompreis geschrieben warden muhte, war als Oper en miniature gemeint, m dag - unabhingig davon, wie realit'itsfremd der Harmonie- und Kontrapunktunterricht zuniclm encheimn mochte- der Studiengang insgesamt unmigversandlick der Ganung zustrebw, die in Paris bis zur Grindung der Société Nationale
de Musique im Jahre 1871 unangefochten die Musik Schlechthin "pr'iserstierte: der Grand opéra und - in einigem Absund V der Opéra-cmnique. Das regulative Prinzip des Kotnpositioasunterrichts 1m Uipziger Konurutoriurn - ein Prinzip, dessen Wirkung an den Symphonies Niels w. Gades und
den Lyrischen Klaviersti'scken Theodor Kirchners, Carl Reineckes und Edvard
Griegs ablesbar in - scheint demgegeniiber die Idee eines .poetischen Kenm-
punkts" gmsen TU sein: eines Kontrapurhrs, der sich ebenso an Bachs Eugen,
die man als Charakterstiicke auf der Grundlage einer harmonisch-motivisch be»
stimmten Polyphonic vemand, wie an der Karegorie des Jhaetischen'', die das Zentrum der romantischcn hsrhetik Schumann, und Mendelssohn: bildete, zu
orientieren much; Und sowenig die ,poetische" Substanz m Musik lehrbar enchien, so deudich zeigen die von der Ldpziger Schule geprigten Werke, dail
das musikzlische Denken - auch und gerade das Von der Ida: des J'oetischen"
inspiriems - primir vom kontrapunkt, nicht Von der Harmonik ausging, allerdings Von einem Kimtrapunkt, der im freien Satz und dessen harmonischen Irre
plikationen wurzelre und andererseits, am extremswn bei Grieg, harmonische Koasequenzen gewissermagert ans sich hervortsieb. Obwohl die Verminlung zwischen Theorie und Praxis kaum rekonstruierbar
ist, solhe man sogar don, wo sie bei flrschriger Beerachtung zu lthlen scheint, der Geringsclmzursg der Theorie, die Von manchen komponisten des 19.Jahrhurw dens m Schau getragea wurde, prinzipicll miBmuen, weil sie eher TU den Masken gehiirte, die man Jozialcharakter" mum, als dag sie in der Rulitir begriindet war: einer Rnlitit, die, wie zu allen Zeiten, durch mehr Arbeit und mehr
Refuxioa geprig: war, als man unter dem Einflug der Inspiratious'isthetik - die
bis zu Planons alluding: halb imnischem Inn zunickreicht - zugeben mochre. Die Tauache, dail in Italian zwischen den Konservatoriumsstudien, die hir kiinftiee Konwonisten Von kirchenmusik besdnunt zu sein schienen. und den Onemv erfahnmgen, in dessert die ,,eigetirliche schule" besrand, cine uniiberbriickbare
Kluft entstanden war, berechtigt keineswegs zu der Vermumng, die absichtsvoll pedantische Unterweisung im Tonsatz, die sich iiber eine erstaunlich lange Zeit
erstreckte, sei widerstrebend emagcn warden und ohne Einflufl auf die Opem-
komposition geblieben. Wie sich durch die Wechselwirkung zwischen den hetero» genen Einfliissen - der scheinbar Jeeren" Theorie im Konservatoriurn and der
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5, Wisseasc%hsausPruch und Handmerkslehre
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scheinbar .blimlen' Empirie in der Oper (um mit Kant" au sprechen) - das herausbildete, was man Metier mum, in zwar im einzelnen hum rekonstruierbar; dag aber die cine Seite ebenso uaentbehrlich war wie die andere, dark: fesrsrehen; denn dait Komponistea autodidaktisch, durch bloile Jrfahrung", BU den wurden, was sie in der opernpraxis m, ist cine Fiktion, die sich dadurch, dd sie als communis opinio yon schwarmerischen Asdmikm auf die Komponisten selbst iibergriff, keiaeswegs in cine Wahrheit verwandeh. 5. Wissersschaftsa-ch m1 Hamlwerkslbhre Die Geschichte der Musikcheorie war im 18. und 19. Jahrhundert, abgesehen von mum, alluding; herausragenden Ausaahmen, tine Geschichte Von m.tbiichern, nicht Von Abhandlungen, Und wean dennoch in dnzelnen Disziplinen, vor allem in der Iheoreu'schen Harmonielehre, ein Wissenschafisanspruch erhrsben wurde, so suchre man, um nicht institutionell im Leeren zu hingen, nach einem
Ausgleich zwischen dem szientifischen Ehrgeiz und den didaktischm chcken, die zngleich erftllt warden solhen oder deren Ediilhmg man zumindesr verspnch. Richer, die sich unverhohlnn als Wissenschaft um ihrer selbst willen deklariee Len, wie Hermann von Helmholtz' Lzbre van den limerrrpfrsdwsgem (1863)oder
Arthur Von Oudngens Harmmirsystem in dual" Errtwickelimg (1866), summten von ,,Augenreirern'', die es zweifellos als Krinkung und Herabsetzung empiunden bitten, den Throridehrern gleichgestellt zu warden: Helmholtz war Professor fir Physiologic und spam far Physik, Oeningan Professor fir Physik. Die einzige deutsche Abhandlung des 19.Jahrhuttderts, die unlzugbar Theorie strer1gster Observanz ist, obwohi sie von einem Theorielehrer geschrieben
wurde, in Moritz Hauprmmns Nnur der Harmonik mi dér Metrik (1853). In
welcher Form Hauprmann das Buch oder den Enmrf dun dem Untersicht msgrunde legte, den er sail 1843 am Leipziger Knnservamrium emeilze, in Iron des als Fragment hintedassenen Ptspularisierungsversuchs, den Oscar Paul etinzte", nicht mit geniigeader Euveru'ssigheit rekonstruierbar. Und har den
Ntspruch, den quptmann mit seinem Werk erhob, ist es im Grundc, wie ein Brief an Franz Hauser vom 2. Juni 1853 zeigt, auch aaheza gleichtihig. Jo wenig es" - Hauptmanns Buch - ouch dun Fachwerk der gew6hnlichen prakrischen Lehre im Wege sein kann, so genin doch vielleiclst diesen und jencn dies und ienes in seinem enmn Caoilel. Marx atiiihe dock bei der bevorstehenden P''' Auflasre
seiner "dLr,iiiscsiliL, mmhes L, La, LiL,; in der ConsequeKz
im weitern Veriolge anders sagen, wmn er das was nicht em: meine Edindung, sondem was unabweisbar wahr isr, nicht ignoriren wollte. Aber wie der New-
(" W. LEane, mm der rcinen Vermmh, s 75.} [u M. Hauptmanll, Die Lebre mm der Harrmmih, hrsg. von Ch Paul. Leipzig 18684
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L Einleimng. Musihrheorie im Zeiuleer der Anhen'k
wn'sche in Farben gesimltene Lichrstrahl noch immer fordebre nach Goethe: Farbenlehre and diese wie ein todur Hand liegen blieb, dem man nus dem Wage geht, so wollen die Hvmoniker von der Harmonik und die Metriker Von der Meuik in ihrem Naturzustande nichts wissen." "
Haupunann unterscheidee in der gvw6hnlichen Musiktheorie, dam Darstelhsngsform das Uhrbuch in, zwischen der Vermitelung des Handmks, die er durch seine Abhandlung nicht TU néren glaubt, und dun wissenschafdichen oder pseudowissenschahlichen Fundamenz - dem .ersten Capirel' _ dessen Urnsturz die von ihrn entdeckte Wahrheit iher die Natur der Musik bewirken minke, wenn es nicht bequemer wire, sie EU ignorierem Er machu das Jachwerk der Walmlichen prakdschen 1.ehre" also nicht indem, sondem es lediglich wissenschafdich sun pseudowissenschahlich begriinden. Was er den konvenrianelun LchrMchern vorwirft, in die Beziehungslosigkcit zwischen der ',theoretischen" Einleimng und dem ',prakrischen" Haupueil: zwischen der Deduktion des Durdreiklangs ans der Ptrtialtoareihe und den Saurageln aber Akkordverbindungen, (Die Paneinahrne fir Goethe und gegen Newton ist cine chiffrierre Kridk an der Fundierung der Harmonielehre durch Akustik.)
Von nicht geringerer Bedeuruag als Haupunanns Beobachtung, dag die wissenschafdich drapiertea Grundlagen der Musikrheorie das Gebiiude, das sie tragen solltea, gar nicht nugen (sondem gewissermafUn ,,daneben" etrichm wunien), ist jedoch die Tauache, dd man iiberhaupt glaubte, einen solchen Unurbau nicht enxbehren Tu k6nnem Das .ersre Capircl', wie es Hauprmann ironisch nannte,
war gewissermden der Tribu: der Pragmatiker an die Bildungsidee der Epoche.
Man mochte, auch wenn man es war, nicht als Banause gehen. (Vom Handwerk sprach man em im 20. Jahrhundm - im Widerstand gegen eine obsolete Asthctik des Schiinen, die der Neuen Musik das Daseinsrecht bestritt- wieder mit Swlz.) Es ist alluding: keiaeswegs selbstversandlich, sondem cher erstaunlich, dafl des Begriif der musikalischen Bildung auger der "isthetischen, deren Kategorien aus der Philosophie summten, auch cine theoretische umfaBte, die sich an der
Naturwissenschaft orienriene und aus einer eigentiimlichen Wrschrankung heterogener Traditionen hervorgjng. Man kann uimlich die typische Form des ,emen Capitels" der Lehrbiicher - eine Form, Von der iibrigens gerade der von Hauprmann apostrophierte Adolf Bernhard Marx dutch 'isdtetisch-geschichtsphilosophische Ambidonen abweicht - kaum anders als dadurch erkliren. dall die Von weirher iiberlieferre Auffassung der Musik als tihusnde Mathematik die Voraussetzamr ftir die musikrheorerische Rezmu'nn der Phvsik - der Mndalldis-
251;" der modernen Naturwissenschah - duéllu: Der PlatzTier Mathematik in
der Musica theorica ward: gleichsam umbeserzt. Mir anderen Wonen: Das
Prestige der modernen Physik erhieh die -wegen der Aush6hlung des platonisch_ Morin Haupwnum, Bride an Franz Hauser, hrsg. von A. Schane, Bd. 11, Leipsig um, s. 113.)
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5. Mssenschahsanspruch und Haadwerkslehre
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pyqhagoreischen zahlb=griffs zum Absmben mneilre - musikalische Madnematik dumb Transformation in Akunik am Uben und lid! zugleich - var dun Hintergrund und als Ersatz der mathemarisch-ontologisch begruUdeten musikaliscben Gelehssamkeit frihner Epochen - die Akustik " einem Teil dessen werden, was als musikalische Bildung gals, und zwar engegzn deride-chichtlichen GesarntemUnz, die cine 'isthetische - und nicht eine ruturwissenschafdiche Fundierung musikalischer Bildung begiiastigte.
Erscheinr demnach das Bildungsstreben der um ihren mzialen Status besorgun Musikcr als Grund, wanun die Music: theorica in der Maskierung als Akustik
den Zerfall ihres ontologischen Fundaments iiberlebte, so hnn andesmseits die von Moritz Hauprmann ironisch konstatierte Kluh zwischcn dem .emcn Capitel" der gew6hniichrn Harmonielehren, das Wissenschahlichkeit suggerierre,
und dem Hauptteil, dam: Rechrfertigung in der didaktischen Ntitzlichkeit bunnd, als Zeichen und Ruulm eines shstirurionsgeschichrlich bedinglm Dilemmas aufgefaih warden. in das die Musiktheorie genrzn war. Fiir die Enrwicklung der Formal, in dencn tnusiktheoretisches Denim Gestalt annahm und Publizitit erzeichte, war " im spimen 1hJahrlumdett Von def-
greifender Bcdeutung, daB die Musikwissenschah in der Form der Geschicbtsschreibung zur Universititsdisziplin gewonien in, and zwar in den Auspriguages1
als Biopaphik (Otto Jahn, Philipp Spim). als Eulturhistosie (August Wilhelm Ambros) und als Stilgeschichte (Guido Adler). Negau'v :usgednickr: Die Grundlage der akademischen Nobilitierung bildm weder die Musikinhedk noch die Musiktheorie, obwohi man augesichrs der Wrwurzelung der Musikisthnik im deutschen Healismus and der Musikrheorie in der humanisdschen Tradition
schwerlich "gen konnre, die mil der Historic konkurrierenden Disziplinen des Denkens Cher Musik seien nicht .wissenschaftsfilaig' 3mm. Muuscheinlich
warm es wenige hmusngmdc Bacher - die Musikgeschichte von Amhros and
vet allem Philipp Spins: Bach-Biopaphie -, die 15ber den Wag mtschieden, den
die Musikwissenschaft als Universitarsdisziplin eiuschlug.
Institutional] war dunnach die Musiktheorie des 19. und des hihen 20.Jahrhunderts in einer ungliicklichen Min: "sgesiedelt: zwischen der hismrisch-philo-
logisch orieatierten Ubiversit'itswissenschah, Von der sic als prapideudsche
Hi6disziplin behadek wurde, die man benutzu, aber draufkn hick, und dun Unterricht an kossservatorien, damn orgauisationsform eine wisseuschahliche Emanzipatior1 darum niederhielt, wail sie mit dem Makel des Spekuladven, fir die Putin I rnhraochharen hahakn war
EineeTrLi,E, aber, die Jiraic, bis zur Eubliemng einer selbsandigem wissenschaftlich ambitionienen Music TheoryIn den Vereiaigten Sraatea- den
Zugang TV Jademischen Insu"tutioneu, die cine regular: wissenschzidiche Enrwicklung "dirgea, nicht find, scar sich unwilikiirEch der Gefzhr am, zwischen Mediokrit'ie und Sektiereruun hire und hergerissen EU warden: einer Mediokritir, die sich Kmtservatoriurnszsvecken anpatlre, und einem Sekrierertum,
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I. Einleitung, Musikthzorie im Zeiulm der Asthetik
das durch die soziale Isolierung in den Dogmatisrnus geuieben wurde. Die Ziige Von Obsession, die sich gentle bei herausragenden Musiktheoretikern wie Hugo Riemann, Heinrich Schenker, August Halm und Ernst Kurth hum Input: lassen, sind die subjelrtiven Spurn: einer obiekriven, irtstitmioasgeschichtlichen
Situation, die cine Versandigung dariiber, welche Normen und Krimien als wissenschahlich zldissig gelten sollwn, also die Enmehung einer "cieurific comma» nity" der Musiktheoretiker, verhiruUren. 6. Mxsihtheorie und Kunmverle
Die emphatische, ins Metaphysische erhiihte Idea des mks, die im
spawn 18. Jahrhunden mmmd, ist Von der Asthelik des Bildungsbiire1tns, der im 19. Jahrhundert torungebenden Schicht, zum Inhegriff dessen, was Kunst immer und iiberall in, uhoben Worden. In dem Mage aber, in dem sich zeigt, dd sie iriiheren Epochen frernd gmsen ist, erweist sie sich als charakteristisch fiir das Zeiulrer, aux dem sic summr, gewinnt also an spezifisch historischer Baden-
tung.
Dail ein Kunstbegriff, desscn geschichrliche and soziale Begrenztheit inzwischen oifea lung: liegt, EU en; ist, um simvliche Phinomeue EU erfassm, bei denen u durch Konvenvjon iiblicb ist und auch wissenschaftlich zweckmaig erscheint,
von .Kunsx" TU spmchen, dadie unbestritten sein, ohne dd allerdings feststiinde, welche Kriterien iiber einen .wissenschddich zweckmiliigen“ Wore
gebrauch entscheiden, zumal der Puma. dzil Gebilde, die es ursprisgh'cl1 nicht
waren, auf spiteren Rezeptioasstufen zu Kanstwerken geworden sind, ein eindeutiges Uneil erschwert.
Eine Mount des 13. Jahrbuaderts wird zwar einigen der Postulate, Von deuen
die klzssisch-romanlische Asthetik :usging, nicht gemhr. Andererseits fehlt es jedoch nicht an Griinden, die einen Historiker dazu dringen, dennuch Von einem
Kunstwerk zu sprechen. Und ob ein Kriterieabiindel, das er zugrunde legt, dem
Begriff mgemessen ist oder nicht, hingt weniger von einer ,,Wesersschau", die
nach ',Unhersalien" sucht, als viclmehr damn ab, in welchem Ausmaii der daraus resultierende Worxgebrauch geschichtliche Zisuren, die auch unter anderen
Gesichupunkten wesendich sind, terminologisch fagbar macht.
Die Kategorie historisch zu differenzieren, also die gemeinsamers und die
untersrheideaden Merkmale TRI besrimmerc die sie zwixchen der Amike und der
Gegenwart untfagte, geaiigt allerdings, so nomendig es ist, noch nicht, um die geschichtliche Srruktur des Kunstbegriffs, die durch Uberlagerung und Verschrinkung Von Teiimomenten verschiedenen Ursprungs and Alters enmandgn
ist, zu erhellen. Die far das lg. and 19. Jahrlumdert charakteristischen Bestimmuagsrnerkmale, die sich derm zu Selbstwrst'indlichkeiten verfestigt haben, daB es fast iiberfliissig
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6. Musiktheorie und Kunmrrk
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erschrint, sie umst5ndlich zu hummentieress, waren ems das Nstulat der
Chbhah't'a't, die als Eigrntiimlichkeit des Genies geriihmt wrde, minus die Interpretation des Werkes als in sich gesd0ssesser Funkdonszusammenhang oder als .organisches Ganus', drimns die Erwammg, dd herausragende Wake, die auch and gerade dann das Epitheum Husisch auf sich zogen, wenn sie cinmzl revolutionir gewcscn warm, im Repertoire und im Gedichmis der Nach-
welt ibcrdaucm wirdm, und vim; die Idea der isthetischers Autonomic, durch die sich ein Gebilde, das Anspruch auf ksmstcharakter erhob, vom Bereich der chcke und Funktionen distanzierte. Negauiv ausgedrruhc EinWerk, das auf Nachahmung beruhte und den Vorwurf des Epigoualen herausfordene, das sich
als blrBe Lssarnmenstiickelustg mnkdm Morneutane8ekte - als Potpourri prssesitierte, dem es miBlang, ins imagin5re Museum der Meistermerke aufgenommen zu warden, und das sich dzdurch, dd es einen Zweck edi5llre, dem Trivialititsverdacht aussnzse, verstieg gegen die Norman, die seit dem spawn Ill. fahrhundert den Kunsrhevriff von der thim des Pramnarischen fernhiehen
and ihn in die Nihe des Religi6sen nickwn. Ein Hisroriker kann sich alluding: nicht ausschliaiich an den Ideea oriere
deren, die das Zeiralrer, das er zu schildem versucht, selbst in den Vordergrund
stellu. Will er dem verfiihreriscun Voruneil emgehen, dag einzig das Neue, durch das sich cine Epoch: Von anderen unterscheidet, historisch mendich sei, m mull er sich den banzlm, abet nicht sehen vugessenen Sachwrhalt bewUt. muhen, dd Smskmren urn so unauffilliger wirken, je "a'lter sie sind, dd sie aber, wenn sie selten mihm warden, dadurch keinmg; Hire oh hmdamentale Bedmmng einbilkn. Weder das Alter noch die Neuheit ist a priori ein Kriterium
fiir geschichtliche Relevanz. Geht man, in Anlehnung an die sozia1geschichtsschrribung der um die zap schrift Amide: gruppienen Historiker, Von einer groben Unrerscheidung zwi-
schen vier Zeitordmmgen ans, so fill! es nicht schwer, das Schema auf musika-
lische Sacbverbalte TO iibertsagen. Dag ein "punktuelles" Ereignis - sin Phinomen des .m-nps court" - wie die ersre Auifiihrung von Strawinskijs Sm dkprintemps
(29. 5. 1913) einen Tumult mcgte, bung: aber die geschichdiche Tngweite der rhythmischcn Innovationen, dutch die das Work schockierre, zuniclm cinmal noch nichts; inzwischen steht jedoch fest, dail durch Strawinskiis Aufhebungder
Taktrhyhnik, ebenso wie durch Schénbags ungefihr gleichzeirige Jirnuszipation der Dissonanz", zumindw‘einer Entwicklung Von minlercr Dauer der
.mcuen mm on KV. Jannlunurm, un: nann gcuwcnrn wumc; sum: die Darwinian des Werkbegrufs, dutch die John Cage seit den spawn 195021
Jahren wachsenden EinfUl gewann, eine geschichdiche Zisur markierem sun due blah Episode zu bleiben, so wire damir einer Kalcgorie, die immerhin jahrhundertelang das musikzlische Denken beherrschte, ein Ende 'esetzt; und der fiir die 1960er Jahre charakreristische Versuch, die prinzipielle Schrihlichkgit areifi,
zicller Musik ritckgingig EU machen, um die Spontaneitit vor der .Verding-
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L Ein1eitung. Musihrheorie im Zeinlm der lmhnik
lichung" Tu mun, die man in der "Objektivienmg" ugwéhme - ein Wrsuch, von dem alluding: rasch absehbar war, dd er mimingcn wisrde -, him vollcnds,
wenn er gegll'lck: wire, cine musikzlische Grundstruktur gefihrdet, dam Dauer den Terminus Joague durée" (Femmd Braudel") mdium
Eine Diskussion des vemacktm Problems, was als etttscheidende Eatwick-
lungsstule der Werkvorstellung gelten soll: die Schrifilichkeit artiiizieller Musik
oder cine bestiaunte Phase der Schrihlichkeit; die Enmehung eines m noch
rudimentaren, aber wmigsxens die Kategorien Anfang. Mitre und Ende komposi-
mam. zusprigenden Rtrmbegriffs; die Existcnz einer durch Theorie fundienen
Lehre vom Tomatz; das Heraustreten des Komponisten aus der Anonymili: oder die an der Poetik anderer kiiuste orientiem Formulierung der idee des wnenden Opus - eine solche Diskussion mag im Konuxt einer Geschichte der Musiktheorie des 18. und W. Jahrhunderts als iibedliissige Abschweifimg erscheiners. Wesendich ist jedoch die fundamental: Tamche, daB der Kategorie des Kunst-
werks im klassisch-romantischen Zeitalter auger neuen, fiir die Epoch: spainschen und qttaruten8ttscltett Besurnmungstnerhrmalert and: autere Knunen zugrunde lagen, die nicht veniger konstimn'v waren, und dd datum keiaessegs a priori festsund, welche Momeme, die gerade cm hervorgetresenen oder die von weilher 1aberlieferten, den "igeslicheu" Gegmsund einer Musiktheorie bilden
sollrea, die den Anspruch erhob, ihre Zeit in Begriffe zu rum. Die Tonsatzregeln, die im 19. Jahrhurulert gclelm wurden, mam zu einem groiUn Teil
Traditioasbrstgnden an, deren Ursprung Jahrhunderte zunicklag; sie warm kei-
nmgs speziiisch for die Epoche, deren Theorie und Didaktik mit bappiermder
BeUrrlichkeit an ilmen iesrhiehen, and Michel: von den Ideen der Originaiit'it, des .organischen Ganzen" und der isrhedschen Autonomic, also Von den har den Kunstbegriff des Zeiulurs konsritutivea Ideen, nahezu unbenihn. Aber zu den wesentlichea Merkmalen der Werkkaugorie, die ohne Toasarzregelss Schlechter-
dings undenkbar ist, gehénen sie dcnnoch, und dd sie - als an Mu und Beharend: - gegeniiber dun Neuen und vielleicht viwiibesgehenden a priori sekundir seien Oder als sekundir behandelt warden miigten, wire cine gedankenlose Pri-
me, " deren Rechtfenigung sich die Geschichuschreibung lediglich auf den
FortschrirtsgJauben des 18. und 19.Jahrhuuderts berufen kfmme: auf einen '
hen, den sie iodoch lingst nicht mehr tell: und der zudem in der Musiktheorie des
klassisch-romandschen Zeiulurs gerade nicht hmschxe. Andererseits kann aatiirlich ein Historiker, der hin Hinder Parteiginger win m6chte, auch nicht einfach das Vonmeil fin das Neue mit dem entgqrengeseSztea
fiir das Alte vertauschen und Von der Maxime ausgehen, dag cs me; ....a iiberall
Sache der Musiktheorie sei, das .alt: Wahre" zum Gegensuud der Userweisung TU machen, also die Aneiguung des Neuen einer ptaturwiUhsigen", unregulicr-
[so W. E Brandel. Histoire e: Sciences wciales. La Iongu: dnrée, in: Annales 13, 1958, s, NI f)
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6, Musiktheorie and Km}:
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an Entwicklung zu iiberlassen und die spezifischen Kaugorien der eigenm Zeit zu ignorieren, als wiren sie bloik oberf1'a'cheaplanimseste, van denen, wie Johann Joseph Fux glaubre, die Tiefenstrokturen der Musik nicht beriihn werden. Wer die Geschichte der Musikrheorie ohne einseitige Akzenruierungen zu schildern versucht, darl sich weder dem Rtrrschrittsglauben, der in der Musik selbst, noch dem Akademismus, der in den theoretischen und didakdscllen Darstellungen dominierte, reiuxionslos antrtrauen. Die scheinbar einfache und einleuchtouie Fbrderung, dag sich die Musiktheo» rie, um nicht substanzlos EU bleiben, an der zmlralen 'isthrrischen Idce eines Zeiulwrs oriemieren nuisse, im 18. und 19.Jahrhundert also an der Idee des
kunstwerks im emphatischen Sinne, main sich, wenn mm gewissesanaiUa einen
Schrin zuriickrritt, als zwiespaltig und problemarisch. Wer die schematisierende
Rrrmenlehre verwirh, wail sie die Individualitat des musikzlischen Warm, die Inch den 'isthetischen Kriterien des 18. und w. Jahrhundcm dessen Kunstcharakm ausmacht, ankenntlich werden laik, behilt in aster Instanz zweifellos recht. Und ttge Mnscquenz, ate romenlehre 1n Analyse zmzuheben - IISO ate Dogv
marsh des Generellen durch eine JtiickwerleTrchnik" der Anniherung an das Individual}: abzui6sen und TV ersetzen -, eine Kansequenz, die dann im 20. Jahr-
hunden gezogen wurde, scheim unabweislich MI sein. Sie erweist sich jedoch, nihct berrachrer, als fragwiirdig. Emuns handelr es sich nicht um cine Destruktion der Fbrmesslehre, sondcrn um cine veNnderung ihres logischm Status: die Fdrmmodelle, die sie absmhien und klassifiziert, sullen nicht mehr, wie Adolf Bernhard Marx mit dem Pathos des Hegelianers glaubu, das "rwirklichte Wernunhgesetz" " der Musik dar,
mam dienen in untergeordneter beuristischer Funktion dun, einen Zugang
zur Individualitit des Werkzs, auf die es ankommt, zu bahnem Die Schema: glei-
Chen einem Geriist, das man abreiik, wenn es seinen Zweck edtillt har, das man abet braucht, um die Besonderheit der einzelnen Werh, an die man sich - ohne
Hoihumg, sie 211 erreichen -heranzutasten versucht, iherhaupt in Begrike fassen
" kiianen, Zweiuns wurde die Entwicklung einer musikzlischen Analysetechnik, die den
Nunen mdim, im 18. und 19. Jahrhundert durch die Vorstellungrn gehemml,
die man sich von der didaktischen Funkdon einer 1idrrnenlehre machw. Unter der
Voraussetzung, dail fest umrissme Lehrsilz: den Kern einer pidagogischea Disziplin bilden missm, blieb die Analyse des Besondmn, das nicht in Regeln zu prusen in, dem eiazelnen oder der miindlichen Unterweisang iiberlassea, die
man sich allerdings, a didaktisches Nimu von der Wechselwirkung zwischen Gedrucktem und Ungedruckrem abhingt, nicht allzu differenzierr vorstcllen darf. Dan man, um sich kompositorisches Med" anzueignen, Particuren "taly(sl A, B. Marx, Die Lebre van der ntraihalisc6en Komposition, ad, Ill, Leipzig V1857, s, 604,}
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I, Einleinmg. Musikeheorie im Zciuleer der Imlmik
Sim, in selbsoerst'indlich. Analysen zu druckm war jedoch ungewihnlich, wail der Begriff des Lehrhuen prim5r mit Aussagen aber Generelles sun mit
Anweisungen dariiber, wie man zur Erkenmnis Von Individuellem gelangt, m. bunden wurde, wihrend der pidagogische Sinn Von Analysers nicht dam besteht, sich Modelle zu eigen EU machen, soudem das Analysieren - als cine der Grundlagcn einer verniinfiigen musikalischen Praxis - zu lemen und in seinn Berechtigung und Niitzlichkeit einzusehen.
Drinens stand einer Aufhelaung der Rrrmeniehre in Analyse - einer Auf-
hebung, die das Aufgehobene in sich enrhilt - das mm!” Vorumil im West, dag die Individualitir und Originalirit aims Verbs, Von der sein Kunstchamkter
abhiingt, weniger in der Form als in dem, was man Inhalz oder poetische Idea
nannte, TU suchen sei, Das Problem, in das man sich im 19.Jahrhundesr ver-
strickte, ohne es sich bewugtzumachen, l'a'gt sich an dem Verhihnis zwischen der thematischen Substanz, in der man die poerische Hee realisien uh, und dem formalen Prozeg verdeutlichen. So unbestreitbar nimlich in der Sonata, wie August
mm m: erkannte", me Anemzux, me tur ncn genommm umnmnu sun karm, eine Funku'on oder abhiingige Variable der Form ist, die iiberhaupt crst hervortreibt, was in den musikalischen Gedanken steclrt, so offenkundig steht oder
{ilk tin Lyrisches Iuaviesstiick mit der poetischen Subsunz des Anfangsgedankens, den die Form dann eher ausspinnr, als dag sie ihn zielgerichret entwickehe.
Die Form, in der Sonar: essenliell und darum nomendig unschematisch, darf also in einem Lyrischen Klavierstiick, wail sie akzidemell in, schemwrisch sein and ist es bei Schubert, Schumann und Chopin oh gcnug, wenn auch keineswegs Emmet.
(Schummns Triissmerei prigt cine Entwicklungsform Von hohem Differenzierungsgnd aus.) Die Kosrelation zwischen einer Thematik, von deren poerischer Subsunz der Kuastcharakter abhing, und einer Form, die man als bhdie Darstel-
hmgdorm der Thematik mah, wurde yon Adolf Bernhard Marx mm aber einer Formenlehre zugrunde gelegt (1845), in der, obwohl islhetisch mm Geist des
Lyrischer1 Klavierstiicks inspirUrt, die Senate als Jean: und entwickeltsre" " der
musikalischen Formcn gelten sollte and im Bewuetsein der Komponisnen bis znm
iriihea 20. Jahrhunderr and: in der Tat galt. Nicht die "isthetische Idee der
Beexhovenschen Senate, an der Marx seine Vomellung von Fbrrnvollendung demonstrierre, sondem die des Lyrischen Klavierstiicks, das fir die musikalische Denkweise der Eatatrhungszeit der Mmhm Formenlehre charakteristisch war, sear: sich, ohne dag der Amer es ahnte, in den Grundziigen seiner Theorie dutch. Der Geist der Zeit, der gleichsam im Riicken des Theoretikers sein Wesen trieb, war srirker als der des Gegenstandes, den die Uhre EU erfassen glaubte.
[n A. Hahn, Van ma Kuhurrn der Musik, Stuttgart 3/1947, s, $30-140, s. 252 ... passim.] [9 A, B. Man, Die wm van der mmuixchm Komposition, Bd. In, s. 604.]
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r. System musikrheoretischer Disziplinea
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7. Die Ida eines Systems msssihthearetiszher Disziplinen
System: sind seit Niemsches Invelniven gegen die philosophische Tradition dun Verdacht intellektuelur Unredlichkzit ausgaetzt. Und cine echt wissen-
schafdiche Gesinnung manifesdm sich nach den Norman, die von den Naturwissenschafen im Gagenzug zur Philosophie festgesetzt wusdea, in dem Verzicht auf allzu umimend: Koustruktionen, die sich empisisch nu unzulinglich einh5sen lassm. Andererseirs ist es jedoch uum0qh'ch, cine Theorie zu enrwufm,
ohne den Zusammenhang, der zwischen ihren Teilen besteht, als Wahrheiukri-
mium, wean auch als vorliufigrs, gehen zn hum. Die .stackwerk-Technik" des Empirismus ins Ewan einer rudosm Aumeibung spekulativ-systematischer
Eatwiide MI steigern wire ebenso absurd wie der Ehrgeiz, ein System pier" Musik - die u im Singular gar nicht gibt - EU konstruieren.
Das eigendiche methodologische Problem batch: dean auch nicht darin, cine Sysumadk entwudet
umben oder - eiugesclichtert dutch den Vorwurf
muuexzueuzr Unreduchkm - zu ven-nemcn, sandem In der angemcssencn Bestimmuag der Grenzen, innerhalb deren sie gelten soll. (Die Schwierigkeit ist die gleiche wie bei der Komemegel der Hermeaeurik.. Die Maxime in unanfechrbar, die Abmckung des Bereichs aber, den man bei der Iserpretarior1 einer Taxman: beriicksichrigen muit, 15st nicht selten Koatroversen aus.) Musikrheormische Etstwiirfe umerscheiden sich also nicht alldn dutch das Ausrna3 Von Systematik, Eu dem sie sich vorwagen, sondem auch und vor alletn durch die Alrgrenzuag des Obiektbereichs, dessert Struktur sie in systematischer - und nicht blofl aneinan-
derzeihender - Fonn " erfassen muchen, und durch die "istheu'schen und historiographischen Voraussetzungess und Konsequenzea einer solchen Abgrcnzung.
Dali der Obiektbereich einer Theorie enrweda die Natur der Sacha oder ein Epochennil (dessert Kodifizierung von Erich Rorhzcker als Dogmatik beuichnet wurde ") oder ein einulnu Werk sein kann - und dag die geschichrliche Entwicklung gewissermaiktt den Weg Von der emu: iiber die zwdu Bur drimen Maglichkait einschlug, wobei man alluding aicht seltm noch auf einer friiheren Smfe TU sein glaubte, wihrend man lingst eine spam: erreicht ham -, ist ein scheinbar uivialer, in Wahrhei: jedoch vemackxcr Sachverhalr. Theorien gerechr TV werden,
die sich auf die Nam der Sache bemfen. ist prekir, wail man als Historiker in
einen Zwiupal: zwischen dem Anspmch, den die Tm: erheben, und den eigen-
Ubemuguugen gait, die man zwzr ans Achtung vor der Autonomic Vergngmen Denkens zuriickstaen mail, "sdererseirs aber bei einer Darstelluug
grschichtlicher Prozesse nicht suspeHerers hm: Die Wrsensform der Schilderung and die des GeschihUrten schliefUn sich, pointien gcsagt, gageuseidg ans. Epocheasti1e Wiedetum sind dun Argwolm :usgesetzt, hismriographische File P' w. E. Rmhuhr, Die dograatische Denkform in den Geisreswissenschhn und das thlem des Historismus, Wiesbaden 19560
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I. Einkimng. Musikrheorie im Zeitalter der Anherik
tionen zu sein, die nicht in Merkmalcn der Sacha selbst, soudern lediglich in Bedingungen von deren Beschreibbarkeit begriindet sind. Und bei einem individuel-
len Gebilde ist es zweifelhaft, ob es iiberhaupt - in dun Sinne, wie das in der Ncuen Musik der letzten Jahruhme immer wiedgr msucht wurde - Gegensund
einer Theorie sein kann, die den Namen verdiem.
Bis zum IT. Jahrhunden war der Srstemchamlrter der Musikthcorie dadurch
verbiirgt, dag die Kontrapunkdehre den Anspruch erheben dushe, eine Darsullung des Tousatus im ganzen ml sein. Eine Harmonie- und cine Iiarmeniehre existiesten nicht, weil es den Gegensund, den sie zu erfassen versuchten, in dem
Sinne, wie er dann im 18. Jahrhundert definierr wurde, nicht gab. Die Fragment:
einer Melodielehre, die man aus der Chorzldleorie iibernahm, wurden der Kon-
trapunkdehre, In der sie cine Einleitung budm, angepaik. Und die Theorie des Rhythmus w mit der des Kontrapunkts insofern vzrmittelx, als Regeln iiber die Dissonanzbehandlung ein rhphruisches Moment implizieren. (Die grundlegend:
Diem” zwischen Vorhaltcn und Durchgingm ist ohne metrische Kategorien
mam mrmuucroar.) van on 1.1anle mm uer 1nsrrumenTauDn nan neserzung brauchte nicht die Rad: TU sein, weil sie nicht znr Komposidon als schrihlich fest-
gehaltenem .opus perfectum ct absolururn" (Lisrenius) gchamn. Und die Scim-
mung oder Temperierung erwies sich sp5testens in dem Augenblick als abhingig
vom Tonsatz, in dem man, sun Konstrukdonen abstrakt grgeneiaander aus-
zuspielen, van der Frage ausging, welchen konkreten Werken sie gerecht warden sollun.
Dail dutch den Systemchamkter der Musiktheorie deren Anspruch, die Natur der Sacha in Begriffe und Regeln EV fassea, eingeiiist wurde, erschim selbstver stindlich, solange mit der Idee der Natur die des in sich geschlossenrn Ganun assoziien wurde. Und das Ganze, dessen Srruktur Von der Theoric besrinunt
wurde, war .aia Musik als Ishegriff von Gesetzen und Anwestduagsregelst, denm sich die einzelnen Werke, um als anifiziell zu geken, uaterwesfen muBun.
(Die Intervallrelationrn und -progressionen - die Fkrrtschreitungen Von imperfekten zu perfckten Eiansoaanzen oder m Dissonanzm zu Konsoaanzen - galwn als Konsequenz der Hiemrchie, die zwischcn den Proportiomm bestand: Das
vollkornmencre Intervall - die ténende Erscheiswagsform des vollkommeneren
Zahlenverhilmisses - bildete das Ziel des unvollkommentren.) So {rend der Gedanke, dail in dem dutch Koatrapunkmorsnen -und deren mathemadsche Implikationen reguh'erten ,,Reich" der Tiiae und Tonbeziehungen .die" Musik als Inbegriff sirndicher sinnvoll m6gh'cher kompositionen enthakm sei, einem Zeitalter erscheinen mutt, das inheriwhe Authentizit'it in der Neuheit und Origina-
lid: individueller Werkideen sucht, so selbstverst'indlich war er einer friiheren
Epoche, die allemhalben Von der Vorsrellung einer Ordnung ausgjng, in der das einzelne seinen Sinn und sein Daseinsrecht als (vergingliches) Exemplar einer (iiberdauernden) Gammg, als (vertauschbare) Erfiillung einer Funkan und als (wcchselnde) Besetzung einer Systemstclle erhieh.
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7, System musikdworetischer Disziplinen
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Die Nachahmung der Narur, die man postulierre, schloll alluding: - nach aristotelischer Auffassung - eine Erginzung, Vollcndnng oder Akmalisierung des
in der Natur Fragmentarischen, Larenwn oder blog Potemiellen keineswegs ans, so dail eine Erklirung geschichdicher Wrinderungen sun méglich war: Das Neue rsnsike aicht verleugnet, sondem lediglich als Zusatz Turn Alma dargesulk
werden. (Die offeakundigen, handgreiflichert geschichtlichen Tatsachen sind - auch ohne historisches Bewubsein im modemen Sinne - unter der Voraussetlung, dag "die" Musik Von Natur - einer partial] unvollenderen Natur - grgeben sei, kaum weniger stringent intespretierbar als aufgrund der hinorischm Maxime, dag Musik .durch und durch irschichrlich" sei.)
Der in der Rznaissancepoen'k vereinuk auhaucheade Gedanke, dail ein Kiinsda - und sogar ein Handwerker, der ein Gebrauchsgerit hersLellt - insofem ein oher deus" in, als er Gegenrande hervorbringt, deren Idee oder Urbild 'von
ihm selbst summl, sun in der Von Got! geschaffeaen Natur vorgeseichnet zu
sein, wurde von der Musik'isthetik, wie es schdm, em im 18. Jahrhunderr aufgegriffea, setzte sich dann aber rasch als herrschende Maxime durch. Umer den Voraussetzungrn iedoch, dag erstens - im Sinne der Asthetik von Karl Philipp Moritz" - nicht das dutch Kontrapunkmormen reguliem System
der Intervalle, sondcm das einulne musikzlische Werk als in sich geschlossene Fon-n und als liickenloser Funktioaszusammershmg der Teilmomente ein inhedsches Abbild der Natur im ganun ist, dail zweiteus - nach August Wilhelm Schlegel" - nicht die gegebene natun mama, sondem die hervorbringende, im Komportisren als originalit'it und Genie wirksame mum naturans das ontologische Fundament der Musik dmtelk und dail drimns die Vermittlung zwischen
den neuen musikdxeoretischen Disziplinen des I8. Jahrhunderts - der Harmonica Syntax- und Formenlehre - und der Tradition des kontmpunkts schwierig, wenn nicht unm6glich war, gerier die iiberiieferre, mit dem "istotelischer, Narwhegriff
assoziiene Systemidee in cine Rir die Musiktheorie geradezu ezistenzgefihrdettde
Krise, die sich alluding: weniger in einer Auseinandersetzung mit den dabei
Tutage trmndcn Problemen als in der Angsdichkeit manifestierte, mit der man ihnen auswich, Wie Musilnheorie den Primissen und Postuiaten einer Asthetik des indivi-
duellen Kunsrwerks gerecht werden kann, wurde nicht gefragr: Indem man die Individualiri: der Wake. die deren KunstcUrakter verbiirgt, in der Themacik - sun in der Form im gallun - begriindet sah und die Themarik wiederum inhalaislhetisch interorerierre, kannm mm ohne ftihlbare Belumnp des iisthetischet,
Gewisseas JiuUUiiiiL,%L, Fomcnlehnfdie zu didaktischen Zsvecken
ps K. Ph. Moritz, Wer die sumac Nlchabmung dc; Schiinem (1m). in: ders., Khriften MIT Asdmik und Netik, hrsg. von H. J. Schrimpf. Tibingm 1962.] (ss A. W. Schlagel, leesungm iibersrhiine Litteratxr und Krmst (1801-1804), hrsg. m. J. Minor, Heiibronn m4, ErsrerTeil, s, mm
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l. Einleinmg. MusiHheorie im Zziulm der stmik
brauchbar ersdlien, das Wore reden und den Aest", der die Hnupuzche war, der Intuition iiberlassen. Eine form5stheeisch oricndme Musiktheorie wire dem-
gegerniber unauweichlich auf das Problem des Srstmrscharakmrs der Disziplinen gesroflea, die man ans pidagogischen Grinder: voneinander gmnnt hiek. Da
Harmonik, Konuapunkt, Syntax und Motivik im ginulnen tnusilralischen Werk, sofem a geg)rrckr in, einen hickenlosen oder wenigsnens dicht gekniiphen Funk-
tionsmssammenhang bilden, muK cs prinzipiell méglich sein, grundlegrnde Beziehungen, die awischen den Teilmornenten des Tannin: butcher], in der Funn einer zur Sysumadk tendierenden Vzrminlung zwischen den musiktheormischen
Disziplinen darzustellen. Die 'mgegengesetzte Wrsrellurrg, dail die gmerellen Bestimmungsmerkmale der Teildisziplinen en! in individuellett Gebilde zusammentreifen und in Relation mseinander gebracht warden, ist trifestkuudig absurd. Vielmehr ertthilt die Mmik immer schon humonische und umgelrehrt (was
seltener beriicksichtigt wurde) die Harmonik metrische Irnplikatitmen, der Kanmpunln harmonische und menisci“ und die Syntax aulkrdan motivische, die ihrmseits harmomsch und memsch tuttd1ert "rut.
Die spezifische Verwirklichung Von FuuktiotsszusammenYingrn im rinzeiaen
Walk mt also genmlle Korzelatimten voraus, die als Theorie formulietbar sind.
Sowenig aber die Maglichkeix und Notweadiglreit, allgerneine, dem einzelnen Werk vonusliegende Rtlationsbestimmungen - und nicht blolt Regeln innerhalb von Teilbereichen - aufzustellea, prinzipiell zweifelhafr in, m schwierig emhcim die Abgrenzung von Gruppen geschichtlicher Plfinornene, fiir die sie gelrzn
sullen: die Fesxsmung eines Minleren zwischen der Narur der Sacha, deren
Ezistenz ur1glaubwiirdig geworden ist, und dem eiazelnen Werk, dessen Individualitil als Jneffabilf gilt. Ein Rekurs auf den Begriff des Epocheastils diUfte
dmmch, obwohl die Kategorie ins Zwielicln geraten in. kaum vermeidbar sein. Und dem Verfahren, musiktheoretische System: als Dogmadken Von EpochenStiles: - als systematisierende Darstellung dessen, was in der dokarnersriereu Theorie ventral, abet als von innen harms zusammengrh6rig rekonstruUrbar ist- zu begn'mden, in zudem durch die Hinwendung zur Rezeptious'istUtik und -hiseorie, die in den leumn Jahrzehnten geradezu tin Modephinomen wurde,
cine unerwanete Untersnirzung und Aktualitix zugewachsen. Die Rekonstrule
tion des Erwarusngshorizonts, von dem sich Konstwerke abhebcn, um durch die Differeaz in ihrer Besouderheit kmdich zu warden, ist nimlich hum anders als in der Form einer hypothetischen Biindelung und Zusammenfasxung ungezihlur Elmer und ncuerer Erfahrungen TV einem tendenziell sysrematisch strukturienen
Vomellungskmnplex m6ghch. Und zwar resultien der Zug zur systematik- sun:
zum blogen Flickemeppich m. Wahmehmungrstereotypen - aus der Funhion, die ein Erwartungshorizont erfillt. Soll an einzelne Werk, dessen Interpretation
aus dem urspriingh'cben Kama! beraus das Ziel der Relamstruktionsbemiihuew gen bildes, als in sich gmhlossener Kontat von hamonischen, boatrapunle tischen, synraktischen und motivischen Merhnalen und szuun eddbar sein,
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T, System musiktUoretischer Dixziplinen
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so muE der Hintergrund, von dem " sich abhebl, zumindest in groben Umrissen systematisch mukmrim win.
Die Verquickung der Rezeptionsisthetik und ~hismrie mit der Primisse, dais der Kmsstcharakter musikzlischer Werke in deren Neuhcit und Originaliti: begrisndee sei, steht damud: der Rekonstruktioa dues Erwartungshorizonts in der Form einer musiktheormischea Sysumadk keinesmegs entgegem iedenfalls nicht, sofern man gclltn E81, dd Innovationen sich - kompositionsgeschichtlich von Werk TV Werk - gleichsam als Kettenreaktionen innerhalb verschiedener,
nebeneiuander bedaufender Traditions-sw - mignen, rezeptionsgeschichtlich
aber im allgemeincn vor einem liugne Zeit hindurch feststehendea Himergrund
wahrgenammen und beurmih warden. Wrinderursgen bleibcn zunichst umusifl lig und verteilers sich audem iiber verschiederte Stellen im Bezugsfeld, zwischen denen ein Kenna, obwohl er bestehen mag, nicht unmiuribar ersiclstlich in. Ein Hintergrund aber, der in den Grundriigen eine Zeidang konsum ist oder wenig-
stem denjenigem die sich an ibm orientierem so erscheint, ist ohne Gewaltsamkeit als System oder Dopnalik rekonuruierbar. Und aus der Tatsache, dail ein Wechsel oder Umsclllag, wenn er schrsalich eimrin, die Form cine: .qualimjvm
Sprungs" mnimml - in dem Sinne, wie die Kategorie von Hegel in der Vorrede zur Pbiinomenobagie bestimmt wurde -, resuhiere geschichtstheoredsch eine panielle Rechtfertigung des urrutrittraen Epachen . s. Die Idea einer musiktheoreu'schen Systematik ist demnach weuiger in der Kbmpositioas- als in der Rezeptionsgeschichte fundien. Erscheint die kompositorische Entwicklung, wean man sie als Geschichte der bedeuzenden, dutch Neubrit und Originalitit herausrzgenden Werke beydft, als ein - nach Traditions-
linien diifereaziester - Fompng von Werk zu Werk, so in far die Rezeptionsgeschichte eher ein sprunghaher Austausch Von Bezugsxystemen - das also, was Thomas Kuhn Pzndigmcnwechsel” nanme - charakteristisch. Die Second: pm-
tica wurde Von Monteverdi, der den Terminus prism“, bis TU Cyprian de Rore,
also bis zur Mine des 16. JGrhanderts zurrsckverfdgt; wihrcnd aber die friiheren Abweichangen vom Regelkodex der Prima prattica gleichsam dumb Hilfshypc:hesen crklin wurdm - als textbedingre, kasuelk Ausnahmen von den Norman des Kontrapunkts -, brach fir einen keineswegs sneng konsewadven Theoretiker wie Giovanni Maria Anusi angesichts van Monmmdis Madrigalen um 1600, in
denen der Tmbaug als genereller Ursprung des Tonsatzes. nicht als blofk Rechrferrigung Von Lizenzen proklamien wurde, das gesamre traditionelle Begriindurwsrsrem zusammzn: ein System, van dem er glaubu, du, es in der
P' Th, Kuhn. Die Struktur wisseochaHicher Rrvolutionen, Frankfurt a. M. 1967,
5.11001]
I'' w. cl, Monumdis Vorwon zum v. Madrigalbuch (mos) sowie G, c. Monteverdi. Didrumtione delb [emu Wm (- Vomn In G. Monteverdi: Stbmi mmiuli, l607).]
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L Einleiumg. Musihheorie im Mule: der Asthetik
Natur der Sache beruhe, so dail die Umkehrung des Fundiemngswrhilmisss zwischen Musik und Sprache, zu der Monteverdi sich vorwagu, trot: der Berufimg auf die Antike als Kompn'on des musikalisch NatiUlichess erscheinen Innate.
Unter den Voraussetzunger1 einer Asthmik. die vom Postular der Ncuheit und
Originzliu'r ausging - yon der Maximo, M Kunst ncu sein mam, um authen-
dsch EU sein -, ist das immer wieder beklagte Nachhinkcn der Theorie keine Trigheit des Denkcns und lain Zunickbleiben hinter dem, was eigenvlich zu fosdem wire, sondern ein notwendiger, sachlich modvicmr Absund, der in dem dialek-
dschen Verhilmis zwischen Kompositions- und Rezeprhmsgeschichte begrandet
ist. Denn die Theorie, auch die scheinbar avaacierreste, formuliers, wie gesage,
nicht eth den Stand der komposimrischen Entwicklung, soudern ladiglicb den gmerellen Hintergrund, von dem sich die individudUn Gebilde dutch cine Diife. rcnz abheben, durch die sie iiberhaupt cm In Kunsumkzn im emphatischem klassisch-romann'schen Sim: des Worms warden. Andererseits genug: es nicht, von bloBer Durchhrechung der J'.tzt.!re.re..e - - v... u... .W...... .v............., u... w... v.4... muuwms, m. n... 5...“...
isthetische, auf wahmehmbare Qualitaren korszentrierte Perzeptioa durch sysw matische Sr6rung eingeschliifener, autornatisiener Ndfassungsstereotype cnielt oder wiederherstellt - TU sprzchen. Vielmahr nah! der Geaeralisieruag ting Funktionszusammznhangs musikalischer Teilmosaestte, wie sie fiir die Suukrur yon Erwammgshorizonten charUteristisch ist, eine Individualisieruug gcgeniiber, deren Manifestation das einzelne, besondere Werk in. In beiden Ellen aber
handell es sich um Funkrim1szusammeshinge, wihrcnd das Prinzip der Durch. brechung Von Wahmehmungsstereotypen an blolk Details denken Caih. Und dag in der fimktioaalen Wechselwirkung zwischen Hannonik, Konmpunkt, Syntax und Modvik, die das individuelle, unwiederholbare musikalische Gebilde ausprign die methodologische Rechdertigung fin die Annahme und Rekonstruktion cine: Bezugssystems - der Dogmaxik eines Eprxhenstils - liegt, wurde herein
erwihnr: Der kbanex der Abweichungcn untereinander (im einulnen Werk) und derjmige der Norman umereinander (im Bezugssystern oder Erwammgshorizont) sind Kamlare, und dai; sie es sind, gehén au den Bedingungen der Miig-
lichkeit systematischer Musiktheon'e im Teitalter einer hstheik des individueilen Wakes. Theorie ist weaiger ein Abbild der Werke als damn dialekdscher Wider-
pan in dem ProzeB, der aus der Wechselwirkung zwischen Kompositiottsund Rezeptionsgeschichte erwichu.
e, Arssrvahlkriterierr Die Nsswahlkriteriea, die den Stoff einer historischen Dmmllung begrenzcn, hingm yon Tradirionen ab, die der Autor Chemist, erginzt, zurechtriickt oder
verwirft, abet jedenfalls zunichsr eimnal vonussctzl, sowie von dem Geschichts-
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8. Auswahlkriterien
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begriff, den er - unbewufit oder ref1ektiert - zagrunde legt, Und die Gesichts-
punkre - Tradilian und Geschichtstheorie - miissen keineswegs 1ameergieren. So gefesu'gt die Oberlieferung erscheint, die dariber mucheidet, welche Musikthco-
retiker als ,bcdeutend‘ gehen und welche nicht, so vag: sind die Vorstellungen Von der Form, in der sich "Geschichte" in der Musiktheorie und deren Verandarungen auspr'igt.
Daniber hinaus ist die mistorizit'it" der Musiktheorie des 18. und 19.1311:-
hundens insoiern besonders schwer cdallbar, als man Von entgegeage"tzten und sich durchkreuzenden Primissen auxgehm kann, ahne dag es sich rechderrigen Edie, wenn um der JJbersichtlichkeit" willen die cine oder die andere unbesiicle sichrigt bliebe. Obwohl die Gesichtspunkte in konflikt miteinander genmn, ist der Versuch, die Entwicklung der Musiktheorie als ein Sti'tck Wisseaschahs-
geschichre zu schildem, zweifellos ebeaso legitim wie das Vezfahren, sie als Reflex
der Kornpositionsgeschichte TV betmchren. Das 18. und 19.Jahrhunderr water: tin Zeitalter der Natur- und Geschichtswissenschaft einerseits und der Asrheuh
aadererseits. Wer sich an den Methoden der Wissenschahsgeschichte orieatiert, muB aller-
dings beriscksichtigen, daB der chrgang von der Wissenschah als Philosophie zur Wissenschaft als Fbrsclusng Von der Musiktheorie - auiier in kargen Ansitztn -
nicht mitvollzogen wurde. Unbeirrt dutch tiefgrrifemle Wrinderungea der
Wissenschaftsauffassung im 19, Jahrhundert, hie]: die Musiktheorie am Vomng
der nomadven Vemunh gegrniiber der deskriptiven Empirie, an der Zeitlosigkeit des "igemlichen" Gegenstandes theoretischer Einsichr und an der Idee des
Sysemcharakters wissenschaftlicher Erkennmis harmicldg fest.
Solange aber die Uberzcugung Von der zeitlosen Geltung natiirlicher and m. suinhiger Prinzipien die Grundlage oder Subsunz des Theoriebegrufs bildere - also nicht nur die erklirenden und interpretierenden Kategorien, sondem auch die Auswahl dessen bestimmte, was iibrrhaupt Chick! der Theorie wusde -, ersch6phe sich die Geschichte der Musiktheoric darin, den Besund des ,.musika-
lisch Wahren" oder Jtichtigen", von dem man glaubu, dd er "an sich" - jenseits
geschichdicher Deformationen - seit ieher fesuund, Jiir uns" immer vollsan-
diger und gaunt: TU erfassen sowie kiarer und systematischer darzusrellen. Die
umralen Gcgenstinde der Musikdxeorie sind iedenfalls um 1900 bei Hugo
Riemann dieselben wie um 1850 bei Adolf Bernhard Marx oder gegen 1800 bei
Heinrich Christoph Koch.
Der ans rrhilosorhischen - nach ilmem Wortzebrauch ovissenschaftlichen" -
Traditioaen stammende Theoriebegriff - mit den Merkmalen der Begriindung durch Natur und Vemunh, der Zeidosigkeit .theoriewiirdiger" Gegenst5nde und
des Systemcharakters der Erkennmis - geriet nun alluding: im 19.Jahrhunden zu den Kriterien der modernen Wissenschafr als Forschung ebenso in offenen Widerspruch wie TU dem istherisch fisndierzen Postular, daB sich Musiktheorie,
um nicht iiberfhUsige Spekularion zu bleiben, in letzter Instanz an der kompo-
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I, Einleimng. Musikrhcorie im Zeiulm der Asdmik
sidonspraxis und deren unabschiiabarer Entwicklung orienrieren miisse. Und ein Historiker der Musikrheorie, der sowohl die intern: Geschichte einer Dis-
ziplin ems! nimml als auch den ideengeschichrlichen Kanmn, dem sie angehan, kann dem Dilemma nicht ausweichea, dail Theoreuher wie Moria Hauptmann und Hugo Riemann, deren herausragende Bedeurung innerhalb der dutch Tradition gnogenen Grenun der Musiktheorie unbezweifeibar feststeht, den Kriw rien des modernen Wissenschahsbegriffs sowie dem in der klassisch-romantischen Anheu'k begriindeten Anspruch primim Oriesierung an der aktuellen
Kompositionspraxis gerade nicht oder nut in geringem Maile standhahea. Kompositions-, Ideere und interne Theoriegeschichte klaffen im 19.Jahrhundert 1aber wait: Streckan in irririerender Weise auseinander; und der Eklektizisrnas der Methoden, ohnehin die gew6hnliche ,Verlegmheiuphilosophie' der Historiker, schein: sich wieder einmal als unsermeidlick " miszn.
Die Primisse, dag der systemcharalrter musiktheoren'scher Earwiide - das Ausrnd in dem es gelingt, die Teildisziplinen der Musiktheorie miteinander EU ,L - uen 4,,v vcncnmmcn am: In mrcr m wccnsuwlnxung zu "men- - zu nntmln gcnun, die I-sires: die Bedeuruag Von konzeptioruen entscheidea- dariiber also, ob sie ,,der Geschichte" Zugtzihlt oder zum .Schuu der Vergangenhcit' geworfen werden sollen -, ist dem Einwand ausgesetzt, dd der Systembegrie dutch den Ubergang von der Wissenschah als Philosophie zur Wissenschaf: als Forschung die Subsunz und Glaubwardigkeit verloren babe, die er friiher unbestrirten besaii. (Nietasche sprach gendezu yon Jntellektueller Unredlichkrit".) Es wire jedoch
verfchlt, die Vomellung eines Systemcharakters der Teildisziplinen Ea verwerfea and die Musikthcorie resdos der Jriickwerk-Technik" (Karl R. Popper) auszulieferm die als Merkmal moderner Rsrschung gilt (abgesehen davon, dag auch Wrmirtlungea zwischen Harmonik und Metrik oder zwischen Koutrapunkt- und Harmonielehre in ,,stiickwerk-Technik" embeim warden k6nnen). Die Naturwissenschaft kann - oder mug 'ogar- auf die Idee tins .Ganzen" der Nam: und
die Historiographie auf die eines .Ganzzn" der Geschichte verzichten; die Anheah aber vennag - ohne sich selbst zu opfem - die Primisse der inneren Einheit und Geschlossenheit musikalischer Werke nicht preiszugeben. Und solange das ,,Ganze" (Gander Gebilde den Gegensmnd dmullt, auf den sich musikrheoredsche Teildisziplinen letzun Ends beziehen und in dessen wisseaschahlicher Erkennmis sie korwemierea miissen, ist die Musikzheorie - enrgegen der Gesame
tendenz der Wissenschah im 19. und 20. Jahrhunderc einer Temienz zur .stisckwerktchnik" und zur Abspalmng sich verselbuindigender Fisher - nus "isthe-
tischen Griinden gezwungcn, am systemgedankem den die Wissenscha6 verwarf und die Philosophie nicht zu rmen vermochle, als ,,regulativer Hee" mit einer gewissermagen anachronistischen Harta'ickigheit festzuhahen.
Dd der systembegritf unentbehrlich encheim, sei a auch - wie gang: - nut als .regularive ldee", darf alluding: nicht den Blick dafiir vermllm, dail die Ent,
wicklung einer Musiknhcorie, in der er nur seller: adiquzt realisiert worden in,
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8. Auswahiksiterien
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aufUrdem noch unur anderw Gesichtspaukten dargestelit warden mug, wenn
man die Wirklichkeit nicht verfchlen will. Und wenn man der relathen Autonomie der musiktheormischen Teildisziplinen - widernrebend und gewissermafkn mit schlechtem "isthetischen Gewissen - in der Geschichtsschreibung den Plat: cinriumt, den sie nun :inmal in der Wirklichkeir behaupme, so uigt sich rasch,
am es in der Enrwickhmg der Harmonie-, Koatrapunkt-, Formen» und Rhythmuslehre hervorstechende Augenblicke gibt, in denen sich - beg'uustigr dutch
kotnpositioas- und ideengrschichtliche Bedingungen - die Problem: dues Be-
reichs, die méglichen Lasungen und deren 1mplikationen in besondus deudicher
und differenzierser Ausprigung abzeichnen. Die Grimde, aus denen die musikalische Nrmenlehre von Adolf Bernhard Marx - aka als die hiihere yon Heinrich Christoph Koch oder die spime van Hugo Riemann - als .paradigmatisch" grhen dad, sind weniger in der intellektuellen Oberlegeaheitdes Anton als in der
korupositionsgeschichtlichea Situation .mh Beethoven" und in der ideengeschichrlichen puck Goethe und Hegel" 2.. mm; Das sachlich-systemarische Urtail da6 es sich bei der Mamchen Rrrmenlelsre um cinch ,,Modellfall" als Resulut -
eines Jruchtbaren Augenblicks' in der Entwicklung der Disziplin bandelt and die bistorische Begriindung - dag sowohl in der Komposidons- als auch in der Ideengeschichte die Bedingungeu herein lagen, die der Theorie die Balm ebnen
konnten - suitzen sich gegenseitig: Das cine Moment hinge ohne das andere
gleichsam in der Luft, denn fir cine Theorie, die dem Anspruch dieser Begriifs “mm gerecht werden soil, in die Entwicklungrstufe, die ihr Gegensund
erreicht hat, zwar wesearlich, aber kaum bedeursamer als die verftigbarkeit einer
Sprache, in der sich sagen l'ifU, was ,an der Zeit" ist. Einsichren-auch solche, die dicht unur der oberf1'iche des Bewugtseins liegen und gewissermafkn ans Licht dringen - sind nicht iedeneir formulierbar: Wenn die adiquawn Won: - und das tht: Deukfiguren - fehlen, bleibcn sie latent. Das Prinzip, aber die Bedeurung musiktheoretischer Enrwiirfe nach der Ge-
schicklswirkuug EU “mum, die Von ihnen ausging, liegt zwar nzhe, ist jcdoch
mit Schwierigkeiwn belastet, die sich nicht ohne Mike beheben lusen. Erstens miiitte ein Historiker, der die Geschichte der Musikrhcorie schildert, aber mv gleich Masiktheormiker ist, also van seiuem sachluh-systemarischea lnteresse nicht absehen kann, sich Gewah mum, wcnn er sich das Uneil fiber IérémeJoseph de Momigny" von der Tatsache diktieren Edie. dag das System dieses
"Auiknseiters", so ingrniiis es war, vom Conservatoire nicht approbim wurde
und dannn - bis zur Wiederentdeckurm durch Hugo Riemann", die eigendich
(" JH. de Momigny, Cour: complex d'harmonie n .1: composition, Nris 1803-1806; vgl. dazu R. Grodu, Die Wink: $rorr1positiortslehre des 19. Jahrhunderts,Fesbadea ma, s. 192-196.]
P'' H. Riemann, Ein Kapiul vom Rhythmus. in: Die Musik, I. Jg., 1904, H. 15.S. 155 bis 1624
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Gougle
_ T", - T "__-"-"-',
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I. Einleitung. Musiktheorie im Zeinlm der Asturik
cine erste Entdeckung war - nahezu wirkungslos blieb. Zweitens mam - wenn das Kriterium der Geschichtswirkung nicht so undifferenziert bleiben sol], ddl es nutzlos ist - zwischen einem kompositions-, einem wissenscuhsgeschichrlichen und einem intern theoriegeschichdichen Eirsflutt untcrschicden verden: Von Arnold Schénberg sind antler kbmpoaisten und Theoretikem and: Hiswriker angcrch warden, Von Heinrich Schenker dagegen fist ausschiialich Theormiker: Die Veranittlung zwischen Schichrenlehre und HistoriopaphieiIST- jedcnfalk einstweilen- wager: des sun dogmarischen Chambers der Thcone, die cine Mil-
derungims hiswrisch Relative kaum zulaHlt, nicht mliickt. Ob Merim welchem Mall: die Einseitigheit einer Reupu'on deren Tragweite schmilen, steht allu-
dings nicht ' priori fest; Eine Theorie fiir Theoredker kann im selben Sinn: be. deutsam sein wie eine Komposition fiir Kosnpoaisten. Drinens ist cine Dasstel-
lung der Theoriegeschichte gnwungan. davon auszugehen, dai) Bacher - um " zynisch auszudriscken - in der Regal wessiger Cher Beobachtungstatsachen als uber fruhere Bucher - sci es in"komi'ilatthr, oder'mWkriu'schcrAbsidn- ~ge-
scnneoen weram, Aalsacnm, me mm nerucxsncnugl, menen pm on nestaugung eigener oder der Widerlcgung funnier Hypotheses Vimens bleibt einem
Historiker auch dana, wean er wail} oder TV wissen glaubl, dag die miiadiiche, lateme Tradition der Musiktheorie die eigendich .reale‘, kompositionsgeschichtlich einflugreiche in, nichtx anderes iibrig, als sich zunichsx cinmal auf
die schrifdiche, manifest: Oberiieferung zu sn'nzen. Uber die M6glichkeiren der Geschichtsschreilumg earscheidet in erster instanz die Are der Dokumentz, fiber
die ein Histosiker verh5gt oder die in einer Disziplin als diejenigea gelun, die beriicksichtigt warden miissen; und dag die Dokumenu nicht die Tatsachen, sondem lediglich das Material MI deren Rekonsmsktion sind, all also die Tzuachen
gewisserrnagen Hypotheses, darstellen, die all: den Dokumeaten erschlossen mam miissen, laik den Anspruch der Historic, ein Snick Vemangettheit TU beschreiben, .wie es eigentlich gm ist" n, tin wenig fragmirdig erschrinen, Eine historische Darsrellung, die - im Gegeuzug TV den Versuchussgen der Rezeptioasgeschichte _ davon ausgelu, dais die Entwicldung der Musikrheosie
vor allem ein Reflex der Kompositioasgeschichte is: oder sein mllre, verftsgt Csber ein handgreifliches Auswahikriterium, das zwzr manchmal schwer :nwendbar sein
mag, aber iedenfalls prinzipiell unmifhersandlich fesmhn Eine Hanmmielehre nus dem spiiten 19. Jahrhundert, die den nus Wagner: Harmonik resultierenden Pmblemen ausweicht - sei u in der Form der Polanik oder in der des Igstorierens -. wire demnach Von vomherein zur Irrelevanz vemmilz. Das AktuaWitspostulat I38: iedoch erstens die Tarsache ustberiscksichtigt, dd auch Ideen im Bereich des Elementaren - aw: der fundamenrzlen Zusammenhingc zwischen Harmonik
und Merrik -, Ideen also, die von der Problemavik der musikalischen Moderne
[n L. van Rania. Geschichren der romanischen and germmischen Valkervon 1494 bis 1535 (1524). Vanda]
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g, Auswahlksiterien
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ebenso unbenihrt bleiben, wie sie arngekehrt nicht den geringsten Einfluil auf die kompositorische Entwicklung ausiibea, einen wissenscUhlichen Formhrin darsullen k6nnen. Und zweiuns ist die Erwamsng, dag die .Forderung des Tages" erfiillt werden miisse, cine Norm, die weniger aus der Geschichte der Musiktheo-
rie summt, als dag sie ihr Von auikn oktroyien wurde. Und es in derngegeniiber nicht absurd, wenn auch ur1gew6hnlich, die Gegenthese aufzustcllcn, dd die Musiktheorie ebenso wie die Musik selbst beanspruchcn darf, Von innea haraus
bcuneilt und an dem ihrer Geschichte immanenun Magstab gunmen zu werdea. Das Autonomieprinzip ist immer und iiberail Aniechtungen ausgesetzt; und dag es bei der Musiktheorie noch befremdender wirkt als bei der Musik selbst, in
bein Grand, die relative Berechtigung undiskutierT " lassen.
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Ongmai tom
UNIVERSITY or MICHIGAN
II. DER ANFANG AIS ENDE: VERSUCH EINER THEORIE DES ELEME?TrAREN J. Die Pandora!
einer Allgemeine" Mwihlehre Die Allgemeine Musikiehre, als deren fn'iheste Dmullung Gottfried Weber: Buch aus dem Jahre 1822 gill - das 1824 als erster Teil in den Verswh einer geord-
netm mm der Tonset/mst aufgermmmen wurde -, gehiirr " den Phinomenen, deren Anfang in wanna: ein Ende in, wail die Begriindung der Disziplin in der Eatdeckuug tines Problems bmand das sich als unlBsbu erwies Mil der w qA ooer a, uer J, nnnung, .. ,1n,,,; L, n, 5,, nmslcnt nan germ: 1m scncmnar mcmmmrcn - m ncgnncn
wie Inmvall, Rhythmus und Zeitmag - die vertracktesten Problem: verborgm
liegen, gerict man, wail die unxersmn und crsun Kategorien zugleich die obersten und lmten sind, in einen Zirkel von Ursprung und Ziel: einen Zirkel, dessen
wissenschafvliche Aufliisung wegen der Komplikarionen, die sie mit sich ftshrne, die didaktischen Zwecke durchkreuzte, die man andererseits verfolgte. Von den Elemeatarbiichera, mit denen die Allgemeine Musiklehre noch 1803 von Justin Heinrich Knecht gleichgeserzt warden war (Allgemeiner vussihalisMer Katecbisrruss oder leuyzer Orbegritr der allgemeinm Mrssihlbhre), sollte sich die Disziplin, die Gottfried Weber and Adolf Bernhard Marx (Allgemeine Musikiebre, Uipzig 1839) vorschwebre, dadurch unterscheiden, daB sie, wie Weber es ausdriickre, empirisch Erlemtes systematisch - durch cine Rekonstrukrion der
tragenden Primissen - fisndierte: .Nicht allerersten Anfiingern in der Musik, sondem denjenigen ist das gegeawbtige Biichlein gewidrnet, welche, auf dem gew6hnlichen empirischen Wege bereits einigermaiUn vorgeriackt, von dem, was sie also erlemt, sich nun and: Han und erweireme Begriffe zu verschaffen und
rationell zusammenhingend zu ordnen wiinschen, so wie auch Lehrem, welche ihrcn Schiilern solche Begriffe geben wollen." " Das wisseaschafuiclwdidakrische Programm, das Weber und Marx entwarfen, wurde iedoch nicht oder nur in geringem Ausmal} eingel6st, und mm kann zwei, feln, ob es sich iiberhaupt realisieren lat, ohne dag man enweder den wissenschafdichen Anspruch oder die didakische Brauchbarkeit opfen. Die Allgemeine Musiklehre scheircm an geschichdich entstandenen Widerspriichen und
Divergenzen, iiber die man sich im 19.Jahrhunderx nicht mehr hinwegsemen konnte, wail sie allzu sinnCallig in einem ins verschiedenen Jahrlumderxen mm-
_ G. Weber, Allgemeine Mm'ldelm, Darmstadt 1822, s. 111.]
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l. Pandaxie duet Allgemeinen Musiklehre
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meaden Repertoire mdlalwn warm, das insgesamt als klassische Uberlieferung inhetisch priun: war und damn: Von der Theorie beritcksichtigt warden muihe. Zu crkliren, was due Tonskala oder cine Takm ist, war entweder so einfach, dd van cinerTheorie, die den Namen verdizm, kaum die Rede sein Iguana, oder verwirrend kompliziers, weil die Begriffe in den Labyrindien der Geschichte, in
die man bei mhgemasm Erl'iuterungsvmsuchen immer weiter zuriickgetrieben wurde, ihre fasten Umrisse serlorem so dag man am End: nicht mehr wulhe, was
das in: eine Tonskala oder eine Takun. Die Allgemeine Musiklehre schrumphe
zur schieren Trivialivil oder Iiiste sich in unabsehbare Historic auf. Der Versuch tiller systemztischea Begnindung des musikalisch Elemenuren ist zweifellos Theorie im antiken und mirrelalteriichea Sinne des Wones, so dail die Allgemeine Musiklehre des 19.Jahrhuaderts als cine - ihrer selbst uabewuike Bemihung versunden werden kann, unxer den verindenen Bediugungen der Neuzeit cine Tradition EU rmen oder zu restituieren, die zu einem groikn Teil Hum oreiszezeben warden wan Der Inmrvall- und der Taktheerif5 wurdm
reflezionslos vonusgcseut, sun Gegenstand einer Theone zu sun, die von dem Bewutusein gexragen wurde, dail gerade das Grundlegende sich am wenigsren
Von selbst vernal“.
Die Takuncn des 18. und 19. Jahrhunderts TU erliutern gangs miihelos, solange man sich aux didaktischen Grinder: berechtigt glaulm sie als Anzahl m. Tahlzeiten TU definierers, deren Nomnwen vom Nenner des Bruches ablesbar ist, der als Taktzeichen dient. And: lassen sich die Differenzieruagen, EU denen man
gnwungcn in, Venn die Anleitung Tur musikalischen mm nicht in dem Verzcrrung und Verstiimmeluag besteben soll, zunichst noch durch Zusatzbestisn-
mungen formulierem Dail ein nodener "ganzer" Takr eine blMe Tahlzeit sein
kann (Presto 'A); dag neben gleichmithea Zihlzeiten in der Volksmusik und in der Neuen Musik des 20.Jahrhumierts auch ungleichntaige, Jinkende" vorkommen (,,bulgasischer Rhythmus" , h ); dd das .singende Allegro" des IE. Jahrbunderrs auf der Simultanzitit verschiedener Tahlzeiten und Tempi be,
nth: (Allegro v. and Andante Th); dag die musikalisch real: Zihlzeir mit der pragmatisch gemeinten Schlagzeit des Dirigenten nicht immer zusammenfillt - dai) also die musikalische Wirklichkeit von der elementaren Lehrbuchregel nicht sellen abweicht, ist als Ausnahme von der Norm oder aach dem didaktischen Schema des F6rtschreireas vorn Einfachen zum Kompliziertea noch verst'indlich und ohne allzu offes1kundige Widerspriiche darstellbar. Das Problem aber die T.." Lusslcuuul -Lu nuulcu, _ unrulL u]: cm: muan uncrnaupl A‘Iuwwmulumlsnl
cm musiUlisch real wird, zwingt zu einem historischen Exkurs, der das system:-
dsche Konch: durchkreuzt, denn die elemenur: Regal, dd ein Tempo das Zeitaug einer Zihlzeit sci, die ihrerseits dutch den Nenner tines Taktzeichens wie V. oder y, ausgedrisckt werde, erweist sich bereits bei einer keineswegs ungewéhnlichen Takrare wie ee, deren Tihizeit bei raschern oder milSigem Tempo die punktierre Viertelnote ist, als unzulinglich. Ohne Riickgriif auf die Tarsache, dag im
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ll. anch einer Theorie des Elementaren
17. und noch im fnihen 18. Jahrhunderr der .Rhythmus' eines Takxes und der ihn
darstellerule Schlag als prinzipiell Mimi; aufgefzgt und mit der Srstoie und
der Diastole des Pulses verglichen wurden " - so daft die sechs Zeiten des H-Tak-
tes als Uaterteiluugen und die drei Zeiten des M-Takes als Gruppierung einer Ling: und einer Kiirze galten -, bleibt das scheinbare Jystem" der Takunm,
dis in Wahrheil eine Jchichmng" von Besundtcilen nus verschiedenen Epochen ist, undnrchschaubar, Die grvnds'itzliche Zweizeitigkeit des Juiytlsmus" - an
der cine abweichende Schlagtechnik nichts inden - zwingt nun aber dazu, die
Definition desTempos als 2mm; einer durchgingigen Zihluit -die as nach der ilmeu Auffassung im mm nichl gibt - einzuschrinkcn. so m man auf den Begriff des Tempo giusto; die Vorsrellung tines durch das blolle Nmenbild suggerienen Zeiundes, zuriickgeworfea wird. (Das Tempo giusro, das - emgegen der
Besrimmung des Zeiundes als Tempo einer Tihizeit - prinzipicll im M-Talrt rascher als im 15-Takt ist, wird dutch cine Vonchrih wie Allegro oder Adagio nicht determinien, sondem ledigljch modifizierr.) Mit mderen Worten; Die in-
undiem Sysmmdk geriit unaufhahsam in den Strudel der Geschichte.
Demgegeaiiber erscheint die Aherneiae Musiklehre des 19. Jahrhundem als
ein - vergeblicher oder iedenfalls blog partiell sinavoller - Versuch, die musikz-
lische Elementarlehre .raLionell' und durch ,,zusammenh'ingeade Begriffe" (Gottfried Weber) TU fundieren, ohne den Weg der historischen Rekonsrruktiou,
der ins Unabsehbare fiihren wiirde, einschlagen zu miissea. Der Preis allerdings,
der fiir die Verdringung der Vorgeschichte TV “him war, bestand in Rissen, die
das Systcm - bei dem man zweifein kann, ob es iiberhaupt dues in - allenthalben durchziehem Gottfried Weber, der eine Taktan schlicht und konventioaell dadurch erklin, dait " den Nenner des Taktzeichens als Nomawm der Yihluit und die Anzahl der Zihlzeiren dann als Taht bestimmt, spricht einerseits von den .Zusarnmengesmren Tahranen'', als wiren sie cine bloe graphischc Variant: der einfachem riumt aber andererseits ein, dail durch die Norationsdifferenx die Wrtragsarr
modifiziert werde. .Ebendamm dame man es auch hier wohl als gin: gleichgraltig
:nsehen, ob man ein Tonsuick in einfacher, oder in zusarnmengesetzter Takun schreiben wolle, - Mein es tritt doch Inch hier der, einiger Beachnmg werthe Umsund ein, dass das Herkommen z. B. einem mq'akte einen anderen Vomag bestimmt hat, als einem lei htfenigen %-Takt." " Dag der Unterschied zwischen
dem 'W. und dem Wrakt - 1m 18. Jahrhundm him man yon einer Jliaendm" und einer _hrsr,fenden" Bewemmz sresrrrochen - darin bezriinder isl. daft der 1%-
EL ein unteneilter is:Takl1;, 1',r, wiederum Lu, den Begriifra dervorklzsv sischen Epoch: ein zweizeitiger ,,Rhyahmus" zugrunde liegt, scheim Weber, der
P' J. Manhcson, Der volllwmmm Capelhneister, s. m, S 9; siehe unten s. 162.] [u aw)", Vmuh m geordneten Theme an Ttmsetzbsotst, Main: 3/1830-32,
Bd.I,S.120‘]
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l. Pandemic einer Alhrrneirsen Musiklehre
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im Jferkomsnen" char ein stiireades als ein begriimimsdes Moment sah, nicht
bewu& gewesen zu sein. Adolf Bernhard Marx - der sich in Unrecht dis Wrdienst zuschrieb, in der
Allgemeinen Musiklehre ein festes Fundament gelegt zu habea, das den gesamxen
Bau der tnusiktheoretischen und asthetischen Disziplinea zu (raga: vermochte hick die Probleme, die aus dem prekinn Verhiknis zwischen Tempo und Taktan
sowie ans dessen geschichtlichen Irnplikatioaen erwuchsem dadurch im verborgenen, dai) er die Tempi vor sun nach den Takunen er6rterte, also den falschen Eindruck erweckre, sie beziigen sich unminelbar - und nichr durch Vermittlung des Tihlzeitbegriffs - auf die zuvor behandelten Nomnwme. Ein Laser, der es nicht anders weill, mal? nach der Marx-uktiire glaubea, mit der Vorschrift
Adagio sei die gauze Skala der verwzndexen NotenwerTe gemeint und ein Adagio mhalte sich bei gleichent Noteabild zu einem Allegro ungefihr wie 2: 1, Mit der
naheliegendcn Frage, warum langsame Sim des spitereu 18. und des 19. Jahrhundens fast immer in kleineren Notenwerten crscheinen als rasche und warum
die Achulnom eines Adagio M keineswegs ebenso schnell wie die Viemlnoze eines Allegro %, sondem wesemlich langsamer ist, wird er im ungewissen gelas»
sen. Der Mangel an historischer Differenzierung, an dem die Darstellung krankt, erweist sich also zugleich als didaktischer Fehler, so dail sogar die gew6hnliche Ersrschuldiguag far Verstiifie gegert die wissenschafdiche Wahrheit versagt. Eine Allgemeine Musiklehre, die dem mit ihrem Namen verbundenen Ampruch gerecht warden machm, kann dem Problem, dait der Anfang, von dem sie ausgeht, sich strenggcnommen em vom End: her [egirirnieren lat, schwerlich ausweichem Und Adolf Bernhard Marx war Hegelianer genug, um die Schwierigkeit - die er ungelas: lieg - wenigstens EU erkmnen. Gegeastand der Allgemeinen Musiklehre ist das Elemenure und Prinzipielle, dessen systematische und historische implikationea Marx Von Zeit Tu 2dit andeutet, ohne sie zu eurwickeln. ,Die wissenschaftliche Begriindung gehiirt der Musikwissenschaft an; nur hier und da kann auf sie bitrgedesstet warden, und and: dies nur, um Grundbegrufe was faster und bestitrunter, als dutch biotic Beschreibung und Anschauung méglich ist, hinzustellen." " Marx entwirft cine Hierarchie musilrtheoretischer Disziplinen, die in der Kompositionslehre und schlieglich der Musikwissenschaft kulminiert. Und die "iufbere Abtrennung der spiiterers Teile, die pngmatisch rnotiviert ist - .Komposirionslehre und Musikwissenschaft ntiissen besonders behandeh werden" 66 -, iadert nichrs an der inaeren Zusammengehiirigkeit, die danus L... Am .I... m An‘ann v---. a.....y.- -- .m .m 5...“... -- AA" m... ”4”“...
i,irii'iiUTm Wihrmd Marx aber - teils vor und tcils nach der Allgemeinert Maghreb" - cine Kotnposidonslebre publiziene, wurde die ,.Musikwissenschaff, die er plante, niernals geschrieben, so dag iiber die wissenschaftliche Funps A. B. Marx, Allgemeine Mwiklehre, Leipzig 10mm, s.20 _ Ebenda, s, 3.]
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IL Versuch einer Theorie des Emma
diemng, die ihm als Rasulux seines musiktheoretischen Gesamtwerks For-
schwebte - und das heifk: als Ziel, das zugleich Ursprung ist-, nurWrmurungen
m6gh'ch sind. Von der Art der Probiemarik, in die der Vtrsuch einer Verklammerung Von Anfang und Ende Kshrr, kann man sich einen Begriif "when, wean man der ersten Bestimmung dessen, was cine Quinta ist, die letzte - und zwar im Hinblick auf
die Musik des 19. jahrhundcm - gegemiberstellt. In dem scheinbar einfachen Phinomm, das Mam - um dm Namen zu erkliren - als Summe van Ganz- und
Halbtbnen beschreibt", licgen mindestens vie: Moment: verborgcn: m ein experimentalpsychologisch bestirnmbarerverschmelzungsgrad; zweitens eine .daluhterstehende" (Jacques Handschin") Intervallproportion (2 t 3); drinens
der die Irsrervallproportion modifizierende Szchverhah, dail aus der Konstruktion der Durskala bei der Quinn d-. cine Kommadifferenz 80 2 81 resultietx - als
Abweichung der Dominantquinte Von der Unmrquime der Subdominanmrz -,
die aber ans musikalischen Griinden unrerdriickt werden mud; viermsss die almstische Darsrcllung der musikalischen Notweadigkeit, das synwnische komma
EV vernachlissigen durch die gleichschwebende Temperatur (wobei an Konsuvktionsprinsip der Durskzla dutch die Tempcrierung kcineswegs aufgehobess wird). In dem Phinomen, das in der Musik des 19. Jahrhuaderes J2uinte" lseiik,
win demnach, wean mm Lumen Implikarionen nachgeht, eine Koexisunz un-
vereinbarer Momenre zumge, die unter der Oberf1iche scheinbmr Simpliziat
mborgen liegn Wird aber vom Ende her die Kompliziertheit des Anfangs siche bar, so zeigt umgehhn der Anfang, dag am Ende immer mach die Einheit eines Begriffs - und nicht sein Zerfall - min. Geht man davon ans, dzB die Musikwissenschah, die Marx vor Augen stand,
primir cine Musikasthetik war, deren Grundmige von dem Beethoven-Buch ablesbar sind, dis man als ertinzende Kehrseite der Komposirionslchre lam kann, so encheim der Versuch Heinrich Rietschs ", den Anspruch einzul6sen, der im
Begriif der Allgerneinen Musildehre liegr, ohne die propideudsche Brauchbaskeit der Darstellung preiszugeben, in methodologischer Hinsicht als Skizu dessert, was fi'ir Marx cine mit der Musikwissenschlft vermimlu Allgemeine Musiklehre war, Der Gedanke, der bei Rinse}: Anfang und End: miteinander verkiammert, wunelx in der Primisse der Ausdrucks'isthetik, dag musikalische Expressivit'it in
den geriugNgigen Moditilrationen der Tonh6be, Tondauer, Inmasizit und Klang-
farbe, ohne die ein beseelter Vortrag nicht denkbar erscheint, empirisch greiibar
- also einer deskrimiven Theorie zuzinzlicll - zmzze trete. Bunch: die Gmnd-
legung der Musik'in der - madmlalh fundinén - Radonaiisiaing aim
(" mum, s. 48f.] [n J. Handschiu, DerToachamkter, Ziirich 1948. Der 2. Teil des Bushes in iiberschriehm: Die Frage nach dem Dahimerstehenden (S. 105).] [w H. Rietsch, Die Gmndugm der nmm, Leipzig 1907.]
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L Puaduxie einer Allgemeinen Musiklehn
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urspriiaglich amorph-expressiven Subsunz (ditoff der Toniusast" "), so ediillt die Musik, iadem sie Form annimnn (Ubrmung des Stoffes" ") und auflerdem
durch Schrihlichkeit einer geschichdichen Entwicklung fshig wird (.Scllriftliche Aufzeichnung der Tougebilde" "), ihren isnhctischen Zweck gende dadurch, daB sie vom stung Reguliem wiederum abweicht - in der Agogik ebrnso wie im modernen Tonsatz seit 1600 - und gleichsam den irrarionalen Urspruag dutchscheinen l'ifh, der im Zeitaher der masik'istheeischen Herrschafi Arthur SchopenImam als ',Wille" im Unterschied zur ',Erscheinung'' gedeutet wurde (.Die Musik als Tompmhe' ").
Unter einer Allgemeinen Musikiehre kann man Verschiodenes verstehen, und zwar emm eine Sammlung von Kennmissen, die zur musikalischen Allgemeinbildung gehirren, zweitens einen vom Besonderen abstrahierenden Enmkt der Konuapunkt-, Harmonie- und Nrmenlehre sowie drittens eine Darstellung
allgemeiner, den geschichtlichen, sozialen und ethnischen Differenzieruagen vorausliegender Fundammw der Musik.
Der Begriff der musikalischen Allgemeinbildung, der mit s'irntlichen geistes-
und sozialgeschichdichen Problemen der Bildungsidee des I8. and 19.Jahrhun-
derrs belasm in, Wk sich in den Grenun, die einer Geschichte der Musiktheorie gaugen sind, nicht ohne Verkiirzungen dasstelless, die das Wesentliche nahezu unkenndich machen warden. Ein Hisroriker, der sich nicht blamieren madame,
ms auf cine Schilderung verzichren. Ausziigr aus der koatraparskr-, Harmonie- und Rrrmenlehre, an deren prop'ideutischen Nuaen zu glaubcn zur fcsten, auch im 19. Jahrhundert umngeustmn Tradition der philanthropiscbpidagugischcn Aufkl'irung gehén, sind srrenggenommm zu der Erémrung von Gruads'itzlichem, die sie versprechen, insofem ungeeignet, als die didaktisch modviene Abbreviatur fiir wissenschafx-
liche Begriindungen kaum Platz l'iih, so dag, wie eingangs erwihnt. das Elementare und Prinzipielle. sun als komplizierr und problemadsch kenndich zu werden, zum Trivialen schrumph, Der Schein der Simpliziat, der wissenschaftlich
1m: warden milke - indem man zeip, dag die einfachen Ding: so einfach gar nicht sind -, wird pidagogisch verfestigt.
Das Grundlegende schlieillich, das ienseits geschichrlicher und ethnischer verhuierungen fumeht oder festzustehen scheim, zeigt sich je nachdem, ob man
es als Iubegriff von emas immer und iiberall Gegebenern oder lcdiglich als Spielnum srstematisch rekonstruierbarer M6glichkeiten auffab, in durchaus veru-hinh-npm [.irlu, lm ante" Fall kt PA. wie die Emwitklunv der Musiktheorie im
19. und 20. Jahrhundm erkznnen 1513:. einem "uri,iiiui2i,''d Reduktionsproza _ (" (" ("
Ebendzd, 7-16,] Ebenda.si- 5.1 Ebeada, s. 96-113.l Ebeada, s. 114-127.}
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II. Versuch cine: Theorie des Elemerrraren
unterworfen, so dag schlieMich van den Universalien oder anthropologischen Konsmun nichts iibrigblieb als einige Baualiaten, die kaum noch zum Gegenstand von ,Grundlagenfonschung‘ taugtem Im zwziten Fall stehl dagegen einer Untersuchung, deren Method: sich an die Phinomenologie Edmund Husserls anlehnr, ein Rcichrum an Themen offen, der dnstweilen noch hum erschlossen ist. So ist erwa die Tauache, dag ein Tonsysmn mit der Septime 4:7, die " Unrecht "Naturseytime" heiih, unvermeidlich Interval]: wie 35:36 urnfalh, die
sich in einer prekiren Mine zwischen einem (als Tombsmd musikalisch branchbaren) Intervall und einer (beim musikalischen H6rea umerdriicktea) Knmma-
diifereaz halun, abstrakt-systesnatisch - a priori vor aller Erhhrung- konsnzierbar. Und die Nststelhutg ist angesicbts der Neigung nuncher Theoredker, das
Abbrechen der fiir das Tonsystem konstitutiven Intervallproporrionen bei der
klcinen Tera 5:6 fiir unbepiindbar und .rein willkiirlich" (Adolf Bernhard Marx) zu cddiren, keineswegs irrelevant. Das ',Universaliersproblern", dem eine Allgemeine Musiklehre nicht answeichen kann - ohne dat) immer eutscheidbar wire, ob die Behauptuag, ein musikalisch Elemenures sei ienseits Von geschichdichen und ethnischen Diifeseuzer, allgernein giihig, iherhaupt als wissenschafdiche These oder nut als didaktische
Noth5sung gemeint ist -. ligt sich an der Unterscheidung zwischen Konmnanzcn und Dissonanzen exernplifizieren, die Adolf Bernhard Marx mit harschen Wonen als a,uaweseatlich", .oberflachlich" und .rein willkiirlich" " abut and die er dutch cine Intervallisdmik glaubte mean: zu k6nnen, deren geschichdich eng begrenzte Geltung er oifenbar verkannte. Jnnerhalb der Oktave mm ist die Quinta das in das Uabestimsnte hinaus verlangende, verwhwebende Interval die Quartz das fest und stark zutreffende (daher die Ptuken meist in Quamen ge-
stimmt warden), die Sehwrde mhiger, miBiger Foruchrin, die Tera muchieden und bestimmt, die Sexte sardt bindend, die Septime veruugertsvoll." " (Dal! Marx zwischen groflen und klcinen Inurvallcn nicht unterscheidet, wirkt irricierend.)
Gottfried Weber hielt gleichfalls, mo auch aux anderen Griinden, die Kontrr sderung von Konsonanzen und Dissonaazen hir verdict and crsezzu sie durch die von Johann Philipp Kimberger summende Uaterscheidustg zwischen harmo-
nischen und harmoniefrerndea Timers. .Obgleich ich van dieser ganzcn gemeiniiblichea Einteilung nicht Viel hike, so will ich meinen Users, doch wrmipterss, gleichsam enjhlcnd, referiren, walche Accord: und Tiiae man konsonircnd, welche dissonirend zu nmnm pilep." " Sofern man alluding: den koatrapurht nicht in Harmouielehre auMste, war die Intervallklassifilration des Koarrapuakts
(mit der Seplim: als Dissonanz), die Weber wmarf, in der Musiktheorie -ebenso
l" A, B. Marx, Allgemeine Musikklm, 1mm, s. 49.] (15 Ebendz, s. 334.] [n G. Weber, Versurh einer germhretms mm, M. 1, s. 279; TU Kimbergcr siehe “mm s, WI und 1255.}
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2. Toasyssem and Stimmung
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prism“ wie die der Harmonieldsre (mit der Septime des Sepukkords als harmoni-
schem Ton), har die er plidiem. Die wahrnrhmungspsrhotogiscun Wsaussetzungen des Phinomcns, das in Harmonielehre und kbutrapankt divergiereade Gesulren annahm, sind einfach und unangefochun. Und obwohl Wan, sun Natur und Geschichte mac: sun
BU konfroutierem atit Fernand Brande] zwischen Suukruren yon linger, milder" und kuner Dauer untesscheiden, also das Prinzipicn- 1n einem AbsmfungsproHem mildern k6nnte, sind die Jouanzpade" der Intervalle, wie Carl Smmpf sie nannm ", cine Erscheinung Von offeabar so unvordenklich friiher Herkunft, dag
es nahezu gerechtfertigt sein mag, Von einer anrhmpoloe'xhen Konsume zu spreChen. Umnrim ist allenlings, ob " sich iherhaupt um ein musikalisches oder nicht vielmehr um ein vor-musikalisches Phinomen handelr, das en: dzdurch musikalisch Jiberformt" wird, dad man dem Intervallbcsund im Hinblick auf
bestimmte kornpositorische Zwecke cine Gliederung aufprigl, wobei auger den gewohnun Dichommien (Konsonanz und Dissonznz oder - mit abwcichender
Grenzzielumg - harmonischer und harmoniehernder Ton) die im 14. Jahrhundm
praku'ziene Dreiteilung (consoruntia perfecu, corssonantia imperfecta, dissonannia) und die har die Neue Musik des 2thJahrhunderts chamkteristische Buicksichtiguag der sonanzabstuhsug ohne AuMsungszwang der stiederen in die hiheren Grade als geschichdich radish": M6glichkeiten besonders hervorstechen. Als Beschreibung zines Spielraums van offenen, geschichtlich in wechseludea Fonnen "alisierrers Maglichkm'un ist allerdiugs die Allgemeine Musiklehre, die
dadurch wisseuschahlich einen festen Baden gewinnen wade, didakrisch nahezu anbrauchbar.
2. 743;:qu mi Stimmssng Die Tameka, dag im 16.Jabrhunderx - nach dem Zeugnis G. Zarlinos" Orgeln in mittelt6nigen Lauren dagegen in gleichschwebcndcr Temperatur gestimmx wrden und die Ch6re eine Anniherung an die reine Sdmmung ver-
suchren, wirh ein yells Licht auf die Problernatik, mit der die Theorie des Tonsystems seit dem Zedall der prhagoreischen Dogmau'k des Mittelalters belaset in: L56: sich einnseivs der systemzusamrnenhang der Time kaum anders als
dumb Inrervalhrroponimten brgriinden, so ist andcrerseits in der musikalischen Rulitit die akustische Darsrellung der Interval]: variabel, ohne dait der musihlische Sinn dutch den Wechscl der Erscuinunzsfosm emsdich Eerahrdet warde.
Eine Quince ist theoretisch ohne Mum auf L Mmmaéis 3:2 oder 2:3
T Stl. C. Snunpf, Km: mum, Ldpzig 1898. Auf s. 59 in van .xom tsanzgraden" die made. F. Krueger (Die Theorie der Esmsorunz, mm mo) spricht im Hinblick auf Slumpfs Begritl der .vmmmg- m .Gndm der Smnnz' (S. 29m f" Zadinm smmu mmli. Wssedig 15M.Eap. xxxnn, s. 218f.]
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ll. Versuch einer Theorie des Elementaren
schwerlich defuierbar; in der Praxis aber kann man sie - und mull es sugar - in gewissen Grenzen modifizieren, ohne dail sie dadurch aufhén, eine Quint: zu sein. (Bin ungemu gezeichneter Kreis ist eine Variance des exakt dargestellten, nicht umgekehn.)
Das Prinzip, die Durshla am den Dreiklingen der Tonika, der Dmnimme und der Subdominame abzuleiten, scheim ein Quint-Tera-System auch der Srirmnung - der akastischea Aullenseite des Tonsysmms - EU erzwingea oder zumindesr
nahezulegen: ein System, in dem die Quintet) (f-c, c-g und pd) die Proportion 2 l 3 and die grrBest Terzen (f-a, c-e, g-h), die Ausfttlhusg des Quiutengeriists, die Proportion 4:5 repr'a'seatieres Und die Strukvur der Mollskala beruln auf denselben Zahlenmhilmissen, unabhingig davon, ob man die Quimen in a-Moll (d-a, a-e und e-h) .monisdsch" durch kleine Terzen (5:6) von umen oder - wie
Moritz Hauprmaun, Arthur van Oetdngen und Hugo Riemann - .dualistisch" durch grail: Terzen (4:5) von oben ausfiillt (a-f, e-c und h-g ". Die Theorie des Tonsystems umerscheidet seit dem 16. Jahrhunden zwischea
einer reinen Stimmung, die als Abbild der "igentlicheii" Suuktur des Tonsystems geltest sell, and verschiedenen Arten von Temperatures:, die als mehr oder weniger gegliiclae Komprornisse mi! Forderungen der musikalisches, Praxis
aufgefaik werden. (Dal! die gleichschwebende Temperatur in der Dodekaphonie aus einer defektcn, wenn auch unembehrlichen Sdnunung zu einem reguliren
Tousystem - also nus einem blog akusrischen MI einem musikalischen Saclwerhalt - wurde, kann einstweilen unbenicksichrigt bleiben.) Die Gewohnheit, in der gleichschwebenden Temperatur einen Notbehelf EU sehen, der dutch die moderne ChromaLik und Moduladonstechnik erzwungen wurde, ist jedoch prekir, wail sie den Blick (in die Tatsache versulll, dd die Annahme knsser Widerspriiche zwischen einem Tonsystem, das "igendich" die
reine Stirnmung Verlangt, und einer komposirorischen Praxis, die ohne die gleichschwebende Temperatur nicht auszukommen vcn-nag, strenggenommen absurd
ist. Dean die Praxis ist die Realist des Systems, und zwar unabhingig davoa, ob man das System als Abstraktion Von der Praxis oder als deren Grundlage begmifn Wean also aus der irnmaarssten Logik des Systems ein Sachverhalt resultiert, den
es in der Praxis nicht gibt - wie das ,doppelre d" in C-Dur'" (die syutonische Komma-Differenz zwischen der Dominantquinte und der Unterquinte zur
subdominantterz) -. so bleibt, da System und Praxis konvergieren nsdhen, nichts anderes iibrig, als entwcder, wie Moritz Haupunann, im Namen des
Systems kritik an der Praxis zu Eben oder aber umgekchn zuigrund der Praxis
eine Unzul'ingh'chlseit des Systems TU korrstarierea,
[v M. Hanptmann, Die Nam der Hrrmonh mud dir Mani, Leipzig 1353, S.32; A. von Oellingen, Das dale Htmaniexystem, mm 1913, s. 115m, Riemann, Ubndu 'rwsikalisdm Hiz'mt, Leipzig 1874.] P' M. Harsptmann, ebenda, s. 433.]
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2. Totrsyarem and Stimmung
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Geht nun davon aus, dag die pm, die ein doppehes d nicht kenm, ausschlaggebend sei, so verstrickt man sich in die Schwierigheit, unahhingig Von der nuditionellen Bepadung dutch die Proportionen 2 . 3 und 4 l 5 - als dam Konsequeuz bei der Konstrukdon der C-Dur-Skala aus Dur- und Mollakkorden dis doppelte d unvermeidlich erscheiut - sagcn zu missen, was cine Quint: und cine yolk Tera Eberhaupr sind. Wer die Gleichsetzung der Domiaantquinte und der Unurquime zur Subdominznnerz als musikalisches - und aicht nur als akustisches - szmm bchaupm, kann die Tonbeziehungen nicht mehr liickenlos aus
Intervalhrroponiorsea deduzierea. Es mag far Psychologm und ihre musiktheoretischen Anhinger aaheliegen, die Quinn mit Carl Smpf" als hohen Verschmelzungsgrad und dariiber hinaus - im Siune der Gestahpsrhoiogie - als "usirzeichnete Gestalt" zu ddinieren, die sich in ihrer reinen Auspligung von einer m kleinercn oder gr6iUsest dadurch 1mtesscheider, dill man cine Variant: als deiizienrea Modus der Quinta und nicht umgekehrr die Quint: als defizienrea Modus einer der Variantzn waln-
mm. Man solke allerdings mm verkenrten, dds es sich bei den psychologisches1 Bestimmungwersuchm - wie Jacques Handschin einwandxe - um bloile Beschreismgen und nicht um Erklirungen handelt. Handschin, dessen ontologische Bediirh1isse durch schlichte Phinomenologie nicht erfiillr Wurden, sah sich
datum veranlaflt, Tum Pythagoreismus zuriickzukehren, Die Schwierigheir, zwischen einer theorerisch bcgriindmn und uaglihigen Definition der korsstitutivea Interval]: des Tonsystems und der fiir einen Hisxori-
her unverzichtbaren Primisse, dail die Realit'a't des Tonsysmns in der kompositorischen Praxis besteht, ohne logische Erschleichung zu verrnitteln, komplizien sick noch dadurch, dag sogar innerhalb des theoretischen Tonsystems die Koastruktionsprinzipien, auf denen cs bemht. maachmal in Widerspruch oder in Konkurrenz zueinander geraten. Dail die Natursepcime 4: 7 einen hiherea Ver,
schmelzungsgrad reprisemien als die diaroaische Septime 9:16, die as Quintbeziehungers hervorgehr, in schwerlich bestreitbar, so dag es nicht etsuunlich ist,
wenn die Jiiebenergruppe" der Inrervalle seit dem 18. Jahrhunden immer wieder Wrfechter fund. Das iibergeordneee krirerium blieb iodoch, trot: des Einspruchs
bedeutender Musiktheoretiker, der Sysmnzusammenhang der Intervalle, in dem die Naturseptime und ihre J%bettfolgea" (wie der "neutschieden zwischen Eommadifferenz und Intervall changicrende und darum unbrauchbare Tonale stand 35:36) keinen passendm Plat: haben, mud nicht die isoliene klangwirkunz. durch die 4: 7 zunichst besticht. Luh man aber die ..0berforrnune des
VersChmeizungsgrades durch cine sysremstruktur, die m 6km, Quin; und yolk: Tera als .dam "rstgndlichess Iarervallen" ausgeht (Moritz Hauplmu), als Notwmidigkeit geltem ohne die eine artifizielle Musik nicht méglich [n c Slumpf, Kmananz mi Dissommz, s. 66.] (" M. Haupunznn, Die Nam der Harmomh and an Metrik, s. 11.]
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II. Versuch einer Theorie des Elementarers
win, so kann man dem zweiten Schrin, nun wiederum einigr Merkmale der Systemstruktur den Forderungen der kornpositorischen Praxis EU opfem, hum
ausweichen: Das Verhiluu's zwischen wahmehmungspsychologischer Fundierung, Tonsysum und Kompositioa erscheint als Jichichtung", in der nicht nur das Obere vom Unteren gmgen, sondem auch das Unxere vom Oberen zurecht-
geriickr und einer Seleklion unurworfcn wird. Der enharmouischen Verwcchselung mm as und gis min umgekehrt liegt der komposimrische Gedanke zupunde, die Tonhéhe (muhalmn, aber die Tonbedeutungen TU venauschen (die Septimc des Dominanrseprakkords b-d-f-as in Es-Dur in die Sen: des iiberrnuygen QuirttsextaWords b-d-f-gis in d-Moll zu verwandeln). Eine akusdsche Diiferertzierung - ma dutch cine gespakene Kiavienme - wiirde dem Sinn des Phiaomens nicht gaechr. Die Idesstitat der Ton-
hahe, die durch die gleichschwebende Temperatur verbirgr wird, gehiin vielmehr ebenso zum musikzlischen - und das heist: zum intentiorulen und nicht blofl akustisch-realen - Sachverhalt wie der Wechsel derTonbedeumng, der ,cine Sacha der Auffassung and des beziehenden Denkms' in (Carl Smmpf). Mit anderen Wotan: Die komposirorische Praxis besteht nicht in einer Alternative zwi-
schen der glcichschwebenden Temperatur und dem System Von Tonrelatioaen, dessen akustischer Ausdruck die reine Slimmung " sein varsuchx, sondem in der
widerspruchsvollea Gleichzehigheit der Momma. Und man kann auch nicht
sagen, dall das Torssystem, in dem sich as van gis smterscheides, die musikzlische ',Wesensform" und die Temperatur eine blofie akustische .Erscheinungsfonn‘ darstelle, die das Essentielle unvollkommen spiegek, dean die festgehalteae Identitit der TbaMbe hat bei der es1hamsoaischen Verwecbseluug am intetttiottalets - die Musik als Musik koustituierenden - Sinn in nicht geringerem Mage mil als der Wechsel der Tonbedeumng. DIG der Anspruch der reinen Sdmmung, die wahre Strukrur des neuzeizlichen Torssystems akusdsch adiquar darzustellen, iragwiirdig ist, n-in spiusmu in
dem Augenblick offen zurage, in dem man angesichts einer Vielzahl van Varianun
resigniere einriumen me, am es ,.die" reine Slimmung - im Singular - gar nicht
gibt. Friedrich Wilhelm Marpurg (Vmuch fiber die mwihalische Temperatur, I776) pr'a'sesttierte - antler dnigen Modifikationen der gleichsdwebenden Temperatur - nicht maize: als vier Monochorduilungen, die insofem, als ihnen rein: Quinlan und Terun zugrund: liegen, TV den Ausprigungen der ninen Stim-
mung gezihlt werden miissen. Fiir das Problem, dag in C-Dur die Relation zwischen a iiber f. d unter a und d iiber 2 imendwo cine Verzerrune, das sozenznnre syntonische Komma, enduken mall - wvon indireh die Bestimmung des cis
(iiber a) und die des b (unter d oder unter f) betroifen sind -, gibt es keine lir, sung, die pdnzipiell trihiger wire als einige andere, mit denen sie konkurrim. Man kann iiber die 2weam'aigheit von Sdmmungen meiten, aber dgendich nicht dariiber, ob sie osaturgesn'iiP sind oder nicht.
Dail man aber im 18. thxhundm auch dam. wenn man im Grunde Prag-
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T, Tonxym und Stimmuag
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madsch argumentierre, van der Vomellung einer onmlogisch - in der Namr des Tonsysnems - begriioderen Slimmung nicht loskzm, Rig: sich am krassesten bei
Johann Philipp Kirnberger, dawn T.emp.eemeTrschlas cine hehige Kontroverse eatfesselte. Kimberger” mischt die rein: Slimmung mit der pythzgorei~
schen- oder gmauu er vemwhr iiber die Brick: und Wsse der reinen Sdmmung dadurch hirmegzur5uschen, dag er Inf einzelne mhagoreische Interval]: zuriicle greift. Dd er c-cis (eigendich c-des) pythagoreisch als 243 ; 256 und c-dis (eigentlich oes) als 27:32 intonien, ist alluding; 'trenggenmnmen peripher, und die
muzle Schwiesighzit, die Ambiguit& von d and a, milder: er dann - ohne pythagoreische Anleihm - doch dzdurch, dd er . um ein halbes synmnisches Komma hinauistimmt, so dail sich die Quinte d-a mit der Quinte a-e in die st6rende, irridefend: Diiferenz teilt. Ein cis wiederum, das als grofie Tea 4 l 5 ins Kimbergm ntrxlitiziertem a resultierr, wire an sich (mit El Cents als der Mine zwischen den
N Cents der reinen und dea 90 Cents der pylhagoreischcn Sdmmung) durchaus hnuchbar. Und Kimbergers Eatscheidurtr (Gr ein pythagoreisches cis (oder des) 158: sich hum andm als durch tin: Denkform erkliren, fiir die sowohl das Quint- als auch das Quint-Nz-System .von Nan" gegeben" in, so dd, wenn
man in der einen Slimmung auf Schwierigkeiven srisih, ein Riickgriff auf Teilmo-
menm der anderen .ourologisch" eher gerechtferrigt erscheim als cine bloil pngmatisch begrindete Modifikation, die man dann alluding: am Ende doch nicht resdos vermeiden kann. Kimberger riihmte an seiner Temperatur, .dag sie keine andere Tarzan hat, als entweder ganz mine, oder doch solche, die nus reinen Quinta: und Quarters nothwendig entstehen" ", ohne sich bewufkzurrmchen, dait die WidesspriUhe, die ans der Mischung der Sysume "suhieren - ,emwc» der" dem einen .oder" dem anderen angehéren -, nicht dadurch aufhéren, Risse im Gmbe TU sein, daB man beide Stimmungen fiir gleich .aatiirlich" hilt.
Von Johann Georg Neidhardt (Stain avranis harmonics', 1724) Wurde die Dike-
renzierung der Stimmungen, die man ohne chmeibung als musiktheoreu'sche Obsession des 16. bis W. Jahrhunderts bezeichnen kann, in Extreme gerrieben, die ans Absurd: penun, wail die Minel in einer grotesk schiden Marion zum chck suhen. Die Abweiclumgru Von der gleiclsschwebenden Temperatur, die Ncidhardx mit einem imponimnden mathematischen Aufwand koastruiert, erweisen sich bei gmaucrem Hinsehen als so geringNgig- mutchmal ditferierx in
einer ganun Skala kein Ton um mehr als 2 Cent -, dag die Bemiihung, das eine
oder andere Intervzll - mu die Quart: c-f, har die Ncidhud: cine gewisse Vorhuh. 7.?m M "in” Qrinmumu m "halt”. ol. an uh nunlmn mu. _ - walrcamn h. Anstrengung uscheim Gegendie gleichschwebende "id'i;iia'c7-" oder die An-
nGerungen an sie, diem der Praxis durchaus gerigrn- warm die Einspniche, die immer wieder erhoben wurden, vergeblich und folgenlos.
pa J. Ph. Kimbergcr. Die Kwrst desreirrert Satxesin derMusik. Tell 1, Berlin 1774. s. 13.] [u Ebeada.l
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C" - T s""-,
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u. Vermch einer Theorie des Emanuel:
Die Verfcchur der reinen Sdrnmung beriefcn sich im w. and im fnihen 20. Jahrhusuierx - esttsprechend der dontiaieteaden Tendenz der Epoche mutt Empirismus - wenigcr auf die ontologische Natur der Sacha als auf die psychologische des Menschen. Arthur von Omingen posmliene: "Wie schon Haupmunn erkannte, muit ein Tenmamial reiner Svimmung der Theorie zuyunde gelegt
werden: Die musikalische Praxis bedient sich der 12 stufigen temperierten Stisse mung, mit der wir trefflich auskommen, wail unser 0hr alles an einer reinen Sdmmung Ikhlende erginzt; das hat schon d’Alemben erkannt. Die Technik gewinm dadurch uaendlich vial. Beim Gesange aber, ohne Begleivuug, kann nut rein inmnien werden; auch streichiasuumente, Orchmer und Quartets spiden
rein." " Dali man unwillkiirlich dazu neigt, sich bei der Intonation von Inter vallea nach dem Orientierungsyunkt des hiichstenVerschmelzungsgmdcs zu richtea, ist urhestreitbar. Doch branch: ersmu das psychologisch Nichstliegrnde
nicht das musikalisch Adiiquare zu sein; und dail es Mahe bereim, als Geiger
terstperiert EU spielen, ist heirs Einwand gegen die Norwendigheit, a MI versuchen. Nicht die Praxis der Interpreters, in der Von Omingen ein empirisches Fundament der Musiktheorie gefundm au habeu glauble, sondem der Sinn des
komponierren stellt die Imre Insunz dar. Zweitens ist die Behaupmng, dd tempericm Tonabsande prinzipiell zu rein gesdmmun Inurvallcn "zusechrgeh6rt" wiirden, musikalisch irrefthrend: Der Sinn einer enharmonischen Verwechselung
besrehr, wie erwihm, gerade darin, bei iestgaalrener Tonhishe die Tonbedeumng auszutauschen. Drinens vemrickt sich von Omingen unvcrmeidlich in die
Problematik der (in C-Dur) um ein synmnisches Eomma zu kleinen Quirste d-a.
film die Hacmotiefolge C‘-F-d"-G schreibt er: .Dcr Wohlklaug mutt beim dritten Akkorde zuriicktreten gegen den tonalen Zusammetthastg" _ Die Quinte un-
ter a soll der iiber g angeglicl-an werden. Dem Einwand, die vom tonalen Zusarm menhang gefordene Quinte sei mam, hilt von Oetdngen den Sau angegen:
Jie ist aber nicht falsch, sondern richtig, und deshalb nennen wir sie Nebcn-
quint."" Die Prigung eines Terminus ist jedoch keine Lisung des Problems.
Und wmn man em eimml konzedierr, dag der Verschmelzungsgrad eines Inter, valls dutch dessen Bedeutung im tonalen Zusammenhang - der die ldamilir des d met a mit dem d iiber g fordett- Jiberharmt" werden kann, daft also - eutgegen
von Omingens urspriingJicher methodologischer Maxine - das Fundierungsverhiltnis zwischen psychologisch .Rnlem' und musikalisch Uutemionalem"
keineswegs eindeutig ist, so erscheint der nichsm Schrin: die Einsicht, dd das Tonsvstern in den konkreten Akkordbeziehuneen bessriiadet ist und nicht los-
gala} Von ihnen tin abstraktes Schaueadasein £35m, im. noch verrneidbar. Zu
behaupten, dag die TU kleine Quinte d-a in miner Stimrnung die einzig "ichtige"
" A. von Omingen, Das Gale Harrmmieirsrem, Leipzig 1913, s. WI. " Ebenda, s. m. " mm, s. m.
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1. Tonxymm und $timmung
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sei, oder gerade umgekchrt EU postulieren, dag brim Ubergang vorn Gmndton der Subdominantparallcle zur Quinte der Dominant: die Intonation modifiziert
werden miisse, ermeist sich angesichts des Sachuerhalts, dag musikalisch-intentional emans d-a cine Quinte wie andere und zweiuns das d unrer a mit dem d aber g identisch in, als mMige Spekulation. Musiktheorie ist ReiUxion iiber Kompoaienes, nicht Konstruktion eines zweiten Systems von Tonbeziehungea neben dem, das in musikalischen Werken enthaiten isr.
Der einzige Versuch, kompositionstechnisch plausibel zu machen, dail die Jrerminderung" der Quinn d-a in C-Dar musikalisch real und nicht nur cine akustische Uastimtnigkeit sei, wurde von Simon Sechter untemommcn, der zwar
einr'a'umte, dag wegen des Tonartwechsels die gleichschwebcnde Temperatur unvermeidlich sei, andererseits abet fordem, dag innerhalb einer Tonan im Sinne des "igendichen" Tonsystems, wie es die reine Stimmung repr'isentierr, kompanim wade. .Auf den 'rzsteninstrumenten, wo sogleich fiir alle Tonanen zuQleich zestimmt nnd demmch ternoerirr wild. fill: all dieser Unmrschied hinwez.
welches aber keinesweges hinders, die Regeln der Ikyrrschreitung nach dem richtigen Verhilmis einzurichten, wie in diesem Werke gezeigt wird." u
Die Demonstration des Dissonanzcharakters der II. Stuf: in Dur, die Sechter venucht, wire in ihrer flagranten Unlogik kaum erw'ihnenswerx, wenn sie nicht
zeigen wiirde, wie lief die Vorstellung eines natiirlichen Tonsysmns verwurzelt war, so dail man, um sie EU rmen, bei Argumenten zuflucht nahrn, deren Schein-
hahigkeit man in anderen Zusammmhingen sofon durchschaut him: (Imrnerhin war Sechm die Notwendigkeir bewuih, zwischen dem Torsystem, von
dessen Natiirlichkeit er iiberzeugt war, und der kompositorischen Realm: - den Resell: der Satztechttik - zu vermitteln.) ,Nun muss aber noch vom Dreiklaag der 2"" Susie gesprochen werden, Von welchun man die Quint ebenfalls vorbereitet (weil sie aus nuthemadschen Griinden als Quint nicht die vollkommene Reinheit
hat). Wenn der Dreikiang der 4"" oder jener der 6'"' Susie vorangehr, so findet sich die Quint der g'"' Smfe vorbereitet (
) Nach dem Dreiklang der 2"" Susie
folgt sodann der Scpuccord oder der Dreiklang der 5"" Sade, damir die Quint der 2"" Stufe zur AuMsung um cine sme herab gehen k6nae, oder es folgt der Septaccord der rm Stufe, wo die Quint der 2'"l Stufe zur Sept wird, welche sich
sodann aufl6sen rrruit,"" Dag nicht a (als Ten aber f), sondem d (als Quinta
aber g) der uasrimmige Ton ist; dag der ll. Stufe auacr der IV. und der VI, auch
die I vorausgehen kann; dais der Quinte ' die Fortschreitung nach oben slack: E_tt, .1» ,LJ',A 1.,“ Jun Ian: unmncm; um slcn u): .nunusung ucr gums: a m m: vuave 6 van :uur
gew6hnlichen Quint-Okuv-Progrcssion ohne Ndh5sungscharakter durch nichts
unterscheidet - die Vielzahl der Einwinde, die sich unwillkiirlich aufdringen,
l" s. Sechrer, Die Grssmisiitze der trmsikalischer, Kcrmpositiorr, Leipzig 1853-54, arm Abheilang, ZweiterTheil, s. 69.] _ Ebemia, Erste Abtheilung, ErsterTheil, s. 22.]
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II. Venuch einer Theorie des Elemeutaren
mufke der sonst geradezu pedantisch sorgfiltige Sechter unterdriicUn, wail er sich an ein Theorem klammerte, das nicht EU halten war. So unleugbar aber Sechters Begriindungsversuch scheiterte, so notwcndig war as zur Erhcllung der Problemadk, dag er - im Hinblick auf die Einheit Von Tonsystem und satztcchnischer Realitir - iherhaupt unxemommen Wurde.
In dem Smir iiber Details musikalischer Stimmungen und Temperaturen sing, wie es scheint, das Bewuihsein einer fundunmulen Verinderung, der die Vonullung vom Tonsystem unterworfea war, nahezu verloren. Die .Ausrreibung" der
Solmisadon durch Johann Manheson " und die Primisse, dali cine Note oder tin Tonbuchstabe cine bestimmte oder nut in geringem Mas: variable - als Frequenz meBbare r Tonhiihe bezeichne, fiihrten zusammen und in Wechselwirkung mil. einander zur Zuriickdringung des ausschiialich ans Relationen besuhenden Tonsysrems durch ein .absolur' gedachtes. Driickte im Mittelalter und der iris-
hen Neuzeit ein Toabuchstabe oder cine Note einerseits keine fixierre, sondem cine entsprechend den Umslinden wihlbare Tonhiihe ans, so wurde andererseits das mm Tottbuchstaben oder der Note Gemeinte em als Hexachordstufe zu einem in seiner masikalischen Bedwmng geniigend determinurten Ton. Ohne ag die - auiUrordentlich verwickglten - Reladonen zwischen Diatonik und Chromatik, Hexachordsyscem und Modus im einulnen er6rtert werden miWea, kann man gcnerell "gen, dall sich im 51mm Tonsystem die Tonbedeurung aus
anderen Teilmomeaten in anderen Beziehungm "seinander zusammensetzne. Die Vertauschung eines h mit einem b vergrulerte insafem, als das b ein fa war, zugleich den Charakrer des a zu einem mi, hob iedoch dea f-Modus, den die Melodie reprisesttierte, nicht auf; Die Variant: war, anders ais seit dem 18.Jahe hunden, hexachordal und nicht modal deiinierr. Von Chromatik kann darum strenggmomrnen nicht die Rede sein, denn h und b galun als gleichberechtigce Auspfigungrn dersclben Sade (die gewissermagen einen Inbegriff von Miiglich~ keiten damellr, bei dem die Fixierung der Tonhiihe a priori ebensowenig fesmeht wie die Bestimmuag der Tonbedeurung). Dagegen ist im modernen Tonsysnem die cine Variant, je nach der Tonm, eine chromatische Alteration der anderen.
Das Tonsystem des Mittelalters und der friihen Neuzeit bildexe ein Geftige Ius auieinander bezogenan Bestimmungsmerkmalm ohne festen Punks, wihrend seit dem 18. Jahrhunden das musikalische Denkea sich an dem Unterschied zwischen Grundform und Variants, "igentlichem" und ,,abweichendem" Sinn orientiem
P' VgL J. Mutrheson, Das bewbiitzte Orlmm, Hamburg 1717, s. J19-376 (.von der Guidanischen solmisatioaN
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3. Fragmenu der Melodielehre
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3. Fragment: der Melbdielibre Die Melodielehre ist cine pandme Disziplin, deren Vonrschichte bis in die Amike und ins Miuelalter zurrsckreicht, VOII der aber im 18. und 19.Jahrhundere
immer wider behauplet wurde, am as sie nicht gebe oder auch nicht geben kame, da sie, mu man sie zu konstruierea versudne, cine Mitre vom nicht
Lehrbarcn sein wiirde. "Diese Knnn, cine gute Melodie EU madam", schrieb
Johann Mmheson 1739 im Vallleommenen Capellmeister, Jegreifft das vauntlichsu in der Music. Es ist dammhero Mchstens MI verwundern, dd ein soldier Haupt-Purscr, an welchern dock das px5fieste gelegen in. bis diese Smnde fast von iedem Uhrer hinrangesemet wird. " man hat so gar wenig darauf gedacht, dafi and: die vornehmsten Meister, und unter demelben die weitraufigstea und nm-
mn, gestehrn miissen: es try fast Immb'glich, gewisse Regehr damn " geberr, unter dem Vorwandc, mil das main: auf den guru: Gmhmack ankime; da doch
auch von diesem selbst die griiadlichsten Begeln gegeben werden k6nnen und miissen." " Manhemn uilr die Meinung, dd es schwierig oder sogar unméglich sei, Regeln der melodischen Technik TU geben; aber er in, im Unterschied TU den
Skzplikern, die er ziden. dzvon Csbmraeue, dail sich der .guxe Geschmack", obwohl immer ein irrationaler Rest blah. in Begriffe fassen Elk Die Theorie der Melodik, die er enrwarf, ist darum weniger cine Handwerkslehre als cine Asthedk. Ein Jahrhundert spitcr polemisieree Adolf Bernhard Marx gegen eine ,alu Musiklehre', von der er bel1auptete, dag sie Jrn Sud: mit unserer Zeit" liege,
und zu den Mingeln, die er ihr vorwarf, geh6rre das Nhlen einer Melodielehre: Von den musiktheormischen Disziplinen des 18.Jaltrhunderts iiberdauerten im BewuBrsein von Marx, obwohl er keineswegs unbelesen war, otfeabar einzig die Harmonielehre und der Eontrapunkt. .Nun solhe man wenigmns hotfen, die
Uhre von der Melodie zu Gden, da Melodie die einfachere Subsunz ist und der Harmonie vor~ und vorangehr, die hir sich allein kein Kunsrwerk bilden kann, wie es die Melodie (z. B. im Namrgesang) bekanrstlich verng. Aber - die Lehre von der Melodie fehh i'sberallf " Der Anspruch van Marx, in der Melodielehre das Fundamestt erkannt zu haben, von dem der Kbmpositiimsunterricht gmgan werden misse, ist abet chemo bnichig wie die Meinung, dad die Melodielehre cine elemeatare und vorzussetzungslose Disziplin sei. (Der Jqivturgesastg", auf den sich Marx beruh, ist eben, gleichtuqrig, was man dammer vemehz, gende "h,
Klinwrll. ' pin; Mplmh'p um akin Ar, lulrlnuc $Umh,veih.r, in TFm-n
Tu sein, immer tin System Von Tonbeziehungen - cine ,Harmonik' im ilteren Wominn - und eine Rhythmik voraussem oder einscuiat, ist cine Trivialitit,
die Marx offenbar vergaK, weil sie allzu salbstverstindlich ist.
" J. Manhasun, Der smllkmnmene Capeilmeisrer, s. us. " n A. B. Marx, Die all! Musiklebre im Suzi: ma unsnrr Zeit, Leipzig IMI, s, 16.
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li. Wrsuch einer Theorie des Elemenuren
Der ilrere, weitgespannte Melodiebegritf, der aus der Aatike stamnu und - wenn auch nicht unverinden - durch Jahrrausende iiberlieiesx wurde, impliziene drei Momente: Harmonia, Rhylhmos and Logos. um es mit Platons Women TU
sagen ". Harmonia ist, grab vereinfacht, das Zusammenstimmen der Tan: in der Verschiedcnheit ihrer H6he und Tide, Rhydunos die musikalischmrchescische
Bewegung und Zeitdederung und Logos die Sprache, der Text. Die einzeirum
Bestimmungen sind in spimen Epochcn umgedeutet wordea, abet das Grundmuster der Deiinidon blieb, wcnn auch in den Oberformungen mancbmal kaum noch kcnnrlich, erhalten, Dd man in der europiischen Neuzeit unter Hamtonie
den mehrstinuniger1 Sau mund, fiihne bei Seth Calvisius um 1600 dazu, dalS er die Komposirioaslehre - deren Subsunz der Kontrapunkt bildete - als
',Melopiiie"" bezeichneee, wail sie sich auf ein klangh'ch-rhythmisches Gebilde bezog, desseo Ausgangspunkt die Darsrelhsng von Sprache war. Dem Begriff drs Rhythmus ist das orchesdsche Moment verloreagegangen; man kann alluding: auch sagen, dd es in ',huratstufentakt" " und in der Korrcspondcnzmelodik des 17. bis 19. Jahrhunderts, deren em: Ausprigung Heinrich Besseler in Gastoldis Balletti enuieckre, transformierr iiberdauerr. Der Logos scblieglich schein: als
Bestimmungsmcrkmal der Melodie durch die Emancipation der Instrumental-
musik - durch die These E. T. A. Hoifrnanns und Eduard Hanslicks, dail die ,,reine, absolute Tonkunst''" die "eiger1tliche" Musik sei - aufgehoben zu sein;
abet " ist vielleicht keine Oberrreibung, in Haaslicks 1iyrmulieruag, dag das
Kompoaiereo ein ,,Arbeiten des Grimes in geisfihigern Manda?” sei, ein Weiterwirken des Lagosbegrufs, iibertragrn aus der Sprache in die absolute InstrumentaUusik, TV erkennen, Der Meiodiebegriff, der durch Jahrtausende tradien wurde, war cine zusam-
mmgesuznc Kategorie, und cine Melodielehre nudke, um nicht subsunzlos zu bleiben, harmonische und rhydmische Implikacionen enthalten. Die Trennung der Disziplinen, die sich im 18.Jahrhundert durchsetzre, War dannn hir die Melodielehre ruiniis. Zu einer Vermiuhmg zwischen Harmonielehre, Rhythrnik oder Metrik und Syntastheorie, einer Vermitthmg, nus der sich cine Melodielehre entwickeln lid}, gab es kaum Amine. Die didaktisch begriindete Isolierung der Fisher voneinander verhindem die Enrstehung einer Lehre, deren Begriindung ohne ein Mindestmafl Von dialektischem Denken, das Fichergrenzen nicht
respekriertr, kaum mégljch war.
[w Plzron. Sm, til,398.) P' s. Calvisius, MEAOI'IOIIA sive melodiae wndmda: ratio, Erfun 1592.] P' H.Besseler, Das musikalitche Ham. der Neuzeit, in: Berichre aber d. Verhandl. d. sad“. Akademie d. Wissensch. EU Leipzig. Philol.-hist. muse, Bd. IM, Heft 6, Berlin 1959.]
_ E, Hanslick. Wm 3osikalisch-Schiirrerr, Leipzig 1354, s. 20.] T Ebenda,S.35.]
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3. Fragrnente der Melodiekhre
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Der Kontrapunktlehre, die in der Musiktheosie des 18. und 19. Jahrlumderts due .zweiu Kultur" neben der dominieremien Harmonielehre "pr'a'seatierte, wurde im 19. Jahrhunderr, bei Heinrich Bellermann (Der Contmtrrsnkt, 1862)
chemo wie bei Michal Haller (Abrnpositiomslbhrefiirpobphorre" Kshhengesarsg, 1891 ), cine Mdodielehre vorausgeschickt, die aber, wail sie fast ausschlialich ans
Verboten ma und m der ingsdichm Bermihung diktierr war, zur musikzlischen Gegenwm Distauz zu halten, seluam abstrakt gerien Um nus der Negalion herauszukommem sah Bellermann kninen anderen Nssweg, als Odo, den er noch far den Abt von Cluny hick, so dag er mit besoaderer Auwritir ausgestattet enchicn, weitliuiig zu zidcren". Die modeme Chromatik ist Bellermann, der
zwischen historischem Denim und normativen Anspriachen schwankr, suspekx; er leugnet Ewar nicht, dail im 18.Jahrlumdem bei Handel und Gnun, durch
Chromarik bedeutende Wirkungen erzUlt wurden, spricht abet von der Almantionsharmonik und der darin Wm Melodik seiner Gegmwan als van einer .schlechun, enunmn, ziigellosen modemen Musik" ". Es scheim demnach, als sei die Melodielehre im 19. Jahrhundcn in die ungliickiichr Alternative genm, einerseits in der Tradition des Kontrapunkts " einer bloiUn Liste verbouner Inurvalle EU verusmnusrn und andererseits in der Oberlieferung der Harmonielehre und der Rhyhnustheorie als JJberbau" EU erscheinen, der sich iiber den Bereich des Lehrbaren erhebt, also zwar cine Asthetik, abet keine Handwerkslehre zuliBl. Die Prigung des Melodiebegriffs, der den Melodielehren des 18. und 19.Jahr-
hundens zugnlnde lag, ist dadurch bestimmt Worden, dail sie in die Zeit der
EmpEndsamkeit fiel, die von einer Melodie emanate, dag sie einerseits .rishread" und andererseits einfach sei. Der Ausdruck der Empfindungen soul: sich
in den Grenzer, des Oberschaubaren, also der regrlmiitigen, .quadratischen' Period: llalun. Musikalische Expressivitil, seit ihrem Ursprung in der Second: prauica des iriihen 17. Jahrhundens mit derVorstellung des Irreguliren, Nomen Durchbrechenden wrbunden, wurde in ein Schema, ein Gehiuse gezwungen; und das eigentlich pandm Prinzip tins ausdrucksvollen GUichmafies bestimmte fist zwei Jahrhunderre lang den Melodiebegritf der Popular'isthetik, Der Ubergang Von der Emphndsasnkeit zur romaatiscben utspitatious'a'sthe
ik, die in einer Melodie nichts Gemachtes, sondern ein Produkt der Eingebung sah, war ein Kleiner Schritl. Die Irsspirathmsisthetik aber, an der im 19. Jahdlum den niernand zweifelre, bedeum: den Ruin der Melodielehre, sofem sie, um
iiberhauot eine Lehre TV sein, zczwunzcn war, die isthetische Refhsxion in technische ljnmerweisung umzuseEZn.
Dali die 1nspiratimtsistherik eine Verengung der Begriffe bedcutete, ist im Rickblick offenkundig, wrde aber im 19.Jahrhunderr, wie es scheint, nicht
_ H. Be1lerrnana, Der emu»; Berlin 4/1901. S. m f.] P' mm. S.106)
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ll. Venuch einer Theorie des Elementaren
gesehen. Esstens mult tin melodischer Gedanke, der emu taugt, keineswegs als Einfall gegeben sein, sondem kann auch, ohne dai) ihm die Spuren der Hervor, bringung anzumerken wiren, das Resuitat yon Arbeit und Reflexion sein. Und
umgekehn leuchtet es ssicht ein, dail Inspiration, was immer sie sein mag, auf melodische Gedanken beschrinkr sein mull; Von inspirierxer Hmonik oder
Form EU sprechen wire, so angew6luslich es in, durcluus nicht absurd.
Tweireas umfaiit, nach dem iibereinstimmenden Zeuynis von komponisten,
die sons: wenig oder nicks gemeinsam haben, ein Einlel im allgrmeinen nur
einige Tiine (deren korrigierbarkeit von Schumann geleugner und van Beethoven pnklizien wurde). Der melodische Gedanke, das nicht Uhrbare, ist also noch nicht die gauze Melodie, sondem ein biofier Anna, der enrwickelt und aus-
gespaunen warden mug. Und die Technik, nus einem rudimcnciren Anfang ein
melodisches Gebilde hervorgehen BU Iassea, das sich iiber cine lange Reihe Von Takun erstreckt, kann Gegensrand einer Lehre sein, die den Dogmen der Inspirations'isrhetik nicht einrnal Tu widersprech
braucht. Nur meinzelt aber, bei
Antone Mch: ulld spimr bet 1 hcodor Uhl1g “N, wurde die 'l'heone def mom"-
schen Arbeir - oder wie Arnold Schiinberg "gen wirde, der oatwickelndest
Variation - als Subsunz einer Melodielehre crkmnt, die sich nicht dmui beschr'snkt, due Kombinadon Von Periodologie und Inspiratioasistherik zu sein. In der Regal wurde allerdings die motivische Arbeit in der Fonnenlehre err5rrerT, also nicht im Hinblick auf die Subsunz, die sie ausbreiter, sondem auf die Funktionen, die sie erfiillt, einer Analyse umcrwgcn.
Der MelodiebegriR des 18.Jahrhunderts, der in der PopuUssthetik mit einer Tahigkeit iiberdauerte, als wire er ein Slick Natur der Musik, l'ith sich als Ver-
quickung Von Teilmomeaten mnindlich machzn, die, zunithst beiJeaa-Jacques Rousseau und Jean-Philippe Rameau, in einem uniherbriickbaren Gegensatz
zueinander TV steben scbienen. Rousseau glaubre den Ursprung der Melodie in den Interjektionen des Affekts, im .Ah und Oh des Gemiits", wie Hegel es BUS-
dmkum, zu erkmnen. Rameau dagegen war ibemugt, die harmonische Ton» beziehungen die Subsunz einer Melodie bilden miissen, die sich nichtin haldcses Schweifea verlieren soll, Die Melodie, drksetierte er, werde ans der Harmonie
gebonn I'". Fiir Johann Nicolaus Forkel abet bedeutet es nicht die geringm
Schwierigkeit. die Melodie eiaerseits als EmpGdungssprache " besdnunen und ihr andererseits die Hannonik als onusikalische Lrgik" zu substruieren “1. Und MNt A. let PY de mélodie, abstraction f 1 de m 'Y??"' wul'lumonie, Paris
Muy; m. unug, Ln: IWMW. m: Musupscae acnnnen. mg, von L. Hanmstein, Regensburg m4. s. 123-173,] P" G, w. E Hegel, Ph/inomenoUgie des Geistes, hrsg. m J. Hoffmeister, Hamburg nss, s. ton] F" Ramon, Tmité, s. 138; nquc u Melodie provient de l'Hartnonio; vgl. Inch H, Goldsclunidt, Die Musikauthetik des 18Oltrhunderts, 1915. s. '5-lu.l [m Siehe dazu men s. 90m]
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a. Fragment: der Melodielehre
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man kann nicht sagen. dall der l'wkelsche Ekiekrizismus, der dem Nreeienstreit der Rousseau- und der Rameau-Anhinger mit der Naivilit des gesunden Menschenverstandes begegnete, cine inhedsdze KJitumng sei; er driickte lediglich nus, was der Fall in.
Die Redukdon und Verarmung des Melodiebepiffs - die Einschrinkung auf Gebilde, in denen sich ein charakteristischer Einfall in di .Quadnmr" des Periodenbaus und in das Schema der Kadenzhannonik hip - 15131 sich mit klzssizi»
sdschm Kategorien insofem rechtfertigen, als man sagen bun, dail das Individuclle, Uawiederhoiimre an der Norm einen Mckhalt finder und umgekehn die Typik durch das Moment Von Neuheir, das sie anfnimmt, 'isthetisch legitimierr mhcinn Und die klassizistische Begrfmdung with: im 19. jaluhundcn so zwingend, dag man die verborgene Paudaxie eines Melodiebegriifs, in dem Expressivim und Schematik miteinander mquick: warm, iiberUupt nicht wahmahm.
East im 20. Jahrlumdert is: die péh'ldeolle Simpliziat, in der man die Idea der Melodie erfailt zu haben glaubxe, als die Verengun nkanm warden, die sie im Grunde immer schon war. um] die Einsicht, dais die Melodie1ehre dutch 'a'sthe
dsche Vorurteile in ihrer Entwicklung gehemmt Worden war, Mute dazu, dag
manche Theoretikcr, vor allem August Hahn (Von zwei Kulturen derhhssik, 19:3) und Ems: Iurrth (GrwrdUgen dc: h'mm Kontmpwhts, m7), dazu mm, von der "Melodie", wie sie im 18. and 190ahrhunderT munden wurde, die .Melodik'
als umfassendere Kategorie " umerscheiden. Eine Sdmme in einer Messe von
Ockeghem oder in einer Fuge Von Bach wire demnzch zwar tin Snick Melodik, aber, so individuell geprigt sie in, keine Melodie.
Der Preis der rerminologischen Klirung ist jedoch einerseis cine sprachliche
Verzerrung und andererseits eine sachliche EinbuBe. Der Ausdruck Melodie be-
uichnet an Gebilde, der Terminus Melodik dagegen. wenn man die Etymologie
heraushiirr, eine theorerische Disziplin; und dail es, and: bei Harmonik und Rhyah-
mik, umgaugssprachlich iiblich sworden in, das Won hir die Uhre Von der Sadie
mit dem fin die Sub: selbst MI mhseln, sonic kein Grund sein, auch cine wissenschahliche Terminologie mit sprachliehen Mifhildungen zu bestreimn. Sachlich bedeum die Nachl5ssigkeit, mit der man den vermglen und verhir-
mm Melodiebegriff des W. Jahrhunderrs gelten lat, Sun wenigsrens BU ver-
suchen, ihn innerhalb des wissenschaHichen Yrachgebrauchs aufiubrechen, insofern airmen Verlusr, als cm eine umfasser1dere, historisch auspeifestde Definition der Kaugorie des Melodischen und der Melodie den Wag EV einer Melodielehre bahnen wiirde, die nicht in mdimemiren Ansitun steckenbleibt. Neben der .Quadurur' und ihren Varianun, die gewissermalkn das musikalische Vers-
prinzip reprssentieren, miiihe die .musikalische Prosa", wie Arnold Sch6nberg sie nanmem, angcmessene Beriicksichtigung Gdem und neben der harmoniP" A. Sch6nberg :rliuzm den Begriif in seinzm Aututz: Brahms, da Atrrsrbrirtlkhe, in: Stil and Gedankg. s. 35-71.]
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u. Vemwh einer Theorie des Ekmemaren
schen Tonzlitir, die mm Ir. bis zum 190ahrhundert den Tonbedeurungcn der Melodie zugrund: lag, existinen in einer Anzahl, die dmmu'len hum Csberschaubar ist, melodische Tonalixiun und Modaliaten, die als Systeme Von Ton-
hmktionen das Geist von Melodiebildungen darstellen. Von der Melodielehxe kann man ohne Ubemeibung Sagan, dail sie, als 5mm: Disziplin der traditionellen Musikdleorie, in duct Zukunft, die schon begonnen hat, die michsu sein werde. Aus den versmten Venuchen, cine Melodielehre au schreiben, in niemals eine Tradition heworgegangen, in der das cine Buch das andere vonusmzz, sei as
im Einvzmindnis oder im Widerspruch. Noch 1940 mcinte Paul Hindernith in der Urrterweiswrg im Tarrsata, er sei der arm, der sich in cinen unbekannten, bis,
her nicht betretencn Bereich vorwage IO'. Man fiihlte sich als Pionier, wo lediglich cine Oberliefrrung, die Jahrmusetsde xuriickreicltte, vuschollzn war. Der Mange] an Kominuilit mag um so erstaunlicher wirken, wenn man an die Entwickluug der kbatrapunkt- und der Hanna . lehre denh. die durch Jahr
mundane ungebrocnen war um 1m bcmcn der Lamux mcm cmmal aura: me Neue Musik auger Gelmng gum: wurde. Die Grundziige der Disziplinen, wie
sie m Fux und Rameau enlworfen wurden, blieben ohne prinzipielle Veran-
derungrn erhaltcn; und cs wire dumhaus méglich, cine Geschichte der Konmpunkt- und der Harmonielehre ante: dem Gesichtspusht der Fur- und der RameauTraditiim " schreiben, sofern man zugesteht, dag lebemiige Eontinuit'it auch Negarionen. wie Riemann: Kritik an Rameau 105 oder Knnhs Polmik gegen Fux "s, einschiiat. Far die Melodielehre ist dzgegm die Beziehungslosigkzit der sporadischers Ansim charakreristisch; es km nicht einmal zu Kon-sen.
Zu fragen wire allerdings, ob nicht die Kondnuitil in der Korstrapunkt- und der Harmonielehre im Gnmde sdrsamer ist als die Diskoutimsit'it in der Melodielehre. Der ,,gebundene" Kirchmdl fristete im 18. und 19.Jahrbundert, inch in den katholisclten Landau, lediglich cine periphere Existenz: und der sirens: Sm
mud: Von kirnfiigen Opemkosnponisten, die ihr eigeutliches Meticr in lebendiger Erfahrung imThaur lcmun, in dem Bewufhsein studien, dag sie sich cine
rote Sprache ancigncun, die sie wahrscheinlich niemals sprechen wirdan. Anaerdem war in der Fax-Tradition das Gefiihl hir lnlervallprogrmionen - daiiir also, dd die Verbindung imperkkm mad perfekter Konsonanun ein dynamisches
Moment enchil: - wcitgehend geschwuaden, so dag der kontmpunkt, wie bei Albrechrsbergcr, einzig dzdurch harmouisch substantial] wurde, dal! man ihn,
P" RHindemidt, mm»; in Trmsatz, Bd.1, Main: 2/1940, 5.209: Ju in esstaunlich, dail der Unwrriclu im Toma bis hem: him Melodielehre mmr] P" H.Riemmn, Guam)" 4a Mnsihtbetsrie in IX, bis XIXJahrbwtderr, Berlin 2/1911, 5,495.) [m E.ksadr, Gnunlllgen dexliamrn Aimtmpwshts, Berlin 3/1917, s. 128-t33 In. pg» sism)
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s. Fragmente an Melodieiehse
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emgegm seinem Wench, all Fragment wnaler Akkordginge behandehe. Im Grande verdankm er die Zihigkcit, mil der er im Kompositionsunterricht Csberdaugrte, der Tarsache, dail der Palestrinasat, in einem Mafie kodifizierbar in wie
kein andem Stil. Der didaku'sche anck, in einem geschiossenen System den Urngang mit Tonbezielmngen TV lernen, in nirgmds sons! mit gleicher Sicherheit
erreichbar. Besteht demsuch beim kontrapunkt die L5ckenlosigkeit der Oberliefervng,
pcimien gesagt. in der Beharrlichkeit eines Petrdaku, so ist die ungebrochene Kontinuitit in der Enrwicklung der Harmonielehre seit Runeau, cine Kominuiril,
van der die Diskontinuiat der Melodielehre selrsam absricht, zum Teil dadurch
erkauft, an; die Harmanielehre die Ermarusngen, die ein unbdangener Betracie ur in sie seat, entduscht. Das Versprechen, das in ihrem Namen liegt, wird Von ihr, wie Arnold Schénberg I911 erkannte W, in der Regel nicht eingel6st; denn sie lehn nicht die Edinduag van Akurdzusammerh'irtgeu, sondern beschrinkt sich
in ihrer Alhappraxis auf Stimsnfirhrtmgsiibungen, bei denen die Ahurdpsogressionen, sen es in der Form von bezifterren Bissen Oder von Metodiem deren har-
monische Substans unverkcnnbar in, immer schon vorausgesetzt sind. Die Har-
monie, die den Gegenmnd der Harmorsielehre darsrellt, in Inch der Definition Von dAlernbert die Sukzession der Akkorde '"; dail demnach die Harmonielehre cine Harmmtiebilduugslehre, cine Theorie der Akkordfortschreitungen, sein miiihe, ist iedoch im 18. und 19.Jahrhuadert, wie cs scheint, enmeder nicht ge-
when oder verleugnex warden, wail man die didaktischen Konsequenzcn scheute, die dmus crwachsen wiren. Wiirde man nirnlich versuchen, eine Harmonielehre im eigentlichen Sinnc, also eine Lehre van der Bildung sinnvoller und der Vermei-
dung widersinniger Akkordfulgen EU enrwerfen, so wiirde sich rasch zeigen, dag die Schwierigkcircn, in die man gerim, nicht geringer vim: als die Probleme, die sich einer Melodielellre in den Weg stellen. Von einer Melodielehre em man immer schon, dd sie cine Melodiebildungskhre sei. Die Harmonielehxe aber vudankt ihre kontinuiat, dunk die sie Von der Melodielehre votteillsah absticht, der Tauulle, dd sie einen Anspruch, an dem die Mdodielehre scheiterte,
gar nicht em MI erfiillen versuchre. Harmonie- und Melodielehre werden mit ung)eichern Mail gemeuen; an dem Tradidonsmangel, den man der Melodielehre zum Vorwurf mach, mirde auch die Harmonielehre knnkm, wenn sie nicht der Nrderung, cine Harmoniebilthmgslehre EU sein, nus dem Wage gegangen wire.
P" A. Sch6nberg, Harrmmiekhre, Leipzig u. Wien 19ti, s. g-14rDie Method: der Harm4 r"'' J. le Rand d'Alemben. Elimens dtmuriqut, Puis 1752. s. 1: Ah, mrelie accord le mans: de plusieurs sons qui " font enundu a la fois; a lhasmanie en propremem 1me suite d'mnrds, qui m " Imam I1arterstNrgane.. Fr. w. Marpurg, Srstensatisrhe Einleitwrg, Laiplig 1757, ibmml: .Wenn einige Tam zumnmen "sgrschugea werden, so name! man solches einen Accord, und eine mu m Amrden die in ihrer Rrlgr das Ohr mam, hens: eine Hannonie' (S. 1, $2).l
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II. Wrsach einer Theorie des Elemmmm
Eine Melodielehre, die Teil des Kbmpositionsunrerrichrs sein mach", miBre
allerdings, um nicht diirhig abnrah zu genren, den Anspruch, umfassend EU
sein, preisgeben. An geaerellen, ab" Epochengmnun hinausreichendra Regeln
sind die Melodielehren des IE. und 19.Jahrhunderts " arm, dail man begnifl, warum sie nicht die Form sehstandigrr Abhandlungrn aunahmen, sondern sich
darauf beschr'irskters, in den Einleituagen zu Kontrapurtkdn5chem oder TV Komposidouslehrett, die ans Konmpunkt- und Harmonielehmn zusammengesttickt
warm, tin karges, unaueilliges Dasein Tu frisun: Mir dem Sm, daft ein Sprung durch Tonschritte in 'ntge8rniFsetzter Richmng ausgeglichm warden sell, und
der Norm, dd ein H6hepunkt am wirksamsen in, wenn er auf den Begiun des lcuten Drimls einer Melodie fillr, ist der and desseu, was nach Abstraktion
von den Epochenstilen als Regelkodex einer Melodielehre iibrigbleibt, fast schon enchépft.
Eine Melodielehre, die nicht an Substauzarmut kranken soil, ist demstach :inzig Is Dogmadk fees nchich,tlic!'tStils- oderals Sammlung vo Pre-
um - smnvou mogucn: us vmucn, nu urunazuge man, was mr cue Melodie» bildung einer Epoch: charaktesistisch ist, TU kodifizierenund zu systematisieren.
Das Won Dogmatik mag befremden; gemeint ist jedoch, ohne pejorative Firhung, nichu anderes als die Bemiihung, das System TU enrdecken oder zu rakonmuieren, das den Merkmalen und Regeln eines Eriheststils der Mclodik zugruude liegt. (Dogmatik, in Disziplinen wie der Theologie und der Jurisprudenz cine selbstserst'indlickkeit, deren Ugitimit'it niemand leugnez, ist auch in der Geschichtswisseaschah nur dann suspekr, wenn sich ein historisch begun" Rode: TV triigesischer Universalitit aulspreizr.)
Eine Mehrdielehre, die als Dogmadk eines Zeirstils mmorfen wurde, mull allerdings, wmn sie nichl ein bloges Genist blziben soil, dutch detailliette Analysen, die sich m das iadividuelle, Unwiederholbare zines melodischen Gebildes heranzurasten versuchen, erginzt nod gesechtferrigr warden. Dd die Uhre, sun
in Regeln zu bestehen, in eine Interpretation van Einzelfillen aetht, an denen nicht Normen, sondern M9'chkeiten studim warden, ist nirgmds so unumgingliclu wie in der Theorie der Mclodik. Dal! cine Melodielehre, um nich: abstrakt EU bleibem cine Theorie des Rhydr mus und cine Harmonielehre - im Sim: cine: Theorie der Ton- oder der Akkordbeziehungrn - vom-ssem oder einschliat, wurde eingangs, im Gegesssatz EU der Auffassung van Adolf Bernhard Marx, bereits crwihm und bedeum, daii die Melodielehre ihrerseits Grundlage eines kontrapunkts sein kénme, der, im Unterschied zum suengen Sara, rhythmisch und harmonise]: nicht schematisch und neutral, sondem durch einen bestimrnten Stil geprigt isr. Das System der musik-
theoretischen Disziplinen ist weniger cine einfache Hierarchies, in der die einzdnen
Ncher, die zu ihrem Schaden in 1solirrung voneinander gelelm warden, einen
festen Plat: einnehmen, als ein kosugliziertes Gefiige von Wechselwirkungcn, in
dem die Teile an verschiedenen Stellen in das Gauze eiugreifen. Der Korstrapunkt
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4. Grenzen der Schrifuichkeir
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mn die theoretische Harmonielehre, als System der Tonbeziehungea, immer schon vonus, ist aber seinerseiu, als Inbegriff Von Stimmfiihrungsregeln, die Primisse der praktischen Harmonielehre; Sinn/rung-ln wicderum sind ein Teil der Melodielehre, die andererseits rhythmische und harmonische Moment:
umfzih und die man, wie erwihnt, in ihrer entwickeiteren Form als Grundlage eines Kontrapunkts auffassen kann, der sich durch diiferenzierte Mclodien iiber den Bereich bloger stimrnfiihmmg, in dem primiir technische und nicht inhe-
dsche Normen herrschen, erhelm
Die Wcrkanalyse, die in neueren Darsrehsngen nicht selm als Ziel der Musiktheorie erscheint, und das musiktheoredsche System - tin System, das nicht sun, sondem, wie sich zeigte, dialektisch in sick bewegx ist und aus der Wechselwir, kung der Teildisziplinen resultien - lassen sich als zwei Seiten derseiben Sacha auffassen. Eine Analyse, die nicht der bloeen Demonstration eines Sti'scks Theorie diam, sondem dem Gebilde, dis ihren Gegenstand darstellt, in seinem
Werkcharakter gerecht warden soll, scat immer, explizi oder unausgesprochm, em theoretisches Fundamem voraus, in dem die Teildisziplinen miteinander
"rflochten sind. Von eiaer melodischen Prriode kann man nicht sprechen, ohne metrische, symzktische, harmonische und motivische Moment: gleichzeitig TU
benicksichtigen; am Hugo Riemann glaubte, im System dkr ,nasihaliscben Rhythmik m1 Metrik (1903) Von den harmonischen Implikatiorusn der Period:
absehen zu k6nnen "", war eine gewaltsame Absuaktion, die sich dadurch riichte,
dag Behaupmngen, die durehaus banish" gewesen wiren, uttbegriinder in der Luft hingenblieben.
4, Grertzerr der Schriftlichheit Hugo Riemann, der seine Zeitgeaossert nicht pelten vor den Kopf slid}, provozienc cine besoaders heftige Entriistung, die saga: seiner akademischen Karriere schadcu. durch sogenannte Phrasierungsausgaben. deren Ziel as war, die ,Sinngliederung" einer Melodie dutch Zeichcn auszudriicken, Matt sie dem bloiUn Gehihlsverstgndais von Inurpreun EU iiberlassen, denen Riemann nicht ohne
Grund mietraute, Der Vorwurf, Riemann verlme die Integrit'it klzssischer
Tune, in allerdings insofem erstaunlich, als es send: im spam. 19. Jahrhunden - die mt: Phrasierungsausgabe erschien 1883 m - zur alltiglichen Editionspraxis gehéne, Vorzragsbezeichnungea _ und als solche wurden Riemann: thierungsb6gen van ihren Gegnern versundcn - EU erginzen, ohm die Differenz
zwikUn" Originalten undjusichtung kenmlich zuinachen.
[m H. Riemann, System der 'rwsikalisrben lemma. and Manila, Leipzig 1903, s. 200: .Nicht Halbschli'use oder Ganzschlitsse entscheiden aber die Lssammengehirrigkeit Turn Sm. sondem der themadsche Gehah, der motivische Asduur) [m w. A. Mom, Klaviersonaten, Bd. 1, Berlin: Simrock mu]
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H. Versuch einer Theorie des Elesnenrasen
Von einem Migwrstandnis zu sprechen, dun sich Riemann ausgesem sah, liegt mhe, geniigt jedoch nicht, um die Irritation EU erkliren, die er hervorrief. Hill
man fest an der einfzchen Unlerscheidung zwischen Phrasierung und AnikuRadon - dam also, M: die .intemiomle", vorgmdlm Gliederung einer Melodie in Motive und die Peale", akustisch sinnftilige Verbindung oder Trennung der Tan: durch Ugatob6gen oder Pausen nicht iibereinzustimmen brauchen -, so
kann von Eingriffen in den authentischen Text aicht die Rede sein. Denn die Phrasierungsbiigrn, Balkmbrechungen und Gliedervngsstsiche, mit denen Riemann operierr, sind nicht als Tezrbestandreile, sondcm als Kommentar gemeint:
Sie beziehen sich auf die .Bedeumng' der Musik, nicht auf dam .Wortlaut''.
"Die Phrasienmgsausgaben sowohl wie die Uhrbiicher der Phrasierung",
schrcibt Riemann im Vademecum der Phnssieramg, Jaben deshalb nur dmselben
Zweck wie die Kommenure sch-stand/r Diclstungem die Wage " um; mu, wie man zwirchen den Zeilen lien, wie man vorn primidven Ablesen dessert,
was da steht, zIIm wirklichen Verstindnis des Sinnes v0 sissgt." '" Der Begriit des Kommentars tst alluding; bei musihaiischen Walnen ebenso-
wenig eindeurig wie der des Texms. Dali die Schrih nicht den Jirsn" der musikalischen Sprache, sondem ledigWh dam .Wonlaur" fixiert (der im Uaterschied zurn Jmnmaterial", der unmwm Schick, die Von Auffiihnmg TU Auffihnmg
wechselt, immer derselbe bleibt), ist offenkundig und auch nicht iiberraschend, wail cs sich in der Worzsprache, aus der Riemann: Mmphorik sumrm, ebenso mhilt (jedenfalls bei den europ"iischen Sprachen als dem Auschauungsmodell einer Theorie der europiischen Musik). Andererseirs ist iedoch das nichr Noriem,
das Riemann durch morivisch gliedemde, metrische und hannonisch-funku'onzle zusatzzeichen zu erfassen versuchte, nicht undifferenziert und gleichrsigig unter den Begriff der musikalischen Bedeumng subsumierbar. Venn Riemann Von Jinngliederung" spricht, hilt er sich die Maglichkdt offal, primir entweder den einen oder aber den anderen Teil des zusammengeselzten Wants zu meinen. Die
Abgrenzung von Morivcn durch Phrasienmgsbisgen markien zwzr die Glic-
derung, besagt jedoch, wie cs scheinr. wenig iiber den Sinn tines musikzlischen Gedankens, Umgekehn driickt die Chime einer harmonischen Funklion ausscbrseglich die Bedeuruug eines Akkords im mualen Komen - und das balk: seine unmitulbue oder indisekte Relation zur Tonik: - ans. Und Mie den Take srrichen untergeschriebenen Rangzahlen der Take in Nriodenaufbau" sind wie.. dennn Gliederungszeichen, und zwar insofern, als sie bangen, dag ein menisch Zweites prinzipiell Ziel und Resultat eines Ersten in. dag also (3) und (4) und
nicht (2fund (5) zusammer1grh6ren “2.
Die motivisch ghedernden, menischen und harmonisch-funktiorsalen Zusatzzeichen scheinen also verschiedene und haunt unur denselben Begriff subsuruier-
pu H. Riemann, Vademam der PW“, Lcipzig mm. s. 15.] [m Ebenda, s. 4L]
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4. Gmnzen der Schrihlichheir
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bare Arten Von ,Bedeumng" auszudriicken. Sie lassm sich allerdings, mtgegcn dem mun Eindmck, mg miteinander "rkniipfen, wenn man die spezifische isthedsche Konupu'on "koastruierr, die hinm Riemanns Musiktheorie steht. Riemann: Theorem: iiber Motive, Taktgruppen und Harmonicn sind simdich in
der Vomllung begn'mdu, dag Musik - als Zeitkunst oder als mm; in der Zeit prinzipiell von einem Emu zu einem Zweiten hinftshre und foaschreitet und
nicht umgekelm, wie Moritz Hauptmann meintr, ein Zweites an ein Ema:
anhingt. ,,Wer den klatfenden Abgrund zwischen den beiden rinander gegeniiberstehenden Leseweisen einmal wirklich voll bepiffert hat, wind sich vol] Abscheu Von einem Prinzip abwenden, das die Musik TV einem forxgesetzten Absterben machr, und zunichst unumwunden marksman, dd nicht ,Leichr‘ so vid in wie ,nachfolgend‘. sondern vielmehr ,Schwer' so viel wie ,antwor-
tend'." “3
Was Riemann unter .Sinn" mehr, in demnach primir - “nu auch nicht
ausschlialich - ein dynamisches Momen die Progression vom Auhakt zur
t_3,,, vum 'mcnun zum scuwcrm ,,-.-um, Von,4, v,,,, nnuung, ucr unssonmz zur Musunanz and von der Dominant: oder Subdominante zur Tonilu. (Die Miihe, die aufgewender werden muike, um plausibel TV machen, dait nicht die Tonika zur Subdominanu streb: - wie die Dominant: zur Tonika _ sondern umgekghn die Subdominante zur Tamika, war alluding; nicht gering.) Eine Phrasierung, die
cmgegen der Artikulation (eth im Widerspruch EU den kguobégen) den Auftakt und die Endung eines Motivs miteinander verkiammert, ist insofem eine .Sinngliederung', als sie die immanent: Dynamik der Musik, in der deren .Be. deutung" enthalmn ist, kmndich macht. (Dd! Riemann ma m, kurz vor seinem Tode, in Ems: Kurds einen .Mitstreiter" fiir die ,Lehr: von den Tonvorstellungen" gefunden 2n haben glaubu, ist also keineswegs absurd: In der Theorie der inneren Dynamik war Kunhs .Energetik“, wie Rudolf Schifke'” sie nannu, in
den Grundziigen vorgrzeichnec) Die tingangs skizaierte Auffassuag aim chambogens als Texrbestandreil und eines davon abweichmden Phrasieruagsbogeas als Kommentar 1uh sich dannach varstindlich machen, mu man den .Sinn' der Musik, den der Kommentar cruim - im Unterschied zurn .Wonlauz", den die Notation ausdriickt -, .enuge-
tisch" interpresiert Liegt dagegen die Bedeumng musikalischer Werke in ihrer Expressivilit - in den Geftshlen, die sie darstellen oder vmnineln -, so ist
Riemann: Theorie von Grund auf gefihrdes, denn die Ausdrucksmomente einer Melodie hafun vor allem an der realm, manifesten Artikulation und wmigcr an der intentionalen, lawman Pluasierung. Die GeftNs'isthetik, EU der sich Riemann
[m Ebenda, s. m.) [m w. H. Riemann, Die Pbmsierwrg im Lid»: einer Lelm M Jan rommrstebngert, in: Zwa 1, 1918,S.26-3N (us R. Schifh, Geschichte der MusiUsdtetik in Ubrissen, Berlin 1934, s. 3976.]
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IL Versuch einer Thoorie des Elementaren
bekanme, in allerdings kaum mehr als die Hall: eines Formalismus im Sinne Eduard Hanslicks, dessen Paradoxien 1900 im Begriff wen, ans Wahrheitms, die man beim Namen nannle, zu Trivi rim: zu warden, die man stillschweigrnd voraussuzu, Der inner: Korma zwischen den isthetischen Primissen, Von dcnen ein
Musiktheoredker ausgeht, den wissenschafdichen oder pidagogischen Zieleu,
die er verfolgt, und der Auffmung der Notation, Von der er sick leiten lat, tritt deudicb Tutage, wean man die divergierettden Meinungcn, die iiber Sinn und
Funklion der musikalischen Schrih in Umlauf sind, in Hue: theoretischen Subsunz " erkmnen versuchL Das traditional]: Noteubild, das saga: den Um-
sturzbemiihuagen der 1960er Jahre fast unangefochmn srandhielt, suggerim cine
Unterscheiduag zwischen .eigentlicher" Schrift - den Noten - und blogen Znsatzzeichen: eine Hierarchie, deren geschichrlicher Ursprung oifenkundig, derm 'isthetische Nstheatizist iedoch zweifelhaf! in Dali die Dynamik und die Klangfarbe spizer , die Tonhohe und ft Daueriin die Komposition- den noticnen .... - u...5..... mu-..” vu.(,. -mwn.§., u... u S"'"'"") m. u. .ur
nichst zur .res facu' verfestigten Toneigenschahen prinzipigll and fiir alle Zeiten als .zentral" und die iibrigen, nachu-iglich aus der Interpretation in die Komposition eingewandcmn Parameter als .peripher" zu betrachren Jacques Handschin '"), also bei der Analyse musikzlischer Werke von dem unreflektiermn Vorurmil auszugehen, dag Tonh6he und Diner die Subsunz der Musik bilden,
wihrend Dynamik and Klangfarbe eine blog untersnitzeude and verdeurlichende Funkrion erfiillen. Die Voraussetzustg, dag das chronologisch Erste nomadig auch das logisch Primire sei und bleiben Infuse, ist .Ursprungsdenken' in dem Von Theodor W. Adamo "T mil unermiidlicher polemischer Geduld amckiemn
same, Und cs war, um mit Ludwig Wittgenstein zu sprechen. die .Verhexung" m
des tuusilralischen Denkens durch das geschiclulich begriindete Notenbild, die im 19. und noch im friihea 20. Jahrhundert den Musiktheoreuhern den Blick auf
die Tatsache verslellu, dafi durchaus and: charm! Dynamik und Klangfarbe die primirtn, Tonh6he und Dauer dagegm die sekundirm Moment: sein kénnen.
Der FUnktionszusammenhang, der bei Berlioz oder Wagner - und sogar schon
bei Beethoven - zwischen den Tonsuzmerkmalen besteht, lalh sich jedenfalls "sfgrund der einfachen, undialektischen Dichmomie zwischen zemnlen oder kon-
stitutiven und peripheren oder verdeurlichenden Eigeuschahen nicht zulinglich
beschreiben. Fii Riemann war die Hierarchie der To oigenschahen eine whine Sclbstvu-
srtnuuClurett, und Abwuchungen Oder Umkehrungcn wrden, warm 5): mh
P" J. Handschin, DerToncUrakter, Ziirich 1948, s, Jam] P" W. Th. w, Adam, hsrhetische Theorie, hrsg. von G. Moran u. R. mam. Frankfurt a. M. 1970, s. 480-090‘]
P" L. Wittgenstein, Philosophische Uatersuchungen, Fm; M. 1971, s 109.]
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4. Grenun der Khrihlichkeit
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nichr leugnen liaess, EV Phinomenen grringeren Ranges degradiert; Dis isdntische Umil - oder Voruneil - diente dazu, die Theorie gegen die Gefzhr einer
Widedegung durch Erfahrungstarsachen abzuschirmen. Der em: Band der
Gh9err Kampositiamsielrm (1902) beginm mit den Fundamenralsatzerc Jrsnferlei
in zunichsr an allem zu beobachten, das auf den Namen Musik Anspruch hat,
nimlith Melodie, Hammie, Rbytbrmss, Taht und Tempo; mehr nur cine erginzende Rolle, die aber sehr oh cine grolk Bedeutung erlangt, spielen auiVrdem die Unterschiede der Tomlirke (Dynamik) und der Kurtgfarbe (Instrumentation) (. . " Die ginzlichc Ausscheidung eines der genmmen Elmeme ist undenkbar; es giebx keine Melodie ohne harmonischen Sinn oder ohne Takmrdnung, ohne
Rhythmus und Tempo, und wean B. B. ein Tromrnelrhythmus (dem aber Take und Tempo eigen sein ma, mm er iiberhaupt noch als Musik in Betracht km.
men soil) der Melodie und Harmonie embehn, so ist dies doch ohne allen Zweifel eine negative Eigeaschah desselben, welclle ihm auf dem Gebiete der Musik einen madman Rang zuweisc"" Die historisch fundiene Rangordnung der Tor1sarzmerkmaU, die sich in der
Notation ausdriickr, geria alluding: mit der isdmischm oder psychologischm
Rnlilil insofern in KoMikt, als cine an der Gefiihis'istUdk orientierre Interpre-
tationspraxis und eine mm Primat der Interpretation ausgebende Weak (der sogar Eduard Haaslick 1854 ein gewisses Daseinsrecht einriumte) gentle urngekehrt die ',peripheress" Parameter in den Vardergrund nickten. Der Widesspruch, den die Musiktheorie des 19.Jahrhuaderts ungel6st lids -
sofem sie ihn iiberhaupt erkannte -, min in dem Gegensatz zwischen der These,
dalldie musikalische Schrih cine historischlegitimierteuad isdmisch gildge, fiir die komposiwrische Praxis pundlegende and fax die Rezepdon verbindliche
Hierarchie der Toneigenschafun und Tonsatzmerkmale ausdriicke, und der Andthese, daft das musikalisch Wesendiche gerade nicht in den Noun stehe, schroff
und uswesmitteh zumge. Mit anderen Wonm: Die impiizire Theorie der Komposition und die der Interpretation klaffen in ein und dersclben Epoche otfen auseinander. Dali die musikalische Analyse vom Notentm und der Von ihm suggerierren
Rangordnung ausging und immer noch ausgebr, ist nicht erstaunlich, wenngleich es 2.. paniell iragwiirdigen Resuluren fiilux. Unter Jubstanzwrwandtschaif venteht man unwillkiirlich - ohne die Notwendigkeit einer Rechtfertigung EU empfinden - nichrs anderes als diastemztische Beziehungen, die gegeniiber den
rhythmischen als die .noch zentraleren" Kellen. obwohl der Rhythmus psycho-
logisch zweifellos das auffilligere Moment in und ein Modv in der Regen mu m Rhyrhmus bei eingeebneter Diasternarik, aber nicht an der Diastematik bei eingubnmm Rhythmus erkannt werden kann. Den esoterischen Analysemednoden, die den Sinn und den inneren Zusammen["' H, Riemann, GhAKorrrpasiriortslebre, ad, I, Berlin V, Snmgan 1902, s, 7.)
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ll. Vmuch einer Theoric des Elerneataren
hah von Musik in Motivbeziehungen ode: saga: in einem submotivischem vom
Rhylhmus absuahierenden dUstematischen wank suchen, stein demnach
cine Npularastheu'k gegessrsber, " dam Maximal a gehisn, dag emtns die Subsunz tins musikzlischen Werkes in seiner Expressivitit bestehe, zweitens die Noteuschrifl das Wesenrliche gerade nicht ausdnicke und drincns die eigendiche Daseinsform Von Musik die individualle, primir van der 1ttterprmatiort geprigu Auifihsung sei. Die Musiktheorie orienden sich jedoch - und die Tatsache, dd es sich so
vuhill, grhiirr MI ihren historischen Bestimmungsmerkmalen - mxgegen der Popuura-sthetik und unbeim dutch deren Druck am Prirnat der Komposition, an
den Implikationen der Norenschrih - mm der Rangordnung der Panama und an der Her, daft musikzlische Rum oder Strukrur Gain sci und Geist sich in der Musik primir als Form oder Smlktur tnanifestiere. Das Bekennmis mancher Musilaheotetiker zur Gefthis, oder 1nhalts'istherik ist grgeniiber clan, was sie durch ihre thcornisch: Arbeit und dieIt: ihr obizktivinu Psi',""''',!,' dokumen-
ueren una mrxen, aurcnaus sexunuar una mun munyos: um Mum Schumann seine Analyse der Sympbam'e fantastigsre von Hector Berlioz"" in einer isthetischen Anmerkung als bioik mammische Sektion vtrdichtigu und
dadurch gewissermdlea hall, zuriscknahm, ist angesichrs der Tauuhe, dag er sie iiberhaupt schrieb und in einer Zeitschrift, nicht in einer Kompositionslehre, publiziene, Von geringer Bedeurung.
[m R, Schumann, Gesarnmelte Sdm'ftcn fiber Mesik mdelen. hug, Von M. Kreisig, Ed. l, Uiprig 5/1914, s. 69-90; zuem in: mm 3, ms. s. M-M, 37L. 41-44, q5-48, 49-51.l
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IIL .UNTERWEISUNG IM TONSA'IZ' ALS .THEOIUE": DIE SPALTUNG DER HARMONIELEHRE l, Wege tier Ramems-Rezepriors
Dail Von Jean-Philippe Rameau 1722 die Harmoniekhre begriinder wulde, die dam: zwei Jahrhundene lang die zentrale Disziplin der Musiktheorie bildete, ist ein Topos der Musikgcsddchtsschraibung, an dem man nicht zwcifeln kann, ohne in Verdadn TU geratem einer blogen Lust am Pandux zn fr6nen, die sich als wissenschahliche Skepsis maskim. Und angesichts der schwierigheit, dail keineswcgs feststeht, welche Bedingunger1 iiberhaupt erftrllt sein "sassert, damit Von einer Hannonielehre die Rode sein kann, lassen sich Zweifel in der Tat nicht zwise
gend rechtfertigen; alluding: ist ans danselben Grund auch tin: Widedegung der Skzpsis nicht ratios maglich.
Dd die Theoric der Ahkordumkehrvng - die These, dag der Sextakkord e-g-c' und der Quartsextakkord g-c'-e' Varianwn des Grundakkords c-e-g seien, dessen liefswr Ton das .ccmre harmonique" der Akkorde bildet - fir sich alldn nicht
geniigt, um cine Humouielehre 2.. fundieren, in offenkumlig und braucht nicht
umstindlinh demonstriert zu werden. Enscheidend in nicht dis Urnkzhrungsprinzip als solches, soadem die Bepiindung, die es dadurch erhih, dat) es in churn System der Sauwchnik cine Funklion erfiilh. Dd der Gedanke der Zuriickhihrbarkeit van Umkehrungrn auf cine Grundform im friihen 17.]allrhun-
den Von Johann Lippius und Henricus Baryphornss antizipiert wurde'", um
dam: ein Jahrhunders lang winder in Vergessenheit zu gamma, bedcum keines-
wags, dug Lippius cine Vorahnung der Harmonielehre aufgegmgen sei, sondem
dait der Urnkehrungsbegriff smhl innerhalb als auch augerhalb der Harmonie
lehre cine Rolle spielen kann. Bei Lippius und Baryphonus, die sick am LassoStil, nicht am Generaibagsatz orientierten, ist nichvs anderes gemeint, als dd der
Sexukkmd klznglich labiler wirkt als der Grundakkord und datum nicht schluBfihig in, Aus der Theorie des Generalbagsatzes muBle dann der Begriff der
Akkordumkehrung ausgeschlossen warden, veil der male, pzidbare Basso ound-
nuo, nicht eine abstrakte Basse fondamemale, als Triger des musikalischen Fort-
gangs galt. (In dem Baggang C-bf-g-C ist der Ton e Smbhangig davon, ob der
Geaeraibafupieler e-g-c' oder e-g-h anschligt - in einem anderen als dem spite-
ren Wonsinn .Fundamennon'.) Rameau dagegen rekonsuvierre durch Zuriick-
[m J. Lippias, Spmpsis 'mssiaw mu, Edinx1613,fol. 6v.; H. Baryphomss, Heike, mm, Magdeburg 1630, s, 1635.]
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m. Die Spalnmg der Harmatu'elehre
fiihrung der Urnkehnmger1 auf ihre Grundformen ans dem konkntcn, materiellen Basso continua eine abstrakre, ideelle Basse fondamemale, wail n cine Maglichknit sah, die Basse fundamental: die wesendiche Funkliun des Basso wminuo im Generalbdsatz ediillen zu lassem die Funktion, einen stringenten musikalischen Korma und Fortgang Tu verbiirgen, Nicht in der Reduktion als solcher, sondem in ihrer Rechtfenigung besuht der eigendiche theoretische Gedanke. Ohne die
ergiinzende Behauptung, dd die aneinandergereihten Akkordgrundréne einen Sinnzusammenhang bilden, wire die Redukdon der Urnkehrungen aul Gnmdformen ein funktionsioses, gewissermaikn in der Iatit hingends Theorem gewesen.
Harmonisiert man die Bagformel c-H-A-G als c-H‘-A“.G (Ex. 2), so kann Es. 2
teeEEeEaEEaE man den musikalischen Konnex entwcder dem Bailgang selbst, der hir sich genommen sinnvoll erscheint und dessen Rrrmelhahigheit zur Subrtanz der SauSlruktur gehiirt, oder aber der Tatsache zuschreiben, dail die Akkorde, deren Essenz die Grundt6ne C-G-D-G bilden, den tmulen Funlrtionszusammenhang subdominante-Tonika-Dominame-Tonika auspr'a'gen. Im emen Fall ist die Kadeazwirkang der abschliaenden Zusarnmenklinge darin begnindex, dag die
impedekte Knnsonanz (A-hs') der perfekren (G-g') als ihrem Ziel und ihrer Vollendung zustrebt; im zweiten blt A-c'-fis' als Fragment des Dominantsept-
akkords d-Es-a-c (mit verschwiegenem Fundamem d), der den G-Dur-Alskord als Tonik: herbeiflihrt, bestiu'gt oder konstituiert. Der Umkehrungsbegriff ist demnach nicht hir sich, sondem cm in Korrelarion zur Basse foadarnesale als dem Triger eines Sinnzuszmmenhangs Brstandteil einer Harmonielehre, die ihren Namen dadurch verdimt, dag sie zugleich und in eins Akkordstruktuten und Akkordverbiuduagen erklin. Die Behaupmng, daf am Anfmg der zilienm Harmonieformel cine Subdominante suhe, wire aller-
dings Von Rameau nicht ohne weheres getcilr warden. Und die SchwUrigheiten,
in die sich Rameau angesichrs der Snbdominante verstrickte, deren Funklion er alum, aber nicht begriREch zu erfassen vermochre, sind der Gmnd, warum man zweifeln kann, ob es sich bei der Theorie der Basso fondarneatale iiberhaupt urn
eine Harmonielehre im angeren Wominn handelt.
Eine Subdoatinante ist nach Rameau ein Drciklang mit einer Sen: (f-a-c-d),
cine Dominance ein Dreiklang mit einer Sepdme (g-h-d-f) als Dissonanzmaum, (Unter einer Subdomiaante versund Rameau zumichst, im Traité de ['" Rameau, Gérténstivr, harmoniqu, Paris 1737, m. Kap., s. 171.]
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L Wege der Rameau-Rezeprion
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l'harmonie von 1722, den Akkord f-a-cud' mit d' als .5112 aioutée"'", die sich als unvorbereitete Durchgangsdissonanz in die Tera des Tonikadreiklangs c-g-cue'
aufl6st.) Die Dissouanzen sind im Hinblick auf die tonalen Funktionen der Akkorde essential], nicht akzidentell: Die einfache. dissonanzlose Dreiklangsfalse C-F-G-C (Ex.3) war fiir Rameau, der sich durchaus 1mmigversandlich
ausdriickte, so dall man dem Stein des Anstolles nicht ausweichen kann, keine C-Dur-kadenz, sondem eine Reihung van vier Tcraikadreikliingea, die vier Tonarwn repr'isentierea, ch Priim1sse, dais :me Uon-nnanrc ode: eme Subdommanr: em mssomerender
Akkord sein miisse, um nicht mit einer Tonik: verwechsek zu warden, erscheint
historisch betrachret als spite Ausprigung eines Prinzips. dessen Ursprung ins
Miuelalter zun'ickreicht: des Prinzips des Wechsels der Klangqualititen. ol, man nimlich eine Quinte in eine Okmve und cine Quarse in eiaen Einklang (12. Jahrhunden), eine groik Sen: in eine Okuve und cine kleine Terz in Linen Einklang (14. Jahrhuaderr) oder cine Sepdrne in eine Sexte und einen Gannon in eine Ten aufl6st (18. Jahrhunden), inden an dem Grundgedanken, dd es die oatiirliche"
Tcndenz des unvollkommeneren Zusammenklzngs zum vollkornmeneren sei, die den Eindruck dues zwingenden musikalischen Forrgangs bewirke, wenig oder nichts. Bei der Erklirung dessert, was er umer einer Dominant: und einer Subdominance versund, war Rameau Traditionalist.
Zu dem Prinzip des 1%Jahrhunderrs, die dissonanzlose Dreiklangsfolge C-F-G-C als in sich geschlossenen, cine Tomn konstituierenden Akkordzusanw
menhang aufzufassen - einem Prinzip, dessen scheinbare selbstverstaudlichkeit nicht den Blick fiir die darin eathaltene Problemadk verstellen sollte -, bildet Rameaus Primissa, dag harmonischer konnex einzig durch einen Wechsel der Klangqualititen enurehcn kann, einen Gegeusatz, der zwar eine Koexistenz in der komposiwrischen Praxis nicht ausscblieh, aber dazu zwingt, sich in der Theorie zwischen der einen und der anderen Voraussetzung als Gmndlag: einer Harmonielehre EU entscheiden. Und sofem die Orientierung am Kadenzmodcll
die trageade Primisse einer Harmonielehre im Sinne des 19. und 20. Jahrhundens damellt, kann Rameaus Them der Basse fundamental: nur pameu oder eingeschrinkr als Hamsoaielehre geltem An der Einsichz, dag amen: die Kadenz I-IV-V-l auf einem doppelun Quint[us Rameaa, Trairgde Pharmorrie, Paris 1722, l, Buch, 7. Rap” s. 55,]
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111. Die Spalmug der Harmonielehre
schrin beruht (I-IV und V-I) und daB zweitens die Subdominanw sich dadurch kor1stituierr, dag man die L Stufe, die zunichst als relative Dominant: zur IV. erscheint, am Ende der Kadenz - durch Idesuifikatioa mit dem Anfang - als Tonika erkeant, auf die sich IV als Subdominante bezieht (Moritz Haupt-
mm), wurde Rameau nicht durch msf'illige Befangenhriren, sondem dutch Prinzipien gehinden, die zur Substanz seiner Theorie geh6rtest und deren Sysxemcharakter begnindeten: einen Systemcharzkter, der im 18. und im friihen
19.Jahrhuadert als Zeichen von Wissenschaftlichkeit salt. Sofem der Durdrei-
klang, wie Rameau glaubte, aus der Naturtonreihe -und das hieik aus der .,Natur des Tons" - hervorgeht w, besteht das Zentrale Problem einer zum geschlossearn
System tendierendea Harmonielehre darin, aus derselben Jlaturtatsache" auger der Strukulr des grundlegenden Akkords auch das wesentliche Merkmal der
Ionalen Hannonik als iormbildendes Prinzip: den stringentea Zusammenhang zwischen Akkorden, TU arkliren. Und Rameau 165t das Problem dutch die These, dag die Besrandteile des Narurakkords, die Quinte und die Ten, zugleich die
Konsuruuvcn Amervme oer nass: xonaamcnme sum, me 1nterea11e also, one EWIschen den Akkordgrundri'men vermiueln: Akkordstrvkruren und Akkordverbin-
dungen sind in tin and demselbem ,von Natur gegebenen" Ursprung begriindet,
Die Ausschliegung - oder Zuri'tckdr'ingung - von Sekundschritlen des Fund:tneatalbasses zwingt nun alluding: Rameau dam, in der Kadenz I-lV-V-I, die fiir ihn Swenggenommcn gar keine Kadenz in, den chrgang Von der IV. zurV. Stufe durch die Hilfshyporhese zu erkliren, dail dem Akkord f-a-c ein laxenres Fundament d zu substruieren sei, so daft sich man: der scheinbare Ganztonschritt (f-g) als Quirstschritr (d-g) erweist und zwciuns der Akkord f-a-c den Dissonanz. zusaxz erhilt, der eine Auffassung als Tonika ,erhinderx"s. Und daniber hinaus mal? die I. Stufe zu Beginn des Kadenzmodells als Fragment von V17 interpreriert werden, wcnn nicht das Problem des Sekundschrirts, das an der einen Sull: gel6st wurde (f-g), an cine: anderen (c-d) wiederkehren soll. Sun die Kadenz als tonales Grundmusrer Tu erkennea, liist Rameau sie auf.
Dd Rameza einen Ganztoaschritt der Basse fondamenule (IV-V) - dessert Midichkeit er im Tmite' dc Pharanorriel" einen Augenblick lang erwog, in der Ginération hamnnique iodoch preisgab - eberuoseenig anerkennen konme wie
eine dissonanzlose Dominant: oder Subdominame, war also in dem Gedanken einer Strukturanalogie zwischen akkordbildenden Inlervallm (Quint: and Ten) und Fundamentschrinen sowie in der von weirher iiberlieferten Vorsteiiung begn'index, dag musikalischer Fongang durch cine Tendenz vom Unvollkoaunene-
P" [m (m [m
M. Haaptmann, Die Nam der Hmnile und dir Mmik, s. 2075.] Siehe Am. 15.} Rum... Trait! de Pharmonie, 2. Butch, 9. Kap., s. FL) Ebenda, 2. Buck, l, Kap.; Du m fondamental de 1'Harmonie, e: de " progression,
s. 49-51.]
L Veg: der RamearrRmeption
"
ten zum Vollkommeneren enmehe, dail also Akkorde gleichen Anfbaus (IV und
V als dissonanzlose Dreiklinge) gewissermalien bewegungslos - als Rzpriscnunten von zwei Tonznen - nebeneinanderstehen. (Zwar deutete Rameau 1722 im Tmite' de i'brrrruynie 1" ftiichtig die MiiMchkeit einer dissonanzlosen Dominant: und Subdominame an, hielt aber noch 1737 in der Ginémtion bamam'que an der Fbrderung charaktcristischer Dissonaazea entschieden farm.) Andererseits scheim es iedoch, als sei der fimktionale Subdominanrbegriff,
dessen abschliefieade Rrrmulierung yon Moritz Hauptmann und Hugo Riemann summt, gleichsam als Ahnung Von Rzmeau antizipierx Worden, obwohl die Bemiihung, ihn deudich EU erfassen - und das hdlk: in den Konuxl der Thcorie eiazufiigen A, EU nichts als Widerspriichen fiihrte (die allerdings, wie fast immer bei Rameau, miadesteas so aufschlubeich sind wie die eindeudgen Theoreme).
Der Versuch einer von DissonanzauMsuagen tendenziell unabb5ngiirn Be-
m'andum A... Thr,.,,;,,- “N1 An ("M.‘mhnm. a.., Iamnau IT9K ;... "uh... a
Kapitel des Nauveau systimse dc musiqu: théoriqtse IM' umemahm. erweitme zwar den Subdominambegriff, orientiene sich jedoch nicht, wie man erwanzn k6nate, am Kadenzmodell der musikzlischen Praxis, sondem an einem mathernadschen Theorem, das Wissenschafuichkeit verbiirgen sollte. In der geonetrischea Progression l :3 z 9 glaubre Rameau die Ursache des inneren Zusammmhangs
zwischen der Subdominame, der Tcnika und der Dominance emdeckt TV haben. Die Tonika in an ihrer minleren Stelluug (3) als Bezugszcntrum erkennbar (ohne
dail erklirt warde, wannn nicht die Zahl l als JJrspruag" den Primar erhilr), Und dail es hir die Tonika ebenso o1atiirlich" in, zur Dominant: forzzuschreitem wie es umgekehrt aaheliegt, dag die Dominant: zur Tonika als dem "point d'attraction" der Ton- und zahlenstrukrur zuriickkehrt, lar nach dem Analogieprinzip auch die Beziehung zwischen Subdontinutte und Toruha plausibelerscheinen: Der Quintschritt des Fundaments ist in beiden Richmngen in der .Namr der Sache" besriiadet. Anderersehs boron: Rameau, dag Subdomissmte und Dominane niemzls nebeneinanderstehen, wail sie in der geometrischen Progression
nicht unmittelbar, sondem nur vermittelt durch die Tonika aufeinander bmgen sind. Die scheinbar naheliegende Kansequenz, dag gerade die Mittelbarkeit der inneren Bcziehung bei unmittelbarer 'iulUrer Aufeinanderfolge der Akkorde die Kadeazwirkuag der Smfen IV-V-I hervorbringe, wurde Von Rameau, der nichls weniger als ein Dialektiker war, nicht gczogen, zumal er - trot: der erwihmen
xnwanxungen - me nnuprecnung zwlschcn Ammsrruktur una AKliorayer-
P" Ebends, y, Such, 18. Kay: De u mini!" de préparerles Dissoaastces,S.229-23rl P" Runuu, cam barrmnriqare, 9. Kay: rigine de la Dissonance Harmonique',
a de son double Emploi, s. 107-11N
P" Mm, Nomau systhne de mun'que théoriose, Paris 1726, 2. Kay; Attribuu des
Consonances, s. 20-23.l
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go
m. Die Spalmng der Harmanielehre
bindung - also den Ausschluit Von Sekundschritten der Bass: foudamentale ebensosveaig preisgeben mocha wie den Gedanken einer Motivierung des
musikalischcn Fortgangs durch unvollkommenc Intervalle, die danach smben, in
volllwmmcneren aufzugehen. Die Quintrelation, durch die eine Subdominante mit einer Tonika verbundm Est, war fiir Runeau, wie die Theorie des .double emploi" IM uigl, nicht als ale strakrer, funkrionaler Akkodzusarnmenharsg, der auch aber linger: Zwischenstrecken hinweg wirksam bleibl, sondem einzig als knnkrerer, unmiuelbarer Fundamentschritt musikalisch real. Wean der Quinrseztakkord f-a-c-d zur Tonika (mit der Ten e in der Oberstimme) iorxschreitet, ist d anticipatio transirus (vor-
wegge0ornmeuer Durchgang) und f Fundamentton (Ex. 4a); folgt dagegen der
Dominantdrdklang oder -sepukkord, so ist c Vorhaltsdissonanz und d Fun-
damenrron (Ex. 4b). In beiden Fallen liegt dem Fundamentschritt die Quinte Es. "
b
FCDG
zugrunde, sei es die aufsteigende (f-c)oder die fallcnde (d-g). Von einem einheie lichen Subdorninantbegriff kann also angesichrs Von Rameaus Behauptung, dail sowohl der Fundamenuoa als and: die har den harmonischen Fongmg konsdrulive Dissonanz austauschbar seiea, nicht die Rede sein. Und dennoch scheim cs, als deuce der Ausdruck ,,double :mploi' In, datt Rameau, wean auch ohne fasten
theoretischen RiickUlt, an der Identitat der Aklsordbedeutung von f-a-ed in der Verschiedanheit des Akkordgebrauchs festzuhalun suchre. Der Terminus besagt oifeabar nicht nur, dail ein und derselbe TorAomplex verschiedene Srufen repr6-
sentieren kann (Umkehrung yon IIr oder IV mit sixte ajoutée) - von einem .double employ' des Gahsr-Akkords m G-Dur.1 und C-DurN zu sprechen, lag Rameau fem, so am EU fragea wire, mm er gerade bei f-a-c-d die wechselnde Bedcutung tines Akkords Imam: -, sondem dafl hinter der Stufendi6eren,
(II und IV) cine Funktionseinheit (Subdominanre) fihlbar bleibt, dag also gewissenmllen drei Schichun des Phinomens: die Mentit5t des tihteaden Gebildes, die
h, Apr Race: ‘nndampmalp nnd die Finhpiv 1hr mnalpn .u, Funkn'on, unterschieden warden kannm. Dd zwischen einer mathematischen und einer physikalischen Begriindung der Harmonielelsre eine huularnentale Diiferenz besteht, in Von Rameau nicht erkannt warden. Der Enthusiasmus, mil dem er 1726 im Nowzau systtrme de {mining a.. Druir -
[m Runeau, Gehération harmoniqu, 18. Kay, s. 172.]
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l. W23: der Bameau-Rezeption
81
musiqsse théan’quem die Demonstration der Partialmnreihe dutch Joseph
Sauveur (Prindpzs d’aamstique n d: musl'qut, 1701) aufgrm und sich TU eigen machte, hinderte Rameau nicht, in derselbea Abhandlung den Zusammenhang zwischen Subdontiaante, Tonika und Dominant, wie erkahnt, dutch die geomarische Progression 1:3:9 TU begriinden 'ss. Und ob beim Durdreiklang das t6nende Phinomen der Partialwnreihe oder die .daluhterstehende" arithme-
dsche Progression 1:3 :5 - C-g-e' or1tologisch als die .eigendiche Unache" geltea soil, blieb otfen und konme ohne wissenschahlichen Schaden in der Schwebe geiassen warden, veil bei der Deduktioa der Harmonik aus der .Nazur des Tons" der schlichte Topos, dd das .Buch der Natur" in Zahleu geschrieben sei, als wissenschahstheormische Primisse Eu gamigen schien. (Rameau operien im Nauvenu systéme mit l ..3 l S - C-g-e' start mit 4 l 5 ..6 - cue'-g', wail er die .arilh-
men'sche" Progression 1:3 ..5 des Durdreiklangs neben die ,aeometrische" Pro-
gression 1:3 :9 der Hauprt6ne f-c-g srellen machu '", also in der mathematischen Beziehharkeit der Prooorrionen cine Besrsirizun. des musikalischen Zusammen-
hangs zwischen den Ténen des Gnmdakkords und den Haupruuen der Team
TU erkennen glaubt; und er scheim nick: TU sehea, daBdie Austauschbarkeit des mathematischen Fundaments dessert ontologische Dignit'it bedenklich schrni~ len.)
Der Unrerschied, ob man das physikalisch erfaitbare Phinomen der Partiahonreihe oder ihre marhematische Smlktur in den Vordergrund nickt, ist non der
Nachlissigkeir, mit der sich Rameau Cher die Differenz hirswegsetzt, keineswegs
gleichtihig; dam in einer physikalisch orierstierten Harmonielehre erscheint der Dmdreiklang - und per analogiam auch der Molldreiklang - als primitc, unmittelbar gegebene Einheit, wihrend die atathematische Interpretation cine sekundire Zusammeasetzung der Akkord: aus Ihtervallen als den fimdamemalea, durch Zahlenproporrionen korurituierten Elementen der Musik nzhelegr.
Das Grundprinzip des iltcren 1ntervallsarzes, am ein Akkord (c-e-g) cine Kombinzdon Von Intervallen und nicht umgekchn die Intervalle (M und e-g) Fragment: des Akkords seien (wie Hugo Riemann postulierte), war fiir Rameau
noch keineswegs ung'u'ltig. Im Tmite" dc Pharmonie "' erklim er die Fon-
schrcirung vom Dominantsepukkord zum Tonikadrciklang als Schichmng Von Intervallprogressiorsen, die simdich Zarlinos Regal“ folgen, daft sich groibe
P" Rameau. Nauveu swim. I. Kan: Fain d'Exoerience uni servrnl de nrincine i ce
systime, s. lr-20.l . A P" Ebenda, l, Kip; Del: Modulation, s. 31-36.] P" Siehe Anm. 130.] m Rameaa, Tmite", 2. Bach. 5. Ray: De u Cadence pashite, oil la mm k la pmpdehé de mu les mm: " mconumz. S.S4-61. r"' w. Ldino, Isrirsstiorri, Vcnedig 1558, III, Kap. 10, s, 1ssf, and Kap. 38, s. In bis 190.]
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lil. Die Spallung der howl.“
und iibermUige Intervalle nach auikn bewegen (d-h aach c-c' and Hi nach e4), Heine und vermindem dagegen nach inner: (h-d' nach cr-c', " nach
c'-e').
Andererseirs changierr die Begriiudung des Molldreiklangs, die Rameau 1750
in der Démmrstratiore du prindpe dz Pharrremsie vorsclslug'" - ohne die friihere, irrige Annahme van Mitschwingur1gea dues widen " und f unter c ausdriicklich EU verwerfers -, in charakteristischer Weise zwischea einem physikaliscb fundinten Akkord, und einem marhemarisch dcduzierun Ihtervallbegtiff. Dd der Ton e chemo als Terz iiber c wie als Quint: iiber a .von Natur gegeben" in, veranlaih Rameau, wie spam Helmholtz, In der Hyyothese eines doppelten Grundtoas des a-Moll-Dseiklangs; einer Spalmng des .ccnue harmonique" in c und a. Rameau bmchm also die Imenalle, a-e and c-e, als konstitutiv und primir; dd
a aber gerade die Quinta und die grofle Tera sind, mit denen er operim, lat sich schwerlich anders als durch ihre Prism: im Durdreohlang als Abbild der Nature tonrdhe erkliren. (Him Rameau die mathernatische Begriindung der musikalisch konstiruriven Intervalie durch zahlenproportionen innerhalb des Zarlino-
schen Senario als wisseascha6lich geniigend angesehen, so wire es einfacher sewn, in die Quinte " die im Senario enthaltene Kleine Tera a-c - 5 l 6 einzu-
Rigen.)
Die Wirkung Rameaus ging weuiger von den Originalmn, die man nicht zu Unrecht verwirread fand, als von der "rdeutlichenden und popularisierendgn zusammerrfasmmg aus, die d'Alembert, ein publizistisch-pidagogisches Genie, 1752 mm dem Tm] Elémens de mun'que théoriqsse etpmtiqae, siwort ks primi-
pes de M. Rameass erscheinen lids und die Friedrich Wilhelm Marpurg 1757 als
Systemetische Einkhung in die rrussiadische Setzkwrst mah den Lebrsé'tzen dés
Herrn Rameau - mit einigen Modifikadoaen und Erginzungen - ins Deutsche abersetate. Dd die Reupzion einen Umweg einschlug, wrhinderr jedoch nicht, dill die Risse in Rameaus System, die d'Alemberr zu iibertanchen suchte, bei dem
cinen oder anderen Nachfolgn wieder sichtbar wurden, weil sie in der Sache selbst und nicht etwa bloil in Rameaus 1hrmulierungea begriindet liegen, dmn scheinbar subjekrive Konfusion vielmehr eine obiektie kaum entwirrbare Problenmik spiegelt.
Die Ahkordiehre, die Mupurg im Handball bay dem Genemlbasse land der Composition aus Rameaus Theorie des Terzenbaus durch Erwziterung ins mhezu Grenzenlose entwickrlte, ist .systenutisch" in des Worms schlimmsrer Bedw-
mnz. Aus dem Semzkkord Wk Marpum durch .umm hinzussefiiete Terzen"
einen Nonen-, einén Undezimen- und- sogar eineniredezimes,iurii hervorge» hen, wobei die Tauache, daB cine None wie eine Seprime durch einen Sekundschrin abwim aufgrl6st werden mull, als ,Zeichcn' dafiir gelten sell, dd! sie [m Rameau, Dehmmstmtion a Principe de mm, Paris 1750. s. 63-84; v51. auch die dt, chrsctzung von E. Lam. Bkslfenbrstrel u. Berlin 1930, s. 61-69.]
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L Wes: der Itameau-Rezeption
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eigentlich eine Septime istl". Da Marpurg aufierdem aus der Dreikiangsverwandtschah im Quinteazirkel ein 21stufiges Tonsystetn ableim, in dem cr die Grundlage des Akkordsystems gefundcn zu haben glaubt, ist der Weg zu einer Unzald von Alterarioaen der drei- bis siebent6aigen Akkorde und Akkordune kehrungen offers. Dail sich von den Umkehrungen und Aherationen, die theoretisch méglich sind, manche als praktisch unbrauchbar erweisen, wird alluding: von Marpurg, der die Pedanterie nicht so weir trieb wie Justin Heinrich Knecht, nicht geleugnet. .Man siehet dmus, daii, nach der Beschatfenheit des Nonenaccords, die Verkehruagen desselben ausfallen, und dd man von alien Siam nicht gleich glue oder gleich brauchbare Verkehrungen haben kann." 139 (.Sarz“ in Marpurgs Terminus fiir Akknrd.)
Marpurgs Akkordlehre erscheim bei Mchtigem Hinsehen als abstrakres, reaWitsfremdes Begriffsgespinst. Dag der verminderre Sepukkord gis-h-d-f iiber dem Orgelpunkt A und der Doppeldurchgang a-c (zwischen g-h und h-d) iiber dem Bafkors G als Tredezimenakkorde erklin werden, ist otfenbar chemo
abstrus wie iibedliissig. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dag fiir Marpurg die kontrapunktische (satztechnische) und die harmonische Interpretation keine Alternative, sondern zwei Seiten derselben Sacha darstellen. Uber den mam. menakkord, dessen Fragwiirdigheit ihm bewuih war, schreibt er: ,.Dieienigen, denen dieser aus allen sieben Clavibus bestehende Accord erwann so fremde vorkamm, warden doch unstreirig den bey Fig. 15 [Ex. 5] befindlichen und heudges Ems
tisis mes
Tages so iiblichen Gang kennen. Wonuf griindet sich derselbe? Ist es cine Wraur
nehmung des Basses, oder cine Verziigenmg der oberstea Sdmrnen, wonuf griin-
den sich denn diese beyden Figural?" 140 Dal} der Quasrsexralkmi der rechten Hand als Doppelvorhak und die Dreiklangsbrechung der linken Hand als An .
palion verstanden werden lahutem ist (Gr Marpurg cine kontrapunkrische Erkl'au rung, die er zwar gehen lib, die aber ihrerseits, um nichr abstrakt zu bleiben,
einer harmonischen Fundierung bedarf.
Die dahintersrehende Priming inr "naofrrhrhar, damn "wihllm hr'irr pin
D;r;i1g;ng dadurch, daii er zugl . ch L%L,2iL%2 wirkt - wie a bei der
m Fr. w. Marpurg, Handbucb bey dem Gerreralbasse m der Composition, Teil 1, Berlin1755, S. 26.
"’ Ebenda, S. 35.
IM' Ebendl, 5.41.
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111. Die Spdmng der mrmcraielehre
Domisuntseptime auf unbewnter Zeit unvenneidlich ist -, kdneswegs auf, ein Durchgang " sein; Die Kategorim Dotniruntseptime und Dutchgmg sind kom-
paribel. Durch .Konsequenz', die in der Musiktheorie oh mehr Schadzn anricle m, als sie Nuuen stiller, abet wurde ans der Einsicht, die Marpurg vor Angen stand, ein Wahnsysmn hcrausgespunnen; und andererseits in die Ierlgerichrig-
krit, die den wissenscluhiichen Charaiaer der Theorie verbiirgen sell, auch wiederum nicht liickenlos. Emcus ist es zweifelhah, ob ein Alrkordsysrem, das ans alters) und umluhrbaren Sept-, Nonm-, Undnimen- und Tredeaimeaakkordrn bemhr, also tenden-
ziell sirndiche Tonkomplexe umfagt, die auf dem Papier mbglich sind, iiberhaupt noch als Begn‘indung gelten kann. Eine Kategorie, unur die alles Erdenldiche Calls, erklin nichts.
Zweirens ist Marputg gezwungcn, das Akkordsystem aus koutrapunktischen Riicksichten einzuschrinkcn: .Die drim und viene Verkehruag uugen nicht,
wegm der aicht recht resolvimndea Septimeru" "1 Du zunichu postuliene Funaier11ngsvert1aluus zmschen Harmomk mm Mmmpunkl 1mm nun also um, ohne dag Mupurg der Bruch bewullt gworden wire, der dadurch in seiner Theorie entstand. Die Hannonik soil den Konuapunkl begriinden, der miner. seits die Grenzen der Harmonik absteckt.
Drinem liBt Marpurg. dessen Realit'itssinn manchmal Starker ist als der Dung zur Srsremarik, keincswegs jedes konuapunktische Phinomen zugleich als harmonisches gelten. Manchmal usuerscheidet er vielmehr zwischen harmonischer
Substans und kontrapunktischer Verbrimung. aug cine Dissonanz in cine Ex.6
Wechselnote eigendich resolviren kiinm, ist falsch, Wohl abet kann es uneigem-
lich gescbehen. Denn wer Kennet die Harmonie, und siehet nicht, dag in dem Exem-
pel bey Fig. 16 [Ex. 6] die Auf16suag der Sepdme durch Verwcchselung der Harmonie figiirlich aufgehalten wird, und solche mir nichnen auf das mit einem Zeichen
bemerkre Anhnheil, sondem auf die lute haibe Note . cm which?“ “1 Der figiirliche Kontmpunkt sell als harmonise]: "rterrirorial" gelwn. Johann Philipp Kimbergzr, der den Hang der Berliner Throretiker zur Strait-
barkeit teilte, glaubte den Einihd, der m Rameau ausgegangcn war, lengnen TU
kannen, obwohl die Hannonielehre, die er in der Kumt des reinen Satzes in dir "l Ebenda, S. M. m Ebenda, Tail 2, Berlin 1757, S. M.
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l. Wage der Rameau-RezePrior1
85
Masih skizzierre, ohne das Vorbild des Tmite' dk Pharrrronie undeukbar in. ,Viele haben sich durch die franzésischen Schrihstdler beredm lassen, dag man diese einfanhe Lehre van der Harmonie dem Rameau zu danken babe, den man in Frankreich gem: fiir den ersten grimdlichen Lehrer der Harmoaie anpreisen miichte, Indessen ist aichts gewisser, als dd then diese Lehre von den Grunducorden und der aus ihren Verwechslungen entstehessden Mannigfalrigkeir, alten deotschen Tonmzem lange ehe Rameam geschrieben, besser und griindlicher als
ihm bekanm gewesen. Er selbst hat die Lehre von der Einfall der Harmonie, noch nicht in ihrer wzhren Reinigkeir gefaik, da er wiirklich durvhgehende Tan: bis, weilcn als Fundamenrah6ne miehet, auf wclnhen Grund T. E. sein Accord de sin: aioutée, den cr fiir einen Grundaccord hilt, gebaut ist. Er sieht (. . .) die dar-
inn vorkonunende Sate, als cine wesendiche Dissonanz an, die doch blos durchgchand ist. Auch wiisde gewifl bin wahru Kmner der Harmonie einen Sam, wie
foigender van Rameass in rechrfereigen" "5 (Ex. T),
Dal! Kimberger die Trahrare yon Lippius und Baryphonus kanme, die bereits
im frishen IT. Jahrhundert cine Theorie der Akkordumkehrung erstwarfen, ist iiuflerst unwzhrscheinlich, so his die Bemerlumg Csber die Prioririt .alter dent» scher Ttrusetzer" rarselhah bleibr. Die Verwerfung der Sqohkordkeue iiber Terzschritten des Fundaments 156: sich satztechnisch nicht begr'u'ndeo - die Septi-
men wudcn rcgulir verbatim und aufgel6st -, kann sich also nut gegen die Terzschritte sichtea, deren Anerkennung neben den Quiatschritten fiir Rameau an: der Strukruranalogie zwischen Dreikiang und Basse fondarnenrale resuldme.
Kimbergn gab also, gewissermaikn im Voriibergehen, nichts Geringeres als das Priuzip preis, in dem Rameau den inneren Zusammenhang zwischen Akkordaulban und Akkordverbinduag - beide Moment: der Harmonik beruhen auf Quinten und Terun - cntdeckt zn haben glaubu. Der Einwand gegen die sine aioutée in nicht unberechtigt, aber unzulinglich fonnulien. Dean cine .wesendiche Dissoaanz" - der von Kimberger gepr5gte Begriff'" bildet die "rminologische Fixiervng der fill die Harmoniclehre grundlzgenden Einsichr, dall cine Septime manchmzl ein Bestandteil des Akkords und
nitht ein Zusatz zum Dreikiangim, IT. dutch die Stirnmftshrustg gmchtfenigt " - lmu - mu nucm '""'v"6""6 me mulw 4......” 4.11 -_ wuucn mun “5. Emu, mu m...
behauptet, cine Dissonanz miss: sich enmder in die cine oder in die andere Kategorie einorduen hum. Kimberger uigt an anderer Selle, dag tint .wcsentliche Dissonanz" - cine Dominaatseptime - dutchaus auch in der Form tints us J. Ph. kimbetger, Die Kunn des reinen Satzes, Teil l, S. 249ff. r'" Ebeuda, S. 30.]
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IU. Die Spalmng der Harsnoaielehre
Durchgangs oder eines Vorhalts erscheinen kann, ohne dadurch die Wirkung eines Akkordbesundteils zu verlieren "s.
Der Sachverhalt, dd ein Sepukkord cine nnminelbar gegebene Emmi: in, stand Kimberger zwdfellos deudich vor Augm Dena die Bexhreibung der enharmonischen Umdeutuagen eines verminderten Sepukkords - und zwar als
Modulationsmittd - implizien den modemen Akkmdbepiif, Mute den sie undenkbar wire: Die Dissonanz ist ein ,Zusmnd" des Akkords insgaamt and kann
am anders weitesgefiGrt warden, als sie nponiert wurde 1%
Die Schsirierighxit allerdings, dd sich satztechnische Phinomen: veils ausschlieBlich harmonisch, teils sowohl harmonisch als auch konrrapunkdsch and tails lcdiglich kontrapunktisch erkliren lassen und daii man aullctdem ungezihlu
Abstufungen unrerscheiden kann, in denen die cine oder die mam Begrfmdung wirksam ist, scheint hir Kimberger verwirrend gcwesen EU sein. Den Sepupmng cub' iiber dem Nihon e (Ex. 8) interpretierte er als .Brccllung" (des Dominantv.2
septakkords) und nicht als ',Heterolepsis" w (Sprung in die Lage einer anderen
Stimme). Die Vemuschung tines Septakkords mit einem Sekuadakkord (Teil 1,
s. 85; Ex. 9) soll dagegen als Umformung eines and desselben Akkords mit .weEx. 9
A
scmlicher Dissonanz" und zugleich als Sprung in andere Srimmeu gehen, ohne aux deutlich wiirde, unm welchen Bedingungen die kontrapunktische Erklirung neben die harmonische oder sugar in den Vordergrund racks.
kirnberger teilte mit Rameau, von dent er sich TU Unrecht nnabhingig glzubte,
eine Bcfangenheit, die ihn damn hinderte, cine Harmonielehre im Sinne des
19. Jahrhun-dem EU mmden, Er srellte sich, wie Rameau, harmonischeu Fon-
gang primir als durch Dissonanzen bewirkt vor. Jhe erste und vornehmste "s Ebendz, 5.31. '" mm, s. 129f. m Ebenda, S.20N.
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l, Wes: an Rameaa9rzeptiou
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Wflrkung der Septime butch: also darin, dag sie die Ruhe, oder den schluil eines Abschaius, den man sons: fi5hlea wiirde, zemichm, wie in folgcndem
Beyspiel" m (Ex. 10). Ex. 10
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1
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1
,
Der Gedanke, daft zwischen einfachen, dissouanzlosen Dreiklingen die Art van
innerem Kennel und fortschreirender Bewegung bestehe, die Hugo Riemann
Jimktional" mm, war Kimbcrger fraud (Ex. lla). Alletdings konzedierte er
auger eiaerVerkettuttg dutch Dissonanzen (Ex. llc) auch cine schwichere, dumb
Uim5ne in der Oberstimme bevirku Tendenz vom einen zum anderen Akllord (Ex. 11b). .In dean amen fehh der Zusammeahaag der Harmoniz, wail man auf Ex. Ita
b
icdem Accord still: stehen kann, indem allezeir vollkommene Consonanzen in
der obern Mimme sullen, wodurch das Gehar auf jeder Harmonie, als auf einem Schlull befriediget wird, folgh'ch kein Grund vorhanden ist, etwas waiter zu crwancn. 1m zweylen Beyspiel ist die Harmonie zusammenhangender, wail die
obere Sdmme tneistentheils die Temn der Grundr6ne hat, welche nicht bemhigend genus sind, folglich cine weime 1imschreitung gm lassm. Noch
anger ist abet die Verbindungim dem drimn Beyspiel, wager: der 1't1'rleer
he.V c...“ 3mm. m. nmuungcu unuJ m vunluw. um -m ammo“; mm m... sagen, daa Kimbergers Beschreibung drei Theoriea der Akhordserbindurtg in nuce implizien: die Jimktioaale" (Hugo Riemann), die er mm. die .encrgetische" (Ernst Kurds) und die traditiimell aeieologrsche", die vom Prinzip des
‘“ Ebenda, s. 6L “' Ebenda, s. 147.
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IU. Die Spalmng der Harrmmielehre
Wechsels der Klangqualitizen und der deenz der "nvollkommeneren Zusammenklinge EU den vollkommcneren ausgeht.
Simon Sechter, dessen Ancignung und Enrwicklung von Rameaus Fundamentalbaglehre fiir die irsterreichische Musiktheorie bis zu Arnold Sch6nberg, Ernst Kurds und Heinrich Schenker grundlegend blieb, war eigendich, obwohl der Be-
grid der Akkordsmfe als zenuale Kategorie seiner Grrmdiatze der tmsshaliscbets Kompositian (1853/54) erscheim, von einer primir kontrapunktischen Denkweise geprigt, und die latent: Irnplilration In! bei den Theorerikem, die im 20. Jahrhumlrrt Teile seine: Systems aufgriffen, in verschiedenen Formen -deren Divergmz die gemcinwne Wurul nahnu ankenntlich macht - znuge. Der Begriff des Fundarnentschrius ist fiir Sechter - cmgcgm dem, was man erwartet - nicht cine primin, begriiudeude, sondern cine sekundire, begn‘mdcte Eaegirrie. Akkorde sollen dutch gemeinsame Tana und durch melodische Sekundschtitte miteinmder verbunden warden, und der Vorrang der Quint- und Terzschritte des BaiWndamenrs gegeniiber den Sekuadschritten - die durch die Interpolation Von Awiscttentunsiamenten" nklirt werden - enchant, pou-men
ausgedrisckt, gendezu als ',Nebenfolge" der Verklammerung durch iibergebure dene Ttine. Je zwei nach einmder folgende starnmaccorde sollen eine aatiirliche Bezielumg zu einander haben, wobei sich ergiebx, dag bei eiuigea die Beziehung enger als bei andern ist. Zwei Stammaccorde bezidun sich gut auf einander, warm die Quint des zweirm vorbereitet ist; dieser Fall nit! ein, wenn der Fundamentalball um cine Terz (ilk, oder wenn er um cine Quart steigt (. . .). Venn der Fundamentalbag um cine Tera oder Quint steigt (. . .), so ist die Octav des zweisen
Accordes vorbereitet, welchcs in einigcn Ellen eine gut: Beziehung hat, in manchen aber nicht gemigt, woven spiter." ISI, Sechters Ausdrucksweise; die Bezeichnung
der Akkordverkertung durch gemeinsame Tan: als .Vorbereitung", erinnm an die nus Vorbereimngskonsnnanz, Vorhahsdissorunz und Auf16sungskonwaanz Tusvnrnengrsetzre satztechaische Figur, die iahrlumdenelang als Paradigm: einer stringznuu Verbindung Von Zusunmenklugen ph. Dag die Basse fottdarnemalr, im Unterschied zum konkmen, greifbaren Basso continue, als gedachtc, absuakte Stimme aufzufassen ist, deren Sinn in nichts
anderem bend", als dail sie Akkordzusarnmenhinge muindlich macht, ist ein Gedanke, der nicht unmigdeutbar fauuhr. Ob ein inrerpolirres Fundammr, das einen Quintschritt als verborgenes Wesen eines scheinbaren Srkuudschrius hnvonruen Blk, beim Héren .hinzugedacht' warden soil oder lediglich den
logischcn Status einer erkliirendem abet in die musikalische 1rorstellung nicht psychisch red eingreifeaden Hypothese bat, bleibt unklar.
Die Anmhme eines vemchwiegenen Fundameats VIr zwischen I und II in insafern unproblematisch, als die Quinta von I sich in der Interpretation als Septirne
"0 s. Sechru. Die Grrmdiitze dir nwsihalischet, Kuwaiti”, Leipzig 1853-56, Erste Abtheihmg, Emu Thai, s. 15,
fio. glc
l. Wage der Rameau-Rezepriors
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von w' regulir durch einen sekurulschrirt zbwins in die Terz yon 11 odliist I". Und die Interpolation yon V" zwischen II und I ist zwar nicht realm plausibel, aber immerhin konsequem "I. Der Komplilrationspad, den die erklirenden Hilfshypothesrn erreichen, ist alluding: nicht gering and der Simplizit'it der Phinomene schwerlich ad'iquat. Da Sechter nimlich den Umerschied zwischen der Dornittarstmme als Vorhak zur Oktave (bei liegendem Akkord) and der Dominanmcne als Akkordbestandteil (als Akkorddissonanz, deren AuMsung mit
einem Harmoniewechsel v% verbunden ist) karegorisch leugnct, also gezwungen ist, die Akkorddissoaanz als Vorhalt mit verz6gerrer Nd1iisung zu interpretiefen Iss, bedeatet die Erklirung van “-1 als UN'-l die Annahme eines gedachten Zwischenfimdaments (W), das seinerseits einen Nonenvorhalr mit retardierter
AuMsung enthah. Scheint es einerseits, als rechdem'ge sich die laterpolation Von Zwischenfunda-
menten dzdurch, dzil die aus ihr resulcierenden hypotherischea Dissonanzen regular aufzelfm warden, so uzumemim Sechter andererseits zerade unurkehrr,
ai: der Aikord d-f-h-dr EU A-cr-e', also der Ton f, trondis verschwiegenen" Fundamears G, uruegelrrfiirig nach g fortschreiten dam, wen ,,das Fundamem nicht man wird, also die Sept aicht als solche momma: warden km-w (Ex. 12). Ex. 11
Fudantnt:
G
r c
G
a
Dd Sechrer, ihnlich wie Kimberger, das Verhilmis zwischen konrrapunkLischen und harmonischen Begriindungen satztechnischer Phinomene nicht restlos MI entwirren vermochre, ist angesichrs der Tarsache, dail er sich hannonische
Zusammenhinge ohne kontrapunktische Implikationen iiberhaupr nicht vorstel-
len konnre, nicht erstaunlich. Der d-MoIl-Dreiklang des Beispiels 15s (Ex. 13) in £1.13 A
C
c -,
o c
nach Sechur kein Akknrd, sondem das zufalisergebnis eines Hallmotendurch9,". u. h, An fu-Arr-. A": v.....‘.... Mann,“ vu.tM.rr,r_,,vmr-rsrre i,, A" Minn]. [9%. vu............, v........w....._....,,...,. ... stimme und einer Akkordbreclumg in der Umerstimrne.
m Ebendays. Is. In Ebenda,8. " m Ebemh. s. 31. m Ebenda, s. m P" Ebenda, Erste Abtheilung, DrirterTheil, s. 131.]
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In. Die spam; der Harmoaieiehre
Andererseiu wurde Sechrer offenbar durch den Zwang, zwischen ,eigmtlichen" und oneigentlichen" Akkarden zu differenzieren, 2.. der -die Stufenlehre Heinrich Schenkers antizipierenden - Unterscheidung zwischen .Haupr-' und ',Nebenfuadamenten" angeregr'" (Ex. 14). Ein Hauptfisndarnent, das mit dem ELM
c
G
l
A
.
nichsun dutch einen entsclu'edenen, iiber eine 2wiscuastrecke hinweg with-
"men Fuadamentschritx verbunden ist, kann durch Nebenfisndamente umschrieben warden, swell: also, wie Schenker sagen w1hde, eine "uskomponierte Stufe" dar. Secluer skizzierre demuach, wann auch eher in Andeumngen als in der Form
einer aplizinen Theorie, die Umrisse einer Hierarchie hamtonischer und harmonisch-kontrapunktischer Phinomene: einer Abstufung, die von zufilligen, ledigLid: aus Stimmfiihrungrn resulrierenden Iutervallkornplexen iiber Zmammen-
Hinge, in die Akkordbcdeutungen hineinspielen, ohne primir EV sein, bis EU Nebenfisndamenten und Hauprfisndunemen rcichr,
2. Iogik m! Grammu'k der Musik Der Begriff der musikalischen Logik, der fast gleichzeitig - und zweifellos
unalsh'ingig voneinander - Von Heinrich Christoph Koch (Vnmh einer Ankitung m Composition, Teil 2, Leipzig INT) und Johann Nicolaus Forkel (Allgemeine
Geschitbt: der Musik, Band I, Leipzig 1788) geprigt wurde, gehén zu den kate gnrien, deren Geschichrswirkung vor allem in Umdeutungen butch, so dag ihr Einfluf' auf das musikalische Denken in gleichem Maile With“, wie sie sich einer
fest umrissenen Definition entziehen. Bei Forkel vemun W6rter wie ,,ungefihr" und ,,scheint", dait er sich des Vegan
meuphorischen Charaktess der Kategorie, die er vorschlug, ohne ihre waitreichende renninologische Katrina voraussehen MI kanntn, durchaus bewuilt wan .Harmonie und Melodie sind in einer gum musikalischest Zusamlnensetzung so
unzerrrennlich, als Wahrhd: der Gedanken, und Richtigkeit des Ausdrucks in der Sprache. Sprache ist das Kleid der Gedanken, so wie Melodie das Kleid der Harmonie. Man kann in dieser Ricksicht die Harmonie eine Logik der Musik
nennen, wail sie gegen Melodie ungefihr in eben dem Verhahniil steht, als in der '" Ebenda, S. 15r-i6t.
2. Lsgik und Grammalik der Musik
91
Sprache die Logik gegen den Ausdruck, nemlich sie berichtigt und bestimsnt einen melodischm 5m so, dag er fiir die Empfimhmg eine wirkliche Wahrhei: zu warden scheint." IST Dail das grammatisch Richtige im logisch Wahren begriindet
in, besagt demnach in der Musik, dag der melodische Zusammenhang zwischen Satzreilen harmonisch-ronal fundim sein mug; Eine ausschlialich motivische Verkniiphmg, wie sie Arnold Schénberg nach dem Zerfall der Tommi: postu-
Hene, lag auBerhalb dessert, was man sich im 18. and 19.Jahrhunderr vorsrellen konate.
Allerdings bleibt das Verhiltnis der musikzlischen Logjk zur Grammatik inso, fem zwiespillig, als die Grammatik nach Forkel nicht nur die .richdge Zuzanamensetzung" der (melodischen) "Ausdriicke", sondem and: die .Verbindung der
Accorde" reguh'ert, die doch andererseils als Logik gelren sell. JNe Vomchrihm
zur Verbindung einzelner Tiine und Accord: zu einzelnen Sitzen, sind in der musikalischen Gramman'k enduken, So wie die Vorschriften Tur Verbindung
mehrerer einzelner 5512: in der tnusikalischen Rhetorik. Berde zusamrnen enthalt
an die Gesetze, nach welchen die gauze Menge aller m6glichen musikzlischen
Ausdriicke crst richdg zusammengesezt, sodann Tu gewissen Zwecken aufs beste
and sicherste angewendet werden k6nnen." ‘5' Dal} Forkcl von der Werbindung
der Accorde", die zur Grammatik gehiirt, cine Logik, die gleichfalls im Akkordzusammenhang eathalten ist, abheben zu k6nnen glaubt, liik sich vmxindlich machen, wmn man einriumr, dd sich die Funku'on eines Akkords als Subdorni-
name, Dominant. und Tonika nicht in der Position ersch6ph, die er in der Ka-
denz l-WN-l einaimsnt: Die Sukzcssion ist glcichsam "rammatisch" mgulim
(die Subdominante muil der Dominance vorausgehen, sun ihr zu folgen), ohne
dail die .Logik' der Quinrbezielumgen, aufgrund deren sich die Subdominante und die Dominant: um die Tonika als Zenmun gruppieren, ans der Grammatik der Sukzession ableirbar wire oder umgekchn die Grammatik der Sukzession nus
der Logik der Quintbeziehungm: Es handeit sich, wie in der Sprache, um verschiedene ,Schichun" des Phinomens. Die mWortstelhutg" SabdominanreDominante-TimiU is: zwar ,,Ausdruck" der logischen Struktur - und dasselbe
gilt ftir die mit einem Kasussystern oder mit spezifischen Panikeln vergleichbarzn
charakteristiscUn Dissoaanzen st und Dr -, fill! abet nicht tnit ihr zusammen. Andererseits wire es iiberrrieben, Von einer Musiktheorie, die metapharisch von musikalischer Logh und Grammatik spricht, mix pedamischer Rigorosirir zu vulangen, dag sie simtliche wesentlichen Diiferenzen, durch die sich nach den
' m hlwlmmh»: - nan An tum" ...rh A-., A,.. ohm. m. DH.... -more“... 5. Rayal - Grammalik und Logak voncinander unterscheiden, in der Musik wiederzueatdecken ven-nag.
Der primite Grund, den sprachlichen Ausdruck, den die Grammatik unterm J. N. Nrkel,Aleemeine Geschicbte der 3hrsik, Bd. 1, Leipzig 1788, s. 24. m mm. s. 21.
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Ill. Die Spdmng der Hnrmonidehre
such, und den darin enthahenen Gedankea, dessen Struktur die Lagik bestimrnt, iiberhaupt auseiaanderzuhaltem liegt zwzifellos in der Erfahrung, dafi der Einheit des intendiertest Gadankens cine in der 2eidiclMit des Sprecheos begruUdere Komplexit'it des spnd-lichen Ausdrucb gegeniibersreht. Der San ,,Das Butt in
grim" bezeichnet die in der Usunittelbarkeit der Perupu'on unaaalysierte Wahrnelunung nicht als solche, sondem, geniig der Snuktur indrreurop'a'ischer Sprachen, als Marion zwischen Subiekx und Pridikzt, die zugleich und in tins eine Trennung in Subsunz und Akzidens und cine aus der Trennung hervorgehende und sie aufhebende vzrmimlu Einheit bedeum. Und eine analog: Struktur
glaubre, wie es scheinr, Heinrich Christoph Ebch in der Musik TU entdecken, die ebenso wie die Sprache tin in der Zeit sich entwickzlndes, aber sie intentional iiberschreitendes Phinomen ist. Der Verglgich zwischen spracUicher und arusikzlischer logik und Granunuik wrde alluding: van Koch nur angedgum und nicht "ssgeftihrt (aus Miihrauen gegen den Bildungssund der .angehenden TonkiinstlerT .Ich war 2w bey der ersun Bearbeitung dieses und des folgenden Abschnittes wiiiens, die Ahniichkeiten die sich umer den Siam der Bede und der Art ihrer Wrbindung, and mm den melodischen Siam und ihrer Verbindungsan iuilern (nichr allein in Riicksicht des so eben angezeigtest Gegenstandes,
sondern iiberhaupr) weiter " vuiolgen, veil ich glaubne durch dieses Mine! dem melodischm Periodeabau mehr Deutlichkeit und Bestimsntheit geben zu kannen. Aber der Gedanke, daB die dnzige Absicht dieser Abhandlung in, denjenigen :ngehenden Tonkiinsrlern niitzlich zu scyn, welche die Scukuns: crlemen wollm, and bay denen man sellen weder grammatikalische Kenntnifl der Sprache, nods kenntnig desicnigm Theils der Logik, welcher die wrschiedenen Amen der Sim und schliisse erklin, vonmsmzcn darf, verursachte, dail ich diesen Verna fahren lassen nudhe." '" Bri einem musikalischen Sazz Von Subiekr und Pridikar EU sprechen ist null Koch insofem berechcigt, als ein Anfangsgedanke durch cine Pomeuung .eine gewisse Bestimmung erh5it", und zwar eine Bescimmung, die mit einer anderen - den Beginn riickwirkend utnftrbenden - vertauscht werden kann. .lch will dine Vergleichung der melodischen Sim mit den Siam der Rede cinen Augenblick vcrfolgen. Wean wir B. B, folgenden Satz [EL 15] ans diesem logischea Gesichtspunct bmuhun wollm: Ex. 15
iw'FmMH .3. _ gfu
----t-p,
so wire er tin eager vollsandigrr Sm, wail an in den enwn zwy Tm desselben :ndulme HaupBedanke oder das Subim desselben, durch die my m H, Ch. Koch, Vmudl sinerAnleitorg m Composition, mu, mm; INT, s. 356.
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2. Logik und Gummy der Musik
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folgenden Tarte oder durch ein Pridicar cine gewisse Richtung, cine gewisse Bestimmung erhilt. Wem dieses Tu subtil oder zu spitzfindig zu seyn scheim, der versuche es, die zwey letzten Tacte auf verschiedene Anen Indus zu bilden, das ist, mit dem Subject: Indore Pridikate zu wrbinden." 160
Die musiktheoreu'sche oder musikisrhcrische Aneignung der Kategorien Subjekt und Pridilm erweist sich alluding: als problematisch, sobald man fiber den einfachen sachverhalt, dail in der Musik wie in der Sprache eine unmittelbare Eirr heir des Gedankens durch cine vermittelte - nus getrennten Nreikeln Eusamrnen-
gesetzte - Einheit der Formulienmg ausgedriickt werden mud, hinauszukornmen versucht.
Dali das handgreiflichste kriterium, mit dem bei der Wortsprache die Unter-
scheidung zwischea logischer ,,Tiefenstruktur" und grammatischer .Oberi1ichenstruktur" begriindet warden kann, auf Musik nur unter Vorbehalr 1ibertragbar erscheiat, Mrfie uabestreitbar sein: Zu der Tameka, dai) sich ein und dieselbe lozisch: Slmktur mmmatisch ddrch ein Kuussvsrzm. aber auch durch
die Wonstellung oder dutch spezifische Parukel damellen lat, m zwar insofern ein musikalisches Analogon konstruierbar, als - wie erwghnt- die Sukzession der Akkonie in der Kadenz (die .Worrstellung") und die charakteristischen Disso-
mnzm der Subdorninaure und der Dominant: (ads .Flcxionen") verschiedene gramnutische Ausdrucks- oder Erscheinungsformen desselben logischen (ronalen) Funkdonszusaxnmenhangs bilden; doch in in der Musik, im Ummchied zur Sprache, das cine grammatische Darstellungsmitrel nicht durch das andere substituierbar, sondern 156: sich lediglich mit ihm kumbinieren. Und ob das Verfahren, ',zusammeageschoberse" - das heillv, durch Jactersdckuag" oder durch Unterdriiclumg und Maskierung von ,,Endigungsformeln" entstandene - Sitz: auf ihre
Grundformen zuriickzuRihren "', Von Koch als Gegenstiick TV einer Sprachanalyse gemeint war, die in einem grammau'sch einfachen Sarz einen logisch komplexen entdeckt, ist wegen der ziderten Weigemng, die Analogie zwischen Musik
und Sprache in ihre Konsequenzen zu vedolgen, nicht auszumachen. Ausgeschlossen ist es iedoch nicht. (.Lugisch kamplex" besagx bei der Sprachanalyse,
dag der scheinbar einfzche Sata .Brums ermordeee einen Tyrannen' in Wahrhzir TUS .Brutus ermordete Cisar" und .Cisar war ein Tyrann" zusammengesclzt ist: aus Siam, die gmennt voaeinander negien warden k6nnen.)
Von Moritz Hauptmmn ist die musikalische Jaogik'', urul zwzr die Ilarmnni-
sche ebenso wie die merrische, als Dialekzik'unSim: Hegel: besummt Worden:
" 4... v.1 m um mum m - m m: JLIII‘ ' Lul‘mlnt ,Inunluuvu: Lunch. ‘9‘...qu
m Ebenda, S.35gf. (In Den Begriff der .Tmtickung' erliuam Koch in dem Abschnin Won den zusammen geschobetsen sam- (s. 453-4M), die .Eodiguagslormela" unter der threrschrih.. ,Von den interprutctischen 2mm: der S'itze and ihrer mum, oder van den Endigangsfomleln der melodischm Teile" (S. 384-426).]
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Ill Die Spalmng der Harmonielehre
der Toma). dann .in sich entzweif als Dominant: n. IV (I-IV) und Subdominame zu v (I-V) und schlieglich - nach am Umschlag des Ober- und Uarerdre minam-Seins (I-IV und I-V) in tin Unter- und Oberdominant»Haben (1v-1 und v-o - .vcrmimlw Einheif (Bestitigung der anfangs gesetzlen, gewissermagen nur behaupteten und nicht bewiesenen Torurt'"). (Ein aicht uaweseadicbes
Moment des Jhnschlags" ist die Implikau'on, dag die Stufel TU Anfang auf un< bewnter und am Ende auf belonrer Tahlzeit erscheint.)
Hugo Riemann, der sich cinemas die Hegelsche Termiaologie aaeignete, Iain:
den: anderrsseits an Hauptmanns Theorie, daft die Zeitstruktur der Musik und
die Sukzcssion der Akkorde in der Kadenz nicht beriicksichtigt warden. Die Erklinmg der Tonan sci Jeider datum nicht vollstindig und hinreichend genieflbar, wcil sich Hauprmann nicht entschiiefun konnte oder aicht darauf wdiel, seine
Begrike van Okmveneinbeit, Quinmuzweimg und Terzeirrigwrg in dem zeit-
lichen Jocheimmder chenfalls auf2usuchen, ohne welches ein Tonm'ick nichr denkbar ist (.
). Er hat wohl die Zusammengeh6rigkeit der Akkarde in einer
Tonm begritfem aber durrhau: nick: die versdriedene Bedeutung dieser Ablumie
gegerseioarsder, ihre logische Bedeurung im musikalischen Satzgehige." 163
Hauptmanns Beschreibung des Kadenzvorgangs, in dam die I. Stufe Jn am gegengesetzte Bessimsmmgen zu sich" Erin, enrhilt in derTat keine Begriindung
der Sukzession IV-V und der Nicht-Umkehrbarkeit zu V-IV. .Dies geschieht durch zwei andere Dreiklinge, dem der Unter-Dominant und dem der Obn-Dnmimmt, von denen der erste den Gnmdton des gegebenen als Quint, der andere
dessen Quint als Grundwn emhilt, Dadurch kommt der zuem gesmu Drei-
klang mit sich sellm in Gegcnsuz oder Widerspruch, denn er in in der ersten Stallung selbst Oberdominam-, in der andem Unterdominant-Accord geworden." 166 Riemanns Einwand, dail sich an Hauprmanns Didektik nichts indern wiude, warm man die Progression I-W-I-V-I mit der Umkehrung 1AlrWI vertauschte,
triift jedoch schlieglich auch ihn sebst. Dag die authentische Kadenz I-V-I zwingender with als die plagale l-IV-I, ist nach Riemann in der Tnsache begnlndex, dail nicht durch IV, sondem ctst dutch V die Prim won I ,vollstindig mdring“ werde. .Dic unvollsandige Kadenz I-V-I Hing: voll und befriedigend, wihrcnd I-IV-I mager und kalt klingt. Wamm? well in der plagalen Kadenz der toaanliche
Grundtoa rmr vonibergehend aus Gmndton Quint wird, um sogleich wieder Grundton TU wesden, obgleich dun gar keine Nérigung vorhandcn in; in I-V-I
dagegen wird er vollsrindig verdringt, um durch die oberdomiumterz, den
Leinbn, gebieterisch gefordén zu werden." I65 Im c-Moll-Akkord ist jedoch fiir r'" M. Hluplmann, Die Natwr dn Harrmmik unddn MM, s. 25 5.1 w H, Riemann, hhssikahsche Logik, in: Priludizn nnd Smdien 111. mm; 1901, s. 1. m M. Haupursann, Die Nun derHarmomh ml der Metrik, s. 25. m H. Riemann, Meesihaliscbe Logik, s. 2.
Cogle
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2. Logan und Grammauh der Musik
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den Dualisten Riemann, den Anhinger Arthur Von Omingens, der Ton g Prim
und .czmre harsnonique", und Riemann ist darasm zu der Kanscquenz gezwungen, I-V-IV-I zur reguliren Mollkzdmz u. aklirm, dam einzig in IV (f-as-c) ist die Prim Von I (g) .vollnindig vcrdringt‘, und der Maori (as) Jordan gebieurisch" die Ram!" zum .czntre hannonique' (g) drs Mollakkords c-es-g. Die falsche Umkehrung, deren Nicht-Ausschlidhsng in Dur er Haupunann zum Vorwurf machte, wurde also Von Riemann in Moll Tur Norm erhoben.
Ndusdesn blieb ihm, da er den mitderen Schritl der Dialekdk an einem Akkord (IV) oder einem Akkordpar (IV-I) {When walla, nichts anderes
iibsig, als die Haupunannschen Kalegorien "unsnittelbare Einheit", .Emzweiung in sich" und .vmninelle Einheir" durch die uivial-dialehischen Begritfe Thesis, Antithesis and Synthesis zu ersnzcn. Und dabei vernrickte er sich voliends in Widerspriiche. Einerseirs definierte er: .Wir empfinde" Amirhese, sobald ein Ton des ronischen Accordcs seine Bedeurung Von Gnmdwn, Quint oder Terz wechselt." 166 ,Antitheu" wire demnach sowohl die Subdorninante (mil der
Prim der Tonik: als Quinn) als and: die Dominant: (mit der Quinte der Tomha als Prim). Andererseits soll jedoch in der Kadcnz I-rv-rt-va die IV als .antithe-
tisch" und die V als "ynthetisch" gelten, .Thcse ist die em: Toniha, Antithese die Unterdmninante mit dem Quartsextakkord der Tonika, synthese die Oberdo-
minante mit dem scbliaenden Grundakkord der Tonika; dmisch is: die Tonikz, antirhetisch die Unter-, synthetisch die Oberdominante." 167 Die Dialektik 16st
sich in die schlichte 1kststellung auf, dzB, sofem der Quimfall die primirc. nichsrliegende Akkordverbindung in, die Subdominante sich von der Tonika endernt und die Dominant: TU ihr zusisckftshrt.
Erweist sich damned: die Dialektik bei Riemann als terminolo#sxher Schein, auf den er spite: denn auch verzichtete, ohne zu begninden, wannm die Funktionalit'a't, mu sie keine Dialekrik mehr in, 1rherhaupt nod: als Logik gelum soll, so ist andererseits der Einwand gegen Moritz Hauptmann, dag er den Pro-
zefkharakter der Kadenz unberiicksichtigt lasse, nur partial] berechtigt, und
zwar insofem, als Subdominante und Dominant: in der Tat prinzipiell muschbar Vixen. Die Zeitstruktur - die ohnehin der Hegelschen Dialektik inherent
ist - ward: jedoch van Haupunann keiaeswegs resdos vemachCassigt, denn die
Kadenz, wie er sie versrznd, ist gewissermaNn cine "Geschiclue" der I. Sulfa, die
zunichs: unbestitigte, bloib gem": Tonika, dann Jn sich enuweire" Dominance
(zu 1V) und Subdominante (zu V) and am am Ende konkrm - durch die Subdnminzmp um! die Dmuimme, die do mlnmpllr Jar",yyaln'rluum Jw-rimmn‘ -
rri2L ist.
Iasgesamt lailt sich alluding: nicht leugnen, daB Hauprmann durch die Prozessualx'tit der Musik nicht selun in Schwierigheiten germ, die er weder eingestehen
'" H. W. tBerdss mmsihahscheHiirvrs, Leipzig 18N, s. 54. m H, Rim. hosikahsdeLrgik,S. 3.
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,7 - T
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as
IU. Die spam der Hirmanieiehre
mochu, noch lasm konnte. Chuakrerisrisch is: seine Erklirung der Synkopenoder Vorhalmdissonanz: der Dissorunzfigur, die In: einer unbetonten Vorberei-
rungskonsonanz (Sem e-c'), der Dissonanz (Sepdme d-c'), die akzentuiert sein muil, und derwiederum unbetonun Aui1iisungskonsonanz (d-h) besteht. Hauptmann inrerpolierte, um sein dialekrisches Schema anwenden EU k6nnen, den Ton
g, Von dem er behauptete, M er wihtend der Dissonanz (d-g-c') Jn sich entzweit" sei, wail er gleichzeitig ais Quinte des Grundtons c und m Grundron der
Quint: d wahrgenommenverde'". Die These, dag sich die dialektische Bem-
gung in einem Ton (g) ereigne, der in dem dissonierendra Intervall (d-c') gar
nicht enthaiten ist, wirkt zunichu fnppiereud und in dean such einzig unter den
Primissen des modemen Akkordsatzes, in dem ein Imcrvall immer tinem Dreiklang angeh6rt, iiberhaupt sinnvoll, w'ahrend sie nach den Krimien des Interval]-
sawes, aus dem das Phinomen der Synkopcndissonanz mmmr, absurd wire: Die
dissotierende Septime bun dutch den Bagton G, abet auch dutch die Miml56mm: f erginzt werden.
Mn emu Mugone aes momatzes: am negnn aes ttarmoatewecttseis oder des Fundamentscluias, begriindex Haupnnmn auch die Differenz zwischen
der Vorhals- und der Durchgangsdissonanz, Der Vorhal: ist akzenmien, wail von der Vorbereirungskonsonanz zur Dissonanz, aber nicht von der Dissonanz zur Aufl6sungskoasonanz die Harmonie fonschreim“! Mir anderen Woncn:
In dem Zusammenklang d-g-c' ist c' Vorhall, wenn der Akkord einen Akzent :rigt und einen Harmoniewechsel (C-G) erzwingt, dagegen d Durchgang, sofem er uaberont bleibt und die Harmorsie festgehalten wird (C). Jn sich entzweit" ist
alluding: der Zusammenklarsg d-g-c' in beiden Dissorunzfiguren, und man kann zweifeln, ob das dialektische Erklinmgsmuster - die Vomellung zines Jn sich
entzweiten' g - die korrelation zwischen Hanncmiewuchsel, Akzeatuierursg und
Besrimmung des dissonierenden Tons adiquat erfalk. Hauptmann ist sich der Trilmomeate, in denen die Logik des Prozrsses begriiadet in, dutchaus bewugt; aber seine Dialekdk reicht Mk sie nicht heran. Die Wechselwirkung zwischen den Tatsachm, dail die Harmonie wtchsell, sun licgenzubleibcn, dag der Ton c' als Vorhalt und nicht d als Durchgang wirkt und dail die Dissonanz betont und nicht unbewnt ist, enaicht sich dem Begriff des .in sich Entzweiten". War demnach Hauptmanns in Begriffe gefUte Logik anger als die der Sacha,
deren Wesen er bestimmen woihe, so krankte Riemann: Explikation einer Logik der Musik an einem Widerspruch, der umufhebbar blieb, solmge Riemann unter dem Einfluil des posidvisrischen Zeitgeistes daran festhielt, dail es m6glich sein miisse. die unmimlbar gegebene Einheit - den konsonanzcharakter - des Dur-
und des Moiidreiklaugs akusdsch-physiologisch MI beanden. Dail er - jedenfalls dreilahrzehnte ling - einerseits den Durdreiklang aus der Obenonreihe und '" M. Haupnnann. Die Nana der Humom'k wad der Metrik, S. 81. ‘5’ Ebenda, S, 378.
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T"'",
3. .Humonik' and .Harmoaielehre"
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den Molldreiklang am einer fiktiven Umertonreihe deduzierte, andererseits aber die Nebenstuien (II. III und W) als Jcheinkonsonanzen" oder ,Auffassungsdissonanzen" aldine '", also - um es in der Sprache Edmund Husserls auszudriile ken - zwischen dem ,rcalen" Komnanz- und dem Jnteatioaalen" Dissonanzcharalrter der Akkorde unmhied, besagt wissenschafistheoretisch, dzli er die akusrisch-physiologische Kansenanz einerseits als Fuadvnent der musikalischen ansah, sie andererseits jedoch zu einem biofkn Subaru: herabsetzte, das cm durch bategoriale Formung- durch die Tidgkeix des Bewuihseins - 1iberhaupt als musikalisches Phinomen konstituim wird. Als Riemann, nicht ohne Riickschlige, seit 1900 die akustischen Erklirungsver» suche allmihlich preisgah - also ihr Scheitem nicht ling" leugnete, veil er ihre
tJbedlassigheit akannle -. war der Weg zu einer von er1tgeger1gesetzten und sich "ssschliefUnden Anspnichen nicht mehr belasmm Bestimmung der musika» lischen Lngik frei. Zuniclm aber, in den 18NerJahren, klaffien die Intenriomen, die Riemann vcrfolgte, unvereinbar auseirunder. Einerseits war es seine erkline
Absicht, ,,die fortgeschriueae Praxis der musikalischen Composition in Einklang
Mt bringen mit den neucsun Errungenschafien der Akustik und Physiologic des Ohrs" '", Andererseirs ging er, als Schiller Hermann Lam, von der Unurscheidung zwischen Seiendem und Gelrendern-zwischea dem, was nach aaturwissete schafdichen Kximien Jst", und dem, was aufpurd Von Werdsegritfen .911“. ohne "sein" ao miissen - als einer philosophischen Primiss: ans, ohne die der Begriif der Auffusungsdissonanz gar nicht fonnulierbar semen vim (Der Strait zwischen Jacques Handschin und Heinrich Besseler, ob der spite Riemann Kantiana oder Phinomenologe gewesen sei, ist insofem irrelevant, als sich die ausschlaggebenden Kategorien yon Laue herleiten lusen.) J. Jfarmorrih" um! vHermonielehre" Der Terminus Harmonielebre, der den Ehrgeiz der Generalbagiebre ausdriickt, zu den Wissenschahen guild: Tu warden und am Prestige eiaes antikcn
Terminus u. parrizipieren, is: iquivok. Er bezeichnet einerseits cine Theorie, Von
der nicht feststeht, ob und in welchem Sinne sie als Wissenschaft gehen kann, an-
dererseits cine Handwerkslehre, deren Zusammenhang mit der kompositorischen
Praxis, In der sie den Zugang erschlieBen sell, gest6rt in, Und so verfehlt es
win. Thendc und Handwerkslehre schroif zu trennen. sie also den auseinander-
strrbenden Tendenzen zu leerer Spekulztion einerseits und blinder Empirie and; rerseits TV iiberlassen, so notwendig erscheint cs, sie unmiiherst'indlich zu unterscheiden, mu Verwirrung vermiedea werden soll. [m H, Rim, An: Frmktionsbezeickmmg, in: Josik-lexikurr, Leipzig 7/1909, s. 441.l m H, Riemann. mm Au mudkaliwbe Hm, s, n,
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III. Die Spalumg der Harmonielehre
Der Typus des Thearielehrers, der an den Konservatorien dominierre, in van Arnold Sch6aberg, nicht ohne Rankiine, mdichtigt worden, wcda 'lheoretiker
noch Komposirionslehrer zu sein. Zu bomien, um als Wissenschahler, und EU talentlos, um als Knmponist gelren TU annen, wrsuche er schlechte Theorie als
Handwerkslehre und schlechw Handwerkslehre ais Theorie zu maskieren. ,,Der Musiklehref, heiik es in Schiinbergs Harrmmielehre, ,schim: sich deshzlb, einfach sein Hmdwerk EU uaterrichten, wail es nicht sein Handwerk ist, sandern das under". Aber das will mm nicht eingesrehen, deshalb vergoldn mm, und so hat die Musik nicht, wie sugar die Malawi, einfach cine Hvtslserkslehre, sondem einen Theorie-Unrerrichrf IN Schisaberg verstand die Harmonielehre, die er schrieb, mit outrierter Besdseidenheit als bloge Handwerkslrhre. Auden Gegner der Konvention jedoch, wie August Hahn and Heinrich Schenker, Schlosscn gerade umgekelut die Hand-
werkslehre, den Untrrricht im Tonsuz, aus der Harmouielehre ans. Halm mu: sich nicks aaderes zum Ziel, als das ,,Verst'indai der normalsun Akkord- und
1ottarttolgeu, me aucn aer Kompl1zterreren mange und Mtyduiauonen" zu etschlieiUu; ,,die Anmdung freilich, und damit die Hauptsache, mug dem
User iibedassen bleihen' "s. Und far Schenker smells: sich, .irn Gegensatz zur lghre vorn Kontrapunkt, die Lehre von der Harmonie im ganzen als cine bloll geisrige Welt dar, als cine Welt von ideell treibenden Krihen, scion es natur- oder
kunstgeborene" '". Am deutlichswn trennren Hugo Riemann und Rudolf Louis die Harmonie-
lehre als Unterricht im Tonsatz Von der Harmonik als Theorie der Ton- und Akkordbeziehungen und -bedeutungen. ,,Die prakrische Harmonieiehre, die Einiibung der regelrechten Verbindung der Akkorde im mehrstimmigea Satae", schrieb Riemann 1882, Jst tin Theil der eigentlicher1 Kursstlehre, der Uaterweisung in der Technik der Komposition, die Lehre von der Harmonik dagegen tin Theil der Musikwissenschaft, speciell der musikzlischen Naturforschung, mit welcher die Kunstlehre nur insaweit etwas EU thun hat, als sie aus ihren posidm Ergelmissen Numen lichen kann."'" (Mit der Natur, die den Gegenstand der Harmonik bilder, meinte Riemann wrniger die Physikalische der Kling: als die
psychologische des perziprerenden Menschen.) Louis argumemierte wissenschdutheoretisch, und Twar in einer Form, die erkennen lat, dal) er, andem als Riemann, das Verhilmis zwischen ,,Natur" und .Geschichte" als das eigrmliche Problem empfand, als Problem allerdings, das er einsrweilen nicht zu liisen vermochte; Narurgesetze sind, sofem es sie in der Musik iiberhmrt gibr, unan-
P" [m [m s. V.] [m
A. Sch6nberg, Harmorrielébre, m, s. Ll A. Halm, Harmoniekbre, Berlin 1905, s. 105.] H, Schenker, Harrmmieubre, Stuttgart u. Berlin 1906. Nachdruck Wien 1978, H. Riemann, Die Naturder Hmik, Leipzig 1882, s. ISM.]
- Co gle
J. .Hismonik" und mHarattotsielehre"
99
tashar, Kursstregeln dagegen verinderlich. ",Ptaktische Wisseaschafien', d. h.
wlche, welche im Gasman zu den theoretischen nicht cine Erhermtnis ume-
ben, sondern auf ein Khmer, cine Iertigbeit ausgehea, giebt es nicht. Der Eiiastier
hat in technischer Beziehung Kurrstlebren, Weld): rein empirisch, ohne allgemeine und nothwcndig bindende Gihigkeit, gar nicht den Chasakter einer Wissenscluft, am wenigsun den einer philosophiscUn, beanspruchen karma,“ (Louis scheint gegen Moritz Haupmann " polemisierem) Jrarmorrielkhre ist T. B. keine Wissotscbafi; warden ihre GegenstMde wisserssdaMth behaudelt, so munch: die Human". welche, wie jede andere Wissenschah, nichts anstrebt als
rein theoredsche Erkennmis der barmonischen Beziellungen und der in densel-
ben sich méglicherweiye zeigenden Gum, wihrend die Harmonielehre gar keine Geseme, sondern nur Regelrs kessnt." m
Die Untencheidung zwischen der .Harmonik" als einer Theorie der Ton, und
Akkordbeziehungen ma -bedeurungen und der .Harmonielehre" als einem Re gelsystem der Satzrechnik ist scheinbar unverfirWh. Dem: oKenkundig batch:
zwischen der spekulariven These, am jeder Ton Him, Tem oder Quince einer Tonika, Subdorninaute oder Dominant: sei (Hugo Riemann), und der Sauregel,
dait Quismsparalleten und Dissonanzverdoppelungea vermieden werden sullen, kein Zusammenhang,der zwillgend wire: Die Kadeaziimktionen der Subdmniname und der Dominant: wisrden dutch QuinteaparaNen nicht gestr5rT oder gar
aufgehoben. (Die Behaupmng Moritz Haupunanns '", dag parallele Quimen vesschiedene Tonancn reprssmuieren, also F-, G- und C-Dur swan Subdominame, Dominant: und Tonika, ist haldos spekulativ0 Und der Grundton cine:
Subdominantparallele darf verdoppell warden, obwohl er nach Riemann cine
.Auffasmngsdissonanz‘ dantcllr. Anch reillt, mu die Jlarmonik" Von der
Psychologie der Tonvorselhmgers zur Physiologic der Toner/duet und zur Akuscik als phrsikalischer Disziplin zuriichgeht, der Zusammenhang mit
Regeln der Suzuchnik vollcnds ab. Dennoch ist die Trennung Von .Harmonik' und ,,Harmmtielehre" prekir.
Und dail Riemann sie immer wieder dutchbrach und sich gerade dadurch in Irrtiimer und Widerspriiche vexsu-icku, wirkt Twar verwirresui, ist iedoch versvindlich. In den Mingeln des vermitthmgsversuche stock mehr Einsich: in das - wie immer problematische - Wesen der Sache als in einer substanzlosen, wenn auch
iufkrlich unanfeclnbaren Isolierung.
Die Norwendigheit, Uberginge zu suchen, ist an der Subdominame demon-
strierbar. Dail sie der Dominant: vorauszehen und nicht folzen soil, ist eine Reed
der Harmonielehre, nan Gm der Hazmonik. Die Funkgon des Akkords aiir, die Riemann als von Natur gegeben ir1terpretierte, in van der Stellung in der
Kadenz keineswegs unabUngig. Der subdominantquintsextalrkord und der [m R. Lmis, Der WW in der Muilz. Lam 189y,S.3.1 T' M. Haupnnllul, Die NatvrderHarrumik Imd dkr Metrih, s. m.l
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100
m. Die Spairung der Harmonielelm
Dominautseptaklrord, die funhional mit den Grundformen der Subdorninante und der Dominate idenrisch sind, lassen sich in ihren Positionen nicht miteinare der vemuschen: Was bei den einfachen Dreiklingcn kdighch vermieden warden
soil, ist bei den Akkorden mit wharakteristischen Dissonanzen' schlechterdings unmiighch. Mit anderen Womn: Die huhriorsale Idendvi: ist bei den dissonie-
readers Akkordforsmm an cine satzrechnische Bedingung gekmiph und ist auf, gehoben, wenn diese nicht erfiillt wird. Ein Dominantseptakkord vor einem Subdominantquintsextakkord steht nicht nur als Dominanbe an falscher Stella, sondem ist gar hine Dominant;
Das Problem der Harmoniclehre als einer didaktischm Disziplin war die Kodifizierbarkeit. Und man kann geradezu sagen, dail es das Dilemma der Harmonielehre war, entweder keine Lelm der Harmonie oder keine Lehre der Harmonie zu sein. Solange man sich darauf beschrinkre, beaifferte Generalbisse in korrekrer Stimmft1hrung ausarbeiren zu 1assers - und in nichts andtrem besund bis zum Erscheinen der Harmonielghre von Ludwig Bugier (1875) die gew6hn-
ucn: umemcmsprms -, war me unmarxeu nurcn menr oaer minder mm Mgeia verbiirgt, aber Von einer Harmonidehre konure 'trmtggenotnrnen nicht die Rede sein, denn die Harmoniefiihrung war, sun geiibt TU werden, immer schon vorgegeben. Ging man icdoch dazu iiber, die Akkorde Wilden TU lusen, so war,
wie Paul Juon einwaudte, die Lehrbarkeit gefiludet, und die Harmonielehre wurde MI einer ihnlich ungewissen Disziplin wie die Melodielelue. Jadem wir jem aber zur Harmonisation uabezifferter Stimrnen schniun, sind wit darauf angewiesen, die Akkorde selbst BU wihlzn (. . .). Besximmte Regeln kennzn hierfiir nicht aufgemllx werden, and as bleibt dem musikalischen Ieingefiihl des Schiilers vollstindig iherlassen, das Richtige TU treifen." ITB Man konnte, um dis Dilemma gar nicht em enmehen TV lassen, wie Friedrich
Chrysander der Meinung sein, dill die Harmonielehre dem falschcn Ehrgeiz, die
Grenzen einer schlichten GeneralbaBlehre au iiberschreiten, nicht ssachgeben diirfe. ,Harmonielehre darf niernals mehr besagen, als Generalbaglehre, hierin
hat sie ihr Mall“ ITF (Der Thwrieverzicht aus praktischer Vanunf: liel alluding: einem Auiknseiter leichter als den unmitrelbar Bereiligten.)
Andererseits war es, wean man den Weg zur Ubung der Harmonie- stats der bloflen Stimmftihnmg em cinmal beschritten ham, cine naheliegende Konse,
quenz, wie Johannes Schreyer die Harmonielehre nus einer Rrgelpoetik in einen
Analysekurs zu verwandeln, dean sclbsdndiges harmoaischrs Denken erwichsr aus der Orientierung an Mumm, nicht aus der Umemrfung unter Norman, die
es msdem kaum gum (Es ist dmn Inch lain Zufall, dall Arnold Sch6aberg, der 1911 in der Harmonielehre die Erfiadung Von Akkordfolgen postulierte, spinr P" p. Juan, PtaktistheHarmonielehre, Berlin 1901, s. IN (m vgl. J, Schrryer, Lebrbu}: an Harmonie wad dir Elrmeratarkwrrposition, Leip-
zig 4/1919, S. 107.)
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T", -rT
3. .Hannonik" und .Harmorsulehre"
10t
seinen Kompositionsunterricht fist ausschiiegrsch in der Form Von Analysekur-
sen mum) .Die Analyse musikalischer Meisterwerke", mm: as 1911 in Schrcyers Lehrbuch der Harmonie und der Elementarkampositiom .bildet das Ziel und
den Mindyunkt unsm Lehrmethode." m (Das Buch butch: zu einem groikn Teil m einer Analyse Von Liszts Ewst-symphonie.) In dem Angenblick allerdings, we die Harrnoaielehre aus dem didaktiscken
Ghetto ausbrach und sich - sun einen Tonsuz 2n Eben, der eine eigene, rnlitity
bemde musikalische Sprache bildetez cine Sprache, deren Herkunft ans einem Lehrbuch der Harmonie ebenso unverkennbar war wie die des Sane: Jioksares ist ein Mensch' aus einem Lehrbuch der Logik - als Sammlung von Analysen der konspositionsgeschiclulichen Wirklichkeit stellte, belastete sie sich mit dem Problem, den gcschichdichen Implikationen der Harmonik wenigsxcns in groben Umrissen Rechnung mgen " miissen. Die Schwierigkeiren beginners herein mit dem Harmoniebegriif. Man kann natiirlich nicht em, dill cine Harmonielehre, die immerhin cine Lehre bleiben und sich nicht in Geschichrsschreibung
verwandeln sollte, den terminologischen Probiemea, die sich rasch als sachliche erwiesen, unbefangen auf den Grund ging, einen Grund, den sie vielleichr gar nicht haben. Doch lieil Gottfried Wilhelm Fink, einTheoretiker mit historischem Sinn, in seinem System der msrsihalischen Harmonielebre (1842) die Schwierigkeitea, deuen er dann auswich, zunichsr wenigstens durxhscheinea. .chn mehrere
Sdmmen mit einmder, jade derselben in anderen melodischen Tiinen, oder in einem von jeder andern Stimrne "rschiedenen Tongauge forrschreitem wodurch
sie selbstimlige Sdmmen warden, erhalren wir eine real: Mehrstimmigkeit, So frei
und nngezwungen auch jade einzelne Stimme in ihrer besonderen Weise fort» schreiten mag oder forrzuschreiren scheim. so miissen doch and: alle in Von einauder abhiagiger, gesetziich geordneter Beziehung erujaen, ohne welche Ord. nung nur ein wines Chaos, aber keine Harmonie derselben in die Erscheisumg tram kiinnre. Gebea nun mehrere selbsandige Sdmmen ein nach gewissen Ge-
setzen geordnetes Zusarnmenklirsgen, so hells! dies ein Akbord. Eine geordnet forrgesetzte Wrbindung solchcr Akkord: ist eigendiche Harmonie, welche Begriife jedoch im Leben oder im Mchtigen Gasprich nicht sehen miuinander vartauscht warden, so dag man oh einen einzigen Akkord schon cine Harmonie nennt." uv Dd die .gesetzliche ordnung" der Stimmen auch in einem Kontrapunkr bestehen kann - und paniell im modemen Tonutz immer noch besreht -. dcssen Prinzipien die des Inrewallsztzes und nicht des Akkordsatzes sind, ist eine
Tamche. die Fink isewissermaBen iiberwrirust. Die "esetalich zeordnele Bezie-
hung" L, stimmeimanifestier, sich stsr'ihn,%rt iniirervaiien"ind Intervallfolgen, ausschlieBlich in Akkorden und Akkordprogressionen. Und m: bench: die ,,eigentliche Harmonie" nach Fink-wie nach dAlembert - nicht im einzclnen [m Ebenda, s. 114.] [m G. w. Fink. System der musikalinbm Harmonielebre, Leipzig 1842, s, 66.]
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V
-
m
111, Die Spaltung der Harmoniekhre
Akkord, sondern in der Verbindung Von Akkordcn. Die Vermuschung der Be-
pike aber, die er beklags, ohne sie au erkliren, ist nichts weniger als ein Zufall. Nur der einzelne Akkord - sei es der Durdreiklmg, der Dominanrseptakkord
oder der Dmnirunrnonenakkord - lid? sich, wie man glnubm, nus einem .Naturgesm' - dem Mitschwingen van Oberu5nen aber einem Grandma - drduzieren
(wenn auch in der Form eines 1khlschlusses). Dagegen lies! Akkordverbindungm im didakdsch giinstigsten Fall eine ,,Kunstregel" zugrunde, urn mit Rudolf Louis " sprechen, und nach Paul Juan nicht dnmal cine Regal. sondem nu: ein Gefiihl
fiir das Richn'ge, das man bei tinem Komponisun vorausnun dad, aber nick! bei einem Mepun, so daft die Harmonielehre sich als Lehre seibst auflsebt, sobald
sie um eigentlichen Gegensund, die Erfinduag einer HasammiefiGrung, "
edassen versuchx. Ging man aber, da man sich - aulurhalb der Rameautadition, die im 19. Jahrhunden vor allem Simon Sechter repr'iseutieste- zu einer Theorie der Akkord-
mbindun en nicht fihi fiihite aus Vcrlcgcnhei: von einer bloiUn Dustellung cmzunm', lsuncrwr mum: aus, an: an Hyman.“ wgcnslucn zu um cummfiihrungsregeln der Generalbagkhre bilden sollre, so yerstrickte man sich in die
Schwierigheit, den .eigentlichea" Akkordbegriff EU mg und den omeigentlichen" EU weir (men zu miissen. Johann Anton André (Lehrbuch dkr Enutzhum, Teil 1, 1832) unrerschied nicht wenigcr als neun Gruppen yon Akkordcn: LStammakkorde (zu denen er auiler dem Durdreiklang auch den Dominantsepmkkord zihlte), 2. abgeieitete Akkorde (Umkchrungen), 3. nachgebildete Akkorde (mit Kleiner Terz oder groan Seprime), 4. uneigemliche Stammakkorde (Nonen-, Undezimm- und Trcdezimenakkorde), 5. Retardariousakkorde (Synkopeadissoaaazen), 6. Primmanzakkorde (unvorbereirme Vorhalze), 7. durchgehende Akkorde, E. chromarische Akkorde, 9. enharmonische Akkorde. Die logischm Defekte der Klassifikarion sind otfenkandig, sullen aber keine zufilligen, sondem - als lndizien ursterdriickter Problem: - syrnptomadsche Mingel dar.
1. Wer die mNatiirlichkeit" (das thr nicht immer: den ksmsonanzcharakrer) des Dominantseptakkrrrds behaupm - wager: der Ableizbarkeit aus der Parrialmnreihe -, kann die des Dominantnonenakkords eigendich nick: leugnen. Der Nonenakkord aber erfirllt, da er nur began: umkehrbar ist, nicht die satztechnische Bedingung eines Jitamrnakkordes" im Sinne von André- ein Dilemma, das
sichim der verlegerheitsvokabel ,.uneigemlicher St.ameak.korf ausdruckl 2. D: unm den DreiklingenT" der ,.hane“ tin-
. e ent-
halteaer - "igerstlicher Stammakkord" Ist, muB der .wuche' als .Nachbildung'
erklin warden, obwohl er satzushnisch gleichberechdgx ist. 3. ma kontrapunktische Bildungen - 2.. denen auch der Undezirnenakkord warm warden mug, da er im allgemeinen nichts anderes als ein Dominantseptakkord iiber dem Tonhtundron als Orgelpunkt ist - als Akkorde kUssifiziert mam, in die verwirrmde kousequenz eines Akkordbegrufs, dessen .physika-
Co gle
3. .Hanmnik' um! .Harmonielehre"
103
lische' Grundlage EU schmd ist, als daft sie eine Harmimielehre Inga: kihutre,
und dem andeserseits der Mckhait an einer Theorie der Akkordverbindungen fehlt, ohne die sich der Untesschied zwischen einer ,,wesentlichea", harmonieeigenen und aim .zufilligen', harmoniefremden Dissonanz nicht fonnulieren lat. 4. Die Enhmonik konstiruim nicht cine Klasse yon Akkorden neben der
Chromadk, sondem laih dieselben Zusammenklinge ulnar einem aaderea Gesichtspunkt, dem der Akkordverbindung sun der Akkordsuukrur, erscheinen ein Sachverhalt, der unkmndich bleibt, wean man wie André Progressioaen nicht
beriscksichtigr. Chromatisch ist der aber-name Dreiklzng c-e-gis durch die Alteration m g 111 gis, enhannom'sch durch die Umdeutung 2.. c-e-as, deren Kriterium die Fomnzung (die Aufh5suog Von e nach f start von gis nach a)bildet.
Die ,Harmonik“ als Lehre Von den Ton- und Akkordbeziehungeu und /redeu. mugm in im allgemeiuen einerseits physikalisch oder physikalistisch and ande mseits satztechnisch fundim Worden, ohne dai' der Sinn and der logische Status
der divergiemnden Begri'mdungsyersuche mit geaiigender Klarheir bestimmt und
explizim warden Winn. Man helmet: sich viclmehr mit Schwierigkeiten, die
iiberfliissig warm, und lid andermseits wndiche Problem: auger achr, weil man ihre Bedeuamg und Tngweice nicht erkanme oder cine Lisung nicht TV sehen vermochte. Wer das Bild, als das sich die Musikrheorie des 18. und 19. Jahrlurnderts einem
nickblickenden Historiker priscmien, am Beispiel der vergeblichen Bemihungm, den Mollakkord unter den Primissen der Naturklzngtheoric zu erkliren, ausmalen wide, kime zu dem irritierenden Resulur, dad Von einer in sich
zusammesiungenden Enlwicklung im Sim): einer Wissenschahsgeschichre, in der nicht nur L5sungea ans Problem, sondem Inch umgekehrr Problem: aus Lésungen hervorgehen, scblechrerdings aicht die Red: sein kann.
Die wesentlichen Theorem: sind bei Jean-Philippe Rameau, der seine Idem
mehrfach ausmuschre, herein vorgebildes. Er operierxe erstens (Trait! dc Pharmarrie, 1722) - wie Gioseffo Zarlino - mit einer biotun Verxauschung der unuren
und oberen Terz der Dreiklinge"', zweitens (Ginératior' barmorriasre, 1737) mit der - m. d'Nembert widerlegten und darom yon Rameau preisgegebcnen - Hyporhese, um; die Unter-Duodecim: und die Ursrer-seprdezime einer t6nenden Saite mitschwingrn, worms der Mollzkkord resultieren wiirde "3, driaens mit
dem IO., 12. und 15. Panialwn, also e''-g'-lf iiber c (Nouvelles reNxiorrs m le
Principe xanare, 1760) “k
P" Rameau, Tmizz', l. Bach, r. Kip; De la Division Harmoniqne ou de l'Origine des
accords, s. m1 I'" Rameau, Géiréhstion harmoniqut. 3. Kay; Origin: des bonus de l’Harmonie a de " Mon . . .. s. M. Zur macaw; dnrch d'Alemben Tl. H. Riemann, Die Nun dir Hannoruh s. 169.] I'" Ramm. warllu r#uxunswrleprittdPestmore, Pvis1r60,s.2Gr.De1a Proporlion triple.]
c-
Ccrgle
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2
7,
104
m. Die spur“; der Hanmmielehre
Im 19.rahrhunders wurden dann, sei es einzeln oder gebiindeh, noch einige Theoreme - die sich gegenseitig nicht immer ausschliaen - hinzugehigt, und zwar vicmns die Annahme eines doppeltm Fundamems (Hermann von Helm-
holtz): c-u-g sei nus c-g und erg mit den Grundt6nen c und es zusammengesem "s; fiinhens der Rekurs auf den gemeinsamem "phonischen" Obenon g" der Akkordtiine c, es und g (Arthur Von Oettingen) '"; sechnens die Usung des Mollakkords Von oben nach unlcn, die umer der Voraussetzung, dag die Quint: and die groile Terz die ,einzigen direct verstandlichen Imervalle sind", den Ale kord c-es»; aus dem "centre hannonique" g durch die Tonbeziehungm g-es and g-c hervorgehen 1am (Moritz Hauptmann, Hugo Riemann) "'; siebrens die Annahrne einer Alteration oder ',Triibung" des Durdreiklangs Turn Molldreiklang (Hermann von Helmholtz) m; achtens die - von der Gleichbercchtigung der Akkorde ausgehende - Hypothese, dag ein und dasselbe Zahlenverhilmis 4 ' 5 z 6 sowohl dem Durdreiklang (Schwingungsfrequenzen) als auch dem Molldreiklang (Saitenlangen) zugrunde liege (Hugo Riemann) m.
w: .ucscmcnm’ oer smznenen Dei7unutmgsversuct1e Descent emuscus m deren Hiufung, andererseits darin, dail man irgendeiae Erklirung adaption: und willkiirlich die cine oder andere iltere Hypothese herausgriff, um sie - was niemais schwerfel - zu widerlegen. Es mull darum geniigen, die wesentlichen Bin wind: - unter Vemachlissigung der logisch oder empirisch untrifdgen - aneinanderzureihen. Denn an: der Nststellung, welche Erklirungen van den einzelnen Theoretikern ieweils akaeptiert und welche abgelehnt, widcrlegt oder ignorien wurden, ist ein sinnvolles .Muster", das sich als ein Stiick Wi-hah-which: darswllen liege, nicht rekonstruierbar,
L Die Feststelluag, datt die Tenen vertauscht warden, ist cine Beschreibung, aber keine Erklirung (und die eigentliche Begriindung bench: denn auch bei Zarlino im Rekurs auf Proportionerth 2. Die Unterurureihe ist eine Fiktion, die Riemann jahrzehmelang auf verschie» denen Wegen und in wechselnden Umformulierungen MI mun versuchte, schlialich aber preisgab. 3. Die Ptrtialt6ne f-r-li' (10:12:15) kiinnea, da sie sich auf c und nicht auf e
beziehen, schwerlich als Begrirndung des e-Moll-Dreiklangs gelten. 4. Die Annahme eines doppelten Fundaments wird der Einheit - genauer: der
[m H. Von Helmholtz, Die Lehre van den Ttmerttpjitrdursgerr, Braunschweig 4/1877, amm.) mu " A. Von Omingen, Hsrmorriesystem in dual" Erstwirkelutrg, Dmpal u. Leipzig 1866, S.324
P" Sigh: mm 79.] [m H. van Helmholtz, Die my. van den Ttvtempfrrdwrgem s. 479 mad 488 f.1 [m H.Wernann, Das mum dc; barrnorrisdters Dualimux, in: NZfM IN, ms, S.43.]
Cogle
'c,
T'',
3. .Hmnnnik' und mHarmonielelsre"
105
.Einheir der Klangbedeutung" (Hugo Riemann'") - des Molukkords nicht gerecht.
5. Der Rekurs auf einen gemeinsamea Obenon bedeutet eine Verdreifachung
des Fundaments, unterliegt also dernselben Einwand wie die viem Erklirung.
6, Die Lesung von oben nach unten widerspricht der Wahraehrnuugstatsache,
datt and: in Moll, nicht anders als in Dar, der daisu Tort als Fundamem erscheim.
7. Die vorstelluug, dag Moll tin getriibtes Dur sei, ist mit dem satztechnischen Sachmhal: einer Gleichberechtigung der Akkorde nich: Vereinbar. 8. Der Gedanke, dd die Proportion 4:5:6 cine sowohl auf Schwingungsfrequenzen als auch auf Sairenlingen anwendbare Srmkrur mit Erklirungsfunkdon
sei, hank: erstens an dem Mangel, dag Frequenzen und Sairenlingen verschieden: Aspelm desselben Phinomms sind, sich also nicht auf den Dur- und dea Molldreiklang vermilen lmen, und erscheint zweitens wissenschahstheoreu'sch als sehsam osnzeitzetngiler" Rickfall in die olatonisch-ovrhazoreische Metaolw-
sik der Zahl. Insgesam: sind die Aststrengungea, den konsoaanzcharakter und die Gleichbe rechdgung des Mollakkords TV ukliren, ein vergebliches Opfer, das einem Vor-
umil - der phrsikalistiscben Fiktion von der Begriindbarkeit der Harmonik durch die Naturroureihe - gebracht wurde.
Urster den Schwierigkeiten, in die man sich durch die Namrklangtheorie
verwickelte, erscheint jedoch die Verlegenheit angesichu des Molldreiklangs. obwohl sie am auf%lligsten ist, nicht einmal als die entscheidende. Die .Hannonik' in, wie guagt, cine Theorie der Akkordzusammenhinge und -bedeumugen, nicht nur der einzelnen, isolierten Akkorde, und sowohl Rameau als auch Helmholtz und Riemann warm sich der Tatsache bewugt, dail die Naturklanpheorie dea Anspruch, eine Erklirung der Lonalen Harmonik ml sein, em dann erfiilh, venn sie auger der Struktur der Akkorde auch derm Beziehungen und Verbindungen, munindest in den Grundziigen, verst'indlich machen kann. Man lieg sich alluding: auf das Problem, obwohl man es sah, nur Mchtig und gewissermagen im Voriibergehen ein. Rameau erkline die authentische Kadenz, die das Modell der tonalen Harmonik bilda, durch die Hypodsese, datt der Dominantakkord, der in der Parrialronreihe des Tonikagrondtons enduken ist (9: 12: 15), in der Progression zur Tonika glcichsam zu seinem Ursprung zuriickkehre"l. Doch macht die Vorstellung, dail die Dominante cine Implikation der Tonika sei, eher 4:. '""""'""6 v-44 1... L l 1.“. v. .I. A """'"""""6 um 4.. c...t. L. u]: vuu um ‘1; MAC um un Lu: ..T Jun: ncgreiflich. Und Heinrich Schenker bestimmte darum, indem er Runeaus Theorem ins Gegenteil verkehrtr, IN als s,natiirliche", in der Naturtonreihe vorgezeich-
r"'' Sick: Arun, 2194 [m Rameau, Nauwau syst'eme, 7. Kap.: Des Modulations, mi il cu parlé des Cadences,
s. 37-424
Co gle
106
Ill. Die Spalmng der Hasmoniekhre
nete Fortschreituag, WI dagegen als kiisstliche .Invenion" M. Schenkm These ist jedoch, abwohl sie den phrsikalistischen Ansatz in seine naheliegrnden Kon-
sequenzer1 verfolgt, ph'a'aomeaologisch fragwirrdig, wail sie der Edam; wider-
sprichr, dag die "sthentische Kadenz V-I cine unmindbu einleuchrende Forlschreitung und nicht cine kiinsrliche .Inversion" ist - August Halm nannu den
Quintfall das "Axiom der Bewegung" m.
Hugo Riemann, der von Rameau den Gedanken iibernahrn, dag es die mar.
liche Tendcnz des Teils (der Dominanre) sei, zum Ganun als scinem Ursprung
(zur Tonika) zuriickzukehren - und nicht ctwa, wie Schenker meinte, aus dem
Ganun herauszuwachsen -, war bei der plagalen Kadenz mit damelben Problem
einer kiUstlichen Jnversion" konfroatierr, dam sich Schenker bei der authentischen Kadenz gegeniibersah. .Die Bcdeurung der Unterdominante in But in also
ein Widerspruch gegen die Bedeutung der Tomb, dean diese uschzim gegeniiber der Unrerdominanw als ein Theilklang; der Tonarthauptton ist Quint der Unterdominzme, dad aber nicht als wlche gefaik warden, wean er nicht seiner Bedeu-
rung verlusug gehen soil - daher das Lietiiht der Spannung bei der Auttassung der
Unterdominanre. das auch durch den einfachea Riickgang auf die Toniha nicht
vamg gehoben wird (Prwlschlufi, Gegenqmirrtschl% Gans anders bei der
Oberdominame; diese erscheint als Theilklaag der Toaika, als ewas ihr untergr
ordnetes, auf sie bemageties, der Riickgang von dem bezogenen und zwar ohne Wulerspruch bmgenen Klange zum Hauptklange ist als aufgehen des Theiles im Ganun, als Zun'ickbildung bcfriedigender SchlulS (aurhemischer Schlug, sandy. tn Qitrttsdtl4)." 1"
Angesichrs der entgegengesetzten M6glichkeirem das EntUlten-Sein der
Dominanm in der Panialtoareihe der Tonika mtweder als JEerauswaclssea" Oder
als Juickkehr zum Ursprung" TU interprederen, ohne am sich die Wahl der einen oder der anderen Mmpher mam als durch Festsetzuag eines ',Axioms" begninden liar, erscheint das physikalistische Verfahren, Akkordverbindungen RUS der .Namr des Tones‘ zu deduzieren, wenig plausibel - noch wenigu als die Ableirung einzeluer Dreiklinge (an demo Fragwiirdigkeit die Erklirung der Progres-
sion V-l oder IN auikrdem partizipiert). In dem Maile, wie der Vusuch, die "Harmonik" physikalisch zu fundieren,
fehlsch1'ats oder sich als uagenagend erweist, greift nomendig das :ntgegen-
geseme Prinzip, die Begrandung aus der Satztechrsik, um sich. Und bei Ra-
meau 1113! sich beobachten, wie er zwischen den Miiglichkeiter1 hin und her Wechselt, ohm dd feststiinde, ob es sich dabei um ein unsicheres Schwanken Oder um die Ahnung von Korrelau'onen zwischen zwei Seiten dersehen Sacha handeh.
P" H. Schenker, Harmorriekbrv, s. "f.l P" A, Hahn, Harmorrielkhre, s. 15.) [m H, Riemann, Nene Stbule an Melodih, Hamburg 1883, s, 150m
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_ 7
,7
J. .Harmonik' and .Hannoniclehre"
107
Wenn man, wie Rameau, die Satzregel, daa beim Trugschhdl (,.cadence rompue") V-VI die Tera - und nicht der Grundron - der VI. Stufe verdoppelt werden sell, wegen der Abweichung von der Norm der Grund. ode: Quintwnverdoppelung als Zeichen interpreters, daB die Tera der eigendiche Grundxon und der scheinbare Grundton in mhrheit cine supponierte Tera sei, so is: der logische Status der Erldirung nicht eindeutig und wird dutch die verrgterische Nebenbemerkung, dag die Terzverdoppelung zugleich cine Quintenparallele venneiden
helfe, vollends unkkr. Der satztechnische Sachverhalr (die Terzverdoppehmg), fiir den die sautechnische Begriindung (durch den Zwang Eur Vermeidung Von Quintenparallelen) doch zunichsr cinmal ausreicht, soll andererseits und dariiber
hinaus als Bestitigung einer funktionzlen lama: der 1. und derVL srufe gelten: einer Idenlitil, die in Rameaus System - anders als spam bei Riemann 'us an -
Priming resultiert, dag Sekundschritte des Fundaments (V-VI) auf Quintschritte
(V-i) zuriickgefthrt werden miissea, veil die These, dag ausschlieGcl, die Quinte and die Terz real: Fundamentschritte seien, die Konsrruktion einer strik-
ten Analogie mvischen dem Prinzip der Akkordverbindung und dem Prinzip des
Akkordaufbaus - und eine Ableitung beider Prinzipien aus der Naturumreihe erlaubt Oder zu erlauben scheint. Erst der systemarische Zusarnmenhang, der ingeniiis genanm warden darf, liilt
die einzelnen Theorems, die hir sich genommen zum m wenig plausibel sind, versandlich werden. Und zwar beruht die Vermittlung zwischen physikalischen
und sarztechnischea Erklirungen in der skizzierren Argumentation erslens auf der Annahme, dag der Durdreiklang dadurch begriindet werde, dag er in der Par-
tiaitonreihe minim. ist (einer durchaus fragwiirdigen Annahme), zweitens auf der 1Construktion einer Analogie zwischen der (wnikden) Strukrur von Drei-
Idingm und der (horizonulen) Progression von Fundamentschrittea (cine: Konstrukdon, die sich dariiber binwegsetat, dag das Analogieprinzip des Mitrelahers
als Denkfonn mit wissenschaftlichem Anspruch lings: ausgeh6hlt und verbhlir war, und die auiberdem " komplizienen Hilfshypozhesen bei Sekundschrinen der Base fondarnenule zwingt), drirtens auf der Voraussetzung, dail die Sautechnik in dem Maile, wie sie auf natiirlichen Grundlagen aufbaul. ihrerseits um-
gekchn cmpirische Besarigursgea der spekulativ erschlossenen - und anders gar nicht erschliefharen - .Nztur der Musik" liefen. (DUI nicht das Enthahen-Sein
des Durdreiklangs in der ParuUltoareihe, wohl aber die Behauptung, am das Emhalten-sein eine Begriinduag der musikalischen Existenz und Bedearuag des
murdrailclanu danrpllr, Durand" nirhr umuiml. _, sri, - pine mpkulnivp anmlnpce ‘Jr
lich eronen zu warden. )
Die schwierigheit, dag die Behaupmng aims Begrihtduagssusammenhangs zwiscben spekulariver .Hasrnonik" und satztechnischer Empirie ebenso prekir ist wie die Leugnung, kehm andcrthalb Jahrhunderre nach Rameau bei Hugo Riemann unter verindenm sachlichen Wraussetzungen, aber mit ihnlicher logischer Struktur winder. Die Funktionstheorie erweisr sich nimlich. tron entge-
Co glc
108
111. Die Spalmng der Harsnonielehre
gcngeselzmr Versicherungen, als spekulatives System, das nicht durch Berufuag
auf satzrrchnische Phinomene, sondem cinzig dzdurch zu rechtfmigen ist, M es den wnalen Zusammenhang der Akkorde - iedenfalls vorliufig und bis zur Vcrdringung durch cine triftigere Theorie - zu crkliren vmmg. Die Bemiihung, die satzeclmische Rdevanz der Theorie au demonsuieren, sci es and: gegen den Widerstand der Faklen, film: zu seluarnen Verzerrungea der musikzlischen Wirklichkeit, sowohl bei Riemann selbst als auch bei Anhingem wie Eugen Schmitz und Stephan Krehl, die var extreme“ Konsequerszen nicht msnickscheuten, um die Korreladon zwischen Empirie und Spekulation zu mun. Riemann legitimierTe die Quinteaparallele [-c”/d-a' in C-Dur mit dem Argument, daft d Ersarzron hir c, also d-a' - c-a' ein bloller Lagenwechsel Von f-c' sei (Ex. 16): Jhe Ex. 16
f,
Accentquinten des drinletzten Takes (f ' o sind so schlecht wie oifene, abet die oifenen Winn in diesem Falk seibst nicht schlecht, Dean (. . .) die JRartschreituse gen eines Akkordes EU seinem Tenwechselklang" sind Jherhaupt zu behzndeln wie Lagenwechsel desselben Akkordes." "s Schmitz meime, die Quiarenparallele
c-g/d-a sci immer dann legitim, wenn mm c-g als Grundlon und Quinte der Tonika und d-a als sine aioutée und Tera der subdominante auffasse, denn durch
die Divergenz der Torhedeutungen werde die "a'ufUre Parallel: zu einer logischen Scheinpanllele 196. Und krehlt" mg aus Riemanns Theorie der chmkuristischea Dissouauzen die Folgerung, dai; die regulire Aufliisung des - von oben nach unun gelesetsen - Subdominantseptakkords a'-f'-d'-h der Tonikadreiklang a-c-e-a sei, da an: dem konflikt zwischen Subdorninant- (d-f-a) und
r"' Ebenda,5‘4z.] P" E. Schmitz, Harmortielebre " Theme, Astbetik and Gewbiebte der rmssikalischer, Hnmmnik, Kempren u. Mrsnchen 1911, s. 123.] F" k Krehl, Harmmsielebre, Berlin u. Leipzig 1922, 5.9211]
Co gle
3. .Harmonik“ und "Harmoaielehre"
109
DominanrbestandteiUrt (h) die Tonika als vermittelnder Akkord hervorgehea musse. Erkmm man den Versuch, die Funktionstheorie sarxtechnisch Tu stiitzen, als verfehlt, so bleibt - wenn man darin nicht die Widerlegung der Spekulalion durch die Empirie sehen will - nichts andrres iibrig, als den Iogisch-wissenschahstheomischen Status der ,,Harmouik" von Grund auf anders " interprmieren als Riemann. Es wire, obwohl Riemann den Weg nicks einschlug, prinzipiell mEglich gewesen, den Eindruck sings ronalen Zusammenhangs zwischen Akkorden als schlichte Erfahrungsutsache und die Funktionstheorie als deren Erklinmg, und
zwar als hypothetisch-spekulative Erklirung, zu versrehen. Sm: also zu bahaupten, dail der Ton d der Subdominarirparallele d-f-a als Nsffassungsh'ssouanz .gchart‘ wade - was schlechterdiugs nicht der Fall ist -, kann man sich auf die schwichere These zuriickaiehem dUl die wahrgenommsne, fir Riemann als Phre nomm evidence Funktioasgleichheit van subdominantparallele und Subdominame durch den spekulativen Begriff der Scheinkonsonznz oder Auffassungsdissonanz vod'iufig and bis auf Widerruf :rklirt werde (und zwar so lange, bis sich cine plausiblere Begriiadung des Phinomens seigr). Problemarisch wire dann nicht mehr der Begrrmdungszusammenhang, der eingesranden hypothetisch ist, sondem lediglich die Behauprung, dill der Subdomiruntparallele und der Subdo-
minanw "vident" die gleiche Funktion zugrunde liege. Die .Lehra von den Torworstellungen", der Riemann 1914 im Jahrbuch der Musikbibliodlek Peters cine Fassung gab, die ihm endgmrig erschien, ist in den Grundzrsgea herein: drei Jahrzehate fn'iher, in dem Vomag Die Nana der Harmonile (1882), formuliere Worden. Riemann geht eiaerseits davon aus, dag wir einzelne Tiine oder Intervalle als ,,Vertreter" von Dreiklingen haren, und schlieik andererseits ans dem Scheitern der physikalischen Molltheorien, dail cine Psychologie der Musik unabhingig von Physik und Physiologic begriindet werden km and mug. .A. v. Crdngen hat abet dem Hehnholtz'schen Begriff der Klangverxrctung dadurch cine beispiellose Tragweite gegeben, dall er neben dem Dur-
akkorde auch den Mollakkord als einen wirklichen Klang hinstellr, als dessen Vermr ein Ton auftreten kann. Das Princip der Klangvcnretunggehiirt nicht mehr
in die Physik, auch nicht in die Physiologic, sondem in die nycbologie. Wenn es
sich in: der Erfahrung erweist, dail wir ebenso im Stand: sind, einen Ton als Ver-
trem eines Mollakkordes zu verstehen wie als Vemuer eines Durakkordes (ohne dag der cine oder der andere Klang wirklich erblingt), so ist das ein wissenschaftliches Fakrum, auf walchu so vu: weiter aufvehzm warden lunn, wie an! die aku,
stischen P a'nornenc. Sind wir em BU dieser Erkennmis durchgedrungen, so kiimnterT uns die phrsikalische Begriindung des Mollakkordes kaum noch. (. ' .)
Darth die jiinipten Fonschrim der wissenschahlichen Erkennmis ist die Hannonielehre aus einer Lehre von den mathematischen Verhilmissen der musikalischen Inrervalle zu einer Lehre mm den Torrvoruellwrgen and ihrer Verhrriiphmg geworden, wihrend die Akustik und die Physiologie des Harem die Bedeutung von
Co glc
no
UL Die Spahung der Web»
Hiliswisseaschafien wiedergewoaaes1 habea, die ihnen gewii) gebiihrt und die sie
vom Sundpunkte des Musikers ans gewig Emmet nur gehabr haben." IN Die Psychologie der Musik, die Riemann der Helmholtzschen Physiologic enngegmsetzxc (ohm der Differenzienheit der Helmholtzschen Theorie gaecht zu warden), war mit der musikalischen Logik, die er postulierre, idendsch; dam
umer Logik venund er, in CJbereinstimsmusg mit der Schulphilosophie seiner
Zeit, Naturgesetze des oormalen" - wade! in der Entwicklung gehemmten noch durch Krankheit guriimn - menschlichen Denkens. (Ob die Von Edmund Hus-
serl 1900 in den Lagischen Ursterssrchwrgers angebahnle Emanzipadon der Logik Von der Psychologie in der musikzlischen 1.ng nachvollzogen werden kann, steht nicht fest.)
Dail Riemann die Musikrhcorie Von der Physik und der Physiologie mack“, bedeutete nicht, dail ihm cine physiologische und in ietzter Insunz physikalische Fuadieruag der Psychologie iiberfliissig oder unméglich erschien, mam. ledig-
lich dag die Psychologie sun akustische Tatsachen einfach als musikalische hire
_ ugrcn a Lumusn, am ugwu mumpcwnz. nummn: annvcnluu: :nsnuu, um weitere, gleichsam in darunrerliegende Schichten der Wirklichkeit hinabsreigende Erklirung sich dann die Physiologic und die Physik berniihen miieters. Die musiulische Logik, die Riemann entwickelte, war cine Ixhre Von den Akkordbeziehungen und -bedeumngen. Und man kann, wean man von den nhlreichen Schwankungen in Riemann: Meinungen, Nomenklaturen und Chiifrie nmgssystemen absieht - also vor allem die Riickfille in den Physikalismus ignorien -, das Wesen und die Problematik der ,Lehr: Von den Torworstellungen" eiuerseits an dem von Moritz Haupu-nann abemommenen Axiom, dai) die
Quinte und die groile Terz die .einzigen direct "rsandlichen Intervalle'm
seien, andererseixs an der Theorie des mAuffosungsdissonanzen" und der
.charakteristischen Dissonanzen“ demonstrieren, Die Tom, Interval" und Akkordbeziehungen und -bedeurungen sind nach
Riemann - der darin mit Arthur Von Ocningen (Harmorriesystern in dude! Entwickebsrsg, 1866) einer Meinung war - durch ein Tounclz darstellbar, das aus Quinren und groilen Tmen gekmipft ist, ohne dais Hauptmaun, von Omingen oder Riemann sich der Unsdmmigkeit bewullt geworden wiiren, dag Interval]: eiaerseits als konstitutiv fiir die Akkorde und andererseits als an: den Akkorden sekundir herwusgeli'rst gelm sollea. (Die kleine Terz gilt als indirelrte, nicht als unmiuelbare Tonbeziehung: Der Ton es iiber c ist Umemn der Quint: g oder Quint: der Uaterterz as.)
Du Haupunannsche utuntcrerz-Ax1orn 15st std: - warm uberhaupt - emzlg
dutch die Erkl'iruugduktionen rechtfertigen, die es maul, denn Von “amine!hater Evidenz kann schwerlich die Rede sein. In der Theorie der Nebenstufen [m H, Riemann, Die MM dir Harmonik. s. 135m [m $ieheAsun. n]
Co gle
3. .Hamonik‘ and .Hannmsielehre"
tit
- einer fir die Exylikatioss tonaler Harmonik ausschlaggebenden Theorie - erwein
sich das Axiom jedoch als rsberfhassig, denn der Begriff der .Auffassurmsdissonans", der in Riemann: System die funktiorule 1dentirit der Haupt- und Nebere smien begrandea soll, in van dem Unterschicd zwischen .Dualismus" und ,Monismus' unabhiingig: Die Lsung des Mollakkords Von oben nach attten beeirdluik die An der Ableimng der Tmuhaparallele von der Tonika oder der Subdominamparalule von der Subdorniname nicht im geringstea,
Audererseits ball: die Annahme zines prthzipiellen Primats der ngen Tera gegeniher der kidnen ihr eigemliches Mode ein, sobald man - wie a Riemann iordeste -vom Physikalismus abriich: Emeline! man nimlich die Tatsache, dd die Heine Terz in der Panialmnreihe als Intervall iiber dem Gmndxon nichr vor-
kommt, als musikpsychologisch irrelevant, so liEr sich cine in sich geschlossenc und widerspruchslose .Lehre von den Tonvorsteihmgen" ohne die Komplikationan des J)ualismus" aus dem dnfachen und gendezu trivialen Grundsatz enrwickeln. daft "male Ton-. Intervall» und Akkordheziehunsrer, durch Ouinmn
some dutch mag und Heme Team bummer: wnden.
Zur Degrah'erung der kleinen Terz besteht, wenn man die Naturklangdneorie
preisgibt, bein Grand mehr. Und Riemann; Funktionslehr: knnkt an dem inneren Widerspruch, dag sie eine gegen den Physikalismus gerichme Dokuin dutch ein Axiom begriindet, das latent: physikalistische Ttnplikationen enrhilx. Es 153: also nahe. die Priimisse fallenzulassen und die .dualistische" Funktionsrhcorie .monistisch" umzuformulieren. Augerdern wire dann ein Problem ans dem
Wage geriiumt, das Riemann, obwohl er es immer winder muchle. niemals EU liisen vermochte: das Problem, m strer1ggenomrnen in C-Dur die Anerkrnnung
der wrerzyerwandren" Akkmde E-Dur and As-Dur als selbstadige, unmiuelbar
auf die Tomb bezogene Funktionen chemo Wagner. wie unvermcidlich er-
scheinl - unméglich, well die Fruit eine autheatische Kadenz E-Dur/C-Dur
oder eine plagale As-Dur/C-Dur nicht kennt, und democh unvermeidlich als zwingende Konsequenz aus dem Quint-Tera-Axiom, Die eigendiche Funktionstheorie - die Explikation der These, daii siirntliche Akkorde einerTonart, auch die sogenanmcn Nebeusmfen II, III mad VI in Dur,
Ausprsgungen der Tomb, der Dominant: oder der Subdominante sind - laik sich, wie gesagt, unabhingig van den Fragwiirdieheitea des Hauptmannschen
Axioms und des .dualen Harmoniesystemf hrrmulieren. Andererseits ist es
jedoch schwierig, mit dem Funkrionsexgriff cine fem immer gleiche Vorsmllung
_ vumnuu]. _ Wu: m: mnmgu-m grantA;us: unu-um naugun: m auenun‘gs cm: zu BigentiimlicbNir, die Riemanns Theorie mit ungezihlren anderen Syswmen uiln)
Riemann liilt es 1mentschieden, ob ,,Tonika", J9ornirunre'' und ,Subdorninante" Bezeichmmgen ausschlialich fiir Funkdonen Von Akkorden oder zugleich auch fiir Aklrorde sind. Die Differenz zwischen Erscheinuag und Bedeurung,
Priscnum und Repr'isentierem wird in der Schwbe gehahen. Und die Doppd-
Co gle
112
Ill. Die Spalmng der Harmrmieiehre
deutigkeit ist m. zufalliger terminoUgischer Mangel, der sich durch sprachliche Pr'izisierung ausgleichen liege, sondem Ausdruck eines Problems, das in der Sacha
selbst such, Einerseits ist nimlich die Unterscheidung zwischen einer Bedeutung und dem Gebilde, durch das sie repriisentiert wind, fir Riemann fundamental: Die Akhorde f-rc und d-f-a erfi'illea als Subdmninante und subdomiaampamlule in C-Dur tin und dieselbe Funkdon: die einer Subdrrminaate, In den Abbreviaturess
S and Sp ist also der Buchsube S als Chime der Funkrion Tu versuluen, die f-a-c
mit d-f-a wilt, und der Zusavz p beseichnet eine Modifikation des Akkords, nicht der Funklion. Andererseits ist iedoch f-a-c - S nach Riemann die Grundform der Subdominante in C-Dur und d-f-a - Sp eine Variante: der Ton d in d-f-a sol] als .harmoniefremder' Ersau der Quinte c gelun. Mit anderen Women: Der Buchstabe s bezeichnet ein Doppeltes - die Funiaion, die f-a-c mit d-f-a gemeinsam hat, und die Akkordfonn, durch die sich f-a-c van d-f-a unterscheider.
Der Ausweg, dag die Tm f-a die eigendiche Subsunz und der Toss d ein blofles Akzidens sei, mag einen Augenblick lang naheliegen, ftshn jedoch in die Inc.
Durch ein materielles .vinculum substarstiale", das simdiche Akkorde mil Sale domiuandimktion verbinder, ist der Funktionsbegriif nicht dehnierbar. Sawohl der uitronwechselkiang der Dursubdominante als auch der uittonwechselklang der Mollsubdominanne sind in einer Dunonan subdorninaatakkorde; doch
haben a-c-e und f-as-des in C-Dur trot: gleicher Funktion keirsen einzigen Ton gemeinsam.
Auch ein Versuch, die funktionale Hendrix Von Akkorden durch deren analog: "Rollers" im hannonischen Knan - sun durch gemeinsame Merkmale - zu
erkliren, wiirde in Schwierigheiten genlen, die unaufl6sbar sind. Akkorde gleicher
Funktion sind zwar manchmal, aber keincswegs immer miteinandcr vertauschbar. Zwischm der Tonika und der Dominant: kann sun der Subdotninante deress Parallel: stehm: der iunktionalen Identitit emspricht cine analog: Position in der Kadens. An der gleichen Stella den uitumwechsellrlang der Subdotninaate zu verwenden ist iedoch uruniigh'ch; er wiirde unvermcidlich als Tonikapanllele Ter-
standen. Funktionsbegriffe generell durch Posidonen TU defiaierem die durch
Akkorde gleicher Funku'on eingenommen werden, erweist sich zwar manchrnal,
aber nicht immer als gangbarer Wag.
Riemann suitzte sich, um den Gehak der Funktionsbegsitfe TII bestimmea und den inneren Korma: - die Wesensbeziehung - zwischen Akkorden gleicher Funktion TU erklircn, auf die Quintrelatimt, von der er alluding, ohne es :uszusprechem bei den uittonwechselki5ngen unterstellen muihe, dd sie auch aus der
Latent harms wirksam sei. Er defiaierre im Musik-Uxikom Junktiosubezeichnung der Harmonien ist die Andeutung der verschiedenanigcn Bedeumng (FunkLion), welche die Akkorde nach ihrer Stellung zur jeweiligers Toniha fiir die Logik
des Tonsarzu haben." MN? Mit der Jtellung" der Domimme und Subdorninuste
[m H. Riemann. Mersihuexikorr, mpg; 7/1909, s. 441.]
Co glc
3. .Hzrmonik' und .Harmonielehre"
113
kann nichr die Fashion in der Kadenz, soadem nur die Quintverwandtschah gemeint sein, durch die sie mit der Tonik: verbunden sind. Die scheinbaren - nach gew6luGcher Auffassung die wirklichen - Grundu'me der Parallelakkorde in Dur und der uittonwechselklinge in Moll sowie die Quintt6ne der Leittonwechselkl'inge in Dur und der Ptrallelakkorde in Moll solIen, wie erwihm, als Jkheinkonsorunzen" oder .Auffassungsdissonanzen" gelten: als Ersatzt6ne, deuell gewissermaflen die Erinnerung an die Harmoniet6ne,
die sie vertreren, noch anhaher, so daB ein Leiuonwechselklang der Durdominame oder -subdominanre, obwohl der Grundton mit dem unferen Halbton vertauscht ist, die Quintverwandrschah mit der Tonih mnnindest durchscheinen
Igih. Die Argumeate, auf die Riemann seine These stiuate, sind alluding:
briichig.
Er beschreibt, wiederum im Msssih-Uxiktm, die "scheinkonsonamen" Neben-
msfen als .Akkorde, fi'sr deran Setzweise die Ableirung Von den durch sie verveunm Hauptki'a'ngen mdgebead ist" "'. ie Bemfung auf die .Selzweise' kann
aichts indexes besagen, als dag '.Auffassungsdissonanzen" zum Beispiel unm dar
Varbot der Verdoppelung dissonierender Tim: fallen. Die Regal aber, dail der scheinbm Grundmn der subdorninaatparallele in Dur nicht verdoppelt Werde, wire irrig, warm sie als Behauptung 1yber die musikalische mam, und willkarlich, wenn sie als Norm gemeint sein solke, nach der sich die Wirklichkeir
.eigcndich" richun mam
Die Funktioastheorie hat allerdings ein Recht darauf, sugar gegen irrehihrende 1%rrnuliervagen ihres Urhebers in Schulz genommm EV warden. Mit dem Ausdruck "Ndfassungsdissonanz" sollte weder ein satztechnischer noch ein akustischer Sachverhalt bezeichnet warden. Vielmehr ist in der Subdominantparallele
d-La der Ton d, obwohl er im akustisch-tonpsychologischea Sinne zwzifellos
konmnien und satzrechnisch entsprechead behandelt warden kann, dennoch als
.harrnonidremder' Ton iaterprerierbar. Riemann kelm ein Kimbergersches
Theorem, das zu den entscheidenden Fbrtschritten in der Geschichte der Harmo-
nielehre gelurrrr, gewissermUkn um: War van Kimbergcr behauptet Worden, dag
cine Seprime, obwohl sie dissonien, harmonieeigm sein kann (was am Auf-
h5sungszwang aichts inden), so posrulien Riemann, dad eine scheinbare Akkordprim oder -quinte, die als sarztedmisckes Phinomen konsoniem als tonales harmoniefrernd ist 202, (Dal! Riemann den Dissonanzbepiif 1srndeurete, sun den gemeinten Sachverhalt, der in der Musiktheorie bisher nicht gesehen warden war, durch einen hismrisch unbelasreren Terminus auszudriickerc wirkt alluding
iidir,Li.j
So verfehlt es wire, den Begriff der Scheinkonsonanz als bloges Phantom und
Abrrgespenst abzurun. so eng is: andererseirs der Urnkreis der Phinomene, die
P" Ebmdad. m.) P" Sigh: oben s. 97.]
Co gle
T", -rT
m
m. Die Spalmng der HarmoaUlehre
er mm. Unleugbar in in den Akkordprogressionen Ce-G und G-e-C der e-Akkord cin unselbstindiger, vermirteinder Klang (Ex.17). Auf bamucr Zeit erscheint er als Verbally, auf unbetomer als Asstizipatiousakkord; ma als Vorhairsakkord um er die Funktion der folgenden, als Antizipationszkkord die der vorzusgegangenen Harmonie. FLU oder
Das Phinomen der Schcinkonsonanz widersetzt sich derVerallgemeinerung Tu einem Prinzip, das simdiche Nebenstufen erldin, Aullerdtm sind nicht nur Neben- m Hauptstufers, sondern manchmal auch umgekehn Haupt- m Nebenstufen als Scheinkonsonanzen ableilbar. In der Dur-kadenx S-sp-D-T (Ex. 18) ist der Grundton der subdominantparallele - der demnach gar kein Grundwn ist Wechselnote zum Quinnon der Subdominame; Die Subdmninantparallele ist eine Scheinkonsoaanz. s-sp aberist TU Sp-S umkehrbar, ohne dag der tonal: Sinn der Kadenz dadurch gefihrdez w6rde; und in der Progression Sp-S-D-T (Ex. 19) ist der Quinton der Subdominante Durchgang zwischen dem Grundron der Subdominantparallel: und derTerz der Dominamz: Die Grundform s erscheinr als Wriante, die Variance Sp als Grundform. Ex. It
Ex. "
'SPD
T
SpSD
T
lst demnach der Zusammenhang des nach Riemann evidemen Phinomens der Schcinkonsonanz oder Auffassungsdissonanz mit suzwchnischen Erscheinuagea unsicher, so fordert die Theorie der .charakteristischer1 Dissonanzen' - die These, dag die Subdominantfunkdon des Akkords f-a-c durch den aus der Dominame summenden Zusatzzon d und analog die Dominanthsnktion des Akkords g-h-d durch den aus der Subdominasste srammenden Zusatzlon f nicht beein-
mnngr, sonacm versunu wcrarw - aen unwana ncnus, Gary es :mracncr
wire, die Subdominanthmkt'um ohne Abstufung primirer und sekundirer Aus-
prigungen gewissermaiien mit gleichen Rechten - durch die Akkorde f-ve, d-fo und i-a-c-d vemeten und reprisentieren ER lassen, sun zwischen einer koasonie-
P" H. Riemann, 'frssik-Lexikorr, S. Mi; sielse auch den Am: Dissoonz, S. 'a-MO.)
4. Smskrur des Dissortatsabegriffs
us
renders Grundform f-a-c und _ dissonierendcn Vuiamen, d-f-a und f-a-c-d,
zu unterscheiden. Auirerdem enrspriche der Verzicht auf die Hierarchie einem
prizisen, dutch den Gegensaxz zu einem subsranzbegriff definierten Funktioas-
m.
Demgegemiber ist Riemann: Darstellung an die psycholugisch riskante Unterstalking gebuuden, am in einem uirtm1wechseiklang ein Ton, der durch einen
anderen aus der t6nenden Rulidr vudringt wurde, dennoch die fiir die Funklion des Akkords koustitutive Quintbeziehung zur Tonika werbiirgt. Und sie hank: auiUrdem an dem Widerspruch, dag der Ton d der Subdominanrparallele und des
subdomiaantquintsextakkords in C-Dur eisterseits an der subdominaut-..Bedeunmg' parrizipierx und andermseits ein Stick Dominant-Aedes'' in den Subdominanukkord hineinuig: Von der Funktionstheorie zu behaupren, daB sie mehr Problem: hinrerlaHk als liist, wire demnach keine 0bertreiburm. 4. Zur Smlmsr des Dissonarrzhegridrs Die grundlegcnden Kategorien sind in der Rage] die vertracktesten. Dail der
Dissouanzbegriif in den verschiedenen Ausprigungen, in denm er in der Musiktheorie des 18. und 19. Jahrlumderts erscheint, eine einheirliche, aus cng mitcinander zusammeuhingendea Teilrnornenren bestehende Kategorie darstellt, ist eine Wraussetzung, von der zwar die DissoaanztheorUn der Epoche, die fast immer Theorien "der'' Dissonanz warm, ausgingen, die iodoch keineswegs selbstversrindlich und angesichts der Vielfih theoretischer und satztechnischer Tnditioaen, als deren Biindelung der Begriif sich "win, saga: unwahrscheinlich Ist. Von den geschichdichen .Ablagerungen" "rschiedenen Ursprungs und Alters,
die sich im Dissonanzbegriff des 18. und 19. Jahrhunderrs nachweisen iassen, steht a priori nicht fest, ob oder in welchem Mall: sie enrweder cine kontingeme Hiiufung oder aber cine von innen heraus begriiudbare Snukmr bildem (Dail die Teihnornente unabhingig voaeinander mmmden sind, schlieih nicht ans, dail sie sich spite: TU einem Konnex verbandcn, dessea logische Kamislcnz die Hemogenkit Vargas“: 13.81.) Das Problem in kein ausschluglich thaoretisches. Eine in sich widerspriichlicbe, aus inkornpatiblen Voraussetzungen zusammengewachsen: Dissonanzvorstellung ist nicht allein in der expliziten, zur Sprache gebrachren Theorie, sondem
and: in der komposimrischen Praxis - genauer: in deren unausgesprochcnen
theoretischen Implikztionen - méglich. Dail die Praxis, im Unterschied zur fehibaren Theorie, vor Paradoxien gescluitzt sei, in ein irriges Wrurreil. Und Ambiguitim: sind, wie hinzugefiigt werden dad, kein Zeichen 'a'sthetischen Miglingens.
Co gle
-
116
m. Die Spdtung der Harmonielehre
Die psychologischen Grundiagen der Dissonanzthaorie sind scheinbar unpro
J) J eine esttgegengesetzte des Metrums ( V J I ) zu supponieren.
3. Der "Aksemstssfetttakt' Der .Akzentsudentakt", der, wie Heinrich Besseler erkastnte"1, bis ins spite 16.Jzhduuuiert zuriickreicht, ist der ikesu, aber keinswegs der einzige Typus von Takrrhythmik (warm auch much: Theoretiker, wie Hauptsnassn und Riemann, einen anderen nicht zu kennen scheinen). Kimberger uuterscheidet nicht weniger als drei Ausprigungen des Taktgewichts im 'i-Takt (den er augerdem noch vorn %-Takt abhebt), und die Diiferenzierung erfaBI durchaus ein suick
musikalische Wirklichkeit. Neben dem ',Alrzentstuientakt" i, J d J und dem "usarmnengesetztmf YeTakt -J J i J , der eigendich aus oves' VeTakten besteht, hum Kimberger noch, chemo wie spizer Lussy, einen Y4-Tak: mit einer einzigers Hebung und drei tuuiiffesenzienen Senkungen Q J J J '"; und nichu berech-
tigt dams, am Realiritsgehalt der Beschreibung MI zweifeln. Vom Taktgewichr selbst, das ein Jnteutionales' Moment ist, miissers, wie erwihm, die Mittel unterschieden werden, dieden Eindruck einer Abstuhsng her-
m JH. de Momigny, Com rompkt d'barrnorrie a de wmponhbn. Paris 1803-1806, M 2, s. 479. m J. de Mmuigny, Cam généruldc mun'qu, Paris 1834, s. 22. P" sum mm 95.] w J.Ph. Kimbervr,DieFstdesreinerrbtzeshder3osik,Teil2,ErsteAbt.,s. 126 u. s. 132.
:Goglc
re-f"'''--
I. Der "Akzeatsttdutakt"
171
vomm oder mitzen. Jus Wort Accent", heigt es bei Riemann'", .Im and: im heutigen Sprashgrbrauche den Doppelsinn der Hervorhebung durch Verstirkung und (irrationale) Verl'a'ugeruug." Auauer Nachdruck und agogische Dehnung sind jedoch nicht die :inzigen Substrate musikalischer Akzentuierungr Ein Hararoniewechsel wie , I l , I , geniigt auch bei neutralem Vomag, um die Gr wichtsabstufUs, die sich in der Takmoudon ausdriickt, zu konstituierea; und
cine aufireigende Quart: wird sugar im Rhythmus J J , und um so zwingendet im Rhphrmss J J, unwillkiirlich als aufraktig emphsudert.Wu dem musikaliv schen Phinomen ,,Akzertt" oder Jakrgewicht" mug also das Subnm, an das es
sich hehet, unterschieden wnden, und das Substrat kann unbewuik bleiben, ohne dag das Phinomen unbnndich wi'mie. Vom "Taktgewicht" bob Johann Abraham Peter Schulz"' Akzenre ab, die
Theodor Wiehmayer spim .logisch" n:nnne und den .merrischeu" Akzenun, den
Gewichtsabstufimgen, entgegensetzte"s. JGuptuUe" fallen nach Schulz mancls
mal, aha keineswegs immer mit den Taktschwerpunkren zusammcnz Jie sind
daran kennbar, dag sie insgemein linger oder h6her als die vorhergehendm und kun dmuf folgenden Ttine sind; oder dag sie durch ein der Tonm, worin man ist, funnies t oder b erh6het oder emiedriget sind; oder dai) sie fray anschlagende Dismmnzcn sind; oder dd sie cine an ihnen gebundene Dissonanz pr'atarieren." m Die Diifereaz zwischen Jogischen'' und mrnetrischen" Akumen ist alluding: schwer begriindbar, warm man sich weder mit der Meupher, dail der gleichmiGge merrische Akum "starr" und mmechanisch", der unregelrn'igige logische Akzent dagegrn .belebcnd" und ,.orgmisch" sei, noch mit der These, daft der loysche Akzent in der Modvik bepiindet sei, wilutnd der metrische einer an
sich ursdifferenzierzen Schlzgfolge subiektie - durch die Bedingungen der Wahrnehmung - aufgepragt werde, bescheiden miichte. Ncigt man dazu, wie Riemann Bu postulietea, dag auch der meerische Akzent ein .fundamentum in re" haben
mi'uise, so fliegen die realm Darsrellungsrnittel - die Substrate - des metrischen und des logischen Akzents iaeinander. Die diiferenzierteste Akzendehre des 19. Jahrhunderts summt von Mathis
Lussy. Sie ist durch cine Theorie des musikalischen Ausdrucks (undim. Expressivit5t march: nach Lussy durch Abweichung von einer Norm oder Durchbrechung einer Gewohnheit, und wenn es der Instinkt ist, der sich ans Regelmiih'ge
und Herk6mmliche klammert, so ist dis Gefiihl der Impuls, der daniber hinaus-
m H. Riemann, System der rrwsikalischer Rbytbm'lz mi Memh, s. m. w J. G. Sulzer, Allgemeine um da Srhm Kiinste, Bd. IV, mm; 2/1794. S. Togf, '" Th. Wiehmayer, Muikalixrbt Rhythms} and Merrik, Magdeburg 1917, s. 995.: Der
metrische Akunl und die lngische anung.
'" J, G. Sulur, Allgemeine Theorie dn Schiinen Kins", Bd. IV, S. NL
Co gle
172
V. Mark and Rhydunik
dringn bussy unterscheidet, nicht ohne Pedamerie, zwischen .metrischm',
.rhyzhrnischen“ und .pathetischen" Akzenwn’". Der .rnetrische" Akum ist nichrs anderes als der Takuchwerpunkr; er wander sich, meint Lussy, an den ,mu» sikalischen Instinkt". Der "hyhnische" Akum madden die Greaztiine musi-
kalischer Phrascn, besonders die Anfinge; er Wh sich, da er ein Mimi ist, um die Gliederung einer "Klangrede'' in .musikalische Gedznken" kenntlich TU madman,
fiir den pnusikalischen Verstand" reldzmieren. (Lussy nenm den logischen Akzent "rhythrnisch'', wail er unter JGyrhmus" die ,,periodische Wiederkehr' von Phrasen mit analoger moxivischer 2eichnung" 3" venwhn) Der ,.pathetische"
Akzenr schlialich n‘ihn "von der Anstrengung des Kimders her, gewisse mmgelrmehige Noun herzuszuheben, d. h. solche Noun, welche der Tonan oder dem Tongeschlecht, in denen sich die musikalische Phrase befindet, fremd sind,
oder welche die Regelmuigkeit der metrischen Accente aufheben, oder die Symmetric der Rhythmen “area und in Folge dessen das Geitshl verletzen, ihm einen Stoh gehen" '". Wesentlicher als Lsssys Systematik - deren Zuordnung Von Jer-
lenven-nogen‘ " Anen des mmnkauschen Axum: emen lypus von sctunnhatter
"wissenschafilicher Strenge" reprisentierr, zu dem sich in der Regal gerade Nichrwissenschn‘tler hingezogen fiihlen - sind allerdings die Details, in denen sich Lussy als Musiker bewihrx.
Zur Subsunz des Kapilels iiber den .metrischen" Akaent gehiiren die Einsichten, dag der f4-Takt nicht immer ein mAkzentstufemakr" ist ( g g d J), sondem,
wie bereits Eimberger erkanme, auch ein Take mit einer einiigen Hebung sein
kann (d g J J); dd man bei der Untmeilung einer Tahlzeit deren crslen Ton Starker akzentuierr, als mm die nicht untencilte Zghlzeit akzentuieren wiirde;
dag man unwillkiirlich dazu neigt, in der Gegenstimme zu einer Synkope den schweren Takmil besonders nachdriicklich zu betanen "o.
Lussys Theorie des "rhrthrnischen" Akunrs prisentiert sich als mm der
Phrasierung, als Lehre von der Gliederung musikalischer Sitze in Phrasen und Motive. So postuiierr er mu, dag die ersw linger: Note, die einem Lani oder einer Fiorirur folgt, als Schluihon empfunden wade, so daB die nichsu Note
einen Akum des Anfangs trage, sofem die Zisur durch eine Tonwizderholung
(die uennend wirke), dutch einen Sprung oder durch einen Ubergang Von der Ein- Tur Mehrstimmigkeit geniigend kenndich gemacht werde3U, Trote der Nei.. guns, von der Aufzahlung und Abwigung Von Kriterien zur Ihrmulierung festn
Regeln iiberzugehen, ist aber Lussy nichts wmiger als starr und rigoros: Die
These vom Akzent des Motivanfangs hinder, ihn nicht an der Einsicht, dai? es
m M. Luny, Die Kemst dc: mmsikalischen Vomags, mpzig ms, s. m. "' Ebenda, s. L "' Ebenda,s. 17. '" Ebenda, S. 365. "l Ebenda, S. 93.
--
Co, sle
‘311‘KH‘i- "
4. Mum: Synux
173
widersinnig wire, im YeTakt den mm. Ton em WAuhakts hamickig Tu baonenm; und wean er general] einen Sprung zwischen schwerer und leichur m als Zisur erklin, so vergiBt er nicht, die Einschxinkung hiuzuzufi'sgen, dail der Akzent des Anfangs unterdriickt werden mam, wenn die Phrase, in die der Sprung ram, dis Gegenstiick Tu einer Phrase ohne Sprung sei: Die Analogie der Motive snze sich gegeaiiber der Sprungregel durch'". Inssys .pathetischer" Akzent besteht, wie erwihm, aus der Markierung m Verst6gen gagen die "Take und Tonordnuug", wie Riepel Sagan wiirde, und gegen den ,Rhythus‘ (also an Gleichrnag oder die Anzlogie der Phrasen und Motive). Zu den Durchbrechuagen tines regdmilligen Rhyrhmus, die akunmien werden sullen, gehén etw: tin m eingehigter, verlingerter oder in seiner Bewegursgsrichtung umgekeluterAuhakt'". Die Unterscheidung der Akzenunan ist alluding: nicht so schliissig, wie es die Kapireleinteilung des Bushes suggeriert. Wenn Lussy einen Ton, dem ein .pathetischer" Akzem vorausgehr, als .schwach" delriarierx'ss, obwohl es sich um einen Takrschwerpunkr und um die
SchiuGote eines Modvs handelt - obwohl also ein ',merrischer" und ein .rhydnmischcr" Akzent zusammentreffen A, so ist es offenkundig, dail er Von der Vor-
srdlung eines koMikts zwischen den Akzenumn und einer Verdringung der einen durch die andere ausgeht, also gewissermailen Quaatititea gegeneinander ,,verrechaef, sun zu erkennen, dill es sich um qualitative Differenzea zwischen
Momenten handelt, die nebeneinandcr beswhen k6nnen, start in konkurrersz miteinander TV genun. Der .patherische" Akzcnt ist ein .realer" Nachdrucks»
akzent, der Taktschwerpunkt dagegen ein primir Jntesrtirraales" Phinomen: Er mint sich zwar manchmal (em in der Gegenstimme TV einer Synkope), aber hineswegs immer und essential] auf 'iuiberen Nzchdruck; und der .rhyrhmische"
Akzent zines Motivanfangs 1m: sich am sisufilligsten durch eine geringe agogische Verz6gerung darstelUm
4. Mssikalische Syntax Rudolf Westphal, mam: iiber das, was er die .modeme Bubarci in der rhythmischen Terminologie"'" nanme, polemisierte mo hehig gegen einen Miilbrauch des Worm Periode, den er Antoine mach. W Last legte. Stats eines Satzes aus 2+2 mum, der nach antiker Terminologie eine Periode mit ma Gliedern (Kola, Membra) dantcllc, Verde van Reich: ein Sata ans 4+4 Takren Darby‘s" umaunr
Rain!“ har 21": Annntlr n... m w rrrr,tt - 'rerrrtsekr 3...... " n A.
m Ebesuu,S.129. m mags. m SM Ebeada, S. 152. 5” Ebeada, S. 132.
m R, Wesqrlul, Allgemeine Thtmie der 'rwsihalischen Rhyllnmk, mo, s. 170, '" Ebeada, S. trg.
-
Co gle
1337
174
v. Mmik aad mm
Bkstphals Polemik war aber keinerwegs yon blofksn Philologeneifer, sondem zu-
gleich Von der Oberzeugussg gnragen, w in der modernen Instrumentalmusik, mad Twar paradigmatisch in Bubs Fugrnthemea, das System der antikm Rhythmik, wie es Aristoxenos kodifizierr ham. noch einmal t6nende Wirldichkeix ge-
Worden sei. Die terminologische Auseinandersemung war als "cuiche gemeism Die Orieatierung an Bach sun an der Wiener Klassik hindem jedoch Westphal
dam, den primiren geschichdichen Zuszmmmhang, in den der musthalische Periodeabegriif geb6rr, iherhaupt TU sehen.
Die Scbwiesigkeiten, denen cine musikalische symaxtheorie begegnet, sind
berths Von der Analyse eines Menuetls, die Manhaon 1739 drucken lied, ablabar (siehe Abb. 2).
m. Abb. 2: Mndmon, Der Dollkommm: Capebreister (1739). s. 224. ,,Da ist nun ein gamut melodischer Znssrmnensatz (Paragraphs) von 16 Tiara, aus welchen 48 warden, wenn man sie vollend EU Ende bring: Dieser zusammenm2 bestehu ans zweien einfachen Sim, oder Periodis (. . J. Es befindet sich in diesem Paragrapho nicht nur ein Calan oder Glied; sondern auch ein Semimlon, oder halbes Glied: Die man hey ihren gew6hnlichea, untu die Noun gumun Zeichen erkennen Inn. Man triift femer drey Commam an, daraus neun warden,
und die mit dem behannten Beistrichlein venehen sind. Die duifache Empbaim aber kaben wir mil eben so vielen Sternlein angedeutet. Der geometrisshe Verbal: is: hier, wie durchgehends bay alien guten TanrzNelodien, 4, und hat so viele Krcutzlein zum Abzeichenf 336 Auffillig ist, dag nicht Vin, sondem nur drei ,,Commata" unrerschieden warden: Die Takte 13 -16 sind nick: uilbar. Die grammadsche Terminologie beziehr sich also primir nich: auf die "meuische"
Ordnung, die Gruppierung von 1+1, 2+2 und 4+4Takten, sondem auf die Sinn-
gliederung; Kriterium der InteTunktion ist die relative Geschiossenheit oder Unselbs _ digheir der musikalischm Gedanken, wie sie Von den Schlisscn ablesbar
ist. Die "metrische" Ordnung wird, prinzipiell unabhingig von der Sinngh'ederung, als .geomcuischerVerhalt‘ fiir sich lumbar. Und von Akzemen ist nur im Sinne von "pathesischen" Akzenten CEmphasis"), die aui herausstecheude Hochtiine fallen, die Rede. '" J. Matheson, Der volthorrvnene Capellmeister, S. 124.
Cogle
T"'",
q. Muxihlische Synux
175
Die Terminologie, wie sie Matthew!) gebsauclst, ist denunch hineswegs an die ANadratur der Toasatzkoasmsktion" (Richard Wagner '"), durch die das analysierte Empel geprig: ist, gebunden. Fin "Comma", das dzdurch definiere ist,
daf es einen musikalischen Gedanken in sich schlieflt, kann grundsitzlich auger mi Taken auch einen oder drei umfassen; und der "rornetrische Verhalt", der
zwischen den .Commata" und den .Scmicola‘ besteht, kann sich sun als I:I auch als 1 :2 oder als 3 l 2 prriserstieren. (Die zweite Period: gliedm sich nach der Proportion l :1 r2.) Manhunt: analysiert also ein Stack Musik, dem das musikm lische Versprinzip - die ,Quadramr' - msgrunde liegt, mit Hill! einer Terminologie, die von rhetorischer Pros: abstrahiert ist. Der "eometrische Verhak' I ' 1 galt zwar als .narirlich‘ - bei Mauheson und Riepel ebenso wie bei Kimberger und Koch -, war abet im Ansarz der Symatheorie nicht vorgezeichner. Stresiggemnmmrn bilda das Posmlzt .metrischere
Gleichmaiks - im 18. Jahrhundm nannte man es .rhythmisch" - eine blofU Zusatzbestimnunm EU einer Svntaxtheorie, die nrimir van Sinnzliedem - Koch sprach geradezu von Jiubirkr" und .Pridikaz" 340 - ausging. Ein ungleiclsm'a%u get .Rhythmus' oder "eometrischer Verhalf wurde darum zwar manchmal, abet keinzswcgs immer auf einen gleichrn'ifhen zuriickgeftihrx (dutch die Annahme von Dehnungen, Elisionea, vetschrinkungeu, Einschiiben oder Anhingan). Solangc man die .imerpunhische" und die "rhythmische Form“ - die Sinngliedarung und den .geomerrischen Verhah" - deudich umerschied, besund
knin zwingender Grund BU Reduktionem Man konnre auch die Proportion 2:3 zwischen Taktgruppen als .rhythmisch" ernpfiaden (als korresporsdierend), ohne sie als Variant: von 2:2 - als Abwcichung, die das Model! durchscheinen EB: -zu interpretierrs
Ein Zwang, Gruppen Von drei oder fiinf Takten als .Lizenun' zu crkliren, enmehr erst, wcnn man die musilalische Period: als Analogon eines diclmrischen Verses begreih, also von der Prosatheorie des Periodenbaus zur Verstheorie
- von den Kategorien der Rhetorik zu damn der Poelik - iibmgeht. Der "gelmi-
Riga Wechsel lwischen schweren und Ieichlen Taken soll nunmehr als Gmudsmlktur einer musikalischen Period: gelten: Die Gewichtsabstufisng der 2511th(en, das musikzlische Abbild der Hebungen und Senkungen des dichterischen Verses, wird auf gauze Takte und - auf Takrgruppen tibertragea. (Und die
Hierarchie der Gewichrsabstufungen Von Taklen mm man seit Moritz Haupt-
mann ,Melrik', well man das ,,Taktgewicht" als ,Quantius intrinscca", also die n...\.....-.4.w5...:l. .I. n.4,.“ u.w......,.u., mu... mw... A., u. C%,m.s.i.'4....k,ru-iG ‘w.....~..., mu... _- As... -u MM]: Avlwum'_ W4 v.9...”h
P" W. R. Wagner, mm die Bestimmung der Oper, in: We Sobriftm and Didmgr», 9. Bd., mm; mm, s. i27-156. Auf s. m spricht Wagner van der .Quadrarur einer ko-tionellert Toasutzkonsrrukrion". Vgl. femer den Aufsan: mm das OpenDichtrn “a Eompoairen im Besonderm, ebenda. Bd. 10, s. 174.] w H. Ch. Koch, Vmuch einerAnleiuerrg m Composition, Tail 1,5,3505.
c-
Co 816
C" - T s""-,
176
v. Marikund Rhyrhmik
Die Uhre vom .Mmm oder Tactgewichte" bcschrinkt sich bei Koch'" auf die Differenziemng schverer und leichter Zihluiuu oder schwerer und leichmr Lingen und kiirzen in den Kiaugh'a'ikm Von schweren und leichten Taktcn oder
Taktgruppen ist nirgends die Rede; und die Periodologie enzwickelt Koch damm, wie gesagt, als Syntax6eosie, die nach dem Vorbild der Rhetorik primir von der
Sinngliedcnlng und der Jnterpunctischen Form" musikalischer 5512: und mt
sekundir von deren .rhythmischer Bescuffenheir" - vom "eornetrischen Verhalt" der Teile - ausgeht. Die musikalischen Enrspreclumgen zu den rhuorischgrammatischen Kategorien Kama, Kolon und Periodus nennt Koch .Einschnitt", .Suz' und ,Periode'. (Ein Sat: heifk, Wall: er das End: einer Period: bildet, schubsatz", sons! ',Absatz"'".) Ob cine Phrase oder ein melodischer
Teil Einschnitt, Absatz oder Schlugsatz in, hing! von der Vollnindigkzit oder Urwollsr'indigkeir des musikalischen Gedankens ab, den er ausdriickt. Und obwohl sich Koch um bandgreiGche formal: kriterien, also datum bemiiht, den Einschniuen, Absilun und Schlufis'a'tzen benirnmte Jrstrrpunctische" und "rhyhnische Nrmess" zuzuordnen - Absinn enden im allgerneinen mit Haib, schliissen, auf dem Ten- oder Quinmm des Akkords oder mit weiblichen Endun-
gen, schlugsatze dagegen mit Ganzschliissea, auf dem Grundum des Akkords und mit minnlichen Endungen -, imam er die Enucheidung, ob tin musikalischer Gedanke abgeschlossen ist oder nicht, in lmler Instanz dem Gefiihl:
Jiolhe es wold verschitdenen meiner Laser aummd seyn, ans ich hey der Unmrscheidung der materiellen Theile der Melodie den Anfinger vor den Richter-
sushi des Gefthls Kuhn? (. . .)vermiuelst derAnuhl derTacte kann nicht allgemein besdmmt warden, we in der Melodie Ruhepuncte des Gaines vnrhanden
seyn miissem die das Gauze, urn es deutlich empfinden zu lassen, in Thcile tren-
nen; und die Eadigungsformeln dieser Theile sind so verschieden, und kiinnen inf so marmigfaltige An gebildet warden, an; as sehr ursicher wire, vermitteist
dieser Figural esstscheiden zu wollen, wo Ruhepuncee des Geism in der Melodie
vorhandcn sind." 1" Die ,rhyzhmische Beschatfeuheit" der melodischm Teile tendien nach Koch zum Gleichmag: Ein Satz, der sich aus 3+1 Oder 1+3 Tainan zusammmscur, it als .sehr ungew6hnlich" '". DIE tin Einschnitt zwei, tin Sm via und cine Period: acht Takte umfaik, ist eine konvention schlichm Lied- und Tanzmelodik, an der sich Koch zunichst und in erster Instanz orientiert. (Er unterscheidet
zwischen .engen Sitzm' Von vier Taken und .envcirenen 55mm) Aber da cine Periode weniger dutch cine Ausdehnung als dadurch definiere in, M sie mit
einem Ganzschiug mdet, kann es andererseits dutchau: geschehen, dag die ge"t Ebenda,$. D5, MT Ebenda, s. 34M. MT Ebendl, S. 350.
W Ebenda, s. 372f.
Co gle
q, Mushalische Syntax
m
sum: Exposition zines Soaatensatzes aus einer einzigen Period: besteht: .Diescr
emu Periode" - Koch verweadet das Won als Masculinum - pheiler sich daher in zwey Theile, nemlich in denienigen Theil, in welchern die Haupnonan herrscht, und in denienigen, we die Tonm der Quime herrschend ist." 365 Das Problem, welche Ausdelmung cine Period: erreichen kann, ohne unmstindlich zu warden, stellte sich in anderer Fassuag als bei Koch, sobald sich die musikalische Periodologie als Meerik sun als syntaxrheorie koastituierte, also van der Gewichtsabstuiung und dem Korrespondenzprinzip sun Von der Sinngliedemng und der Interpunktion ausging. Moritz Hauptmanst, der die Relation
zwischen Takten und Taktgruppen als Abbild und Analogon des Verhilmisses zwischen Tahlzeiren auffane, war unsicher, ob der "metrische" Sinn, der vier schwere und vier leichte Takre als korrespondierende Phrasen aufeinander beziehr,
auch 8+8, 16+16 oder gar 32+32 Takte als .Metnlm“ TU erfassen ven'nag.
.chn, nachdem einem Einlachen cin anderes Einfache sich verbunden hit, diesem Zweifachen dann ein anderes Zweifache, dem Vierfachea ein Vierhches, dem Achtfachen sin Achrfaches, dann dem Sechszehn-, Zweiunddreitlig-, Vierundsechszigfachen und so fort, immer ein dem ganzen Vorausgegangenen Gieiches sich als nothwestdiges Folgeglicd anschlieflen sollre, so wiirde, abgesehen noch von allen isthetischea Bedingungen und nur die funnel]: Zulissigkgit betraches, cine solche Progression sehr bald in das Uniibersehbare, UnMliche hinausgehen." M6 Riemann bestimmte die Periode, deren .normatives Grundschema" Icht
Takre urnfailt, als griiihe Einheir der "Metrik". Musikalische Zusammtrnhiinge, die iiber die Grenzen einer Period: hinausreichen, scion nich: mehr onetrisch", sondem vthen1atisch" begriinder'", Die schroffe Trennung der Begriffe ist alludings prebar. Dean einerseits wurde gerade Von Riemann - der sich dadurch von Hauplmann unterscheidet - auch die korrespondenz Von Phrasen oder Halbsirun innerhalb einer Periode .thzmatisch“ begrfmdet: durch den motivischcn Inhalt der Teile und nicht allein durch eine Anschauungsform a priori; metrische Gewichtsabstsdisngen sind mch Riemann zwar .von Natur gegeben', aber TUgleich melodisch und harrnonisch fundien. Und andemseirs ist in musikalischen
Formen, die primir auf Gruppierung und nicht auf Entwicklung bemhen, das Prinzip .meuischcr' - oder "rhythmischer" - Entsprechungen zwischen Iiyrsn-
teilea auch in den gr6fleren Dimensionen der Themen und Themengruppen durchaus noch wirksam; Mourns Sonatenformen prigen fiihlbar einen .Rhyth-
mus im Groilen" (Eduard Haaslick'") aus.
Wurd: die mtmikalische Periodolosrie vnn Matthew" und Koch als Svmuthenrie, von Haupanann und Riemann dagegen als Metrik begriindet, so ging Adolf
w Ebcnda,Tci13, Leipzig 1793, s. 342. m M. Haupunuln, Die Nmur der Harmanik and an Manila, s, y09. w H, Riemann, System dirrrwsikaltscben Rbytbmik loud Metrik, s. M2. P" E, Hanslick, Wm hosrkaliscb-Schiinen, Leipzig 1854, s, J2.l
- Co gle
w"
I
IN
V.MetrikuadRhydtmik
Bernhard Marx Von einer Pluralitir der Bestimmungsmomeme ans. Von einer
Fundierung durch Gewichtsabstufungen ist allerdings nicht die Rede. (Marx
nannu in der Taktgruppe J I J D lg " lg den mm und den viemn Takt .schwer' 't bestimrnte also die Ling: als .Gewichl' und verzichtete in der Gra-
aenmdnung ganztr Takte auf einen regelmamgen Wechsel zwischen schwer und
leichr.) Ein geschlosscner .Satz' ist - im Unurschied Tu einem offenen Akng" -
nach Marx dadurch drhaiert, dag der Abschlue sowohl ponisch" als auch .dlyzhmisch befriedigead" ist"o: Das symaktische und das marische Bestirmsumgsmoment sollen konwrgieren. Eine J'eriode" wiederum bunch: aus zwei .55:-
Ten" - einem ,,Vordetsatz" und einem .Naclusau" -, die sich, obwohl sie in sich ale
gerwulet sind, dennoch gegenseitig erginzen. Marx exemplifizierr den ergir1zender1 Kontnst am Auf. und Abstieg als der deudichsten melodischen Ausprigung des ikrrmprinzips Juhe-Bewegung-Ruhe" oder mCrescendo-Dirninuendo" (dis auch Von chphalm als dynamische Substanz der mushalischen Periodcnbildung angewhen wurde). Den ,,Gang" branch! Man weder .tonisch' noch "hyhnisch"
nihu EU bestimmem denn die 'istherisch-kompositionstechnische Rechtfenigung liegt auikrhalb der traditionellen Symaztheorie: in der Method: der Motivem-
wicklung als einer Biirgschaft musikalischer Logikm, Und wenn Marx von .drei
Grundformen aller musikalischen Gestaltung", aimlich .Sau - Periode - Gang“
spricht'", so handelt es sich eigenrlich um am Prinzipien, die himer den synrzkdschen Former: sullen und in ihnen mit wechselnder Alrzemuierung wirksam sind: Ein Jiatz" r der tonal offenbleiben kann - ist primir "hyrhmisch", cine
Jeriode" dagegen "onisch" und ein "Gang" pnotiviscb" determinien. Die Unterscheidung zwischen schweren und leichten Taken und Taktgnsppen - die Ubemagung der AkzentabstufUg auf griUere Einheiun als den zusalnmengesetzten Takt (% oder %) - wurde, wie es scheint, zuersx 1789 von Daniel
Gonlob Tiirk formulien, und zwar als Vortragsregel. ,Jeder Aaiaagsum einer Periode" - unter Period: msteht er ,iode griBere oder kleinere Ruhestelle" -
prtud einen noch merklichem Nachdruck erhalten, als ein gewiihnlicber gum
TalmheiL Genau gmammen sullen selbst diese Anfangstihte mehr oder weniger accentuirt werden, je nachdem sich mit ihnen ein griBerer oder Heinmr Theil
des Ganzen anfingt; d. h. nach einem Valligm Tonschlusse md der Anfangsmn
stirker markin werden, als nach einer halben Kadenz, oder blos nach einem Ein-
schnim um]. Hier ist tin Beispiel in gedringter Kline“ (siehe Abb. 3)'".
w A. B, Marx, Die Lelm mm der nmsiUtisdrer, Kumptuitiom Ed. I, mpzig ems}. s, o.
m Ebenda, s. 28, m R. Westphal, Allgemeine mm der mussihdissher mm», s, mm. '" A. B. Marx, Die Lrhre mm der mwsihalischm Komposition, Bd. I, s. 35 K.
m Ebenda, s. 31. m D. G. Tiirk, KUvierrt%le, oder Anweimng - KUvierspielen fiir Lehrer wad Lemrmk, Lciplig u. HUle m9, s. m.
Cogle
T"'",
4. Musikzlische Syntax
179
Abb. 3: Tiirk, Msvierschue (1739), s. 336. Die Differenzurung des Jraktgrwichrs'', die Tiirk vorschl'igt, geht weniger von der Idee einer (ester: .metrischen" Ordnung- wie sie dutch die Schema: Hauprmanns.1 " "67indRiemasuts1?“gs! 7trepr'isentiertwird- alsvon der synakdschen Sinngliederung und Innerpunktion aus: Die Take: 3, 5 und 7 des
Bcispiels sollen gleich akzenmiert warden, nicht 5 nachdnicklicher als 3 und T; erst nach dem .valligen Tonschlusse‘ in Take 8 erhilr Takr 9, ghnlich wie l, einen prirrfiren Akzent. Tirks Akzeatabstutm1g ist noch "yntaktisch", nicht .metnsch'
brgriindee. Erst Von Moritz Haupunann wurde das Akzentgeriist der Periode als ,An-
schauungsform a priori" um in der Sprache Kants zu reden - bestimmt, Die metrische Ordnung , 1 E " 3 l ' , die aus der Obertragung des Verhilmisses -
zwischen Tihizeiten End Untesteilungswerren auf Relational zwischen ganzen Taken und Taktgruppen resultierr, soll als Prinzip gehen, das im Wesen der Sacha
und des musikalischen Harms begriindes ist. Du Schema kann in der musikalischen Wirklichkeit zwar modifiziea warden, ctwa durch Verschrinkung eines Schlasscs mit einem Anfang"', bildee aber eine Norm, auf die eine irrtgulire Struktur - als Jiinstliche" Abweichung vom ,.Natiirlichen" - zuriickbezogen warden mug, urn versv'indlich B11 sein.
Eine Periodologie ist von Hauptmann nur skizzien - und em von Theodor Mehmayer nach Hauptmmnschen Prinzipien breix enrwickelx - warden. Dail sich die .meuische Bildung" - die Differenzierung der Tihizeiten in cine ochwere" erste und cine Jeichte" zweim - sowohl .,nach Innen" (durch Unwruilung der Zihlzeiten) als auch .nuh Augea" (durch Zusammenfassung Von Zihlzeiten TU Taken und Taktgruppen) fometun Wh, erscheint bei Haupunann
als Selbstversandlichkeit, die man nicht EU begriiaden braucht'", sun als prekires Prinzip erkannt Tu warden, das einer Rechdertigung bedarf. Ditfereazen zwischen den Gr6fUnordnuagen werden alluding: nicht ginzlich verleug-
m. Haupunann Imam, w dis Gefiihl fiir Symmetric um so empaaichir reagiere, je kleiner die 2ehabsande seien, die verglichen werden, dail also
ein Wechsel der Tihlzeitdauer (wie in Banéks Julgarischem Rhythmns" Jh) '" M. Haupnnann, Die Nauer der Harmom'h and der Metrik, S. Mil. 3S6 Ebendz, S. 30861.
Co glc
180
V. Metrik und Rhythmik
drastischer empfunden werde als eine Uaregelm'a%gkeit im Periodmbau. Bei der Taktgruppierung zu Siam und Perioden k6nne, anders als bei Tahlzeiten, cine .Abweichung von der merrischen Regularirix" noch durchaus .rhydunisch' wirken, sun als .unrhythrnisches" Schwankm das musikzlische Gefiihl TU verlctzen '".
Hauptmann legte der dialekrischen Konstmkdon des vierzeirigen Metrums
den Gedanken zugrunde, dail die Zweizeitigheit cine "unmirtelbare Einheit", die Dreizeitigheit ein .in sich entzweirer" Zusrznd und die Vierzeitigheit cine ,,vermittelte Einheif sei. Die Zusammengehiirigkeit eines Ersten und cine: Zweiten,
die im Wesen des Rhythmus als cine: Wechsels zwischen Sysmle und Diastole bcgninde: liege, verde im dreizehigen Marum dadumh geslbn, all die miulere Zeit zugleich und in eins als das Zweite eines Ersten und das Erste tines Zweiren begriifen warden miUse. In der Vierzeitigheit ist dams die Spalmng aufgehobea; dag die mitder: Zeit des dreizeitigen Meerums sowohl ein Zweires als and: ein Emu war unddag digs: Doppelheir als aufgehobenu Moment.beim Fomchrci-
ten zur vmzuuguu men: :rnuun mum. wmammm me Lamumn d unu ,
miteinander und ist das Merkmal, dutch das sich die Vierzeitighzit als permittelte Einheit" vorn blofben Nebeneinander addierrer zweizeitiger Maren unter-
scheider.
Die Theorie der Takrgruppen reproduzien dann ledigh'ch das Erklirungs-
schcma, durch das Hauptmann versrindlich machen walla, warum vier Zihluiten cine inner: Einheit bilden, obwohl .Rhytlunus" ein prinzipiell zweizeitiges,
im Hin und Her einer Bewegung sich muu'fesderendes Phinomen in, Das Verfahren einfacher Potenzierung - die Behauptung, dag die Relation zwischen einem Ersten und einem Zweiten, wie sie bei den Tihizeiten besxeht, ebenso
durch halbe und ganze Takte realisiert ward: - wire insofem unzulinglich semen,
als es dreizeitige Tzkte und Takrgruppen nicht zu erkliren vermag. Das metrisch Jrste" - sei es Zihlzeit, Take oder Taktgruppe - ist nach Hauprmann das ,.Bestimmendf und durum schwer, das ,,Zwrire" das Jbestiaunte" und
darum leicht, .135 hat ein Ems gegen sein Zweites die Energie des Anfanges und
damit den metrischen Amm."” Riemann, der Hauptrnanns metrische Ord-
nung Schwer-uicht ins Gegenteil verkehrte, leugnere keineswegs, das das Erste
bestimmend und das Zweite bestimsnt sei (die Dominant: auf teichter Zeil ist detenninierend fiir die Tonika auf schwerer); aber er orienderte sich nicht, wie
Hauptmann, Mn Verhilmis Von (besu'mmendem) Vorbild und (bestiaunrem)
Abbild, um ein Erstes auf ein Zweites zu beziehea, sondern m der Relation ovi-
Ichen Prtdmsse und tumsequenz, Antstellung und Beamwortung oder Spannung
und Msung. Er gins, formalhaft ausgedn'ickt, Von einem Sian (a: Dynamik, nicht hir Symmetric nus und betonte nicht die funktionale AbUngigkeit der '" Eknda. s. 312, 3" Ebeada, 5.241.
Co glc
4. Musikah'sche Syntax
181
Tonika Von der Dominant, sondem den dynamischen Zug von der Dominant: zur Tonika. Musikalische Wahrnehmung, postulierre Riemann, mam stets, um nicht TU erlahmen und sxeckenzubleiben, von einem Ersten zu einem Zweiten Jortschreiten", sun das Zweite an das lime .anzuhingen" '". Und aus dem Prinzip ,aktiven" Harem, wie es Riemann verstand, resultierte tin Akzenx, der auf das Ziel und Ende sun auf den Anfang und Ursprung einer Bewegungsphase fillt, Dag Riemann prinzipiell ,.aufraktig" phrasierte, also den Ubergang von einem Auhakt zu einer Endung, Von der Spannung zur L5sung als den eigerstlichen musikalischen Versus, als das Substanzielle der Musik empfusd - als Vorgang, den er in den verschiedcnen forrnalen GrNienordnungea .Moriv", .Phnse' und .Periode" nannu -, ist demmch Ausdruck eines Formgefthls, dem
Musik als .Ereiguis", nicht als .Gcgensund" erscheint. Vom .Ergon", dem iiber-
schaubaren Gebilde, bei dem Hauptmann in gelassenrr Komemplation verweihe, ging Riemann zuriick auf die Jnergeif, die dahinter wirksam ist und das Wesen Von Musik als Bewegung ausmacht.
lhe That, ttat' an mmkuge 5m und me Ichtukng: Pernod: .Gmndsche-
mata" der musikalischen Syntax seiem wie Riemann es ausdriickte, Wh wech-
salad: Anslegungen TU, die sich soweh] dutch ihre Primissen als auch durch ihre Kansequenzen voneinandcr unterscheiden. Joseph Ricpels oh zidmes Plidayer far cine symmetrische Periodenstruklur, ,,4, 8, 16, and web] auch 32.Ticte sind
diejenigen, welche unscrew Nam: dergestalt eingepNnzer, ag es um schwer
scheiner, cine andere Ordnung (mit Vergmigm) anzuh6ren" '", ist nichts anderes als ein "isthetisches Posmlal: cine Geschmacksregel. Von den 'a'stherischen kriterien aber missen die Fundameme der Suzuchnik uaterschieden werden (obwohl
beide Moment: im Kornposidoasprvzeg zusammenwirkgn und ineinandergreiien). Dd die .Quadrarur der Tonsatzkotstruktion", die Zusammenfiigung von 1+1, 2+2 oder 4+4 Taktcn in einem der menschlichen Natur "ingepihnzten" symmesriegefiihl begn'index in, besag: keineswegs, dall sie auch im Wesen des
Tonsatzes, wie es Riepel beschreibr, enthakan sei. Die wchnischen Primissm, die Riepel zugrunde leg, erlauben vielmehr unregelmaige Taktgruppierungen neben regelmiihen, und Riepel Cailt manche ungeradtakrigen Bildungen, sun sie als "Abweichungen" auf die JVorrn" der Geradrakrigkeit MI reduzieren, als Formen eigmen Rechts gehen. Er geht, wie Arnold Feil erkannte s", nicht von einer iibergeordsteten Periodenstruktur, die als Gehius: feststeht, sondem von synuktischen Gliedern (Taktmotiven) aus, die mm sowohl quadratisch als auch nicht-
quadratisch zusammenhigen kann.
w H. Riemann, Vademawn dir Pbmsiersmg, Leipzig 3/1912, s. ". w- J. Riepel, Arfrrgsgrumde zur muicdiscben Setzlnmn. De Rbytbmoponk min uon dd mmMg, Regensbnxg u. Wien 1752, s. 23. m A. m, Satztechnische Fragen in den Ebrnpositiottslehren m F. E. Niedt, J. Riepel und H. Chr. Koch, Diss. Heidelberg 1955, s. 399.
Co glc
t82
V. Metrik and IGrdastik
Ahnlich wie Riepel empiindes auch Koch die Vierraktigkeit als .nauirlichste"
Form eines masikalischen Saues. Dd er die A?uadrarur" wcgen ihrer simplizim
riilunt und aufierdem cine etinzende Theorie der "Tacterstickung oder Tactuaterdriickung" - der Gleichsetzung eines schiuib- und eines Anfanyukus in
,zusammm geschobenm Simen"“ - skizzim, solhe alluding: nicht TU dem
Nhlsch1uit verleiten, dait Koch die ,Quadntur" als meuische Norm barachw,
auf die sich samuche ungeradtaktigen Bildungen als ,Abweichungen‘ oder
m0berforrnungra" zuriickfiiluen lassea, Koch ist keineswegs der .Vorginger“,
den Riemann - unermiidlich auf der Suche had: geschichdicheo Vorformen der funktionzlen Harmonik und Metrik - in ihm TU erkennen glaubxe. Wean Koch
zwischen ,.engen" und .erwciterun Sizzen' unzcrscheidex, so ist das Kriterium, von dem er ausgehr, die Wllst'ahdehrit oder Unvollst'iadigkeit des musikalischen Sinus. Auch ein .enger" Sara kana, wie ein ,,erweirerter", ftmf oder subs Take
umfassen; uad um er dennoch "eng" - nicht .erweiun' - ist, besagt nichts an-
deres als dall er en: im
cnclun
nken oder sechsun Takt seine Volls
di kei "
ulc u'""'""""""' ucx .mmmumu nmannm m :symmu lur
den musikalischen Gedanken, der ausgedriickt warden sell. Dagegen gilt ein San als .erweiten‘, wean es sich bei dem fiinhen oder sechsten Takl um Zusilze EV
einem eigendich herein vrollsandigen" musikalischen seam bandelts", Satztechnisch ist Koch: Unterscheidung allerdings schwer grdfbarz Utterpolieste sequenzen Von Taktmotivea sullen teils als substantialle ',Vervollst'iudigungen" tines "ngen" Satzes"s, teils als akzidentelle Jirweiteruagen" gelteu"s, so dai) man sich, um die Diiferenz iberhaupl festhalten MI kiinnen, auf das Von Koch
apostrophierre ,.Gefiihl" zuriichgeworfen siehr. Koch ist in sting: Symanheorie primir Inhahs-, nicht Fbrzsisthetiker. Die Wertaktigkeit kommt Twar einern ,matiirlichen" Symmetriegefiihl cmgegen, ist aber nicht das Mag aller Syntax,
sondem bedarf der Wechselwirkung mit der S'mrdiederuag, um sich gelund zu machen. Ein "rweitesxer" Satz von fiinf oder sechs Takten wird bei der Konstruktion einer Period: behandelt, als wire er viertaktig; das Bhythmusgeh5bl, der Sinn fiir melodische Korrespondenzen, abstrahiert Von den "kzidentelleu"
zusamn: ., . . der dadurch erweiterte Satz bchilt hey der rhythmischen VergleiChung der Sim eben die Beschaffenheit, die er ohne einen solchcn Anhang gehabt haben wiirde"367. Dagegen fordm ein ,,enger" Sate Von hinf oder sechs Takren EV seiner periodischen Erginzung einen glacial: fanf- oder "chsrak, tigen Nachsatz. d: die Dehnung mm die Vierraktigheit himus inhaldich essenw H. ch. Koch, Versuch eirrerArdeitssng m Commie». Teil 2, s. 453. m mum, s. 374. '" Elma. 5.42; '" Ebenda, S. YN. 366 Ebemu, s, 433. “7 Ebenda, S. Mo.
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4. Musihalische Synux
185
lieu ist, also Rainer: Zusau dmwelll, von dem das Rhphmusgef6hl absehm kiinnte. Die Synramheorie von Marx, die mit der Von Haupumnn trotz Gnlicber, aus
dem Hegelianismus stammeruler philosophischer Pr'a'missen unvereinbar mm, ist primir isthetisch, nicht komporirionsrechnisch fundim: Es ware ein Miamslindnis, die technischen Merkmzle, die ledigh'ch exempliiizierende Funkdonen erftillen, als Defiaitioaskriterien aufzufassea und dadurch Marx dem Vorwurl
auszuseuen, dd er sich soindig widerspreche. Bei der Unterscheidung zwischen .Snz" und Jeriode" - einer Uaterschei-
dung, die Von Hugo Riemann als iibedhissig verworfen, abet von Erwin mam mit mindener Bedeutung der Termini wiederaufgesriRen wurde - erweist sich
das stmkturelle Moment, die Form der Kadenz, als selumdir, obwohl eine Her-
vorhebung naheliegt, wail es das eiazig handgreifliche und zudem ein durch Tradition fesrsteheades, aus der rhetorischen Ptriodentheorie summendes Merkmal
in. Man m5gert nicht den Ganzschlue eines vierraktigen Sarzes" mit einem nauncmuu zu museum, um ucn .aau zum .vurucrsalz mm rcnuue werden zu Iassen. (Wordersata" ist demnzch cine Funkrion. die ein Jiatz" dadurch
erhill, dall cr unselbsssulig sun selbsrindjg ist; cine Funkdon, die cine Verin» derung der Erscheinungsform - eine Moduikation der Kadcnz - erawingt.) ,,Gehn wir mm auf unsem diesmal Burn Grunde galegun Sauz (. . .) zunick, um ihn zu einer Period: zu erheben, so mutt derselbe Vordenatz werden, das heith: er mad sun des Ganzschlusses (. . .) einen Halbschlull (. . .) erhalten." 369 Zwar ist der Ganzschiult konsdwdv fiir die Periode - oder genaucr: er stellt ein m6gliches Merkmal eines Sane: und ein norwendiges einer Period: dar -, aber nur als
iuikres Zeichen eines inneren Wesenszuges, auf den es primir ankommt: der Abgeschlossenheit des .Inhalts", die daraus resultierr, dag ein .Gegensatz" den Jatz" erginzr. (Die Tenninologie in 1maufGllig verschoben warden: Jiatr" und ,,Gegeasatz" sind Jnhalrliche", ,Norder-" und ,,Nachsarz" formal: Besu'mmungen der Teile einer Periode.) ,,Der Satz ist seiner Natur nach einseitig, die Periode hebt diese Einseitigkeit durch den Gcgensatz (durch die andre Seine) auf. Der Sate kann seinen Inhalt erweitem und ausdehnen, mull aber mit der je wtirem Ausdele nung eben so vicl an fester, geschlossner Halmng verlieren (. ' . Die Period: be-
wilrigt ihren Inhalr dutch enrschieden durchgreifende Theilung: sie ist nicht mehr einseitig, weniger in Gefahr der Weitschweifigkeit und des Verschwimmens, aber sie hat auch ihrem Wesm nach die unzerTrennte Geschlossenheit des Satzes aufgegeben. Der Sit: in einseitig aber kemfest; die Period: vielseitiger umfassend, aber auseinander tretend."3" (Der Ausdruck ,.Geschlossenheit" bezieht
P" E. ha, Ethng in die mm»: hmmlebre. Wm 1951.] w A. s. Marx, Die bhre m an musiUliseben Kompositiom Bd. u, Leipzig 5mm, s. as. m Ebenda, s. 39.
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Gogle
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184
v. Memh und Rhydunik
sich auf die modvische Einheidichkzit des Sum.) Dail Marx den .Gegmsau" des ,Inhalts' immer wieder - im ersten wie im zweiten Band der Kmtpositions-
iebre - durch cine Umkehrung der Bewegungsrichtung illustrierte, war eine unzulingliche, ins Trivial: abgleirende Exemplifizierung dessert, was ihm vorschwebte. Im Grande meinte er nimlich den Sachverhalt, den Arnold Schmitz ein Jahrhundert spiter Jontrastierende Ableitung" nanme und der bei Hegel
besrimmte - mm Negierten abhiingige - Negation hid}.
Die technischen Merkmale, durch die in spimen Theorien cine Period: deh-
niert wurde - die oifene oderlatente, iberfomu: .Quadnrur' der Hllhsim, die
motivische Beziehuug zwischen den Halbsauanfingen und die Korrelzrion von Halts, and Gaazschlug - waren, wie gesagt, fiir Marx noch akzidentell; Sie dienten der fonnden Verdeudichung des inhahlichen Wesens (Halle und Ganzschlui) Riemanns System einer fisnktionalen Merrik beruht auf der These, dd die achuakrige Period: tin .normativcs Grundschema" darstelle"', auf das man irreA. A...¢L m. A "4.... - 'P, .....u."..ms.
von Verschrauhungen, Elisiouem Generalauhaksen und Anhingen iiciiiriii2r, kfmne Die musikalische Meuik prisennm sich als hsbegriff von Iteduktionsredw niken: Was von der .Quadnmr" abwcicht, erscheint all Airnstliche" Ausnahrne
won einer .nauirlichea" Regal.
1kmdermesrischenOrdrumg' " g ' ' 7 t.wusien'emanairnGtnzugw Ex. 35
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m H. Riemann, System drrnwsikalisrgem Rbytlmsik m4 Mmik, s. m.
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UNIVERSITY OF MICHIGAN
f. Musikalische Syntax
ms
Hauptmanns Schema l 2 , . 2 a , 5 postuliene. sind die Reduktionsmetuder,
mils abhingig und teils unabhingig. Soll aw: der .Ritmo di tre battute" des Menuem aus Moum g-Moll-Symphonie KV 550 (Ex. 35), der unzweifelhah die
Ordnung schwer-uicht-Schwer (Toruha-Dominante-Toruha) ausprigt, auf einen Vicmkrer mtriickgeftshrt warden, so {chit der em: Takr, wmn man van
Riemanns Schema l ' 3 , ausgehr, dagcgen der vitae, wmn man Hauprmaans Model! l 3 l ' vorausum; die Chufrierung schwank: also, gebunden an das metrische System, zwischen 2 3 4 und 1 2 3. Dagegen in ein Appendix " einem achten Takt Emmet 8 a und cine Takwerschrinkung immer 8-1 oder 4-1, gleichgiiltig, ob man den Schluit fin schwer oder fiir leicht erld'a'n. Der Norm 1.eicht-Schwer liegt, wie erwihnr. die iuhedsche Primisse zugrunde, dag .aktives" musikzlisches Haren zielgerichtet sei, m dail der Akum oder Sdzwerpunkr auf den Schlug falle, dem die musikalische Bewegung zustrebe. Rib mums .einseitig" auhakrige Phrasirrung ist Ansdruck und Kousequenz chm "dynamischen" Musikbegriffs. Oder ins Absuakre grwendec Das .norrnativ: brundwhema" def tunkuonaltn Memk tyeruht aut emu "uietucltea .Anschau-
ungsfonn ' priori". Doch war Riemanns Dogmatismus nicht so sun. wie van m:nchen Gegnem behauptet wurde. Erkline Riemann den Typus schseer-uicht-lkhwer noch
1903 als Vienakter, dessen Anfangsukr cLidim sei'", so kouzedierxe er 1916 auf
Grund des Studimm von volksliedern, .dail die Ordnung schwer-uicht-Schwer als mm Primires, prinzipieil Bedeutsames merkanm werden muB, dail sie neben der ZweigFlrigkeit Von Aufstellung und Antwan als cine selbsandige typische Balm der Tonvorstelluag auf rhydxmischem Cabin: " galms hat" "s.
Das Zugestindnis guilt def in die Voraussetzungen des merrischen Systems tin; dems die 2weigliedrigkeit von Aufsullung und Antwan" ist konsdmtiv far das "normative Grundschema" Leicht-Schwer, das nicht als "iufurliche Akzenmrd-
hung miBverstanden werden dad, sondem als .logische" Relation - Koch sprach van Jiubjekt" und U'rgdikat", Riemann Von Primisse und Korssequenz - begriifen werden mail. Die Fennel Jchwer-uicht-Schwer" - als .erwas Primires"
ohne Annahme einer Elision - ist suenggenommen cine Nomenklamr ohne theoretischen Gehalt: cine Nomenldarur, die sich Twar auf musikalische Erfahrung stiitat, aber aus dem System nicht stringent begriindet werden kann.
Wird die Dedukdon der musikalischen Metrik aus einer 'isthetischeV schauungsfurm a priori", die cine besdmmte ,,Bahn der Tonvorstellung" als "natisrliche" vorschreibt, unter dem Druck musikalischer Edahrungen halb
preisgegeben, so gewinm die entgegengesetate Miigh'chkeit, die Metrik a your
riori, also durch Induktion aus Beobachrungen, MI begriinden, an Bedeutung, 32T Ebenda, s. 298.
m H. Riemann, Newe smug: zu tuner Lehn van den Tunvurstebngem in: 11:? m 1916,13, 23, 1917, s. 15,
Co glc
186
V. Mmik undllhythmik
Die Fundierung van metrischen Gewichtsabstuhmgen durch harmonische und melodische Phinornene ist Twar von Riemann sun postuliert worden’", wurde
aber nimals “pm dargestellt, Denn einerseirs erschien sie nicht dringlich, solange die 0berzeugung, es gebe eine metrische Vorstelhmgsbaha a priori, ungebrochcn war, und aadermseirs win dutch einen Vcrsuch, satzrechnische Krite-
rim der Gewichtsabsmfung auszuarbeiten, rasch das Zugestudnis trzwungen
warden, daft sich die Ordnung uicht-Schwer zwar oft, aber nicht immer harmonisch-melodisch begriinden lat. Das Harmoniemodell, van dem Riemann
unausgrsprocben ausging, war die kadenz, und zwar die plagzle ebcnso wie die authentische; Jede Pinuldm: erscheint als leicht, jede Ultima als schwer. (Die Akkordfolge I-v-V-I bildet tron harmonischer Inversion metrisch cine cinfache
Progression uicht-schwrr-uicht-schwer, weil sie sich aus einer plagalen und
einer autheatisclsen Kadenz zusammmsnzt, und die Kadenz I-nr-v-r reprisenrim als Aufeinanderfolge Von zwei autheatischea Kadenzcn diesclbe metrische
Ordnung.) Die Kansequenz aber, daB durch harmonische Wiederholung - die
Appemuxctumkter nu Jer lypus aCr1Wer-hir1t enmem, mocmg nmann Manger: in der Vamelluug, dail .aktivcs" Hamn ein .inneres Diminuendo" von einem Ersten TV einem Zweiten nicht zulasse - nicht ziehen; hin und her gcworfen zwischen Fakmm und Dogma, wich er einer Entscheidung am: mier lith um: die gewichtbestimmende Kraft der Harmonie im Stich." 375 Riemann gain also in das Dilemma, entweder cine explizire Damellung der barmmtiscUn Fundienmg metrischer Gewichtsabstuhmgrn vermeiden oder abet die tragende These seines Systems wenn nicht preisgeben, so doch einschraaken TV miissem das Dogma, dag die Ordnung uicht-Schwer die einzig nauirliche Jbahn der Torworstellung" sei. 1903 schlug er den einen, 1916 prinzipiell den anderen Wag ein, ohne alluding: die nunmehr oifene M6glichkeit, Gewichu-
absruhmgen von Taken a posteriori sun a priori TU bcgrunden, noch verwirk-
lichen zu kiinnea. (Erkennt man .die Ordnung schwer-uicht-schwer als mm Primiires" an, so kann man prinzipiell auch den Typus Schwer-uicht und dessert
Fundierung durch cine harmonische Wicderholung mit Appendixchamkter gelten lasscn.) Riemann: "igrntlichf Metrik - die .Essung lean: Hand" - ist ein
Torso oder ein Wrsprechen geblieben. Der Dogmatismus, der Riemann immer wieder - und nicht zu Unrecht, wenn man von den Jetzereien" der spiten Abhandlungen absieht - vorgeworfen wurde, ist musikpsychologisch begrisndes. Riemann, der am End: seine; Lebens in dem Jaergetiker" Ernst Kurtis einen .Mirsmiur' zu erkennen glaubu’",
gang, wie erwihm, Von einem dynamischen Musikbegsilf ans: van der Primisse, dais tin musikalischer Vorgang prinzipiell tin zielgrrichteter, van einem Ersten Tu 3" H, Riemann, Vadcmecum dey Phmsierrmg, S. 47. '" Ebenda, s. 50. P" Sick: Anm. ll4.]
c-
Co, -gle
6. Musikalische Syntax
m
einem Zweitcn hinftihreader Prozd sei. Die These, dd ein Zweilcs immer als schwer oder Schweres als ein Zweius erscheine, besagt nichts anderes, als dail
Zeitliches "nesgetisch" zu venuhen sei und dall dabei der Akzent auf das Resultat falle. Die Termini Lciclu und Schwer sind Mmphem har den Anfang und das Ende eines teleologischen Ereignisses, dessen Schwerpunk: in dem Ergebnis liegt, dem es zustrelst. ,,Ganz allgemein ist aber zuniclm noch festzustellem dd
leichte Werte als zu folgmden schweren iiberfthrend versundcn werdm miissen
(. . .). Das eigradiche musikzlische Eatwickeln batch: forrgesetzt in einem Aufstellen und Beantwortem durch die Beantwortuag erfolgt der Abschluil klei-
tter selbsrindigen Bildungen. Das gr6ilere Gewicht eigm dem abschliaenden Zweimn. Schwer ist soviel wie antworrend, schlieBendf 3"
Die psychologische Fundierung, die das System suggerierr, ist allerdings in
Wahrheit cine logisclle, wobei Riemann - in 0bereinstimmung mit der Epoche, nus der er nammre - die Logik mit Psychologie und die Psychologie mit Logik verquickre. Experimentalpsychologisch ist Riemann: grundUgeades Theorem
mit geringer Mihe widerlegbar; Die Erfahrungstatsache, dal) man einerseiu cine Akkordwicderholung im Rhythmus burz-lang als unbetont-betont, im Rhythmus kurz-kurz oder lang-lang dagegen als betont-unbeumt und andererseits
cinen Harmoniewechsel auch im Rhythmus kurz-kurz oder lang-lang als unbetoat-betont wahrnimmt, besagt zwcifellos (jedenfalls im Hinblick auf die europiische Musik der Neuzeit), dall emens die Akzenmieruug harrnonischrhyehmisch begriindes ist, also lain I priori gegebenes, in der einen oder anderen Form feststehendrs, sondern ein vom tnusikalischeo Inhalt abhingiges Moment dmmllt und dd zwciuns das Merrum betont-unbetont, das Haupunann fiir paradigmatisch hick, sich ebenso zwanglos und unwillkiirlich konstituierr wie
Riemanns Model] Leicht-Schwer. Riemann; Theorie wurzelt in der - vor Edmund Husserls Logischen Unterwcbungen (1900/01) dominiereaden - pbilosophischen Oberzeugung, dag logische Normal ,,Denkgesetze" in einem empirisch-psychologischen Sinne seien. Die musikalische Logik, wie Riemann sie mund, sollre zugleich als Musikpsycholo-
gie gehen und die Musikpsychologie sich in der suikwn Form einer musikalischen Logik prisenderen. Li'm man aber- unter dem Druck van Husserls Argumentation - die Verkniipfuag der Disziplinen auf, erkennt man also, datl die Logik - and zwzr die spezifisch musikalische ebenso wie die garment: - nicht Denkvorgiinge als psychisch: Tatsachen schildert, sondem lediglich Regeln formulien. so tritt der normative - nicht dskriodve - Chankter von Riemann: Theorie offen zuuge: Sie beschreibt nicht, was geschiehr, sondem postulien, was - um des musikalischen Zusammenhangs willen, der dynamisch erfafk werden miss: - geschehen sollrc.
Riemann ging einer satzrechnischen Begriindung metrischer Phinomen: ans
m H, Riemann, GtofeKrmposrtiorrsuhre, Bd, l, Berlin u. Stuttgarr1902, s. 25.
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r -
v. Metzik and Rhythmik
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dem Wege, obwohl er wuBte, dag sie eigenrlich uaumgisah'ch war. Zwar deutete er an, dag das ,.Taktgewicht" nicht sellen von .Harmoniewirkuagen" ab»
hinge”: Ein Harmoniewechsel suggeriert einen Schwerpurskt, und eine Tamika ist schwerer als eine Dominante - als Tihlzeit ebenso wie als vimer Take im Verhilmis zu einem Zweiten. Andererseiu wich Riemann jedoch in die abstrakte,
satztechnisch ungestiitzte Behaupmngeines .nur rhythmischm Antworwerhilr-
nisses" nus, um die universal: Geltung des .normativen Grundschemas" - der achrtalrtigen Period: - nicht einschrinken Oder gar preisgeben zu mussen Je nach der akmnbarcn Nachbildung von Motiveo wind also B. B. der 8. Tahr Antwon auf den 7., 6. oder 4. sein k6nnen; aber wean auch durch direkre Nachbildung sein cngeres Anrwonnrhilmis zum 7. Takr besonders hervorlrin, (. . .) so wird dadurch nicht sein Antworrverulmis im groikn auf 6 (im Halbsau 5-8) und auf 4 (in dem ganun Same) aufgehoben. Dieses zunichsx in dean nur rhyth-
mischen Auibau der Period: begnindcte Antworrverhilmis im pollen kann sich auch in der CJbereinstimssusng des melodischen Linien des Vordersatzcs d des Nuhsaues duck! onmbaren, aocn m aas kemeswegs enomcrucn,‘m U25 .Takrgewicht", das a priori fumeht, wird nach Riemann, wie es scheint, durch melodische Enuprechungen oder dutch .Haxmonicwirkungen" wenigcr konsli-
mien als blog bestidg: oder "oKenbarx", obwohl andererseits bei "su/rigs'-
gen Bildungen wie einer Dreitakrgruppe der Inhalt der Talue daritber entscheiden soll, ob " sich um die Ordnung schwer-Leicht-Schwer oder den Typus SchwerUicht-uicht handeln Riemann gait - oKenbar unbewugt - in das Dilemma,
bei "quadratischen" Taktgruppen ein Schema a priori vorauszuscrztn. bei .irreguliren" dagegen ein Mezrum a posteriori zu eruieren.
Sucht man sich zu vergewisszm, was unter einem ,mu- rhythmisch begriinde Ken Antworwerh'iltnis" zu verstehen sei, so snail: man auf das Jirkennen des Ablaufs gleicher Zeitstrecken" und die als subjektive Anschauungshrrrn a priori den .gleichen Zeitstrecken" aufgepr'a'gte Ordmmg eines Erma (Leichun) und
eines Zweiten (Schweren). Jndern wir schon innerhalb cine: und desselben Themas fiir ip6iiere Trile an die Selle der schematischen die themadsche Glicderung setzen" - also die abstrakt rhythmische Ordmmg inhaldich-rnotivisch konkredsieren -, A. h. nicht mehr in dem Erkenncn des Ablauis glricher Zeitstrecken, sandem in den Bezidumgen des motivischen Inhalus das einigende Band suchen, gewinnen wir zugleich einen verliBlichen Ausgangspunkt hir das Vustindnis aller noch weiteren Ausdehnungen der Proponionen" "o.. Was sich als motivische Korrespoadenz innerhalb der Period: mbahm, verbiirgr musikalischen Zusammenhang iiber die Grenzen der Periode - d. h. aber den Gelmngsbereich der Mctrik - hinaus. TN H. Riemum, Gulf: Jromptrsirimaskhre, Ed. I, S. 25.
TN Ebenda, s. 4s. 3" Ebenda, s. 50.
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s, Jatz" IInd ,Periade'
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Die Beziehungrn zwischen dem Symmetrieyrinzip, dem Nstulat dynamischzielgerichteren Harms und der paniell hannonisch-melodischen Begriindung des Jhktgewichts" sind von Riemann nicht prizisiert, sondern in der Schwebe gelassen warden: in einer UngewiBheir, die man als diffus, aber auch als - bewulhe oder unbewulhe - Anpusung an die Kornpliziertheit der musikalischen Wirklichkeit empfinden kann. Die Fundierungs- und Abh'ingigheitsverh'iltnisse, die zwischen den Teilmomentrn der musikalischen Metrik und Syntax besuhen,
in Formeln EU fusen, die einer expesimentalpsycltologischert Erprobung standhalten, ist so schwierig, wenn nicht sogar teilweise unméglich, dd es ungerecht wire, Riemann einen Mange] zum Vorwurf " nuchen, der auch von seinen Krid-
Kern, so zahlreich sie waren, einsrweilen nichr behoben wurde. 5. Jatz" 14nd .Pniode' Die Unterscheidang zwischen Sm und Periode, die in der musikalischen
Terminologie bis ins m. Jahrhundert zuriickreicht, in in den zweiJahrhunderten, in damn sie tradien wurde, oft genug als verwirrend empfunden und beklagt worden, ohne dag es iodoch geiiickt ware, zu Drfiniriosen zu gelangtn, die mold logischen als auch empirischen Kriterien geoiigea, die also einerseits die
Dichommie von innen heraus varstindlich machen und andererseits der musikalischen Wirklichkeit des klassischen Zeitahers, auf dessen Syntax sie zielcn,
gerecht werden.
Die Schwierigkgit, dag Matz" sowohl Ober- als auch Unter- und sogzr Gegen-
begriif TV Jtriode" sein kann, ist cine Erbschah, die Von der musikalischen Syntaxrheorie aus der Sprachlichen iibemommen wurde, Als Vordcr- oder Nacluarz
in ein .Satz' Teil einer Ptriode; als syntaktischer Typus aber stalk er cine Alternative zur Periodenstrvktur dar; und scHialicb ist eine Period: eine Art Sata,
neben der noch mdere Amen bestehen, so M Jiata" als Gattungsbegritf fungiert.
Heinrich Christoph Koch muchne Eindeutigheit TU erzwingeu, indern er .Satz' als ,.einzelnen melodischen Thcil" einer Period: definierre, nndhe aber tintinrnen, dad man iiber die Kermzeichea einer Period: .nichl véllig einerley Mei-
nung' war, ,denn viele nmnen oh einen mlchen The] aim ganm Tonstisckes
cine Periode, der an sich nur einen vollstindigen Sinn bezeichnet, und den man in der Wostsprache einen Sara neuuer" 3".
Kann demmch Von einer festen lovischeu Relation zwischen den Termini Sara und Periode schwerlich die Red; sein, so bestanden andererseits in der Musiktheorie des 19.Jahrhunderts zwei Periodenbegriffe nebeneinander, deren Krirerien, obwohl sic zusammentreifen kbnncn, doch nicht zusunmenzutrei%,
brauchen. Die sprachliche Disziplin, die als Modell diam, war enweder die 5" H. Ch. Koch, MrssiUtiscbes Lexikon, Frankfurt IBOZ, Sp. li49f,
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v.MemhrsudRhydunik
Rhuorik, die van Prosasitzen, oder aber die Poetik, die van Venzeilgn ausging. In der rhetorischen Syntazrheorie, wie sie Koch mtwickelte, ist eine Period: da-
dutch definiert, r128 sie - unabhingjg Von der Linge, die sie erreicht mit einer -
f6rmlichen Kadenz schlidlt. .50 wie sich in der Rode die Period: mit einem voll-
kommenen Ruhepurhre des Geistes endigt, den mm in der Sprachschrih mit
einem Punkte bezeichner, eben so mull sich in der Musik die Period: mit dem vollkommensten Ruhepunkre des Geistes schliessen, den man cine Cadenz
nennet." '" Dagegen besuht in der poetischen Sysstaxtheosie, in der auf die Musik iiberrragenen Lehrc vorn Versbau, cine Period: auf der metrischen (im 18. Jahrhunden saga man .rhythmischese) Kompondenz zwischun einem emen und einem zweilen Gliad. Dail Antoine Reicha, der 1814 eine musikalische Period: als Zttsarnrnenserzung
Von 4+4 Takten beschrieb, .dcn beiden amiken Mdhestimmungrn Period: und
Kolon je den doppelten Werrh wie die Allen gab wie ihm Rudolf Westphal mit ttttttr,Entrismng vorwarf’” in van geringer Bedeumng gegenutm an Lunuanlwulcn ,1 .L. uzu 1Ut " um umrnaup: am Au 1.. - vmcs unanuerw Jauacne, nluuul
und von ',Maihestimmuugere, nicht primir von Kadeazen und Kadumbstufungm ausging. Dem Jnterpunktischen" Periodeubegritf - Koch spunk Von Jnterpuncsischer Form" - steht also ein .meuischer" gegeniiber. Dail im .Idealtypus‘ der achnzkrjgen Periode, wie ihn die Lehrbiicher prisenv deren. das while und das mexrische Kriterium -die Dikerenziervng durch Halbund Ganzschlug und die kbrrespoudenz xwischen Wrder- und Nachsaa - mir-
einandet verkstiipft siad, ist zwar unleugbar, sollte aber iiber die 2wiespudglseit des Periodeuberiffs nichr histwegr5uschen, eine Zwiesp'iltigkeit, die Emmet dam zuuge trite, wean eines der Bestimmuagsmerkmale ausfilk und deanoch entschieden werden soll, ob es sich um eine Period: handeit oder nicht. Far Koch in cine ganu sonatensatzexyosition, sofem cm an deren SchluB cine f6rmliche kadens steht, cine einzige Periode, unabhissgig von der Amhl der Takre, aber die sie sich erstreckt, und von der Anzahl der ,Absiua‘ mit unvollkommmen schliissen, die sie umfagt. Hugo Uichtentritt dagegrn 3” Iii}! eine Gruppierung in 4+4 Take auch dann noch als Period: gellen, wean der Vordersatz mit einem
GanzschUi in der Grundconm ender und der Nachsatz nichts amines als eine Trar1spositioa des Vordersatzes in die Domiuantuman darstellt.
Tonal: Differenzierung der Hzlbsiue und metrische Korrespondenz sind die auffilligsun, aber nicht die eiazigen Kriterien einer Periods. Dal} Adolf Bernhard Manx Von .Perioden mit aufgek5stem Nachsatz" sprach"s, win - unabhingig
w an w m
Ebenda, Sp. use. R, mehzl, Alrgemerhe Theorie dermeesihahhher, Rhythm}, mo, s. m. H. Uichtentritr, Msssihatisrhe Wk", Leipzig 41:943.; 10. A, B. Mam, Die Lebre van der ,roaikalischen Ktsmpositurr, Bd. m, Leipzig 3/1357.
s. 259 ff.
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5. Juz" und Jeriode"
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davon, ob cs sinnvoll ist - iiberhaupt nicht méglich gcwesen, wenn es nicht auger dem tonalen und dem metrischen Besdmmungsmoment, die der Auf16suag des
Nachsatzes zum Opfer fallen, noch mam Merkmale gibe, an denen sich cine Period: erkennen 153:: Merkmale, ohne deren Wirksvnkeit die Erwartung periodischer Regelssiiligkeit, die dana enuiuschx wird, gar nicht erst emstiinde. Was
Marx meim, ohne es Zn Sagan, ist denn auch "nmiiherstandlichr Nach einem Vor-
dematz mit Halbschluit gearsgt eine motivische Ankniiphsng der Fortsetzung an den Anfang, um die Modellvorstellung eines korrespondierendcn Nachsatzes mit Ganzschluit zu snggerieren, auf die man den "ufgel6sten Nachm- als Abwei-
Chung yon der Norm - bezieht, um ihn sich als syntakrische Struktur begreiflich EU machen.
Das Kriterium der modvischen Ankm5pfimg, das zur Beschreibung von
saclwerhalten ausreicht, ist allerdings theorerisch unzulinglich. Die Definitionsmerkmale einer Period: oder tines Jdeahypus" Von Period: - die menische Korrespondersz Von Vordn- und Nachsatz, die tonal: Differenzierung durch Halb- und Ganzschlug und die melodische oder rhphmische Assozhlion dutch
analog: Motive A schlicht zu addieren, geniigr nicht, um zu einer musikalischen Syataxtheorie EU gelattgen, die " erlaubr, den Typus der Period: und den Gegentypus des .Satzes' in eine logisch einleuchtende Relation TU bringen. Erwin
Razz, dessen Formealehre die von Marx summende und Von Riemann ver-
worfene Unterscheidung zwischen Satz und Periode als syntaktischen Typen in der musiktheoretischen Umgaagssprache wieder einbrsrgerte, verfuhr Miguel.
deskriptiv, ohne die Dichotornie Von innen henus versandlich zu machen: ,,Die Period: (4+4) bcsteht aus einem Vordcrsau und einem Nachsatz, wobei der Vordersatz in der Regel auf einem Halbschhd, endigt, der Nachsatz so wie der Vordersatz beginnt und mit einem Ganzschluil endigt. Der achuaktige Satz, (2 x2)+4, bench: aus einem 2weitakter, seiner Wicderholung und einer viertak. tigen Entwicklung, deren Wesen darin besteht, dail ein Teil der im Zweiukm
exponierten Motive fallen gelassen und so eine Verdichmng und Beschleunigung
der musikalischen Darstellung erziek wird." '" Das Prinzip, aus dem der typolie
gische Gegensatz erwichsr, bleibt bei Ratz unausgespmchen, trite aber bei Erwin
Stein, der wie Rats dem Sch6nberg-UnAreis mgeham, deudich way. Stein vergleichx das Haupnhcma des mm. Sam: aus Beethavens Somme op. 2, Nr, 1 mit dem modvisch ihnlichcn Hauptrhema des Finale nus Mozares g-MoIl-Symphonie
KV 550 (Ex. Ma, b): Der Beethovensche .Satz" ist durch cine Sequenz im Vor-
dersats und eine Entwicklung im Nachsatz, die Mozartsche ,Periode' dagegen
durch einen Kontrasr im Vord'mm und cine Analogiebildung im Nachsad Ju,
"kterisierrt Entscheidend win demnach die Struktur des Vordersatzes: Ans einerWiederholung, Sequenzierung oder Variantenbildung innerhalb des Wrder3" E. Ran, Eitrfiibrutrg in die 'rmsikalisshe fbrmerdehre. Wien 2/1968, s, gg, "r E. Stein, Ifmsik. Rim Mud Darnelllmg, Manchu: I964, s. 105 K.
Co gle
m
v. Merrik and Wk Ex, 36:
Ann»
r-h--.--,
-A-
Aus; Stein, Murile. Ibrm mi Dtmellung (1964), s. nos. saacs geht ein entwickelnder Nachsztz hervor (Sam), wihrend ein in sich kontrastierender Vordersatz durch einen korrespondierenden Nachsatz ins Gleichgewicht gebracht wird (Periode): Die Wiederholung des Motivgegensatzes (a bl: b)
with wagen der Umkehrung der Akkordfolge (T-D/D-T) komplementir, Des trennende Eifekt der Repetition und der verklammernde des Knntrasxes greilen
ineinandcr. Steins Erklirung, dull der Unterschied zwischen San und Period: in der Alter-
native zwischen Sequenzicrung und Kontrast im Vordersnz und zwischen
Entwicklung und Korresptmdeuz im Nachsalz begriiadet sei, besticht durch die innere Logik, die sie in der Typologie sichtbar macht. Dag eine Sequenz einen Abspaltungsprozell herausfordert, ist ebenso plausibel wie die Primisse, daii ans einem Kontml einzig durch korrespondenz - und nicht durch Entwicklung eine syntaktisch geschlossene Struktur hervorgehen kann. Andere cits wire a
realiatsrrernd, die Kritcrien TU eng zu fusen. Mit dem Postulal. dati der zweile Teil eines Satzes prinzipiell cine Entwicklung sein miisse, wind: man um der Drastik des Modells willen die desksiptive Brauchbarkzit der syutaktischen kate. gorie empfindlich schrumpfen lassen. Nicht sehen handelt es sich weniger um cine Entwicklung als um cine bloee Fomuzung. Oder gunner: Eine Verkm'ip» fung durch hhnlichkeit eines "tztechnischen Teilmomenu ist zwar fart immer
"
Co, 816
HMXERM'“ 0F MICHIGAN
5. Aarz" und Jtriode"
193
uatw’ua lk 2
ac.
l.-, 1
Ans: Stein, Musik. Rrrm und Darsrelhmg (1964). s. 107. fiihlbar, geaiigt aber oh nicht, um den Terminus .Entwicklung" MI rechtferti. zen. der an einen Abwaltuazsorvzeil - wie in dem Haurrtthema aus Beethaveas
Spfz, Nr. 1, auf das iuum Ziée Syataxrheorie als Ezenipel verzichtet denken -
laik.
Allzu rigoros wire es auch, die Verschiedenheix der Phrasen, aus denen sich der Vordersatx einer Period: zusarnmensazr, nur dann als konstituens einer .rcguli-
ren" Period: gelten TU lassen, wenn man sie als kontrast auffassen kann. Das Ge-
geneinander, das Stein posmlim, ist oh durch ein bkdUs Nebeneinander ersetzt,
Co gle
194
v. Metrik and MM
das iadoch - in Verbindung mit merrischer Knrrespondenz und louder Diiferenzierung durchaus geniigt, um die Wirkung einer Period: hrrvorzuruien, -
Die Unrerscheidung zwischen Sate und Pcriode krankl in der ilteren Literatu.
an dem Mangel, dag der Satzbegriif primir negadv: als Nichr-Periode, bestimmt wurde (cinem Mangel, der in Typologien h'iuiig ist: der cine Typus erscheim als deiizienter Modus des anderen). Eine Period: korstituiert sich nach Marx .dumh
die g)eichmaige Bildung Von Vorder- und Nachsatz, so wie durch die beiden
einander esstsprechenden Schliisse" '". Und als .Definition" des Sans - der Marx nicht zufillig ausweicht - bleibt nichts anderes ibrig, als dag es sich um ein Syntaktisches Gebilde von in der Regal achr Taken handelt, das mit einem Ganz-
schlug endet, dessen Halbsitze aber weder motivisch - durch analog: Anfing: -
noch tonal - durch komplernent'a're Schliisse (Halle und G-hluir) - das Kor.
rcspondenzprinzip der Period: auspr'a'gen. Dem Haupnhan: des enwn Saues
aus Beethoveos Es-Dar-Sona" op. 31, Nr. 3, das Marx als Muster eines Jiatzes"
zitierr "h liegt nichr einmzl cine Gliederung in Halbsitze, sondem die irregulire J, m, .1 am-uur “A I/tik "Hr' zugrunuc \nx. u; Ex. "
"Ma"
F- T 1
Ans: Marx, Die Lehre mm dev rruesikalischen Kompositiorr, Bd. IU, S. 256.
um Marx die logische strukrur seiner eigenen Typologie nicht durrhschaute, zeigr sich in am Kapirel iiber Harmonieschemata der "periodischen" und der .satzanigen Liedform"wo. Marx mum zunichsx, dag der Period: mit Halband Ganzschluil der 5m mit Ganz-, aber ohne Halbschlug gegeniiberstche, und legt im San die Takte 7-8 als m, in der Period: aullerdem die Take 3-4 als T-D fest, meint dann abet, die iibrigen Takte mum ,th Belieben natiirlich fehlerlos und zusammenhingend - hannonisin werderf, and schligt fiir die acht Takre eines Saues die Amway T-T-T-D-T-T-D-T mm, deren Vordersatz mit einem Halbschlufr mm Der [mum li& sich kaurn mam als durch die Anmhrne erkliren, aux Marx sich die negative Bestinuntheit seine: Satzbegriffs - und den daraus resuhierenden Zwang, Iltriodesunerkmale wie den Hummus bei der Koastruktion Von Siam zu vermeiden niernals geniigeud bewuilt, -
-
gemacnt mt.
m A. B. Marx, Die Lebre van tkrnmsikahhhem Komposiriort, Bd. m, S, 258.
m Ebenda, s. 256, m Ebenda, Bd. 1, him; M1w,s. mm. "I Ebendi, S. 119.
Co gle
'rrr,r'r"rrrc'v"" w:
5. Aatz" und Jtsiode"
195
Angesichts der Verwirrung, die in der Marxschen Sytttaxtheorie hunch, ist es besreiflich, datl spirere '1heoreuher entweder die Untemcheidung zwischen Sal:
und Period: preisgaben oder such anderen als den Marxschen Bestimrnungsmerkrnalen suchten, um Von der Periods, deren Definition in den Gruadziigen
feststand, einen Typus des Jiatzes" abzugrenzen.
Stephan Krehl - dessert Formenlehre, in der Sammlung Giischen nschimen,
iiberaus einiluikeich war - sprach ausschlieglich Von Silzen, nicht von Perioden und klassifizierte die Sitz: nach der Anzahl der Motive, die sie umfasun '". Das
Hauptthema des amen Sauce der g-Moll-Syrnphonic KV 550 Van Mozart fill: zusarnmm mit dem Hauptthema des langsamen Sales der c-Moll-Symphonie
van Beethoven in die Kategorie mit einem einzigen Mode (mu alrzentuierte das rhythmische Moment am Motivbegriff), das Variatioueathema ans Mozam
A-DueKlwiersonate zusum-nen mit dem Seimnherna des mun Sane: IVS Beet.
havens f-Moll-Sonau op. 2, Nr. 1 in die Kaugorie mit zwei Motives: (Ex. 38a, b, c).
Dagegen warden Rats und Stein bride Mozart-Themen als Perioden und bride Beerhiyvenirlietrten als Sim besurnmen. lhe E1nteiiurtgen stehen also quer zucmEx. 3h
ver-
Ex. Mc
Nash: krehl, Mesikah'sche hmnlebre, Ed. I (1/1920), s. 32ff. '" St, Krehl, hhssikaliehe Ibrmenubre, Bd, I, Leipzig 1905, S. Tgif.
Co gle
196
v, Metrik and um
ander; und es laik sich kaum leugnen, dail der Rekun auf cine blMe Zihlung von Moliven - ohne Ricbichr auf deren Stellung und Funhion - ein Imum war: ein
Holzweg, den 1(th einschlug, um iiberUupt noch " einer Typologie zu gelangen, nachdm die Mangel der Mamchen Einteilung zurage garner: w"en. Krehl
vertauschre, grab gesagt, cine ur1zuliingWh formulierre, in der Subsunz jedoch triftige Klassiiikation mit einer untriftigen, die zwar empirisch unwiderlegbar,
aber nichtssagend ist. Theodor Wielunayer gins, anders als Krehl, von der Marxschen Typologie ans, verrauschte aber den Ausdruck Jars" mit Jatzgruppe", um den Gegenbegriff TU .Pcriode', den er meinte, von dem UnterUgrik, der in den Termini Wordersatz" und ,Nachnlz' steckt, :bzuheben. lst cine Period: durch motivische
Analogie und tonal: Diiferenzierung der Halbsitze charakterisierx, so hmscht in
einer Satzgruppe zwischen dam Teilen entweder Beziehungslosigkeit oder abet Parallelitit393. Mit anderen Women: Im Vergleich zur Period: mangelx es enmder an Analogie oder an Differenzierussiy (Dd Wiehmayer das Hauptthema des
erucn Batzes ans Mozart: c-Mou-Mavuersonav: [ILL 37J - mu ucr Mouvomnung J
ts,-,,-,',-?' 1 2 a oeAsueuiao
l
a
a
m, Ibtlb.
Ex. 39
l 2 n 4, 1 a a L Ans: Wiehmayer, Mwsihalisrbe timnerslehre in Analysers (1927), s. 51.
a-b-a-b und der Akkordfolge T-D-D-T - TV den Satzgruppen start In den
Nrioden bahlt"', ist unxer seinen eigenen Voraussetmmgen uabegreif1ich.) Einige der Them, die Wiebmayer als J'eriodea" klassifiziert, em: die Stro-
phenmelodie aus Schumann: Eicheadorff-Lied Zwielidn (Ex. 40), when nach den Kriterien von Ran und Stein als .Situ' zu bestimmea, Der auffilligste Mangel der Wiehmayerschen Typologie ist iedoch nicht der Widerspruch zu anderen Syswnen, sondern die intern: logische Briichigkeit. Wiehmayer geht von einem P 1rienmodeil ans: in dam die Anfa'nge der.' Halbsiue iiber.eirytinyyn und die 5chi0sse zwar monvlsch analog, alter tonal Iutterenziert slnd: : b' a b" Die
Wrianten, die er dann aufreibt"s, lassen sich wuf das - nicht ausgesprochene - Prin-
m Th. Wiehmayer, Mssrhalische Ibrmenlebre in Analysers, Magdeburg 1927, s. mi. N Elma. s. 51. m Ebcnda,5. mi.
Co gle
5. .Snz' und Jesiode"
197
EX. 40
Aus: Wiehmayu, MW: Rrrmmgebre m Analyser: (1927). s. n.
zip zunickKhren, dag es zur Perioderhildung durchaus geniigt, wenn entweder nur die Anfinge oder nur die Schliisse m Vorder- und Nachsatz morivisch korrespondieren - bei deurlicher Ausprigung des tonalen Ptriodenmerkmals; der
Komplementariat Von Halb- und Ganzschlu& (Sun a b a b kann as also, ohne dail die Periodenwirkung gefihrdct oder aufgelurben wire, and: a b a c oder a b c b haiku.) Die Grenze des Periodenbegriffs ist erst iiberschritten, wenn das tonal: Kriterium ausfill: und sich Vorder- und Nachsatz motivisch entweder iiberhaupt nicht entsprechea (a b c d oder a a b b) oder abet durchgingig, als Modell und Sequeaz, miteirsander iibereinstimmen. (Der Grenzfall, dag die Differenzierung Von Halb- und Gaazschtuil in der Modvfolgc abcd ausgeprigt ist, bleibx
bei Wiehmayer utheriicksichtigt.) Auch far Wiehrnayer ist also der San - die Jatzgruppe" - ein defizienrer Modus der Pariode. Dd Beziehungslosigkgir einerseits und strikte Paralielit'it andererseits - ais eutgegengesetMe Abweichungea
von dem Ptriodeumodell einer ditfereaziemen Analogie - in dieselbe Kategorie fallen, zeigt bag, dag auch Mahmayer, ihnlich wie Man, von der negadven Definition des Satzbegriifs nicht Ioshm. Und das Iogische Gebrechen negatives Begriffe; dai) Phinomene zusanunestgeworfen warden, die nichts gemeinsam
haben auger der negatives, Beziehung auf das, was sie nicht sind - zeigt sich sugar bei Wiehmayer noch drastischer als bei Marx. Die Periodeshegriffe, von denen musikalische sysstaxtheorien des 19. und 20. Jahrhundem ausgingen, unterscheiden sich weniger durch die Bestimmungr-
momenu, die sie iiberhaupt beriicksichtigem als dumb die Hierarchie, die lie zwischen den Merkmalen vonussctzm, und durch die Modifikationen, die sie fiir zulissig halren.
Dail die .rhylhmische Beschafferheit", wie Koch die Enuprechung der Takunuhl von Vorder- und Nachsau nanmc, variabei in, ohne dag die chindlichkeit der Periode gefihrder wire, ist niemals gelcugnet warden. Durch Interpolationen und Anhinge zum Nachsata wird dessen Knrrespondenz mit dem
Vordmau nicht aufgehoben. Die Grenze, bis zu der cine Dehnung sich noch als Abweichung auf die .quadntische" Norm zurackbeziehen liih, steht nicht fest.
Co gle
m
v. Mewik und mam
Ex. 41
T Ans: Mas, Die Lebre van def musilulistben Kompusitimt, Bd, W, S. 261 f.
Und wenn Mm?" das Haupuhema des ersml Sazzcs ans Beethovens c-Moll-
Sonate op. 90 (Ex. 41), ein Thema, das nicht weniger als 24 Take umiaik, als
.erweicme Periode' mit 16 Takten Vordcrsatz und 4 Takun Nachsatz - einem Nachsatz, der, .um zu befriedigen, nach einem Trugschlusse wiederholt werden (nndl)" - klassifizierr, so bleibt es offea, was der Ausdruck "rweiterte Periode' iiberhaupt besagn Die These, dail ein ,eigemlich' viertakriger Vordersalz dutch Einschiibe, Reperitionen und Anhinge zu 16 Taken gedehnt Worden sei, wire absurd, Andererseits ist es wenig wahrscheinlich, dail Marx, der Von der Analogie zwischen musikalischer Period: und dichrerischem Vers ausging, aberraschend auf den rhetorisch-prosaischm Periodenbegriff rekurrierr, der essential] durch
die .interpunktische Form' - durch den Schhd mit einer J6rmlichen kuienz" defistierx ist. Und die Vermutung schliefuich, dais mit der .erwziwnen Periodf
eine 1"rbergeordnete Period: gemeint sei, wire m sachlich sinnvoll - die Tahte 1-4 des Themas sind Rir sich ,,prriodisch", die Taht t-t6 ,,satzartig" und die mm 1-24 wiederum s.periodisch" -, 1m: sich aber durch den Marmhm Text 1" A, B. Marx, Die Lehre van der mussihalisrNn Kmnposiriorr, Ed. m, S. 161 f.
Co gle
-
5. Jatz" und .Perinde“
199
kzum stiitzen. So bleibt nichts anderes als die Annahme iibrig, ag die Knmple. mentarit'it m Halls- und GanzschhB, verbuuden mit motivischer korrespoadmz der Halbsatzanrange, aber umbhingig m der Ling: der Teile, flir Marx bereits geniigre, um eine Period: 2.. konstituierea. Das Alumna, in dem die Relau'on zwischen Halle and Gmschlua Veriudnlich ist, 158: sich dmmach, wie es scheint, m in Wechselwirkung tnit der Variabilitat der ,,rhydtmisclten Beschaifenheit" bestimmen. Dag das Them: aus Beethavens op. 90 iiberhaupt als Period: aufgefaih werden kann, ist in der Drastik begrimder, mit der das Kadenzschema hervortritt, Umgekehrt ist Hugo 1xichtenuirrs Behaupmng’", das ScherztrThema aus Beethovens cis-Moll-So_ 27, Nr. 2 (Ex. 42) sei cine Periods, obwom auiter dem Nachsatz auch dchorEx, 42
mum
I
1Hna.ghhkaTqnl" u m. Aus.. 1xiclsteatrirt, Jfsssikalische Jirrmenlbhre (4/1948), s, 10.
dasau mit einem Ganzscbluil endet - der Vordersau steht in der Dominant-, der Nachsats als Quamransposition in der Gmndmnan " nur besreiilich und sinn-
voll, wenn man in der sumn Korrespondenz der Teile, verbunden mit einer Diiferenzierung der Kadenzstufen, einen geniigenden Ausglcich hir den Mangel an 1Jnterscheiduag der Kadenzfonnen siehr. (Die Irregulariat, dail der Vordernu einer Des-Dur-Periode in As-Dur sreht, lat sich gewissermaikn als Deckbild hir den HalbschluB auf derV. Smfe. der "igenrlich" am Plata wire, interprederen0 1m Prinzip ist jedoch die Kadmzform, nicht die Kaderszstufe ausschlaggebend: Ein Ganzschhdi, der einem Haibschhdl entspricht, kann ohne Gefihrdung der Periodenstruktur in der Dominant, sun in der Grundronart - oder
sogar, wie in Schumann: Klavierstisck Der Dichter Wt (Ex. 43), in der Subdominantparalleltonm - erscheinen. Durch cine interne Modulation wird der hriodenbegriif keincswegs aufgehobem Die modvische Entsprechung von Vorder» und Nachsarz, die der .idnltyminim“ AsrirtrF,hrrrriq imnlivépn r. _
lurm sirh
-
mlnn nun dip :rwil‘mm Wkly.
mayerschen Typen als Varianren des Pesiodeamodells gelten lat - entweder auf
die Anlinge oder auf die (in den Kadenzformen differierenden) Schliisse beschrauken. Das Schema a b ab in durch a b an oder ab C b enmbar. Die Kone-
spondcnz der Anfinge ist alluding: sinnfilliger, so dag, wenn sie fehlx, die metri3" H. Uichtentritr, Mmihaliscbe Rmnenlebn, S, IO,
Co gle
200
V. Mnrik und Rhylhmik
Ex. 43
scheundtonaleRwlmi& ei der Period: um so "1sgeprigrer sein mus, wenn age synxakusche blnlklul’ kennxhch blemen sou.
Andermseits ist cs urtgewitl, wie writ sich der Begrik der motivischen Analogie fassen Wu, ohne ins Fiktive " geraten. Geniigt die Mnlichkeit m Vordersarzanfang und Nachsarzende - das Schema a b c 3, wie es dem Rondorhema ans Beethovens c-Moll-Somte op. 13 (Ex. 44) zugrunde liegt - um cine Period: zu Ex. M
Allegrg 4A p
konstituierent Und kann bei dem Them: aus Dumb Es-Dur-sortate op. 75 (Ex. 45), das Marx als Modell einer Period: ziden’”, Von einer "gleichrn'a'iligen Bildung m. Vorder- und Nachsatz" iiberhaupr die Rede sun, wmn sich die Assozillion auf cine rhythmische (nicht diastemarische) Ankniiphsng des mun Nachsauukus an den Ieuun Vordersatatakt beschr'inkr? in beiden Themen ist die motivische Analogie schwach ausgeprigt, weil die miteiaander verkniiphen um w A. B. Marx, Die Lebre m der muu'kalbcbm Kornpositiorr, Bd, 111,5.253.
" 'GO\ 816
HMXERM'“ OHHLHHDLN
5. Joz" und Jeriode" Ex. "
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sesriaEtr:'csiscc"e-/-1si “Ft .
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Ans: Marx, Die Uhre van der msoihalisWen Ktmtposirion, Ed. W, S. 258.
in einer ungew6hnlichen Position zueinander suheu. und wenn es dennoch angemessen erscheinr, den Periodenbegrik TU gebrauchen, so ist es die Drastik der
metrischen und harmonischen Regulariril, die ihn nahelegt. Eine Period: mare demnach. abnnkr ausiredriickr. tin Knnmlex von Markma-
len, die zwar simdich modifizierbar sind und mutt Teil sugar ausfallen konnen, zwischen denea jedoch Wechselwirkungen bestehen, so dag Irregulariat auf der einen Seite durch um so sinnfilligcre Regelmiihkeit auf der anderert ausgeJchen warden mull, warm die Period: nicht zcrfallen soll. Andererseits zeichnet
sich insofem cine Hicrarchie der Besdmmungsmerkmale ab, als die Differenzierung der Kadeazformen, die Komplementasiat yon Halb- und Ganzschlull einen gewissen Wrrang grgemiber der metrischen Entsprechung und der motivischen Assoziation behaupm und das morivische Moment wiederum migcr variabel ist als das mmische, Dail fiir cine Periode der erginunde Gegensatz zwischen Halb- und GanzschluB korsstitutiv in, besagt keineswegs, dail far den Gegenrypus des Satzes
gleichfalls ein tandes Moment - nur eben ein anderes - emscheidend sein mate: Nichts berechtigt dazu, cine malage Hierarchie der Kriterien zu erwancn oder
gar fiir selbstverstadlich zu halun, Ein Sara ist vielmehr primer durch eine Motivwiederholung im Vordemtz charakterisiert, cine Wiederholung, in: der dann, da bloik Repetition nicht fiir sich zu stehen ven-nag, eine Entwicklung oder Fort»
spinnung hervorgeht. (Dag Erwin Stein, wie erwihm, die Period: ebenso ans
dem Motivkontrast im Vordenarz abzuleiren versuchte, wie der Sars aus der Mo-
tivkorrespondenz abgeleitet werden mug, war char in einem Bediirfnis nach ana-
1::an Begrufsstrukturen begriindet, als m es da musikalischm Wirklichkcit
.. u. a A.... ' warm“, nu Au .m Dmmmu “um...“ .mm um. uuum... """"""''""6
das fundamental: Merkmal einer Period: dantelln) Die Motivanahogie im Vordersarz, die hir den Salz als synuktischen Typus charakterisu'sch ist, kann in einer eiufachea Wiederholung, einer Sequenz oder einer Variant: besuhen. AufWiederholung beruht sie im Hauprthema des ersten Satzes aus Beethoveas c-Moll-Sonate op. 13 (Ex. 46a), auf Sequenzieruag im Haupttheme des ersun Satzes aus Beethoveas f-Mall-some op. 2, Nr, 1 und aufVarian-
Co gle
,7 - T
--,
101
V. Metrik und Rhydimik
T su-..."
T
Ans: Marx, Die Iehre m der Men Kampositimr, Bd, III. S. 2576.
Ex. 46b
Luge, onn gnu -aaim"
g unbildung im Hauptthema des Largo ans Beethoven: Es-our-so- op. 7
(Ex. 46b). Die Varianrenbildung mull allerdings, wean der Satrbeeiif nicht ins Vage und Uugreifbare zerfliegen soil, cingegrenzt werden. Venn Aufsullung und
Abwandlung tints Motivs oder einer Motivgruppc, wie in dem zitierten Largo
aux Beethoven: _ 7, mit einem Ganz- und einem HalbschluB enden, bleibt der Charakter eines Suns durchaus gewahn, wail die Abl6sung eines Guszschlusses durch einen Halbschhd den Vordmau ihnlich offenhah wie cine Sequenz odor
cine einfache Wiederholung. Ein problemzrischer Grenzfall abet ist das Hauptthema des amen Sana aus Beethovens C-Dur-Sonau op. 2, Nr. ' (Ex. 47): Der
Vordersalz (T. 1-4) stelk, wie Mars aoderte'", herein fin sich eine Period: dar
(madvisch al a', harmonisch T-D/D-T); der Naclum beruht inf entwickelnder
Variation (durch Verschrinkung enmehr der Schein Von Abspalmng). Obwohl dmach der Vordersatz in sich geschlossen in, Iii}: es sich rcchdenigen, vnn einem Sara MI sprecherc dull der Vordersatz auf Wiederholung bemht and der Nachmz als Ertrwicklung aux dem Voxdersau hmorgehr, ist ein Merkmalkornplex, der den Terminus geniigend fundierr. Suntan alluding: die Taku 5-8 (die
als 9-12 "petierr werden) sun einer Entwicklung cine blah Fonsmung dar, so
wire die Kategorie .Saa" inadiqw, obwohl in Themen, deren Vordusa: ans
einer Sequznz oder einer einfachm Winderholung besteht, cine 1hrtspinnuug ohne motivische Ankaiiplisng an am Vordcrsarz dmhm geniigen kann, um den Ty3” Ebenda, s. 259.
Co gle
,7 - T
--
5. Sox" und .Periodc"
203
Ex. 47 A" "
Allegm um hm
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yV-n (f
FM. "
v,
nus des Sana MI konstituierm (Hauvnlmna des Finale aus Beethovens f-Moll-
Sonar: op. 2, Nr. 1). Mit andmn Wonen: die Krimien des Suns sind, ihnlich wie die der Periode, durch Wochselwirkung miteinander verbundcn. Venn der Vordersatz TV geschlossener stat! oifener eruktur tendiert, mull der Nachsatz eine
ausgeprigte Evolutionspanie sein; and wfem umgekehrt der Nachsatz als blofU Rrrrspissnung eucheim, darf der Vordcrsatz nicht periodisch sein. (Eine periodische Vierrakrgruppe und eine Fomerzung ohne Eutwickhuigscharakter schh'egen sich iiberhaupt nicht zu einer syntaktischen Einheit zusammen, sondern srehen nebeneinander, wie es iibrigens Marx sogar von dem Thema ans Beethoven: op. 2,
Nr. 3 behauptete‘)
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UNIVERSITY OF MlChllGAN
w. VON DER RHETORIK ZUR MORPHOIDGIE: DIE MUSIKALISCHE FORMENLEHRE I. Die Enmzbung dn Rmnerlehre
Die musikalische Rrrmenlehre ist - nach einer CJbereinkunh der Historiker, die nimals emstlich bezweifelt wurde _ im N. und in friihen w. Jahrhunden als Theoric der Instrumenulmusik entstanden, einer Iitstrwnentalmusik, die sich isdmisch und kompositionstechnisch Von vokalen Vorbildern TO lissen und Selbslindigc Formal TU entwickeln begann. Nicht nut eine mama Rsrmenlehre, sondem die Di . lin insgesasnt - iedenfalls in der Ausprigung, an die man bei aem Ansaruck tormenehre denkx - wire damned! em: def Besonderheiten,
durch die sich die Musiktheorie des 18. und 1%Jahrhumlerrs Von friiheren Epochen der Theoriegeschichre uaterscheider, Dali der furmbegriff der musikalischen IRrrmeniehre cng begrenzt in, 1Uh sich allerdings aicht leugnen; und er fordm isthedsch begriindeee Einwindc gendezu heraus. Umer aristotelischen Voraussetzungen ist, um an einem vokalm
Sautypus zu exemplifizieren, ein Intarvall die Form der Tana, eine melodische Gestalt die Form der Intervaile, eine Durchimitarion die Form der melodischen Gestalt und eine Mmme die Form der Durchimitationen. In der Nrrnenlelsre der Insmunentahnusik aber, jedenfalls in ihrer schulmilligcn Ausprigung, ist amen: die Hierarchie der Nrmbestimmuagen preisgegeben worden; und zweitens wird die bloee hihung von Abschnitten, in dencn wechselnde melodische Gamma durch die Sdmmen wandem, nicht EU den musikalischen Formcn, deren Prinzip die Einheit in der Mannigfalu'gkeir ist, gazihln Der inner: Zusammcnhak des Ganzen soll musikalisch - dutch cine Tonarrendisposition und durch motivischthematische Beziehungen, die einem waerk gleichen - vermin]: sein, sun primir durch den Text -durch den grammatischen und logischen Zusammenhang der Sprachteile, die den aneinandergdiigten musikalischen Abschniuen zugrunde liegen - begriindet zu warden.
Buruhm man als die "igentliche" Formcnlchre die morphologische des 19.Jahrhunderrs, so erscheint die rherorische des 18.Jahrhunderrs als Vorfonn, als .Fomlenlchr: vor der Formenlehre".
Die Hee einer mKlastg-Rede", um mit Manhcson EU sprechem ist dis illcsu Interpretatitmsschema m: musikalische Formcn: ein Interpretationsschema, dessen Vorherrschah im 18. Jahrhunden dunk zusarnmenhing, w man die imam: Emanzipation der Instnsmeataimusik einstweiUn nu! ziigernd akaeptierte: Nicht w Instrumentahnusik etwas gm anderes, wndem dd sie, Venn auch in schwi-
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l. Die Enuuhnng der Nrmealehre
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cherer Auspriigung, mm mm: sei wie Vokahnusik, war die uglufte Hypothese, mit der man ihr isthedschw Daseinsrecht EV begr'Undett versuchte. Der rherorische lirrrribegriff, der die 1nstrunseatalmusik - als .Klang-Rede“ -
iiberhaupt em zu einem Gegcnstand der stmik und Theorie erhob, manifesdene sich bei Madmen einerseits in dem Venuch, musilralische Formm nach
dem Muster einer Gerichtsrede zu gliedem, andererseits in der CJberrragung syntaktischer Kategorien mu der Sprache auf die Musik. Das Unverfangen, die Teile
einer Arie oder eines Konzertsatzes als .Emrdiurn, Narratio, Propositio, Confir-
matio, Confuudo a Peroratio" zu erkibee', ist insofem irappierend, als mm
den verschiedenen Namen die immer gleiche Thematik erscheint, der nacheirrase der einltitender, erz5hiender, behauptender, besatigender und abschliegender Charakter zugeschrieben wird. Und so einlcuchtend die tragende Idee sein mag, dag ein Thema em durch eine Entwickhmg, die es durchliuh, iiberhaupt zeigen kann, was in ihm steckr, so pedmdsch mum der Versuch an, die Phasen der Ent-
wicklung in die Nomenkluur einer Gerichurede " pressen.
Das Forrndenken, das hinter der meragung des rheusrischen Schemas stein,
uichnel sich bei Johann Nicolaus Forkel, der sich an Mauheson anlehntc, ohne ihn iedoch zu kopieren, deurlicher ab: Jeder Gedankc, und jade Empiiadung hat cine Veranlassung; diese Veranlassung ist gleicluam die Einleitung, wodurch wir den Zuh6rer auf unset: Hauprempfinduag, die hier der Hauptsatz, das Thcrna ist, leiten wollen. Die Hauptempfindung mug vorziigh'ch gmau bestimmt war den; daher beditnt man sich l)der Zergliederung, um sie auf alien rnéglichen
Seiten zu zeigen; 2) passender Nebensitze, um sie damit zu anterstiirzen; 3) miig-
licher szifel, das 1seigt im musikalischen Sinn, solcher Sim, die der Hauptempiindung BU widersprechen scheinen, um durch die danuf folgende Widerlegung derselbm den Hauptsatz destomehr TV benimmen; und endlich Oder
Bekahigung dutch Vereinigung, oder nihere Zusammenstellung aller Sim, die min: dem Haupuaxze die stirksce Wirkung verscluffen k6nnen." lol Die Insmmsentalmusik ist als Alang-Rede" prinzipiell densclben Kamgorien unter-
worfen wie die Vokalmusik; Forkel spricht ausdriicklich sowohl von Sonata: als auch von Arien "2. Unter 2ergliederung" vemehr a auger der thematisch-motivischen Albeit, die man in Durchfiihrungsteilen erwanet, auch Anen der ent-
wickelnden Variation, wie sie fir 1iarespinnungsparzien charakteristisch sind. (Schiinbmgs Terminus .enrwickelnde Variation" ist, ihnlich wie Parke]: Ausdruck "zerWderung", umiassender als der Begriff der thematischootivischen Arbeit.) Das Wort .Nebensatz" zielr auf Phrasen oder Periodem die vom Haunt»
geankin venchauien sind, ohne dai' sie enmder als sud, oder als Xin. Inst: erklirbar wiiren; und Forms Kategorie verdient es, ems! genommen In qOtt J. Manheson. Der vallkommerre Capellmeister, s, 235. m j. N. Foam, Allgemeine Geschichte derMun'k, Ed. l, Leipzig mm, s. 50. m Emma, s. s1.
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206
w. Die musikah'sche Rsrsnenlehre
werden, denn dag die neum Rwrnenlehre - nnur dem Zwang der Gewohnheit, Relationen durch Buchstaben und Indizes auszudnicUn (a a bedeum gleich, p a' ihnlich, a b verschieden) -dazu wndim, Wrschiedenheit und kontrast gleichzumzen, ist him Vonug, sondern ein MangeL - Melodische Koninsu, wie das
kantzble Moment in Seitensitzen, begriff Forkel als Jiinwiirfe", die cine .Wlderleguag" berausfordem. Sie wurden also keineswegs - wie von manchen Histori-
Kern behauptet warden ist - verleugnet oder unterdriickt, Das 'isrhetische Nstulat der Einheir in der Mannigfaltigheit, von dem die Sonatentheorie des 13.1mhundem beherrscht wurde, verhindene zwar, ddl Sonatens'a'tze plialekrisch", als Austmgung eines Themendualismus, interpretierr wurden, bewirkte jedoch keine Vemachlissigung des kontrastmoments schlechduin. Und welche der konknrrierenders Erklirungen hir die Integration van Gegensitzlichern in die Geszmtform
- die dialektiwhe, die den Widetstreit als Prinzip und die Integration als Resultat eines Prozesses auffaflt, oder die rhetorische, die den Gegensatz als blofle Folie ftir eine besatigende Wiederkehr des Hauptgedu1kens behandelt - im Hinblick auf Sonatens'a'tze des 18.Jahrhunderts trihiger Isl, steht durdnus nicht lest,
Das Prinzip der Jnrerpunctischen" Form, wie Koch die sprachanaloge Gliede-
rung Von Musik in Commata, Semicola und Perioden nanmc, reicht im Ansm
bis in Melodielehren der Amike und des Minelalms muah. Der Grundgedanke der sprachlichest Syntax, dd die Sinngliederung einer Rede und das wmhiedene
Gewicht der Redmil: dutch tine abgestufte Interpunktiim ausgedriickt und sinnfillig gemacht warden k6nnen, wurde dadurch auf Musik iiberrragbar, dd man einerseits die Grade der Wllkommenheit oder Unvollkonnnenheit Von Kadenzen, andererseirs deren Nihe oder Fem: zur Gruadtorurt in Analogie zur
sprachlichen Interpunktion scum, Was van Seth Calvisius um 1600 umer den Bedingungen des polyphonen Tonsztzes und des Systems der Kircherstomrten
entwickelt worden warm, wurde von Manheson andmhalb Jahrhunderse spiter im Hinblick auf einen homophonen Tonsarz und die Dur-Moll-Toss) fortnuliert"'. Die Lehre von den musikzlischen "Gelenken" (Commits). Jalben Gliedem" (Semicola), "Gliedern" (Cola), Jmzen" (Periodm) und ,Zusammensiitaen" (Paragraphen) bezieht sich zwar primir auf Vokaimusik; doch iilsertrug Mmheson, indem a die Jnteqnmctische Form‘ einer Menuem analysiene, die
syntaktische Nomenklarur auch auf Instrumenulmusik "s. Die Analyse ist allerv dings nicht selten mBverstanden warden. Die Gliederung des .gamzen Zusammensauu" in zwei (mit Jteprise drei) Perioden (8+8 Takre), der Ptrioden in je
mi Semicola (H4 Taker) und einiger (nicht simtlicher) Semicol: in ie meei
Comma: (2+2 Take) besagt keiaeswegs, dais Mzuheson, wie spam die musikalischm Metriker des 19. Jahrhunderts, cine Period: .quadratisch", ans metrisch w s, Calvisius, MEAOHOIIA m malodm mm mrio,Ediuz1s92, mp. 18. w J. Mmhm, Dervol&ommene Capellmaisser, s. mm. m Ebenda, s. 224.
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L Die Ema...“ der Fommlehre
207
repheigig korrespimdiemadea Teilen "dbaute. Seinem PeriodenbegM Iiegt
vielmehr - in der Instrumental- nicht anders als in der Vokzlrnusik - ein Prosa-, nicht ein Versprinzip zugrunde: Konsdtutiv sind Es1digungsforme1n, nicht Lingen. Das lane Semicolon des Menuem wird, da eine Tisur fehh, nich: in Commau unuareilc Ein Comma ist also fiir Matduson nicht eine metrische Einheit, cine Zweitakt-Phrase, sondem - gleichgtihig, wie vieie Takte es umfaik - cine Sinneinheit mit unvollkomrnenem SchlM. Die J2aadratur" des Menuerrs ist lediglich in der Natur des Exempels, nicht in der des srutaktischen Systems, das
durch das Eumpel dcmonsrriert warden soil, begriinder; Dag Her geometrische Verbal! 4 ist", bennhr, wie Manheson ausdriicklich sagz, auf der Eigenart von
"Tasstz-Melodien" und darf nicht TV einem Wesensmerkmal des Mzttbesonschen
Ptriodenbegriffs verallgemethert werden.
Koch unterscheidet an den Einschnitten oder Absirzen, aus denen cine Period:
besteht, .drey verschiedene Eigenschahen": die Jnterpuncrische', die .rhyrlunische" und die ,logische" Beschaffenheit
l Jnterpuncrion" nennt er die Ord-
Dung und Abstufung der .Endigungsformeln", .Rhythmus" die Korrespondenz
der Takunzahl, .Logik" den inhaldichen Znsammenhang zwischen den Teilen. Er ist sich bewufh, dag wade: die .Anzahl der Tame" -deren Gleichmag durch
Zusammenziehungen oder Dehnungen, Auslassungen oder Zusim verdeck! sein kann - noch die Jndigungdormeln der Thaw fiir sich genommcn geniigende
kriterien darstellea, um simdiche musikalischm Zisuren - Auhepuncre des Geistes" - kenndich EU machen "'. Musikalische Sinneinheiten miissen vielmehr
inhaldich erfailt und voneinander abgegrenzt warden; ohne musikalische .Logik“ greifen ,Rhythmik" und Jaterpmctioa" mm sellen ins Lure. (Um cine .Tacrerstickung", die Unterdriickung einer Kadenz durch Verschrinkung cine: Endes mit einem Anfang, iiberhaupt als solche EU erkennen, muil man sich die Geschlossenheit der ersun Sinneinheit, die eigentlich cine Kadena exforden him,
zuvor bewuMgernacht haben: das Jaterpunctische" und das .rhythmische“ Moment die Verdockung der Kadersz und die Verkiirzung des Satzes - iruplizieren das Jrrgische".) Koch: Wrsuch, durch Obertragung der Begriffe Jhhiekt" und Jridikar" die ,Logik- der Musik explizit EU mathen, wurde alluding: nach wenigan spirlichen Andcutungen abgebrochen *", als wire es Koch zu Bewuihsein gekommen, dag die scheinbar prizise grammatische Terminologie streaggrnorn-
men nichts anderes als cine vag: Metapher ftir blolle Gefiihlsurteile iiber die Vallstindigkeit oder Unvollsrindigkeit musikalischer Sinneinheioen ist. (Der Ge» dankn. eine nurm'kah'sehe Jnvik“ nu: der ThUlektik zwischen mo
chm and
LT,iLisuiif Strukruren Kgmzckgln, G/iii; Fox:kel zwar vorgmhmb: MI haben, blieb abet rudimentir.) m H, Ch, Koch, Mxsikalisches Lexileon, Sp, m, "" H. Ch. Koch, Verna}: einer Anlrinmg Tur Composition, Tell 2, S, 350, Anm.
m Ebenda, s. 3526.
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VL Die asusikalische Formenlchre
Die .melodische Intervuncrion", von der Koch ausgehr, um musikalische Ge-
bilde als Former: zu begreifen, in ein System von vollkomrnenen und unvollkom-
menen Schliissen in Haupt- und Nebentonarterv. ein System von Kadenzen. die dadurch, dag sie ditferenziert werden, ein in sich zusammenh'ingendes Ganw bil-
den. Endigungsformeln, postuliert Koch, sullen mm urnniaelbar mm warden;
geschiehr es dennoch, so in der zweite Teil, der die Kadenz des erstm zufgreift, dadurch als blofkr Appendix charakterisierr: ,,Oh ist zwar mach der Cadenz dual»
ben (des Hauprperioden) auch ein erkliirender Period: angellingt. der aber in eben, derselben Tonan iortmodulirx und schliegt, in welcher der vurher gehende auch
geschiosseu ham; daher k6nnea wir ihn fiir nichu anders, als bios fiir einen Anhang des amen Perioden erkliml.""’ Eochs Auffassung mag aagesichts von Sonnenexpositionen, in denen einem seiteasatz cine analog kadeaziermsde schluhruppe
mit eigenan Thema folp, inadiquat und grwaltsam erscheinem Doch bring: sie mdererseits einen Gesichtspunkt Tur Geltung, den die mm Rrrmenlehre vunachlissip, obwohl er, wie bereits die Mchtigste Analyse Von Sonatensitzen des 18.Jahrhundens zelgl. durchaus mesentlich tst oder sun kann: den Gesichrspunkt der for-
malen Integration durd: Differenzicrung der Kadenzlonneln und -suden, Christian Gottlob Neefe schlidk im erswn San seiner D-Dur-Kuviersonue (NY. XI; Ex. 48)
den mun Viemkur mit einem - alluding: nicht fémdichen - Ganzschiug in D-Dur, den miten mit einem HaibscbhB in D-Dur, den drimn mit einem Halbschlufl in A-Dur und den folgeaden Achuakter mit einem f6rmlichert Ganzschlug in A-Dur. Die gewohnten, aus der sonarentheorie des 19. Jahrhunderts stammet1-
den Analyse-Kztcgorien werden dem Sat: nicht gerccht: Die lete I-ll schlieBen
sich wedcr zu einer U'eriode" noch TU einem .Sats" im Sinne von Adolf Bernhard Marx zuszmmcn, so dail der Begriif .Haupuarz“ seine syntakdsche Substanzver-
lim; und die Take 9-12, die modulierende .Uberleitung“, sind von den Taknen 13-20, dem Jeitmssatz", nicht im mindesten durch geriugere asotivische Pri-
gnanz abgehoben. Erst mu man die Differesuierung der Endigungsformeln
- die Jnterpunctische Form", die genau dem Kochschen Schema einer Samanexposition entspricht'" - als Iistegratiouspr'utzip begnih und gelten ERR, erscheint die locker: Reihung musikalischer Gedanken (eine Reihuag, der man nicht dadurch historisch gerecht wird, dail man den Maugel an kbnner zum Sdlmukma] erklin und als .galanf bezeichnet) als in sich zusammenh'ingende musikalische Form, (D111 der ',Grundabsatz' - ein nicht fiirmlicher Schluil in der GmudmnarT - dem J2uintabsztz" vorausgeht, sun ihm TU folgen, widerspricht einerseits
dem Periodenbegriif des 19.Jahrhunderts und erinnen andererseits an cine Urstmnmktionsregel" des madden vokalpolyphoaie'", an die Regal. dail die em:
Kadenz tines Same: dessert Tonart ausprigen soil.) "' Ebendl, Tell 3. S. 305. “° Ebenda, S. 342. '" S. Calvisius, MEAOHOIIA. Kip. 18.
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1. Die Emstehung der Fonnenlehre
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Ex, 48
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Neefe, Klaviersonste D-Dar (1772).
Die Akzenruieruag der .interpuncrischen Form", der Integration durch Absnlfung der Eadigungsformeln, erscheint als Konsequenz eines rbetorischen fkarzr1begriffs, der das technische Korrelat zur "istherischen Rechtferriiyusg der Insrrurnentalmusik als Abbild der Vokalmusik, als Alang-Rede", darstellt. Instrumpmalmucik war G'ir Km-h m eindrinsrlirh r pr 69 rnhnicrh analvsierze, J -, ierhnierln
ein bloIber Schauen, ein defiziearer Modus van Vokalmusik. .Ans diesem allen sehen wir, dag die Tonkunst eigentlich run in Verbindung mit der Dichtkuast ihre hiichste Absicht und ihren eigentlichea Endzweck erreichen kann; und dag es ihrer Wiirkung h6chst nachtheilig ist, wenn man sie von der Poesie treaat." “1 “1 H, Ch, Koch, Vmuch einer Anleitung zur Composition, Teil 1, S. 33.
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w. Die musikaluche Formenkhre
Mit der primiren Oriemierung an Wkalmusik hing! es zusarnmen, dd Kochs Formeulehre nicht vom Begriff des Themas - der nach Riemann'" die tragende Kategorie einer selbstMdigen 1nstrumentalmusik dmullt -, sondem Von dem
der ,,Anlage" ausgeht. (Der Terminus stamml nus Johann Georg Sulzers Allgemin" Theorie der Schhhen Kiinste, die Koch zitierr"', und ist eng verflochten
mit dem Begriff des musikalischm ,.dessein', wie er von Jean-Jacques Rousseau 1754 mit der Enzyklopidie eatwickelt Worden war'", ohne dd jedoch Von einer schlichten Adaption die Red: sein kiinnux) Die Anhge in nach Koch der Inbegriff der ,schon mit einander in Verbindung gebrachren Hauptgedanken des Satus, die sich zusarnmen dem Tonsnzer als ein vollkommenes Ganzes dusuuen,
nebst den harmonischen Hauptziigen desselben" “5 (unter ,hannonischen
Hauptziigen" sind wesentliche, etw: konzertiereade Nebensrimmen in einer Arie " verstehen). Koch exemplifiziere" an der Arie Jin Gebet um neue Stirlu'
ans Grauns Der Tad/em (siehe Abb. 4). Von den 143 Takren, die der erste Teil der Arie urnfaih, warden 22 zur Anlage gezihlr; der Rest ist ,.Ausfiihrung". Die Anlag: smut ale tt1emausct1-mtt_t1e mmsunz oar: onnc W1euert10nmger1 una Fiillsel. Ausspinnungen und zerMederungers, aber mit vollssndigrm Text, WGrend Analytiker, die sich auf eine Fonnenlehre des 20. Jahrhundms stiitzen, dazu tendieren wiirden, das Instrumentalritomell der Arie als dmn eigendiche ,,Themarik' anzusehen und die Vokalmclodik, von der die Instrumeatalmotive gleichsun iiberformt werden, als sekundir zu betrachten, geht Koch gerade umgekzhrt
vorn chng der vokalen Fassung ms, zghlt jedoch auch die Instrumentahnotive
- die Aarmonischen Hauprziige" -, wenngleich cm in zweiter Linie, Eur Submnz der Anlage.
Den Begriff der Anlage mit dem des Themas gleichzusetzen, wire cine grobe Vereinfachung. Umfaih die Anlage simdiche Hauptgedanken und deren inneren Zusamrnenhalt (etwa durch Aontrastierende AbleitungH, so verswhl Koch umer
einem Thema nichts anderes als den erstW1 Jiatz" oder .Absalz‘ eines Tonsuicks: ,.der erste Satz, oder das so genmnu Thema" "'; putter den verschiedenen Absitzen einer Melodie enthilt gemeistiglich der mm dmdben den Haupr-
gedanken, das ist denjenigem der gleichsam die EmpGdung bestimmt, welche das Gauze erwecken soll, und dieser wird das Thema oder der Hangman genennet."'" Dail Von .Hauptgedanken" sowohl im Plural als auch im Singular die Rode ist - dul .der" HauprgedarAe das Thema und .die' Hauptgedanken die
m H, Riemann, GrWKmrevsitkmslebre, Ed. I, s, 42m "' H Ch Kath, Vmurh tin" Anbiuma 7m Cnmtrrrsitthrt Teil 1, s, 52f
"' F. Ritze , Die Eatwie ung er .Sonatenform nn mus theoretisc en Schrifmlm des 18, und H.Jahrhunderts, Wiesbaden 1968, S. 77. “5 H. Ch. Koch, Versuch einer Anleitung zur Campositims, Teil 2, s. 53.
617 Ebenda, s. 59 K. ‘" Ehmda, Tell s, s. 371.
m Ebenda, Teil 2, s, 3m.
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1. Die Enmehung der Emmet."
212
w. Die muslkzlische Rmenlehm
Anlage bilden _ mg verwirrcnd wirken, WK sich abet versandlich machen, wean man beriicksichtigt, dag iormtheoretische Eriirreruagen im 18. Jahrhundert fast immer mit 'isthetischen verquickt warm. Der Terminus Thema bezeichnere, als sowohl technischer wie 'isthetischer Begriif, einen in Tiine gefaihen Affekt oder Charakter, dessen musikalische Formulieruug durch mehrfachc Wiederkehr die
Einheir eines Same: verbiirgt"o. Munch: Theoretiker und studker beronten
das inhahliche"1, andere das formal: Moment des Begriffs; much unausgesproChen implizierte jedoch cine technische Bestimmung immer eine 'istherische und
umgekehn. Dan von "dem" Them: als .dern" Hauptgedankea eines Satzes die
Rede ist, als wire cine Sonar: prinzipiell monothematisch, kann dernnach als Konsequenz tines 'isrhetisches, Postulus aufgefailt werden: des Postulau der Einheir des Mckts oder Charakrers. Asuiererseits wurde die Miiglichkeit eines Kontrastmoments (das in Forkcls rhetorischer Formdreorie, wie erwehnt, unter den Begriff des .Einwurfs" fiel, der eine .Widerleguug" herausforden) von Koch keineswcgs wrleugnen Der .singbarc‘, .cantabl: Sara", in der Sonaunexpos on
MA. A...., 'C'"'"'""'"" "k a...vmm -1 l 5. w v.“ ... A... .m n V"""""""' Wm... , wuu qu nicht als .Thcrna“ bezeichna, weil der Terminus Thema an die Vorstellung cine:
Jiauptempfndung' gekniiph ist, von der das Seitenthema gerade abweicln. Doch mug das Kontraststtmtteot zweifellos zu den mauprgedankeu" (im Plural) gezGlt werden, nus denen die Anlage eines Soaatensatzes besteht. Negarie ausgedriickt: Den ,canublen Sam" zur ,.AusRihrung" oder .Foml' TU rechnen, luh deren Beschreibung durch Koch nicht zu. (Der Vcrsuch, aus einem Sonatensatz, ihnlich wie aus der Graunschea Arie, die Anlage zu abstrahieren, wurde von Koch nicht unternommen.)
Musikalische Jdrm", wie Koch sie auffailt, entsteht durch s,Ausfiihrung" einer Anlage. Ja der Anlage wurden die wesentlichen Theile des Ganzen fengesezr, und das Gesch'ihe der Ausfiihrung ist, diese Thaile in verschiedenen Wendungen und Zerdiederungea durch verschiedene Hauprperioden durchzuhihren; und dieses Verfahren giebt dem Toastiicke seinen Umfang, Die Anuhl, der Umfang und die Srellung dieser Perioden (. . " giebr dem Ssiicke die Form.‘ 623 .Die Form hing! rheils von der bestimmten Anzahl der Hauptperioden, theils von der Tore an, in welche dieser oder jener Period: hingeleitet wird, theils aber auch Von dem One ab, wo dieser oder jener Haupnheil wiederhok wird." "4 Koch bcschrink: den Formbegriff auf Moments, die er .meclnnisch‘ - im Unterschied Zu HMMtisch", zur Erfindung gehiirig - nennt. Den Zusammenhang der ,schon mit rise ander in Verbindung gebrachten Hauprgedanken eines Saczes" zihl: er nicht zur
m J. G. Snlzer, Allgemeine mm dir Sch6nen Krrnste, Ed. 11, mm; 2/1792. s, m. "I C. L. Janker, Timkuml, Bern 1777Y s, 25.
m H.Ch. Koch, me einer Atskitssrrg m Campmm, Tail 3, s. 306, 5.334 n. s. 385.
"' Eberuu,Teilg,S, 97.
'" Ebenda, S, 103,
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l. Die Esttsrehrsng der fbrmenlelsre
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Emu, sondem zur Anlage. Wihrend die Theorie des 19. and 20.Jahrhunderrs,
und zwar die schematisierende ebeuso wie die individualisierende, unter Form Simtliche Beziehungen der Teile zueinuuler und zum Ganzen verstehr, differenziere
Koch die (nach neueren BeeiBen) Jormalerf Madoncn in die .psaetischen" der Adage and die .mechanischen‘ der Ausfthrung (der Jiarm" in seinem Sinne). Die Abgrenzung ma einem Analydkn, dessen Kategorien Von Beethoven: Sonalen ale mahiert sind, willkiirlich und gewalrsam erscheinen; sie ms: sich iedoch vzmindlid: machcu. Der Tusammenhang zwischen einem Haupe und einem Srirengedaaken ist individual] und unwiederhoibar; dagegen ist die Jserpmctische Harm"
einer Exposition, in der, wie Koch postuliem einem Grund- und einem Quinubsatz in der Haupttostart ein Quint- und ein Grundabsatz in der Dorninanttoaart fol.
gen sullen, prinzipiell Emmet gleich. Mit anderen Wench: Die Uaterscheidung
zwischen einem ,,poetischen" und einem .mechanischen Theil' der Knmposiu'on
ist sachlich fundim; und solange einem individuellen Moment ein generelles grgessiibersteht, ist es sinnvoll, Aniage und Ausfiihrustg (.Fon-n') voneinander zu trmuien. Em wenn die Jnterpunctische Form“ ihre regulierende Funkrion einbah, "rliert die kochsche Differeuziesung ihren Sim. (Man kann zwar die Themen einer Beethovenscl-en Sonaunexposidon zusammen mit dem Prinzip der Joatrastierenden Ableiuutg", das der .Verbindung der Hauptgediasken" zugrunde liegt, ohne Gewahsasnkeit als .Anlage" bezeichnen; doch ist der Gmndriil der Exposition nicht mehr durch cine immer gleiche Jntespunctische Form" bcnimmt, sondem erwichst aus der Besonderheit der Thenun'k, und sofem die
Ram: selbst ,poetilch" - zu einer Sacha der .Edindung" start der Konvention -
wird, in die Dichommie zwischen dem .poetischess" und dem ,mechanischen Then", also auch die zwischen Anlage und Aushihrung aufgehobm: Der Sona{mum wird gleichsam insgesamt zur Anlage, zum individualisienen Enrwurf.) Die Behaupumg, dail Koch von einem ginzlich schenutisierren Rtrmbegriff ausgehe, wire alluding: cine 0bertreibung. Zwar scheim es zunichu, als mile er die Auffassung mancher lnhdtsinhetiker, ddl die musikalische Form gerade damm, weil sie unwesentlich sei, konventioaell sein diirfe und saga: sein solle.
(Musikalischzn Kottventioaalismus mit Formalismus gleichzuserzen, ist einseitig:
Sowehl Schemadk als auch die Lust am Experiment laik sich einerreits form. and andercrseits inhalts5srhetisch motivieren.) Jch lmmme zu der Form der $511: eines Tonmicks. Es ist nicht TV leugnen, dag eines Theils die Form derselben ewas Zuf5lliges" - das keith, Akzidenrelles, nicht Essentielks Jst, welches eigendich wenig oder gar keinea Einfhd auf den innem Chamkter des Tonstiicks -
hat, and andem Theils hat man and) eben keinen Grund wider die Form unserer
Sine, sowohl in den grMern als kleinem Toastiicken vides einzusveaden. Und dieses in vznnuzhlich die Ursache, warum viele grofie Meister z. B. ihre Arien beynahe all: ruck einer und ebea derselben Form gearbeitet haben." "' Andercr"s Ebenda, s. 117.
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VI. Die musikzlimhe Formhhre
seits KIM: sich Koch in seiner musikalischea Inulligenz gekrinkt dutch eine Mechanik der Nssfiihrung, die ct erlaubt, aux cine: Exposition einen ganun Sat:
vorauszusagen. Und zwischen einer Smnge, die das Genie fesselt, und einer Regellosigkeir, die den Uminn mmuigt, sucht er dadurch einen Aurweg, datl er tit,
die herk6mmliche Form zu bewahreu, wo es mo%kh, und sie zu vexindcm, wcnn " nélig ist"6, Dd er demnach Modifikationen zuliBl, indert indoch
nichts an der Tamhe, dait die Norm, die das Bezugssysxem der Liunzcn bildet, psinzipiell erUlten bleibt; der Begridf einer individuellen Form - der die Differen-
zierung in Aniage und Ausfiihruag durchkreuzen wiirde - w Koch wie dem 18. Jahrhundm imgmm frernd.
Eine der festen, uareflektierten Wraussetzungen eines fknznbeeifs, der sich
an der Arvhirekturmetapher orientiert, besteht in der Vorsellung, die Wiederholungen, als gleichsam .mgende' Teile des musikalischen "Gebiudes", zum Wescn musikzlischer Nrmen gehiiren, so dag sich das Geriist in ktster Reduktion durchChiifrenwieA...AoderA...A . ..A . ..Aabbildealat,iudenendie Qukcnny Apr I ind. fktrtsrrrr, meln
md Kanym‘nrm odh-hrr "ir, mll
Derngegeniiber wirkt em: Fonmheon: we die von Koch eatworfene, In der Wie-
derholungm und Reprisen als sekundire Momma der musikalischen ,,Rede", als bloee Fillsd oder Brkr'shigungra, aber nick: als Grundrig des Gauzen erschzium, irritierend, wail sie scheinbare selbsrverstadlichheiten fngwirdig macht. Und die Diskrepanz der Theories, in um so sehsamer, als in der musikalischen Praxis gentle umgekclm das ls. Jalulumderr ein Zeitalrer der durch Repetitionen und Reprism geprigxcn Fomrypcn darstellt, wihlend den Knmponimn des 19. Jahrlusnderts die Reprise in der als ProzeB gedachten Sonatenform zum
Problem wurde. Das Rimmell bildet nach Koch sowohl in der Konunfonn als auch in der ftusf-
teiligen memae (A' A' B Al A') einen biogen Jiinleinmgs- oder Vorberei-
tuagssatz" "'. Wihrmd die neuere Rsrmenlehre dazu aeigt, cs als Exposition der Thematik EU besrachreu, mu Koch, der vom Modell einer the ausgeht, das Rimmell zur Introdukdon herab '", mad er erklin nicht den sohateil als Ausspiunung des Ritornells als der eigenrlichen Substanz, sondem umgekehn das Ritornell als antizipieremle Zusammenziehung des Solouils‘”. Koch: Auffassung, in der das Rimmell zur Jqebertperiode" absinkr, sun mil seinen Wiederholungen das tragende Geriist der Form TV bilden, widerspsicht der gewéhnlichen Inter-
pretation der Konurtform als Rondo mit transponierbarem Rimmeu; doch ist das Kanupl, so iibesmschend a wirkl, keineswegs willkiirtich, Dean mans .4..." AU AL.......:........ As... :nmnmnan-a _- cnlnmwh... mu»... m. -""""'"t u... -7 mini... mm “4.. w.- manuluhu-‘w WWW...” .4. u...
'" Ebendz, S. mm "7 Ebenda,Teil 3, s. 42L "' Ebenda, Teil T, S. 68, - Ebenda, Teil 3, S. lllf.
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l. Die Emma; der Furmmldu:
215
der isthetischen Wirkung aberein, die Von einem Konuruuz oder einer Arie
auageht, willmnd die Auffassung des Rimmell: als JlauptperimU" dazu zwingt, zwischen dem kompositiorsstechnischer1 Primal des orchesersarzes und dem
isthetischm des Solopans - also gleichnm zwischen duet lnncn- und einer Auileuseite - 2.. antmscheiden. (Das besagt nicht, die Differetszierung sci almMssig - bei Bach-Aricn diirfte sie vielmchr unantingih sein; aber es macht begreifh'ch, us cine Interpretation, in der sie vermiedcn wurde, durch Simplizit'it " bestecheu vermochle.) Zweitens n'icken in der Fomthzorie des 18. Jahrhunderts die Hauptformen des Zeitalters, die Konzm-, die Arun-, die Suiunsavz-
und die souarenform, mg zusarurnen"o. Das Schema, dag (in Dar) ein enurTu'l
von der Gnmd- zur Dominanmnm modulien und ein zweiur mit analoger
Modvik Von der Dominanttouart Bur Grundtonan mssiiclrmodulierr, sei es unmimlbar oder auf dun Umweg iiber die Ptmlleluman, ist der suite- und
der Sonatenform sowie dea Soupartiea der Konzenform und dem Da-capo-Teil
der Arie(A' A') gemeinsam. Gehtmanaber, unbekiimmett um Kritesien der Fbrmadame aes w. jahmunucns, von arm sluzuercen brununls als gememsamet Subsunz der "sschiedenen Fountypcn des 18. Jahrhunderrs ans -und bmachm
man das Gcnmlle, Obereinstiaunende als das Wesendiche -, so erscheint emcns
das Ritomell in der Konun~ und der Arienform als bloliu .Zusau" Tum Grundschema, also als "Nebessperiode". Zweixens emist sich der Unterschied, ob der
zweixe Teil der prinzipiell biniren Form einen ununterbrochenen Modulationsgang bildet (D-T oder D-TP-D oder ob er in zwei Sektionen mit je einer .férm-
lichen Cadenz" getcik wird (D-Tp und Tp-T oder auch Taj, als durchaus sekundir: Das cine geschieht im suitensatz und in Al-Teil der Da-Capo-Arie, das andere im Sonatmformschema und im zweiren und dritten Solo der Eoazertform.
Drinen: ist in der Theorie des 18. Jahrhundens das - nach spiterer Auffassung ftir die Sonaxmform entscheidende Kriterium, dell die xweite Sckrion des zweitcn Tails (die Reprise) mit dem Hauimhema in der Grundxonan einsetat (sun bloil
mit Modven der .Hauptperiodc' Von der Parallel- zur Grundmnm zu modulieren), von geringer Bedcurung. Man unterschied nicht tonal geschlossene Von
modulierenden Teilen, somiern gliedene in - enrwedcr moduliercnde oder nichtmoduliereade - Perioden, die in cine J6rmliche Cadenz" smudetea: Und ob Inch einer Durchfthnmg mit GanmhluB in der Nralleltoaart die drine Period: ex abrupro in der Grundwnm einsetzre oder moduliercnd Von der Parallel- in die Grundwnan zuriickienkte, gal: als sekundir.
Die weseotlichen Diifereuzen zwischen der iluren und der neueren Formauffassung enmehen nicht dadurch, dag Tamchen wmachlissig! oder untesdriickt wiirden, sondem dag auf Grand eines isdmischen Pmdignmwechsels - einer Oriemierung entweder am Model] der Rede oder an dem Bild einer rénenden Architektur - die Iearmkriterien in einer anderen Hierarchie esscheiuen; Was in "o Ebenda. S. MI.
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C" - T C-"-
216
VI. Die muikalixch: Rmnenlelue
der einen Theorie als Haupmche gilt, wird in der anderen zur Nebeasache henhgesetzt und umgrkehrt. Koch akzentuierte die Prriodengliederung der .KlangRede" durch J6rmliche Cadenzen", behandehe dagegen die far eine archimlm» nische Fdrminterpreration ausschlzggebcnde Diiferenz, ob die Reprise vollst'indig oder unvollsrindig ist, mit auffilligrr Gleichgiiltigkeit. .Wenn der zwcyu Theil oder die zweyxe Reprise" -Reprise im iluren Wominn eines zwischen Wie-
derholungszeichen stehenden Tells - .tines Toust/es nu: einen einzigen Hauptperioden enthilt, das heiik, van: in dim zwzyun Theile keine Cadenz
in einer mit darn Haupttone verwandten Tonarf - im allgemeinen der Parallekonan - ,.gernacht wird, so zcrfillt der gauze Period: in Mcksicht des Ganges seiner
Modulation in zwey Hilhea. Die erste Hilhe in einer oder zwcy verwaadten Tonanen gewidma, jedoch dergesralt, dais keine Cadenz in denselben gmucht, sondem sun derselben die Modulation wieder zunick in den Qaintabsatz der
Haupttossart geldm wird, mit welchern die cm: Hiliie, als mil ihrem Hauptruhepuncte schiielit, und nach welchem in der zwzyten Hilfte des Perioden die
vorvmrliH-, mplndiulwu Thpil
n der Haunnnlun wipdn-lmlv wprdpn '01
Ob mit den myorE chsten melodischen Theilen‘, die am Ende des Saw wiederkehren sollen, die gamma TUmatik der Exposition oder lcdiglich ein Auszug aus ihr gemcim ist, bleibt offen; und wenn Koch an anderen steilen'" erwihm, dail enweder die ungaeilre em: Hauptperiode oder nur deren zweiter Abschnin die Reprise bilden karma, so zeigt die Fliichtigbeit, mit der er die Alternative
behandelr, dag der Untersclsied zwischen unvollstindiger und vollsx"iudigrr Reprise, also die Differenz zwischen Suillnsnz» und Sonaenform, Von ihm nicht
als mendich empfunden wurde. Nach Koch unterscheidet sich eine dreiteilige Form von einer zweiteiligen nicht dutch das Ausmag, in dem die Themuik der Exposition rekapitulierr wird, sondem durch die Anuhl der .farmlichm Cadese zen"; Ein Sat: mit Kadenz in der Ptralleltonar, am Durchftthmngsende, aber unvoilsrindiger Reprise ist dseiteilig, ein San ohne Kadcnz in der Paralleltouart,
aber mit voilst5ttdiger R:prise dagegen zweiteilig. Die AUentuierung der Ptriodengh'ederung, die sich aus dem rlsemrischen 1%rmbegriff ergibt, hing: :ndmrseiu mit einem Uarerschied, der zwischen dem
Begriff der .Anlage" und dem der JIhemen-Exposition" besteht, eng zusammen, Die Vorstellllng, dull cine Themarik zunichst exponien, dann durchgefiihrr und schlieBlich rekaeitulierr wade, war Koch dnmhaus fraud. Eine Anlzge in cine melodische oder motivische Subsunz, die der Komponis! in immer wieder anderen Fassungen - 2ergliederwsgen" und .Wendungcn‘ - vamigk, um TU
7aiann um G, "1r :1va Had AM 11an ma. "mil.“
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'i2iii'oii' wemger das Ruomell als die em: Solopam: hmorhob, um ans ihr die Anlage zu rekonstruicren, besagt unrnigverst'indlich, daft Von einer Exposi"' Ebenda, s. 394f. '" Ebenda, S. 2451., S. 313 u. S. 399.
rCogle
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L Fannenleluc und orgaaismusmodell
217
lion strenggenommen nich: die Rede sein kann. Die Anlage wird nichr - wie cine Thematik - in einem der Teile aponim, sondem bilde: einen Gedankenkone
plex. der - in verschiedener Ausfiihrung - beiden Teilen zugnlnde liegt. .Du erste Rimmell pflegr man in den modernen Comm sehr lang auszuftihres Es
besrehet ans den vorziigJiclssten melodischen Theilcn, die zur Anlzge des Allegro gehéren, weiche in andere Verbindung gebradn, und durch andere Hgihmirtel emiten werden, als es im Solo der Concenstimme geschieht."" Der Primat
der Solopam'e, also des aweiten Tails gegrniiber dem enwn, him yon Koch gar nicht behaupm werden k6nnen, wenn er, wie die neuere Fdrmenlehre, zwischen der Anfstellung der Thematik und den Konseqnenzen, die aus ihr gmgen werden, uaterschiedea him. Eine Anlzge, wie Koch sie verstcht, wird nicht expo-
nim, um dann durchgefiihrt und schlialich rekapirulierr zu warden, soudem ist nirgends Indus als in den "rschiedenen Ausprigungm, die sie crhik, iiberhaupt
gegeawirtig. Man kann sie zwar, wie es Koch bei der zidemn Graun-Arie unternalum aus den Wechselnden Fassungen zu ezrrahieren muchen; dock ist sie
eugenmch em Komplex, der mcht vor den Austiihruugen, sonttern emug m mnen existierr.
2. Fomenlebr: m orgosisrrwsmodell Adolf Bernhard Marx, von dessert Komposirionslehre Ruben Eimer behauptete, dag fast simvliche deuuchen Komponisten des spiuren 19.Jahrhuse dens aus ihr gelemr hitters, ist der Begriinder einer musikalischen Rrrmeniehre,
die nahezu ein Jahrhunden lang den Begriff bestinunte, den mm sich von dieser Disziplin madam, alluding: in verflachter Ausprigung. Man vemachlissigte die Idee, Von der Marx ausging, und iiberlieferte lediglich die Schemau, die er von den Werkea der Klassiker, vor allern Beethavens, abstrahiene. Die Ftrrmenlehre, wie Marx sie versund, war ein Versuch, zwischen Auffassnn-
gen zu vcrmimln, die uavereinbar erscheinen mochten: zwischen der These, dag cine musikalische Form fiir sich, als fest umrissenes Schema, Ansdruck Von "Geist in geisfihigern Material" sei (Eduard Hanslick'"), und der Gegeathese, dait sie dutch die Idee und den besonderen Inhalt besdmmr werde, die sie darstelle. Sowold die allgemeinen, absmlmn als auch die iadividuellen, konkmen Fonnen sollten als Erscheinuagsweisen idceller Moment: gelun. Die generellen Fonncn begriff Marx, der sich von Goethes Morpholrrgie ebenso angercgt fiiblte wie von Hagels GeschichtsphMsophie, als Hervorbringungen der Vemunf: in der Musik. "Alle Former: insgesammt sind uns der ln-
1xgriff aller der Weisen, in denen die kiinstlerische Vernunh ihr Werk, die Ge-
"' Ebenda,s. M5.
P" E. Haninck, Vom Ahesihaliscb-Scbiinen, Leipzig 1854, S. 35.]
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218
w. Die musikah'sche Fvnnenlghre
sammtheit der Kunstwerke heworbringt.“” Die Juustlerisch schaffende Vernunff, die Marx meinr, ist miger die subjektive des Kinstlers als die objelaive
der Euastgescbichte, die sich der Kompouisten als Werkuug: bedient. ht den
Klassikgm endcht nach Marx Aie Kunst ihre héclmen Ubeasmomente (. . .), die selbst niches anders, als eine Verk6rperung, 1ndividualisirung der allgemeinen
Eunstidee" simPss. Die Vernunh, die das System der musikzlischen Formen hervorbringt, in cine .Vernunh in der Geschichte", um mit Hegel " mien. Marx' Formtnlehre wird von dem Prinzip gmgen, dais musikalische Formen genetisch, nicht HOB klzs-
sifizieread erfaik werden miissen. Sie muuhen in einem Prozdl des Wardens, der
zwar bestimmte, deutlich umrissene Typen ausprigt, aber das fest und starr Ge-
wordene iedoch hinausdringr - oder icdenfalls in fiisheren Zeitahern hinausdringte: Im 19.Jahrlurndert, einer Epoche der An perfecta, ist die Entwicklung,
die in der Sonarenfonn kulrninime. im wesendichen " einem stills-d und Ende gekommen.
n:. 2...... w: mu. H. mm w‘w-~uuu5u‘nls www.wmumu, al- u. us. ms Avuuwl, die Geschichte tin System durchscheinzn liEt, bilden Abwaadlungen einer einzigen Grundform oder Grundregei, die durch sie alle hindurchgeht. Die Formanlehre, schreibt Marx mit einem Von Goethe und Hegel endehmeu Pathos, ward: .nichts als eine Sammlung von todten Modellen sein (.. .), wofem nicht allen Nrmen ein defer, lebcndiger und belebender Grundgedanke unterlige. Dieser Grundgedanke, der aife bis auf heute schon vorhandne und alle magliclm Weise noel: kanhig bervorrrerende Fon‘nm trigt, kann hieri1m Venus nur angedeuter, aber eTst mit der Vollendung der 3mm melehre dargelegt und erwiesen werdm."” Der ,,Gruadgedanke", der das System fundien, wird Von Marx zweifach bestimmt: einerseits als Wrlaufsschema - als Modell ,,Ruhe - Bewegung - Ruhe' -, andererseits als genetisches Prinzip, auf Grund dessen die verschiedenen Formen auseinander hervorgehen.
Die Enrwicklung von der Liedform und der Variationenform iiber die hinf Rondoformen, die Marx unterscheidet, bis zur sonatenforrn, die den Front! abschliat, bench! einerseits in einem Ubergaug van blofkr koordination der Fonmeil: zu deren Subordination sowie "ulererseits in einem Differenzierungs-
prozeil, der mit fortschreitender 1r1tegration verbunden in. Starr gleichberechtigt nebeneinander zu stehen, werden die Teile hierarchisch abgemlf! and dadurch sinnfilliger aufeinander bezogem und indern sich immer reichere funk tionale Untenchicde hcrausbilden, wird tttt die Verkniipfimg der Teile
uuum angel; m: nmnuuuu: K''"-""'- uu-w um: mu:LJ:.E m: Wll‘wnunm
m A. B. Marx, Die mm m der rrmsikalisrher, Komponm. Bd. n. Law's 5/1864. s, s. w A. B. Marx. ebenda, M m, Leipzig 311357531. 01 Ebenda, trd. 11,5. 6.
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2. ereulnhre und Otnismasrsmdeil
219
Von den Roudofbrmen asaetscheider, bildet das Kendal einer gmuem: formalen Integration.
Dag die musikalischen Forum: als Eatwicklungsreihe erscheinen, bedeum jedoch nicht, dal! die friiheren dumb die spiuren iiberfliissig gemacht widen. Vielmthr ist Rir einen Komponisun des 19. Jahrhunderts - als cine: Sp'itzeit-das gaunt: System oder Repertoire der Forum: vedigbar. Er wild: ie nach dem In-
halt oder der Idee, die ausgedriickt warden soll, die adequate, der Su-uktur, dem Ton und der Stilhéhe des Vorwurfs entsprechende Form. Die Geschichdichkeit ist also nicht die Subsunz musikalischer Formen, sondam lediglich deren Emstelumgsbedingung. Formen bewahren, wean sie einmal erfunden oder eardeckt - durch die objektive Vermsnh hervorgebsacht - sind, ihren Sinn; sie werden dadurch, dag sich die Idem individueller Werke in ihnen "alisieren, glcichsam immer von nuern hervorgebracht. Und sie wiisden - was Marx jedoch nicht ins huge TV fassen scheim - em absurben, warm es keine Inhake main gibe, fiir die sie cine adequate musikalische Erscheinungsweise dmullen. Allgemeines und
Besonderes sind in der Maxxschen Ihrmenlehre dadurch mireinander yermitselr, dai; das Allgemeine des Besondermt bedarf, um lebcndig " bleibcn, und das Be-
sondere des Allgemeinem urn sich EU verwirklicluen und in einer "rstandlichen Fassung darzustellen.
Die me Knmstfonn‘ - die .eme in sich selbst vollkommm ausgebildete Gestalrung‘ s! nach Marx"I die aus Vorder- und Nachsatz zusammenge%re Periode. Die Fbrmenlehre, wie Marx sie versrehr, smell: demnach cine Fonseuung der
Syntax oder Periodologie dar, deren komplexeste Pxigung als die einfachste der ikrrmenlehre erscheint. Und die Verschrinkung mit der Theorie der Syntax war fa: die Formenlehre und deren 1krrmbegriff insofern entscheidend, als dadurch der "rchitektonische" Ban - die Zusammensetzung Von Fonmn aus Perioden
analog zur Figung van Perioden aus Halbsiuen - sun des .logischen" Diskurses - der motivisch-thematischen Enrwicklung - in den Vordergrund niche (ohne dafl die Themau'k Von Marx vernachlusigr warden w5re). Form wurde primir als Disposition Von Teilen aufgefaBt, die durch Kadenzen abgeschlossen sind; und thematische kontinuit'it oder Diskontinuit'it wurde unter dem Gesichrspunkt betrachtet, welche Relation sie zwischen den Teilen stiftet.
Der Terminus ,,Liedforrn" allerdings, der von Marx geprigt wurde, bezeichnet nicht ein Schema, das durch Bnchmben ausdriickbar wire, sondem ein Prinzip: das der Monothematik, Jedes Tonstiich, das nur einen einzigen Gedanken (. . .) in sich fagt, bezeiclmea wir (. . .) mit dem Namen Lied." #39 Die Liedform kann ei
zwei- oder dreiteilig (seltener vierteilig) sein. Die Klassifikation hing: nick: von
quamitativen, wudem Von syntaktisGen (Gliederungdurch kadeazen) and ,im
hzltlichen" (modvischen) Momenten ab (zur einteiligen Liedform lam: Marx den '" Ebenda. s. 15.
"' Ebeuda, s. 18.
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Co 816
T2 - -, C-"--"
210
w, Die 'nusikalische Nrmesstehre
von Wilhelm Fischer so genmmen mrrrspinnungstypus", mag er sich auch aber
nicht wmiger als 29 Take muecken "T Zisuren zwischen Teilen warden r unabhingig von der Ling: - dutch Kadenzen madden: dem Dilemma, enmder seine
Kategorien modifizieren oder eine Wagaersche Dramenszene als ointeilige Lied,
form klassifizieren EU miissen, emging Marx durch die Gunst der Chronologie. Und daniber, ob es sich um ein dreireiliges Lied Oder ein dreiteiliges Jieinef Rondo (ABA) handelt, entscheidet die gcdankliche (modvische) Selbstirsdigkeit
oder Unselbstindigkgit des Mitrelteils. (Der Begriff der ,gedanklichen“ Einheie
lichkeit, Verschiedenheit oder Gegensilzlichkeit ist allerdirtgs bei Marx so vage,
dag das Formuneil nicht selten unsicher bleibt.)
Ans der Liedform deduzierte Marx die Variationenform: DasThema sei .lied-
fiirmig" und cine Variation ,.im Grunde nichts als cine modiiizirre Wiederholung des Liedes", so dail man ,,mit dem ganzen Streben wesemlich nick: Eberdas Lied
hinausgekommen" sei"r, Dal! iedoch die Mamche Berrachtung des Variationszyklus inadiquat ist, d die ebenso offenkundig sein wie die Herkunh des schi =. 4. 'a'"o"'""b"'"6r _ w. wmnnmmm Avnuncnu m um...» m. n um"; nun us. lischen Fomen das syntaktische (und das thematische lediglich im Hinblick auf das syntaktische) MI akzentuieren. Die Beschreibung der fiinf Rondoformen, die aus der Liedform .hervorgehen", zeigt deurlich, dail Marx sich keineswegs einer Bornierdseit schuldig macht, durch welche die Formenlehre in Verruf geraten isc der Borniertheit, Buchstabenschemata wie A B A oder A B A C A flir die Substans musikalischer Formen TU hahen. Die .kleinen Rondoformea", die das Schema A B A gemeia-
sam haben, unterscheiden sich vielmehr dzdurch voneinander, dail der Mittelteil
in der ersten ein -symaktisch offener- "Gang", in der mveiten dagegen ein- relaliv
geschlossener - .Satz' ist, Und dd der Minelmil eines Rondos ein Jqebensatz" ist, hebt ihn einerseits von dem auselbst'a'ndigeren Mittelteil einer dreiun'ligess Liedform und andererseits Von dem Trio zines Tanzes oder Marsches ab, das als ginzlich selbsrindiger Liedsatz dem Anfaagsteil angereiht wird, sun ihm subor,
dinien EU warden '". Die Marxsche DUferenzierung Von Graden der Selbstindigv keir des Mimluils stelll durchaus einen Ansatz MI einer funkdonalen Formenlehre
dan Die drei "roikn Rondoformen" werden von Marx nebesseinandergestellt, als kime ihnen gleiches Gewicln in (HS - Hauptsatz, SS - Seitensarz);
(3) HS (0 HS is') HS
SS: SSI ss 1
HS HS
SS2 SS2
SS2
HS HS
HS
M41 Ebenda, S.68. w Ebcnda, Bd. m, s. 94. '" Ebenda. s. 95.
. -2r- Co .316
UFMER’
SSt
SSI
2. Rrrtnenlehre und organuatioasmodell
221
Es ist jedoch oifenkundig, dag die Nrmen (4) und (5) zwischen der "igrnt-
lichen" Rondofonn (3 - A B A C A) und der Sonatenform vermineln. ss 1 (der cute Seitensuz) in (4) und (5), der au Anfang in der Domirunttonart steht und am Ende in der Grundronan wiederkehrt, ist weniger ein Coupler, das mit einem
Rirornell abwcchselt, als vielmehr ein Nebenthema, das sich mit dem Haupuhema EU einer Exposition im Sinne der Sonatcnform zusammenschlieb. Geht man Von
der Soaarrnform nus, so kann SS 2 in (5) als Durchfiihrungsuil mit ncuem Thema bestimmt werden: Marx analysim als Beispiel das Finale an: Beethovens Klavier, senate op. 2, Nr. I"'. Und die erste Wiederkehr des Haupunzes in (4) wire dann als Wrmittlung zwischen (5) - einer Modifikation der Sorutenform - und (3) - der .eigentlichen Rondoform" - erklirbar: als Jkmatenrvado". Mit dam Jonatersrtmdo" (4) miilhe dis s,sonarenarxige Rondo" HS SS HS Df HS ss, das
Man an mderer Selle er6rtert, wsvmnrngefult werden'".
Allerdings wind: dutch die vorgeschlagenen Verinderungen das gmedsche Verfahren, wie Marx es auifaike - die smfenwcise Eatwicklung simdicher Forv men aus einer einzigen Grundform (die ein Analogon zu Goethes JJrpilanze" damellr) -, aufgehoben. Dena die Sonatenfonn erschiene nicht mehr als Ziel und Ende einer Enrwicklungsreihe, die von der Liedform augeht, sondem als selb» stindjges zweives Prinzip: Die .Rondoformen' (4) und (5) bilden szkundire Wrmitdungen zwischen zwei in ihren Voraussetzungcn verschiedenen primiren Rmnen: der Rondoform (3) einerseits und der Sonatenform andererseits. Die Form, die ein Komponist ftsr ein Werk wihlt oder entwickelt, soll ,bestimmtem Zweck und Inhalr gemaiP sein'". Der Sinn, den sie Von sich :us mitbringt, audi mit der Idea, die der Kompoaist auszudriiclmm oder mit dem Suiu, das er darzustellen versucht, zusunmenstimmen. Musikalische Form, wie Marx sie vemeht, ist nichr bkBer Buchsube des Geistes, sondern selbst Geist; nicht ,(odles ModelP, sondem Produkt einer Jriinsdesisch schaifenden Vemunff '".
Die Konvergenz zwischen dem Geist einer Form und der Idea, Stimmung und Struktur tints einzelnen Werkes in van Marx am zwingendszen an Vokalfonnen
demonstriert warden. Die Argumente, mit denen er begriindet, warurn ein bestimmter Text strophisch venom oder durchkomponien warden mull oder warum er zur einfachen oder doppehen Fuge oder aha zur Morale geeignex
mcheim, sind chemo einfach wie einleuchtend. Andererseits bleiben iedoch im Mamchen System die Vokalformen, obwohl sie aush5hrlich behandek warden, von der "igendichen" Formmlehre ausgeschlossen. Das Ende des Buches iiber die Former: der Instrutnentalmusik - yon der Lied- bis zur Somxenlorm - soll als Jkhhd der Rrrmenlehre (nach ihrem wesendichm Inhahe)" gellen "'. “5 Ebenda, S. 1915.
‘“ Ebenda,$, SW. “5 Ebendh S. MB, '" Ebenda, Ed. u, S. 8. “’ Ebenda, Bd. m, S. 603.
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222
VI. Die musikalische Formmldue
Dal! die Formenkhre einerseiu als Theorie der Iusuvmemaiformes, cntwik» belt, andemzseits abet mit einer imbedk verbunden wurde, die vor allem in der Vokalmusik zur Gehung kommt, crscheint als Ursprung von Schwierigheiteu, die Marx geftshlt haben mull, die er aber nicht ratios " Ibsen mocha. Geschichtsphilosophie und Asthetik, 1iarmenlehre und Gatsngstheorie, immentale und vokale iiarmentradition, architektorsischer und logischer Iurrneepie, Geist der Form and Idee des Wedus bilden im Mamchen System due Korsfiguradoa, die durch Widersptiache grkmtazeichnet ist. Die IRrrmenlehre, die sich als allgemeiue, ahsmkre Theorie prisentiuze - und pr'a'sentieren mugte, um als Ausdruck einer .Vermuth in der Musihgeschichte"
gellen zu k6nstea -, in in Wahrheir eine Formenlehre der Klaviermusik: ein Umstand, den Marx sugar eingesund, ohne iedoch cine Erklinmg und Rechtfertigung TU versuchcn. Der Gedanke einer abstrakren Formenlehre - ienseits der Gammgsdiiferenzen - ermeist sich als Phammn. Bend: in den benihmmstzn symphonischen Sim, in Badman: Driuer, Finher und Neunur Symphonic ist die
c,._...4t,\_. wmwwvuu " - u‘l uwlwugwls us. nu, w.‘ _ vlldlcwuus nyl)‘: .. u... cu.-
faltet, nicht sinnvoll analysierbar. Die Besmung, fin die ein Werk badminr ist, darf nicht als ukundire Instrumentierung eines abstraken Tamales migverstase den werden, sondem muil als koastitutives Moment der Komposition gehen. Mit
anderen Womn: Musikalische Fonnenlchre ist immer zugleich Garnmgstheorie. Erscheim demnach cine absuakre Fbrrnesslehre als Fiktion - bei Marx als t stemrragende Fiktion, die inden Details panicll widerrufen wird -. so ist andercr-
seits die Akzentuierung des "vhirektonischen Moments - des Prinzips der Zusammcnsetzung musikalischer Formen aux Perioden - cine Einseitigheit und trberrreibung, an der Marx, ohwolll er sie im einulneu auszugleichen versuchre, in den Grundzagen durch seinen systementwurf festauhahen gezwungen war.
Der Ansatz zur Korrektur neck: im Begrilf des musikalischen Gedankerts, durch den der Gegensatz zwischen lnstrumennlfonnen und Vokalfonnen - der aus der 0urakzenruirrung des Iltriodenprinzips erwuchs - verriagerr oder sogar aufgehoben warden kann. Wm Marx einerseits die Differenz zwischen dreiteiliger Lied- und dreiteiliger Rnndoform durch den Grad der SelbsandigVit des ,.Nebengedankens" bestimmt - und dabei weniger auf greifbare Modvbeziehungen als and Ahniichkeir der Charakrere und Sdmmungm zielt - und andererseits die Wahl zwischen der Doppelfugen- und der Moteuenform Von der lsyyo- oder pan-
ukdschen Tcmtrukzur - als dem sprachlichen Abbild einer Gedanhmsstruktur abhingig macht, so zcichnen sich die Umrisse einer Formenlehr: ab, die nichr
I"'""" um J...r\ un ""'t"''""'" ymwm... Etlu‘wl Anus, wuuuu vuu um mow un-
geht, als deren .sinnliches Scheinm' der Hegelianer Marx musikalische Werke versund. Die Kehrseite ist iedoch, w send: der architektonische lirrmbegriR, der durch die Akzentuierung des musikzlischen Gedankens und der Gedankcnentwicklung an Bcdeutung mum, die Wrausserzung und Grundlage fiir die geaetische AuBassung der musikzlischen Fomenlehre bildere; fiirdie konstrvktion
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J. Ltr Alumni der Werkanalrse
223
einer an Goethes Moryhologie erinnemden Eutwickhsngsreihe von der einndli-
gen Liedfonn bis zur Somwnfonn. Und es war das Hemorgehen der Fonncn auseinander - ein Hervorgehen, wie es Von einem 'uthalts'isthetischen Anna her nicht sichtbar TV machen ist -, in dem Marx das Wirken einer Iemunh in der
Musikgeschichte' erkanme. Die Knnsmlkdon zines geschichtsyhilosophisch - generisch - bagriindeten Geistes der Fomm hing: mit dem "chitekronischen 1%rrnbeWiff untrennbar zusammen. Marx' geschichtsphilosophische Knumnkdon statue sich auf am einerseits
abrtrakten, andererseits einseitig archilektonischtn Ikormhmgriif. Die Abstraktheit erweist sich jedoch als Schein, die ,,Musik schlechthin" als Klaviermusik.
Und der architekumische Fbrrnbepiff twins: Marx dun, die Vokalfonnen, so
ausRihrlich er sie behandelt, aus der "igesttliches1" Nrmenlehre "sszuschliefUn,
wail Chirrfuge und Moan: vom Periodenbegrilf her nicht sinnvoll EU erfasun
sind. Gerade in der Theorie der Vokalfonnen aber sane sich Marx' isthedscher
Rrrmbrgriff dutch: die Auffassung der Fonn als Erscheirumgsseise dun Hee
oder eines Inhalts; die Akzenzuierung der Gedankenwrknapfung mt! der Disposition Von Teilm; die gatumirsspezifische Prigung mu des abrtrakren Schema.
Unter der obesf1iche einer Theorie, die bei den Abschreibern zum Schemalis-
mus "same, wail das geisn'ge Prinzip. von dem sie bei Marx gmgen wrde,
wegzn innerer Widersinische schwer greifbar war, zeichnet sich damach der Uirrriit einer meeiten Fbrmenlehre ab, deren Ausarbeitung alluding; immer noch aussteht.
J. Zunistlutik dc, Werkmrralyse' Die Analyse tines musikalischen Werkes batch, sofem sie sich nicht in ,Buclr
haltung' ersch6pit, in der Entdeckung und Explikation cine: Ikarrnprinzips, das
den innerm Zusamrnenhalt der Teile wrbiirgt und zugleich dariiber entscheidet, welche Stmkturmerkmale als wesentlich gelten sollen und welche nicht, (Die Idee
einer Analyse, die sirntliche far ein Werk konstitutivea Moment: gleichmaig be-
riicksichtigt, wire cine schiere Utopie und wahrscheinlich sugar cine schlechte.) Die Notwendigkeit, selektiv MI vedahren, um nicht ins Unabsehbare zu geraten, ist mit dem Anspruch, dmoch ,du Ganze" zu erfassen - in dem das Leben eines Wakes bench: -, cinzig aufgrund istheu'scher Primissen Vereinbar, die eine
Unterscheidung zwischen prinfiren und sekundiren Tonsatz- und Iiarmmerkma-
len erlauben und rechtfertieen, DIE Rudolph Réri die ..innere Form" von Bect-
boven-Soaaten .u. diastemitischen - vom lihydms aismimnden - .Zellen"
deduzierre'", wire unversrindlich ohne die zur Konwntion vufestigw Vonus-
. Za diesem Kapiul sick: an Nachworr, s. 266f. I'" R. ma, Thematic Patterns in Sonatas of Beethoven. hrsg. Von D. Cooke, London
196r.1
?Cogle
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114
w. Die mushaliscbe Ponnenlehre
scuung, dait die Tonhihenstruktur die eigmtliche Subsunz artifizieller Musik darmlle. Und die Auffassung Heinrich Christoph Kochs, dag Wsederholungen und Reprisen, da sie nichts Neues sagen, cine Alang-Rede" nicht konstiruieren, sondem lediglich verdeutlichess, bekriftigen und abrunden, ist ebensowem'g sclbswersrindlich wie die entgegengesetzte Primiss: der 1hrrnenlehre des W. Jahrhumierrs, dag Repetidonen das .Genisr' eines Sun: - gleiclmm die
Jragenden" Teile des musikalischen .Gebiudes" - bilden. Mir anderen Wonen: Ein Analyseprinzip - auch tints. das voraussetzungslosigheit und Usunittelbarkeit zur Sacha suggrriert - mthil: isthetische Implikadunen, ohne die es Luftwurzeln treibcn warde, die iedoch im allgemeinen, sun :xplizien und begriindet
" werden, in den Mmphem vcrborgen liegen, auf die sich die Analysesprache
smut. Hing: denmach eine musikalische Analyse einerseits Von der Asdmik ab, die
um Termirwlogie zugrunde liegt, so in andererseits die Werkiuterprmatio" der
Ort, an dem die Kategorien der verschiedcnen. geschichtlich heterogenen musik-
tneoreuscnen Ulszlpunan zusammentTmten and march, nan :1: sum as bar oder nnvereinbar erweiscn, einer Erprobung ihres musikalischen Maw
gelulrs umerworfcn seerdew, So kann etwn eine Harmonielehre, deren Kriterien einer Untersuchung des .hannonischen Rhphmus" (Jan Lama”) nicht stand, halxen, schwerlich als resdos adiqunt gelten. Die Analyse eines eiazelnen, besonderen Werkes - die seine 1adividuzlitit umkreist, sich aber der Unmisglichkeit, sie erschrrpfend TU erfassem srindig band}:
ist - und das System der musiktheoretischen Tcildisziplinen - das sich durch Rekonsuvktion des Zusammenhangs und der Wechselwirkung zwischen Harmonielehre, Merrik und Kontrapunkt von inner: heraus wrst'iadiich machen 158: - verhaken sich issoiem, als beide gezwungen sind, die Isolieruug der musiktheoredschan Ficher TV durrhbrechem komplementir zueinander. Das Gelingen einer Werkanalyse enrhik gewissermagen das Wrsprechen, dail ein System prinzipirll m6glich ist, so wie umgekehn ein System antizipierr warden muii, wean nicht die
Analyse in Bruchstiicke zexfallcn soll. (In stilkritischen Untersuchungen wird nicht selten das mu Wechselwirkungen resultiermtde System dutch eine .Sysuma-
ah" bloiben Nebeneiautderstelusss beziehungsloser Gesichrspunkte enmt, also
der Mangel der musiktheoretischen Disziplinen an innerem Zusammcuhang in
einer Analyse reproduzien, die streNgenornmen keine ist, wail sie sich der regu-
laliven Hee, .das Ganze' EU erfusen, entzieht.)
Dail Johann Manheson im Vollhommener, Capelhneister'" der Rprminter-
prmuon emcr Ane Von Benedetto Marcello Gas Mode“ emer benclnsrede zugrunde legw, ist als Versuch TU versrehen, den Begrilf der .Klang-Rede", der das
[w w. J. LaRue, Harmonic Rhythm in the Beethoven Symphonies. in: MR Is, 1957, s. 8-20.] qNt J. Mudleson, Der "rllkerrrrrrsene CUpellmeister, S.255-2H,
-C,0 gle
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3. Tur hsthetik der Werkanalyse
225
isthuische Wan: der Instrumental- wie der Vokalmusik erfassm sollte, analydsch eiazuliisen. Die Analyse nimmt die Metzpher ,.Tonsprache" - ohne Beriick-
sichtigung der Diiferenz zwischen Begrifhe und Ernpfinduagssprache - unbefase
gen beim Wort, Manheson erklin das 1nsrrumentalritornell als Exordium und den Anfang des Vokalteils, der die melodische Subsunz des Ritornells abwandelt und paraphrasien, als Nannie. Dd dis Rimmell als Einleitung und der Vokalpan als eigentliche Exposition gehen soll, widersprichr TWar dem genetischen Sachverhalt, dail der Vokalxeil durch Ausspinnung des Ritornells und nicht urngekehn das Rimrnell durch Zusammenziehung des Vokalteils entstanden ist, wird aber der ischerischen Wirkung gerecht, bei der vokale Teile gegeniiber instrumentalen in den
Vurdergrund mm, Die Unterscheidung zwischen Narntio und Propositio - die Behauptung, daii die Exposition des Therrus der Enihlung tines Sachverhalrs, die Durchfiihrung
dagegen (geghedert in cine transpoaierte Propositio simplex, cine zergliedernde Propositio variata und eine imitierende Propositio composite) dem die Tatsachea
begrWich durchdringenden Spruch- oder Urreilsvorschlag gleiche, wirkt zunichst unyerst'indlich und befremdend, erhilr jedoch einen falllichm Sim, wenn man Mattheson ein Gefiihl dafiir unterstellt, dail cs die Funktion einer Wrarbeitang ist, die verborgene Substanz eines Themas mm1 Vorschein zu bringen. Eine Confuurio ist cine Widerlegung oder ,.Auflissung der Einwiirfe", die sich gegen eine Proposido erheben lassen, mud unter einem Einwurf versuh: Mattheson ein Seirm- oder Nebenthema, das die Entwicklung des Hauptgedankens unterbricht. Die Aneignung der rhetorischen Nomcnklatur ist tnusikhisuarisch insofern bedeursam, als sie eine umer dea 'isthetischen Voraussetzungen des 18.Jahrlumderts naheliegende Alternative zur dualistischen Interpretation von Themeadifferenzen (Adolf Bernhard Marx"') damenz: Wer ein Seitenrhema als blollen Einwurf betrachtet, luk zwar die Existenz eines im Charakm :bweichmden Nebengedankeas isdmisch gelten, vermeidet aber die Konsequenz, die monothematische Rrrminterpretation, durch die man das Postulat der Einheir in der Mannigfahigkeit erfiillt sah, preisgeben TU miissen. (Der Einwand, dail doch ,,objektiv" feststehe, ob ein Seitentherna ein rasch widerlegter Einwurf oder ein for. mal konsu'tutiver Gegensau sei, wire naiv: Die Variationsbreite, in der musika-
lische Formen divergierende Inrerpretationea zulassen, ohne dag der Eindruck Von Gewahsamkeit enureht, ist nicht seiten erstaunlich.) Der Vergleich einer Reprise mit einer Coahrmatio leuchm unmitrelbar ein,
wail er den-Unterschicd zaschen einem Ziel oder Resulm und einer blogen Entsprechung maid. machr, also der isthnisch fatalen Tendenz, musikalische Form als t6neade Architektur zu interpreticren, durch cine angemessene Beriicle
f'" w. dazu A. B. Marx, Die Lehre m der 'mssihaliscbert Komporition, Bd. 111. Leipzig 3/1857, s. m f.]
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226
w. Die musiUlische Rmnenlehr:
sichtigung des Zeitverlaufs eutgrgenwirku des Prosesses, in dem zine Reprise, als Abschlult der .Geschichte tines Themas" (August Hum"'), mehr ist als sin blolkr Widcrpan der Exposition.
Ob der Begriff der Ptroratio durch einen Epilog oder eine Coda mit Inhall
erfiillt wird oder ob er - wie bei der Arie von Marcello - cine blolle Kadcnz mit einer pompiisea Vokzbel aussmm, ist formtheormisch von geringer Bedeumug.
Mattheson analysierr die Marcello-Arie - die er ohne Tex: zitierr -, als wire sie ein Stick Instrumentalmusik: Die rhetorischen Kuegorien beziehen sich aus-
schlidslich auf musikalische, nicht auf sprachliche Sachverhalte. Der chanke aber, tin t6nendes Gebilde .rein musikalisch" als ,.Klang-Redf versandlich MI
machen, kann, wie Forkels Variant: von Matthesons Iaterpretatiorssmodell zeigt, als L5sung eines Problems aufgefaih werden, das die Astheuher des 18. Jahrhundens beunruhigte und MI cmgegengesetzxtn Uneilen herausforderre; des Problems, Instrusnentahnusik entweder dem Vorwurf des Rhapsodischm und 2erzis-
senen preisgeben zu mussen odn Argument EU f)t.1de.n, um sie dagagenm Schatz A "H A; zu ncnrncn. Junallll meow» ruru: n:nuu- uoe m uu mmmuug Lu! nugmm-
nen Guchidm der Mail! die rhetorische Terminologie, um " demonstrieren, dait Fonmeile, die scheinbar die Einheit der Emphndung - die isthetische raison d'tere eines Snick: Musik - stiiren und durchkreuzea, in Wahrheix den Zweck crRillen, die .Hauptempfindung' zu untersuitzen, genauer zu bestimmen oder von verschiedenen Seiml zu beleuchten"s. Heinrich Christoph Koch Kilt: mit Manhaon und Fodul die Voraussetzung,
daB "riiizielle Musik instrumental: chemo wie vokale - cine Alang-Rede" sci, an der man .drcy verschiedene Eigenschahen", die Jntmpunctische", die .rhyth» mische' und die Jogische" Beschaffenheit der Teile, unterscheidea Kane.. Ure tmpuruxion" nanme er die Ordnung und Absmfung der Jindigungrformeln", .Rhythmus‘ die Korrespoadenz der Takranzahi, ',Logik" den inhaldichen Zusammenhang der musikzlischen Gedznken "'. -
Musikalische .l'onn“, wie Koch sie wifaik, entsteht durch ',Aushihrung" einer
.Anlage". Jn der Anlage warden die wesendichen Thane des Ganun (engesezt, und das Geschift: der Ausfiihrung ist, diese Theile in verschiedenen Wen» dungen und Zeuh'edervngen dutch verschiedene Hauptperioden durchzuftih, ma" - ,,Wendungen" sind die toaalen, 2er3hederungen" die motivischen Varian,
ten- psnd dieses Vermmn gibt dem Tonstiicke seine Form." (Unter einer Hauptperiods versteht Koch einen durch J6rmlichen" Ganzschiug bundezen lingual
Abschnin ) Die Form hing: theils von der bestiaumen Anzahl der Han tperi-
'"meus von nu J,‘rmum,nm wucn: et_t_a'_e_eJe'e_egt ,-,;,.-, ., cam, mesa! our: )znu renou: nmguum mm,
theils abet auch Von dem One ab, wo diner oder jener Haupnheil wiederholt
P" A. Halm. lim mvei Imam. m Musik, Stuttgart 3/1947. s, 227.] P" schema; zosu P" sum oben s. 106 if.]
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J, Zur Anhedk der Werkanalyse
117
wird." "' Koch beschr'a'nkt den Formbegritf denmach auf die Momente, die er .mechauisch" - im Untemchied MI .poetisch" (zur Edindung und Anlage gcharig) - nennt. Wihrend die Theorie des I9. und 20. Jahrhunderrs - und Ewar Kornmentarlos, als handle es sich um cine selbstwrsandlichlseit - unter Form siintt, liche Beziehungen der Teile untereimusder und zum Gmun vemchr, differenziert
Koch die (nach ncueren Begriifen) Jorrnzlen" Relational in die .poetischen" der Anlage und die ',mechanischen" der Ausfiihrung (der .Fonn' in seincm Sinnc). Die Abgrenzung mag willkiirlich und gewaltsam erscheinen, liBr sich iedoch unter den isthetischen Primisscn des 18.Jahrhunderrs, die ein Historiker nicht umstandslos als Voruneile abmn darf, mstindlich machen. Der Zusammenhang zwischen einem Haupt- und einem Seitengedanken, wie er em dutch .konm-
stierende Ableirung" begriiadet warden kana, enthilt, wie :rwihnt, individual}: Momeme, die sich einer theoretischen Verallgemcinerung entziehen. (Und von einem intuitiven Einschlag in den Analysen Von Arnold Schmitz TU sprechen, wire keine Oberxreibuag.) Dagegen sind die Jnterpunctisdse" und die .rhylhmische" Beschaffenheit, die den Gegmstand van Kochs Strukturanalysen bildm, dutch Kriterien besdmmbar, die "rheoriefihig" sind. Die Abgrenzung oder Nichtabgrenzung eines ',poerischen" Teils der Kmnposirion vom .mcchani-
schen' hing: also von dem im 18. Jahrhunden geringeren - Ausnug ab, in dem die musikalische Analyse sich "nu des Suns .individuum ineffabile est" zur -
Erfassung des Besonderen und Unwiaderholbaren vorzurasncn wagt. E. T. A. Hoffmanns Rezension Von Beethoven: Fiinfrer Symphonic Von 1810"6
gchan nicht nur EU den grundlegenden Dokumenten der romantischm Musikistherik, sondem ist als Versuch, cine istheu'sche Intuition am Notentext dingfest zu machen, auch ein Marksman in der Entwicklung der musikalischen Analyse. Die stmik des Erhabenen, van der die Theorie der Symphonic seit dem spiun Ill. Jahrhunders ausging (Johann Abraham Pam Schulz im Artikel Jymphoaie" in Sulurs Allgemeine, Theorie der Schiinen Klimt: "o, wurde von Hoffmann in der Sprache Jean Paul; formuiiett, Jbeethovens Musik bewegr die Hebel des Schauem, der Furcht, des Entsetzens, des Schmerzes, und erweckt jene unendliche Sehnsuchr, die das Wesen der Romamik ist."'" Die Rommlik, benirs von Jean Paul mit der Musik assoziierr, vergrub sich, nach dem Verlust der
"riechischen heirem Freude", immer defer in .ungndliche Sehnsucht" '". Der romandsche Impuls kann jedoch erst produde warden - sun sich in '" H Ch Koch, Venuch tin" Anleitung zur Composition, Teil 2, S. "
S 103,
r" n. l, A. nonmum, Acnnfltn zur Mum, mag. von r. schnapp, Muncnen m», S. 34-5t;zuerst in: AW.]g. 12, IMO, Sp. 630-41 v. 652-59.l
C'' J.G. 3mm. Allgemeine mm der Srhiirren kiinste, M. w, Leipzig 2/1794,
s. 473450,]
[m E.T. A. Hoihnann, Sbbrifters m MM, s. Sh.] ('" Jean Pm], Vmchule der Asthetik (1804), in: Simtlkbe Wake, hrss. van der 9mm. schen Akademie der Wissenschaheu, Eme Man, Ellur mt. Weimar ms, s. 8Ll
Co glc
VI. Die musikalische Fvnnankllre
9 § E
218
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7“ f
20
Abb. " Beethoven. rum Symphonic (1m), I, Sara. Schw'irmerei TU verlieren -, wenn er sich - und wiederum zitiert Hoffmann die Vancbule der inbuilt“ - mit Joher Besonnerheif verbinder. .Wie inhetische Mefhiinstler im Shakespeare oh iiber ginzlichen Mange] wahrer Einheit und inneren Zusammenhanges geklagt haben, und nur dem tiefern Blick tin scbiisser Baum, Knospen und Blincr. Bliiten und Frgchte aux einem Keim rreibend, erwinhsl: so emfalm auch nur ein sehr rides Eingehen in die inner: Struktur
Beethovenscher Musik die hohe Besounenheir des Meisters, velche von dun wzhren Genie unzerTrennlich ist and von dem anhalunden Smdium der Kunst genihn wird." q6t
Am Noumext szlllg Zu machen, me me .uncnuuche acnnsucnr - all
poetische Idee der mm Symphonic - en! durch eine .hohe Besonnenheit", die sich in der Jtrukrur" manifestien. musikzlische Gestalt annimmt, ist die Ab[ua Ebenda. s. mm] [m E. T, A. Holhstamt, Sabra?“ zurMuik, s. 37.]
UNWERSVV OF MICHIGAN
3. Zur Mail: der Werbnalyu Fl. uh.
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Vic. . Ch.
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Abb, 5b: Maven, Finite Symphonic (max), I. Saw,
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229
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VI. Die musikalische Fonnenlehre
sicht, die Hoihrunns Analyse zugnmde liegt. Die "asthetische Interpretation erweis: sich, and zwar nicht allein im ganzcn. sorsdem in den Details, als Kchmite der kompositionstechnischen.
Auk'iliig ist, dag Hoffman gerade an den Nebengedanken, die das Haupnnotiv des emen Saues erginzen und gmauer bestimmen, die 'isthetische Wirkung
hervorhebt: den Eindruck, daB sie ,,des Euhiirers Gemiite das Unbekanme, Ge» heimnisvolle ahnen Imen" ‘53 (Tahr 15-21; siehe Abb. 5:) oder .aufs neue iene Ahnung sarker und dringender aufregen"" (Takr 34-M; siehe Abb. Sb). Mit anderen Wonen: Die poetische Idee des Salus manifestiett sich nicht im Hiusptmodv fin sich, sondem in dessen Relation TU den Nebestgedanken, die zusam-
men mit am Hauptmotiv die ,,Anlage" im Sinne Heinrich Christoph Koch: bil-
den. Die Nebengedanken uaterscheiden sich vam Hauptmotiv, dessen ,,rhythmischen Verhait" sie wilen, var allen, durch die Urndeutang der Unger, Note im zweilen let EU einem gedehnren vorhah oder Quasi-Vorhalt (m I g l J sun
m l J). Und es ist die Vorhaluwirkung, aus der Hoffmann den Jiehnsuchtsron' n:nusnom, aer em: unaramensurung net I nemanx - una aas new: nes durch die Nebengedanken interpretierten Hauptmorivs - als Ausdruck .unendlicher Sehnsucht'' iiberhaupt méglich und sinnvoll erscheinen lieB. Die Beziehung des Seitenthemas zum Hauprgedanken siehr Hoffmann durch
das Hornmotiv, das die Tera des Anfangs zur Quinte augmentierr, und durch den Rhythmus des begleitenden Bagmotivs geuiigend gewahm (Der Einfall Rudolph Rétis "', in den Geriism5nen bues"-r-br des Seitenthemas - deren Herausl6sung
sich insofem rechtfrrtigess 1581, als der Ton d'' cine Wechselaote und der Ton c"
tin Vorhalt ist das Hommotiv wiederzuerkennen (Ex. 49 a, b), lag Hoffman -
noch fem, kann aber als analytische Einl6sung seiner Behauprung, dail das zweite Them: .zwar melodiiis Est, aber doch dem Charakm ingsdicher, aarule Ex. 49-
WWW i. a I 5 .
Ex. 49b
Assssressazszszssassssa Rr=E-="'=xW='=F" \_/
P" Elma] [m Ebenda, s. 39.] C'" R.Réri,The Thematic Process in Music, New York 1951, s. 175,]
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J. Zur hsthetik der Werkanalyse
231
voller Sehnsucht, den der gauze Satz ausspricht, getreu bleibt" "', auigefaih mden.) Esttscheidend ist, dai) Hoffman: die ,,uaeadliche Sehnsuchf - in der er nicht allein die poedsche Hee des einzelnen, besonderen Wakes, sondem dariiber hin-
aus, in Anlehnung an Jean Pauls Varschuk der Asthetik, die Signatur der dutch Beethoven, den .rein romanrischen" komponistem repriser1tierten Epoche zu erkennen glaubte - kompositionstechnisch als Werk der .hohen Besmmenheit" versandlich machen konnre, die er - gleichfalls in der SpracheJean Pauls - an Beethoven siihrnte. .Es gibt keinen einfacheren Gedmken, als den, “khan der
Meister dem ganzcn Allegro zum Grunde legte und mit Bewunderung wird man gewahr, wie er alle Nebengedankm, alle wa'schensine durch rhythmischen Verhall jenem einfachen Thema so anzureihen wuihe, dail sie nur dun dienun, den Charakrerdes Gamen. den jeaesTherna nur andew ten konme, immer mehr und mehr zu eettfalten." #66 Die kompositiortstechuische Wrkniipfimg (durch den ,,rhythmischen Vanda) mheim als Bedingung der .Entfaltung" des 'isthetischen .Charzkzers' in der Relation der Motive zuein-
ander. "Ganz davon abgesehem dag die kontrapunktische Behandlung Von tiefem Studium der Kunst zeugt, so sind es auch die Zwischensilze und die bestindigen Anspielungm auf an Hauptshema, welche dartun, wie der Meister das Gauze
mit allen den chamkrervollen Ziigen nicht allein im Geist auffailte, sondern auch durchdachu.'“" Eatwickelnde Variation und romanrische Expressivit& - Kunst und Intuition - erweisen sich als zwei Seiten derselben Sacha. Der aus dem Haupunotiv summend: ,rhythmische Verhak" stellt den innaren Zusammere hang her, der die Aunsr" und das .Studium" erkennen liBl, Die An der Ab-
weichung vom Hruptmotie aber - die Wrhalrswirkuag der gedehnren Note -
treibt den im Them: zunichst noch verborgenen Ton ',uaendlicher Schmuck!"
gewissermaiUn an die Oberfliche. Robert Schumann: immer wicder als paradigmadsch geriihrnte Analyse des
ersten Saues der Berliozschen Symphonic farstastive"' ist formtheorerisch durchaus anfechtbar. Sowenig sich besueiten ligt, dad die Teile, die Schumann als Riickgnt der Form versund, dutch melodische Unversehrtheit und unmiudbare
Faglichkeit ans dem symphonischen Prozeg herausragen, und so bestechend die symmetrie wirken mag, die Schumann: Schema auszeichnet, so fragwiirdig
erscheint die unausgesprochene Primisse, dail Repetitionen und Transpositionen
van Themen iiberhaupt tin A2eriist" bilden: den eizentlichen Trizcr der Form.
[w P" P" P"
E. T. A. Hoemann, Scbn'frm my Mum}, s. IN Ebenda, s. 43.] Elma] R. Schumann, Gesarnmelte Schnym fiber Mai and Mm", hug. van M. Kreisig.
ad. 1, Leipzig 5mm. s. 69-hh)
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232
W. Die musihalische Rammlehte
an so “much ist, dai) man vom Rest, als Mose. .Fillung‘, bei einer schemad~ sierenden Analyse nodal]: abstrahieren dad. Das architektonische Rnrrnmodell, das Schumann zugnlnde lepe, als wire es selbstverst'indlich, ist Wm Thelma: Tom:
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II e/G
I C
Gerade das forrnrheoreu'sche Vonmeil - bei dem nicht einmal sicker ist, ob Schumann es als dogmacische Ubemugung tent: oder lediglich zu publizistischapologetischen Zwecken benutste- erweist sich allerdiugs als unentbehrliche Vorzusseaung der 'isthmischen Argumentation, in der die Substanz der Analyse besleht. Schumann glaubu zwar nicht, durch die Rekoastruktimt einer lawnwn
.symmetrischen Ordnung' Essemielles aber den Sm TU sagen; aber er war davon iiberzeugt, dag die .zergliedemde Krin'k' ein Mine] sei, um ein osngliickliches Miihersandnif von dem Berliozschen Werk fernzuhalren und 2m ein
w... M...,,u.m.. mm munmum mmmmm: m puma: Unmucrung der nussihaliscben Wahrnehmung am literarisch-bugraphischess Programm. .Bnlioz kann hum mit griifkrem Widerwillen den Kopf am sch6nen M6rders mien haben er studierte in seiner Jugend Medizin -, als ich sdncn ersrcn Sara. Und hab' ich noch dazu meinen Lesern mit der Sektion emu genial? Aber ich wollte dreierlei damit: ems dmen, welchen die Simona: ginzlich unbekannt ist, zeigen, wie wenig ihnen in der Musik dumb cine zergliedernde Kritik iiberlump: Hugemachr warden kann, deaen, die sie oberflichiich durchgesehers und wail sie nicht gleich wuihen, wo ans und tin, sie vizlleichl beiseite legren. ein par Hihenpunkte andeuten, much denen, die sie kennen, ohne sie anerkennen zu wollen, aachweisen, wie non der scheinbaren Fomdosigkeit diesem Kkhyer, in gralern Verhghnissen gemessen, cine richtig symmetrische Ordnung inwnhm, des innem Zusammenhangs gar nichl zu emahnm, Aber an dem Ungewohmn dieser neuen Form, des neuen Ansdrucks liegt wohl Tum Teil der Grand zum ungliicklichen MBversandnis." m Und sofern das programmatische Miiherst'ind"is einem Mangel an fomulem Ventindnis eatspringt, last a sich durch due Analyse, so unzulinglich sie sein mag, fernhahem .Sowait das Programm. Gan: Deutschland scheukt es ihm: solche Wegseeiser ham. immer mas Unwiudigrs und Charlatanrsa%ges." "0 .01: nun in dem Programme zur Berliozscben Sinfonie viele poetische Momma liegea, lassen wir dahingestellt. Die Hauptsache bleibt, ob die Musik ohne Text und Erl'a'uterussg MI sich erwas in, und vomiiglich, -
.L an-rs an uem mwunnr. _ -
P" Ebeuda, s. 72L] P"' Ebenda, s. u.) [m Erma; 35,]
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4. 1astrumentationslehre und Gartungsxheorie
233
4. orstrrrmentationslkhre um! Gattwrgstheorie
Instrumentation ist eine geschichtlich spite Kategorie. Sie konstituiert sich in
dem Augenblick, in dem Komponisten beginners, die Klangfarbe und die Idiomtik Von Instrumenten als essentielles Moment des Tonsatzes EU bchandeln. (Dali auch die vokalirit cine Klangfarbe in, die den Tansatz tiefgrrifend beeinfluibt, lult sich schwerlich leugnen: doch gelerrt sie aufgrund einer ksmvention, deren Korrektur bisher nicht einmal erwogen wurde, nicht zu den GegeastMden einer Instrumeatatioaslehre: Jnstrument" ist zwar generell zugleich Ober- und Gegenbegriff EU ,Singstimme", in der Instrumematioaslehre abet ausschiialich Gegenbegrif) Die Hierarchie der Teihnomente im noticnen Tonsaa - der Primax der Tonhiihe und der Tondauer und die Vernachlissigung der Klangfarbe und der Imansit'a't vor 1600 braucht allerdings, was Historiker tnanchmal verkennen, mit der Ranzordnunz im musikalischen Phinomen nicht iibereinzustimmen: Die Struk-
tur der Schrift ist nicht notwendig die der Sache selbst. Dd cine Instrvmentaibescuung - wie im l6. und zum Teil noch im 17. Jahrhunden - ad libimm gewihll warden konnte, also kein Moment des notierten Tonsatzes war, schliat nichr ans,
dait sie den Eindruck, der von einem Werk ausging, enrscheidend besdmmu. Sie war dann zwar satztechnisch immer noch akzidentell, aber isdmisch essentiell. Andererseits ist der Prozeib der Instrumentationsgeschichte, der sich von asunden Versuchen um 1600, die Idiomadk van Instrumenten nmkmrell oder allegorisch auszunurzen, bis zur Klangkompositiun der 1960er Jahre erstreckt,
dadurch charakterisiem dag sich die Klangfarbe allmghiich yon dem Zweck, die Satzsrruktur sinnf'illig zu machen. losliiste und selbsvindige, kolorisrische Wirkungcn erzielte, wobei allerdings die Gegentendenz, .Funde' einer sich emanzipierenden Instrumentationstechnik wiederum in die Strukmrdarstellung TU integrieren, nicht unterschiitzt werden dad.
Auihadern wire nichts falscher, als cine der Entwicklungsstufea der Instrumentation zur Norm EU erkliren, an der sich die iibrigen messen lassen, so groil die Versuclumg zu einem geschichtsphilosophisch-isthnischen .Dezisionismus' in den nicht sehenen Augenblickcn sein mag, in denen man damn verzweifelt, in der Chroaologie der Tamachm einen Richruagssinn zu erkennen, der Geschichmschreibung méglich macht. Wer in Arnold Sch6nbergs Klangfarbenmelodie oder in der Glrichberechrigung der Klandarbe als Parameter der seriellen Musik ein Fnrwirklnnvuipl 1n crhen nlanht [nun die GMerhn der Tmmummurinn sle
ProzeB emu Emanzipatiort der Klangfarbe sclulde A Lat man sich dagegen
von der Idea leiun, daB das Wesen einer Sacha Von ihrem Ursprung oder ihrer friihesten Ausprigung ablesbar sei, so mud man postuliercn, dd es prinzipiell die primire Funkdon der Irtsrrumentierung sei, die Srruktur eines Tonsaues zu verdeudichen. Und aus der Primisse, dd es cine kiassische Entwicklungsstufe der Instrumentation einen .poim de la perfection" ihrer Geschichte - gebe, rcsul-
Co glc
214
w. Die mushalische Fonnmlehn
lien die Norm, dag cine Verminlung - oder ein mitelerer Amgleich - zwischen strukrurellen und koloristischen Merkmalen die regulative Hee einer sinnvollen, weder unentwickehen noch hypertrophen Instrumentation sei. Verzichtet man derniregrruiber - um nick: in die mils/he eines als Hisurrio-
graphic verkleideten nomsau'vasthetischen Denkens zu geraten - auf didakdsche Prinzipizn, die in geschichtsphilosophischen Voraussetznngen - in Hypotheses: iiber den Vomng des Ursprungs, tines Kulminationspunktes oder tines Telos wneln, so kann man cine Theorie der Instrumeatation hum anden als in der Form einer Dogmacik enmerfell, deren Sinn es in, die Primisscn und Kansequenun einer geschichdich begrenzren Entwicklungsstufe oder Tendenz in sy-
stematischem Zusammenhang dvzustellea, So 2min sich erwa die kolorisn'sche Instrumentation des 19. Iahrhundem als technische Ausprigung der 'a'sthetischen Idee des Chamkreristischea, die in der Von Friedrich Schltgel proklamierten und theoretisch char vorausgettommer1en als gcspiegelten romaatischen Epoche zur herrschenden Tendenz wurde. Die Instrumentation ist dann Teil eines Zusam-
melulangs, an mug als “sum: cum wecnselwxrxung zvnschen mecn- una
komposicionsgachichdichen Momenten sinuvoll and ohae gewahsame Verkisrzung beschrieben warden kann.
Eine Theorie der Instrumentation, die den spezifschen Voraussetxungen des m und 19. Jahrlusaderes gerecht werden mach", ma allerdings- cntgcgen dem
in der Regel veminfdgm Prinzip der Historiographie, sich van der Umgzngssprache m wenig wie méglich EU endemen - den Wongebrauch, der in Umlzuf ist, nicht unerheblich zurechtriickem um das Ziel, dis ihr gesreckl ist, nichx au
vrrfehlen. Die Gewohnheit nimlich, unter Instrumentation aussdslie3lich die Verwmdung von Klangfarben im Chrhestersatz EU vemehen, ist insofern prekir,
als sie den Blick (a: den Ausgu1gspunkt mstdlt, der es einer irtstrumeutationa-
Iehre erlaubt, nus dem Kreis bloikr technischer Anweisungen herauszutreen und ein Stack Werkinterpretarion MI warden: die Theoric der musikzlischen Gamm-
gem
Der verengte Begrilf von Tnstrvmes1tatiou, der ohne Begriindung - als handle as sich urn cine selbstverst'istdlicbkeit die Kammermusik ausschlieitt, bildet die Kebrseire des lediglich didaktisch modviemn, sachlich haltlosenVommils, dail -
tnstrusuentation die sekundare Orchestrienmg eines absmkren roman; sei, den man sich zudem, ohne es sich einzugestehen, in der Regal gar nicht so abstrakt, sondem als Klaviersars vorstellt. Sowenig nun sagen wiirde. an Tonsau sei ksr Klzvicmio oder sueichquamett instrumesitierT warden, so prrulig und
aurcn uewonrmuz emgesctuttten tst oer mum, am he: LItTtteSteTTeerlgett an Insmrmesitatioa eine zweite Stuf: im Prozeil der Werkenrsehung bilde: Die nachuiglich: Ausarbeitung fiir cine bestimmte Brsetzung, die bei einem Klaviestrio oder einem Streichquareetr niemand annimmt, 9'1: beim Orchestersatz geradezu
als selbsrversandlich, als wiren Konservaroriurnsexerzitien der Irhegriff kornpositorischer Arbeit. (DaB'die Konuprion hir Orchester, die urspriusgh'ch in, van
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4. Instrumentationslehre and Garrungstheorie
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der Niederschrift fax Orchester, die sckundir sein kann, amerschieden werden mug, braucht kaum grsagt " warden.)
Der Anfang von Beethovms Nennter Symphonie ist als Kiaviersatz - tTote Franz Liszt: ingeni6sern Nsszug'" schlechterdings unvomellbar, wail Gegenstand der "Exposition" - der Ausbreitung des Materials - nicht allein ein Grandstock von Mothers, sondem zuglcich ein bestimmter Klangappara: ist: Beethoven -
liik das Orchesm, mit dem " operim, ebenso .enmehen‘ wie die Themadk, die dem SIIZ zugrunde liegt.
Die Vcrmirdung zwischen Instrumentation, Sztzstruktur und Form, die sich als koastitutie fiir die Symphonic und den Orchestersatz erweist, ist es ebenso
und in gleichem Malle ftsr die Sonate und den Klaviersatz: Die Instrumeatatioaslehre mag also, wean sie das Vomrteil vom sekursdiren Wesm der Orchesrrierung preisgibt, zugleich die Grenzen des Orchestersatzes iiberschreiren und in cine allgemeine Theorie der Ir1strumentalgattungea iibergehen. Ummekelm besam die Tatsache. dag seit dem 18. Iahrhundert Gattunzea der
Instrurneatalmusik nach Besetzungstypen benannt wurden - wobei "rlegeriscbe und kompositorische Motive auf eine kaum mehr entwirrbare Weise ineinandee piffen -, kgineswegs, dag die Beschreibung satztechnischer Eigentamlichkeiren eines Besetzungszypus wie des Streichquartetts - unter Absuakrion von der Idiomuik des Instrumentariums - bereits geniigt, um eine Gaming zureichend Tu bestimmen. Entscheidend in vielmehr, wie an der Neunren Symphonic skizzenhah demonstrierx wurde, die Wechselwirkung zwischen Bcsetzung, Satzstruktur und
Form; and deren Untersuchung wiederum begrimdet nicht allein cine Theorie der
iastrumentalen Gammgen, sondem stalk, wie sich zeigxe, auch den Amgangs-
punk: einer geschichdich fundienen und auf Werkintenrretation zieiesuiea- nicht aufs Technische Verengteu - Instrumemationslehre dar. Die Vermitdung zwischen Instrumentation, Satzstruktur und Form war aller-
dings nur in einem Zéitraarrs, der sich ungefihr Von der Mine des lljahrhundens bis " den Anfangssudien der Neuen Musik erstreckte, das hir die Kenniruierung von Gammgen der Instrumentalmusik ausschlaggebende Kriterium.
Zweifellos kann nimlich eine Insmunentationslehre, die ihren Ausgangspunkt - das angedeurere Wrmittlungsprinzip - mit der Gatzungstheorie mill, iiber die Grenzen, die der Gattungstheorie durch den Bedeutungsschwund von GenreTradicionen in der Nenen Musik gczogen sind, wait histausgehen, da die Verminlung zwischen Instrumentation und Summkmr grundsiulich auch an eman :.4 - 4...ululvluu‘u:lcllcu mun... wcuucll. m: =I\.u culclu v..w..5,wc5..
strierbar ist und einen tragfahiger1 Inteqrretationsansatz bilden
lst also die Gammgsrheorie - die in der Instrumentalmusik nicht immer von Besetzungstypen, sondem zunichst von vokalen Tonsatzmodellen wie der Mo-
["2 F. um, Symphonies de seahm, Emilie]: de Piano, Nr. IX, Leipzig: Breirkopf & Hinel o. J. (1864).]
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W. Die masikalische Formenlehre
(me und der Chanson ausging, die als Ricercax und Canzon frames: instrumental nachgeahmr wurden - einerseits "ilter als die Instrurnentationslehre, so Lid} sich aadererseits der analytische Ansatz. den beide Disziplinen cine Zeidang miteinander milten, in der Instrumentationslebre linger fesrhalten als in der Gatrungstheorie, die in der Neuen Musik allmihlich zediel oder zumindesl an Inmesse verlor. Mit anderen Worterc Die skizzierte Konvcrgcnz von Instrumenta,
tionslehre und Gattungstheorie ist ein spezifisches Merkrnal der Epoche. deren Musikrheorie unmsuch: warden sol]: des 18. und 19.Jahrhuaderts. In den Grenzen einer Theorie des Orchestersatzes war es im 19.Jahrhunderx
die DUferenz zwischcn opemhaher und symphonischer Instrumentation, an der sich cine Kontroverse entziindete, die den Zusarnmenhang zwischen Instrumem
tationslehre und Gammgstheorie unversehens ins Licht riickte, Und so provim ziell manche Vonmeil: wirken m6gea, von denen - im Gegenzug zu Berlioz'" und spiter zu Rimskij-Korsakow"' - deutsche Theoredker wie Adolf Bernhard Marx and Hugo Riemann ausgingen, so unbestreitbar ist es andererseits,dail sie - als Erben der deutschen Philosophic - Pr'a'missen der Iasmunemaionslehre
formulierten, die auch dann, wenn man sie nicht teilt, immerhin den Anspruch erheben diirfen, die Reflexion aus der blog technischen Unterweisung und den
fragrnentarischen isthetischen Kommenur hinauszuhihren.
Die madame 1nstrumentationstechnik, als deren herausragemlcr Repriisentant in der Theorie wie in der komposirorischen Praxis unbestritten Hector Berlioz gait, enchien Adolf Bernhard Marx 47g - abwohl er sich zur musikalischea Fon-
schrittspzrrei zahhe- als Irrweg, m dem er glaubre wamen TU miissen. (Oberdie
chauvinistischen Ausfiuc - die Kontrastierung Von Jranz6sischem Materialis-
mus" und .deuuchem Idealismus" - kann man hinweggehen, da sie der Argumentation ledigWh eine unerfreuliche Firbung geben. ohne in die Substanz einzugreifen.) Marx war pidagogisch keineswegs bomien: Der gew6hnlichen, unzulang.
lichen Unterrichtspraxis (.Nur das Eine ist zufillig zur Kgnnmis des Verfassers gekommen, dais hiufig Lehrer die Chung in der Iastrumentation damit einleiten,
Klavierknmpositionen fiir das Orchener einrichtea EU lassen." '") scent: er die
Rwderung entgegen, Chchesrermusik nidn abstrakt, sondem In: den Geist an Instrumeate, far die sie bestirmnt ist, EU konzipieren (,,Die Organe des
Orchesters missen unmitrelbar Organ: stints eignea Geistes werden; er mug in ihnen leben und aus ihnen heraus schaffen, nicht ein abstrzkt Ersonnenes hinter. rm cm; r-ir L u . n....w., v... .m .........mw...m. .. umwm...mu Iuwrrnn. n. up. m N,
Paris 18434
P" N. Riinskii-korsAow, Ossmrsey orkestrmvki (Gmmilagm der thchesrratiorr), St. Ikrersburg u. Moskau 1913.] [m VgL A. B. Marx, Die Lthre van der rrwsikalisrher, Kampositiorr, Bd. IV, Leipzig 3/1860, s, MD.]
m [bum s. 503.
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'rrr,r'r"rrrc'v"" rFi"'r'ry'r-r;
4. Insrrumeatarionslehre aud Gamumstheorie
237
her ihnen mpuscn und wufdringen wollen" "O. Asthetisch aber min: er einem konservatismus das Wort, der sich als Gammgstheorie - als Theorie des sympho-
nischen Mils - maskierte, um eine geschichdich bedingte Position als eine in der iiberzeirlichen ,Natur der Sache" begriiadrte erscheinen TU lassen. Die Orchesterwerke Von Berlioz, in denen er nicht MI Unrecht szenische - also im Grunde opernhafte - Musik " erkennett glaubte, sind nach Marx isdmisch
durch eine emphatisch subjektive Koazeption und technisch durch eine Tendenz zu Mischfarben, zu einem homopbonen Tonsatz und zu Massenwirkungcn cha"kterisiert. Merkmale cine; authendsch symphoaischen Stils sind dagegen cine objektivierende Anschauungsform sowie cine Neigung TU unvermischten Farbm, einem polyphonen Tamar; und einer differeazierenden, nicht zum Massenhaften
dringendea Esssembletechnik. Der Zusammenlung der Kategorien - den Marx nur unzuliagh'ch explizierte erweist sich bei grofiziigiger Interpretation als Ansarz zu einer Lehre vom Orche-
stersul, die insofem, als sie nicht in der Beschreibunz isolimer Instrumentation:wirkungen sreckenbleibr, den Anspruch erheben dad, als Theorie zu gelten. Den
Ansgangspunkt bildete, wie immer bei Marx, die Anhuik; Die objektivicrende
Anschzuungsform, fiir die er plidienc, versuchte er durch den Vergleich des sym-
phonischen Orchestersatzes mit einem Drama plausibel zu machen: Die Instru-
meme agieren wie die Personm eines Theaterenscmbles. ,Sobald er (Berlioz) aber writer schreim, zeigt sich neben den geistreichsten Einblicken, dal} ihm die Instrument: nicht, wie unsem Meistem und besonders dem Von ilun so hack gestelhen Beethoven, lebende Organismcn, liebcvoll und treu geleitete Persona: im
groiUn Drama des Orchesters geworden, sondem blog mechanische Apparate geblieben sind, die er geschickt Tu verbsauchen denkt, wie Farban " einer schon
ohne sie ferrigen Zeichnung." ‘" (Die Absurditit der Behauptung iiber Farbe und Zeichnung branch: nicht konunentierx TV werden.) Dagegen ist Beethoven, wie Marx meint, ein Dramatiker des Orchesxersatzes. lst hir Berlioz das Orchester
bloiks Werkaeug eines Subjeku, das wie der Enihler :ines Romans im Stile Laurence Sumes oderJean Pauls sms gegenwinig ist, so n-in Beethoven - objektivie-
rend - hinter den Vorgingen, die er schilderr, zurack. .Diese Instruments, die dem deutschen Tondichter als lebende Personen seine: Dramas gegemiberrreten,
(. . .) gerinnea (Berlioz) zu einem einzigen Organ oderWerkzeug zusammen, das
die einzig-lebendige Subjektivirit des Komponisten handhabt, wie der groile Pianist sein Instrument; an die Stella viellebiger Drarnatik ist Mecharrisrrws gennen, nllnvdinm tt pin
anknnnhmlirk "Grku mehallr-alrirree '"'Nt' ' nu _ Kl-fsA,rs,, vhllnirhr w
noch mannigfaltigerer, als das klassische Orchestcr, wcnn man 1: Klangreihen bloll materiel] absch'itzt." "9 "'7 Ebenda. s. 5021. ‘" Ebenda, s. 50M. q79 Ebendz, s. $79!.
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w. Die musikaiische Fomcnkhre
Dali Marx - in Anlehnung an E. T. A. Hoffmann-den symphonischcn Orchestemu als Drama der Instrument: auffagre, snug beim Won gmommcn werden, denn die Mmpher ward: - ohne dag sich Marx des wissersschdistheoretisch Ferfuglichen Sachvarhaln bewullt war - zur Wnuel der Theorie, die darn Einlsei: und inneren Zusunmenhang beeudes: Ans der - durch den Begriff des Charakters vmnitulren - Stilisicrung der or_rinstrvmessre TU Persona: resultierrms
nimlich sawohl die Skepsis gegeriber Mischlarben als auch die Plidaym fir einen nicht zu groSest Appanr, der die Bezielnmgen der Protagvnisen und Anugonimn
aberschaubar hilt, und fiir einen polyphoncn Tonsatz, in dun sich die Stimmert sinnf'illig voneinander abheben and mit- und gegcncinander zu agiemn scheiaen. Die logische Struknur des Gegenbildes, das Marx enrwaxf: die These vom inneren Zusammenhang zwischen mmhafmn Chdsesrersatz, dominiereuder Subiektiviat, einer am Vorbild des Romans orientierten Asdmik und einer EU Mischfarben, homophonern Tomaa und exussivm Masseuwirkungm tcndierenders Technik, ist weniger einteuchtend. Und so ling: der Verdacht mile, dail
Mara aus mum und unsmngen Beobachrungen, die er be: Berlioz mulue,
sawie einem Kaugorienkomplex, der auf schlichxcr Negation der Krimien des symphonischen Orchesrersatzes beruhte - also gewissermafUn unczr einem
durch nationalistische Voruruile inspirierren Twang zur Amidme .Zug um
Zug" -, cine Theorie des .franzésischen Marerialismus" zusamrnenmicktr, in der sich dukriptiv: und spekulativ: Momente in einer Wain durchdringem dail
cine Enminung angesichts der veralmn Prilnisxcn hum lohm. (Dali Richard
Strauss send: in einer Bearbeitung der Berliozschen Inmumcnutionslehre‘” die Marxsche Andrhese Von opernhah-homophouem und symphonisch-polr
phonem Orchestersatz aufgriff, um dann die Wake Wagner: - und unausgee-
Chen auch die eigrnen - als Synthes: in der Form tines dramatisch-polyphonea
Stils EV nihrnen, ist insoftrn bezeichnend, als es erkennen lith, dag sich Strauss, der Erbe der Beriiozschen Instrumentatiorsechnik, inherisch als Reprauentant der deutschen Tradition Rihhe, deren ideologisch gefirbu Theorem: er sugar in su'lisdsche - zwischen Technischem und Asthetischem vermiuelnde - Until:
eintlieikn lieih) Die These Von der idealrypischen Bedeunmg des speaifsch symphonischen Orchestcrsaues, die Marx in globen Umrissen und mit polemischer Wendung gegrn Berlioz - skizzim ham, wurde Von Hugo Riemann deuillim entwickzk, -
und zwar in der Form einer Theorie der dutchbrochenen Arbeit, die Jhren Namen van der Verwandtschaft mit der godschen Architektur" hat, pia sie wie diese die start: Massivi t in ein feines Rankenwerk auilasr' "I.
Die durchbrochene Arbeit, deren Begriff das Wandem Von Melodiepartikeln
[m H. Berlioz, Irsservrnerratimssléhre, erp'nzl und midjm von Richard Strauss, Ixip-
zig 1905.]
"I H. Riemann, Grv)te Kompasitimsslebte, u. 111, Smmyn 1913, s. 129.
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l, Iastrumentatioaslehre and Gurungstheorie
239
durch die Sdmmen und die Instrument: ebenso urnfagt wie den sirnulunkotttrast
zwischen Motiven - und zwar nicht selten in der Form, dal! das cine Moment als
Erginzung und Kahmite des anderea erscheint -, ist die spezifisch orchestral: - auf essentieuen, nicht akzidcntzlkn Farbwcchsel angewiesene-Auspriguug des motivischen Kontrapunkts (im Unterschied zurn linearen), also zugleich eine
Satztechnik und ein Iasmmrentatioasverfahren, und zwar tines, das far cine Gums, die Symphonic, charakteristisch ist.
Die Orienrierung an der Hee einer prinzipiellen Ditfereaz meischea dramatisch-homophonem und symplumisch-polyphonem Orchestgtsatz ist bei Rie-
mann, wie bei Marx and Strauss, bis in unscheinbare Einzelheiren wirksam. Die
Rrrderung, dail im symphonischen Sul, der im Umerschied zur Oper und zur
Programmusik cine Morivierung der Instrumentation ,von "dun" nicht kennt, auch Instruments, die eigendich nur an einer bestimsnten Stella gebrauch: wer-
den, um der isthetischen Okonomie willen mit dem Schein des Obligawn ausgesumt warden sollea'", in unverkennbar ein Reflex der Vorstellung, dull im
polyphonm Sara die Fihrung einer Stimme in sich begriindet und konsequent sein mug. Instrument: sind fiir Riemann, wie fiir Marx, wenigerFarben, die man mischt oder koatrastierr, als Slimmen, die in einem Ensemble cine Funktion
erfiilleu. Fiir den symphonischen Stil in die durchbrochene Albeit, wie Riemann sie
verstebt, insofem bezeichnend, als ein Thema wie das zweire der Eroica ohne Instrumentenwechsel hum vorstellbar sein diirfte: Die Exposition der Morivik ist
zugleich und in eins die des orchesrerapparars, der sich glcichsam van verschiede-
nen Seiten zeigt, und die Thematik ist chem speziiisch orchestral - im Klavieraus-
zng ein wenig absurd -, wie umgzkclm das Orchester mspezifisch thematisch",
sofem cs sich dutch die Thematik TU mtfalten Vermag: Von Wechselwirkung zu sprechen, wire keine t)berrreibung. Die nivialc Tatsache, dd Haupt- und Seitenthemen ia durchbrochencr Arbert
am bequemsten zirierbar sind und darum als Puadigxmu der Technik dutch die Literatur wandem, sollte alluding: nicht dariiber hiuwegt'a'uschea, dag der
eigendiche On des Verfahrens, wie Riemann erkumte'", epilogische Ten: and
Men mit Durchfiihrungscharakrer sind. Aueerdem ,eignen sich langsarne Sitze char als schnelle zu solchem sunken Wechsel der Insuumenrierung kleiner
Themateile" "'. In Durchhihruagen und durchfirhrungsiulichea chrleiturr
gen, die bei Mozart, Beethoven und vor allern Brahms zum polyphonen Satz
rendieren, trin die Affinirar des svmohonischen konrraounkrs zum Prinzin des Farb- und Instrumeatenaustauschs, cine r die durchbrochene Arbeit konsziru-
tive Affiniat, am deurlichsten zutage: Der gleichzeirige Farbwechsel in mehreren "1 Ebenda, s. 115.
"' Ebenda, S. 147. "' Ebenda, S. 145.
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V1. Die mushalische Formenkhre
- und zwar modvisch gegensitzlichen - Sdmmen, also das Wandem kontrastie render Melodiepanikel durch den Orchestersiaz, lat den Umerschied zwischen Haupt- und Nebenstimmen Tur Geristgfijgigheit schrumpfen und bring einen
spezifisch orchestralen Typus des modvischen Kotitrapunkts hervor, der dutch-
aus als polyphon gelten kann, obwohl " mit den Kriterien des .linuren Kon, mpunkts' (Ernst Kurth) nicht zu messen ist. Farbwcchsel in den einulnen
summen und motivischer Simultankontrast sind zwei Seiten derselben Sacha: der motivischen Diiferenzierung in der Horizontal: wie in der Vertikzle und der melodischen und kontrapunktischen Integration durch die Differmtzierung hin-
durch. Der Begriff der durchbrochenen Arbeit - der offenbar 1911 von Guido Adler gepr5gt"s und 1913 Von Hugo Riemann adaptierr und gamut bestirrant wurde"6 - ist insofem cine eminent geschichtliche, historiographixch uadahige Kategorie, als er geeignet erscheint, aus der Geschichte odor Vorgeschichte henna
die mmichst happierende Tamche vemindlich " machen, daB Arnold Schiue
berg emcrscus In der yrymphonischen Dichtung hum mm Mtluwnde und 1n der
Kammersinfonie up. , die orchesterpolyphonie und den sie verdeutlicheaden Jipaltelang" (Arnold Schering"') in ein kaum noch iiberbietbares Extrem trieb, aadererseits aber in dem Orchesterstiick deben nus Opus 16 eine .Klzngfarbcnmelodie" realisiene, deren Idee er, im Tonfall eines Minibus, am Ende der Harmonielehre von 1911 in gendezu prophetischc - und EU Mystifizierungen her-
aushrrdernde - Wane MIN". Geht man davon aus, dag utter einer Klangfar»
benmelodie nicht allein -wie manche Interpreters glaubten -die Umfirbung tines liegenden Tons oder Akkords zu vermhen in, sondem auch und vor allem ein Farbwechsel in kunen Abstinden, der als selbstindiges Moment des7onsataes erscheint, so gerit der Begriff in die Nike der durchbrocheuen Admit, deren
paradigmau'sche Ausprigungen - auger den zirierun symphonischen Panien der Variadonensarz aus dem cis-Moll-Qu- op. 131 van Beethoven - auf einem Instrurnentenzustausch nach drei oder vier Ténen beruhen. Fiir die dutchbrochene Arbeit aber ist es, wie erwghnt, charakteristisch, ddl die farbliche Differenzierung der Stimmen in sich die kehrseite cine: Verreilung der motivischen Substanz aber den gesunten Tonsatz bilder, so dali sich, poindm ausgedriickt, die Klangfarbenmelodie als Korrelat des spezifisch orchestralen -und das heiflt: des motivischen - Koumpunkts erzveist. Nicht die Umfirbung eines fest-
gehahenen Akkords in Schanbergs Opus 16, 3. San, sondem der Iurbwecltsel in Anton von Webems Insuvmentation des sechsstimmigen Ricnws aus dem
“s G. Adler, Der Stilirs der Musik, Uipzig 19l1,s.266l. P" H. Riemann, Grge Komposititmslehre, Bd, 111. s. 155a. u. passim.] [w w. A, Schering, Hismdache und national: Klangsrile, m: 1b? hir 1927. Jg. M, I928, s, M-O]
P" A, Schihsberg, Harrmmieléhre, 1911, s. 4701.]
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t insmuneatarirmsrehre und Gastungnheorie
241
Mwikalisthen Opfer - also nicht die homophone, sondem die polyphonc, mit motivischem Kontrapunkt vermitrelte Ausprigung des Prinzips - ist im Grunde die sachlich seesenrliche und geschichtlich von weither begriindete Variante der
idee, die Sclu'mberg vorschwebte.
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VII. SCHLUSS: METHODOIDGISCHI‘ZR RUCKBLICK I. Gesdridrre als Problem der Mssihtheorie
Die Jahrzehnte zwischen 1834 und 1862, in denen Carl van WinterfeldsJohanm Gabriele", Siegfried Dehns Harrmmielbhre'", die Eompositimtslehre Von Adolf Bernhard Marx und Heinrich Bellermaans Ctmtrapwsht erschienea, sind durch den Hegelianismus, der allerdings das Scheitem der Revolution yon 1943/49 nichr ungebrochen iiberlebre, und durch den Historismus geprigt warden. Und wenn cs auiler der poiemischen Beziehung zwischen Marx und Dehn"' irgendeinen Zusammenhang gibt, der es recluferrigt die vier Musiktheoretiker, J, _ n _d_, war, In mun Tr'SN""' w Vuraanunun, :0 L. uncn Anemaun cxu'cm vcncmcucn oc-
steht der Kormex in der Gemeinsamlreit zines Problems, dem keiner auaweichea konnte: des Problems, ob und wie zwischen dem historischen Denken, n. dem man sich durch den Zeitgeist gcdringt mum, und dem iiberkommenen Anspruch der Musikthzorie, als kodifizieruag einer An musikalischen Narurrechts zu geltea, cine Vermirtlung m6dich sei. So verschieden die Temperament: und die philosuphischen Wraussetzungen, die Interessen, Themen und Erkenntnisziele der Musiktheoretiker zrscheinen miigen - " ihnen gehiirt auch Winterfeld, denn als rekonsrruicrender Historiker des Systems der kircheatonartea war er zugleich konstruierender Thwretiker -.' dail sich ein Musiktheoretiker durch historisches Denken in eine Problemadk verstrickte, von der Fux und Rameau noch unbe-
lasm warm, die man abet im w. JahduuuUrr, als Zeitgenosse Hegels and Rankes, nicht asngehen konnte, war dem bibliophilen Sammler Dehn, der sich derVergam genheit mil andquarischem Enthusiasmus zuwandte, ebenso bewugt wie dem Hismriker mefeld, dem restauraticrnssiichtigea, sich ins 16. Jahrhunden zuriicksehnenden Theoretiker Bellermann oder dem Kompositionslehrer Marx, in dem ein hall: ehrfiihtiger, halb resigniener Kiassizismus und ein puhetischer fkarrschritts*ube im Widerstreir lagem so dail er Von der Fuse, wie die Uber-
"itlichkeit groiler Kunst sich EU deren geschichdichem Charakter verhalte, zeitlebens nicht loskam.
Kaine: der Theoreziker, deter: Prinzipignund 5'rTrliT, rniteinander ,Kommnnzn r L souen, n l. A slcn ungeumcnm,,,J, m, men 02mm: una mu ucr nllml mm»
m C van Winwrfeld. [abamm Gabrieli undtn'n Malta, a Me., Berlin um, "tt 5.1mm, Theotetiscb-pmktische Hammm'ekbr: mit aagefiigten Gesseralb4lbeispie-
kn, Berlin 1840 (2/1860).
m A, B. Man. Die alre Mummy: im Sam mit mum Zeit, Leipzig IMI.
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L Geschichte als Problem der Musikduorie
143
scquenz des Radikzlen EU einem der extremen Dogmen, also entweder zum Naturrecht oder zum Historismus. Die CJberzeugung, ddl das Wesen der Musik,
repriserstiert durch deren mathematische oder physikalische Grundlagen und durch die Norman des .rcinen Satzes", van Natur gegeben sei und durch wede selnde Stile zwar verschieden aberharrnt, aber nicht in der Subsunz wrinden
werde, eine Oberzeugung, in der sich Fux ebenso richer Kshlte wie Rameau, war
um die Min: des 19.Jahrhunderes angekrsnkrlt, ohne dag man sich jeduch nick-
hzldos die Gegenthese, dag Musik .dmh und durch geschichdich" sei, 111 eigen machen kannu. Das Resultat warm Eornprornisse mit wechselndrrAkzeutuierung und Firbung.
Siegfried Dehn, ein Anhinger der antiquarischen Historie, um mit Nietzsche
TV reden, war ein gelehner Musiktheoretiker. In seiner Theoretisch-pmhtischen
Harmorrielehre mit arrgefiigten GenemlbWteispielen, die mo uschicn, sind die
Kapitel iher das Tunsystern, iiber Konsonanz und Dissoaanz und iiber den
Akkordbegriff mit bistorischen Exkursen ausgestaNet, die zsveifellos auf eigener
Uktare alter Traktate beruhen. Die gelehrten Abschweifisngen scheinen iedoch hir die Theorie, die Dehn vormigt, nahezu folgenlos TU bleiben. Die Schwierighim, die sich aus der Einsidu in tiefgreifende Diifeseazea zwischen 51mm and neueren Regelsystemen ageben, wean man andererseits am gewohnten nonna-
liven Anspruch der Musiktheorie festhalten machze, werden van Dehn umgangen, als wall: er sie nicht wahrhaben. Oder genauer: Er versuchr, gleichszm beschwichtigend. Auseirsanderstrebendes TU harmonisieren und Widerspniche zu verdeckea. Unrerschiede zwischen den Zeitaltern warden in den historischen Exkursen unerwthnt gelassen und sun dessen panielle CJbereinstimmungen hervorgehoben. Jch beziehe mich hier nur auf Das aus dem altgriechischen Tonsysmn, was man als die ersu Grundlage des uusrigen annehmen kanrs." “1 .Manches ans dieser
Einthrihsng" - gemeiat in die Klassifikation der Kunsonanzen und Dissonanzen durch Franco - ,,stimmt mit der heudgen iibereinf "3 Die Dunning der gemeinsarnen, in verschiedenen Epochen wiederkehrendea Ziige bleibt einstweilen offem Doch zeigt sich spiter, dag Dehn die Ubereinstimmungen als Zeugnisse einer Wahrheit begrdit, die dem geschichtlichen Vandal eathoben in, nicht als Dokumeme iiber Srufen des Nrtschritts zu einer Gegenwart, die sich zum Ziel der Geschichte aufwirft und in der Vergangcnheit nichts als verniinhig gehen lib, was nicht in der eiganen Zeit immer noch Bestand hat and eine Funkdon ediillt, Dem J'hrsikalismus", dem Versuch einer Deduktioa der Harmonielehre ans akustischen Phinomenen, stand Dehn ebenso fem wie der mathemadschen Fun-
dierung der Musiktheorie. (Er zihlte sich TU den .Arisroxenern".) Die Umkeh-
rung der Intervalle und die .rerzenweise Verbindung der Tiiae" sind nach Dehn "1 s. Dehn, TheoreriscHrakrische Harmrmielbhre, 1/1860, s. 42.
"3 Ebenda,$. 72.
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vu. Mcduodologischer Rickblick
in der Natur lcdiglich ongedeuree, ohne dd! sich die akustischen Phinomcue
"urn Grundprincip eines vollsandigen Harmonierystemf eignenm Musik-
rheorie, wie Dehn sie versteht, ist nicht in der Natur begnindet, sondem mug von
den Werken der grogen Meister abstrahicn warden. Und cine normative, die
Epochen iibergreifende Theorie, die sich nicht dabei bescheidet, bloiU Dogmatik
eines Zeitstils EU sein, ist aach Dehn insofera mbglich, als die .exempla classica" simdicher Zeitzlter in wesendichen, fir den Aufbau tines musikrheorerischen
Systems tragfihiger1 Momenun iibereinstimmess. .Die heudge Eintheilung der
Zusammenklinge in Consonanzen und Dissonanzen, die sich pm and gar an! das Unheil des Ohres griindeu" - der musikalischen Mathematik begegnetc Dehn, wie erwihm, mit Miikrauen - .fmdet sich durch iibereiastimmende Behandlung
der consonireuden und dissonirendea Tonverh'ihnisse in den praktischen Werken der besten Meister bewihn.“ "5 Die Regain und Vorschrifren der Harmonielehre miissen .sich auf cine Obereinstimmung griinden, die sich in den Werken der besten Tonsetzer beim Gebrauche der cinzelnen intervalle und Akkorde u. s. w. immer wiederiinder" "e. Zn den Meistern. die er als Klassiker 221nm lie& 1&th
Dehn auch Kompouisren des 15.Jahrlumderrs, dercn Pans er gegen den Einspruch von Theoretlkem, .wclche ihre Weisheit nus dem Benin: herhohen",
verteidigen zu miissen glaubu "T. Der Ausgleich, der von Dehn stem gesucht wurde, geriet alluding: briichig bei der Bestimmung des Verhilmisses zwischen Hannonielehre und konrrapunkt. Einemiu heigt cs in einem historischen Exkurs iiber Tonleicem und Tonanen: .Eine weime und ausfiihrliche Auseinandersctzung der kirchentiine (. . " gehért, stung genommen, in die Lehre vcrn Eoatrapunke Andererseirs postulierte
Dehn eine Fundierung des Kommpunku durch die Harmoaielehre, und zwar unter Verzicht auf die Kirchent6ne: Ja der heutigen Ixhre der Toasetzkunst mug
die prakrische Harmonielehre der Lehre des Contrapunktes vorangehes" 699 Bernhard Scholz, der 1859 S. W. Debn's Lelm 0am Corrtrapsrmht, dem Canon und der Fug: bearbeitete und herausgab s'"', fand einen Kompromifl, der zur Ironie herausfordert. In der Widmung des Buches an Friedrich Kiel berichm Scholz:
.Die Kirchenu'ine sunden ja bei Dehn nicht in sonderlichem Ansehen"; darum wade ,,der ganz: Lehrgang auf unset moderaes Tonsysmn gegriindet" WI. Amie"' Ebenda, S, 85.
'" Ebenda,S. N. m Ebenda, s. 85,
"' Ebenda, s, 73.
m Ebenda, S, 52. - Ebenda. s. 293.
m s. w. Dehrrs Lehre m. Cunmpunkt, dam Cursors m anuge, hrsg, von B. Schulz. Berlin 2/1883.
5% mm, s.1v,
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lu"i't ,'
l. Geschichte als Problem der Musiktheorie
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rennin iibernahm Scholz5m nus Fax' Gmdus ad Pmmmum "3 vier Camus-firmusNelodien (auf die phrygische verzichtete er). Die Endehnung war, ohne dall die Diskrepanz osffiel, insofern mBglich, als die Melodien bei Fux zwar modal gemeiat sind, sich aber wegen des Fehlens der charakxerisxischen, von Dur oder Moll abweichenden Tonsrufen auch harmonisch-wnal deuten lassen; und auf Dur
und Moll wurden sie van Schulz durch Hinzufiigung eines funktionslosen Kreuus oder b bezogen, Die Obemahrne Von Cvitus-f1rmus-Melodien, die indifferent und darum doppeldeudg sind, stellt geradezu ein Symbol hir Harrmmisierungs-
tendenzen dar, die den Schein aberzeitlicher Gelmng eines musiktheoretischen Systems durch Verdeckung van Divergenzen, die zwischen den Epochen bestehen, hervorzubringen Lraclnen.
Andererseits war sich Scholz, der durchaus legitimiert war, im Namen Dehns TU sprechens", der unbequemen Tmache, tlag cine harmonisch-tonale Pundit rung des suengen Satzes der geschichdichen Obrrluferung zuwiderliuft, olfenbar bewugt. ,.Wir (. ' .) werden", heiik as im amen Kapitel, ,,die Ubungen im Corttrapunkt em im smngen Styl, iodoch auf Grund unsues heudgen Ton-
sysums, vornehmen und dam em die mum, freiere Praxis beriicksichu'gen." 595 Das eiaschr'inkeade ,imioch" ist offenbar als Eingestindais eines Widerspruchs
turn historisch gegebenen Sachvedul: Tu vemuhen. Oder glaubte Schulz, die harmonisa-toaale usterpretation sei die Enuieckung des eigendichen, durch TheoretikerNorurteile verborgenen Wesens modalu Musik?
Adolf Bernhard Marx, der konkurrierende Berliner Kompositionslehrer, polemisiene 13415“ gegen Siegfried Dehn als den Reprisentanten einer alt gewor-
denen Musiklehre mit dem Pathos cine: philosophischcn Geisres, der sich auf der Hiihe der Zeit weifl. Marx, der EU groflziigiger Geschichrsphilosophie neigte, fiihlte sich als Hegelianer. Man kann jedoch im Zweifel sein, ob das gcschichtsphilosophische Schema, das er skizziene, ein Schema, in dem sich die Musik smfenweise van der ,sinnlichen Erscheinung" iiber die ,,Sph'ire des Empiindens" zum Jestimmten Ausdruck des Geistes" erhebt, iiberhaupt ein Gedanke oder der bloibe Schmen nines Gedankcns ist. Der Hegeh'anismus ist bei Man " klassitizierender Pedanterie heruntergekommem 2uerst muike das Tonleben als sinnliche Erscheinung, als Sinnenlust erscheinen, dann das Bewuiksein davon '" Ebenda, S. T.
'" 1.]. ha, GewhesadParrsaswm, Vim 1725, s. 45, s. 52, s. s: u. S.55. W Zweild damn, dui Scholz die Lehre Von Dehn iiberliefert, meek! ladiglich die
Fugemheorie, die durch die oifenkundig irrige These, dd ein mm moduliereades Them: tonal und ein modulieremies real beamwonn wade (s. m ), mam“ ward. m B. Schulz (vgl, Am, soc), s, s, m 2.. dem Sum mam. Marx and Dehn - der ulbn nick: erwiderre, amen Partei aber GoufrUd wmmm Fink ergriff (Der newrmsikalische Lehq'tmn. Leipzig IM2)-vgl, LE. Eicke, Der Swen zwischen Adolph Bernhard Marx und Gottfried Wilhelm Fink um die Koaspositionslehre, Regensburg 1966.
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sich in die baker: aber noch unklar: und unsichxe Sphire des Emyfiaderss emporheben. Sodann muibte das Wort, der bestimmte Ausdruck des Geisres, nicht bloit iulkrlich mit der Weise verbunden, es mufite innerlichst tnit ihr mschmolzen, muihe Musik werdm; und umgekdm muflre die Musik im Won: bestimrmen inhalts michcig werden (. . .). Zulem muBue die Musik fiir sich allein den Gaimgelult, soweit cr ihr mdiel, zu fassen und EV oifer1baren trachom. Ein Weimm kann es nicht geben; liken.“ macht sich Glinznihe me&lich."s"
Andererseirs entwarf Marx in der musikzlischen Rmnenlehre, als deren Begrander er gehen dad (sofern man zwischen asunder: Anfingeu und eigeudicher
Begriirsdung einer Disziplin userscheidet), eine Von dem Stufmschema, das er
der Mushgeschichte zugrundc Jegte, drastisch ahweichende geschichtsphilosophisclue Konstruktion. Und der Ussrerschied ist nicht als Zcichm einer Entwicklung des Marsschen Denkens TV versuhcm sondern als Ausdnlck einer Schwinrigkeit in der Sacha seibst, Das Problem, zwischen Geschichte und Theorie der
Musik zu vcrmitteln, wurde Von Marx nicht gelEm, sondem reproduzUste sich ale - (nalnu‘v gr”...3 ":.....»..n. a... aurnmmnhilnmnhh Au a... w... 4mm». m: dem Marx der unglucklichcn 1faci,'a"von Namxrechtund 'ii,2,fiU,zu ennkommen suhu.
Die musikalischen Formal bilden nach Marx ein System, das einem Organis-
mus gleicht und das periphere Erginzungen zwar noch "lat, in den Gruudmi-
gen jedoch {amen .Uns ist also jade Form nichts anders, als einer der Wage, auf denen die kiinsrkrisch schaffende Vemunfr ihr Werk vollbringt; und alle Rsrmen insgesammt sind uns der Inbegriif aller der Weisen, in deuen die krmstlerische Vemunh ihr Werk, die Gesunsntheit der Kunswcrke hervorbringt." 50' Nicht das einzelste Werk ist, um mit Walter Bmiamin TU sprechen, .das h6chste Wi&liche der Kunst", sondem das System der ILunstformen. dede Form fir sich allein ist
nur einseitig."'" Und die classici auCtores, fiir Dehn die obersle Insunz, sind nach Marx .nichu anders, als cine Wrk6rperung, Individualisirung der allgemrtu Mn kunstidee" "o.
Die musikalischen Formen, wie Man sie main, sind zwar geschichtlich cutsranden, schh'dUn sich aber, uachdem sie einmal hervorgebracht - oder enndech sind (von empiriscben Ksmtponisren oder vom meraphysischest Kunstgzist), " einem System zusammen, das als lihpiif kompositoriscller Mi'rgh'chkeiren der Historizirit - also auch der Sterblichkeit - emzogen ist. Die geschichdichen For»
men, bis zurisck zur Morale des 16. Jahrhunderts, bilden einen stem verhigbaren
Vorrat, aus dem ein Eomponist je nach der Idee, die er auszudriscken sucht, oder
m A. B. Marx, Die Musik dc: NJsbrburtderts and um Hur, Leipzig 2/1573. s, W2. ". A. B. Man, Die Lehre M dir MM“ KW, Bd. u, Leipzig 5/1864, s. 8. m Ebeuda, s. 9. "tt Ebenda, Bd. 111. Leipzig 3/1857. 5. 92.
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l. Geschichte Us Problem der Musikrheorie
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der Struktur des Tens, den er venom, auswalen kann. Musikalische Formal
sind demuach nichr subsrantiell grschichrlich, madam die Geschichte erscheim als blah Etttdeckungsgeschichre cine: Ihrmerkanons, der im musikzlischen Var. nunftgesetz immer schon votgezeichnee war. .13: girbt nur ein Gm fiir alle
Form: die Vemunft der Sache." S11 Die Munch: Konsrruktion einer Entwicklung von der Syntax zur Form und
vom Einfachen zum kbmplizierren, also vom Gang iher den Salz zur Period:
und Von den Liedfonnm Csber die Rondoformcn EU den Sonatenformen'", ist nicht als bioik systematisierende Zuriistung " pidzgogischen Zwecken gemeim. sondem soll als Rekousmsktion eines genctisch begriffenen Systemzusarmnen-
hangs gelten, der in der Sache selbst, in der Gesasndseit der musikalischen Ihrmm als dun Werk einer in der Geschichte firigen Vemunh enthahen in. Die Rmnenlehre .1in cine Form nach der andem sich aus den in der Eiementarlehre gefundnen Grundlagen wrrusnhgemiii und in stranger fkslgerichtigVit entfalun,
so dur also jerk cinzelne Form in der Elememzrlehre und in den vomgegzngnen roman mre Kechnemgung hndet una mu Ger vouenaung der romudzre alle maglichen Ksmstformen aufgewiesea oder wenigmns nachgewiesen, dem Jangu TU eigner Auffirulung und Hersrelhmg zugewiesen sein miissen." '" Die Genesis des Fbrmensystems, bei deren Beschreibung Marx sich unverkennbar an Goethe: Morphologie anlehme, steht aahezu unvemu'mk neben dem geschichtsphilosophischen Srufeaschema, sseben der konstruktioa ciner Entwicklung von der .sinnlichen Erscheinung" iiber die Jiphiire des Empfindens" zum .lmdmmun Ausdruck des Gains" Und der Rig, der das Munch: Gedankengebiude durchzielst, ist kein zufilliger Mangel, sondem Zeichen der Unl6sbarkeit des Psoblems, von dem Marx ausgiag.
Der Veg, auf dem er zwischen Dogmatistmss und Skcprizismus, zwischen blaturrecht und Historismus, zwischzn der Begriindung eines Normmsystems als Bedingung der Mhh'chkeit von musikalische, Lehr: und dem Bewugtsein der Geschichtlichkeit musikalischer Erscheinungen TU vermimln suchte, war - im Zeiulter Hegels - die Geschichtsphilosophie, damn tragenden Grund die These Von der Vemunh in der Geschichte bildm. Das musiktheoredsche System sollte
nicht der Geschichte geopferr, aber auch nicht iensdu der Geschichte in einer aberzeitlichen Narur der Sache begn'mda warden, sondem sich an: der ge-
schichdichen Entwicklung als deren Resultat erheben: als Ziel, das - nach einem Wort Von Karl Kraus - zugleich Ursprung war. Die Bruchsuicke von Geschichte
philosophie aber, die Marx mit mehr Enthusiasmus als Einsicht zusammeuraifte: das Stufenschema, die Idea finer atigrn Vernunh in der Geschichte und die Paradare Erwammg, dag nus dem geschichtlichen Prozeg cine aberzeitliche Strukrur su Ebenda. s. 60h '" Ebenda. S. W. “3 Ebenda, Bd, ll, s. 6.
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VII, Merudologischer Rickblick
hervorgehe, stimmen schlecht Eusamrrwn. An musikalischen Sachverhzlten EU demonstrieren, wie sich Universales in Relativern verwirklicht and von Unwicderholbarem eine iiberdauernde Subsunz zuriickbleibt, ist Marx, der vom philosophischen Geiste nines Zeitalrers eq7ilfen war, ohne ihn zu darchdringen, nur selren gegliickn
Die Theorie der Eirchentonarten, die Carl von Wimexfeld 1834 in Johannes Gabrieli und sein 2eitalter entwickeltes", bedeutete niclm Geringem als due Enrdcckung von Problemen, die heme, nach anderthalb Jahrhundmen, immer noch wrirgehand ungelés: sind. Die modal: Mehrstimmigkeit des 16.}ahrhundens war von den xeitgeu6ssischen Theorexikcrn als Geflecht modder Melodies: aufgefUlt worden, wihrend sie in Wick) ans dem 18. oder l9. Jahrhunders als rudimenare Vorform (onaler Harmonik erschiem als Triibung der musikalischea Vemunft, die sich einzig im Dur-Moll-System heimisch fiihlt, dutch Voruneile eines klerikzl gcprigxen Zeitalters. Winrerfeld empfand die eine Erklirung als ungeaiigead und die andere als anmaiknd. Er suchte nach cine: Theorie der modalen MAusrimmirrkrir, - w...»
-9 drh dnpnnirc irhr mi: rinpr rrrrvUrslierhrr, Amlmn aim H. mm Auffassung der Polyphonie als bluKem Srunmengehige begniigte, anderer. seirs aber die Kirchentonarun als System eigenen Red“: gehen lia, sun sie als
mangdhahe Variant: der Dur-Moll-Tonalitit abzunm"s. Dem Hiswsiker Winmfeld, der TU cinem religiés fundiemn Historismus neigte, widerstsebre a, die Geschichdichheix eines Phinomens zur Entschuhligung far dessert Abweichungen von der Natiirrschkeit zu degradieren. Winterfelds Versuch, die Mehrstimrnigkei: des 16. Jahrhundens tmadal-harrno. nisch - also wade: modal-melodisch noch tonal-harmonisch - zu erkliren, wurde von einer Geschichuphilosophie getragen, in der die geschichdiche Enrwicklung einerseits als in sich zusammenhingendes Ganm erscheint, astdererseits abet Epochen durchliuft, die nicht bloik Vomufen sind, madam tine eigeae klassizirit meichen. .Dn stok, in welchem die Kunst bildet, den sie durrhdringt, wird im Fongange der Zeit gelenker, gefiigiger, bildsamer, und dieses um so mehr, je vielseiu'ger man ihn behandelr; hier nelunen wir cine Stufenleiter yonder Zweifel wzhr, Von diesem Smdpunkte der Betrachtung aus stelm eine lei: iiber der andern. Wo aber in bestimmter Richmng das helle Ange des Geistes den Stoff lebendig erkannt, seine bildende Kraft ihn Valli; durchdrungen hat, d: hat sich ein eigenthiUnliches Lebtn gebildez; " gehén zwar einestheils der Zeit an, in der
es erschieaen ist, aber es schweb: auch iiber dmelben, und nicht dirfen wir hiiher, vollendeer ncnnen, was dem fiigsameren Stoffe im Fongange der Zeit ein-
umam .mmnm-L..." nmmm. -tt irs - bu. - "q,WM... a- mud". hr Ah w". a. nmnharhmma eruugt zu jeder Zen das Vollkommene, " '" Winterfeld gunk: nidn allein musi'" C. Von WinterfeldUohmmes Gabrieli and sein Zeitaher, Ed. I, s. 73-N8. '" Ebenda. s. 89 u. s. 96.
'" Ebenda, s. 91.
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1. Geschichte als Problem der Musiktheorie
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kalischen Waken, die an: der Geschichte herausragen, Klassizit'it zu, sondem
auch vergmgenen Tonsystemen, die er als Manifestationen van .Geis: in geist-
fihigem Material" begreifn Die Sudien, die der mushgeschicbtliche Prozeil durchliuft, sind sowohl Teile eines in sich zusammenhingenden Ganun als auch Epochen, die selbsandige
Gelmng beanspruchem Und van dem Gedanken einer doppelun Bestimmbarkeit
geschichdicher Erscheinungen ist Winterfelds Interpretation der kiruentonarten
bis in eatlegeae Details gepragn Der Zusammenhang, der nach Wintedeld zwischen dem modalen und dem mnalen System bench: - und als tragender Grund
geschichtlicher Kominuilit butcher: mug -, bemht auf der Einheit und Gemeinsamkeit des fimdierenden Prinzips: des Prinzips der Ableimng harmonischer Besiehungen aus der Narurumreihe, dam musikdseoretisches Prestige auch Wise rerfeld nicht anuswn mochte, obwohl der Historisrnus eigendich cine Alternative Tum Physikalismus darstellt. Die modal: Harmonik, wie Winmrfeld sie versteht, unterscheidet sich von der mnalm dadurch, dali sie auger der Quint- auch die 1erzverwanatsct1att, und zwar due der gro6en len, Tur Gmndllg: Von Akkord-
und Tonartenrelarioaen macht. Die Affinitat des phrygischen Modus zurn ioni-
schen, die eine Beobachtuttgstatsache ist, wird Von Winterfeld als Terzverwande schaft morivierr, und die Ter-andtschaft ihrerseits sell als natiidiches, in der Nruultonreihe vergezeichnetes Phinomen gelten. "Dean der Grundton, warm er
nub Erzeugung seiner Quinte Germals geschirft iiber sie hingeklungen, Isa:
mmmehr seine groge Tera eniinen; diese aber ist eben der Grundton des Phrygi-
schen, e, und ein Naturgesets begriiadet soichergestalt die nahe harmonische
Beziehung beider, so dutch C als E begonmmen Tonreihesc" SIT Auch die modal: Harmonik resulrien demuach ans Jlaturgesetzea" s", Gesexzen, an denen der Historiker Winterfeld Riickhalt Sudan, um sich der Subsunz TV vergewissem,
von der die Kominuitir der MufAgeschichte zehn. Die Wendung Tur Theorie, der Dung zum System, hingt mit Refleximten iiber den Kontinuititsbegriff als tragender Kategorie der Historic cog zusamrnen. Die Terzvcrwandtschaft war nicht das einzige Prinzip, auf das sich Winterfeld
statue, um der Besoaderheit der Kirchenwnamn und zugleich ihrer Verkniipfung mit dem Dur-Moll-Systern gerecht EU warden. Er ukannte - zweifellos TV
Recht - cine Affiait'it des mixolydischen Modus zum ionischen, begriindete sie aber nicht ,,tradiriosselP, aus der Struktur der fiir das Mixolydische chankteristischen melodischen Formeln, wndem ,.nariiriich", aus der Wirksamkeir eines latenten Dominantseptakkords, den der G-Modus in Relation zum C-Modus implizien. .Selren, es ist wahr, tritt in den Werken der Tonmeister des sechzehnten, ja, noch des siebzehnten Jahrhuaderts, wean sie auf kirchlichen Ernst Anspruch machen, der wesentliche Septimenaccord wirklich hervor; da, we die kleine
Slr Ebenda, S.86. '" Ebendw, S. 89.
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vu. Methodologischer mum
Septime die Ausweichung wesendich vermitteit, pflegt sie bei ihnen sich EU verbergen.Wird sie aber auch durch das 'iugere 0hr nicht vemommen, so bleibt ihre Mach: deshalb doch nicht minder fiilslbitr: was sie bewirkt, geschieht anscheinend ohne sie, ein Anhauch des Geheilnnisvollen wird iiber den Gesang dadurch verbreitet." '" Der mixolydische Modus, der demand: einerseits Tum jonischen (endiert, ist andererseits auger einer ,Ausweidmng" in den jonischen such einer
.Verwandlung" in dessen Gestalt fihig. ,.Was dem streng einseitigea Tonlehrer cine Abweichung von der festsxehenden Grundform der kirchentiine, das erschien
dem begeisrerren Tonmeisrer als deren voifkmnasenste, eigensre Es1twickehmg'',
nimlich die Erhahung der mixolydischen Septime zurn Subsemitouiurns". Wie deun insgesamt die Versemungszeichen Von Winterfeld nicht als akzidenelles, .zufilliges", sondem als essemielles, .wesendiches" Moment begri%n werden'": als Moment, in dem sich der Geist der kompositorischen Praxis gegenCher dem Buchsuben der Theorie durchsetzt. Wer den Lésungen, die Wmterfeld vorschlug, sich: tusdmmt - und hum sin Hium-ikn wird sieh die These Tron Aer Th,mirtanrsr,,rnrrokrur dee mirnlmlisrhm
Modus noch EU mgm machen -, wird andererseits nicht leugnen kamen, dail einige der Probleme, die er eatdeckte, ihre Bedwmng nicht vcrloren haben: We der wurden sie geliiu, noch sind sie vcralm und mgemn. Ob oder in welchern Malia die Versetzungszeichen akzidentell oder essemiell sind und ob es iibedliissig oder notwendig ist, die melodische oder melodisch-polyphone Interpretation
der Kirchentonarten durch cine harmoaische zu ergiinzen, ist immer noch umstritten. Und obwohl die These, die Natur der Musik bilde cine Substanz, Von der die Konu'nuirit des musikgeschichtlichen Prozesses abhinge, mu von wenigen Historikern noch geteilr werden diirfre, mum :ndererseiu nicht vergessen werden, dag die Frage, auf die Winterfelds Behauptung cine Anmn darstellte,
ofhsigebliebess ist und ihre Bedeutuag nicht eingebiilh hat: die Frage mach dem tragenden Fundament, das einem Systemwechsel, wenn er nicht als Kontinuit'its-
bruch erscheinen soll, zugrunde liegen mull. Heinrich Bcllermanns Lehre vom Contrapunkt, die 1862 erschien, ist Eduard
Gull gewidmet, in dessen Werk die Verehrung der .hciligen Tonkunst" des Palestrina-Zeitahers, die er mit Winurfeld teiltes", als zndichdge Restauration
komposiwrisch produkdv wurde. Und wie griindlich sich Bellermaan die musikalische und musiktheoretische Denkform des 16. Jahrhunderts zu eigen machu,
zeigt sich an der unscheinbarm, aber aufkhlufireichen Tatsache, dall er slat! des
S19 Ebenda, s. n. m Ebenda,S.82. "I Ebenda,S. 79. m Mnterfeld [alum eine kmnpositorische Ruuumion des Palmdnuti]: iedoch ab: nick: obwolnl er Historikerwar, soadern wail er es war. Historische: Denkm1 schloe Ririhn tin Bewu3tsein Von der Unwiederholbarkeit des Vergangenm tin.
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I. Geschichre als Problem der Musikrheorie
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mm Musiktheoretikern 'rsblicher, Anacluonisrnus, der einer iriibesen Epoch: die Kategoricn einer spiteren uttterschiebt, einen gleichsam mngekehrren Anachrtr
nismus praktizierte, indem er Werke des 18.Jalsrhunderts dadurch miGersrand, dag tr ihnen ein Erklirungsschema aus dem 16.Jahrhunderr iiberstiilpte. Die
Fugemheorie, die den schlu6 oder einen Appendix des Koatmpunktbuches bildet, ist verfehit, wtil Bellman Zita: ans dem Wobltemperierters Klavin, dawn die Method: der Quintbeantwortung zugrunde Hey. nach dem Prinzip der
Hexachordentsprechung, das durcluus inadiquzl in, analysim und mandunal sugar kritisiert "a.
Die musikzlische Restauratioa, hir die Bdlmnann plidiene, ohne sie beim Namen 2n nenncn, wurde niche als Mckgriff in die Vergangcnheit, als Sehnswcht nach einer verlorenen Zeit, sondem - scheinbar pragmatisch und rational - als Wuderhersrdlung der Natur der Sacha gerechtfertigr und gmihmt. Bellman saint: sich in den Vorwunen zur emu: und zwtiten Auflage des Irontrapunktbu-
ches auf die These, daii Musik p F ” Grsang, und das heiltt.. "hythmisch und nannomscn geregelu apmne' sen". une mstrumentatmus* “scum: als nueriore Gattung, ihre Vorhcmchaft als Usurpation. Dean der Venidu auf die Sprache beraube die Musik ihres .Wenes' als .Bildungsmittel" s"; als selhstin-
dige Kunst sei sie, Inn mit Kant " reden, .mehr Gesnd als Kulrur'. Bellman mllt sich also in schsoffen Gegeusatz EU der These van Adolf Bemhard Mara, dag die Musik mit der Sprache zunichst itdrerh'ch mbanden wurde, urn sich
dann deren Geist und Gehalt zu eigen BU machen und schlidllich, als selbsrindige Instrumentahmssik, EU einer Sprache hir sich zu warden, Nach Bellermann bildet das Gesaagliche, das der Palestrinastil am reinsten ausprigl, den Inbegriff des musikalisch Natiirlichem .Das Smdium der Musik hat dmnach unbedingt mit dem Gesange zu beginners. Die einfachsten und nairlichslen Verhiltnisse der Runs: miissen zuv6sderst kennen gelemt und mach allen Seiten hin durchforscht werden." '" Die musikgeschichdiche Entwicklung vorn 16. zum friihen W. Jahrhundert, Von Marx als Fonschrin genihlnt, stellt fiir Bellermann cine verfalisgeschichte dar. .Das rorliegrmie Buch ist daher tech: eigmt-
lich hir den kinfu'gen Gmglehrcr grschrieben, der durch dasselbe mir ienm Zeinen mam ganacht warden soil, in denen der Gesang allein fir kunsqrmifk
Musik gehahen wurde und noch nicht durch den schidlichcn Einihsg der Instrumentalrnusik verdurbm war. Gem]! hat die 1nstrumeatalmusik auch ihren Wen und ihre Berechrigung; so lange sie sich nimlich in den bescheidenen Grenzen einer Nachahmerin des Gesanges hilt und von ienern ihre Gum ableitet. Irn
m m '" '"
H. mum, Der Campxnbl, Berlin 3mm, s. 456-468. Ebenda, s. w. Ebendz. s. IX. Ebendz. s. VI,
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WL Methtxhrksgucher muck
Laule der Zeiten, schon seit Anfang des achtzehnten Jahrhuaderts und noch friiher, hat dieses Verhilmis sich aber gcradezu umgehlm.‘ 5” Eine analog: Verkehrung, durch die gleichfalls das Fundamem zum tJberbau gemacht ward: und umgekehrt, hat sick nach Bellermann in der Musiiaheorie ereignet, in der die Harmonielehre, als Deduktion ms einer physikalistisch begrifferten Natur der Musik, zur grumllegersden Disliplin erldin wurde. Mit dem Verdik: aber die Vcrselbsrindigung und Vorherrschah der Insuvmmualmusik verbinder sich datum in Bellermums Argumentation eine Polemik gegen den Vor-
rang der Harmonielelue in der Musikduorie. Der wahre Issbegriff natiirlicher Melustirrunigkeit sei die Polyphonie,dzs "gleichzeitige Erkiiageu mehrerer nebeneinander gdihner Srimmen Hierin batch: die wahre Mehrstuarn'ahrit,
nicht aberim einer Aneirunderreihung von fertigen Ascordm (wie dies heuuurage hiufig in Compositionen :ngcweudet, ia sugar in Uhrlirchern anempfbhlen wird), sondern die Award: sind em die Folg: einer gleichzeitigen Vcrbindung
mehrmr melodisch-sangbar gefiihrter Sthnmen." '" nie Idre an d
(Erin Bellman“ klzmmen, knlie einn aln.n Wahnn d2: nirhr
eth als wzhr erscheirst, wail cs alt in, sondem das immer schon grgohen hat,
wail man a yon idler als wahr erkannte. Die musikzlische Restaurarion, wie sie Bellermams teprasentietre, nrsund sich selbst als Wiedetemdeckung einer iiber-
uidichen Norm; dmn das Bewutsein, nichts als der Vessuch TV sein, ein Stick
Vesgangessheit in die Gegenwart heriiberzuholen, wire einem Eingnstindnis der Wsgeblichkeit gleichgekommen.
2. Der Wisserssxhafsthamkter der Mseihtbeorie Imd .14: Prinzip eiaer ham”. Dogmatik WisseuscluhsgliabeVit, emphuische thrertreibung des Am, in am cine
Wissenschah die erklichkeir zu erkliren Varmag, ist ein intellekaseiles Gebrechen
von Lain. Wer tin: Disziplin genau und Von innen kmnl, neigl am dazu, die engm Grenun, die ihr gmgen sind, und die Schwierigkeiun, die sie aicht 16m
kann, ltervorzaheben. Und so ist es kein Zufall, dd es mm den Musikdseormikem des 19.Jahrhundens gentle der Namrwissenschafder Hermann von Helmholtz war, der davor wamrc, die fundierende Bedeumng der Naturwissenschah fir die
Musiktheorie - cine Bedwmng, der win Hauprwerk gewidmct in - zu abemm m: in Gegensats zu Musiktheormikem, die in der chrgeizigen tJUrzeugung
Hana!“ Inn" piniap ,"esrr,rr".r"rrrafTre Mrtrirrrr, uh" Alunrih “ml fh.hr,rr,hvGo,
login am Anfang emu Harmonielehre michten ans, um das ganu Buch mMd. 2.. begriinden. Das .naeiirliche System" der Musik, eine Utopie von STT Ebenda, s. WIL '" Ebendz, S. X.
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2. Der Fssestschaiuchvakter der MusiktheorU
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Theoretikem, die vor den Wrwickhmgm der Geschichte Zuflucht bei der Simplizicit eines Uaivmsalprinzips suchten, ist nach Helmholtz tin Phantom. .Dmus folgt
der Satz", bei& es in der Lehre van den 7irrsentpfurmger, .der “mun musikali-
schen Theoretikem und Historikem immer noch nicht geniigend gegenwinig ist, dd das System der Tonleitem, der Tonancn und deren Hannoniegewebe nicht auf unverinderlichen Naturgeserzen beruln, sondem dail es die Consequem
"isthetischer Principien ist, die mit forTschreitender Enrwickelung der Menschheit einem Wechsel unterworfen gewesen sind und femer noch sein werden." '"
Das Jisthetische Princip" oder Jitilpriacip", das dem .Hzrmoniegewebe" der Dur-MollToaalirit des 17. bis 19.Jahrhunderts zugrunde liegt, bench: nach
Helmholtz in dem Gedanken, musikalischen Zusarnmenhang durch Beziehungen zwischen Akkordrn sun durch imitaturische Wrkniiphsng der Stimmen herzu,
sullen, Jh das bisherige Bindcminel der musikalischen Sine, nimlich die Innonische Wiederholung gleicher melodischer Figuren, iiberall wegfallen mufhe, wo cine der Melodie unmgeordneu einfache harmonische Begldtung eiatrat, muihe
im Klang der Accord: selbst ein nuns Mittel kiinstlerischen 2usammenhanges gesucht warden, and dies ergah sich, indem man dutch die Hannonisierung einmal die Beziehungen der Tiine TU der einen herrschenden Tonic: viel bestiaunter
konme hemmeun Iassen, als dies friiher der Fall war, und zweitend indem man
den Accorden selbst durch ihre Verwandtschah untereinander und zum tonischen Accord: ein neues Band gab." '" Die tonale Harmonik ist demnach, nicht andus
als die Imiudonstechnik, ein musikalischer Jormgedanke", um mit Arnold Schénberg " sprechen. Als .Stilprincip" beruht die Torulitit auf einer Seuung; sie in nicht Von Natur gegeben oder vorgrzeiclmer, sondem geschichdich und isdmisch begriindee. Die
Verwirklichung des .Su'lprincips" aber stiitst sich nach Helmholtz auf Vorausset» zungen, die in der .Natur der Sache" Hagen und einer suturwissenschafilichen Erklirung zuginglich sind. Jibenso wenig, wie den gothischen Spilzbogen, miissen (diirfen) wir unsere Durumleiter als Naturprodukt betrachten, wnigsuns
nicht in anderem Sinne, als dag beide die nothwcndige und durch die Natur der Sache bedingte Folge des gewGhen Srilprincips sind." S31 Das Von Natur Gege-
m H, m Helmholtz, Die mm van den Ttmemplurdwtgrrs " pbymlogixbc cm. Uge fiir die mm an Mun'k, Braunschweig 1865, s. M8. In spilem: mam. ist der ausschliegende Kontsast um eminzenden gernilderr, and es heiBr, .dul das System der Touleitern, der Tonamu: und dean Hanna _ gmbe nich: blog auf uuverinderlichea szrgcsnzen Denim. Sondem dais es zum Hm] inch " (.onuquenz Mthettscher Pnnlk
piers m . ", Die Anderung bedeutet aber mm Widernd, sondem eine Prizisierung des ursirriinglich Gerneinten: Allah in der mun Asdlae behauptete Helmholtz, dd sich tin .islhedschcs Princip", sin Jti1princip", MI seiner Wrwirklihtug aul Ybraussetzustgen sitzen mam, die in der .Nuur der Sache" liegen (s. 361).
m Ebenda, s. Mg, w Ebenda, 5.361.
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VII. Methodologincher Rikkblick
bene bildet zwar eine Grundlage, aber lediglich im Sinne einer Bedingung, nicht
eines Prinzips. Die akusdschen und physiologischen Sachverhalte sind lediglich
"die Element: der Construction unscru musikalischen Systems" s"; die .Con-
struction'' selbst ist geschichnlich und "isthetisch motivierr. In den Voraussetzure gen der Musik, denen der Naturwissenschahler Helmholtz Hundene von Seiten
widmete, sah er. wie er am Ende des Buches bekennt, nichts anderes als .sleich-
um die Bausuine, welche der Kunmrieb des Menschea henna: hat, um das
Gebiude unseres musikalischen Systems aufzuh'ihren" s".. Bescheidenheit als kghrseite wissenschaftlichcn Stolzes. Die .Namr der Sacluf', auf die sich Helmholtz belief, war die Naturtoureihe als akustisch-physiologisch begriindendes Moment des musikalischen Hérens. Der Venuch aber, die tonal: Kadenz, die auf der Verdoppelung des absreigenden
Quimschritrs (IIVundVI beruht, aus der ,,Naturder Sache' 2.. nkjireu, in prekir. DeanMI der Naturumrriheim nach Helmholtz der aufsteigeade, nichr d.er absteigende Quintschritt vorgezeichr1et. ,Wenn ich Von C-
.u \J-u-v, w wcuuc n." um... Lu - Imus mu, um...“ M-uvu u. us... Slaw: Accorde mirgehén, und dmen Einrrin daher wobl verbatim Worden ist (. . .).
Umgekghn ist es mit dem Schritte Von C-e-G nach F-a-C. Der F-Klang ist in dem enten Accord: nicht vorbereiret, er mug nm- gefunden und eingesetzt werden."'" Die Jlatur der Sache", wie Helmholtz sie beschreibr, leg: demnuh die Kadenz IN-N-l nahe, die aber nach dun Regelkodex der Harmonielehre gerade ausgeschlossen ist; und die umgekehm Akeordfolge, die reguWe tonal: Kadenz,
erscheint, wie Heinrich Schenker"' es ausdriickte, als kiiastliche Jnversion": als isthetisch und geschichdich begriindetes Kunstprodukt. Eatscheideud ist jedoch nicht die SchwierigVit, die Grenze zwischen den
,Elememen", die in der .Namr der Sache“ begriindes sind, und der .Consu-uc-
tion", die ans einem .Sdlprinzip" hervorgehr, ohne Willkiir iestzusexzen, sondem die Einsicht, dd die ,Natur der Sache" kein Prinzip ist, aus dem tin pratiirliches System" der Musiktheorie deduzierbar wire, sandem ein Iabegriif Von M6glichkeiten, die in wechselnder, von den gcschichtlich sich verindcrnden .Su'lprincipien" abhingiger Auswahl vcrwirklichr oder aicht "rwirlslicht Worden sind. Fiir Helmholtz is: also, im Unrerschied zu Rameau und zur Tradition des
.Physikzlismus", die bis ins 20. Jahrhundert hineinrcicht, die Naturtoareihe nicht der ,Ursprung' der Musik als Tanzusmunenhang, sondem eine Nauru:sache, die in manchen Epochen, ie nach dem herrschenden ,,stilprthcip'', fundierend: Bedeutung erhalten hat und in anderen nicht. Die Mine! der Musik - cw:
w H. van Helmholtz, Popular: wissenschafrlkhe Wrrrite, Bd.i.Braunschweig 1865, . 28.
m H. von Helmholtz, Die um van den Ttmempfruumgem s. 552. w mm, s. 448. m H. Schenker, Hmnukbm. IRB, s. M,
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2. Der Wuseuscluiuchamkter der Mruiktheorie
255
die Absmfung der Zusammenklinge nach Konsomnz- und Dissonanzgraden -
sind Naturgrserzen unterworfen; die 2wecke aber - em: der Gedanke, Konso,
nanz und Dissonanz als zwei durch eine sprziiische Differenz garennw Gruppen van Iutervallen oder Akkordm einander er"gegettzusetzen und durch die Am. liisungrtendenz der Dissonanz in die Konsonanz musikalischen Zusammenhang herzustellen - sind ischedsch und geschichdich morivien, Im Tilel des Helrnholtzschen Buches, der die .Lehre yon den 'ror1ernpfinduse gen" als .Grundltge hir die Theorie der Musik" bezeichner, ist aiso das Won
Jhundlage" im Sinne Von Bedingungen, nichr Von Prinzipien zu vmuhen. Und Hugo Riemann: Polemik gegen Helmholtz, der Venuch, der Jxhre Von den Touempfindungeu" cine U.ehre von den Tonrorstellungen" 'tttgegenzuset-
zen'", in schief. Ph'a'nomenologie ist keine Alternative zu Physiologic. Das srstem Von ,,Torworstellungen", das Riemann meinte und das die Funktionstheorie
beschreibt, gehsn - als konsequens aus der Seuung einer spezifischen Differens zwischen Konsonanz und Dissonanz - nach Helmholtzschen Begriken TU den
Zweckm, die aus einem .Stilpxincip" hervorgehen, nicht TU den Mineln. die Na-
turgesetaen gehorchen (Von Natur ist eiazig die Absmfung in Konsonanz» oder Dissonanzgrade gegeben). DUI Riemann in der Funktiousrheorie ein oatiirliches
System" sah, war ein falscher Anspmch, der denn auch unter dem Druck historischer und cthnologischer Argumente preisgegebm werden muihe. Dail der Narurwissenschahler Helmholtz die Bedeutung und Rdchweim des
Narurgesetzlichen in der Musikrheorie "1riickhalend einschiitzte, zuriickhaltere
der jedenfalls als der Musiktheoretikzr und -historiker Riemann, dad andererseits nicht dan'iber hinwegt5uschem dd es had: Helmholtz der "arurwissenschah, liche Teil der Musiktheorie ist, der deren Wissenschafisanspruch rechdertigt,
einen Wissenschaftsanspruch, auf den TU vmichwn eine Krinkung fiir das Selbst» bewulksein der Musiktheoretiker bedeutet him, Musiktheorie als Wissenschah
wire demnach die natumesetziiche Erklirung Von Minem, deren Zweck: m auiben, in der Form Von Jisthetischen Principien" oder Jrilprincipien", vorgczeichnct sind. .hsthetische Principien" und .Stilpnhcipien" sind zwar ihrerseits Gegensande von Wissenschahen, der Asthctik und der Historic, aber nicht selbst wissenschzfdiche Prinzipien, die cine Musikrheorie als Wissenschafi begninden kiinnten. Und es in nicht unwahrscheinlich, dag die Sarge um den Wissenschahscharakrer der Musiktheorie eine der Ursachen War, wzrum Riemann
uabeirrbar auf der Hee einer Natur der Musik beham: und zwar die Arguments wechselte (eth die anmhese Von der Untertoareihe nreiszab). aber nicht das
Zirl: in Wanda der i/escsichtrscee, und ethnischen iirsciein'ingsiormen die
Musik selbst, ihr immer gleiches Wesen, TV erkennen und in Begriffe MI fassen. Die Suche nach der Narur der Musik - einer Narur, die dem Argwohn aus'" H.Rimnann,Ideen TV einn.Lelm van den h'mwrstebrsgerr", imij tte mums,
13, 21/12, me, s. 1-26.
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vu. Metbodologischer mama
gesetzt ist, ein Phantom " sein - stellt jedoch nicht die einzige M6glichkeit dar,
cine Musiktheorie TU fundieren, dtun wissenschafdicher Teil iiber die akusxischphysiologische Erklirung bloger Hemmm hinausreicht. Riemann; Theorie der tonalm Harmonik ist in ihrer Gelnmg auf die Musik des Ir. bis 19. Jahrhunderts beschr'inkt. Sie ist also, um einen nus MBversandnis mil Vonnmilen behaheten Terminus TU gebrauchen, cine Dogmatik: cine Darstellung und Explikalion der fir die Musik einer besriauntea Epoche chankterisdschen Phinomcne in der
Form eines Systems, und es win, wie Erich Roducker "T gezeigt hat, ein Imam aus Befangestheit in der Asttithese Von Natur und Geschichte, Dogmadken, die weder nomothetische Naturwissenschahen noch idiographische Geschichtswisunschahen sind, vom Begriff der Wissenschah auszuschliaerr, die Rechtswissenschah ist, sofem sie sich nicht TU soziologischen Begrisndurlgen vomm, nichu anderes als Dogmadk, ohne dag ihr Wissenschahscharakter fnglich wire. Das Miihrauen gegm Dogmatiken ist allerdings iusofern nicht unmodvien, als
DTeatik5r dun ttie ihre Esmviirfe als r_nttitliely 1rrrr III p cntierm __r'" ,nm 4.x, um: um acren gmmcnmcncn nnmxwr n10weBzurausc"eu. uu wusenscnans-
charakter beraht jedoch nicht auf dem Anspruch einer Dogmatik, in der Natur der Sache begriindet zu sein - .Natur der Sache" ist in der Rechtswissenschah ein
peripherer Hilfibegriif _ sondem auf der Trihigkeit und inneren Geschlossenheit des Systems, das sie konsrruierr. Dal} mznche Dogmatiken bei ihrer lint-
stehung als ,mairliche Sysume' gemeisst waren, ist akzidemell: niclu selten ein
ideologisches Moment (die Geschichte, die Verindenmg bedeutet, sell dumb die Bemfung auf den Naturbegriff fcrngehalten werden). Man kann Riemanns Funk. tionstheorie durclmns als Dogmadk von geschichtlich begrenzmr Reichweite auf, fassen, ohne dadurch ihren Sachgehalt EU schmilem. Die Prinzipien einer Dogmatik - auch einer theologischen - sind immer historisch reduzicrbar, ohne dafi sich andererseits cine Dogmuik methodologisch usdos in Historic auik5sen liege. Sie unterscheidet sich von einer historischen Umersuchung durch die
Darstellung der Phinurnme in der Form tines Systems, und System: sind keine geschichtlich gegebenen Sachverhalte, sondem htterpretaimsschemata. Was die Interpretation musiktheoretischer System: als Dogmatikea von Epocbeastilen besagt, zeigt sich deurlicher, wenn man sie Von anderea, fniherm Kanupdonen, von dem lintwurf cine: .natiirlichen Systems" ans dem 18.Jahrlumdere, Fux' Gnuhss ad Nrnassrsm, und einem geschichtsphilosophischen Ansatz aus dem 19.Jahrhunderr, der Kompositioaslehre van Adolf Bemhard Man, abhebt. Von einer geschichdichen Stufenfolge, einer Entwicklung vorn .nauirlichen
'ystem- uner aen gesWuCtitspttuosopl11"nett umvun zur momma: uogmatik TU sprechen, wire alluding: eine Obertreibung und sellm elm Geschichts, philosophie als Historic. Die Tradition der .natiirlichen Systeme" erstreckt sich 537 E, Rorhacker, Die dognusische Denklorm in den Geisteswissenschdun mud das Problem des Historismus, Wiesbaden 1954.
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2. Der Wissenschahscharakter der Mushrheorie
257
vielmehr bis ins l9. und noch ins 20. Jahrhunden, Dd iedoch cine Tendenz zum
nivtiirlichest System fiir das 18. und ein Hang Tur Geschichuphilosophie far das
19.Jahrhunderr charaktetistisch war, is: unlcugbar. Johann Joseph Fux war iiberzeup, dail die Grundmige der Komposidon, die er in Regeln EU fassen suchte, in der .Ordnung der Nam: und der Dinge" '", .mnun naruraeque ordo" 539 begrindet mien. Und als ein Stick Narumrdnung beruhen sie auf g6ulicher Setzung, so daB e5 als Wrmessenheit und Hybris
erscheint, veriindernd in sie einzugreifen. Aeperiuntur etiam nonnulli moderni Compositores, qui (. . .) omni: Artis jun, 5: leges invmum, atque emu (quod
est solins Chnnipotetttis Dei) sibi adulames arbitrzmur.‘ Sq Der Begriff des .reinen Saues' implizierx uneerkesmbar ein moraliscbes Moment. Jis ist aber auch", heiflt es in Dorm: Mizless Obetsetzung der Gmiu: ad Parnassum, .cine Tugend, wenn nun Kiinste und Wissenschafhen, ohne solche TV verunreinigen, aus-
Chet."'" Gun und Narur, Vemunft und Moral sind die Instanzen, auf die sich
Fux beruh.
Der .reine San“, die kompositorische Ausprigung und Verwirklichnng des .nariirlichen Systems" der Musik, ist aber nicht der Inbegriif Von Kompositian schlechthin, sondera lcdiglich deren Fundament, Der .srrenge' Sm in die
Grundlage, nicht die Verhinderung des Jreien"; er slellt die Norm dar, inf die auch die extremste Lizenz, eben als Lizenz und nicht als Phiinomen eigenen
Rechs, immer noch zuriickbezogen in. Der Vorwurf, die fimdvneatalen Regain seien 1725, als Fax sie formulierxe, bereits "raltet geweswt und der Kamponisx Fux gerate nicht selten in Widerspruch in dem Theoretiker (H. Riemann m), ist also ebenso schief wie die Chvakreristik der Grad»: ad Pumassum als iriihestes
Dokument des musikzlischen Historismus (H. Birmer s"). Fux versuchw keines-
wegs, eine friihere Entwicklungssrufe der Musik, ein Stiick mm verBangenheit MI restaurieren. Er unterschied vielmehr zwei Schichten der Kompositiom das natiir-
liche Fundamenl, das nicht angetastet werden dirfe und als Voraussetzung oder Himergrund auch im Jreien" San fiihlbar bleiben mane, und den geschichtlichen Oberbau, der Ver'a'nderungea unterworfen ist and sein soll, damit die Mu-
P" 1.1. Fux, GnuhssadPamaswm, Mm. m L. Mizler, s. 130.] w J. J. Fax, cm adParnassum, s. 242. [w Ebenda, S. 2:01.; vgl. L. Mizler, s. 179: Jis werden auch um den hendgm Compom'sun einige game... welche (. . " alle Gesetae und Regeln der Componinm verkehrea, m sich schmeichein, was nencs in den Lanf der Natur him. In bringzn. welding allein GOn zukommxr] w L. Mizler, s, m, Das Originalziut 1mm: .. . . vuum & scicnlias, k artes absqae labe retistenti, m. vim est" JO. Fux, s. 241). m H.Riemmn, Gesebiate dér Mnsiktheorie im IX. bis XlX.Jahrbrmdest, Berlin 2/1921. s. 415,
m H. Birmer, Johann Joseph Fax und der musikalische Historismus, in; Deutsche M...
sikkulmr T, 1942.
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VII. Methodokaischer Riickblick
sik nicht erstarrt. Fux verleugrtete die Geschichte nicht, aber er versund sie als blolle Mode, der man sich zwar fiigen soll, da es pedmdsch und eigensinnig wire, ihr zu widerstreben, die jedoch, um nicht in Unnamr zu verfallen, die Grundziige der Musik unverschn lassen mull, .Elenim, si homo mediocris mud: habitn ante quinquaginta, vel sexagima annos usimo, hodie incederet, cent inidendi periculo se objicrret. Ita quoque Musica tempori accommodanda est." Aber; .Ncc unquam Architecuss tam stolidus rcpertus est, qui fundamenrum aedificii
iastigio imposuisset. Quod passim in Musica, non absque intelligentis dolore, M mis dedecore videmus, audimusque." 544 Dail Fux im Jitylus ecclesusticus" auf
ungerriibter .Rtinheit des Satzes" behamc, ist nicht ein Zcichen bistoristischer Tendenzen, sondem besagt, dag die Kirchemnusik als Lab Gems der von Gon gesemm Natur der Musik am nichsun und den Wachsel der Mode am femsteu stehen miisse. Das 'a1tgegengesetzte Extrem sullt das Rezimiv im Kammer- und
Thearemil dar: Um der Narur der Gattung willm duldet Fux Abwcichungen von l PT, des Tonsatzes, die er must vexpént: Ham aberrationem Recimivi ,;,. gun“ " -.-...." mun: concmennam :10. m uurcn.. me ADemuo wm: poocn me Narur uer Musik nicht aufgehobrn, sondem lediglich iibedormt und modiiiziert, Die Geschichte, die er zur bloiUn Mode herabsetzt, ist denmach hir Fux nicht essentiell, sondem akaidentell. Und das kapitel, in dem vorn Gesclunack, als der
Instanz der Mode, die Rede ist, bilder eiaea Appendix TU den hmdamentalen
Teilen der Komposidonslehre. Die geschichdichen Bedingungen - und damit in die enrscheidende Dikerenz zum modernen Historismus, zur Thcoric der .Geschichrlichkeit", bezeichnet - bestimmen nicht das Wesen der Musik, sondem werden mt zitierr, wean das primiire, unmittelbare Versrindnis, das sich auf die Natur der Sache stiitzt, versagt: zur Deumng von Abweichungen. die sich nicht
oemiinhig" rechtferrigen lassen und durum Jsistorisch" - ans den besonderen Bedingungen eines Werkes Oder einer Gartung, em: des Bezitativs - erklin werden miissea. Geschichte ist Peripher. Ein Jahrhundert spam, bei Adolf Bernhard Marx, ist das Verhilmis zwischen System und Geschichte nahezu ins Gegenteil verkchn. Das unmle Kapiml der Schrih, in der Marx'" gegen Mie alte Musiklehre" polemisierte, die .im Suck mit unserer Zeit" liege, ist aberschrieben ,Abschied vom System". Gemeint ist
[w JO. Fax, Grabs MPamumm, s, 278f.; ng L, MMer, s. 196: .Wenn Remand sich Heiden wollu, wie vor mm; und sechzig Ishren gewiilmlich gm, mini: man sich chnlehlbu licherlich machen. So hut man sich and. mitder Musik ml. dalei: au richmm (. . " Man hat "sch noch niernalds einen so th6richten Baumeister maul. derden Grund
ac, Cebiudes aufden Giplel gauze: ham, welches aber in der Misik hin L wiedn nicht
ohne Wrdruit geschickter Meister and turn schvtdi1ecken der Musik grsehen und geh6rrr Mr] P" Ebenda, s. 276; vgl. L. Mizler, s. I93: Jhese Abweichung mm! mm der Nam! des
inmiw TV gm hallcnf] w A. B. Marx, Die alke Mm’bldnr im Streit mit 11mm Zeit, Leipzig IMI, s. 96K.
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2. Der Wissenscbahscharakter der Musiktheorie
259
das all: System, das sick als das outiirliche" prsisentierte, nicht der Systemgedanke schlechthin, der Von Marx nicht preisgegebm, sondem vielmehr ins Geschichtsphiusophisclte gewenda wurde. Das System der Komposizionslzhre, wie Marx es msteht, ist die zum Bewufhsein ihrer selbst gekommene Geschichte der Musik, und zwar die Geschichte als ProgreB vom einzclnen Ton als .namrwildem Schrei" iiber die Monodie der Antike, das Organurn und die Polyphonic des Mittelalters bis zum tonalen Akkordsatz der Ncuzeit, in dem die Musik ihr Ziel meich: hat, so dd die .Eule der Minerva", die Erkeanmis friiherer Praxis, Jhren Flug asstreten" kann. Die Vemuuft in der Musik such: auch Marx, nicht anders als Fux; abet er entdeckt sie nicht in einer unverinderlichen Nam der
Sacha, sondem in der Geschichte. .Wmn also meine Komposidonslehre von der Einstimmigkeit ausgeht, mit der Melodik anfingt; so ist das nicht blot; merhodisch und krmstlerisch richtig, sondcrn auch dem geschichdichen, also vermin!» risen Enrwicklungsgange der Kunst streng angemessen und darin zum drittenmal gerechtfertigt." "7 Safern aber Geschichte auf Vemunfr beruht, ist es sinnvoll,
am der pidagogische Swinging den hiswrischen nachzeichnet. Die Geschichrsphilosophie, dutch die Marx die Kumpositionslehre mit melaphysischer Wiirde :usstmm, begsiinder deren Wisseaschahacharaktrr, sofem man "Wissenschaff im Sinne Hegels als Philosophie began Sie krankt allerdings m dem Mange], dal) die groflziigig abstrakte koazeption einerseits und die gre'dbare Kompositionslehre andererseits vennitdungslos auseinanderklaKen. Die Hee eines urnfassenden Systems der Musikrhcorie, das die in der Geschichte der Musik verborgen wirksame Vemunft gleichsam zum Sprachen bringt, bleibt
eine Utopie. Jedenfalls ist die Theme der Monodie and der Polyphonic in Marx' Kompositionslehre nichts anderes als cine Melodie und 1umtrapunkdehre auf
dem Ersrwicklungsstaud und mit den Begrenztheiten des (rilhen 19. Jahrhundens. Von einem Gehihl und Versandnis fir vtrgangtne hismrische Smfen, davon also, daiI in der Theorie die Geschichte aufbewahn were, kann nicht die Rede
sein. Marx' geschichtsphilosophisd1 fundizne - oder verbrimte - Komposirionslehre ist also, kaum anders als dis .natiirliche System', der Theorierypus des
18. Jahrhunderts, Dogmalik eines Epochenstils, deren Anspruch, die Musik insgesum zu umfassen, fragwiirdig ist. Was der Hegelianer Marx als .Abschied vom System" empfand und deklarierte, erweist sich im Mckblick als Versuch, den
Gedanken eines universalen Systems der Musik durch geschichtsphilomphische Begriindung vor der historischen Relativierung zu rem, der er msleezt deanoch verfallt.
Musiktheorie ist demnach fast immer Dogmanik gm, alluding: mit dem
falschen Bewuihsein, ein "natiirliches System" darzustellen, das in dem namrphiIosophischen oder aaturwissenschahlichen Begriff einer Natur der Musik die Rachtienigung des Anspruchs suchre, iiber der Geschichte und ihren Verwirrun5" Ebenda. S. 96.
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VII. Medmdologischer Biickblick
gen EU stehen. Den Chankm einer Wissenschdi, um den sie sich berrKsht, erhil: die Musiktheorie nicht dadurdl, daE sie sich - befangen in dem Voruneil, das immer Gleiche wi das einzig Wissenswiirdige - als otverinderiich behauptet,
sondem gerade umgekehrt em dann, wenn sie die Primuion einer Begrfmdung in der Narur preisgibr, sick ah Dognatik Von Epochensrilea erkennt und das Ziel jeder Dogmatik zu erreichen sucht, zwischen hinorischer Trihigheit und systematischer Geschiossenheit zu vmnincln. Die These, dail Musikthcorie als Dogmau'k verstauden werden masse, begeg-
net dem Einwand, M der Wissenschahschamkter der Musikdaeorie van der M6glichkeit einer psychologischen Begriindurtg abhinge. Nicht die Physiologic, auf die sich Helmholtz statue, sondera die Psychologie bilde das Fundamem der Musiktheorie. .Der Strait um die Wissenscuhlichkeit der Musiktheorien‘, schrieb Ernst Kurth W13, der alluding: char Metaghysiker als Psychologe war, .wird dadurch natiirlich nur BU den psychologischen Vorbegriindungen zunickmleg: und sulange diese hypodmisch . d, in der Begriif der wissenschaftlich-
m: emer Musmmeon: Ammer relauvr - Una m hunk]: Mmlkpsycmuagu nuns: es: ,,Daher gewinnen andererseits die psrchologischers Untmgriinde konstruktive
Bedeurung fiir das ganu Geriist der Musiktheorie bis in die 1mm Verwinkglungen hinein, und damit dienen sie auch ihr, zumindest mittelbar." 5" Albert Wellek
dekrmierte sugar, dail es neben der Musikpsycluriogie cine selbst5ndige Musik. theorie gar nicht gebess". Musiktheorie als Wissenschaft sci Psychologie; der Rest sei Spekuladom Die Musikpsychologie geril jedoch, sofern sie sich nicht m Deskriptian beschrSnkt, madam versucht, die Musiktheorie " fundieren oder zu mmen. in
einen Zwiespak. Die experimentellen Mahoden. auf die sie sich stiitat, erinnem
an narurwissenschahlich: Vorhilder, so dai' es scheinr, als sei sie cine nomodaeIische Disziplin, die Geserzesliypothesen formuliert. Die GegenstMde abet, die
sie unrersucht, sind geschichtlichen Ursprungs und Charakters (sofem die Musik,
psychalogie niche blofie Tonpsychologie, Darstellung elemental" Sachverhake
wie der Konsonanzabsttdung, bleibt). Nicht, dail die quasi nauwwissenschahliche Methode - wie die Anhinger eines emphadschen Begriifs von .Gescllichx-
Iichkeit" arm5hnen k6nnten - grundsitzlich inadiqual und der Sacha Von aufkn aufgezwungen wire. Swukruren wie die fimktimtale Hamonik und die abgeswfu Taknhyzhmik haben ihre Geltuag iiber Jahrhunderte hinweg bewahrt, so dali tin aornothetisches Verfahren - im Unterschicd zu einem idiographischen, das auf die Beschreibung und das Wrsandnis von Unwiederholbarem ziel: dutchlus smnvou um: mmg crschelm. uennocn hannelt es such um gesclucm-
'" E. Kurdl. Die Wnwsserzrsrtgert dertheorerisrber, Harmonik um! hr zonalen Dantzi-
&ngssysteme, Bern 19O, S. 15.
w E. mm. Mtssihpsrdmksite, Berlin 1931, s. u. m A. WM. Mvsikptydokgie um! Msssihiissbetih, Frankfurt T. M. ms, s. 9.
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3. Der Ubergang ins 20. Jahrhunden
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liche Sachverhalre, und von Naturgesetzer1 der Musik, die Von der Psychobagie entdeckt wiirden, kann nicht die Rede sein. Strukturen von lauger, aber dennoch begrenzrer Dauer bilden vielmehr primir den Gegensrand Von musiktheoredschen Dogmatiken, Von Versuchen, geschichrliche Phinomene, die eine gm: Epoch: umspannen, in systmnetischer Form darzustellen und TU explizieren. Eine Musikpsychologie ist dann nicks anderes als das Korulat einer Dogmarik, van der sie ausgeht and auf die sie bezogen bleibt, sun sie, wie Wellek meime, MI
ersmm oder MI verdringen. Die Dogmatik stall: die em: und unumgingliche Formung des geschichdichen Stoffs dar, eine Formung, die van der Musikpsychologic immer bereits vorausgesetst wird und deren WissenschafiscUrakter nicht davon abhingt, ob der Versuch einer musikpsycholugischcn Explikauhn, die an das musiktheoretisch vorgefomue vtkniiph, gelingx oder miBglickn Der usurpaxorische Anspruch, dag die Musikrhcorie, um Wissenschaft zu sein, in Psychologie iibergehen masse, ist jedenfalis durch Begrike wie den der .Su'm-
mighir", mit dem Wellek .Erscheinungsweism der Akkordfolge" und des
onehrsrimmigrn Satzes" psychologisch MI erfassen versuchrs", nicht eink5sbar. Die Regeln der Dissmunzaufl6sung und der Akkordverbindung, also die Dogmariken des Konrrapunku und der Konalen Hannonik, warden vomusgmtzr,
sun begriindet MI warden. Als .srimmig" erscheim das geschichrlich Tradierte und dogmarisch Verfestigte; und zu einer psychologischen Motivierung, warum die Synkopendissonanz cine Nsflissung abwim und nicht aufwim forden oder wannm die Dominant: in der Kadeaz der Subdorninaute folgt und nicht vorausgeht, gibr es nicht cinmal einen Ansatz. Die psychologische Beschreibung ist eher ein Reflex der Theorie als deren Fuadierung.
3. Der Ubtrgang ins 20.]abrbundm
Dag die politische Historiographie die Epoche, die man in einem halb chronologischen und hall, ideahypischen Sinne als neunzehntes Jahrhunden bezeichner,
mil dem Kriegsausbruch van 1914 enden Wh, konvergim mit den Vorstelluagen
einer Musikgeschichrsschreibung, die in Amold Sch6nbergs Ubergzng zur Atonalirit und in Igor Strawinskijs Desu'uktion der Taktrhythmik den Anfang der musikalischen Moderne zu erkznnen glaubl: einer Moderne, die tron des acteri-
schen Daseins, das sie him, als die "igenrlichf, die Epoche repr'isentiereade Musik des 20. Jahrhundens gilt. In der Entwicklung der Musiktheorie eine Tisur EV enrdeckea, die dem komposirionsgeschichtlichen Lmdnuiatsbruch nicht nur chrouologisch, sondern auch sachlich entspricht, (an: alluding: Schwer. So tiefgreifead sich die Theorie zwischen mo und 1920 wrindane, so problematisch wire der Versuch, die sn Ebenda, S. 14rif.
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WL Mmhodologischer Mchhlick
Wandlungcn, dawn sie unterworfen war, umnimlbar zu dem, was sich in der Neuen Musik ereignete, in Beziehung zu scum. Von August Halm, Ernst Kurd: und Heinrich Schenker, deren musikisthetische Voraussetzungen Rudolf Schifk: - nicht ohne Gewaltsamheit - unur dem
Sciclwon Jnergeuh" '" zusammenfaihe, kann man in Obereinstimrnung mit der herrschenden Meinung behauptcu, dail sie in der Geschichte der Musiktheorie .Epoche mulmn". Halms rypologischer Entwurf, der die Fuge und die Somtenfonn als ,mi Kulmren der Musik" cinandn cmgegznseuu, Knnhs These,
dag Bachs Kontrapunlrt- als Paradigm: "igentlichess" Kontmpunkts - uicht motivisch und harmonisch begn'mdet, sondem Jiuear" sei, und Schenkzn Postulal,
dag die Stringenz musikalischen Zusammenhangs einem imTonsnz verborgenen Sekundgang strukturell entscheidender Tam, EU verdanken sei, bildmn zusammen mit dem Kategoriensystem Arnold Sch6nbergs den Ausirangspunkt har cine
sich breix entfaltende Musiktheorie der Theoreuher (Von der sich cine Musikdaeorie.der Komponisten die partiell andere Wage einschlug, abspalme) Zur Neum
1:. .npucu: a_A.L.._A_ "Luna mu vcnnclwu umLnunu um mmmmr,_ \uc manner: , gm-Lngumg oder mgar feindsclig. Als der Terminus Jinearer Ksmtrapunkt" van den Apologeten Paul Hindemirhs aulgegritfen wurde, um cine hannonisch riicksichtalose Polyphonic EV "chtferrigem reagierre Kurd: in dem Vorwon zur drirun Auflage
der Gmndlagzn des Iinurrn Konmpunlm mit Erstaunen und Entsiistungs".
Und die Versuche einiger Musikthroredker in den Vereinigten Suncn, zwischen den divergierenden Voraussetzungen des s.Schenkerism" und der Dodekaphonie zu vermindn und dadurch die Kluft zwischen musikalischen Sympathien, die der Moderne gehérun, und einer musiktheoretischen Professionalitit, die man einzig durch Schenkm System geniigend verbiirgt glaubu, wessigstens noahirfU'g TV schlielkn, fiihrren, sun eine fruclnbm Dialektik auszulésen, TU blofkm Eblektizistmss. Die zweite Schwierigkeir, in die sich ein Hisroriker der Musiktheorie vu-
strickl, batch! in einer JJngleichzeitigheit des Gleichzeirigen" von geradezu
epochalen Ausmagen. Geht man van der ideengeschichdich hum umstrittenen Primine ans, dd der Amononsieasthedlr, die im spiten 18Hahrhundert en:stand, die Methode der ',werkintmanentot Issterpretation" entspricht; das Verfahren, arrifizielle Gebilde nicht an den Normen einer Regelpoetik " mama, sondern in ihrer unwiaderholbaren Individuahia't zu erschlieflen, so stiiik man auf die uluam krasse .Phaserwerschiebure, dag die Musiktheorie, in schroffern Widmpmch zurr.tr,tri,1.run Asrhezik bis zum f hen 20. Jahrhundert eine L,,;;n L,