Die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts und deren behördliche Anfechtung [1 ed.] 9783428535026, 9783428135028

Wird eine Vaterschaftsanerkennung allein dazu genutzt, um aufenthalts- und/oder staatsangehörigkeitsrechtliche Ziele zu

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German Pages 328 Year 2011

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Die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts und deren behördliche Anfechtung [1 ed.]
 9783428535026, 9783428135028

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 409

Die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts und deren behördliche Anfechtung

Von

Martina Kühnel

Duncker & Humblot · Berlin

MARTINA KÜHNEL

Die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts und deren behördliche Anfechtung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 409

Die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts und deren behördliche Anfechtung

Von

Martina Kühnel

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Philipps-Universität Marburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-13502-8 (Print) ISBN 978-3-428-53502-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-83502-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg im Sommersemester 2010 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten im Wesentlichen bis Juli 2010 berücksichtigt werden. Mein Doktorvater, Herr Prof. Dr. Tobias Helms, regte das Thema der Dissertation an und betreute das Dissertationsvorhaben – trotz örtlicher Distanz – mit anhaltendem Interesse und nützlichen Hinweisen. Dafür gebührt ihm mein herzlicher Dank. Ferner danke ich Herrn Prof. em. Dr. Stephan Buchholz für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Ich widme die Dissertation meiner Familie. Durch ihre Unterstützung und Zuversicht konnte diese Arbeit erst entstehen. Insbesondere danke ich unserem Sohn, der durch die Zeit der Dissertation zu einem kleinen Jungen herangewachsen ist. Er gab mir die Kraft und den Willen, diese Arbeit fertigzustellen. Zu besonderem Dank bin ich meinem Ehemann verpflichtet. Er hat mich nicht nur dazu ermutigt, das Dissertationsvorhaben auf mich zu nehmen, sondern er hat mich auch dabei unterstützt, dieses vollenden zu können. Neben seinen beruflichen Verpflichtungen und seiner eigenen Promotion hat er sich liebevoll um unseren Sohn gekümmert. Auch nahm er sich stets die Zeit für zahlreiche Diskussionen, die dieser Arbeit neue Impulse gaben. Gründlich und konstruktiv sah er das Mauskript durch – einzelne Passagen nicht nur einmal. Ferner danke ich meinen Eltern und meiner Schwester für ihre bedingungslose Unterstützung und ihr Verständnis. Neben meinem Ehemann hat auch meine Mutter sich rührend um unseren Sohn gekümmert, um mir das Fertigstellen der Dissertation zu ermöglichen. Ihr habe ich auch dafür zu danken, dass sie mir die Wichtigkeit des Lernens und die Freude daran vermittelt hat. Berlin, im Herbst 2010

Martina Kühnel

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung

19

§ 1 Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

§ 2 Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

2. Kapitel Rechtliche Rahmenbedingungen der Vaterschaftsanerkennung

20

§ 1 Voraussetzungen der Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anerkennungserklärung des Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Zustimmung der Mutter und des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bedingungsfeindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Formerfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 21 22 24 25

§ 2 Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Der spezielle Unwirksamkeitsgrund des § 1598 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gerichtliche Feststellung der Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 27 29

§ 3 Entstehen einer rechtlichen Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

§ 4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

§ 5 Exkurs: Vaterschaftsanerkennung als vereinfachte Form der Adoption? . . . . . .

31

3. Kapitel Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts § 1 Grundprinzip der Abstammung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Abstammung von der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abstammung vom Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begründung einer rechtlichen Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Spannungsfeld zwischen rechtlicher Zuordnung und biologischer Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 34 36 36 39

10

Inhaltsverzeichnis 1. Zum Begriff der „Scheinvaterschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriffliche Anlehnung an das Scheingeschäft . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit bei Zuordnung kraft Ehe . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendbarkeit bei Zuordnung kraft Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Direkte Anwendung des § 117 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entsprechende Anwendung des § 117 BGB . . . . . . . . . . cc) Auseinanderfallen von verfassungsrechtlich geschützter und zivilrechtlich wirksamer Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriffliche Anlehnung an den Rechtsschein . . . . . . . . . . . . . . . c) Begriffliche Verankerung im allgemeinen Sprachgebrauch . . . 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 42

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anfechtung der Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen und Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abstammungssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtungs-/Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Höchstpersönlichkeit des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anfangsverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hemmung/Unterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Feststellung der biologischen Nichtvaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschluss der Anfechtung bei bewusst wahrheitswidriger Vaterschaftsanerkennung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Restitutionsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 47 47 47 48 49 50 51 53 54 54 55 56 57 58 58 59 59

§ 3 Geschichtliche Entwicklung seit Entstehen des Bürgerlichen Gesetzbuchs . . . . A. Ursprüngliche Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Legitimation durch Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ehelichkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Machtergreifung der Nationalsozialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Erste Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder von 1969 . .

61 61 62 63 64 65 66 67 68

42 42 42 43 44 45 45

Inhaltsverzeichnis

11

I. Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anfechtung der Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anfechtung der Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft von 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren von 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft . . . . . . . Stellungnahme und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Statuszuordnung durch unmittelbar Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Biologische Wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erweiterung der Anfechtungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die biologische Wahrheit neben dem Statussystem . . . . . . . . . . . . .

75 77 77 77 79 79 80

§ 4 Vaterschaftszuordnungskriterien ohne genetischen Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . A. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuordnungskriterium der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuordnungskriterium der Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kindeswohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Statusklarheit und -wahrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 83 83 85 86 87 88

§ 5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

F.

G. H. I. J.

69 71 72 73 74 75

4. Kapitel Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen § 1 Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anerkennung im Interesse des Kindes und/oder der Mutter . . . . . . . . . . . . . I. Der anerkennende Mann hat die deutsche Staatsangehörigkeit . . . . . . II. Der anerkennende Mann hat nicht die deutsche Staatsangehörigkeit . . B. Anerkennung im Interesse des anerkennenden Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Kind hat die deutsche Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Kind hat nicht die deutsche Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 2 Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A. Akzeptanz für ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Änderungen der gesetzlichen Voraussetzungen und der Rechtsfolgen . . . . . 100

12

Inhaltsverzeichnis

§ 3 Praxisrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Anzahl der jährlichen Missbrauchsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103 103 107 108

§ 4 Vorgehen bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beurkundende Stelle als Missbrauchskontrolle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 4 BeurkG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verweigerung durch den beurkundenden Standesbeamten . . . . . . . II. Ansatz bei der Beischreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anfechtungsrecht des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Im Öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verweigerung der Ausstellung eines deutschen Passes . . . . . . . . . . . . . II. Verweigerung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtslage bis zum 27. August 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage seit dem 28. August 2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nach dem Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nach dem Aufenthaltsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erforderlichkeit von Gesetzesänderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entzug des Sorgerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109 109 109 110 111 113 115 116 116 117 117 117 119 121 124 124 125 127 127 128 128 129 129

§ 5 Vaterschaftsanerkennung nicht als einziges Missbrauchsphänomen . . . . . . . . . . A. Kurzer Einblick in die „Scheinehe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kurzer Einblick in die „Scheinlebenspartnerschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kurzer Einblick in die „Scheinadoption“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

132 132 136 138 140

§ 6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Inhaltsverzeichnis

13

5. Kapitel Reaktion des Gesetzgebers

142

§ 1 Überblick der wesentlichen Gesetzesänderungen durch das VaAnfRErgG . . . . A. Ablehnung der Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Behördliches Vaterschaftsanfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schaubild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142 142 142 143 143

§ 2 Gang des Gesetzgebungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Forderung nach Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vorlage des Gesetzentwurfs der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Empfehlungen der Bundesratsausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gegenäußerung der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Beratungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundestag . . . . . . E. Zustimmung des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Inkrafttreten des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 145 146 146 147 147 150 151

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Präventives Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen I. Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung nach dem PStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff der Offenkundigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand der Offenkundigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Offenkundigkeit der materiellen und formellen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offenkundigkeit der materiellen Voraussetzungen . . . . . . . . b) Maßstab der Offenkundigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Heranziehung von § 291 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleich zur „Scheinehe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Benennung einzelner Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Offenkundigkeit bei pränataler Vaterschaftsanerkennung . . . . . 2. Erforderlichkeit der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nachforschungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wurde indirekt ein Nachforschungsrecht geschaffen? . . . . . . . . b) Einführung eines Nachforschungsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Beurkundung „soll“ abgelehnt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung nach dem BeurkG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgehen bei Zweifeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 151 152 152 152 152 153 155 155 156 157 158 159 160 160 161 163 164 165 166

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Inhaltsverzeichnis III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Repressives Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen I. Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliche Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kenntnis von konkreten Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkrete Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht . . . . . . 2. Mitteilungspflichtige Verdachtsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Mitteilungspflicht bei Ablehnung der Beurkundung? . . . . . . 4. Ausnahme für Jugendämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mitteilung direkt an anfechtungsberechtigte Behörde? . . . . . . . . . . 6. Stellungnahme und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufgabe der Ausländerbehörden und der Auslandsvertretungen . . . . . 1. Mitteilungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitteilung durch die Ausländerbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorherige Prüfpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch nicht gestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bereits gestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konkrete Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mitteilung durch die Auslandsvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussetzung der Entscheidung über die Erteilung/Verlängerung eines Aufenthaltstitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aussetzung des Verfahrens nicht notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt der Aussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verweisproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Aussetzung ab Mitteilung nach § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verhältnis von § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. zu § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine ähnliche Regelung für Passbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anfechtung der Vaterschaft durch eine zuständige Behörde . . . . . . . . 1. Internationaler Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) International zwingende Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kurzer Internationaler Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167 168 168 169 169 170 170 171 172 173 175 176 178 179 180 180 180 181 181 182 183 183 184 185 186 187 187 189 190 191 191 192 193 193 194

Inhaltsverzeichnis aa) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die mit dem behördlichen Vaterschaftsanfechtungsrecht verbundenen Problematiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systemkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Behördliches Anfechtungsrecht als Fremdkörper im Abstammungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft kraft Ehe . . b) Materielle Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Besondere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestehen keiner sozial-familiären Beziehung . . . . . . . . (a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Regelannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vorliegen einer Regelannahme . . . . . . . . . . (b) Nichtvorliegen einer Regelannahme . . . . . (bb) Systematische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . (a) § 1600 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) § 1685 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Übertragung der Grundsätze zur familiären Lebensgemeinschaft im Aufenthaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zeitpunkt für Vorliegen der sozial-familiären Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Wortlautunstimmigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Im Zeitpunkt der Anerkennung . . . . . . . . . (b) Im Zeitpunkt seines Todes . . . . . . . . . . . . . . (bb) Pränatale Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . . . (cc) Zeitpunkt zwischen Anerkennung und Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen für ausländischen Mann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Verbesserung des Aufenthaltsstatus . . . . . . . . . (b) Fehlendes subjektives Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Allgemeine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ermessensausübung der anfechtungsberechtigten Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 194 195 196 197 197 198 198 200 203 203 203 203 204 204 206 207 207 210

212 214 217 218 218 219 219 221 222 223 223 225 226 227 227

16

Inhaltsverzeichnis dd) Generalverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formelle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anfechtungsberechtigte Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Jahresfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Länge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Kenntnis anderer Behörde/innerhalb der Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Unterschiedlicher Fristbeginn für die Anfechtungsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Absolute Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Länge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen für ausländischen Mann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen für ausländisches Kind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Alternativvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Fristhemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Darlegungslast/Schlüssigkeit des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anfangsverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Darlegung der besonderen Anfechtungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . (b) Bestehen keiner sozial-familiären Beziehung . . . . . (aa) Sekundäre Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Regelannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beweiserhebung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestehen keiner sozial-familiären Beziehung . . . . . . . . (a) Regelannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Beweiserhebungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

229 230 230 234 234 234 235 236 239 240 241 241 242 243 243 244 244 245 246 247 247 248 249 249 250 250 253 254 254 255 255 256 256

Inhaltsverzeichnis (aa) Sozial-familiäre Beziehung im Anerkennungs- oder Todeszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Sozial-familiäre Beziehung zwischen Anerkennung und Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Sozial-familiäre Beziehung im oder vom Ausland aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters . . . (a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Nichterweislichkeit – Wer trägt die Feststellungslast? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Abstammungsbegutachtung nicht möglich . . . . . . . (aa) Testperson nicht auffindbar . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Weigerung der Testperson . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Berechtigte Weigerung zur Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Unberechtigte Weigerung zur Abstammungsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Testperson im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Internationale Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . (b) Konsequenzen für die Beweiswürdigung . (g) Aussetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . (4) Rangverhältnis der Begründetheitserfordernisse . . . . . . (5) Eingriff in interne Familienverhältnisse . . . . . . . . . . . . . ff) Beteiligung der Jugendämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bezogen auf die Missbrauchsfallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anerkennung im Interesse des Kindes und/oder der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anerkennung im Interesse des anerkennenden Mannes bb) Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eröffnung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutzzweck der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gesetzesänderungen im Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine rechtliche Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . II. Genetischer Nachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stets obligatorische Kindeszustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Abgabe einer Unbedenklichkeitsbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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257 258 259 260 260 263 264 264 265 265 266 266 267 269 271 272 274 275 276 277 277 278 278 278 279 282 284 287 288 288 289 290 290 292

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Inhaltsverzeichnis VI. Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung . . . . . . . . . VII. Unwirksamkeit missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen . . . . . . . B. Gesetzesänderungen im Öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gesetzesänderungen im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sanktionen für unmittelbar Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sanktionen für mittelbar Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293 294 295 297 297 298 298

§ 5 Abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

6. Kapitel Abschließende Thesen

302

§ 1 Thesen zum Dritten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 § 2 Thesen zum Vierten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 § 3 Thesen zum Fünften Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

1. Kapitel

Einleitung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen. Solche liegen vor, wenn die Begründung der rechtlichen Vaterschaft im Wege der Anerkennung allein zu staatsangehörigkeits- und/oder aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgt.

§ 1 Problemdarstellung Die wirksame Begründung einer rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB führt zu einem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem die Vaterschaft anerkennenden Mann und dem Kind, unabhängig von der biologischen Wahrheit. Grundsätzlich besteht damit eine von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG geschützte VaterKind-Beziehung, die Ausstrahlungswirkung auf das Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht hat. Diese Ausstrahlungswirkung führt dazu, dass es den von der Vaterschaftsanerkennung betroffenen Familienmitgliedern möglich ist, dem in Deutschland Wohnenden unter vereinfachten Voraussetzungen nachzureisen bzw. die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten. Die Erlangung der aufenthaltsund/oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorteile ist Zweck der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung.

§ 2 Ziel der Arbeit Ziel dieser Arbeit ist es • aufzuzeigen, wie sich die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung in das System der Abstammung einfügt, um zu verdeutlichen, wie und wieso es zu dem Entstehen solcher kommt (Zweites und Drittes Kapitel); • zu diskutieren, ob es sich bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen um ein praxisrelevantes Problem handelt, das Gesetzesänderungen erfordert(e) (Viertes Kapitel); • die Reaktion des Gesetzgebers durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft zu erläutern, die damit verbundenen Problematiken aufzuzeigen und de lege lata Lösungs-, de lege ferenda Ergänzungs- und Änderungsvorschläge darzulegen (Fünftes Kapitel); • alternative Handlungsmöglichkeiten zu suchen (Fünftes Kapitel).

2. Kapitel

Rechtliche Rahmenbedingungen der Vaterschaftsanerkennung Die Vaterschaftsanerkennung ist einer der drei Tatbestände, die einem Kind einen Vater abstammungsrechtlich zuordnen (§ 1592 Nr. 1–Nr. 3 BGB). Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB ist von Gesetzes wegen Vater eines Kindes der Mann, der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt verheiratet ist. Besteht nach dieser Vorschrift keine Vaterschaft, so kann ein Mann die Vaterschaft für ein Kind gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen. Liegt weder eine Vaterschaft kraft Ehe noch kraft Anerkennung vor, bleibt die Möglichkeit der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1592 Nr. 3 BGB. Die Bedeutung, die den einzelnen Vaterschaftszuordnungstatbeständen zukommt, hat sich in den letzten Jahrzehnten durch wandelnde Lebensverhältnisse verändert. Im Zusammenhang mit der stetig abnehmenden Anzahl der Eheschließungen1 nahm auch die Anzahl der Vaterschaften aufgrund Ehe der Mutter ab.2 Als Resultat wurde aufgrund einer steigenden Zahl von außerehelichen Geburten eine Zunahme an Vaterschaftsanerkennungen verzeichnet.3 In diesem Kapitel wird dargestellt, welche Voraussetzungen erforderlich sind, um eine Vaterschaft im Wege der Anerkennung wirksam zu begründen.

§ 1 Voraussetzungen der Vaterschaftsanerkennung Welche Voraussetzungen nach deutschem Recht für eine Vaterschaftsanerkennung erforderlich sind, ist §§ 1594–1597 BGB zu entnehmen. Sollte einer der Beteiligten ausländischer Staatsbürger sein, muss vor der Anwendung deutschen Abstammungsrechts geklärt werden, welche Rechtsordnung 1 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2008, S. 49 (Aufstellung der Eheschließungen von 1950 bis 2006); siehe auch BT-Drucks. 13/4899, S. 35; MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 3; Diederichsen, FPR 2007, 221 (221); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 64. 2 Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 2008, S. 49 (Aufstellung der nichtehelichen Geburten von 1950 bis 2006); im Jahr 1990 waren es 138.755 außereheliche Geburten, im Jahr 2006 wurden 201.519 außerehelichen Geburten verzeichnet. 3 MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 3; Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 49.

§ 1 Voraussetzungen der Vaterschaftsanerkennung

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einschlägig ist. Dies bestimmt sich gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB.4 Hiernach unterliegt die Kindeszuordnung dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.5 Sie kann sich allerdings in dem Verhältnis zu jedem Elternteil alternativ auch aus dem Recht des Staates ergeben, dem der Elternteil angehört (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB).6

A. Anerkennungserklärung des Mannes Eine Vaterschaftsanerkennung setzt zunächst die Anerkennungserklärung des Mannes voraus. Diese Anerkennungserklärung soll seit der Kindschaftsrechtsreform vom 1. Juli 1998 als Vaterschaftsanerkennung oder schlicht als Anerkennung bezeichnet werden.7 Grund hierfür ist, dass die Anerkennungserklärung erst dann Wirksamkeit entfaltet, wenn alle weiteren Voraussetzungen der Vaterschaftsanerkennung gegeben sind. Vor der Kindschaftsrechtsreform war von der (Vaterschafts-)Anerkennung begrifflich nicht nur die Anerkennungserklärung, sondern der gesamte Vorgang der rechtlichen Vaterschaftsbegründung durch Anerkennung erfasst.8 Hieran wird im Folgenden festgehalten, um klarstellen zu können, wann allein die Willenserklärung des Mannes (dann „Anerkennungserklärung“) und wann das gesamte Konstrukt der Vaterschaftsanerkennung (dann „Vaterschaftsanerkennung“) gemeint ist. Die Anerkennungserklärung des Mannes ist einseitig und nicht empfangsbedürftig.9 Ihre Rechtsnatur ist umstritten. Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung10 und Literatur11 sieht in der Erklärung eine reine Willenserklärung. 4 Siehe hierzu OLG Hamm, Beschluss v. 7.4.2008 – 15 Wx 8/08 = FamRZ 2009, 126 ff. 5 Das Kind hat in dem Staat seinen gewöhnlichen Aufenthalt, in dem es auf längere Zeit angelegt den Schwerpunkt seiner sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bindungen – seinen Daseinsschwerpunkt – hat: Finger/IntFamR/Rausch, Art. 19 EGBGB, Rn. 14; Hailbronner/Renner/Maaßen, § 4 StAG, Rn. 21; Andrae, Internationales Familienrecht, § 5, Rn. 11; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 48. 6 Explizit zu dem Verhältnis der Anknüpfungspunkte des Art. 19 Abs. 1 EGBGB untereinander vgl. Frank, StAZ 2009, 65–70; Helms, StAZ 2009, 293–298; Andrae, Internationales Familienrecht, § 5, Rn. 16–29; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 223–231; dadurch, dass kein Vorrang für einen Anhaltspunkt des Art. 19 Abs. 1 EGBGB existiert, sind nach Ansicht von Renner/Maaßen „unsichere und wandelbare Ergebnisse hinsichtlich der Staatsangehörigkeitserwerbs denkbar.“: Hailbronner/Renner/Maaßen, § 4 StAG, Rn. 10. 7 BT-Drucks. 13/4899, S. 84. 8 BT-Drucks. 13/4899, S. 84. 9 MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 6; Rauscher, FPR 2002, 359 (363); Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 14; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 42; Schwab, Familienrecht, Rn. 528. 10 VG Sigmaringen, Beschl. v. 4.8.2008 – 8 K 1001/08 = juris, Rn. 17; BayObLG, Beschl. v. 17.6.2000 – 1Z BR 96/00 = StAZ 2000, 369 (370).

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2. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Vaterschaftsanerkennung

Der Mann erkläre, Vater des Kindes sein und die daraus resultierenden Rechtsfolgen eintreten lassen zu wollen. Einige Autoren vertreten die Ansicht, es handele sich bei der Erklärung des Mannes um eine reine Wissenserklärung12 oder zumindest um eine gemischte Erklärung mit Willens- und Wissenselement13. Der Mann bringe zum Ausdruck, er wisse, dass er das Kind gezeugt habe. Es soll nicht geleugnet werden, dass der Mann sicherlich wissen kann, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Die Kenntnis, Erzeuger des Kindes zu sein, kann er allein aus diesem Umstand allerdings noch nicht ableiten, sondern lediglich vermuten.14 Eine Vermutung ist für ein Wissenselement einer Erklärung nicht ausreichend, so dass die Anerkennungserklärung des Mannes nicht mehr als eine reine Willenserklärung sein kann. Diese Willenserklärung ist höchstpersönlich. Der anerkennende Mann kann für die Abgabe seiner Erklärung niemanden bevollmächtigen (§ 1596 Abs. 4 BGB). Sollte er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sein, muss er dennoch die Erklärung selbst abgeben, bedarf hierfür jedoch der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 1596 Abs. 1 S. 1, 2 BGB). Ist der Mann geschäftsunfähig, so kann der gesetzliche Vertreter nur mit Genehmigung des Familiengerichts die Vaterschaft anerkennen (§§ 1596 Abs. 1 S. 3 Hs. 1, 1831 BGB). Ist der gesetzliche Vertreter ein Betreuer, bedarf es der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§ 1596 Abs. 1 S. 3 Hs. 2). Ein geschäftsfähiger Betreuter muss selbst anerkennen (§ 1596 Abs. 3 BGB).

B. Zustimmung der Mutter und des Kindes Die Vaterschaftsanerkennung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft.15 Dennoch soll allein die Erklärung des Mannes, der rechtliche Vater des Kindes sein zu wollen, noch keine Vaterschaft begründen können.16 Daher bedarf die Vaterschaftsanerkennung der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) und gegebenenfalls des Kindes (§ 1595 Abs. 2 BGB).17 Die Zustimmungen sind nicht empfangsbe11 Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 51; MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 4; Grün, FuR 2006, 497 (497); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 388; Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 42; Hohloch, Familienrecht, Rn. 751. 12 Beitzke, Familienrecht, § 23 II, Muscheler, Familienrecht, Rn. 547. 13 LG Düsseldorf, Beschl. v. 20.7.2007 – 1 Qs 51/07 = NJW 2008, 388 (389); Palandt/Diederichsen, § 1594, Rn. 4; Firsching, Rpfleger 1970, 8 (15); Fehrenbach, S. 18 f., 23. 14 So auch Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 51; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 58. 15 Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 30; Hohloch, Familienrecht, Rn. 751. 16 Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 42. 17 Die Erforderlichkeit weiterer Zustimmungen könnte sich aus Art. 23 EGBGB ergeben. Gemäß Art. 23 S. 1 EGBGB unterliegt die Erforderlichkeit und die Erteilung der

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dürftige18, höchstpersönliche (§ 1596 Abs. 4 BGB) Willenserklärungen. Sie können zeitlich sowohl vor als auch nach der Anerkennungserklärung erteilt werden.19 Sie sind Wirksamkeitsvoraussetzungen der Vaterschaftsanerkennung20 und stellen daher keine Annahme der Anerkennungserklärung im Sinne des Vertragsrechts dar21. Im Regelfall muss nur die Mutter des Kindes ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung erteilen.22 Hierbei handelt sie nicht als Vertreterin des Kindes23, sondern übt ein eigenes Recht aus24. Ist die Mutter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder geschäftsunfähig, so gilt dasselbe wie für den in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten oder geschäftsunfähigen anerkennenden Mann (§ 1596 Abs. 1 S. 4, Abs. 3 BGB). Neben der Zustimmung der Mutter ist kumulativ auch die Zustimmung des Kindes erforderlich, wenn der Mutter ihre elterliche Sorge ganz allgemein oder speziell in Abstammungsfragen nicht zusteht (§ 1595 Abs. 2 BGB).25 Daher bedarf es der Zustimmung des Kindes, wenn dieses volljährig ist oder wenn das Sorgerecht der Mutter in diesem Bereich bzw. insgesamt gemäß § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB beschränkt wurde oder das Kind von einem Vormund (§ 1773 BGB) bzw. Pfleger (§ 1909 BGB) vertreten wird. Übt die Mutter die elterliche Sorge für das Kind gemeinsam mit einem anderen Mann aus, führt dies noch nicht zu einer

Zustimmung des Kindes und einer Person, zu der das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, zu einer Abstammungserklärung, Namenserteilung oder Annahme als Kind zusätzlich dem Recht des Staates, dem das Kind angehört. Allerdings ist ausschließlich das deutsche Recht anwendbar, soweit es zum Wohl des Kindes erforderlich ist (Art. 23 S. 2 EGBGB); siehe explizit zu Art. 23 EGBGB: Henrich, Internationales Familienrecht, S. 234–236; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 49 f. 18 OLG Brandenburg, Urt. v. 25.3.1999 – 9 UF 239/98 = NJW-RR 2000, 741 (742); MüKo/Wellenhofer, § 1595, Rn. 6; Staudinger/Rauscher, § 1595, Rn. 11; Schwab, Familienrecht, Rn. 532; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 II, Rn. 46; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 61; a. A. Bamberger/Roth/Hahn, § 1595, Rn. 3: Zustimmung ist empfangsbedürftige Willenserklärung. 19 Bamberger/Roth/Hahn, § 1595, Rn. 3; MüKo/Wellenhofer, § 1595, Rn. 6, 14. 20 BT-Drucks. 13/4899, S. 84; Staudinger/Rauscher, § 1595, Rn. 10; Erman/Holzhauer, § 1595, Rn. 2; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 46; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 30. 21 Erman/Holzhauer, § 1595, Rn. 2; MüKo/Wellenhofer, § 1595, Rn. 6; Staudinger/ Rauscher, § 1592, Rn. 52; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 44. 22 Staudinger/Rauscher, § 1595, Rn. 20; Schwab, Familienrecht, Rn. 532. 23 MüKo/Wellenhofer, § 1595, Rn. 2; Helms, FuR 1996, 178 (180); Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 67; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 48. 24 BT-Drucks. 13/4899, S. 84; Palandt/Diederichsen, § 1595, Rn. 3; Staudinger/Rauscher, § 1594, Rn. 4; Rauscher FPR 2002, 359 (364); Will, FPR 2005, 172 (174); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 80; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 43; Muscheler, Familienrecht, Rn. 549. 25 MüKo/Wellenhofer, § 1595, Rn. 10; Staudinger/Rauscher, § 1595, Rn. 20; Schwab, Familienrecht, Rn. 532.

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2. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Vaterschaftsanerkennung

erforderlichen Kindeszustimmung.26 Ist das Kind geschäftsunfähig oder noch nicht vierzehn Jahre alt, ist für die Vaterschaftsanerkennung die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Kindes erforderlich (§ 1596 Abs. 2 S. 1 BGB). Ist das Kind älter als vierzehn Jahre, in seiner Geschäftsfähigkeit aber noch beschränkt, übt das Kind das Zustimmungsrecht zwar selbst aus, bedarf hierfür allerdings seinerseits der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 1596 Abs. 2 S. 2 BGB). Gesetzlicher Vertreter kann bei Zustimmungsbedürftigkeit des Kindes nie die Mutter sein, da sie in diesem Fall die elterliche Sorge gerade nicht innehat.27 Es lässt sich festhalten, dass die Kindeszustimmung selten erforderlich, die Zustimmung der Mutter hingegen stets obligatorisch ist. Gegen diese gesetzliche Regelung werden vermehrt Bedenken vorgebracht.28 Sie beziehen sich auf zwei Umstände. Einerseits erscheint problematisch, dass bei elterlicher Sorge der Mutter dem Kind entgegen den biologischen Gegebenheiten ein Vater „aufgedrängt“ werden kann. Andererseits ist auch die umgekehrte Situation bedenklich. Möchte ein Kind seinen biologischen Vater auch rechtlich zugeordnet bekommen, kann die Mutter das Entstehen der rechtlichen Vaterschaft durch Verweigerung ihrer Zustimmung selbst bei fehlender elterlicher Sorge verhindern. Dem Kind verbleibt dann lediglich der Weg der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB)

C. Bedingungsfeindlichkeit Die Anerkennungserklärung und die Zustimmung(en) dürfen nicht unter einer Bedingung (§ 158 BGB) oder Zeitbestimmung (§ 163 BGB) abgegeben werden (§§ 1594 Abs. 3, 1595 Abs. 3 BGB). Damit soll verhindert werden, dass der Personenstand des Kindes in der Schwebe bleibt und von zukünftigen Ereignissen abhängig ist.29 Rechtsbedingungen, die an ohnehin gesetzlich vorgegebene Voraussetzungen geknüpft sind, sind hingegen unschädlich.30 So kann zum Beispiel 26 BT-Drucks. 13/4899, 84; Weinreich/Klein/Pieper, § 1595, Rn. 4; Staudinger/Rauscher, § 1595, Rn. 20; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 433. 27 Gesetzlicher Vertreter ist der für das Kind bestellte Vormund oder Pfleger gemäß §§ 1707, 1909 BGB: Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 433; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 64; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 45. 28 Erman/Holzhauer, § 1595, Rn. 2; MüKo/Wellenhofer, § 1595, Rn. 3; Staudinger/ Rauscher, § 1595, Rn. 5 ff.; Helms, FuR 1996, 178 (184 f.); Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1463); ders., FamRZ 1997, 1441 (1449 f.); Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 (360); Coester-Waltjen, Jura 1998 436 (438); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 81; Schlüter, Familienrecht, Rn. 278; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 49; Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 18; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 219 ff. 29 Staudinger/Rauscher, § 1594, Rn. 42; MüKo/Wellenhofer, § 1595, Rn. 6. 30 BGH, Beschl. v. 17.12.1986 – IV b ZB 79/86 = FamRZ 1987, 375 (376); KG, Beschl. v. 9.8.1994 – 1 W 3268/92 = FamRZ 1995, 631 (632); MüKo/Wellenhofer,

§ 1 Voraussetzungen der Vaterschaftsanerkennung

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die Anerkennungserklärung unter der Bedingung der Abgabe der Zustimmung der Mutter erklärt werden.31

D. Formerfordernis Die Vaterschaftsanerkennungserklärung des Mannes und die Zustimmungen, auch die der gesetzlichen Vertreter32, sind formbedürftig. Sie müssen gemäß § 1597 Abs. 1 BGB öffentlich beurkundet werden. Dass die Beurkundungen vor der gleichen beurkundenden Stelle zum gleichen Zeitpunkt vollzogen werden, ist nicht notwendig.33 Als beurkundende Stelle wird ein Urkundsbeamter beim Jugendamt (§§ 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 87e SGB VIII), ein Standesbeamter (§ 44 Abs. 1 PStG)34 oder ein Notar (§ 20 Abs. 1 BNotO) tätig. Darüber hinaus kann die Beurkundung auch beim Rechtspfleger des Amtsgerichts (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG, § 3 Nr. 1f RPflG) oder beim Gericht, bei dem der Antrag in Abstammungssachen gestellt wurde (§ 180 FamFG35), erfolgen. Anerkennungen im Ausland vollziehen Konsularbeamte (§§ 2, 10 KonsG). Vor Beurkundung der Erklärung(en) muss die beurkundende Stelle die Beteiligten der Vaterschaftsanerkennung über deren Folgen aufklären.36 Nach erfolgter Beurkundung sendet die Urkundsperson beglaubigte Abschriften der Erklärungen dem Vater, der Mutter, dem Kind und dem Standesamt, das den Geburtseintrag des Kindes führt, zu (§ 1597 Abs. 2 BGB, § 44 Abs. 3 S. 1 PStG). Liegen dem Standesbeamten alle Erklärungen in beglaubigter Abschrift vor, vermerkt er die Vaterschaft des anerkennenden Mannes am Rande des Ge§ 1594, Rn. 38; Staudinger/Rauscher, § 1594, Rn. 43; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 389; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 32. 31 Staudinger/Rauscher, § 1595, Rn. 43; MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 38. 32 BT-Drucks. 13/4899, S. 85; Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29 PStG, Rn. 19; a. A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 62, wonach für die Zustimmung seitens des gesetzlichen Vertreters eine öffentliche Beglaubigung ausreichen soll. 33 Bamberger/Roth/Hahn, § 1597, Rn. 2; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 484. 34 Der Standesbeamte muss bei der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung ferner die §§ 371–376 der Dienstanweisung für die Standesbeamten (DA) beachten. 35 Durch das am 1.9.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG, BGBl. I 2008, 2586) wurden die bisherigen Regelungen zum familiengerichtlichen Verfahren aus ZPO, FGG, HausratsVO und BGB einheitlich im FamFG integriert; Gesetzentwurf der Bundesregierung: BT-Drucks. 16/6308. Art. 111 FGG-RG sieht vor, dass Verfahren, die vor Inkrafttreten des FGG-RG eingeleitet oder beantragt wurden, sich nach der bisherigen Rechtslage richten; siehe zu den Abstammungssachen nach dem FamFG Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, Vorbem. §§ 169 ff. FamFG; Krause, FamRB 2009, 180–183; Stößer, FamRZ 2009, 923 ff.; Löhnig, FamRZ 2009, 1798 ff.; Zimmermann, FamFG, Rn. 379–385. Einen Überblick über das FGG-RG bietet Hartmann, NJW 2009, 321–324; Kretzschmar/Meysen, FPR 2009, 1–5; Borth, FamRZ 2009, 157–170. 36 Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 652.

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2. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Vaterschaftsanerkennung

burtseintrags des Kindes (§ 27 Abs. 1 PStG).37 Dieser Vorgang wird „Beischreibung“ genannt.38

§ 2 Wirksamkeit Wann eine Vaterschaftsanerkennung wirksam ist, bestimmt § 1598 BGB. Ob darüber hinaus auch die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe zur Anwendung gelangen, wird im Folgenden diskutiert.

A. Der spezielle Unwirksamkeitsgrund des § 1598 BGB § 1598 Abs. 1 BGB besagt, dass die Anerkennungserklärung und die Zustimmung(en) wirksam sind, wenn sie die in §§ 1594–1597 BGB festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Dies sind die oben genannten Voraussetzungen. In dem Moment, in dem alle Wirksamkeitsvoraussetzungen kumulativ vorliegen, wird die Vaterschaftsanerkennung selbst wirksam.39 Fehlt es der Vaterschaftsanerkennung an einer Wirksamkeitsvoraussetzung, hat sie so lange den Status der schwebenden Unwirksamkeit, bis die fehlende Voraussetzung erfüllt wird.40 Gleiches gilt, wenn bereits ein anderer Mann rechtlicher Kindesvater gemäß § 1592 Nr. 1–3 BGB ist. § 1594 Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Vaterschaftsanerkennung nicht wirksam ist, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Erst wenn die bestehende Vaterschaft durch Anfechtung beseitigt wurde, entfaltet die bis dahin schwebend unwirksame Vaterschaftsanerkennung Wirksamkeit.41 Fehlt es lediglich an der Zusendung der beglaubigten Abschriften der beurkundeten Erklärungen an die Beteiligten und den Standesbeamten gemäß § 1597 Abs. 2 BGB, tangiert dies die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung entgegen dem Wortlaut des § 1598 Abs. 1 BGB nicht. Nach überwiegender Ansicht handelt es sich hierbei um eine reine Ordnungsvorschrift und nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung.42 Diese Ansicht ist insofern richtig, als dass der Sta37 Erfolgte eine pränatale Vaterschaftsanerkennung, wird der anerkennende Mann bei der Beurkundung der Geburt des Kindes als Vater in das Geburtenbuch eingetragen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG). 38 Vgl. Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29 PStG, Rn. 13; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 478 f. 39 Palandt/Diederichsen, § 1594, Rn. 5; Schwab, Familienrecht, Rn. 535. 40 Staudinger/Rauscher, § 1598, Rn. 6; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 393; Schlüter, Familienrecht, Rn. 281. 41 AG Bremen, Beschl. v. 20.9.1999 – 48 III 67/1999 = StAZ 2000, 267 (268); vgl. auch OLG Rostock v. 25.1.2008 – 6 W 3/08 = StAZ 2008, 345; Schwab/Wagenitz, FamRZ 1997, 1377 (1378); Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 (359); Hohloch, Familienrecht, Rn. 754. 42 MüKo/Wellenhofer, § 1598, Rn. 14; Staudinger/Rauscher, § 1597, Rn. 22; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 45; Schlüter, Familienrecht, Rn. 281;

§ 2 Wirksamkeit

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tus des Kindes nicht davon abhängig sein kann, ob und wie schnell die beurkundende Stelle ihrer Übersendungspflicht nachkommt. Mangelt es der Vaterschaftsanerkennung an einer Wirksamkeitsvoraussetzung, kann der Mann die Anerkennung widerrufen, wenn seit Beurkundung der Anerkennungserklärung ein Jahr vergangen ist, ohne dass die fehlende Voraussetzung, zum Beispiel die Erteilung der Zustimmung, erfüllt wurde (§ 1597 Abs. 3 S. 1 BGB). An den Widerruf sind, bis auf die Zustimmungsbedürftigkeit, dieselben Anforderungen zu stellen wie an die ursprüngliche Anerkennungserklärung (§ 1597 Abs. 3 BGB). Mutter und gegebenenfalls Kind steht ein vergleichbares Widerrufsrecht ihrer erteilten Zustimmungen nicht zu. Wurde die Vaterschaft trotz Wirksamkeitsmangel eingetragen und sind seit Eintragung der Vaterschaft in ein deutsches Personenstandsbuch fünf Jahre vergangen, wird der Wirksamkeitsmangel automatisch geheilt (§ 1598 Abs. 2 BGB).43 Die Heilung führt zu einer vollwertigen Vaterschaft.44 Sie tritt nur dann nicht ein, wenn die Vaterschaftsanerkennung aufgrund Bestehens einer anderen Vaterschaft schwebend unwirksam ist. Eine Heilung soll Rechtssicherheit bieten.45 Dies wäre mit dem Schaffen einer „Doppelvaterschaft“ nicht vereinbar.

B. Die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe Eine Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung nach § 1598 Abs. 1 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn die Parteien eine der in §§ 1594–1597 BGB verankerten Voraussetzungen nicht erfüllen. Die Vorschriften der §§ 1594–1597 BGB fordern weder einen Nachweis über die biologische Vaterschaft des anerkennenden Mannes, das heißt über dessen tatsächliche Erzeugerstellung, noch über die mit der Vaterschaftsanerkennung verfolgte Intention der Parteien. Damit tangiert es die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung nach § 1598 Abs. 1 BGB nicht, wenn der die Vaterschaft anerkennende Mann nicht der biologische Kindesvater ist46 und/oder wenn die Parteien die Vaterschaftsanerkennung aus anderen Gründen als dem Aufbau einer Vater-Kind-Beziehung vollziehen. Zu denken ist insbesondere an aufenthalts-, erb- oder unterhaltsrechtliche Gründe. Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 391 f.; a. A. Palandt/Diederichsen, § 1598, Rn. 4; Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 (360), wonach es sich auch bei § 1597 BGB um eine Wirksamkeitsvoraussetzung handeln soll. 43 Die Eintragung in ein ausländisches Personenstandsbuch hat keine heilende Wirkung: Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 52; BT-Drucks. V/2370, S. 31; so bezogen auf § 1600f Abs. 2 BGB a. F. 44 BT-Drucks. 13/4899, S. 86. 45 MüKo/Wellenhofer, § 1598, Rn. 24. 46 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.12.2006 – 2 UF 206/06 = juris; Hepting/Gaaz/ Gaaz, § 29 PStG, Rn. 21; Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 53; Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (22).

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2. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Vaterschaftsanerkennung

Fraglich erscheint, ob in solchen Fällen neben dem speziellen Unwirksamkeitsgrund aus § 1598 Abs. 1 BGB die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe der §§ 106, 116 ff., 134, 138 BGB zur Anwendung gelangen können. § 1598 Abs. 1 BGB besagt, dass Anerkennung, Zustimmung und Widerruf „nur“ unwirksam sind, wenn sie den Erfordernissen der vorangegangenen Vorschriften, das heißt der §§ 1594–1597 BGB, nicht genügen. Bereits dem Wortlaut des § 1598 Abs. 1 BGB ist der abschließende Charakter der speziellen und der Ausschluss der allgemeinen Unwirksamkeitsgründe zu entnehmen.47 Auch Sinn und Zweck des § 1598 Abs. 1 BGB sprechen für eine solche Auslegung. Ganz bewusst soll durch nur wenige Unwirksamkeitsgründe eine möglichst dauerhafte Kindeszuordnung zu einem Vater erreicht48 und eine Unsicherheit bezüglich der bestehenden Vaterschaft vermieden werden. Eine solche Interpretation des § 1598 Abs. 1 BGB entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzesbegründung zur Kindschaftsrechtsreform vom 1. Juli 1998 ist zu entnehmen, dass der neu geschaffene § 1598 BGB den Rechtsgedanken des § 1600f BGB a. F. übernehmen soll.49 Für diesen Unwirksamkeitsgrund war anerkannt, dass er die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe ausschloss.50 Darüber hinaus mangelt es an einem Anknüpfungspunkt für die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe. Wie oben festgestellt sind Anerkennungserklärung und Zustimmung reine Willenserklärungen ohne Wissenselement. Bei der Vaterschaftsanerkennung bekunden die Parteien ihren Willen, dass der anerkennende Mann der Kindesvater werden soll. Dass der Mann der biologische Vater des Kindes ist, ist nicht Bestandteil ihrer Willenserklärungen. Ein Umstand, der gar nicht Teil einer Willenserklärung ist, kann nicht zu deren Unwirksamkeit führen. Daher können auch die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe die Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung, bei der der anerkennende Mann bewusst oder unbewusst nicht biologischer Kindesvater ist, nicht beeinflussen.51 Allenfalls könnte in den Fällen, in denen die Vater-

47 VG Oldenburg, Urt. v. 16.4.2008 – 11 A 3178/06 = juris, Rn. 23; KG, Beschl. v. 11.12.2001 – 1 W 193/01 = StAZ 2002, 241 (241); OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = juris, Rn. 14; Erman/Holzhauer, § 1598, Rn. 3; Staudinger/ Rauscher, § 1598, Rn. 7; MüKo/Wellenhofer, § 1598, Rn. 18; Rauscher, FPR 2002, 359 (367). 48 KG, Beschl. v. 11.12.2001 – 1 W 193/01 = StAZ 2002, 241 (241); Palandt/Diederichsen, § 1598, Rn. 1; MüKo/Wellenhofer, § 1598, Rn. 18. 49 BT-Drucks. 13/4899, S. 85. 50 KG, Beschl. v. 11.12.2001 – 1 W 193/01 = StAZ 2002, 241 (241); OVG SachsenAnhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = juris, Rn. 14; BT-Drucks. V/3270, S. 30; Soergel/Gaul, § 1600f BGB a. F., Rn. 2; Lange, NJW 1970, 297 (299); die vereinzelt als andere Auffassung angeführte Entscheidung des OLG Köln, Beschl. v. 7.12.1973 – 16 Wx 109/73 = NJW 1974, 953 f. (so Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 605 f.) beruhte nicht auf einer abweichenden Auslegung des § 1600f a. F. BGB, sondern auf der Annahme, die Übergangsvorschrift des Art. 12 § 3 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes vom 19. August 1970 beziehe sich nicht auf Fälle bewusst wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennungen.

§ 3 Entstehen einer rechtlichen Vaterschaft

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schaftsanerkennung aus einer anderen Intention als der Begründung einer VaterKind-Beziehung vollzogen wird, an die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe gedacht werden, denn hierbei geht es um das Willenselement der Erklärungen. Der äußere Wille der Erklärungen („wir wollen, dass der anerkennende Mann der Kindesvater wird“) könnte mit dem inneren Willen der Erklärungen („wir wollen primär, dass abgeleitet von der Vaterschaft eine bestimmte rechtliche Folge eintritt“) nicht übereinstimmen. Hierbei ist allerdings zu bedenken, dass die primär angestrebte Folge nur durch die Begründung der rechtlich legitimierten Vaterschaft erreicht werden kann. Der Eintritt der rechtlichen Vaterschaft ist daher von den Parteien, wenn auch nicht primär, so doch zumindest als „Durchgangsstadium“ gewollt. Innerer und äußerer Wille der Erklärungen stimmen überein. Im Ergebnis können die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe der §§ 106, 116 ff., 134, 138 BGB die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung nicht beeinflussen.

C. Gerichtliche Feststellung der Wirksamkeit Auf Antrag gemäß §§ 169 Nr. 1, 171 FamFG kann die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung festgestellt werden.52

§ 3 Entstehen einer rechtlichen Vaterschaft Mit einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung entsteht eine Vaterschaft im Rechtssinne.53 Vater und Kind gelten fortan als miteinander verwandt (§ 1589 Abs. 1 BGB). Die rechtliche Vaterschaft wirkt erga omnes (für und gegen alle).54 Sie schließt die Entstehung anderer rechtlicher Vaterschaften aus. Eine Vaterschaftsanerkennung kann sowohl nach als auch – im Interesse einer baldigen Klärung des Personenstandes – vor der Geburt eines Kindes erfolgen (§ 1594 Abs. 4 BGB).55 Bei einer wirksamen vorgeburtlichen (pränatalen) Vater51 So auch Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 53; bezogen auf bewusst wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung so OLG Koblenz, Urt. v. 12.12.2006 – 11 UF 203/06 = juris, Rn. 13; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.3.2008 – 7 A 11276/07 = juris, Rn. 27. 52 Vor Inkrafttreten des FGG-RG wurde die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung durch Klage gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 ZPO a. F. festgestellt. 53 Rauscher, FPR 2002, 352 (352). 54 BGH, Urt. v. 19.3.1975 – IV ZB 28/74 = BGHZ 64, 129 (130); Bamberger/Roth/ Hahn, § 1594, Rn. 3; Luh, S. 69; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 69; Schlüter, Familienrecht, Rn. 275; Hohloch, Familienrecht, Rn. 754; Rauscher, Familienrecht, Rn. 769. 55 Ob auch eine postmortale Vaterschaftsanerkennung, d. h. eine Vaterschaftsanerkennung nach Tod des Kindes, zulässig ist, ist umstritten: bejahend: BayObLG, Beschl. v. 17.7.2000 – 1Z BR 96/00 = StAZ 2000, 369 (370); Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29 PStG,

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2. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Vaterschaftsanerkennung

schaftsanerkennung tritt die rechtlich legitimierte Vaterschaft im Geburtszeitpunkt ein.56 Dadurch ist der Status des Kindes in dessen Interesse schon im Zeitpunkt seiner Geburt geklärt.57 Wird die Vaterschaft für ein Kind nach dessen Geburt wirksam anerkannt, wirkt die rechtliche Vaterschaft auf den Zeitpunkt der Geburt zurück.58 Ab Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung können die aus dem Verwandtschaftsverhältnis resultierenden Rechtswirkungen auch rückwirkend geltend gemacht werden (§ 1594 Abs. 1 BGB).59

§ 4 Zusammenfassung Eine rechtlich legitimierte Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1592 Nr. 2 BGB entsteht, wenn die hierfür erforderlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen kumulativ vorliegen. Dies sind in den überwiegenden Fällen lediglich die öffentlich beurkundete Anerkennungserklärung des Mannes (§ 1597 Abs. 1 BGB), Vater des Kindes werden zu wollen, und die Zustimmung der Mutter zu dieser Erklärung in gleicher Form (§§ 1595 Abs. 1, 1597 Abs. 1 BGB). Der Zustimmung des Kindes neben der Zustimmung der Mutter bedarf es selten (§ 1595 Abs. 2 BGB). Ein Nachweis über die Erzeugerstellung des die Vaterschaft anerkennenden Mannes ist nicht zu erbringen. Auch treffen die Beteiligten der Vaterschaftsanerkennung mit ihren Willenserklärungen keine Aussage hinsichtlich der biologischen Vaterschaft des die Vaterschaft anerkennenden Mannes. Ob der anerkennende Mann der biologische Vater des Kindes ist, wirkt sich daher auf die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung ebenso wenig aus wie die mit der Vaterschaftsanerkennung verfolgte Intention der Parteien. Rn. 34; Jauernig/Berger, § 1598, Rn. 2; Palandt/Diederichsen, § 1594, Rn. 10; ablehnend: Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 56; Krömer, StAZ 2001, 42 f. Ebenso wird die Frage diskutiert, ob nach dem Tod des Mannes eine Vaterschaftsanerkennung erfolgen kann: bejahend: Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 56; Prütting/Wegen/Weinreich/Pieper, § 1594, Rn. 9; Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29 PStG, Rn. 29; Rauscher, FPR 2002, 359 (362); ablehnend: MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 6. Ferner wird die Frage diskutiert, ob nach dem Tod der Mutter eine Vaterschaftsanerkennung erfolgen kann: bejahend: Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 56 und § 1595, Rn. 15; MüKo/Wellenhofer, § 1595, Rn. 8; Palandt/Diederichsen, § 1595, Rn. 4; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 38; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 52; ablehnend: BT-Drucks. 13/4899, S. 54; LG Koblenz, Beschl. v. 1.8.2002 – 2 T 487/02 = StAZ 2003, 303 (303); Bamberger/Roth/Hahn, § 1595, Rn. 4; Prütting/Wegen/Weinreich/Pieper, § 1595, Rn. 1; Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29 PStG, Rn. 27; Jauß, StAZ 2000, 157 (157). 56 Bamberger/Roth/Hahn, § 1594, Rn. 8; MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 41. 57 Bamberger/Roth/Hahn, § 1594, Rn. 8; Palandt/Diederichsen, § 1594, Rn. 9. 58 Staudinger/Rauscher, § 1594, Rn. 9; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 69; Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 25. 59 § 1594 Abs. 1 BGB stellt eine so genannte Rechtsausübungssperre dar: Staudinger/Rauscher, § 1594, Rn. 8; Muscheler, FPR 2005, 177 (179); Rauscher, FPR 2002, 352 (353); Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 (359); Hohloch, Familienrecht, Rn. 753.

§ 5 Exkurs: Vaterschaftsanerkennung als vereinfachte Form der Adoption?

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§ 5 Exkurs: Vaterschaftsanerkennung als vereinfachte Form der Adoption? Da der rechtliche Vater eines Kindes kraft Vaterschaftsanerkennung nicht dessen biologischer Vater sein muss und zusätzlich die Voraussetzungen einer Vaterschaftsanerkennung gering sind, wird in der Literatur vertreten, die Vaterschaftsanerkennung stelle eine vereinfachte Form der Adoption dar. Das bestehende Statussystem führt dazu, dass im Wege der Vaterschaftsanerkennung ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen einem Mann und einem Kind entgegen der biologischen Abstammung geschaffen werden kann. Ähnlich liegt der Sachverhalt bei der Adoption. Durch Annahme eines Kindes entsteht zwischen dem Kind und dem/den Annehmenden ein Verwandtschaftsverhältnis (§§ 1754 f., 1770 BGB).60 Allerdings sind die Voraussetzungen einer Adoption im Vergleich zur Vaterschaftsanerkennung viel umfangreicher. Anders als bei der Vaterschaftsanerkennung erfordert die Minderjährigenadoption stets die Einwilligung des Kindes (§ 1746 BGB) und der biologischen Eltern des Kindes (§ 1747 BGB). Darüber hinaus unterliegt die Adoption nicht der Disposition der Parteien. Es ist eine staatliche Mitwirkung des Familiengerichts erforderlich. Dieses entscheidet auf Antrag über die Annahme des Kindes durch gerichtliche Entscheidung (§ 1752 BGB). Hierbei prüft das Familiengericht unter anderem, ob die Adoption dem Wohl des Kindes entspricht und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (§ 1741 BGB). Bei einer Annahme eines Volljährigen prüft das Familiengericht, ob die Annahme sittlich gerechtfertigt ist (§ 1767 Abs. 1 Hs. 1 BGB). Dies ist dann anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits besteht (§ 1767 Abs. 1 Hs. 2 BGB). Für eine wirksame Vaterschaftsanerkennung ist es irrelevant, ob die Beteiligten den Aufbau einer Vater-Kind-Beziehung anstreben bzw. eine solche bereits besteht. Die Voraussetzungen einer Vaterschaftsanerkennung sind somit weitaus geringer als die einer Adoption. Das führt dazu, dass zum Beispiel in Fällen, in denen der Lebenspartner der Mutter zu dem Kind ein Verwandtschaftsverhältnis begründen möchte, die Beteiligten sich ganz bewusst für den Weg der Vaterschaftsanerkennung anstelle der Adoption entscheiden, um schneller und einfacher ihr Ziel zu erreichen.61

60 Während das minderjährige Kind neben dem Annehmenden auch mit den Verwandten des Annehmenden als verwandt gilt (§§ 1754, 1755 BGB), ist das volljährige Kind nur mit dem Annehmenden verwandt (§ 1770 Abs. 1 S. 1 BGB). 61 In einem solchen Fall muss der Standesbeamte selbst dann die Vaterschaftsanerkennung vollziehen, wenn die Beteiligten sich einige Tage vorher bei ihm bezüglich einer Adoption erkundigt haben: Hochwald, StAZ 2007, 183.

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2. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen der Vaterschaftsanerkennung

Es stellt sich daher die Frage, ob eine bewusst entgegen der biologischen Wahrheit erfolgte Vaterschaftsanerkennung im Grunde eine vereinfachte Form der Adoption darstellt.62 Dies wird von einigen Autoren bejaht.63 Wird allein die Begründung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung betrachtet, so kann dem durchaus zugestimmt werden, da die Voraussetzungen der Adoption weitaus umfangreicher sind als die einer Vaterschaftsanerkennung. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der Gesetzgeber den biologischen Nichtvater des Kindes, der rechtlicher Vater werden will, vor die Wahl stellt, den einfachen Weg der Vaterschaftsanerkennung oder den umständlicheren der Adoption zu gehen. So heißt es in der Gesetzesbegründung zum Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder von 1969: „Die Zahl unrichtiger Vaterschaftsanerkennungen dürfte sich in engen Grenzen halten [. . .] Der Ehemann der Mutter könnte außerdem das Kind adoptieren und hierdurch auf einem umständlichen Weg ein ähnliches Ergebnis erreichen.“64 Betrachtet man neben der Begründung des Statusverhältnisses die Beseitigungsmöglichkeiten der Adoption bzw. der rechtlichen Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung, so verbietet sich ein genereller Vergleich der beiden Institute: Die Vaterschaftsanerkennung ist aufgrund der Anfechtungsmöglichkeit (§§ 1600 ff. BGB)65 nicht dauerhaft gewiss.66 Das Verwandtschaftsverhältnis einer wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung ist somit nicht zwangsläufig gesichert. Wenn etwa das anerkannte Kind die Volljährigkeit erreicht hat, kann es sich entschließen, die Vaterschaft selbständig anzufechten und dafür Sorge zu tragen, dass sein leiblicher Vater auch sein rechtlicher Vater wird. Erst wenn alle Beteiligten einer Vaterschaftsanerkennung ihre Anfechtungsmöglichkeiten haben verstreichen lassen, ist die rechtliche Vaterschaft des anerkennenden Mannes für die Zukunft bestandskräftig. Die Verwandtschaft zwischen dem adoptierten Kind und dem Annehmenden kann nicht in vergleichbarer Weise wie die Vaterschaftsanfechtung beseitigt werden. Zwar kann auch eine Adoption aufgehoben werden (§§ 1759, 1771 BGB), allerdings nur aus wichtigen Gründen, zum Beispiel dann, wenn die Einwilligung widerrechtlich durch Drohung erfolgte (§ 1760 Abs. 1, Abs. 2 lit. d BGB). Sind die Beteiligten einmal den umständlicheren Weg der Adoption gegangen, so ist zumindest das Bestehen des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Mann und Kind auf Dauer eher gewiss als bei der Vaterschaftsanerkennung. 62 Siehe ausführlich zu dieser Frage bezogen auf die alte Rechtslage Frank, Grenzen der Adoption, S. 98–110. 63 Hager, FS Schwab 2005, 773 (778); Frank, StAZ 2006, 281 (281); Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1464); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 472–474; Luh, S. 102; Lipp/ Röthel/Windel, S. 22. 64 BT-Drucks. V/2370, S. 26. 65 Siehe zur Anfechtung der Vaterschaft unten drittes Kapitel, S. 47–59. 66 So auch Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5 f.

§ 5 Exkurs: Vaterschaftsanerkennung als vereinfachte Form der Adoption?

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Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass sowohl die Vaterschaftsanerkennung durch den biologischen Nichtvater als auch die Adoption ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Anerkennendem/Annehmenden und Kind begründet. Dieses Verwandtschaftsverhältnis kann im Wege der Vaterschaftsanerkennung weitaus unproblematischer begründet werden als im Wege der Adoption. Zu beachten ist allerdings, dass die rechtliche Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung im Gegensatz zur Adoption leicht und über einen langen Zeitraum im Wege der Anfechtung beseitigt werden kann. Wenn davon gesprochen wird, dass es sich bei der Vaterschaftsanerkennung um eine vereinfachte Form der Adoption handelt, so kann dem lediglich auf der Ebene der Etablierung der Statusbeziehung zwischen Kind und biologischem Nichtvater und nicht auf der Ebene der Beseitigung dieser Beziehung zugestimmt werden. Hierbei ist allerdings beachtlich, dass es genau die Intention des Gesetzgebers war, einem Mann, der nicht der biologische Vater des Kindes ist, der sich diesem aber verbunden fühlt, im Wege der Vaterschaftsanerkennung die Möglichkeit zu geben, rechtlicher Vater des Kindes zu werden, ohne auf die Voraussetzungen der Adoption zurückgreifen zu müssen.

3. Kapitel

Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts Gemäß § 1592 Nr. 2 BGB kann ein Mann im Wege der Vaterschaftsanerkennung rechtlicher Kindesvater werden, ohne dessen biologischer Vater zu sein. Unter anderem deswegen kann das Institut der Vaterschaftsanerkennung zu staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlichen Zwecken missbraucht werden. Dennoch toleriert der Gesetzgeber bewusst ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft. Die Gründe hierfür werden erst dann verständlich, wenn ein Blick auf die Existenz der Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts geworfen wird. Hierfür wird auf die Abstammung eines Kindes von seinen Eltern generell eingegangen und die geschichtliche Entwicklung der Abstammung vom Vater dargestellt.

§ 1 Grundprinzip der Abstammung Schlägt man in einem Lehrbuch oder Kommentar das Kapitel über die Abstammung auf, lässt sich in abgewandelter Form regelmäßig folgendes lesen: Abstammung ist die biologische Herkunft eines Kindes aus einer Reihe seiner Vorfahren.1 Inwieweit diese Definition in ihrer Pauschalität zutrifft, wird Teil der Diskussion dieses Abschnitts sein.

A. Abstammung von der Mutter Bis 1998 war dem Gesetz nicht zu entnehmen, wer Mutter eines Kindes ist. Gewohnheitsrechtlich ging man von dem Grundsatz „mater semper certa est“2 – die Mutter ist immer gewiss – aus.3 Die Gewissheit, dass die gebärende Frau auch die genetische Mutter ist, ergab sich aus der Geburt des Kindes. Mit dem 1 Palandt/Diederichsen, Einf. v § 1591, Rn. 1; Badenberg, S. 4; Hohloch, Familienrecht, Rn. 737; Dölle, Familienrecht 2, § 105 I, S. 442. 2 Digesta 2,4,5. 3 Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1617 f.; Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 454; OLG Bremen, Urt. v. 6.1.1995 – 5 UF 93/94 = FamRZ 1995, 1291 (1291); BT-Drucks. 13/4899, S. 82; Gaul, FamRZ 1997, 1442, 1463; Rauscher, Familienrecht, Rn. 763.

§ 1 Grundprinzip der Abstammung

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Aufkommen moderner Befruchtungsmethoden war dieser Grundsatz fraglich geworden. Gespaltene Mutterschaften, bei denen eine Frau mittels Eizellen- oder Embryonenspende ein von einer anderen Frau biologisch abstammendes Kind zur Welt bringen kann4, waren fortan möglich5. Der Gesetzgeber sah Regelungsbedarf bezüglich der Frage, ob in einem solchen Fall die austragende Frau oder die Eispenderin die Mutter des geborenen Kindes sein soll.6 Mit der Kindschaftsrechtsreform wurde § 1591 BGB eingeführt, der den bis dahin gewohnheitsrechtlich verankerten Grundsatz – Mutter ist die Frau, die es geboren hat – gesetzlich normierte. Vor allen Dingen die Praxistauglichkeit sprach für die abstammungsrechtliche Zuordnung eines Kindes zu der gebärenden Frau, denn nur die Geburt als Tatbestand der Mutterschaft kann zu einer eindeutigen und gleichzeitig schnellen Statuszuordnung führen.7 Aber auch dem Aspekt, dass durch Schwangerschaft und Geburt eine enge körperliche und psychosoziale Beziehung zwischen der austragenden Frau und dem Kind entsteht, wurde eine gewichtige Bedeutung beigemessen.8 Berücksichtigt wurde ferner das existierende Verbot der Embryo- und Eispende gemäß § 1 EmbryonenschutzG sowie das Verbot der Ersatzmuttervermittlung (§§ 13a–13d AdVermiG). Unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung erscheint es konsequent, die Frau, die die Eizelle oder das Embryo gespendet hat, nicht als Mutter im Rechtssinne festzulegen.9 Mit der Anknüpfung an die Geburt bestand für eine Anerkennung der Mutterschaft kein Regelungsbedarf.10 Auch wurde die Möglichkeit einer anonymen Geburt ausgeschlossen.11

4 Siehe ausführlich zur Eizellen- und Embryonenspende Mutschler, FamRZ 1996, 1381 (1381); Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 222; Luh, S. 74 ff.; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 6; Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 5; Hohloch, Familienrecht, Rn. 734; siehe zu den unterschiedlichen künstlichen Fortpflanzungsmethoden Harder, JuS 1986, 505 ff. und zur so genannten Leihmutterschaft Goeldel, S. 4 f.; siehe zu der Diskussion im internationalen Vergleich Henrich, FS Schwab 2005, 1141 ff. 5 Zu der damaligen Diskussion, wer Mutter eines Kindes war, siehe Deichfuß, S. 192 ff. 6 BT-Drucks. 13/4899, S. 45, 82; Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 407 (411). 7 MüKo/Wellenhofer, Vor § 1599, Rn. 16; Helms, FuR 1996, 178 (187); Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 30 f.; Schlüter, Familienrecht, Rn. 268. 8 BT-Drucks. 13/4899, S. 82; Helms, FuR 1996, 178 (187); Badenberg, S. 51; Hohloch, Familienrecht, Rn. 744; kritisch hierzu Henrich, FS Schwab 2005, 1141 (1151), der behauptet, „dass dem Kind nicht damit geholfen ist, dass die Leihmutter während der Schwangerschaft und bei der Geburt eine körperliche und psychologische Beziehung zu dem Kind aufgebaut haben mag. Überlässt sie es den Wunscheltern, so gibt sie damit zu erkennen, dass sie gerade keine Mutterschaftsbeziehung zu dem Kind entwickelt hat“. 9 So auch Henrich, FS Schwab 2005, 1141 (1151). 10 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 454; zwar existiert § 44 Abs. 2 PStG, der vorsieht, dass auch die Erklärungen zur Anerkennung der Mutterschaft vom Standesbeamten beurkundet werden können. Eine

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

B. Abstammung vom Vater Von welchem Vater ein Kind abstammt, bestimmen die Zuordnungstatbestände des § 1592 Nr. 1–Nr. 3 BGB. I. Begründung einer rechtlichen Vaterschaft Ist die Mutter im Geburtszeitpunkt verheiratet, bestimmt das Gesetz den Ehemann der Mutter als rechtlichen Vater des Kindes (§ 1592 Nr. 1 BGB). Die rechtlich legitimierte Vaterschaft tritt mit der Geburt des Kindes ein.12 Ob der Zeugungszeitpunkt bzw. die künstliche Befruchtung inner- oder außerhalb der Ehe liegt, ist nach heutiger Rechtslage irrelevant.13 Einzige Ausnahme dieses Grundsatzes findet sich in § 1593 BGB. Dieser regelt den Fall der Beendigung der Ehe durch Tod des Ehemannes. Der verstorbene Ehemann wird auch dann noch von Gesetzes wegen Vater des Kindes, wenn das Kind innerhalb von dreihundert Tagen nach dessen Tod geboren wird (§ 1593 S. 1 BGB) oder wenn festgestellt werden kann, dass das Kind mehr als dreihundert Tage vor seiner Geburt und damit vor dem Tod des Ehemannes empfangen wurde (§ 1593 S. 2 BGB). Der Gesetzgeber sah in diesem Fall keinen Grund dafür, von der alten Regelung, die anstelle des Geburtzeitpunktes auf den Zeugungszeitpunkt innerhalb der Ehe abstellte, abzusehen. Anders als bei Auflösung der Ehe unter Lebenden, liegen bei Auflösung der Ehe durch Tod keine Anhaltspunkte für ein Zerwürfnis der Eheleute im Empfängniszeitpunkt vor, so dass die Wahrscheinlichkeit für die biologische Vaterschaft des Ehemannes hoch ist.14 Sobald die gebärende Frau allerdings bei Geburt des Kindes mit einem neuen Mann verheiratet ist, wird dieser rechtlicher Kindesvater (§ 1593 S. 3 BGB). Ist die Mutter im Geburtszeitpunkt verheiratet (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder ist der verstorbene Ehemann der Mutter dem Kind als Vater zugeordnet (§ 1593 BGB), kann ein anderer Mann nur dann gemäß § 1599 Abs. 2 BGB rechtlicher Vater des Kindes werden, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wurde.15 Dieser Mann muss die Vaterschaft für das Kind bis zum Ablauf solche Beurkundung kommt aber nur bei Anwendung ausländischer Rechtsordnungen, die eine Mutterschaftsanerkennung kennen, in Betracht. 11 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 454; Deichfuß, S. 189; zu der Frage der anonymen Geburt ausführlich Frank/Helms, FamRZ 2001, 1340 ff. 12 Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 9; Rauscher, Familienrecht, Rn. 771. 13 Das vor dem 1.7.1998 geltende Recht ging davon aus, dass ein Kind auch dann von dem Ex-Ehemann der Mutter abstamme, wenn es innerhalb bestehender Ehe gezeugt wurde, aber erst nach rechtskräftiger Scheidung geboren wurde (§§ 1591, 1592 BGB a. F.). 14 BT-Drucks. 13/4899, S. 83. 15 Siehe ausführlich zu § 1599 Abs. 2 BGB: Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 43 ff.; Zimmermann, DNotZ 1998, 404 (410).

§ 1 Grundprinzip der Abstammung

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eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils wirksam anerkannt (§ 1599 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BGB)16 und der (frühere) Ehemann der Mutter muss der Vaterschaftsanerkennung zugestimmt haben (§ 1599 Abs. 2 S. 2 BGB).17 Die Vaterschaftsanerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils wirksam (§ 1599 Abs. 2 S. 3 BGB). Die Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass es unter Berücksichtigung des grundsätzlich erforderlichen Trennungsjahres bei einer Scheidung (§ 1565 Abs. 2 BGB) wahrscheinlich ist, dass ein Kind von einem neuen Partner der Mutter biologisch abstammt.18 Abgesehen von § 1599 Abs. 2 BGB kann ein Mann nur dann die Vaterschaft für ein Kind gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen, wenn die Mutter im Geburtszeitpunkt nicht verheiratet ist und auch keine Vaterschaft des verstorbenen Ehemannes der Mutter besteht. Tritt eine Kollision zwischen pränataler Vaterschaftsanerkennung und Vaterschaft kraft Ehe der Mutter auf, wird der Ehemann der rechtliche Kindesvater.19 Die pränatale Vaterschaftsanerkennung bleibt schwebend unwirksam (§ 1594 Abs. 2 BGB). Die Vaterschaftsanerkennung geht dem dritten Vaterschaftszuordnungstatbestand, der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (§§ 1592 Nr. 3, 1600d BGB) grundsätzlich vor.20 Zwar begründen beide Vaterschaftszuordnungstatbestände die rechtliche Vaterschaft bei einer außerehelichen Geburt gleichwertig21, die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung erfolgt allerdings nicht auf freiwilliger Basis aller Beteiligten, sondern auf Antrag (§§ 169 Nr. 1, 171 FamFG)22. Wegen ihres 16 Ob die Jahresfrist auch dann gewahrt ist, wenn lediglich die Anerkennungserklärung abgegeben wurde, die anderen Wirksamkeitserfordernisse einer Vaterschaftsanerkennung allerdings noch nicht vorliegen, ist umstritten; siehe zu der Frage Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 62 m.w. N. 17 Auch die Zustimmung des Ehemannes muss bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Urteils erfolgen: AG Darmstadt, Beschl. v. 12.2.2008 – 41 III 136/07 = StAZ 2008, 179. 18 MüKo/Wellenhofer, § 1599, Rn. 50; Palandt/Diederichsen, § 1599, Rn. 9; Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 61 f.; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 54. 19 AG Bremen, Beschl. v. 20.9.1999 – 48 III 67/1999 = StAZ 2000, 267 f.; Weinreich/Klein/Pieper, § 1594, Rn. 3; Palandt/Diederichsen, § 1594, Rn. 9; Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 55. 20 Siehe explizit zur gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 71–159. 21 Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 36a; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I, Rn. 5. 22 Vor Inkrafttreten des FGG-RG wurde die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung durch Klage des Mannes, der sich für den Kindeserzeuger hielt, gegen das Kind (§ 1600e Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB a. F.) oder durch Klage des Kindes oder der Kindesmutter gegen den Mann (§ 1600e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB a. F.) auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Vaterschaft (§ 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a. F.) eingeleitet. Waren die Personen, gegen die sich die Klage nach § 1600e Abs. 1 BGB gerichtet hätte,

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

Elements der Freiwilligkeit und der mangelnden staatlichen Intervention ist die Vaterschaftsanerkennung der gerichtlichen Feststellung gegenüber rechtspolitisch vorrangig.23 Wenn die Beteiligten zu einer Vaterschaftsanerkennung bereit sind, fehlt einem Vaterschaftsfeststellungsantrag in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis.24 Sind sich die Beteiligten allerdings, trotz grundsätzlicher Bereitschaft zur freiwilligen Vaterschaftsanerkennung, der biologischen Vaterschaft des Mannes nicht sicher und wollen sie sich hierüber Klarheit verschaffen, so darf ihnen das Rechtsschutzbedürfnis des Feststellungsantrags nicht versagt werden.25 Bei erfolgreicher gerichtlicher Vaterschaftsfeststellung stellt das Familiengericht mit Wirkung für und gegen alle die Vaterschaft des Mannes fest (§ 184 Abs. 2 FamFG). Ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung können die Rechtswirkungen der rechtlichen Vaterschaft geltend gemacht werden (§ 1600d Abs. 4 BGB).26 Die genannten Vaterschaftszuordnungstatbestände des § 1592 Nr. 1–3 BGB schließen sich gegenseitig aus27, um das Entstehen von Doppelvaterschaften zu vermeiden28. Darüber hinaus sind sie abschließend29 und indisponibel30. Eine statusrechtliche Zuordnung zum Vater auf anderem Wege ist daher nicht erreichbar. So können die Beteiligten zum Beispiel nicht einen anderen Mann als den

verstorben, so wurde auf Antrag der klagebefugten Personen entschieden (§ 1600e Abs. 2 BGB). Wer mit Abschaffung des § 1600e BGB a. F. Antragsteller einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung sein kann, ist insofern unklar, als dass es materiell rechtlich nicht geregelt ist; siehe hierzu Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 172 FamFG, Rn. 14. 23 MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 2; Rauscher, Familienrecht, Rn. 768; a. A. Oberloskamp, FuR 1991, 263 (266). 24 Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 169 FamFG, Rn. 4; bezogen auf die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des FGG-RG: Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 36a f.; RGRK/Böckermann, § 1600a a. F., Rn. 21; MüKo-ZPO/Coester-Waltjen, § 640 ZPO, Rn. 28, 31; Wieser, NJW 1998, 2023 (2025); Rauscher, Familienrecht, Rn. 768; a. A. Schlüter, Familienrecht, Rn. 283; bezogen auf die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des FGG-RG: KG, Beschl. v. 29.11.1993 – 3 W 7100/93 = FamRZ 1994, 909 ff.; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 82 ff. 25 Ähnlich Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 624, der darauf hinweist, dass das Rechtsschutzbedürfnis der Vaterschaftsfeststellungsklage bei Bereitschaft der freiwilligen Vaterschaftsanerkennung nur dann ausgeschlossen ist, wenn an der biologischen Vaterschaft des Mannes kein Zweifel besteht. 26 Wie bei der nachgeburtlichen Vaterschaftsanerkennung können die Parteien die Rechtswirkungen der rechtlichen Vaterschaft allerdings rückwirkend geltend machen: Staudinger/Rauscher, § 1600d, Rn. 7. 27 Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 11; Seidel, FPR 2005, 181 (181); Muscheler, FPR 2005, 177 (177); Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 7; Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 52 I, Rn. 5; Schwab, Familienrecht, Rn. 521. 28 Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 63. 29 Will, FPR 2005, 172 (173); Seidel, FPR 2005, 181 (181); Luh, S. 91. 30 Luh, S. 69; Rauscher, Familienrecht, Rn. 767.

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Ehemann der Mutter als rechtlichen Vater bestimmen. § 1599 Abs. 2 BGB ist die einzige gesetzlich normierte Ausnahme zu dem Grundsatz der Indisponibilität.31 II. Spannungsfeld zwischen rechtlicher Zuordnung und biologischer Herkunft Die oben dargestellte rechtliche Abstammungszuordnung zu einem bestimmten Mann als Vater ist von der biologischen Abstammung zu unterscheiden. Ein Kind stammt von dem Mann biologisch ab, der es auf natürliche oder künstliche Weise (künstliche Insemination) gezeugt hat. Im Wege der künstlichen Insemination wurde das Kind dann gezeugt, wenn die Eizelle der Mutter mittels Samenspende mit dem Samen des Mannes befruchtet wurde.32 In der überwiegenden Anzahl der Fälle wird man davon ausgehen können, dass rechtliche und biologische Vaterschaft übereinstimmen.33 Da die rechtliche Zuordnung zu dem Mann als Vater, der mit der Mutter verheiratet ist bzw. verheiratet war, und dem Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, ohne einen Nachweis über dessen Erzeugerstellung erfolgt, kommt es in manchen Fällen allerdings auch zum Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft. So zum Beispiel, wenn eine Ehefrau einen Ehebruch begeht und trotz allem der Ehemann als rechtlich legitimierter Vater gilt (§ 1592 Nr. 1 BGB). Ist der Ehemann unfruchtbar und findet im gegenseitigen Einvernehmen der Eheleute eine heterologe Insemination34 (künstliche Befruchtung der Frau durch Samenspende eines anderen Mannes35) der Ehefrau statt, so ist ebenfalls nicht der Samenspender, sondern der Ehemann der Mutter gemäß § 1592 Nr. 1 BGB der rechtliche Kindesvater. Bezogen auf die Vaterschaftsanerkennung kann allein der Umstand, dass die Mutter im Empfängniszeitraum mit mehreren Männern verkehrt hat und sie sich bezüglich der Erzeugerstellung irrt, dazu führen, dass ein Mann die Vaterschaft wirksam anerkennt, der nicht der biologische Vater des Kindes ist. Weder 31 Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 395; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I, Rn. 6. 32 Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (399); Rütz, S. 6 f. 33 BT-Drucks. 16/6561, S. 8; bezogen auf den Ehemann der Mutter so Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 331; Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 8; Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 II, Rn. 27. 34 Die heterologe Insemination ist von der homologen Insemination zu unterscheiden, bei der die Ehefrau künstlich mit Samen ihres Ehemannes befruchtet wird: Spickhoff, AcP 197 (1997), 399; Beitzke, Rechtsvergleichende Bemerkungen zum künstlich gezeugten Kind, 49 (50 ff.); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 113; Deichfuß, S. 171; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 6; Luh, S. 74. 35 Spickhoff, AcP 197 (1997), 399; Stern, Staatsrecht Bd. IV/1, S. 533; Ernst, S. 70; Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 113; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 6; siehe Rütz zu rechtlichen Fragen verbunden mit der heterologen Insemination.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

das Kriterium der Ehe noch das der Vaterschaftsanerkennung kann daher eine Garantie für das Übereinstimmen rechtlicher und biologischer Vaterschaft bieten. Anders liegt es bei der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB). Der Normzweck dieses Zuordnungstatbestandes besteht darin, den biologischen Vater des Kindes festzustellen.36 Aufgrund des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) erforscht das Gericht von Amts wegen mit Hilfe medizinisch-naturwissenschaftlicher Gutachten die biologische Vaterschaft, die dann Grundlage der richterlichen Entscheidung wird.37 Reichen solche Gutachten als Beweismittel nicht aus, wird auf die Vermutungsregel des § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB zurückgegriffen.38 Diese besagt, dass Vater eines Kindes der Mann ist, der der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat.39 Aufgrund der fortgeschrittenen Entwicklung im naturwissenschaftlichen Bereich gelangt die Vermutungsregel heute nur noch selten zur Anwendung.40 Das bedeutet im Ergebnis, dass die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung in der Mehrzahl der Fälle auf fundierten medizinisch-genetischen Untersuchungen beruht, was zur Übereinstimmung von rechtlicher und biologischer Vaterschaft führt. Wird ein Kind nach einem der Zuordnungstatbestände der §§ 1592, 1593 BGB abstammungsrechtlich einem Vater zugeordnet, von dem es biologisch nicht abstammt, bestimmt allein die Abstammung im Rechtssinne den Personenstand als den für zahlreiche Rechtsverhältnisse maßgebenden Status. Nur sie führt zu einem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kind und Elternteil gemäß § 1589 Abs. 1 BGB mit den daraus resultierenden Rechtswirkungen. Zwischen dem biologischen Vater und dem Kind hingegen besteht keinerlei Vater-Kind-Verhältnis mit Rechten und Pflichten. Nur in Ausnahmefällen greift die Rechtsordnung auf 36 BayObLG, Beschl. v. 21.4.1999 – 1ZBR 124/98 = FamRZ 1999, 1363 (1364); BGH, Urt. v. 19.12.1990 – XII ZR 31/90 = NJW 1991, 2961 (2962); BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XII ZR 155/92 = NJW 1994, 1348 (1349); Staudinger/Rauscher, § 1600d, Rn. 3, Palandt/Diederichsen, § 1600d, Rn. 1; Wieser, NJW 1998, 2023 (2025); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 158; Schlüter, Familienrecht, Rn. 284; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 IV, Rn. 82. 37 BGH, Beschl. v. 17.1.2007 – XII ZB 154/06 = FamRZ 2007, 549 (549); BayObLG, Beschl. v. 21.4.1999 – 1 ZBR 124/98 = FamRZ 1999, 1363 (1365); BGH, Urt. v. 19.12.1990 – XII ZR 31/90 = NJW 1991, 2961 (2962); BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XII ZR 155/92 = NJW 1994, 1348 (1349); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 137; siehe zu den einzelnen Abstammungsbegutachtungen MüKo-ZPO/Damrau, § 372a, Rn. 8–12; Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 79 ff.; Reichelt, DNA-Technologie, S. 17 ff.; Hohloch, Familienrecht, Rn. 763; Schlüter, Familienrecht, Rn. 288 ff. 38 BayObLG, Beschl. v. 21.4.1999 – 1ZBR 124/98 = FamRZ 1999, 1363 (1364); Staudinger/Rauscher, § 1600d, Rn. 16 ff.; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 142. 39 § 1600d Abs. 3 legt die Empfängniszeit fest. 40 BT-Drucks. 13/4899, S. 88; BayObLG, Beschl. v. 21.4.1999 – 1ZBR 124/98 = FamRZ 1999, 1363 (1365); jurisPK-BGB/Nickel, § 1600d, Rn. 25; Badenberg, S. 57; Genenger, Vom Erzeuger zum Vater?, S. 53.

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die biologische Herkunft anstelle der rechtlichen Abstammungszuordnung zurück, so zum Beispiel bei dem Eheverbot zwischen Verwandten (§ 1307 BGB) und dem Straftatbestand des Beischlafs zwischen Verwandten (§ 173 StGB).41 1. Zum Begriff der „Scheinvaterschaft“ Fallen rechtliche und biologische Vaterschaft auseinander, wird weit verbreitet von dem rechtlichen Vater als dem „Scheinvater“ gesprochen.42 Da bei einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung biologische und rechtliche Vaterschaft nahezu immer übereinstimmen, liegt eine „Scheinvaterschaft“ überwiegend bei Kindeszuordnung kraft Ehe mit der Mutter (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder kraft Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) vor. Diskussionswürdig ist die Frage, ob der Begriff „Scheinvaterschaft“ in dem Zusammenhang überhaupt verwendet werden sollte. a) Begriffliche Anlehnung an das Scheingeschäft Der Begriff der „Scheinvaterschaft“ könnte sich von dem Scheingeschäft gemäß § 117 BGB ableiten. Das Scheingeschäft wird dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien einverständlich empfangsbedürftige Willenserklärungen gerichtet auf einen Vertragsschluss abgeben, um den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorzurufen. Die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen wollen sie dagegen nicht eintreten lassen.43

41 Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (340 f.); Feuerborn, FamRZ 1991, 514 (517); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 120; Genenger, Vom Erzeuger zum Vater?, S. 35; Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I, Rn. 11; obwohl der Wortlaut des § 1307 nicht eindeutig bestimmt, dass es sich um die biologische Abstammung handelt, ist dies nicht zuletzt aufgrund des Sinn und Zwecks der Vorschrift anerkannt: Staudinger/Strätz, § 1307, Rn. 6; siehe zu den Ausnahmen in letzter Zeit, die an die biologische Vaterschaft anknüpfen unten drittes Kapitel, S. 75 ff. 42 BFH, Urt. v. 14.6.2005 – IX B 192/03 = juris; BGH, Urt. v. 17.2.1993 – XII ZR 238/91 = NJW 1993, 1195 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 23.2.2006 – 7 UF 457/05 = jurisPR-FamR 13/2006 Anm. 4; OLG Jena, Urt. v. 5.8.2005 – 1 UF 55/01 = jurisPRFamR 5/2006 Anm. 3; OLG Jena, Urt. v. 15.3.2006 – 4 U 159/05 = NJW 2007, 229; Mach-Hour, FPR 2009, 147 (147); Holzhauer, FamRZ 1982, 109 (112); Zimmermann, FuR 2008, 569 (569); Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (340); Coester, JZ 1992, 809 (810); Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 401 (408); Frank, StAZ 2003, 129 (139); Luh, S. 3; Zimmermann, Scheinvaterschaften, u. a. auf S. 1; Hohloch, Familienrecht, Rn. 722; Tilch/Arloth/Wax, Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 3, S. 4388; Der Spiegel, „Der Rächer“, 19/2006, 96 (97); FAZ v. 1.3.2005, „Scheinvater werden ist nicht schwer“, S. 4. 43 BGH, Urt. v. 25.10.1961 – V ZR 103/60 = BGHZ 36, 84 (87 f.); Soergel/Hefermehl, § 117, Rn. 1; Prütting/Wegen/Weinreich/Ahrens, § 117, Rn. 1; Palandt/Ellenberger, § 117, Rn. 3; Musielak, Grundkurs BGB, Rn. 319; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 35, Rn. 18; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 402.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

aa) Anwendbarkeit bei Zuordnung kraft Ehe Ist die Mutter im Geburtszeitpunkt verheiratet, erfolgt die Kindeszuordnung zu dem Ehemann gemäß § 1592 Nr. 1 BGB von Gesetzes wegen. Bezüglich der rechtlichen Vaterschaft geben die Parteien keinerlei Erklärungen ab. Ein Scheingeschäft kann mangels Willenserklärungen nicht vorliegen. Allenfalls könnte bei der Ehe als Anknüpfungspunkt für die Willenserklärungen angesetzt werden. Die Parteien könnten die Ehe schließen wollen, nicht um eine eheliche Lebensgemeinschaft zu gründen, sondern allein damit der Ehemann rechtlicher Kindesvater wird. In diesem Fall geben die Eheleute allerdings keine Erklärungen bezüglich der rechtlichen Vaterschaft ab, sondern nur bezüglich der ehelichen Lebensgemeinschaft. Es entsteht die Frage, ob die Ehe als „Scheinehe“ bezeichnet werden kann und nicht ob die Vaterschaft eine „Scheinvaterschaft“ darstellt. bb) Anwendbarkeit bei Zuordnung kraft Vaterschaftsanerkennung Ein Bezug zum Scheingeschäft kommt daher nur in den Fällen einer Statuszuordnung kraft Vaterschaftsanerkennung in Betracht. (1) Direkte Anwendung des § 117 BGB Bei einer Vaterschaftsanerkennung geben die Beteiligten Willenserklärungen ab, an welche Rechtsfolgen geknüpft werden. Die Erklärungen sind allerdings keine empfangsbedürftigen Willenserklärungen, die einen Vertrag bilden, was Voraussetzung eines Scheingeschäfts ist. Dieser Umstand spricht dagegen, von einer „Scheinvaterschaft“ aufgrund des Bestehens eines Scheingeschäfts auszugehen. Auch im Eherecht wird darüber diskutiert, ob der Begriff „Scheinehe“ für eine Ehe, die nur mit dem Ziel geschlossen wird, einem Partner Vorteile (meist aufenthaltsrechtliche) zu verschaffen, verwendet werden kann.44 Anders als die Vaterschaftsanerkennung stellt die Ehe einen Vertrag dar, so dass sich in diesem Fall eher ein Vergleich der „Scheinehe“ mit dem Scheingeschäft anbietet. (2) Entsprechende Anwendung des § 117 BGB Obwohl es sich bei der Vaterschaftsanerkennung um keinen Vertrag handelt, könnte es trotz allem sinnvoll sein, von einer „Scheinvaterschaft“ zu sprechen, wenn dem Scheingeschäft und der „Scheinvaterschaft“ eine ähnliche Situation 44 Zu dem Begriff der „Scheinehe“ siehe Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (83); Henrich, FS Rolland 1993, 167 (167), Fn. 1; Wysk, S. 112 f.; Conring, S. 15 f.; Kartzke, S. 7 f.; Diekmann, S. 18–20; Eisfeld, Scheinehe, S. 2.

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zugrunde liegt. Diese ähnliche Situation könnte sich aus dem ungewollten Rechtsfolgeneintritt des Rechtsgeschäfts ergeben. Bezogen auf die Vaterschaftsanerkennung könnte der Eintritt der rechtlichen Vaterschaft nicht gewollt sein. Damit würden die Fälle ausscheiden, in denen der biologische Nichtvater nicht nur erklärt, rechtlicher Kindesvater mit allen Rechten und Pflichten werden zu wollen, sondern in denen er es auch tatsächlich werden will. Verbleiben würden die Fälle, bei denen die Beteiligten die Vaterschaftsanerkennung vollziehen, nicht um eine Vater-Kind-Beziehung zu begründen, sondern um lediglich den Eintritt einer bestimmten von der Vaterschaftsanerkennung abgeleiteten Rechtsfolge zu erreichen. Bezogen auf das Scheingeschäft ist allerdings anerkannt, dass ein solches dann nicht vorliegt, sobald die Beteiligten auch nur irgendeine aus der Wirksamkeit des Geschäfts resultierende Rechtsfolge anstreben.45 Verfolgen die Parteien mit der Vaterschaftsanerkennung ein anderes Ziel als die Begründung eines Vater-Kind-Verhältnisses, so ist dieses Ziel trotz allem Rechtsfolge der Vaterschaftsanerkennung und kann nur durch deren Wirksamkeit erreicht werden. Von einer „Scheinvaterschaft“ kann somit auch nicht deswegen gesprochen werden, weil einer solchen eine ähnliche Situation wie einem Scheingeschäft zugrunde liegt. cc) Auseinanderfallen von verfassungsrechtlich geschützter und zivilrechtlich wirksamer Vaterschaft Bei der Diskussion um den Begriff der „Scheinehe“ wird von einigen Befürwortern an vergleichbarer Stelle eingewandt, dass zwar die Begründung einer zivilrechtlich wirksamen Ehe gewollt ist, mangels Interesse an einer ehelichen Lebensgemeinschaft aber nicht die Begründung einer verfassungsrechtlich geschützten Ehe. Letztere besitze allerdings eine vorrangige Position.46 Dieses Argument könnte auf die Frage des Begriffs der „Scheinvaterschaft“ übertragen werden. Dann ließe sich behaupten, das Eingehen einer verfassungsrechtlich geschützten Vaterschaft ist von den Beteiligten einer „Scheinvaterschaft“ nicht gewollt, weil der Mann keine Elternverantwortung für das Kind übernehmen will und soll. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass bei einem Scheingeschäft gemäß § 117 BGB einzig und allein darauf abgestellt wird, ob die Parteien den Eintritt der zivilrechtlichen Folgen anstreben.47 Ob sie auch den verfassungsrechtlichen Schutz ihres Rechtsgeschäfts wollen, ist irrelevant. Will man den Begriff der 45 In einem solchen Fall spricht man von einem Umgehungsgeschäft, das von § 117 BGB nicht erfasst ist; siehe hierzu BGH, Urt. v. 18.11.1976 – VII ZR 150/75 = BGHZ 67, 334 (338 f.); BGH, Urt. v. 5.7.1993 – II ZR 114/92 = NJW 1993, 2609 (2610); BGH, Urt. v. 25.10.1961 – V ZR 103/60 = BGHZ 36, 84 (88). 46 Henrich, FS Rolland 1993, 167, Fn. 1; Conring, S. 16. 47 Soergel/Hefermehl, § 117, Rn. 6.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

„Scheinehe“ bzw. der „Scheinvaterschaft“ an dem Scheingeschäft anlehnen, so ist nicht verständlich, weswegen hierbei auch auf den Willen bezüglich der verfassungsrechtlichen Rechtsfolgen abgestellt werden sollte. Darüber hinaus erscheint die Übertragung von Argumenten aus der Diskussion um die Begrifflichkeit der „Scheinehe“ nicht sinnvoll. Der so genannten „Scheinehe“ liegt eine ganz andere Situation zugrunde als der „Scheinvaterschaft“. Von einer „Scheinehe“ wird gesprochen, wenn die Beteiligten keine eheliche Lebensgemeinschaft eingehen wollen. Eine „Scheinvaterschaft“ liegt hingegen bei einem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft vor. Davon erfasst sind nicht nur die Konstellationen, in denen die Beteiligten kein Interesse an der Begründung eines Vater-Kind-Verhältnisses haben, sondern auch die Konstellationen, in denen der biologische Nichtvater Elternverantwortung für das Kind übernimmt bzw. übernehmen möchte. b) Begriffliche Anlehnung an den Rechtsschein Die „Scheinvaterschaft“ könnte begrifflich auch an den Rechtsschein angelehnt sein.48 Ein Rechtsschein liegt vor, wenn ein Dritter aufgrund eines sich ihm bietenden Erscheinungsbildes, das Bestehen einer Rechtsposition annehmen darf, obwohl eine solche in Wirklichkeit nicht besteht.49 Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten wird die Situation so behandelt, als ob dem Handelnden die vermeintlichen rechtlichen Befugnisse zustehen. So wird zum Beispiel derjenige im Rechtsverkehr als Erbe behandelt, der im Erbschein als solcher bezeichnet ist, obwohl er nach dem Willen des Erblassers nicht Erbe werden sollte (§§ 2365, 2366 BGB).50 Bei einer „Scheinvaterschaft“ wird der Mann unabhängig davon, ob er der Erzeuger des Kindes ist, dessen rechtlicher Vater. Zwischen Vater und Kind entsteht eine Verwandtschaftsbeziehung, aus der sich Rechte und Pflichten ableiten lassen. Damit besteht nicht nur der „Rechtsschein“ der Vaterschaft, der im Außenverhältnis so behandelt wird, als ob eine wahre Vaterschaft besteht, sondern die rechtliche Vaterschaft wurde wirksam begründet und wird aufgrund dessen im Rechtsverkehr so behandelt.51 48 So Weinreich/Klein/Pieper, § 1594, Rn. 1; Badenberg, S. 55; Schlüter, Familienrecht, Rn. 281. 49 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 562 bezogen auf die Duldungs- und Anscheinsvollmacht; Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 342. 50 Andere Rechtsscheintatbestände sind: Rechtsscheinvollmacht, (§§ 170–173 BGB), Anscheins- und Duldungsvollmacht, Rechtsschein kraft Eintragung/Nichteintragung ins Handelsregister (§§ 5, 15, 176 HGB), Rechtsschein kraft Grundbucheintrag (§ 892 BGB). 51 BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = FamRZ 2007, 21 (21) = NJW 2007, 425 (426); MüKo/Seidel, § 1592, Rn. 8; Staudinger/Rauscher, § 1592, Rn. 34c;

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Der Begriff der „Scheinvaterschaft“ lässt sich daher auch nicht vom Rechtsscheinsbegriff ableiten. c) Begriffliche Verankerung im allgemeinen Sprachgebrauch Auch wenn die terminologische Verwendung der „Scheinvaterschaft“ juristisch nicht fundiert sein mag, so könnte an der Begrifflichkeit mit der Begründung festgehalten werden, dass die „Scheinvaterschaft“ eindeutig eine bestimmte Situation widerspiegelt. Es wäre denkbar, dass man sich unter einer „Scheinvaterschaft“ eine Vaterschaft vorstellen kann, die nur zum Schein und nicht tatsächlich besteht. Hierbei könnte an „Schein“ im Gegensatz zu „Wahrheit“ gedacht werden.52 Eine solche Vorstellung würde mit der rechtlichen Lage nicht in Einklang stehen, da die rechtliche Vaterschaft zu einer vollwertigen Statuszuordnung mit allen Rechten und Pflichten führt.53 Somit kann mit dem Begriff der „Scheinvaterschaft“ keine eindeutige Konstellation assoziiert werden. Auch hat sich die Begrifflichkeit bislang nicht derart im allgemeinen Sprachgebrauch verfestigt, dass von einem Eigenbegriff gesprochen werden kann.54 2. Ergebnis Fallen rechtliche und biologische Vaterschaft auseinander, kann weder vom Scheingeschäft noch vom Rechtsschein abgeleitet von einer „Scheinvaterschaft“ gesprochen werden. Auch hat sich der Begriff der „Scheinvaterschaft“ noch nicht als Eigenbegriff durchgesetzt. Die Befürworter des Begriffs der „Scheinvaterschaft“ müssten konsequenterweise auch bei einer gespaltenen Mutterschaft von einer „Scheinmutterschaft“ sprechen. Gebärt eine Frau ein Kind, der eine Eizellen- bzw. Embryospende eingepflanzt wurde, wird diese allerdings nie „Scheinmutter“ genannt. Im Ergebnis wird in dieser Arbeit aus oben genannten Gründen von der Verwendung des Begriffs „Scheinvaterschaft“ abgesehen.55

Gaaz, StAZ 2007, 75 (75); Seidel, FPR 2005, 181 (182); Küppers, NJW 1993, 2918 (2918). 52 Vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 21, „Schein“ S. 18; Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 19, „Schein“ S. 313. 53 Siehe oben zweites Kapitel, S. 29. 54 So bezogen auf den Begriff der „Scheinehe“: Diekmann, S. 20; Kartzke, Scheinehen zur Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile, S. 8; Eisfeld, Scheinehe, S. 2; ders., AcP 201 (2001), 662 (665). 55 Seidel, FPR 2005, 181 (181) meint ebenso, dass der Begriff Scheinvaterschaft zu Unrecht verwendet wird.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung Wird ein Kind gemäß §§ 1592 Nr. 1–3, 1593 BGB abstammungsrechtlich einem anderen Mann als seinem Vater zugeordnet, so entspricht dies nicht immer dem Interesse aller Beteiligten. Wenn zum Beispiel Eheleute schon lange getrennt leben, ohne einen Scheidungsantrag gestellt zu haben, beide neue Partner haben und die Ehefrau nun ein Kind von ihrem Partner erwartet, so wäre die gesetzliche Regelung wenig interessengerecht, würde sie dauerhaft bestehen: Der Ehemann bliebe rechtlicher Vater des Kindes mit allen Rechten und Pflichten, insbesondere auch der Unterhaltsschuld. Dem biologischen Vater hingegen wären seine väterlichen Rechte und Pflichten entgegen dem Willen aller Beteiligten verwehrt. Zu einer weiteren Interessenkollision könnte es kommen, wenn das Kind im Wege seiner Identitätsfindung nur seinen biologischen Vater als seinen eigentlichen Vater akzeptiert56 oder wenn der die Vaterschaft anerkennende Mann diese nur anerkannt hat, weil er davon ausging, der Erzeuger des Kindes zu sein. Die Parteien können entgegen den gesetzlich vorgegebenen Vaterschaftszuordnungstatbeständen der §§ 1592 Nr. 1–3, 1593 BGB mit Ausnahme von § 1599 Abs. 2 BGB aufgrund des Grundsatzes der Indisponibilität keine Statuszuordnung vereinbaren. Es wäre nicht verfassungskonform, würde der Gesetzgeber den Beteiligten die abstammungsrechtliche Vaterschaftszuordnung entgegen der biologischen Wahrheit und ihrem Willen dauerhaft aufzwingen.57 Die vom Gesetz vorgeschriebene rechtliche Vaterschaftszuordnung muss daher Korrekturmöglichkeiten vorsehen.58

56 Vgl. BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87 = BVerfGE 79, 256 (268 f.); Wanitzek, FPR 2002, 390 (390). 57 BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87 = BVerfGE 79, 256 (268); Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 116. 58 Eine weitere nicht interessengerechte Konstellation könnte in dem Fall auftreten, in dem die gebärende Frau eine andere ist, als die Frau, die den Embryo oder das Ei gespendet hat. Eine Korrektur in der Hinsicht, dass die rechtliche Mutterschaft der gebärenden Frau beseitigt wird und eine abstammungsrechtliche Zuordnung zu der Spenderin erfolgen kann, sieht das Gesetz (noch) nicht vor; siehe hierzu MüKo/Wellenhofer, Vor § 1599, Rn. 14 ff.; Helms, FuR 1996, 178 (188); Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 407 (411 f.); Luh, S. 141 ff.; Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 120 f. Durch das am 1.4.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren wird aufgrund des Wortlauts des § 1598a BGB n. F. davon auszugehen sein, dass auch die Mutterschaft in Zukunft auf ihre genetische Richtigkeit hin überprüft werden kann, auch wenn keine Statusbeseitigung daran anknüpfen kann; siehe hierzu Helms, FamRZ 2008, 1033 (1034).

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung

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A. Anfechtung der Vaterschaft Die rechtliche Vaterschaft, die durch Ehe mit der Mutter (§§ 1592 Nr. 1, 1593 BGB) oder durch Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) entstanden ist und die nicht den biologischen Gegebenheiten entspricht, kann durch eine erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft rückwirkend aufgehoben werden. Nach welcher Rechtsordnung sich die Anfechtung der Vaterschaft bei internationalem Bezug richtet, ist Art. 20 EGBGB zu entnehmen.59 Hiernach findet die Rechtsordnung Anwendung, aus der sich die Voraussetzungen der Abstammung ergeben haben (Art. 20 S. 1 EGBGB).60 I. Voraussetzungen und Folgen Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung finden sich in §§ 1599 Abs. 1, 1600–1600c BGB, §§ 169 ff. FamFG. Sie unterliegen nicht der Disposition der Parteien.61 1. Abstammungssache Bei dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren handelt es sich um eine Abstammungssache gemäß § 169 Nr. 4 FamFG als Unterform einer Familiensache (§ 111 Nr. 3 FamFG).62 Die Vaterschaftsanfechtung wird durch Antrag gemäß § 171 Abs. 1 FamFG bei dem Familiengericht (§ 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG) eingeleitet.63 Den Antragsinhalt regelt § 171 Abs. 2 FamFG abweichend von § 23 Abs. 1 FamFG. International sind die deutschen Familiengerichte zuständig, wenn das Kind, die Mutter, der rechtliche oder der leibliche Vater deutscher Staatsbürger ist oder

59 Siehe ausführlich zu der Frage: Andrae, Internationales Familienrecht, § 5, Rn. 42–56; Henrich, Internationales Familienrecht, S. 236–242. 60 Hiefür ist in der Regel der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes ausschlaggebend (Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB); siehe hierzu oben zweites Kapitel, S. 20 f. Das Kind selbst kann gemäß Art. 20 S. 2 EGBGB die rechtliche Vaterschaft in jedem Fall nach dem Recht des Staates anfechten, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 61 MüKo/Wellenhofer, § 1600b, Rn. 4; bezogen auf die Regelungen zur Anfechtungsfrist OLG Köln, Urt. v. 25.10.2001 – 14 UF 106/01 = FamRZ 2002, 629 (630). 62 Vor Inkrafttreten des FGG-RG handelte es sich um eine Kindschaftssache gemäß § 640 Abs. 2 Nr. 4 ZPO a. F. 63 Vor Inkrafttreten des FGG-RG wurde das Verfahren durch Gestaltungsklage des Anfechtungsberechtigten vor dem Familiengericht gegen den Klagegegner eingeleitet (§ 1600e BGB a. F., § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 12 GVG a. F.). Vor Geburt des Kindes wurde die Anfechtungsklage als unbegründet abgewiesen, da der Mann vor der Geburt des Kindes noch nicht dessen rechtlicher Vater ist: Vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 30.11. 2006 – 10 WF 206/06 = StAZ 2007, 275.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (§ 100 FamFG). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (§ 170 Abs. 1 FamFG).64 Ist eine Zuständigkeit nach § 170 Abs. 1 FamFG nicht gegeben, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit des Gerichts nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter, ansonsten nach dem des Vaters (§ 170 Abs. 2 FamFG). Liegt auch eine örtliche Zuständigkeit nach § 170 Abs. 2 FamFG nicht vor, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig.65 2. Anfechtungs-/Antragsberechtigung Der Anfechtungsberechtigte verfolgt mit der Vaterschaftsanfechtung das Ziel, die Vaterschaft des Mannes, der aufgrund Ehe mit der Mutter im Geburtszeitpunkt (§§ 1592 Nr. 1, 1593 BGB) oder aufgrund Vaterschaftsanerkennung (§§ 1592 Nr. 2, 1599 Abs. 2 BGB) als rechtlicher Kindesvater gilt, zu beseitigen.66 Wer zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt ist, das heißt, wer den Antrag zur Feststellung der Nichtvaterschaft stellen kann, ist abschließend67 in § 1600 Abs. 1 Nr. 1–Nr. 5 BGB festgelegt. Gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist anfechtungsberechtigt der Mann, dessen Vaterschaft aufgrund Ehe mit der Mutter oder aufgrund Anerkennung besteht. Darüber hinaus ist auch der leibliche (biologische)68 Vater zur Vaterschaftsanfechtung berechtigt (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Er muss an Eides statt versichern, der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Neben dem rechtlichen und dem leiblichen Vater können auch Mutter (§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB) und Kind (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) die Vaterschaft anfechten. Das Anfechtungsrecht der Mutter ist ebenso wie das Anfechtungsrecht des Vaters gemäß § 1600 Abs. 5 BGB ausgeschlossen, wenn das Kind im gegenseitigen Einvernehmen von Mutter und Vater durch heterologe Insemination gezeugt wurde. Das Kind bleibt in einem solchen Fall zur Anfechtung berechtigt.69 Das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters ist bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind ausgeschlossen (§ 1600 Abs. 2 BGB). Der Ausschluss der Anfechtung der Vaterschaft bei Vorlie64 Der gewöhnliche Aufenthalt ist der auf längere Dauer angelegte Lebensmittelpunkt: Bumiller/Harders, § 170 FamFG, Rn. 1; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 170 FamFG, Rn. 3. 65 Vor Inkrafttreten des FGG-RG richtete sich die örtliche Zuständigkeit nach § 640a Abs. 1 ZPO a. F., wonach primär an den Wohnsitz und nur sekundär an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes/der Mutter/des Vaters angeknüpft wurde. 66 MüKo/Wellenhofer, § 1599, Rn. 14; Wanitzek, FPR 2002, 390 (390); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 166; Schellhammer, Familienrecht, Rn. 1101. 67 MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 1; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 179. 68 Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 37. 69 Kritisch hierzu Frank, StAZ 2003, 129 (131).

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung

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gen einer sozial-familiären Beziehung verdeutlicht, dass dem Interesse des biologischen Vaters, rechtlicher Kindesvater zu werden, nicht generell der Vorrang vor der ebenfalls von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten sozialen Elternschaft des rechtlichen Vaters eingeräumt wird.70 Die Entscheidung, ob dem rechtlichen oder dem biologischen Vater Vorrang gebührt, obliegt dem Gesetzgeber.71 Seit dem 1. Juni 2008 kann neben den von der Vaterschaft unmittelbar Betroffenen auch eine öffentliche Behörde die Vaterschaftsanfechtung betreiben (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.).72 Die Anfechtungsberechtigung ist allerdings auf die Anfechtung der Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) beschränkt. Sie unterliegt, wie die Anfechtung des leiblichen Vaters (§ 1600 Abs. 2 BGB n. F.), der Einschränkung, dass keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater besteht bzw. bestand (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.).73 Darüber hinaus müssen durch die Vaterschaftsanerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen worden sein (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.).74 3. Höchstpersönlichkeit des Anfechtungsrechts Die Anfechtungsberechtigung ist höchstpersönlich.75 Sie kann daher nicht von einem Bevollmächtigten ausgeübt werden (§ 1600a Abs. 1 BGB). Rechtlicher Vater, leiblicher Vater und Mutter können die Vaterschaft selbst dann nur allein anfechten, wenn sie in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind (§ 1600a Abs. 2 S. 1, S. 2 Hs. 1 BGB). Hierfür bedarf es nicht der Zustimmung des gesetzlichen 70 Palandt/Diederichsen, § 1600, Rn. 8; Schlüter, Familienrecht, Rn. 292; ausführlich zu dieser Frage Helms, FamRZ 2010, 1 ff.; vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 13.10.2008 – 1 BvR 1548/03 = juris, Rn. 14 f., das entschieden hat, dass das Merkmal der sozialfamiliären Beziehung, das bei Bestehen die Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters ausschließt, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, da sich die leibliche Vaterschaft nicht stets gegen die rechtliche Vaterschaft durchsetzten muss. 71 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2153). 72 Zu der Frage, welche Behörde anfechtungsberechtigte Behörde ist, siehe unten fünftes Kapitel, S. 230 ff. 73 Die Zeitpunkte, zu denen eine sozial-familiäre Beziehung die Anfechtung der Vaterschaft ausschließt, sind bei der behördlichen Vaterschaftsanfechtung und der Anfechtung durch den leiblichen Vater unterschiedlich. Während eine in der Vergangenheit bestehende, bei Anfechtung aber nicht mehr existente sozial-familiäre Beziehung, die Anfechtung des leiblichen Vaters nicht ausschließt (§ 1600 Abs. 2), so ist die Anfechtung der Behörde zumindest auch dann ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der Anerkennung eine sozial-familiäre Beziehung bestanden hat (§ 1600 Abs. 3 BGB); zu der Frage, ob die behördliche Anfechtung auch dann ausgeschlossen ist, wenn zu einem anderen Zeitpunkt als dem Anerkennungszeitpunkt in der Vergangenheit eine sozial-familiäre Beziehung bestand, siehe unten fünftes Kapitel, S. 221 f. 74 Siehe explizit zu den Voraussetzungen der behördlichen Vaterschaftsanfechtung unten fünftes Kapitel, S. 203 ff. 75 Palandt/Diederichsen, § 1600a, Rn. 1.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

Vertreters (§ 1600a Abs. 2 S. 2 Hs. 2 BGB). Auch ein geschäftsfähiger Betreuter muss die Vaterschaft allein anfechten (§ 1600a Abs. 5 BGB). Nur bei Geschäftsunfähigkeit handelt der gesetzliche Vertreter für die oben genannten Anfechtungsberechtigten (§ 1600a Abs. 2 S. 3 BGB). Im Gegensatz zu Vater und Mutter, die auch bei beschränkter Geschäftsfähigkeit selbst anfechten müssen, kann ein in seiner Geschäftsfähigkeit beschränktes Kind nicht selbst anfechten. So wie bei Geschäftsunfähigkeit kann die Anfechtung nur durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes erfolgen (§ 1600a Abs. 3 BGB).76 Die Anfechtung des gesetzlichen Vertreters unterliegt der Einschränkung, dass sie dem Wohl des Vertretenen dienen muss (§ 1600a Abs. 4 BGB).77 4. Beteiligte Der Antragsteller/Anfechtungsberechtigte ist immer Beteiligter des Anfechtungsverfahrens (§ 7 Abs. 1 FamFG). Ferner sind im Vaterschaftsanfechtungsverfahren die Mutter, der rechtliche Vater und das Kind zu beteiligen (§§ 172 Abs. 1, 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Dem Kind als Beteiligten wird ein Verfahrensbeistand bestellt, sofern dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist, etwa weil seine Interessen mit denen seiner Mutter kollidieren (§§ 174, 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Bei Anfechtung der Vaterschaft seitens des leiblichen Vaters (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), des Kindes durch den gesetzlichen Vertreter (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) oder der anfechtungsberechtigten Behörde (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.), soll gemäß § 176 Abs. 1 S. 1 FamFG das Jugendamt angehört werden. Auf Antrag des Jugendamtes ist es dann als Beteiligter des Verfahrens hinzuziehen (§§ 172 Abs. 2, 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Ferner können weitere Personen auf Antrag als Beteiligte zu dem Anfechtungsverfahren hinzugezogen werden (§ 7 Abs. 4 FamFG). Stirbt ein Beteiligter während des Anfechtungsverfahrens, so wird das Verfahren nur fortgesetzt, wenn ein Beteiligter dies innerhalb eines Monats beantragt (§ 181 S. 1 FamFG).

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Kritisch hierzu Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 573 f. Dies gilt sowohl für die Anfechtung des gesetzlichen Vertreters für das Kind gemäß § 1600a Abs. 3 BGB als auch für die Anfechtung des gesetzlichen Vertreters für einen geschäftsunfähigen Elternteil gemäß § 1600a Abs. 2 S. 3 BGB: Weinreich/Klein/ Pieper, § 1600a, Rn. 9; Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 V, Rn. 116, Fn. 237 m.w. N. Dass das Anfechtungsrecht der Mutter keiner Kindeswohlprüfung unterliegt wird zum Teil als Widerspruch zu § 1600a Abs. 4 gesehen, denn auch durch die Vaterschaftsanfechtung seitens der Mutter kann eine gefestigte Vater-Kind-Beziehung zerstört werden; so Frank, StAZ 2003, 129 (130 f.); Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1457 f.); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 177. 77

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung

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5. Anfangsverdacht Seit jeher forderte der BGH für die Schlüssigkeit einer Anfechtungsklage (anstelle des nun erforderlichen Anfechtungsantrags) einen begründeten Anfangsverdacht.78 Dieser sollte leichtfertige Anfechtungsklagen, die in die Persönlichkeitsrechte von Mutter, Kind und rechtlichem Vater eingreifen, verhindern. Ein Anfangsverdacht erachtete der BGH als gegeben, wenn der Anfechtungskläger Umstände vortrug, die bei objektiver Betrachtung geeignet waren, die biologische Vaterschaft des rechtlichen Vaters anzuzweifeln und die Vaterschaft eines anderen Mannes als nicht ganz fern liegend erscheinen zu lassen.79 Hierfür war zum Beispiel der Vortrag des Mehrverkehrs der Mutter ausreichend.80 Der Vortrag, das Kind sehe dem rechtlichen Vater nicht ähnlich81, fand hingegen genauso wenig Berücksichtigung für den Anfangsverdacht wie heimlich eingeholte Abstammungsgutachten82. Zu Recht wurde vielfach gefordert, den Anfangsverdacht gänzlich abzuschaffen.83 Er führe dazu, dass die Vaterschaftsanfechtung in vielen Fällen gar nicht erst betrieben werden könne. Darüber hinaus habe sich die Erforderlichkeit eines 78 BGH, Urt. v. 12.1.2005 – XII ZR 227/03 = juris, Rn. 10; BGH, Urt. v. 30.10.2002 – XII ZR 345/00 = NJW 2003, 585 (585); BGH, Urt. v. 22.4.1998 – XII ZR 229/96 = JZ 1999, 40 (40 f.); siehe auch Palandt/Diederichsen, § 1599, Rn. 5; Wolf, NJW 2005, 2417 (2419); Wanitzek, FPR 2002, 390 (395). 79 BGH, Urt. v. 12.12.2007 – XII ZR 173/04 = FuR 2008, 147 (147); BGH, Urt. v. 30.10.2002 – XII ZR 345/00 = NJW 2003, 585 (585); BGH, Urt. v. 22.4.1998 – XII ZR 229/96 = JZ 1999, 40 (40 f.); OLG Koblenz, Beschl. v. 9.3.2007 – 11 WF 1201/06 = FamRZ 2007, 1675 (1675); AG Korbach, Urt. v. 2.7.2004 – 7 F 729/03 = FamRZ 2005, 290 (291); Palandt/Diederichsen, § 1599, Rn. 5; Groß, FPR 2007, 392 (393); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 210. 80 AG Korbach, Urt. v. 2.7.2004 – 7 F 729/03 = FamRZ 2005, 290 (291); Palandt/ Diederichsen, § 1599, Rn. 5; Orel, S. 47. 81 BGH, Urt. v. 12.12.2007 – XII ZR 173/04 = FuR 2008, 147 (148); siehe zu weiteren Umständen, die für einen hinreichenden Anfangsverdacht ausreichen bzw. nicht ausreichen: Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 171 FamFG, Rn. 14 f.; Orel, S. 47 ff. 82 BGH, Urt. v. 12.1.2005 – XII ZR 227/03= juris, Rn. 10; BGH, Urt. v. 12.12.2007 – XII ZR 173/04 = FuR 2008, 147 (148 f.); AG Korbach, Urt. v. 2.7.2004 – 7 F 729/03 = FamRZ 2005, 290 (291); Ogorek, FS Simon 2005, 459 ff.; Niepmann, MDR 2006, 1207 (1211); Zuck, FPR 2007, 379 ff.; Muscheler, FPR 2007, 389 ff.; Bohnert, FPR 2002, 383 ff.; kritisch hierzu Orel, insbes. S. 45 ff.; siehe zur Verwertbarkeit heimlich eingeholter Vaterschaftstests insbes. Reiche, S. 231 ff. Am 15.5.2009 wurde das Gendiagnostikgesetz (GenDG, BGBl. I 2009, S. 2529) verabschiedet. Es tritt am 1.2.2010 in Kraft. Gemäß § 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 GenDG darf eine genetische Unersuchung zur Klärung der Abstammung zukünftig nur vorgenommen werden, wenn die Personen, von denen eine genetische Probe untersucht werden soll, über die Untersuchung aufgeklärt wurden und in die Untersuchung eingewilligt haben. Ein anderweitiges Vorgehen ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 9 GenDG strafbar; siehe zur Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drucks. 16/3233. 83 MüKo/Wellenhofer, § 1599, Rn. 16; Staudinger/Rauscher, § 1599, Rn. 15 ff.; Zöller/Philippi (26. Auflage 2007), § 640d ZPO, Rn. 2; Wolf, FS Frank 2008, 349 (354 f., 360 ff.); Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1277); Helms, FS Frank 2008, 225 (233);

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

solchen überholt. Die Einführung eines Anfangsverdachts stamme nämlich aus der Zeit, in der die biologische Herkunft nicht wissenschaftlich festgestellt werden konnte. Beweisverfahren mit großer medizinischer Ungewissheit sollten daher nur unter gewissen Bedingungen erfolgen dürfen.84 Die Rechtsprechung hielt hingegen an dem Anfangsverdacht mit der Begründung fest, ansonsten entfiele die Berechtigung für die Anfechtungsfristen, denn der Kläger habe es in der Hand den Kenntniszeitpunkt und damit den Fristbeginn zu bestimmen.85 Dieser Ansicht schloss sich nun auch der Gesetzgeber an. Durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG), das am 1.9.2009 in Kraft trat86, hat er den Anfangsverdacht in § 171 Abs. 2 S. 2 FamFG gesetzlich normiert. Das Gegenteil sah noch der Referentenentwurf der Bundesregierung zu dem FGG-RG vor, wonach gemäß § 180 Abs. 2 FamFG-RefE der Anfangsverdacht abgeschafft werden sollte.87 § 171 Abs. 2 S. 2 FamFG bestimmt, dass in dem Antrag auf Vaterschaftsanfechtung die Umstände angegeben werden sollen, die gegen die Vaterschaft sprechen, sowie der Zeitpunkt, in dem diese Umstände bekannt wurden. Dadurch soll das Gericht die Einhaltung der Anfechtungsfrist ermitteln können.88 Die Voraussetzungen, die an einen begründeten Anfangsverdacht zu stellen sind, sollen mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Anfangsverdacht übereinstimmen.89 Die Begründung des Gesetzentwurfs zum FGG-RG legt allerdings ausdrücklich fest, dass nicht zu hohe Anforderungen an den Anfangsverdacht gestellt werden dürfen.90 § 171 Abs. 2 S. 2 BGB ist als Sollvorschrift formuliert. Das bedeutet allerdings nicht, dass auf den begründeten Anfangsverdacht im Anfechtungsverfahren verzichtet werden kann. Vielmehr darf der Antrag bei mangelnden Angaben zu Umständen, die gegen die biologische Vaterschaft des rechtlichen Vaters und für die biologische Vaterschaft eines anderen Mannes sprechen, nicht sofort als unzulässig zurückgewiesen werden.91 Das Gericht muss darauf hinwirken, dass der Antragsinhalt ausreichend dargelegt wird (§ 28 Abs. 1 FamFG).

ders., StAZ 2008, 7 (7); ders., Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 210– 212; Orel, S. 189; Luh, S. 256 ff. m.w. N. 84 Wolf, FS Frank 2008, 349 (354); Luh, S. 261. 85 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = juris, Rn. 83. 86 BGBl. I 2008, 2586. 87 Referentenentwurf des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz), S. 101. 88 BT-Drucks. 16/6308, S. 244. 89 BT-Drucks. 16/6308, S. 244. 90 BT-Drucks. 16/6308, S. 244. 91 BT-Drucks. 16/6308, S. 244.

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung

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Die anfechtungsberechtigte Behörde muss für die Schlüssigkeit des Antrags einen Anfangsverdacht nicht geltend machen. Für sie gilt § 171 Abs. 2 S. 3 FamFG, auf den an späterer Stelle eingegangen wird92. Durch die Einführung des unabhängigen Abstammungsfeststellungsverfahrens gemäß § 1598a BGB n. F. wurde eine Möglichkeit geschaffen, den Anfangsverdacht im Anfechtungsverfahren zu umgehen.93 Um ein isoliertes Feststellungsverfahren gemäß § 1598a BGB n. F. zu betreiben, muss der Anspruchsberechtigte einen mit dem Anfangsverdacht vergleichbaren Vortrag nicht erbringen. Ist Ergebnis des Feststellungsverfahrens, dass der rechtliche Vater nicht der biologische Kindesvater ist, kann allerdings dieses Ergebnis verwendet werden, um bei einem späteren Vaterschaftsanfechtungsantrag einen Anfangsverdacht zu begründen. Dem Anfechtungsberechtigten, der keinen begründeten Anfangsverdacht im Vaterschaftsanfechtungsverfahren geltend machen kann, verbleibt damit die Möglichkeit, vorab ein unabhängiges Abstammungsfeststellungsverfahren und anschließend, ohne einen Anfangsverdacht darlegen zu müssen, eine Vaterschaftsanfechtung zu betreiben. 6. Anfechtungsfrist Für die von der rechtlichen Vaterschaft Betroffenen und auch für den Rechtsverkehr ist es – nicht zuletzt aufgrund vielfältiger an den Status des Kindes anknüpfender zivil- und öffentlich-rechtlicher Vorschriften – unentbehrlich, ab einem gewissen Zeitpunkt Statusstabilität zu erhalten.94 Auch ist für die Entwicklung des Kindes die Gewissheit von erheblicher Bedeutung, zu wem es gehört und welcher Familie es zugeordnet ist.95 Daher gibt es seit jeher Anfechtungsfristen, die durch zeitliche Beschränkung der Möglichkeit zur Vaterschaftsanfechtung eine stabile Festlegung des Personenstandes des Kindes und Statussicherheit gewährleisten sollen.96

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Auf § 171 Abs. 2 S. 3 FamFG wird unten im fünften Kapitel, S. 248 ff. eingegan-

gen. 93 Siehe hierzu Helms, FS Frank 2008, 225 (225); ders., FamRZ 2008, 1033 (1036); ders., Anhörung im Rechtsausschuss zu BT-Drucks. 16/6561 am 12.12.2007, 12 f. (Protokoll-Nr. 82); sich der Ansicht Helms anschließend Ostermann, Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB, S. 98. 94 BT-Drucks. 15/2253, S. 12; MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 2; Gaul, FS Gernhuber 1993, 619 (640); Feuerborn, FamRZ 1991, 514 (517). 95 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 (755) = FamRZ 2007, 441 ff.; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2152). 96 So BT-Drucks. 13/4899, S. 88; BGH, Beschl. v. 6.5.1998 – XII ZB 33/98 = FamRZ 1998, 1577 (1578); MüKo/Seidel, Vor § 1591, Rn. 18; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 215.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

a) Dauer In § 1600b BGB ist geregelt, wie lange eine Vaterschaft angefochten werden kann. Gemäß § 1600b Abs. 1 S. 1 BGB beträgt die Anfechtungsfrist grundsätzlich zwei Jahre. Für das Kind und den geschäftsunfähigen Vertretenen gelten darüber hinaus Sonderfristen. Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Anfechtungsfrist verstreichen lassen, steht dem Kind eine eigene zweijährige Anfechtungsfrist ab Volljährigkeit zu (§ 1600b Abs. 3 S. 1 BGB).97 Gleiches gilt, wenn der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten hat und das Erfordernis der gesetzlichen Vertretung entfallen ist (§ 1600b Abs. 4 S. 1 BGB). Die Anfechtungsfrist für die öffentliche Behörde ist kürzer. Sie beträgt ein Jahr (§ 1600b Abs. 1a S. 1 BGB n. F.). Sind seit Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung bzw. seit Einreise des Kindes nach Deutschland fünf Jahre vergangen, ist das behördliche Anfechtungsrecht generell ausgeschlossen (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.).98 b) Beginn Die Anfechtungsfrist beginnt mit Kenntnis von den Umständen, die gegen eine Vaterschaft sprechen (§ 1600b Abs. 1 S. 2 Hs. 1, Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2 BGB). Solche Umstände liegen dann vor, wenn aus Sicht eines verständigen Laien daraus die Möglichkeit resultiert, dass der rechtliche nicht der biologische Vater ist.99 Für die anfechtungsberechtigte Behörde beginnt die Anfechtungsfrist mit Kenntnis von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen (§ 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F.).100 Die Anfechtungsfrist kann frühestens mit Entstehen der rechtlichen Vaterschaft beginnen (§ 1600b Abs. 2 S. 1 BGB). Das gilt auch dann, wenn der Anfechtungsberechtigte schon vor Geburt oder Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung Tatsachenkenntnis hatte. Dadurch, dass die Mutter bereits im Geburts97 Die Fristenregelung, die vorsah, dass die Anfechtung des Kindes bei bestimmten Anfechtungsgründen spätestens bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres des Kindes erfolgen musste, erklärte das BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89 und 1 BvL 6/90 = BVerfGE 90, 263 ff. für verfassungswidrig. 98 Siehe ausführlicher zu den Anfechtungsfristen der öffentlichen Behörde unten fünftes Kapitel, S. 234 ff. 99 OLG Rostock, Urt. v. 2.6.2003 – 11 UF 14/03 = FamRZ 2004, 479 (479); OLG Köln, Beschluss v. 18.7.2002 – 14 WF 109/02= juris, Rn. 11; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 3.8.2000 – 2WF 98/00 = FamRZ 2001, 702 (703); OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.9.1998 – 2 U 2/98 = FamRZ 2000, 107 (108); MüKo/Wellenhofer, § 1600b, Rn. 10; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 21 f. 100 Siehe ausführlich zum Fristbeginn für die anfechtungsberechtigte Behörde unten fünftes Kapitel, S. 235 ff.

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung

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zeitpunkt Kenntnis von dem Mehrverkehr hat, beginnt ihre Anfechtungsfrist in der Regel mit Geburt des Kindes101 bzw. Wirksamwerden der Vaterschaftsanerkennung. Erfährt das Kind von Umständen, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, beginnt gemäß § 1600b Abs. 6 BGB eine erneute zweijährige Anfechtungsfrist ab Kenntnis von den unzumutbaren Umständen102 unabhängig vom Verstreichenlassen der Frist nach § 1600b Abs. 3 BGB. Es wird bemängelt, dass der unterschiedliche Beginn der Anfechtungsfristen für die Anfechtungsberechtigten sowie die erneute Anfechtungsfrist für das Kind nach Eintritt der Volljährigkeit (§ 1600b Abs. 3 BGB) und ab Kenntnis von unzumutbaren Umständen (§ 1600b Abs. 6 BGB) dazu führen, dass die Erfüllung der Aufgabe der Anfechtungsfristen, Rechtssicherheit hinsichtlich des Status des Kindes zu schaffen, nicht mehr verwirklicht wird.103 c) Hemmung/Unterbrechung Lassen alle Anfechtungsberechtigten ihre Anfechtungsfrist verstreichen, wird die Vaterschaftszuordnung auf Dauer bestandskräftig.104 Dies gilt selbst dann, wenn die Ausübung des Anfechtungsrechts für den leiblichen Vater während der gesamten Zweijahresfrist wegen Vorliegens einer sozial-familiären Beziehung ausgeschlossen war (§ 1600b Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB).105 Wird der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung (§ 1600b Abs. 5 S. 2 BGB)106 bzw. durch höhere Gewalt (§§ 1600b Abs. 5 S. 3, 206 BGB) an der Anfechtung der Vaterschaft gehindert, findet eine Hemmung des Fristlaufs statt. Ist der Anfechtungsberechtigte geschäftsunfähig und hat keinen gesetzlichen Vertreter, so erfolgt zwar keine Hemmung des Laufs der Frist, wohl aber eine Hemmung des Ablaufs der Frist. Die Frist endet dann frühestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt, in dem die betroffene Person ihre Geschäftsfähigkeit wiedererlangt oder einen Vertreter erhält (§§ 1600b Abs. 5 S. 3, 210 BGB). Die Frist ist auch gehemmt, solange das gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung des Anspruchs auf

101 BT-Drucks. 13/4899, S. 166; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 18.8.1999 – 5 WF 167/98 =FamRZ 2000, 548 (548); Palandt/Diederichsen, § 1600b, Rn. 7; Groß, FPR 2007, 392 (393); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 99. 102 Für die Unzumutbarkeit werden Umstände wie Erbkrankheiten angenommen; siehe hierzu Nickel/jurisPK-BGB, § 1600b, Rn. 35 m.w. N. 103 Wolf, FS Frank 2008, 349 (371); ders., NJW 2005, 2417 (2418); Groß, FPR 2007, 392 (393). 104 Wanitzek, FPR 2002, 390 (390); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 160. 105 Kritisch zu dieser Regelung Frank, FS Schwab 2005, 1127 (1132). 106 Von wem die Bedrohung ausgeht, ist unerheblich: Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 250.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

Abstammungsklärung bzw. Ersetzung der Einwilligung gemäß § 1598a Abs. 2 BGB anhängig ist (§ 1600b Abs. 5 S. 1 Hs. 1 BGB). Die Hemmung endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung bzw. anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens (§§ 1600b Abs. 5 S. 1 Hs. 2, 204 Abs. 2 BGB). 7. Feststellung der biologischen Nichtvaterschaft Das Gericht muss zu der Überzeugung der biologischen Nichtvaterschaft und dem Bestehen der weiteren erforderlichen Anfechtungsvoraussetzungen gelangen (§ 37 Abs. 1 FamFG). Hierfür hat es aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG)107 alle Beweise in geeigneter Form zu erheben (§ 29 Abs. 1 FamFG). Gemäß §§ 177 Abs. 2 S. 1, 30 Abs. 2 FamFG erfolgt die Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen für die Vaterschaftsanfechtung durch förmliche Beweisaufnahme des Gerichts. Die Amtermittlung ist insofern eingeschränkt, als dass von den Beteiligten nicht vorgetragene Tatsachen nur dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie geeignet sind, dem Fortbestand der Vaterschaft zu dienen bzw. der die Vaterschaft Anfechtende einer Berücksichtigung nicht widerspricht (§ 177 Abs. 1 FamFG). In der Regel bedient das Gericht sich bei der Beweiserhebung zur biologischen Nichtvaterschaft medizinisch-naturwissenschaftlicher Abstammungsgutachten.108 Vor der Beweisaufnahme über die biologische Abstammung soll das Gericht die Angelegenheit in einem Termin erörtern, wobei die Beteiligten geladen werden sollen (§ 175 Abs. 1 FamFG).109 In diesem Termin soll die Einhaltung der Anfechtungsfrist geklärt werden, bevor gegebenenfalls ein Abstammungsgutachten in Auftrag gegeben wird.110 Betroffene Personen haben die Untersuchungen und Blutentnahmen im Rahmen des Abstammungsgutachtens gemäß § 178 FamFG zu dulden.111 Nur wenn das Gericht unter zu Hilfenahme aller Beweismittel die biologische Nichtvaterschaft nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen kann, greift es auf die Vermutungswirkung des § 1600c Abs. 1 BGB zurück.112 Hiernach wird vermutet, 107 Der Amtsermittlungsgrundsatz ergab sich vor Inkrafttreten des FGG-RG aus §§ 640 Abs. 1 Hs. 2, 616 Abs. 1 ZPO a. F. 108 Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 V, Rn. 129. 109 § 175 Abs. 1 FamFG ist gegenüber § 32 Abs. 1 S. 1 FamFG die speziellere Norm: Bumiller/Harders, § 175 FamFG, Rn. 2. 110 BT-Drucks. 16/6308, S. 245; Bumiller/Harders, § 175 FamFG, Rn. 2. 111 Die Duldung von Abstammungsuntersuchungen war vor Inkrafttreten des FGGRG in § 372a ZPO a. F. geregelt. 112 MüKo/Wellenhofer, § 1600c, Rn. 6; Wanitzek, FPR 2002, 390 (397); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 260; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 V, Rn. 129; die Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils im Sinne des § 292 ZPO widerlegt werden. Die objektive Beweislast trägt der Anfechtende. Kann der Gegenbeweis nicht erbracht werden, ist die Anfechtungsklage als unbegründet abgewiesen: Weinreich/Klein/Pieper, § 1600c, Rn. 1; Wanitzek, FPR 2002, 390 (396); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 257.

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung

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dass das Kind von dem Mann abstammt, dessen Vaterschaft aufgrund Ehe mit der Mutter (§§ 1592 Nr. 1, 1593 BGB) oder Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) besteht.113 Aufgrund der fortgeschrittenen Entwicklung der medizinischen Abstammungsbegutachtung wird auf die Vermutungsregelung des § 1600c Abs. 1 BGB genau wie § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB nur noch selten zurückgegriffen.114 8. Beschluss Kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass das Kind nicht von dem im Rechtssinne bisher als Vater geltenden Mann biologisch abstammt, hat der Vaterschaftsanfechtungsantrag seitens der Mutter, des rechtlichen Vaters oder des Kindes Erfolg (§§ 37, 38 FamFG).115 Der Anfechtungsantrag des leiblichen Vaters hat nur dann Erfolg, wenn das Gericht neben der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters auch von der biologischen Vaterschaft des Anfechtenden überzeugt ist (§ 1600 Abs. 2 BGB). Ferner muss das Gericht von dem Umstand überzeugt sein, dass zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozialfamiliäre Beziehung besteht/bestand (§ 1600 Abs. 2 BGB). Hiervon muss das Gericht auch für eine erfolgreiche behördliche Vaterschaftsanfechtung neben der Tatsache, dass durch die Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtlich Vorteile geschaffen wurden, überzeugt sein (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.).116 Ist das Gericht von allen entscheidungserheblichen Tatsachen überzeugt, stellt es im Beschluss (§§ 116 Abs. 1, 38 FamFG) die Nichtvaterschaft des bisher als rechtlichen Vater geltenden Mannes für und gegen alle fest (§ 184 Abs. 2 FamFG). Bei erfolgreicher Anfechtung seitens des leiblichen Vaters stellt das Gericht zusätzlich die rechtliche Vaterschaft des leiblichen Vaters fest (§ 182 Abs. 1 FamFG).117

113 § 1600c Abs. 1 BGB gilt gemäß § 1600c Abs. 2 Hs. 1 BGB dann nicht, wenn der rechtliche Vater kraft Vaterschaftsanerkennung die Vaterschaft anficht und seine Anerkennung unter einem Willensmangel nach § 119 Abs. 1 BGB (zum Beispiel Inhaltsirrtum bezüglich Person des Kindes) oder nach § 123 BGB leidet. Der Mann, der sich geirrt hat, soll nicht allein wegen der Abgabe der Anerkennungserklärung als biologischer Vater vermutet werden. Daher wird dann auf die Beiwohnungsvermutung der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung gemäß §§ 1600c Abs. 2 Hs. 2, 1600d Abs. 2, Abs. 3 BGB zurückgegriffen; siehe hierzu Palandt/Diederichsen, § 1600c, Rn. 6; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 265; Schlüter, Familienrecht, Rn. 295. 114 Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 177 FamFG, Rn. 5; MüKo/Wellenhofer, § 1600c, Rn. 2. 115 Siehe zu der Entscheidungsformel des Gerichts Schulte-Bunert/Weinreich/ Schwonberg, § 182 FamFG, Rn. 2 f. 116 Siehe hierzu explizit unten fünftes Kapitel, S. 203 ff., 222 ff. 117 Vor Inkrafttreten des FGG-RG stellte das Gericht im Urteil die Vaterschaft des Anfechtenden gemäß § 640h Abs. 2 ZPO a. F. fest.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

9. Folgen Die Feststellung der Nichtvaterschaft wirkt ab Rechtskraft des Beschlusses auf den Zeitpunkt der Geburt zurück (§ 184 Abs. 1 FamFG, § 1599 Abs. 1 BGB), so dass das Kind seinen Status rückwirkend verliert.118 Fortan kann ein anderer Mann rechtlicher Vater des Kindes durch Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) oder gerichtliche Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) werden.119 Etwas anderes gilt bei erfolgreichem Anfechtungsantrag seitens des leiblichen Vaters, denn dieser wird dem Kind unmittelbar als rechtlicher Vater zugeordnet (§ 1592 Nr. 3 Alt. 2 BGB, § 182 Abs. 1 FamFG).120 II. Ausschluss der Anfechtung bei bewusst wahrheitswidriger Vaterschaftsanerkennung? Fraglich ist, ob die Anfechtungsberechtigung ausgeschlossen ist, wenn der Anfechtungsberechtigte bereits im Zeitpunkt der Begründung der rechtlichen Vaterschaft von der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters wusste. Bei der statusrechtlichen Kindeszuordnung aufgrund Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) tritt die rechtliche Vaterschaft von Gesetzes wegen ein. Können die Parteien keinen Einfluss auf die Begründung der rechtlichen Vaterschaft nehmen, darf ihr Anfechtungsrecht auch nicht ausgeschlossen sein, wenn sie um die biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters wissen. Die rechtliche Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung entsteht hingegen durch Mitwirkung von Mutter, Vater und teilweise auch dem Kind. Weiß einer der Mitwirkenden bereits bei Begründung der rechtlichen Vaterschaft, dass der die Vaterschaft anerkennende Mann nicht der biologische Vater ist, so stellt sich die Frage, ob dessen Anfechtungsrecht ausgeschlossen ist. Der Ausschluss könnte auf einem widersprüchlichen Verhalten beruhen, denn einerseits wirkte der Betroffene an der Vaterschaftsanerkennung in Kenntnis der biologischen Unwahrheit mit, andererseits möchte er genau aus diesem Grund die Vaterschaft anfechten. Ein widersprüchliches Verhalten würde voraussetzen, dass mit der Anerkennungserklärung bzw. der Zustimmung der Beteiligte eine Aussage trifft, die seinem Handeln durch Vollzug der Vaterschaftsanfechtung entgegenläuft. Wirkt

118 MüKo/Seidel, § 1600e, Rn. 64; Wanitzek, FPR 2002, 390 (399); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 160. 119 In dem Fall, dass ein anderer Mann, als der verstorbene Ehemann der Mutter gemäß § 1593 S. 3 BGB rechtlicher Vater des Kindes geworden ist und diese Vaterschaft wirksam angefochten wurde, erfolgt die Zuordnung zu dem verstorbenen Mann gemäß § 1593 Abs. 4 BGB kraft Gesetzes. 120 Dies ist notwendige Konsequenz aus dem Gedanken, dass das Kind durch die Anfechtung des leiblichen Vaters nicht vaterlos gestellt werden soll: BT-Drucks. 15/2253, S. 12 f.; Weinreich/Klein/Pieper, § 1600, Rn. 3.

§ 2 Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung

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der Betroffene trotz Kenntnis der biologischen Nichtvaterschaft des Mannes an der Vaterschaftsanerkennung mit, so bestätigt er damit, dass der Mann der rechtliche Vater des Kindes mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten werden soll. Über die Dauerhaftigkeit dieser rechtlichen Vaterschaft trifft er allerdings keine Aussage. Dann handelt es sich auch nicht um ein widersprüchliches Verhalten, wenn diese Person sich später dazu entscheidet, die rechtliche Vaterschaft nicht dauerhaft bestehen lassen zu wollen. Ferner hat der Gesetzgeber die Anfechtung nicht davon abhängig gemacht, dass der Anfechtungsberechtigte von den Umständen, die gegen seine biologische Vaterschaft sprechen, erst nach der wirksamen Vaterschaftsanerkennung erfährt.121 Lediglich die Anfechtungsfrist wird bereits im Zeitpunkt der Begründung der rechtlichen Vaterschaft beginnen (§ 1600b Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB). Zu beachten ist auch die Indisponibilität der Anfechtungsvorschriften. Können die Betroffenen das Anfechtungsrecht nicht willentlich ausschließen, können sie dieses erst Recht nicht unwillkürlich.122 Im Ergebnis ist selbst bei bewusst wahrheitswidriger Vaterschaftsanerkennung das Anfechtungsrecht nicht eingeschränkt.123

B. Restitutionsantrag Die rechtliche Vaterschaft kraft gerichtlicher Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1592 Nr. 3 BGB entsteht durch rechtskräftigen Beschluss. Daher kann sie nicht durch Anfechtung der Vaterschaft rückwirkend beseitigt werden, sondern nur im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens durch Restitutionsantrag (§ 185 FamFG).

C. Zusammenfassung und Stellungnahme Die rechtliche Vaterschaft, die durch Ehe der Mutter (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder durch Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) entstanden ist und die nicht mit der biologischen Vaterschaft übereinstimmt, kann durch Anfechtung der Vaterschaft beseitigt werden. Die rechtliche Vaterschaft, die durch gerichtliche Vaterschaftsfeststellung entstanden ist, kann nur im Wege eines Restitutionsantrags gemäß § 185 FamFG beseitigt werden. 121

OLG Köln, Urt. v. 25.10.2001 – 14 UF 106/01 = FamRZ 2002, 629 (630). So bezogen auf die Anfechtung des anerkennenden Mannes OLG Köln, Urt. v. 25.10.2001 – 14 UF 106/01 = FamRZ 2002, 629 (630). 123 So auch OLG Naumburg, Beschluss v. 9.1.2008 – 3 WF 3/08 = FamRZ 2008, 2146; OLG Köln, Urt. v. 25.10.2001 – 14 UF 106/01 = FamRZ 2002, 629 (630); MüKo/Wellenhofer, Vor § 1599, Rn. 1; Prütting/Helms/Stößer, § 171 FamFG, Rn. 10; Frank, StAZ 2003, 129 (133); Wanitzek, FPR 2002, 390 (391); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 176; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 V, Rn. 107; kritisch Spickhoff, AcP 197 (1997), 398 (428); a. A. Luh, S. 221 ff. 122

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind gemäß § 1600 Abs. 1 BGB der rechtliche und der leibliche Vater, die Mutter, das Kind und eine anfechtungsberechtigte Behörde. Bis auf die anfechtungsberechtigte Behörde sind somit nur die unmittelbar von der rechtlichen Vaterschaft Betroffenen berechtigt, eine Statusänderung des Kindes anzustoßen124, so dass bis zur Einführung des behördlichen Anfechtungsrechts eine Intervention von außen bei der Vaterschaftsanfechtung unterblieb125. Das behördliche Anfechtungsrecht ist auf den Fall beschränkt, dass die rechtliche Vaterschaft im Wege einer Vaterschaftsanerkennung entstanden ist.126 Es bedarf spezieller Voraussetzungen für die Ausübung dieser Anfechtungsberechtigung, auf die an späterer Stelle eingegangen wird.127 Hat der Anfechtungsberechtigte bereits im Zeitpunkt der Begründung der rechtlichen Vaterschaft Kenntnis von der biologischen Unwahrheit, ist seine Anfechtungsberechtigung trotzdem nicht ausgeschlossen. Zur Anfechtung der Vaterschaft haben die Anfechtungsberechtigten ab Kenntnis von Umständen, die gegen die Vaterschaft sprechen zwei Jahre Zeit (§ 1600b Abs. 1 BGB). Die Behörde kann nur innerhalb eines Jahres ab Kenntnis von den Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen, anfechten. Für sie gilt ferner eine absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren (§ 1600b Abs. 1a BGB n. F.). Für die Schlüssigkeit des Anfechtungsantrags müssen die Anfechtungsberechtigten mit Ausnahme der anfechtungsberechtigten Behörde einen begründeten Anfangsverdacht geltend machen. Ist das Gericht von der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters und von den für eine Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters bzw. der anfechtungsberechtigten Behörde erforderlichen besonderen Voraussetzungen überzeugt, hat die Vaterschaftsanfechtung Erfolg. Die Statuszuordnung entfällt rückwirkend ab Geburt des Kindes (§ 1599 Abs. 1 BGB). Eine neue rechtliche Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2, Nr. 3 BGB kann begründet werden.128 Hat der Anfechtungsantrag des leiblichen Vaters Erfolg, wird der leibliche Vaters als rechtlicher Kindesvater festgestellt (§ 1592 Nr. 3 Alt. 2 BGB, § 182 Abs. 1 FamFG). An der Existenz des Instituts der Vaterschaftsanfechtung in dem Abschnitt zur Abstammung lässt sich zweierlei erkennen. Zum einen wird deutlich, dass 124 Zur Rechtslage vor Einführung des behördlichen Anfechtungsrechts so: MüKo/ Wellenhofer-Klein (4. Auflage 2002), § 1600, Rn. 1; Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, 28. Aufl. 2007, § 10 Rn. 30; Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I, Rn. 4. 125 Zur Rechtslage vor Einführung des behördlichen Anfechtungsrechts so: MüKo/ Wellenhofer-Klein (4. Auflage 2002), § 1600, Rn. 1. 126 Hierzu kritisch unten fünftes Kapitel, S. 200 ff. 127 Siehe explizit zu den Voraussetzungen der behördlichen Vaterschaftsanfechtung unten fünftes Kapitel, S. 203 ff. 128 Eine rechtliche Vaterschaft kraft Ehe gemäß § 1592 Nr. 1 BGB kann nicht mehr entstehen, da das Kind ja bereits geboren ist, so dass es nicht mehr in eine Ehe geboren werden kann.

§ 3 Geschichtliche Entwicklung seit Entstehen des Bürgerlichen Gesetzbuchs

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der Gesetzgeber nicht davon ausgeht, die Vaterschaftszuordnungskriterien der §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB würden zwangsläufig der biologischen Wahrheit entsprechen.129 Zum anderen ist dem Gesetzgeber bewusst, mit der vorgegebenen statusrechtlichen Kindeszuordnung nicht immer eine den Interessen der Parteien widerspiegelnde Lösung gefunden zu haben, sofern der rechtliche Vater nicht der Erzeuger des Kindes ist.

§ 3 Geschichtliche Entwicklung seit Entstehen des Bürgerlichen Gesetzbuchs Die Vaterschaftszuordnungskriterien und die Anfechtung der Vaterschaft unterliegen seit Entstehen des Bürgerlichen Gesetzbuches einem der Zeit angepassten Wandel. Die Umstände, die zur Einführung der Vaterschaftsanerkennung geführt haben, und die Veränderungen der Voraussetzungen dieses Vaterschaftszuordnungstatbestandes werden durch einen geschichtlichen Überblick der Vaterschaftsanerkennung im System der Abstammung ermittelt. Dabei wird deutlich, weswegen aus geschichtlicher Perspektive weder gewollt noch erforderlich war, dass der rechtliche Vater seine biologische Vaterschaft nachweisen muss.

A. Ursprüngliche Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuches Der historische Gesetzgeber ging davon aus, dass nur bei einem während der Ehe gezeugten Kind eine vollwertige Vater-Kind-Beziehung entstehen kann. In den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es, dass „regelmäßig nur die durch eheliche Abstammung vermittelte Verbindung diejenige sittliche Grundlage gewährt, welche die Voraussetzung familienrechtlicher Pflichten und Rechte bildet“.130 Daher ordnete die ursprüngliche Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 18. August 1896 ein Kind nur dann abstammungsrechtlich einem Vater zu, sofern es nach Eheschließung geboren wurde (§ 1591 Abs. 1 BGB a. F.). Diese Regelung ging auf den römischen Grundsatz „pater est, quem nuptiae demonstrant“131 – Vater ist der, den die Ehe bestimmt – zurück. Ob der Ehemann der Mutter der biologische Vater des Kindes war, war nicht relevant. Vielmehr stand die freiwillige Übernahme von Verantwortung durch Ehe im Vordergrund der abstammungsrechtlichen Regelungen.132 Damit in Einklang stand auch die 129

Bentert, FamRZ 1996, 1386 (1387); Genenger, Vom Erzeuger zum Vater?, S. 34. Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 451; Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1597. 131 Digesta 2,4,5. 132 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 351, 451; Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1199; Deichfuß, S. 6. 130

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

Vorschrift zur Anfechtung der Vaterschaft gemäß § 1594 BGB a. F. Anfechtungsberechtigt war hiernach allein der Ehemann der Mutter innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Geburt des Kindes. Es wurde angenommen, dass die Zeugung eines Kindes außerhalb einer Ehe kein vergleichbares inniges Familienverhältnis zwischen Vater und Kind hervorrufen könne, da der biologische Vater dem unehelichen Kind in der Regel „gleichgültig und fremd gegenüber steht“.133 Daher sollte ein außerehelich geborenes Kind einem ehelichen Kind in seinen Rechten und Pflichten nicht gleichgestellt werden.134 An diesen Gedanken konsequent anknüpfend erhielten nichteheliche Kinder keinen abstammungsrechtlichen Status. Sie waren mit ihrem biologischen Vater nicht verwandt (§ 1589 Abs. 2 BGB a. F.). Einzige rechtliche Folge einer außerehelichen Geburt war eine Unterhaltsverpflichtung des biologischen Vaters gegenüber dem Kind (§§ 1708–1718 BGB a. F.).135 Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Zeugung des Kindes „die natürliche und sittliche Pflicht“ mit sich bringe, für den Unterhalt des Kindes zu sorgen136. So genannter „Zahlvater“137 war hierbei der Mann, der der Mutter innerhalb der Empfängniszeit beigewohnt hatte138 (§ 1717 BGB a. F.). I. Vaterschaftsanerkennung Die in Frankreich bereits existierende Möglichkeit einer Vaterschaftsanerkennung, die einem unehelichen Kind denselben Status wie einem ehelichen Kind einräumte, wurde vom Gesetzgeber bewusst abgelehnt.139 Er ging davon aus, dass eine konstitutive Vaterschaftsanerkennung Ehelosigkeit und Konkubinat fördern würde.140 Die Legitimation durch nachfolgende Ehe, die Ehelichkeitserklä-

133 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 451; Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1598. 134 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 451; Deichfuß, S. 11. 135 Unterhaltsansprüche des Mannes gegen das Kind schieden ebenso aus wie Unterhaltansprüche des Kindes gegen die Verwandten des Mannes: Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 464, 466; Planck, Bürgerliches Gesetzbuch, IV. Bd., Familienrecht, S. 581. 136 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 458, 460; Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1601. 137 Siehe zu dem Begriff der „Zahlvaterschaft“ Dölle, Familienrecht II, § 109, S. 497. 138 Siehe zu der Beiwohnungsvermutung und der Beseitigung durch die Mehrverkehrseinrede: Dölle, Familienrecht II, § 106 1 – II, S. 449–456; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 182 f. 139 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 452; Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1599 ff. 140 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 452; Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1599.

§ 3 Geschichtliche Entwicklung seit Entstehen des Bürgerlichen Gesetzbuchs

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rung und die Adoption sollten ausreichen, um eine rechtliche Vater-Kind-Beziehung bei außerehelicher Geburt herzustellen.141 Aus diesen Gründen wurde die Vaterschaftsanerkennung zwar in die ursprüngliche Fassung des BGB aufgenommen, allerdings ohne abstammungsrechtliche Folgen (§ 1718 BGB a. F.). Ihr kam rein deklaratorische Bedeutung zu.142 Einzige Folge der Vaterschaftsanerkennung war eine Unterhaltsverpflichtung des anerkennenden Mannes und das Entfallen der Mehrverkehrseinrede durch den unterhaltsverpflichteten anerkennenden Mann (§ 1718 BGB a. F.). Erkannte der Ehemann der Mutter die Vaterschaft für das Kind an, so hatte die Vaterschaftsanerkennung zur Folge, dass die Anfechtung der Ehelichkeit ausgeschlossen war (§ 1598 BGB a. F.). Die Vaterschaftsanerkennung durch den Ehemann der Mutter bedurfte keiner Form.143 Sie konnte konkludent, zum Beispiel durch die Vornahme von Rechtsgeschäften für das Kind, vollzogen werden.144 Ansonsten musste die Vaterschaftsanerkennung nach Geburt in einer öffentlichen Urkunde erfolgen. Eine bewusst entgegen der biologischen Vaterschaft erfolgte Vaterschaftsanerkennung führte zu einer Personenstandsfälschung gemäß § 169 StGB. Damit sollte nicht ein Verschleiern der biologischen Wahrheit verhindert werden, sondern ein Umgehen der strengen Voraussetzungen für eine Adoption und eine Ehelichkeitserklärung.145 Darüber hinaus sollte die Familie des Mannes keinen unnötigen Unterhaltsforderungen ausgesetzt sein.146 Gerichtsentscheidungen aus dieser Zeit, bei denen es zu einer Verurteilung kam, sind jedoch nicht bekannt. II. Legitimation durch Ehe Dass einem außerehelich geborenen Kind dauerhaft keinerlei erb- und familienrechtliche Rechte und Pflichten zukamen, sollten die Eltern durch anschließende Eheschließung heilen können.147 Im Wege der Legitimation durch nachfolgende Ehe der Eltern148 erhielt das Kind den rechtlichen Status eines ehelichen 141

Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1599. Planck, Bürgerliches Gesetzbuch, IV. Bd., Familienrecht, S. 598. 143 Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1237. 144 Planck, Bürgerliches Gesetzbuch, IV. Bd., Familienrecht, S. 435. 145 Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1904. 146 Deichfuß, S. 16. 147 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 488. 148 Die Legitimation durch Ehe hat ihre Wurzeln schon im 12. Jahrhundert. Sie wurde aufgrund steigender gesellschaftlicher und rechtlicher Benachteiligungen nichtehelicher Kinder eingeführt: Dölle, Familienrecht II, § 110 I, S. 517; Michaelis, FS Gmür 1983, 95 ff. Bis in das 19. Jahrhundert pflegte man Anerkennungsakte mit statusbegründender Kraft. Bei der Eheschließung der Eltern wurde das nichteheliche Kind symbolisch unter deren Mantel gehüllt und damit rechtlich so gestellt als sei es während der Ehe geboren (so genannte Mantelkinder): Michaelis, FS Gmür 1983, 95 (110). 142

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

Kindes ab Eheschließung (§ 1719 BGB a. F.).149 Eine ausdrückliche Vaterschaftsanerkennung forderte die Legitimation nicht. Die Eheschließung galt als konkludente Vaterschaftsanerkennung.150 III. Ehelichkeitserklärung Neben der Legitimation durch Eheschließung konnte der Erzeuger durch Legitimation mittels Ehelichkeitserklärung „sein Unrecht wieder gut [. . .] machen“ (§ 1723 BGB a. F.).151 Diese war allerdings nur in eng begrenzten Fällen, zum Beispiel in dem, das eine Eheschließung durch Tod der Mutter ausgeschlossen war, möglich.152 Hierbei musste der Vater des unehelichen Kindes beantragen, das Kind durch staatliche Verfügung für ehelich zu erklären. Anders als bei der Legitimation durch nachfolgende Ehe musste er ausdrücklich die Vaterschaft für das Kind anerkennen (§ 1725 BGB a. F.). Die zuständige Behörde prüfte in dem Legitimationsverfahren die Richtigkeit der biologischen Abstammung153, soweit dies zur damaligen Zeit möglich war. Damit sollte verhindert werden, dass die strengen Voraussetzungen der Adoption umgangen wurden.154 Die Wirkungen der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung waren allerdings insofern beschränkt, als dass das Kind und deren Abkömmlinge nur mit dem Vater und nicht mit dessen Verwandten als verwandt galten (§ 1736f BGB a. F.). Es lässt sich festhalten, dass der historische Gesetzgeber bei der rechtlichen Abstammungszuordnung geringen Wert auf die biologische Herkunft des Kindes gelegt hat. Vielmehr stellte er die freiwillige Übernahme von Verantwortung durch Ehe in den Vordergrund der abstammungsrechtlichen Regelungen.155 1929 wurde erstmals ein Gesetzentwurf zur Reform des Nichtehelichenrechts im Reichstag beraten156, der unter anderem eine Vaterschaftsanerkennung vorsah, die dem Kind einen abstammungsrechtlichen Status vermitteln sollte.157 Umgesetzt wurden die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen nie.

149 Es galt keine Rückwirkung auf den Geburtszeitpunkt: Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 488. 150 Dölle, Familienrecht II, § 110 IV, S. 521; Deichfuß, S. 13. 151 Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1887. 152 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 494; Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1887 ff.; Deichfuß, S. 16. 153 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 498. 154 Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1904; Deichfuß, S. 17; Luh, S. 30. 155 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 351, 451; Planck, Vorentwürfe Familienrecht 2, S. 1199; Deichfuß, S. 6. 156 Reichstagsdrucks. Nr. 733 der IV. Reichstagssession, abgedruckt in Schubert, Weimarer Projekte, 366 ff.; Deichfuß, S. 31. 157 § 1705a Nr. 1 BGB-GesE.

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B. Machtergreifung der Nationalsozialisten Eine drastische Wendung nahm die gesetzgeberische Einstellung zur biologischen Wahrheit der rechtlichen Abstammungszuordnung durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten und deren Rassenpolitik. Mit der Begründung, die genetische Abstammung sei aufgrund der nationalsozialistischen Weltanschauung und deren Bewusstsein im Volk nicht mehr nur im familiären, sondern nun auch im öffentlichen Interesse158, war die „blutsmäßige“ Herkunft fortan von Bedeutung159. Es sollte nicht mehr geduldet werden, dass es der Parteiendisposition unterlag, entgegen der biologischen Wahrheit Abstammungszuordnungen zu treffen.160 Daher folgten etliche Gesetzesänderungen, die für eine stärkere Übereinstimmung von biologischer und rechtlicher Vaterschaft sorgten. Seit 1937161 wurden die Wirkungen einer Legitimation durch anschließende Eheschließung vom Vormundschaftsgericht festgestellt. Hierbei wurde die Erzeugerstellung des Mannes von Amts wegen geprüft. Mit dem FamRÄndG von 1938162 wurde ein Rücknahmerecht der Ehelichkeitserklärung seitens des Reichsjustizministers in dem Fall, dass der Antragsteller nicht der Erzeuger des Kindes war, eingeführt. Aber auch die „blutsmäßige“ Abstammung eines ehelichen Kindes sollte nicht unter dem Deckmantel der Ehe verborgen bleiben.163 Daher wurde ein unbefristetes Ehelichkeitsanfechtungsrecht für die Staatsanwaltschaft geschaffen (§ 1595a BGB a. F.).164 Fortan sollte die Ehe nicht mehr „zur Verschleierung der Herkunft eines Kindes missbraucht“ werden.165 Die Nationalsozialisten begründeten die Einführung des öffentlichen Anfechtungsrechts nicht nur mit dem Interesse der Allgemeinheit. Auch sollten berechtigte Belange des Kindes ein solches Anfechtungsrecht fordern. So sollte es dem Kind nicht zugemutet werden, von dem Ehemann der Mutter abzustammen, wenn dieser aus einer „nicht erbgesunden Familie stammt“ oder „Träger artfremden Blutes ist“.166

158 RG, Urt. v. 14.10.1937 – IV 92/37 = JW 1937, 245 (247); RG, Urt. v. 15.6.1939 – IV 256/38 = RGZ 160, 293 (294 f., 297). 159 OLG München, Beschl. v. 27.10.1937 – 1 Wx 173/37 = JW 1937, 2043 (2043); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 36; Luh, S. 37. 160 RG, Urt. v. 15.6.1939 – IV 256/38 = RGZ 160, 293 (297); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 38. 161 Gesetz über das Personenstandswesen vom 3. November 1937, RGBl I, 1146. 162 Gesetz über die Änderung und Ergänzung familienrechtlicher Vorschriften und über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 12. April 1938, RGBl. I, 1938, S. 380; zu den Gesetzesänderungen Maßfeller, JW 1938, 1217–1223. 163 Zimmermann, FuR 2008, 569 (572); ders., Scheinvaterschaften, S. 162; Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 38. 164 Siehe ausführlich zum Anfechtungsrecht des Staatsanwalts, Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 160 f. 165 Massfeller, JW 1938, 1217 (1219). 166 Massfeller, JW 1938, 1217 (1219).

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

Ferner sollte auch der Ehemann die Vaterschaft möglichst lange durch Ehelichkeitsanfechtung beseitigen können.167 War in der ursprünglichen Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs für den Beginn seiner Anfechtungsfrist die Geburt des Kindes ausschlaggebend, war fortan die Kenntnis von den gegen die Vaterschaft sprechenden Umständen von Bedeutung (§ 1593 BGB a. F.). § 1598 BGB a. F., der bei Vaterschaftsanerkennung durch den Ehemann der Mutter ein späteres Anfechtungsrecht ausschloss, wurde abgeschafft. Die „wirkliche Abstammung“ sollte nicht im Einvernehmen mit der Mutter verschleiert werden können.168 Darüber hinaus ist nicht verwunderlich, dass erste Gerichtsentscheidungen ergingen, die die Vaterschaftsanerkennungen entgegen der biologischen Wahrheit als strafbare Personenstandsfälschungen gemäß § 169 StGB verurteilten.169 Auch setzte sich das Reichsgericht mit der Frage auseinander, ob eine unabhängige Abstammungsfeststellungsklage gemäß §§ 640 ff. ZPO a. F. möglich sein sollte, welche es im Ergebnis bejahte.170 Um fundiertes Beweismaterial für die Feststellung der rassischen Herkunft zu erhalten, wurde eine Pflicht zur Duldung der Entnahme von Blutproben für Parteien und Zeugen eines Abstammungsverfahrens eingeführt.171 Generell lässt sich feststellen, dass zu Zeiten des Nationalsozialismus an den Instituten der rechtlichen Abstammungszuordnung festgehalten wurde. Weiterhin bestimmten die Ehe, die Legitimation kraft Ehe und die Ehelichkeitserklärung den Status des Kindes. Die Vaterschaftsanerkennung hatte nach wie vor keine abstammungsrechtliche Bedeutung. Entgegen dem Willen des historischen Gesetzgebers sollte allerdings fortan eine Übereinstimmung von abstammungsrechtlicher Kindeszuordnung und biologischer Herkunft erfolgen.

C. Erste Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Obwohl sich der Gesetzgeber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von dem nationalistischen Gedankengut und der Rassenpolitik deutlich distanzierte, hielt er an einigen durch die Nationalsozialisten eingeführten Abstammungsregelungen fest und änderte lediglich die Begründung für den Bestand der Vorschriften.172 So blieb unter anderem das Anfechtungsrecht des Staatsanwalts vorerst bestehen, obwohl ein Interesse an der „blutsmäßigen“ Herkunft eines Kindes 167

Massfeller, JW 1938, 1217 (1219). Massfeller, JW 1938, 1217 (1229). 169 RG, Urt. v. 27.11.1936 – 1 D 898/36 = JW 1937, 469. 170 RG, Urt. v. 15.6.1939 – IV 256/38 = RGZ 160, 293; RG, Urt. v. 28.11.1940 – IV 230/40 = RGZ 165, 248 ff.; RG, Urt. v. 16.12.1940 – IV 272/40 = RGZ 165, 315 ff.; siehe explizit zu der Klage auf Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft im Dritten Reich Helms, FS Frank 2008, 225 (227 f.) m.w. N.; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 150–157. 171 Deichfuß, S. 46. 168

§ 3 Geschichtliche Entwicklung seit Entstehen des Bürgerlichen Gesetzbuchs

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nicht mehr bestand. Da neben dem Staatsanwalt bisher nur der Ehemann der Mutter als rechtlicher Vater zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt war (§ 1594 BGB a. F.), sollte die Beseitigung der rechtlichen Abstammungszuordnung nicht allein von der Ausübung seines Anfechtungsrechts abhängen.173 Auch an der Rechtsprechung zu einer gesonderten Abstammungsfeststellungsklage änderte sich zumindest ab einer Entscheidung des BVerfG nichts. Das BVerfG stimmte der Deutung des § 644 ZPO a. F. zu, wonach dieser lediglich die Feststellung der Zahlvaterschaft, aber nicht die Feststellung der wirklichen unehelichen Vaterschaft ausschließen sollte.174 Begründet hat es seine Entscheidung mit Art. 6 Abs. 5 GG. Dieser gebiete es, dass auch für uneheliche Kinder ein Verfahren bereitgestellt werden müsse, mit dem ihre biologische Abstammung von einem bestimmten Mann mit Wirkung gegenüber Dritten geklärt werden kann.175 Die Duldung von Blutuntersuchungen wurde 1950 mit § 372a ZPO a. F. gesetzlich aufgenommen.176 Der Vaterschaftsanerkennung wurde auch nach 1945 keine eigenständige abstammungsrechtliche Bedeutung beigemessen. Sie galt weiterhin überwiegend als Vaterschaftsvermutung bei der Legitimation durch anschließende Ehe.177 Zu den ursprünglichen Regelungen des historischen Gesetzgebers und der Rechtsprechung in dieser Zeit, wonach die biologische Herkunft für die rechtliche Kindeszuordnung grundsätzlich nicht von Bedeutung war, kehrte der Gesetzgeber selbst nach Beendigung des nationalsozialistischen Regimes nicht mehr zurück.

D. Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 Das Familienrechtsänderungsgesetz vom 11. August 1961178 sollte unter anderem dringliche Fragen des Unehelichenrechts klären.179 Es hatte nicht den Anspruch, das Unehelichenrecht komplett zu reformieren, lediglich regelungsbe172 Vgl. BGH, Urt. v. 10.5.1951 – IV ZR 72/50 = BGHZ 2, 130 (131) bezogen auf die Anfechtung der Vaterschaft durch den Staatsanwalt. 173 BGH, Urt. v. 10.5.1951 – IV ZR 72/50 = BGHZ 2, 130 (134). 174 BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56 = BVerfGE 8, 210–221; BGH, Urt. v. 28.4.1952 – IV ZR 99/51 = BGHZ 5, 385 ff.; siehe zu der Rechtsprechung zur Feststellung der Vaterschaft nach dem Ende des zweiten Weltkrieges Helms, FS Frank 2008, 225 (229) m.w. N.; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 163 ff., 184 ff. 175 BVerfG, Beschl. v. 23.10.1958 – 1 BvL 45/56 = juris, Rn. 16. 176 BGBl. I 1950, S. 533; Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 6; siehe hierzu auch Frank, FamRZ 1995, 975 (977). 177 Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 44; Dölle, Familienrecht Band II, S. 463. 178 BGBl. I 1961, S. 1221 ff.; siehe zur Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 3/530. 179 BT-Drucks. 3/530, S. 13.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

dürftige Teilbereiche sollten überholt werden.180 So wurde das Ehelichkeitsanfechtungsrecht des Staatsanwalts abgeschafft. Öffentliche Gründe sollten einen Eingriff des Fiskus in die Statuszuordnungen einer Familie nicht mehr rechtfertigen können.181 An dessen Stelle trat ein selbständiges Ehelichkeitsanfechtungsrecht des Kindes, das allerdings grundsätzlich nur bei Scheitern der Ehe der Eltern möglich war (§ 1596 Abs. 1 BGB a. F.).182 Damit sollte vermieden werden, dass durch eine Vaterschaftsanfechtung der Familienfrieden gefährdet wird.183 Darüber hinaus wurde ein Ehelichkeitsanfechtungsrecht der Eltern des Mannes für den Fall geschaffen, dass der Mann bis zu seinem Tod keine Kenntnis von der Geburt des Kindes erlangt hatte bzw. dass er innerhalb von zwei Jahren seit der Geburt des Kindes gestorben war, ohne die Ehelichkeit des Kindes angefochten zu haben (§ 1595a BGB a. F.). Bewusst hat der Gesetzgeber sich gegen die Einführung einer Anfechtungsberechtigung für die Mutter mit der Begründung entschieden, ihr Interesse decke sich in der Regel mit dem des Kindes. „Ist das nicht der Fall, darf die Mutter nicht berechtigt sein, im Widerspruch zu den Belangen des Kindes dessen Unehelichkeit feststellen zu lassen.“184 Die Frist zur Ehelichkeitsanfechtung für den Vater wurde von einem Jahr auf zwei Jahre ab Kenntnis von den Umständen, die gegen Ehelichkeit des Kindes sprechen, angehoben (§ 1594 BGB a. F.). Die bisher gesetzlich nicht normierte Abstammungsfeststellungsklage wurde in § 640 ZPO a. F. aufgenommen. In § 644 ZPO a. F. wurde festgelegt, dass das Statusurteil Auswirkungen auf die Zahlvaterschaft hat. Eine Zuordnung des Kindes zu einem Vater mit statusbegründender Kraft – losgelöst von der Ehe und der Ehelichkeitserklärung – unterblieb weiterhin.

E. Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder von 1969 Nichteheliche Kinder im Vergleich zu ehelichen Kindern familienrechtlich zu benachteiligen, war unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 Abs. 5 GG auf Dauer nicht haltbar.185 Daher gelten seit dem Gesetz über die rechtliche Stellung der 180

BT-Drucks. 3/530, S. 18. BT-Drucks. 3/530, S. 14. 182 Das Kind konnte die Ehelichkeit zum Beispiel dann anfechten, wenn der Mann gestorben ist ohne sein Anfechtungsrecht verloren zu haben (§ 1596 Abs. 1 Nr. 1 BGB a. F.) oder die Mutter den biologischen Vater des Kindes geheiratet hat (§ 1596 Abs. 1 Nr. 3 BGB a. F.). 183 BT-Drucks. 3/530, S. 15; siehe hierzu Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 270. 184 BT-Drucks. 3/530, S. 15 f. 185 So BVerfG, Beschl. v. 29.1.1969 – 1 BvR 26/66 = BVerfGE 25, 167 ff.; Luh, S. 43; einen rechtsgeschichtlichen Überblick über die Benachteiligung nichtehelicher Kinder aus Art. 6 Abs. 5 GG bietet Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 97–120. 181

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nichtehelichen Kinder (NEhelG), das am 1. Juli 1970 in Kraft trat186, nichteheliche Kinder als mit ihrem Vater verwandt.187 Rechtlicher Vater eines nichtehelichen Kindes ist seitdem der Mann, der die Vaterschaft anerkennt oder bei dem die Vaterschaft gerichtlich festgestellt wird (§ 1600a S. 1 BGB a. F.).188 Trotz allem sah sich der Gesetzgeber aufgrund der unterschiedlichen Situation, in der sich eheliche und nichteheliche Kinder befinden, zunächst nicht dazu berufen, eine komplette Gleichstellung zu schaffen.189 So heißt es in der Gesetzesbegründung der Vater eines nichtehelichen Kindes sei in den meisten Fällen nicht gewillt, „sich um das Kind wie um ein eheliches Kind zu kümmern.“ Darüber hinaus fehle es einem nichtehelichen Kind in vielen Fällen an der Geborgenheit eines gesicherten Zuhauses.190 Daher wurde unter anderem weiterhin zwischen ehelicher und nichtehelicher Abstammung unterschieden und auf die Amtspflegschaft sowie auf die Institute der Legitimation kraft Ehe (§ 1719 BGB a. F.) und der Ehelicherklärung (§§ 1723 ff. BGB a. F.)191 nicht verzichtet. Terminologisch sollte fortan von „nichtehelichen“ und nicht mehr von „unehelichen“ Kindern gesprochen werden.192 I. Vaterschaftsanerkennung Erstmals wurde der Vaterschaftsanerkennung volle konstitutive Wirkung eingeräumt. Um diese Wirkung bereits im Geburtszeitpunkt erlangen zu können, wurde die pränatale Vaterschaftsanerkennung geschaffen (§ 1600b Abs. 2 BGB a. F.). Eine wirksame Vaterschaftsanerkennung forderte neben der Anerkennungserklärung des Mannes die Zustimmung des Kindes (§ 1600c Abs. 1 BGB a. F.). 186 BGBl. I 1969, S. 1243; siehe zur Begründung des Gesetzentwurfs des NEhelG BT-Drucks. V/2370. 187 § 1589 Abs. 2 BGB a. F., der vorsah, dass nichteheliche Kinder mit ihrem Vater nicht verwandt waren, wurde abgeschafft. Hierzu heißt es in BT-Drucks. V/2370, S. 24: „Die Bestimmung widerspricht dem Grundsatz, eheliche und uneheliche Kinder nur insoweit verschieden zu behandeln, als dies aus besonderen Gründen, insbesondere zum Schutz des unehelichen Kindes erforderlich ist.“ 188 Nur der Mann oder das Kind konnte die Klage auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft erheben (§ 1600n Abs. 1 BGB a. F.). Eine separate Klagemöglichkeit der Mutter wurde nicht für notwendig gehalten (Vgl. BT-Drucks. V/2370, S. 35 f.). Für die Regelung des § 644 ZPO a. F., wonach die Abstammung festgestellt werden konnte, bestand kein Bedarf mehr. 189 BT-Drucks. V/2370, S. 19; auf S. 20 heißt es: „Somit ist eine ungleiche rechtliche Behandlung ehelicher und unehelicher Kinder geradezu geboten, um die tatsächliche Lage der unehelichen Kinder derjenigen der ehelichen Kinder möglichst anzugleichen.“. 190 BT-Drucks. V/2370, S. 19. 191 Die Vorschriften zur Ehelicherklärung (§ 1723 ff. BGB a. F.) wurden erweitert. Auch wurde begrifflich die „Ehelichkeitserklärung“ in „Ehelicherklärung“ geändert: BT-Drucks. V/2370, S. 72. 192 Siehe hierzu Luh, S. 45.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

Damit sollte verhindert werden, dass das Kind sich einen Vater aufdrängen lassen musste bzw. dass der leibliche Vater einen leistungsunfähigen Mann als Vater „vorschieben“ konnte.193 Die Zustimmung der Mutter hielt man für entbehrlich, da „Mütter sich nur in engen Ausnahmefällen gegen die Anerkennung wenden“ würden.194 Das minderjährige Kind konnte die Zustimmung nicht selbst abgeben, sondern musste von einem gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Zwar wurde die Amtsvormundschaft, die die elterliche Gewalt für ein uneheliches Kind dem Jugendamt als Vormund übertrug, abgeschafft, es blieb allerdings bei einer Amtspflegschaft. Hiernach erhielt die Mutter, die grundsätzlich die elterliche Sorge für das nichteheliche Kind ausübte, einen Beistand (Amtspfleger) unter anderem für alle Angelegenheiten die mit der Feststellung oder Änderung des Status des Kindes verbunden waren (§ 1706 Nr. 1 BGB a. F.).195 Als Amtspfleger wurde in der Regel ein Beamter vom Jugendamt tätig (§ 1709 BGB a. F.).196 Dieser gab als gesetzlicher Vertreter des Kindes die Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung ab.197 In der Gesetzesbegründung heißt es zur Beistandschaft: „Der Schutz des Kindes gebietet nach wie vor, die Rechte der Mutter zunächst kraft Gesetzes zu beschränken“, weil sich die nichteheliche Mutter „in einer erheblich schwierigeren Lage befindet als die eheliche Mutter“.198 Erfolgte die Vaterschaftsanerkennung bewusst entgegen der biologischen Wahrheit, war eine Strafbarkeit aus § 169 StGB fortan ausgeschlossen.199 Grund hierfür war die Einführung des speziellen Unwirksamkeitsgrundes des § 1600f Abs. 1 BGB a. F. Dieser begrenzte die Unwirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung auf die Fälle, in denen die Voraussetzungen für die Vaterschaftsanerkennung nicht eingehalten wurden.200 Der Gesetzgeber ging davon aus, dass eine entgegen der biologischen Wahrheit erfolgte Anerkennung nicht häufig vorkom193

BT-Drucks. V/2370, S. 27 f.; Soergel/Gaul, § 1600c a. F., Rn. 1. BT-Drucks. V/2370, S. 28. 195 Der Beistand hatte bei Wahrnehmung der Vertretung für das Kind die Rechte und Pflichten eines Pflegers (§ 1710 BGB a. F.). Gemäß § 1707 BGB a. F. konnte auf Antrag der Mutter der Eintritt der Beistandschaft verhindert bzw. aufgehoben werden oder der Wirkungskreis des Amtspflegers beschränkt werden. 196 BT-Drucks. V/2370, S. 28; Henrich, FamRZ 2006, 977 (978); Theurer, ZFE 2006, 444 (444); Helms, FuR 1996, 178 (180); ders., Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 80. 197 Siehe ausführlich zu der Zustimmung seitens des Amtsvormunds Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 407–421. 198 BT-Drucks. V/2370, S. 62; ferner heißt es, es würde die Lage des Kindes verschlechtern, der Mutter die uneingeschränkte elterliche Gewalt zu übertragen. 199 BT-Drucks. V/2370, S. 30; die Begründung des Gesetzentwurfs spricht zwar von § 169 PStG. Hierbei handelt es sich allerdings um ein Versehen. 200 § 1600f Abs. 2 BGB a. F. erklärte die Vaterschaftsanerkennung trotz Nichtvorliegens einer Voraussetzung für wirksam, wenn seit der Eintragung in ein deutsches Personenstandsbuch fünf Jahre vergangen sind; siehe zu dem damaligen Streit, ob neben § 1600f BGB a. F. auch noch andere Unwirksamkeitsgründe anwendbar sind ausführlich Frank, Grenzen der Adoption, S. 100–107 m.w. N. 194

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men würde, da die nichteheliche Vaterschaft überwiegend Pflichten mit sich bringe.201 An eine vorsätzlich unrichtige Vaterschaftsanerkennung wurde lediglich in dem Fall gedacht, dass der Vater beabsichtigte, die Mutter zu heiraten. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Gerade in einem solchen Fall ist es aber erträglich, dass die wahre Abstammung nicht in einem gerichtlichen Verfahren nachgeprüft wird. Durch die nachträgliche Eheschließung wird das Kind legitimiert. Das Kind kann als eheliches in einer Vollfamilie aufwachsen; dies dient seinem Wohl häufig am meisten“.202 Dass bei einer Vaterschaftsanerkennung biologische und rechtliche Vaterschaft auseinander fallen können, war dem Gesetzgeber somit bewusst. Im Interesse des Kindes sollte dies akzeptiert werden. Bei nichtehelichen Kindern die Vaterschaft stets gerichtlich feststellen zu lassen, wurde bewusst abgelehnt, um die Intimsphäre der Mutter zu schützen und unnötigen Zeit- und Kostenaufwand bei der Statuszuordnung zu vermeiden.203 II. Anfechtung der Vaterschaft So wie die Statuszuordnung durch Ehe sollte fortan auch die Statuszuordnung kraft Vaterschaftsanerkennung angefochten werden können.204 Zur Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung waren der Anerkennende, das Kind und die Mutter berechtigt (§ 1600g Abs. 1 BGB a. F.).205 Die Eltern des Vaters hatten unter bestimmten Voraussetzungen ein Anfechtungsrecht, wenn dieser verstarb (§ 1600g Abs. 2 BGB a. F.). Die Anfechtungsfrist für das Kind betrug zwei Jahre ab Kenntnis von der Anerkennung und den Umständen, die gegen die Vaterschaft sprachen (§ 1600i Abs. 1 BGB).206 Alle anderen Anfechtungsberechtigten konn201

BT-Drucks. V/2370, S. 25 f. BT-Drucks. V/2370, S. 25. 203 BT-Drucks. V/2370, S. 25 f. 204 Bei den Vorschriften zur Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung orientierte sich der Gesetzgeber an den bestehenden Vorschriften zur Ehelichkeitsanfechtung: BTDrucks. V/2370, S. 24. 205 Anders als bei der Anfechtung der Ehelichkeit sollte die Anfechtung der Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung seitens des Kindes nicht durch besondere Anfechtungsgründe beschränkt werden; siehe hierzu BT-Drucks. V/2370, S. 32. 206 Erfolgte die Vaterschaftsanerkennung im Zusammenhang mit oder nach der Eheschließung der Mutter und wurde die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt, so konnte das Kind noch zwei Jahre ab Kenntnis davon anfechten (§ 1600i Abs. 2 S. 1 BGB a. F.). Gleiches galt, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt lebten und nicht zu erwarten war, dass die eheliche Lebensgemeinschaft wieder hergestellt würde (§ 1600i Abs. 2 S. 2 BGB a. F.). § 1600i Abs. 3 BGB a. F. sah vor, dass eine erneute Anfechtungsfrist von zwei Jahren zu laufen begann, wenn die Mutter nach der Geburt heiratete, so dass das Kind durch Ehe legitimiert wurde. Gemäß § 1600i Abs. 5 BGB a. F. war die Anfechtung auch noch nach Ablauf der Frist zulässig, wenn die Anfechtung wegen einer schweren Verfehlung des Mannes gegen das Kind, wegen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels oder einer schweren Erbkrankheit des Mannes sittlich gerechtfertigt war. 202

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

ten innerhalb eines Jahres die Vaterschaft anfechten (§ 1600h Abs. 1 BGB).207 Bewusst hat man sich gegen einen Ausschluss der Vaterschaftsanfechtung in dem Fall entschieden, dass der Anerkennende von seiner mangelnden Erzeugerstellung bereits bei der Vaterschaftsanerkennung wusste.208 An den Ehelichkeitsanfechtungsvorschriften wurde im Wesentlichen festgehalten. Zur Anfechtung der Ehelichkeit waren weiterhin der Mann, in eng begrenzten Fällen das Kind und die Eltern des Mannes berechtigt (§§ 1594–1596 BGB a. F.).

F. Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 Das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG), das am 1. Juli 1998 in Kraft trat209, änderte das Abstammungsrecht grundlegend.210 In seinen wesentlichen Zügen ist es heute noch unverändert in Kraft. Die Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern und die damit zusammenhängende Untergliederung der Abstammungsvorschriften wurden gänzlich aufgehoben. Eine solche war unter dem Aspekt des Art. 6 Abs. 5 GG, trotz bereits erfolgter Änderungen durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder, nicht mehr hinzunehmen.211 Dies führte unter anderem dazu, dass die drei Vaterschaftszuordnungstatbestände in einer Vorschrift (§ 1592 Nr. 1–Nr. 3 BGB) vereint wurden. Von einer materiell-rechtlichen Änderung der Vaterschaftszuordnungstatbestände wurde abgesehen. Insbesondere wurde auf eine „Regelung, wonach auch der Ehemann der Mutter nur als Vater gilt, wenn er die Vaterschaft anerkennt oder die Vaterschaft rechtskräftig festgestellt ist“ angesichts der „deutschen Rechtstradition“ verzichtet.212 Darüber hinaus wurde § 1593 BGB 207 Die Anfechtungsfrist für den Ehemann begann mit Kenntnis von den Umständen, die gegen die Vaterschaft sprachen (§ 1600h Abs. 2 S. 1 BGB a. F.). Für die Eltern des Mannes begann die Frist mit der Kenntnis vom Tode des Mannes und von der Anerkennung (§ 1600h Abs. 3 BGB a. F.). Die Anfechtungsfrist der Mutter fing mit der Kenntnis von der Vaterschaftsanerkennung an zu laufen (§ 1600h Abs. 4 S. 1 BGB a. F.). 208 BT-Drucks. V/2370, S. 31: „Gibt ein Mann eine bewusst unrichtige Anerkennung ab, so meist deshalb, weil er die Mutter des Kindes geheiratet hat oder zu heiraten beabsichtigt. Kommt in solchen Fällen die Ehe nicht zustande oder wird sie geschieden, so kann es für den Mann eine Härte bedeuten, wenn er an seiner Anerkennung festgehalten würde.“ 209 BGBl. I 1997, S. 2942; siehe zu der Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 13/4899. 210 Anders als durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder wurden nicht nur Änderungen am BGB vorgenommen, sondern unter anderem auch am PStG, am GVG, am RPflG, am FGG und am SGB. Das BGB wurde hauptsächlich an Stellen des Abstammungs-, Sorge-, Umgangs-, Unterhalts- und des Adoptionsrechts geändert. 211 BT-Drucks. 13/4899, S. 45, 51, 52. 212 BT-Drucks. 13/4899, S. 52; seit der Kindschaftsrechtsreform wird aber nicht mehr davon ausgegangen, dass ein innerhalb einer bestimmten Frist nach der Schei-

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eingeführt, nach dem ein Kind einem verstorbenen Ehemann der Mutter zugeordnet werden kann.213 Die Legitimation durch anschließende Ehe oder Ehelicherklärung hatte aufgrund der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder keine Berechtigung mehr und wurde abgeschafft.214 I. Anfechtung der Vaterschaft Auch die Unterteilung der Vaterschaftsanfechtung in die Ehelichkeits- und Anerkennungsanfechtung, die etwa zu unterschiedlichen Anfechtungsfristen führte, entfiel.215 Das Anfechtungsrecht der Eltern des rechtlichen Vaters wurde abgeschafft. Die Anfechtung der Vaterschaft solle „wegen des damit verbundenen Eingriffs in höchstpersönliche Belange auf den Kernbereich verwandtschaftlicher Beziehungen beschränkt werden“.216 Kind, Mutter und rechtlicher Vater217 sollten die Vaterschaft kraft Ehelichkeit oder Vaterschaftsanerkennung zu gleichen Rechten und Fristen anfechten können.218 Die Schaffung des uneingeschränkten Anfechtungsrechts des Kindes hängt unmittelbar mit einer Entscheidung des BVerfG vom 31.1.1989 zusammen.219 In dieser erklärte das BVerfG das nur eingeschränkt mögliche Ehelichkeitsanfechtungsrecht des Kindes als mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes im Allgemeinen und dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung im Besonderen für nicht vereinbar und daher für verfassungswidrig.220 Eine weitere Entscheidung des BVerfG zum Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung221 führte zur Schaffung

dung, Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe geborenes Kind noch vom früheren Ehemann der Mutter abstammt: Vgl. BT-Drucks. 13/4899, S. 52, 54, 83. 213 Siehe hierzu BT-Drucks. 13/4899, S. 83. 214 BT-Drucks. 13/4899, S. 70. 215 Vgl. BT-Drucks. 13/4899, S. 52, 86; Luh, S. 49; Kopper-Reifenberg, S. 153. 216 BT-Drucks. 13/4899, S. 57. 217 Auf die Einführung eines Anfechtungsrechts für den biologischen Vater wurde bewusst verzichtet. Der Gesetzgeber ging von dem Bestehen einer sozial-familiären Beziehung aus, wenn die drei Anfechtungsberechtigten von ihrem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Eine solche sozial-familiäre Beziehung sollte der biologische Vater nicht beseitigen können: BT-Drucks. 13/4899, S. 58. 218 Bewusst entschied sich der Gesetzgeber unter dem Aspekt der Rechtssicherheit gegen die Abschaffung der Anfechtungsfristen; siehe hierzu BT-Drucks. 13/4899, S. 87. 219 BT-Drucks. 13/4899, S. 55 f.; Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 407 (408); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 48. 220 Das BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87 = BVerfGE 79, 256 ff. beanstandete, dass es mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes unvereinbar sei, dass die Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit durch das volljährig gewordene Kind auch dann nach zwei Jahren abläuft, wenn das Kind bei Erwerb der Volljährigkeit noch keine Kenntnis von den Umständen hat, die für seine Nichtehelichkeit sprechen. 221 BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89 und 1 BvL 6/90 = BVerfGE 90, 263 ff.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

der besonderen Anfechtungsfristen für das Kind in § 1600b Abs. 3, Abs. 5 BGB.222 II. Vaterschaftsanerkennung Auch die Voraussetzungen zur Vaterschaftsanerkennung wurden geändert. Die alleinige Kindeszustimmung zur Vaterschaftsanerkennung wurde abgeschafft. An ihre Stelle trat die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB).223 Intention des Gesetzgebers war, die Vaterschaftsanerkennung von staatlicher Bevormundung zu befreien und damit die Elternautonomie, insbesondere die Rechte der Mutter, zu stärken.224 Immerhin werde ihre Rechtsstellung durch eine Vaterschaftsanerkennung, etwa durch ein Umgangsrecht des Vaters oder durch Unterhaltszahlungen, ebenfalls tangiert.225 Auch wisse sie am ehesten, wer als biologischer Vater des Kindes in Betracht kommt.226 Die Zustimmung des Kindes ist seitdem nur noch in eng begrenzten Fällen erforderlich.227 Eine obligatorische Kindeszustimmung neben der Zustimmung der Mutter hielt man aus folgendem Grund für entbehrlich: Das ebenfalls am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Beistandschaftsgesetz228 ersetzte die Amtspflegschaft des nichtehelichen Kindes durch eine lediglich freiwillige Beistandschaft des Jugendamtes (§§ 1712–1717 BGB). Das Kindschaftsrechtsreformgesetz bestimmte, dass Eltern eines nichtehelichen Kindes die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, wenn sie den Willen hierzu erklären (§ 1626a Abs. 1 BGB). Ansonsten erhält die Mutter die uneingeschränkte elterliche Sorge (§ 1626a Abs. 2 BGB). Das Jugendamt hingegen fungiert fortan nicht mehr als gesetzlicher Vertreter des nichtehelichen Kindes. Nur wenn ein Elternteil die Beistandschaft des Jugendamtes beantragt, wird dieses in Familiensachen eingeschaltet (§§ 1712 f. BGB). Hierbei bleibt die elterliche Sorge der Eltern/der Mutter allerdings unberührt (§ 1716 BGB), so dass das Jugendamt lediglich eine beratende und unterstützende Funktion wahrnimmt.229 Der Gesetzgeber war der 222

BT-Drucks. 13/4899, S. 55 f.; wieso Luh, S. 50, behauptet, § 1600b Abs. 5 BGB a. F. wurde auf Anraten des Rechtsausschusses nicht verabschiedet, ist nicht verständlich. Der Rechtsausschuss wies lediglich darauf hin, dass § 1600b Abs. 5 BGB a. F. nur bei Anfechtungsberechtigung des Kindes (im Gegensatz zu der Anfechtungsberechtigung aller) gelten sollte: BT-Drucks. 13/8511, S. 70. 223 Siehe hierzu BT-Drucks. 13/4899, S. 54, 84; kritisch: Rauscher, FPR 2002, 359 (364); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 402 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 49. 224 BT-Drucks. 13/4899, S. 1, 29, 54; ebenso Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (1); Benneter, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7977 (C). 225 BT Drucks. 13/4899, S. 54. 226 BT-Drucks. 13/4899, S. 54; ebenso LG Koblenz, Beschl. v. 1.8.2002 – 2 T 487/ 02 = StAZ 2003, 303 (303). 227 Siehe oben zweites Kapitel, S. 23 f. 228 BGBl. I 1997, S. 2846; Gesetzentwurf mit Begründung: BT-Drucks. 13/892. 229 Staudinger/Rauscher, Vorbem zu §§ 1712 ff., Rn. 7; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 422, 425 f., 430.

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Ansicht, dass die Zustimmung des Kindes nicht mehr erforderlich sei, da dies in den meisten Fällen eine doppelte Zustimmung der Mutter hervorrufen würde: Ihre eigene Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung und die des Kindes als gesetzliche Vertreterin.230

G. Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft von 2004 Mit dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, das am 30. April 2004 in Kraft trat231, wurde die Anfechtungsberechtigung des Mannes, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, eingeführt (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Mit der Einführung der Anfechtungsberechtigung für den biologischen, aber nicht rechtlichen Vater kam der Gesetzgeber einer Auflage des BVerfG vom 9. April 2003 nach.232 Hiernach musste dem leiblichen Vater unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 Abs. 2 GG verfahrensrechtlich die Möglichkeit geschaffen werden, die rechtliche Vaterschaft zumindest dann zu erhalten, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keinerlei soziale Beziehung besteht.233

H. Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren von 2008 Am 1. April 2008 trat das Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren in Kraft.234 Dieses führte ein vom Vaterschaftsanfechtungsverfahren losgelöstes Verfahren zur Klärung der biologischen Abstammung

230 BT-Drucks. 13/4899, S. 84; kritisch hierzu Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 464, der es als „naiven Gedanken“ bezeichnet, dass die Zustimmung der Mutter und die Zustimmung, die im Interesse des Kindes abgegeben werden müsste, zwingend dieselben sein sollen. 231 BGBl. I 2002, S. 598; Gesetzentwurf der Bundesregierung: BT-Drucks. 15/2253; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT-Drucks. 15/2492; Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses: BT-Drucks. 15/2831. 232 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 ff. = StAZ 2003, 210 ff. 233 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 ff.; siehe zu der Entscheidung des BVerfG Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 207–213. 234 BGBl. I 2008, S. 441; Gesetzentwurf der Bundesregierung: BT-Drucks. 16/6561; Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: BT-Drucks. 16/8219; siehe zu dem Gesetz ausführlich Helms, FS Frank 2008, 225 ff.; ders., FamRZ 2008, 1033 ff.; Frank/ Helms, FamRZ 2007, 1277 ff.; Wolf, FS Frank 2008, 349 (370 ff.); Schwab, FamRZ 2008, 23 ff.; Borth, FPR 2007, 381 ff.; Wellenhofer, NJW 2008, 1185 ff.

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des Kindes ein.235 Dem rechtlichen Vater, der Mutter und dem Kind steht seither ein Anspruch gegen die jeweils anderen beiden Familienmitglieder auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung zu (§ 1598a BGB n. F.).236 Bedeutet die Klärung der leiblichen Abstammung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes, setzt das Gericht so lange das Verfahren aus (§ 1598a Abs. 3 BGB n. F.). Die Schaffung eines isolierten Abstammungsfeststellungsverfahrens basiert auf einer Entscheidung des BVerfG.237 Es gab dem Gesetzgeber auf, ein Verfahren einzuführen, in dem die biologische Herkunft eines Kindes von seinem rechtlichen Vater unabhängig von einer Vaterschaftsanfechtung geklärt werden kann.238

235 Kritisch zu § 1598a BGB n. F. Helms, FS Frank 2008, 225 ff.; Wolf, Festsschrift Frank 2008, 349 (insbes. 355 ff.); bereits kritisch zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 ff.; Helms, StAZ 2008, 7 ff.; Schwab, FamRZ 2008, 23 ff.; zu der Frage, ob das Kindeswohl ausreichend beachtet wurde siehe Klosinski, FPR 2007, 385 ff.; die Frage der Einführung einer isolierten Abstammungsfeststellung bereits im Zusammenhang mit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 diskutierend: Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 127–135 m.w. N.; ders., FS Frank 2008, 225 (230–232) m.w. N. 236 Dem leiblichen Vater wird ein solcher Anspruch nicht eingeräumt. Um sicherzustellen, dass er auch tatsächlich Elternverantwortung übernehmen möchte und zum Schutz der Familie, kann er nur den Weg der Vaterschaftsanfechtung gehen (BT-Drucks. 16/6561, S. 10, 12); kritisch hierzu Helms, FamRZ 2010, 1 (7 f.); Heiderhoff, FamRZ 2010, 8 (8 f.); Ostermann, Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB, S. 314 ff.; zu der Frage, ob der Anspruch auf Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung dazu führt, dass heimliche Vaterschaftstests in Zukunft nicht mehr erfolgen siehe Muscheler, FPR 2007, 389 ff.; Ostermann, Das Klärungsverfahren gemäß § 1598a BGB, S. 152 ff. 237 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 ff. = FamRZ 2007, 441 ff. 238 Helms, FS Frank 2008, 225 (232) weist daraufhin, dass das BVerfG mit der genauen Vorgabe, es müsse ein vom Status unabhängiges Abstammungsfeststellungsverfahren geschaffen werden, den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte; ebenso kritisch zu der Entscheidung des BVerfG Wolf, FS Frank 2008, 349 (355 ff.). Darüber hinaus verwundert, dass die Vorgabe der Einführung des unabhängigen Abstammungsfeststellungsverfahrens keineswegs dem Anliegen des Beschwerdeführers entspricht. Der rechtliche Vater wollte sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung seiner Vaterschaftsanfechtungsklage vor den Zivilgerichten wehren, die an der Hürde des Anfangsverdachts scheiterte. Sein Begehren bestand primär in der Beseitigung der rechtlichen Statuszuordnung und sekundär in der Klärung der biologischen Herkunft. Letzterer war er sich aufgrund eines heimlich eingeholten Abstammungsgutachtens bereits bewusst; BGH, Urt. v. 12.1.2005 – XII ZR 227/03 = FamRZ 2005, 340 ff.

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I. Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft Am 1. Juni 2008 trat das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft (VaAnfRErgG) in Kraft.239 Durch Einführung eines behördlichen Anfechtungsrechts der Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.) wurde der Kreis der Anfechtungsberechtigten, der sich bisher auf die von der Vaterschaft unmittelbar Betroffenen beschränkte, erweitert. Grund hierfür waren Vaterschaftsanerkennungen allein zu staatsangehörigkeitsund aufenthaltsrechtlichen Zwecken, gegen die der Staat nur in Einzelfällen vorgehen konnte.240

J. Stellungnahme und Zusammenfassung Der geschichtliche Rückblick auf das Abstammungsrecht verdeutlicht, dass dieser Teil des Familienrechts seit Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches einem stetigen Wandel unterliegt. Dieser Wandel resultiert daraus, dass das Abstammungsrecht sich immer wieder einer veränderten gesellschaftlichen Lage anpassen muss. Trotz allem lassen sich, die Geschichte der Abstammung betrachtend, im Wesentlichen zwei Tendenzen herausfiltern. I. Statuszuordnung durch unmittelbar Beteiligte Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber den Einfluss der unmittelbar Betroffenen auf die rechtliche Abstammungszuordnung des Kindes stetig ausgeweitet241 und seinen eigenen Einfluss abgebaut hat. Bis zum Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder von 1969 sollte lediglich aus der Ehe eine statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu einem Mann erfolgen. Einem nichtehelichen Kind den Status eines ehelichen Kindes zu verleihen, war nur unter den engen Voraussetzungen der Legitimation durch Ehelichkeitserklärung möglich. Die Ehelichkeitserklärung war somit die einzige Möglichkeit der Beteiligten, auf den Status eines nichtehelichen Kindes Einfluss zu nehmen. Dieser Einfluss hielt sich insofern in Grenzen, als dass die Ehelichkeitserklärung einer staatlichen Prüfung der biologischen Abstammung unterlag. Zu Zeiten des Nationalsozialismus wurde eine solche Prüfung auch für die Legitimation kraft Ehe eingeführt. Seit dem Ende des nationalsozialistischen 239 BGBl. I 2008, S. 313; Gesetzentwurf der Bundesregierung: BT-Drucks. 16/3291; siehe ausführlich zum VaAnfRErgG das fünfte Kapitel, S. 142 ff. 240 Siehe hierzu ausführlich unten viertes Kapitel, S. 92 ff. 241 Luh, S. 55 spricht von dem „zunehmenden Einfluss, der den Beteiligten auf die Zuordnung des Kindes eingeräumt wird.“

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Regimes zog der Staat seine Mitwirkung an der Statuszuordnung zurück und weitete diejenige der unmittelbar Betroffenen aus. Zwar blieb es auch weiterhin bei der abstammungsrechtlichen Zuordnung des Kindes zu dem Ehemann, auf die die Beteiligten keinen Einfluss nehmen konnten, doch war es seit 1969 möglich, nichtehelichen Kindern einen Mann als Vater im Wege der Vaterschaftsanerkennung zuzuordnen. Hierfür bedurfte es der Mitwirkung des anerkennenden Mannes und des nichtehelichen Kindes. Einer gewissen staatlichen Kontrolle unterlag die Vaterschaftsanerkennung allerdings weiterhin. Die Zustimmung des Kindes zu der Vaterschaftsanerkennung gab in der Regel das Jugendamt als gesetzlicher Vertreter des Kindes ab. Diese staatliche Mitwirkung wurde durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 abgeschafft. Die Vaterschaftsanerkennung sollte von staatlicher Bevormundung befreit und die Elternautonomie gestärkt werden. Daher trat an die Stelle der Zustimmung des Kindes zur Vaterschaftsanerkennung die Zustimmung der Mutter. Die Kindeszustimmung ist nur noch in eng begrenzten Fällen notwendig, so dass fortan Mutter und anerkennender Mann den Status des nichtehelichen Kindes bestimmen können. Auch wurde § 1599 Abs. 2 BGB eingeführt, wonach auf die Vaterschaftszuordnung kraft Ehe Einfluss genommen werden kann. Die Bestimmung der rechtlichen Vaterschaft unterliegt in einem solchen Fall der Disposition der Mutter, des anerkennenden Mannes und des Nochehemannes der Mutter.242 Es ist somit eine Entwicklung im Abstammungsrecht dahingehend zu verzeichnen, dass die von einer Vaterschaftszuordnung unmittelbar Betroffenen immer mehr Einfluss auf den Status des Kindes nehmen können. Bezogen auf die Vaterschaftsanerkennung ist die Entwicklung sogar dahingegangen, die rechtliche Abstammungszuordnung des Kindes gänzlich in die Hände der Beteiligten zu legen. Auch bezogen auf die Beseitigung der Abstammungszuordnung durch Vaterschaftsanfechtung ist diese Entwicklung in ähnlicher Art und Weise erkennbar. Die zu Zeiten des Nationalsozialismus geschaffene Anfechtungsberechtigung des Staatsanwalts wurde mit dem Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 mit der Begründung abgeschafft, selbst öffentliche Interessen könnten einen Eingriff in den privaten Bereich der Familien nicht rechtfertigen.243 Vielmehr wurde neben dem Anfechtungsrecht des Ehemannes zunächst ein Anfechtungsrecht des Kindes und später eines der Mutter eingeführt. Das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 schaffte das Anfechtungsrecht der Eltern des Mannes ab. Hierzu heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf: „Die Klärung der Abstammungsfragen soll wegen des damit zusammenhängenden Eingriffs in höchstper242 Gaul, FamRZ 2000, 1461 (1463 f.); ders., FamRZ 1997, 1441 (1466) bezeichnet diese Vorschrift als Systembruch im Abstammungsrecht, da der Status des Kindes der Privatautonomie unterliege. 243 BT-Drucks. 3/530, S. 14.

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sönliche Belange auf den Kernbereich verwandtschaftlicher Beziehungen beschränkt werden, so dass nur Vater, Mutter und Kind anfechtungsberechtigt sein sollen.“244 2004 wurde auch der biologische Vater des Kindes in den Kreis der Anfechtungsberechtigten aufgenommen. Bis dahin entwickelte sich das Abstammungsrecht in der Hinsicht, denjenigen eine Anfechtungsberechtigung einzuräumen, die unmittelbar von der Statuszuordnung des Kindes betroffen waren. Diese Entwicklung durchbrach das VaAnfRErgG von 2008. Mit der Schaffung eines Anfechtungsrechts für eine öffentliche Behörde wurde der staatliche Einfluss bei der Statusbeseitigung und damit im Abstammungsrecht wieder ausgeweitet. II. Biologische Wahrheit Die zweite Tendenz im Abstammungsrecht geht dahin, der biologischen Wahrheit zunehmend mehr Gewicht beizumessen.245 Diese Tendenz basiert unter anderem auf Entscheidungen des BVerfG. 1. Erweiterung der Anfechtungsvorschriften Die Vaterschaftsanfechtungsvorschriften wurden im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut, damit die Anfechtungsberechtigten sich von einer Statuszuordnung, die nicht mit der biologischen Wahrheit übereinstimmt, möglichst lange lösen können. Ursprünglich war der Beginn der Anfechtungsfrist an die Kenntnis der Geburt des Kindes geknüpft. Heute beginnt sie bei Kenntnis der Umstände, die gegen eine biologische Vaterschaft des rechtlichen Mannes sprechen. Auch wurde die Anfechtungsfrist von einem Jahr auf zwei Jahre verlängert. Die rechtliche Vaterschaft kann somit länger beseitigt werden. Weitere Änderungen im Vaterschaftsanfechtungsrecht standen im unmittelbaren Zusammenhang mit Entscheidungen des BVerfG. Diese bekräftigten zwar die Verfassungsmäßigkeit der Vaterschaftszuordnungsregeln selbst bei möglichem Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft, erklärten allerdings einige Regelungen, die die Vaterschaftsanfechtung betrafen, für verfassungswidrig. Das BVerfG deutete am 31. Januar 1989246 das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung als Bestandteil des allgemeinen Persön244

BT-Drucks. 13/4899, S. 57. So auch Wolf, FS Frank 2008, 349 (insbes. 349, 354), der sogar die Ansicht vertritt, die biologische Abstammung habe „Vorherrschaft über die rechtliche Regelung erlangt.“; ders., NJW 2005, 2417 (2420). 246 BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87 = BVerfGE 79, 256 ff.; vgl. auch Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 407 (408); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 48. 245

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lichkeitsrechts des Kindes.247 Mit diesem Recht war das nur eingeschränkt mögliche Ehelichkeitsanfechtungsrecht des Kindes nicht vereinbar und daher verfassungswidrig. Es dauerte noch neun Jahre, bis der Gesetzgeber als Folge der Entscheidung ein uneingeschränktes Anfechtungsrecht des Kindes im Zuge der Kindschaftsrechtsreform von 1998 schuf. Am 26. April 1994 erklärte das BVerfG die Vorschrift, wonach die Frist der Vaterschaftsanfechtung für das Kind zwei Jahre nach Volljährigkeit kenntnisunabhängig ablief, ebenfalls für unvereinbar mit dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung.248 Die Abstammungsregeln wurden daraufhin in der Hinsicht geändert, dass das Kind verlängerte Anfechtungsfristen kenntnisabhängig nach Volljährigkeit erhielt (§ 1600b Abs. 3, Abs. 5 BGB). Die Voraussetzungen für die Vaterschaftsanfechtung haben sich stetig verringert. Inzwischen unterliegt die Vaterschaftsanfechtung durch das Kind, die Mutter und den rechtlichen Vater, abgesehen von der Hürde des Anfangsverdachts, lediglich der Voraussetzung der Einhaltung der Anfechtungsfrist. Nur die Anfechtung durch den leiblichen Vater und durch die anfechtungsberechtigte Behörde ist an weitere Voraussetzungen geknüpft. Diese sollen sicherstellen, dass bei einer bestehenden sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind der Status des Kindes nicht von außen angegriffen werden kann. Dadurch, dass kein einheitlicher Fristbeginn für die Anfechtungsberechtigten mehr existiert und darüber hinaus erneute Anfechtungsfristen für das Kind ab Volljährigkeit zu laufen beginnen, ist dafür gesorgt, dass sich die Beteiligten möglichst lange von der Statuszuordnung lösen können. 2. Die biologische Wahrheit neben dem Statussystem Der biologischen Wahrheit wird auch insofern mehr Bedeutung beigemessen, als dass diese sich in letzter Zeit neben dem rechtlichen Status als eigene Kategorie im Abstammungsrecht und in der Rechtsprechung etabliert hat. Der Grundsatz des deutschen Abstammungsrechts ist folgender: Ein Kind wird seinen Eltern mit statusbegründender Wirkung zugeordnet, wobei bewusst Abweichungen zwischen rechtlicher Statuszuordnung und biologischer Herkunft toleriert werden.249 Lediglich an die rechtliche Zuordnung werden verwandtschaft247 Siehe ausführlich zu den Entscheidungen des BVerfG bezogen auf das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung: Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 44–54; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 64–83. 248 BVerfG, Beschl. v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89 und 1 BvL 6/90 = BVerfGE 90, 263 ff. 249 Anderer Ansicht ist Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 123. Er geht davon aus, dass nach Möglichkeit rechtliche und biologische Vaterschaft übereinstimmen sollten,

§ 3 Geschichtliche Entwicklung seit Entstehen des Bürgerlichen Gesetzbuchs

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liche Rechte und Pflichten geknüpft. Die Feststellung der biologischen Herkunft des Kindes von dem rechtlichen Vater kann allein im Zusammenhang mit einer Anfechtung der Vaterschaft erfolgen. Ist die Vaterschaftsanfechtung erfolgreich, wird der bestehende Status des Kindes beseitigt. Dieser Grundsatz wurde beginnend mit einem Urteil des BVerfG vom 13. Februar 2007 durchbrochen.250 Das BVerfG sah einen Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) des rechtlichen Vaters darin, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch kein Verfahren zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der biologischen Abstammung des Kindes existiere, das nicht gleichzeitig den rechtlichen Status des Kindes berühre. Daher müsse ein Verfahren bereitgestellt werden, „in dem unter Zuhilfenahme der genetischen Daten des Kindes in Abgleich mit den Daten des rechtlichen Vaters geklärt werden kann, ob das Kind wirklich von diesem abstammt“.251 Die Vaterschaftsanfechtung reiche hierfür nicht aus, denn es seien Fälle denkbar, in denen das Interesse des rechtlichen Vaters nicht auf die Beseitigung der Vaterschaftszuordnung gerichtet sei, sondern darauf, „zu wissen, ob das Kind wirklich von ihm abstammt“.252 Das BVerfG gab dem Gesetzgeber auf, bis zum 31. März 2008 ein solches Verfahren einzuführen.253 Dieser Auflage kam der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren“ nach. Mit § 1598a Abs. 1 BGB n. F. wurde ein Instrument in das Bürgerliche Gesetzbuch eingeführt, das die biologische Herkunft des Kindes klären kann, ohne seinen rechtlichen Status anzutasten.254 Die Etablierung des unabhängigen Abstammungsfeststellungsverfahren führt zu folgender Situation im Abstammungsrecht: Es existieren zum einen Vorschriften zur rechtlichen Statuszuordnung und zum anderen Vorschriften zur Klärung der biologischen Herkunft des Kindes. Beide Regelungen verlaufen parallel nebeneinander, ohne dass die einen Auswirkungen auf die anderen haben.255 Dieses „denn es kann nicht Sinn und Zweck des Abstammungsrechts sein, einem Kind einen Vater zuzuordnen, der es tatsächlich nicht ist.“. 250 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 ff. = FamRZ 2007, 441 ff.; siehe zu der Entscheidung ausführlich Zuck, FPR 2007, 379 ff. 251 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 (755). 252 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 (757) = FamRZ 2007, 441 ff. 253 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 (753) = FamRZ 2007, 441 (441). 254 Wolf, FS Frank 2008, 349 (365) bezeichnet die Vaterschaftsanfechtung aufgrund der Einführung des unabhängigen Abstammungsfeststellungsverfahrens und der damit verbundenen „Trennung der Abstammung von der rechtlichen Zuordnung“ als „zum Einsturz gebracht.“. 255 Der Gesetzgeber verzichtete aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/8219, S. 7 f.) darauf, im Fall der Abstammungsklärung nach § 1598a BGB eine erneute zweijährige Anfechtungsfrist für Mann und Kind gemäß § 1600b Abs. 7 RegE BGB in Gang zu setzen. Helms und Frank wiesen darauf hin, dass

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

„Nebeneinander der Statusregeln zur Festlegung der rechtlichen Vater-Kind-Zuordnung und des Klärungsanspruchs zur tatsächlichen Aufdeckung der genetischen Verwandtschaftsverhältnisse“ wird auch als „Zwiespalt“ im deutschen Abstammungsrecht bezeichnet.256 Die Einführung dieses Parallelsystems im Abstammungsrecht führte zu Entscheidungen des BGH, in denen er sich fortan nicht mehr daran gebunden sah, ausschließlich vom rechtlichen Status verwandtschaftliche Rechte und Pflichten abzuleiten. Vielmehr knüpfte er im „Scheinvaterregress“257 und bei Kürzung des Versorgungsausgleichs258 an die biologische und nicht rechtliche Abstammung des Kindes mit Auswirkungen auf seine Entscheidungen an. Hierbei berief er sich auf das eingeführte unabhängige Abstammungsfeststellungsverfahren. Dieses verdeutliche, dass die biologische Wahrheit einer Statuszuordnung nicht nur im Zusammenhang mit einer Vaterschaftsanfechtung hinterfragt, sondern ohne Auswirkungen auf den Status des Kindes auch inzident festgestellt werden könne.259 auf diese Weise eine unbefristete Anfechtungsmöglichkeit geschaffen worden wäre, Frank/Helms, FamRZ 2007, 1277 (1280); Helms, StAZ 2008, 7 (9); ders., Anhörung im Rechtsausschuss zu BT-Drucks. 16/6561 am 12.12.2007, S. 13 f. (Protokoll-Nr. 82); ders., FS Frank 2008, S. 225 (236–239). Da die Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren an keinerlei Fristen gebunden ist (§ 194 Abs. 2 BGB), hätte dies im Ergebnis bedeutet, dass auch nach abgelaufener Anfechtungsfrist der Anfechtungsberechtigte zu einem erneuten Anfechtungsrecht über den Umweg der isolierten Klärung der Abstammung hätte gelangen können. Wolf, FS Frank 2008, 349 (371–374) spricht sich hingegen dafür aus, dass dem Mann nach Klärung der Abstammung auch bei Ablauf der Anfechtungsfrist die Möglichkeit zur Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft geschaffen werden müsse, weil der Mann ansonsten als Zahlvater übrig bliebe. 256 Helms, FamRZ 2008, 1033 (1037). 257 BGH, Urt. v. 16.4.2008 – XII ZR 144/06 = juris = NJW 2008, 2433 ff.; BGH, Urt. v. 22.10.2008 – XII ZR 46/07 = juris = FamRZ 2009, 32 ff.; der BGH durchbrach die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB und stellte inzident die Vaterschaft im Unterhaltsregress fest, ohne dabei am Status des Kindes zu rütteln. Die Durchbrechung des § 1600d Abs. 4 BGB soll allerdings nur in eng gelagerten Ausnahmefällen möglich sein; so zum Beispiel dann, wenn davon auszugehen ist, dass ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird; siehe zu dem Urteil des BGH v. 16.4.2008 Heiderhoff, FamRZ 2010, 8 (11 ff.); Wellenhofer, FamRZ 2008, 1427 f.; Maurer, NJW 2008, 2436; Löhnig, JA 2009, 66 f.; Schwonberg, FamRZ 2008, 449 (450) m.w. N. in Fn. 19. 258 In der Entscheidung BGH, Beschl. v. 25.6.2008 – XII ZB 163/06 = juris = FamRZ 2008, 1836 ff. wurde die Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB durchbrochen. Der BGH stellte fest, dass eine Inzidentfeststellung der biologischen Abstammung in einem Verfahren über den Versorgungsausgleich den Status des Kindes unberührt lasse. Daher könne der Versorgungsausgleich gekürzt werden (§ 1587c BGB a. F.), wenn die Ehelichkeit eines in der Trennungszeit geborenen Kindes zwar nicht mehr angefochten werden könne, das Kind aber unstreitig nicht von dem Ausgleichspflichtigen abstamme. Voraussetzung sei allerdings eine umfassende Interessenabwägung, bei der insbesondere die schutzwürdigen Interessen des Kindes und der Familienfriede zu berücksichtigen seien; siehe zu dem Beschluss Heiderhoff, FamRZ 2010, 8 (11 ff.); Zimmermann, FPR 2008, 583.

§ 4 Vaterschaftszuordnungskriterien ohne genetischen Nachweis

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Problematisch ist bei dieser Entwicklung zweierlei: Zum einen wird dem rechtlichen Status sein Wert entzogen, wenn dieser zwar die rechtliche VaterKind-Beziehung begründet, die biologische Abstammung aber ebenfalls die Grundlage für gewisse Ansprüche aus einem Vater-Kind-Verhältnis ist. Zum anderen wird die Entwicklung auch Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete haben. Bisher sah sich die Rechtsprechung anderer Rechtsgebiete aufgrund der Einheit der Rechtsordnung dazu berufen, allein von dem rechtlichen Status des Kindes Rechte und Pflichten abzuleiten und die biologische Herkunft außer Acht zu lassen. Wird dieser Grundsatz im Familienrecht durchbrochen, ist auch das Argument der Einheit der Rechtsordnung bei Entscheidungen in anderen Rechtsgebieten entkräftet.

§ 4 Vaterschaftszuordnungskriterien ohne genetischen Nachweis Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen wären ausgeschlossen, wenn nur der biologische Vater rechtlicher Kindesvater werden könnte. Die biologische Herkunft ist nur bei der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung Grundlage für die rechtliche Vaterschaft, wenn die gesetzlichen Zuordnungstatbestände der §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB nicht greifen.260 Fraglich ist, warum der Gesetzgeber sich für ein Statussystem, in dem ein Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft möglich ist, entschieden hat.

A. Historie Der Geschichte des Abstammungsrechts lässt sich entnehmen, dass seit Entstehen des Bürgerlichen Gesetzbuches die rechtliche Abstammungszuordnung zum Vater unmittelbar mit Annahmen bezüglich der biologischen Abstammung des Kindes zusammenhängt. I. Zuordnungskriterium der Ehe Zu Zeiten des Entstehens des Bürgerlichen Gesetzbuches war eine Feststellung der wahren (biologischen) Vaterschaft undenkbar bzw. in hohem Maße unsicher.261 Von einer unsicheren Feststellung sollte der Status des Kindes nicht ab259 BGH, Urt. v. 16.4.2008 – XII ZR 144/06 = juris, Rn. 27; BGH, Beschl. v. 25.6.2008 – XII ZB 163/06 = juris, Rn. 22. 260 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2153). 261 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 345; Geserick, FPR 2002, 380 (380); Wolf, NJW 2005, 2417 (2419); Luh, S. 167 f.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

hängig sein.262 Ein Kind sollte trotzdem möglichst eine Mutter und einen Vater haben. Anders als bei der Mutterschaft (hier konnte man auf das Ereignis der Geburt abstellen), war die Erzeugerstellung eines Mannes nicht zurückzuverfolgen. Daher bedurfte es bei der Statuszuordnung zum Vater der Anknüpfung an Ereignisse, die zuverlässig die biologische Vaterschaft eines Mannes indizierten.263 Die Ehe sollte, die Treue der Ehefrau unterstellt, die Vaterschaft des Ehemannes für von der Ehefrau zur Welt gebrachter Kinder implizieren. Daher wurde nach dem Grundsatz „pater est quem nuptiae demonstrant“264 schon seit jeher der Mann als Vater bestimmt, der mit der Mutter verheiratet war.265 Dass hierbei rechtliche und biologische Vaterschaft auseinander fallen konnten, war dem Gesetzgeber bewusst.266 In einem solchen Fall sollte es dem Ehemann obliegen, das Kind als sein eigenes anzuerkennen oder die Vaterschaft anzufechten.267 Durch wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschungen im medizinisch-genetischen Bereich kann heute die biologische Herkunft eines Kindes von seinen Eltern mittlerweile mit fast hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.268 Ungeachtet dessen wird weiterhin der Mann als Vater des Kindes angesehen, der mit der Mutter im Geburtszeitpunkt verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB). Hierbei wird an die Rechtstradition angeknüpft.269 Eine rechtliche Vaterschaft nicht automatisch aufgrund Ehe der Mutter eintreten zu lassen, wäre mit der Geschichte des Abstammungsrechts unvereinbar.270 Der immer wieder aufgeworfene Vorschlag, man solle das Vaterschaftszuordnungskriterium der Ehe an die geänderte gesellschaftliche Lage anpassen und die rechtliche Vaterschaft daher nicht an die Ehe, sondern an die eheliche oder nicht262

Wolf, NJW 2005, 2417 (2419); Feuerborn, FamRZ 1991, 514 (519). Luh, S. 168. 264 Digesta 2,4,5. 265 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 346; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 331. 266 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 351. 267 Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB, IV. Bd., Familienrecht, (1899), S. 351. 268 Staudinger/Rauscher, § 1600d, Rn. 32 ff.; Orgis, FamRZ 2002, 1157 (1158); siehe zu den unterschiedlichen Methoden der Abstammungsbegutachtung Staudinger/ Rauscher, Vorbem zu §§ 1591 ff., Rn. 79 ff.; Fabricius, FPR, 2002, 376 ff.; Geserick, FPR 2002, 380 ff.; Rauscher, Familienrecht, Rn. 810 f. 269 Gaul, FS Gernhuber 1993, 619 (629); Muscheler/Beisenherz, JR 1999, 356 (357); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 331; an dem ursprünglich existierenden Grundsatz „pater est quem nuptiae demonstrant“ wurde allerdings insofern nicht mehr festgehalten, als dass heute bei einem nach Scheidung geborenen Kind nicht mehr die Vaterschaft des Ex-Ehemannes der Mutter vermutet wird. 270 BT-Drucks. 13/4899, S. 52; Gaul, FS Gernhuber 1993, 619 (638); dieser Aussage kritisch gegenüber Ogorek, FS Simon 2005, 459 (485); Hager, FS Schwab 2005, 773 (774). 263

§ 4 Vaterschaftszuordnungskriterien ohne genetischen Nachweis

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eheliche Lebensgemeinschaft knüpfen, konnte sich (bisher) nicht durchsetzen.271 Mit der Begründung, mangels eindeutiger Feststellbarkeit einer Lebensgemeinschaft würde es an einem „klaren Anknüpfungspunkt“ fehlen, wurden die Vorschläge zurückgewiesen.272 Darüber hinaus wird auch heute noch darauf vertraut, dass in der überwiegenden Anzahl der Fälle, der Ehemann der Mutter auch der biologische Kindesvater ist.273 Gaul bezeichnet es sogar als „töricht“, wenn die Anknüpfung an die Ehe als überholtes Statusdenken bezeichnet wird.274 II. Zuordnungskriterium der Vaterschaftsanerkennung Mit der Gleichstellung der ehelichen und nichtehelichen Kinder im Jahr 1969 musste ein Institut geschaffen werden, das den nichtehelichen Kindern eine vergleichbare Stellung wie den ehelichen Kindern einräumte.275 Der Gesetzgeber entschied sich dafür, der Vaterschaftsanerkennung volle konstitutive Wirkung zu gewähren. Bewusst lehnte er Vorschläge ab, die eine generelle gerichtliche Vaterschaftsfeststellung forderten.276 Er hielt es nicht für nötig, jede Vaterschaftsanerkennung an eine kosten- und zeitaufwendige gerichtliche Statusprüfung zu binden.277 Vielmehr sollte hingenommen werden, dass die Vaterschaftsanerkennung neben der Ehe lediglich eine relativ hohe Richtigkeitsgewähr für eine biologische Abstammung des Kindes von dem Mann bietet. Grundlage war der Gedanke, dass bei einer freiwilligen Vaterschaftsanerkennung der Anerkennende aufgrund zahlreicher Verpflichtungen nicht vorsätzlich eine unrichtige Anerkennungserklärung abgeben würde.278 Darüber hinaus liege der Vater-Kind-Beziehung eine bessere Basis zugrunde, wenn dem Mann die Möglichkeit obliege, die Vaterschaft freiwillig anzuerkennen, als wenn er unfreiwillig als Vater festgestellt würde. Einen Fall der bewusst wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung hielt 271 BT-Drucks. 13/4899, S. 52, 83; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 157; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 II, Rn. 27; Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 8. 272 BT-Drucks. 13/4899, S. 52, 83; ebenso MüKo/Wellenhofer, § 1600c, Rn. 5; Kirchmeier, FamRZ 1998, 1281 (1282); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 18. 273 Gaul, FS Gernhuber 1993, 619 (637 f.); Helms, FuR 1996, 178 (182); Muscheler/ Beisenherz, JR 1999, 356 (357); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 II, Rn. 27, § 52 V, Rn. 128. 274 Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1446). 275 BT-Drucks. V/2370, S. 25. 276 BT-Drucks. V/2370, S. 25 f. 277 BT-Drucks. V/2370, S. 26. 278 BT-Drucks. V/2370, S. 26; BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2152); KG, Beschl. v. 11.12.2001 – 1 W 193/01 = StAZ 2002, 241 (242); vgl. OLG Celle, Beschl. v. 29.5.2006 – 18 W 2/06 = StAZ 2007, 82 (83); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 44; Genenger, Vom Erzeuger zum Vater?, S. 43.

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der Gesetzgeber nur in der Konstellation für vorstellbar, dass der anerkennende Mann der Lebenspartner der Mutter ist und er beabsichtigt, diese zu heiraten.279 Bewusst sollte dann die biologische Abstammung des Kindes verschleiert bleiben, um dem Kind die Möglichkeit zu bieten, in einer „Vollfamilie“ aufzuwachsen. Darüber hinaus sollte im Interesse des Kindes eine „unrichtige Anerkennung“ akzeptiert werden, wenn die Mutter einen Mann dazu veranlasst, entgegen seiner Kenntnis eine Vaterschaftsanerkennung abzugeben.280 Aufgrund des Instituts der Vaterschaftsanfechtung sei weder das Kind noch der Vater gegen eine solche Veranlassung schutzlos.281 Es lässt sich festhalten, dass das heutige Abstammungsrecht an der Rechtstradition festhält, dass die rechtliche Vaterschaft sich aus bestimmten Zuordnungskriterien (losgelöst von der biologischen Herkunft) ergibt.282 Sollte es tatsächlich zu einem Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft kommen, so soll es den Parteien überlassen sein, die Vaterschaft anzufechten und dadurch eine Übereinstimmung zwischen biologischer und rechtlicher Abstammung zu schaffen. Es würde dem deutschen Abstammungsrecht hingegen widersprechen, bereits bei der Vaterschaftszuordnung zum Ehemann der Mutter und zu dem die Vaterschaft anerkennenden Mann auf die biologische Herkunft abzustellen.

B. Kindeswohl Die Abstammungsregeln müssen darüber hinaus das Kindeswohl berücksichtigen. Die rechtliche Vaterschaft eines Mannes streng an der biologischen Abstammung des Kindes zu orientieren, würde dem Wohl des Kindes nicht in jedem Fall gerecht. Es ist nicht garantiert, dass ein Mann, weil er ein Kind gezeugt hat, für dieses auch Verantwortung übernehmen möchte. Es ist zum Beispiel an Fälle zu denken, in denen die verheiratete Mutter außerehelich das Kind empfangen hat. Ist der Ehemann der Mutter (wissend oder unwissend von seiner mangelnden biologischen Vaterstellung) bereit, für das Kind alle väterlichen Rechte und Pflichten innerhalb der Familie zu übernehmen, so hat das Kind eine gute Chance, in einer intakten Familie aufzuwachsen. Lehnt der biologische Vater das Kind darüber hinaus ab, so entspricht es dem Kindeswohl am ehesten, einen Vater zu erhalten, dem es vertraut und sich zugehörig fühlt283, weil dieser die Aufgaben der Elternschaft erfüllt. Ebenso wenig wäre es im Interesse des Kindes,

279

BT-Drucks. V/2370, S. 26. BT-Drucks. V/2370, S. 26. 281 BT-Drucks. V/2370, S. 26. 282 So auch Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 356. 283 Coester, JZ 1992, 809 (810); Gernhuber, FamRZ 1973, 229 (236); Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 203; kritisch hierzu Ogorek, FS Simon 2005, 459 (483). 280

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einen Mann als rechtlichen Vater zu erhalten, der (unter dem Fehlgedanken der Anonymität) von dem Anreiz geleitet, ein Entgelt zu erhalten, eine Samenspende abgibt. Dem unfruchtbaren Lebenspartner oder Ehemann der Mutter, der die Entscheidung zur heterologen Insemination mit der Mutter gemeinsam getroffen hat und der sich um das Kind kümmert, wäre es verwehrt, rechtlich legitimierter Vater zu werden. Nach Ansicht Wanitzeks muss die biologische Herkunft weichen, wo begründete Aussichten auf das Entstehen einer sozial-familiären VaterKind-Beziehung bestehen. Solche Aussichten können sowohl bei der Ehe als auch bei der freiwilligen Vaterschaftsanerkennung bestehen.284

C. Praktikabilität Dass der Gesetzgeber bis heute mit §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB die rechtliche Vaterschaft auf eine Annahme stützt, hat neben dem geschichtlichen Aspekt und dem Kindeswohl auch Praktikabilitätsgründe. Ziel bzw. Aufgabe des Abstammungsrechts ist es, einem Kind in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dessen Geburt einen rechtlichen Vater zuzuordnen.285 Grund hierfür ist unter anderem die Erforderlichkeit einer schnellen rechtlichen Kindeszuordnung zum Vater in der Rechtspraxis286, denn zahlreiche zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Vorschriften knüpfen an den abstammungsrechtlichen Status des Kindes an. So ist es zum Beispiel von Interesse, ob und gegen wen das Kind einen unterhaltsrechtlichen Anspruch hat oder ob der Mann einen Anspruch auf die Wahrnehmung von Elternzeit hat. Ferner ist es für die Entwicklung und Integration des Kindes in einer Familie von maßgeblicher Bedeutung zu wissen, welcher Familie es angehört und wer als seine Mutter und Vater Verantwortung tragen.287 Sowohl die Ehe mit der Mutter288 als auch eine (pränatale) Vaterschaftsanerkennung289 ermöglichen eine Kindeszuordnung im Geburtszeitpunkt bzw. unmittelbar danach. Die Durchführung von medizinisch-genetischen Gutachten an jedem Neugeborenen hingegen wäre mit einem erheblichen zeitlichen Aufwand 284

Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 180. Gaul, FS Gernhuber 1993, 619 (639 f.); ders., FamRZ 1997, 1441 (1446); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 55; Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 152 f. 286 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003 2151 (2152); MüKo/ Seidel, Vor § 1591, Rn. 18; Will, FPR 2005, 172 (172); Edenfeld, FuR 1996, 190 (191); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 55. 287 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2152); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 55. 288 Wanitzek, Rechtliche Elternschaft, S. 36; Helms, FuR 1996, 178 (182). 289 Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 44. 285

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

verbunden.290 Eine zeitnahe Kindeszuordnung zu einem Vater unmittelbar nach Geburt wäre nicht realisierbar.291 Auch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten verzichtet der Gesetzgeber daher nicht auf die Vaterschaftszuordnungskriterien der Ehe292 und der Vaterschaftsanerkennung.293

D. Statusklarheit und -wahrheit Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Regeln im Abstammungsrecht der Statusklarheit genügen. Wer Vater eines Kindes ist, muss in der Rechtspraxis eindeutig erkennbar sein.294 §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB stellen einfache Zuordnungen auf. Wer mit der Mutter verheiratet ist und wer eine Vaterschaft anerkannt hat, ist leicht feststellbar. Damit genügen die Kriterien den Anforderungen der Statusklarheit.295 Wer Erzeuger eines Kindes ist, wäre hingegen nicht evident. Darüber hinaus hat das BVerfG festgelegt, dass die Statuszuordnungsvorschriften der Statuswahrheit genügen müssen. Das heißt, dass möglichst eine Übereinstimmung von rechtlich legitimierter Elternschaft und biologischer Abstammung bestehen muss.296 Dem liegt die Prämisse zugrunde, dass die biologischen Eltern von Natur aus bereit und berufen sind, die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen.297 Da diese Prämisse sich regelmäßig in der Praxis bestätige, könne eine Vaterschaftszuordnung nicht völlig losgelöst von der Statuswahrheit erfolgen.298 Die Statuswahrheit wäre natürlich dann im höchsten Maße gewahrt, wenn die Statuszuordnung immer auf einem medizinisch-genetischen Gutachten basieren würde. Aber auch die bestehenden Zuordnungsregeln im Abstammungsrecht stehen nach Ansicht des BVerfG mit der Statuswahrheit in Einklang.299 Zwar kön290

BT-Drucks. V/2370, S. 26; MüKo/Seidel, Vor § 1591, Rn. 18. MüKo/Seidel, Vor § 1591, Rn. 18; Deichfuß, S. 164. 292 BT-Drucks. 13/4899, S. 52. 293 BT-Drucks. V/2370, S. 26. 294 BT-Drucks. 16/6561, S. 8; Gaul, FS Gernhuber 1993, 619 (639); Will, FPR 2005, 172 (172); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I, Rn. 1; Luh, S. 8. 295 Gaul, FS Gernhuber 1993, 619 (619); Helms, FuR 1996, 178 (183); Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I, Rn. 1, S. 580; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 356. 296 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 (755); BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2152, 2153). 297 BVerfG, Beschl. v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/36, 31/66 und 5/67 = BVerfGE 24, 119 (150); BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2152); so auch Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (339); Luh, S. 7. 298 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2152). 299 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 (755); BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2152); BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87 = BVerfGE 79, 256 (267). 291

§ 5 Zusammenfassung

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nen die Vaterschaftszuordnungskriterien der §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB die Statuswahrheit nicht garantieren, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine Übereinstimmung von biologischer Herkunft und rechtlicher Zuordnung hoch.300 Unter Beachtung der sozial-familiären Beziehungen (Art. 6 Abs. 1 GG) und der Intimsphäre (Art. 2 Abs. 1 GG) hält das BVerfG den Schluss von bestimmten tatsächlichen Umständen und sozialen Situationen auf die Abstammung eines Kindes und die Zuweisung der rechtlichen Elternstellung für ausreichend.301 „Der Gesetzgeber ist [. . .] nicht verpflichtet, die rechtliche Anerkennung der Elternschaft stets von der Prüfung abhängig zu machen, von wem das Kind im Einzelfall abstammt [. . .], wenn dies in aller Regel zu einem Zusammentreffen von leiblicher und rechtlicher Elternschaft führt.“302 Dass dadurch im Einzelfall entgegen der gesetzlichen Annahme die rechtliche und die leibliche Vaterschaft auseinander fallen können, erachtete das BVerfG nicht als entscheidend.303 Vielmehr unterliegt gerade auch die gelebte soziale Vater-Kind-Beziehung neben der biologischen Vaterschaft dem grundrechtlichen Schutz von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG.304 Die bestehenden Vaterschaftszuordnungskriterien genügen auch ohne einen zwingenden genetischen Nachweis der Statuswahrheit in hinreichendem Maße.

§ 5 Zusammenfassung Bereits ein flüchtiger Blick auf das Abstammungsrecht zeigt, dass ein Kind von Gesetzes wegen von einem Mann abstammen kann, der nicht sein Erzeuger (bzw. Samenspender) und damit biologischer Vater ist. Nicht zwangsläufig muss der Ehemann der Mutter (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder der Mann, der die Vaterschaft 300 BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87 = BVerfGE 79, 256 (267); MüKo/Seidel, Vor § 1591, Rn. 18; Gaaz, StAZ 2007, 75 (76); Seidel, FPR 2005, 181 (181); Feuerborn, FamRZ 1991, 514 (519); Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 1. 301 BVerfG, Beschl. v. 13.10.2008 – 1 BvR 1548/03, Rn. 12; BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 (755); BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 = NJW 2003, 2151 (2152); BVerfG, Urt. v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87 = BVerfGE 79, 256 (267). 302 BVerfG, Urt. v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753 (755); später so BVerfG, Beschl. v. 13.10.2008 – 1 BvR 1548/03, = juris, Rn. 12. 303 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96, 1724/01 = BVerfGE 108, 83 (100). 304 Münch/Kunig/Coester-Waltjen, Art. 6 GG, Rn. 70 f.; Sachs/Schmitt-Kammler/ von Coelln, Art. 6 GG, Rn. 48; Muscheler/Bloch, FPR 2002, 339 (339); fallen biologische und rechtliche Vaterschaft auseinander, entscheidet die Wahrnehmung der Elternverantwortung darüber, welche Vaterschaft den verfassungsrechtlichen Vorzug erhält: BVerfG, Beschl. v. 13.10.2008 – 1 BvR 1548/03, = juris, Rn. 13 f.; BVerfG, Beschl. v. 26.2.2008 – 1 BvR 1624/06 = NJW 2008, 2835 (2835); siehe zur Elternverantwortung ferner: BVerfG, Beschl. v. 20.9.2006 – 1 BvR 1337/06 = FamRZ 2006, 1661 (1661); OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.12.2006 – 2UF 206/06 = juris, Rn. 20 ff.; Münch/Kunig/ Coester-Waltjen, Art. 6 GG, Rn. 69 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, S. 504 f. m.w. N.

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3. Kap.: Vaterschaftsanerkennung im System des Abstammungsrechts

anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2 BGB) der biologische Kindesvater sein. Nur der dritte Zuordnungstatbestand der gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) führt aufgrund von medizinischer Abstammungsuntersuchungen fast immer zu einer Übereinstimmung von rechtlicher und biologischer Vaterschaft. Wird von Abstammung gesprochen, muss daher berücksichtigt werden, dass die statusrechtliche Abstammungszuordnung mit der biologischen Herkunft nicht übereinstimmen muss. Fallen rechtliche und biologische Abstammung auseinander, wird in Literatur und Rechtsprechung weit verbreitet von einer „Scheinvaterschaft“ gesprochen. Von der Verwendung dieses Begriffs sollte allerdings insofern abgesehen werden, als dass er weder die Situation eines Scheingeschäfts noch die eines Rechtsscheins widerspiegelt und sich auch (zumindest noch) nicht zum Eigenbegriff entwickelt hat. Dass rechtliche und biologische Vaterschaft auseinander fallen können, stellt keine Gesetzeslücke dar, sondern wird vom Gesetzgeber bewusst akzeptiert. Bei der Abstammung allein auf die biologische Herkunft abzustellen, würde der Geschichte des deutschen Abstammungsrechts widersprechen. Darüber hinaus ist es aus verfassungsrechtlichen und praktischen Gründen nicht sinnvoll, für die Zuordnung eines Neugeborenen zu einem Mann als seinem rechtlichen Vater stets einen medizinisch-genetischen Test abzuwarten. Nicht zuletzt auch unter dem Aspekt der Statusklarheit und der Wahrung des Familienfriedens akzeptieren Gesetzgeber und Rechtsprechung, dass es zu Vaterschaftszuordnungen kommen kann, die nicht der biologischen Abstammung entsprechen, und halten somit an dem Statussystem fest. Da der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, die Begründung der Statuszuordnung nicht stets an gerichtliche Vaterschaftsfeststellungen zu binden, muss er den Beteiligten zumindest die Möglichkeit bieten, die rechtliche Abstammungszuordnung bei mangelnder biologischer Abstammung zu beseitigen. Daher kann die Vaterschaft angefochten und rückwirkend beseitigt werden. Der geschichtliche Rückblick auf das Abstammungsrecht verdeutlicht, dass der biologischen Wahrheit im Abstammungsrecht zunehmend mehr Gewicht beigemessen wird. Dies wird zum einen durch gelockerte Vorschriften im Anfechtungsrecht und zum anderen durch die Schaffung des unabhängigen Abstammungsfeststellungsverfahrens deutlich. Letzteres führte dazu, dass dem rechtlichen Status seither ein anderer Stellenwert als früher eingeräumt wird. Darüber hinaus ist eine Entwicklung im Abstammungsrecht dahingehend zu verzeichnen, dass den unmittelbar Beteiligten mehr Einfluss für die Begründung des rechtlichen Status eingeräumt wird. Bezogen auf die Vaterschaftsanerkennung, die erst seit 1969 volle konstitutive Wirkung hat, bedeutet dies folgendes: Die Mitwirkung des Staates bei der Begründung der Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung wurde stetig minimiert. Heute obliegt es schließlich den unmittelbar Beteiligten, das Kind einem Vater kraft Anerkennung statusrechtlich zuzuordnen – auch entgegen der biologischen Wahrheit.

4. Kapitel

Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen In den letzten Jahren sind vermehrt Fälle aufgetreten, in denen bewusst entgegen der biologischen Wahrheit Vaterschaftsanerkennungen vollzogen werden, um mindestens einem der Beteiligten einen staatsangehörigkeits- bzw. aufenthaltsrechtlichen Vorteil zu verschaffen. In diesen Fällen haben anerkennender Mann und Kind keinerlei Kontakt und ein solcher wird auch nicht angestrebt. Ist alleiniger Zweck einer Vaterschaftsanerkennung die Erreichung staatsangehörigkeits- und/oder aufenthaltsrechtlicher Ziele, so handelt es sich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung.1 Ziel der Arbeit ist es nicht, den Begriff des „Missbrauchs“ bzw. „Rechtsmissbrauchs“ aus dem Gesetz, den unterschiedlichen Missbrauchstheorien, dem Wortsinn und der Geschichte herzuleiten.2 Folgend wird der Begriff „Missbrauch“ im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs verwendet. Hiernach spiegelt das Verb „missbrauchen“ ein Verhalten wider, das zu einem Nutzen führt, auf das es für den Handlungsträger final ankommt, das allerdings schlechthin inakzeptabel und keiner Rechtfertigung fähig ist.3 Die Vaterschaftsanerkennung kann nicht nur zu aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken missbraucht werden. Auch ist zum Beispiel die Abgabe einer Vaterschaftsanerkennung allein aus erbrechtlichen Gründen denkbar.4 1 Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.3.2005 – 13 S 3035/04 = StAZ 2005 264 (265); OLG Köln, Urt. v. 25.10.2001 – 14 UF 106/01 = FamRZ 2002. 629 (630); Schulz/Hauß/Helbig, § 1600 BGB, Rn. 1; MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 16; Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1130); Richter, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 1; Heinz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 1; Piening, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 35 ist der Ansicht, dass es den Begriff der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung im Kindschaftsrecht überhaupt nicht gibt, da es dem Staat „vollkommen egal [ist], warum wer ein Kind anerkennt und mit welchen Zielen“. 2 Ausführlich zur Theorie des Rechtsmissbrauchs siehe Wysk, S. 1–74. 3 Wysk, S. 16, 18; so bezogen auf die „Scheinehe“ auch Staudinger/Voppel, § 1314, Rn. 63. 4 So könnten die Beteiligten die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses anstreben, damit das anerkannte Kind einen steuerfreien Erbteil erhalten kann, der höher ist als der, den es als Außenstehender erhalten könnte und/oder damit der Erbschaftsteuerfreibetrag höher ausfällt. Der Erbschaftsteuerfreibetrag für Kinder beträgt 400.000 A (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Für nicht Verwandte (das heißt Personen der Steuerklasse 3 im Sinne des § 15 Abs. 1 ErbStG) beträgt er 20.000 A (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG).

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Auf diese Fälle der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung wird in der Arbeit nicht eingegangen. Wird im Folgenden von einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung gesprochen, so ist der Fall gemeint, in dem die Statuszuordnung allein zu aufenthalts- und/oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken erfolgen soll. Dass es sich bei dem Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung um ein praxisrelevantes Problem handelt, wird vielfach bestritten. In diesem Kapitel werden Missbrauchsfälle dargestellt, die in der Praxis bereits aufgetreten sind. Sie beruhen zum einen auf im Rahmen dieser Arbeit erfolgten Interviews mit Standesbeamten, zuständigen Mitarbeitern bei Ausländerbehörden, bei Behörden für Inneres und bei Jugendämtern und zum anderen auf Berichten der Presse. Vorab werden die unterschiedlichen Missbrauchsfallkonstellationen dargelegt. Anschließend wird auf die Frage eingegangen, warum und seit wann das Institut der Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich zur Erlangung staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlicher Vorteile genutzt werden kann und ob dies ein praxisrelevantes Problem ist. Diesem Anschnitt folgt eine Darstellung des staatlichen Vorgehens gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen bis Inkrafttreten des VaAnfRErgG am 1. Juni 2008. Abschließend wird dargelegt, dass die Vaterschaftsanerkennung nicht das einzige Institut im Familienrecht ist, das allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken genutzt wird.

§ 1 Fallgruppen Grundsätzlich genießt die Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind den Schutz des Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG. Gleiches gilt für das Verhältnis des Kindes zu seiner Mutter. Daher existieren mit §§ 27–36 AufenthG Vorschriften im Aufenthaltsrecht, die für binationale Familien die Herstellung und Wahrung einer familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet sicherstellen.5 Diese Vorschriften gewähren dem ausländischen Familienangehörigen ein Nachzugsrecht zu dem in Deutschland Wohnenden. Bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung wird „künstlich“ eine Verwandtschaftsbeziehung im Wege einer Vaterschaftsanerkennung geschaffen, um abgeleitet von den verfassungsrechtlich privilegierten aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorschriften ein Aufenthaltsrecht in Deutschland für mindestens einen der Beteiligten zu erreichen. 5 OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25.8.2006 – 2 M 228/06 = juris, Rn. 17; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56 (57); GK-AufenthG/Marx, § 27, Rn. 10; Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 27, Rn. 7; Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (87 ff.); BVerfG, Urt. v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/ 99 = juris, Rn. 7 stellte in einem Fall, in dem ein ausländischer Mann die Vaterschaft für ein deutsches Kind anerkannt hat, fest, dass der Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG einwanderungspolitische Belange zurückdrängt, wenn die familiäre Lebensgemeinschaft nur in Deutschland gelebt werden kann.

§ 1 Fallgruppen

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Die Missbrauchsfälle lassen sich in zwei Gruppen einteilen. In der einen Fallgruppe profitieren das ausländische Kind und dessen ausländische Mutter von der Vaterschaftsanerkennung. In der anderen Fallgruppe profitiert der ausländische, anerkennende Mann. Die profitierende Partei ist in diesem Zusammenhang nicht europäischer Staatsbürger, da sich ein europäischer Staatsbürger im Wege der Freizügigkeit gemäß Art. 18 Abs. 1 EGV in Verbindung mit dem Freizügigkeitsgesetz/EU grundsätzlich frei innerhalb der Europäischen Union bewegen und aufhalten kann6, so dass kein Interesse an einem gesonderten Aufenthaltstitel besteht.7 Denken könnte man auch an die Konstellation, dass ein ausländisches, nichteuropäisches Kind von einem ausländischen, europäischen Staatsbürger anerkannt wird und so ein Aufenthaltsrecht in der Europäischen Union und damit auch in Deutschland gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU erlangt. Die Vaterschaftsanerkennung erfolgt hierbei allerdings nicht nach deutschem Recht. Da es sich um ein Problem des jeweiligen europäischen Landes bzw. der europäischen Union handelt, ist diese Konstellation nicht Gegenstand der Arbeit.

A. Anerkennung im Interesse des Kindes und/oder der Mutter Die am häufigsten auftretende Missbrauchskonstellation ist die zugunsten des ausländischen Kindes und seiner Mutter. I. Der anerkennende Mann hat die deutsche Staatsangehörigkeit Erkennt ein deutscher Mann8 für ein ausländisches Kind die Vaterschaft wirksam an, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit von Gesetzes wegen9, wenn es bei der Vaterschaftsanerkennung das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet hat10 (§ 4 Abs. 1 S. 2 StAG). Weitere Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen. Mit der deutschen Staatsangehörigkeit hat das Kind ein unproblematisches Einreiserecht nach und Niederlassungsrecht in Deutschland.

6 Ein Recht auf Einreise und Aufenthalt besteht nach Maßgabe des FreizügG/EU (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU). 7 Vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, wonach die Bürger der Europäischen Union grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des AufenthG herausgenommen werden. 8 Wer deutscher Staatsbürger ist, richtet sich nach Art. 116 Abs. 1 GG. 9 Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt der Geburt zurück: GK-StAR/Marx, § 4 StAG, Rn. 154; Hailbronner/Renner/Maaßen, § 4 StAG, Rn. 39. Das Kind erhält die deutsche Staatsangehörigkeit bei Geburt im Ausland dann nicht, wenn der deutsche Elternteil nach 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 4 Abs. 4 StAG). 10 Für das Lebensalter ist der Zeitpunkt der Anerkennungserklärung maßgeblich, in dem die Vaterschaftsanerkennung wirksam geworden ist: Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29 PStG, Rn. 67; wohl auch Hailbronner/Renner/Maaßen, § 4 StAG, Rn. 38, der allerdings vom Zeitpunkt der Anerkennungserklärung spricht.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Von der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes kann die Mutter für sich ein Aufenthaltsrecht über die Vorschriften des Familiennachzuges gemäß §§ 27 ff. AufenthG ableiten. Voraussetzung aller Familiennachzugsvorschriften ist, dass der Aufenthalt gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG zum Zwecke der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem in Deutschland Lebenden und dem Nachziehenden begehrt wird.11 Eine familiäre Gemeinschaft erfordert grundsätzlich eine gemeinsame Lebensführung in Form einer Beistands(zwischen erwachsenen Angehörigen) oder Erziehungsgemeinschaft (zwischen erwachsenen und minderjährigen Angehörigen).12 Von einer solchen wird in der Regel ausgegangen, wenn die Betroffenen in einer häuslichen Gemeinschaft leben oder zumindest intensiven, regelmäßigen Kontakt zueinander pflegen, der über ein bloßes Besuchen hinausgeht.13 Dieser regelmäßige Kontakt muss zu einem Eltern-Kind-Verhältnis führen, das von der Wahrnehmung der Verantwortung für das Kind geprägt ist.14 Zwischen einer Mutter und ihrem Kind wird eine solche familiäre Lebensgemeinschaft in der Regel bestehen, so dass der ausländischen Mutter eines nunmehr deutschen Kindes eine befristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen ist, wenn die Mutter die Personensorge ausübt und das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.15 Steht der Mutter die Personensorge nicht zu, ist ihr ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, wenn die familiäre Gemeinschaft bereits im Bundesgebiet gelebt wird (§ 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG). Aus der befristeten Aufenthaltserlaubnis16, die grundsätzlich erstmals für mindestens ein Jahr erteilt werden muss 11 HK-AuslR/Müller, § 27, Rn. 14; HK-AuslR/Oberhäuser, § 28, Rn. 4; Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 27, Rn. 6 f. 12 BVerwG, Urt. v. 9.12.1997 – 1 C 16.96 = FamRZ 1998, 734 (734); OVG SachsenAnhalt, Beschl. v. 25.8.2006 – 2 M 228/06 = juris, Rn. 20; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56 (57); VGH Baden Württemberg, Urt. v. 5.8.2002 – 1 S 1381/01 = FamRZ 2003, 1388 (1388); Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 27, Rn. 7; Marx, Ausländer- und Asylrecht, § 4, Rn. 12; siehe ausführlich zu den hierzu erfolgten Einschränkungen durch das BVerfG unten fünftes Kapitel, S. 213. 13 BVerwG, Urt. v. 9.12.1997 – 1 C 16.96 = FamRZ 1998, 734 (734 f.); VGH Baden Württemberg, Urt. v. 5.8.2002 – 1 S 1381/01 = FamRZ 2003, 1388 (1388); OVG Münster, Beschl. v. 12.12.2005 – 18 B 1592/05 = NVwZ 2006, 717 (717); OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56 (57); OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.9.2000 – 11 M 2929/00 = InfAuslR 2001, 75 (75 f.); Dötsch, NJW-Spezial 2007, 55 (56); Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, Rn. 330 f.; HK-AuslR/Müller, § 27, Rn. 21; Marx, Ausländer- und Asylrecht, § 4, Rn. 11. 14 BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002 – 2 BvR 231/00 = juris, Rn. 29; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25.8.2006 – 2 M 228/06 = juris, Rn. 20. 15 Gewöhnlich ist der Aufenthalt dann, wenn ein Ausländer nicht nur vorübergehend, sondern auf unabsehbare Zeit in Deutschland lebt: BVerwG, Urt. v. 29.3.2007 – 5 C 8.06 = StAZ 2007, 302 f.; Renner, Ausländerrecht, § 28 AufenthG, Rn. 6; HK-AuslR/ Oberhäuser, § 28, Rn. 6; GK-StAR/Marx, § 4 StAG, Rn. 243. 16 Bei einer Aufenthaltserlaubnis handelt es sich immer um einen befristeten Aufenthaltstitel (vgl. § 7 AufenthG).

§ 1 Fallgruppen

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(§ 27 Abs. 4 S. 4 AufenthG), wird nach drei Jahren eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis, wenn die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Kind in Deutschland fortbesteht (§ 28 Abs. 2 AufenthG). Gemäß § 27 Abs. 3 AufenthG kann die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzuges versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Nachzug stattfindet, zur Zahlung von Unterhalt für in Deutschland lebende Angehörige verpflichtet ist und er für diese Unterhaltszahlungen bereits auf öffentliche Leistungen angewiesen ist.17 In der oben genannten Fallkonstellation zieht die Mutter ihrem Kind nach. Das Kind wird in der Regel niemandem gegenüber unterhaltsverpflichtet sein, so dass § 27 Abs. 3 AufenthG in diesem Fall grundsätzlich nicht zur Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis führt. Darüber hinaus müssen die allgemeinen Aufenthaltserteilungsvoraussetzungen gemäß § 5 AufenthG vorliegen. Die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach der Lebensunterhalt des Nachziehenden gesichert sein muss18, ist bei Nachzug eines Elternteils zu seinem minderjährigen deutschen Kind nicht erforderlich (§ 28 Abs. 1 S. 2, S. 4 AufenthG). Grundsätzlich wird die Mutter die Voraussetzungen erfüllen und damit von der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes eine zunächst befristete Aufenthaltsund später unbefristete Niederlassungserlaubnis ableiten können. II. Der anerkennende Mann hat nicht die deutsche Staatsangehörigkeit Das Kind kann auch dann die deutsche Staatsangehörigkeit und davon abgeleitet die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis nach den oben genannten Vorschriften erhalten, wenn ein ausländischer Mann mit gesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland die Vaterschaft für ein ausländisches Kind anerkennt. Hierfür muss der Mann gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 StAG bei Geburt des Kindes seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltsrechts sein bzw. als Schweizer Staatsangehöriger oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis besitzen.19 Darüber hinaus muss das Kind in Deutschland geboren worden sein. Hat der ausländische Mann zwar seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland, allerdings seit weniger als acht Jahren, kann das anerkannte ausländische 17 Die Versagungsgründe des § 27 Abs. 3 AufenthG liegen sowohl dann vor, wenn bereits ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII besteht als auch, wenn durch den Nachzug ein solcher Anspruch entstehen würde: Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 27, Rn. 22. 18 Wann der Lebensunterhalt des Nachziehenden gesichert ist, ist in § 2 Abs. 3 AufenthG legaldefiniert. 19 Diese Aufenthaltserlaubnis muss aufgrund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit bestehen.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Kind nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Das minderjährige (§§ 32, 29 AufenthG) oder volljährige Kind (§§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG) kann allerdings von dem Aufenthaltsrecht des Mannes eine eigene Aufenthaltserlaubnis ableiten. Aufgrund der Aufenthaltserlaubnis des Kindes, könnte auch die Mutter eine solche erhalten (§§ 36 Abs. 1, 29 AufenthG). Bei dieser Fallkonstellation ist zu beachten, dass neben den allgemeinen Voraussetzungen weitere zu erfüllen sind, welche im Zusammenhang mit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen müssen. Nicht nur muss der Familiennachzug nach § 27 Abs. 1 AufenthG zum Zwecke der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft angestrebt werden und darf derjenige, zu dem der Nachzug stattfindet, gemäß § 27 Abs. 3 AufenthG nicht zur Zahlung von Unterhalt für in Deutschland lebende Angehörige verpflichtet sein, für den er bereits auf öffentliche Leistungen angewiesen ist. Zudem muss der Lebensunterhalt des Nachziehenden gesichert sein (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), und es muss ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehen (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG).20 Begehrt die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 36 Abs. 1 AufenthG, müssen letztere Voraussetzungen in der Regel nicht vorliegen.21

B. Anerkennung im Interesse des anerkennenden Mannes Es sind auch Konstellationen denkbar, in denen das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit oder einen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt und darüber eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland für den anerkennenden ausländischen Mann angestrebt wird. I. Das Kind hat die deutsche Staatsangehörigkeit Ist das Kind deutscher Staatsbürger, erhält der ausländische Vater zur Ausübung seiner elterlichen Sorge ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG, wenn dies zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft erforderlich ist (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Ist der anerkennende Mann nicht Inhaber der elterlichen Sorge, kann er eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG erlangen, wenn eine gelebte familiäre Gemeinschaft zwischen ihm und dem Kind im Bundesgebiet vorliegt. Bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen zu Gunsten des anerkennenden Mannes wird oft eine gemeinsame Sorgerechtserklärung von Mann und Mutter pro forma 20

Wann ausreichenden Wohnraum vorhanden ist, bestimmt § 2 Abs. 4 AufenthG. Etwas anderes gilt in dem Fall, in dem ein anderer sorgeberechtigter Elternteil bereits in Deutschland lebt (§ 36 Abs. 1 AufenthG). Dies wird allerdings bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nie der Fall sein. 21

§ 1 Fallgruppen

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abgegeben22, um nach außen den Anschein zu wahren, es handele sich gerade nicht um eine rein formal gegründete Familie. Die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG wird allerdings erst dann erteilt, wenn die Personensorge auch aktiv durch Erziehungs- und Betreuungsbeiträge bzw. regelmäßigem Kontakt ausgeübt wird.23 II. Das Kind hat nicht die deutsche Staatsangehörigkeit Hat das Kind selbst nur einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland, kann der anerkennende Mann ein Aufenthaltsrecht gemäß §§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG erhalten. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfolgt nur, wenn dies der Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte dient (§ 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG). Darüber hinaus finden die bereits oben erwähnten allgemeinen Nachzugsvoraussetzungen Anwendung, so dass neben einer familiären Lebensgemeinschaft (§ 27 Abs. 1 AufenthG) auch ausreichend Wohnraum vorhanden (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) und der Lebensunterhalt (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) gesichert sein muss.24

C. Stellungnahme Bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung wird ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem die Vaterschaft anerkennenden Mann und dem anerkannten Kind formal geschaffen, um für mindestens einen der Beteiligten ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erhalten. Ein solches entsteht von Gesetzes wegen, indem das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt (§ 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG), oder aufgrund der Familiennachzugsvorschriften im Aufenthaltsrecht (§§ 27 ff. AufenthG). 22 OVG Hamburg, Beschluss v. 24.10.2008 – 5 Bs 196/08 = juris, Rn. 2; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 15.6.2009 – L 11 AY 27/09 = juris, Rn. 2; VG Sigmaringen, Beschluss v. 4.8.2008 – 8 K 1001/08 = juris, Rn. 6. 23 Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 28, Rn. 23; GK-AufenthG/Marx, § 27, Rn. 93; HK-AuslR/Oberhäuser, § 28, Rn. 23, 29; dies konnte in dem vom VG Sigmaringen, Beschluss v. 4.8.2008 – 8 K 1001/08 = juris, Rn. 23 zu entscheidenden Fall nicht hinreichend nachgewiesen werden, weswegen dem die Vaterschaft anerkennenden ausländischen Mann die ausländerrechtlichen Schutzwirkungen versagt wurden. 24 Siehe zu dieser Fallkonstellation eine Entscheidung des VG Berlin, Beschl. v. 27.4.2006 – 4 A 163.06 = juris, in der die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aufgrund der mangelnden allgemeinen Nachzugsvoraussetzungen verweigert wurde, und eine Entscheidung des OVG Hamburg, Beschluss v. 24.10.2008 – 5 Bs 196/08 = juris, die den vorhergehenden Beschluss des VG aufgehoben hat, weil aufgrund einer eidesstattlichen Versicherung der Mutter und schriftlichen Erklärungen der Kindertagesstätte sowie des Pastors die Möglichkeit des Bestehens einer familiären Lebensgemeinschaft zwischen rechtlichem Vater (§ 1592 Nr. 2 BGB) und Kind bestand und die allgemeinen Nachzugsvoraussetzungen aufgrund von § 5 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen sein könnten.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Wird der Aufenthalt für die Mutter des anerkannten Kindes bzw. für den die Vaterschaft anerkennenden Mann begehrt, so erfolgt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu dem Kind gemäß §§ 27 ff. AufenthG. Hat das Kind im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung nicht die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt, so kann es ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu dem die Vaterschaft anerkennenden in Deutschland lebenden Ausländer erhalten. Generell müssen bei einem Familiennachzug zu einem Deutschen geringere Voraussetzungen vorliegen als bei einem Familiennachzug zu einem in Deutschland lebenden Ausländer, denn in letzterem Fall müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 29 AufenthG erfüllt sein.25 Daraus folgt zwangsläufig, dass die Konstellation, in der das ausländische Kind eine Aufenthaltserlaubnis für sich abgeleitet von dem ausländischen Anerkennenden begehrt (§§ 32, 29 AufenthG bzw. §§ 36, 29 AufenthG) und wiederum davon abgeleitet die ausländische Mutter ihrem ausländischen Kind nachziehen möchte (§§ 36 Abs. 1, 29 AufenthG), in der Praxis äußerst selten auftritt. Auch eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs für einen ausländischen Mann zu einem ausländischen Kind wird mit einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung selten angestrebt werden (§§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG). Erfolgreiche missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen sind daher häufiger in den Konstellationen anzutreffen, in denen das Kind deutscher Staatsbürger ist/ geworden ist. Hat ein Kind einer ausländischen Mutter aufgrund der Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Mannes die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt (§ 4 Abs. 1 S. 2 StAG) und begehrt die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis, um ihrem deutschen Kind nach Deutschland nachreisen zu können, so wird sie in der Regel die Personensorge für das Kind ausüben. Auch wird regelmäßig eine gelebte familiäre Gemeinschaft zwischen ihr und dem Kind bestehen (§ 27 Abs. 1 AufenthG), so dass der Mutter grundsätzlich eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zu erteilen ist. Die Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts für einen ausländischen Mann durch die Vaterschaftsanerkennung für ein deutsches Kind, gestaltet sich hingegen schwieriger. Hierbei muss die Ausländerbehörde davon überzeugt sein, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Mann und dem Kind besteht bzw. deren Aufbau begehrt wird (§§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 27 Abs. 1 AufenthG). Existiert keine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Eltern, so ist für die Erlangung der Aufenthaltserlaubnis zusätzlich erforderlich, dass die familiäre Lebensgemeinschaft bereits im Bundesgebiet gelebt wird (§§ 28 Abs. 1 S. 4, 27 Abs. 1 25 Vgl. Renner, Ausländerrecht, § 28 AufenthG, Rn. 2, § 29 AufenthG, Rn. 2; Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, Rn. 345.

§ 1 Fallgruppen

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AufenthG). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den ausländischen Mann ist daher davon abhängig, ob der Mann die Ausländerbehörde von einer gelebten Vater-Kind-Beziehung überzeugen kann. Nach Aussage einer Sachgebietsleiterin Ausländerrecht in einem Ausländeramt einer großen Stadt wird durch Fragen an den Mann über das Kind und die Erziehung deutlich, ob der Mann jemals Kontakt zu dem Kind hatte oder haben wird. Wird deutlich, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 AufenthG nicht angestrebt wird, so wird die Aufenthaltserlaubnis von vornherein nicht erteilt.26 Es bleibt aber zu beachten, dass auch die Beamten der Ausländerbehörde an Grenzen der Prüfbarkeit hinsichtlich des Bestsehens einer familiären Gemeinschaft stoßen. Immerhin unterliegen die Betroffenen einem grundrechtlichen Schutz vor Eingriffen in ihre Freiheits- und Intimsphäre.27 Dementsprechend können Prüfungen auch nur zurückhaltend erfolgen.28 Zulässig sind Fragen nach dem Entstehen und Führen der familiären Lebensgemeinschaft.29 Auf solche Fragen durch den Beamten können die Betroffenen gut vorbereitet sein. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Mitarbeiter der Ausländerbehörden nicht immer feststellen können, ob die familiäre Lebensgemeinschaft auch tatsächlich gelebt bzw. der Aufbau einer solchen angestrebt wird. Daher kann es zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen ausländischen Mann trotz missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung kommen. Im Ergebnis kann der mit einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung verfolgte Zweck der Erlangung eines möglichst dauerhaften Aufenthaltstitels für den ausländischen Beteiligten, unproblematisch nur durch die Fallkonstellationen erreicht werden, in denen das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG erhält. Bei allen anderen Fallkonstellationen müssen gewisse Hindernisse überwunden werden. Daher ist diese Konstellation auch die in der Praxis am häufigsten vorzufindende. Zwar antworteten einige im Rahmen dieser Arbeit interviewte Standesbeamte auf die Frage, wer in den überwiegenden Missbrauchsfällen die begünstigte Partei ist, dass dies zu fünfzig Prozent Mutter und/oder Kind sind und zu fünfzig Prozent der Anerkennende, allerdings beurkunden die Standesbeamten auch nur die Erklärungen der Vaterschaftsanerkennung. Ob es anschließend für die begünstigte Partei tatsächlich zum Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis kommt, können sie nicht mehr beurteilen. Die Mitarbeiter von Ausländerbehörden antworteten übereinstimmend, dass bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung überwiegend ein deutscher Mann die Vaterschaft anerkannt hat. 26 Vgl. eine Entscheidung des VG Sigmaringen, Beschluss v. 4.8.2008 – 8 K 1001/08 = juris. 27 BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83, 101, 313/84 = BVerfGE 76, 1 (51); Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG, Rn. 23. 28 BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83, 101, 313/84 = BVerfGE 76, 1 (51); Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (85). 29 Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG, Rn. 23.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

§ 2 Ursachen Es gibt zwei Gründe, die kumulativ dazu führen, dass die Vaterschaftsanerkennung zu staatsangehörigkeits- und/oder aufenthaltsrechtlichen Zwecken missbraucht werden kann.

A. Akzeptanz für ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft Eine Ursache missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Möglichkeit des Auseinanderfallens von rechtlicher und biologischer Vaterschaft. Würde nur der Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennen können, der aufgrund eines genetischen Tests vorweisen kann, der biologische Kindesvater zu sein, so würde es zu missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen nicht kommen können. Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, hat sich der Gesetzgeber allerdings bewusst dagegen entschieden, die Statuszuordnung eines nichtehelichen Kindes immer an ein Feststellungsverfahren zu knüpfen.30 Vielmehr soll gerade auch der biologische Nichtvater rechtlicher Vater eines Kindes werden können. Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber seit jeher ein Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft akzeptierte, führte lange Zeit nicht zu missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen. Erst im Zusammenhang mit veränderten Vaterschaftsanerkennungsvoraussetzungen und -rechtsfolgen konnte das Institut der Vaterschaftsanerkennung zu aufenthalts- und/oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken missbraucht werden.

B. Änderungen der gesetzlichen Voraussetzungen und der Rechtsfolgen Vor 1969 waren Vater und nichteheliches Kind nicht miteinander verwandt. Neben einer Unterhaltsverpflichtung bestanden zwischen ihnen keinerlei Rechtsbeziehungen31, so dass von einer Vaterschaftsanerkennung keine Vorteile abgeleitet werden konnten. Aber auch nachdem der anerkennende Mann und das nichteheliche Kind als miteinander verwandt galten, war ein Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung aus ausländer- und aufenthaltsrechtlicher Sicht nicht interessant, denn die Vaterschaftsanerkennung vermittelte dem Kind nicht automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit. Erst 1993 wurde § 4 Abs. 1 RuStAG a. F. 30 31

Siehe zur Geschichte oben drittes Kapitel, S. 61–68. Siehe oben drittes Kapitel, S. 61 ff.

§ 2 Ursachen

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dahingehend geändert, dass ein ausländisches Kind durch die Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Mannes stets die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt.32 Dem Entwurf des entsprechenden Gesetzes ist zu entnehmen, dass dem Gesetzgeber bewusst war, dass die Vorschrift in Verbindung mit der an keinerlei biologischen Nachweis zu knüpfenden Vaterschaftsanerkennung eine Möglichkeit der „problemlosen Einwanderung nach Deutschland“ schaffen würde.33 Er sah sich allerdings zur Verabschiedung der Norm aufgrund der Einheit der Rechtsordnung verpflichtet und hoffte, über die Altersgrenze (das Kind darf das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben) die Missbrauchsgefahr der Vaterschaftsanerkennung verringert zu haben.34 Trotz Einführung von § 4 Abs. 1 RuStAG a. F. im Jahr 1993 wurde das Institut der Vaterschaftsanerkennung nicht in nennenswertem Maße zur Aufenthaltssicherung genutzt, denn als gesetzlicher Vertreter des Kindes musste das Jugendamt der Vaterschaftsanerkennung zustimmen.35 Das Jugendamt verweigerte seine Zustimmung, wenn die Vaterschaftsanerkennung nicht dem Kindeswohl diente.36 Somit bestand eine gewisse staatliche Kontrolle, die zumindest in offensichtlichen Fällen einen Missbrauch verhindern konnte.37 Sicherlich kann nicht bezweifelt werden, dass es trotz des Zustimmungserfordernisses des Jugendamtes bereits in diesem Zeitpunkt zu missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen kam.38 Hierbei ist Grüns Einwand zu berücksichtigten, dass die Amtspflegschaft, die dem Jugendamt die gesetzliche Vertretungsmacht vermittelte, nur dann eintrat, wenn sich die Rechtsbeziehungen zwischen Mutter und Kind nach deutschem Recht richteten.39 Allein der Umstand, dass ein „verlängerter Arm des Staates“ am Vaterschaftsanerkennungsprozess beteiligt war, wird allerdings abschreckende Wirkung gehabt und missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen verhindert haben. 32 Das Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften trat am 1.4.1993 in Kraft: oder BGBl. I 1993, S. 1062; Gesetzentwurf mit Begründung BT-Drucks. 12/4450, insbes. S. 12, 36. 33 BT-Drucks. 12/4450, S. 36. 34 BT-Drucks. 12/4450, S. 36. 35 Siehe zur Zustimmung des Jugendamtes oben drittes Kapitel, S. 69 f. 36 Vgl. Frank, FS Schlechtriem 2003, 37 (42); Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1449); Oberloskamp, FuR 1991, 263 (266). 37 Beinkinstadt, JAmt 2007, 342 (342); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 406, 413. 38 Vgl. KG, Urt. v. 2.2.1994 – 3 U 3229/93 = NJW-RR 1995, 70 ff. 39 Ferner weist Grün, FuR 2006, 497 (498) darauf hin, dass missbräuchliche Vaterschafsanerkennungen auch schon vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes nur in Ausnahmefällen verhindert werden konnten, weil das Institut der Amtspflegschaft nur in den alten Bundesländern existierte. Die neuen Bundesländer waren aufgrund der Bestimmungen des Einigungsvertrages vom Geltungsbereich der §§ 1706– 1710 BGB ausgenommen, so dass in den neuen Bundesländern schon Missbrauch betrieben werden konnte.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Die Kindschaftsrechtsreform von 1998 ersetzte die Zustimmung des Kindes durch die Zustimmung der Mutter. Die Mitwirkung des Jugendamtes war fortan nicht mehr erforderlich. Seitdem können Mutter, anerkennender Mann und gegebenenfalls Kind unter weniger strengen Voraussetzungen die Statuszuordnung durch Vaterschaftsanerkennung ohne staatliche Kontrolle begründen.40 Zwar müssen die Erklärungen der Beteiligten öffentlich beurkundet werden, eine Prüfung der biologischen Richtigkeit bzw. der wahren Interessen der Beteiligten unterbleibt hingegen. Es kommt daher auch nicht auf die Wahrnehmung der Elternverantwortung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 GG durch den Mann an. In der Begründung des Entwurfs zur Kindschaftsrechtsreform heißt es: „Die Tatsache, dass im Regelfall eine Zustimmung des Kindes entbehrlich ist, wird viele Probleme lösen, die sich bislang bei der Vaterschaftsanerkennung im Ausland ergeben.“41 Dass durch die Minimierung der Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanerkennung neue Probleme, insbesondere auch bei Vaterschaftsanerkennungen mit Auslandsbezug geschaffen wurden, wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht bedacht.42 Nach Inkrafttreten der Kindschaftsrechtsreform ließen die ersten Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung nicht lange auf sich warten. Schon 1999/ 2000 wurden beurkundende Stellen mit solchen Fällen konfrontiert.43 Bis erkannt wurde, dass es sich nicht nur um Einzelfälle handelt, verging einige Zeit. So heißt es noch in einer Entscheidung des BayObLG vom 17. Juli 2000: „Diese Gefahr“, (die Gefahr kollusiv wahrheitswidriger Vaterschaftsanerkennungen) „die nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen wird“.44 Auch Frank schrieb 2003 noch, dass selbst nach 1998 „wissentlich wahrheitswidrige Anerkennungen in Deutschland nach wie vor eine seltene Ausnahme bleiben.“45 Mit Einführung des § 4 Abs. 3 StAG am 1. Januar 2000 ist es für die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit für das Kind einer ausländischen Mutter nicht mehr erforderlich, dass der anerkennende Mann deutscher Staatsbürger ist.46 Vielmehr kann nun auch ein ausländischer Mann ein ausländisches Kind unter bestimmten Voraussetzungen mit der Folge des Erwerbs der deutschen 40 Hager, FS Schwab 2005, 773 (778); Gaaz, StAZ 2007, 75 (76); Henrich, FamRZ 2006, 977 (978); Theurer, ZFE 2006, 444 (444); Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (82); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 402–405, 423 f.; Luh, S. 111; Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1450) bezeichnet die Vaterschaftsanerkennung daher als „Verstärkung der Objektstellung des Kindes“, das der Disposition seiner Eltern unterliegt; ähnlich auch Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 381 ff. 41 BT-Drucks. 13/4899, S. 85. 42 So auch Gaul, FamRZ 1997, 1441 (1450); Luh, S. 201. 43 So die Aussage mehrerer Standesbeamten; so auch ein Bericht im Tagesspiegel v. 19.11.2005 „Kuckucksväter“. 44 BayObLG, Beschl. v. 17.7.2000 – 1Z BR 96/00 = StAZ 2000, 369 (370). 45 Frank, FS Schlechtriem 2003, 37 (43). 46 BGBl. I 1999, S. 1618.

§ 3 Praxisrelevanz

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Staatsangehörigkeit für das Kind anerkennen.47 Dadurch wurde der Kreis potentieller Männer, die die Vaterschaft anerkennen können, um für Kind und Mutter einen gesicherten Aufenthalt zu erreichen, erweitert.

§ 3 Praxisrelevanz Vor Erlass des VaAnfRErgG wurde darüber diskutiert, ob missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen lediglich ein theoretisches Phänomen darstellen48 oder in der Praxis tatsächlich in erheblichem Maße zu finden sind. Daher wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit deutschlandweit nicht repräsentative Interviews mit Leitern und Sachgebietsleitern von Standesämtern, Sachgebietsleitern von Ausländerbehörden, Mitarbeitern der Senatsverwaltung für Inneres bzw. der Behörde für Inneres und Mitarbeitern von Jugendämtern geführt.49 Die Interviewten wurden zu ihren Erfahrungen mit missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen befragt. In dem folgenden Abschnitt werden diese Erfahrungen anonymisiert in Verbindung mit Presseberichten dargestellt. Anschließend wird auf die vorhandenen zahlenmäßigen Erfassungen eingegangen.

A. Fälle Öffentlich bekannt geworden ist das Problem der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung durch Presseberichte.50 Am meisten Aufsehen erlangte ein Artikel im Spiegel vom 8. Mai 2006.51 In diesem wurde von einem Frührentner berichtet, der seit 2002 und bis zum Erscheinen des Artikels 2006 über dreihundert Vaterschaften von ausländischen Kindern anerkannt haben soll. Damit wollte 47

Siehe zu den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 StAG oben viertes Kapitel, S. 95. So Piening, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 17 ff.; Stöcker-Zafari, Anhörung im Rechtsausschuss zur BTDrucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 26; Siegfried, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 22. 49 Folgende Interviews wurden geführt: Interview mit einem Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Inneres in Berlin, Interview mit einem Mitarbeiter der Behörde für Inneres in Hamburg, vier Interviews mit Leitern oder Sachgebietleitern in Standesämtern in Großstädten, Interview mit einem Sachgebietsleiter in einem Ausländeramt einer Großstadt, Interview mit einem Sachgebietsleiter im Jugendamt einer Großstadt. 50 Berliner Zeitung v. 6.3.2010 „Verdächtige Väter“; FAZ v. 29.7.2006 „Schwerhörige Gesetzgeber“; FAZ v. 1.3.2005 „Scheinvater werden ist nicht schwer“, S. 4; Der Tagesspiegel v. 19.1.2005 „Kuckucksväter“; Der Tagesspiegel v. 23.3.2004 „Gekaufte Männer“; Welt am Sonntag, Beilage Hamburg v. 23.3.2004, „Scheinväter“ ermöglichen Bleiberecht“; Welt am Sonntag, Beilage Hamburg v. 11.7.2004, „Hoch Schwangere fliegen aus Ghana ein“; Die Welt v. 24.10.2004 „SPD und Union wollen Kindschaftsrecht ändern“; ARD-Magazin – Fakt v. 17.1.2005 „Kuckuckskinder einmal anders“ (www. mdr.de/fakt/aktuell/1778447.html). 51 Der Spiegel v. 8.5.2006, 10/2006, Heft 19, S. 96 ff. 48

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

er nach eigenen Angaben erreichen, dass die Kinder einen deutschen Pass erhalten, um mit ihren Müttern unbekümmert in Deutschland leben und unter Umständen studieren zu können. Unterhaltszahlungen fürchtete der Rentner aufgrund seiner geringen Rente nicht, was dazu führte, dass die anerkannten Kinder und deren Mütter in Deutschland Kindergeld und häufig Sozialhilfe beziehen. Daher nennt der Mann seine Vaterschaftsanerkennungen auch ein „privates Entwicklungshilfeprogramm“. Dass derselbe Mann innerhalb einer kurzen Zeitspanne Vaterschaften von mehreren ausländischen Kindern unterschiedlicher Mütter anerkennt, ist kein Einzelfall. Im Wege der geführten Interviews berichteten mehrere Standesbeamte von einer solchen Erfahrung. Berichtet wurde von bis zu sechzehn Vaterschaftsanerkennungen durch denselben Mann.52 Fast undenkbar erscheint die umgekehrte Konstellation, von der ebenfalls berichtet wurde: Mehrere Männer leiteten ein Aufenthaltsrecht von nur einem deutschen Kind ab. In einem Standesamt in einer großen sächsischen Stadt ist dieser Fall aufgetreten. Hierbei haben mehrere ausländische Männer die Vaterschaft eines deutschen ungeborenen Kindes pränatal anerkannt und die deutsche Mutter hat jeder Anerkennungserklärung zugestimmt. Die Erklärungen wurden an unterschiedlichen Stellen beurkundet, damit nicht festgestellt werden konnte, dass mehrere Vaterschaftsanerkennungen zu demselben Kind vorliegen. Mit einer Abschrift der Erklärungen erhielten die ausländischen Männer von der Ausländerbehörde, ein bis zur Geburt des Kindes dauerndes Aufenthaltsrecht.53 Kurz vor Geburt des Kindes heiratete die deutsche Mutter einen deutschen Mann, um sicherzustellen, dass allein dieser der rechtliche Kindesvater wird. Bis zur Geburt hatten allerdings mehrere Männer ihren Aufenthalt zumindest vorübergehend gesichert. Aber noch eine weitere Möglichkeit, von einem einzelnen Kind ein Aufenthaltsrecht für mehrere Männer abzuleiten, wurde in der Praxis beobachtet: Es 52 So auch Richter, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5. 2007 (Protokoll Nr. 65), S. 35; Gaaz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 2. 53 Aufgrund des vorgeburtlichen Schutzes Art. 6 Abs. 1 und 2 GG ist es die Verpflichtung der Ausländerbehörde, bei aufenthaltsbeendenden Entscheidungen die vorfamiliäre Bindung angemessen zu berücksichtigen. Das bedeutet nicht, dass die Aufenthaltserlaubnis immer zu erteilen ist: So hat der VGH München, Beschl. v. 1.2.2006 – 24 CE 06.265 = juris, Rn. 22 gegen die Abschiebung eines ausländischen Mannes, der die Vaterschaft für ein Kind einer deutschen Mutter pränatal anerkannte, mit der Begründung nichts einzuwenden, die Mutter sei nicht auf die Unterstützung des Mannes während der Schwangerschaft angewiesen. Anders OVG Sachsen, Beschl. v. 15.9.2006 – 3 BS 189/06 = InfAuslR 2006, 446 ff.; OVG Sachsen, Beschl. v. 25.1.2006 – 3 BS 274/ 05 = InfAuslR 2006, 279 ff.; OVG Hamburg, 14.8.2008 – 4 Bs 84/08 = FamRZ 2009, 508 ff.; OVG Bautzen, Beschluss v. 2.10.2009 – 3 B 482/09 = NVwZ-RR 2010, 78 ff., die die Erteilung einer Duldung aufgrund der pränatalen Vaterschaftsanerkennung und der bevorstehenden Geburt anordneten.

§ 3 Praxisrelevanz

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erfolgte eine Vaterschaftsanerkennung für ein deutsches Kind durch einen ausländischen Mann. Als der Aufenthaltsstatus des Mannes auf von dem Kind unabhängige Weise gesichert war, wurde die Vaterschaft angefochten. Daraufhin meldete sich der nächste ausländische Mann, der für das Kind die Vaterschaft anerkannte. Ein paar Mal soll die Vaterschaft für das deutsche Kind anerkannt und wieder erfolgreich angefochten worden sein. Von einem weiteren offensichtlichen Missbrauchsfall berichtete eine Standesbeamtin in Berlin. Ein russischer Mann mit rechtmäßigem Aufenthalt in Deutschland wollte die Vaterschaft zu einem russischen Kind, das mit seiner Mutter in Süddeutschland lebte, anerkennen. Der Mann teilte ganz offen mit, nicht der leibliche Kindesvater zu sein, sondern nur zu wollen, dass das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erhält. Ein paar Jahre später kam er wieder und wollte die Vaterschaftsanerkennung annullieren. Immerhin habe er nicht gewusst, dass er auch Unterhalt für das Kind zahlen müsse. In der Regel ist der Missbrauch nicht derart offensichtlich. Die aus der Praxis berichteten Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen beruhen überwiegend auf Verdachtsmomenten der beurkundenden Stelle bzw. der die Aufenthaltserlaubnis erteilenden Ausländerbehörde. Solche Verdachtsmomente bestehen unter anderem dann, wenn der anerkennende Mann berichtet, die Mutter des Kindes im Ausland kennen gelernt zu haben, seinem Reisepass, den er zur Identifikation seiner Person vorlegt, allerdings zu entnehmen ist, dass er das angegebene Land noch nie bereist hat54 oder wenn der Mann weder den Namen noch das Geburtsdatum des Kindes kennt. An den wahren Intentionen einer Vaterschaftsanerkennung wurde in einem Standesamt einer großen Stadt in Süddeutschland gezweifelt, als ein Mann mit weißer Hautfarbe eine Vaterschaft zu einem farbigen Kind anerkannt hat. Erstaunlich war, dass die Mutter ebenfalls eine weiße Hautfarbe hatte.55 Diesem Fall ist jedoch anzumerken, dass ein Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung nicht zwangsläufig vorliegen musste. Das Gesetz akzeptiert bewusst, dass auch der biologische Nichtvater der rechtliche Vater werden kann.56 Nur im Zusammenhang mit dem aufenthaltsrechtlichen Status von einem der Beteiligten dürfte es Anlass gegeben haben, an der eigentlichen Intention einer Vaterschaftsanerkennung zu zweifeln.57 54 Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.3.2005 – 13 S 3035/04 = StAZ 2005 264 (264 f.), der eine bewusst wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung unter anderem deswegen annahm, weil der anerkennende deutsche Mann nicht bereit war, seinen Reisepass vorzulegen, aus dem sich hätte ergeben können, ob er seinen Aussagen entsprechend die Mutter in Ghana kennen gelernt hat. 55 Vgl. Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3. 56 Siehe hierzu oben drittes Kapitel, S. 77 ff., S. 100. 57 So auch der in JAmt 2008, 146 geschilderte Fall, in dem angeblich ein deutscher Mann von seinem indischen Arbeitgeber dazu genötigt worden war, die Vaterschaft von einem Kind einer Inderin, die mit komplett gefälschten Dokumenten nach Deutschland einreiste, anzuerkennen.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Der aufenthaltsrechtliche Status ist das ausschlaggebende Verdachtsmoment. So lag der Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung in einem Standesamt einer sächsischen Großstadt nahe, als ein deutscher junger Mann die Vaterschaft für ein vietnamesisches Kind pränatal anerkannt hat und sich herausstellte, dass die vietnamesische Mutter bereits drei Kinder mit ihrem vietnamesischen Ehemann hatte und die gesamte Familie zur Ausreise verpflichtet war. Letztlich räumte der deutsche Mann sogar ein, nicht der biologische Kindesvater zu sein, sondern von unbekannten vietnamesischen Männern zur Anerkennung der Vaterschaft gegen einen Geldbetrag in Höhe von 2.600 A angeworben worden zu sein. Solche „Anwerbungen“ sollen bereits kriminell organisiert sein. Primär soll nach deutschen Männern Ausschau gehalten werden, die Sozialhilfe empfangen und/oder obdachlos sind. Diese fürchten keine Unterhaltsverpflichtungen und sollen für einen gewissen Geldbetrag bereit sein, die Vaterschaft für ein Kind anzuerkennen.58 Eine Standesbeamtin in einem Berliner Standesamt meint, dass der Preis für eine Vaterschaftsanerkennung zwischen 1.500 und 2.500 A liegt.59 Nicht selten sollen die ausreisepflichtigen Frauen als „Gegenleistung“ der Vermittlung der Vaterschaftsanerkennung zur Prostitution gezwungen werden.60 Einem Bericht in der Zeitung Die Welt zufolge, ist bereits die Einreise hochschwangerer Frauen nach Deutschland von Schleuserbanden organisiert.61 Dass die Vermittlung von Vaterschaftsanerkennungen bereits kriminell organisiert sein soll, bestätigten mehrere Interviewte in Berlin. Dort soll es regelmäßig vorkommen, dass die ausländische Frau von den „Mitarbeitern“ der Organisation zu dem Beurkundungstermin im Standesamt zur Unterstützung begleitet wird. Damit soll zum einen die Frau unterstützt und zum anderen der deutsche aner-

58 FAZ Nr. 50 v. 1.3.2005 „Scheinvater werden ist nicht schwer“, S. 4; Der Tagesspiegel v. 19.1.2005 „Kuckucksväter“; Der Tagesspiegel v. 23.3.2004 „Gekaufte Männer“; Welt am Sonntag, Beilage Hamburg v. 23.3.2004 „Scheinväter“ ermöglichen Bleiberecht“; Welt am Sonntag, Beilage Hamburg v. 11.7.2004 „Hochschwangere fliegen aus Ghana ein“; Die Welt v. 24.10.2004 „SPD und Union wollen Kindschaftsrecht ändern“; ARD-Magazin – Fakt v. 17.1.2005 „Kuckuckskinder einmal anders“ (www. mdr.de/fakt/aktuell/1778447.html); Richter, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 2; Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 2; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 639; so auch BT-Drucks. 16/2433, S. 3 im Rahmen der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage einiger Abgeordneter der Partei Die Linke. 59 Laut einem Artikel in der Internetzeitschrift des Deutschen Bundestages „Das Parlament“ soll der Preis für eine wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung um die 50.000 A liegen; Koop, Das Parlament 12/2005. Welt am Sonntag, Beilage Hamburg v. 23.3.2004, berichtete davon, dass bis zu 10.000 A für „fälschliche Vaterschaftsanerkenntnisse“ gezahlt werden. 60 Spiegel 10/2006, S. 96 (98); vgl. Meysen, Anhörung im Rechtsausschuss zur BTDrucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 14. 61 Welt am Sonntag, Beilage Hamburg v. 11.7.2004 „Hochschwangere fliegen aus Ghana ein“.

§ 3 Praxisrelevanz

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kennende Mann eingeschüchtert werden, damit er seine Anerkennungserklärung auch tatsächlich abgibt. In Berlin kam es zu dem Fall, dass der deutsche Mann sich während des Beurkundungstermins entschied, die Vaterschaft für das Kind doch nicht anzuerkennen. Nur mit Polizeischutz konnte er das Standesamt verlassen. Um dies zu verhindern, geben sich die „Begleiter“ oft als Dolmetscher aus, damit sie direkt bei der Beurkundung anwesend sein können. Eine solche Vorgehensweise ist laut Aussage eines Mitarbeiters der Senatsverwaltung für Inneres neben missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen auch bei den so genannten „Scheinehen“ üblich.

B. Anzahl der jährlichen Missbrauchsfälle Es wurden zwei Untersuchungen durchgeführt, anhand derer festgestellt werden sollte, wie viele missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen jährlich stattfinden. Eine zahlenmäßige Erfassung erfolgte durch die Senatsverwaltung für Inneres des Landes Berlin in den Jahren 2001 und 2002. Vier Standesamtsbezirke vermerkten in diesen Zeitraum siebzig bis achtzig Fälle, in denen der Verdacht einer wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung mit dem Ziel der Vermeidung einer bestehenden Ausreisepflicht der Mutter bestand.62 Die Mütter waren in den überwiegenden Fällen bosnische Staatsangehörige. Sie hatten in der Regel bereits mehrere Kinder, die unstreitig von einem ausländischen Staatsangehörigen abstammten. Erst für das zuletzt geborene Kind erkannte ein deutscher Staatsangehöriger, oft ein Sozialhilfeempfänger, die Vaterschaft an. Eine weitere statistische Untersuchung erfolgte aufgrund einer Anfrage der Innenminister der Länder bei den jeweiligen Ausländerbehörden innerhalb des Zeitraums vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2004.63 Ermittelt wurde die Anzahl der erteilten Aufenthaltstitel an ausländische Mütter, die ihr Aufenthaltsrecht von ihrem deutschen Kind ableiteten und die Anzahl der erteilten Aufenthaltstitel an einen ausländischen Vater, der die Vaterschaft für ein Kind mit gesichertem Aufenthalt in Deutschland anerkannte. In 1.694 Fällen wurde einer unverheirateten ausländischen Mutter eines deutschen Kindes, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig war, ein Aufenthaltstitel erteilt. Das deutsche Kind der Mutter erlangte in 1.449 Fällen die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Mann gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 StAG. In den restlichen 245 Fällen erwarb das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanerkennung eines ausländischen Vaters mit gesichertem Aufenthaltsstatus gemäß § 4 Abs. 3 StAG. Darüber hi62 Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (83); Bericht für die Sitzung der IMK am 5./ 6.12.2002, S. 4. 63 BT-Drucks. 16/3291, S. 11.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

naus wurden 1.935 Vaterschaftsanerkennungen verzeichnet, in denen der ausländische anerkennende Mann vor der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig war. In 1.414 Fällen erhielt er daraufhin einen Aufenthaltstitel oder wurde geduldet. Die Kritiker, die behaupten, dass missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen nur vereinzelt auftreten, halten den oben genannten Ermittlungen entgegen, dass diese auf Vermutungen basieren und nicht den Umfang der erfolgten Missbräuche belegen können.64 In wie vielen Fällen der anerkennende deutsche Mann tatsächlich der biologische Vater des Kindes war bzw. ein wirkliches Interesse an dem Aufbau einer Vater-Kind-Beziehung bestand, könne den Ermittlungen nicht entnommen werden. Es wird nicht bestritten, dass die zahlenmäßigen Erhebungen nicht nachweisen können, in wie vielen der verzeichneten Fälle tatsächlich ein Missbrauch stattgefunden hat. Die hohe Anzahl der Vaterschaftsanerkennung mit ausländerrechtlichem Bezug lässt allerdings vermuten, dass Missbrauch zu staatsangehörigkeits- und/oder aufenthaltsrechtlichen Zwecken in gewissem Umfang stattfindet.65 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der tatsächliche Umfang missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen zahlenmäßig überhaupt erfassbar ist.66 Wann ein Missbrauch stattfindet, beruht bisher auf Mutmaßungen der beurkundenden Stelle und der Ausländerbehörde. Einzige Möglichkeit, konkrete Zahlen zu erhalten, wäre eine Befragung der Beteiligten bezüglich ihrer eigentlichen Intention zur Vaterschaftsanerkennung. Dass diese Fragen nicht wahrheitsgemäß beantwortet würden, muss nicht ausgeführt werden. Solche Ermittlungen würden im Ergebnis keinen Aufschluss über den tatsächlich erfolgten Missbrauch bieten können. Die genaue Anzahl der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen wird daher nie ermittelbar sein.

C. Stellungnahme Wie viele missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen jährlich stattfinden, kann nur geschätzt werden. Dass missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen nicht nur vereinzelt auftreten, belegen die oben genannten Erfahrungen der Standesbeamten, der Mitarbeiter der Ausländerbehörden und der Senatsverwaltung 64 AG Hamburg-Altona, Beschluss v. 15.4.2010 – 350 F 118/09 = juris, Rn. 29; Siegfried, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 2 f.; Heinhold, Stellungnahme zu BTDrucks. 16/3291, S. 1; Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 2; StöckerZafari, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 1 f.; Piening, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 17. 65 BT-Drucks. 16/3291, S. 11; Gaaz, StAZ 2007, 75 (76); Zimmermann, FuR 2008, 569 (571); ders., Scheinvaterschaften, S. 8. 66 Granold BT-Plenarprotokoll 16/133, 14024 (A) lehnt die Frage mit der Begründung ab, dass nach derzeitiger Rechtslage kein Gesetzesverstoß bei missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung vorliegt und daher missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen naturgemäß nicht erfassbar sind.

§ 4 Vorgehen bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG

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für Inneres.67 Bei den deutschlandweit stichprobenartig erfolgten Interviews sah sich nur ein beurkundender Mitarbeiter beim Jugendamt noch nie mit einem Fall missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen konfrontiert. Er berichtete, dass das Jugendamt sich dazu verpflichtet fühle, die Familien zusammenzubringen und dass an den Vaterschaftsanerkennungen mit Ausländerbezug daher auch nicht gezweifelt werde. Unabhängig von dem Mitarbeiter beim Jugendamt kamen alle anderen Interviewten mit dem Thema der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung bereits mehrfach in Berührung. Diese schätzten die Anzahl missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen im Jahr 2007 wie folgt: Eine Standesbeamtin in Berlin berichtete, dass sie ungefähr alle ein bis zwei Wochen mit einem Fall missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung konfrontiert werde. Eine andere schätzte die Anzahl missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen in ihrem Zuständigkeitsbereich auf vierzig bis fünfzig im Jahr. Unabhängig von genauen Zahlen ist festzuhalten, dass das Institut der Vaterschaftsanerkennung zu aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken in der Praxis missbraucht wird und es sich nicht um eine bloße Fiktion handelt.68

§ 4 Vorgehen bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG Wie bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG am 1. Juni 2008 in den einzelnen Rechtsgebieten auf Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung reagiert wurde, wird im Folgenden erläutert.

A. Im Zivilrecht Im Zivilrecht wurde bei der die Vaterschaftsanerkennung beurkundenden und beischreibenden Stelle angesetzt, um gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorzugehen. Ferner wurde versucht, die Vaterschaftsanfechtung seitens des Kindes vertreten durch einen Ergänzungspfleger zu betreiben. I. Beurkundende Stelle als Missbrauchskontrolle? In das Verfahren zur Vaterschaftsanerkennung ist ein Beurkundungsorgan miteinbezogen. Dieses beurkundet die Erklärungen einer Vaterschaftsanerkennung (§ 1597 Abs. 1 BGB). Hierbei prüft die beurkundende Stelle nicht, ob der aner67 So auch Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5. 2007 (Protokoll Nr. 65), S. 10; Richter, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 20; Gaaz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 1 f. 68 So auch Richter, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5. 2007 (Protokoll Nr. 65), S. 21; Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3 f.; Heinz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 46.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

kennende Mann der biologische Kindesvater ist69 oder ob eine Vater-Kind-Beziehung zwischen dem Mann und dem Kind besteht bzw. aufgebaut werden soll. Dennoch erscheint fraglich, ob nach alter Rechtslage das Beurkundungsorgan Handlungsmöglichkeiten hatte, missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern. 1. § 4 BeurkG Gemäß § 4 BeurkG sollen die beurkundenden Stellen die Beurkundung verweigern, wenn ihre Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden.70 Die Vaterschaftsanerkennung darf demnach nicht allein deswegen gemäß § 4 BeurkG verweigert werden, weil der anerkennende Mann nicht der leibliche Kindesvater ist71, denn ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft soll gerade möglich sein72. Das Beurkundungsorgan darf allerdings bei der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung dann nicht tätig werden, wenn eindeutig erkennbar ist, dass eine Anerkennung der Vaterschaft bewusst wahrheitswidrig allein mit dem Ziel erfolgt, einer Partei zu einem günstigen aufenthaltsrechtlichen Status zu verhelfen.73 Ähnliches gilt bei der so genannten „Scheinehe“. Auch hierbei ist die Beurkundung eines Ehevertrages abzulehnen, wenn erkennbar eine solche geschlossen werden soll.74 Rein theoretisch bestand somit auch vor Inkrafttreten des VaAnfRErgG für das beurkundende Organ die Möglichkeit, die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung zu verweigern. In der Praxis wurde hiervon allerdings selten Gebrauch gemacht. Dies hatte zwei Gründe: Zum einen hat sich die oben genannte Ansicht erst kurz vor Verabschiedung des VaAnfRErgG durchgesetzt, so dass eine Umsetzung in der Praxis noch unterblieb.75 Zum anderen war seit jeher im Zusammenhang mit § 4 BeurkG umstrit69 Palandt/Diederichsen, § 1597, Rn. 1; DIJuF-Rechtsgutachten v. 18.2.2004 – J 2.143 Dl = JAmt 2004, 180 (181); Kissner, StAZ 2005, 98 (99 f.). 70 Dass das BeurkG nicht nur auf Beurkundungen durch den Notar, sondern auch auf Beurkundungen durch andere beurkundende Stellen anwendbar ist, bestimmt § 1 Abs. 1 und 2 BeurkG. 71 So auch Armbrüster/Preuß/Renner/Preuß, § 4 BeurkG, Rn. 25; Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 10 unter Verweis auf § 29a PStG a. F. (§ 44 Abs. 1 PStG n. F.) i.V. m. § 372 Abs. 2 DA; verwiesen wird auch auf KG, Beschl. v. 11.12.2001 – 1 W 193/01 = StAZ 2002, 241. 72 Siehe hierzu oben drittes Kapitel, S. 77 ff. 73 Lerch, § 4 BeurkG, Rn. 10; Armbrüster/Preuß/Renner/Preuß, § 4 BeurkG, Rn. 25; Winkler, § 4 BeurkG, Rn. 28; Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29a PStG, Rn. 20; DIJuF-Rechtsgutachten v. 18.2.2004 – J 2.143 Dl = JAmt 2004, 180 (181); a. A. Luh, S. 204. 74 Armbrüster/Preuß/Renner/Preuß, § 4 BeurkG, Rn. 25. 75 Vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 26.4.2000 – J 2.143 Kn = DAVorm 2000, S. 467– 470, wo noch ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung aufgrund der Einheit der Rechtsordnung selbst bei Vaterschaftsan-

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ten, ob bloße Zweifel ohne Gewissheit über die Unredlichkeit des Zwecks zur Verweigerung der Beurkundung führen durften.76 Wie oben dargestellt, ist das Beurkundungsorgan von der Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung selten überzeugt, sondern schöpft regelmäßig nur den Verdacht. Die unredlichen Zwecke einer Vaterschaftsanerkennung sind daher selten eindeutig erkennbar. Aber selbst wenn Zweifel an der Redlichkeit der Vaterschaftsanerkennung zur Verweigerung der Beurkundung ausgereicht hätten, so hätte ein solches Ergebnis auf die Praxis keine Auswirkungen gehabt: Verweigerte ein Beurkundungsorgan die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 4 BeurkG, so wurde dies nirgends vermerkt. Das bedeutet, dass die Beteiligten beliebig viele Beurkundungsorgane aufsuchen konnten, bis ihnen die Vaterschaftsanerkennung beurkundet wurde.77 In der Regel mussten die Parteien allerdings nicht lange suchen. Standesbeamte in Berlin berichteten von einer Zusammenarbeit zwischen den Organisationen, die Vaterschaftsanerkennungen vermitteln, und bestimmten Notaren. Diese Notare beriefen sich darauf, von der Unredlichkeit der Vaterschaftsanerkennung nicht überzeugt und daher auch nicht zur Verweigerung der Beurkundung verpflichtet gewesen zu sein. Daher trug § 4 BeurkG trotz der abstrakt bestehenden Verweigerungsmöglichkeit für das Beurkundungsorgan im Ergebnis nicht dazu bei, missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern.78 2. Verweigerung durch den beurkundenden Standesbeamten Von dem Anwendungsbereich des § 4 BeurkG sind beurkundende Standesbeamte ausgeschlossen (§ 58 BeurkG), da für sie die Vorschriften des Personenstandsgesetzes (PStG) gelten. Standesbeamte können gemäß § 44 Abs. 1 S. 1, S. 2 PStG die Erklärungen zur Vaterschaftsanerkennung beurkunden. Bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG enthielt das PStG keine mit § 4 BeurkG vergleichbare Regelung. Vielmehr konnte der Standesbeamte, wenn er die Beurkundung verweigerte, auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde durch das Amtsgericht dazu angehalten werden, die Amtshandlung zu vollziehen (§ 49 Abs. 1 PStG).79 Dafür musste der erkennungen allein zu Aufenthaltszwecken nicht gemäß § 4 BeurkG abgelehnt werden dürfe. 76 Bejahend: Winkler, § 4 BeurkG, Rn. 4 f.; Armbrüster/Preuß/Renner/Preuß, § 4 BeurkG, Rn. 21, 26; Ganter, DNotZ 1998, 851 (852); ablehnend: Lerch, § 4 BeurkG, Rn. 3; Jansen § 4 BeurkG, Rn. 7; Röll, DNotZ 1976, 453 (470); Schippel/Bracker/ Kanzleiter, § 14 BNotO, Rn. 11. 77 So auch DIJuF-Rechtsgutachten v. 18.2.2004 – J 2.143 Dl = JAmt 2004, 180 (182); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 601. 78 So im Ergebnis auch Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 484. 79 Bei der Beurkundung der Erklärungen einer Vaterschaftsanerkennung handelt es sich um eine Amtshandlung, Hepting/Gaaz/Hepting, § 45 PStG, Rn. 10 f.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Standesbeamte die Beurkundung abgelehnt haben, obwohl der Bürger einen Rechtsanspruch auf die Vornahme der Handlung hatte. Der Bürger hatte lediglich dann keinen Anspruch auf die Beurkundung, wenn die Vaterschaftsanerkennung offensichtlich unwirksam war.80 Eine Vaterschaftsanerkennung ist dann wirksam, wenn die Voraussetzungen des § 1598 Abs. 1 BGB vorliegen.81 Wie oben festgestellt, sind die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Vaterschaftsanerkennung gering. Diese werden in der Regel von den Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung unproblematisch erfüllt. Verweigerte der Standesbeamte somit die Beurkundung allein mit der Begründung, dass die Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich sei, so konnte er gemäß § 49 Abs. 1 PStG durch das Amtsgericht zur Beurkundung angehalten werden.82 Gaaz übertrug zwar den Rechtsgedanken des § 4 BeurkG und nahm an, dass in den Fällen, in denen die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Zwecke eindeutig im Vordergrund stand, der Standesbeamte auch zur Ablehnung der Beurkundung berechtigt sein musste.83 Richtigerweise wies er aber daraufhin, dass ein solches Vorgehen wirkungslos war, solange die Parteien trotz der Verweigerung eine andere beurkundende Stelle aufsuchen konnten.84 Gaaz wies auch darauf hin, dass der Standesbeamte alternativ die Entscheidung des Amtsgerichts gemäß § 49 Abs. 2 PStG herbeiführen konnte.85 Dafür musste der Standesbeamte Zweifel daran gehabt haben, ob er die Amtshandlung vollziehen musste. Zweifel konnten sowohl rechtlicher als auch tatsächlicher Natur sein.86 Bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung hatte der Standesbeamte selten Zweifel rechtlicher Natur, da die Beteiligten die erforderlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen in der Regel erfüllten. Tatsächliche Zweifel mussten das Vorliegen von entscheidungsrelevanten Tatsachen betreffen.87 Es liegt nicht in der Prüfungskompetenz des Standesbeamten, die Abstammungsverhältnisse88 und/oder das Interesse an der Vater-Kind-Beziehung zu erforschen. Da-

80 Zwar liegt die letztverantwortliche Prüfung der materiellen Wirksamkeit beim eintragenden und nicht beim beurkundenden Standesbeamten, doch hat auch der beurkundende Standesbeamte die Wirksamkeit der Erklärungen in einem gewissen Umfang zu prüfen, um unwirksame Vaterschaftsanerkennungen von vorneherein zu verhindern: Gaaz/Bornhofen, § 44, Rn. 6, 9. 81 Siehe hierzu oben zweites Kapitel, S. 26–29. 82 Vgl. KG, Beschl. v. 11.12.2001 – 1 W 193/01 = StAZ 2002, 241 (241). 83 Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29a PStG, Rn. 20; Hochwald, StAZ 2007, 183 (183). 84 Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29a PStG, Rn. 20. 85 Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29a PStG, Rn. 20, wobei Gaaz von § 45 Abs. 2 PStG a. F. ausging. 86 Gaaz/Bornhofen, § 49, Rn. 9. 87 Hepting/Gaaz/Hepting, § 45 PStG, Rn. 55. 88 § 372 Abs. 2 S. 1 der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden (DA) bestimmt explizit, dass der Standesbeamten der Frage der biologischen Herkunft des Kindes beim Beurkundungsvorgang nicht nachgehen darf.

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mit berechtigten die Zweifel, die der Standesbeamte bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung haben konnte, nicht zur Vorlage an das Amtsgericht nach § 49 Abs. 2 PStG. Aber selbst bei Vorlage an das Amtsgericht prüft(e) auch dieses ausschließlich, ob die Wirksamkeitsvoraussetzungen gemäß § 1598 BGB gegeben waren. Im Ergebnis bestand vor Inkrafttreten des VaAnfRErgG selbst bei offensichtlich missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung ein Anspruch gegen den Standesbeamten auf Beurkundung der entsprechenden Erklärungen. Laut Berichten sollen einige Standesbeamte in einer solchen Situation trotz allem probiert haben, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. Sie gingen dann wie folgt vor: Vor Beurkundung der Erklärungen muss sich das Beurkundungsorgan von der Identität der Parteien überzeugen89, was in der Regel durch Vorlage des Personalausweises geschieht90. Kann die Person nicht identifiziert werden, so darf aus diesem Umstand allerdings nicht die Ablehnung der Beurkundung resultieren.91 Gerade bei Vaterschaftsanerkennungen allein zu aufenthalts- und/oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken kann die ausländische Partei mangels Ausweispapier oft nicht identifiziert werden. Entgegen ihrer Vorschriften teilten einige Standesbeamte den Beteiligten dann mit, dass die Beurkundung erst mit gültigem Ausweispapier erfolgen kann. Diese Vorgehensweise soll allerdings wenig erfolgreich gewesen sein, da gerade die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung über ihre Rechte gut informiert waren und daher auf eine Beurkundung bestanden oder beim nächsten Termin mit einem Rechtsanwalt erschienen, der die Beurkundung sicherstellte. Der beurkundende Standesbeamte konnte somit missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen nicht verhindern. II. Ansatz bei der Beischreibung Nach erfolgter Beurkundung muss die beurkundende Stelle beglaubigte Abschriften der Erklärungen dem Vater, der Mutter, dem Kind und dem Standesamt, das den Geburtseintrag des Kindes führt, zusenden (§ 1597 Abs. 2 BGB, § 44 Abs. 3 S. 1 PStG).92 Liegen dem Standesbeamten alle Erklärungen in beglaubig89 BayObLG, Beschl. v. 16.11.2004 – 1Z BR 87/04 = NJW-RR 2005, 303 (304); Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29a PStG, Rn. 21; Kissner, StAZ 2005, 98 (98); Brüggemann, Beurkundungen im Kindschaftsrecht, Rn. 81 ff. 90 Hepting/Gaaz/Gaaz, § 29a PStG, Rn. 18; Brüggemann, Beurkundungen im Kindschaftsrecht, Rn. 82. 91 BayObLG, Beschl. v. 16.11.2004 – 1Z BR 87/04 = NJW-RR 2005, 303 (304); Schulz/Hauß/Pauling, § 1594 BGB, Rn. 6; Kissner, StAZ 2005, 98 (99); für die Standesbeamten bestimmt dies explizit § 372 Abs. 1 S. 6 DA. 92 Bei Vaterschaftsanerkennung im Ausland legt § 44 Abs. 3 S. 2 PStG fest, dass die beglaubigte Abschrift dem Standesbeamten des Standesamtes I in Berlin zu übersenden ist.

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ter Abschrift vor, schreibt er die Vaterschaft im Geburtenbuch des Kindes bei, das heißt der Vater des Kindes wird vom Standesbeamten am Rande des Geburteneintrags vermerkt (§ 27 Abs. 1 PStG).93 Der beischreibende Standesbeamte prüft die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung.94 Kommt er zu dem Ergebnis, dass die Vaterschaftsanerkennung nicht den Wirksamkeitsvoraussetzungen der §§ 1594–1597 BGB genügt, muss er die Beischreibung ablehnen. Eine Verweigerung der Beischreibung aus anderen Gründen darf nicht erfolgen.95 Das OLG Celle hingegen hat in seinem Beschluss vom 29. Mai 2006 den Standesbeamten angewiesen, nicht den deutschen anerkennenden Mann als Vater des vietnamesischen Kindes in das Geburtenbuch beizuschreiben, sondern den vietnamesischen geschiedenen Ehemann der Mutter des Kindes.96 Der beischreibende Standesbeamte, der vermutete, dass es sich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handelte, sah sich neben dem Problem der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung zusätzlich mit dem Konkurrenzproblem der unterschiedlichen Rechtsordnungen konfrontiert. Er führte daher die Entscheidung des Amtsgerichts nach 45 Abs. 2 PStG a. F. (§ 49 Abs. 2 PStG n. F.) herbei. Gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB bestimmt sich die Abstammung eines Kindes nach dem Recht des Landes, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Zuordnung ist allerdings nicht exklusiv.97 Im Verhältnis zu jedem Elternteil kann sie sich auch nach dem Recht des Staates bestimmen, dem der Elternteil angehört (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Im vorliegenden Fall wurde die vietnamesische Mutter des Kindes kurz vor dessen Geburt rechtskräftig von ihrem vietnamesischen Ehemann geschieden. Da das Kind während der Ehe empfangen wurde, gilt es nach vietnamesischem Recht als Kind des geschiedenen Ehemannes der Mutter (Art. 28 des Gesetzes über Ehe und Familie der Sozialistischen Republik Vietnam). Nach deutschem Recht hingegen wäre der pränatal anerkennende deutsche Mann der rechtliche Kindesvater (§ 1594 Abs. 4 BGB). Das 93 Erfolgte eine pränatale Vaterschaftsanerkennung, wird der anerkennende Mann bei der Beurkundung der Geburt des Kindes als Vater in das Geburtenbuch eingetragen (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PStG). Der Unterschied zwischen der Eintragung und der Beischreibung besteht darin, dass bei der Beischreibung die Vaterschaft nur am Rande des Geburtenbuches vermerkt wird. 94 Gaaz/Bornhofen, § 27 PStG, Rn. 10; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 478 f. 95 BT-Drucks. 16/3291, S. 10; KG, Beschl. v. 11.12.2001 – 1 W 193/01 = StAZ 2002, 241 ff.: In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall vermutete der beischreibende Standesbeamte aufgrund der Aktenlage, dass das anerkannte Kind aus Bosnien und Herzegowina von einem deutschen Mann nur anerkannt wurde, um der Mutter ein Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen; siehe auch BayObLG, Beschl. v. 16.11.2004 – 1Z BR 87/04 = NJW-RR 2005, 303 ff., in dem der Standesbeamte um Entscheidung nach § 44 Abs. 2 PStG a. F. (§ 49 Abs. 2 PStG n. F.) gebeten hat, ob er die Beischreibung mit dem Zusatz versehen muss, dass der im Eintrag bezeichnete Mann nicht der der Vater des Kindes ist. 96 OLG Celle, Beschl. v. 29.5.2006 – 18 W 2/06 = StAZ 2007, 82 f. 97 Hailbronner/Renner/Maaßen, § 4 StAG, Rn. 10.

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Gericht entschied, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass der die Vaterschaft freiwillig anerkennende Mann der biologische Kindesvater sei. Im vorliegenden Fall allerdings habe der deutsche Mann zu einem späteren Zeitpunkt erklärt, gegen Zahlung eines Geldbetrages zur Anerkennung der Vaterschaft bereit gewesen zu sein. Daher sei ausnahmsweise die Vaterschaft des geschiedenen vietnamesischen Mannes wahrscheinlicher. Da somit ein rechtlicher Vater für das Kind vorhanden war, war die Vaterschaftsanerkennung nicht wirksam (§ 1594 Abs. 2 BGB) und musste auch nicht beigeschrieben werden. Die Beischreibung der Vaterschaft des deutschen Mannes konnte indes in diesem speziellen Fall nur deshalb verweigert werden, weil ausländisches Recht angewandt wurde und der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1592 Nr. 2 BGB somit ihre Wirksamkeit aberkannt werden konnte. Letztlich war auch die Beischreibung kein Mittel, um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern. Das OVG Sachsen-Anhalt stellte zutreffend fest, dass weder der Standesbeamte noch die Standesamtsaufsichtsbehörde über verfahrensrechtliche Mittel verfüge, indizierten Bedenken im Hinblick auf das Zustandekommen der Vaterschaftsanerkennung mit ausreichenden Mitteln nachzugehen.98 III. Anfechtungsrecht des Kindes Als Mittel, gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorzugehen, wurde ferner die Vaterschaft seitens des Kindes vertreten durch einen Ergänzungspfleger angefochten. Hierbei wurde der Mutter des Kindes die Vertretungsmacht gemäß §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB entzogen und auf einen Ergänzungspfleger übertragen.99 Ein solches Vorgehen war allerdings nicht erfolgreich, da gerichtlich festgestellt wurde, dass ein Sorgerechtsentzug mangels Bestehens eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen Mutter und Kind (§ 1796 Abs. 2 BGB) nicht vollzogen werden dürfe.100 Zwar sei grundsätzlich davon auszugehen, dass das Kind ein Interesse an der Feststellung seiner wirklichen Abstammung habe, doch könne das Kind auch ein Interesse an dem Erhalt seiner deutschen Staatsangehörigkeit und damit verbunden seiner Aufenthaltsberechtigung in Deutschland haben. Letzteres Interesse decke sich bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung mit dem der Mutter, so dass der für den Sorge-

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OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56

(60). 99 Zu der Frage, ob ein Sorgerechtsentzug nicht nur bei Feststellung der Vaterschaft gemäß § 1629 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 BGB ausgeschlossen ist, sondern auch bei Anfechtung der Vaterschaft siehe: BGH, Urt. v. 18.2.2009 – XII ZR 156/07 = juris, Rn. 37; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 537 ff. m.w. N. 100 OLG Celle, Beschluss v. 6.1.2006 – 19 UF 1/06 = juris.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

rechtsentzug erforderliche Interessengegensatz nicht bestehe.101 Dem Interesse des Kindes an der Feststellung seiner biologischen Herkunft werde hingegen durch sein Anfechtungsrecht ab Volljährigkeit und den damit verbundenen langen Anfechtungsfristen ausreichend Rechnung getragen.102 Die durch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung entstandene rechtliche Vaterschaft konnte somit nicht durch Vaterschaftsanfechtung seitens des Kindes vertreten durch einen Ergänzungspfleger wieder beseitigt werden.

B. Im Öffentlichen Recht Im Öffentlichen Recht wurde sowohl über die Ablehnung der Ausstellung eines deutschen Passes für das anerkannte Kind als auch über die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die von der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung profitierende Partei diskutiert. I. Verweigerung der Ausstellung eines deutschen Passes Erkennt ein deutscher Mann oder ein ausländischer Mann mit gesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland die Vaterschaft für ein ausländisches Kind an, erhält dieses von Gesetzes wegen die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG. Daher erhält auch bei einer Vaterschaftsanerkennung allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken das anerkannte Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern die Anerkennung wirksam gemäß § 1598 Abs. 1 BGB erfolgte. Dennoch wurde in der Vergangenheit probiert, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen dadurch zu begegnen, dass dem Kind die Ausstellung eines deutschen Passes seitens der Passbehörde verweigert wurde.103 Das Verwaltungsgericht Oldenburg entschied allerdings, dass auch ein Kind, das im Wege einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hat, einen Anspruch auf die Ausstellung eines deutschen Passes hat.104 „Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie hat [die deutsche Staatsangehörigkeit] gem. § 4 Abs. 1 StAG durch Geburt erworben, weil ein Elternteil, 101 OLG Celle, Beschluss v. 6.1.2006 – 19 UF 1/06 = juris, Rn. 4 f.; so auch OLG Oldenburg v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = juris, Rn. 16; OLG Hamburg v. 28.10.2009 – 12 UF 110/09 = juris, Rn. 19; Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 9; a. A. Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 540, S. 604 f., S. 609–613. 102 OLG Celle, Beschluss v. 6.1.2006 – 19 UF 1/06 = juris, Rn. 6. 103 Vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 16.4.2008 – 11 A 3178/06 = juris, Rn. 20 in einer Entscheidung, in der die Passbehörde vor Ausstellung eines deutschen Passes für das anerkannte Kind einer kamerunischen Mutter die Vorlage eines Abstammungsgutachtens forderte; bis dahin behandelte sie das anerkannte Kind als kamerunische Staatsangehörige. 104 VG Oldenburg, Urt. v. 16.4.2008 – 11 A 3178/06 = juris, Rn. 29.

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nämlich ihr Vater [. . .], die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. [. . .] In der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Vaterschaftsanerkennungserklärung „nur“ [. . .] aus den in den §§ 1592 ff. BGB ausdrücklich genannten Gründen unwirksam sein kann. Die Einheit der Rechtsordnung spricht dafür, dies im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht abweichend zu beurteilen.“105 Selbst bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung konnte daher das ausländische Kind ohne weiteres die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen. II. Verweigerung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis Mit welcher Begründung vor Inkrafttreten des VaAnfRErgG die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zum Zwecke des Familiennachzugs bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen verweigert wurde, wird im Folgenden dargestellt. Aufgrund einer Änderung der Rechtslage im Aufenthaltsrecht zum 28. August 2007 muss zwischen der Rechtsprechung vor und nach diesem Zeitpunkt unterschieden werden. 1. Rechtslage bis zum 27. August 2007 Bis zum 27. August 2007 sind zahlreiche Gerichtsentscheidungen zu der Frage ergangen, ob und wie verhindert werden kann, dass aus einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtliche Vorteile gezogen werden können. a) Darstellung der Rechtsprechung Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 3. März 2005 einer durch Vaterschaftsanerkennung entstandenen rechtlichen Familie die Berufung auf Art. 6 GG verweigert und damit die Gewährung von ausländerrechtlichen Ansprüchen trotz wirksamer Vaterschaftsanerkennung verwehrt.106 In diesem Fall war das Gericht der Überzeugung, dass der in Deutschland mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis lebende anerkennende Mann ghanaischer Nationalität nicht der biologische Vater des ghanaischen Kindes war und der Aufbau einer familiären Lebensgemeinschaft nicht angestrebt wurde. Begründet hat es seine Entscheidung damit, dass durch kollusives Zusammenwirken von Kindesmutter und Anerkennendem das Institut der Vaterschaftsanerkennung missbraucht wurde, um auf diese Weise Kind und Mutter gestützt auf Art. 6 GG unter Umgehung einfachrechtlicher Aufenthaltsbestimmungen den weiteren Auf105

VG Oldenburg, Urt. v. 16.4.2008 – 11 A 3178/06 = juris, Rn. 20–23. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.3.2005 – 13 S 3035/04 = StAZ 2005, 264 f. = juris, Rn. 9. 106

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

enthalt im Bundesgebiet zu sichern. Dieser Missbrauch gebiete es, Mutter und Kind aus einer rein formalen Vaterschaftsanerkennung keinen aufenthaltsrechtlichen Nutzen ableiten zu lassen, „da sie ansonsten in den Genuss von Rechtspositionen kämen, auf die sie von Rechts wegen keinen Anspruch hätten“.107 Ähnlich entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.108 Er erklärte die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis für einen ghanaischen Mann, der die Vaterschaft für ein deutsches Kind anerkannt hatte, für zulässig. Eine familiäre Beziehung zwischen dem Mann und dem Kind konnte nicht nachgewiesen werden. Vielmehr lag der Verdacht einer Vaterschaftsanerkennung allein zu Aufenthaltszwecken nicht zuletzt deswegen nahe, weil Mutter und anerkennender Mann unterschiedliche Angaben zu dem Zeugungsort des Kindes machten.109 Das OVG Sachsen-Anhalt entschied am 25. August 2006 im gegenteiligen Sinne.110 Es bejahte ein zwingendes Abschiebungshindernis für einen vietnamesischen Mann, der die Vaterschaft für ein deutsches Kind anerkannt hatte, obwohl das Bestehen einer missbräuchlichen Vaterschaft vermutet wurde. Anders als in dem Fall des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sah das OVG Sachsen-Anhalt das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft aufgrund einer diesbezüglich vorliegenden eidesstattlichen Versicherung der Kindesmutter als ausreichend bewiesen an.111 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hingegen lehnte am 1. Dezember 2004 einen Anspruch einer vietnamesischen Mutter auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund Familiennachzuges zu ihrem deutschen Kind ab.112 Das Kind wurde von einem deutschen Mann pränatal anerkannt. Der Rechtsmissbrauch des Instituts der Vaterschaftsanerkennung lag nahe. Das Gericht war der Ansicht, dass Vater eines Kindes nur der Mann sei, der Elternverantwortung trage, was der deutsche Mann nicht getan habe.113 In diesem Zusammenhang zieht das Gericht einen Vergleich zu der Ehe, die allein zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangen wird. „Es sei darauf hingewiesen, dass das Recht eines verheirateten Ausländers auf Zuzug und Aufenthalt in Deutschland nicht nur das (formelle) Bestehen einer Ehe voraussetzt, sondern auch die Verwirklichung des Willens der Ehepartner, eine Art. 6 GG entsprechende eheliche Lebensgemeinschaft zu führen“.114 Solange die Gefahr eines ernsthaften Rechtsmissbrauchs im Raum stehe, könne die Klägerin daher allein aus der Vaterschaftsanerkennung 107 VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.3.2005 – 13 S 3035/04 = StAZ 2005, 264 f. = juris, Rn. 9. 108 VGH München, Beschl. v 27.10.2006 – 24 CS 06.2578 = juris. 109 VGH München, Beschl. v 27.10.2006 – 24 CS 06.2578 = juris, Rn. 25. 110 OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25.8.2006 – 2 M 228/06 = juris. 111 OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25.8.2006 – 2 M 228/06 = juris, Rn. 23. 112 VG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.2004 – 1 E 758/04 (3) = StAZ 2003, 237 f. 113 VG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.2004 – 1 E 758/04 (3) = StAZ 2003, 237 (238). 114 VG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.2004 – 1 E 758/04 (3) = StAZ 2003, 237 (238).

§ 4 Vorgehen bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG

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keinen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis ableiten.115 Der Verwaltungsgerichtshof Kassel als Berufungsgericht sprach der Mutter den Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG mit der Begründung zu, der Gesetzgeber habe familienrechtlich in Kauf genommen, dass auch ein biologischer Nichtvater die Vaterschaft eines Kindes anerkennen kann.116 Solange die Vaterschaftsanerkennung nach § 1598 BGB wirksam sei, erkenne sie das Zivilrecht losgelöst von der Motivation an. Der gleiche Grundsatz müsse auch im Staatsangehörigkeitsrecht gelten. Ähnlich entschied auch das OVG Sachsen-Anhalt in einem Fall, in dem es um den Aufenthalt einer Ghanaerin ging, dessen Kind die deutsche Staatsangehörigkeit infolge der Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Mannes erhalten hat.117 Es war der Ansicht, dass der ausländischen Mutter die aus einer (missbräuchlichen) Vaterschaftsanerkennung resultierenden Rechtsfolgen nicht versagt werden dürften. Staatsangehörigkeits- bzw. ausländerrechtliche Rechtsfolgen oder die zivilrechtliche Beischreibung dürften nur dann verweigert werden, wenn die Vaterschaftsanerkennung unwirksam sei. Lägen alle Wirksamkeitsvoraussetzungen gemäß § 1598 Abs. 1 BGB vor, könne eine Vaterschaft nur im Wege der Anfechtung beseitigt werden.118 Der Vaterschaftsanerkennung die ihr gesetzlich zugewiesene Wirkung im Rechtsverkehr zu versagen, bevor das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt sei, sei nicht gerechtfertigt.119 „Angesichts der zivilrechtlichen Rechtslage können auch die Verwaltungsgerichte das Berufen auf eine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB – seien Zweifel daran auch noch so berechtigt – nicht als rechtsmissbräuchlich ansehen und sie für unbeachtlich halten“.120 b) Fazit Auf den ersten Blick mag die oben dargestellte Rechtsprechung bezogen auf die Gewährung von Aufenthalt für die von der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung profitierende Partei uneinheitlich erscheinen. Bei genauer Betrachtung hingegen kristallisiert sich eine einheitliche Linie heraus: Die unterschiedlichen Entscheidungen beruhen auf den unterschiedlichen Fallgestaltungen. Um dem nach Deutschland nachziehenden Familienmitglied einen Aufenthalt in Deutschland gewähren zu können, muss ein gewisser Kontakt in 115

VG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.2004 – 1 E 758/04 (3) = StAZ 2003, 237 (238). VGH Kassel, Beschl. v. 5.7.2005 – 9 ZU 364/05 = StAZ 2006, 237. 117 OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56 118 OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, (58 f.). 119 OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, (59). 120 OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, (60). 116

ff. 56 56 56

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Form einer familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem in Deutschland Lebenden und dem Nachziehenden bestehen (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Der ausländischen Mutter, die ihrem deutschen Kind nachzieht, fällt es nicht schwer, diesen Kontakt nachzuweisen, so dass ihr die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden muss. Dies sind dementsprechend auch die überwiegenden Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen.121 Soll hingegen dem Kind und davon abgeleitet der Mutter ein Aufenthaltsrecht erteilt werden, weil das ausländische Kind dem ausländischen anerkennenden Mann nach Deutschland nachreisen will, so muss zunächst eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem anerkennenden Mann und dem Kind nachgewiesen werden. Dies wird den Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung in der Regel nicht gelingen. Gleiches gilt für den Fall, in dem der ausländische anerkennende Mann dem deutschen Kind nach Deutschland nachreisen will. Sobald der Kontakt nicht nachgewiesen werden kann, ist die Aufenthaltserlaubnis nicht zu erteilen. Richtig stellt Renner fest, dass nicht die Verwandtschaft ein Aufenthaltsrecht vermittelt, sondern allein die familiäre Lebensgemeinschaft.122 Lediglich das OVG Sachsen-Anhalt sah die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen einem vietnamesischen Vater und einem deutschen Kind als erwiesen an. Dieser Entscheidung lag allerdings der Umstand zugrund, dass eine diesbezüglich bestehende eidesstattliche Versicherung der Mutter vorlag.123 Von dieser einheitlichen Rechtsprechung wich nur das OVG Baden-Württemberg ab.124 Zwar ging es bei der Entscheidung um die Frage der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für das ausländische Kind, das dem ausländischen Mann nachreisen wollte, doch wurde diese nicht mit der Begründung abgelehnt, es bestehe keine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Kind. Vielmehr stellte das Gericht fest, dass es auf die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis gegeben sind, nicht ankomme, weil den Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nie aufenthaltsrechtliche Vorteile zu gewähren seien.125 Diese Entscheidung vom 3. März 2005 fand allerdings in der folgenden Rechtsprechung keine Zustimmung.126 121 122 123 124

Siehe oben viertes Kapitel, S. 107 ff. Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG AufenthG, Rn. 21. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25.8.2006 – 2 M 228/06 = juris, Rn. 23. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.3.2005 – 13 S 3035/04 = StAZ 2005,

264 f. 125

VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.3.2005 – 13 S 3035/04 = juris, Rn. 4. So heißt es in einer Entscheidung des OVG Hamburg, Beschluss v. 24.10.2008 – 5 Bs 196/08 = juris, Rn. 13: „Etwaige Überlegungen, ausländerrechtliche Folgen bei bewusst wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennungen ausschließen zu wollen (Verweis auf Urteil VGH Baden-Württemberg), sind jedenfalls seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.3.2008 [. . .] mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit geschaffen, um gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zum Zweck der Erlan126

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Im Ergebnis konnten die Ausländerbehörden dem ausländischen Beteiligten der Vaterschaftsanerkennung die aufenthaltsrechtlichen Folgen nicht allein mit der Begründung verweigern, es handele sich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung. Die Gewährung von Aufenthalt konnte nach der Rechtslage bis zum 27. August 2007 nur dann versagt werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht gegeben waren, das heißt wenn zwischen dem nachziehenden Familienmitglied und dem in Deutschland Lebenden keine familiäre Beziehung im Sinne des § 27 Abs. 1 AufenthG bestand. 2. Rechtslage seit dem 28. August 2007 Am 28. August 2007 ist das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (Richtlinienumsetzungsgesetz) in Kraft getreten.127 In diesem Zusammenhang wurde § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG eingeführt, wonach der Familiennachzug gemäß §§ 27–36 AufenthG nicht zugelassen wird, wenn feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise ins und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.128 Hiermit sollte ein Ausschlussgrund für den Familiennachzug im Falle einer Zweckehe und Zweckadoption geschaffen werden.129 Auch in Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung wird ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kind und Mann im Wege der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1592 Nr. 2 BGB rein formal geschaffen, um entweder dem Kind und/oder der Mutter oder dem Mann einen Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Es kann daher darüber nachgedacht werden, ob bei offensichtlich missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs für den von der Vaterschaftsanerkennung profitierenden Ausländer gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG zu versagen ist. Am 6. März 2008 erging die erste Gerichtsentscheidung zu dieser Frage. Das OVG Rheinland-Pfalz lehnte einen Anspruch einer ghanaischen Mutter auf Familiennachzug zu ihrem deutschen Kind trotz Bestehens der Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG ab.130 Es stellte fest, dass „selbst eine bewusst gung z. B. von Aufenthaltstiteln einschreiten zu können [. . .]. Die durch die Vaterschaftsanerkennung begründete Vaterschaft (§ 1592 Nr. 2 BGB) gilt erst dann nicht mehr, wenn aufgrund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt wird, dass der Anerkennende nicht der Vater des Kindes ist (§ 1599 Abs. 1 BGB).“. 127 BGBl. I 2007, S. 1970; Gesetzentwurf der Bundesregierung: BT-Drucks. 16/5065. 128 Mit § 27 Abs. 1a AufenthG wurde unter anderem die Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.9.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (Familiennachzugsrichtlinie – ABl. EU Nr. L 251 S. 12) umgesetzt. 129 BT-Drucks. 16/5065, S. 170. 130 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.3.2008 – 7 A 11276/07 = juris = DÖV 2009, 42; die Beschwerde der ausländischen Mutter des deutschen Kindes gegen die Nichtzulas-

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wahrheitswidrige, in rechtsmissbräuchlicher Absicht erfolgte Vaterschaftsanerkennung auch staatsangehörigkeitsrechtlich als wirksam anzusehen [. . .] ist, [. . .] die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen indes nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen ist“.131 Das Verwaltungsgericht Lüneburg entschied konträr. Es bejahte einen Anspruch einer vietnamesischen Mutter auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem deutschen Kind am 4. April 2008.132 Das Gericht nahm an, § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG gelte nur für die „Scheinehe“ und „Scheinadoption“ und nicht für missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen.133 Beiden Entscheidungen ist nicht in vollem Umfang zuzustimmen. § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ergänzt die Vorschriften zum Familiennachzug im Aufenthaltsrecht (§§ 27–36 AufenthG). Diese Vorschriften beziehen sich immer auf das Verhältnis zwischen dem Nachziehenden und dem deutschen Staatsbürger oder auf das Verhältnis zwischen dem Nachziehenden und dem in Deutschland mit gesichertem Aufenthalt sich Befindenden. Abzulehnen ist daher die Ansicht des OVG Rheinland-Pfalz, das die begehrte Aufenthaltserlaubnis der Mutter mit der Begründung verweigerte, das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Kind und dem Mann wurde rechtsmissbräuchlich begründet. Auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Mann und Kind kommt es bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis der Mutter nämlich nicht an, sondern nur auf das Verwandtschaftsverhältnis Mutter-Kind. Letzteres wurde allerdings nicht missbräuchlich begründet. Es war somit verfehlt, der Mutter die Aufenthaltserlaubnis unter Berufung auf § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG zu versagen. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg hingegen ist insofern nicht zuzustimmen, als dass nicht pauschal gesagt werden kann, § 27 Abs. 1a sung der Revision wurde zurückgewiesen: BVerwG, Beschl. v. 11.7.2008 – 1 B 8/08, 1 B 8/08 (1 PKH 6/08) = juris; der Ansicht des OVG Rheinland-Pfalz folgend VG Oldenburg, Urt. v. 16.4.2008 – 11 A 3178/06 = juris, Rn. 24; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.5.2008 – 3 N 246.06 = juris, Rn. 18 = NVwZ-RR 2008, 826 ff.; VG Oldenburg, Urt. v. 22.04.2009 = 11 A 389/08 = juris, Rn. 27. 131 OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.3.2008 – 7 A 11276/07 = juris, Rn. 27 f.; auf das dieser Entscheidung vorgehende Urteil des VG Koblenz v. 25.6.2007 – 3 K 35/07.KO = juris, ist das OVG Rheinland-Pfalz nicht eingegangen. Das Verwaltungsgericht lehnte vor Erlass des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für die Mutter lediglich mit der Begründung ab, der Aufenthaltserlaubnis stehe der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Antragstellerin entgegen. 132 VG Lüneburg, Urt. v. 4.4.2008 – 1 A 203/06 = juris. 133 Auf § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist das Gericht nicht eingegangen. Es vertrat allerdings die Ansicht, dass Art. 16 Abs. 2b der Familienzusammenführungsrichtlinie, die § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG voraus ging, nur für die Fälle der „Scheinehe“, „Scheinadoption“ und „Scheinlebenspartnerschaft“ gelte: VG Lüneburg, Urt. v. 4.4. 2008 – 1 A 203/06 = juris, Rn. 18. Dieser Ansicht sind auch Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 27, Rn. 16 ff.; HK-AuslR/Müller, § 27, Rn. 19 und Huber/GöbelZimmermann, Ausländer- und Asylrecht, Rn. 710.

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Nr. 1 AufenthG gelte nur für die „Scheinehe“ und „Scheinadoption“. Zwar ist durchaus richtig, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG lediglich die Fälle der Zweckehe und -adoption vor Augen hatte und nicht die der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung.134 Solch eine enge Auslegung des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift allerdings nicht entnehmen. In § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG heißt es „die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis“ und nicht „die Ehe oder die Adoption“. Richtigerweise muss daher angenommen werden, dass die Aufenthaltserlaubnis auch dann zu versagen ist, wenn das Verwandtschaftsverhältnis im Wege der Vaterschaftsanerkennung ausschließlich zum Zwecke des Familiennachzugs begründet wurde.135 Dies bestätigen auch die vom BMI herausgegebenen Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz. Dort heißt es: „Auf ein durch missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung begründetes Kindschaftsverhältnis ist § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ebenfalls anwendbar.“136 Im Ergebnis kann § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG zu einer Versagung der Aufenthaltserlaubnis bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung führen, wenn für die Ausländerbehörde feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Nachziehenden und demjenigen, der die deutsche Staatsbürgerschaft bzw. das gesicherte Aufenthaltsrecht in Deutschland hat, allein aus Aufenthaltsgründen geschaffen wurde. Konkret sind damit die Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung betroffen, in denen das ausländische Kind dem Mann nach Deutschland nachreist (§§ 32, 29 AufenthG bzw. §§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG) oder in dem der ausländische Mann dem Kind nachreist (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 4 AufenthG bzw. §§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG). Die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Missbrauchskonstellation, in der das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erhält und die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG begehrt, muss von dem Verweigerungstatbestand des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG hingegen unberührt bleiben. Aber selbst wenn auch die Aufenthaltserlaubnis der Mutter nach § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG verweigert werden könnte, so würde dies den Missbrauch nicht begegnen können, denn in der Regel wird der Mutter eines deutschen Kindes eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG zu erteilen sein. Ihre Abschiebung wäre nämlich unter dem Aspekt des Art. 6 Abs. 1, Art. 2 GG unmöglich.137 134 Dies verdeutlicht BT-Drucks. 16/5065, S. 170, wobei im Zusammenhang mit § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG lediglich von der Zweckehe und Zweckadoption gesprochen wird. 135 So auch Breitkreutz/Franßen-de la Cerda/Hübner, ZAR 2007, 381 (381 f.). 136 Hinweise zu den wesentlichen Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz – AZ: PGZU-128 406/1), S. 46 f., Rn. 183. 137 Dies bestätigte das Urteil des OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 6.3.2008 – 7 A 11276/07 = juris.

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C. Strafbarkeit Fraglich ist, ob die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung strafrechtlich belangt werden können. I. Nach dem Strafgesetzbuch Zu denken wäre an eine Strafbarkeit wegen Personenstandsfälschung aus § 169 Abs. 1 Alt. 2 StGB. Dann müssten die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung falsche Angaben gegenüber einer zur Führung von Personenstandsbüchern oder zur Feststellung des Personenstands zuständigen Behörde bezogen auf den Personenstand eines anderen gemacht haben. In Betracht kommen Falschangaben gegenüber dem beurkundenden Standesbeamten hinsichtlich der biologischen Vaterschaft des anerkennenden Mannes. Für die Begründung einer rechtlich wirksamen Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB ist es allerdings unerheblich, ob der die Vaterschaft anerkennende Mann der biologische Kindesvater ist oder nicht.138 Unwirksam ist eine Vaterschaftsanerkennung nur unter den Voraussetzungen des § 1598 BGB. Vom Zivilrecht bewusst akzeptierte Vaterschaftsanerkennungen entgegen der biologischen Wahrheit dürfen wegen des abschließenden Charakters des § 1598 BGB139 und unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung140 im Strafrecht keinen Sanktionen unterliegen. Dies stellte auch das OLG Hamm am 20. November 2007 in einem Urteil fest. „Die nach alledem durch das Anerkenntnis wirksam begründete Vaterschaft [. . .] entfaltet ihre Rechtswirkungen aber nicht nur auf zivilrechtlicher Ebene; sie erstreckt sich vielmehr umfassend auf die gesamte deutsche Rechtsordnung. Deshalb haben auch die Strafgerichte die durch die Anerkennung entstandenen rechtlichen Auswirkungen der Vaterschaft als vorrangig zu respektieren“.141 Eine solche Wertung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, wonach § 1598 BGB den Rechtsgedanken des alten § 1600f Abs. 1 BGB a. F. enthalten sollte. Für diesen speziellen Unwirksamkeitsgrund war anerkannt, dass er auch eine Strafbarkeit nach § 169 StGB ausschloss.142 Eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch unberechtigte Inanspruchnahme sozialer Leistungen zum Nachteil des Staates nach § 263 StGB oder mittelbarer 138

Siehe hierzu oben zweites Kapitel, S. 27 f. Schönke/Schröder/Lenckner, § 169, Rn. 2, 7; MüKo/Wellenhofer, § 1594, Rn. 4; Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 11; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 644; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 III, Rn. 43; Muscheler, Familienrecht, Rn. 551. 140 BT-Drucks. V/2370, S. 30; Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 66 f.; Frank, Grenzen der Adoption, S. 106 f. 141 OLG Hamm, Urt. v. 20.11.2007 – 1 Ss 58/07 = juris, Rn. 17; dieser Ansicht folgend Kluth/Hund/Maaßen/Mosbacher, Zuwanderungsrecht, § 10, Rn. 30, Fn. 77. 142 BT-Drucks. 13/4891, S. 85. 139

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Falschbeurkundung nach § 271 StGB scheidet aus denselben Gründen aus. § 263 StGB kommt darüber hinaus auch deswegen nicht in Betracht, weil es an der Unmittelbarkeit zwischen Irrtum und Vermögensverfügung mangelt.143 Eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 Abs. 1 StGB) wird in der Regel allein schon mangels Leistungsfähigkeit des anerkennenden Mannes ausscheiden.144 Der Ansicht Siegfrieds, wonach die konsequente Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 170 StGB ausreicht, um missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen zu begegnen145, kann daher nicht gefolgt werden. II. Nach dem Aufenthaltsgesetz Eine Strafbarkeit bei missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung könnte sich allenfalls aus den Vorschriften des Aufenthaltsrechts ergeben. Nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ist strafbar, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel zu beschaffen oder einen so beschafften Aufenthaltstitel wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Täter kann sowohl ein Ausländer als auch ein Deutscher sein.146 Bezogen auf die so genannte „Scheinehe“ können unrichtige Angaben hinsichtlich der Absicht der Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft gemacht werden.147 Übertragen auf die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung könnten die Beteiligten aus § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar sein, weil sie vortäuschen, die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Herstellung oder Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft erhalten zu wollen. Würde man allein auf die Aussage der Beteiligten abstellen, dass der anerkennende Mann der biologische Kindesvater ist, würde eine Strafbarkeit aus § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG schon deswegen nicht in Betracht kommen, weil die biologische Abstammung nicht zu den Angaben gehört, die gemacht werden müssen.148 Darüber hinaus darf die biologische Vaterschaft im Aufenthaltsrecht nicht von Relevanz sein, wenn sie zur Begründung einer rechtlichen Vaterschaft im Zivilrecht irrelevant 143

Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 11. Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 12. 145 Siegfried, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 24; ders., Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 4. 146 Renner, Ausländerrecht, § 95 AufenthG, Rn. 24; Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 95, Rn. 30 weist darauf hin, dass der Wortlaut des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zwar eine Strafbarkeit eines Deutschen gebietet, ebenso aber auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe gemäß § 27 StGB in Betracht kommt. 147 Renner, Ausländerrecht, § 95 AufenthG, Rn. 24; HK-AuslR/Wingerter, § 95, Rn. 29. 148 So auch Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 11; der Bericht beruht allerdings auf § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG a. F., der die Vorgängernorm des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG war. 144

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

ist.149 Sofern die Beteiligten im Zusammenhang mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis behaupten, der Mann sei der Vater des Kindes, handelt es sich hierbei nicht um eine falsche Angabe, selbst wenn die Vaterschaftsanerkennung allein zu Aufenthaltszwecken vollzogen wurde.150 Anderer Ansicht ist das LG Düsseldorf.151 Es nahm an, dass gemäß § 81a Abs. 1 StPO eine körperliche Untersuchung an einem anerkannten Kind einer ausländischen Mutter durchgeführt werden darf, weil sich die Verfahrenserheblichkeit aus einer möglichen Strafbarkeit der Mutter gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ergebe.152 Die ausländische Mutter könne unrichtige Angaben vor dem die Vaterschaftsanerkennung beurkundenden Beamten im Jugendamt gemacht haben, indem sie ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung erteilte, obwohl sie wusste, dass der deutsche Mann nicht als biologischer Kindesvater in Betracht kommt. Hierbei verkennt das Gericht, dass sowohl die Anerkennungserklärung selbst als auch die Zustimmung reine Willenserklärungen ohne Wissenselement sind.153 Die Erklärenden nehmen vor dem Urkundsbeamten keine Stellung zur biologischen Vaterschaft des anerkennenden Mannes. Folglich können sie dazu auch keine falschen Angaben machen. Unabhängig davon verwundert, dass es ausreichen soll, falsche Angaben gegenüber dem die Vaterschaftsanerkennung beurkundenden Organ zu machen. Eine Strafbarkeit gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn die unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Zusammenhang mit der Erteilung des Aufenthaltstitels erfolgen.154 Aber selbst wenn auf die Aussagen hinsichtlich der familiären Lebensgemeinschaft abgestellt wird, so werden die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung selten aus § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG strafbar sein.155 In 149

OLG Hamm, Urt. v. 20.11.2007 – 1 Ss 58/07 = juris, Rn. 19. Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.11.2007 – 1 Ss 58/07 = juris, Rn. 19. „die vaterschaftsbegründende Wirkung der Anerkennung ist auch für die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Ausländerrechts verbindlich.“. 151 LG Düsseldorf, Beschl. v. 20.7.2007 – 1 Qs 51/07 = NJW 2008, 388 f.; ebenso Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 640. 152 LG Düsseldorf, Beschl. v. 20.7.2007 – 1 Qs 51/07 = NJW 2008, 388 (389). 153 Siehe hierzu oben zweites Kapitel, S. 21 f. 154 HK-AuslR/Wingerter, § 95, Rn. 27 weist darauf hin, dass relevant nur solche Tatsachen sind, die gegenüber der im Verfahren nach dem AufenthG zuständigen Behörde gemacht oder benutzt werden. Daher fallen zum Beispiel auch keine Angaben gegenüber dem Standesbeamten zum Zwecke der Herbeiführung einer „Scheinehe“ darunter; so auch Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 95, Rn. 28: „wobei das Eingehen einer sog. Scheinehe für sich allein nicht strafbar ist, sondern erst im Zusammenhang mit der Frage der Erlangung eines Aufenthaltstitels.“. 155 So im Ergebnis auch Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 11; das OLG Hamm lehnte in seinem Urt. v. 20.11.2007 – 1 Ss 58/07 = juris, Rn. 22 die Strafbarkeit des die Vaterschaft anerkennenden Mannes gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mit der Begründung ab, dass es bezogen auf die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung nicht auf die Begründung einer familiären Lebensgemeinschaft ankomme, was wiederum auch für die Strafvorschriften im Aufenthaltsrecht gelten muss. Hierbei ver150

§ 4 Vorgehen bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG

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den überwiegenden Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung erlangt nämlich das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit. Bei der Frage, ob die Mutter davon abgeleitet eine Aufenthaltserlaubnis erhalten kann, kommt es allein auf die Beziehung zwischen Mutter und Kind an.156 Es wird in der Regel eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen Mutter und Kind bestehen, so dass die Angaben diesbezüglich auch nicht falsch sind und eine Strafbarkeit aus § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ausgeschlossen ist.

D. Ergebnis Sowohl im Zivilrecht als auch im Öffentlichen Recht und Strafrecht wurde vor Inkrafttreten des VaAnfRErgG der Versuch unternommen, mit den bestehenden Vorschriften missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen bzw. den Eintritt ihrer aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen zu verhindern. I. Zusammenfassung Im Zivilrecht wurde bei dem die Erklärungen der Vaterschaftsanerkennung beurkundenden Organ und dem beischreibenden Standesbeamten und bei der Vaterschaftsanfechtung seitens des Kindes angesetzt. Im Öffentlichen Recht wurde über die Möglichkeit der Verweigerung der Ausstellung eines deutschen Passes für das anerkannte Kind sowie über die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis für die von der Vaterschaftsanerkennung profitierende Partei nachgedacht. Im Strafrecht wurde eine Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch und dem Aufenthaltsgesetz wegen Falschangaben herangezogen. Im Ergebnis wurden lediglich im Beurkundungsrecht und im Aufenthaltsrecht seit dem 28. August 2007 Mittel gefunden, mit denen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorgegangen werden konnte. kennt das OLG, dass es, anders als bei der Vaterschaftsanerkennung, bei Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs gerade auf das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft ankommt. Diesbezüglich können durchaus Falschangeben getätigt werden. 156 Anders LG Düsseldorf, Beschl. v. 20.7.2007 – 1 Qs 51/07 = NJW 2008, 388 (389): „die Aufenthaltserlaubnis darf nur für eine tatsächlich existente, dem Schutz des Art. 6 GG unterfallende Beistands- und Betreuungsgemeinschaft erteilt werden. Wird dieser Zweck im Zeitpunkt der Anerkenntnis- und Zustimmungserklärung von vornherein nicht verfolgt, wird eine familiäre Lebensgemeinschaft nicht angestrebt oder existiert eine solche nicht, handelt es sich unbeschadet der formellen Wirksamkeit um eine i. S. von § 95 II S. 2 AufenthG unrichtige Angabe.“ Das Gericht übersieht, dass es den Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung zugunsten der ausländischen Mutter selbst im Anerkennungszeitpunkt auf die Herstellung einer familiären Lebensgemeinschaft zu ihrem Kind ankommt. Ob zwischen Mann und Kind eine familiäre Lebensgemeinschaft angestrebt wird, ist für die Aufenthaltserlaubnis der Mutter gemäß § 28 AufenthG unerheblich.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Gemäß § 4 BeurkG konnte die Beurkundung verweigert werden, wenn für das Beurkundungsorgan eindeutig erkennbar war, dass eine Anerkennung der Vaterschaft bewusst wahrheitswidrig allein mit dem Ziel erfolgte, einer Partei zu einem günstigen aufenthaltsrechtlichen Status zu verhelfen. Besonders effektiv war diese Vorgehensweise allerdings nicht, denn bei Verweigerung der Beurkundung konnten die Beteiligten eine weitere beurkundende Stelle aufsuchen. Darüber hinaus musste eine Verweigerung dann nicht erfolgen, wenn das Beurkundungsorgan lediglich Zweifel an den rechtlichen Absichten der Parteien hatte. Eine vergleichbare Verweigerungsmöglichkeit für Standesbeamte fehlte gänzlich. Im Aufenthaltsrecht wurde zum 28. August 2007 der § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG eingeführt. Eine Ablehnung der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis muss gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG dann erfolgen, wenn das Verwandtschaftsverhältnis durch Vaterschaftsanerkennung zwischen dem Nachziehenden und dem in Deutschland rechtmäßig Aufenthalt Nehmenden allein zu Aufenthaltszwecken begründet wurde. Damit fällt die Fallgruppe, die in der Praxis das eigentliche Problem missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung darstellt, nicht darunter: Das Verwandtschaftsverhältnis Mutter-Kind wird bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nicht rechtsmissbräuchlich begründet. Daher kann die Aufenthaltserlaubnis einer ausländischen Mutter eines Kindes, das im Wege der Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hat, auch nicht unter Berufung auf § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG abgelehnt werden. II. Erforderlichkeit von Gesetzesänderungen? Dennoch ist fraglich, ob der Eingriff des Gesetzgebers erforderlich war. Das wäre dann nicht der Fall, wenn die Rechtslage vor dem 1. Juni 2008 ausreichende Handlungsmöglichkeiten geboten hätte, von denen der Staat lediglich keinen Gebrauch gemacht hat, oder wenn die Anfechtungsberechtigung des leiblichen Vaters dafür gesorgt hätte, dass missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen ihre ausländerrechtlichen Folgen wieder aberkannt wurden. 1. Entzug des Sorgerechts Ein denkbares Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen wäre der partielle Entzug des Sorgerechts der Mutter bezogen auf die Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1666 Abs. 1 BGB gewesen.157 Dies hätte die Erfor157 So der Vorschlag des OVG Sachsen-Anhalts, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = juris, Rn. 19; nicht speziell bezogen auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen, sondern als Mittel, um ein generelles Zustimmungsrecht des Kindes bei der Vaterschaftsanerkennung zu erreichen: Staudinger/Rauscher, § 1595, 22; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 537 ff.; a. A. Hager, FS Schwab 2005, 773 (778 f.): „Das Recht

§ 4 Vorgehen bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG

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derlichkeit der Zustimmung des Kindes gemäß § 1595 Abs. 2 BGB zur Folge gehabt, die nicht von der Mutter als gesetzliche Vertreterin hätte wahrgenommen werden dürfen, sondern von einem Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB). Ein Sorgerechtsentzug gemäß § 1666 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass das körperliche, geistige, seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet ist. Es wird vertreten, dass diese Voraussetzungen bei bewusst entgegen der biologischen Wahrheit erfolgten Vaterschaftsanerkennungen stets gegeben sind.158 Hierbei wird verkannt, dass es gerade bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen auch dem Wohl des Kindes entsprechen kann, durch die Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit und damit einen gesicherten Aufenthalt in Deutschland zu erhalten. Auch würde die Frage aufgeworfen, ob ein pränataler Sorgerechtsentzug überhaupt hätte vollzogen werden dürfen. Ein partieller Sorgerechtsentzug gemäß § 1666 Abs. 1 BGB, der zu einem Zustimmungserfordernis des Kindes geführt hätte, hätte missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen somit nicht ausreichend verhindern können. 2. Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters Der biologische Vater ficht die rechtliche Vaterschaft (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nicht im Interesse der Allgemeinheit an. Das bedeutet, dass er von seinem Anfechtungsrecht keinen Gebrauch macht, wenn er selbst kein Interesse daran hat, rechtlicher Kindesvater zu werden. So zum Beispiel, wenn er dankbar ist, unterhaltsrechtlich nicht in Anspruch genommen werden zu können159, oder wenn er mittelbar von dem Kind seine eigene Aufenthaltsrechtsberechtigung ableitet, weil er der rechtliche Vater der Geschwister des anerkannten Kindes ist160. Auch ist denkbar, dass der biologische Vater auf sein Anfechtungsrecht verzichtet, weil er seinem Kind ein besseres Leben in Deutschland wünscht oder, dass er gar keine Kenntnis von seiner Erzeugerstellung hat. Allein das Bestehen der Anfechtungsberechtigung des leiblichen Vaters kann daher das Problem missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen nicht lösen. 3. Ergebnis Der Entzug des Sorgerechts der Mutter (§ 1666 BGB) hinsichtlich der Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung hätte nicht dazu beitragen können, Vaterder Mutter, der Vaterschaftsanerkennung zuzustimmen [. . .], darf [. . .] auch nicht dadurch unterlaufen werden, dass man ihr das Sorgerecht entzieht.“. 158 Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 537–547. 159 Helms, StAZ 2007, 69 (79). 160 Der rechtliche Vater der Geschwister des anerkannten Kindes könnte sein Aufenthaltsrecht von §§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG ableiten.

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

schaftsanerkennungen allein zu aufenthalts- und/oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken in nennenswertem Maße zu verringern. Auch der leibliche Vater des Kindes wird bei missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung selten ein Interesse daran haben, die Statuszuordnung des Kindes zu beseitigen. Daher trägt auch seine Anfechtungsberechtigung nicht dazu bei, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen ihre ausländerrechtlichen Wirkungen rückwirkend zu entziehen. Im Ergebnis bot die alte Rechtslage demnach keine hinreichenden Mittel, mit denen Vaterschaftsanerkennungen allein zu aufenthalts- und/oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken hätten verhindert werden können. Für die Frage, ob daraus resultierend Gesetzesänderungen erforderlich waren, sind die Rechtsfolgen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen zu beachten. Diese sind viel weit reichender, als dass sie lediglich der profitierenden ausländischen Partei ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verschaffen. Oft ist das aus einer Vaterschaftsanerkennung resultierende Aufenthaltsrecht nur die Basis, um für andere Familienmitglieder einen Nachzug nach Deutschland zu ermöglichen.161 Erlangt zum Beispiel ein ausländisches Kind im Wege der Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG, erhält abgeleitet von der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes in der Regel auch die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG. Auf Grundlage ihrer Aufenthaltserlaubnis können weitere Familienmitglieder nach Deutschland nachziehen. So kann zum Beispiel weiteren Kindern der Mutter gemäß § 32 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden162, aus der sich wiederum eine Aufenthaltserlaubnis für den ausländischen Vater dieser Kinder gemäß §§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG ergeben kann. Letztlich kann durch eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung der Aufenthalt einer gesamten ausländischen Familie gesichert werden, die anderweitig ein solches Aufenthaltsrecht nicht hätte erlangen können.163 Aber auch die finanzielle Belastung für die öffentliche Hand als Folge von Vaterschaftsanerkennungen allein zu staatsangehörigkeits- oder aufenthaltsrechtlichen Zwecken ist nicht unwesentlich.164 Da der anerkennende Mann in der Regel nicht leistungsfähig sein wird, muss er auch nicht für Unterhaltszahlungen

161 So auch Granold (CDU/CSU), BT-Plenarprotokoll 16/79, 7976 (C); dies., BT-Plenarprotokoll 16/133, 14023 (C). 162 Vgl. BT-Drucks. 15/4028, S. 1. 163 Vgl. Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 4; so auch die Aussage einer Standesbeamtin in Berlin. 164 Vgl. BT-Drucks. 16/3291, S. 10 f.; BT-Drucks. 15/4028, S. 1; Bericht zur Evaluierung des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom Juli 2006, S. 115; Granold, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14023 (C); a. A. Stöcker-Zafari, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 2.

§ 4 Vorgehen bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG

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aufkommen.165 Das bedeutet, dass das ausländische Kind und gegebenenfalls auch die Mutter und die anderen Familienmitglieder, die der Mutter im Wege des Familiennachzugs nachreisen durften, auf staatliche Hilfe zurückgreifen können. Das Kind, das noch nicht das zwölfte Lebensjahr vollendet hat, hat einen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bzw. -ausfallleistung nach § 1 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG). Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr bereits vollendet oder gelangt das UVG aus anderen Gründen nicht (mehr) zur Anwendung, kann es neben seiner Mutter Sozialleistungen nach dem SGB XII erhalten.166 Gleiches gilt für den anerkennenden ausländischen Mann, der von der Vaterschaftsanerkennung profitiert. Darüber hinaus können die Beteiligten einen Anspruch auf Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) geltend machen, sofern ein solcher nicht schon von der Sozialleistung umfasst ist.167 Zusätzlich kann das anerkannte Kind zu gegebener Zeit in Deutschland studieren oder eine weiterführende Schule besuchen und hierfür eine Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhalten.168 Auch haben die Eltern einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKKG). Ferner ist bedenklich, dass die Vermittlung von Vaterschaftsanerkennungen zu Aufenthaltszwecken inzwischen kriminell organisiert ist. Einem solchen Vorgehen muss die Existenzgrundlage entzogen werden.169 Aus den oben genannten Gründen und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen in der Praxis gerade nicht nur vereinzelt auftreten, resultierte die Erforderlichkeit von Gesetzesänderungen.170 Richtigerweise stellte das OVG Sachsen-Anhalt fest: „Abhilfe kann nur der Gesetzgeber schaffen.“171 165 BT-Drucks. 16/3291, S. 1; BT-Drucks. 15/4028, S. 1; Granold, zu Protokoll gegebene Rede in BT-Plenarprotokoll 16/79, 7976 (C); Hartenbach, zu Protokoll gegebene Rede in BT-Plenarprotokoll 16/79, 7981 (B); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 660 f. 166 Siehe Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 660 ff. explizit zu den einzelnen Leistungen nach dem SGB XII, die den von einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung Profitierenden gewährt werden könnten. 167 § 1 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 WoGG sieht vor, dass ein Anspruch auf Wohngeld dann ausgeschlossen ist, wenn der Anspruchsteller Sozialleistungen nach dem SGB XII erhält und bei deren Berechnung die Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden sind. 168 Siehe § 2 BAföG zu weiteren Ausbildungsstätten, bei dessen Besuch das Kind Ausbildungsförderung erhalten kann. 169 So auch Granold, zu Protokoll gegebene Rede im BT-Plenarprotokoll 16/79, 7976 (C). 170 So auch der Bericht zur Evaluierung des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) des BMI vom 24.7.2006, S. 6, 116; im Ergebnis ebenso BT-Drucks. 16/3291, S. 9–11, der in seinem Abschnitt „Änderungsbedarf“ allerdings nicht direkt sagt, weswegen Änderungsbedarf besteht. 171 OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56 (60).

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

§ 5 Vaterschaftsanerkennung nicht als einziges Missbrauchsphänomen Die Vaterschaftsanerkennung ist im Familienrecht nicht das einzige Institut, das missbraucht wird, um Vorteile zu erlangen, die anderweitig nicht erreichbar sind. Auch die Ehe, die Lebenspartnerschaft und die Adoption werden als Mittel zur Gesetzesumgehung, meist ausländerrechtlicher Vorschriften, genutzt. Im folgenden Abschnitt werden die Begriffe „Scheinehe“, „Scheinlebenspartnerschaft“ und „Scheinadoption“ verwendet, ohne dass diskutiert wird, ob eine terminologische Verwendung in dem Zusammenhang angebracht ist.

A. Kurzer Einblick in die „Scheinehe“ Die Ehe ist die Verbindung eines Mannes und einer Frau zu einer vom Prinzip der gegenseitigen und umfassenden rechtlichen Verantwortung und Achtung gekennzeichneten Lebensgemeinschaft.172 Um eine „Scheinehe“ handelt es sich immer dann, wenn die Ehe allein zu anderen Zwecken als der Begründung einer Lebensgemeinschaft vollzogen wird.173 Eine „Scheinehe“ ist zum Beispiel die Ehe, die allein aufgrund eines Namens eingegangen wird (so genannte Namensehe), die Ehe allein aus steuerrechtlichen Gründen (aufgrund von Ehegattensplitting oder der Einsparung von Erbschaftssteuern) und die Ehe zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken (so genannte Aufenthaltsehe). Letztere ist die bekannteste und am häufigsten auftretende Konstellation der „Scheinehe“.174 Hierbei ist die von der Ehe profitierende ausländische Partei, so wie bei der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung, nicht europäischer Staatsbürger.175 Sie strebt die Erlangung eines Aufenthaltstitels nach den ausländerrechtlichen Vorschriften über den Familiennachzug zu Deutschen gemäß §§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG an. Dem ausländischen Ehegatten wird zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die sich in der Regel nach drei Jahren in eine Niederlassungserlaubnis wandelt (§ 28 Abs. 2 S. 1 AufenthG).176 Von dem Aufenthaltsrecht abgeleitet kann der ausländische Ehegatte gemäß § 9 StAG eingebürgert werden. Die begünstigenden Nachzugs-177 und Einbürgerungsvorschriften178 für den ausländi172 BVerfG, Urt. v. 29.7.1959 – 1 BvR 205, 332, 333, 367/58, 1 BvL 27, 100/58 = BVerfGE 10, 59 (66); BT-Drucks. 13/9416, S. 29; Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (83); Sachs/Schmitt-Kammler/von Coelln, Art. 6 GG, Rn. 4. 173 Weinreich/Klein/Pieper, § 1314, Rn. 33; Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (83); Spellenberg, StAZ 1987, 33 (33); Conring, S. 5; Lumpp, S. 22. 174 MüKo/Müller-Gindullis, § 1314, Rn. 31; Hepting/Gaaz/Gaaz, § 5 PStG, Rn. 50; Spellenberg, StAZ 1987, 33 (33). 175 Vgl. Conring, S. 50. 176 Siehe hierzu ausführlich HK-AuslR/Oberhäuser, § 28, Rn. 36 ff. 177 Renner, Ausländerrecht, § 9 StAG, Rn. 2; Spellenberg, StAZ 1987, 33 (43).

§ 5 Vaterschaftsanerkennung nicht als einziges Missbrauchsphänomen

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schen Ehegatten existieren aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG, der auch das Recht auf ein eheliches Zusammenleben umfasst.179 Fälle, in denen die Ehe allein aus dem Grund geschlossen wurde, einem der Eheleute einen aufenthaltsrechtlichen Titel zu verschaffen, traten vermehrt in den achtziger Jahren auf.180 Die Mitwirkung an solchen Eheschließungen sollen Standesbeamte als „objektiv unzumutbar und subjektiv belastend“181 empfunden haben, woraufhin sie anfingen, ihre Mitwirkung an der Eheschließung trotz mangelnder ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage bei evidentem Rechtsmissbrauch zu verweigern182. Es entbrannte eine Diskussion über die Frage, ob ein solches Verhalten der Standesbeamten zulässig war.183 Auch folgten etliche Gerichtsentscheidungen bis schließlich die überwiegende Rechtsprechung es den Standesbeamten im Falle einer offensichtlichen Aufenthaltsehe gestattete, ihre Mitwirkung an der Eheschließung zu verweigern.184 Obwohl die Standesbeamten von der Rechtsprechung zur Verweigerung der Eheschließung legitimiert wurden, wurde die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage laut.185 Daraufhin wurde am 1. Juli 1998 im Wege des Eheschließungsrechtsgesetzes (EheSchlRG)186, das zusammen mit der Kindschaftsrechtsreform in Kraft trat, die §§ 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2, 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB, § 5 Abs. 4 PStG a. F. (§ 13 Abs. 2 PStG n. F.187) eingeführt. Seit diesem Zeitpunkt sind Standesbeamte gemäß § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB verpflichtet, ihre Mitwirkung an der Eheschließung zu verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe gemäß § 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. § 1314 Abs. 2 BGB enthält mehrere Aufhebungsgründe. Einer von ihnen ist der der „Scheinehe“ (§ 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB). Hiernach ist eine Ehe aufhebbar, bei der sich die Ehegatten im Zeitpunkt 178

GK-StAR/Marx, § 9 StAG, Rn. 2 f.; Hailbronner/Renner/Maaßen, § 9 StAG,

Rn. 1. 179

Conring, S. 3; Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (83). Staudinger/Voppel, § 1314, Rn. 62; Eisfeld, AcP 201 (2001), 662 (662); Hepting, FamRZ 1998, 713 (719); Lumpp, S. 21. 181 BT-Drucks. 13/9416, S. 28; vgl. auch Lüderitz, FS Oehler 1985, 487 (493); Rauscher, Familienrecht, Rn. 159. 182 Staudinger/Voppel, § 1314, Rn. 62; Spellenberg, StAZ 1987, 33 (41); Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 22 ff. 183 Siehe hierzu Spellenberg, StAZ 1987, 33 (37); Eisfeld, AcP 201 (2001), 662 (662). 184 OLG Celle, Beschl. v. 18.2.1982 – 18 W 2/82 = StAZ 1982, 308; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.10.1982 – 4 W 28/82 = FamRZ 1982, 1210 ff.; OLG Hamburg, Beschl. v. 25.11.1982 – 2 W 25/82 = FamRZ 1983, 64 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 5.7.1983 – 8 W 230/83 = StAZ 1984, 99. 185 BT-Drucks. 13/4898, S. 32 zu Nr. 9. 186 BGBl. I 1998, S. 833. 187 § 13 Abs. 2 PStG wurde mit Inkrafttreten des Personenstandsrechtsreformgesetz am 19.2.2007 eingeführt. 180

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

der Eheschließung darüber einig sind, keine eheliche Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 Abs. 1 BGB begründen zu wollen.188 Dem Wortlaut des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB ist nicht zu entnehmen, welche Fälle der „Scheinehe“ von dem Aufhebungstatbestand erfasst sein sollen. Der Wortlaut würde dafür sprechen, alle Fälle der „Scheinehe“ unter den Tatbestand zu subsumieren. Ob eine solche Wortlautinterpretation mit dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmt, wird bezweifelt.189 Es wird vertreten, dass § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB in der Hinsicht teleologisch reduziert werden müsse, dass nur der Fall der Aufenthaltsehe von der Norm erfasst werde190 bzw. dass die Norm zumindest eng auszulegen sei191. Andere Autoren sind der Ansicht, die Vorschrift des § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB sei insgesamt, unter anderem aufgrund ihrer Unbestimmtheit, verfassungswidrig.192 Unbestritten ist zumindest, dass der Aufhebungstatbestand die Aufenthaltsehe umfasst193, zumal diese der Anlass für die Einführung der Regelung war194. Demnach muss der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern, sofern für ihn offenkundig ist, dass die Ehe allein aus Aufenthaltsgründen vollzogen werden soll (§ 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB). Ist die „Scheinehe“ nicht offenkundig, liegen allerdings konkrete Anhaltspunkte für eine solche vor, muss der Standesbeamte Nachforschungen gemäß § 13 Abs. 2 PStG n. F. betreiben.195 Er kann die Verlobten gemeinsam oder getrennt voneinander befragen, ihnen die Beibringung von Nachweisen auferlegen oder notfalls eine Versicherung an Eides statt verlangen, um die Eheschließenden unter den Druck der Strafandrohung des § 156 StGB zu stellen.196 Nur wenn sich die Anhaltspunkte 188 Sobald ein Ehegatte die Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft anstrebt, liegt § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB schon nicht vor: OLG Zweibrücken, Urt. v. 17.6.2005 – 2 UF 230/04 = FamRZ 2006, 1201 (1202); Hepting/Gaaz/Gaaz, § 5 PStG, Rn. 48; Rauscher, Familienrecht, Rn. 160. 189 Siehe zu dem Streit Hepting/Gaaz/Gaaz, § 5 PStG, Rn. 50; Staudinger/Voppel, § 1314, Rn. 67; Eisfeld, AcP 201 (2001), 662 (678 ff.); Rauscher, Familienrecht, Rn. 161. 190 Hepting, FamRZ 1998, 713 (722). 191 Palandt/Brudermüller, § 1314, Rn. 14; a. A. Wolf, FamRZ 1998, 1477 (1482). 192 Eisfeld, AcP 201 (2001), 662 (673 ff.). 193 Weinreich/Klein/Pieper, § 1314, Rn. 34; MüKo/Müller-Gindullis, § 1310, Rn. 14; Staudinger/Voppel, § 1314, Rn. 69; Rauscher, Familienrecht, Rn. 160. 194 Dies lässt sich BT-Drucks. 13/9416, S. 28, 30 entnehmen. 195 MüKo/Müller-Gindullis, § 1310, Rn. 16, 19; Gaaz/Bornhofen, § 13 PStG, Rn. 19: Konkrete Anhaltspunkte liegen unter anderem dann vor, wenn die Verlobten sich nicht in einer Sprache verständigen können, der Altersunterschied sehr hoch ist oder der Ausländer kein gesichertes Aufenthaltsrecht besitzt. Obwohl der Wortlaut des § 13 Abs. 2 PStG so gefasst ist, dass der Standesbeamte Nachforschungen betreiben „kann“, ist er zu solchen verpflichtet. Ihm bleibt nur überlassen, welche Nachforschungsmittel er heranzieht. Gaaz/Bornhofen, § 13 PStG, Rn. 20; Hepting/Gaaz/Gaaz, § 5 PStG, Rn. 56 weist auf die gebotene Rücksichtnahme des Standesbeamten bei den Nachforschungen aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Eheschließungsfreiheit hin. 196 Gaaz/Bornhofen, § 13 PStG, Rn. 23.

§ 5 Vaterschaftsanerkennung nicht als einziges Missbrauchsphänomen

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für eine „Scheinehe“ aufgrund der Nachforschungen bis zur Offenkundigkeit hin verdichtet haben, ist der Standesbeamte verpflichtet, die Eheschließung gemäß § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB zu verweigern. Verbleibt es bei einem Verdacht, so muss die Eheschließung erfolgen.197 Hat der Standesbeamte die Eheschließung vollzogen und stellt sich anschließend heraus, dass es sich doch um eine Aufenthaltsehe handelt, kann die Ehe im Nachhinein aufgehoben werden (§ 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB). Antragsberechtigt ist neben den Ehegatten die zuständige Verwaltungsbehörde (§ 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Eine Antragsfrist existiert nicht. Die Aufhebung ist allerdings dann nicht mehr möglich, wenn die Eheleute entgegen ihrem ursprünglichen Willen bei der Eheschließung später in einer ehelichen Lebensgemeinschaft gelebt haben (§ 1315 Abs. 1 Nr. 5 BGB). Wurde die Ehe geschlossen und nicht aufgehoben, zweifelt aber die Ausländerbehörde an dem Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG, kann eine behördliche Prüfung des Vorliegens einer „Scheinehe“ bei triftigem Anlass erfolgen198, denn „das Recht eines verheirateten Ausländers auf Zuzug und Aufenthalt in Deutschland setzt nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe voraus, sondern auch die Verwirklichung des Willens der Ehegatten, eine Art. 6 Abs. 1 GG entsprechende eheliche Lebensgemeinschaft zu führen.“199. Anhaltspunkte außerhalb der Intimsphäre, die Aufschluss über ein Zusammenleben in einer ehelichen Lebensgemeinschaft geben können, können ohne Bedenken geprüft werden.200 Seit dem 28. August 2007 existiert mit § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ein gesetzlich normiertes Verweigerungsrecht.201 Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an einen Ehegatten gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kann seitdem abgelehnt werden, wenn feststeht, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.202

197

Gaaz/Bornhofen, § 13 PStG, Rn. 24. VG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.2004 – 1 E 758/04 (3) = StAZ 2005, 237 (238); VGH Kassel, Beschl. v. 21.3.2000 – 12 TG 2545/99 = NVwZ-RR 2000, 639 (640); das OVG Hamburg nahm in seinem Beschl. v. 21.3.2007 – 3 Bs 396/05 = StAZ 2008, 15 (15) an, dass es gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Eheleute verstößt, wenn die Ausländerbehörde eine private Detektei unter anderem damit beauftragt, an dem PKW eines Ehegatten einen GPS-Peilsender anzubringen; siehe ausführlich zu der Frage, welche Datenerhebung bei einem Verdacht einer „Scheinehe“ zulässig ist: GKAufenthG/Marx, § 27, Rn. 172 ff.; Weichert, NVwZ 1997, 1053–1057. 199 VG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.2004 – 1 E 758/04 (3) = StAZ 2005, 237 (238); so auch Kluth/Hund/Maaßen/Maor, Zuwanderungsrecht, § 4, Rn. 786 ff. 200 VG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.2004 – 1 E 758/04 (3) = StAZ 2005, 237 (238); VGH Kassel, Beschl. v. 21.3.2000 – 12 TG 2545/99 = NVwZ-RR 2000, 639 (640); Kluth/Hund/Maaßen/Maor, Zuwanderungsrecht, § 4, Rn. 791. 201 Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 121 ff. 202 Siehe zu § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG n. F. ausführlich Kluth/Hund/Maaßen/ Maor, Zuwanderungsrecht, § 4, Rn. 790 ff. 198

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

Berichten von Standesbeamten zufolge ist die „Scheinehenproblematik“ trotz allem noch nicht gänzlich aus der Welt geschafft. Inzwischen scheinen sich die Parteien einer Aufenthaltsehe gut auf etwaige getrennte Befragungstermine und ähnliche Nachforschungsmöglichkeiten durch die Standesbeamten und die Ausländerbehörde einzustellen.203

B. Kurzer Einblick in die „Scheinlebenspartnerschaft“ Seit dem 1. August 2001 können gleichgeschlechtliche Partner eine eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) begründen.204 Nach allgemeiner Auffassung gehört die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht zu den nach Art. 6 GG geschützten Lebensgemeinschaften.205 Da sie allerdings unter dem Schutz des Art. 8 EMRK steht206, verleiht der Gesetzgeber einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft weitgehend dieselbe Wirkung wie der Ehe.207 Dies führt dazu, dass ein nichteuropäischer, ausländischer Lebenspartner gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zunächst eine Aufenthalts- und später eine Niederlassungserlaubnis erhalten kann, wenn der deutsche Lebenspartner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Darüber hinaus kann der ausländische Lebenspartner unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 9 StAG eingebürgert werden. Diese ausländerrechtlichen Privilegien führen wie bei der „Scheinehe“ dazu, dass die Lebenspartnerschaft allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken missbraucht werden kann und auch wird. Um so genannte „Scheinlebenspartnerschaften“, Lebenspartnerschaften, bei denen eine echte Lebens- und Solidargemeinschaft nicht gewollt ist208, zu verhindern, wurde § 1 Abs. 3 Nr. 4 LPartG eingeführt. Hiernach kann die Lebenspartnerschaft dann nicht wirksam entstehen, wenn die Lebenspartner sich darüber einig sind, keine Verpflichtungen gemäß § 2 LPartG begründen zu wollen. § 2 LPartG besagt, dass die eingetragenen Lebenspartner einander zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet sind. Hauptsächlich tritt eine „Scheinlebenspartnerschaft“ im Zusammenhang mit aufenthaltsrechtlichen Zwecken auf.209 Ist die „Scheinlebenspartnerschaft“ einmal 203 Finger, FuR 2007, 341 (341, 342) ist der Ansicht, dass die Standesbeamten leicht zu täuschen sind. 204 Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften (BGBl. I 2001, 266); Begründung des Gesetzentwurfs: BT-Drucks. 14/3751. 205 BVerfG, Urt. v. 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01 = BVerfGE, 105, 313 (342); Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG, Rn. 26; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, S. 485. 206 Art. 8 Abs. 1 EMRK besagt: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihre Privatund Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.“. 207 Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG, Rn. 26. 208 Bruns/Kemper/Kemper, § 1 LPartG, Rn. 15. 209 Bruns/Kemper/Kemper, § 1 LPartG, Rn. 15.

§ 5 Vaterschaftsanerkennung nicht als einziges Missbrauchsphänomen

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unwirksam, kann sie nicht wieder geheilt werden. Ein Heilungsgrund wie bei § 1315 BGB sieht das LPartG nicht vor, so dass ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Nr. 4 LPartG, selbst bei späterer Begründung einer Lebensgemeinschaft im Sinne des § 2 LPartG, immer zur Nichtigkeit führt. Kemper ist der Ansicht, dass es in einem solchen Fall allerdings rechtsmissbräuchlich wäre, sich auf § 1 Abs. 2 Nr. 4 LPartG zu berufen.210 Ist die Lebenspartnerschaft nicht unwirksam, kann die Ausländerbehörde gleichwohl die aufenthaltsrechtlichen Folgen einer eingetragenen Lebensgemeinschaft verweigern, wenn eine lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft nicht geführt wird.211 Das gesetzlich normierte Ablehnungsrecht gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG findet auch auf die „Scheinlebenspartnerschaft“ Anwendung (§ 27 Abs. 2 AufenthG). Nach Ansicht einer Standesbeamtin in Berlin werden die Fälle der „Scheinlebenspartnerschaft“ im Vergleich zu denen der „Scheinehe“ immer beliebter. Das hat zwei Ursachen: Zum einen sehen die gesetzlichen Vorschriften im LPartG keine mit § 1310 BGB vergleichbare Verweigerungsmöglichkeit für den Standesbeamten vor, obwohl die Forderung nach Einführung einer solchen seitens der Literatur bereits besteht212. Zum anderen kann die Lebenspartnerschaft auch nicht später aufgehoben werden. Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 2 S. 2 LPartG, wonach das Gericht die Lebenspartnerschaft aufheben kann, wenn bei dem antragstellenden Lebenspartner ein Willensmangel im Sinne des § 1314 Abs. 2 Nr. 1–4 BGB vorlag. Auf § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB, der die Aufhebung der „Scheinehe“ regelt, wird gerade nicht verwiesen, so dass die „Scheinlebenspartnerschaft“ nicht aufgehoben werden kann.213 Ferner bleiben die Rechte und Pflichten für die Führung einer Lebensgemeinschaft im Sinne des § 2 LPartG hinter denen einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1353 Abs. 1 BGB zurück. Das bedeutet, dass an eine gelebte Lebensgemeinschaft, die die Erteilung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zur Folge hat, geringere Anforderungen als an eine gelebte eheliche Lebensgemeinschaft gestellt werden.214

210

Bruns/Kemper/Kemper, § 1 LPartG, Rn. 17. GK-StAR/Marx, § 9 StAG, Rn. 48; Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG, Rn. 27. 212 Finger, FuR 2007, 341 (344). Palandt/Brudermüller, § 1 LPartG, Rn. 5 vertritt hingegen die Auffassung, dass entgegen der fehlenden Verweigerungsnorm, der Standesbeamte aufgrund der Gleichbehandlung mit der Ehe bei einem offensichtlichen Missbrauchsfall seine Mitwirkung bereits jetzt verweigern muss. 213 Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (84); Lipp/Röthel/Windel, S. 17. 214 Erman/Kaiser, § 2 LPartG, Rn. 1; Palandt/Brüdermüller, § 2 LPartG, Rn. 2; Kaiser, JZ 2001, 617 (618 f.); Finger, FuR 2007, 341 (344). 211

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

C. Kurzer Einblick in die „Scheinadoption“ Auch die Adoption begründet eine Verwandtschaftsbeziehung zwischen Annehmendem und Adoptivkind (§§ 1754, 1770 BGB). Sie steht daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG.215 Aus der Verwandtschaftsbeziehung resultieren unterschiedliche Rechtsfolgen, unter anderem ausländer-, steuer- und erbrechtlicher Art. Ist einziges Ziel der Adoption die Erreichung einer solchen Rechtsfolge und besteht keinerlei Interesse an dem Aufbau einer Eltern-Kind-Beziehung, handelt es sich um eine „Scheinadoption“.216 Die Fälle der „Scheinadoption“ allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken dürften sich mit der aufgekommenen Möglichkeit, die Vaterschaftsanerkennung zu missbrauchen – zumindest bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG – minimiert haben. Das hat zwei Gründe: Zum einen unterliegen die erforderlichen Voraussetzungen einer Adoption, anders als die der Vaterschaftsanerkennung, nicht der unbeschränkten Privatautonomie der Beteiligten.217 Die Annahme des Kindes muss auf Antrag beim Familiengericht erfolgen, das die Annahme nach Prüfung der Voraussetzungen ausspricht (§ 1752 BGB). Das Familiengericht prüft unter anderem, ob die Adoption dem Wohl des Kindes entspricht und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (§ 1741 BGB). Entscheidend abgestellt wird hierbei auf den Willen der Beteiligten. Nach Ansicht von Lüderitz werden Ausländer gerade aus nah- und fernöstlichen Vertreibungsländern die Hürde selten nehmen, das Gericht von einem zu erwartenden ElternKind-Verhältnis zu überzeugen, da die Beziehung nur kurz sein wird und „je kürzer die Beziehung, je unterschiedlicher die bisherige Lebensgestaltung, umso unbedingter muss der auf absolute gegenseitige Hilfe gerichtete Wille, ein ElternKind-Verhältnis zu begründen, sein.“218 Handelt es sich allein um eine Adoption zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken, so wird es den Beteiligten schwer fallen, das Familiengericht von ihrem Willen, eine Eltern-Kind-Beziehung aufzubauen, zu überzeugen. Bei einer Vaterschaftsanerkennung erforscht keine öffentliche Stelle den Willen der Beteiligten nach einer Vater-Kind-Beziehung. Aus welchen Gründen die Vaterschaftsanerkennung erfolgt, ist irrelevant. Darüber hinaus prüft das Familiengericht bei einer Annahme eines Volljährigen, ob die Annahme sittlich gerechtfertigt ist (§ 1767 Abs. 1 Hs. 1 BGB). Sittlich gerechtfertigt ist die Annahme dann, wenn zwischen dem Annehmenden und

215 BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84 = BVerfGE 80, 81 (90); Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, S. 530; Lüderitz, FS Oehler 1985, 487 (496). 216 Siehe ausführlich zum Problem der „Scheinadoption“ Kretschmer, S. 144–162. 217 Siehe hierzu oben zweites Kapitel, S. 31 ff. 218 Lüderitz, FS Oehler 1985, 487 (495).

§ 5 Vaterschaftsanerkennung nicht als einziges Missbrauchsphänomen

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dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits besteht (§ 1767 Abs. 1 Hs. 2 BGB). Bei einer missbräuchlichen Adoption allein zu Aufenthaltszwecken wird dieses Verhältnis nie bestehen und auch nicht nachzuweisen sein. Liegt kein Fall von § 1767 Abs. 1 Hs. 2 BGB vor, muss die Annahme einen familienbezogenen Zweck erkennen lassen.219 Nicht familienbezogene, insbesondere wirtschaftliche Gründe oder das Anliegen, eine Ausweisung zu verhindern, stellen keine sittliche Rechtfertigung der Adoption dar.220 Das Familiengericht hat diese Tatbestandsvoraussetzungen der Adoption mit besonderer Sorgfalt zu prüfen.221 Deshalb dürfte ein Institutionenmissbrauch der Adoption selten möglich sein.222 Zum anderen bleiben die ausländerrechtlichen Rechtsfolgen, die an eine Adoption geknüpft sind, weit hinter denen einer Vaterschaftsanerkennung zurück. Wird ein minderjähriges, ausländisches Kind adoptiert, erhält dieses zwar die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß §§ 6, 3 Nr. 3 StAG. Da das Kind durch die Adoption die Verwandtschaftsbeziehung zu seinen bisherigen Verwandten verliert und damit verbunden auch alle Rechte und Pflichten aus der Beziehung aufgehoben werden (§ 1755 Abs. 1 BGB), kann die leibliche Mutter allerdings kein Aufenthaltsrecht von der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes ableiten. Durch eine Minderjährigenadoption könnte somit allein ein Aufenthaltsrecht des Kindes gesichert werden. Anders liegt der Fall bei der Vaterschaftsanerkennung. Durch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes, erhält in der Regel auch die ausländische Mutter ein Aufenthaltsrecht.223 Wird ein volljähriges Kind adoptiert, so erhält dieses weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch zwangsläufig einen privilegierten aufenthaltsrechtlichen Status gemäß § 36 AufenthG. Das BVerfG geht davon aus, dass die durch Adoption eines Erwachsenen entstandene Familie in der Regel nur eine Begegnungsgemeinschaft und keine Lebens-, Erziehungs- oder Hausgemeinschaft darstellt, so dass die Familie kein Zusammenleben erfordert.224 Eine solche Begegnungsgemeinschaft könne durch „wiederholte Besuche, Brief- und Telefonkontakte sowie durch Zuwendungen aufrechterhalten werden.“225 Die Aufenthaltserlaubnis wird somit dann versagt, wenn keine Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung der Begegnungsgemeinschaft hinausgehen219 KG, Beschl. v. 22.9.1981 – 1 W 3258/81 = FamRZ 1982, 641 (641); Kretschmer, S. 152 f. 220 BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84 = BVerfGE 80, 81 (83); KG, Beschl. v. 22.9.1981 – 1 W 3258/81 = FamRZ 1982, 641 (641). 221 BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84 = BVerfGE 80, 81 (90); Renner, FuR 1990, 130 (137). 222 Lüderitz, FS Oehler 1985, 487 (496); Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (87). 223 Siehe oben viertes Kapitel, S. 93–95. 224 BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84 = BVerfGE 80, 81 (91). 225 BVerfG, Beschl. v. 12.12.1989 – 2 BvR 377/88 = NJW 1990, 895 (895); BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84 = BVerfGE 80, 81 (94).

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4. Kap.: Vaterschaftsanerkennung als Missbrauchsphänomen

den familiären Schutz angezeigt erscheinen lassen.226 Bei einer „Scheinadoption“ zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken ist allein die Begründung eines Aufenthaltsrechts für das annehmende Kind das Ziel. Eine Lebens- oder Hausgemeinschaft wird in der Regel nicht nachgewiesen werden können, so dass die Aufenthaltserlaubnis versagt wird. Im Vergleich zur Vaterschaftsanerkennung unterliegt die Adoption strengeren Voraussetzungen. Gleichzeitig kann lediglich das adoptierte Kind ausländerrechtliche Privilegien von der Adoption ableiten, wohingegen bei der Vaterschaftsanerkennung neben dem Kind andere Familienmitglieder aufenthaltsrechtlich profitieren können. Das führt im Ergebnis dazu, dass in der Praxis – zumindest bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG – eher auf das Institut der Vaterschaftsanerkennung zur Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile als auf die Adoption zurückgegriffen wurde. Die Einführung des Aufenthaltsablehnungstatbestandes des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG dürfte daran nichts geändert haben, da dieser bei allen Zweckadoptionen aber nur bei einigen Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung Anwendung findet.227

D. Stellungnahme Der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung, der „Scheinehe“, „-lebenspartnerschaft“ und „-adoption“, liegt immer dieselbe Ausgangssituation zugrunde: Dadurch, dass die familienrechtlichen Institute verfassungsrechtlichen Schutz aus Art. 6 GG bzw. Schutz aus Art. 8 EMRK genießen, folgen aus ihnen gewisse Privilegien, die sich durch alle Rechtsgebiete ziehen. Diese Privilegien, meist aufenthaltsrechtlicher Natur, sind für einen der Beteiligten des Institutsmissbrauchs auf „legale Weise“ nicht erreichbar. Aus diesem Grund, wird die äußere „Hülse“ einer Vaterschaftsanerkennung, einer Ehe, einer Lebenspartnerschaft oder einer Adoption geschaffen, um von dieser die staatsangehörigkeits- und/ oder aufenthaltsrechtlichen Vorteile für die ausländische Partei abzuleiten. Mit welcher Häufigkeit die einzelnen Missbrauchsphänomene auftreten, ist mangels eindeutigen Zahlenmaterials nicht bekannt. Allenfalls kann von den Voraussetzungen der Institute und den von ihnen abgeleiteten Rechtsfolgen ein Rückschluss auf die Häufigkeit des Missbrauchs erfolgen. Aufgrund geringerer Voraussetzungen und weit reichender ausländerrechtlicher Vorteile ist davon auszugehen, dass die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung öfter auftritt als die „Scheinadoption“. Die „Scheinlebenspartnerschaft“ bietet sich eher zum Missbrauch an als die „Scheinehe“, da der Standesbeamte die Begründung der Lebenspartnerschaft im Vergleich zur Ehe nicht verweigern kann. Allenfalls kann 226 227

BVerfG, Beschl. v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84 = BVerfGE 80, 81 (94). Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 121–124.

§ 6 Zusammenfassung

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sich eine Unwirksamkeit der Lebenspartnerschaft bei Missbrauch ergeben. Da es die Möglichkeit, eine Lebenspartnerschaft zu begründen, erst seit 2001 gibt, wird man zurzeit in der Praxis mit vielen Fällen der „Scheinlebenspartnerschaft“ noch nicht konfrontiert werden. Es kann allerdings damit gerechnet werden, dass es nicht lange verborgen bleiben wird, dass sich das Institut der Lebenspartnerschaft eher als das Institut der Ehe zur Umgehung aufenthaltsrechtlicher Bestimmungen eignet. Dabei bleibt abzuwarten, inwieweit aufgrund kultureller Ressentiments die „Scheinlebenspartnerschaft“ tatsächlich an Bedeutung gewinnt.

§ 6 Zusammenfassung In den überwiegenden Fällen einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung erkennt ein deutscher Mann die Vaterschaft für ein ausländisches Kind an. Das Kind erhält die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 StAG, die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG. Meistens wird der Mann nicht leistungsfähig sein, so dass er auch keine Unterhaltsleistungen zu fürchten hat. Die Möglichkeit, die Vaterschaftsanerkennung zu fremden Zwecken zu missbrauchen, ist auf die geschichtliche Entwicklung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Vaterschaftsanerkennung und der Akzeptanz eines Auseinanderfallens von biologischer und rechtlicher Vaterschaft zurückzuführen. Bei Vaterschaftsanerkennungen allein zu aufenthalts- oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken handelt es sich, entgegen der Ansicht einiger, nicht um Einzelfälle. Dies bestätigen sowohl die Berichte der betroffenen Mitarbeiter bei Standesämtern, Ausländerbehörden und Behörden für Inneres als auch die diversen einschlägigen Gerichtsentscheidungen auf allen Rechtsgebieten. Diese missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen konnten mit der bis zum 1. Juni 2008 geltenden Rechtslage nicht in ausreichendem Maße verhindert werden. Es führte somit kein Weg an Gesetzesänderungen vorbei.

5. Kapitel

Reaktion des Gesetzgebers Um Vaterschaftsanerkennungen, die allein zu staatsangehörigkeits- und/oder aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgen, repressiv und präventiv begegnen zu können, hat der Gesetzgeber das VaAnfRErgG verabschiedet. Dieses trat am 1. Juni 2008 in Kraft.1 Als repressive Kernvorschrift sieht das Gesetz ein behördliches Vaterschaftsanfechtungsrecht vor (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.). Weitere neu eingeführte repressive Vorschriften sollen dieses Anfechtungsrecht ergänzen. Auf der präventiven Ebene soll zukünftig bereits das Zustandekommen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen verhindert werden. Im folgenden Kapitel wird zunächst ein Überblick über das Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen und den Gang des Gesetzgebungsverfahrens vermittelt. Dem schließt sich eine ausführliche Auseinandersetzung mit den durch das VaAnfRErgG erfolgten einzelnen Gesetzesänderungen an. Abschließend wird die Frage diskutiert, ob es mildere, aber ebenso effektive Alternativlösungen zur Bekämpfung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen gegeben hätte.

§ 1 Überblick der wesentlichen Gesetzesänderungen durch das VaAnfRErgG Die wesentlichen Änderungen des VaAnfRErgG lassen sich vereinfacht wie folgt zusammenfassen:

A. Ablehnung der Beurkundung § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. sieht vor, dass der Standesbeamte die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung ablehnen muss, wenn offenkundig die Vaterschaft behördlich anfechtbar wäre.

B. Mitteilungspflichten Ist der Missbrauch nicht offenkundig, hat die beurkundende Stelle allerdings den Verdacht, es könnte sich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung 1

BGBl. 2008 I, S. 313–315.

§ 1 Überblick der Gesetzesänderungen durch das VaAnfRErgG

143

handeln, so muss die Beurkundung zwar erfolgen, der Verdacht der Ausländerbehörde allerdings mitgeteilt werden (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.). Die Mitteilungspflicht gilt auch für alle anderen öffentlichen Stellen. Für das Jugendamt existiert eine Ausnahme. Es muss der Ausländerbehörde trotz Missbrauchsverdacht keine Mitteilung abgeben, wenn es dadurch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben gefährdet sieht (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 4 AufenthG n. F.). Erlangt die Ausländerbehörde ihrerseits Kenntnis von einer möglichen missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung, muss sie dies der anfechtungsberechtigten Behörde mitteilen (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Ein Verfahren auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an einen Ausländer, der in das behördliche Anfechtungsverfahren involviert ist, muss unter anderem ab diesem Zeitpunkt ausgesetzt werden (§ 79 Abs. 2 AufenthG n. F.).

C. Behördliches Vaterschaftsanfechtungsrecht Mit § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. wurde eine Vaterschaftsanfechtungsberechtigung für eine öffentliche Behörde im Fall der rechtlichen Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung geschaffen.

D. Schaubild Das Zusammenspiel oben genannter Vorschriften lässt sich bildlich darstellen:

Antrag

Anfechtungsberechtigte Behörde

Familiengericht

Mitteilung über Verfahren/ gerichtliche Entscheidung

Mitteilung des Missbrauchsverdachts

Öffentliche Stellen

Ausländerbehörden

Mitteilung des Missbrauchsverdachts Beurkundende Stellen

• Eingeschränkte Prüfung des mitgeteilten Missbrauchsverdachts • Aussetzung der Entscheidung

Ablehnung der Beurkundung

144

5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

§ 2 Gang des Gesetzgebungsverfahrens Die Entwicklung bis zur Verabschiedung des VaAnfRErgG wird in diesem Abschnitt aufgezeigt.

A. Forderung nach Gesetzesänderungen Angestoßen wurde der Vorschlag zu einer Gesetzesänderung von der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK). Am 6. Dezember 2002 beschäftigte sich die IMK mit dem Zwischenbericht ihrer Arbeitsgruppe2, die sie zu dem Thema „Vaterschaftsanerkennungen zu Zwecken der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit“ eingesetzt hatte.3 Die Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass die Einführung eines befristeten Anfechtungsrechts für einen Träger öffentlichen Interesses ein „sachgerechter Lösungsansatz“ sei, um gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen effektiv vorgehen zu können.4 Hiermit wurde erstmalig der Vorschlag laut, ein behördliches Vaterschaftsanfechtungsrecht einzuführen. Die IMK folgte dem Vorschlag der Arbeitsgruppe und leitete die bereits oben erwähnte bundesweite Datenerhebung bei Ausländerbehörden im Zeitraum vom 1. April 2003 bis 31. März 2004 ein, um durch empirische Erkenntnisse die Größenordnung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen einschätzen zu können.5 Durch das Ergebnis der Datenerhebung sah sich die Arbeitsgruppe der IMK darin bestätigt, ein behördliches Anfechtungsrecht zu fordern.6 Anders als der Zwischenbericht, der ein Anfechtungsrecht einer öffentlichen Stelle sowohl 2

Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002. Die IMK beschäftigte sich bei der Sitzung am 5./6.6.2002 in Bremerhaven mit dem Thema: „Vaterschaftsanerkennungen zu Zwecken der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit“. In diesem Rahmen beauftragte sie eine Arbeitsgruppe, einen Vorschlag zur nächsten IMK Sitzung zu erarbeiten; so Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 4. 4 Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 18, 20. 5 Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 6, 19; die Ausländerbehörden mussten in diesem Zusammenhang einen Fragebogen beantworten, der als Anlage 2 diesem Bericht anhängt. Neben dem Beschluss, empirische Erkenntnisse aufzustellen, bat die IMK die Konferenz der Justizministerinnen und -minister, die Jugendministerkonferenz und die Arbeits- und Sozialministerkonferenz, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich darauf hinzuwirken, dass die zuständigen Dienststellen von den Handlungsmöglichkeiten, mit denen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorgegangen werden kann, verstärkt Gebrauch zu machen und über die Erfahrungen gegenüber ihrer Fachministerkonferenz zu berichten. Die Fachministerkonferenzen sollten der IMK über die Ergebnisse bis Ende 2003 berichten. Der Arbeitskreis I wurde beauftragt, über das Ergebnis der Berichte zusammen mit dem Ergebnis der Datenerhebung erneut zu berichten: Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 171. Sitzung der IMK am 6.12.2002 in Bremen, Punkt 12, S. 15. 6 Siehe zu dem Ergebnis der Datenerhebung oben viertes Kapitel, S. 107 f. 3

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bei einer Vaterschaft kraft Ehe als auch bei einer Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung in Betracht zog7, war in dem Abschlussbericht der Arbeitsgruppe nur noch von einem Anfechtungsrecht im Fall einer Vaterschaftsanerkennung die Rede.8 Die IMK bat daraufhin die Konferenz der Justizministerinnen und -minister, die Jugendministerkonferenz und die Arbeits- und Sozialministerkonferenz um Unterstützung des Vorhabens, ein behördliches Anfechtungsrecht im Kindschaftsrecht zu etablieren9. Angestoßen durch die IMK hat die Konferenz der Justizministerinnen und -minister die Bundesministerin der Justiz am 17. November 2005 gebeten, „zur Bekämpfung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen [. . .] eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches vorzubereiten, die einem Träger öffentlicher Belange in diesen Fällen ein befristetes Anfechtungsrecht gewährt.“10 Ebenfalls auf die Datenerhebung der IMK aufmerksam geworden, hat am 26. Oktober 2004 die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Antrag an die Bundesregierung gestellt, „einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den zuständigen Behörden der Länder in Fällen, in denen es Hinweise gibt, dass die Vaterschaft ausschließlich zur Erlangung von Aufenthaltstiteln und Sozialleistungen anerkannt wird, ein Anfechtungsrecht bezüglich der Vaterschaft“ zu geben11. In der nächsten Wahlperiode wurde das Anliegen in den Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 von CDU/CSU und SPD aufgenommen.12

B. Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz Das Bundesministerium der Justiz reagierte auf die zunehmende Forderung nach Gesetzesänderungen am 3. April 2006 mit der Vorlage eines Referentenentwurfs zu einem VaAnfRErgG13. Der hierzu herausgegebenen Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz lässt sich entnehmen, dass es die Einführung eines behördlichen Anfechtungsrechts gerade aufgrund der empirischen Erkenntnisse der Datenerhebung der IMK für unerlässlich hielt.14 7

Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 18. Bericht für die Sitzung des Arbeitskreises I der IMK am 7./8.10.2004, S. 4. 9 Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 175. Sitzung der IMK am 19.11.2004, S. 6. 10 Herbstkonferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 17.11.2005 in Berlin, Beschluss, Top I.7. 11 BT-Drucks. 15/4028, S. 2. 12 Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD „Gemeinsam für Deutschland mit Mut und Menschlichkeit“ v. 11.11.2005, S. 138. 13 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft v. 3.4.2006, abgedruckt in FamRZ 2006, 990–992. 14 Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz v. 3.4.2006, S. 2; etwas verwunderlich ist, dass zwei Monate zuvor der Parlamentarische Staatssekretär der Bundes8

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

C. Vorlage des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Der Referentenentwurf war Grundlage für den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft der Bundesregierung vom 8. November 2006.15 Die beiden Entwürfe stimmen im Wesentlichen überein.16 Der Bundesrat verwies die ihm zugeleitete Vorlage des Gesetzentwurfs (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG) an seine Ausschüsse (§ 36 Abs. 1 S. 1 GO BR). I. Empfehlungen der Bundesratsausschüsse Der federführende Rechtsausschuss und der Innenausschuss empfahlen dem Bundesrat, zu zwei Punkten des Gesetzentwurfs Stellung zu nehmen.17 Zum einen sollte § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 3 AufenthG GesE, der das Jugendamt von der Mitteilungspflicht an die Ausländerbehörde in dem Fall ausschließt, dass dadurch die Erfüllung eigener Aufgaben gefährdet ist, gestrichen werden. Zum anderen sollte der Bundesrat fordern, den zu dem Zeitpunkt geltenden § 93c ZPO zu ändern. Dieser sah vor, dass die Kosten bei Erfolg einer Klage auf Anfechtung der Vaterschaft gegeneinander aufzuheben sind. Der Bundesrat wollte diese Kostenregelung nur noch in dem Fall gelten lassen, in dem die Anfechtung der Vaterministerin der Justiz, Hartenbach, die Ansicht vertrat, die Datenerhebung der IMK reiche nicht aus, um den genauen Umfang missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen zu ermitteln und davon abgeleitet Vorschläge für Gesetzesänderungen vorzulegen; BT-Plenarprotokoll 15/153, 14339 (C), S. 23; 14340 (A, C), S. 24; Hartenbach antwortete auf die Frage des Abgeordneten Gewalt, warum „die Bundesregierung bislang keine Gesetzesvorlage in den Deutschen Bundestag eingebracht [hat] die den Behörden bei dem Verdacht auf eine Scheinvaterschaft ein Anfechtungsrecht gibt oder die Anerkennung der Vaterschaft unter Strafe stellt.“: BT-Plenarprotokoll 15/153, 14339 (B), S. 23. 15 BT-Drucks. 16/3291. 16 Inhaltliche Ergänzungen: Während der Referentenentwurf eine Mitteilungspflicht der beurkundenden Stelle direkt an die anfechtungsberechtigte Behörde vorsah (§ 1597 Abs. 1 S. 2 BGB RefE), sollen nach dem Gesetzentwurf der Bundesregeierung die öffentlichen Stellen die Ausländerbehörden unterrichten (§ 87 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG GesE). Erst die Ausländerbehörde soll dann den Missbrauchsverdacht an die anfechtungsberechtigte Behörde weiterleiten (§ 90 Abs. 4 BGB GesE). Darüber hinaus wollte der Referentenentwurf die gleiche Anfechtungsfrist von zwei Jahren für die öffentliche Behörde wie für alle anderen Anfechtungsberechtigten gelten lassen (§ 1600b Abs. 6 BGB RefE). Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hingegen geht von einer speziellen Anfechtungsfrist von einem Jahr aus (§ 1600 b Abs. 1a S. 1 BGB GesE). Auch ergänzte der Gesetzentwurf den Referentenentwurf um die absolute Anfechtungsausschlussfrist von fünf Jahren seit Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB GesE). Formelle Ergänzungen: § 1600e BGB RefE ist formell umgeschrieben worden. Während § 29a PStG RefE vorsah, dass der Standesbeamte die Beurkundung „verweigern“ soll, sieht § 29a PStG GesE vor, dass der Standesbeamte die Beurkundung „ablehnen“ soll. Darüber hinaus ergänzt § 79 Abs. 2 S. 2 BGB GesE den Regierungsentwurf in der Hinsicht, dass der Zeitpunkt der Aussetzung des Verfahrens explizit festgelegt wird. 17 BR-Drucks. 624/1/06.

§ 2 Gang des Gesetzgebungsverfahrens

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schaft durch Vater, Mutter oder Kind erfolge. Sobald die Anfechtungsklage einer öffentlichen Behörde im Sinne des § 1592 Nr. 5 BGB GesE Erfolg hat, sollte in einem neu einzuführenden § 93c Abs. 2 ZPO geregelt werden, dass der rechtliche Vater die Kosten zu tragen habe.18 Der Bundesrat beschloss, zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung gemäß Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG mit den Empfehlungen des Rechts- und Innenausschusses Stellung zu nehmen.19 II. Gegenäußerung der Bundesregierung Die Bundesregierung hielt an dem Ausschluss der Unterrichtungspflicht für Jugendämter fest. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass das Vertrauen für Familien mit Migrationshintergrund in die Jugendämter nicht durch die Mitteilungspflicht erschüttert werden dürfe, da ansonsten das Jugendamt seinen Aufgaben nicht in vollem Umfang nachkommen könne.20 Den Vorschlag des Bundesrates, dem die Vaterschaft Anerkennenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wollte die Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren prüfen. Sie gab jedoch bereits zu bedenken, dass „die Kostenertragungspflicht des Anerkennenden angesichts seiner in vielen Fällen zu erwartenden Mittellosigkeit häufig ins Leere gehen wird.“21 Die versprochene Auseinandersetzung mit dem Vorschlag unterblieb allerdings.

D. Beratungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung im Bundestag Am 1. Februar 2007 fand die erste Beratung im Bundestag zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf statt. Es wurde beschlossen, den Gesetzentwurf an einige Ausschüsse gemäß § 80 Abs. 1 GOBT zu überweisen. Der Rechtsausschuss wurde als federführender Ausschuss bestimmt.22 Den zu Protokoll gegebenen Reden23 ließen sich die Tendenzen der Parteien hinsichtlich 18 BR-Drucks. 624/1/06, S. 2 f.: Wenn der Anerkennende keine finanziellen Mittel zur Begleichung der Kosten zur Verfügung hat, solle eine Beitreibung der Kosten versucht werden. 19 Sitzung des Bundesrates: Stenografischer Bericht der 826. Sitzung des Bundesrates v. 13.10.2006, 317 (A); BR-Drucks. 624/06 (Beschluss); BT-Drucks. 16/3291, Anlage 2, S. 19. 20 BT-Drucks. 16/3291, Anlage 2, S. 20. 21 BT-Drucks. 16/3291, Anlage 2, S. 20. 22 BT-Plenarprotokoll 16/79, 7924 (B). 23 Zu Protokoll gegebene Reden von Granold (CDU/CSU), BT-Plenarprotokoll 16/ 79, 7976 (B)–7977 (B); Benneter (SPD), BT-Plenarprotokoll 16/79, 7977 (B)–7978 (A); Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), BT-Plenarprotokoll 16/79, 7978 (A)–7979 (B);

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

des Gesetzentwurfs entnehmen. Während sich die Redner der CDU/CSU und der SPD für die Verabschiedung des Gesetzes aussprachen, äußerten sich die Redner der FDP und der Parteien Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kritisch bis ablehnend zu dem Gesetz. Die einen stützten sich auf die Datenerhebung der IMK, um die Erforderlichkeit des Erlasses des Gesetzes zu betonen24; die anderen stützen sich auf die Datenerhebung, um zu verdeutlichen, dass der genaue Umfang missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen (noch) nicht benannt werden könne und daher basierend auf der Datenerhebung auch kein staatlicher Eingriff erfolgen dürfe25. Der Rechtsausschuss beschloss, eine öffentliche Anhörung zu dem Entwurf des VaAnfRErgG durchzuführen (§ 70 GOBT).26 Diese fand am 23. Mai 2007 im Deutschen Bundestag statt. Es wurden neun Sachverständige geladen.27 Die Meinungen der Sachverständigen gingen weit auseinander.28 Die Sachverständigen, die in dem Bereich der Jugendhilfe bzw. der Hilfe binationaler Familien tätig sind, sprachen sich gegen den Gesetzentwurf aus. Die Sachverständigen, die zum Teil in der Praxis mit missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen konfrontiert werden, sprachen sich für das Gesetz aus.29 Insgesamt konnte der Anhörung im Rechtsausschuss entnommen werden, dass in der Praxis keine Einigkeit bezüglich der Erforderlichkeit gesetzlicher Änderungen im Allgemeinen und der einzelnen Merkmale des Gesetzentwurfs im Besonderen bestand.

Dagdelen (Die Linke), BT-Plenarprotokoll 16/79, 7979 (B)–7980 (A); Winkler (Bündnis 90/Die Grünen), BT-Plenarprotokoll 16/79, 7980 (A)–7981 (A); Hartenbach, BTPlenarprotokoll 16/79, 7981 (A)–7981 (C). 24 Granold, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7976 (C); Benneter, BT-Plenarprotokoll 16/ 79, 7977 (C). 25 Leutheusser-Schnarrenberger, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7978 (B); Dagdelen, BTPlenarprotokoll 16/79, 7979 (C); Winkler, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7980 (B). 26 Der Beschluss wurde in der 46. Sitzung des Rechtsausschusses am 28.2.2007 gefasst: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) des Deutschen Bundestages, 16. Wahlperiode, BT-Drucks. 16/7506, S. 6. 27 Gaaz, Leitender Ministerialrat a. D.; Heinhold, Rechtsanwalt; Heinz, Fachdienstleiter Aufenthaltsrecht und Integration; Helms, Professor an der Universität Marburg; Meysen, Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V.; Piening, Beauftragte des Berliner Senats für Integration und Migration; Richter, Leiter der Rechtsabteilung Einwohner-Zentralamt Hamburg; Siegfried, Rechtsanwalt, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.; Stöcker-Zafari, Verband binationaler Familien und Partnerschaften iaf e.V. 28 Auf die Meinungen der Sachverständigen bezüglich einzelner Tatbestandsmerkmale des Gesetzentwurfs wird an späterer Stelle bei den einzelnen Problembereichen des VaAnfRErgG eingegangen. 29 Richter, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 20; Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/ 3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 10; Heinz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 9.

§ 2 Gang des Gesetzgebungsverfahrens

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Am 12. Dezember 2007 beriet der Rechtsausschuss die Vorlage des Gesetzentwurfs und gab gegenüber dem Bundestag seine Beschlussempfehlung ab. Er empfahl dem Bundestag, den Entwurf mit einigen Änderungen anzunehmen.30 Diese Änderungen sind allerdings keineswegs der Anhörung im Rechtsausschuss geschuldet. Entsprechende Vorschläge von den Sachverständigen zu Gesetzesänderungen wurden nicht übernommen. Vielmehr waren die vorgeschlagenen Änderungen des Rechtsausschusses zum überwiegenden Teil redaktioneller Art. Sie berücksichtigten, dass das AufenthG geändert wurde31 und das PStG32 unmittel30 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) des Deutschen Bundestages, 16. Wahlperiode, BT-Drucks. 16/7506, S. 7; der Beschluss erfolgte mit den Stimmen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die mitberatenden Ausschüsse haben hingegen empfohlen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung ohne Änderungen anzunehmen: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) des Deutschen Bundestages, 16. Wahlperiode, BT-Drucks. 16/7506, S. 6 31 Durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I 2007, S. 1970) sind einige Gesetzesänderungen im AufenthG erfolgt. Diesen Änderungen mussten sich die von der Bundesregierung im Gesetzentwurf vorgeschlagenen neu einzuführenden Vorschriften anpassen: § 87 Abs. 2 AufenthG GesE regelt die Unterrichtungspflicht der öffentlichen Stellen an die Ausländerbehörde. Der Rechtsausschuss schlug vor, diese Unterrichtungspflicht in § 87 Abs. 2 S. 1 AufenthG aufzunehmen und nur noch bei Kenntniserlangung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Stelle bestehen zu lassen. Hierdurch sollte eine Übereinstimmung zu dem bereits neu eingeführten § 87 Abs. 2 S. 2 AufenthG geschaffen werden, wonach mit der gleichen Begründung eine Mitteilungspflicht der öffentliche Stellen ebenfalls nur besteht, wenn Kenntnis von einer besonderen Integrationsbedürftigkeit im Sinne einer nach § 43 Abs. 4 erlassenen Rechtsverordnung im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben erlangt wurde. Ferner sollte § 87 Abs. 5 AufenthG GesE, der im Fall der Anfechtung der Vaterschaft durch eine Behörde eine Mitteilungspflicht der anfechtungsberechtigten Behörde bzw. der Familiengerichte gegenüber der Ausländerbehörde hinsichtlich der Erhebung einer Klage bzw. der gerichtlichen Entscheidung vorsieht, zu § 87 Abs. 6 AufenthG verschoben werden, da inzwischen ein neuer Abs. 5 eingefügt wurde. Durch die Verschiebung ist die Regelung nicht mehr von § 105a AufenthG erfasst, da § 105 AufenthG den § 87 AufenthG nur bis Abs. 5 enthält. Der Rechtsausschuss empfahl daher, § 105a AufenthG um § 87 Abs. 6 AufenthG zu ergänzen, so dass auch von § 87 Abs. 6 AufenthG zukünftig durch Landesrecht nicht mehr abgewichen werden kann. Zur Begründung führt er an, dass eine bundeseinheitliche Regelung im Sinne des Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG erforderlich sei, da die materiellen Voraussetzungen aufenthaltsrechtlicher Entscheidungen bundeseinheitlich vorgegeben sind, so dass dies auch für die komplementären Unterrichtungspflichten zur Erfüllung der materiellen Vorgaben gelten müsse. Ferner musste § 90 Abs. 4 AufenthG GesE zu § 90 Abs. 5 AufenthG verschoben werden, da inzwischen bereits ein Abs. 4 eingefügt wurde; siehe hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) des Deutschen Bundestages, 16. Wahlperiode, BTDrucks. 16/7506, S. 10 ff. 32 Das im Zeitpunkt der Vorlage des Gesetzentwurfs bestehende PStG trat mit Ablauf des 31.12.2008 außer Kraft. Das neue PStG (Personenstandsrechtsreformgesetz – BGBl. I 2007, 122) trat zum 1.1.2009 in Kraft. Daher wies der Rechtsausschuss darauf hin, die Verweigerung der Beurkundung des Standesbeamten im Fall eines offenkundigen Missbrauchs der Vaterschaftsanerkennung nicht mehr in § 29a PStG-GesE aufzunehmen, sondern in § 44 Abs. 1 S. 3 des ab dem 1.1.2009 geltenden PStG. Inhaltlich sollte die

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

bar nach Inkrafttreten des VaAnfRErgG geändert werden würde. Die Vorschriften des Gesetzentwurfs mussten sich daher in diese neuen Regelungen einfinden. Darüber hinaus vertrat der Rechtsausschuss die Ansicht, dass das VaAnfRErgG der Zustimmung des Bundesrates bedürfe.33 Am 13. Dezember 2007 fand die zweite (§ 81 GOBT) und dritte Beratung (§§ 84, 84a GOBT) statt.34 Der Bundestag stimmte dem Gesetzentwurf der Bundesregierung mit den Maßgaben des Rechtsausschusses zu (Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG).35

E. Zustimmung des Bundesrates Bevor der Bundesrat dem Gesetz zustimmte, verwies er das Gesetz erneut federführend an seinen Rechtsausschuss (§ 36 Abs. 1 S. 1 GOBR).36 Der Rechtsausschuss wies den Bundesrat darauf hin, dass seine im Wege der Stellungnahme vorgeschlagenen Änderungen an dem Gesetz vom Bundestag nicht übernommen Vorschrift unverändert bleiben. Darüber hinaus wurden noch weitere Änderungen am PStG vorgeschlagen, die keinerlei Bezug zu dem VaAnfRErgG aufwiesen. Sie dienten lediglich der Bereinigung von redaktionellen Unklarheiten im ab dem 1.1.2009 geltenden PStG; siehe hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) des Deutschen Bundestages, 16. Wahlperiode, BT-Drucks. 16/7506, S. 9. 33 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) des Deutschen Bundestages, 16. Wahlperiode, BT-Drucks. 16/7506, S. 8 f.; zur Begründung wurde folgendes angeführt: Die in dem Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen zu §§ 79 Abs. 2, 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4, 90 Abs. 5 AufenthG GesE und der vom Rechtsausschuss vorgeschlagene neu einzuführende § 87 Abs. 6 AufenthG erweitern die Regelungen zum Verwaltungsverfahren. Grundsätzlich regeln die Länder das Verwaltungsverfahren, wenn sie Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen (Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG). Daher können sie auch, wenn Bundesgesetze das Verwaltungsverfahren bestimmen, gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG davon abweichende Regelungen treffen. Nun sieht § 105a AufenthG allerdings vor, dass von §§ 87 Abs. 2, 90 AufenthG nicht durch Landesrecht abgewichen werden darf. Dass der Bund das Verwaltungsverfahren der Länder ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regelt, ist nur in Ausnahmefällen wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung möglich (Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG). In einem solchen Fall ist die Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetz obligatorisch (Art. 84 Abs. 1 S. 6 GG). Nach Ansicht des Rechtsausschusses ist somit die Zustimmung des Bundesrates zu dem VaAnfRErgG aus zweierlei Gründen notwendig: Zum einen sieht der Gesetzentwurf vor, Änderungen an §§ 87 Abs. 2, 90 Abs. 5 AufenthG in der Hinsicht vorzunehmen, dass § 105a AufenthG eine „andere Bedeutung und Tragweite“ erhält, zu der der Bundesrat noch nicht zugestimmt hat. Zum anderen sollte auch der neu einzuführende § 87 Abs. 6 AufenthG in § 105a AufenthG aufgenommen werden, was wiederum der Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 S. 6 GG bedurfte. 34 Die Reden der Abgeordneten Granold (CDU/CSU); Benneter (SPD); Dyckmans (FDP); Wunderlich (Die Linke); Schewe-Gerik (Bündnis 90/Die Grünen); Hartenbach (Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz) sind nachzulesen in BT-Plenarprotokoll 16/133, 14023 (B)–14028 (D). 35 BT-Plenarprotokoll 16/133, 13985 (C). 36 Bundesrat Beratungsvorgang 64/08.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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worden waren. Trotzdem empfahl er dem Bundesrat, dem Gesetz zuzustimmen.37 Daraufhin stimmte der Bundesrat am 15. Februar 2008 dem Gesetz zu (Art. 84 Abs. 1 S. 5, S. 6 GG)38, so dass das VaAnfRErgG an diesem Tag zustande gekommen ist (Art. 78 GG).

F. Inkrafttreten des Gesetzes Die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte durch den Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung und Ausfertigung des VaAnfRErgG am 13. März 2008. Das Gesetz trat am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Monats, das heißt am 1. Juni 2008, in Kraft (Art. 3 des VaAnfRErgG). Damit sollte der Praxis „ein angemessener Vorlauf für die Umsetzung dieses Gesetzes gegeben werden.“39

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen Die Vorschriften, die im Wege des VaAnfRErgG neu geschaffen bzw. an denen Änderungen vorgenommen wurden, lassen sich im Wesentlichen in zwei Kategorien einteilen. Die Vorschriften der einen Kategorie sollen präventiv das Zustandekommen von missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen verhindern. Die Vorschriften der anderen Kategorie sollen ein repressives Einschreiten gegen bereits zustande gekommene missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen ermöglichen. Im Rahmen dieser Kategorien werden im folgenden Abschnitt die durch das VaAnfRErgG eingeführten Vorschriften im Einzelnen dargestellt und auf die mit ihnen verbundenen Probleme eingegangen.

A. Präventives Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen Präventiv soll gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen durch die Verweigerung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung vorgegangen werden. Der Standesbeamte soll die Beurkundung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. ablehnen. Die anderen beurkundenden Stellen sollen von dem bereits bestehenden Verweigerungstatbestand des § 4 BeurkG Gebrauch machen.

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Dies ist der Erläuterung, 841. BR, 15.2.08, S. 14. Stenografischer Bericht der 841. Sitzung des Bundesrates am 15.2.2008, BR-Plenarprotokoll 841, Tagesordnungspunkt 14, S. 10 (D). BR-Drucks. 64/08 (Beschluss). 39 BT-Drucks. 16/3291, S. 18. 38

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

I. Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung nach dem PStG Gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. sollen die Standesbeamten die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung in Zukunft verweigern, wenn für sie offenkundig ist, dass die Anerkennung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. anfechtbar wäre. 1. Begriff der Offenkundigkeit Es stellt sich die Frage, worauf sich die Offenkundigkeit beziehen muss und wann Offenkundigkeit für den Standesbeamten gegeben ist. a) Gegenstand der Offenkundigkeit Die Offenkundigkeit muss sich auf den Umstand beziehen, dass die Anerkennung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. anfechtbar wäre (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F.). Fraglich ist allerdings, was mit der behördlichen Anfechtbarkeit gemeint ist, d.h. worauf sich die Offenkundigkeit im Einzelnen beziehen muss. Dem Wortlaut der Vorschrift ist dies nicht zu entnehmen und auch die Begründung zu dem Gesetzentwurf nimmt in der Hinsicht keine Stellung.40 Denkbar sind drei Optionen: Es könnte gemeint sein, dass der Anfechtungsantrag offenkundig Erfolg haben muss, das heißt dass die materiellen und die formellen Voraussetzungen des Anfechtungsantrags offenkundig vorliegen müssen. Zweite Option wäre die Offenkundigkeit nur der materiellen Voraussetzungen der behördlichen Vaterschaftsanfechtung. Als dritte Option könnte die Offenkundigkeit sich lediglich auf einen Teil der materiellen Voraussetzungen des behördlichen Anfechtungsrechts beziehen. aa) Offenkundigkeit der materiellen und formellen Voraussetzungen Die behördliche Vaterschaftsanfechtung ist erfolgreich, wenn die materiellen und formellen Voraussetzungen erfüllt sind. Es gibt drei materielle Voraussetzungen, die für die behördliche Vaterschaftsanfechtung vorliegen müssen.41 Zwischen dem Kind und dem Anerkennenden darf keine sozial-familiäre Beziehung bestehen bzw. bestanden haben (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Durch die Anerkennung müssen rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen worden sein 40

BT-Drucks. 16/3291, S. 16. Siehe zu den einzelnen Anfechtungsvoraussetzungen explizit unten fünftes Kapitel, S. 203 ff. 41

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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(§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) und der rechtliche Vater darf nicht der biologische Kindesvater sein. Die formellen Voraussetzungen der behördlichen Vaterschaftsanfechtung sind erfüllt, wenn alle prozessualen Voraussetzungen gegeben sind, die zu einem erfolgreichen Antrag führen, so zum Beispiel die Schlüssigkeit des Antrags und das Einhalten der Anfechtungsfrist. Ob die prozessualen Voraussetzungen der Vaterschaftsanfechtung erfüllt sind, wird der die Vaterschaftsanerkennung beurkundende Standesbeamte nie beurteilen können. Zum einen wird ein Standesbeamter in der Regel über seinen Aufgabenbereich hinaus nur rudimentäre Rechtskenntnisse haben. Von welchen weiteren Umständen als den Voraussetzungen der Norm der Erfolg eines Anfechtungsantrags nach dem FamFG abhängt, wird sich grundsätzlich seiner Kenntnis entziehen. Zum anderen erfolgt die Verweigerung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung in der Regel bevor die anfechtungsberechtigte Behörde überhaupt Kenntnis von der potentiellen missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung erlangt. Dann wird selbst für einen rechtskundigen Standesbeamten nie offenkundig sein können, ob die anfechtungsberechtigte Behörde alle prozessualen Voraussetzungen in Zukunft erfüllen und das Anfechtungsverfahren daher erfolgreich sein wird. Würde man bei § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. auf die Offenkundigkeit des erfolgreichen Ausgangs des behördlichen Vaterschaftsanfechtungsverfahrens abstellen, das heißt auf Vorliegen der materiellen und formellen Voraussetzungen, so würde ein Anwendungsbereich für die Norm nicht bestehen. Eine Norm zu schaffen, die sich selbst aushebelt, kann nicht Wille des Gesetzgebers gewesen sein. Zu einem solchen Auslegungsergebnis kommt man auch bei einer vergleichsweisen Heranziehung der Vorschriften bezüglich der „Scheinehe“. § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB besagt, dass der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern muss, wenn offenkundig ist, dass die Ehe nach § 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. In diesem Zusammenhang ist unumstritten, dass für den Standesbeamten lediglich offenkundig sein muss, dass einer der Willensmängel im Sinne des § 1314 Abs. 2 BGB vorliegt42 und nicht, dass das Aufhebungsverfahren Erfolg haben muss. bb) Offenkundigkeit der materiellen Voraussetzungen Ist mit oben gesagtem davon auszugehen, dass sich die Offenkundigkeit nicht auf das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Vaterschaftsanerkennung beziehen kann, können grundsätzlich allein materielle Voraussetzungen Gegenstand der Offenkundigkeit sein. In der Folge stellt sich die Frage, ob die Offen42 OLG Köln, Beschl. v. 22.8.2005 – 16 Wx 123/05 = StAZ 2005, 322 (323); AG Saarbrücken, Beschl. v. 18.1.2006 – 10 III E 105/05 = StAZ 2006, 235 (236); Lüderitz/ Dethloff, Familienrecht, § 3, Rn. 33; Rauscher, Familienrecht, Rn. 183.

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kundigkeit sich auf sämtliche materielle Voraussetzungen oder nur auf einen Teil derselben beziehen muss. Es wird vertreten, dass für § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. lediglich das Vorliegen eines Teils der materiellen Voraussetzungen des behördlichen Anfechtungsrechts für den Standesbeamten offenkundig sein muss. Mit § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. dürfe nicht allzu eng umgegangen werden, so dass es ausreiche, wenn die in § 1600 Abs. 3 BGB n. F. aufgezählten Voraussetzungen offenkundig gegeben sind.43 Das Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft müsse nicht von der Offenkundigkeit erfasst sein. Diese Interpretation stünde mit dem Abstammungsrecht nicht in Einklang. Der biologische Vater soll unproblematisch durch Vaterschaftsanerkennung rechtlicher Vater werden können, selbst wenn am Aufbau einer sozial-familiären Beziehung kein Interesse besteht. Würde für die Ablehnung der Vaterschaftsanerkennung ausreichen, dass offenkundig zwischen Mann und Kind keine sozialfamiliäre Beziehung besteht und einer der Beteiligten durch die Anerkennung ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erlangt, so könnte daraus die Ablehnung der Beurkundung seitens des Standesbeamten resultieren, obwohl der anerkennende Mann der leibliche Kindesvater ist. Daher muss im Ergebnis gelten: Der Standesbeamte soll gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung ablehnen, wenn für ihn offenkundig die drei materiellen Voraussetzungen für eine behördliche Vaterschaftsanfechtung gegeben sind.44 Dies erscheint auch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Ausländerdiskriminierung geboten.45 Enge Maßstäbe an das Kriterium der Offenkundigkeit schließen die geäußerte Befürchtung, bereits ein Missbrauchsverdacht könne zur Ablehnung der Beurkundung führen46, aus.47 Auch entspricht eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers, der bei 43 Heinz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 7; Richter, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 34; Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 4, der einen Vergleich zu § 4 BeurkG sieht, wonach die Beurkundung seiner Ansicht nach abzulehnen ist, wenn „die Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile im Vordergrund stehe und die familienrechtlichen Wirkungen von den Beteiligten erkennbar nicht gewollt seien.“. 44 So im Ergebnis auch Frank, StAZ 2006, 281 (285); Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), Öffentliche Anhörung, S. 42, der zwar davon spricht, dass die Anfechtung offenkundig Erfolg haben muss, hiermit aber die drei materiellen Voraussetzungen meint; Heinhold, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 48; Granold in einem Interview am 25.6.2008. 45 Bezogen auf Zurückhaltung bei der Ablehnung der Eheschließung gemäß § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB: AG Saarbrücken., Beschl. v. 18.1.2006 – 10 III E 105/05 = StAZ 2006, 235 (236); AG Saarbrücken, Beschl. v. 15.3.1999 – 5 T 869/97 = InfAuslR 1999, 467 (467); AG Saarbrücken, Beschl. v. 17.12.1999 – 10 III K 14/99 = StAZ 2000, 177 (178); Hepting, FamRZ 1998, 713 (720); Conring, S. 240. 46 Heinhold, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 6.

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mangelnder Offenkundigkeit einzelner Anfechtungsvoraussetzungen lediglich einen begründeten Missbrauchsverdacht annimmt, der zu einer Mitteilungspflicht gegenüber der Ausländerbehörde führt (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.). b) Maßstab der Offenkundigkeit Des Weiteren erscheint fraglich, wann für den Standesbeamten gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. offenkundig ist, dass die materiellen Voraussetzungen einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. vorliegen. aa) Heranziehung von § 291 ZPO „Offenkundigkeit“ könnte im Sinne des Prozessrechts verstanden werden. Gemäß § 291 ZPO bedürfen Tatsachen, die für das Gericht offenkundig sind, keines Beweises. In diesem Zusammenhang sind Tatsachen offenkundig, wenn sie allgemein- oder gerichtskundig sind.48 Allgemeinkundig sind Tatsachen über die man sich aus zuverlässigen Quellen informieren kann und die einer beliebig großen Menge an Personen bekannt oder wahrnehmbar sind.49 Ob die Voraussetzungen für eine behördliche Vaterschaftsanfechtung vorliegen, wird äußerst selten einer größeren Menge an Leuten bekannt sein. Aus zuverlässigen Quellen wird man sich dann keine Informationen über die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung einholen können. Gerichtskundig sind Tatsachen, die dem Gericht bereits bekannt sind.50 Dass die Voraussetzungen für eine behördliche Vaterschaftsanfechtung gegeben sind, wird dem Gericht vor Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung nicht bekannt sein. Daher werden für den Standesbeamten die Voraussetzungen einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. nie im Sinne des § 291 ZPO offenkundig sein können. Die Frage, wann Offenkundigkeit vorliegt, kann sich nicht an § 291 ZPO orientieren.51 47 So auch Gaaz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 2 f. der darauf hinweist, dass das Merkmal der „Offenkundigkeit“ als strenger Maßstab verhindert, dass ganze Gruppen unter Generalverdacht gestellt werden. 48 Musielak/Huber, § 291, Rn. 1 f. 49 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann, § 291, Rn. 4; Musielak/Huber, § 291, Rn. 1. 50 Musielak/Huber, § 291, Rn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann, § 291, Rn. 5. 51 Gleiches wird auch bei der „Scheinehe“ vertreten. Die herrschende Meinung ist der Ansicht, dass die Offenkundigkeit im Sinne des § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB nicht von § 291 ZPO abgeleitet werden kann: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2007 – I-3 Wx 57/07 = FamRZ 2008, 277 (278); AG Saarbrücken., Beschl. v. 18.1.2006 – 10 III E 105/05 = StAZ 2006, 235 (236); KG, Beschl. v. 27.3.2001 – 1 VA 36/99 = StAZ 2001, 298 (300); Staudinger/Strätz, § 1310, Rn. 37; MüKo/Müller-Gindullis, § 1310, Rn. 18; Hepting, FamRZ 1998, 713 (721); Conring, S. 238.

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bb) Vergleich zur „Scheinehe“ Gemäß § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB muss der Standesbeamte die Eheschließung verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe gemäß § 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. Zur Frage, wann die Aufhebbarkeit einer „Scheinehe“ gemäß § 1314 Abs. 1 Nr. 5 BGB offenkundig ist, existieren unterschiedliche Ansichten. Diese könnten unter Umständen auf die Auslegung des Begriffs der „Offenkundigkeit“ im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. übertragen werden. Es wird vertreten, dass die Ehe dann offenkundig aufhebbar ist, wenn sich mit Leichtigkeit von der Aufenthaltsehe Gewissheit verschafft werden konnte.52 Die Rechtsprechung hingegen stellt überwiegend auf den Grad der Gewissheit ab, den der Standesbeamte erlangen konnte.53 Beiden Ansichten ist gemein, dass sie an das Nachforschungsrecht des Standesbeamten gemäß § 13 Abs. 2 PStG anknüpfen, durch das der Standesbeamte seinen Verdacht hin zur Offenkundigkeit verdichten kann. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zwischen der Offenkundigkeit im Sinne des § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB und der Offenkundigkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. Für denjenigen Standesbeamten, der bei offenkundig aufhebbarer Ehe die Eheschließung gemäß § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB verweigern muss, wird die Offenkundigkeit erst das Ergebnis eines Erkenntnisprozesses sein. Für denjenigen Standesbeamten, der die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. verweigern soll, muss die Offenkundigkeit bereits beim Beurkundungstermin vorliegen. Ein Nachforschungsrecht steht dem die Vaterschaftsanerkennung beurkundenden Standesbeamten nicht zu.54 Ansichten, die sich bei der „Offenkundigkeit“ gemäß § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB auf den Prozess der Nachforschungen des Standesbeamten beziehen, können somit nicht auf den Begriff der „Offenkundigkeit“ bei der Verweigerung der Beurkundung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. übertragen werden. Es gibt allerdings auch Ansichten, die bei der Offenkundigkeit nach § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB nicht auf den Prozess der Nachforschungen des Standesbeamten abstellen, sondern auf den allgemeinen Sprachgebrauch. Diese nehmen Offenkundigkeit dann an, wenn sich das Vorliegen einer aufhebbaren Ehe förmlich aufdrängt bzw. wenn Umstände gegeben sind, die für jedermann erkennbar auf der Hand liegen.55 Diese Interpretation des Begriffs der „Offenkundigkeit“, 52

Hepting, FamRZ 1998, 713 (721). OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.8.2007 – I-3 Wx 57/07 = FamRZ 2008, 277 (278); KG, Beschl. v. 27.3.2001 – 1 VA 36/99 = StAZ 2001, 298 (300); so auch Otte, JuS 2000, 148 (152); Conring, S. 239 f.; Rauscher, Familienrecht, Rn. 183. 54 Siehe unten fünftes Kapitel, S. 160–163. 55 AG Frankfurt/M., Beschl. v. 3.9.2004 – 49 UR III FEJ 50/04 = juris; MüKo/Müller-Gindullis, § 1310, Rn. 18; Kaiser/Schnitzler/Friederici/Kleist, § 1310, Rn. 9; Staudinger/Strätz, § 1310, Rn. 37 spricht von Offenkundigkeit, wenn bestimmte Tatsachen 53

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lässt sich auf die „Offenkundigkeit“ im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. übertragen. cc) Benennung einzelner Fälle Die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung soll demnach abgelehnt werden, wenn für den Standesbeamten erkennbar auf der Hand liegt, dass die drei materiellen behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn der anerkennende Mann dem Standesbeamten mitteilt: „Ich bin nicht der leibliche Vater des Kindes. Ich habe keinerlei Interesse an Mutter und Kind. Ich erkenne die Vaterschaft nur an, damit Mutter und/oder Kind (oder er selbst) einen aufenthaltsrechtlichen Status in Deutschland erhält“. Offenkundigkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. ist auch dann gegeben, wenn die nicht verheiratete Mutter mit dem leiblichen Vater ihrer Kinder zusammenlebt, ausreisepflichtig ist und für das letztgeborene Kind ein deutscher Mann die Vaterschaft anerkennt und die Beteiligten zugeben, dass eigentlich der Vater der anderen Kinder der leibliche Vater des anerkannten Kindes ist.56 In beiden Beispielfällen ist sowohl offenkundig, dass zwischen dem anerkennenden Mann und dem Kind keinerlei sozial-familiäre Beziehung besteht bzw. bestanden hat, als auch dass mit der Vaterschaftsanerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden und der anerkennende Mann nicht der leibliche Kindesvater ist. Die Ablehnung der Beurkundung darf allerdings nicht allein deswegen erfolgen, weil derselbe Mann zum vermehrten Male die Vaterschaft zu Kindern unterschiedlicher ausländischer Mütter anerkennt57, weil keinerlei Verständigung zwischen den Beteiligten möglich ist58 oder weil die Mutter nicht weiß, wo sich der anerkennende Mann aufhält und keinerlei Beziehung oder Kontakt zu dem anerkennenden Mann besteht59. das mit „Händen greifbar“ machen; Hepting/Gaaz/Gaaz, § 4 PStG, Rn. 47; ders., StAZ 1998, 241 (242). 56 Richter, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 34; in eine ähnliche Richtung geht auch das Beispiel von Gaaz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 51, nach dem offensichtlich dann keine sozial-familiäre Beziehung vorliegt, wenn jemand zugibt, dass er bei der Anerkennung die Mutter zum ersten Mal sieht, denn dass sich zwischen Mann und Kind eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut haben soll, ohne dass die Mutter den Mann kennt, ist äußerst unwahrscheinlich. Für eine Ablehnung der Beurkundung wäre darüber hinaus allerdings noch erforderlich, dass auch offenkundig ein aufenthaltsrechtlicher Status geschaffen wird. 57 So aber Gaaz, StAZ 75 (80), ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 51; Heinz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 7. 58 So aber Gaaz, StAZ 75 (80). 59 So aber Richter, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5. 2007 (Protokoll Nr. 65), S. 34.

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Es muss eingeräumt werden, dass nicht viele Fälle denkbar sind, in denen es zu einer Anwendbarkeit des Ablehnungstatbestandes des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. kommen kann. Vielfach wird es zu Beurkundungen auch missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen kommen müssen, weil für den Standesbeamten nicht alle materiellen Voraussetzungen der behördlichen Vaterschaftsanfechtung offenkundig sind. Letztlich wird der Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. in der Praxis aufgrund der restriktiven Auslegung gering sein.60 c) Offenkundigkeit bei pränataler Vaterschaftsanerkennung Fraglich erscheint, ob es auch bei einer pränatalen Vaterschaftsanerkennung zu einer berechtigten Verweigerung der Beurkundung durch den Standesbeamten gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. kommen kann. Für den Standesbeamten kann bei einer pränatalen Vaterschaftsanerkennung durchaus offenkundig sein, dass diese für einen der Beteiligten die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt schaffen wird. Dass der anerkennende Mann nicht der biologische Kindesvater ist, wird für den Standesbeamten nur dann offenkundig sein, wenn die Parteien dies einräumen. Ob auch das Nichtvorliegen einer sozial-familiären Beziehung für den Standesbeamten bei einer vorgeburtlichen Vaterschaftsanerkennung offenkundig sein kann, ohne dass die Parteien sich hierzu äußern, ist fraglich. Es wird vertreten, dass der Standesbeamte bei einer pränatalen Vaterschaftsanerkennung die Beurkundung bereits dann verweigern soll, wenn offensichtlich der anerkennende Mann nicht der leibliche Vater des Kindes ist und ausländerrechtliche Privilegien durch die Anerkennung eintreten. Das Kriterium des Nichtbestehens der sozial-familiären Beziehung könne deshalb nie offenkundig sein, weil vor Geburt eine solche Beziehung zwischen Vater und Kind nicht bestehen kann.61 Die Begründung zum Gesetzentwurf des VaAnfRErgG stellt im Zusammenhang mit dem Beginn der Anfechtungsfrist klar, dass bereits im Zeitpunkt der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind bestehen kann. Hierfür muss der Anerkennende „hinreichend intensiv an Schwangerschaft und Geburt Anteil genommen und den Kontakt zum Kind in seine Lebensplanung aufgenommen“ haben.62 Dann sollte auch der Standesbeamte die Beurkundung der pränatalen Vaterschaftsanerkennung nur dann verweigern, wenn für ihn offenkundig ist, dass der Mann die Schwangerschaft der Mutter nicht begleitet und das Kind nicht in seine Lebensplanung aufgenommen hat. Dies wird dem Standesbeamten ohne weitere Nachforschungen selten offenkun60 So auch Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5. 2007 (Protokoll Nr. 65), S. 42. 61 Frank, StAZ 2006, 281 (285). 62 BT-Drucks. 16/3291, S. 13.

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dig sein, so dass bei pränataler Vaterschaftsanerkennung der Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. noch geringer sein dürfte als bei postnataler Vaterschaftsanerkennung. Dennoch darf auf das Kriterium der Offenkundigkeit des Nichtvorliegens der sozial-familiären Beziehung auch bei pränataler Vaterschaftsanerkennung nicht generell verzichtet werden. Ansonsten kann es zur Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung allein aus dem Umstand kommen, dass der anerkennende Mann offensichtlich nicht der biologische Vater des Kindes ist und einer der Beteiligten ausländerrechtlich privilegiert wird, obwohl der Mann Elternverantwortung für das Kind übernehmen möchte. 2. Erforderlichkeit der Vorschrift Der Vorschrift des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. wird im Ergebnis minimale praktische Bedeutung zukommen. Wenn die Bedeutung der Vorschrift gering ist, stellt sich die Frage, ob die Einführung der Norm überhaupt erforderlich war.63 Zum einen war die Schaffung einer Norm, durch die der Standesbeamte die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung ablehnen soll, unter dem Gesichtspunkt des § 4 BeurkG erforderlich.64 § 4 BeurkG, der für andere beurkundende Stellen bereits die Möglichkeit der Ablehnung der Beurkundung vorsieht, gilt für Standesbeamte wegen § 58 BeurkG nicht. Daher wird die Einführung des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. als eine „Art Harmonisierung mit dem allgemeinen Beurkundungsrecht“65 oder als „Konsequenz des gesamten Systems“ bezeichnet66. Zum anderen kommt der Vorschrift zwar eine geringe, aber keine leer laufende Bedeutung zu, denn oben genannte offenkundige Missbrauchsfälle sind in der Praxis bereits aufgetreten. Diese wurden in den Interviews mit Standesbeamten benannt. In den Interviews wurde betont, wie belastend es sei, wenn die Beteiligten einer Vaterschaftsanerkennung einem offenbaren, dass es sich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handelt und dem Standesbeamten keine andere Möglichkeit verbleibt, als die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung zu vollziehen. In solchen Fällen werden die Standesbeamten in Zukunft die Möglichkeit haben, die Beurkundung zu verweigern. Auch kommt der Norm eine abschreckende Wirkung zu. Sehen die potentiellen Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung aufgrund dieser abschreckenden Wirkung von 63 Siegfried, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5 f.; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 25, 65 ist der Ansicht, dass die Vorschrift nicht erforderlich ist, wenn sie so ausgelegt wird, dass sie kaum zur Anwendung gelangen wird. 64 BT-Drucks. 16/3291, S. 16. 65 Gaaz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 50. 66 Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 42.

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dem Vollzug der Vaterschaftsanerkennung ab oder nehmen sie nach Ablehnung der Beurkundung von ihrem Vorhaben Abstand, so werden ferner die Kosten des behördlichen Anfechtungsverfahrens eingespart. Daher ist die Einführung des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., der dem Standesbeamten selbst in äußerst seltenen Fällen die Ablehnung der Beurkundung ermöglicht, durchaus sinnvoll und erforderlich. 3. Nachforschungsrecht Bei der Eheschließung kann der Standesbeamte, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Aufenthaltsehe vorliegen, Nachforschungen betreiben (§ 13 Abs. 2 PStG). Erhärtet sich der Verdacht im Rahmen der Nachforschungen hin zu einer offenkundig aufhebbaren Ehe, so muss die Ablehnung der Eheschließung gemäß § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB erfolgen.67 Ein vergleichbares Nachforschungsrecht wurde für den beurkundenden Standesbeamten bei Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nicht geschaffen. a) Wurde indirekt ein Nachforschungsrecht geschaffen? Es wird allerdings vertreten, durch § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. werde es in der Praxis trotzdem zu Nachforschungen seitens der Standesbeamten kommen.68 Mit der Ablehnungsmöglichkeit werde der Standesbeamte zu einem „quasi Staatsanwalt“, einem Ermittler „auf völlig fremdem Sachgebiet“, umfunktioniert.69 Eine solche Ansicht verkennt, dass der Gesetzgeber sich für ein anderes Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen entschieden hat als gegen Aufenthaltsehen. Missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen soll durch ein mehrstufiges Verfahren begegnet werden. Am Anfang des Verfahrens steht die Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. bzw. § 4 BeurkG. In Verdachtsfällen soll die Beurkundung erfolgen und eine Mitteilung an die Ausländerbehörde abgegeben werden (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.). Diese leitet die Informationen – nach Prüfung des Sachverhalts70 – wiederum an die anfechtungsberechtigte Behörde weiter (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.), die dann letztlich das Anfechtungsverfahren 67 Siehe ausführlich zu dem Nachforschungsrecht der Standesbeamten Hartmann, Scheinehen, S. 292–306. 68 Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 16; Siegfried, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 65. 69 Heinhold, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 48 f. 70 Siehe hierzu unten fünftes Kapitel, S. 181–183.

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betreibt. Der Standesbeamte ist ein kleiner Teil dieses gesamten Konstrukts. „Ermittler“ ist nicht er, sondern die am Ende des Verfahrens stehende anfechtungsberechtigte Behörde. Daher hat der Gesetzgeber eindeutig vorgegeben, dass es in Verdachtsfällen nicht Aufgabe des Standesbeamten ist, nachzuforschen, ob es sich bei der von ihm zu beurkundenden Vaterschaftsanerkennung um eine missbräuchliche handelt. Vielmehr ist er bei Missbrauchsverdacht nur verpflichtet, gegenüber der Ausländerbehörde Mitteilung abzugeben (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.). Anders ist es bei dem Vorgehen gegen die Aufenthaltsehe.71 Hier existieren lediglich zwei Stufen im Verfahren zur Missbrauchsbekämpfung. Auf der ersten Stufe befindet sich die Pflicht des Standesbeamten, die Eheschließung zu verweigern, wenn es sich offenkundig um eine „Scheinehe“ handelt (§ 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB). Hat der Standesbeamte lediglich den Verdacht, es könne sich um eine Aufenthaltsehe handeln, hat der Gesetzgeber vorgegeben, dass der Standesbeamte selbst Nachforschungen anstellen muss (§ 13 Abs. 2 PStG). In diesem Zusammenhang fungiert er als „Ermittler“, denn er geht dem Verdacht der Aufenthaltsehe nach. Auf der zweiten Stufe kann die Behörde einen Antrag auf gerichtliche Aufhebung der Ehe gemäß §§ 1316 Abs. 1 Nr. 1, 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB stellen. Diese beiden Stufen sind bei Missbrauchsverdacht – anders als bei dem Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen – nicht durch eine Mitteilungspflicht verbunden. Um dennoch gegen möglichst viele Aufenthaltsehen vorgehen zu können, wurde dem Standesbeamten daher ein Nachforschungsrecht eingeräumt. Die unterschiedliche Vorgehensweise bei Verdacht einer „Scheinehe“ und Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung, ist den Standesbeamten aufgrund steter Schulungen zu neuen Rechtslagen bewusst. Daher wird der die Vaterschaftsanerkennung beurkundende Standesbeamte auch nicht über seine rechtlichen Befugnisse hinaus Nachforschungen hinsichtlich seines Verdachts, die Vaterschaftsanerkennung könnte behördlich anfechtbar sein, tätigen. Die Befürchtung, § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. führe zu Nachforschungen seitens der Standesbeamten, ist daher unbegründet.72 b) Einführung eines Nachforschungsrechts? Fraglich erscheint allerdings, ob ein Nachforschungsrecht für den beurkundenden Standesbeamten das mehrstufige Verfahren gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen sinnvoll ergänzen könnte. Zu denken wäre an eine Änderung des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. orientiert an § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB, 71

Siehe hierzu explizit oben viertes Kapitel, S. 132–136. Im Ergebnis so auch Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/ 3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 42. 72

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§ 13 Abs. 2 PStG. Dann müssten die behördlichen materiellen Anfechtungsvoraussetzungen nicht im Beurkundungszeitpunkt, sondern erst nach Abschluss der Nachforschungen für den Standesbeamten offenkundig sein. Wie oben bereits dargestellt, ist es unter anderem Ziel des Abstammungsrechts, einem Kind in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geburt einen Mann als Vater zuzuordnen. Diesem Ziel wird durch die Vaterschaftsanerkennung, für deren Wirksamkeit nur geringe Voraussetzungen zu erfüllen sind, ausreichend Rechnung getragen.73 Würde für den beurkundenden Standesbeamten bei Missbrauchsverdacht nun ein Nachforschungsrecht eingeführt, so müssten Nachforschungen hinsichtlich aller drei materieller Anfechtungsvoraussetzungen erfolgen. Der Standesbeamte müsste der Frage nachgehen, ob zwischen dem die Vaterschaft anerkennenden Mann und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht bzw. aufgebaut werden soll, ob durch die Vaterschaftsanerkennung für einen der Beteiligten ein aufenthaltsrechtlicher Vorteil begründet wird und ob der die Vaterschaft anerkennende Mann der leibliche Kindesvater ist. Eine solche Prüfung wäre mit einem hohen Zeitaufwand verbunden, zumal die Anerkennungserklärung und die Zustimmung(en) nicht von derselben Stelle beurkundet werden müssen. Der beurkundende Standesbeamte, der zum Beispiel nur die Anerkennungserklärung beurkundet hat, müsste sich erst mit der die Zustimmung beurkundenden Stelle in Verbindung setzten. Eine unmittelbar mit der Geburt in Zusammenhang stehende Statuszuordnung des Kindes wäre nicht mehr gewährleistet. Anders stellt sich der zeitliche Aufwand der Nachforschungen bei der „Scheinehe“ dar. Hier muss der Standesbeamte lediglich der Frage nachgehen, ob die potentiellen Ehepartner gewillt sind, eine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1353 Abs. 1 BGB zu begründen. Unabhängig vom zeitlichen Aufwand der Nachforschungen für den beurkundenden Standesbeamten, stellt sich die Frage, ob sich für den Standesbeamten durch entsprechende Ermittlungen der Verdacht der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung hin zur Offenkundigkeit überhaupt verdichten könnte. Insbesondere dürfte es dem Standesbeamten schwer fallen festzustellen, ob der Anerkennungswillige auch der leibliche Kindesvater ist. Die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung würden auf etwaige Fragen des Standesbeamten nicht wahrheitsgemäß antworten und bei denjenigen, die zugeben, dass der Mann nicht der leibliche Kindesvater ist, wird in der Regel eine sozialfamiliäre Beziehung zwischen Mann und Kind bestehen oder angestrebt werden. Auch unabhängige Befragungen der Mutter und des Anerkennungswilligen, wie sie bei der „Scheinehe“ üblich sind, wären wenig Erfolg versprechend. So kann zum Beispiel unterschiedlichen Angaben zum Zeugungszeitpunkt seitens der Mutter und des Anerkennungswilligen nicht zwangsläufig die Annahme folgen, der anerkennende Mann sei nicht der leibliche Vater des Kindes. Da die Zustim73

Siehe hierzu oben drittes Kapitel, S. 87.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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mung(en) und die Anerkennungserklärung vor unterschiedlichen beurkundenden Stellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgegeben werden können74, wäre zudem bereits die praktische Umsetzung schwierig Ein Nachforschungsrecht für den Standesbeamten würde das Verfahren gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen nicht sinnvoll ergänzen. Richtigerweise hat der Gesetzgeber von der Einführung eines solchen abgesehen. 4. Die Beurkundung „soll“ abgelehnt werden Gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. sollen die Standesbeamten die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung in Zukunft ablehnen, wenn für sie offenkundig ist, dass die Anerkennung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. anfechtbar wäre. Demgegenüber muss der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung gemäß § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe nach § 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. Zwei Schlüsse könnten aus dem unterschiedlichen Wortlaut des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. und des § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB gezogen werden. Zum einen könnte der Gesetzgeber sich ganz bewusst von dem Wortlaut des § 1310 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB distanziert haben, um zu verdeutlichen, dass es sich bei der Vorschrift zur Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F.) um eine Sollvorschrift mit eingeräumten Ermessen handelt. Dann wäre es dem Standesbeamten überlassen, bei offenkundigem Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der behördlichen Vaterschaftsanfechtung die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung trotzdem zu vollziehen. Zum anderen wäre möglich, dass der Gesetzgeber die Vorschrift des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. zwar als Sollvorschrift formuliert hat, dieser aber verpflichtenden Charakter beimessen wollte. Ein solcher Schluss ist unter Heranziehung des § 4 BeurkG denkbar. Wie oben erläutert, dient § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. der Ergänzung des § 4 BeurkG.75 Bei § 4 BeurkG heißt es ebenfalls, dass der Notar die Beurkundung ablehnen soll, wenn die Beurkundung mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. In den Kommentaren zu § 4 BeurkG wird regelmäßig auf § 14 Abs. 2 BNotO Bezug genommen.76 Hiernach hat der Notar seine Tätigkeit zu versagen, wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar uner74

Bamberger/Roth/Hahn, § 1597, Rn. 2; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 484. Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 159 f. 76 Vgl. Armbrüster/Preuß/Renner/Preuß, § 4 BeurkG, Rn. 3; Eylmann/Vaasen/Eylmann, § 4 BeurkG, Rn. 1; Soergel/Mayer, § 4 BeurkG, Rn. 1; Winkler, § 4 BeurkG, Rn. 1; Lerch, § 4 BeurkG, Rn. 1. 75

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

laubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden.77 Dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 BNotO ist aufgrund des Wortes „hat“ eindeutig eine Versagungspflicht des Notars zu entnehmen. Übereinstimmend wird trotz der unterschiedlichen Wortwahl bei § 14 Abs. 2 BNotO („hat zu versagen“) und bei § 4 BeurkG („soll ablehnen“) allgemein anerkannt, dass eine Versagungspflicht auch für § 4 BeurkG gilt.78 Es besteht somit gemäß § 4 BeurkG eine Pflicht des Notars zur Ablehnung der Beurkundung.79 § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. kann den § 4 BeurkG nur dann sinnvoll ergänzen, wenn beide Vorschriften hinsichtlich der Ablehnung der Beurkundung einheitlich ausgelegt werden. Da bezogen auf § 4 BeurkG bereits Einigkeit besteht, dass es sich um eine Versagungspflicht handelt, muss dies konsequenterweise auch für § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. – trotz des gegenteiligen Wortlauts – gelten. Für eine Ablehnungspflicht des Standesbeamten spricht auch der geringe Anwendungsbereich der Norm. Wie oben dargestellt, wird es dem Standesbeamten nur in Ausnahmefällen möglich sein, die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. zu verweigern. Wäre es in diesen Fällen eine Ermessensentscheidung des Standesbeamten, die Beurkundung abzulehnen oder zu vollziehen, so würde der Anwendungsbereich der Norm auf ein absolutes Minimum reduziert. Liegen die materiellen Voraussetzungen für die behördliche Vaterschaftsanfechtung offenkundig vor, so sprechen die besseren Argumente dafür, dass der Standesbeamte die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. ablehnen muss. Dieses Ergebnis bestätigte auch die Bundestagsabgeordnete Granold, die der Ansicht ist, dass das durch das Wort „soll“ indizierte Ermessen zumindest auf Null zu reduzieren sei.80 II. Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung nach dem BeurkG Gemäß § 4 BeurkG sollen die beurkundenden Stellen die Beurkundung ablehnen, wenn ihre Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. Wie oben erläutert, wurde von § 4 BeurkG im Zusammenhang mit missbräuchlichen Vaterschaftsanerken-

77 Der Unterschied von § 4 BeurkG und § 14 Abs. 2 BNotO besteht darin, dass § 14 Abs. 2 BNotO sich auf alle Amtsgeschäfte des Notars bezieht, während § 4 BeurkG lediglich auf Beurkundungen anzuwenden ist. 78 Eylmann/Vaasen/Eylmann, § 4 BeurkG, Rn. 1; Soergel/Mayer, § 4 BeurkG, Rn. 2; Winkler, § 4 BeurkG, Rn. 1. 79 Soergel/Mayer, § 4 BeurkG, Rn. 2; Armbrüster/Preuß/Renner/Preuß, § 4 BeurkG, Rn. 3; Lerch, § 4 BeurkG, Rn. 9; Winkler, § 4 BeurkG, Rn. 42. 80 Interview der Verfasserin mit Ute Granold am 25.6.2008.

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nungen vor Inkrafttreten des VaAnfRErgG selten Gebrauch gemacht. Obwohl an der Vorschrift keinerlei Änderungen vorgenommen wurden, sollen die die Vaterschaftsanerkennung beurkundenden Stellen nun auf § 4 BeurkG zurückgreifen.81 Dies hat der Gesetzgeber in der Begründung des Gesetzentwurfs bestimmt. Hier heißt es bezogen auf die Ablehnung der Beurkundung durch die Standesbeamten (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F.): „Alle anderen Urkundspersonen sollen bereits jetzt gemäß § 4 BeurkG (ggf. i.V. m. § 1 Abs. 2 BeurkG) die Beurkundung ablehnen, wenn mit ihr erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. Ein solcher unredlicher Zweck wird z. B. mit der Vaterschaftsanerkennung verfolgt, bei der die Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile im Vordergrund steht und die familienrechtlichen Wirkungen von den Beteiligten erkennbar nicht gewollt sind.“82 1. Voraussetzungen Problematisch ist, dass der Wortlaut des § 4 BeurkG anders lautet als derjenige des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F.83 Der Standesbeamte muss gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung ablehnen, wenn für ihn die drei materiellen behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen offenkundig gegeben sind. Die Voraussetzungen, die den Standesbeamten zur Verweigerung der Beurkundung verpflichten, sind somit rein objektiv gehalten. § 4 BeurkG hingegen orientiert sich an dem mit der Beurkundung verfolgten Zweck der Beteiligten. Laut der Begründung zum Gesetzentwurf sollen unredliche Zwecke vorliegen, wenn der vordergründige Wille der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung die Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile ist und kein Interesse an den familienrechtlichen Wirkungen der Vaterschaftsanerkennung besteht.84 Voraussetzungen für die Ablehnung der Beurkundung gemäß § 4 BeurkG sollen somit subjektive Merkmale sein. Hieran ist zweierlei problematisch. Zum einen verzichtet die Begründung bei der Definition gänzlich auf den Bezug zur biologischen Vaterschaft. Daher kann eine solche Auslegung des § 4 BeurkG dazu führen, dass die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung abgelehnt wird, obwohl der anerkennende Mann der leibliche Kindesvater ist. In einem solchen Fall würde es sich nicht um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handeln, selbst wenn die Vaterschaftsanerkennung nur zur Aufenthaltssicherung vollzogen wird und eine sozial-familiäre 81 So auch Gaaz, StAZ 2007, 75 (80); im Ergebnis so auch Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 4 f. 82 BT-Drucks. 16/3291, S. 16. 83 Auch Gaaz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 50 gab zu Bedenken, dass ein völlig anderer Wortlaut gewählt wurde. 84 BT-Drucks. 16/3291, S. 16.

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Beziehung nicht aufgebaut werden soll. Zum anderen würde der § 4 BeurkG nicht in das mehrstufige Verfahren des VaAnfRErgG passen. Die neu eingeführten Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung stellen auf allen Ebenen – der Beurkundung (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F.), der Mitteilungspflichten (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.) und der Anfechtung (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) – auf objektive Merkmale ab. Ob die Vaterschaftsanerkennung allein aufgrund der aufenthaltsrechtlichen Zwecke vollzogen werden sollte, ist irrelevant. Soll sich § 4 BeurkG in dieses Konstrukt einfügen, so müssen die Voraussetzungen der Ablehnung der Beurkundung im Sinne des § 4 BeurkG auch objektiv gehalten werden. Sinnvoll erscheint es, gleiche Voraussetzungen an die Verweigerungspflicht zur Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. und § 4 BeurkG zu stellen. Daher sollte ein unredlicher Zweck im Sinne des § 4 BeurkG dann vorliegen, wenn die drei materiellen behördlichen Vaterschaftsanfechtungsvoraussetzungen erkennbar vorliegen: Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile, Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) und keine biologische Vaterschaft des Anerkennungswilligen. Wie bei § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. führt solch eine Auslegung der Norm zu einer geringen Praxistauglichkeit. Sie ist allerdings unter dem Aspekt der Vermeidung vorschneller Beurkundungsablehnungen bei Auslandsbezug geboten. 2. Vorgehen bei Zweifeln Oben wurde bereits erläutert, dass im Zusammenhang mit § 4 BeurkG umstritten ist, ob Zweifel hinsichtlich der Redlichkeit das Urkundsorgan zur Ablehnung der Beurkundung berechtigen.85 Ferner wird diskutiert, ob es zu weiteren Ermittlungen seitens der beurkundenden Stelle kommen darf.86 Diese Frage ergibt sich bei Zweifeln bezogen auf die Redlichkeit der Vaterschaftsanerkennung aus folgendem Grund nicht: Mit dem VaAnfRErgG hat der Gesetzgeber eindeutig vorgegeben, wie in Zweifelsfällen zu verfahren ist. In solchen Fällen muss, anders als in anderen Zweifelsfällen des § 4 BeurkG, die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung erfolgen und Mitteilung an die Ausländerbehörde abgegeben werden (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.). Bloße Zweifel berechtigen weder zu weiteren Ermittelungen noch zur Ablehnung der Beurkundung. Solch ein Ergebnis ist auch unter dem Gesichtspunkt einer einheitlichen Auslegung des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. und des § 4 BeurkG unumgänglich.

85

Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 110 f. So Armbrüster/Preuß/Renner/Preuß, § 4 BeurkG, Rn. 22; Winkler, § 4 BeurkG, Rn. 5, 7. 86

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III. Stellungnahme Auf präventiver Ebene soll missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen durch die Ablehnung der Beurkundung der für die Vaterschaftsanerkennung erforderlichen Erklärungen begegnet werden. § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. muss so verstanden werden, dass der Standesbeamte die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung ablehnen muss, wenn für ihn offenkundig keine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind besteht und durch die Anerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt für das Kind oder einen Elternteil geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) Darüber hinaus muss offenkundig der Anerkennungswillige nicht der leibliche Vater des Kindes sein. Trotz der Formulierung als Sollvorschrift handelt es sich um eine Ablehnungspflicht des Standesbeamten bei offensichtlichem Vorliegen der drei Voraussetzungen. Eine einheitliche Auslegung von § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. und § 4 BeurkG führt zu dem Ergebnis, dass Voraussetzung der Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 4 BeurkG keine subjektiven Merkmale sein dürfen. Vielmehr handelt es sich um einen unredlichen Zweck im Sinne des § 4 BeurkG, wenn dieselben Voraussetzungen wie bei der Ablehnung der Beurkundung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. vorliegen. Haben die beurkundenden Stellen lediglich den Verdacht, es könnte sich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handeln, so muss die Beurkundung erfolgen. Weitere Ermittlungen dürfen nicht getätigt werden. Vielmehr besteht eine Unterrichtungspflicht an die Ausländerbehörde (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.). Für die beurkundenden Stellen werden die drei materiellen behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen selten offenkundig bzw. erkennbar sein. Daher ist der Anwendungsbereich der Ablehnungstatbestände gering. Hieraus lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, im Schwerpunkt nachträglich und nicht präventiv auf Beurkundungsebene gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorzugehen.87 Dies ist neben dem Namen des Gesetzes (Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft) auch der Begründung des Gesetzentwurfs zu entnehmen. Hier wird als Lösung des Problems der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung lediglich die Anfechtung der Vaterschaft durch eine öffentliche Behörde genannt. Die Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung bleibt unerwähnt.88

87 Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 43. 88 BT-Drucks. 16/3291, S. 11.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

B. Repressives Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen Der Schwerpunkt des VaAnfRErgG liegt auf den Vorschriften, die ein repressives Vorgehen gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen ermöglichen. Zentralvorschrift ist dabei § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F., der die Anfechtung der Vaterschaft durch die zuständige Behörde erlaubt. Zur Vorbereitung, Einleitung und Verwirklichung eines solchen Vaterschaftsanfechtungsverfahrens hat der Gesetzgeber aber weitere repressive Normen in Form von Mitteilungspflichten (§§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4, 90 Abs. 5 AufenthG n. F.), sowie der Aussetzung der Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels (§ 79 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG n. F.) erlassen. I. Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen Gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. haben öffentliche Stellen unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben Kenntnis erlangen von konkreten Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. vorliegen. Diese Mitteilungspflicht gewährleistet in der Praxis, dass die anfechtungsberechtigte Behörde über die Ausländerbehörde (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.) von den das Anfechtungsrecht begründenden Umständen Kenntnis erlangt.89 Die Vorschrift soll den bereits bestehenden § 87 Abs. 1 AufenthG ergänzen.90 Dieser besagt, dass die sich mit dem AufenthG befassenden Behörden (§ 86 AufenthG)91 auf Ersuchen andere öffentliche Stellen dazu verpflichten können, Mitteilung hinsichtlich der Umstände, die erstere für die Ausführung des Aufenthaltsgesetzes benötigen, abzugeben. Das bedeutet, dass die Ausländerbehörde sich bei den öffentlichen Stellen hinsichtlich gewisser Anhaltspunkte, die auf einen Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung hindeuten, informieren kann, sofern für sie die Information zur die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Die Einholung solcher Informationen setzt allerdings eine gewisse Skepsis der Ausländerbehörde hinsichtlich der Redlichkeit der Vaterschaftsanerkennung voraus. Es sind Konstellationen denkbar, in denen die Ausländerbehörde eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung für fernliegend hält, obwohl eine andere öffentliche Stelle einen Missbrauchsverdacht hegt.92 So zum Beispiel, wenn 89

Granold, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14024 (C); Gaaz, StAZ 2007, 75 (77). BT-Drucks. 16/3291, S. 16 f. 91 Dies sind neben der Ausländerbehörde die Grenzbehörden, die Auslandsvertretungen, die Bundespolizei und die Polizei der Länder: Renner, Ausländerrecht, § 86 AufenthG, Rn. 3. 90

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die Aufenthaltserlaubnis vor Inkrafttreten des VaAnfRErgG erteilt wurde.93 In solchen Fällen kann die Mitteilungspflicht aus § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. die Informationslücke der Ausländerbehörde schließen. 1. Voraussetzungen Im Folgenden wird erläutert, welche Voraussetzungen zu einer Mitteilungspflicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. führen. a) Öffentliche Stellen Nur öffentliche Stellen sind zur Mitteilung an die Ausländerbehörde verpflichtet. Der Begriff der öffentlichen Stellen ist im Sinne des § 2 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zu verstehen.94 Hiernach sind öffentliche Stellen alle Behörden95, Organe der Rechtspflege und andere öffentlich organisierte Einrichtungen unabhängig von ihrer Rechtsform (§ 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BDSG). Gemäß § 2 Abs. 4 S. 2 BDSG zählen zu den öffentlichen Stellen nach dem BDSG auch nicht-öffentliche Stellen, soweit sie hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Somit sind unter anderem Notare, Standesämter, Jugendämter, Gerichte, Hochschulen, öffentliche Schulen, Auslandsvertretungen und Meldebehörden mitteilungspflichtig gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. Dass auch eine Unterrichtungspflicht des beurkundenden Standesbeamten besteht, wird bezweifelt. Als Begründung wird angeführt, mit der Beurkundungsablehnungsvorschrift des § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. wurde eine neue Norm explizit für Standesbeamte geschaffen. Hätte der Gesetzgeber eine Mitteilungspflicht der Standesbeamten gewollt, so hätte er auch hierfür eine gesonderte Vorschrift schaffen müssen.96 Einer solchen Ansicht kann nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber hat eine gesonderte Ablehnungsvorschrift für Standesbeamte eingeführt, weil diese von dem Anwendungsbereich des Ablehnungstatbestandes des § 4 BeurkG ausgeschlossen sind. Die Mitteilungsverpflichtung gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. hingegen umfasst alle öffentlichen Stellen und somit auch die Standesämter. Eine gesonderte Regelung für die Unterrichtungspflicht der Standesbeamten war nicht erforderlich. Daher sind alle beurkunden92 A.A. Heinhold, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 7 der die Ansicht vertritt, die Mitteilungspflicht für die öffentlichen Stellen sei überflüssig, da die Unterrichtungspflicht auf Ersuchen nach § 87 Abs. 1 AufenthG genüge. 93 BT-Drucks. 16/3291, S. 17. 94 BT-Drucks. 16/3291, S. 16; HK-AuslR/Hilbrans, § 87, Rn. 4. 95 Der Behördenbegriff ist im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG zu verstehen. 96 Genenger, FPR 2007, 155 (159), die allerdings noch von § 29a PStG a. F. spricht.

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den Stellen, wenn für sie der Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung nicht offenkundig (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F.) bzw. erkennbar (§ 4 BeurkG) ist, sie jedoch Kenntnis von konkreten Tatsachen haben, die auf ein behördliches Anfechtungsrecht hindeuten, gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. mitteilungspflichtig. Ferner wird kritisiert, dass sich Behörden und andere öffentliche Stellen durch die Mitteilungspflicht mit Themen befassen müssen, die ihrem Arbeitsbereich nicht unterstehen. Es wird vertreten, dass Systeme verbunden werden, die nicht zusammenpassen97, und dass es falsch sei, „aufenthaltsrechtliche Kontrollfunktionen auf Behörden zu verlagern, die einen ganz anderen gesellschaftlichen Auftrag besitzen.“98. Hierbei muss bedacht werden, dass es sich bei der Unterrichtungspflicht nicht um eine Kontrollfunktion handelt. Gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. besteht die Mitteilungspflicht nur dann, wenn die öffentliche Stelle im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben von den konkreten Tatsachen Kenntnis erlangt. Kenntnisse, die bei Gelegenheit der Amtstätigkeit oder privat gewonnen wurden, fallen nicht darunter.99 Eigenständige Ermittlungen sollen die öffentlichen Stellen gerade nicht anstellen.100 Die Befürchtung, die öffentlichen Stellen würden über ihren Aufgabenbereich hinaus als verlängerter Arm der Ausländerbehörde tätig101, ist unberechtigt. b) Kenntnis von konkreten Tatsachen Fraglich erscheint, wann eine öffentliche Stelle Kenntnis von konkreten Tatsachen hat, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. vorliegen. aa) Kenntnis Kenntnis ist laut dem Juristischen Wörterbuch von Köbler das Wissen eines Umstandes.102 Die öffentliche Stelle muss demnach wissen, dass die konkreten Tatsachen vorliegen. Bloße Vermutungen, Verdächtigungen oder Meinungen sind 97 Meysen, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 40 f. 98 Dagdelen, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7979 (D). 99 Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Wenger, § 87, Rn. 9; Renner, Ausländerrecht, § 87 AufenthG, Rn. 8; Kluth/Maaßen/Hund/Kluth, Zuwanderungsrecht, § 8, Rn. 56 bezogen auf den alten § 87 Abs. 2 AufenthG a. F., der noch nicht den Zusatz „im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben“ enthielt. 100 BT-Drucks. 16/7506, S. 10 verweist wiederum auf BT-Drucks. 16/5065, S. 195. 101 So die Ansicht Meysens, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 40 f. 102 Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 233.

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nicht ausreichend.103 Ferner kommt es auf die Kenntnis der jeweilige Stelle und nicht des bearbeitenden Mitarbeiters an.104 bb) Konkrete Tatsachen Der Begründung des Gesetzentwurfs zum VaAnfRErgG ist zu entnehmen, dass mit der Anknüpfung an den Begriff der „konkreten Tatsachen“ ein Ansatz im Ordnungswidrigkeitenrecht aufgegriffen werden sollte.105 Sowohl im Ordnungswidrigkeitenrecht als auch im Strafprozessrecht ist ein Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit (§ 53 OWiG) oder Straftat (§ 152 Abs. 2 StPO) erforderlich, um weitere Ermittlungen aufnehmen zu können. Ein solcher Anfangsverdacht liegt vor, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Ordnungswidrigkeit bzw. die Straftat gegeben sind.106 Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte liegen wiederum vor, wenn konkrete Tatsachen hierfür gegeben sind.107 Konkrete Tatsachen sind dann gegeben, wenn Anzeichen für das Bestehen des bestimmten Sachverhalts vorliegen.108 Bloße Vermutungen oder Hypothesen reichen nicht aus.109 Diese Anfangsverdachtsgrundsätze des Ordnungswidrigkeitenrechts bzw. des Strafprozessrechts gilt es, auf den Begriff der „konkreten Tatsachen“ im Sinne des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. zu übertragen. Dann ergibt sich eine Mitteilungsverpflichtung der öffentlichen Stelle, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht begründen, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. vorliegen. Reine Vermutungen führen nicht zu einer Mitteilungspflicht. Dies verdeutlicht allein schon der Begriff „Tatsache“, welcher im juristischen Sprachgebrauch einen sinnlich wahrnehmbaren110 oder feststellbaren Zustand darstellt111. 103 HK-AuslR/Hilbrans, § 87, Rn. 14; Kluth/Maaßen/Hund/Kluth, Zuwanderungsrecht, § 8, Rn. 56. 104 Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Wenger, § 87, Rn. 4. 105 BT-Drucks. 16/3291, S. 17. 106 Karlsruher-Kommentar-OWiG/Wache, Vor § 53, Rn. 36; Karlsruher-KommentarStPO/Schoreit, § 152, Rn. 3, 28; Löwe-Rosenberg/Beulke, § 152 StPO, Rn. 21; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 152, Rn. 1a. 107 Meyer-Goßner, § 152, Rn. 4; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 152, Rn. 1a. 108 Rebmann/Roth/Herrmann/Förster/Rebmann, § 53 OWiG, Rn. 8; Göhler/Gürtler/ Seitz/Gürtler, § 53 OWiG, Rn. 14; Pfeiffer, Strafprozessordnung, § 152, Rn. 1a. 109 Karlsruher-Kommentar-OWiG/Wache, Vor § 53, Rn. 39; Meyer-Goßner, § 152, Rn. 4; Karlsruher-Kommentar-StPO/Schoreit, § 152, Rn. 31; Löwe-Rosenberg/Beulke, § 152 StPO, Rn. 21. 110 Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 475; Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Tatsache“, S. 1138. 111 Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Tatsache“, S. 1138; Köbler, Juristisches Wörterbuch, S. 410 bezieht sich bei dem Begriff der „Tatsache“ auf das Strafecht, wonach ein gewisser Zustand dem Beweis zugänglich sein muss.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

c) Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht Die öffentliche Stelle muss Kenntnis erlangen von konkreten Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. vorliegen. Es stellt sich die Frage, was der Gesetzgeber mit „Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht“ gemeint hat. Anders als bei § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. wird von „Voraussetzungen“ und nicht nur von „behördlicher Anfechtbarkeit“ gesprochen, dennoch können die formellen und materiellen, nur die materiellen oder nur ein Teil der materiellen Voraussetzungen gemeint sein. Von konkreten Tatsachen, die auf die prozessualen Voraussetzungen einer behördlichen Vaterschafsanfechtung hindeuten, wird die öffentliche Stelle nie Kenntnis erlangen können. So wird sie zum Beispiel nicht beurteilen können, ob die anfechtungsberechtigte Behörde einen schlüssigen Anfechtungsantrag wird stellen können. Daher kann die öffentliche Stelle nur Kenntnis von Tatsachen haben, von denen auf das Bestehen der materiellen Voraussetzungen geschlossen werden kann. Fraglich ist, ob Anhaltspunkte für das Vorliegen der drei materiellen Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sein müssen oder ob bereits Anhaltspunkte für einige Anfechtungsvoraussetzungen ausreichen, um eine Mitteilungspflicht zu begründen. Für ersteres könnte sprechen, dass es drei materielle behördliche Anfechtungsvoraussetzungen gibt: Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Mann und Kind, aufenthaltsrechtlicher Vorteil für einen Beteiligten (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) und biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters (§ 1599 Abs. 1 BGB). Wird nun von „Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.“ gesprochen, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, weswegen nicht auch diese drei Anfechtungsvoraussetzungen gemeint sein sollten.112 Auf den zweiten Blick könnte sich allerdings eine andere Auslegung ergeben. § 1600 Abs. 3 BGB n. F. lautet: „Die Anfechtung nach Abs. 1 Nr. 5, setzt voraus, dass [. . .]“. Es folgt eine Nennung der zwei besonderen Anfechtungsvoraussetzungen. Die biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters findet keine Erwähnung. Damit gibt der Gesetzgeber eindeutig vor, dass er, wenn er von den „Voraussetzungen des behördlichen Anfechtungsrechts nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5“ spricht, lediglich das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung und die Schaffung des aufenthaltsrechtlichen Vorteils im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. meint. Zu einer solchen Auslegung gelangt man auch 112 Diese Ansicht vertritt Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5, der allerdings bezogen auf das Merkmal des ausländerrechtlichen Vorteils subjektiv darauf abstellt, dass Anhaltspunkte dafür bestehen müssen, dass ausschließlich ausländerrechtliche Vorteile angestrebt werden; in seinem Aufsatz Gaaz, StAZ 2007, 75 (81) vergisst dieser, dass auch konkrete Tatsachen hinsichtlich des Nichtbestehens der sozial-familiären Beziehung vorliegen müssen.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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unter Heranziehung der Gesetzessystematik: Die anfechtungsberechtigte Behörde muss keinen Anfangsverdacht geltend machen (§ 171 Abs. 2 S. 3 FamFG). Muss noch nicht einmal die anfechtungsberechtigte Behörde für einen schlüssigen Anfechtungsantrag Anhaltspunkte zum Bestehen des Auseinanderfallens von biologischer und rechtlicher Vaterschaft vortragen, so kann dies erst recht nicht von einer öffentlichen Stelle für den geringeren Eingriff der bloßen Mitteilung verlangt werden. Auch der Sinn und Zweck des VaAnfRErgG, möglichst viele missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen aufzudecken, wird effektiver erfüllt, wenn an eine Mitteilungspflicht keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.113 Einziges Problem einer solchen Auslegung des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. ist folgendes: Selbst wenn die öffentliche Stelle von der biologischen Vaterschaft des rechtlichen Vaters Kenntnis hat, könnten gleichwohl Anhaltspunkte für die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. vorliegen, so dass grundsätzlich eine Mitteilungspflicht bestünde. De lege lata ist § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. insofern teleologisch zu reduzieren, dass trotz Vorliegens von Anhaltspunkten für § 1600 Abs. 3 BGB n. F. bei Kenntnis von der biologischen Vaterschaft des rechtlichen Vaters, eine Mitteilungspflicht ausgeschlossen ist. Sollte es dennoch in einem solchen Fall zu einer Mitteilung an die Ausländerbehörde kommen, obliegt es dieser, einen solchen Fall auszufiltern, so dass er die anfechtungsberechtigte Behörde nicht erreicht. 2. Mitteilungspflichtige Verdachtsfälle Es stellt sich die Frage, in welchen konkreten Fällen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht begründen, dass zwischen Mann und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht und dass durch die Vaterschaftsanerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für den Aufenthalt in Deutschland für einen Beteiligten geschaffen wurden. In der Regel werden mehrere Anhaltspunkte gegeben sein müssen, die kumulativ auf das Vorliegen der beiden besonderen behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen schließen lassen und eine Mitteilungspflicht begründen.114 So reicht zum Beispiel allein der Umstand, dass ein Beteiligter der Vaterschaftsanerkennung ei113 Im Ergebnis so auch: Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke: BT-Drucks. 16/2433, S. 3; Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BTDrucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), Öffentliche Anhörung, S. 42, der bei der Frage, was mit „behördlich anfechtbar“ im Zusammenhang mit § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. gemeint ist, einen Vergleich zu § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. zieht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass bei § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. alle drei materiellen Anfechtungsvoraussetzungen gemeint sein müssen, weil ein anderer Wortlaut als bei § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. gewählt wurde. Mit „Voraussetzungen“ im Sinne des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. seien demnach nur die Voraussetzungen gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F. gemeint. 114 So im Ergebnis auch Gaaz, StAZ 2007, 75 (82).

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

nen ungesicherten Aufenthaltsstatus hat, dass der rechtliche Vater von dem Kind räumlich weit entfernt lebt, dass ein großer Altersunterschied zwischen Mann und Mutter besteht oder dass Mann und Mutter sich nicht in einer Sprache verständigen können, nicht aus, um eine Mitteilungspflicht zu begründen.115 Erkennt hingegen ein Mann zum vermehrten Male Vaterschaften an und haben stets die Mütter eine ausländische Staatsangehörigkeit, liegt ein hinreichender Missbrauchsverdacht vor.116 Hat die öffentliche Stelle Kenntnis von der Zahlung eines Geldbetrages für die Vaterschaftsanerkennung, reicht allein dieser Umstand für die Begründung der Mitteilungspflicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. aus.117 Anders als bei der „Scheinehe“, wo die Zahlung eines Geldbetrages in manchen Kulturkreisen auch heute noch als Mitgift üblich ist118, ist eine Zahlung für eine Vaterschaftsanerkennung aus anderen Gründen als der Aufenthaltssicherung nicht denkbar. Auch die Kenntnis, dass mehrere ausländische Männer die Vaterschaft von demselben deutschen Kind pränatal anerkennen, lässt unmittelbar den Schluss auf einen begründeten Missbrauchsverdacht zu.119 Weiterer Anhaltspunkte bedarf es nicht, denn eine deutsche Mutter wird nicht mehreren Vaterschaftsanerkennungen „gutgläubig“ zustimmen, weil sie bei allen Männern vermutet, sie seien die leiblichen Väter. Es bleibt festzuhalten, dass in der Regel erst das Zusammentreffen mehrerer Anhaltspunkte konkrete Tatsachen im Sinne des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. begründen kann. Aufgrund der unterschiedlichen Fallkonstellationen, in denen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen auftreten können, muss eine schematische Aufstellung, welche Anhaltspunkte kumulativ zu einem begründeten Missbrauchsverdacht führen, unterbleiben.120 Das führt dazu, dass in der Praxis eine einzelfallbezogene Beurteilung der Frage, ob und wann es sich um konkrete Tatsachen im Sinne des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. handelt, erfolgen muss. Hierbei bewegen sich die öffentlichen Stellen auf einem 115 Bezogen auf das Getrenntleben von Mann und Kind so auch Helms, StAZ 2007, 69 (75); Heinhold, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 57; a. A. Gaaz, StAZ 2007, 75 (81). Gaaz, StAZ 2007, 75 (81) ist der Ansicht, dass auch diese Aspekte allein auf einen begründeten Missbrauchsverdacht hindeuten. 116 BT-Drucks. 16/3291, S. 16; Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5; ders., StAZ 2007, 75 (81); Grün, FuR 2006, 497 (500). 117 BT-Drucks. 16/3291, S. 16; Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5; ders., StAZ 2007, 75 (82); Grün, FuR 2007, 497 (500). 118 Siehe hierzu explizit Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (84), Fn. 31; Conring, S. 215. 119 So auch Gaaz, StAZ 2007, 75 (81), der zwar lediglich von „Vaterschaftsanerkennungen mehrerer Männer zu demselben Kind mit gesichertem Aufenthaltsstatus spricht“; hiermit muss er allerdings die pränatale Vaterschaftsanerkennung meinen, da anderenfalls mehrere Vaterschaftsanerkennungen zu demselben Kind aufgrund der Beischreibung im Geburtenbuch nicht möglich sind. 120 Gaaz, StAZ 2007, 75 (82).

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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schmalen Grat, denn auf der einen Seite reichen bloße Vermutungen für eine Mitteilungspflicht nicht aus, auf der anderen Seite ist die Offenkundigkeit der besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. nicht erforderlich.121 Will man dem Einwand, binationale Familien werden unter Generalverdacht gestellt122, begegnen, muss mit der Annahme eines konkreten Missbrauchsverdachts allerdings restriktiv verfahren werden.123 3. Keine Mitteilungspflicht bei Ablehnung der Beurkundung? Sind die materiellen Voraussetzungen einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung offenkundig bzw. erkennbar, so müssen die beurkundenden Stellen die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung ablehnen (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. bzw. § 4 BeurkG). Hat das Beurkundungsorgan die Beurkundung abgelehnt, so besteht keine rechtliche Vaterschaft, die angefochten werden könnte. Das bedeutet, dass auch keine konkreten Tatsachen im Sinne des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. bestehen können, die die Annahme rechtfertigen, dass die materiellen Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht gegeben sind. Allein dem Wortlaut des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. nach zu beurteilen, besteht somit keine Mitteilungspflicht der beurkundenden Stelle, wenn die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung abgelehnt wurde.124 Das kann in der Praxis zu folgendem Ablauf führen: Die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung suchen mehrere Beurkundungsorgane auf, bis sie schließlich eines finden, das die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung nicht gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. bzw. § 4 BeurkG ablehnt. Wenn die beurkundende Stelle, die die Beurkundung schließlich vollzieht, keinen mitteilungspflichtigen Verdacht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. schöpft, so werden die Ausländerbehörde bzw. die anfechtungsberechtigte Behörde auf den Fall nicht aufmerksam. Allenfalls dann, wenn die Ausländerbehörde im Zusammenhang mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für den von der Vaterschaftsanerkennung profitierenden Beteiligten aufgrund der Aktenlage selbst zu dem Ergebnis kommt, dass hinreichende Anhaltspunkte für ein behördliches Anfechtungsrecht gegeben sind (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.) oder wenn eine andere öffentliche Stelle als das Beurkundungsorgan der Ausländerbehörde ihren Missbrauchsverdacht mitteilt, kann dem Verdacht der Missbräuchlichkeit 121

Gaaz, StAZ 2007, 75 (81). Stöcker-Zafari, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 7; dies., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 28; Piening, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 19. 123 So auch Helms, StAZ 2007, 69 (75). 124 So im Ergebnis auch Beinkinstadt, JAmt 2007, 342 (345); Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 7. 122

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

nachgegangen werden. Aber selbst dann oder wenn das Beurkundungsorgan, das letztlich die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung vollzogen hat, der Ausländerbehörde gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. einen Missbrauchsverdacht mitteilt, entzieht es sich der Kenntnis der Ausländerbehörde, dass die Beurkundung vorab von anderen beurkundenden Stellen abgelehnt wurde. Diese Information ist für die Ausländerbehörde, die den Verdacht eingeschränkt prüft125, jedoch regelmäßig von Bedeutung. Dass im Fall der Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung keine Mitteilungspflicht besteht, kann zu einer Verschleierung von Missbrauchsfällen führen. Fraglich ist, ob dies mit dem Willen des Gesetzgebers in Einklang steht. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung bei Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG von ihrem Vorhaben absehen. Daher bestand seiner Ansicht nach nicht die Notwendigkeit, eine Mitteilungspflicht im Fall der Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung einzuführen. Wille des Gesetzgebers ist es allerdings, mit dem VaAnfRErgG möglichst viele Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern bzw. zu beseitigen. Diesem Ziel kann besser Rechnung getragen werden, wenn eine Mitteilungspflicht gegenüber der Ausländerbehörde auch bei Ablehnung der Beurkundung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG besteht. Eine solche sollte daher gesetzlich normiert werden. Aber selbst nach bisheriger Rechtslage sorgt ein Erst-Recht-Schluss dafür, dass die Ausländerbehörde bei Ablehnung der Beurkundung von dem Beurkundungsorgan hierüber informiert werden muss: Existiert eine Mitteilungspflicht bereits dann, wenn die öffentliche Stelle von einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung lediglich in der Intensität eines auf konkreten Tatsachen beruhenden Verdachts ausgeht (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.), so muss die Ausländerbehörde erst recht unterrichtet werden, wenn anstelle eines bloßen Verdachts die Offenkundigkeit der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung vorliegt, selbst wenn das Beurkundungsorgan die Gefahr vermeintlich durch Ablehnung der Beurkundung gebannt hat. 4. Ausnahme für Jugendämter Das Jugendamt ist zur Mitteilung nach § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. nur verpflichtet, soweit dadurch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben nicht gefährdet wird (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 4 AufenthG n. F.).126 Diese eingeschränkte 125

Siehe hierzu unten S. 181–183. Darüber hinaus besteht gemäß § 88 AufenthG eine für alle öffentlichen Stellen geltende Übermittlungssperre, wenn der Mitteilung besondere gesetzliche Verwen126

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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Mitteilungspflicht soll Interessenkollisionen, die dadurch entstehen können, dass das Jugendamt verpflichtet ist, Eltern und Kindern seine Hilfe anzubieten, vermeiden.127 Ob von der eingeschränkten Mitteilungspflicht für die Jugendämter abgesehen werden sollte, war bereits beim Erlass des VaAnfRErgG ein Streitpunkt.128 Die Befürworter der Vorschrift wiesen darauf hin, dass eine uneingeschränkte Mitteilungspflicht für von Abschiebung bedrohte Familien eine abschreckende Wirkung hätte. Das führe dazu, dass die Familien sich dem Jugendamt nicht anvertrauen würden und dieses dann seinem Hilfe- und Schutzauftrag für ausländische Kinder nicht mehr nachkommen könne.129 Die Gegner der eingeschränkten Mitteilungspflicht sind der Ansicht, dass eine solche Regelung dazu führt, dass die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung sich nur noch an das Jugendamt zur Beurkundung ihrer Erklärung wenden werden. Immerhin hätten sie dort eine Aufdeckung des Rechtsmissbrauchs nicht zu befürchten.130 Das führe wiederum dazu, dass der Ausländerbehörde die nötigen Informationen zur Aufdeckung des Missbrauchs entgingen.131 Diese Ansicht verkennt, dass die Jugendämter lediglich eingeschränkt mitteilungspflichtig und nicht generell von der Unterrichtungspflicht ausgeschlossen sind. Die Mitteilungspflicht besteht nur dann nicht, wenn dadurch die Aufgabenerfüllung des Jugendamtes gefährdet ist (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 4 AufenthG n. F.). Die Aufgabenerfüllung ist aber nur dann gefährdet, wenn das Jugendamt überhaupt mit Aufgaben innerhalb der Familie betraut ist.132 Hierfür muss ein Hilfeverhältnis zwischen der Familie und dem Jugendamt bestehen, welches über die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung hinausgeht.133 Besteht ein solches Hilfeverhältnis nicht, so ist das Jugend-

dungsregelungen entgegenstehen. Besondere Verwendungsregelungen sind Vorschriften, die die Verwendung von Daten über die allgemeine Zweckbindung hinaus einschränken, insbesondere die Berufs- und Amtsgeheimnisse: Kluth/Maaßen/Hund/Kluth, Zuwanderungsrecht, § 8, Rn. 80. 127 BT-Drucks. 16/3291, S. 17. 128 Der Bundesrat stellte den Antrag, die Jugendämter nicht nur zur eingeschränkten Mitteilungspflicht zu verpflichten; siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 146 f. 129 Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 2, 6; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 15 f., 61. 130 Heinz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 8. 131 Richter, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5 f.; auch aus diesem Grund empfahlen der Rechts- und der Innenausschuss des Bundesrates, hierzu Stellung zu nehmen: BR-Drucks. 624/1/06, S. 2. 132 Siehe zu den expliziten Aufgaben der Jugendämter Hauck/Noftz/Hauck, SGB VIII, E 100, S. 2–4; Erlenkämper/Fichte/Fichte, Sozialrecht, SGB VIII, Rn. 3–5, S. 603–604; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 573–577. 133 BT-Drucks. 16/3291, S. 17; Beinkinstadt, JAmt 2007, 342 (344); a. A. Richter, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5, der die Aufgabenerfüllung des Jugendamtes bei jeder Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung, die dem Verdacht der Missbräuchlichkeit unterliegt, gefährdet sieht, weil allein der Aspekt, das Kind könne die

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

amt als beurkundende Stelle dazu verpflichtet, den Verdacht der Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung mitzuteilen. Die Befürchtung, nur das Jugendamt werde als Beurkundungsorgan bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung aufgesucht, weswegen die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung nicht mehr aufgedeckt würde, ist unbegründet. Sicherlich werden den Ausländerbehörden durch die eingeschränkte Mitteilungspflicht Informationen entgehen. Hierbei ist allerdings beachtlich, dass auch eine andere öffentliche Stelle, zum Beispiel der die Vaterschaftsanerkennung beischreibende Standesbeamte, einen begründeten Missbrauchsverdacht haben und diesen dann der Ausländerbehörde mitteilen kann.134 Die Ausländerbehörde könnte sich dann, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 AufenthG, auf Ersuchen beim Jugendamt die nötigen Informationen beschaffen. Mit der eingeschränkten Mitteilungspflicht ist eine ausgewogene Lösung gefunden worden, die sowohl die Aufgabe der Jugendämter nach dem SGB VIII, den Kindern/Jugendlichen/Familien helfend und unterstützend zur Seite zu stehen respektiert, als auch dem Gesetzeszweck, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen wirksam zu begegnen, hinreichend Rechnung trägt. Von der eingeschränkten Unterrichtungspflicht der Jugendämter gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 4 AufenthG n. F. sollte daher nicht abgewichen werden. 5. Mitteilung direkt an anfechtungsberechtigte Behörde? Man kann sich die Frage stellen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, die anfechtungsberechtigte Behörde anstelle der Ausländerbehörde als Adressat der Mitteilungspflicht aus § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. zu bestimmen. So war es in dem vom BMJ vorgelegten Referentenentwurf zum VaAnfRErgG ursprünglich vorgesehen (§ 90 Abs. 4 AufenthG RefE).135 Dafür könnte sprechen, dass der Missbrauchsverdacht unmittelbar der Behörde mitgeteilt wird, die über die Anfechtung der Vaterschaft entscheidet. Das könnte dazu führen, dass es schneller zu einer Anfechtung der Vaterschaft seitens der Behörde kommen könnte. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich die anfechtungsberechtigte Behörde an die Ausländerbehörde wenden würde, um sich über den aufenthaltsrechtlichen Status der Beteiligten zu informieren. Dann müsste die Ausländerbehörde – wie bei einer an sie gerichteten Mitteilung gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG – den Fall eingeschränkt prüfen, so dass eine

deutsche Staatsangehörigkeit durch die behördliche Vaterschaftsanfechtung verlieren, dem Kindeswohl widerspreche. 134 Gaaz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 51. 135 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft v. 3.4.2006, abgedruckt in FamRZ 2006, 990 (991).

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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schnellere Umsetzung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung nicht möglich wäre.136 Außerdem kann die Ausländerbehörde einen unbegründeten mitgeteilten Missbrauchsverdacht unter Umständen ausfiltern bevor er die anfechtungsberechtigte Behörde erreicht. Damit stellt die Ausländerbehörde eine weitere Hürde dar, die im Verfahren bis hin zur behördlichen Vaterschaftsanfechtung überwunden werden muss. Das führt dazu, dass die anfechtungsberechtigte Behörde sich nicht mit unbegründeten Verdachtsfällen auseinandersetzten muss. Dies ist wiederum auch im Interesse der von der Vaterschaftsanerkennung mit aufenthaltsrechtlichem Bezug Betroffenen. Dass die öffentlichen Stellen gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. die zuständige Ausländerbehörde und nicht die anfechtungsberechtigte Behörde zu unterrichten haben, ist somit sinnvoll. 6. Stellungnahme und Zusammenfassung Öffentliche Stellen sind gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. verpflichtet, gegenüber der Ausländerbehörde Mitteilung abzugeben, wenn sie Kenntnis erlangen von konkreten Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) gegeben sind. Von der Mitteilungspflicht richtigerweise ausgeschlossen sind die Jugendämter, wenn ansonsten die Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet würde (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 4 AufenthG n. F.). Meistens wird erst das kumulative Vorliegen mehrerer Merkmale einen begründeten Missbrauchsverdacht hervorrufen, so zum Beispiel, wenn der Mann zum vermehrten Male Kinder anerkennt und die Mütter stets eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Vom reinen Wortlaut her besteht keine Mitteilungspflicht bei Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG. Um dem Gesetzeszweck besser gerecht zu werden, muss auch in einem solchen Fall bereits de lege lata Mitteilung gegenüber der Ausländerbehörde abgegeben werden. Besser wäre die gesetzliche Normierung einer Mitteilungspflicht in diesem konkreten Fall. Die sich aus § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. ergebene Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen ist einer der Bausteine der repressiven Vorschriften des VaAnfRErgG. Sie ist erforderlich, damit die anfechtungsberechtigte Behörde über die Ausländerbehörde von den Missbrauchsfällen Kenntnis erlangt. Auf die Unterrichtungspflicht des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. kann daher nicht, wie vorgeschlagen137, verzichtet werden. 136 Dies bestätigte die Bundestagsabgeordnete Granold in einem am 25.6.2008 erfolgten Interview. 137 Heinhold, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 57.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

II. Aufgabe der Ausländerbehörden und der Auslandsvertretungen Inwiefern die Ausländerbehörden und die Auslandsvertretungen repressiv an der Umsetzung des VaAnfRErgG beteiligt sind, wird in diesem Abschnitt erläutert. 1. Mitteilungspflicht Es besteht eine Mitteilungspflicht der Ausländerbehörde und der Auslandsvertretung unmittelbar gegenüber der anfechtungsberechtigten Behörde (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Voraussetzung ist, dass Kenntnis von konkreten Tatsachen erlangt wurde, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein Anfechtungsrecht nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. vorliegen. Der Begründung zum Gesetzentwurf ist zu entnehmen, dass sich der Wortlaut des § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. an dem Wortlaut des § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG138, der die Frist bei der Rücknahme rechtwidriger Verwaltungsakte bestimmt, orientiert. Es heißt, die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts sei mit der Anfechtbarkeit der Vaterschaft vergleichbar.139 Den beiden Normen ist ein wesentlicher Unterschied allerdings immanent. Bei § 48 Abs. 4 VwVfG geht es nur noch darum, wie lange die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes möglich ist. Dass es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, der zurückgenommen werden soll, hat die über die Rücknahme des Verwaltungsaktes entscheidende Behörde bereits beschlossen. Bei § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. geht es hingegen erst um die Mitteilung der Ausländerbehörde an die anfechtungsberechtigte Behörde. Diese hat noch keine Entscheidung getroffen, ob die Anfechtung der Vaterschaft betrieben wird. Eine wortlautgetreue Übernahme des § 48 Abs. 4 VwVfG ist somit im Zusammenhang mit der Frist der Vaterschaftsanfechtung, wo es bereits um die Anfechtung der Vaterschaft und nicht erst um eine Vorstufe geht, angebrachter. a) Mitteilung durch die Ausländerbehörde Die Ausländerbehörde kann Kenntnis von konkreten Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht vorliegen, auf zwei Wegen erhalten. Zum einen kann ihr ein Missbrauchsverdacht von einer öffentlichen Stelle gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. mitgeteilt worden sein. Zum anderen kann sie selbst Kenntnis von 138 § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG lautet: „Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.“ 139 BT-Drucks. 16/3291, S. 17.

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konkreten Tatsachen anlässlich eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels, der auf einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung basiert, erlangen.140 aa) Vorherige Prüfpflicht Erhält die Ausländerbehörde eine Mitteilung von einer öffentlichen Stelle gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F., so ist ihr die Aufgabe übertragen, die konkreten Tatsachen hinsichtlich eines begründeten Missbrauchsverdachts im Rahmen ihrer Sachkompetenz zu prüfen.141 Im Rahmen ihrer Sachkompetenz wird sie stets die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erforderlichen Voraussetzungen prüfen können. In diesem Zusammenhang kann sie auch Kenntnisse hinsichtlich des Bestehens/Nichtbestehens einer sozial-familiären Beziehung erlangen. Damit kann die Ausländerbehörde unbegründete Verdachtsfälle ausfiltern, bevor sie die anfechtungsberechtigte Behörde erreichen. Gelangt die Ausländerbehörde nach der Prüfung des Sachverhalts ihrerseits zu dem Ergebnis, dass konkrete Anfechtungstatsachen vorliegen, muss sie die anfechtungsberechtigte Behörde gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. von den Umständen unterrichten. (1) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch nicht gestellt Hat der von der Vaterschaftsanerkennung Profitierende bei Mitteilung an die Ausländerbehörde nach § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch nicht gestellt, so muss die Ausländerbehörde hypothetisch prüfen, ob in dem ihr mitgeteilten Fall eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen wäre. Soll der Mann, der die Vaterschaft anerkennt, von der Anerkennung aufenthaltsrechtliche Folgen ableiten (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 4 AufenthG), so wird 140 So in dem Fall VG München, Beschl. v. 18.9.2008 – M 4 E 08.3433 = juris, insbes. Rn. 23; dort hat die Ausländerbehörde der Regierung von Mittelfranken (anfechtungsberechtigte Behörde) einen Missbrauchsverdacht gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. mitgeteilt. In dem zu entscheidenden Fall lebte die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörige, die ihren Aufenthalt von ihrem deutschen Kind ableiten wollte mit ihrem früheren serbisch-montenegrischen Ehemann, mit dem sie bereits zwei Kinder hat, zusammen. Beide Ehepartner gingen eine Ehe mit einem in Deutschland wohnenden aufenthaltsberechtigten Ausländer ein. Beide Ehen wurden geschieden. Nun erkannte der deutsche Ehemann der Mutter des serbisch-montenegrischen Mannes für das Kind die Vaterschaft an. 141 BT-Drucks. 16/3291, S. 17; Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5; a. A. Helms, StAZ 2007, 69 (70), der meint, die Ausländerbehörde habe die Informationen lediglich an die anfechtungsberechtigte Behörde weiterzuleiten; dies steht allerdings im direkten Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers, der der Begründung des Gesetzentwurfs zu entnehmen ist.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

die Ausländerbehörde prüfen, ob zwischen Mann und Kind eine familiäre Lebensgemeinschaft besteht. Nur bei Bestehen einer solchen wäre der Mann zum Familiennachzug berechtigt (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Um herauszufinden, ob eine familiäre Lebensgemeinschaft besteht, könnte die Ausländerbehörde von der Möglichkeit Gebrauch machen, andere öffentliche Stellen, zum Beispiel das Jugendamt, um Mithilfe zu ersuchen (§ 87 Abs. 1 AufenthG). Da gewisse Überschneidungen zwischen einer familiären Lebensgemeinschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 AufenthG und einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. bestehen142, erlangt die Ausländerbehörde bei ihren Ermittlungen gleichzeitig Informationen über die behördliche Anfechtungsvoraussetzung des Nichtbestehens der sozial-familiären Beziehung zwischen Mann und Kind. Das bedeutet, dass die Ausländerbehörde zwar prüft, ob in dem konkreten Missbrauchsverdachtsfall der Mann aufenthaltsrechtliche Vorteile von der Vaterschaftsanerkennung ableiten kann, dass sie in diesem Zusammenhang aber gleichzeitig Kenntnis über das Bestehen/Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung erlangt, ohne dabei ihren Zuständigkeitsbereich zu überschreiten. Gleiches gilt für den Fall, in dem das Kind von der Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtlich profitiert (§§ 32, 29 AufenthG bzw. §§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG), es die deutsche Staatsangehörigkeit aber nicht erhält. Anders stellt sich der Fall dar, wenn die Ausländerbehörde einem Missbrauchsverdacht nachgehen muss, bei dem das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten (§ 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG) und die Mutter (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) aufenthaltsrechtliche Vorteile erlangen soll. Prüft die Ausländerbehörde, ob für die Mutter durch die Vaterschaftsanerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für den Aufenthalt geschaffen werden können, so ist hierbei von Bedeutung, ob zwischen Mutter und Kind eine familiäre Lebensgemeinschaft gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG besteht. Informationen über das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft und somit einer sozial-familiären Beziehung zwischen Mann und Kind kann sie in diesem Zusammenhang nicht einholen. Nachforschungen diesbezüglich würden ihren Zuständigkeitsbereich überschreiten. (2) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bereits gestellt Teilt eine öffentliche Stelle der Ausländerbehörde einen Missbrauchsverdacht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. mit und hat die von der Vaterschaftsanerkennung profitierende Partei einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits gestellt, so wird die Ausländerbehörde leicht feststellen können, ob durch die Vaterschaftsanerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt in Deutschland (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) geschaffen wurden. Ist die Voraussetzung nicht erfüllt, weil der Aufenthaltstitel nicht er142

Siehe hierzu unten fünftes Kapitel, S. 212–214.

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teilt wurde, so ist der Missbrauchsverdacht unbegründet; es sei denn, das Kind hat durch die Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt und der Aufenthaltstitel der Mutter wurde abgelehnt. Wurde der Aufenthaltstitel hingegen dem Vater oder dem Kind erteilt, so wird die Ausländerbehörde neben dem aufenthaltsrechtlichen Aspekt des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. auch beurteilen können, ob eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind besteht. Wurde der Mutter die Aufenthaltserlaubnis erteilt, kann keine Aussage hinsichtlich einer sozial-familiären Beziehung zwischen Mann und Kind getroffen werden. (3) Stellungnahme Es lässt sich festhalten, dass die Ausländerbehörde bei einem ihr mitgeteilten Missbrauchsverdachtsfall stets zu prüfen hat, ob die aufenthaltsrechtliche Voraussetzung des § 1600 Abs. 3 BGB erfüllt ist. Es wäre verfehlt, ihr auch eine Prüfpflicht hinsichtlich der besonderen Anfechtungsvoraussetzung des Nichtbestehens einer sozial-familiären Beziehung zwischen Mann und Kind (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) aufzuerlegen, denn hierbei würde sie außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs tätig. Unabhängig davon wird die Ausländerbehörde allerdings in einigen Konstellationen beurteilen können, ob der Verdacht, es bestehe keine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind, begründet ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn sie im Rahmen der aufenthaltsrechtlichen Frage zu prüfen hat, ob eine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Kind gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG besteht. Kommt sie hierbei zu dem Ergebnis, dass die aufenthaltsrechtliche Voraussetzung des § 1600 Abs. 3 BGB erfüllt ist, weil eine familiäre Lebensgemeinschaft und in der Folge auch eine sozial-familiäre Beziehung besteht, so muss sie den ihr mitgeteilten Missbrauchsverdachtsfall auszufiltern. Eine Mitteilung gegenüber der anfechtungsberechtigten Behörde gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. darf nicht erfolgen. bb) Konkrete Tatsachen Wie bei der Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. muss auch für die Mitteilungspflicht des § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. aufgrund übereinstimmenden Wortlauts Bezugspunkt der konkreten Tatsachen die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. sein. Hinsichtlich der Frage, wann solche vorliegen, verweist die Begründung des Gesetzentwurfs zum VaAnfRErgG auf die Ausführungen zu den konkreten Tatsachen bei der Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen.143 Grundsätzlich könnte man daher davon ausgehen, dass nach beiden Vorschriften 143

BT-Drucks. 16/3291, S. 17.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

konkrete Tatsachen in den gleichen Fallkonstellationen anzunehmen sind. Bei genauer Betrachtung der beiden Normen, wäre eine solche Annahme allerdings verfehlt. Der Gesetzgeber verlangt im Zusammenhang mit § 90 Abs. 5 AufenthG n. F., dass die Ausländerbehörde, bevor sie der anfechtungsberechtigten Behörde Mitteilung abgibt, den Sachverhalt zumindest hinsichtlich der ausländerrechtlichen Komponente prüft. So lautet die Begründung des Gesetzentwurfs unter anderem: „Der Tatbestand verlangt in Abwägung zwischen dem Gebot effektiver Sachverhaltsermittlung einerseits und der Vermeidung bloßer Verdachtsmeldungen andererseits das Vorliegen konkreter Tatsachen“.144 Das bedeutet, dass der Missbrauchsverdacht auf konkreten Tatsachen beruht, die von der Ausländerbehörde, unter anderem auch unter Gebrauch der Mitteilungspflicht auf Ersuchen (§ 87 Abs. 1 AufenthG), geprüft wurden. Bei der Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. hat der Gesetzgeber festgelegt, dass die Kenntnis von den konkreten Tatsachen nur im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben erlangt worden sein durfte. Weitere Nachforschungen sollen und dürfen die öffentlichen Stellen nicht betreiben. Die konkreten Tatsachen der öffentlichen Stellen, die auf einen Missbrauchsverdacht schließen lassen, beruhen daher auf keinerlei Sachverhaltsermittlungen.145 Aus diesem Grund müssen die konkreten Tatsachen im Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen einem anderen Maßstab unterliegen als die konkreten Tatsachen im Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht der Ausländerbehörde. Ein solches Ergebnis erscheint auch unter Berücksichtigung der Aufgabe der Ausländerbehörde sinnvoll. Sie soll sich, bevor die anfechtungsberechtigte Behörde von dem Fall Kenntnis erlangt, von der Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung überzeugen und unbegründete Verdachtsmomente ausfiltern. Würde die Ausländerbehörde stets in den gleichen Fällen wie die öffentliche Stelle von einem Missbrauchsverdacht ausgehen, so könnte die Ausländerbehörde ungeprüft den Fall der anfechtungsberechtigten Behörde weiterleiten. Dann könnte auch eine direkte Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen an die anfechtungsberechtigte Behörde erfolgen, was wiederum nicht sinnvoll wäre.146 b) Mitteilung durch die Auslandsvertretung Die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen können gemäß § 71 Abs. 2 AufenthG selbständig Visa im Sinne des § 6 AufenthG an Ausländer erteilen. Ein Visum wird für einen längerfristigen Aufenthalt gewährt. Die Vo144 145 146

BT-Drucks. 16/3291, S. 17. Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 160–163. Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 178 f.

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raussetzungen für die Erteilung eines Visums stimmen mit denen für eine Aufenthaltserlaubnis bzw. eine Niederlassungserlaubnis überein.147 Daher werden auch die Auslandsvertretungen mit Anträgen konfrontiert, die auf die Erteilung eines Visums aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung abzielen. So kann zum Beispiel ein Visum für eine ausländische Mutter eines deutschen Kindes, das die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Mannes erlangt hat (§ 4 Abs. 1 StAG), zum Zwecke des Familiennachzuges gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erteilt werden. Aus diesem Grund treten zwangsläufig auch bei Auslandsvertretungen Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen auf. Liegen konkrete Anhaltspunkte vor, die die Annahme eines behördlichen Anfechtungsrecht rechtfertigen, so muss die Auslandsvertretung diese der anfechtungsberechtigten Behörde mitteilen (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Fraglich ist, weswegen die Auslandsvertretungen anders als die anderen öffentlichen Stellen nicht gegenüber der Ausländerbehörde, sondern gegenüber der anfechtungsberechtigten Behörde mitteilungspflichtig sind.148 Aufgabe der Ausländerbehörde ist es, den von den öffentlichen Stellen mitgeteilten Missbrauchsverdacht (zumindest) auf die aufenthaltsrechtlichen Anfechtungsvoraussetzungen hin zu prüfen. Diese Prüfung hat die Auslandsvertretung bereits im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Antrags auf Visumserteilung vorgenommen. Eine nochmalige Prüfung seitens der Ausländerbehörde wäre eine unnötige Doppelbelastung. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, dass die Auslandsvertretung die konkreten Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen der behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen hindeuten, nicht erst der Ausländerbehörde, sondern direkt der anfechtungsberechtigten Behörde mitteilt. 2. Aussetzung der Entscheidung über die Erteilung/Verlängerung eines Aufenthaltstitels Die Ausländerbehörden und die Auslandsvertretungen sind für die Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln zuständig (§ 71 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG).149 Gemäß § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. müssen sie Entscheidungen über Anträge auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels, bei dem der beantragende Ausländer in einem Verfahren der behördlichen Vaterschaftsanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.), Partei, Beigeladener, Beteilig147

Renner, Ausländerrecht, § 6 AufenthG 6.4.1; § 6 AufenthG, Rn. 35. § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. ist lex specialis zu § 87 Abs. 2 AufenthG: BT-Drucks. 16/3291, S. 17. 149 Die Zuständigkeit der Auslandsvertretungen ist beschränkt auf die Erteilung oder Verlängerung von Visa, während die Ausländerbehörden alle Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis und Visum, § 4 Abs. 1 AufenthG) bearbeiten dürfen. 148

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ter oder gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu deren Rechtskraft, aussetzen, es sei denn über den Aufenthaltstitel kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden. Die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung bleibt von der Aussetzung der Entscheidung unberührt.150 Die Aussetzung der Entscheidung soll nicht zur Abschiebung der Person führen, über deren Antrag die Entscheidung ausgesetzt wurde.151 Dem beantragenden ausländischen Elternteil soll gemäß § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG eine Duldung erteilt werden. Eine solche wird erteilt, wenn die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Aus rechtlichen Gründen soll die Abschiebung aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG unmöglich sein. Hält die beantragende Person sich rechtmäßig ohne Aufenthaltstitel in Deutschland auf, so soll ihr Aufenthalt bis zur Entscheidung als erlaubt gelten (§ 81 Abs. 3 AufenthG). Wenn der Ausländer lediglich die Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt, so soll der bisherige Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung fortgelten (§ 81 Abs. 4 AufenthG).152 Eine Vorschrift, die das Aussetzen der Entscheidung über die Verlängerung oder Erteilung eines Aufenthaltstitels bei einem anhängigen oder einem in Vorbereitung stehenden Anfechtungsverfahren bestimmt, ist laut Gesetzesbegründung erforderlich, weil von der Behörde nicht verlangt werden kann, „sehenden Auges ein Verfahren zu betreiben, bei dem die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung eine zentrale Rolle spielt, ohne dass die Rechtsbeständigkeit dieser Anerkennung geklärt ist.“153 Dass mit der Einführung der Vorschrift sicherlich nicht nur an das Wohl der Mitarbeiter in den Ausländerbehörden gedacht wurde, sondern dass mit der Vorschrift auch verhindert werden soll, dass Aufenthaltstitel erteilt werden, die später in aufwendigen und kostspieligen Verfahren wieder zurückgenommen werden, kann nicht von der Hand gewiesen werden. a) Aussetzung des Verfahrens nicht notwendig Das Kind, die Mutter und der rechtliche Vater sind gemäß § 172 Abs. 2 FamFG stets Beteiligter des Verfahrens. Über ihren Aufenthaltstitel kann dann ohne Rücksicht auf den Ausgang des behördlichen Anfechtungsverfahrens gemäß § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. entschieden werden, wenn die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung die Entscheidung über den Aufenthaltstitel nicht tangiert. Dies könnte in den Fällen gelten, in denen das anerkannte Kind 150

Frank, StAZ 2006, 281 (285). BT-Drucks. 16/3291, S. 16; Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4); vgl. hierzu auch LSG Niedersachsen-Bremen v. 15.06.2009 – L 11 AY 27/09 B ER = juris, Rn. 30. 152 BT-Drucks. 16/3291, S. 16; Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4). 153 BT-Drucks. 16/3291, S. 16; ebenso Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4). 151

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oder der die Vaterschaft anerkennende Mann die Erteilung eines Aufenthaltstitels begehrt. Ist für die Ausländerbehörde erkennbar, dass keine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht bzw. begründet werden soll (§ 27 Abs. 1 AufenthG), so erfolgt die Versagung des Antrags unabhängig von dem Bestand der Vaterschaftsanerkennung. Auch bei nur mittelbar von dem Vaterschaftsanfechtungsverfahren Betroffenen könnte die Entscheidung hinsichtlich des Aufenthaltstitels unabhängig von dem Ausgang des Anfechtungsverfahrens getroffen und somit auf eine Aussetzung des Verfahrens verzichtet werden. Etwas anderes gilt regelmäßig für den Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels der Mutter eines anerkannten Kindes. Hat die durch die Vaterschaftsanerkennung erlangte deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes bzw. sein Aufenthaltstitel Bestand, so wird es grundsätzlich keinen Grund geben, der Mutter den begehrten Aufenthaltstitel zu versagen, denn zwischen ihr und dem Kind besteht nahezu immer eine familiäre Lebensgemeinschaft gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG. Damit wird der Ausgang des Anfechtungsverfahrens sich in der Regel auf die Entscheidung über den Aufenthaltstitel für die Mutter auswirken, so dass die Aussetzung der Entscheidung zu erfolgen hat. b) Zeitpunkt der Aussetzung Ab welchem Zeitpunkt die Ausländerbehörde die Entscheidung über den Aufenthaltstitel aussetzen muss, bestimmt § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. Es heißt: „das Verfahren ist ab Eingang der Mitteilung nach § 87 Abs. 6 oder nach § 90 Abs. 5 auszusetzen.“. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels kein Verfahren betrieben wird, sondern die zuständige Behörde eine Entscheidung trifft (§ 79 Abs. 1 S. 1 AufenthG n. F.). Die Vorschrift hätte daher eher lauten müssen: „die Entscheidung ist ab Eingang der Mitteilung [. . .] auszusetzen.“. Ein solcher Wortlaut wird auch vom Gesetzgeber gewollt gewesen sein. Die Wortlautunstimmigkeit wird dadurch entstanden sein, dass im Rahmen des § 79 Abs. 2 S. 1 AufenthG n. F. vermehrt von dem Verfahren, welches die Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. zum Gegenstand hat, die Rede ist. aa) Verweisproblem Die Entscheidung ist zum einen dann auszusetzen, wenn die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung der anfechtungsberechtigten Behörde einen Missbrauchsverdacht mitgeteilt hat (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.).154 Zum anderen ist 154 So wies das VG München, Beschl. v. 18.9.2008 – M 4 E 08.3433 = juris darauf hin, dass über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für eine bosnisch-herzegowi-

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die Entscheidung in den Fällen des § 87 Abs. 6 AufenthG n. F. auszusetzen.155 Gemäß § 87 Abs. 6 Nr. 1 AufenthG n. F. besteht bei behördlicher Vaterschaftsanfechtung eine Mitteilungspflicht der anfechtungsberechtigten Behörde gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung über die Vorbereitung oder Erhebung einer Klage oder die Entscheidung, dass von einer Klage abgesehen wird. § 87 Abs. 6 Nr. 2 AufenthG n. F. sieht eine Mitteilungspflicht des Familiengerichts gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung hinsichtlich der gerichtlichen Entscheidung vor.156 Seit Inkrafttreten des FGG-RG wird das Anfechtungsverfahren nicht durch eine Klage, sondern durch einen Antrag eingeleitet, weswegen im Folgenden entgegen dem Wortlaut des § 87 Abs. 6 Nr. 1 AufenthG n. F. nicht von „Klage“, sondern von „Antrag“ gesprochen wird. Würde man streng nach dem Wortlaut des §§ 79 Abs. 2 S. 2, 87 Abs. 6 Nr. 1 AufenthG n. F. gehen, so müsste die über den Aufenthaltstitel entscheidende Behörde die Entscheidung nicht nur dann aussetzen, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde ein Anfechtungsverfahren betreibt (§ 87 Abs. 6 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG n. F.), sondern auch dann, wenn sie von Anfechtung absieht (§ 87 Abs. 6 Nr. 1 Alt. 2 AufenthG n. F.). Wird von einem Anfechtungsantrag abgesehen, besteht über die Rechtsbeständigkeit der Vaterschaftsanerkennung keinerlei Zweifel mehr. Dann fehlt es aber auch an einem Grund für die Aussetzung der Entscheidung. Vielmehr kann das Verfahren als abgeschlossen gelten. Dann darf die Entscheidung nur bis zu diesem Zeitpunkt ausgesetzt werden (§ 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F.). Der Verweis des § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. auf § 87 Abs. 6 Nr. 1 AufenthG n. F. hätte sich daher lediglich auf die Mitteilung der anfechtungsberechtigten Behörde, dass ein Verfahren betrieben wird, beschränken müssen. Auch der Verweis auf § 87 Abs. 6 Nr. 2 AufenthG n. F. ist verfehlt. Würde man dem Verweis folgen, würde dies bedeuten, dass ab Mitteilung des Familiengerichts, dass über den Anfechtungsantrag entschieden wurde, die Entscheidung über den Aufenthaltstitel auszusetzen ist. In dem Fall, in dem der Anfechtungsantrag keinen Erfolg hat, ist jedoch die Rechtsbeständigkeit der rechtlichen Vaterschaft bestätigt worden. Dann darf aber auch keine Aussetzung der Entscheidung über den Aufenthaltstitel erfolgen. In dem Fall, in dem der Anfechtungsantrag Erfolg hat, entfällt die rechtliche Vaterschaft rückwirkend. Dann wird auch nische Staatsangehörige, die ihren Aufenthalt von ihrem deutschen Kind ableiten wollte, aufgrund einer Mitteilung der Ausländerbehörde an die vaterschaftsanfechtungsberechtigte Behörde (Regierung von Mittelfranken) gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG nicht entschieden werden könne. 155 Bis zum 1.1.2009 verwies § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. noch auf § 87 Abs. 5 und § 90 Abs. 4 AufenthG n. F. Hierbei handelte es sich um ein redaktionelles Versehen, das zum 1.1.2009 behoben wurde: BT-Drucks. 16/10288, S. 6 Nr. 9. 156 Diese Mitteilungspflichten sind erforderlich, weil das weitere Vorgehen der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung bezogen auf die zu treffende Entscheidung über den Aufenthaltstitel von dem Verlauf des Verfahrens nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. abhängt: BT-Drucks. 16/3291, S. 17.

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der Aufenthaltstitel, der auf der Vaterschaftsanerkennung beruhen soll, abgelehnt werden müssen und nicht die Entscheidung über den Aufenthaltstitel auszusetzen sein. In der Praxis wird der verfehlte Verweis keinerlei Auswirkungen haben, denn eine Aussetzung der Entscheidung würde allenfalls für eine juristische Sekunde erfolgen. § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. bestimmt nämlich, dass die Entscheidung über den Aufenthaltstitel nur bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung auszusetzen ist. Dass § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. pauschal auf § 87 Abs. 6 AufenthG n. F. verweist, ist aus oben genannten Gründen unplausibel. Vielmehr hätte lediglich auf den Fall des § 87 Abs. 6 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG n. F. verwiesen werden dürfen, in dem die anfechtungsberechtigte Behörde mitteilt, dass ein Anfechtungsverfahren durchgeführt wird. In dieser Hinsicht muss § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. de lege lata teleologisch reduziert werden, da davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Unplausibilität des Verweises nicht bezweckte. Auf Dauer sollte § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. de lege ferenda insofern geändert werden. bb) Keine Aussetzung ab Mitteilung nach § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. Auf § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. verweist § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. nicht, so dass die Entscheidung über einen gestellten Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht ausgesetzt werden kann, wenn die Ausländerbehörde von einer öffentlichen Stelle einen Missbrauchsverdacht mitgeteilt bekommt.157 Fraglich ist, ob auch in einem solchen Fall die Aussetzung der Entscheidung über den Aufenthaltstitel de lege lata oder lege ferenda erfolgen sollte. Die Frage ist aus zwei Gründen zu verneinen. Zum einen ist zu erwarten, dass auch unbegründete Missbrauchsverdachtsfälle die Ausländerbehörde erreichen werden. In solchen Fällen wäre es verfassungsrechtlich bedenklich, würde der Ausländer, der den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stellt, mit einer Entscheidung hingehalten. Zum anderen kann die Ausländerbehörde den mitgeteilten Verdacht in die Prüfung der Voraussetzungen für den Aufenthaltstitel mit einbeziehen. Kommt sie dann ihrerseits zu dem Ergebnis, dass hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen der besonderen Anfechtungsvorausset157 Zwar heißt es in BT-Drucks. 16/3291, S. 16, dass von den Behörden nicht verlangt werden kann, ein Verfahren zu betreiben, bei dem die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung eine zentrale Rolle spielt und dass dies regelmäßig Fälle betrifft, in denen eine Mitteilung nach § 87 Abs. 6 oder § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. erfolgt ist. Von dem Wort „regelmäßig“ könnte man darauf schließen, dass auch in anderen Fällen als in den von § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. genannten nicht verlangt werden kann, dass die Behörde eine Entscheidung trifft. Wäre dies der Wille des Gesetzgebers gewesen, so hätte sich dies im Gesetzestext klar wieder finden müssen.

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zungen vorliegen, so muss sie Mitteilung gegenüber der anfechtungsberechtigten Behörde abgeben (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Ab diesem Zeitpunkt ist die Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis ohnehin auszusetzen (§ 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F.). c) Das Verhältnis von § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. zu § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG Fraglich ist, wie sich die Ausländerbehörde zu verhalten hat, wenn sie über einen Aufenthaltstitel im Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung zu entscheiden hat. § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG besagt, dass die Aufenthaltserlaubnis nicht zu erteilen ist, wenn feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis allein zu dem Zweck begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Die Aussetzung der Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. muss ab dem Zeitpunkt erfolgen, ab dem die Ausländerbehörde der anfechtungsberechtigten Behörde den Missbrauchsverdacht mitgeteilt hat bzw. ab dem die anfechtungsberechtigte Behörde mitgeteilt hat, dass sie ein Anfechtungsverfahren betreibt (§§ 79 Abs. 2 S. 2, 87 Abs. 6 AufenthG n. F.). Konkret stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die Aussetzungsvorschrift des § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. zur Ablehnungsvorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG steht. Eine Kollision beider Normen kann nur in dem eher selten anzutreffenden Fall auftreten, in dem das ausländische Kind dem Mann (§§ 32, 29 AufenthG bzw. §§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG) oder der ausländische Mann dem Kind nachreisen möchte (§§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG oder §§ 36 Abs. 2, 29 AufenthG). Auf alle anderen Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung findet § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG keine Anwendung.158 Für die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG muss die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung feststehen. Eine Mitteilung an die anfechtungsberechtigte Behörde erfolgt hingegen bei Vorliegen konkreter Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, die behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen könnten gegeben sein (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Ab diesem Zeitpunkt muss die Entscheidung über den Aufenthaltstitel gemäß § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. ausgesetzt werden. Ein Missbrauchsverdacht führt somit zur Aussetzung der Entscheidung über den Aufenthaltstitel, während die feststehende Missbräuchlichkeit zur Ablehnung des Aufenthaltstitels führt. Eine solche Vorgehensweise ist vergleichbar mit der Aufgabe der beurkundenden Stellen: Ist der Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung offenkundig/erkennbar, muss die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung abgelehnt werden (§ 44 158

Siehe hierzu explizit oben viertes Kapitel, S. 121–123.

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Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG), besteht nur ein Verdacht, muss dieser der Ausländerbehörde mitgeteilt werden (§ 87 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F.). Es bleibt festzuhalten, dass sowohl für die Ablehnungsvorschrift des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG als auch für die Aussetzungsnorm des § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. grundsätzlich ein selbständiger Anwendungsbereich besteht. In der Regel wird für die Ausländerbehörde jedoch nicht feststehen, dass das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Nachziehenden den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Daher wird § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG (wie auch § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. und § 4 BeurkG159) im Zusammenhang mit missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen, nur eine geringe Bedeutung in der Praxis zukommen. d) Keine ähnliche Regelung für Passbehörden Es wird bemängelt, dass es keine mit § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vergleichsweise Aussetzungsvorschrift auch für die Passbehörden gibt.160 Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass die deutsche Staatsangehörigkeit für das Kind im Wege der Vaterschaftsanerkennung von Gesetzes wegen eintritt (§ 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG). Ein deutscher Staatsangehöriger hat einen Anspruch auf Ausstellung eines deutschen Passes.161 Bei der Frage, ob die Passbehörden einen Pass für einen deutschen Staatsbürger ausstellen müssen, handelt es sich somit nicht um eine Entscheidung mit Ermessensspielraum. Dann kann auch keine Entscheidung vergleichbar mit § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG ausgesetzt werden. 3. Zusammenfassung und Stellungnahme Den Ausländerbehörden kommt unter anderem eine zwischen der anfechtungsberechtigten Behörde und den öffentlichen Stellen vermittelnde Stellung zu. Den Missbrauchsverdacht, den die Ausländerbehörde von einer öffentlichen Stelle gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. mitgeteilt bekommt, muss sie hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Anfechtungsvoraussetzung prüfen. In diesem Zusammenhang kann sie Kenntnis hinsichtlich des Nichtbestehens einer sozial-familiären Beziehung erlangen. Erst dann, wenn auch sie davon überzeugt ist, dass es sich um einen begründeten Missbrauchsverdacht handelt, teilt sie der anfechtungsberechtigten Behörde die konkreten Anhaltspunkte mit (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Unbegründete Missbrauchsverdachtsfälle filtert sie aus. Darüber hinaus besteht eine Mitteilungspflicht der Ausländerbehörde auch dann, wenn sie 159 160 161

Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 167. Frank, StAZ 2006, 281 (285). Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 116 f.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

selbst Kenntnis von konkreten Tatsachen erlangt, die ihrer Ansicht nach einen Missbrauchsverdacht begründen. Gleiches gilt für die Auslandsvertretung (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Die Ausländerbehörden und die Auslandsvertretungen müssen ihre Entscheidung über einen Aufenthaltstitel gemäß § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. aussetzen, wenn der beantragende Ausländer bei einem Anfechtungsverfahren gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. Partei, Beigeladener, Beteiligter oder gesetzlicher Vertreter des Kindes ist. Die Entscheidung ist bis Abschluss des Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu deren Rechtskraft aussetzen (§ 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 AufenthG n. F.). Um sicherzustellen, dass die über einen Aufenthaltstitel entscheidenden Behörden über den Status, in dem sich das Verfahren befindet informiert werden, besteht eine Mitteilungspflicht der anfechtungsberechtigten Behörde über die Vorbereitung oder Erhebung eines Antrag oder die Entscheidung, dass von einem Antrag abgesehen wird (§ 87 Abs. 6 Nr. 1 AufenthG n. F.). Ferner muss das Familiengericht seine gerichtliche Entscheidung (§ 87 Abs. 6 Nr. 2 AufenthG n. F.) der Ausländerbehörde bzw. der Auslandsvertretung mitteilen. Ab welchem Zeitpunkt die Entscheidung über den Aufenthaltstitel auszusetzen ist, bestimmt § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. mit Verweis auf § 87 Abs. 6 AufenthG n. F. Hierbei ist § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. de lege lata in der Hinsicht teleologisch zu reduzieren, dass eine Aussetzung der Entscheidung lediglich bei Mitteilung der anfechtungsberechtigten Behörde, dass ein Anfechtungsantrag vorbereitet oder erhoben wird, auszusetzen ist (§§ 79 Abs. 2 S. 2, 87 Abs. 6 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG n. F.). De lege ferenda sollte eine gesetzliche Anpassung erfolgen. Es existiert ein jeweils eigenständiger Anwendungsbereich von § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. und § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG. In der Praxis wird die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unter anderem mangels Feststehens der Missbräuchlichkeit eher selten gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG abgelehnt werden. Vielmehr wird die Ausländerbehörde in der Regel der anfechtungsberechtigten Behörde ihren Missbrauchsverdacht gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. mitteilen und dann die Entscheidung über den Aufenthaltstitel gemäß § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. aussetzen.

III. Anfechtung der Vaterschaft durch eine zuständige Behörde Um missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen rückwirkend ihre Wirksamkeit entziehen zu können, wurde der Kreis der Vaterschaftsanfechtungsberechtigten durch eine Behörde erweitert (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.). Die behördliche Vaterschaftsanfechtung ist allerdings auf den Fall der Vater-Kind-Zuordnung durch Vaterschaftsanerkennung gemäß § 1592 Nr. 2 BGB beschränkt.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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Die behördliche Vaterschaftsanfechtung ist die Kernvorschrift des VaAnfRErgG. Die repressiven Mitteilungspflichten (§§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4, 90 Abs. 5 AufenthG n. F.) wirken darauf hin, dass die Vaterschaftsanfechtung durch die zuständige Behörde erfolgen kann. Im folgenden Abschnitt wird nach der Darstellung des internationalen Bezuges auf die einzelnen mit dem behördlichen Anfechtungsrecht verbundenen Problematiken eingegangen. 1. Internationaler Bezug Auf den ersten Blick erscheint ein staatlicher Eingriff in die Abstammungszuordnung befremdlich. Ein Vergleich mit anderen europäischen Rechtsordnungen zeigt indes auf, dass nicht nur in Deutschland eine solche Regelung existiert. Vor dem rechtsvergleichenden Teil wird erläutert, ob es sich bei der Norm des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. um eine international zwingende Norm handelt. a) International zwingende Norm Wenn es sich bei der behördlichen Vaterschaftsanfechtung gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. um eine international zwingende Eingriffsnorm handeln sollte, würde die Vorschrift unabhängig von Art. 20 EGBGB162 bei Inlandsbezug immer zur Anwendung gelangen. Normen, mit denen der Staat überindividuelle Gemeininteressen verfolgt, wobei Privatinteressen zwar mitgefördert, aber auch verdrängt werden können, können als international zwingend erklärt bzw. ausgelegt werden.163 Festzulegen, welche nationalen Normen international zwingenden Charakter haben, ist Sache des Gesetzgebers.164 Fehlt es an einer solchen ausdrücklichen Festsetzung, bedarf es einer Auslegung der Norm.165 Der Wortlaut des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. gibt keinen Aufschluss darüber, ob die Norm als international zwingend anzusehen ist. Somit unterblieb eine ausdrückliche Festsetzung der Norm als international zwingend seitens des Gesetzgebers. Ob die behördliche Vaterschaftsanfechtung diesen Charakter hat, kann daher nur im Wege der Auslegung ermittelt werden.166 162 Gemäß Art. 20 S. 1 EGBGB findet die Rechtsordnung Anwendung, aus der sich die Voraussetzungen der Abstammung ergeben haben. Hiefür ist in der Regel der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes ausschlaggebend (Art. 19 EGBGB). 163 MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 35 ff. 164 MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 45; 51; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 3 II 3, S. 22. 165 MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 45, 51 f. 166 So auch Gaaz, StAZ 2007, 75 (81).

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Hierfür muss vorerst festgestellt werden, ob mit Einführung der Norm überindividuelle Gemeininteressen verfolgt wurden. Um überindividuelle Gemeininteressen handelt es sich, wenn Interessen Privater auf Interessen der staatlichen Gemeinschaft treffen, letztere überwiegen und so erheblich sind, dass sie bei einem Sachverhalt mit Inlandsbezug immer gewährleistet sein müssen.167 Es ist im Interesse des Staates, die Individuen, die es in sein Staatsvolk aufnimmt, selbst zu bestimmen. Ferner ist es von allgemeinem Interesse, dass der öffentlichen Hand keine unberechtigten Sozialausgaben zur Last fallen. Diese Interessen kollidieren mit denen der Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung, die eine solche allein aus aufenthaltsrechtlichen Zwecken vollziehen. Bei dieser Interessenkollision überwiegt das Interesse der Allgemeinheit. Somit besteht ein überindividuelles Gemeininteresse daran, dass aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtsfolgen nicht durch Bildung einer rein „formalen Familie“ umgangen werden können. Dieses Interesse reicht aus, um die behördliche Vaterschaftsanfechtungsnorm des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. als international zwingend auszulegen. Obwohl der Gesetzgeber im Wortlaut des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. nicht ausdrücklich festgelegt hat, dass die behördliche Vaterschaftsanfechtung international zwingenden Charakter haben soll, so ist dieser Wille dennoch der Gesetzesbegründung zum VaAnfRErgG zu entnehmen. Hier gibt der Gesetzgeber explizit vor, dass es sich bei § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. um eine international zwingende Norm handeln soll.168 Die Vaterschaftsanfechtung seitens der Behörde (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.) ist somit eine international zwingende Norm169, so dass sie bei Inlandsbezug unabhängig von Art. 20 EBGB stets zur Anwendung gelangt. b) Kurzer Internationaler Vergleich Dass ein Vaterschaftsanfechtungsrecht für eine öffentliche Behörde besteht, stellt im europäischen Vergleich keinen Einzelfall dar.170 Selektiv wird im Folgenden das Vaterschaftsanfechtungsrecht der Schweiz, Italiens und Frankreichs dargestellt. aa) Schweiz Gemäß Art. 260 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) kann ein Mann die Vaterschaft für ein außerhalb der Ehe geborenes Kind anerken167

MüKo/Sonnenberger, Einl. IPR, Rn. 35. BT-Drucks. 16/3291, S. 13. 169 So im Ergebnis auch Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1130); Spickhoff, Der Streit um die Abstammung – Brennpunkte der Diskussion, 13 (62). 170 Henrich, FamRZ 2006, 977 (978); Grün, FuR 2006, 497 (499). 168

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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nen.171 Um missbräuchliche Anerkennungen zu verhindern und biologisch unwahre Anerkennungen zu kontrollieren, sieht das schweizerische Recht ein Vaterschaftsanfechtungsrecht für die Heimat- und Wohnsitzgemeinde des Anerkennenden bei Legitimation des Kindes vor (Art. 259 Abs. 2 Nr. 3, Art. 260a Abs. 1 ZGB).172 Neben der Heimat- und Wohnsitzgemeinde sind auch Mutter, Kind und Ehemann anfechtungsberechtigt (Art. 259 Abs. 2 ZGB). Wurde das anerkannte Kind nicht durch Ehe legitimiert, ist jedermann anfechtungsberechtigt, der ein Interesse an der Anfechtung hat (Art. 260a Abs. 1 ZGB).173 Im Anfechtungsverfahren muss bewiesen werden, dass der Anerkennende nicht der biologische Vater des Kindes ist (Art. 260b Abs. 1 ZGB).174 Etwaig bestehende sozial-familiäre Beziehungen bleiben unberücksichtigt.175 bb) Italien Nach italienischem Recht176 kann ein nichteheliches Kind von einem oder beiden Elternteilen anerkannt werden (Art. 250 ital. C.c., Art. 254 ital. C.c.).177 Eine Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung wegen Wahrheitswidrigkeit kann vom Anerkennenden und von jedem, der daran ein Interesse hat, erfolgen

171 Vgl. zum schweizerischen Abstammungsrecht Tuor/Schnyder/Schmid/RumoJungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 38, S. 361–394; Hegnauer, Grundriss des Kindesrechts, 7.01–8.25; rechtsvergleichend zu der Vaterschaftsanfechtung in der Schweiz Henrich, FamRZ 2006, 977 (977 f.). 172 Das Anfechtungsrecht der Heimatgemeinde besteht nur, wenn der Anerkennende Schweizer ist, das der Wohnsitzgemeinde unabhängig von der Staatsangehörigkeit; siehe hierzu Basler Kommentar/Schwenzer, Art. 260a ZGB, Rn. 5; Aebi-Müller/Jaggi, Streit um die Abstammung – Länderbericht Schweiz, 343 (362). 173 Das Anfechtungsrecht des Anerkennenden besteht nur eingeschränkt (§ 260a Abs. 2 ZGB). Ist das Kind in die Ehe geboren, besteht lediglich ein Anfechtungsrecht des Kindes und des Ehemannes (Art. 256 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 ZGB). 174 Nach erfolgreicher Anfechtung verliert das Kind das Schweizer Bürgerrecht, sofern es dadurch nicht staatenlos wird (Art. 8 BüG). Es hat jedoch Anspruch auf erleichterte Einbürgerung (Art. 29 Abs. 4 BüG). 175 Basler Kommentar/Schwenzer, Art. 260a ZGB, Rn. 7. 176 Siehe explizit zur Abstammung bzw. Vaterschaftsanfechtung in Italien: Alpa/ Zeno-Zencovich, Italian Private Law, S. 63–72; Grundmann/Zaccaria/Troiano, Einführung in das italienische Recht, S. 314–321; Dopffel/Thieme, Kindschaftsrecht im Wandel, S. 240–241; Kindler, Einführung in das italienische Recht, § 12, Rn. 44–49; Patti, Wahrheit und Beweis im italienischen Abstammungsrecht, 279–291; Henrich, FamRZ 2006, 977 (978). 177 Die Anerkennung kann nicht erfolgen, wenn die Eltern das 16. Lebensjahr noch nicht überschritten haben (Art. 250 Abs. 5 ital. C. c.). Gemäß Art. 251 ital. C. c. ist die Anerkennung eines Kindes aus einer inzestuösen Verbindung verboten. Eine Anerkennung, die im Widerspruch zu einem bereits bestehenden Status des Kindes steht, ist wirkungslos: Grundmann/Zaccaria/Troiano, Einführung in das italienische Recht, S. 319.

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(Art. 263 ital. C.c.).178 Anders als in der Schweiz, wo ein Vaterschaftsanfechtungsrecht für jedermann nur bei der Anerkennung der Vaterschaft ohne Legitimation möglich ist, kann in Italien auch bei einem durch Ehe oder durch gerichtliche Verfügung legitimierten Kind (Art. 280 ital. C.c.) jeder, der an der Vaterschaftsanfechtung ein Interesse hat, diese betreiben (Art. 263 Abs. 2 ital. C.c.). Die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes179 hingegen steht keiner öffentlichen Stelle zu.180 Sie obliegt dem Ehemann, der Mutter und dem Kind (Art. 235 ital. C.c.).181 cc) Frankreich Sowohl die Vaterschaft aufgrund Ehe mit der Kindesmutter (Art. 312, Art. 311 franz. C.c.) als auch die Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung (Art. 316 franz. C.c.) können von jedermann angefochten werden (Art. 333, Art. 334 franz. C.c). Besteht eine „possesion d’état“, kann die Anfechtung nur von Kind, Mutter, rechtlichem und leiblichen Vater erfolgen (Art. 333 Abs. 1 franz. C.c.). Gemäß Art. 311-1 Abs. 1 franz. C.c. ist die possesion d’état eine Gesamtheit von Umständen, die darauf hindeuten, dass die rechtliche Vaterschaftszuordnung mit dem Statusbesitz übereinstimmt.182 Dies wird angenommen, wenn die mit der rechtlichen Abstammungszuordnung verbundenen Rechte und Pflichten von den Beteiligten auch tatsächlich übernommen wurden183, so 178 Die Anfechtung durch den Anerkannten kann nicht während seiner Minderjährigkeit oder während des Zustandes der vollen Entmündigung wegen Geisteskrankheit erfolgen (Art. 264 Abs. 1 ital. C.c.). In diesem Fall kann das Gericht allerdings auf Antrag des Staatsanwalts, des Vormunds, des anderen Elternteils, der das Kind endgültig anerkannt hat, oder des Kindes selbst, das das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, die Genehmigung zur Anfechtung der Anerkennung erteilen und hierfür einen Sonderpfleger beauftragen (Art. 264 Abs. 2 ital. C.c.). 179 Die Ehelichkeit eines Kindes wird vermutet, wenn das Kind während der Ehe empfangen wurde (Art. 231 ital. C. c.). 180 Nur wenn das Kind noch nicht volljährig ist, kann die Vaterschaftsanfechtung von einem vom Richter ernannten Sonderpfleger auf Antrag des Kindes (wenn dieses das 16. Lebensjahr vollendet hat) oder auf Antrag des Staatsanwalts (wenn das Kind das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat) erfolgen (Art. 244 Abs. 4 ital. C.c.). 181 Unproblematisch kann die Anfechtung erfolgen, wenn das Kind geboren wurde, bevor 180 Tage nach der Eheschließung verstrichen sind (Art. 233, Art. 235 ital. C.c.). Wird das Kind 180 Tage nach Eheschließung geboren, ist die Anfechtung gemäß Art. 235. 1)–3) ital. C.c. in gewissen Fällen möglich, etwa wenn während dieser Zeit der Ehemann impotent war. 182 In Art. 311 Abs. 2 franz. C.c. sind beispielhaft Tatsachen genannt, von denen auf eine possesion d’état geschlossen werden kann. Es müssen nicht alle kumulativ vorliegen. Auch können andere Tatsachen eine possesion d’état begründen: Dopffel/Puttfarken, Kindschaftsrecht im Wandel, S. 143; Ferid/Sonnenberger/Ferid, Das Französische Zivilrecht, Bd. 3, 4 C 103 ff.; Henrich, FamRZ 2006, 977 (978). 183 Ferid/Sonnenberger/Ferid, Das Französische Zivilrecht, Bd. 3, 4 A 36; Ferrand, Streit um die Abstammung in Frankreich, 93 (99).

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dass eine possesion d’état dann vorliegt, wenn zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind eine gelebte Vater-Kind-Beziehung besteht184. Ein Anfechtungsrecht für den Staatsanwalt als Vertreter des öffentlichen Interesses ist gesondert geregelt. Gemäß Art. 336 franz. C.c. kann er die Vaterschaft anfechten, wenn sich aus den Urkunden Anhaltspunkte ergeben, welche die Abstammung als unwahrscheinlich erscheinen lassen185 und keine possesion d’état zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind besteht. Die Anfechtung der Vaterschaft hat Erfolg, wenn nachgewiesen ist, dass der Ehemann oder der Anerkennende nicht der Vater des Kindes ist (Art. 332 Abs. 2 franz. C.c.). dd) Stellungnahme Es lässt sich feststellen, dass in anderen europäischen Ländern die Anfechtung der Vaterschaft seitens einer öffentlichen Stelle teilweise nicht nur existiert, um Gesetzesumgehungen zu verhindern, sondern auch, um Vaterschaften entgegen der biologischen Wahrheit (zumindest bei nichtehelich geborenen Kindern) aufzudecken. Die deutsche Regelung sieht ein Anfechtungsrecht des Staates nur bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen vor. Liegen die Voraussetzungen für die behördliche Vaterschaftsanfechtung nicht vor, werden auch weiterhin rechtliche Vaterschaftszuordnungen kraft Vaterschaftsanerkennung entgegen der biologischen Wahrheit bewusst akzeptiert. Daher fällt das in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. eingeführte behördliche Anfechtungsrecht sogar hinter das staatliche Vaterschaftsanfechtungsrecht anderer europäischer Länder zurück.186 Dies bedeutet allerdings nicht, dass eine behördliche Vaterschaftsanfechtung in Deutschland seltener auftreten wird als im europäischen Vergleich, denn abhängig von dem Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht des jeweiligen Landes wird auch der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung und damit der behördlichen Vaterschaftsanfechtung eine unterschiedliche Bedeutungen zukommen. 2. Die mit dem behördlichen Vaterschaftsanfechtungsrecht verbundenen Problematiken Das behördliche Vaterschaftsanfechtungsrecht gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. wirft einige Problematiken auf. Im Folgenden wird zuerst die Frage disku184 Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 57; Frank, FS Schwab 2005, 1127 (1130); siehe ausführlich zur possesion d’état Bénabent, Droit civil – La famille, Rn. 571–580; Courbe, Droit de la famille, S. 255–261. 185 Hiervon sind alle Fälle der Gesetzesumgehung erfasst: Henrich, FamRZ 2006, 977 (978). 186 So auch Henrich, FamRZ 2006, 977 (979).

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tiert, ob das behördliche Vaterschaftsanfechtungsrecht grundsätzlich in das System der Abstammung passt. Anschließend wird auf die mit den materiellen Voraussetzungen und den formellen Aspekten der behördlichen Anfechtung verbundenen Problembereiche eingegangen. a) Systemkritik Das behördliche Anfechtungsrecht gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. kollidiert an zwei Stellen mit dem deutschen Abstammungsrecht. aa) Behördliches Anfechtungsrecht als Fremdkörper im Abstammungsrecht Bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG am 1. Juni 2008 waren der rechtliche Vater, der leibliche Vater, die Mutter und das Kind berechtigt, die Vaterschaft anzufechten (§ 1600 Abs. 1 BGB a. F.). Damit konnten nur die unmittelbar von der rechtlichen Vaterschaft betroffenen Personen eine Statusänderung des Kindes anstoßen.187 Dass die Beteiligten immer mehr ihre Abstammungsangelegenheiten ohne eine Einmischung von Seiten Dritter regeln konnten, war eine Entwicklung im Abstammungsrecht.188 Seit Ende des nationalsozialistischen Regimes hat der Gesetzgeber die Mitwirkung des Staates an der Bestimmung der rechtlichen Kindesabstammung bewusst reduziert; den Einfluss der unmittelbar Betroffenen auf die Abstammungszuordnung hingegen stetig ausgebaut. So wurde unter anderem das Anfechtungsrecht des Staatsanwalts (§ 1595a BGB a. F.) durch das Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 mit der Begründung abgeschafft, der Staatsanwalt solle nicht in den privaten Bereich der Familie eingreifen, denn selbst fiskalische Gründe könnten ein Anfechtungsrecht des Staatsanwalts nicht rechtfertigen.189 Im Zusammenhang mit der Abschaffung des Anfechtungsrechts der Eltern des Mannes durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1998 heißt es: „Die Klärung von Abstammungsfragen soll wegen des damit zusammenhängenden Eingriffs in höchstpersönliche Belange auf den Kernbereich verwandtschaftlicher Beziehungen beschränkt werden, so dass nur Vater, Mutter und Kind anfechtungsberechtigt sein sollen.“190 Weitere Zielsetzung der Kindschaftsrechtsreform war es, die Rechtsposition der Eltern zu stärken und vor unnötigen staatlichen Eingriffen zu schützen.191 187 Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 1; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 10; ders., StAZ 2007, 69 (70); Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 I, Rn. 4. 188 Siehe hierzu oben drittes Kapitel, S. 77–79. 189 BT-Drucks. 3/530, S. 14. 190 BT-Drucks. 13/4899, S. 57. 191 BT-Drucks. 14/4899, S. 1, 29.

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Ein behördliches Anfechtungsrecht ermöglicht eine staatliche Intervention in die Abstammungszuordnung eines Kindes. Die Entwicklung dahingehend, den Staat von der Statuszuordnung eines Kindes fern zu halten und nur die unmittelbar Betroffenen die Abstammung eines Kindes beeinflussen zu lassen, wurde mit der Einführung des behördlichen Anfechtungsrechts unterbrochen bzw. hat eine konträre Richtung angenommen.192 Anderer Ansicht ist der Gesetzgeber. Er stellt fest, dass selbst durch ein behördliches Anfechtungsrecht „die unverändert richtige Grundentscheidung des Kindschaftsrechtsreformgesetzes gewahrt bleibt.“193, denn Familie im Sinne des Art. 6 GG, die von der Kindschaftsrechtsreform geschützt werden sollte, bedeute Familie aufgrund biologischer Abstammung oder Familie aufgrund sozial-familiärer Beziehung. Da bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung eine rein formalrechtliche und keine nach Art. 6 GG schützenswerte Familie entstehe, kollidiere die Einführung eines behördlichen Anfechtungsrechts auch keineswegs mit der Kindschaftsrechtsreform.194 Eine solche Differenzierung ist der Kindschaftsrechtsreform indes nicht zu entnehmen. Eine Interpretation des Willens des Gesetzgebers dahingehend, dass die durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz eingeführten Normen für lediglich „formalrechtlich“ entstandene Familien nicht gelten sollen, stellt eine ergebnisorientierte Auslegung der Kindschaftsrechtreform dar. Losgelöst von der Beurteilung der Kindschaftsrechtsreform kann nicht bestritten werden, dass der Staat mit dem behördlichen Anfechtungsrecht seine Mitwirkung an der Statuszuordnung eines Kindes ausgebaut hat, was der Entwicklung des Abstammungsrechts zuwiderläuft. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Gesetzgeber Alternativlösungen gehabt hätte, mit denen er gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen hätte vorgehen können, ohne in die Grundsätze des Abstammungsrechts einzugreifen.195 Nur wenn solche bestünden, wäre es bedenklich, wenn mit dem behördlichen Anfechtungsrecht bewährte Grundsätze des Abstammungsrechts verworfen würden. Anderer Ansicht sind sowohl Coester-Waltjen als auch Wellenhofer-Klein. Sie meinen, die Familie stelle eine ge192 Helms, StAZ 2007, 69 (70); Genenger, FPR 2007, 155 (155); ähnlich Piening, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 17; Siegfried, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 22; Leutheusser-Schnarrenberger, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7978 (D)–7979 (A); Winkler, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7980 (D); Dyckmans, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14026 (B/C). 193 BT-Drucks. 16/3291, S. 11; Granold, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14025 (A) nennt das behördliche Anfechtungsrecht sogar die „konsequente Fortsetzung der Kindschaftsrechtsreform“. 194 BT-Drucks. 16/3291, S. 11; ebenso Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (2); Zypries, Pressemitteilung BMJ vom 13.12.2007, S. 3; Granold, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7977 (A); Benneter, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7977 (C); Hartenbach, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7981 (A); Heinz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 2. 195 Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 2; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 10.

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schützte Intimgruppe dar, weswegen selbst bei öffentlichem Interesse dem Staat nicht die Möglichkeit eingeräumt werden dürfe, den Personenstand des Kindes anzuzweifeln.196 Mit der oben erläuterten Entwicklung des Abstammungsrechts, dass die biologische Herkunft immer mehr zum Durchbruch kommt197, kollidiert die Einführung eines behördlichen Anfechtungsrechts hingegen keineswegs. Vielmehr wurde diese Entwicklung durch die Erweiterung des Kreises der Anfechtungsberechtigten fortgeführt. bb) Keine Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft kraft Ehe Problematisch könnte auch der Aspekt sein, dass lediglich die rechtliche Vaterschaft kraft Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. behördlich anfechtbar ist. Die Ehelichkeitsanfechtung ist hiervon ausgenommen. Anders lautete noch der Vorschlag des von der IMK eingesetzten Arbeitskreises. Hierzu heißt es: „Schon das bestehende Anfechtungsrecht unterscheidet nicht zwischen Vaterschaften aufgrund ehelicher Geburt oder Anerkennung. Dies könnte für das Anfechtungsrecht einer öffentlichen Stelle genauso gelten.“198 Ein Ziel der Kindschaftsrechtsreform von 1998 war es, unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 5 GG die bis dahin bestehende Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern aufzuheben und einheitliche Regelungen zu schaffen199. In diesem Zusammenhang wurden unter anderem die bis dahin bestehende Ehelichkeitsanfechtung und die Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung durch ein einheitliches Rechtsinstitut der Vaterschaftsanfechtung abgelöst. Diese Einheitlichkeit der Vaterschaftsanfechtung wurde mit § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. wieder beschränkt und stellt daher einen Widerspruch zur Kindschaftsrechtsreform dar.200 Helms bezeichnet diese erneute Differenzierung zwischen Ehelichkeitsanfechtung und Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung richtigerweise als „Systembruch“.201 Ein solcher Systembruch ist allenfalls dann hinzunehmen, wenn die Einführung eines behördlichen Ehelichkeitsanfechtungsrechts reiner Formalismus wäre, 196 MüKo/Wellenhofer-Klein (4. Auflage 2002), § 1600, Rn. 1; Gernhuber/CoesterWaltjen, Familienrecht, § 52 V, Rn. 105 und 111. 197 Siehe oben drittes Kapitel, S. 79–83. 198 Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 18. 199 BT-Drucks. 13/4899, S. 29, 51 f. 200 Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (90); Helms, StAZ 2007, 69 (71). 201 Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 7; ders., StAZ 2007, 69 (71); so auch Richter, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 63; sich Helms anschließend Lipp/Röthel/Windel, S. 20; kritisch ebenso Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 V, Rn. 111.

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weil keine Fälle denkbar sind, in denen eine Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes durch den Staat erforderlich ist. Denkbar sind die Fälle, in denen ein deutscher Mann und eine ausländische Frau eine „Scheinehe“ eingehen, um der Frau den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Wird ein Kind in die Ehe geboren, so wird der deutsche Ehemann gemäß § 1592 Nr. 1 BGB der rechtliche Kindesvater. Damit erhält das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 S. 1 StAG) und die ausländische Mutter ist nicht mehr auf das Bestehen der „Scheinehe“ angewiesen, weil sie ihren Aufenthalt von dem deutschen Kind ableiten kann (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG). Eine rückwirkende Beseitigung der Vater-Kind-Zuordnung brauchen die Beteiligten nicht zu fürchten, denn selbst im Fall der Aufhebung der Ehe (§§ 1313, 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB) entfällt diese Wirkung ex nunc202, so dass die im Zeitpunkt der Geburt entstandene rechtliche Vaterschaft bestehen bleibt. Hierbei wurde das Kind eher zufällig in eine Ehe geboren, die allein dem Zweck diente, für einen Ehepartner ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Denkbar ist auch der Fall, dass alleiniger Zweck der Ehe die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit für ein in die Ehe geborenes Kind und davon abgeleitet die Aufenthaltssicherung für die Mutter ist.203 Anders als bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung hätten Mutter und Kind nicht zu befürchten, dass die Statuszuordnung des Kindes rückwirkend beseitigt werden könnte, weil eine behördliche Anfechtung der Ehelichkeit nicht vorgesehen ist. Dass diese Fälle auch in der Praxis auftreten, zeigt ein am 6. Mai 2008 entschiedener Fall des OVG Berlin-Brandenburg.204 Hierbei stand fest, dass eine kamerunische Staatsangehörige eine „Scheinehe“ mit einem Deutschen einging, um sich den Aufenthalt im Bundesgebiet zu sichern. Der Ehemann bekannte öffentlich, gegen Entgelt zahlreiche Vaterschaften von Kindern ausländischer Mütter anerkannt zu haben.205 In die Ehe wurde ein Kind geboren. Das OVG BerlinBrandenburg schloss sich der Entscheidung der Vorinstanz an.206 Dieses stellte fest, dass ein Anspruch der Mutter auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem deutschen Kind207 gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG bestehe. In der Urteilsbegründung des OVG Berlin-Branden202

Thorn/jurisPK-BGB, § 1313, Rn. 9. Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 83 f., 125 ist der Ansicht, dass diese Konstellation u. a. deshalb in der Praxis nicht auftrete, weil das Risiko bestehe, dass der leibliche Vater die Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anficht. Hierbei verkennt Zimmermann, dass dieses so genannte „Risiko“ ebenso in den Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung besteht. 204 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.5.2008 – 3 N 246.06 = juris = NVwZ-RR 2008, 826 ff.; siehe auch den Fall VG München, Urt. v. 16.04.2009 – M 10 K 08.5928 = juris, in dem allerdings der rechtliche Vater die Ehelichkeit des Kindes anfocht. 205 OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.5.2008 – 3 N 246.06 = juris, Rn. 1. 206 VG Berlin, Urt. v. 9.11.2006 – 15 A 119.06 = juris. 207 Das Kind hatte die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 StAG erlangt. 203

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

burg heißt es, dass für die Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung ein behördliches Anfechtungsrecht geschaffen wurde, für „die Fälle der gesetzlichen Vermutung des § 1592 Nr. 1 BGB ein solches Anfechtungsrecht hingegen nicht eingeführt“ wurde. „Das rechtfertigt den Schluss, dass hierfür aus Sicht des Gesetzgebers Bedarf nicht bestand. Damit verbleibt es im Anwendungsbereich des § 1592 Nr. 1 BGB auch dann bei der für die Staatsangehörigkeit des Kindes maßgebenden gesetzlichen Vermutung der Vaterschaft des deutschen Ehemannes der ausländischen Kindesmutter, wenn feststeht, dass die Ehe nur zum Schein eingegangen worden ist. Die vom Verwaltungsgericht zu Recht für erforderlich gehaltene Korrektur durch den Gesetzgeber hat dieser, wie gezeigt, nicht vorgenommen.“208 Auch für die Ehelichkeit ein behördliches Anfechtungsrecht einzuführen wäre daher kein reiner Formalismus. Warum der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, ein behördliches Anfechtungsrecht im Fall der Vaterschaft kraft Ehe einzuführen, erscheint auch unter folgendem Aspekt nicht verständlich: Vor Erlass des VaAnfRErgG wurde von Parlamentariern vielfach vorgetragen, das Anfechtungsrecht der Behörde sei hauptsächlich aus Kindeswohlgesichtspunkten erforderlich.209 Erhalte das Kind einen völlig fremden Mann als seinen rechtlichen Vater, so sei sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung vereitelt.210 Wenn es tatsächlich um das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung bei Einführung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung gegangen wäre, stellt sich die Frage, warum dann nicht auch ein behördliches Vaterschaftsanfechtungsrecht bei Vaterschaft kraft Ehe als erforderlich erachtet wurde. Denn auch für das in eine „Scheinehe“ geborene Kind könnte das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner eigenen Abstammung vereitelt sein. Ferner ist beachtlich, dass die behördliche Nichtanfechtbarkeit der Vaterschaft kraft Ehe verfassungsrechtliche Belange trifft. Art. 6 Abs. 5 GG sichert die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern. Dadurch, dass die rechtliche Vaterschaft kraft Ehelichkeit nicht anfechtbar ist, können eheliche Kinder und nichteheliche Kinder bei vergleichbaren Sachverhalten unterschiedlich behandelt werden.211 Im Ergebnis muss ein behördliches Anfechtungsrecht im Fall einer „Scheinehe“ de lege ferenda in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. aufgenommen werden.212 208

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 6.5.2008 – 3 N 246.06 = juris, Rn. 10. So unter anderem Granold, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14024 (C). 210 BT-Drucks. 15/4028, S. 1 f.; Granold, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7977 (A/B); dies., BT-Plenarprotokoll 16/133, 14024 (C). 211 So auch AG Hamburg-Altona, Beschluss v. 15.4.2010 – 350 F 118/09 = juris, Rn. 42 f. 212 So auch Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 8; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 11; Frank, StAZ 2006, 281 (284). 209

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b) Materielle Voraussetzungen Die materiellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche behördliche Vaterschaftsanfechtung setzen sich aus den besonderen Vaterschaftsanfechtungsvoraussetzungen und einer allgemeinen Vaterschaftsanfechtungsvoraussetzung zusammen. aa) Besondere Die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen sind in § 1600 Abs. 3 BGB n. F. festgelegt. Hiernach darf zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung bestehen oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden haben und durch die Anerkennung müssen die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen worden sein. (1) Bestehen keiner sozial-familiären Beziehung Die behördliche Vaterschaftsanfechtung kann nur dann Erfolg haben, wenn keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem Anerkennenden besteht/bestand.213 Umgekehrt hat der Anfechtungsantrag dann keinen Erfolg, wenn eine sozial-familiäre Beziehung vorhanden ist/war. Mit dem Merkmal der sozial-familiären Beziehung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass – wie beim Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters – durch die Vaterschaftsanfechtung keine von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG geschützte soziale Familie auseinander gerissen wird.214 Fraglich ist allerdings, wann überhaupt von dem Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem Anerkennenden und dem Kind ausgegangen werden kann und zu welchem Zeitpunkt eine solche bestehen/bestanden haben muss, damit die Vaterschaftsanfechtung keinen Erfolg hat. (a) Voraussetzungen Wann eine sozial-familiäre Beziehung vorliegt, ist in § 1600 Abs. 4 S. 1 BGB n. F. legaldefiniert. Hiernach handelt es sich um eine sozial-familiäre Beziehung, wenn der Anerkennende zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat. Daraus ergibt sich die Frage, wann von dem Tragen tatsächlicher Verantwortung auszugehen ist. 213 Die Begrifflichkeit der „sozial-familiären Beziehung“ wurde im Familienrecht aufgrund einer Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01 = StAZ 2003, 210 ff. eingeführt. 214 BT-Drucks. 16/3291, S. 13; Granold, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7976 (D); Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (3); Grün, FuR 2007, 12 (12).

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

(aa) Regelannahmen Gemäß § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. liegt eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung in der Regel vor, wenn der Vater mit der Mutter verheiratet ist oder mit dem Kind für längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Fraglich ist, ob von dem Vorliegen der Voraussetzungen einer der Regelannahmen auf das Tragen elterlicher Verantwortung geschlossen werden kann bzw. ob umgekehrt das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Regelannahmen den Schluss auf das Nichttragen elterlicher Verantwortung zulässt. (a) Vorliegen einer Regelannahme Wie dem Wortlaut der Norm des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. („in der Regel“) zu entnehmen ist, handelt es sich hierbei nicht um Voraussetzungen, sondern um Regelannahmen. Diese Regelannahmen deuten auf die Übernahme tatsächlicher Verantwortung, d. h. auf den Beginn einer Beziehung zwischen Mann und Kind hin. Für die Annahme einer sozial-familiären Beziehung ist allerdings das Tragen tatsächlicher Verantwortung (§ 1600 Abs. 4 S. 1 BGB n. F.), das heißt das Fortbestehen der Wahrnehmung der Verantwortung über den Zeitpunkt der Übernahme hinaus, erforderlich. Das bedeutet, dass selbst bei einem Zusammenleben zwischen Mann und Kind in häuslicher Gemeinschaft oder bei bestehender Ehe des Vaters mit der Mutter, die Regelannahme lediglich für die einmalige Übernahme tatsächlicher Verantwortung spricht. Das Vorliegen einer Regelannahme trifft allerdings keine Aussage darüber, ob nach der Übernahme der Verantwortung für das Kind diese auch weiterhin getragen wird, das heißt eine sozial-familiäre Beziehung besteht215. Der Gesetzgeber unterscheidet in der Gesetzesbegründung zu dem Gesetzentwurf des VaAnfRErgG nicht strikt zwischen der Übernahme und dem Tragen tatsächlicher Verantwortung. So heißt es: „Lebt der Anerkennende mit dem Kind bereits längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammen, spricht bereits die Regelannahme [. . .] für die Übernahme tatsächlicher Verantwortung und damit für eine sozial-familiäre Beziehung.“216 Dass allein das Bestehen einer der Regelannahmen nicht ausreicht, um von einer sozial-familiären Beziehung auszugehen, stellte der BGH bereits in einem Urteil vom 6. Dezember 2006 fest, in dem es um die vom Wortlaut her gleich lautende sozial215 BGH, Urt. v. 30.7.2008 – XII ZR 150/06 = juris B.; Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1131). 216 BT-Drucks. 16/3291, S. 13; so auch OLG Oldenburg v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = juris, Rn. 22 f.; Beinkinstadt, JAmt 2007, 342 (343), der davon spricht, dass das Tragen elterlicher Verantwortung in der Regel anzunehmen ist, wenn das Kind mit dem Mann für längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat; bezogen auf die Anfechtung durch den leiblichen Vater ähnlich auch Lüderitz/Dethloff, Familienrecht, § 10, Rn. 34, die davon spricht, dass die sozial-familiäre Beziehung vom Gesetzgeber definiert werde als „Übernahme tatsächlicher Verantwortung, von der in der Regel bei Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaf über längere Zeit auszugehen ist.“.

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familiäre Beziehung bei Anfechtung durch den leiblichen Vater ging.217 Die Regelannahmen deuten lediglich darauf hin, „dass der rechtliche Vater die tatsächliche Verantwortung für das Kind übernommen hat. Dies allein reicht indes für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung nicht aus, weil diese [. . .] voraussetzt, dass der rechtliche Vater diese tatsächliche Verantwortung für das Kind (noch) trägt oder bis zu seinem Tod getragen hat.“218 Ist eine der Regelannahmen des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. somit gegeben, kann dieser Umstand allein nicht zu der Annahme führen, die elterliche Verantwortung werde getragen, das heißt die sozial-familiäre Beziehung bestehe. Allenfalls können die Regelannahmen eines von mehreren Merkmalen sein, die kumulativ auf eine sozial-familiäre Beziehung hindeuten.219 Dies ist auch insofern richtig, als dass eine bestehende Ehe zwischen Mutter und rechtlichem Vater im Sinne des § 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 BGB n. F. noch keine Aussage über die Beziehung zwischen dem Anerkennenden und dem Kind trifft, auf die es bei dem Tragen der elterlichen Verantwortung gemäß § 1600 Abs. 4 S. 1 BGB n. F. allerdings ankommt.220 Abgesehen davon wird in dem hier diskutierten Fall der Vaterschaftsanfechtung seitens der Behörde das Merkmal der Ehe zwischen Mutter und rechtlichem Vater (§ 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 BGB n. F.) ohnehin selten vorliegen.221 Die behördliche Vaterschaftsanfechtung ist nämlich nur bei der rechtlichen Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung möglich. Daher ist an das Bestehen der Regelannahme nur dann zu denken, wenn der Anerkennende die Kindesmutter nach der Vaterschaftsanerkennung heiratet.222 Anders ist es bei dem Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft zwischen rechtlichem Vater und Kind (§ 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 BGB n. F.), wobei auch hier eine solche nur deswegen bestehen könnte, weil die Mutter mit dem die Vaterschaft Anerkennenden 217

BGH, Urt. v. 6.12.2006 – XII ZR 164/04 = StAZ 2007, 235 ff. BGH, Urt. v. 6.12.2006 – XII ZR 164/04 = StAZ 2007, 235 (238); ebenso OLG Stuttgart, Urt. v. 6.9.2007 – 11 UF 61/07 = FamRZ 2008, 629 (629); Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 42, 44; Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 340 f. 219 So auch MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 18 bezogen auf das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft. 220 Bezogen auf die Anfechtung durch den leiblichen Vater so auch Staudinger/Rauscher, § 1600 Rn. 45. 221 Der Grund für das Bestehen der Regelannahme des § 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 BGB n. F. trotz geringer Anwendbarkeit bei Anfechtung durch die Behörde ist darin zu sehen, dass die Regelannahmen im Zusammenhang mit der Anfechtung durch den leiblichen Vater eingeführt wurden (§ 1600 Abs. 3 S. 2 BGB a. F.). Der leibliche Vater kann, anders als die anfechtungsberechtigte Behörde, auch die rechtliche Vaterschaft, die durch Ehe mit der Mutter entstanden ist (§ 1592 Nr. 1 BGB) anfechten. Bei Anfechtung durch den leiblichen Vater besteht somit ein Anwendungsbereich für die Regelannahme, die von der Ehe der Eltern auf die Übernahme elterlicher Verantwortung seitens des Vaters schließt (§ 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 BGB n. F.). 222 Heiratet die Mutter vor der Vaterschaftsanerkennung, so ist der Ehemann der Mutter der rechtliche Kindesvater gemäß § 1592 Nr. 1 BGB und nicht der Anerkennende gemäß § 1592 Nr. 2 BGB. 218

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zusammenziehen wollte. Dann trifft das Zusammenleben von Mutter, Anerkennendem und Kind auch keine Aussage über das Bestehen einer Beziehung zwischen Mann und Kind. Denkbar ist auch der Fall, dass die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung vereinbarungsgemäß nur zum „Schein“ für eine gewisse Zeit in einem Haushalt zusammenleben.223 Im Ergebnis müssen bei Vorliegen einer der Regelannahmen gemäß § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. weitere Umstände gegeben sein, um von dem Tragen elterlicher Verantwortung, d. h. von einer sozial-familiären Beziehung zwischen Mann und Kind ausgehen zu können. (b) Nichtvorliegen einer Regelannahme Es stellt sich die Frage, ob von dem Nichtvorliegen einer Regelannahme gemäß § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. auf das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung geschlossen werden kann. Keineswegs darf ein solcher Schluss bei Nichtvorliegen einer Ehe zwischen Mutter und rechtlichem Vater erfolgen. Wie bereits oben angedeutet, wird nämlich gerade bei nichtehelich geborenen Kindern, für die ein Mann die Vaterschaft anerkennt, selten eine Eheschließung zwischen Anerkennendem und Mutter nach der Geburt des Kindes stattfinden. Das trifft aber keine Aussage über die Beziehung von rechtlichem Vater und Kind. Der Schluss von der Nichteheschließung nach der Anerkennung auf das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung wäre fatal. Leben Vater und Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft zusammen, wird vertreten, dass allein dieser Umstand einen Schluss auf das Nichtvorliegen einer sozial-familiären Beziehung zulässt.224 Einer Untersuchung aus dem Jahr 1997 ist jedoch zu entnehmen, dass nur ein Viertel der nichtehelich geborenen Kinder mit der Mutter und ihren biologischen Vätern in einem Haushalt leben.225 Die Untersuchung trifft keine Aussage darüber, in wie vielen Fällen zu einem anderen Zeitpunkt, der nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Geburt steht, ein Zusammenleben nichtehelicher Kinder mit ihren leiblichen Vätern und der Mutter besteht. Darüber hinaus geht es bei der sozial-familiären Beziehung nicht um die Beziehung Vater-Mutter-Kind und erst Recht nicht um die Beziehung Mutter-Vater, sondern nur um die Vater-Kind-Beziehung.226 Der Ermittlung kann nicht ent223 Henrich, FamRZ 2006, 977 (979) warf zu Recht die Frage auf: „Wie, wenn der Anerkennende einige Wochen [. . .] vor der Anerkennung die Mutter und das Kind in sein Haus aufgenommen hat, nach der Anerkennung aber Mutter und Kind sich vereinbarungsgemäß wieder von ihm trennen?“. 224 Genenger, FPR 2007, 155 (157). 225 Vaskovics/Rost/Rupp, Lebenslage nichtehelicher Kinder, S. 62, 107. 226 Frank, StAZ 2006, 281 (284); ders., FS Schwab 2005, 1127 (1132) bezogen auf sozial-familiäre Beziehung bei Anfechtung durch biologischen Vater; a. A. Meysen,

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nommen werden, in wie vielen Fällen nichteheliche Kinder nur mit ihren Vätern in häuslicher Gemeinschaft leben. Unabhängig von dem Aussagewert der Untersuchung entspricht es jedoch der Realität, dass in vielen Fällen nichteheliche Kinder mit ihren rechtlichen Vätern zu keinem Zeitpunkt zusammen leben.227 Daher darf in der Praxis von dem Nicht-Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft nicht unmittelbar auf das Nicht-Tragen tatsächlicher Verantwortung und das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung geschlossen werden.228 Eine andere Beurteilung würde dazu führen, dass in allen Fällen, in denen der anerkennende Mann nie mit dem Kind zusammengelebt hat und die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, die anfechtungsberechtigte Behörde die Vaterschaft anfechten kann. Konsequenz wäre, dass ein Kind seinen rechtlichen Vater verlieren könnte, mit dem es zwar nicht zusammenlebt, den es aber mehrmals wöchentlich sieht oder auf andere Weise einen regelmäßigen Kontakt unterhält. Genauso wie es sich verbietet, von dem Bestehen einer der Regelannahmen unmittelbar auf das Tragen elterlicher Verantwortung zu schließen, verbietet es sich auch, von dem Nichtbestehen der Regelannahmen auf das Nichttragen elterlicher Verantwortung zu schließen. (bb) Systematische Interpretation Um festzustellen, wann der anerkennende Mann für das Kind tatsächlich elterliche Verantwortung trägt, bietet sich ein Vergleich mit anderen Vorschriften an, bei denen es ebenfalls auf eine Beziehung zwischen Vater und Kind ankommt. (a) § 1600 Abs. 2 BGB Der Begriff der sozial-familiären Beziehung ist dem Vaterschaftsanfechtungsrecht nicht fremd. Seitdem der leibliche Vater zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt ist, kann seine Anfechtung gemäß § 1600 Abs. 2 BGB nur dann erfolgen, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater nicht besteht oder im Zeitpunkt seines Todes nicht bestanden hat.229 Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3, der von der Beziehung Vater, Mutter, spricht. 227 So auch Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 9; Piening, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 18; Heinz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 46; Arendt-Rojahn, FPR 2007, 395 (397). 228 So auch Benneter, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14025 (C); Arendt-Rojahn, FPR 2007, 395 (397); bezogen auf die Anfechtung durch den leiblichen Vater so auch BGH, Urt. v. 6.12.2006 – XII ZR 164/04 = StAZ 2007, 235 (237). 229 BVerfG, Beschl. v. 13.10.2008 – 1 BvR 1548/03 = StAZ 2009, 145 f. entschied, dass das Merkmal der sozial-familiären Beziehung bei Anfechtung durch den leiblichen Vater keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.

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Daher geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die Praxis bei der Auslegung des Begriffs der sozial-familiären Beziehung im Fall der behördlichen Vaterschaftsanfechtung „an der sich entwickelnden Auslegung des Merkmals in Rechtsprechung und Literatur orientieren kann.“230 Fraglich ist, ob eine solche Übertragung der Auslegung sinnvoll ist. Bei der Anfechtung durch den leiblichen Vater und der behördlichen Vaterschaftsanfechtung geht es in beiden Fällen um die Beseitigung der bestehenden rechtlichen Vaterschaft. Trotz dieser Parallelität ist zu beachten, dass die Intention der Anfechtenden in beiden Anfechtungskonstellationen eine unterschiedliche ist.231 Ficht der leibliche Vater die Vaterschaft an, so strebt er die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft an, weil er selbst elterliche Verantwortung für das Kind übernehmen und in die rechtliche Vaterstellung eintreten möchte. In dem Anfechtungsverfahren ist somit nicht nur das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind relevant, sondern auch das Bestehen bzw. das Interesse an dem Aufbau einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind.232 Es wird abgewogen, ob dem rechtlichen oder dem leiblichen Vater aufgrund seiner Verantwortungsgemeinschaft zu dem Kind der Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG zu gewähren ist.233 Darüber hinaus hat der Anfechtungsantrag des leiblichen Vaters nur dann Erfolg, wenn festgestellt wird, dass das Kind von ihm biologisch abstammt. Das Kind wird seinem leiblichen Vater rechtlich zugeordnet und wird daher im Wege der Anfechtung nicht „vaterlos“. Erfolgt die Anfechtung durch die Behörde, so soll die rechtliche Vaterschaft allein aufgrund öffentlichen Interesses beseitigt werden, um der von der Vaterschaftsanerkennung profitierenden Partei ihren aufenthaltsrechtlichen Status mit den dazugehörigen sozialrechtlichen Ansprüchen rückwirkend zu entziehen. Wer der leibliche Kindesvater ist und ob dieser ein Interesse an der Übernahme der elterlichen Verantwortung hat, wird nicht festgestellt. Das Kind wird „vaterlos“.

230 BT-Drucks. 16/3291, S. 15; so auch MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 18; Schulz/ Hauß/Helbig, § 1600 BGB, Rn. 10, der hinsichtlich der Voraussetzung des Nichtbestehens der sozial-familiären Beziehung bei der behördlichen Vaterschaftsanfechtung auf die Voraussetzung des Nichtbestehens der sozial-familiären Beziehung bei der Anfechtung durch den biologischen Vater verweist; Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (23); Huber/ Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, Rn. 703. 231 Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 11 f.; ders., Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 9 f.; ders., StAZ 2007, 69 (72 f.); Grün, FuR 2007, 12 (13); Arendt-Rojahn, FPR 2007, 395 (397). 232 BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01 = StAZ 2003, 210 (212 f.); Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 40. 233 So die Vorgabe des BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01 = StAZ 2003, 210 (212 f.); später OLG Frankfurt/M., Urt. v. 9.1.2007 – 3 UF 124/06 = FamRZ 2007, 1674 (1675); Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 42; Grün, FuR 2007, 12 (13); Höfelmann, FamRZ 2004, 745 (749).

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Beiden Anfechtungskonstellationen liegen somit unterschiedliche Ausgangssituationen zugrunde, so dass nicht dieselben Maßstäbe an das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung bei Anfechtung durch den leiblichen Vater und Anfechtung durch die Behörde angelegt werden können.234 Zur Untermauerung dieser, ursprünglich von ihm aufgestellten These, schildert Helms folgenden Fall235: Der anerkennende Mann pflegt nur einen unregelmäßigen Kontakt zu dem anerkannten Kind und zahlt einen lediglich geringen Unterhaltsbetrag. Ficht der leibliche Vater die Vaterschaft an und ist er bereit, die elterliche Verantwortung für das Kind mit allen Rechten und Pflichten zu übernehmen, so sollte der Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft und der Feststellung der Vaterschaft des leiblichen Vaters nichts im Wege stehen.236 Anders wäre im Fall der behördlichen Vaterschaftsanfechtung zu entscheiden. Für das Kind wäre es immer noch besser, einen geringen Unterhaltsbetrag zu erhalten und einen Vater zu haben, der es zumindest unregelmäßig aufsucht, als „vaterlos“ zu sein. Im Zusammenhang mit der Anfechtung durch die Behörde werden daher geringere Anforderungen an das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung zu stellen sein als bei Anfechtung durch den leiblichen Vater. Aus diesem Grund wird in der Praxis trotz identischer Fallkonstellation bezüglich der Annahme einer sozial-familiären Beziehung je nachdem, ob die Behörde oder der leibliche Vater anficht, unterschiedlich zu entscheiden sein.237 Unabhängig davon, dass der Begriff der sozial-familiären Beziehung bei Anfechtung durch die Behörde und Anfechtung durch den leiblichen Vater nicht im gleichen Sinne verstanden werden darf, erscheint die Aussage des Gesetzgebers, es könne auf die bereits existierende Auslegung in Rechtsprechung und Literatur zu dem Begriff der sozial-familiären Beziehung zurückgegriffen werden, zumin234 Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 12; ders., Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 9; ders., StAZ 2007, 69 (72); sich der Ansicht Helms später anschließend: Nickel/jurisPK-BGB, § 1600, Rn. 42; Palandt/Diederichsen, § 1600, Rn. 10; Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1131); Zimmermann, FuR 2009, 21 (22); Grün, FuR 2007, 12 (13); Arendt-Rojahn, FPR 2007, 395 (397); Finger, JR 2007, 50 (56). 235 Helms, StAZ 2007, 69 (72 f.). 236 So letztlich die Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01 = BVerfGE 108, 82 ff. = StAZ 2003, 210 (214), in der das BVerfG feststellte, dass die alleinige Existenz einer „Zahlvaterschaft“ kein hinreichender Grund für die Verwehrung des leiblichen Vaters darstellt, als rechtlicher Vater anerkannt und in die Pflicht genommen zu werden; auch Büttner, FS Schwab 2005, 735 (739) ist der Ansicht, dass bei Anfechtung durch den leiblichen Vater ein unregelmäßiger Kontakt keine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind darstellt. 237 Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 12; ders., Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 9 f.: „Ideal wäre es, wenn sich diese Abstufung auch in Wortlaut und Systematik des Gesetzes wieder fände. Zumindest sollte aber klargestellt werden, dass der Gesetzgeber durch die Wahl einheitlicher Begriffe nicht ausschließen wollte, dass diese in unterschiedlichen Sachzusammenhängen mit unterschiedlichen Wertungen ausgefüllt werden.“

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dest bezogen auf die Rechtsprechung verfrüht. Seit Einführung des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters im Jahr 2004238 gab es hierzu zwar vereinzelte Gerichtsentscheidungen239, diese beriefen sich allerdings entweder auf die Legaldefinition des Tragens der elterlichen Verantwortung, ohne diese Begrifflichkeit weiter zu verifizieren oder beschäftigten sich mit der Frage, wie im Rahmen der Darlegungslast zur sozial-familiären Beziehung vorgetragen werden muss, wenn eine der Regelannahmen (§ 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F.240) vorliegt241. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Frage, wann von einer sozial-familiären Beziehung ausgegangen werden kann, unterblieb hierbei. Auch in der Literatur ist eine einheitliche Auslegung zur sozial-familiären Beziehung nicht erkennbar.242 Mangels bestehender bzw. einheitlicher Auslegung zum Begriff der sozial-familiären Beziehung im Zusammenhang mit der Anfechtung durch den leiblichen Vater, könnte diese zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht auf die sozial-familiären Beziehung bei behördlicher Vaterschaftsanfechtung übertragen werden.243 (b) § 1685 Abs. 2 BGB Auch im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht existiert die Begrifflichkeit der sozial-familiären Beziehung. Gemäß § 1685 Abs. 2 BGB haben Bezugspersonen des Kindes ein Umgangsrecht mit diesem, wenn sie für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben (sozial-familiäre Beziehung).244 Der Begründung zum Gesetzentwurf zum VaAnfRErgG ist zu entnehmen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers sich die Frage, wann eine sozial-familiäre Beziehung bei behördlicher Vaterschaftsanfechtung vorliegt, auch an der Auslegung des Merkmals der sozial-familiären Beziehung im Umgangsrecht orientieren soll.245 Ob eine Übertragung der Auslegung geboten erscheint, ist zu bezweifeln. 238

Siehe hierzu oben drittes Kapitel, S. 75. BGH, Urt. v. 6.12.2006 – XII ZR 164/04 = StAZ 2007, 235 ff.; das OLG Frankfurt/M., Urt. v. 9.1.2007 – 3 UF 124/06 = FamRZ 2007, 1674 f. spricht zumindest von einer „engen Bindung“ im Zusammenhang mit der sozial-familiären Beziehung; OLG Stuttgart, Urt. v. 6.9.2007 – 11 UF 61/07 = FamRZ 2008, 629; OLG Bremen, Urt. v. 31.10.2006 – 4 WF 100/06 = OLGR Bremen 2007, 99 f.; AG Herford, Urt. v. 26.10. 2007 – 14 F 770/06 = FamRZ 2008, 1270 f. 240 Zu dem Zeitpunkt waren die Regelannahmen in § 1600 Abs. 3 S. 2 BGB a. F. festgelegt. 241 Siehe hierzu unten fünftes Kapitel, S. 250–252. 242 Vgl. Palandt/Diederichsen, § 1600, Rn. 8; Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 40– 46; MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 8–13; Will, FPR 2005, 172 (177); Eckebrecht, FPR 2005, 205 (209); Schwab, Familienrecht, Rn. 541; Rauscher, Familienrecht, Rn. 798a. 243 Helms, StAZ 2007, 69 (72). 244 Ebenso wie die Anfechtung durch den leiblichen Vater beruht das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes auf dem Beschluss des BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01 = StAZ 2003, 210 ff. 239

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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Konnte bei der Anfechtung durch den leiblichen Vater und der behördlichen Vaterschaftsanfechtung zumindest noch auf die vordergründige Parallelität der Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft verwiesen werden, so ist noch nicht einmal diese im Umgangs- und Vaterschaftsanfechtungsrecht vorhanden. Während das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung im Vaterschaftsanfechtungsrecht zur Beseitigung der Statuszuordnung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater führen kann, führt im Umgangsrecht das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zur Gewährung des Umgangs mit dem Kind. Liegt eine sozialfamiliäre Beziehung nicht vor, so verliert das Kind dadurch nicht eine ihm rechtlich zugeordnete Person. Die Konsequenzen für das Kind, die an die Ablehnung einer sozial-familiären Beziehung geknüpft werden, sind somit im Vaterschaftsanfechtungsrecht viel gravierender als im Umgangsrecht. Ferner ist für die Erteilung eines Umgangsrechts wesentlich, ob es dem Wohl des Kindes dient.246 Anders stellt es sich bei der Anfechtung durch die Behörde dar. Ob die bestehende Beziehung zwischen dem rechtlichen Mann und dem Kind dem Wohl des Kindes dient, stellt keinen eigenständigen Prüfungspunkt dar, sondern fließt allenfalls in die Beurteilung ein, ob der Mann tatsächlich Verantwortung für das Kind trägt. Aus diesen Gründen muss von einer gleichen Auslegung des Merkmals der sozial-familiären Beziehung im Umgangsrecht und bei behördlicher Vaterschaftsanfechtung abgesehen werden.247 Im Ergebnis können für die Annahme einer sozial-familiären Beziehung im Umgangsrecht sporadische oder einzelne Kontakte nicht ausreichen248, dieselben Kontakte im Fall der Anfechtung der Vaterschaft durch die Behörde hingegen zur Annahme einer sozial-familiären Beziehung führen, um zu verhindern, dass dem Kind sein rechtlicher Vater gänzlich genommen wird.249 245 BT-Drucks. 16/3291, S. 15; zwar fehlt es an einem direkten Verweis auf die bestehende Auslegung zu § 1685 Abs. 2 BGB. Es wird aber indirekt auf Gerichtsentscheidungen zu § 1685 Abs. 2 BGB und Kommentare verwiesen. 246 BGH, Beschl. v. 9.2.2005 – XII ZB 40/02 = FamRZ 2005, 705 (706); MüKo/Finger, § 1685, Rn. 13; Staudinger/Rauscher, § 1685, Rn. 18; Rauscher, Familienrecht, Rn. 1097, 1121. 247 So im Ergebnis auch Helms, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/ 3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 43; Grün, FuR 2007, 12 (13). 248 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.2003 – II – 8 UF 14/03 = FamRZ 2004, 290; MüKo/Finger, § 1685, Rn. 11. 249 A.A. BT-Drucks. 16/3291, S. 15: „Keine sozial-familiäre Beziehung liegt dagegen [. . .] vor, wenn der leibliche Vater nur eine vorübergehende Beziehung zu der Kindesmutter unterhielt und zwischen dem Kind und ihm nur sporadische und vereinzelte Kontakte stattfanden.“. Hierbei ist zum einen verwunderlich, dass von der sozial-familiären Beziehung zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind gesprochen wird, auf die es bei der Anfechtung gar nicht ankommt. Zum anderen verweist die BT-Drucks. zur Untermauerung ihrer Ansicht auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.2003 – II – 8 UF 14/03 = FamRZ 2004, in der es allerdings um die Erteilung eines Umgangsrechts ging. Dass andere Maßstäbe bei der sozial-familiären Beziehung im Umgangsrecht und im Anfechtungsrecht anzulegen sind, wurde bereits festgestellt.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

(g) Übertragung der Grundsätze zur familiären Lebensgemeinschaft im Aufenthaltsrecht Einem Ausländer wird eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs nur dann erteilt, wenn eine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem in Deutschland lebenden Familienangehörigen gewahrt oder hergestellt werden soll (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Das Merkmal der familiären Lebensgemeinschaft soll sicherstellen, dass eine von Art. 6 GG geschützte Familie nicht auseinander gerissen wird. Gleiches gilt für das Merkmal der sozial-familiären Beziehung. Beiden Merkmalen liegt der Gedanke zugrunde, dass eine geschützte Beziehung zwischen Elternteil und Kind aus Art. 6 GG die Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung seitens des betreffenden Elternteils voraussetzt.250 Aufgrund dessen könnten sich die Grundsätze zur familiären Lebensgemeinschaft eignen, um auf die sozial-familiäre Beziehung bei behördlicher Vaterschaftsanfechtung übertragen zu werden.251 Bei der familiären Lebensgemeinschaft wird grundsätzlich unterschieden zwischen einer Beistands- bzw. Erziehungsgemeinschaft und einer Begegnungsgemeinschaft.252 Letztere genießt einen schwächeren Schutz aus Art. 6 GG, so dass sie auch durch Besuchsaufenthalte und Telefonate hinreichend ausgeübt werden kann.253 Daher reicht der Bestand einer solchen nicht zur Annahme einer aufenthaltsrechtlich geschützten familiären Lebensgemeinschaft und zur Berechtigung zum Nachzug des ausländischen Verwandten nach Deutschland aus. Für eine Beistandsgemeinschaft wird vereinzelt ein Lebensmittelpunkt der Familienangehörigen in Form einer häuslichen Gemeinschaft gefordert.254 Nur in Ausnahmefällen, in denen ein Zusammenwohnen nicht möglich ist, könne von

Auch MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 18 will mit Verweis auf BT-Drucks. 16/3291 sporadische Kontakte für eine sozial-familiäre Beziehung nicht ausreichen lassen. 250 Siehe bezogen auf die sozial-familiäre Beziehung oben drittes Kapitel, S. 86 f.; siehe bezogen auf die familiäre Lebensgemeinschaft oben viertes Kapitel, S. 92. 251 So im Ergebnis auch Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (88); Grün, FuR 2007, 12 (12); bezogen auf die Anfechtung durch den leiblichen Vater so auch Will, FPR 2005, 172 (177). 252 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (188); BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002 – 2 BvR 231/00 = FuR 2002, 415 (418); Kommentar zum Zuwanderungsrecht/Eberle, § 27, Rn. 7. 253 Renner, Ausländerrecht § 36 AufenthG, 36.1.2.6. 254 VGH Mannheim, Beschl. v. 11.5.1993 – 11 S 714/93 = InfAuslR 1993, 366; Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG, 27.1.4. und § 27 AufenthG, Rn. 21; a. A. BVerwG, Beschl. v. 25.5.2001 – 1 BvR 2253/00 = NVwZ-RR 2001, 687 (687, 689); OVG Niedersachsen, Beschl. v. 19.4.2000 – 11 M 1343/00 = InfAuslR 2000, 392 (393); OVG Münster, Beschl. v. 23.5.1996 – 18 B 339/95 = NVwZ-RR 1997, 69 L = NWVBl 1997, Kluth/Hund/Maaßen/Maor, Zuwanderungsrecht, § 4, Rn. 794; HK-AuslR/Oberhäuser, § 28, Rn. 31; HK-AuslR/Müller, § 27, Rn. 21; GK-AufenthG/Marx, § 27, Rn. 95 ff.; Hofmann, InfAuslR 1992, 240 (242).

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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dieser Voraussetzung abgesehen werden.255 Von einer Entscheidung, ob für eine familiäre Lebensgemeinschaft ein gemeinsamer Wohnsitz der Betroffenen gefordert werden sollte, kann abgesehen werden, da sich das Merkmal nicht eignet, um unmittelbar auf eine sozial-familiäre Beziehung zu schließen.256 Ferner lehnt das BVerfG bei der Beurteilung der Frage, wann von einer familiären Lebensgemeinschaft im Aufenthaltsrecht auszugehen ist, eine schematische Einordnung der Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern als entweder Beistands- oder Erziehungsgemeinschaft bzw. bloßer Begegnungsgemeinschaft ohnehin ab.257 Vielmehr sei eine einzelfallgerechte Beurteilung erforderlich258, die die konkreten Lebensumstände mitberücksichtige.259 „Eine verantwortungsvoll gelebte und dem Schutzzweck des Art. 6 GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft lässt sich nicht nur quantitativ etwa nach Datum und Uhrzeit des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungsleistungen bestimmen. Die Forderung nach Erfüllung objektiv messbarer und bestimmbarer Mindestkriterien für die Annahme aufenthaltsrechtlich schützenswerter Betreuungsleistungen lässt die in Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistete und vom Staat zu respektierende Autonomie der Eltern bei der konkreten Umsetzung ihrer elterlichen Pflichten und Rechte und der Ausgestaltung der gemeinsam getragenen Elternverantwortung außer Acht. Hinzu kommt, dass die Entwicklung eines Kindes nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt wird.“260 Das BVerfG betont, dass die Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung auch nicht an das formale Bestehen des Sorgerechts gebunden werden kann. Vielmehr könne auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts unabhängig vom

255 Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG, 27.1.4: Dies kann zum Beispiel bei einer notwendigen Unterbringung in einem Behinderten- oder Pflegeheim oder einer berufsund ausbildungsbedingten Trennung der Fall sein. 256 Siehe zu der Frage, ob von dem Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft unmittelbar auf den Bestand einer sozial-familiären Lebensgemeinschaft geschlossen werden kann oben fünftes Kapitel, S. 204–207. 257 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (189); BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002 – 2 BvR 231/00 = FuR 2002, 415 (418 f.); so auch BVerwG, Beschl. v. 25.5.2001 – 1 BvR 2253/00 = NVwZ-RR 2001, 687 (687). 258 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (189); BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002 – 2 BvR 231/00 = FuR 2002, 415 (418); BVerfG, Beschl. v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 = juris, Rn. 7. 259 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (189); so auch GK-AufenthG/Marx, § 27, Rn. 95 ff. 260 BVerfG, Beschl. v. 30.1.2002 – 2 BvR 231/00 = FuR 2002, 415 (419); später so auch BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (188); BVerfG, Beschluss v. 9.1.2009, 2 BvR 1064/08 = juris, Rn. 15; ähnlich VG Dresden, Beschl. v. 11.6.2008 – 3 L 279/08 = juris, Rn. 12: Durch Art. 6 Abs. 1 GG ist „nicht die formale Rechtsposition des rechtlichen, biologischen oder „sozialen“ Vaters oder der Umgang des Kindes mit diesem geschützt, sondern allein die tatsächlich gelebte familiäre Gemeinschaft.“.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Sorgerecht Ausdruck und Folge der Elternverantwortung sein.261 Nach Ansicht des BVerfG könne allerdings durchaus gefordert werden, dass für das Vorliegen einer familiären Lebensgemeinschaft regelmäßige Kontakte und eine gewisse emotionale Verbundenheit zwischen den Betroffenen bestehen.262 Da sowohl die sozial-familiäre Beziehung als auch die familiäre Lebensgemeinschaft voraussetzen, dass die Elternverantwortung tatsächlich wahrgenommen wird, eignet sich grundsätzlich eine Übertragung der im Aufenthaltsrecht aufgestellten Grundsätze zu der Frage, wann von dem Tragen elterlicher Verantwortung auszugehen ist. Hierbei sollten allerdings die unterschiedlichen Rechtsfolgen nicht außer Acht gelassen werden. Bei Ablehnung einer familiären Lebensgemeinschaft im Aufenthaltsrecht wird dem beantragenden Familienmitglied kein Nachzug nach Deutschland gestattet. Eine Beseitigung der Familienbande unterbleibt hingegen. Wird das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung im Zusammenhang mit einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung abgelehnt und sind die anderen Anfechtungsvoraussetzungen gegeben, so erfolgt die Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft. Die Rechtsfolge, die an die Ablehnung der Wahrnehmung der Elternverantwortung geknüpft wird, ist im Anfechtungsrecht somit weit reichender als im Aufenthaltsrecht, weswegen an das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung geringere Anforderungen gestellt werden sollten als an die familiäre Lebensgemeinschaft. Insbesondere sollte eine Unterscheidung zwischen einer Begegnungs- und Betreuungs-/Erziehungsgemeinschaft – unabhängig von den Vorgaben des BVerfG – nicht erfolgen, denn bei dem Bestehen der sozial-familiären Beziehung kommt es nicht darauf an, ob diese auch von getrennten Wohnorten aus wahrgenommen werden kann. Anders als bei der familiären Lebensgemeinschaft, die in der schwachen Form der Begegnungsgemeinschaft nicht zum aufenthaltsrechtlichen Schutz führt, muss selbst das Vorliegen einer nur schwachen sozial-familiären Beziehung das behördliche Anfechtungsrecht ausschließen. (cc) Ergebnis Dass der Begriff der sozial-familiären Beziehung bereits im Zusammenhang mit der Anfechtung durch den leiblichen Vater und im Umgangsrecht existiert, ist für die Konkretisierung des Merkmals der sozial-familiären Beziehung im Zusammenhang mit dem behördlichen Anfechtungsrecht bedeutungslos. Nur die Grundsätze aus dem Aufenthaltsrecht zur familiären Lebensgemeinschaft eignen

261 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (188); so auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.4.2000 – 10 B 10369/00 = InfAuslR 2000, 388 (389 ff.) und OVG Niedersachsen, Beschl. v. 19.4.2000 – 11 M 1343/00 = InfAuslR 2000, 392 ff. 262 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (189).

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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sich in weiten Teilen zur Übertragung auf die sozial-familiäre Beziehung im Sinne von § 1600 Abs. 3 BGB n. F. Daher muss sich im Ergebnis für die Beurteilung, ob eine sozial-familiäre Beziehung besteht, die Aufstellung schematischer Voraussetzungen verbieten. Inwiefern die elterliche Verantwortung von dem anerkennenden Mann wahrgenommen wird, bedarf – wie bei der familiären Lebensgemeinschaft – einer Betrachtung des Einzelfalls und der dem Einzelfall zugrunde liegenden Umstände.263 Die Kritik, das Merkmal der sozial-familiären Beziehung sei zu unbestimmt264, berücksichtigt nicht ausreichend, dass nur eine gewisse Unbestimmtheit eine einzelfallgerechte Entscheidung abgestimmt auf die jeweilige Familie ermöglicht.265 Ob der Mann mit dem Kind zusammenlebt; ob er es jemals vom Kindergarten abgeholt hat; ob er mit ihm in den Urlaub gefahren ist; wie oft Mann und Kind telefonieren und sich am Wochenende oder unter der Woche sehen, mag für den einen Fall relevant sein und für den anderen, zum Beispiel aus kulturellen Gründen, nicht.266 Sicher ist allerdings, dass eine sozial-familiäre Beziehung einen gewissen regelmäßigen Kontakt zwischen dem anerkennenden Mann und dem Kind voraussetzt.267 Wie bei der familiären Lebensgemeinschaft muss der Elternteil tatsächlich Anteil nehmen an dem Leben und dem Aufwachsen des Kindes. Dies kann nur durch regelmäßigen Umgang zwischen dem Elternteil und dem Kind geschehen268, welcher nicht nur durch persönlichen Kontakt, sondern auch durch Brief- und Telefonkontakte wahrgenommen werden kann.269 Dass nicht zwangsläufig persönlicher Kontakt zwischen Mann und Kind bestehen muss, ist auch vom Willen des Gesetzgebers gedeckt, der darauf hinweist, dass eine sozialfamiliäre Beziehung auch bestehen kann, wenn ein Elternteil sich im Ausland aufhält und im Visumsverfahren ein Aufenthaltsrecht aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung beantragt270. Entscheidend ist das Bestehen einer tatsäch-

263

So bezogen auf die Anfechtung durch den leiblichen Vater OLG Frankfurt/M., Urt. v. 9.1.2007 – 3 UF 124/06 = FamRZ 2007, 1674 (1675). 264 Dagdelen, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7979 (D); Leutheusser-Schnarrenberger, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7978 (D); Heinhold, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3. 265 In Bezug auf die Anfechtung durch den leiblichen Vater hat das OLG Frankfurt/ M., Urt. v. 9.1.2007 – 3 UF 124/06 = FamRZ 2007, 1674 ff. festgestellt, dass verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber den unbestimmten Rechtsbegriff der sozial-familiären Beziehung verwandt hat. 266 So letztlich auch Heinz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 46. 267 So auch Benneter, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14025 (C); Grün, FuR 2007, 12 (12). 268 BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (188). 269 So BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (190) bezogen auf die familiäre Lebensgemeinschaft. 270 BT-Drucks. 16/3291, S. 13.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

lichen Verbundenheit zwischen Eltern und Kind271, welche auch bei Nichtvorliegen des Sorgerechts vorhanden sein kann. Damit ist die Befürchtung Meysens, durch das Gleichsetzten der sozial-familiären Beziehung mit der Verantwortungsübernahme drohe ein „bürokratisch-formaler“ Blick auf das Bestehen der elterlichen Sorge, anstatt gelebte Beziehungen und entstandene Bindungen als maßgebliche Bezugspunkte zu normieren272, unbegründet. Indiz für die Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung soll nach Ansicht des Gesetzgebers die Zahlung von Unterhalt sein.273 Allein von einer Unterhaltszahlung, unabhängig von einem Kontakt zwischen Mann und Kind, sollte allerdings nicht auf eine sozial-familiäre Beziehung geschlossen werden. Immerhin kann eine solche Zahlung auch nur „zum Schein“ oder aus Dankbarkeit des ausländischen Mannes dafür, dass er die Vaterschaft für das deutsche Kind anerkennen durfte, gezahlt werden. Als weiteres Indiz können die Regelannahmen gemäß § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. herangezogen werden, die vermuten lassen, dass bei Zusammenleben zwischen Mann und Kind oder Ehe zwischen Mutter und Vater, das Kind und der Vater einen gewissen Kontakt haben. Dieses Indiz muss sich dann allerdings durch andere Umstände, die auf einen Kontakt zwischen Mann und Kind hindeuten, erhärten. Umgekehrt darf von dem Nichtvorliegen der Regelannahmen nicht auf das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung geschlossen werden. In wesentlicher Übereinstimmung mit den oben aufgestellten Grundsätzen, entschied das OLG Oldenburg am 12. Mai 2009, wann von einer sozial-familiären Beziehung bei behördlicher Vaterschaftsanfechtung auszugehen ist.274 Auch wenn dieses anfangs nicht klar zwischen dem Tragen der Verantwortung nach § 1600 Abs. 4 S. 1 BGB und den Regelannahmen des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB, die lediglich die Übernahme der Verantwortung indizieren, trennte275, so geht es im Weiteren doch differenziert auf die Wahrnehmung elterlicher Verantwortung

271 So bezogen auf die familiäre Lebensgemeinschaft BVerfG, Beschl. v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 = InfAuslR 2006, 320 (321); BVerfG, Beschl. v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01 = StAZ 2003, 210 (212); BVerfG, Beschl. v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 = FamRZ 2006, 187 (188); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.4.2000 – 10 B 10369/00 = InfAuslR 2000, 388 (390); Renner, Ausländerrecht § 36 AufenthG, 36.1.2.6. 272 Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3. 273 BT-Drucks. 16/3291, S. 13; zwar heißt es „Die Übernahme tatsächlicher Verantwortung kann sich aber auch aus der Wahrnehmung weiterer typischer Elternrechte und -pflichten ergeben: Dazu zählen [. . .] die Leistung von Unterhalt. “. Hierbei ist zu beachten, dass eine ordentliche Trennung zwischen der Übernahme und dem Tragen der tatsächlichen Verantwortung seitens des Gesetzgebers unterblieb; siehe hierzu auch schon oben fünftes Kapitel, S. 204 f. 274 OLG Oldenburg, Urt. v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = StAZ 2009, 242 ff. 275 OLG Oldenburg, Urt. v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = StAZ 2009, 242 (243) = juris, Rn. 22 f.

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ein276. Es berief sich hierbei auf die Erforderlichkeit einer tatsächlichen Beziehung zwischen Mann und Kind, die es als nicht gegeben ansah. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht aufgrund mehrerer kumulativ vorliegender Tatsachen. So sollte nach Angaben der Mutter des Kindes der rechtliche Vater monatlich in bar Unterhalt gezahlt haben. Der Mann war allerdings nicht leistungsfähig. Ferner sollte der rechtliche Vater dem Kind etliche Geschenke gemacht haben, die bei einem Besuch des Jugendamtes alle „gerade nicht da“ waren. Auch konnte die Mutter eine Adresse des rechtlichen Vaters des Kindes nicht nennen, lebte hingegen mit ihrem geschiedenen Ehemann, mit dem sie weitere Kinder hatte, nach der Scheidung weiterhin in einer häuslichen Gemeinschaft. (b) Zeitpunkt für Vorliegen der sozial-familiären Beziehung Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt die sozial-familiäre Beziehung bestehen bzw. bestanden haben muss, um die Vaterschaftsanfechtung der Behörde auszuschließen. § 1600 Abs. 3 BGB n. F. lautet: „Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 5 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat [. . .]“. Damit stellt die Norm auf drei Zeitpunkte ab. Liegt eine sozial-familiäre Beziehung zu einem der Zeitpunkte vor, hat die Anfechtung der Vaterschaft keinen Erfolg. Die Kritik, dem Wortlaut der Norm sei nicht zu entnehmen, dass eine sozial-familiäre Beziehung nicht kumulativ zu allen Zeitpunkten vorliegen muss277, ist gegenstandslos, da der Gesetzgeber die Zeitpunkte eindeutig mit dem Wort „oder“ verbunden hat. Ein Zeitpunkt, zu dem eine sozial-familiäre Beziehung das behördliche Anfechtungsrecht ausschließt, bezieht sich auf die in der Gegenwart noch bestehende sozial-familiäre Beziehung. Die sozial-familiäre Beziehung zum gegenwärtigen Zeitpunkt meint den Anfechtungszeitpunkt, das heißt den Moment der Urteilsfindung.278 Hierbei ist, so wie bei der Anfechtung durch den leiblichen Vater279, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen280. 276 OLG Oldenburg, Urt. v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = StAZ 2009, 242 (243 f.) = juris, Rn. 24 ff. 277 Siegfried, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 4; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 24. 278 MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 18; Frank, StAZ 2006, 281 (284). 279 BGH, Urt. v. 6.12.2006 – XII ZR 164/04 = StAZ 2007, 235 (236); OLG Stuttgart, Urt. v. 6.9.2007 – 11 UF 61/07 = FamRZ 2008, 629 (629); Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 41; MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 8; Büttner, FS Schwab 2005, 735 (739); wird die Verfahrensdauer bewusst hinausgezögert, um in dieser Zeit eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind erstmals entstehen lassen zu können, wird nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, son-

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Die anderen zwei Zeitpunkte stellen auf in der Vergangenheit existent gewesene sozial-familiäre Beziehungen ab. Eine solche verhindert die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung, wenn sie entweder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes vorhanden war. Hieraus resultieren einige Probleme. (aa) Wortlautunstimmigkeiten Der Wortlaut des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. weist an einigen Stellen Ungenauigkeiten auf. (a) Im Zeitpunkt der Anerkennung Es wird kritisiert, dass der Wortlaut „im Zeitpunkt der Anerkennung“ nicht eindeutig erkennen ließe, ob damit das Wirksamwerden der Anerkennungserklärung des Mannes oder die wirksame Anerkennung insgesamt, also insbesondere nach Zustimmung der Mutter, gemeint ist.281 Hierbei wird allerdings verkannt, dass seit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 begrifflich von der (Vaterschafts-) Anerkennung nur noch die Anerkennungserklärung des Mannes erfasst ist. Diese entfaltet in dem Moment Wirksamkeit, in dem die anderen Wirksamkeitsvoraussetzungen, zum Beispiel die Zustimmung der Mutter, gegeben sind.282 Das bedeutet, dass das Wirksamwerden der Anerkennungserklärung und das Wirksamwerden der Anerkennung im selben Zeitpunkt stattfinden, bzw. denselben Sachverhalt darstellen. Das vermeintliche Wortlautproblem stellt sich demnach nicht. Allenfalls könnte man sich fragen, ob mit „Anerkennung“ die Wirksamkeit der Anerkennung oder die Abgabe der Anerkennungserklärung ohne das Vorliegen der weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen gemeint ist. Im Zusammenhang mit der pränatalen Vaterschaftsanerkennung geht die Gesetzesbegründung zu dem VaAnfRErgG darauf ein, dass die sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Geburt bestehen muss, weil erst dann die Vaterschaftsanerkennung wirksam wird.283 Daher kann davon ausgegangen werden, dass die sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung und nicht der Abgabe der Anerkennungserklärung bestehen muss284, um eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung zu verhindern.

dern auf den Zeitpunkt des Beginns des Verfahrens abgestellt: OLG Karlsruhe, Urt. v. 21.1.2010 – 2 UF 69/08 = FamRB 2010, 171 f. 280 Grün, FuR 2007, 12 (13); Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1130). 281 Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1130); ihm folgend Nickel/jurisPK-BGB, § 1600, Rn. 41. 282 Siehe hierzu oben zweites Kapitel S. 21. 283 BT-Drucks. 16/3291, S. 13. 284 So auch Grün, FuR 2007, 12 (13).

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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(b) Im Zeitpunkt seines Todes Ein Wortlautproblem könnte sich im Zusammenhang mit der sozial-familiären Beziehung im Zeitpunkt „seines Todes“ ergeben. Der Norm ist nicht zu entnehmen, wessen Tod gemeint ist285. In Betracht kommt sowohl der Tod des Kindes als auch der des Mannes. Gemeint sein wird wohl der Tod des Mannes286, spricht § 1600 Abs. 3 BGB n. F. doch von einer sozial-familiären Beziehung, die nicht zwischen „Kind und Anerkennendem“ bestehen darf. Damit wird das letzte Mal vor dem Wort „seines Todes“ nicht das Kind, sondern der Anerkennende genannt. Darüber hinaus ist im Zusammenhang mit der Anfechtung durch den leiblichen Vater, welche auch bei Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Fall „seines Todes“ ausgeschlossen ist (§ 1600 Abs. 2 BGB), anerkannt, dass es sich um den Tod des rechtlichen Vaters handelt.287 Auch die Begründung zum Gesetzentwurf zu dem VaAnfRErgG spricht von der schutzwürdigen sozial-familiären Beziehung, „die bis zum Tod des rechtlichen Vaters bestanden hat.“288 Wenn nun tatsächlich der Tod des rechtlichen Vaters gemeint ist, so ist nicht der Fall erfasst, in dem das Kind verstirbt. Daher wäre eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft selbst bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung im Zeitpunkt des Todes des Kindes möglich, vorausgesetzt bei Anerkennung bestand diese noch nicht und die anderen Anfechtungsvoraussetzungen sind gegeben. Dass diese theoretische Konstruktion in der Praxis jemals problematisch sein wird, kann bezweifelt werden. Sollte es allerdings zu dem Fall kommen, muss de lege lata auch dann eine behördliche Vaterschaftsanfechtung aufgrund bestehender sozial-familiärer Beziehung in der Vergangenheit ausgeschlossen sein, denn ein die Anfechtung der Vaterschaft rechtfertigender Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung liegt in dem Fall genauso wenig vor, wie bei Versterben des rechtlichen Vaters. (bb) Pränatale Vaterschaftsanerkennung Problematisch könnte auch das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Zeitpunkt der Anerkennung sein, wenn die Vaterschaftsanerkennung pränatal erfolgte und im Anfechtungszeitpunkt keine sozial-familiäre Beziehung mehr besteht.

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Hierauf weist auch Henrich, FamRZ 2006, 977 (979) hin. Dies wird unterstellt von MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 18; Zimmermann, FuR 2009, 21 (22); Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1130); Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (3); Grün, FuR 2007, 12 (13). 287 Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 41; Schwab, Familienrecht, Rn. 541. 288 BT-Drucks. 16/3291, S. 13. 286

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Da eine Vaterschaftsanerkennung frühestens mit Geburt des Kindes wirksam wird289, ist bei einer pränatalen Vaterschaftsanerkennung auf diesen Zeitpunkt hinsichtlich der sozial-familiären Beziehung gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F. abzustellen290. Daraus ergibt sich die Frage, wie ein die Vaterschaft anerkennender Mann bereits im Moment der Geburt elterliche Verantwortung für das Kind tragen kann. In der Gesetzesbegründung zu dem VaAnfRErgG heißt es hierzu: „Es kann auch im Zeitpunkt der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung bestehen, insbesondere wenn der Anerkennende hinreichend intensiv an Schwangerschaft und Geburt Anteil genommen und den Kontakt zum Kind in seine Lebensplanung aufgenommen hat.“291 Bei einer pränatalen Vaterschaftsanerkennung kann somit nicht an die oben genannten Grundsätze zur sozial-familiären Beziehung angeknüpft werden, denn ob ein regelmäßiger Kontakt bzw. eine tatsächliche Verbundenheit zwischen Mann und Kind besteht, lässt sich erst nach der Geburt (und das noch nicht einmal unmittelbar nach der Geburt) bestimmen. Stattdessen muss die Situation vor der Geburt des Kindes betrachtet werden. Kommt man zu dem Ergebnis, dass der Mann während der Schwangerschaft einen regelmäßigen Umgang zu dem Kind in seine Lebensplanung aufgenommen hat, so muss der Wille des Tragens der elterlichen Verantwortung noch bis zur Geburt des Kindes anhalten. Hat der Mann zum Beispiel für einige Monate an der Schwangerschaft Anteil genommen, entfernt er sich aber vor der Geburt von Mutter und Kind, so liegt im Geburtszeitpunkt keine sozial-familiäre Beziehung mehr vor.292 Dass es im Fall der pränatalen Vaterschaftsanerkennung in der Praxis zu Problemen hinsichtlich der Bestimmbarkeit der sozial-familiären Beziehung kommt, lässt sich nicht von der Hand weisen.293 In der Regel erstrecken sich Gerichtsver-

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Siehe hierzu oben zweites Kapitel, S. 30. BT-Drucks. 16/3291, S. 13; Zimmermann, FuR 2009, 21 (22). 291 BT-Drucks. 16/3291, S. 13; an dieser Stelle verweist die Gesetzesbegründung auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.9.2003 – II – 8 UF 14/03 = FamRZ 2004, 290, in der es an der Intensität der Teilnahme an Schwangerschaft und Geburt gefehlt habe. Dies erscheint insofern verwunderlich, als dass die Entscheidung das Umgangsrecht betrifft, welches nicht wegen mangelnder sozial-familiärer Beziehung im Geburtszeitpunkt abgelehnt wurde, sondern wegen nur sporadischen und einzelnen Kontakten zwischen Mann und Kind nach Geburt. 292 So auch Grün, FuR 2007, 12 (14); vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.9.2006 – 1 BvR 1337/06 = FamRZ 2006, 1661 f.; in der Entscheidung nahm der leibliche Vater des Kindes zwar Anteil an der Schwangerschaft, aber nicht bis zur Geburt. Ihm wurde eine Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG versagt, wobei dem Fall die Situation zugrunde lag, dass der rechtliche Vater für das Kind ab Geburt tatsächlich Verantwortung getragen hat. 293 Ähnlich Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3; Frank, StAZ 2006, 281 (284); Frank, FS Schwab 2005, 1127 (1132–1134, 1139) ist der Ansicht, dass das Merkmal der sozial-familiären Beziehung kein brauchbares Zuordnungskriterium darstellt, wenn die Vaterschaft seitens des leiblichen Vaters unmittelbar nach der Geburt angefochten wird. Hierbei geht er rechtsvergleichend auf die im französischen Recht 290

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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fahren allerdings über einen längeren Zeitraum. Das bedeutet, dass sich der Beurteilungszeitpunkt hinsichtlich der sozial-familiären Beziehung bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Regel nicht nur auf die Geburt beschränkt wird. (cc) Zeitpunkt zwischen Anerkennung und Anfechtung Indem bestimmte Zeitpunkte festgelegt wurden, die bei Vorliegen einer sozialfamiliären Beziehung das behördliche Vaterschaftsanfechtungsrecht ausschließen (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.), bleiben Vater-Kind-Beziehungen, die zwischen diesen Zeitpunkten bestanden, außer Betracht.294 Durchaus denkbar sind Konstellationen, in denen im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung zwischen rechtlichem Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung vorhanden war, eine solche sich jedoch später entwickelt hat. Wenn sich diese Beziehung, zum Beispiel aufgrund von Streitigkeiten, später wieder aufgelöst hat, könnte sie im Zeitpunkt der Vaterschaftsanfechtung schon nicht mehr bestehen oder im Zeitpunkt des Todes des Mannes nicht mehr bestanden haben. Dann würde das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen wirksamer Anerkennung und Anfechtung bzw. zwischen wirksamer Anerkennung und Tod des Mannes oder des Kindes, selbst wenn sie über mehrere Jahre bestand, eine erfolgreiche behördliche Vaterschaftsanfechtung nicht verhindern.295 Wesentlich anders stellt sich die Situation bei der Anfechtung durch den leiblichen Vater auch nicht dar. Gemäß § 1600 Abs. 2 BGB schließt die sozial-familiäre Beziehung die Anfechtung dann aus, wenn sie im Anfechtungszeitpunkt oder im Zeitpunkt des Todes des rechtlichen Vaters bestand. An einem Zeitpunkt in der Vergangenheit mangelt es generell. Es ist demnach unerheblich, ob eine sozial-familiäre Beziehung vor Anfechtung der Vaterschaft oder vor Tod des rechtlichen Vaters bestand, wenn sie zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr vorliegt. Anders als bei der behördlichen Vaterschaftsanfechtung erscheint dies im Zusammenhang mit der Anfechtung des leiblichen Vaters auch sinnvoll. Verständlich wäre es nämlich nicht, eine vergangene Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater zu schützen, dem leiblichen Vater, der unter Umständen die elterliche Verantwortung zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits wahrnimmt, seine rechtliche Stellung hingegen zu verwehren.296 Bei einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung wird dem Kind hingegen kein „neuer“ Vater zugeordnet, der existierende possession d’état ein; bezogen auf die possession d’état vor Geburt des Kindes siehe auch Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 59 f. 294 Helms, StAZ 2007, 60 (73); Frank, StAZ 2006, 281 (284); dies verkennend Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (24): „Hat eine sozial-familiäre Beziehung zu irgendeinem Zeitpunkt bestanden, so ist das behördliche Anfechtungsrecht ausgeschlossen.“. 295 Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass für die behördliche Anfechtung die absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren gilt (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.). 296 So auch Grün, FuR 2007, 12 (14).

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

in Zukunft die elterliche Verantwortung tragen will. Gerechtfertigt wäre der staatliche Eingriff in die Statuszuordnung des Kindes nur bei tatsächlich vorhandenem Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung. Bestand eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind zu irgendeinem Zeitpunkt, fehlt es allerdings an einer Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung und damit an einem Rechtfertigungsgrund für die behördliche Vaterschaftsanfechtung. Daher sollten auch vergangene sozial-familiäre Beziehungen zu irgendeinem Zeitpunkt eine erfolgreiche behördliche Anfechtung ausschließen.297 Ansonsten besteht auch die Gefahr, dass der rechtliche Vater, dessen Anfechtungsrecht verfristet ist, nach dem Ende der Beziehung zur Mutter die anfechtungsberechtigte Behörde instrumentalisiert, um sich von Zahlungsverpflichtungen zu befreien oder um sich an der Mutter zu „rächen“.298 Im Ergebnis sollte de lege ferenda § 1600 Abs. 3 BGB n. F. insofern geändert werden, als dass eine in der Vergangenheit existent gewesene sozial-familiäre Beziehung die behördliche Vaterschaftsanfechtung ausschließen muss, egal zu welchem Zeitpunkt sie bestand. Hierbei könnte der Gesetzgeber sich an der existenten Regelung zur „Scheinehe“ orientieren. Gemäß §§ 1314 Abs. 1 Nr. 5, 1315 Abs. 1 Nr. 5 BGB kann die zuständige Verwaltungsbehörde die „Scheinehe“ dann nicht mehr aufheben, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung als Ehegatten miteinander gelebt haben. Hierbei ist es unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Ehegatten in einer ehelichen Lebensgemeinschaft gelebt haben, so dass auch zwischenzeitlich bestehende Lebensgemeinschaften einbezogen sind.299 Der Gesetzgeber wird eine solche Regelung allerdings so auszugestalten haben, dass keine unüberwindbaren Beweisprobleme entstehen.300 (2) Rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt Neben dem Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind ist besondere Vaterschaftsanfechtungsvoraussetzung, dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). 297 So auch Grün, FuR 2007, 12 (14); Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1131), der die Ansicht vertritt, dass ein nachwirkender Schutz aus Art. 6 Abs. 1 GG die Anfechtung ausschließe; Arendt-Rojahn, FPR 2007, 395 (398) ist der Ansicht, es solle zumindest „erwogen werden, das behördliche Anfechtungsrecht immer dann auszuschließen, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bestanden hat.“. 298 Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1132). 299 MüKo/Müller-Gindullis, § 1315, Rn. 13; Conring, S. 291. 300 Siehe zu dem Problem der Beweisbarkeit und einem in dieser Hinsicht bestehenden Lösungsvorschlag unten fünftes Kapitel, S. 258 f.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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(a) Fallkonstellationen Die Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des VaAnfRErgG nennt einige Fälle, in denen einer der Beteiligten einen ausländerrechtlichen Vorteil im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. durch die Vaterschaftsanerkennung erlangt. Hiernach soll die Voraussetzung des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. dann erfüllt sein, wenn das Kind im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erhält, weil der anerkennende Mann entweder deutscher Staatsbürger (§ 4 Abs. 1 S. 2 StAG) oder Ausländer mit gesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland (§ 4 Abs. 3 StAG) ist. Das Kind erlangt in dem Fall rückwirkend mit seiner Geburt ein Recht auf Einreise nach und Aufenthalt in Deutschland (Art. 11 GG).301 Die Mutter oder der Vater sollen die rechtlichen Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt in Deutschland erfüllen (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.), wenn sie abgeleitet von der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes einen Aufenthaltstitel aufgrund Ausübung der Personensorge gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG erteilt bekommen. Weitere Fälle erwähnt die Gesetzesbegründung nicht. Es ist nicht zu leugnen, dass die genannten Fälle in der Praxis am häufigsten auftreten, trotz allem sind aber noch andere Konstellationen denkbar, in denen einer der Beteiligten aufgrund der Vaterschaftsanerkennung einen ausländerrechtlichen Vorteil erlangt.302 So können Mutter oder anerkennender Mann, wenn sie nicht die Personensorge für das Kind ausüben, eine Aufenthaltserlaubnis über § 28 Abs. 1 S. 4 AufenthG oder § 36 AufenthG erhalten. Gleiches gilt für den Fall, dass das ausländische Kind durch die Vaterschaftsanerkennung nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, sondern selbst nur eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 AufenthG oder § 36 AufenthG erteilt bekommt. Auch in diesen Fällen leitet einer der Beteiligten die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt von der Vaterschaftsanerkennung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. ab. (aa) Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen für ausländischen Mann Fraglich ist, ob der Fall, in dem der anerkennende Mann aufenthaltsrechtlich von der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 4 oder § 36 AufenthG profitiert, von der behördlichen Vaterschaftsanfechtung ausgeschlossen werden sollte. Es wird vertreten, dass in diesem Fall Missbrauch nicht auftritt, weil die ausländerrechtlichen Vorschriften hinreichend davor schützen.303 Der die Vaterschaft 301

BT-Drucks. 16/3291, S. 14. Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 92–100. 303 Heinhold, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 47, 49; Siegfried, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 4; 302

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

anerkennende Ausländer erhalte nur dann eine Aufenthaltserlaubnis, wenn er eine gelebte familiäre Lebensgemeinschaft zu dem Kind nachweisen könne (§ 27 Abs. 1 AufenthG), das heißt wenn er tatsächliche Verantwortung trage. Da bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung eine tatsächliche Verbundenheit zwischen Mann und Kind nicht bestehe, wird dem Mann der Aufenthaltstitel auch nicht erteilt. Aus diesem Grund sei die gesetzliche Regelung, die eine behördliche Vaterschaftsanfechtung in dem Fall vorsieht, in dem für den Mann die Voraussetzungen für die Einreise oder den Aufenthalt durch die Vaterschaftsanerkennung geschaffen werden, überflüssig. Würde diese Fallkonstellation von dem Anwendungsbereich des VaAnfRErgG ausgenommen, so wäre nicht nur auf repressiver Ebene die behördliche Vaterschaftsanfechtung ausgeschlossen. Konsequenterweise dürfte in einem solchen Fall auch die Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG nicht erfolgen. Dann könnten rechtliche Vaterschaften trotz offenkundiger/erkennbarer missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung bestehen. Auch müssten öffentliche Stellen ihren Missbrauchsverdacht den Ausländerbehörden nicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. mitteilen. Das könnte dazu führen, dass die Ausländerbehörde von den Beteiligten über das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft überzeugend getäuscht wird, was zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis führt, obwohl für die beurkundende Stelle der Missbrauch offenkundig war bzw. eine andere öffentliche Stelle einen begründeten Missbrauchsverdacht hatte. Ferner würde es zur Unsicherheit in der Praxis führen, wären manche Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung von dem VaAnfRErgG erfasst, andere hingegen ausgeschlossen. Auf eine Kleine Anfrage, die sich auf dieses Thema bezog304, antwortete die Bundesregierung, dass im Interesse der Einheit der Rechtsordnung alle Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung gleich behandelt werden sollen.305 Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen dürfen nicht unterschiedlich behandelt werden je nachdem, wer die profitierende Partei ist. Daher muss auch der Fall von dem VaAnfRErgG erfasst werden, in dem der ausländische Mann einen aufenthaltsrechtlichen Vorteil im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. erlangt.

ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 23. 304 Kleine Anfrage einiger Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke, BT-Drucks. 16/2369, S. 2, Frage 3. 305 BT-Drucks. 16/2433, S. 2.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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(bb) Verbesserung des Aufenthaltsstatus Verbessert der von der Vaterschaftsanerkennung profitierende Ausländer seine aufenthaltsrechtliche Position lediglich, so sind die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt für einen der Beteiligten gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F. trotzdem erfüllt. Eine Verbesserung des aufenthaltsrechtlichen Status liegt dann vor, wenn der Ausländer bereits im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die aufgrund der Befristung allerdings in absehbarerer Zeit abläuft. Eine befristete Aufenthaltserlaubnis könnte zum Beispiel zum Zweck des Studiums (§ 16 AufenthG) oder der Beschäftigung (§ 18 AufenthG) erteilt worden sein.306 Es wird vertreten, dass bei Verbesserung des aufenthaltsrechtlichen Status durch die Vaterschaftsanerkennung die behördliche Vaterschaftsanfechtung ausgeschlossen sein müsste.307 Eine solche Ansicht ist nicht verständlich. Folgender Beispielfall soll dies verdeutlichen: Mit Abschluss des Studiums endet die befristete Aufenthaltserlaubnis einer ausländischen Studentin. Kurz vor Beendigung ihres Studiums, sucht sie sich einen deutschen Kommilitonen, der die Vaterschaft für ihr ausländisches Kind anerkennt. Auf die an den Zweck des Studiums gebundene Aufenthaltserlaubnis ist sie nicht mehr angewiesen. Fortan kann sie sich auf die von der deutschen Staatsangehörigkeit ihres Kindes abgeleitete Aufenthalts-/Niederlassungserlaubnis berufen. Weswegen ein solcher Fall nur deswegen der behördlichen Vaterschaftsanfechtung verschont bleiben sollte, weil die missbräuchliche Vaterschaftsanfechtung während des Bestehens einer Aufenthaltserlaubnis vollzogen wurde, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht so, dass dem Ausländer durch die Vaterschaftsanfechtung ein vor der Vaterschaftsanerkennung bereits bestehender aufenthaltsrechtlicher Vorteil entzogen würde. Daher ist es richtig, dass die Anfechtungsvoraussetzung des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. auch dann erfüllt ist, wenn sich die aufenthaltsrechtliche Position des betroffenen Ausländers durch die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung lediglich verbessert. Andernfalls bestünde für einige Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung weiterhin eine Gesetzeslücke.

306 Der Fall, dass die von der Vaterschaftsanfechtung betroffene Person bereits im Besitz einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis ist, wird aufgrund des bestehenden gesicherten Aufenthalts nicht im Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung vorzufinden sein. Allenfalls dann, wenn der Ausländer befürchtet, seine Niederlassungserlaubnis aufgrund §§ 48, 49 VwVfG zu verlieren, könnte die Vaterschaftsanerkennung zu Aufenthaltszwecken missbraucht werden. Auch in dem Fall muss die Anfechtung möglich sein. 307 Heinhold, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 5, 55.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

(b) Fehlendes subjektives Merkmal Die Anfechtungsvoraussetzung, dass ein aufenthaltsrechtlicher Vorteil für einen der Beteiligten entstanden sein muss (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.), ist rein objektiv gehalten worden. Ob die Beteiligten mit der Vaterschaftsanerkennung allein den Zweck der Aufenthaltssicherung verfolgen, ist nicht relevant.308 Fraglich ist, ob eine Missbrauchsabsicht zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken als Anfechtungsvoraussetzung die Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung präziser hätte erfassen können. Dies wird von einigen Autoren bejaht.309 Eine subjektive Voraussetzung in Form einer Missbrauchsabsicht hätte allerdings das Problem der Nachweisbarkeit mit sich gebracht.310 Die Behauptung, man habe tatsächlich Geschlechtsverkehr gehabt und deswegen gedacht, der anerkennende Mann sei der Kindesvater, kann schwer widerlegt werden.311 Genauso wenig kann festgestellt werden, ob die Aussage der Beteiligten, man wisse, dass der Mann nicht der biologische Vater sei, habe aber gehofft, zwischen ihm und dem Kind würde sich eine sozial-familiäre Beziehung entwickeln, wahrheitswidrig erfolgte. Die Befürworter eines subjektiven Elements tragen hingegen vor, dass es nur so möglich sei, in den Fällen eine behördliche Vaterschaftsanfechtung zu verhindern, in denen der anerkennende Mann gutgläubig die Vaterschaft anerkannt hat, entweder weil die Mutter ihn täuschte oder weil auch sie an die biologische Vaterschaft des anerkennenden Mannes glaubte.312 Dem kann allerdings entgegen gehalten werden, dass von einer Vaterschaftsanfechtung abgesehen wird, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind besteht (§ 1600 Abs. 3 308 Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 11; Heinhold, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 6 ist im Zusammenhang mit § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. der Ansicht, dass nie offenkundig sei, ob die familienrechtlichen Wirkungen von den Beteiligten erkennbar nicht gewollt sind und die Erlangung ausländerrechtlicher Vorteile im Vordergrund stehe. Hierbei verkennt Heinhold, dass die Anfechtungsvoraussetzung rein objektiven Inhalts sind. Dies ebenso verkennend Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (22, 27), der davon spricht, dass die Anfechtungsmöglichkeit nur besteht, wenn die Vaterschaftsanerkennung allein zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels erfolgte und Schlüter, Familienrecht, Rn. 291. 309 Frank, StAZ 2006, 281 (284); Grün, FuR 2007, 12 (16); Genenger, FPR 2007, 155 (157); Henrich, FamRZ 2006, 977 (979) ist sogar der Ansicht, dass die Missbrauchsabsicht als einzige Anfechtungsvoraussetzung ausgereichen würde. Dies hätte allerdings zur Folge, dass die behördliche Vaterschaftsanfechtung erfolgen kann, obwohl sich wider Erwarten eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind später entwickelt. 310 BT-Drucks. 16/3291, S. 14; Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (3 f.) weist darauf hin, dass die Erforschung des Zwecks der Vaterschaftsanerkennung weder der Behörde noch den Betroffenen zuzumuten wäre; so auch Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/ 3291, S. 11 und Granold in einem Interview am 25.6.2008. 311 Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 11. 312 Grün, FuR 2007, 12 (16).

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BGB n. F.). Waren die Beteiligten tatsächlich gutgläubig, dann werden sie ein Interesse an dem Aufbau einer Vater-Kind-Beziehung haben und daher auch eine zumindest geringe sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und Mann nachweisen können.313 Hat sich aber keine sozial-familiäre Beziehung entwickelt, so ist nicht ersichtlich, weswegen eine behördliche Vaterschaftsanfechtung unterbleiben sollte, wenn die Mutter den Mann über die Vaterschaft getäuscht hat, damit sie und ihr Kind aufenthaltsrechtliche Vorteile erlangen.314 Gleiches gilt für den Fall, in dem alle Beteiligten gutgläubig waren und trotzdem die aufenthaltsrechtlichen Vorteile nutzen. bb) Allgemeine Neben den besonderen behördlichen Anfechtungsvoraussetzung des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. muss für eine erfolgreiche behördliche Vaterschaftsanfechtung noch die für alle Vaterschaftsanfechtungsanträge geltende allgemeine Anfechtungsvoraussetzung des § 1599 Abs. 1 BGB vorliegen.315 Hiernach darf der rechtliche Vater nicht der biologische Vater des Kindes sein.316 cc) Ermessensausübung der anfechtungsberechtigten Behörde Liegen die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen vor, so wird die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung indiziert.317 Gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. ist die anfechtungsberechtigte Behörde dann „berechtigt“ die Vaterschaft anzufechten. Es liegt somit in ihrem Ermessen, ihr Anfechtungsrecht auszuüben.318 Mangels eigener Rechtsverletzung im gerichtlichen Verfahren (§ 24 Abs. 1 EGGVG) ist die Anfechtung durch die Behörde bzw. das Unterlassen der Anfechtung gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG von einer dritten Person weder erzwingbar noch anfechtbar319, denn die anfechtungsberechtigte Behörde handelt 313

Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1131). So auch AnwK-BGB/Gutzeit, § 1600, Rn. 23. 315 BT-Drucks. 16/3291, S. 14; MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 20; Palandt/Diederichsen, § 1600, Rn. 10; Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4); Grün, FuR 2007, 12 (17); Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (23). 316 Dass die biologische Nichtvaterschaft des anerkennenden Mannes behördliche Anfechtungsvoraussetzung ist, verkennt Nickel/jurisPK-BGB, § 1600, Rn. 40. 317 BT-Drucks. 16/3291, S. 14; Hartenbach, zu Protokoll gegebene Rede in BT-Plenarprotokoll 16/79, 7981 (B). 318 VGH Hessen v. 17.06.2009 – 7 D 1536/09 = juris, Rn. 11 = StAZ 2009, 341 (341); Palandt/Diederichsen, § 1600, Rn. 6; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 V, Rn. 111. 319 Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1132), der ein gerichtliches Verfahren bereits mangels Maßnahme gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 EGBGB ablehnt; Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (24); bezogen auf die Aufhebung der Ehe (§ 1316) vgl. Staudinger/Voppel, § 1316, Rn. 15; Conring, S. 299. 314

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allein im öffentlichen Interesse und nicht zum Schutz Dritter320. Dies bestätigte der VGH Hessen in einer Entscheidung am 17. Juni 2009. Er stellte fest, dass bei der Ermessensausübung lediglich öffentliche Interessen und nicht Interessen des Kindes berücksichtigt werden müssen. Aus diesem Grund könne die Entscheidung der anfechtungsberechtigten Behörde, ihr Anfechtungsrecht auszuüben bzw. die Stellung des Anfechtungsantrags zu keinem rechtswidrigen Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht des Kindes führen.321 Eine Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der die Rücknahme der behördlichen Anfechtungsklage begehrt werden sollte, wies er daher zurück. Auch der Antrag auf Aufhebung der Ehe liegt im Ermessen der Verwaltungsbehörde (§ 1316 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 BGB). Bezogen auf die „Scheinehe“ existiert allerdings eine Besonderheit. Gemäß § 1316 Abs. 3 BGB „soll“ die Verwaltungsbehörde (§ 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB) den Antrag stellen. Die Sollvorschrift bedeutet in diesem Zusammenhang, dass in der Regel die Aufhebung der Ehe zu erfolgen hat und nur in atypischen Fällen von der Regel abgewichen werden kann.322 Eine entsprechende Sollvorschrift fehlt für die anfechtungsberechtigte Behörde im Fall der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann sich daher trotz Vorliegens aller Anfechtungsvoraussetzungen dafür entscheiden, von der Anfechtung abzusehen.323 So zum Beispiel, wenn sie davon überzeugt ist, dass alle Beteiligten der Vaterschaftsanerkennung gutgläubig davon ausgingen, der anerkennende Mann sei tatsächlich der leibliche Kindesvater. Auf der anderen Seite kann die Behörde die Anfechtung auch betreiben, obwohl Gutgläubigkeit der Betroffenen gegeben war. Da für die betroffenen Personen nicht absehbar ist, ob in solchen Fällen eine behördliche Anfechtung erfolgt, kann es zu Belastungen innerhalb der Familie kommen.324 Eine Ungewissheit hinsichtlich des Einleitens eines behördlichen Vaterschaftsanfechtungsverfahrens ist allerdings durch die absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.) zeitlich beschränkt.

320 So bezogen auf die Aufhebung der Ehe (§ 1316) Staudinger/Voppel, § 1316, Rn. 15. 321 VGH Hessen v. 17.06.2009 – 7 D 1536/09 = juris, Rn. 11 = StAZ 2009, 341 (341). 322 MüKo/Müller-Gindullis, § 1316, Rn. 9; Staudinger/Voppel, § 1316, Rn. 16; Rauscher, Familienrecht, Rn. 217; ausführlich hierzu Conring, S. 296–299. 323 A.A. Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (24), der bei Vorliegen aller Voraussetzungen der Vaterschaftsanfechtung eine Verpflichtung der anfechtungsberechtigten Behörde zur Betreibung des Anfechtungsverfahrens aufgrund von Art. 20 Abs. 3 GG sieht. Hierbei wird verkannt, dass der Gesetzgeber durch die eindeutige Formulierung als Sollvorschrift seinen Willen ausdrücklich bekundet hat. 324 Darauf weist Helms, StAZ 2007, 69 (74) hin; hierzu ebenso kritisch Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, § 52 V, Rn. 111.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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Bei Ermessensfehlern der anfechtungsberechtigten Behörde besteht die Möglichkeit im Wege des außergerichtlichen Verfahrens durch Gegenvorstellung bei der anfechtungsberechtigten Behörde325 oder Fachaufsichtsbeschwerde bei der Aufsichtsbehörde326 das behördliche Vorgehen anzuzweifeln.327 Die der anfechtungsberechtigten Behörde übergeordnete Aufsichtsbehörde kann diese dann im Wege der Fachaufsicht zur Anfechtung oder Unterlassung der Anfechtung anweisen.328 dd) Generalverdacht Vertreten wird, dass die Anfechtungsvoraussetzungen dazu geeignet sind, binationale Familien unter Generalverdacht zu stellen.329 Dieser so genannte Generalverdacht entstehe dadurch, dass eine Anfechtungsvoraussetzung bei dem aufenthaltsrechtlichen Status einer der Beteiligten ansetzt (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Alternativ hätte auf den ausländerrechtlichen Anknüpfungspunkt verzichtet werden können330 und eine Anfechtung der Behörde dann angenommen werden können, wenn keine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht und der rechtliche Vater nicht der biologische Kindesvater ist. Der Einwand, binationale Familien werden unter Generalverdacht gestellt, würde dann entfallen. Dann hätte man allerdings ein ähnliches Problem wie bei der „Scheinehe“, wo diskutiert wird, ob nur die Aufenthaltsehe gemäß §§ 1314 Abs. 2 Nr. 5, 1315 Abs. 1 Nr. 5 BGB aufhebbar sein soll.331 Es müsste diskutiert werden, welche Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung, neben den zu Aufenthaltszwecken, von dem Tatbestand erfasst sein sollten. Darüber hinaus 325 Siehe zur Gegenvorstellung Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 102, Rn. 17 ff. 326 Siehe zur Aufsichtsbeschwerde Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 3, § 102, Rn. 20. 327 Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1132) ist der Ansicht, dass auch eine allgemeine Leistungsklage in Betracht kommen kann, wenn der Kläger eine Verletzung aus Art. 3 Abs. 1 GG nachweisen kann, so „wenn sich eine gesicherte Verwaltungspraxis für bestimmte Fallgruppen herausgebildet hat [. . .], von der die zuständige Behörde im Einzelfall ohne sachlichen Grund abweicht. Inwiefern sich eine gesicherte Verwaltungspraxis in bestimmten Fällen überhaupt herausbilden wird, ist allerdings abzuwarten.“. 328 Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1132); bezogen auf die Aufhebung der Ehe vgl. Conring, S. 299. 329 So u. a. Grün, FuR 2007, 12 (16); Genenger, FPR 2007, 155 (157). 330 So Finger, JR 2007, 50 (56); ders., FuR 2007, 341 (347), der die Ansicht allerdings nicht aufgrund eines Generalverdachts gegen binationale Familien vertritt, sondern weil noch mehr Missbrauchsfälle, unter anderem die Umgehung der Adoptionsvorschriften, von der behördlichen Vaterschaftsanfechtung hätten erfasst werden sollen; hierbei wird verkannt, dass es gerade der Wille des Gesetzgebers war, durch die einfachen Vaterschaftsanerkennungsvoraussetzungen den Beteiligten den aufwendigen Weg der Adoption zu ersparen. 331 Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 134.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

würde der staatliche Eingriff in die Statuszuordnung nicht nur auf einen bestimmten Missbrauchsfall beschränkt. Unstreitig ist, dass ein Generalverdacht gegen binationale Familien unterbleiben muss.332 Unstreitig ist aber auch, dass gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen in Zukunft vorzugehen ist. Die behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen, die gerade nicht nur an den aufenthaltsrechtlichen Status der Familie anknüpfen, legen einen guten Grundstein hierfür.333 Nun muss darauf vertraut werden, dass die von der Gesetzesänderung betroffenen Behörden nicht vorschnell allein aufgrund ausländerrechtlicher Aspekte handeln.334 c) Formelle Aspekte Im Vergleich zur Anfechtung der Vaterschaft durch die bisher Anfechtungsberechtigten ergeben sich bei der Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde einige formelle Besonderheiten. Diese werden im Folgenden dargestellt und diskutiert. aa) Anfechtungsberechtigte Behörde So stellt sich unter anderem die Frage, wer anfechtungsberechtigte Behörde ist. Das VaAnfRErgG sieht keine bundeseinheitliche Regelung vor. Eine solche wäre auch mit Art. 84 Abs. 1 GG nicht kompatibel gewesen.335 Daher ist es gemäß § 1600 Abs. 6 BGB n. F. Sache der Länder, die anfechtungsberechtigte Behörde zu bestimmen.336 Diese sollen die Landesregierungen durch Rechtsverordnung festsetzen (§ 1600 Abs. 6 S. 1 BGB n. F.) oder die Ermächtigung zur Bestimmung der Behörde auf die zuständigen obersten Landesbehörden im Wege einer Rechtsverordnung übertragen (§ 1600 Abs. 6 S. 2 BGB n. F.). Lediglich die Landesregierung Sachsen-Anhalts hat die Ermächtigung auf das für Ausländerrecht zuständige Ministerium übertragen.337 In allen anderen Bundesländern hat die 332

Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (2); Arendt-Rojahn, FPR 2007, 395 (396 f.). Auch Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3 f. hält den Einwand des Generalverdachts unter Berücksichtigung der behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen für unberechtigt. 334 So im Ergebnis auch MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 22. 335 Vgl. Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (3), Fn. 30; Zimmermann, FuR 2009, 21 (23); dies verkennt Henrich, FamRZ 2006, 977 (979), der die Ansicht vertritt, es hätten generell die Verwaltungsbehörden, die nach dem jeweiligen Landesrecht zuständig sind, die Aufhebung einer Scheinehe zu beantragen, als anfechtungsberechtigte Behören benannt werden sollen. 336 Auch bezogen auf die Antragsberechtigung der Verwaltungsbehörde zur Aufhebung der Ehe (§ 1316 Nr. 1 S. 2, S. 3 BGB) ist es den Ländern überlassen, die antragsberechtigte Behörde zu bestimmen. 337 Verordnung zur Übertragung einer Verordnungsermächtigung zur Bestimmung der zuständigen Behörde bei Anfechtung der Vaterschaft vom 18.6.2008 (GVBl. LSA 2008, 246). 333

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jeweilige Landesregierung die anfechtungsberechtigte Behörde gemäß § 1600 Abs. 6 S. 1 BGB n. F. bestimmt. Ist eine örtliche Zuständigkeit nicht begründet, so bestimmt sich die zuständige anfechtungsberechtigte Behörde durch den Sitz des Gerichts, das für den Antrag zuständig ist (§ 1600 Abs. 6 S. 3 BGB n. F.).338 Dieses ist in den Fällen, in denen die Betroffenen keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, das Amtsgericht Schöneberg in Berlin (§ 170 Abs. 3 FamFG).339 Die meisten Bundesländer haben eine Landesober- oder -mittelbehörde als anfechtungsberechtigte Behörde benannt. Als Landesoberbehörde wird im Saarland340, in Thüringen341 und in Sachsen-Anhalt342 das Landesverwaltungsamt tätig, in Mecklenburg-Vorpommern343 das Landesamt und in Hamburg die Behörde für Inneres344. Landesmittelbehörden, die zur anfechtungsberechtigten Behörde bestimmt wurden, sind in Hessen und Baden-Württemberg Regierungspräsidien345, in Nordrhein-Westfalen ausgewählte Bezirksregierungen346, in Bayern

338 § 1600 Abs. 6 S. 3 BGB n. F. spricht noch von „Klage“, weil der Wortlaut seit Inkrafttreten des FGG-RG nicht angepasst wurde. 339 So BT-Drucks. 16/3291, S. 15 bezogen auf den bis zum Inkrafttreten des FGGRG geltenden § 640a Abs. 1 S. 4 ZPO a. F. 340 § 1 der Verordnung über die Bestimmung der zuständigen Behörde zur Anfechtung der Vaterschaft vom 16.5.2008 (Amtsblatt 2008, 883). 341 § 1 der Thüringer Verordnung über die Zuständigkeit nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 20.9.2008 (GVBl 2008, 349). 342 § 1 der Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörde bei Anfechtung der Vaterschaft vom 18.12.2008 (GVBl LSA 2008, 472). 343 § 4 der Landesverordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Zuwanderung und zur Durchführung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vom 10.2. 2005 (GVOBl. M-V 2005, 68). 344 Abschnitt III der Anordnung zur Durchführung des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Hamburgischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 23.6. 1970. 345 Hessen: Gemäß § 1 der Verordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörde in Vaterschaftsanfechtungsverfahren zur Vermeidung unberechtigter Aufenthaltstitel vom 26.5.2008 (GVBl. I 2008, 766) ist anfechtungsberechtigte Behörde 1. das Regierungspräsidium Darmstadt für die Landgerichtsbezirke Darmstadt, Frankfurt am Main, Hanau und Wiesbaden, 2. das Regierungspräsidium Gießen für die Landgerichtsbezirke Gießen, Limburg a. d. Lahn und Marburg, 3. das Regierungspräsidium Kassel für die Landgerichtsbezirke Fulda und Kassel. Baden-Württemberg: Gemäß § 1 der Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung der zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigten Behörde vom 8.9.2008 (GBl. 2008, 286) das Regierungspräsidium Freiburg. 346 Gemäß § 1 Nr. 1 der Verordnung über die Bestimmung der zuständigen Verwaltungsbehörde für die Beantragung der Aufhebung einer Ehe durch gerichtliches Urteil sowie für die Anfechtung der Vaterschaft vom 26.5.1998 (GV. NRW. 1998, 391) ist für die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln die Bezirksregierung Köln anfechtungsberechtigte Behörde und gemäß § 1 Nr. 2 für die Regierungsbezirke Arnsberg, Detmold und Münster die Bezirksregierung Arnsberg.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

die Regierung von Mittelfranken347 und in Sachsen348 und Rheinland-Pfalz349 Landesdirektionen. Lediglich in Berlin350 sind Landesunterbehörden (Bezirksämter) als anfechtungsberechtigte Behörden tätig. Schleswig-Holstein351, Niedersachsen352, Brandenburg353 und Bremen354 haben eine Kommunalbehörde als anfechtungsberechtigte Behörde bestimmt. Begrüßenswert ist, dass kein Bundesland dem Jugendamt die Vaterschaftsanfechtungsberechtigung übertragen hat. Das Jugendamt hat den Auftrag, im Interesse des Kindes und der Familienzusammenführung tätig zu werden. Dieser Auftrag könnte im Gegensatz zu dem Ziel, missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern, stehen. Daher wäre es zwangsläufig zu Interessenkollisionen gekommen.355 Nicht zuletzt hat der Gesetzgeber bewusst dem Jugendamt 347 § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Bestimmung der zuständigen Behörde im Vaterschaftsanfechtungsverfahren und im Eheaufhebungsverfahren vom 3.6.2008 (GVBl 2008, 326). 348 § 5a der Verordnung der Sächsischen Staatsregierung zur Ausführung personenstandsrechtlicher und familienrechtlicher Vorschriften vom 29. August 2000 (SächsGVBl. 2000, 410). § 5a wurde aufgrund von Artikel 5 der Verordnung vom 16.7.2008 eingefügt (SächsGVBl. S. 487, 488). Hiernach sind die Landesdirektionen für Vaterschaftsanfechtungsverfahren, die vor den Gerichten in ihrem Direktionsbezirk anhängig zu machen sind, anfechtungsberechtigte Behörden. 349 Gemäß § 1 der Landesverordnung über die Zuständigkeit nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 5.6.2008 (GVBl. Nr. 8 vom 26.6.2008 S. 108) ist die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion anfechtungsberechtigte Behörde. 350 Gemäß §§ 5 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der allgemeinen Berliner Verwaltung (Allgemeines Zuständigkeitsgesetz – AZG) i. d. F. v. 22.7.1996 (GVBl. 1996, 302) müssen automatisch die Bezirksämter dem Lande übertragene Aufgaben wahrnehmen, sofern keine anderen Regelungen getroffen wurden. 351 Gemäß § 1 der Landesverordnung zur Bestimmung der zuständigen Behörde nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches vom 15.7.2008 (GVOBl. 2008, 324) sind anfechtungsberechtigte Behörde die Landrätinnen und Landräte für die Kreise und die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für die kreisfreien Städte. 352 Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die zuständigen Behörden für die Anfechtung der Vaterschaft vom 21. August 2008 (Nds. GVBl. 2008, 273) sind die Landkreise und kreisfreien Städte grundsätzlich anfechtungsberechtigte Behörde. § 1 Abs. 2 der Verordnung bestimmt die Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörden des Landes als anfechtungsberechtigte Behörde, wenn die Anerkennung der Vaterschaft eine ausländische Staatsangehörige oder einen ausländischen Staatsangehörigen aufenthaltsrechtlich begünstigt oder zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führt und die betroffene Person in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, die einer dieser Behörden angegliedert ist. 353 Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 der Verordnung über die zuständige Behörde zur Anfechtung der Vaterschaft v. 14.1.2009 (GVBl. II s. 62, Sa BbgLR 200 – 54) sind anfechtungsberechtigte Behörden die Landkreise und kreisfreien Städte. 354 Gemäß § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Bestimmung der für die Anfechtung der Vaterschaft zuständigen Behörde vom 9.9.2008 (Brem. GBl. S. 324) ist anfechtungsberechtigte Behörde für die Stadtgemeinde Bremen das Stadtamt und gemäß § 1 Nr. 2 für die Stadtgemeinde Bremerhaven der Magistrat. 355 So bereits vor Verabschiedung des VaAnfRErgG der Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 18; Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5;

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keine Mitteilungspflicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. bei Missbrauchsverdacht auferlegt, soweit dadurch die Erfüllung seiner eigenen Aufgaben gefährdet wird (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 3 AufenthG n. F.). Kein Bundesland hat generell die Ausländerbehörden als anfechtungsberechtigte Behörden bestimmt. Nur in Niedersachsen sind die Zentralen Aufnahmeund Ausländerbehörden dann anfechtungsberechtigt, wenn die Anerkennung der Vaterschaft eine ausländische Staatsangehörige oder einen ausländischen Staatsangehörigen aufenthaltsrechtlich begünstigt oder zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit führt und die betroffene Person in einer Aufnahmeeinrichtung oder Gemeinschaftsunterkunft wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, die einer dieser Behörden angegliedert ist.356 Dass nur in Niedersachsen die Ausländerbehörden als anfechtungsberechtigte Behörden tätig werden können, ist positiv zu bewerten, denn die Ausländerbehörden sind aktiv in den Prozess bis zur Vaterschaftsanfechtung eingebunden. Dadurch haben sie zwar einerseits einen Überblick über die konkreten Tatsachen357, andererseits könnte eine neutrale Beurteilung des Falles nicht erfolgen.358 Dies erscheint jedoch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung unnötiger Vaterschaftsanfechtungsverfahren unerlässlich. Daher sollte die anfechtungsberechtigte Behörde als Instanz, die über die Einleitung des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens entscheidet, alle bestehenden Tatsachen und Informationen auswerten können, ohne bereits voreingenommen zu sein. Hierfür sind die Landesober- oder Landesmittelbehörden geeignet. Bei den Kommunalbehörden und in Berlin den Bezirksämtern besteht hingegen die Gefahr, dass die regionalen Problematiken die Entscheidung bezüglich der Einleitung eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens beeinflussen könnten. Ferner besteht aufgrund einer Vielzahl zuständiger Behörden innerhalb eines Bundeslan-

Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 8; vgl. auch die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 16/3291, S. 12 f. 356 § 1 Abs. 2 der Verordnung über die zuständigen Behörden für die Anfechtung der Vaterschaft vom 21. August 2008. 357 So Genenger, FPR 2007, 155 (156). 358 Bereits vor Verabschiedung des VaAnfRErgG sprachen sich gegen die Ausländerbehörden als anfechtungsberechtigte Behörden aus: Heinhold, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 57, der die Ausländerbehörden „ungeeignet“ nannte, weil sie insofern eine Zwitterstellung haben, als dass sie einerseits als Behörde zur Objektivität und Neutralität verpflichtet sind und andererseits die Interessen ihres Publikums wahrnehmen müssen; Grün, FuR 2006, 497 (500), der darauf hingewiesen hat, dass bei den Ausländerbehörden die Gefahr bestehen würde, dass der Schutz sozial-familiärer Beziehungen hinter dem Interesse an der Verhinderung unerwünschter ausländerrechtlicher Folgen zurücktritt; Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5, der die Ansicht vertrat, dass Jugendamt und Ausländerbehörde als anfechtungsberechtigte Behörden nicht in Betracht kommen, weil beide mit ihren spezifischen Aufgaben im Kontext der beabsichtigten Regelungen eher als „Partei“ zu werten sind.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

des die Gefahr, dass bei dem Verfahren der behördlichen Vaterschaftsanfechtung keine einheitliche Linie verfolgt werden wird.359 bb) Anfechtungsfrist Für die anfechtungsberechtigte Behörde existiert eine kenntnisabhängige einjährige Anfechtungsfrist (§ 1600b Abs. 1a S. 1, 2 BGB n. F.) und eine kenntnisunabhängige absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.). (1) Jahresfrist Die anfechtungsberechtigte Behörde kann die Vaterschaft innerhalb eines Jahres ab Kenntnis von den Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für das Anfechtungsrecht vorliegen, anfechten (§ 1600b Abs. 1a S. 1, 2 BGB n. F.). (a) Länge Fraglich erscheint, warum der Gesetzgeber auf eine einjährige Anfechtungsfrist zurückgegriffen hat, anstatt sich der bisher für die anderen Anfechtungsberechtigten geltenden zweijährigen Anfechtungsfrist (§ 1600b Abs. 1 S. 1 BGB) anzuschließen. Ein von der Vaterschaftsanfechtung unmittelbar betroffener Anfechtungsberechtigter wird sich über die Folgen seiner Anfechtung Gedanken machen. Er wird sich zum Beispiel überlegen, welche Auswirkungen die Anfechtung auf seine Ehe hat, wenn er seine Vaterschaft aufgrund Ehe anficht. Hierfür benötigt er Bedenkzeit, die der anfechtungsberechtigten Behörde mangels personaler Beziehung nicht eingeräumt werden muss.360 Viel wesentlicher ist allerdings der Umstand, dass die Frage der Rechtsbeständigkeit der Vaterschaftsanerkennung im Interesse der unmittelbar Betroffenen und der Ausländerbehörden bzw. Auslandsvertretungen schnell geklärt werden muss.361 Es kann der von der Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtlich profitierenden Partei nicht zugemutet werden, über einen längeren Zeitraum Ungewissheit hinsichtlich des aufenthaltsrechtlichen Status zu haben.362 Daher orientiert sich die behördliche Anfechtungsfrist an der im Verwaltungsrecht existenten einjährigen Rücknahmefrist für 359 Dieses Problem existiert in Berlin bereits; siehe hierzu Berliner Zeitung v. 6.3.2010 „Verdächtige Väter“. 360 Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4). 361 BT-Drucks. 16/3291, S. 15; Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4). 362 Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 12.

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rechtwidrige Verwaltungsakte (§ 48 Abs. 4 VwVfG) und nicht an der für die anderen Anfechtungsberechtigten geltenden zweijährigen Anfechtungsfrist.363 (b) Beginn Die Jahresfrist beginnt mit Kenntnis der Behörde von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen (§ 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F.).364 Gemäß § 1600b Abs. 2 S. 1 BGB beginnt die Anfechtungsfrist nicht vor Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung zu laufen. Damit ist der früheste Zeitpunkt für den Fristbeginn die Geburt des Kindes. Dies gilt selbst bei pränataler Vaterschaftsanerkennung, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde bereits vor der Geburt Kenntnis von den Tatsachen im Sinne des § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. hatte. Da das behördliche Anfechtungsrecht erst mit dem VaAnfRErgG zum 1. Juni 2008 eingeführt wurde und der Gesetzgeber sicherstellen wollte, dass auch solchen missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes entstanden sind, ihre Wirksamkeit aberkannt werden kann, führte er die Übergangsregelung des Art. 229 § 16 EGBGB ein365. Diese besagt, dass die behördliche Anfechtungsfrist nicht vor dem 1. Juni 2008 zu laufen beginnt. Das bedeutet, dass eine erfolgreiche behördliche Vaterschaftsanfechtung auch solche rechtlichen Vaterschaften rückwirkend beseitigen kann, bei denen die Vaterschaftsanerkennung vor Einführung des behördlichen Anfechtungsrechts vollzogen wurde. Daraus resultiert die Frage, ob die Übergangsvorschrift zu einem Verstoß gegen das verfassungsrechtlich geschützte Rückwirkungsverbot führen kann. Dies wurde vom AG Hamburg-Altona angenommen, das das BVerfG zu dieser Frage im Wege eines konkreten Normenkontrollverfahrens angerufen hat.366 Hierbei ging das Gericht davon aus, dass durch den Beginn der Anfechtungsfrist nicht vor dem 1. Juni 2008 in in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte eingegriffen werde. Diesen Eingriff sieht das Gericht als nicht gerechtfertigt an. Hierbei verkennt das Gericht, dass zwar der formale Akt der Begründung der rechtlichen Vaterschaft bei Vaterschaftsanerkennungen vor dem 1. Juni 2008 durchaus abgeschlossen ist, dass das daraus resultierende Vater-Kind-Verhältnis allerdings über den Begründungszeitpunkt hinaus andauert. Endgültig gewiss und damit abgeschlossen ist die im Wege der Vaterschaftsanerkennung entstandene rechtliche Vater-Kind-Beziehung nämlich erst dann, wenn das Anfechtungs363

BT-Drucks. 16/3291, S. 15; Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4). Der Beginn und das Ende der Frist berechnen sich nach den Vorschriften der §§ 187 ff. BGB. 365 BT-Drucks. 16/3291, S. 18. 366 So AG Hamburg-Altona, Beschluss v. 15.4.2010 – 350 F 118/09 = FamRZ 2010, 1176 = juris; Finger, JR 2007, 50 (56, 57) nennt die Übergangsregelung als „kaum einsichtig“. 364

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recht aller Anfechtungsberechtigten aufgrund Fristablaufs bereits ausgeschlossen ist. Dies wird bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen, die vor dem 1. Juni 2008 vollzogen wurden, selten der Fall sein, da in der Regel zumindest die Anfechtungsfrist des Kindes gemäß § 1600b Abs. 3 BGB zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen sein wird. Damit wird durch behördliche Vaterschaftsanfechtungen, die rechtliche Vaterschaften beseitigen, die im Wege der Vaterschaftsanerkennung vor dem 1. Juni 2008 entstanden sind, keineswegs in abgeschlossene in der Vergangenheit liegende Sachverhalte eingegriffen. Die Übergangsregelung des Art. 229 § 16 EGBGB führt somit – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Hamburg-Altona – zu keinem Fall der echten Rückwirkung, sondern vielmehr einem der unechten Rückwirkung.367 Dieser Fall der unechten Rückwirkung ist allerdings insofern zu akzeptieren, als dass die absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren von der Fristenübergangsregelung des Art. 229 § 16 EGBGB unberührt bleibt368. Damit hat der Gesetzgeber dem Vertrauen auf den Fortbestand der alten Anfechtungsregelungen gegenüber den widerstreitenden allgemeinen Interessen angemessen Rechnung getragen hat.369 (aa) Kenntnis Es stellt sich die Frage, wann die Behörde gemäß § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. Kenntnis von den Tatsachen hat, so dass die Anfechtungsfrist zu laufen beginnt. Diesen Fristbeginn muss die anfechtungsberechtigte Behörde im Rahmen ihres Anfechtungsantrags dem Gericht mitteilen (§ 171 Abs. 2 S. 3 FamFG). Auch die Mitteilungspflichten gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. bzw. § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. knüpfen daran an, dass die Behörde Kenntnis von Tatsachen hat, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für das behördliche Anfechtungsrecht vorliegen. Der Wortlaut der Mitteilungspflichten und des § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. ist somit im Wesentlichen identisch. Im Zusammenhang mit den Mitteilungspflichten musste ein Kenntnisproblem allerdings nicht diskutiert werden, denn zu welchem Zeitpunkt die mitteilungspflichtige Behörde Kenntnis erlangt, ist mangels anknüpfenden Fristbeginns dort unerheblich. Die Begründung des Gesetzentwurfs zum VaAnfRErgG weist darauf hin, dass sich der Wortlaut des § 1600b Abs. 1a S. 1, S. 2 BGB n. F. an der vergleichbaren Vorschrift über die Frist zur Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte orien-

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So auch OLG Oldenburg v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = juris, Rn. 34. BT-Drucks. 16/3291, S. 18; a. A. Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (25), der davon spricht, dass sowohl die einjährige als auch die fünfjährige Anfechtungsfrist nicht vor dem 1.6.2008 beginnen. 369 So auch OLG Oldenburg v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = juris, insbesondere Rn. 35. 368

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tiert (§ 48 Abs. 4 VwVfG).370 Dementsprechend knüpft sowohl der Beginn der Rücknahmefrist gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG als auch der Beginn der Anfechtungsfrist gemäß § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. an die Tatsachenkenntnis an. Für § 48 Abs. 4 VwVfG ist die Kenntnis von Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, erforderlich. § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. fordert die Kenntnis von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. In Bezug auf § 48 Abs. 4 VwVfG ist bereits umstritten, zu welchem Zeitpunkt die Behörde Tatsachenkenntnis hat. Hierzu bestehen im Wesentlichen drei Meinungen. Eine Ansicht stellt darauf ab, wann die Behörde die Umstände kennt, die zu einer Rücknahme des Verwaltungsaktes führen können.371 Bei Rechtsanwendungsfehlern soll die Frist dementsprechend bereits mit Erlass des Verwaltungsaktes beginnen.372 Die Ansicht führt dazu, dass die Frist abgelaufen sein könnte, bevor der Behörde bewusst wird, dass der Verwaltungsakt zurückgenommen werden könnte. Nach anderer Auffassung beginnt die Frist, wenn der Behörde bewusst ist, dass die Tatsachen die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes begründen können.373 Die Jahresfrist stellt hiernach eine Bearbeitungsfrist dar, in der die Behörde die restlichen Umstände, wie die Vertrauensschutzgesichtspunkte (§ 48 Abs. 2 VwVfG) zu prüfen und eine Ermessensabwägung zu treffen hat. Die Rechtsprechung ist seit einem Urteil des BVerwG374 der Ansicht, dass die Frist erst zu laufen beginnt, wenn der Behörde neben der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes alle entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt sind.375 Zu diesen zählen sämtliche Vertrauensschutz- und Ermessenserwägungen.376 Die Frist begründe daher nicht eine Bearbeitungs-, sondern eine Entscheidungsfrist. Nun kann man sich überlegen, ob diese Ansichten auf den Beginn der Anfechtungsfrist gemäß § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. übertragen werden können. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes erfolgt durch dieselbe Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Auch wenn der Behörde bei Erlass 370

BT-Drucks. 16/3291, S. 15. So die frühere Rspr.: BVerwG, Urt. v. 25.6.1982 – 8 C 122.81 = BVerwGE 66, 61 ff.; VGH Kassel, Urt. v. 23.11.1983 – I OE 11/82 = NVwZ 1984, 382 (383). 372 BVerwG, Urt. v. 25.6.1982 – 8 C 122.81 = BVerwGE 66, 61 (63); VGH Kassel, Urt. v. 23.11.1983 – I OE 11/82 = NVwZ 1984, 382 (383). 373 Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 48 VwVfG, Rn. 231 ff.; Schoch, NVwZ 1985, 880 (884); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rn. 35a; Erichsen/Ehlers/Ruffert, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24, Rn. 22. 374 BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 – Gr. Sen. 1 und 2.84 = BVerwGE 70, 356 (363). 375 BVerwG, Urt. v. 17.2.1993 – 11 C 47.92 = BVerwGE 92, 81 (87); BVerwG, Urt. v. 19.12.1995 – 5 C 10.94 = BVerwGE 100, 199 (202); BVerwG, Urt. v. 20.9.2001 – 7 C 6/01 = NVwZ 2002, 485 (485); VGH Kassel, Urt. v. 23.6.1993 – 8 UE 2040/86 = NVwZ-RR 1994, 483 (484). 376 VGH Kassel, Urt. v. 23.6.1993 – 8 UE 2040/86 = NVwZ-RR 1994, 483 (484). 371

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

des Verwaltungsaktes nicht bewusst ist, dass es sich um einen rechtswidrig erteilten Verwaltungsakt handelt, so kennt sie trotzdem bereits die Umstände, die seine Rechtswidrigkeit bedingen und die zu einer Rücknahme führen könnten. Anders ist es bei der anfechtungsberechtigten Behörde. Sie ist nicht die Behörde, die die Vaterschaftsanerkennung beurkundet bzw. den Aufenthaltstitel erteilt hat. In der Regel wird die anfechtungsberechtigte Behörde von den die Vaterschaftsanfechtung begründenden Umständen erst durch eine Mitteilung der Ausländerbehörde erfahren (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Damit wird es nach der ersten Ansicht, anders als bei der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte, nicht dazu kommen können, dass die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen sein kann, bevor der anfechtungsberechtigten Behörde bewusst wird, dass sie ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren betreiben könnte. Vielmehr liegt Tatsachenkenntnis nach dieser Ansicht und nach der zweiten Ansicht, die die Frist als Bearbeitungsfrist sieht, in der Regel im Zeitpunkt der Mitteilung durch die Ausländerbehörde vor. Nach der Ansicht, die die Frist als Entscheidungsfrist wertet, würde die Frist erst zu laufen beginnen, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde Kenntnis von den Umständen hat, die zu einer Anfechtung führen könnten und diesen entscheidungserheblichen Tatsachen nachgegangen ist. Der Wortlaut des § 1600b Abs. 1a S. 2 AufenthG n. F. weist an einer Stelle einen Unterschied zu dem Wortlaut des § 48 Abs. 4 VwVfG auf. § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. fordert lediglich die Kenntnis von Tatsachen, die die „Annahme“ rechtfertigen, dass die Anfechtungsvoraussetzungen gegeben sind. Es wird also nicht Kenntnis bezogen auf das Vorliegen der behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen an sich gefordert. Anders bei § 48 Abs. 4 VwVfG: Hier muss Kenntnis von Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen vorliegen. Eine „Annahme“ liegt bei einem gewissen Verdachtsmoment vor, das noch nicht bewiesen ist.377 Der Wortlaut des § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. gibt somit vor, dass die Anfechtungsfrist bereits dann zu laufen beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde einen begründeten Verdacht hinsichtlich des Bestehens der Anfechtungsvoraussetzungen hat. Dass die Behörde allen entscheidungserheblichen Tatsachen nachgegangen sein muss, wird für den Fristbeginn nicht gefordert. Damit kann es sich bei der behördlichen Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1a S. 1, 2 BGB n. F. nicht um eine Entscheidungsfrist, sondern es muss sich um eine Bearbeitungsfrist handeln.378 Dies ist 377 Insbesondere im Strafprozess- und Polizeirecht ist der Terminus „Annahme“ (u. a. § 111b StPO) oder „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass“ (u. a. § 111 Abs. 1 S. 1 StPO; § 163d StPO) oft zu finden. In diesem Zusammenhang handelt es sich immer um die Erforderlichkeit eines Tatverdachts, der auf die Erfolgsaussicht einer Maßnahme hindeutet; siehe hierzu Karlsruher-Kommentar-StPO/Schoreit, § 163d, Rn. 23; Karlsruher-Kommentar-StPO/Nack, § 111b, Rn. 9; Meyer-Goßner, § 163d, Rn. 10. Laut Brockhaus, Erster Band, S. 601 ist eine Annahme ein Satz, über dessen Wahrsein oder Falschsein noch nicht entschieden wurde. 378 So im Ergebnis auch Genenger, FPR 2007, 155 (158).

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auch unter dem Gesichtspunkt geboten, dass eine schnelle Klärung der Rechtsbeständigkeit des Kindesstatus, insbesondere weil aufenthaltsrechtliche Folgen davon abhängen, geboten ist. (bb) Tatsachen Ferner ist fraglich, worauf sich die Tatsachenkenntnis der anfechtungsberechtigten Behörde beziehen muss, damit die Frist zu laufen beginnt. Gemäß § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Im Zusammenhang mit der Mitteilungspflicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. wurde bereits diskutiert, was mit „Voraussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht“ gemeint ist. Etwas anderes kann auch nicht für die „Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht“ gelten. Gemeint sind lediglich die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F.379 Seit Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 ist dies nun gesetzlich bestimmt. Gemäß § 171 Abs. 2 S. 3 FamFG ist der Antrag der anfechtungsberechtigten Behörde schlüssig, wenn die Umstände dargelegt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. vorliegen. Zusätzlich muss die Behörde den Zeitpunkt angeben, in dem sie Kenntnis von diesen Umständen erlangt hat, um dem Gericht die Prüfung der Einhaltung der Anfechtungsfrist zu ermöglichen.380 Damit hat der Gesetzgeber eindeutig bestimmt, dass Bezugspunkt der Tatsachenkenntnis, mit der die Anfechtungsfrist zu laufen beginnt, die zwei besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. sind. Diese Voraussetzungen müssen für den Fristbeginn nicht explizit gegeben sein. Ausreichend ist das Vorliegen von Tatsachen, die die „Annahme“, das heißt den hinreichenden Verdacht begründen, dass zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht/bestanden hat und dass durch die Vaterschaftsanerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für den Aufenthalt in oder die Einreise nach Deutschland geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Bezüglich des Vorliegens der verdachtsbegründenden Indiztatsachen muss jedoch sichere Kenntnis bestehen.381 Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Hat die anfechtungsberechtigte Behörde von der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung einen Missbrauchsverdacht gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG 379

A.A. Gernhuber/Coester-Waltjen, § 52 V, Rn. 125. So BT-Drucks. 16/16308 bezogen auf die Darlegungslast der Anfechtungsberechtigten nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1–4 BGB bezogen auf § 171 Abs. 2 S. 2 FamFG. Etwas anderes kann auch für die Darlegungslast der anfechtungsberechtigten Behörde nach § 171 Abs. 2 S. 3 FamFG nicht gelten. 381 Kluth/Hund/Maaßen/Maor, Zuwanderungsrecht, § 4, Rn. 799. 380

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

n. F. mitgeteilt bekommen, so beginnt die Anfechtungsfrist in diesem Moment zu laufen. Die Ausländerbehörde/Auslandsvertretung ist nämlich den konkreten Tatsachen, die auf die behördliche Anfechtbarkeit hindeuten, bereits eingeschränkt nachgegangen.382 Hat sie der anfechtungsberechtigten Behörde diese Anhaltspunkte mitgeteilt, so kann davon ausgegangen werden, dass es sich nicht um bloße Vermutungen handelt. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann allerdings auch von anderer Seite, zum Beispiel durch eine Privatperson, einen Missbrauchsverdacht mitgeteilt bekommen. Inwiefern von dieser Mitteilung auf eine erhebliche Wahrscheinlichkeit des Bestehens der zwei besonderen Anfechtungsvoraussetzungen geschlossen werden kann, wird von der anfechtungsberechtigten Behörde zu bewerten sein. Ist sie von dem Vorliegen der mitgeteilten Tatsachen überzeugt und deuten diese auf das Bestehen der besonderen behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen hin, so beginnt die Anfechtungsfrist gemäß § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. zu laufen. (cc) Kenntnis anderer Behörde/innerhalb der Behörde Die Kenntnis einer anderen Behörde von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein Anfechtungsrecht vorliegen, können der anfechtungsberechtigten Behörde nicht zugerechnet werden.383 Ansonsten könnte die Anfechtungsfrist abgelaufen sein, bevor die anfechtungsberechtigte Behörde Kenntnis von dem Missbrauchsverdacht erlangt. Fraglich ist, ob die Anfechtungsfrist dann beginnt, wenn innerhalb der Behörde eine andere Organisationseinheit als die, die über die Antragstellung entscheidet, Kenntnis im Sinne des § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F. erlangt. Die einjährige Anfechtungsfrist ist recht kurz bemessen. Unter diesem Aspekt erscheint es geboten, dass sie erst zu laufen beginnt, wenn auch tatsächlich die Abteilung, die die Vaterschaftsanfechtungen bearbeitet, Kenntnis von dem Missbrauchsverdacht erlangt.384 Im Zusammenhang mit § 48 Abs. 4 VwVfG ist dies die herrschende Ansicht.385 Dass der zuständige Sachbearbeiter von dem Missbrauchsverdacht Kenntnis erlangen muss, ist hingegen nicht erforderlich.386 Ansonsten 382

Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 181–183. DIJuF-Rechtsgutachten v. 8.1.2008 – Ab 5.101 D1 = JAmt 2008, 146 (147); bezogen auf die Rücknahmefrist gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG so Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 48 VwVfG, Rn. 212. 384 Im Ergebnis so auch Kluth/Hund/Maaßen/Maor, Zuwanderungsrecht, § 4, Rn. 799; Palandt/Diederichsen, § 1600b, Rn. 33; Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1132); Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (25). 385 BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 – Gr. Sen. 1 und 2.84 = BVerwGE 356 (364); Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 48 VwVfG, Rn. 213 m.w. N. 386 Palandt/Diederichsen, § 1600b, Rn. 33; Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1132); a. A. jurisPK-BGB/Nickel, § 1600a, Rn. 5; auch bezogen auf § 48 Abs. 4 VwVfG ist umstritten, ob Kenntnis des Sachbearbeiters für den Fristbeginn erforderlich ist. Die Rechtspre383

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würde eine schnelle Klärung der Rechtsbeständigkeit des Status des Kindes von Personalstrukturen in der entsprechenden Abteilung der anfechtungsberechtigten Behörde abhängen. (dd) Unterschiedlicher Fristbeginn für die Anfechtungsberechtigten Problematisch könnte ferner der unterschiedliche Beginn der Anfechtungsfrist für die Anfechtungsberechtigten sein. Denkbar wäre folgender Fall387: Die Anfechtungsfrist für den Anerkennenden gemäß § 1600b Abs. 1 S. 1 BGB ist abgelaufen. Nun löst sich das Verhältnis zwischen ihm und der Mutter des Kindes. Da er nicht der biologische Kindesvater ist, sich die sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind zusammen mit der Beziehung zu der Mutter auflöste und für Mutter und Kind durch die Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen geschaffen wurden, setzt er die anfechtungsberechtigte Behörde von dem Fall in Kenntnis. Hiervon erhofft sich der anfechtende rechtliche Vater einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht oder er möchte sich an der Mutter „rächen“, die die Beziehung zu ihm aufgelöst hat. Die Anfechtungsfrist der Behörde beginnt frühestens in diesem Zeitpunkt. Trotz Ablaufens der Anfechtungsfrist für den Mann, kann er daher die Beseitigung seiner rechtlichen Vaterschaft mit allen Rechtsfolgen bewirken. Diesem Fall ist anzumerken, dass er in der Praxis kein erwähnenswertes Problem darstellen wird. Folgt man oben genannter Ansicht, wonach das Anfechtungsrecht ausgeschlossen ist, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind zu irgendeinem Zeitpunkt bestand, so wird die Anfechtung an der Voraussetzung, dass keine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind bestanden haben darf, scheitern. Die Gefahr, dass die anfechtungsberechtigte Behörde instrumentalisiert wird, um bei verfristeten Anfechtungsrechten eine Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft zu bewirken, ist somit gering.388 (2) Absolute Ausschlussfrist Unabhängig vom Zeitpunkt der Kenntniserlangung greift eine absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.). Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, das Vertrauen des Kindes in seinen Status und seine deutchung stellt auf die Kenntnis des jeweiligen Amtswalters ab: BVerwG, Beschl. v. 19.12.1984 – Gr. Sen. 1 und 2.84 = BVerwGE 356 (364); BVerwG, Urt. v. 24.1.2001 – 8 C 8.00 = BVerwGE 112, 360 (363); VGH Kassel, Urt. v. 23.6.1993 – 8 UE 2040/86 = NVwZ-RR 1994, 483 (484). In der überwiegenden Literatur wird auf die Aktenkundigkeit innerhalb der Behörde abgestellt: Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 48 VwVfG, Rn. 213 m.w. N. 387 Auf einen ähnlichen Fall weist Helms, StAZ 2007, 69 (73) hin. 388 A.A. Helms, StAZ 2007, 69 (73).

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sche Staatsangehörigkeit ab einem gewissen Zeitpunkt zu schützen.389 Obwohl dem Gesetzgeber bei Einführung der Anfechtungshöchstfrist der spezielle Fall vor Augen stand, in dem das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Vaterschaftsanerkennung erlangt hat390, unterliegen auch die Fälle der absoluten Ausschlussfrist, in denen einer der Betroffenen auf andere Weise als über die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit von der Vaterschaftsanerkennung profitiert. Bei der Einführung der absoluten Ausschlussfrist orientierte sich der Gesetzgeber an einem Urteil des BVerfG zur Rücknahme der Einbürgerung.391 Das BVerfG entschied, der Gesetzgeber müsse die Frage regeln, „welche Auswirkungen ein Fehlverhalten im Einbürgerungsverfahren auf den Bestand der Staatsangehörigkeit Dritter haben kann, die an diesem Fehlverhalten nicht beteiligt waren“.392 Es schlug vor, dem durch die Einbürgerung bewirkten Vertrauenstatbestand durch Befristungsregeln oder Altersgrenzen Rechnung zu tragen393, denn das „in Art. 16 Abs. 1 GG verankerte besondere Stabilitätsanliegen und der damit verbürgte erhöhte Vertrauensschutz erfordern entsprechend konkretisierte Eingriffstatbestände und eine Begrenzung der Rücknahmemöglichkeit in zeitlicher und sachlicher Hinsicht.“394. (a) Länge Dass die Anfechtungshöchstfrist eine Länge von fünf Jahren hat, ist auf § 24 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (StAngRegG) zurückzuführen. § 24 Abs. 2 StAngRegG sieht für die Feststellung der Unwirksamkeit der Einbürgerung, die auf Verschulden des Antragstellers wegen Nichtbekanntgabe von Tatsachen, die der Einbürgerung entgegengestanden hätten, bereits eine Frist von fünf Jahren vor. Der Gesetzgeber sah diesen Fall als mit dem Fall der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung, in dem die Betroffenen ab einem gewissen Zeitpunkt auf den Bestand ihrer aufenthaltsrechtlichen Privilegien vertrauen können müssen, vergleichbar an.395

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OLG Oldenburg v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = juris, Rn. 35. Vgl. BT-Drucks. 16/3291, S. 15. 391 BT-Drucks. 16/3291, S. 15; Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4) verweisen auf: BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = StAZ 2006, 200–211; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = StAZ 2007, 138 (140 f.). 392 BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = StAZ 2006, 200 (208). 393 BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = StAZ 2006, 200 (208). 394 BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = StAZ 2006, 200 (209). 395 BT-Drucks. 16/3291, S. 15; Granold, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14024 (B); Zypries/Cludius, ZRP 2007, 1 (4). 390

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(b) Beginn Gemäß § 1600b Abs. 1a S. 3 Hs. 1 BGB n. F. beginnt die fünfjährige absolute Ausschlussfrist bei einem im Bundesgebiet geborenen Kind im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft. Für ein nicht im Bundesgebiet geborenes Kind beginnt die Frist im Zeitpunkt der Einreise des Kindes nach Deutschland (§ 1600b Abs. 1a S. 3 Hs. 2 BGB n. F.). Bei der Wahl des Beginns der Anfechtungshöchstfrist standen dem Gesetzgeber die Fälle vor Augen, in denen das Kind durch die Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt und sich bereits seit seiner Geburt in Deutschland aufhält oder im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung erst nach Deutschland einreist. Dies wird daran deutlich, dass zwei Fallkonstellationen von dem Anwendungsbereich der absoluten Ausschlussfrist nicht erfasst sind. (aa) Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen für ausländischen Mann Der Fall, dass der anerkennende ausländische Mann von der Vaterschaftsanerkennung profitiert, indem er die Vaterschaft von einem deutschen Kind (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 4 AufenthG) oder einem Kind mit gesichertem Aufenthaltsstatus (§§ 36, 29 AufenthG) anerkennt, tritt in der Praxis zwar selten auf, ist aber durchaus anzufinden. Ist das Kind in Deutschland geboren, ergibt sich kein Problem, denn die Anfechtungsfrist beginnt ab Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung (§ 1600b Abs. 1a S. 3 Hs. 1 BGB n. F.). Ist das Kind allerdings im Ausland geboren, so kann sich der Beginn der absoluten Ausschlussfrist nur noch nach dem Zeitpunkt der Einreise des Kindes nach Deutschland gemäß § 1600b Abs. 1a S. 3 Hs. 2 BGB n. F. richten. Das könnte dazu führen, dass die Frist zu laufen beginnt, bevor die Vaterschaftsanerkennung überhaupt nur vollzogen wurde. Dann könnte die Fünfjahresfrist bereits vor Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung abgelaufen sein oder nur noch eine zeitlich hinter der Fünfjahresfrist zurückbleibende Frist verbleiben. Dass die absolute Ausschlussfrist weniger als fünf Jahre betragen kann bzw. im extremsten Fall bereits vor Vollzug der Vaterschaftsanerkennung abgelaufen sein kann, ist mit dem Sinn und Zweck der Anfechtungsfristen nicht vereinbar. Diese sollen einen Ausgleich zwischen dem Vertrauensschutz des Kindes und der ausreichenden Möglichkeit, die Vaterschaft behördlich anzufechten, bilden. Dieser Zweck wäre dann zulasten der anfechtungsberechtigten Behörde nicht erfüllt, wenn der Fall bereits vor Vollzug der Vaterschaftsanerkennung verfristet sein könnte bzw. nur noch ein zeitlich geringfügiger Rahmen für eine Anfechtung verbliebe. Verhindert werden könnte ein solches Szenario, indem auch die absolute Ausschlussfrist unter den Anwendungsbereich des § 1600b Abs. 2 S. 1 BGB zu fassen ist. Diese Vorschrift besagt, dass die Frist nicht vor Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung beginnen kann. Auch wenn die Norm in ihrer jetzigen Form

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

bereits vor Einführung der absoluten Anfechtungsfrist existierte, so ist vom Wortlaut her auch die Höchstfrist des § 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F. von der Vorschrift erfasst. Alternativ könnte auch darüber nachgedacht werden, für den Beginn der absoluten Ausschlussfrist nicht an den Zeitpunkt der Einreise des Kindes nach Deutschland, sondern an den Zeitpunkt der Einreise der Partei anzuknüpfen, die die rechtlichen Voraussetzungen der Einreise oder des Aufenthalts gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F. erfüllt. Das würde in oben genannter Fallkonstellation dazu führen, dass der anfechtungsberechtigten Behörde ein längeres Anfechtungsrecht verbleiben könnte, als wenn der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung für den Fristbeginn beachtlich wäre. Hierfür bedürfte es allerdings einer Gesetzesänderung, die aufgrund des geringen Auftretens der Fallkonstellation in der Praxis nicht von Nöten ist. Daher muss im Ergebnis gelten, dass § 1600b Abs. 2 S. 1 BGB, wonach die Frist nicht vor Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung zu laufen beginnt, auch auf die absolute Ausschlussfrist des § 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F. anzuwenden ist. (bb) Aufenthaltsrechtliche Voraussetzungen für ausländisches Kind Oben erläutertes Problem stellt sich auch bei der Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Mann, wenn das Kind im Ausland geboren wurde und bereits vor der Vaterschaftsanerkennung nach Deutschland eingereist ist. Gemäß § 1600b Abs. 1a S. 3 Hs. 2 BGB n. F. würde die absolute Ausschlussfrist schon vor Vollzug der Vaterschaftsanerkennung beginnen. Auch hier muss auf § 1600b Abs. 2 S. 1 BGB zurückgegriffen werden, wonach die absolute Ausschlussfrist nicht vor Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung beginnen können darf. (cc) Alternativvorschläge Im Interesse einer einheitlichen Regelung zum Fristenbeginn wäre es auch möglich, den Beginn der absoluten Ausschlussfrist generell an der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung auszurichten. Das würde allerdings dazu führen können, dass, wenn die Beteiligten die Vaterschaftsanerkennung im Ausland vollziehen und Mutter und Kind erst fünf Jahre später die Einreise nach Deutschland beantragen, das Anfechtungsrecht verfristet sein könnte, bevor eine Behörde von der Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung erfährt. Der Vorschlag, die absolute Anfechtungsfrist solle sich an dem Geburtszeitpunkt des Kindes orientieren und bei späterer Anerkennung um eine Jahresfrist verlängert werden396, würde der anfechtungsberechtigten Behörde keinen ausrei396

Heinhold, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 6.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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chenden Zeitraum zur Kenntniserlangung und Einleitung des Anfechtungsverfahrens bieten. Auch sollte nicht anstelle der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung lediglich auf das Ersuchen um die Anerkennung abgestellt werden.397 Es wäre zum einen schwer festzustellen, wann die Beteiligten um die Vaterschaftsanerkennung „ersucht“ haben und zum anderen hätten die Beteiligten Einfluss auf den Beginn der absoluten Anfechtungsfrist. (3) Fristhemmung § 1600b Abs. 5 BGB n. F. regelt die Hemmung des Fristlaufs. Der Wortlaut der Norm spricht nur von der „Frist“, so dass sowohl die Einjahresfrist als auch die absolute fünfjährige Ausschlussfrist dem Hemmungstatbestand unterliegen könnten. Dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck der behördlichen Anfechtungsfristen nach zu beurteilen, dürfte allerdings nur die Jahresfrist und nicht die Anfechtungshöchstfrist gehemmt werden können. Die absolute Ausschlussfrist soll nämlich gewährleisten, dass insbesondere das Vertrauen des Kindes auf den Bestand seiner deutschen Staatsangehörigkeit geschützt wird.398 Würde die absolute Ausschlussfrist gehemmt werden können, so wäre der Vertrauensschutz des Kindes nicht mehr durch einen absehbaren zeitlichen Rahmen gewährleistet.399 Aber auch bei der einjährigen behördlichen Anfechtungsfrist wird es nur selten zu einer Fristhemmung gemäß § 1600b Abs. 5 BGB n. F. kommen. Die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung werden nämlich kein Abstammungsfeststellungsverfahren gemäß § 1598a BGB n. F. einleiten (§§ 1600b Abs. 5 S. 1, 1598a BGB n. F.). Auch eine Fristhemmung aufgrund von Geschäftsunfähigkeit des Anfechtungsberechtigten gemäß §§ 1600b Abs. 5 S. 3, 210 BGB n. F. kommt bei der Anfechtung durch die Behörde nicht in Betracht. Allenfalls bei Drohung (§ 1600b Abs. 5 S. 2 BGB n. F.) oder bei höherer Gewalt (§§ 1600b Abs. 5 S. 3, 206 BGB n. F.) könnte über eine Fristhemmung nachgedacht werden. Unproblematisch kann eine Fristhemmung bei höherer Gewalt angenommen werden.400 Fraglich ist allenfalls, ob auch eine Fristhemmung bei Drohung eintreten kann. Gemäß § 1600b Abs. 5 S. 2 BGB n. F. hat die Drohung gegenüber dem Anfechtungsberechtigten zu erfolgen. Anfechtungsberechtigt ist gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. die anfechtungsberechtigte Behörde. Eine Drohung kann allerdings nie gegenüber der gesamten Behörde, sondern nur gegenüber Personen erfolgen. Zu denken wäre daher an eine Bedrohung des den Anfechtungsfall be-

397 So der Vorschlag von Meysen, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/ 3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 63. 398 BT-Drucks. 16/3291, S. 15. 399 So auch Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1132). 400 Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1133).

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

arbeitenden Mitarbeiters der anfechtungsberechtigten Behörde. Auch wenn dies vom Wortlaut der Norm her nicht erfasst ist, so wäre eine solche Auslegung unter dem Gesichtspunkt, dass die Jahresfrist für die Behörde ohnehin recht kurz bemessen ist und es in einer Behörde durchaus üblich ist, dass nur ein Mitarbeiter sich mit einem bestimmten Sachverhalt befasst, geboten.401 (4) Stellungnahme Es ist begrüßenswert, dass für die anfechtungsberechtigte Behörde im Vergleich zu den anderen Anfechtungsberechtigten eine verkürzte Anfechtungsfrist von einem Jahr gilt (§ 1600b Abs. 1a S. 1 BGB n. F.). Damit wird eine schnelle Klärung der Rechtsbeständigkeit der Vaterschaftsanerkennung im Interesse der unmittelbar Betroffenen und der Ausländerbehörden bzw. Auslandsvertretungen erreicht. Auch die absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.) ist sinnvoll. Durch sie wird gewährleistet, dass die Vaterschaftsanfechtung nicht beliebig lang betrieben werden kann, sondern die Beteiligten ab einem gewissen Zeitpunkt auf den Bestand ihrer von der Vaterschaftsanerkennung abgeleiteten Rechtsfolgen vertrauen dürfen. Es wird kritisiert, fünf Jahre seien unter Kindeswohlgesichtspunkten als absolute Ausschlussfrist zu lang.402 Hierbei bleibt unberücksichtigt, dass effektiv gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorgegangen werden können soll. Eine kürzere Anfechtungsfrist würde auch die Möglichkeit der Beseitigung der rechtlichen Vaterschaft verkürzen. Die Fünfjahresfrist schafft einen guten Ausgleich zwischen dem Vertrauensschutz der Beteiligten und einer möglichst effektiven Missbrauchsbekämpfung. Probleme sind bei dem Beginn der Anfechtungsfristen zu finden. Die einjährige Anfechtungsfrist für die Behörde beginnt mit Kenntniserlangung von Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass ihr Anfechtungsrecht gegeben ist (§ 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F.). Anknüpfungspunkt für die Tatsachenkenntnis sind die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen nach § 1600 Abs. 3 BGB n. F. Diese wird in der Regel durch Mitteilung des Missbrauchsverdachts seitens der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. gegeben sein. Bei der behördlichen Anfechtungsfrist handelt es um eine Bearbeitungsfrist.

401 A.A. Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1133), der die Bedrohung eines Mitarbeiters nicht als fristhemmende Bedrohung der anfechtungsberechtigten Behörde insgesamt ansehen möchte. 402 Heinhold, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 58; Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3 f.; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 15 f., S. 62 f.

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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Der Beginn der absoluten Ausschlussfrist für die anfechtungsberechtigte Behörde muss unter den Anwendungsbereich des § 1600b Abs. 2 S. 1 BGB fallen, um zu verhindern, dass in einigen Fällen die Höchstfrist abgelaufen ist, bevor die Vaterschaftsanerkennung überhaupt wirksam entstanden ist. cc) Darlegungslast/Schlüssigkeit des Antrags Weitere Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit der Schlüssigkeit des Anfechtungsantrags. Der Anfechtungsantrag ist nur dann schlüssig, wenn sich die von der anfechtungsberechtigten Behörde erstrebte Rechtsfolge aus den von ihr substantiiert vorgetragenen Tatsachen ergibt.403 Das bedeutet grundsätzlich, dass die anfechtungsberechtigte Behörde Tatsachen darlegen muss, die auf das Vorliegen der materiellen Anfechtungsvoraussetzungen schließen lassen.404 Legt sie diese Tatsachen nicht ausreichend dar, wird der Antrag abgewiesen. (1) Anfangsverdacht Bezogen auf das Nichtvorliegen der biologischen Vaterschaft des rechtlichen Vaters war bis Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 für jede Vaterschaftsanfechtungsklage die Darlegung eines begründeten Anfangsverdachts erforderlich.405 Somit musste auch die anfechtungsberechtigte Behörde Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet waren, Zweifel an der biologischen Vaterschaft des rechtlichen Vaters hervorzurufen. Für die anfechtungsberechtigte Behörde galt allerdings der Grundsatz der sekundären Darlegungslast.406 Dieser findet dann Anwendung, wenn die nicht darlegungspflichtige Partei die wesentlichen Umstände kennt und in zumutbarer Weise vortragen kann, während die andere Partei diese Umstände regelmäßig nicht kennt.407 Da es der anfechtungsberechtigten Behörde schwer fallen würde, Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen, vorzutragen, ohne in die Privatsphäre der Beteiligten einzugreifen408, musste die anfechtungsberechtigte Behörde demnach lediglich die ihr bekannten und in zumutbarerer Weise zu ermittelnden Umstände vortragen409. Hierbei musste allerdings beachtet werden, dass von dem Tatsachenvortrag, der sich auf 403 Zur Darlegungslast siehe Frohn, JuS 1996, 243 (247 f.); Hansen, JuS 1991, 588 (588 f.); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115, Rn. 38 ff.; Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 394; Lüke, Zivilprozessrecht, Rn. 274. 404 BT-Drucks. 16/3291, S. 12, 14 f.; MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 20. 405 Siehe hierzu bereits oben drittes Kapitel, S. 51–53. 406 BT-Drucks. 16/3291, S. 14. 407 BGH, Urt. v. 22.4.1998 – XII ZR 229/96 = FamRZ 1998, 955 (956); BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89 = NJW 1990, 3151 (3151 f.); Zöller/Greger, ZPO, Vor § 284, Rn. 34; Genenger, FPR 2007, 155 (158). 408 Helms, StAZ 2007, 69 (74). 409 BT-Drucks. 16/3291, S. 15.

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das Nichtvorliegen der sozial-familiären Beziehung bzw. auf die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen bezieht, nicht grundsätzlich auf die Nichtabstammung des Kindes von dem rechtlichen Vater geschlossen werden sollte.410 Vielmehr mussten die vorzutragenden Umstände explizit einen Schluss auf die biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters zulassen.411 Ausreichend sollte zum Beispiel sein, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde folgendes darlegte: Obwohl die Beteiligten behaupten, sie hätten sich in dem Heimatland der Mutter kennen gelernt und dort das Kind gezeugt, ergibt sich aus dem Reisepass des Mannes, dass er das entsprechende Land noch nie bereist hat. Auch reichte aus, wenn die Frau bereits schwanger nach Deutschland einreiste, der anerkennende Mann das Heimatland der Mutter aber nie bereist hat. Ein Schluss auf die biologische Nichtvaterschaft des anerkennenden Mannes konnte sich auch aus den Umständen ergeben, dass die Mutter mit einem anderen Mann zusammenlebte und bereits mehrere Kinder hatte. Der anerkennende Mann hingegen an einem von der Mutter weit entfernten Wohnort lebte, so dass davon ausgegangen werden konnte, dass sich Mutter und anerkennender Mann vor der Vaterschaftsanerkennung noch nie begegnet sind. Seit Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 muss die anfechtungsberechtigte Behörde einen begründeten Anfangsverdacht nicht mehr geltend machen. Der Antrag durch die anfechtungsberechtigte Behörde ist nämlich ausdrücklich von § 171 Abs. 2 S. 2 FamFG, der für die anderen Anfechtungsberechtigten die Geltendmachung eines Anfangsverdachts vorschreibt, ausgenommen. Laut der Begründung zu dem Gesetzentwurf des FGG-RG ist es der anfechtungsberechtigten Behörde nicht zumutbar, die Zweifel an der biologischen Nichtvaterschaft darzulegen.412 Die Abschaffung der Erforderlichkeit des Anfangsverdachts für die anfechtungsberechtigte Behörde ist unter dem Gesichtspunkt, dass in möglichst vielen Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung eine Vaterschaftsanfechtung stattfinden soll, begrüßenswert. (2) Darlegung der besonderen Anfechtungsvoraussetzungen Bereits vor Inkrafttreten des FGG-RG war die anfechtungsberechtigte Behörde bezogen auf die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise bzw. den 410 So auch Richter, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 4 f., der daran zweifelt, dass der Vortrag eines mangelnden Kontakts zwischen Mann und Kind und der aufenthaltsrechtlichen Gegebenheiten ausreichen, um auf das Nichtvorliegen der biologischen Vaterschaft schließen zu können; Helms, StAZ 2007, 69 (74); die Befürchtung Winklers, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7980 (C), die Behörde werde bezogen auf die Darlegungslast einseitig begünstigt, weil sie lediglich Umstände vortragen müsse, die gegen die Vaterschaft sprechen, und hierfür ausreichen solle, dass die Anfechtungsbehörde das Nichtvorliegen des Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft in Beziehung setzt zur ausländerrechtlichen Situation der Beteiligten, ist daher unbegründet. 411 So auch Richter, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5. 412 BT-Drucks. 16/6308, S. 244; Bumiller/Harders, § 171 FamFG, Rn. 16.

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Aufenthalt und das Nichtvorliegen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) darlegungspflichtig. Das FGG-RG hat diese Darlegungslast in § 171 Abs. 2 S. 3 FamFG gesetzlich festgeschrieben. Hiernach müssen bei dem Anfechtungsantrag die Umstände angegeben werden, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. vorliegen. Zusätzlich muss der Zeitpunkt angeben werden, in dem diese Umstände bekannt wurden. Anders als die Regelung zum Anfangsverdacht (§ 171 Abs. 2 S. 2 FamFG) handelt es sich bei § 171 Abs. 2 S. 3 FamFG nicht um eine Sollvorschrift („müssen die Umstände“). Trotz allem darf der Anfechtungsantrag der anfechtungsberechtigten Behörde nicht sofort als unzulässig zurückgewiesen werden, wenn die Anforderungen an die Darlegungslast nicht erfüllt werden. Dies ergibt sich aus § 28 Abs. 1 FamFG, wonach das Gericht darauf hinzuwirken hat, dass sich der Antragsteller zu allen erheblichen Tatsachen erklärt und ungenügende Angaben ergänzt. (a) Rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt Die anfechtungsberechtigte Behörde wird von der Ausländerbehörde bzw. der Auslandsvertretung gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. über einen Missbrauchsverdacht informiert. Die Ausländerbehörde/Auslandsvertretung prüft vor der Mitteilung an die anfechtungsberechtigte Behörde den aufenthaltsrechtlichen Teil der behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen.413 Es wird der anfechtungsberechtigten Behörde somit nicht schwer fallen, darzulegen, dass durch die Vaterschaftsanerkennung ein Elternteil und/oder das Kind aufenthaltsrechtliche Privilegien gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F. erhalten haben bzw. erhalten könnten. Sollte die anfechtungsberechtigte Behörde seitens Dritter von dem Missbrauchsfall Kenntnis erlangt haben, so kann sie bei der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung den aufenthaltsrechtlichen Status der an der Vaterschaftsanerkennung Beteiligten erfragen. Dann wird die anfechtungsberechtigte Behörde ebenfalls darlegen können, dass die Voraussetzung des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. erfüllt ist. (b) Bestehen keiner sozial-familiären Beziehung Problematischer erscheint die Darlegung von Tatsachen durch die anfechtungsberechtigte Behörde, die gegen das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F. sprechen.

413

Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 181–183.

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(aa) Sekundäre Darlegungslast Mit Rücksicht auf die Privatsphäre der Beteiligten wird es der anfechtungsberechtigten Behörde nur eingeschränkt möglich sein, das Vorliegen einer sozialfamiliären Beziehung zu ermitteln.414 Die von der Anfechtung Betroffenen kennen hingegen die maßgebenden Tatsachen, die für eine sozial-familiäre Beziehung sprechen. Dieses Problem greift die Begründung zum Gesetzentwurf des VaAnfRErgG auf und weist darauf hin, dass in diesem Zusammenhang der Grundsatz der sekundären Darlegungslast zu gelten hat.415 Ausreichend soll zum Beispiel sein, wenn die Behörde darlegt, dass keine häusliche Gemeinschaft zwischen Mann und Kind besteht. Es soll dann Sache von rechtlichem Vater und Kind sein, zu ihrer Beziehung vorzutragen.416 Dies erscheint insofern begrüßenswert417, als dass zum einen verhindert wird, dass die anfechtungsberechtigte Behörde sich zu Ermittlungen gedrungen sieht, die in die internen Familienverhältnisse eingreifen. Zum anderen ermöglicht es behördliche Anfechtungen, die ansonsten an einer nicht hinreichend erfolgten Darlegung der Tatsachen scheitern könnten. (bb) Regelannahmen Fraglich ist, wie sich das Vorhandensein von den Regelannahmen gemäß § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. auf die Darlegungslast der anfechtungsberechtigten Behörde auswirkt. Gemäß § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. liegt eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung in der Regel vor, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter verheiratet ist oder mit dem Kind für längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Eine sozial-familiäre Beziehung fordert allerdings über den Zeitpunkt der Übernahme hinaus das Tragen der elterlichen Verantwortung (§ 1600 Abs. 4 S. 1 BGB n. F.).418 Haben nun Vater und Kind für längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt, so wird nur die Übernahme und nicht das Tragen der Verantwortung vermutet. Obwohl die Regelannahmen nur einen Schluss auf die Übernahme der Verantwortung zulassen, fordert der BGH bei Vorliegen einer der Regelannahmen, dass die darlegungspflichtige Partei Umstände darlegen muss, die gegen eine sozial-familiäre Beziehung sprechen.419 414

BT-Drucks. 16/3291, S. 15. BT-Drucks. 16/3291, S. 15; so später auch BT-Drucks. 16/6308, S. 245. 416 BT-Drucks. 16/3291, S. 15; BT-Drucks. 16/6308, S. 245; OLG Oldenburg v. 12.05.2009 – 13 UF 19/09 = juris, Rn. 26. 417 So auch Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 10. 418 Siehe hierzu ausführlich fünftes Kapitel, S. 204 f. 419 BGH, Urt. v. 30.7.2008 – XII ZR 150/06 = juris, Rn. 18; BGH, Urt. v. 6.12.2006 – XII ZR 164/04 = StAZ 2007, 235 (237); vgl. auch Büttner, FS Schwab 2005, 735 (738). 415

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Die Regelannahme, nach der die Übernahme von Verantwortung vermutet wird, wenn Mutter und Vater miteinander verheiratet sind (§ 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 BGB n. F.), wird bei dem Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung selten vorliegen. Daher wird die anfechtungsberechtigte Behörde zu dieser Regelannahme im Rahmen ihrer Darlegungslast auch selten Stellung nehmen müssen. Grundsätzlich wird bei begründetem Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung auch keine häusliche Gemeinschaft zwischen dem anerkennenden Mann und dem Kind bestehen (§ 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 BGB n. F.). An eine solche ist nur dann zu denken, wenn eine Wohngemeinschaft aufgenommen wurde, um den „Schein“ einer sozial-familiären Beziehung zu vermitteln oder wenn die von der Anerkennung profitierende Partei (zum Beispiel Mutter mit Kind) aus Dankbarkeit die andere Partei (zum Beispiel anerkennenden obdachlosen Mann) der Vaterschaftsanerkennung in ihren Haushalt aufnimmt. Sollte aus diesen Gründen eine häusliche Gemeinschaft bestanden haben, so muss diese für „längere Zeit“ gemäß § 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 BGB n. F. vorhanden gewesen sein, damit die anfechtungsberechtigte Behörde zu diesen Umständen im Rahmen ihrer Darlegungslast vortragen muss. Wann von einem Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft für längere Zeit auszugehen ist, wird unterschiedlich beantwortet. Als der Gesetzgeber die Regelannahmen im Zusammenhang mit der Einführung des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters in das Gesetz aufgenommen hat (§ 1600 Abs. 3 S. 2 BGB a. F.), hat er bewusst auf die Festlegung eines zeitlichen Rahmens verzichtet. Vielmehr wurde der Rechtspraxis die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs überlassen.420 Hierbei orientierte man sich an den Vorschriften der §§ 1630 Abs. 3, 1632 Abs. 4, 1682, 1685 Abs. 2 BGB, bei denen ebenfalls der Begriff der „längeren Zeit“ anzufinden ist.421 Vertreten wird, dass bei Kindern ab einem Jahr bereits ein Zusammenleben von drei Monaten ausreiche.422 Andere sehen erst ein Zusammenleben ab sechs Monaten423 bzw. ab einem Jahr424 oder ab zwei Jahren425 als „längere Zeit“ an. Die Gesetzesbegründung zum VaAnfRErgG nennt ein Beispiel, in dem die Erfüllung des Regelbeispiels angenommen wird. Hierbei wird von einem Zusammenleben von leiblichem Vater, Mutter und Kind von über einem Jahr ausgegan420

BT-Drucks. 15/2253, S. 11. MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 11; Büttner, FS Schwab 2005, 735 (739); Genenger, FPR 2007, 155 (157); Pieper, FuR 2004, 385 (386). 422 Büttner, FS Schwab 2005, 735 (739). 423 Luthin, Anm. zu BGH, Beschl. v. 9.2.2005 – XII ZB 40/02 = FamRZ 2005, 705 (706) bezogen auf § 1685 Abs. 2 BGB. 424 MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 11. 425 Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 46, der ein Vergleich zu § 1600b Abs. 1 BGB zieht; wenn der Gesetzgeber bei Anfechtung durch die Mutter von einer schützenswerten Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater erst nach zwei Jahren ausgehe, solle dieser zeitliche Rahmen Zeit auch für ein häusliches Zusammenleben entscheidend sein. 421

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

gen.426 An diesem Beispiel sind zwei Punkte fragwürdig: Zum einen scheidet eine Anfechtung der Vaterschaft ohnehin aus, wenn der mit Mutter und Kind zusammenlebende Mann der „leibliche Vater“ ist. Zum anderen geht es bei der Frage, ob eine sozial-familiäre Beziehung besteht, auch nicht um das Zusammenleben von Vater, Mutter und Kind, sondern nur von Vater und Kind. Der Vorschlag, ein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft über einen längeren Zeitraum könne ab einem Jahr angenommen werden, könnte sich allerdings als zeitlicher Rahmen anbieten. Grundsätzlich ist es verfehlt, einen festen Zeitrahmen festzusetzen, nach dessen Ablauf ein Zusammenleben für längere Zeit gegeben ist. Wenn Mann und Kind bereits einen gewissen Kontakt hatten, bevor sie in einem Haushalt zusammenlebten, kann die Übernahme der Verantwortung nach einem kürzeren Zusammenleben vermutet werden, als wenn vor Zusammenleben keinerlei Kontakt zwischen Mann und Kind bestand. Auch wird zu Recht darauf hingewiesen, dass das Alter des Kindes und damit das kindliche Zeitempfinden zu berücksichtigen ist.427 Daher muss die Frage, ob ein häusliches Zusammenleben für längere Zeit vorliegt, durch eine Einzelfallbetrachtung beantwortet werden.428 Hierbei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen, bei denen ein häusliches Zusammenleben nur zum „Schein“ aufgenommen werden könnte, dieses in der Regel nur von kurzer Dauer bestehen wird. Ein relativ kurzes Zusammenleben in einem Haushalt führt somit nicht dazu, dass die anfechtungsberechtigte Behörde bei ihrem Anfechtungsantrag Umstände darlegen muss, die trotz Vorliegens einer häuslichen Gemeinschaft auf keine sozial-familiäre Beziehung schließen lassen. Daher erscheint bei einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung ein Maßstab von einem Jahr angemessen, um von einem Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft für längere Zeit gemäß § 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 BGB n. F. sprechen zu können und eine Umkehr der Darlegungslast zu bewirken. Umstände, die die anfechtungsberechtigte Behörde bei Vorliegen der Regelannahme des § 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 BGB n. F. im Rahmen der Darlegungslast vortragen könnte, könnten zum Beispiel sein: Die vorhandenen Anhaltspunkte sprechen für die häusliche Gemeinschaft als eine Art Wohngemeinschaft, in der Mann und Kind eher nebeneinander her anstatt zusammen gelebt haben bzw. für eine vorliegende häusliche Gemeinschaft nur zum „Schein“.

426

BT-Drucks. 16/3291, S. 15. MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 11; Büttner, FS Schwab 2005, 735 (739); Genenger, FPR 2007, 155 (158); Anm. Luthin zu BGH, Beschl. v. 9.2.2005 – XII ZB 40/02 = FamRZ 2005, 705 (706). 428 So auch Will, FPR 2005, 172 (177) bezogen auf Anfechtung durch den leiblichen Vater. 427

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dd) Beweislast Die Beweislast unterteilt sich grundsätzlich in die objektive Beweislast (Feststellungslast) und die subjektive Beweislast (Beweisführungslast).429 Die Beweisführungslast bestimmt, welche Partei Beweismittel zum Zweck des Nachweises der behaupteten Tatsachen zu erbringen hat.430 Bei der Anfechtung der Vaterschaft handelt es sich um eine Abstammungssache gemäß § 169 Nr. 4 FamFG, weswegen anstelle des Verhandlungsgrundsatzes der Amtsermittlungsgrundsatz gilt (§ 26 FamFG). Findet der Amtsermittlungsgrundsatz in einem Verfahren Anwendung, so entfällt die Beweisführungslast der Parteien.431 Vielmehr hat das Gericht selbst für die Beschaffung und den Beweis der entscheidungserheblichen Tatsachen zu sorgen.432 Das bedeutet, dass das Gericht im Wege der Amtsermittlung Beweiserhebungen für die materiellen Anfechtungsvoraussetzungen anordnet.433 Es kann auch solche Tatsachen und Beweismittel berücksichtigten, die von den Parteien nicht vorgetragen wurden.434 Die Amtsermittlung ist allerdings im Vaterschaftsanfechtungsverfahren insofern eingeschränkt, als dass von den Beteiligten nicht vorgebrachte Tatsachen nur berücksichtigt werden dürfen, wenn sie dem Fortbestand der rechtlichen Vaterschaft dienen oder wenn der die Vaterschaft Anfechtende einer Berücksichtigung nicht widerspricht (§ 177 Abs. 1 FamFG). Letzteres wird im Fall der behördlichen Vaterschaftsanfechtung nicht vorkommen, da die anfechtungsberechtigte Behörde ein Interesse an einer umfangreichen Beweiserhebung hat, damit die Vaterschaftsanfechtung Erfolg hat. Die Feststellungslast legt dar, zu wessen Ungunsten eine nach Erschöpfung aller Beweismittel verbleibende Unaufklärbarkeit einer entscheidungserheblichen Tatsache wirkt.435 Sie bleibt trotz Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes bestehen. Da bei Geltung des Verhandlungsgrundsatzes die anfechtungsberechtigte Behörde den Beweis für die Anfechtungsvoraussetzungen antreten müsste, wirkt es zu ihren Lasten, wenn eine der Anfechtungsvoraussetzungen nicht zur Über429 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115, Rn. 3–6; Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 501 f. 430 Hansen, JuS 1991, 588 (588); Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 501, 472; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115, Rn. 4; Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 477. 431 MüKo/Wellenhofer, § 1600c, Rn. 2; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115, Rn. 4. 432 Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 177 FamFG, Rn. 4; Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 104. 433 Gilt der Verhandlungsgrundsatz, trägt jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnormen: Schilken, Zivilprozessrecht, Rn. 503; Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 476; Hansen, JuS 1991, 588 (588). 434 Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 285. 435 Hansen, JuS 1991, 588 (588); Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 477.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

zeugung des Gerichts bewiesen ist.436 Der Antrag wird dann als unbegründet abgewiesen. ee) Beweiserhebung durch das Gericht Das Gericht muss in Abstammungssachen alle Beweismittel nutzen, die Aufklärung versprechen und erreichbar sind (§§ 177 Abs. 2 S. 1, 30 Abs. 2 FamFG). Aufgrund des geltenden Strengbeweises ist das Gericht an die Beweismittel der §§ 355 ff. ZPO gebunden. Dies bedeutet nicht, dass allen denkbaren Beweismitteln nachgegangen werden muss. Ist zur Überzeugung des Gerichts die Tatsache nachgewiesen, muss es weitere Beweise nicht erheben.437 Im Folgenden wird erläutert, wie das Gericht im Wege der Amtsermittlung die Beweise für die einzelnen Anfechtungsvoraussetzungen erhebt und welche Probleme damit verbunden sind. (1) Rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt Das Gericht muss sich unter anderem davon überzeugen, dass durch die Vaterschaftsanerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen wurden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Der aufenthaltsrechtliche Status der Beteiligten kann sich aus der Akte der jeweiligen Ausländerbehörde bzw. Auslandsvertretung, die den Aufenthaltstitel erteilt hat, ergeben. Dass das Kind durch die Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtliche Privilegien im Wege der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit erhalten hat, kann sich zum Beispiel aus der Akte der Passbehörde, die dem Kind aufgrund der Vaterschaftsanerkennung einen deutschen Pass ausgestellt hat, oder aus den Personenstandsurkunden ergeben438. Sind alle Urkunden, die Aufschluss über den aufenthaltsrechtlichen Status der betroffenen Person geben, bei den jeweiligen Behörden vorhanden, ist für die Beweiserhebung der Anfechtungsvoraussetzung des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. nicht einmal die Einbeziehung der von der Vaterschaftsanerkennung unmittelbar Betroffenen erforderlich. Wurde dem von der Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtlich Profitierenden die Aufenthaltserlaubnis noch nicht erteilt, zum Beispiel weil die Ausländer436 Bezogen allein auf die sozial-familiäre Beziehung: MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 8; Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 10; Finger, JR 2007, 50 (52), Fn. 15. 437 Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 286. 438 Renner, Ausländerrecht, § 4 StAG, Rn. 28, der sagt, dass sich die deutsche Staatsangehörigkeit eines Kindes bereits aus den Personenstandsurkunden ergibt.

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behörde die Entscheidung ausgesetzt hat (§ 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F.), so kann das Gericht etwaige Tatsachen ebenfalls durch Anträge bei der Ausländerbehörde ermitteln. Auf Grundlage dieser kann das Gericht prüfen, ob in dem konkreten Fall die hypothetischen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt für das Kind oder einen Elternteil durch die Vaterschaftsanerkennung hätten geschaffen werden können. Die gerichtliche Ermittlung, dass für das Kind und/oder ein Elternteil durch die Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtliche Privilegien geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.), kann somit unproblematisch erfolgen. (2) Bestehen keiner sozial-familiären Beziehung Problematischer erscheint die Feststellung der Tatsache, dass keine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind im Zeitpunkt der Anfechtung besteht bzw. in der Vergangenheit439 bestanden hat (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Sollte das Gericht zu seiner Überzeugung feststellen, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind vorhanden war oder ist, so ist in Zukunft die Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde ausgeschlossen.440 (a) Regelannahmen Fraglich ist, ob die Regelannahmen des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. zu einer Beweiserleichterung führen können. Die Regelannahmen indizieren lediglich die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung. Für die sozial-familiäre Beziehung ist jedoch erforderlich, dass diese Verantwortung auch getragen wird bzw. getragen wurde (§ 1600 Abs. 4 S. 1 BGB n. F.). Das bedeutet, dass es sich bei den Regelannahmen nicht um Vermutungen handelt, von denen unmittelbar auf das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung geschlossen werden kann.441 Es besteht lediglich eine widerlegbare Vermutung für die Übernahme tatsächlicher Verantwortung442, nicht aber für das Tragen der Verantwortung. Von dem Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft für 439 Siehe zu der Frage, ob eine in der Vergangenheit zu einem anderen als in § 1600 Abs. 3 BGB n. F. geregeltem Zeitpunkt existent gewesene sozial-familiäre Beziehung die behördliche Vaterschaftsanfechtung ausschließen sollte, siehe oben fünftes Kapitel, S. 221 f. 440 Bezogen auf die Anfechtung durch den leiblichen Vater so BT-Drucks. 15/2253, S. 11; Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 41. 441 OLG Stuttgart, Urt. v. 6.9.2007 – 11 UF 61/07 = FamRZ 2008, 629. 442 BGH, Urt. v. 6.12.2006 – XII ZR 164/04 = StAZ 2007, 235 (238); BGH, Beschl. v. 9.2.2005 – XII ZB 40/02 = FamRZ 2005, 705 (705); ebenso bezogen auf die Regelannahme in § 1685 Abs. 2 S. 2 BGB; MüKo/Wellenhofer, § 1600, Rn. 10.

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längere Zeit bzw. der Ehe der Eltern kann das Gericht daher nicht auf eine sozialfamiliäre Beziehung zwischen Mann und Kind schließen.443 Andererseits kann es auch nicht das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung als bewiesen ansehen, weil Mann und Kind nicht für längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt haben bzw. Mutter und Mann nicht verheiratet sind. Vielmehr muss das Gericht, unabhängig vom Bestehen einer der Regelannahmen, Beweise für das Tragen elterlicher Verantwortung erheben. Liegt eine Regelannahme vor, muss das Gericht dies allerdings erst dann tun, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde Umstände dargelegt hat, die trotz der Regelannahmen gegen eine sozialfamiliäre Beziehung sprechen.444 (b) Beweismittel Um festzustellen, ob eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. bestanden hat bzw. besteht, kann das Gericht als Beweismittel die Anhörung der Beteiligten, die Einbeziehung von Zeugen (zum Beispiel Verwandten, Freunden, Nachbarn der Betroffenen, Erzieher des Kindes) oder psychologische Sachverständigengutachten heranziehen. Hierbei hat das Gericht allerdings zu beachten, dass jede Familie ihr familiäres Zusammenleben anders gestaltet.445 Die Beurteilung, ob eine sozial-familiäre Beziehung besteht, darf daher nicht an standarisierten Merkmalen, etwa wie oft der Mann das Kind vom Kindergarten abholt, gemessen werden. Vielmehr muss das Gericht die einzelnen Begebenheiten der jeweiligen Familie, insbesondere auch den kulturellen Hintergrund, berücksichtigen.446 (c) Beweiserhebungsprobleme Beweiserhebungsprobleme könnten sich für das Gericht ergeben, wenn eine sozial-familiäre Beziehung nicht mehr im Zeitpunkt des Anfechtungsverfahrens besteht, nach Aussage der Beteiligten eine solche allerdings zu einem vergangenen Zeitpunkt oder im Ausland existiert haben soll. Insbesondere in dem vom Gesetzgeber de lege ferenda noch zu regelnden Fall, in dem eine sozial-familiäre Beziehung zu einem anderen als in § 1600 Abs. 3 BGB n. F. bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit bestand, wird es zu Beweisproblemen kommen. 443

Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 44. Zur Anfechtung durch den leiblichen Vater: BGH, Urt. v. 6.12.2006 – XII ZR 164/04 = StAZ 2007, 235 (237); BGH, Urt. v. 30.7.2008 – XII ZR 150/06 = juris, unter C. der Gründe; siehe zur Darlegungslast, wenn eine der Regelannahmen gegeben ist oben fünftes Kapitel, S. 250–252. 445 So auch Renner, Ausländerrecht, § 27 AufenthG, 27.1.8 bezogen auf das Vorliegen einer familiären Lebensgemeinschaft. 446 Heinhold, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3 befürchtet, dass reale Beziehungen anderer Kulturkreise in ihrer Komplexität nicht erkannt werden. 444

§ 3 Die gesetzlichen Änderungen im Einzelnen

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(aa) Sozial-familiäre Beziehung im Anerkennungs- oder Todeszeitpunkt Durchaus ist die Konstellation denkbar, dass erst einige Jahre nach Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung die Anfechtung durch die Behörde gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. betrieben wird. Wenn im Zeitpunkt der Betreibung des Anfechtungsverfahrens keine sozial-familiäre Beziehung festgestellt werden kann, wird das Gericht prüfen müssen, ob eine solche im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung bzw. im Zeitpunkt des Todes des Mannes bestand (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.), insbesondere dann, wenn die Beteiligten dies behaupten. Je länger eine solche zurückgelegen haben könnte, desto schwerer wird es für das Gericht zu ermitteln, ob sie tatsächlich bestand. Ebenso wird es zu Beweiserhebungsproblemen für das Gericht kommen, wenn die Vaterschaftsanerkennung pränatal erfolgte und die sozial-familiäre Beziehung angeblich nur im Geburtszeitpunkt, d. h. im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung, bestanden haben soll. Das Gericht wird im Wesentlichen auf die Aussagen der Beteiligten und auf Zeugenaussagen zurückgreifen müssen, die Aufschluss darüber versprechen, ob ein Kontakt zwischen Mann und Kind zu dem damaligen Zeitpunkt bestand. Wenn vorgetragen wird, dass bei einer pränatalen Vaterschaftsanerkennung nur im Geburtszeitpunkt eine sozial-familiäre Beziehung bestand, muss ermittelt werden, ob der Mann an der Schwangerschaft und Geburt Anteil nahm und das Tragen der elterlichen Verantwortung in seine Lebensplanung aufgenommen hatte. Letztlich wird es in der Praxis nicht selten vorkommen, dass das Gericht nicht zu seiner Überzeugung feststellen kann, ob eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem anerkennenden Mann und dem Kind bestand oder nicht. Grün ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber nicht genau festgelegt hat, zu wessen Lasten ein solches Beweiserhebungsergebnis geht: „Die Gesetzesbegründung geht offenbar davon aus, dass die Anfechtungsgegner das entsprechende Feststellungsrisiko tragen und die behördliche Anfechtung bereits dann eröffnet ist, wenn die Anfechtungsklage entsprechenden Vortrag enthält und dieser nicht widerlegt ist.“447 Bei dieser Aussage fehlt es an einer strikten Trennung zwischen der Darlegungs- und Feststellungslast. Es ist richtig, dass der Gesetzgeber bestimmt hat, dass im Rahmen der Darlegungslast der Grundsatz der sekundären Darlegungslast eingreift und auch die nicht darlegungspflichtige Partei sich zu der sozialfamiliären Beziehung äußern muss. Hiervon strikt zu trennen ist allerdings die Feststellungslast als Folge der nicht erfolgreichen Beweiserhebung durch das Gericht. Die Feststellungslast als Teil der Beweislast trifft die Partei zu den Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm.448 Das führt dazu, dass die anfech447

Grün, FuR 2007, 12 (15). Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 115, Rn. 9; Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 477. 448

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

tungsberechtigte Behörde hinsichtlich aller materiellen Anfechtungsvoraussetzungen und damit auch für das Nichtbestehen der sozial-familiären Beziehung das Feststellungsrisiko trägt.449 Dass sich im Wege der sekundären Darlegungslast auch der Anfechtungsgegner zu der sozial-familiären Beziehung äußern muss, hat keine Auswirkungen auf die Feststellungslast, die bezogen auf das Nichtbestehen der sozial-familiären Beziehung allein die anfechtungsberechtigte Behörde trifft. Kann das Gericht somit nicht zu seiner vollen Überzeugung feststellen bzw. ausschließen, ob im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung bzw. im Zeitpunkt des Todes des Mannes eine sozial-familiäre Beziehung zwischen anerkennendem Mann und Kind bestand, so wird zu Lasten der anfechtungsberechtigten Behörde der Antrag abgewiesen. (bb) Sozial-familiäre Beziehung zwischen Anerkennung und Anfechtung Im Zusammenhang mit der Benennung der erforderlichen Voraussetzungen für die behördliche Vaterschaftsanfechtung wurde darauf hingewiesen, dass de lege ferenda § 1600 Abs. 3 BGB n. F. in der Hinsicht zu ändern ist, dass nicht nur eine sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Anerkennung oder im Zeitpunkt des Todes des Mannes das Anfechtungsrecht ausschließen muss, sondern auch eine sozial-familiäre Beziehung zu jedem anderen vergangenen Zeitpunkt.450 Dies könnte zu erheblichen Beweisproblemen führen. Insbesondere die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung könnten nämlich vortragen, dass eine sozial-familiäre Beziehung zu einem Zeitpunkt bestand, bei dem sie sicher sein können, dass das Gericht nicht hinreichend Beweise wird erheben können, die das Gegenteil belegen. Da die Feststellungslast zum Nichtbestehen der sozial-familiären Beziehung der Anfechtende trägt, würde die behördliche Anfechtung allein deswegen keinen Erfolg haben. Dies lässt sich vermeiden, indem § 1600 Abs. 3 BGB n. F. in Anlehnung an § 1315 Abs. 1 Nr. 5 BGB so geändert wird, dass eine sozial-familiäre Beziehung, die zeitlich zwischen Anerkennung und Anfechtung bestand, die behördliche Vaterschaftsanfechtung ausschließt. Dadurch, dass von dem Ausschluss das Kind und der rechtliche Vater begünstigt werden, trifft sie und nicht die anfechtungsberechtigte Behörde die Feststellungslast. Ist das Gericht von dem Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Anerkennung und Anfechtungs-/Todeszeitpunkt nicht überzeugt, führt dies demnach nicht zum Ausschluss der behördlichen Vaterschaftsanfechtung. Eine solche Regelung würde zum einen ermögli449 Bezogen auf das Nichtbestehen der sozial-familiären Beziehung so auch MüKo/ Wellenhofer, § 1600, Rn. 8; Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 10; Finger, JR 2007, 50 (52), Fn. 15. 450 Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 221 f.

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chen, dass trotz einer in der Vergangenheit existent gewesenen sozial-familiären Beziehung, die zu einem anderen als von § 1600 Abs. 3 BGB n. F. benannten Zeitpunkt vorhanden war, die rechtliche Vaterschaft im Wege der behördlichen Vaterschaftsanfechtung nicht beseitigt werden kann. Zum anderen würde aber auch vermieden, dass die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung durch die bloße Behauptung, die sozial-familiäre Beziehung habe irgendwann bestanden, den Anfechtungsantrag entkräften könnten. (cc) Sozial-familiäre Beziehung im oder vom Ausland aus Zu Beweiserhebungsproblemen kann es für das Gericht auch dann kommen, wenn die Beteiligten behaupten, eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind habe im Anerkennungs- oder Todeszeitpunkt zwar nicht in Deutschland, aber im Ausland vorgelegen. In einem solchen Fall müsste das Gericht von Deutschland aus ermitteln, welche Personen im Ausland Kontakt zu den Betroffenen hatten. Diese Personen als Zeugen in Deutschland zu vernehmen oder im Wege der Rechthilfe im Ausland vernehmen zu lassen, wird aufgrund praktischer Probleme selten erfolgreich sein.451 Realistischerweise wird man aber davon ausgehen müssen, dass es dem Gericht schon nicht gelingen wird, entsprechende Zeugen zu ermitteln. Das Gericht kann jedoch der Frage nachgehen, ob der anerkennende Mann bzw. das Kind das angegebene Ausland, in dem der sozial-familiäre Kontakt bestanden haben soll, überhaupt bereist hat. Wenn dies nicht der Fall ist, so wird auch das Bestehen der sozial-familiären Beziehung im Ausland abgelehnt werden können. Ansonsten wird zugunsten der Beteiligten der Vaterschaftsanerkennung der Anfechtungsantrag abgelehnt werden müssen, denn die Feststellungslast trifft die anfechtungsberechtigte Behörde. Behaupten die Beteiligten, die sozial-familiäre Beziehung habe bestanden, obwohl ein Teil der Familie im Ausland und ein Teil in Deutschland gelebt hat, so wird durch Befragungen der Betroffenen, Freunden und Verwandten zu ermitteln sein, inwiefern zwischen Mann und Kind eine geistig emotionale Bindung vorhanden war bzw. immer noch ist. Nicht zu bestreiten ist, dass auch in dieser Konstellation die Beweiserhebung für das Gericht mit erheblichen praktischen Problemen verbunden ist. Steht nach Beweiserhebung durch das Gericht nicht zu dessen Überzeugung fest, dass keine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind besteht/bestand, geht dies wiederum zu Lasten der anfechtungsberechtigten Behörde.

451 Siehe zum Zeugenbeweis im Ausland: Linke, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 309–313.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

(3) Biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters Neben den beiden besonderen Anfechtungsvoraussetzungen gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F. muss sich das Gericht auch davon überzeugen, dass der rechtliche Vater nicht der biologische Kindesvater ist. Vorab soll das Gericht die Angelegenheit in einem Termin erörtern (§ 175 Abs. 1 FamFG). (a) Grundsatz Gemäß § 1600c Abs. 1 BGB wird im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft vermutet, dass das Kind von dem Mann biologisch abstammt, dessen Vaterschaft nach §§ 1592 Nr. 1, Nr. 2, 1593 BGB besteht. Bei der Anfechtung der Vaterschaft durch eine Behörde gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. wird daher vermutet, dass der die Vaterschaft anerkennende Mann auch der leibliche Kindesvater ist. Diese Abstammungsvermutung ist widerlegbar (§ 292 ZPO). Die Widerlegung kann mit allen zulässigen Beweismitteln erfolgen.452 Wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes obliegt es dem Gericht, die gebotenen und erreichbaren Beweismittel auszuschöpfen, mit denen es zu der Überzeugung gelangen könnte, dass der rechtliche Vater nicht der leibliche Kindesvater ist.453 Hierbei muss das Gericht geeignete Beweise so lange erheben, bis es vom Vorliegen der Tatsache überzeugt ist.454 Als Beweismittel kann das Gericht unter anderem Zeugenaussagen heranziehen. Aufgrund der oft persönlichen Betroffenheit von Zeugen wird das Gericht allerdings selten allein basierend auf solchen Aussagen die Abstammungsvermutung als widerlegt ansehen.455 In der Regel wird es daher eine Abstammungsbegutachtung anordnen. Auf eine solche wird es nur dann verzichten, wenn auf andere Weise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen ist, dass 452 KG, Urt. v. 10.5.1978 – 18 U 4348/77 = FamRZ 1978, 926; AG Westerstede, Urt. v. 26.3.1993 – 2a C 35/93 VII = FamRZ 1994, 645; Staudinger/Rauscher, § 1600c, Rn. 9. 453 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XII ZR 155/92 = NJW 1994, 1348; MüKo/Wellenhofer, § 1600c Rn. 2; Staudinger/Rauscher, § 1600c, Rn. 12; Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 56; Grün, FuR 2007, 12 (17); Wanitzek, FPR 2002, 390 (397). 454 BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XII ZR 155/92 = NJW 1994, 1348; BGH, Urt. v. 14.3.1990 – XII ZR 56/89 = FamRZ 1990, 615; Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 56; Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 200; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 286. 455 BGH, Urt. v. 2.3.1994 – XII ZR 207/92 = NJW 1994, 2697; BGH, Urt. v. 10.2. 1993 – XII ZR 241/91 = FamRZ 1993, 691 (693); OLG Hamburg, Beschl. v. 7.12.1987 – 14 W 98/87 = DAVorm 1989, 789 (790); OLG Schleswig, Beschl. v. 21.5.1986 – 1 W 175/86 = DAVorm 1986, 888; OLG Schleswig, Beschl. v. 6.1.1982 – 1 W 266/81 = DAVorm 1982, 350 (351); AG Westerstede, Urt. v. 26.3.1993 – 2a C 35/93 VII = FamRZ 1994, 645 (646); MüKo/Wellenhofer, § 1600c Rn. 6; Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff. und 1600c, Rn. 14, 56; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 260, 290.

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der Mann der Mutter während der Empfängniszeit456 nicht beigewohnt haben kann.457 So zum Beispiel, wenn sich Mutter und rechtlicher Vater zur Empfängniszeit nachweislich an getrennten Orten aufhielten oder wenn die Mutter im Zeitpunkt des in Betracht kommenden Geschlechtsverkehrs bereits schwanger war.458 Gemäß § 178 Abs. 1 FamFG haben die in die Abstammungsbegutachtung einzubeziehenden Personen die Untersuchung, insbesondere die Entnahme von Blutproben, zu dulden.459 Welche Personen in die Abstammungsuntersuchung mit einzubeziehen sind, hat das Gericht im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden.460 In der Regel wird es das Kind, den rechtlichen Vater und gegebenenfalls die als biologische Väter in Betracht kommenden Männer zur Untersuchung verpflichten.461 Ist eine Person vorverstorben, so können auch die Verwandten des Verstorbenen in die Beweiserhebung miteinbezogen werden.462 Wenn das medizinische Abstammungsgutachten eindeutig ergibt, dass der rechtliche Vater nicht der biologische Kindesvater ist, hat die Abstammungsvermutung gemäß § 1600c Abs. 1 BGB keine Bedeutung mehr. Welche prozentuale Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, um von einem eindeutigen Ergebnis sprechen zu können, ist fraglich. Bezogen auf die Feststellung der Vaterschaft gemäß § 1600d BGB wurde in der Vergangenheit von der Rechtsprechung eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von mindestens 99,73 Prozent gefordert.463 Liegt der 456

Die Empfängniszeit berechnet sich nach § 1600d Abs. 3 BGB. MüKo/Wellenhofer, § 1600c Rn. 6; Wanitzek, FPR 2002, 390 (397); Grün, FuR 2007, 12 (17); ders., Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 291. 458 Staudinger/Rauscher, § 1600c, Rn. 22. 459 Die Duldung der Abstammungsuntersuchung war vor Inkrafttreten des FGG-RG in § 372a ZPO a. F. geregelt. 460 Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 56. 461 Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 62. 462 Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 62, 77; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 303. 463 KG, Urt. v. 1.2.1980 – 3 U 2593/79 = DAVorm 1980, 660 [Eine naturwissenschaftliche Tatsache (Zeugung) ist allgemein schon bei einer Wahrscheinlichkeit von 99,73% anzunehmen]; OLG Zweibrücken, Urt. v. 3.7.1980 – 6 U 83/78 = FamRZ 1981, 205 [Bei einer Vaterschafts-Plausibilität von 99,78% besteht für das Gericht keine Verpflichtung mehr, von Amts wegen ein erbbiologisches Ähnlichkeitsgutachten einzuholen.]; KG, Urt. v. 1.2.1984 – 3 U 5088/83 = DAVorm 1984, 503 (505) [Eine weitere Beweisaufnahme ist überflüssig, wenn der Essen-Möller-Wert 99,73% erreicht]; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.1992 – 11 U 20/91 = DAVorm 1992, 991 [Beträgt die Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft eines bestimmten Mannes nach einer biostatistischen Berechnung unter Einbeziehung eines HLA-Gutachtens 99,99%, ist die Vaterschaft praktisch erwiesen. Die Einholung eines ergänzenden DNA-Gutachtens ist dann nicht veranlasst.]; OLG Hamm, Urt. v. 25.6.1993 – 29 U 174/92 = FamRZ 1994, 649 [Der Senat geht aufgrund einer Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,9980% davon aus, daß der Kläger als Vater unmittelbar feststeht]; OLG München, Urt. v. 27.6.1979 – 20 U 2113/78 = DAVorm 1979, 756 (758) [Nach den von der medizinischen Wissenschaft entwickelten Grundsätzen kann die Vaterschaft bei einem Wahrscheinlichkeitswert ab 457

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Beweiswert unter dieser Wahrscheinlichkeitsgrenze, müssen weitere Beweismittel herangezogen werden, die kumulativ das Gericht von der biologischen Vaterschaft des betroffenen Mannes überzeugen.464 Aber selbst bei einer Wahrscheinlichkeit über 99,73%, kann eine weitere Sachverhaltsaufklärung geboten sein, wenn der Richter seine Beweismittel noch nicht ausgeschöpft hat.465 Bei der Diskussion um die Frage, welcher Wahrscheinlichkeitswert bei der Vaterschaftsanfechtung die biologische Nichtvaterschaft des Mannes ausreichend beweist, wird stets auf die Werte der Vaterschaftsfeststellung verwiesen.466 Inhaltlich unterliegt dies keinen Bedenken, da es in beiden Fällen um die Frage der biologischen Abstammung des Kindes von einem bestimmten Mann geht. Es sollte allerdings beachtet werden, dass bei der Vaterschaftsanfechtung gerade nicht positiv festgestellt werden soll, dass ein Mann der rechtliche Vater des Kindes ist. Vielmehr soll zur Überzeugung des Gerichts negativ festgestellt werden, dass der Mann nicht der biologische Kindesvater ist. Daher muss eine Wahrscheinlichkeit herangezogen werden, die bestimmt, dass das Kind nicht von dem Mann biologisch abstammen kann. Die Beweiswerte zur Vaterschaftsfeststellung müssen somit umgekehrt werden. Daraus folgt, dass eine biologische Abstammungswahrscheinlichkeit kleiner als 0,27% (100%–99,73%) die biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters ohne weitere Beweismittel ausreichend nachweisen kann.467 Ergibt das Abstammungsgutachten eine höhere Wahrscheinlichkeit, so kann nur in Verbindung mit anderen Beweismitteln die biologische Nichtvaterschaft des anerkennenden Mannes als bewiesen erachtet werden.468 Als weitere Beweismittel könnten zum Beispiel glaubhafte Zeugenaussagen oder 99,8% als praktisch erwiesen angesehen werden]; OLG Koblenz, Urt. v. 8.2.1993 – 15 U 519/82 = FamRZ 1983, 759 (760) [Ergeben sich im biostatistischen Auswertungsverfahren Werte für die Vaterschaft von mehr als 99,73%, so sind diese geeignet, den vollen Beweiswert für die Vaterschaft zu erbringen.]; AG Hannover, Urt. v. 20.12.1999 – 608 F 2795/98 = JAmt 2001, 140 [Nach biostatistischer Berechnung einer Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,999% ist die Vaterschaft als praktisch erwiesen anzusehen]; siehe ausführlich zu den im Rahmen von Abstammungsbegutachtungen ermittelten Werten, die zu einer Feststellung der Vaterschaft führen können: Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 106–149. 464 BGH, Urt. v. 18.3.1987 – IVb ZR 21/86 = NJW 1987, 2296; BGH, Urt. v. 13.7.1988 – IVb ZR 77/87 = NJW-RR 1989, 707. 465 So in dem Urteil des BGH, Urt. v. 3.5.2006 – XII ZR 195/03 = juris, Rn. 3, in dem das Abstammungsgutachten eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,95% ergab, das Gericht allerdings einen Zeugenbeweis unterlassen hat; BGH, Urt. v. 19.12. 1973 – IV ZR 117/72 = NJW 1974, 1428; OLG Hamm, Urt. v. 2.10.1991 – 29 U 115/ 91 = DAVorm 1991, 947. 466 Wanitzek, FPR 2002, 390 (397), Fn. 11; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 289, der gar nicht erst zwischen der Vaterschaftsfeststellung und der Anfechtung der Vaterschaft unterscheidet. 467 So im Ergebnis auch Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 129; Staudinger/Rauscher, § 1600c, Rn. 15. 468 Staudinger/Rauscher, § 1600c, Rn. 15.

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Abstammungsbegutachtungen unter Einbeziehung von Männern, die als biologische Väter in Betracht kommen, herangezogen werden.469 Ergibt sich für einen Mehrverkehrszeugen eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von über 99,73%, so gilt im Umkehrschluss als bewiesen, dass der rechtliche Vater nicht der biologische Kindesvater ist. Sind alle Beweismittel ausgeschöpft470 und steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der die Vaterschaft anerkennende Mann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der biologische Vater des Kindes sein kann, ist die Abstammungsvermutung des § 1600c Abs. 1 BGB widerlegt. Die Beweismittel sollten auch dann als ausgeschöpft gelten, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann der biologische Kindesvater ist, nahezu bei Null (d. h. unter 0,27%) liegt und weitere Abstammungsuntersuchungen möglich sind, die lediglich eine genauere Wahrscheinlichkeitsberechnung versprechen. Da mit der Abstammungsbegutachtung ein Eingriff in die körperliche Integrität der Beteiligten verbunden ist, sollten nicht unendlich viele Abstammungsuntersuchungen angeordnet werden, die lediglich zu einem genaueren, aber keinem anderen Ergebnis führen würden.471 (b) Nichterweislichkeit – Wer trägt die Feststellungslast? Es gibt mehrere denkbare Gründe, weswegen der Richter selbst nach Ausschöpfung aller Beweismittel von der biologischen Nichtvaterschaft des anerkennenden Mannes nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überzeugt sein könnte. So zum Beispiel, wenn durch eine gerichtlich angeordnete Abstammungsuntersuchung kein eindeutiges Ergebnis erzielt werden konnte. Dies wird in der Praxis selten vorkommen, denn die medizinische Entwicklung ermöglicht inzwischen eine Feststellung der biologischen Vaterschaft in so gut wie jedem Fall. Häufiger wird der Fall auftreten, dass die Abstammungsbegutachtung gar nicht erst möglich ist und die anderen Beweismittel, zum Beispiel Zeugenaussagen, nicht zur Überzeugung des Gerichts beitragen können. Dann kann die 469

Staudinger/Rauscher, § 1600c, Rn. 15. Zu der Frage, wann das Gericht alle Beweismittel ausgeschöpft hat bzw. bis wann das Gericht Beweisanträgen von den Parteien noch nachgehen muss, siehe Staudinger/ Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 57 f., 130–134; Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 200–204, 208–209; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 292–295. 471 Bezogen auf die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB so auch: KG, Beschl. v. 22.7.1991 – 3 W 3980/91 = DAVorm 1991, 763 (768); OLG Hamm, Urt. v. 19.11.1991 – 29 U 169/89 = FamRZ 1992, 455; BGH, Urt. v. 19.12.1990 – XII ZR 31/90 = NJW 1991, 2961 (2962); KG, Urt. v. 10.2.1988 – 3 U 3646/87 = DAVorm 1988, 620; KG, Urt. v. 6.11.1987 – 3 U 2126/87 = DAVorm 1988, 280; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.11.1992 – 29 U 205/90 = FamRZ 1993, 472 (473); BGH, Urt. v. 12.1.1994 – XII ZR 155/92 = NJW 1994, 1348 (1350); Frank, FamRZ 1995, 975 (978 f.); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 201 ff. 470

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Abstammungsvermutung des § 1600c Abs. 1 BGB nicht hinreichend widerlegt werden. Das bedeutet, dass grundsätzlich auch weiterhin von der Vermutung, der rechtliche Vater sei der biologische Vater, ausgegangen werden muss.472 Im Ergebnis hat der Anfechtungsantrag keinen Erfolg473, so dass die Nichterweislichkeit der biologischen Nichtabstammung des Kindes von dem rechtlichen Vater zu Lasten des Anfechtenden geht. Im Fall der Anfechtung durch die anfechtungsberechtigte Behörde trägt somit diese die Feststellungslast für die Tatsache, dass das Kind biologisch von dem Mann nicht abstammt.474 (c) Abstammungsbegutachtung nicht möglich Es gibt mehrere Gründe, weswegen im Anfechtungsverfahren die Durchführung eines Abstammungsgutachtens nicht möglich ist. Denkbar ist zum Beispiel gerade bei missbräuchlich erfolgten Vaterschaftsanerkennungen, dass die Teilnahme an Abstammungsuntersuchungen verweigert wird oder dass sich eine Testperson im Ausland aufhält. Denkbar ist auch der Fall, dass es sich bei dem die Vaterschaft anerkennenden Mann um einen obdachlosen Deutschen handelt, der nicht auffindbar ist. Wie in diesen Fällen verfahren wird und ob es bei einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. bei der Feststellungslast der anfechtungsberechtigten Behörde verbleibt, wird im Folgenden erläutert. (aa) Testperson nicht auffindbar Ist die zu untersuchende Person, zum Beispiel weil es sich um einen Obdachlosen handelt, nicht auffindbar, so kann allein die Tatsache der Nichtauffindbarkeit die biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters nicht hinreichend beweisen. Es muss bei der Vermutungsregelung des § 1600c Abs. 1 BGB und damit bei der Feststellungslast der anfechtungsberechtigten Behörde verbleiben.

472 MüKo/Wellenhofer, § 1600c Rn. 7; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 263; Fehrenbacher, ZAR 2009, 22 (25). 473 Musielak/Borth/Borth, § 169, Rn. 11; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 257, 263. 474 Generell zur Rechtslage bis zum Inkrafttreten des FGG-RG bezogen auf die Feststellungslast des Anfechtungsberechtigten: jurisPK-BGB/Nickel, § 1600c, Rn. 12; MüKo-ZPO/Coester-Waltjen, § 640 ZPO, Rn. 57; MüKo/Wellenhofer, § 1600c Rn. 2; Wanitzek, FPR 2002, 390 (396); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 257.

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(bb) Weigerung der Testperson Weigert sich eine zu untersuchende Person an der Abstammungsbegutachtung teilzunehmen, könnte es zur Nichtdurchführbarkeit der Abstammungsuntersuchung kommen. In einem solchen Fall ist zwischen einer berechtigten und einer unberechtigten Weigerung zu unterscheiden. (a) Berechtigte Weigerung zur Abstammungsuntersuchung Die zu untersuchende Testperson kann sich berechtigt weigern, an der Begutachtung teilzunehmen, wenn die Untersuchungsvoraussetzungen des § 178 Abs. 1 FamFG nicht gegeben sind und dieser Umstand vorgetragen wird. Die Voraussetzungen des § 178 Abs. 1 FamFG liegen vor, wenn die Abstammungsbegutachtung erforderlich, zumutbar und geeignet ist, die Abstammung festzustellen.475 Erforderlichkeit ist gegeben, wenn die Feststellung der Abstammung für die Entscheidung des Gerichts erheblich ist.476 Zumutbarkeit muss hinsichtlich der Art der Untersuchung für den zu Untersuchenden und hinsichtlich der Folgen des Ergebnisses für ihn und seine Angehörigen gegeben sein.477 Hierbei wird das Interesse des zu Untersuchenden an der Weigerung gegen das Interesse der Parteien an der Abstammungsbegutachtung abgewogen.478 Auch muss die Untersuchung bezogen auf die gesundheitlichen Nachteile für den zu Untersuchenden zumutbar sein. Über die Rechtmäßigkeit der Weigerung wird in einem Zwischenverfahren gemäß § 178 Abs. 2 S. 1 FamFG, § 387 ZPO entschieden.479 Sollte sie festgestellt werden, ist die medizinische Abstammungsbegutachtung in der angeordneten Form nicht durchsetzbar.480 Kann das Gericht nicht durch andere Beweismittel zu der Überzeugung gelangen, dass der rechtliche Vater nicht der biologische 475 § 372a ZPO a. F. sah zusätzlich vor, dass die Untersuchung nach dem anerkannten Grundsatz der Wissenschaft eine Aufklärung verspricht; siehe zu den einzelnen Voraussetzungen ausführlich Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 178 FamFG, Rn. 3 f.; Zöller/Greger, § 372a ZPO, Rn. 3–11a; Stein/Jonas/Berger, § 372a ZPO, Rn. 7–13; Staudinger/Rauscher, Vorbem zu §§ 1591 ff., Rn. 64–66. 476 Bumiller/Harders, § 178 FamFG, Rn. 2; MüKo-ZPO/Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 4; Wanitzek, FPR 2002, 390 (398); zu der Frage, ob Erforderlichkeit vorliegt, wenn das Gericht noch nicht alle Beweismittel ausgeschöpft hat siehe OLG Düsseldorf v. 17.12.2007 – II 1 UF 151/07, 1 UF 151/07= juris; Staudinger/Rauscher, Vorbem zu §§ 1591 ff., Rn. 66 m.w. N. 477 Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 178 FamFG, Rn. 5; siehe ausführlich zur Zumutbarkeit Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 204–208; vgl. zur Zumutbarkeit der Duldung der Abstammungsuntersuchung OLG Bremen v. 20.1.2009 – 4 UF 99/08 = JAmt 261 (261). 478 Stein/Jonas/Berger, § 372a ZPO, Rn. 8. 479 Vgl. BGH, Urt. v. 1.3.2006 – XII ZR 210/04 = FamRZ 2006, 686 (688). 480 Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 310.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Vater des Kindes ist, ist die Abstammungsvermutung des § 1600c Abs. 1 BGB zu Lasten der anfechtungsberechtigten Behörde nicht hinreichend widerlegt. Ergibt das Zwischenverfahren, dass die Abstammungsuntersuchung rechtswidrig verweigert wurde, wird die Weigerung für unberechtigt erklärt.481 (b) Unberechtigte Weigerung zur Abstammungsuntersuchung Die zu untersuchende Testperson weigert sich dann unberechtigt, wenn in einem Zwischenverfahren das Vorliegen der Voraussetzungen der § 178 Abs. 1 FamFG festgestellt wurde oder wenn die Partei sich ohne Geltendmachung eines Weigerungsrechts (§ 386 Abs. 1 ZPO) weigert.482 In einem solchen Fall kann das Gericht Zwangsmittel zur Durchsetzung der Abstammungsuntersuchung anordnen.483 Diese richten sich nach § 178 Abs. 2 S. 1 FamFG, § 390 Abs. 1 ZPO. Hiernach werden dem Zeugen zum einen die durch die Weigerung entstandenen Kosten auferlegt. Zum anderen kann Ordnungsgeld und, wenn dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft angeordnet werden. Sollten diese Zwangsmittel keinen Erfolg versprechen und eine wiederholte unberechtigte Weigerung stattfinden, so kann unmittelbarer Zwang, insbesondere die zwangsweise Vorführung durch den Gerichtsvollzieher, unter Umständen mit polizeilicher Hilfe484, zum Zwecke der Untersuchung angeordnet werden (§ 178 Abs. 2 S. 2 FamFG).485 (cc) Testperson im Ausland Eine Abstammungsuntersuchung im Rahmen der Beweiserhebung kann auch dann unmöglich sein, wenn die zu untersuchende Person sich im Ausland aufhält. Gerade bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen ist diese Konstellation anzutreffen. Zu denken ist an den deutschen Frührentner, der von Paraguay aus mehrere hundert paraguayische Kinder anerkannt hat.486 Grundsätzlich besteht die Duldungspflicht zu Abstammungsuntersuchungen gemäß § 178 FamFG für alle Personen, die sich in Deutschland aufhalten, unab481

Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 310. Stein/Jonas/Berger, § 372a ZPO, Rn. 17; Zöller/Greger, § 372a ZPO, Rn. 15; MüKo-ZPO/Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 22; Staudinger/Rauscher, Vorbem zu §§ 1591 ff., Rn. 67; Wanitzek, FPR 2002, 390 (398). 483 Zwangsmittel können erst dann verhängt werden, wenn einer gerichtlichen Aufforderung zur Untersuchung gemäß § 377 ZPO nicht Folge geleistet wurde und in der Ladung auf die Möglichkeit der Verhängung von Zwangsmitteln hingewiesen wurde. 484 Zöller/Greger, § 372a ZPO, Rn. 16. 485 § 178 Abs. 2 S. 2 ZPO geht bei wiederholter Weigerung § 390 Abs. 2 ZPO (Beugehaft) vor: MüKo-ZPO/Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 28; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 312. 486 Siehe zu dem Fall oben viertes Kapitel, S. 103 f. 482

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hängig von ihrer Staatsangehörigkeit.487 Sie besteht selbst dann, wenn das Landesrecht des zu untersuchenden Ausländers eine entsprechende Duldungspflicht nicht kennt.488 Eine zwangsweise Untersuchung gemäß § 178 FamFG kann allerdings nicht mehr vollzogen werden, wenn der zu Untersuchende sich außerhalb Deutschlands aufhält.489 Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Beweiserhebungen durch deutsche Gerichte im Rahmen der Zivilprozessordnung im Inland erfolgen müssen, so dass auch die zivilprozessrechtlichen Duldungspflichten nur im Inland anwendbar sind.490 In Bezug auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu Aufenthaltszwecken könnte dies folgendes bedeuten: Einer der Beteiligten, der in die Abstammungsbegutachtung miteinbezogen werden muss, hält sich so lange im Ausland auf, bis die Anfechtungsfrist gemäß § 1600b Abs. 1a BGB n. F. abgelaufen ist. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist kehrt er nach Deutschland zurück. Die Beteiligten müssen eine behördliche Vaterschaftsanfechtung wegen Verfristung nicht mehr fürchten. Der mit der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung angestrebte aufenthaltsrechtliche Vorteil für mindestens einen der an der Vaterschaftsanerkennung Beteiligten ist dauerhaft gesichert. Im extremen Fall könnte auch ein Markt dafür entstehen, im Ausland wohnende Deutsche und in Deutschland wohnende Ausländer zum Zwecke der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung zu vermitteln. (a) Internationale Rechtshilfe Einem solchen Vorgehen der Parteien könnten die Grundsätze der internationalen Beweisaufnahme entgegenstehen.491 Das deutsche Gericht kann Internationale Rechtshilfe zur Durchführung der Beweisaufnahme ersuchen (§ 177 Abs. 2 S. 1 FamFG, § 363 Abs. 1 ZPO).492 487 Stein/Jonas/Berger, § 372a ZPO, Rn. 26; Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 62; MüKo-ZPO/Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 18; Linke, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 321. 488 Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 62; MüKo-ZPO/Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 18; aufgrund des Territorialitätsprinzips ist der Ausländer durch seinen Inlandsaufenthalt den deutschen Gerichten unterworfen: Linke, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 321. 489 Stein/Jonas/Berger, § 372a ZPO, Rn. 27; Linke, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 321. 490 Stein/Jonas/Berger, vor § 371 ZPO, Rn. 21, § 372a ZPO, Rn. 27; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 8, Rn. 2, § 9, Rn. 3. 491 Siehe zur internationalen Beweisaufnahme explizit Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, § 8. 492 Eine ausländische Behörde kann erst dann im Wege der Rechtshilfe ersucht werden, wenn eine Beweisaufnahme durch den deutschen Konsul gemäß § 363 Abs. 2 ZPO nicht möglich ist; siehe zu den Voraussetzungen: Stein/Jonas/Berger, § 363, Rn. 24–40; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2405–2411; siehe explizit zur internatio-

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Hierbei wird eine ausländische Behörde ersucht, die Aufnahme des Beweises zu vollziehen. Der Vollzug der Beweiserhebung durch die ausländische Behörde richtet sich dann nach dem jeweiligen ausländischen Recht.493 Das bedeutet, dass eine ersuchte Abstammungsuntersuchung im Ausland oft daran scheitern wird, dass das ausländische Recht keine § 178 FamFG entsprechende Duldungspflicht vorsieht494; es sei denn der zu Untersuchende stellt sich freiwillig der Begutachtung. Aber selbst wenn die jeweilige Rechtsordnung eine gesetzliche Regelung zu zwangsweisen Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung vorweisen kann, könnte die Durchführung eines Abstammungsgutachtens an der vorherrschenden Situation in dem Land scheitern. So zum Beispiel, wenn das Gutachten aus rein praktischen Gründen nicht vorgenommen werden kann, etwa weil es dem Land an einer intakten Infrastruktur mangelt oder kriegerische Verhältnisse herrschen.495 Festzuhalten bleibt, dass ein Auslandsaufenthalt einer in eine Abstammungsuntersuchung einzubeziehenden Person, häufig zu einer Nichtdurchsetzbarkeit der zwangsweisen Feststellung der Abstammung gemäß § 178 FamFG führt.496 Fraglich ist, welche Folgen hieraus resultieren. Vorerst wird das Gericht probieren, sich über andere Beweismittel von der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters zu überzeugen. Es könnte zum Beispiel andere als biologische Väter in Betracht kommende Männer497 oder in Deutschland lebende Verwandte der sich im Ausland aufhaltenden Person in die Abstammungsuntersuchung mit einbeziehen. Gegebenenfalls könnte es seine Überzeugung auch allein von glaubhaften Zeugenaussagen ableiten.498 Sollten auch diese Beweiserhebungen nicht dazu führen können, den Richter hinreichend nalen Rechtshilfe: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Rn. 2412–2419b; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rn. 798 ff. 493 OLG Bremen v. 20.1.2009 – 4 UF 99/08 = FamRZ 2009, 802 (802); MüKo-ZPO/ Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 18; Stein/Jonas/Berger, § 363 ZPO, Rn. 50. 494 Stein/Jonas/Berger, § 363 ZPO, Rn. 62; KG, Beschl. v. 2.11.2002 – 3 WF 5611/ 99 = IPRax 2004, 255; AG Hamburg, Urt. v. 24.5.2000 – 21A C 560/90 = FamRZ 2003, 45; Jayme, FS Geimer 2002, 375 (376). 495 Vgl. DIJuF-Rechtsgutachten v. 8.1.2008 – Ab 5.101 D1 = JAmt 2008, 146 (149), wo darauf hingewiesen wird, dass nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, dass selbst bei scheinbar kooperativer Haltung des Beklagten eine fälschliche DNA-Probe möglicherweise durch Korruption erlangt wurde. 496 So auch Grün, FuR 2007, 12 (17); Frank, FamRZ 1995, 975 (978); BGH, Urt. v. 9.4.1986 – IVb ZR 27/85 = FamRZ 1986, 663; OLG Hamm, Urt. v. 9.10.1992 – 29 U 259/88 = FamRZ 1993, 473; OLG Stuttgart, Urt. v. 7.12.1989 – 16 U 5/89 = DAVorm 1990, 82. 497 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.10.1987 – 11 W 58/87 = DAVorm 1988, 64; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 262. 498 OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.10.1987 – 11 W 58/87 = DAVorm, 1988, 64; Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 56; MüKo-ZPO/Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 32; OLG Hamm, Urt. v. 6.10.1985 – 29 U 19/94 = DAVorm 1996, 71 (72); a. A. AG Bad Homburg, Beschl. v. 3.8.1987 – 2 C 2126/84 = DAVorm 1988, 63.

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von der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters zu überzeugen, so wäre grundsätzlich die Abstammungsvermutung des § 1600c Abs. 1 BGB nicht widerlegt. Die behördliche Vaterschaftsanfechtung gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. hätte keinen Erfolg. (b) Konsequenzen für die Beweiswürdigung Ein anderes Ergebnis könnte im Rahmen der Beweiswürdigung erzielt werden: Ist die zwangsweise Abstammungsuntersuchung wegen Auslandsaufenthalts des zu Untersuchenden nicht durchsetzbar und verweigert die Person eine freiwillige Mitwirkung, so könnten daraus nachteilige Folgen über die Heranziehung des Rechtsgedankens der Beweisvereitelung abgeleitet werden. Kann im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung gemäß § 1600d BGB an einem im Ausland wohnenden Putativvater eine Abstammungsuntersuchung nicht zwangsweise durchgeführt werden und wirkt der zu Untersuchende auch nicht freiwillig an der Beweiserhebung mit, so wird er bei der Beweiswürdigung nach dem Grundsatz der Beweisvereitelung so behandelt, als hätte die Untersuchung keine schwerwiegenden Zweifel an seiner Vaterschaft gemäß § 1600d Abs. 2 S. 2 BGB erbracht.499 Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass die Person über die Folgen ihrer Weigerung belehrt und ihr eine Frist nach § 356 ZPO gesetzt wurde.500 Würde dieser Beweisvereitelungsgrundsatz auf die Anfechtung der Vaterschaft übertragen, würde dies bedeuten: Dass die sich im Ausland aufhaltende zu untersuchende Person ihre freiwillige Mitwirkung an der Abstammungsbegutachtung verweigert, wird im Rahmen der Beweisvereitelung als für sie nachteilig gewertet. Fraglich ist allerdings, was bei der Weigerung zur Abstammungsuntersuchung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein für die Partei nachteiliges Ergeb499 DIJuF-Rechtsgutachten v. 8.1.2008 – Ab 5.101 D1 = JAmt 2008, 146 (149); MüKo-ZPO/Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 32, § 371, Rn. 7; Stein/Jonas/Berger, § 372a ZPO, Rn. 23; Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 74; Wanitzek, FPR 2002, 390 (399); Frank, FamRZ 1995, 975 (978); Helms, Die Feststellung der biologischen Abstammung, S. 213; Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 151; BGH, Urt. v. 10.2.1993 – XII ZR 241/91 = DAVorm 1993 = BGHZ 121, 266, 435; BGH, Urt. v. 9.4.1986 – IVb ZR 27/85 = JZ 1987, 42 m. zust. Anm. Stürner; OLG Bamberg, Beschl. v. 6.4.1995 – 2 W 6/95 = FamRZ 1995, 1280; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 16.5.2002 – 1 UF 309/99 = OLG-Report Frankfurt/M. 2002, 203; OLG Braunschweig, Urt. v. 22.10.1980 – 3 U 67/79 = DAVorm 1981 51; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.11.1985 – 16 U 24/84 = ZfJ 1986, 274; OLG Hamburg, Urt. v. 21.3.1986 – 14 U 111/84 = DAVorm 1987, 359; OLG Stuttgart, Urt. v. 7.12.1989 – 16 U 5/89 = DAVorm 1990, 82; OLG Hamm, Urt. v. 9.10.1992 – 29 U 259/88 = FamRZ 1993, 473, auf die Folgen der Weigerung hinweisend OLG Bremen v. 20.1.2009 – 4 UF 99/08 = FamRZ 2009, 802 (803). 500 Stein/Jonas/Berger, § 372a, Rn. 23; MüKo-ZPO/Zimmermann, § 372a ZPO, Rn. 32.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

nis wäre. Der die Vaterschaft Anfechtende begehrt die Feststellung, dass der rechtliche Vater nicht der biologische Kindesvater ist. Entzieht sich eine Partei der Abstammungsuntersuchung, so kann daraus gefolgert werden, dass sie nicht möchte, dass der Mann seinen Status als rechtlicher Vater verliert.501 Das für die sich weigernde Person nachteilige Ergebnis wäre somit, festzustellen, dass schwerwiegenden Zweifel an der biologischen Vaterschaft des rechtlichen Vaters bestehen. Zu einem solchen Ergebnis könnte das Gericht im Vaterschaftsanfechtungsverfahren unter Heranziehung des Rechtsgedankens der Beweisvereitelung gelangen. Das würde bedeuten, dass sich das Gericht der Abstammungsvermutung des § 1600c Abs. 1 BGB, wonach der rechtliche Vater als biologischer Kindesvater vermutet wird, widersetzen müsste. Die Vermutungsregelung des § 1600c Abs. 1 BGB hätte keine Bedeutung mehr. Bei der Vaterschaftsfeststellung stellt es sich anders dar: Ist eine zwangsweise Blutuntersuchung wegen Auslandsaufenthalts nicht durchführbar und verweigert die zu untersuchende Person ihre freiwillige Mitwirkung, so strebt sie damit an, dass der Mann nicht als Vater festgestellt wird. Ist das Gericht davon überzeugt, dass der Mann der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat und stellt es nun mit Hilfe des Grundsatzes der Beweisvereitelung fest, dass er der rechtliche Kindesvater ist, so kollidiert dies nicht mit der Abstammungsvermutung des § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB. Hiernach wird vermutet, dass der Mann der biologische Vater des Kindes ist, der der Mutter in der Empfängniszeit beigewohnt hat. Diese Vermutung konnte nur nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts widerlegt werden. Das Ergebnis der Beweiswürdigung stimmt mit dem Ergebnis der Abstammungsvermutung des § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB überein. Darüber hinaus sind auch die Folgen der Anfechtung anders als die der Vaterschaftsfeststellung. Während bei erfolgreicher gerichtlicher Vaterschaftsfeststellung das Kind einen Vater und damit auch einen Unterhaltsschuldner erhält, verliert es bei der behördlichen Vaterschaftsanfechtung seinen rechtlichen Vater und damit zusammenhängend unter Umständen seine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland. Dies könnte zu folgendem Fall führen: Die beiden besonderen Anfechtungsvoraussetzungen gemäß § 1600 Abs. 3 BGB n. F. sind gegeben. Der deutsche, die Vaterschaft anerkennende Mann, von dem das Kind und die Mutter ihre Aufenthaltsberechtigung in Deutschland ableiten, ist tatsächlich der Erzeuger des Kindes. Er hat allerdings keinen Kontakt zu Mutter und Kind, hält sich inzwischen im Ausland auf und die Aufhebung seiner rechtlichen Vaterschaft kommt ihm gelegen. Aufgrund der Unkooperativität des Mannes hinsichtlich der medizinischen Abstammungsbegutachtung wird unterstellt, er sei nicht der biologische Kindesvater. Daraufhin verlieren Kind und Mutter ihre zu Recht bestehende Aufenthaltsberechtigung in Deutschland. 501 So in einer Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 13.11.2008 – 1 BvR 1192/08 = NJW 2009, 425 f., in der der rechtliche Vater sich weigerte an der Abstammungsuntersuchung mitzuwirken, weil er an dem bestehenden Statusverhältnis festhalten wollte.

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Darüber hinaus ist nicht zu vergessen, dass das Gericht die Abstammungsuntersuchung anordnete, weil es nicht hinreichend von der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters überzeugt war. Scheitert die Abstammungsuntersuchung aufgrund des Auslandsaufenthalts einer Person und können andere Beweismittel keine Gewissheit über die Tatsache liefern, so kann die Abstammungsvermutung des § 1600c Abs. 1 BGB nicht ohne weiteres zur Überzeugung des Gerichts widerlegt sein. Hält sich eine Person im Vaterschaftsanfechtungsverfahren im Ausland auf und ist daher eine Abstammungsuntersuchung an ihr nicht durchführbar, darf das Problem aus oben genannten Gründen nicht über den Rechtsgedanken der Beweisvereitelung gelöst werden.502 Die Parteien haben keine sanktionsähnlichen Konsequenzen im Rahmen der Beweiswürdigung zu fürchten. (g) Aussetzung des Verfahrens Das Gericht könnte allerdings das Anfechtungsverfahren aussetzen. Vor Inkrafttreten des FGG-RG gab es in der ZPO lediglich spezielle Aussetzungsregeln für bestimmte Rechtsbereiche. Ein Aussetzungstatbestand für den Fall, dass eine Abstammungsbegutachtung aufgrund Auslandsaufenthalts eines in die Begutachtung Miteinzubeziehenden nicht möglich war, existierte nicht. Mit § 21 FamFG wurde eine allgemeine Aussetzungsnorm geschaffen. Voraussetzung der Aussetzung des Verfahrens ist ein wichtiger Grund. Der Begründung des Gesetzentwurfs zum FGG-RG ist zu entnehmen, dass solch ein wichtiger Grund vorliegt, wenn die Einholung eines Abstammungsgutachtens ein vorübergehendes Hindernis darstellt.503 Sollte der sich der Abstammungsbegutachtung Entziehende für einen nachweislich zeitlich beschränkten Zeitraum im Ausland aufhalten, kommt eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 21 FamFG demnach in Betracht. Ist die Person allerdings für unbestimmte Zeit im Ausland, so stellt der Auslandsaufenthalt kein nur vorübergehendes Hindernis der Abstammungsbegutachtung dar. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 21 FamFG scheidet aus. Kann das Gericht sich in einem solchen Fall nicht anderweitig von der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters überzeugen, verbleibt es bei der Vermutungswirkung des § 1600c Abs. 1 BGB.504 Im Ergebnis kann ein auf unbestimmte Zeit angelegter Auslandsaufenthalt einer an sich an der Abstammungsbegutachtung zu beteiligenden Person zu einer Ver502 A.A. Bumiller/Harders, § 178 FamFG, Rn. 9; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 177 FamFG, Rn. 10, die auch eine unberechtigte Verweigerung der Abstammungsuntersuchung im Anfechtungsverfahren als Beweisvereitelung werten wollen. 503 BT-Drucks. 16/6308, S. 184; so auch Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 21 FamFG, Rn. 14. 504 So im Ergebnis auch Staudinger/Rauscher, Vorbem. zu §§ 1591 ff., Rn. 72; Wanitzek, FPR 2002, 390 (398); Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 262.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

fristung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung gemäß § 1600b Abs. 1a BGB n. F. führen. Zu nachteiligen prozessualen Folgen für die Beteiligten einer Vaterschaftsanerkennung kommt es nicht. In der Praxis wird es den Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung allerdings selten gelingen, den Vollzug der Abstammungsuntersuchung zu verhindern, denn in den überwiegenden Missbrauchsfällen zu Aufenthaltszwecken werden sich alle Beteiligten in Deutschland aufhalten. Der häufigste Missbrauchsfall ist immerhin der, dass ein in Deutschland lebender Mann die Vaterschaft von einem ausländischen Kind anerkennt, wobei Mutter und Kind sich ebenfalls in Deutschland aufhalten.505 (4) Rangverhältnis der Begründetheitserfordernisse Für die Begründetheit des Vaterschaftsanfechtungsantrags bedarf es der drei behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen, die alle kumulativ zur Überzeugung des Gerichts vorliegen müssen: – Zwischen dem Kind und dem Anerkennenden darf keine sozial-familiäre Beziehung bestehen oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden haben (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.); – durch die Anerkennung mussten die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen worden sein (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) und – die rechtliche und biologische Vaterschaft müssen auseinander fallen (§ 1599 Abs. 1 BGB). Nun kann man sich die Frage stellen, in welchem Verhältnis die Anfechtungsvoraussetzungen zueinander stehen bzw. in welcher Reihenfolge die Beweiserhebungen zu den jeweiligen Voraussetzungen durch das Gericht zu erfolgen haben. Ein Rangverhältnis der Kriterien könnte sich allenfalls aus der dem Gesetz zu entnehmenden Reihenfolge ergeben. Dann müsste vorab festgestellt werden, ob der rechtliche Vater der biologische Kindesvater ist (§ 1599 Abs. 1 BGB); anschließend geprüft werden, ob keine sozial-familiäre Beziehung zwischen Mann und Kind existiert (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.); um zuletzt festzustellen, ob aufenthaltsrechtliche Privilegien für einen der Beteiligten entstanden sind (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Dass sich ein Rangverhältnis zwischen den Begründetheitserfordernissen eines Anfechtungsantrags aus der Reihenfolge der Benennung der Voraussetzungen im Gesetz ergeben könnte, wird im Zusammenhang mit der Anfechtung durch den leiblichen Vater abgelehnt.506 Unter dem Aspekt, dass der Eingriff in die inter505 506

Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 97–100. Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 47.

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nen Familienverhältnisse so gering wie möglich ausfallen soll, erscheint es auch für die behördliche Vaterschaftsanfechtung sinnvoll, von oben erwähnter Reihenfolge abzusehen. Das Feststellen der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters verbunden mit einer Abstammungsbegutachtung erscheint als der größte Eingriff in die internen Familienverhältnisse. Daher sollte diese Voraussetzung letzter Teil der Beweiserhebung sein. Dies erscheint auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Familienfriedens sinnvoll. Würde vorab festgestellt, dass der rechtliche Vater nicht der leibliche Kindesvater ist, um anschließend festzustellen, dass die Anfechtung wegen einer bestehenden sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind nicht erfolgen kann, wäre der Familienfrieden unnötigerweise gefährdet.507 Das Verhältnis der beiden besonderen Anfechtungsvoraussetzungen (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) sollte ebenfalls unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, dass der Eingriff in die Familienverhältnisse so gering wie möglich zu halten ist. Ob eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem anerkennenden Mann vorhanden ist, kann nicht allein aufgrund der bestehenden Aktenlage festgestellt werden, sondern basiert unter anderem auf Zeugenbefragungen der Beteiligten.508 Ob das Kind oder ein Elternteil durch die Vaterschaftsanerkennung einen aufenthaltsrechtlichen Vorteil erlangt hat/erlangen würde, lässt sich hingegen in den überwiegenden Fällen durch Kontaktaufnahme mit der Ausländerbehörde ermitteln, ohne dass die Beteiligten in die Feststellung miteinbezogen werden müssen.509 Letzteres Begründetheitserfordernis lässt sich somit nicht nur mit einem geringeren Aufwand feststellen, sondern stellt auch den geringeren Eingriff in die Familie dar. Darüber hinaus wäre es sinnlos, ein aufwendiges Beweiserhebungsverfahren hinsichtlich des Bestehens der sozial-familiären Beziehung zu betreiben, um anschließend zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die behördliche Vaterschaftsanfechtung ohnehin ausgeschlossen ist, weil keiner der Beteiligten ausländerrechtlich von der Vaterschaftsanerkennung profitiert hat. Im Ergebnis sollte der Richter folgende Reihenfolge bei der Beweiserhebung zu den einzelnen Anfechtungsvoraussetzungen beachten: Als erstes muss er ermitteln, ob durch die Anerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen wurden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Anschließend ist zu prüfen, ob keine sozial-familiäre Beziehung zwischen Kind und Anerkennendem besteht bzw. bestanden hat (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Sind beide besonderen Anfechtungsvoraussetzungen gegeben, ist anschließend zu ermitteln, ob rechtliche und biologische Vaterschaft nicht übereinstimmen (§ 1599 Abs. 1 BGB). Von diesem 507 So Staudinger/Rauscher, § 1600, Rn. 47 bezogen auf die Anfechtung durch den vermeintlich leiblichen Vater. 508 Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 256. 509 Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 254 f.

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Rangverhältnis muss allerdings einzelfallbedingt abgewichen werden können. So zum Beispiel, wenn die von der behördlichen Vaterschaftsanfechtung Betroffenen sicher sind, dass der rechtliche Vater der biologische Kindesvater ist und sie daher eine Abstammungsbegutachtung wünschen, bevor sie sich einer ausführlichen Befragung zur Feststellung der sozial-familiären Beziehung unterziehen müssen. (5) Eingriff in interne Familienverhältnisse Es wird vertreten, dass die Beweiserhebungen durch das Gericht einen unzulässigen Eingriff in die Privat- und Intimsphäre der Familien darstellen.510 Das am häufigsten verwendete Beweismittel bei der Feststellung der biologischen Nichtabstammung des Kindes von dem rechtlichen Vater ist das Abstammungsgutachten.511 Hierbei findet zwangsläufig durch die Untersuchung an sich (zum Beispiel die Blutentnahme) und möglicherweise auch durch das ermittelte Ergebnis ein Eingriff in die Privat- und Intimsphäre der Beteiligten statt. Aber auch bei Ermittlungen hinsichtlich der sozial-familiären Beziehung kann es zu einem solchen Eingriff durch die Erforschung und Aufdeckung interner Familienverhältnisse kommen. Nur bezogen auf die Voraussetzung, dass durch die Vaterschaftsanerkennung für einen der Beteiligten die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen wurden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.), kann die Beweiserhebung ohne einen Grundrechtseingriff erfolgen, indem lediglich auf die bestehende Aktenlage der Ausländerbehörde zurückgegriffen wird. Es kann somit nicht geleugnet werden, dass es im Rahmen der Beweiserhebungen für die drei Anfechtungsvoraussetzungen zu Grundrechtseingriffen kommt.512 Um diese Grundrechtseingriffe möglichst gering zu halten, müssen die Gerichte bei der Beweiserhebung zurückhaltend vorgehen. So sollte der Richter, wenn er bereits von einer Tatsache überzeugt ist, von weiteren denkbaren Beweismitteln absehen. Bei der sozial-familiären Beziehung sollte lediglich geprüft werden, ob ein gewisser Kontakt zwischen Mann und Kind besteht. Wie die Familie die sozial-familiäre Beziehung im Einzelnen ausgestaltet, darf nicht mehr Teil der Ermittlungen sein. Auch dürfen in die Abstammungsuntersuchung nicht wahllos Personen miteinbezogen werden513, sondern es muss vorher sicherge510 Bezogen auf die Erforschung der biologischen Abstammung und der sozial-familiären Beziehung so Leutheusser-Schnarrenberger, BT-Plenarprotokoll 16/79, 7978 (D); bezogen auf die Beweiserhebung zur sozial-familiären Beziehung so Heinhold, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 4; Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (91). 511 Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 260 ff. 512 VGH Hessen v. 17.06.2009 – 7 D 1536/09 = juris, Rn. 9 bestimmte, dass die Vorstufe der Beweiserhebung (die Stellung des behördlichen Anfechtungsantrags an sich) noch zu keinen Verletzungen der Grundrechte des Kindes führt. 513 Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, Rn. 290.

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stellt werden, dass ihre Einbeziehung eine Aufklärung des Sachverhalts ermöglicht. Darüber hinaus trägt die oben genannte Prüfungsreihenfolge der Anfechtungsvoraussetzungen dazu bei, den Eingriff in die internen Familienverhältnisse so gering wie möglich zu halten. Diese zwangsläufig auftretenden Grundrechtseingriffe könnten gerechtfertigt sein. Wie bereits oben erläutert514 besteht ein Allgemeininteresse an der Bekämpfung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen, die gerade nicht nur in Einzelfällen auftreten.515 Dieses öffentliche Interesse rechtfertigt den Eingriff in die Privat- und Intimsphäre der Beteiligten durch das Anfechtungsverfahren. Ein solcher Eingriff wäre nur dann nicht gerechtfertigt, wenn es mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten gäbe. Auf mögliche Alternativen wird im folgenden Abschnitt eingegangen.516 ff) Beteiligung der Jugendämter Die Beweiserhebungen des Gerichts werden durch eine neue Regelung, die die Beteiligung der Jugendämter am Vaterschaftsanfechtungsverfahren vorschreibt, ergänzt (§ 176 Abs. 1 FamFG).517 Hiernach soll der Richter im Fall der behördlichen Vaterschaftsanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.) vor seiner Entscheidung das Jugendamt anhören. Anders als § 640d Abs. 2 ZPO a. F., der § 178 FamFG vorausging, ist letztere Norm als Sollvorschrift formuliert. Entgegen des Wortlauts wird vertreten, dass es sich bei einer behördlichen Vaterschaftsanfechtung um eine Anhörungspflicht handelt.518 Eine solche Ansicht steht allerdings im Gegensatz zu dem Willen des Gesetzgebers, der in der Begründung zu dem Gesetzentwurf zum FGG-RG ausdrücklich auf die Formulierung als Sollvorschrift hinweist.519 Dem Jugendamt ist die Entscheidung des Gerichts anschließend bekannt zu machen (§ 176 Abs. 2 S. 1 FamFG). Mit dieser Vorschrift beabsichtigte der Gesetzgeber, dem Gericht für die Beweiserhebungen, insbesondere zur sozial-familiären Beziehung, eine zusätzliche Erkenntnisquelle zu schaffen. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs zum VaAnfRErgG: „Wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu dem nach § 1592 Nr. 2 BGB legitimierten Vater besteht, wird das Jugendamt vielfach aufgrund seiner Beratungstätigkeit [. . .] oder im Rahmen der Beistandschaft [. . .] Kenntnis davon haben. Außerdem kann das Jugendamt seine Bewertungen der 514

Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 129–131. Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 103–109. 516 Siehe hierzu unten fünftes Kapitel, S. 287–299. 517 Vor Inkrafttreten des FGG-RG war die Anhörung des Jugendamtes in § 640d Abs. 2 ZPO a. F. geregelt. 518 Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, § 172 FamFG, Rn. 28. 519 BT-Drucks. 16/6308, S. 245. 515

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vorhandenen Fakten gemäß seinem Aufgabenverständnis in das Gerichtsverfahren einbringen.“520 Dass das Jugendamt anzuhören ist, ändert nichts an dem bestehenden Amtsermittlungsgrundsatz.521 Dem Jugendamt wird die Ermittlungspflicht des Gerichts nicht übertragen.522 Vielmehr soll die Anhörung des Jugendamts neben dem Untersuchungsgrundsatz eine weitere Absicherung dafür darstellen, „dass die Anfechtung nur in den Fällen zum Erfolg führt, in denen der Vaterschaftsanerkennung keine sozial-familiäre Beziehung zugrunde liegt.“523 Obwohl der Begründung des Gesetzentwurfs des VaAnfRErgG nur zu entnehmen ist, dass das Jugendamt sich hinsichtlich der sozial-familiären Beziehung äußern soll, so muss unterstellt werden, dass es auch bezogen auf die anderen Anfechtungsvoraussetzungen Stellung nehmen können muss. Wenn das Jugendamt zum Beispiel der Ansicht ist, eine sozial-familiäre Beziehung bestehe nicht, es allerdings Kenntnis von der biologischen Vaterschaft des rechtlich legitimierten Vaters hat, so muss es diesen Umstand ebenfalls bei der Anhörung mitteilen. Dies ist auch mit dem Willen des Gesetzgebers, unberechtigte Vaterschaftsanfechtungen nicht zum Erfolg kommen zu lassen, vereinbar. Kritisiert wird, dass sich die Vorschrift nicht als praxistauglich erweisen könnte, weil die Jugendämter abneigend der Tatsache gegenüber stehen, als Erkenntnisquelle für das Gericht herangezogen zu werden.524 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Jugendämter ein Interesse an dem Erhalt der Familien haben. Sollte eine sozial-familiäre Beziehung tatsächlich bestehen, so werden die Jugendämter das Gericht gerne auf eine solche hinweisen, um eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung zu verhindern. d) Rechtsfolgen Ist der Richter von dem Vorliegen aller Anfechtungsvoraussetzungen nicht überzeugt, wird der Anfechtungsantrag der anfechtungsberechtigten Behörde abgewiesen. Das Kind ist weiterhin seinem rechtlichen Vater (§ 1592 Nr. 2 BGB) abstammungsrechtlich zugeordnet.525 Kommt das Gericht hingegen zu dem Ergebnis, dass alle formellen und materiellen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, ist der Vaterschaftsanfechtungs520 BT-Drucks. 16/3291, S. 18; aufgrund seiner Beratungstätigkeit (§ 52a SGB VIII) oder der Beistandschaft (§§ 55, 56 SGB VIII, § 1712 BGB) soll das Gericht regelmäßig Kenntnis von einer bestehenden sozial-familiären Beziehung haben. 521 BT-Drucks. 16/3291, S. 18. 522 BT-Drucks. 16/3291, S. 18; Meysen, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 8; Beinkinstadt, JAmt, 342 (343, 346). 523 BT-Drucks. 16/3291, S. 18. 524 Grün, FuR 2006, 497 (501). 525 Staudinger/Rauscher, § 1599, Rn. 31 m.w. N.

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antrag der Behörde erfolgreich. Im Beschluss (§§ 116 Abs. 1, 38 FamFG) stellt das Gericht für und gegen alle (§ 184 Abs. 2 FamFG) fest, dass der kraft Vaterschaftsanerkennung legitimierte Mann (§ 1592 Nr. 2 BGB) nicht der Vater des Kindes ist526. Der Beschluss wirkt auf den Tag der Geburt des Kindes zurück527, so dass das Kind seinen rechtlichen Status rückwirkend zu diesem Zeitpunkt verliert528. Das Kind gilt ab Geburt als vaterlos.529 Dieser rückwirkende Statusverlust führt dazu, dass die von der Vaterschaftsanerkennung abgeleiteten Rechtsfolgen ebenso ex tunc entfallen.530 aa) Bezogen auf die Missbrauchsfallgruppen War der Anfechtungsantrag erfolgreich, ist bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen für die Betroffenen in der Regel nur der Verlust der Aufenthaltssicherung einschneidend. Für die einzelnen Konstellationen, in denen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen auftreten können, heißt dies Folgendes: (1) Anerkennung im Interesse des Kindes und/oder der Mutter Erfolgte die Vaterschaftsanerkennung durch Beteiligung eines deutschen oder ausländischen Mannes mit gesichertem Aufenthalt in Deutschland, so verliert das Kind die erlangte deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG) rückwirkend zum Zeitpunkt der Geburt.531 Seine Staatsangehörigkeit richtet sich nun nach dem nationalen Recht der Mutter.532 Von der nie existenten deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes konnte daher auch die Mutter des ausländischen Kindes nie ein Aufenthaltsrecht ableiten. Eine ihr ursprünglich gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG erteilte Aufenthalts- bzw. Niederlassungserlaubnis (§ 28 Abs. 2 AufenthG) kann daher zurückgenommen werden (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, § 48 VwVfG).

526 So noch bezogen auf das Urteil der Anfechtungsklage: MüKo/Seidel, § 1600e, Rn. 59. 527 So noch bezogen auf das Urteil der Anfechtungsklage: Staudinger/Rauscher, § 1599, Rn. 26; MüKo/Seidel, § 1600e, Rn. 64. 528 OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2004 – 3 Bf 238/03 = InfAuslR 2004, 398 (398); OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56 (57); Palandt/Diederichsen, § 1599, Rn. 7; Wanitzek, FPR 2002, 390 (399). 529 MüKo/Wellenhofer, § 1599, Rn. 28. 530 BT-Drucks. 16/3291, S. 16; siehe zu den einzelnen Rechtsfolgen bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung Staudinger/Rauscher, § 1599, Rn. 34 ff. 531 BT-Drucks. 16/3291, S. 16; BVerwG, Urt. v. 21.5.1985 – 1 C 37/81 = NJW 1986, 676 (676) bezogen auf die Ehelichkeitsanfechtung; OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2004 – 3 Bf 238/03 = InfAuslR 2004, 398 (398); OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56 (57); Dötsch, NJW-Spezial 2007, 55 (56). 532 BVerwG, Urt. v. 21.5.1985 – 1 C 37/81 = NJW 1986, 676 (677).

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Wurde dem ausländischen Kind selbst (§§ 32, 36 Abs. 2, 29 AufenthG) und davon abgeleitet der Mutter (§§ 36 Abs. 1, 29 AufenthG) nur eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, weil die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung durch einen ausländischen Mann mit gesichertem Aufenthalt in Deutschland erfolgte, so kann auch dem Kind sein Aufenthaltstitel gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, § 48 VwVfG entzogen werden. (2) Anerkennung im Interesse des anerkennenden Mannes Sollte der die Vaterschaft anerkennende ausländische Mann von der Vaterschaftsanerkennung profitiert haben, so kann seine ihm ursprünglich erteilte Aufenthaltserlaubnis (§§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 4 AufenthG oder §§ 36, 29 AufenthG) gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, § 48 VwVfG zurückgenommen werden. bb) Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 GG? Dass als Folge der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde (§§ 1599, 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.) die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend ab Geburt beseitigt wird, könnte gegen Art. 16 Abs. 1 GG verstoßen. Gemäß Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG darf die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden. Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG bestimmt, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten darf, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. (1) Eröffnung des Schutzbereichs Vorab ist fraglich, ob überhaupt der Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG eröffnet wurde. Hierfür müsste die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes betroffen sein. Bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung verliert das Kind die Staatsangehörigkeit rückwirkend ab Geburt. Da das Kind aus ex post Sicht nie im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit war, wird vertreten, dass es auch nicht in seinem Grundrecht auf Schutz vor Ausbürgerung und Auslieferung verletzt sein könne.533 Gegen eine solche Ansicht hat sich das BVerfG gewandt.534 Es stellte 533 BVerwG, Urt. v. 21.5.1985 – 1 C 37/81 = NJW 1986, 676 (677); OVG Hamburg, Beschl. v. 10.2.2004 – 3 Bf 238/03 = InfAuslR 2004, 398 (399); OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1.10.2004 – 2 M 441/04 = InfAuslR 2006, 56 (57). 534 BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = StAZ 2006, 200 (200 ff.); BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = StAZ 2007, 138 ff.; zustimmend Silagi, StAZ 2007, 133 (134 ff.).

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fest, dass der Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit genauso wenig Scheincharakter habe wie die einst bestehende rechtliche Vaterschaft. Ansonsten würde der Grundrechtsschutz des Art. 16 Abs. 1 GG gegenüber jeder Regelung leer laufen, die eine Wegnahme der Staatsangehörigkeit ex tunc vorsehe.535 Es müsse aber gerade umgekehrt das Entziehungsverbot sein, dass „die Grenzen der Zulässigkeit solcher Regelungen“ bestimme.536 Der Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG ist somit selbst dann eröffnet, wenn die Staatsangehörigkeit ex tunc zum Geburtszeitpunkt entfällt und daher aus ex post Sicht nie bestand. (2) Schutzzweck der Norm Damit das Kind, das als Folge der erfolgreichen behördlichen Vaterschaftsanfechtung rückwirkend seine Staatsbürgerschaft verloren hat, in seinem Grundrecht aus Art. 16 Abs. 1 GG verletzt sein könnte, müsste der Fall der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung dem Schutzzweck der Grundrechtsnorm unterliegen. In einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung ging, entschied das BVerfG am 24. Mai 2006, dass Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG die Rücknahme nicht ausschließt. Derjenige, der durch Täuschung eine rechtswidrige Einbürgerung erwirkt hat, könne nicht auf den Bestand der missbräuchlich erlangten Rechtsposition vertrauen.537 Die Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG wurde ebenfalls abgelehnt. Der Verfassungsgesetzgeber habe mit Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG keinen Vertrauensschutz für durch Täuschung erwirkte Einbürgerungen schaffen wollen.538 „Eine Rechtsordnung, die sich ernst nimmt, darf nicht Prämien auf die Missachtung ihrer selbst setzen.“539 Darüber hinaus sei Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG dann nicht einschlägig, wenn der Verlust freiwillig eintrat. Bei einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung habe der Betroffene jedenfalls die Ursachen für die Rücknahme willentlich gesetzt.540

535 BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = StAZ 2007, 138 (139); BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = NVwZ 2006, 807 (809). 536 BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = StAZ 2007, 138 (140). 537 BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = NVwZ 2006, 807 (809). 538 BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = NVwZ 2006, 807 (810); so auch Münch/Kunig/Schnapp, Art. 16 GG, Rn. 14; Sachs/Kokett, Art. 16 GG, Rn. 24. 539 BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = NVwZ 2006, 807 (810); BVerwG, Urt. v. 21.5.1985 – 1 C 37/81 = NJW 1986, 676 (677) stellte in einer Entscheidung, bei der es um die Rücknahme der Staatsangehörigkeit für das Kind bei erfolgreicher Ehelichkeitsanfechtung ging, fest: „Es kann mithin nicht Sinn des Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG sein, rechtswidrigen Einbürgerungen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz zu verleihen“. 540 BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 = NVwZ 2006, 807 (810).

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Hat derjenige, dessen Staatsangehörigkeit rückwirkend entfällt, die Erlangung dieser durch Täuschung bewirkt, so ist der Fall nicht vom Schutzzweck des Art. 16 Abs. 1 GG umfasst. Diese Entscheidung ist dem Fall, dass das Kind in eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung involviert ist und durch die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung seine Staatsangehörigkeit verliert, ähnlich. Ein entscheidender Unterschied ist allerdings darin zu sehen, dass bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung das Kind meistens kein aktiver Beteiligter ist und daher nicht selbst an der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit missbräuchlich beteiligt war.541 Fraglich ist daher, ob der Fall von dem Schutzzweck der Norm des Art. 16 Abs. 1 GG erfasst sein soll, in dem unbeteiligte Dritte von dem Verlust der Staatsangehörigkeit betroffen sind.542 Bezogen auf die erfolgreiche Anfechtung der Ehelichkeit und damit verbunden dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit für das in die Ehe geborene Kind hat das BVerfG in einem Urteil am 24. Oktober 2006 die Anwendbarkeit von Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG abgelehnt.543 Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit sei nur dann anzunehmen, wenn „die Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt“ ist.544 Bei einem aufgrund erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung bedingten Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit liege eine solche Beeinträchtigung jedenfalls dann nicht vor, wenn das Kind sich in einem Alter befinde, in dem es üblicherweise noch kein Bewusstsein seiner Staatsangehörigkeit und damit auch kein eigenes Vertrauen auf den Bestand dieser entwickelt haben kann. Ob der Betroffene selbst den Verlust der Staatsangehörigkeit beeinflusst hat, sei unerheblich.545 Übertragen auf die erfolgreiche Anfechtung durch die Behörde (§§ 1599, 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.) bedeutet dies, dass der daraus resultierende rückwirkende Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit für das Kind Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG dann nicht tangiert, wenn das Kind sich in einem frühen Kindesalter befindet. Fraglich ist, wann das Kind sich in einem frühen Kindesalter befindet. Bei dem vom BVerfG zu entscheidenden Fall war das Kind eineinhalb Jahre alt. Die behördliche Vaterschaftsanfechtung ist gemäß § 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F. dann ausgeschlossen, wenn die Anfechtung nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung bzw. fünf Jahre nach Einreise des Kindes 541

Darauf weist auch Genenger, FPR 2007, 155 (160) hin. Siegfried, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 6; ders., Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 25, S. 64 f., ist der Ansicht, dass ein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 GG vorliegt, weil das Kind an der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nicht beteiligt war. 543 BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = StAZ 2007, 138 ff. = NJW 2007, 425 ff. 544 BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = StAZ 2007, 138 (140). 545 BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = StAZ 2007, 138 (140). 542

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erfolgte. Die Fünfjahresgrenze könnte somit eine adäquate Altersgrenze darstellen, unter der von keinem Bewusstsein des Kindes bezüglich seiner Staatsangehörigkeit auszugehen ist. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass nur dann, wenn die Vaterschaftsanerkennung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geburt des Kindes erfolgte, diese Altersgrenze besteht. Erfolgt die Anerkennung später, so kann auch das Kind älter als fünf Jahre sein. Damit stellt die absolute Anfechtungsausschlussfrist von fünf Jahren gemäß § 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F. keine klare Altergrenze für die Rücknahme der Staatsangehörigkeit dar. Dem Hinweis des BVerfG, dass Altergrenzen im Zusammenhang mit der Rücknahme der Staatsangehörigkeit geschaffen werden müssen, wurde mit § 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F. somit nicht Folge geleistet.546 Das BVerfG wies aber darauf hin, dass es sich hierbei um eine Randunbestimmtheit handele, die bei Bedarf durch verfassungskonforme Auslegung korrigiert werden könne.547 Die Frage, ob das Kind sich bei erfolgreicher behördlicher Vaterschaftsanfechtung in einem Alter befindet, in dem es auf den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit vertrauen kann, wird im Einzelfall zu entscheiden sein müssen. Es ist letztlich auch von den einzelnen Umständen, zum Beispiel davon, wie sich das Kind in seine Umgebung integriert hat, abhängig.548 In der Mehrzahl der Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen wird Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG nicht zur Anwendung gelangen, da die Beteiligten eine schnellstmögliche Aufenthaltssicherung anstreben, so dass die Vaterschaftsanerkennung in der Regel zeitnahe um die Geburt des Kindes vollzogen wird.549 Bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung wird sich das Kind somit in der Regel in einem frühen Kindesalter befinden und daher noch kein Bewusstsein und Vertrauen auf den Bestand seiner Staatsangehörigkeit entwickelt haben. Auf den ersten Blick erscheint verwunderlich, dass das BVerfG bei seiner Entscheidung am 24. Oktober 2006 nur auf die Anwendbarkeit von Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG und nicht auf die Anwendbarkeit von Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG eingegangen ist.550 Man kann sich somit die Frage stellen, ob das Kind in seinem Grundrecht aus Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG verletzt sein könnte. Anders als beim Entzug der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG) kann beim Verlust (Art. 16 Abs. 1 546 A.A. Genenger, FPR 2007, 155 (160), die die Ansicht vertritt, mit der in § 1600b Abs. 1a BGB festgelegten absoluten Anfechtungsfrist von fünf Jahren trage der Gesetzgeber der Wertung Rechnung, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter noch kein eigenes Vertrauen auf den Bestand ihrer Staatsangehörigkeit entwickelt haben können. 547 BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 – 2 BvR 696/04 = StAZ 2007, 138 (141). 548 Die Befürchtung Fingers, JR 2007, 50 (56), die Interessen des Kindes würden dann nicht berücksichtigt, wenn es sich seit Jahren in Deutschland aufhalte und sich gut in die Lebensverhältnisse eingelebt habe, und ihm dann die Rückführung ins Heimatland drohe, ist somit unberechtigt. 549 So auch Gaaz, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 6; Gaaz, Anhörung im Rechtsausschuss zur BT-Drucks. 16/3291 am 23.5.2007 (Protokoll Nr. 65), S. 3. 550 So auch Silagi, StAZ 2007, 133 (133, 138).

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S. 2 GG) der Betroffene den Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit beeinflussen551. Es ist bereits fraglich, ob das Kind, das an der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nicht beteiligt war und dessen Staatsangehörigkeit automatisch mit der erfolgreichen behördlichen Vaterschaftsanfechtung entfällt, den Wegfall seiner Staatsangehörigkeit beeinflussen konnte. Aber selbst wenn ein solches Willenselement angenommen würde, so ist die Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG in der Regel aus einem anderen Grund ausgeschlossen. Das BVerfG stellte fest, dass Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG nur denjenigen schützen sollte, der ein Bewusstsein von seiner Staatsangehörigkeit entwickelt hat und somit auf den Bestand dieser vertrauen kann. Würde man nun die Fälle, in denen das Kind noch kein Bewusstsein hinsichtlich seiner Staatsangehörigkeit entwickelt hat, aus dem Schutzzweck des Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG herausnehmen, allerdings nicht aus dem Schutzzweck des Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG, so würde regelmäßig Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG zur Anwendung gelangen. Der rückwirkende Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit als Folge der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung würde das Kind in Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG verletzten. Dies entspräche nicht dem Willen des BVerfG, das seine Argumentation gerade daran ausrichtete, dem Kind keinen Schutz nach Art. 16 Abs. 1 GG zu gewähren. Daher muss auch für Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG gelten, dass vom Schutzzweck der Norm nur der Fall erfasst ist, in dem die betroffene Person sich ihrer deutschen Staatsangehörigkeit bereits bewusst ist und auf ihren Bestand vertraut. Im Ergebnis wird das in die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung unbewusst involvierte Kind durch die Rücknahme seiner deutschen Staatsangehörigkeit in der Regel weder in seinem Grundrecht aus Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG noch in seinem Grundrecht Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG verletzt sein. cc) Kosten des Verfahrens Hat die Anfechtung der Vaterschaft seitens der Behörde Erfolg, tragen alle Beteiligten, mit Ausnahme des minderjährigen Kindes, die Gerichtskosten gemäß § 183 FamFG zu gleichen Teilen. Dieser Kostenregelung ging § 93c ZPO a. F. voraus. Hiernach waren die Gerichtskosten bei erfolgreicher Anfechtungsklage gegeneinander aufzuheben, was bedeutete, dass jeder Partei die Kosten zur Hälfte zur Last fielen (§ 92 Abs. 1 S. 2 ZPO a. F.). Der ursprünglich hinter dieser Norm stehende Gedanke war der, dass in der Regel die Beteiligten des Verfahrens nicht absichtlich eine Nichtübereinstimmung zwischen rechtlicher und biologischer Vaterschaft herbeiführen wollten.552 Anders steht der Fall bei der miss-

551 Münch/Kunig/Schnapp, Art. 16 GG, Rn. 12, 17; Sachs/Kokett, Art. 16 GG, Rn. 16 ff. 552 MüKo-ZPO/Giebel, § 93c, Rn. 1; OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.8.2000 – 9 WF 159/00 = FamRZ 2001, 503.

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bräuchlichen Vaterschaftsanerkennung. Hier wirkten die Beteiligten gerade bewusst zusammen, um eine rechtliche Vaterschaft zu schaffen, die nicht mit der biologischen Abstammung in Einklang steht. Fraglich ist daher, ob in einem solchen Fall eine andere als die in § 183 FamFG vorgesehene Kostenverteilung sinnvoll wäre. Der Bundesrat schlug im Gesetzgebungsverfahren vor, § 93c ZPO a. F. einen Abs. 2 anzufügen, der dem ursprünglich rechtlichen Vater im Sinne des § 1592 Nr. 2 BGB die Kosten des Verfahrens auferlegen sollte.553 Es bestehe „kein Grund, denjenigen, der die Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich erklärt, um sich, dem Kind oder der Mutter ausländerrechtliche Vorteile zu verschaffen, kostenrechtlich zu privilegieren.“. Auch provoziere der die Vaterschaft anerkennende Mann durch sein missbräuchliches Verhalten regelrecht die Anfechtung durch die Behörde.554 Dem Vorschlag des Bundesrates wurde nicht Folge geleistet.555 Er leidet auch an einem Mangel: In der Mehrzahl missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen profitieren das Kind und/oder die Mutter aufenthaltsrechtlich von der Anerkennung.556 Überwiegend wird sich nur ein mittelloser Mann in einem solchen Fall bereit erklären, die Vaterschaft anzuerkennen, denn nur er hat keine Unterhaltsverpflichtungen zu fürchten. Dann wird er aber auch nicht in der Lage sein, die Kosten des Verfahrens zu übernehmen.557 Nur in dem seltenen Fall, dass die Vaterschaftsanerkennung missbräuchlich vollzogen wurde, um dem ausländischen, die Vaterschaft anerkennenden Mann ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu sichern, könnte der Mann gegebenenfalls aufgrund seiner Liquidität die Kosten des Verfahrens übernehmen. Es stellt sich daher die Frage, weswegen der Bundesrat vorschlug, nur dem Mann und nicht der Mutter bzw. dem Kind die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Es soll nicht bestritten werden, dass sicherlich oft, vielleicht sogar überwiegend, keiner der Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung liquide sein wird und daher eine Übernahme der Kosten letztlich ohnehin der öffentlichen Hand zur Last fiele. Trotz allem ist nicht ersichtlich, weswegen zumindest in einigen Fällen die Staatskasse von einer Kostenübernahme nicht verschont bleiben sollte. Dies kann de lege ferenda dadurch erreicht werden, dass die erfolgreiche behördliche Vaterschaftsanfechtung von dem Anwendungsbereich des § 183 FamFG ausgenommen wird. Dann würden automatisch die allgemeinen Kostenvorschriften der §§ 80–85 FamFG zur Anwendung gelangen, wonach es im Ermessen des Gerichts liegt, ob Gerichtskosten erhoben werden und wie diese zu 553

BR-Drucks. 624/1/06, S. 2. BR-Drucks. 624/1/06, S. 3. 555 Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 146. 556 Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 97–100. 557 Darauf wird in BT-Drucks. 16/3291, Anlage 2, S. 20 hingewiesen; so auch Löhnig, FamRZ 2008, 1130 (1133). 554

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verteilen sind (§ 81 Abs. 1 S. 1 FamFG).558 Bei erfolgreicher behördlicher Anfechtung könnte das Gericht dementsprechend die Kosten unter den Beteiligten aufteilen. Das minderjährige Kind wäre hiervon allerdings gemäß § 81 Abs. 3 FamFG ausgeschlossen. Hat die behördliche Vaterschaftsanfechtung keinen Erfolg, gelten die allgemeinen Kostenvorschriften.559 3. Zusammenfassung Das behördliche Vaterschaftsanfechtungsrecht gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. ist die Kernvorschrift des VaAnfRErgG. Hierbei handelt es sich um eine international zwingende Norm. Es ist Sache der Länder, die anfechtungsberechtigte Behörde zu bestimmen (§ 1600 Abs. 6 BGB n. F.). Die meisten Bundesländer haben eine Landesober- oder Landesmittelbehörde als anfechtungsberechtigte Behörde festgelegt. Die Einführung des Anfechtungsrechts einer öffentlichen Stelle läuft der Entwicklung des Abstammungsrechts, wonach die staatliche Mitwirkung bei der Statuszuordnung seit Ende des Nationalsozialismus stetig reduziert wurde, zuwider. Im europäischen Vergleich ist die staatliche Einflussnahme durch ein staatliches Vaterschaftsanfechtungsrecht allerdings eher die Regel als die Ausnahme. Ferner führt der Ausschluss der Anfechtung der Vaterschaft kraft Ehelichkeit zur Beseitigung der Vereinheitlichung der Vaterschaftsanfechtungsvorschriften. De lege ferenda muss eine solche Vereinheitlichung durch Etablierung eines behördlichen Ehelichkeitsanfechtungsrechts wieder hergestellt werden. Die behördliche Anfechtung erfordert das Vorliegen von drei materiellen Voraussetzungen. Die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen sind in § 1600 Abs. 3 BGB n. F. geregelt. Hiernach darf zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung im Anerkennungszeitpunkt, bei Tod des rechtlichen Vaters oder des Kindes oder im Anfechtungszeitpunkt bestehen (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Bestand eine sozial-familiäre Beziehung zu einem anderen Zeitpunkt, muss de lege ferenda das behördliche Anfechtungsrecht ebenso ausgeschlossen sein. Eine sozial-familiäre Beziehung ist gegeben, wenn der rechtliche Vater tatsächlich Verantwortung trägt (§ 1600 Abs. 4 S. 1 BGB). Hiervon ist, die Grundsätze zur familiären Lebensgemeinschaft übertragend (§ 27 Abs. 1 AufenthG), auszugehen, wenn zwischen Mann und Kind ein regelmäßiger Kontakt besteht. Wann von einem regelmäßigen Kontakt auszugehen ist, ist einzelfallabhängig. Eine Aufstellung schematischer Voraussetzungen muss unterbleiben. Erfolgte die Vaterschaftsanerkennung pränatal, muss der rechtliche Vater 558 Siehe zu der neuen Kostenregelung nach dem FamFG explizit BT-Drucks. 16/ 6308, S. 251 f. 559 Vor Inkrafttreten des FGG-RG galt § 91 ZPO a. F. bei erfolgloser Vaterschaftsanfechtung. Hiernach hatte die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

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während der Schwangerschaft diesen regelmäßigen Kontakt in seine Lebensplanung aufgenommen haben. Von dem Bestehen einer der Regelannahmen des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F., die lediglich die Übernahme der elterlichen Verantwortung vermuten lassen, darf nicht auf das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung geschlossen werden. Umgekehrt verbietet sich ein Schluss von dem Nichtbestehen einer Regelannahme auf das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung. Besteht eine Regelannahme, so kann dies allenfalls kumulativ mit anderen Umständen zu der Annahme führen, elterliche Verantwortung werde getragen. Neben dem Nichtvorliegen der sozial-familiären Beziehung ist besondere Anfechtungsvoraussetzung, dass für das Kind oder einen Elternteil durch die Vaterschaftsanerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen wurden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Auf eine etwaige Missbrauchsabsicht kommt es nicht an. Es wird kritisiert, dass im Zusammenhang mit der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzung nicht der Fall ausgeschlossen wurde, in dem der betreffende Ausländer durch die Vaterschaftsanerkennung seinen aufenthaltsrechtlichen Status lediglich verbessert. Warum ein solcher Fall ausgeschlossen sein sollte, ist nicht verständlich. Auch wird angemerkt, dass der Fall, in dem der Mann durch die Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtliche Vorteile erlangt, von der behördlichen Anfechtbarkeit ausgeschlossen werden kann. Das würde allerdings dazu führen, dass bei offenkundigem Missbrauch zugunsten des Mannes die beurkundende Stelle die Beurkundung nicht verweigern dürfte und daher eine wirksame Vaterschaftsanerkennung im Rechtsverkehr wäre. Als allgemeine Anfechtungsvoraussetzung ist das Auseinanderfallen der rechtlichen und biologischen Vaterschaft erforderlich (§ 1599 Abs. 1 BGB). Sind die drei Vaterschaftsanfechtungsvoraussetzungen gegeben, liegt es im Ermessen der anfechtungsberechtigten Behörde, ihr Anfechtungsrecht auszuüben. Die anfechtungsberechtigte Behörde hat zur Ausübung ihres Anfechtungsrechts ein Jahr ab Erlangung der Kenntnis von Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, Zeit (§ 1600b Abs. 1a S. 1, 2 BGB n. F.). Tatsachenkenntnis wird sie in der Regel durch Mitteilung seitens der Ausländerbehörde gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. erhalten. Die Anfechtungsfrist stellt eine Bearbeitungsfrist dar. Sie beginnt erst dann zu laufen, wenn die Abteilung, die die Vaterschaftsanfechtungen bearbeitet, Kenntnis von dem Missbrauchsverdacht erlangt. Ferner gilt für die anfechtungsberechtigte Behörde eine absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.). Beide Fristen beginnen nicht vor Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung zu laufen (§ 1600b Abs. 2 S. 1 BGB n. F.). Für die Schlüssigkeit des Anfechtungsantrags muss die anfechtungsberechtigte Behörde, anders als die anderen Anfechtungsberechtigten, keinen begründeten

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Anfangsverdacht geltend machen (§ 171 Abs. 2 S. 2 FamFG). Sie muss allerdings Umstände, die für das Vorliegen der besonderen Anfechtungsvoraussetzungen (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.) sprechen, darlegen (§ 171 Abs. 2 S. 3 FamFG). Bei der Darlegung der Voraussetzung des Nichtbestehens der sozial-familiären Beziehung trifft die anfechtungsberechtigte Behörde lediglich eine sekundäre Darlegungslast. Besteht eine der Regelannahmen des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F., muss die Behörde Umstände darlegen, die trotzdem auf das Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung hindeuten. Das Vorhandensein eines häuslichen Zusammenlebens für längere Zeit (§ 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 BGB n. F.) ist bei der Anfechtung durch eine Behörde erst bei einem Zusammenleben ab einem Jahr anzunehmen. Die anfechtungsberechtigte Behörde könnte in diesem Zusammenhang vortragen, dass Anzeichen dafür bestehen, dass die häuslichen Lebensgemeinschaft über diesen Zeitraum nur zum Schein gegründet wurde. Aufgrund des für Abstammungssachen geltenden Amtermittlungsgrundsatzes erhebt das Gericht die Beweise zu den entscheidungserheblichen Tatsachen (§§ 169 Nr. 4, 26 FamFG). Hierbei gilt der Strengbeweis (§§ 177 Abs. 2 S. 1, 30 Abs. 2 FamFG), weswegen das Gericht sich an die Beweismittel der §§ 355 ff. ZPO halten muss. Obwohl die Beweislast zu den einzelnen Anfechtungsvoraussetzungen dem Gericht obliegt, liegt die Feststellungslast bei der anfechtungsberechtigten Behörde. Es wirkt sich somit zu ihren Ungunsten aus, wenn sich das Gericht von einer entscheidungserheblichen Tatsache nicht hinreichend überzeugen kann. Etwas anderes gilt lediglich in dem gesetzlich noch zu normierenden Fall, in dem die sozial-familiäre Beziehung zu einem anderen als in § 1600 Abs. 3 BGB n. F. benannten Zeitpunkt bestand. Eine sozial-familiäre Beziehung, die in der Vergangenheit Bestand hatte, muss de lege ferenda zum Ausschluss der behördlichen Vaterschaftsanfechtung führen, so dass die Feststellungslast für das Bestehen einer solchen den rechtlichen Vater und das Kind trifft. Um den Eingriff in die internen Familienverhältnisse gering zu halten, muss der Richter erst die Beweise für die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen erheben (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Sind diese gegeben, kann er der Frage nachgehen, ob eine sozial-familiäre Beziehung nicht besteht/bestand (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Ist auch diese Voraussetzung zu seiner Überzeugung erfüllt, darf er die biologische Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters prüfen (§ 1599 Abs. 1 BGB n. F.). Zu Beweiserhebungsproblemen wird es im Zusammenhang mit dem Nichtbestehen der sozial-familiären Beziehung kommen, wenn die Beteiligten vortragen, eine sozial-familiäre Beziehung habe im Anerkennungs- oder Todeszeitpunkt oder im oder vom Ausland aus bestanden. Bei Prüfung der Voraussetzung der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters wird das Gericht in der Regel auf Abstammungsgutachten zurückgreifen. Die Betroffenen müssen diese gemäß § 178 Abs. 1 FamFG dulden. Wird die Mitwirkung unberechtigt verweigert, kann Zwang ausgeübt werden (§ 178 Abs. 2 FamFG). Zu Beweiserhebungsproblemen kommt es dann, wenn die Testperson nicht auffindbar ist oder sich im

§ 4 Mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten?

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Ausland aufhält. Führt auch der Rückgriff auf internationale Rechtshilfe nicht zur Einholung der Mitwirkung an der Abstammungsuntersuchung, darf trotz allem für die sich im Ausland aufhaltende Person keine nachteilige Beweiswürdigung erfolgen. Vielmehr muss es bei der Vaterschaftsvermutung des § 1600c Abs. 1 BGB bleiben. Bevor der Richter eine Entscheidung trifft, soll er gemäß § 176 Abs. 1 FamFG das Jugendamt anhören, das insbesondere seine Kenntnisse zum Bestehen einer sozial-familiären Beziehung vortragen soll. Hat die Anfechtung der Vaterschaft seitens der Behörde Erfolg (§§ 1599, 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.), entfällt die rechtliche Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB rückwirkend ab Geburt des Kindes. Damit verbunden entfällt auch die durch die Vaterschaftsanerkennung gegebenenfalls entstandene deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend. Ein auf der Staatsangehörigkeit des Kindes basierender, der ausländischen Mutter oder dem ausländischen Vater erteilter Aufenthaltstitel kann gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, § 48 VwVfG zurückgenommen werden. Vielfach wird vertreten, dass das Kind durch den rückwirkenden Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit in Art. 16 Abs. 1 GG verletzt wird. Eine Grundrechtsverletzung ist dann nicht anzunehmen, wenn das Kind sich in einem frühen Kindesalter befindet, in dem es ein eigenes Bewusstsein bezüglich seiner Staatsangehörigkeit noch nicht entwickelt hat und daher auf den Bestand der Staatsangehörigkeit auch nicht vertrauen kann. Dies wird bei missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen in der Regel der Fall sein. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten bei erfolgreicher Anfechtung zu gleichen Teilen (§ 183 FamFG). De lege ferenda sollte bei erfolgreicher behördlicher Vaterschaftsanfechtung § 183 FamFG nicht anzuwenden sein. Vielmehr muss es im Ermessen des Gerichts liegen, die Kosten den Beteiligen – mit Ausnahme der anfechtungsberechtigten Behörde – nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG aufzuerlegen

§ 4 Mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten? Das VaAnfRErgG ist so zu verstehen, dass Eingriffe in die internen Familienverhältnisse möglichst zu vermeiden sind.560 Dennoch wird es sich in der Praxis bei der Feststellung, ob eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem die Vaterschaft anerkennenden Mann und dem Kind besteht bzw. ob der rechtliche Vater der biologische Kindesvater ist, zwangsläufig zu Grundrechtseingriffen kommen.561 Auch kollidiert die Anfechtungsberechtigung einer öffentlichen Stelle mit der Entwicklung des bisherigen Abstammungsrechts.562 Beides ist nur dann zu akzeptieren, wenn es kein milderes Mittel gibt, das den Zweck, Vaterschafts560 561 562

Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 274 f. Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 274 f. Siehe hierzu oben drittes Kapitel, S. 77–79.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

anerkennungen allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen zu verhindern bzw. zu beseitigen, genauso effektiv erfüllen könnte. Im Folgenden werden denkbare Gesetzesänderungen im Familienrecht, Öffentlichen Recht und im Strafrecht diskutiert, durch die ein Einschreiten gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen möglich wäre.563

A. Gesetzesänderungen im Familienrecht Der Ursprung des Problems, dass Vaterschaftsanerkennungen zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken missbraucht werden können, ist im Abstammungsrecht zu finden.564 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll ein die Vaterschaft anerkennender Mann der rechtliche Vater des Kindes mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten werden, ohne dass ein Nachweis über seine leibliche Vaterschaft gefordert wird.565 Dieser Umstand verbunden mit den stetig reduzierten Voraussetzungen für eine wirksame Vaterschaftsanerkennung haben dazu beigetragen, dass das Institut der Vaterschaftsanerkennung zur Aufenthaltssicherung genutzt wird. Da der Ursprung des Problems missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen im Familienrecht zu finden ist, könnte es sinnvoll sein, das Problem wiederum über Änderungen im Familienrecht zu beseitigen. I. Keine rechtliche Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung Effektiver als über das VaAnfRErgG könnte gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorgegangen werden, wenn eine wirksame Vaterschaftsanerkennung nicht zu einer Vaterschaft im Rechtssinne gemäß § 1592 Nr. 2 BGB führen würde. Die Änderung des Abstammungsrechts in dieser Hinsicht würde allerdings hinter die Rechtslage seit dem Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder von 1969 zurückfallen. Nichteheliche Kinder würden ehelichen Kindern gegenüber benachteiligt, so dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG evident wäre. Ferner würden alle Familien mit nichtehelichen Kindern auf ein kostspieliges Feststellungsverfahren angewiesen, um dem Kind einen Vater zuzuordnen. Dies hätte zur Folge, dass manche Kinder ihren Vätern nie rechtlich zugeordnet werden könnten bzw. nicht im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Geburt, was wie563 Der Begründung des Gesetzentwurfs zum VaAnfRErgG stellt unter dem Gliederungspunkt „Alternativen“ lediglich fest, dass es keine gibt: BT-Drucks. 16/3291, S. 2. 564 Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 100–103. 565 Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 100.

§ 4 Mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten?

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derum dem Gedanken der Statusklarheit nicht ausreichend Rechnung tragen würde.566 Unabhängig von dem zeitlichen Aufwand, würde stets nur der biologische Vater rechtlicher Vater eines nichtehelichen Kindes werden können. Dies würde mit dem Willen des Gesetzgebers nicht in Einklang stehen, der gerade bewusst das Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft auch bei Nichtehelichkeit des Kindes akzeptiert.567 Ferner ist von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG sowohl die leibliche als auch die soziale Elternschaft geschützt.568 II. Genetischer Nachweis Gleiches spricht auch gegen die Einführung eines genetischen Nachweises für jede Vaterschaftsanerkennung. Außerdem wären die Beteiligten auf kostenintensive Abstammungsgutachten angewiesen, um die Wirkung der rechtlichen Vaterschaft über die Vaterschaftsanerkennung zu erzielen.569 Die Kosten einer Abstammungsbegutachtung könnten negative Auswirkungen auf die Bereitschaft der Mehrzahl rechtstreuer, aber in Einzelfällen nur widerstrebend die Vaterschaft anerkennender Männer haben. Viel wesentlicher ist allerdings der Umstand, dass Gesetzesänderungen in dieser Hinsicht zu einer Ungleichbehandlung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern nach Art. 6 Abs. 5 GG führen würden.570 Um eine Gleichstellung zu erzielen, müsste auch ein biologischer Nachweis bei Vaterschaftszuordnung kraft Ehe mit der Mutter (§ 1592 Nr. 1 BGB) eingeführt werden.571 Dies würde mit dem Abstammungsrecht seit Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht in Einklang stehen.572 Ferner würde in die Grundrechte einer großen redlich handelnden Personengruppe eingegriffen, um einer im Verhältnis relativ kleinen Personengruppe ihr unredliches Handeln zu unterbinden. Damit würde über das Ziel, missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern/zu beseitigen, hinausgeschossen. Die Einführung eines biologischen Nachweises für die rechtliche Vaterschaftszuordnung kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) wäre ein weitaus effektiveres Mittel als das behördliche Anfechtungsrecht, denn missbräuchliche Vaterschafts566

Siehe zur Statusklarheit und -wahrheit oben drittes Kapitel, S. 88 f. Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 100. 568 BVerfG, Beschl. v. 26.2.2008 – 1 BvR 1624/06 = NJW 2008, 2835 (2835); Münch/Kunig/Coester-Waltjen, Art. 6 GG, Rn. 69 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, S. 504 f. m.w. N.; Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 15. 569 Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 15. 570 Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 15. 571 So auch Frank, StAZ 2006, 281 (283). 572 Siehe hierzu oben drittes Kapitel, S. 77–79; Luh, S. 70 spricht von „Unzumutbarkeit“ im Zusammenhang mit der potentiellen Einführung einer genetischen Untersuchung bei jeder Geburt. 567

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

anerkennungen könnten nicht mehr erfolgen.573 Gleichzeitig würde aber ein viel intensiverer Eingriff in die Intim- und Privatsphäre einer größeren Personengruppe stattfinden. Die Einführung eines genetischen Nachweises stellt daher keine mildere, aber ebenso effektive Handlungsalternative dar.574 III. Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung Anstelle eines genetischen Nachweises hätte eine eidesstattliche Versicherung eingeführt werden können. Dann müssten die Beteiligten als Voraussetzung für eine wirksame Vaterschaftsanerkennung versichern, dass der die Vaterschaft anerkennende Mann entweder der leibliche Vater bzw. der soziale Vater ist oder werden soll. Würde eine solche Aussage mit Kenntnis der Beteiligten fälschlich getroffen, so könnte eine Strafbarkeit wegen falscher Versicherung an Eides Statt aus § 156 StGB resultieren. Eine Strafbarkeit könnte allerdings nur erfolgen, wenn den Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung ihr vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden könnte. Die Betroffenen würden sich aber immer darauf berufen, dass sie bei Abgabe der Erklärung davon ausgingen, der rechtliche Vater sei auch der leibliche Kindesvater bzw. es würde eine sozial-familiäre Beziehung entstehen. Ihnen das Gegenteil nachzuweisen, wird schwer möglich sein. Daher würden diejenigen, die eine Vaterschaftsanerkennung allein zu staatsangehörigkeitsund/oder aufenthaltsrechtlichen Zwecken abgeben, auch nicht vor einer eidesstattlichen Versicherung zurückschrecken. Darüber hinaus würde allein die Einführung einer eidesstattlichen Versicherung nichts daran ändern, dass der die Vaterschaft anerkennende Mann auch der rechtliche Kindesvater wird und bleibt. Das würde bedeuten, dass selbst bei Missbräuchlichkeit eine wirksame Vaterschaftsanerkennung im Rechtsverkehr wäre, an die Rechte und Pflichten geknüpft werden. Der Eintritt der staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlichen Folgen könnte somit nicht verhindert werden. Die Einführung einer eidesstattlichen Versicherung als Voraussetzung für eine wirksame Vaterschaftsanerkennung wäre damit kein effektives Mittel, um gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorzugehen. IV. Stets obligatorische Kindeszustimmung Ein weiterer denkbarer Ansatz, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen zu begegnen, stellt die Einführung einer obligatorischen Kindeszustimmung zur 573

Ähnlich auch Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 283. So im Ergebnis auch Benneter, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14025 (D); Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 5; Gaaz, StAZ 2007, 75 (79) Göbel-Zimmermann, ZAR 2006, 81 (87); Frank, StAZ 2006, 281 (283). 574

§ 4 Mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten?

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Vaterschaftsanerkennung dar. Zielführend wäre die erforderliche Zustimmung des Kindes allerdings nur dann, wenn eine behördliche Stelle und gerade nicht die Mutter als gesetzliche Vertreterin fungieren würde. Eine solche Konstruktion bestand im Abstammungsrecht bereits bis zur Kindschaftsrechtsreform von 1998. Die stets erforderliche Kindeszustimmung zur Vaterschaftsanerkennung wurde aufgrund der damals geltenden gesetzlichen Amtspflegschaft für nichteheliche Kinder von einem Amtspfleger, in der Regel einem Beamten des Jugendamts, wahrgenommen.575 1998 trat an die Stelle der Zustimmung des Kindes die Zustimmung der Mutter gemäß § 1595 Abs. 1 BGB. Hiermit sollten unter anderem die Rechte der Mutter und die Elternautonomie gestärkt werden.576 Die erneute Einführung der Zustimmung des Kindes würde somit hinter die Entwicklung im Abstammungsrecht zurückfallen.577 Das mit der Kindschaftsrechtsreform verfolgte Ziel der Stärkung der Rechte der Mutter würde eingeschränkt. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass auch das behördliche Anfechtungsrecht dem Einwand ausgesetzt ist, mit der bisherigen Entwicklung im Abstammungsrecht zu kollidieren.578 Unter diesem Gesichtspunkt sind die gesetzlichen Änderungen durch das VaAnfRErgG der Einführung einer obligatorischen Kindeszustimmung nicht vorzuziehen. Der Schaffung einer stets erforderlichen Zustimmung des Kindes zur Vaterschaftsanerkennung könnte allerdings entgegengesetzt werden, dass sie zu einer Benachteilung nichtehelicher Kinder aus Art. 6 Abs. 5 GG führen könnte. Diese würde dadurch entstehen, dass die behördliche Zustimmung mit einem zeitlichen Aufwand verbunden ist. Würde die pränatale Vaterschaftsanerkennung kurz vor der Geburt des Kindes von den Beteiligten eingeleitet, könnte es vorkommen, dass die behördliche Zustimmung nicht mehr vor Geburt des Kindes erteilt werden könnte. Dann würde das nichteheliche Kind, anders als das eheliche Kind, seinem rechtlichen Vater nicht unmittelbar mit der Geburt zugeordnet werden können. Die mit der rechtlichen Vaterschaft im Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten könnten erst im Zeitpunkt der wirksamen Vaterschaftsanerkennung (rückwirkend) entstehen. Einer solchen Benachteiligung aller nichtehelichen Kinder gegenüber ehelichen Kindern könnte nur dadurch begegnet werden, dass keine generelle Kindeszustimmung zu fordern ist, sondern lediglich ein qualifizierter Zustimmungsvorbehalt. Dieser könnte voraussetzen, dass die Zustimmung des Kindes nur dann erforderlich ist, wenn Anhaltspunkte vorhanden sind, die die Annahme rechtfertigen, dass die Vaterschaftsanerkennung allein zu staatsangehörigkeits- oder auf575

Siehe hierzu ausführlich oben drittes Kapitel, S. 69 f. BT-Drucks. 13/4899, S. 1, 29, 54. 577 So auch der Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 17. 578 Siehe hierzu oben fünftes Kapitel, S. 198–200; so auch der Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 18. 576

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

enthaltsrechtlichen Zwecken erfolgte.579 Hierbei stellt sich allerdings die Frage, ob ein qualifizierter Zustimmungsvorbehalt tatsächlich eine mildere, aber ebenso effektive Handlungsalternative darstellt, gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorzugehen. Bei einem qualifizierten Zustimmungsvorbehalt müsste der gesetzliche Vertreter des Kindes prüfen, ob eine zweckwidrige Vaterschaftsanerkennung gegeben ist, denn allein auf Verdachtsmomenten dürfte die Zustimmungsverweigerung nicht beruhen. Es ist nicht ersichtlich, dass der mit einer solchen Prüfung verbundene Eingriff in die internen Familienverhältnisse milder ausfallen würde als der Eingriff durch die Prüfung der behördlichen Vaterschaftsanfechtungsvoraussetzungen. Ferner würde die Einführung eines qualifizierten Zustimmungsvorbehalts missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen aus folgendem Grund nicht genauso effektiv begegnen können wie das behördliche Vaterschaftsanfechtungsrecht: Dadurch, dass das Verfahren im behördlichen Anfechtungsprozess mehrstufig ausgestaltet ist, ist zu erwarten, dass die anfechtungsberechtigte Behörde in vielen Fällen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen von einer solchen Kenntnis erlangt. Sollte zum Beispiel die beurkundende Stelle keinen Verdacht schöpfen und die Vaterschaftsanerkennung ohne weitere Mitteilung an die Ausländerbehörde beurkunden, so könnte eine andere behördliche Stelle einen Verdacht haben und diesen der Ausländerbehörde mitteilen (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.). Bei der Einführung eines qualifizierten Zustimmungsvorbehalts würde die Missbrauchsbekämpfung hingegen allein durch die zustimmungsberechtigte Stelle erfolgen. Hat diese keine Kenntnis von der Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung, so verbleibt es bei der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung mit den Folgen aus dem Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsrecht. Darüber hinaus könnte die Einführung einer Kindeszustimmung nicht die (wenn auch seltenen) Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung erfassen, in denen das Kind bereits volljährig und die Vaterschaftsanerkennung bis zu dessen 23. Lebensjahres vollzogen würde (§ 4 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StAG), denn dann kann es selbst seine Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung abgeben. Im Ergebnis wäre die Schaffung einer stets erforderlichen Zustimmung des Kindes zur Vaterschaftsanerkennung vertreten durch eine Behörde bzw. eines qualifizierten Zustimmungsvorbehalts im Vergleich zum behördlichen Vaterschaftsanfechtungsrecht kein milderes, aber ebenso effektives Mittel.580 V. Abgabe einer Unbedenklichkeitsbescheinigung Ferner wird vertreten, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen könne dadurch begegnet werden, dass das Jugendamt stets eine Unbedenklichkeitsbeschei579 580

Vgl. Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 16 f. Im Ergebnis so auch der Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 17.

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nigung als zusätzliche Voraussetzung zur Vaterschaftsanerkennung abgeben müsse581. Einem solchen Vorschlag ist entgegen zu halten, dass alle Familien mit nichtehelichen Kindern von der Regelung betroffen wären und nicht nur diejenigen einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung. Damit wäre eine solche Vorschrift schon nicht milder als die mit dem VaAnfRErgG eingeführten Änderungen. Auch würde eine Ungleichbehandlung zwischen nichtehelichen und ehelichen Kindern geschaffen. Aber bereits eine Umsetzung in der Praxis würde sich als schwierig ausgestalten: Die Anerkennungserklärung und die Zustimmung(en) müssen nicht an dem selben Ort erfolgen, so dass sich die Betroffenen zu dem Zeitpunkt, zu dem das Jugendamt eine Unbedenklichkeitsbescheinigung abgeben soll, an unterschiedlichen Orten aufhalten könnten. Dies würde zu zeitlichen Verzögerungen führen, so dass bei pränatalen Vaterschaftsanerkennungen keine rechtliche Vaterschaft im Zusammenhang mit der Geburt möglich wäre. Fraglich ist ferner, was Inhalt einer so genannten Unbedenklichkeitsbescheinigung sein soll. Wenn es darum geht, dass das Jugendamt feststellen soll, ob die Beteiligten der Vaterschaftsanerkennung eine sozial-familiäre Beziehung anstreben bzw. eine solche bereits existiert, dann kann eine Unbedenklichkeitsbescheinigung in dem Fall nicht ausgestellt werden, in dem der Mann zwar der biologische Vater ist, aber ein Interesse an dem Aufbau einer Vater-Kind-Beziehung nicht besteht. In einem solchen Fall wären die Beteiligten auf das aufwendigere gerichtliche Feststellungsverfahren angewiesen, um den biologischen Vater auch als rechtlichen zu legitimieren. Ferner kann mit dem mehrstufigen Verfahren des VaAnfRErgG missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen effektiver begegnet werden. Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung seitens des Jugendamtes als Voraussetzung der Vaterschaftsanerkennung stellt im Vergleich zum VaAnfRErgG aus oben genannten Gründen kein genauso effektives, aber milderes Mittel dar, um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen zu verhindern. VI. Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung Mit dem VaAnfRErgG wurde unter anderem eine Vorschrift geschaffen, wonach der Standesbeamte als Beurkundungsorgan die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung dann verweigern muss, wenn für ihn offenkundig die Voraussetzungen des behördlichen Anfechtungsrechts vorliegen (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F.).582 Alle anderen Beurkundungsorgane sollen in Zukunft von § 4 BeurkG Gebrauch machen und in Fällen evidenter missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung ihre Mitwirkung verweigern. 581

Lipp/Röthel/Windel, S. 22 f. Siehe explizit zu § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. und der Frage, welche Voraussetzungen für den Standesbeamten offenkundig sein müssen oben fünftes Kapitel, S. 152–155. 582

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Ein milderes Mittel wäre es gewesen, auf ein behördliches Anfechtungsrecht gänzlich zu verzichten und gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen allein über die Verweigerung der Vaterschaftsanerkennung durch die Beurkundungsorgane vorzugehen. Wie bereits oben erläutert wird den Verweigerungsvorschriften (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG) allerdings wenig praktische Bedeutung zukommen, denn anders als bei der Verweigerung der Mitwirkung der Eheschließung (§§ 1310 Abs. 1 S. 2, 1314 Abs. 2 BGB), kann die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung vor unterschiedlichen Stellen ohne gleichzeitige Anwesenheit aller Beteiligten erfolgen. Daher wird nur in äußerst seltenen Fällen die beurkundende Stelle beurteilen können, ob die Vaterschaftsanerkennung allein zu staatsangehörigkeitsrechtlichen und/oder aufenthaltsrechtlichen Zwecken vollzogen werden soll. Ferner wäre es kein effektives Mittel, da die Beteiligten einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nicht daran gehindert werden, bei Ablehnung der Beurkundung das nächste Beurkundungsorgan aufzusuchen. Allein den beurkundenden Stellen ein Mitwirkungsverbot aufzutragen, wäre kein ausreichendes Missbrauchsbekämpfungsmittel gegen zweckwidrige Vaterschaftsanerkennungen.583 VII. Unwirksamkeit missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen Vorgeschlagen wird ferner, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen ihre Wirksamkeit abzuerkennen.584 Hierbei wäre von Vorteil, dass die rechtliche Vaterschaft erst gar nicht entstehen würde, so dass sich grundsätzlich auch keine aufenthalts- und/oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen von ihr ableiten ließen, die später beseitigt werden müssten.585 Fraglich ist allerdings, ob ein solches Vorgehen in der Praxis umsetzbar und erfolgreich wäre. Diejenigen Stellen, die an Vaterschaftsanerkennungen Rechtsfolgen knüpfen, müssten prüfen, ob die Vaterschaftsanerkennung überhaupt Wirksamkeit erlangt hat. Dann würde es unter anderem der Passbehörde obliegen, zu prüfen, ob dem Kind kein deutscher Pass ausgestellt werden darf, weil unter Umständen die Vaterschaftsanerkennung keine Wirksamkeit erzielt und dadurch das Kind auch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG erlangt hat. Gleiches gilt für die Ausländerbehörden, die über einen von der Vaterschaftsanerkennung abgeleiteten aufenthaltsrechtlichen Status entscheiden müssen. Dies könnte dazu führen, dass in der Praxis eine öffentliche 583 584 585

Im Ergebnis so auch der Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 16. Richter, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3. Richter, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 3.

§ 4 Mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten?

295

Stelle von der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung ausgeht, eine andere hingegen der Vaterschaftsanerkennung ihre Wirksamkeit aberkennt. Dann würden sowohl für die öffentlichen Stellen als auch für die von der Vaterschaftsanerkennung Betroffenen Unsicherheiten entstehen, zumindest bis die Vaterschaftsanerkennung endgültige Wirksamkeit über § 1598 Abs. 2 BGB erlangt hat.586 Fraglich ist auch, ob der Eingriff in die internen Familienverhältnisse für die von der Vaterschaftsanerkennung Betroffenen geringer ausfallen würde als über das behördliche Anfechtungsrecht. Dadurch, dass unter Umständen mehrere Stellen die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung aufgrund von möglicher Missbräuchlichkeit prüfen müssten, könnte es zu vermehrten Eingriffen in die Privatsphäre der Betroffenen kommen. Dass diese geringer ausfallen als die Eingriffe im Rahmen des VaAnfRErgG, ist nicht ersichtlich. Eine Regelung, die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen für unwirksam erklären würde, ist in der Theorie ein guter Ansatz, denn Vaterschaftsanerkennungen allein zu Aufenthaltszwecken würden gar nicht erst bzw. erst nach Ablauf von fünf Jahren seit der Beischreibung (§ 1598 Abs. 2 BGB) entstehen können. In der Praxis wäre ein solcher Ansatz allerdings wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit nicht durchsetzbar. Ferner würde der Eingriff in die internen Familienverhältnisse nicht geringer ausfallen als bei der behördlichen Vaterschaftsanfechtung.587

B. Gesetzesänderungen im Öffentlichen Recht Missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen könnte ihre Wirkungsbasis entzogen werden, würde einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Mann nicht automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit für das ausländische Kind gemäß § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG folgen. § 4 StAG könnte in der Hinsicht geändert werden, dass lediglich über die eheliche Geburt oder die Feststellung der leiblichen Vaterschaft die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt werden könnte bzw. dass bei erfolgter Vaterschaftsanerkennung ein Abstammungsgutachten vorzulegen ist. Eine Vaterschaftsanerkennung ohne Vorlage eines Abstammungsgutachtens könnte zu einer vereinfachten Einbürgerung führen. Ein ausländisches, nichtehelich geborenes Kind könnte somit nur dann die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen, wenn tatsächlich festgestellt wird, dass es biologisch von dem deutschen Mann abstammt. Dies wäre bei einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung nie der Fall.

586 A.A. Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 17; unter dem Gesichtspunkt des § 1598 Abs. 2 BGB würde seiner Ansicht nach kein Problem der Rechtssicherheit bestehen. 587 So im Ergebnis auch der Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 17.

296

5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

Solch ein gesetzliches Vorgehen würde allerdings zu einer Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern führen, denn ein eheliches ausländisches Kind könnte abgeleitet vom Ehemann der Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit unabhängig davon erlangen, ob der Ehemann auch der leibliche Kindesvater ist. Ein solches Vorgehen wäre mit Art. 6 Abs. 5 GG nicht vereinbar.588 Eine Ungleichbehandlung würde nur dann nicht erfolgen, wenn auch die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit für ein eheliches Kind an die Feststellung der Vaterschaft des Ehemannes der Mutter gebunden wäre.589 Die biologische Abstammung des Kindes vom Vater als Voraussetzung für die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit für das Kind ist jedoch unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung nicht tragbar. Gemäß § 1592 Nr. 1, Nr. 2 BGB soll nämlich seit jeher auch der soziale und nicht leibliche Vater rechtlicher Vater des Kindes mit allen Rechten und Pflichten werden können. Es würde über das Ziel hinausgeschossen, würde auch redlich handelnden Familien, in denen der Mann für das Kind Elternverantwortung trägt, die staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen aberkannt. Auch würde dem Grundsatz der Rechtsklarheit und -sicherheit nicht Genüge getan, denn die rechtliche, aber biologische Nichtvaterschaft hätte in unterschiedlichen Rechtsgebieten unterschiedliche Wirkungen.590 Ferner ist zu beachten, dass eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts nicht die Missbrauchsfälle erfassen würde, in dem der Mann oder das Kind lediglich aufenthaltsrechtlich von der Vaterschaftsanerkennung profitiert.591 Soll der Mann über die Vaterschaftsanerkennung aufenthaltsrechtliche Vorteile erlangen, könnte allerdings auf den bestehenden § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG n. F. zurückgegriffen werden und eine Ablehnung der Erteilung des Aufenthaltstitels erfolgen. Soll das Kind hingegen aufenthaltsrechtlich begünstigt werden, so darf auf § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG in der Regel nicht zurückgegriffen werden592, so dass in dieser bestimmten – wenn auch selten auftretenden – Konstellation eine Lücke für missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen verbleiben würde. Aber selbst wenn dem am häufigsten auftretenden Missbrauchsfall durch Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht seine Wirkungsbasis entzogen würde, so handelt es sich hierbei im Vergleich zum VaAnfRErgG aus oben genannten Grün-

588 So auch Gaaz, StAZ 2007, 75 (78 f.); Bericht für die Sitzung der IMK am 5./ 6.12.2002, S. 13. 589 Vgl. Benneter, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14025 (D); Gaaz, StAZ 2007, 75 (78 f.). 590 Gaaz, StAZ 2007, 75 (78 f.); Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 13; bezogen auf die Aberkennung der aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtsfolgen ganz allgemein so Helms, Stellungnahme zu BT-Drucks. 16/3291, S. 6. 591 Dietz, InfAuslR 2004, 102 (104) ist der Ansicht, dass in einem solchen Fall immer ein Nachweis der biologischen Vaterschaft zu erbringen ist. 592 Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 121–123.

§ 4 Mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten?

297

den um kein milderes Mittel.593 Eine Änderung des § 4 StAG kommt daher nicht als Handlungsalternative in Betracht.

C. Gesetzesänderungen im Strafrecht Auch die Schaffung von strafrechtlichen Sanktionen ist ein denkbares Mittel, mit dem gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen hätte vorgegangen werden können. Hierbei hätten zum einen die an der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung unmittelbar Beteiligten (anerkennender Mann, Mutter und gegebenenfalls Kind) strafrechtlich belangt werden können und zum anderen die an der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung mittelbar Beteiligten, die missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vermitteln. I. Sanktionen für unmittelbar Beteiligte Es könnte eine besondere Strafvorschrift geschaffen werden, die die Begründung eines Verwandtschaftsverhältnisses durch Vaterschaftsanerkennung allein zur Erlangung staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlicher Vorteile unter Strafe stellt.594 Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) hat die Schaffung einer Strafvorschrift in § 40b StAG diskutiert, wonach eine Vaterschaftsanerkennung und die Zustimmung zur Erschleichung der deutschen Staatsangehörigkeit für ein Kind unter Strafe gestellt werden könnte.595 Zum einen würde eine solche Regelung nicht die Fälle erfassen, in denen es lediglich um den Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis geht. Zum anderen weist der Bericht zu Recht darauf hin, dass bei einem strafrechtlichen Vorgehen Sachaufklärungslücken zu erwarten sind, weil den Beteiligten ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO und ein Verweigerungsrecht zur Abstammungsuntersuchung gemäß § 81c Abs. 3 StPO zuständen. Aus diesem Grund wäre bereits an der Effektivität strafrechtlicher Sanktionen zu zweifeln. Darüber hinaus würde allein die Schaffung eines Straftatbestandes ohne Änderungen im Kindschaftsrecht wenig Erfolg versprechen. Es könnte nämlich Be593 So im Ergebnis auch Benneter, BT-Plenarprotokoll 16/133, 14025 (D); Gaaz, StAZ 2007, 75 (79); BT-Drucks. 16/3291, S. 13: „Es würde nicht genügen, allein an die missbräuchliche Anerkennung im Hinblick auf Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht anzuknüpfen.“; anders Zimmermann, Scheinvaterschaften, S. 352 der die Ansicht vertritt, dass „derjenige, der die Prämissen manipuliert, um in den Genuss der Rechtsfolge zu gelangen, diese weder tatsächlich noch rechtlich verdient hat und somit vom Regelungsgehalt der Norm überhaupt nicht erfasst“ sein sollte. 594 Genenger, FPR 2007, 155 (160) spricht sich für eine Ausweitung des § 95 AufenthG aus. 595 Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 18 f.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

troffene geben, die die strafrechtlichen Sanktionen in Kauf nehmen, um die von der wirksamen Vaterschaftsanerkennung abgeleiteten ausländerrechtlichen Vorteile letzen Endes zu erhalten. Die Einführung einer Strafvorschrift könnte daher allenfalls ergänzend zu dem behördlichen Anfechtungsrecht eingeführt werden. Unter Berücksichtigung, dass strafrechtliche Sanktionen stets die ultima ratio sein sollten596, sollte vor Einführung einer Strafvorschrift die Effektivität der Umsetzung des VaAnfRErgG in der Praxis abgewartet werden. II. Sanktionen für mittelbar Beteiligte Es könnte jedoch eine Strafvorschrift geschaffen werden, die das Vermitteln missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen unter Strafe stellt.597 Die in dieser Hinsicht bereits existierenden organisierten Strukturen598 könnten allerdings bereits durch die Umsetzung des VaAnfRErgG zerschlagen werden. Da das Vorgehen mit strafrechtlichen Sanktionen kein mildes Mittel darstellt, sollte vorab beobachtet werden, ob eine strafrechtliche Belangung der „Hintermänner“ missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen überhaupt noch erforderlich ist.

D. Zusammenfassung Alternativmöglichkeiten, mit denen anders als über das VaAnfRErgG gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen hätte vorgegangen werden können, sind sowohl im Zivilrecht als auch im Strafrecht und Öffentlichen Recht zu finden. Solche sind allerdings nicht milder und ebenso effektiv wie die Gesetzesänderungen durch das VaAnfRErgG. Die Einführung einer Strafvorschrift für das Erschleichen der deutschen Staatsangehörigkeit im Wege der Vaterschaftsanerkennung und für das Vermitteln von missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen könnten für sich genommen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen nicht verhindern. Sicherlich würde den Straftatbeständen eine abschreckende Wirkung zukommen. Sie könnten allerdings nicht vermeiden, dass die Vaterschaftsanerkennung im Rechtsverkehr Wirksamkeit entfalten würde, so dass auch weiterhin staatsangehörigkeitsund aufenthaltsrechtliche Rechtsfolgen von ihr abgeleitet werden könnten. Eine Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts in der Hinsicht, dass einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung durch einen deutschen Mann nicht unmittelbar die deutsche Staatsangehörigkeit für das Kind folgt, würde mangels Anwendbarkeit des

596 597 598

Bericht für die Sitzung der IMK am 5./6.12.2002, S. 19. So Frank, StAZ 2006, 281 (286). Siehe hierzu oben viertes Kapitel, S. 106.

§ 4 Mildere, ebenso effektive Alternativmöglichkeiten?

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§ 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG n. F. den Fall missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung nicht abdecken, in dem das Kind lediglich aufenthaltsrechtlich begünstigt wird. Viel wesentlicher ist allerdings, dass Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 5 GG nur dann zu akzeptieren wären, wenn auch das in die Ehe geborene Kind nicht zwangsläufig die deutsche Staatsangehörigkeit erhielte. Gesetzesänderungen in dieser Hinsicht wären somit keineswegs milder als die durch das VaAnfRErgG erfolgten. Ferner ist unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung eine Änderung des § 4 StAG nicht zu akzeptieren, denn im Zivilrecht verbliebe es bei § 1592 Nr. 2 BGB, wonach im Wege einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung der Mann der rechtliche Kindesvater mit allen Rechten und Pflichten wird. An dieser Vorschrift kann auch nicht gerüttelt werden. Ansonsten würden nichteheliche Kinder gegenüber ehelichen benachteiligt. Gleiches gilt auch für die Möglichkeit, die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung von dem Nachweis eines Abstammungsgutachtens abhängig zu machen. Hierbei ist ferner beachtlich, dass die soziale Vaterschaft ebenso schützenswert ist wie die biologische Vaterschaft und nach dem Willen des Gesetzgebers seit jeher auch der Mann rechtlicher Kindesvater werden können soll, der nicht der biologische Vater ist. Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen generell für unwirksam zu erklären, würde zum einen zu Unsicherheiten im Rechtsverkehr führen. Zum anderen wären missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen fünf Jahre nach Beischreibung dauerhaft wirksam (§ 1598 Abs. 2 BGB), so dass nach diesem Zeitpunkt alle aufenthalts- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanerkennung folgen könnten. Die Einführung einer obligatorischen Kindeszustimmung, einer eidesstattlichen Versicherung oder einer Unbedenklichkeitsbescheinigung seitens des Jugendamtes als Voraussetzung für eine wirksame Vaterschaftsanerkennung wären zumindest nicht so effektiv wie die Gesetzesänderungen durch das VaAnfRErgG. Gleiches gilt für die ausschließliche Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung. Im Ergebnis liegt im Vergleich zu den Regelungen durch das VaAnfRErgG kein milderes, ebenso effektives Mittel vor, das Vaterschaftsanerkennungen allein zu aufenthalts- oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken verhindern könnte.599 Dass es in der Praxis zu Grundrechtseingriffen kommen wird, ist somit mangels Alternativmöglichkeiten gerechtfertigt. Auch ist die Kollision mit dem Abstammungsrecht hinzunehmen.

599 So im Ergebnis auch Helms, StAZ 2007, 69 (75); ders., Stellungnahme zu BTDrucks. 16/3291, S. 5.

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5. Kap.: Reaktion des Gesetzgebers

§ 5 Abschließende Bewertung Auf der Suche nach einer Lösung, mit der gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorgegangen werden kann, bewegte der Gesetzgeber sich auf einem schmalen Grat: Auf der einen Seite musste er mit Bedacht vorgehen, um Vaterschaftsanerkennungen mit Auslandsbezug nicht unter Generalverdacht zu stellen. Auf der anderen Seite durfte er nicht allzu restriktiv verfahren, damit seinem gesetzgeberischen Vorgehen ein Wirkungsfeld verbleibt. Mit dem VaAnfRErgG hat der Gesetzgeber sich dafür entschieden, ein mehrstufiges System zu schaffen, auf dessen letzter Stufe sich die behördliche Vaterschaftsanfechtung befindet. Auf der präventiven ersten Ebene darf es zu einer Ablehnung der Beurkundung nur bei Offenkundigkeit/Erkennbarkeit der drei behördlichen Anfechtungsvoraussetzungen kommen (§ 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG). Damit wird ein strenger Maßstab an die Voraussetzungen für eine Ablehnung gelegt. Es wird verhindert, dass bereits Verdächtigungen zu einer Ablehnung der Beurkundung in Fällen führen, in denen sich die biologische oder soziale Vaterschaft des Anerkennungswilligen später herausstellt. Damit hat der Gesetzgeber sich zu Recht dafür entschieden, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen hauptsächlich repressiv zu begegnen. Die entsprechenden repressiven Vorschriften finden sich auf zweiter, dritter und vierter Stufe des Systems. Die zweite Stufe (Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen an die Ausländerbehörde) und die dritte Stufe (Mitteilungspflicht der Ausländerbehörde an die anfechtungsberechtigte Behörde) wirken darauf hin, dass auf vierter Ebene eine behördliche Vaterschaftsanfechtung in Missbrauchsfällen erfolgen kann. Eine Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen gegenüber der Ausländerbehörde besteht bei Kenntnis von Tatsachen, die auf das Bestehen der zwei besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. hindeuten (§ 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.). Hat die öffentliche Stelle zugleich Kenntnis von der biologischen Vaterschaft des rechtlichen Vaters, muss eine Mitteilung de lege lata hingegen unterbleiben. Der Ausländerbehörde kommt die Aufgabe zu, mitgeteilte Verdachtsfälle eingeschränkt zu prüfen, bevor sie die anfechtungsberechtigte Behörde erreichen. Nur wenn die Ausländerbehörde den mitgeteilten Missbrauchsverdachtsfall für begründet hält, leitet sie ihn an die anfechtungsberechtigte Behörde weiter (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). Unbegründete Verdachtsfälle filtert sie aus. Bei Mitteilung an die anfechtungsberechtigte Behörde muss sie gegebenenfalls eine Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels aussetzen (§ 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F.). Bis die anfechtungsberechtigte Behörde von dem Missbrauchsfall Kenntnis erlangt, müssen somit vorherige Hürden überwunden werden. Diese müssen allerdings keine zu hohen Anforderungen erfüllen, so dass sichergestellt ist, dass die anfechtungsberechtigte Behörde die Missbrauchsfälle auch errei-

§ 5 Abschließende Bewertung

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chen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die anfechtungsberechtigte Behörde von den Fällen Kenntnis erlangt, in denen sie – auf letzter Stufe des Systems – ihr Anfechtungsrecht gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. ausüben kann, ist somit hoch. Letztlich liegt es noch in ihrem Ermessen, von ihrem Anfechtungsrecht Gebrauch zu machen. Der Gesetzgeber hat mit dem dargestellten mehrstufigen System einen guten Grundstein dafür gelegt, dass es nur in den allein zu staatsangehörigkeits- und/ oder aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommenen Vaterschaftsanerkennungen zu einer Ablehnung der Beurkundung bzw. einer Anfechtung seitens der Behörde kommen kann. Auf diesen Grundstein muss durch einige Ergänzungen und Veränderungen der Vorschriften des VaAnfRErgG de lege ferenda und de lege lata aufgebaut werden, damit es tatsächlich nur in wirklichen Missbrauchsfällen zu einer behördlichen Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F.) kommt und unnötige Kollisionen mit dem Abstammungsrecht vermieden werden. Mildere, aber ebenso effektive Alternativlösungen gibt es nicht. Daher ist letztlich zu verschmerzen, dass der Gesetzgeber von gewachsenen Prinzipien des Abstammungsrechts abweicht.

6. Kapitel

Abschließende Thesen § 1 Thesen zum Dritten Kapitel – Die Verwendung des Begriffs der „Scheinvaterschaft“ als Beschreibung für eine Situation, in der rechtliche und biologische Vaterschaft auseinander fallen, ist verfehlt. – Die Vaterschaftsanfechtung ist selbst bei Kenntnis des Anfechtungsberechtigten von der biologischen Nichtvaterschaft im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung nicht ausgeschlossen. Ein widersprüchliches Verhalten liegt insofern nicht vor, als dass bei der Vaterschaftsanerkennung keine Aussage über den Willen des dauerhaften Bestandes der rechtlichen Vaterschaft getroffen wird. – Seit Ende des Nationalsozialismus wurde die staatliche Mitwirkung bei der Statuszuordnung schrittweise reduziert, die der unmittelbar Betroffenen dagegen stetig ausgeweitet hat. Dies ging so weit, dass es heute der Disposition der Parteien (meistens Mutter und Anerkennendem) obliegt, den rechtlichen Vater durch Vaterschaftsanerkennung zu bestimmen. – Der biologischen Wahrheit wird im Abstammungsrecht und daraus resultierend in anderen Rechtsgebieten zunehmend mehr Gewicht beigemessen. In einzelnen Ausprägungen etabliert sich die biologische Abstammung als selbständige Kategorie neben der rechtlichen Abstammung. – Bis zum Inkrafttreten des VaAnfRErgG oblag es den unmittelbar von der Statuszuordnung Betroffenen, die Vaterschaft anzufechten. – Aus Gründen der Rechtstradition, des Kindeswohls, der Praktikabilität und der Schaffung eines unmittelbar mit der Geburt zusammenhängenden Status für das Kind wird auf eine generelle gerichtliche Vaterschafsfeststellung als Voraussetzung der Statuszuordnung verzichtet. – Die Vaterschaftsanerkennung stellt lediglich auf der Ebene der Voraussetzungen und nicht auf der Ebene der Beseitigung der Vater-Kind-Zuordnung eine einfachere Alternative zur Adoption dar. § 2 Thesen zum Vierten Kapitel – Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen stellen keine bloße Fiktion dar, sondern treten in nicht unerheblichem Maße in der Praxis auf.

§ 3 Thesen zum Fünften Kapitel

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– Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen treten am häufigsten in der Konstellation auf, in der das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erhält (§ 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 StAG) und davon abgeleitet der Mutter ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke des Familiennachzugs gewährt wird (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG). – Es gibt zwei Gründe, weswegen Vaterschaftsanerkennungen zu aufenthaltsund/oder staatsangehörigkeitsrechtlichen Zwecken missbraucht werden können: Zum einen akzeptieren Gesetzgebung und Rechtsprechung seit jeher bewusst, dass rechtliche und biologische Vaterschaft auseinander fallen können. Zum anderen wurden die staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung in den letzten Jahren ausgeweitet; die Voraussetzungen für die Begründung einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung hingegen minimiert. – § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG ist auch auf Fälle missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung anwendbar. Das Verwandtschaftsverhältnis muss zwischen dem Nachziehenden und dem in Deutschland bereits Aufenthalt Nehmenden allein zu Aufenthaltszwecken begründet werden. Die Missbrauchskonstellation, in der die Mutter ihrem deutschen Kind nachreist, scheidet insofern aus dem Anwendungsbereich aus. – Vor Inkrafttreten des VaAnfRErgG konnte gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen lediglich durch die Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung gemäß § 4 BeurkG oder und durch die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG vorgegangen werden. Beide Methoden waren nicht erfolgreich, um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen in nennenswertem Maße zu verhindern. Um gegen missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorgehen zu können, waren Gesetzesänderungen erforderlich. – Neben dem Institut der Vaterschaftsanerkennung werden auch die Institute der Ehe, der Lebenspartnerschaft und der Adoption genutzt, um staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtliche Zwecke zu erreichen, die anderweitig nicht erzielbar sind. § 3 Thesen zum Fünften Kapitel • Thesen zu den Ablehnungstatbeständen gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG: – Bezugspunkt der Offenkundigkeit, die für den Standesbeamten gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. gegeben sein muss, sind alle drei materiellen behördlichen Vaterschaftsanfechtungsvoraussetzungen. – Bei § 44 Abs. 1 S. 3 PStG handelt es sich trotz seiner Formulierung als Sollvorschrift um eine Norm mit verpflichtendem Charakter.

304

6. Kap.: Abschließende Thesen

– Trotz des unterschiedlichen Wortlauts von § 4 BeurkG und § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F. muss eine Ablehnung der Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung unter denselben Voraussetzungen erfolgen. – Die die Vaterschaftsanerkennung beurkundende Stelle hat bei Zweifeln kein direktes oder indirektes Nachforschungsrecht. Die Beurkundung muss erfolgen. – In der Praxis wird den Ablehnungstatbeständen der § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG eine geringe Bedeutung zukommen. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, hauptsächlich repressiv gegen bereits entstandene missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen vorzugehen. • Thesen zur Mitteilungspflicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F.: – Es besteht eine Mitteilungspflicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F., wenn die öffentliche Stelle Kenntnis von konkreten Tatsachen erlangt, die darauf hindeuten, dass die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. vorliegen. – Hat die öffentliche Stelle Kenntnis von konkreten Tatsachen, die darauf hindeuten, dass die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. vorliegen und gleichzeitig Kenntnis von der biologischen Vaterschaft des rechtlichen Vaters, so muss de lege lata eine Mitteilungspflicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. ausgeschlossen sein. – In der Regel wird erst das kumulative Vorliegen mehrerer Anhaltspunkte einen Schluss auf einen begründeten und damit mitteilungspflichtigen Verdacht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. zulassen. – In der Praxis muss ein differenziertes Vorgehen erfolgen, denn auf der einen Seite reichen bloße Vermutungen für eine Mitteilungspflicht nicht aus, auf der anderen Seite muss die behördliche Anfechtbarkeit nicht offenkundig sein. – De lege lata ist eine Mitteilungspflicht auch bei Ablehnung der Beurkundung gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 PStG n. F., § 4 BeurkG gegeben. Auf Dauer sollte der Gesetzgeber dies de lege ferenda klarstellen. – Es ist richtig, dass eine Mitteilungspflicht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. gegenüber der Ausländerbehörde und nicht der anfechtungsberechtigten Behörde besteht. • Thesen zur Mitteilungspflicht gemäß § 90 Abs. 5 AufenthG n. F.: – Wurde der Ausländerbehörde ein Missbrauchsverdacht gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 Nr. 4 AufenthG n. F. mitgeteilt, hat sie eine Prüfpflicht hinsichtlich der ausländerrechtlichen Verdachtsmerkmale. In diesem Zusammenhang erlangte Kenntnis des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung

§ 3 Thesen zum Fünften Kapitel

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führt zur Nichtweiterleitung des Missbrauchsverdachts an die anfechtungsberechtigte Behörde. – Unbegründete Missbrauchsverdachtsfälle filtert die Ausländerbehörde aus; begründete Verdachtsfälle leitet sie an die anfechtungsberechtigte Behörde weiter (§ 90 Abs. 5 AufenthG n. F.). – An das Bestehen konkreter Tatsachen im Sinne des § 90 Abs. 5 AufenthG n. F. und des § 87 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 AufenthG n. F. sind trotz des selben Wortlauts unterschiedliche Anforderungen zu stellen. • Thesen zur Aussetzung der Entscheidung über die Erteilung/Verlängerung eines Aufenthaltstitels (§ 79 Abs. 2 AufenthG n. F.): – Der pauschale Verweis des § 79 Abs. 2 S. 2 AufenthG n. F. auf § 87 Abs. 6 AufenthG n. F. ist verfehlt. De lege lata darf eine Aussetzung der Entscheidung über den Aufenthaltstitel nur bei Mitteilung, dass ein Anfechtungsverfahren betrieben wird, erfolgen (§ 87 Abs. 6 Nr. 1 Alt. 1 AufenthG n. F.). – Es besteht ein selbständiger Anwendungsbereich für die Aussetzungsnorm des § 79 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. und die Ablehnungsnorm des § 27 Abs. 1a Nr. 1 AufenthG, wobei in der Praxis hauptsächlich die Entscheidung über den Aufenthaltstitel ausgesetzt werden wird. • Thesen zur behördlichen Vaterschaftsanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG n. F.): – Bei der behördlichen Vaterschaftsanfechtung handelt es sich aufgrund überindividuellen Gemeininteresses um eine international zwingende Norm. – Dass ein Vaterschaftsanfechtungsrecht für eine öffentliche Behörde besteht, ist im europäischen Vergleich kein Einzelfall. Das behördliche Vaterschaftsanfechtungsrecht gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG n. F. reicht sogar teilweise nicht so weit wie staatliche Anfechtungsrechte anderer europäischer Länder, in denen das Bestehen sozial-familiärer Beziehungen unberücksichtigt bleibt. – Das behördliche Anfechtungsrecht kollidiert insofern mit der Entwicklung des Abstammungsrechts, als dass es wieder einen staatlichen Eingriff in die Statuszuordnung ermöglicht. – De lege ferenda muss das behördliche Anfechtungsrecht auf den Fall der Vaterschaft kraft Ehe ausgeweitet werden. – Das Vorliegen einer der Regelannahmen des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB n. F. lässt für sich allein den Schluss auf das Tragen elterlicher Verantwortung (Bestehen einer sozial-familiären Beziehung) nicht zu. Umgekehrt führt auch das Nichtvorliegen dieser Regelannahmen nicht zu der Annahme, eine sozial-familiäre Beziehung bestehe nicht.

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6. Kap.: Abschließende Thesen

– Wann eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht, kann sich nicht an den Grundsätzen der sozial-familiären Beziehung im Zusammenhang mit der Anfechtung durch den leiblichen Vater (§ 1600 Abs. 2 BGB) bzw. im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht (§ 1685 Abs. 2 BGB) orientieren. – Angelehnt an die familiäre Lebensgemeinschaft liegt eine sozial-familiäre Beziehung dann vor, wenn ein regelmäßiger Kontakt und eine emotionale Verbundenheit zwischen den Verwandten besteht. Eine einzelfallbezogene Betrachtung ist unerlässlich. – Im Zeitpunkt „seines Todes (§ 1600 Abs. 3 BGB Alt. 1 BGB n. F.) meint den Tod des rechtlichen Vaters. Stirbt das Kind vor behördlicher Vaterschaftsanfechtung reicht de lege lata auch eine sozial-familiäre Beziehung in diesem Zeitpunkt aus, um die behördliche Vaterschaftsanfechtung auszuschließen. – Bei einer pränatalen Vaterschaftsanerkennung liegt eine sozial-familiäre Beziehung im Geburtszeitpunkt vor, wenn der rechtliche Vater an der Schwangerschaft Anteil genommen und einen regelmäßigen Kontakt zu dem Kind in seine Lebensplanung aufgenommen hat. – De lege ferenda muss eine sozial-familiäre Beziehung, die zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit bestand, eine erfolgreiche behördliche Anfechtung ausschließen. Um hierbei unüberwindbare Beweisprobleme und in der Folge das Entstehen einer Gesetzeslücke zu vermeiden, muss § 1600 Abs. 3 BGB n. F. derart ergänzt werden, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Anerkennung und Anfechtung die behördliche Vaterschaftsanfechtung ausschließt. Damit trägt die Feststellungslast für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung in diesem Zeitraum der Antragsgegner. – Dass die behördliche Anfechtungsvoraussetzung, wonach ein aufenthaltsrechtlicher Vorteil für einen der Beteiligten der Vaterschaftsanerkennung entstanden sein muss (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.), kein subjektives Zweckelement enthält, ist unter Nachweisbarkeitsgesichtspunkten richtig. – Es ist richtig, dass die Fallkonstellation, in der der ausländische Mann aufenthaltsrechtlich von der Vaterschaftsanerkennung profitiert, zur behördlichen Vaterschaftsanfechtung führt. – Auch wenn sich durch die Vaterschaftsanerkennung die aufenthaltsrechtliche Position des Ausländers lediglich verbessert, ist die Voraussetzung des § 1600 Abs. 3 BGB n. F. erfüllt und daher die behördliche Vaterschaftsanfechtung nicht ausgeschlossen. – Als anfechtungsberechtigte Behörde gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB n. F. eignen sich als neutrale Instanz Landesober- oder Landesmittelbehörden.

§ 3 Thesen zum Fünften Kapitel

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– Die für die anfechtungsberechtigte Behörde geltende verkürzte einjährige Anfechtungsfrist (§ 1600b Abs. 1a S. 1 BGB n. F.) ist zu begrüßen. Bei dieser handelt es sich um eine Bearbeitungsfrist. – Die Anfechtungsfrist beginnt gemäß § 1600b Abs. 1a S. 2 BGB n. F., wenn die für die Vaterschaftsanfechtung zuständige Abteilung der anfechtungsberechtigte Behörde Kenntnis von Tatsachen hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen nach § 1600 Abs. 3 BGB n. F. erlangt. – Damit die fünfjährige absolute Ausschlussfrist (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.) in einigen Fallkonstellationen missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung nicht bereits vor Entstehen der wirksamen Vaterschaftsanerkennung zu laufen beginnt, muss § 1600b Abs. 2 S. 1 BGB n. F. auch für diese gelten. – Die Frist wird gemäß §1600 Abs. 5 S. 2 BGB n. F. gehemmt, wenn eine Drohung gegenüber dem den Anfechtungsfall bearbeitenden Mitarbeiter der anfechtungsberechtigten Behörde erfolgt. – § 1600b Abs. 5 BGB n. F., der die Fristhemmung regelt, ist de lege lata nicht auf die fünfjährige absolute Ausschlussfrist (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB n. F.) anzuwenden. – Dass seit Inkrafttreten des FamFG bei der Schlüssigkeit des Antrags der anfechtungsberechtigten Behörde auf einen Anfangsverdacht verzichtet wird, ist richtig. – Der anfechtungsberechtigten Behörde wird es nicht schwer fallen, im Rahmen eines schlüssigen Antrags (§ 171 Abs. 2 S. 3 FamFG, § 1600 Abs. 3 BGB n. F.) darzulegen, dass durch die Vaterschaftsanerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen wurden. Anders liegt es bei der Voraussetzung des Nichtbestehens einer sozial-familiären Beziehung, wobei hierbei begrüßenswerter Weise der Grundsatz der sekundären Darlegungslast greift. – Bestand eine häusliche Gemeinschaft zwischen rechtlichem Vater und Kind für über ein Jahr (§ 1600 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 BGB n. F.), muss die anfechtungsberechtigte Behörde Umstände darlegen, die trotz der Regelannahme gegen das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung sprechen. – Kann sich das Gericht von einer der Vaterschaftsanfechtungsvoraussetzungen im Wege seiner Beweiserhebungen nicht hinreichend überzeugen, trägt die anfechtungsberechtigte Behörde die Feststellungslast. – Beweiserhebungsprobleme ergeben sich für das Gericht im Zusammenhang mit dem Nichtbestehen einer sozial-familiären Beziehung zu einem vergangenen Zeitpunkt. Im Wesentlichen wird es hierbei auf Zeugenaussagen angewiesen sein. Beweiserhebungsprobleme ergeben sich bei möglicher sozial-familiärer Beziehung im Ausland oder vom Ausland aus.

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6. Kap.: Abschließende Thesen

– Ergab die im Rahmen der Beweiserhebungen durch das Gericht angeordnete Abstammungsbegutachtung eine Abstammungswahrscheinlichkeit des Kindes von dem rechtlichen Vater, die kleiner als 0,27% ist, müssen grundsätzlich keine weiteren Beweismittel für die Ermittlung der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters herangezogen werden. – Hält der in die Abstammungsuntersuchung Einzubeziehende sich im Ausland auf und verweigert er seine Mitwirkung unberechtigt, werden im Wege der internationalen Rechtshilfe selten Zwangsmittel (§ 178 Abs. 2 FamFG) angewendet werden können. Kann der Richter sich ohne diese Abstammungsuntersuchung nicht hinreichend von der biologischen Nichtvaterschaft des rechtlichen Vaters überzeugen, bleibt es bei der Vermutung des § 1600c Abs. 1 BGB. Zu nachteiligen Folgen über den Rechtsgedanken der Beweisvereitelung kommt es nicht. – Bei einem zeitlich beschränkten Auslandsaufenthalt des in die Abstammungsuntersuchung Miteinzubeziehenden kann das Verfahren gemäß § 21 Abs. 1 FamFG ausgesetzt werden. – Um Eingriffe in die internen Familienverhältnisse so gering wie möglich zu halten, muss der Richter sich im Rahmen seiner Beweiserhebungen erst davon überzeugen, dass durch die Anerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen wurden (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Anschließend muss er Beweise zum Nichtbestehen einer sozial-familiäre Beziehung erheben (§ 1600 Abs. 3 BGB n. F.). Als letztes ist zu prüfen, ob der rechtliche Vater der biologische Nichtvater des Kindes ist. – Entfällt für das Kind aufgrund erfolgreicher behördlicher Vaterschaftsanfechtung die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend, wird es in der Regel in keinem Alter sein, in dem es ein Bewusstsein zur deutschen Staatsangehörigkeit entwickelt hat. Eine Grundrechtsverletzung aus Art. 16 Abs. 1 GG scheidet aus. – Die erfolgreiche behördliche Vaterschaftsanfechtung muss von dem Anwendungsbereich des § 183 FamFG de lege ferenda ausgenommen werden, um zu einer dem Einzelfall gerechten Kostenregelung im Missbrauchsfall kommen zu können. – Im Vergleich zum VaAnfRErgG gibt es keine milderen, aber ebenso effektiven Alternativmöglichkeiten. Aufgrund dessen ist zu akzeptieren, dass durch das behördliche Anfechtungsverfahren in die internen Familienverhältnisse der Betroffenen eingegriffen wird und dass das behördliche Anfechtungsrecht der Entwicklung im Abstammungsrecht zuwiderläuft.

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Sachwortverzeichnis Ablehnung der Beurkundung nach dem BeurkG 110 f., 164–166 Ablehnung der Beurkundung nach dem PStG 142, 152–164 – Ablehnungspflicht 163 f. – Mitteilungspflicht 175 f. – Nachforschungsrecht 160–163 – Offenkundigkeit 152–159 Abstammung 34–59 – Geschichte 61–83 – Mutter 34 f. – Vater 36–41 Abstammungsbegutachtung 40, 260–272 – Duldung 261, 265–267 – Unmöglichkeit 264–272 – Weigerung 265 f. Abstammungsfeststellungsverfahren, isoliertes 75 f., 80–83 Abstammungssache 47, 253 Abstammungsvermutung des § 1600c Abs. 1 BGB 260–263 Adoption 31–33 Amtsermittlungsgrundsatz 40, 253 – Beweiserhebungen 254–275 – Beweiserleichterung 255 f. – Beweisführungslast 253 – Beweislast 253 f. – Beweismittel 256 – Beweisvereitelung 269–271 Anerkennung der Vaterschaft siehe Vaterschaftsanerkennung Anerkennungserklärung 21 f. Anfangsverdacht 51–53, 247 f. Anfechtung der Vaterschaft 47–59 – durch eine Behörde 192–287 – siehe auch Vaterschaftsanfechtung Anfechtungsantrag 47

Anfechtungsberechtigte Behörde 230–234 Anfechtungsberechtigung 48 f. Anfechtungsfrist 53–56, 234–247 – Beginn 54 f., 235–241, 243–245 – für anfechtungsberechtigte Behörde gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB 234– 247 – für Anfechtungsberechtigte gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 1–4 BGB 53–56 – Hemmung 55 f., 245 f. Antragsberechtigung 48 f. Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft 39–45, 83–89, 100 Ausländerbehörde 143, 168 f., 180–184 – Aussetzung der Entscheidung über die Erteilung/Verlängerung eines Aufenthaltstitels 185–191 – Mitteilungspflicht 180–184 – Prüfpflicht 181–183 Auslandsvertretung 184 f. Aussetzen der Entscheidung über die Erteilung/Verlängerung eines Aufenthaltstitels 185–191 – Zeitpunkt 187–190 Bearbeitungsfrist 236–239 Behördliche Vaterschaftsanfechtung 192–287 – Anfangsverdacht 51–53, 247 f. – Anfechtungsberechtigte Behörde 230– 234 – Anfechtungsfrist 234–247 – Ehelichkeitsanfechtung 200–202 – Ermessen 227–229 – International zwingende Norm 193 f. – Rechtsfolgen 276–284

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Sachwortverzeichnis

– Voraussetzungen 203–276 Beistandsgemeinschaft 94, 213 f. Beurkundende Stelle 25, 152–167 Beweiserhebung 254–275 Beweiserleichterung 255 f. Beweisführungslast 253 Beweislast 253 f. Beweisvereitelung 269–271 Biologischer Vater 27–29, 39–41, 80–83 Darlegungslast, Sekundäre 250 Darlegungslast/Schlüssigkeit des Antrags 247–252 Erlaubte Einreise/erlaubter Aufenthalt 222–227 Ermessen 227–229 Erteilung eines Aufenthaltstitels 92–99 – Aussetzen der Entscheidung über 185– 191 Erziehungsgemeinschaft 94, 213 f. Familiäre Lebensgemeinschaft 94, 212– 214 – Beistandsgemeinschaft 94, 213 f. – Erziehungsgemeinschaft 94, 213 f. Familiennachzug 92, 97–99 Feststellung der biologischen Nichtvaterschaft 40, 56 f., 260–272 Feststellungslast 253 f. Frist siehe Anfechtungsfrist Generalverdacht 229 f. Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft 142–287 siehe auch Vaterschaftsanfechtungsrechtsergänzungsgesetz Gutgläubigkeit 226 f. Häusliche Gemeinschaft 250–252 Indisponibilität der Vaterschaftszuordnungstatbestände 36 f.

International zwingende Norm (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB) 193 f. Internationale Rechtshilfe 267–269 Isoliertes Abstammungsfeststellungsverfahren 75 f., 80–83 Jugendamt 176–178, 275 f. Kindeszustimmung 22–24 Konkrete Tatsachen 170 f., 183 f. Kosten des Anfechtungsverfahrens 282– 284 Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung 91–131 – Anzahl 107–109 – Fälle 92–99, 103–109 – Reaktion des Gesetzgebers 142 f. – Strafbarkeit 124–127 – Ursachen 100–103 Mitteilungspflicht der Ausländerbehörde/ Auslandsvertretung 180–185 – Prüfpflicht der Ausländerbehörde 181–183 Mitteilungspflicht der öffentlichen Stellen 168–179 – Ausnahme für Jugendämter 176–178 Nachforschungsrecht der beurkundenden Stelle 160–163 Offenkundigkeit der Anfechtbarkeit 152–159 Öffentliche Stellen 169–179 Pränatale Vaterschaftsanerkennung 29 f., 37, 158 f. Prüfpflicht der Ausländerbehörde 181– 183 Rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt 222–227 Rechtlicher Vater 29 f., 36–39

Sachwortverzeichnis Rechtsfolgen 276–284 Regelannahmen des § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB 204–207, 250–252, 255 f. Rückwirkungsverbot 235 f. Scheinadoption 138–140 Scheinehe 42, 132–136, 153, 156 f., 161, 200–202 Scheinlebenspartnerschaft 136 f. Scheinvaterschaft 41–45 Schlüssigkeit des Anfechtungsantrags 247–252 Sekundäre Darlegungslast 250 Sozial-familiäre Beziehung bei Anfechtung des leiblichen Vaters 49, 209 f. Sozial-familiäre Beziehung bei behördlicher Vaterschaftsanfechtung 203–222 – Beweislast 255–259 – Darlegungslast 249–252 – Elterliche Verantwortung 204–206, 214–217 – Häusliche Gemeinschaft 250–252 – Regelannahmen 204–207, 250–252, 255 f. – Voraussetzungen 203–217 – Zeitpunkt für das Vorliegen 217–222 Staatsangehörigkeit 93–97, 277, 295–297 Statusklarheit 88 Statuswahrheit 88 f. Statuszuordnung 89 f. – siehe auch Abstammung Übergangsregelung des Art. 229 § 16 EGBGB 235 f. VaAnfRErgG 142–287 – siehe auch Vaterschaftsanfechtungsrechtsergänzungsgesetz Vaterschaft – Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer 39–45, 83–89, 100 – Biologische/leibliche 27–29, 39–41, 80–83 – Rechtliche 29 f., 36–39

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Vaterschaftsanerkennung 20–33, 37 – Anerkennungserklärung 21 f. – Form 25 f. – Missbrauch 91–131 – Pränatal 29 f., 37, 158 f. – Voraussetzungen 20–26 – Widerruf 27 – Wirksamkeit 26–29 – Zustimmung 22–24 Vaterschaftsanfechtung 46–59, 79 f. – Abstammungssache 47, 253 – Anfangsverdacht 51–53, 247 f. – Anfechtungsantrag 47 – Anfechtungsberechtigung 48 f. – Anfechtungsfrist siehe dort – Behördliche siehe Behördliche Vaterschaftsanfechtung – Folgen 58, 276–284 – Voraussetzungen 46–59 Vaterschaftsanfechtungsrechtsergänzungsgesetz (VaAnfRErgG) 142–287 – Ablehnung der Beurkundung siehe dort – Alternativen 128–131, 287–299 – Aussetzen der Entscheidung über die Erteilung/Verlängerung eines Aufenthaltstitels 185–191 – Behördliche Vaterschaftsanfechtung siehe dort – Gesetzgebungsverfahren 144–151 – Mitteilungspflichten siehe dort – Überblick 142 f. Vaterschaftszuordnungstatbestände 36–39 Verlängerung eines Aufenthaltstitels, Aussetzen der Entscheidung über 185– 191 Vermutung der Vaterschaft 56 f., 260–263 Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung 26–29 Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung 22–24