Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen [1. Aufl.] 9783658304522, 9783658304539

Obwohl die Matrixstruktur in den vergangenen Jahren in der Unternehmenspraxis eine Renaissance erfahren hat, liegen so g

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German Pages VIII, 145 [148] Year 2020

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Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VIII
Einleitung (Joachim Wolf)....Pages 1-6
Warum immer mehr Unternehmen die Matrix als organisatorische Grundstruktur benötigen (Joachim Wolf)....Pages 7-17
Die funktionale, produktbezogene und regionale Dimension innerhalb der Matrixstruktur: Gründe für deren Einrichtung und Einflussgrößen ihres relativen Gewichts im Entscheidungsprozess (Joachim Wolf)....Pages 19-47
Konflikt in der Matrixstruktur (Joachim Wolf)....Pages 49-67
Reichweite der Matrix (Joachim Wolf)....Pages 69-80
Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers (Joachim Wolf)....Pages 81-87
Regelmäßige hochrangige Meetings im Umfeld des Matrixdreiecks (Joachim Wolf)....Pages 89-99
Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen (Joachim Wolf)....Pages 101-138
Zusammenfassung und Ausblick (Joachim Wolf)....Pages 139-142
Back Matter ....Pages 143-145
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Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen [1. Aufl.]
 9783658304522, 9783658304539

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Joachim Wolf

Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen

Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen

Joachim Wolf

Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen

Joachim Wolf Lehrstuhl für Organisation Universität Kiel Kiel, Deutschland

ISBN 978-3-658-30452-2    ISBN 978-3-658-30453-9 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

Die Matrixstruktur ist eine nach wie vor recht schlecht verstandene Organisationsform. Dies liegt zum einem daran, dass die Mehrzahl der aus der Wissenschaft und der Praxis stammenden Abhandlungen bereits vor vielen Jahren veröffentlicht worden sind. Zum anderen behandeln fast alle der wenigen jüngeren Veröffentlichungen diese Organisationsform nicht in der gebotenen Tiefe. Dies ist bedauerlich, weil der erfolgreiche Einsatz der Matrixstruktur eine sorgfältige geistige Durchdringung dieser Organisationsform voraussetzt. Und der geringe Wissensstand ist auch deshalb bedauerlich, weil die Matrixstruktur für immer mehr Unternehmen geeignet erscheint, weil sie zunehmend komplexe Strategien verfolgen. Das übergeordnete Ziel des vorliegenden Buches besteht darin, den Einsatz der Matrixstruktur zu einem Erfolg werden zu lassen. Dies erfordert einerseits einen zielgenauen, also zur Unternehmensstrategie passenden Einsatz dieser Organisationsstruktur und andererseits die Anwendung eines Spektrums an sie ergänzenden Erfolgsfaktoren. Beides wird in dem vorliegenden, sowohl an Wissenschaftler als auch Praktiker gerichteten Buch auf der Basis einer in 18 Großunternehmen durchgeführten qualitativen Forschung erläutert. Das Buch wäre ohne die Unterstützung der Unternehmenspraxis nicht zustande gekommen. Ich danke sehr herzlich den Top Managern der Unternehmen Altana AG, BASF SE, Bayer Health Care AG, ContiTech AG, Daimler AG, Deutsche Bahn AG, Deutsche Telekom AG, EON SE, Gruner + Jahr GmbH, Hellmann Worldwide Logistics SE & Co. KG, Radeberger Gruppe KG, Ratiopharm GmbH, Siemens AG, Sonae Indústria SGPS S.A., ThyssenKrupp AG, UPM-Kymmene Oyj, Volkswagen AG und Wincor Nixdorf AG. Ein großer Teil dieser Manager hat selbst an den Interviews teilgenommen, andere haben die Durchführung von Interviews ermöglicht. Widmen möchte ich dieses Buch meinem im Frühjahr 2019 verstorbenen Kollegen William G. Egelhoff, zuletzt Emeritus Professor an der Gabelli School of Business der Fordham University, New York, NY. Mit Bill habe ich mehr als zwei Jahrzehnte mit großem Gewinn zusammenarbeiten dürfen, zuletzt bei der Vorbereitung des Buches „Egelhoff, W. G., Wolf, J., Understanding Matrix Structures and their Alternatives – The Key to Designing and Managing Large, Complex Organizations, London 2017“. Bill kam meines Erachtens dem Ideal eines Wissenschaftlers sehr nahe. Er suchte die Wahrheit bzw. ein Verstehen der beforschten Untersuchungsgegenstände. Für mich war er einer der klügsten V

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Vorwort

Köpfe in der Managementwissenschaft, der viele andere in diesem Bereich tätige und als Superstars verehrte Kollegen bei weitem überragte. Ich habe von ihm viel lernen können (ob ich es auch wirklich getan habe, ist eine andere Frage). Die betriebswirtschaftliche Forschung ist heutzutage über weite Strecken zu einem Business geworden, bei dem viele der angesprochenen Superstars – fast möchte man sagen – permanent ärmefuchtelnd da­ rauf hinweisen: „Hast Du meinen tollen Artikel in der Top-tier Zeitschrift XY schon gesehen?“ Bill war anders; er brauchte ein derartiges Getue nicht. Es ging ihm um Erkenntnis. Es bleibt zu hoffen, dass die in dem Buch bereitgestellten Hinweise zu einem erfolgreichen Einsatz der Matrixstruktur in Unternehmen und anderen Organisationen beitragen werden. Kiel, Deutschland April 2020

Joachim Wolf*/**

* Wie oben dargelegt basiert der empirische Teil des vorliegenden Buches auf Interviews, die mein Lehrstuhl in Großunternehmen durchgeführt hat. Ein Teil dieser Interviews diente auch als Grundlage für die Doktorarbeit von Christian Kolls, die unter dem Titel „Formen der Entscheidungsfindung in multinationalen matrixstrukturierten Unternehmen“ bei der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eingereicht und als schriftliche Promotionsleistung angenommen wurde. Herr Kolls und ich haben unsere Manuskripte unabhängig voneinander erstellt. Wir beide wussten zum Zeitpunkt des Abschlusses der Ausarbeitung des jeweiligen Manuskripts nicht, was der andere geschrieben hat, schreibt bzw. schreiben wird. Dem geneigten Leser sei empfohlen, beide Schriften zu lesen. In den beiden Ausarbeitungen werden nicht nur vergleichbare Themen behandelt, sie beruhen auch auf einer partiell überlappenden Informationsgrundlage. Nachdem ich nach Abschluss der Erstellung des Manuskripts zu diesem Buch die sehr empfehlenswerte Arbeit von Christian Kolls gelesen habe, sah ich, dass manche unserer Interpretationen und Schlussfolgerungen ähnlich sind, dass wir aber auch mancherorts zu unterschiedlichen Interpretationen und Schlussfolgerungen gelangt sind. Beides ist aber nicht weiter verwunderlich. Sowohl die großzahlig-quantitative als auch die kleinzahlig-qualitative Beforschung von Managementthemen ist letztlich ein konstruktivistischer Prozess, bei dem subjektive Einschätzungen eine große Rolle spielen. ** Im Vorfeld der in der Unternehmenspraxis geführten Interviews wurde den im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts befragten Gesprächspartnern zugesagt, dass sie als Informanten anonym bleiben. Daher sind in dem vorliegenden Buch die Wortbeiträge der Gesprächspartner ohne Nennung ihrer Urheber abgedruckt.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung��������������������������������������������������������������������������������������������������������������   1 2 Warum immer mehr Unternehmen die Matrix als organisatorische Grundstruktur benötigen������������������������������������������������������������������������������������   7 3 Die funktionale, produktbezogene und regionale Dimension innerhalb der Matrixstruktur: Gründe für deren Einrichtung und Einflussgrößen ihres relativen Gewichts im Entscheidungsprozess����������������������������������������������������  19 3.1 Die funktionale Dimension in der Matrix����������������������������������������������������  20 3.2 Die Produktdimension in der Matrix������������������������������������������������������������  31 3.3 Die regionale Dimension in der Matrix��������������������������������������������������������  36 4 Konflikt in der Matrixstruktur��������������������������������������������������������������������������  49 4.1 Häufigkeit matrixbezogenen Konflikts ��������������������������������������������������������  50 4.2 Themen matrixbezogenen Konflikts ������������������������������������������������������������  52 4.3 Konfliktlösung in matrixstrukturierten Unternehmen����������������������������������  59 4.3.1 Diskussion als Konfliktlösungsmethode ������������������������������������������  59 4.3.2 Eskalation als Konflikthandhabungsmethode ����������������������������������  61 5 Reichweite der Matrix ������������������������������������������������������������������������������������������ 69 5.1 Selektive Matrixbildung��������������������������������������������������������������������������������  70 5.2 Micro-Matrixing ������������������������������������������������������������������������������������������  76 6 Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers ��������������������������������������������������������������������������������������������  81 7 Regelmäßige hochrangige Meetings im Umfeld des Matrixdreiecks��������������  89 7.1 Unternehmensweite Top-Management-Meetings ����������������������������������������  91 7.2 Meetings auf Regionenebene������������������������������������������������������������������������  94 7.3 Funktionsbereichsbezogene Meetings����������������������������������������������������������  96 7.4 Geschäftsbereichsbezogene Meetings����������������������������������������������������������  97

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VIII

Inhaltsverzeichnis

8 Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen������������������������������������������������������������������������������������������������������ 101 8.1 Personenorientierte Erfolgsfaktoren ������������������������������������������������������������ 102 8.1.1 Fähigkeiten der Manager im Matrixdreieck������������������������������������� 102 8.1.2 Integration „frischen Blutes“ im Zuge der Einrichtung der Matrix?�������������������������������������������������������������������� 107 8.1.3 Unternehmensinternes Job Rotation ������������������������������������������������ 109 8.1.4 „Sich persönlich kennen“������������������������������������������������������������������ 112 8.1.5 Lange im Unternehmen tätig sein bzw. miteinander groß geworden���������������������������������������������������������������������������������� 113 8.1.6 Rückbesinnung auf gemeinsame übergeordnete Unternehmensinteressen ������������������������������������������������������������������ 115 8.1.7 Unternehmenskultur�������������������������������������������������������������������������� 116 8.1.8 Eiserne Disziplin im Management���������������������������������������������������� 120 8.2 Technokratische Erfolgsfaktoren������������������������������������������������������������������ 121 8.2.1 Befolgung von Regeln���������������������������������������������������������������������� 121 8.2.2 Klare Strategieformulierung und -kommunikation�������������������������� 127 8.2.3 Zielvereinbarungen �������������������������������������������������������������������������� 128 8.2.4 Formalisierter Planungsprozess�������������������������������������������������������� 130 8.2.5 Gestaltung des Vergütungssystems �������������������������������������������������� 134 8.2.6 Weitere technokratische Erfolgsfaktoren������������������������������������������ 137 9 Zusammenfassung und Ausblick������������������������������������������������������������������������ 139 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

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Einleitung

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird der Gegenstandsbereich des vorliegenden forschungsbasierten, sich sowohl an Praktiker wie Wissenschaftler richtenden Buches dargelegt. Behandelt wird der Einsatz der Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur in großen, komplexen Unternehmen. Es wird aufgezeigt, was in dem Buch unter einer Matrixstruktur verstanden wird. Weiterhin werden die zwei Kernthesen des Buches präsentiert: Erstens sollte die Matrixstruktur von jenen Unternehmen eingesetzt werden, deren Handlungsbedingungen (insbesondere deren Strategie) dies wirklich erfordert. Und zweitens ist der Einsatz der Matrixstruktur durch eine angemessene Nutzung passender Managementinstrumente („Erfolgsfaktoren“) zu flankieren. Außerdem werden im ersten Kapitel die Motivation des Forschungsprojekts und dessen Vorgehensweise erläutert.

Dies ist ein forschungsbasiertes Buch über den Einsatz der Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur in großen, komplexen Unternehmen, wie sie zum Beispiel mit multinationalen Unternehmen gegeben sind, die in vielen Ländern Auslandsgesellschaften unterhalten. Das Buch wendet sich an Praktiker und Wissenschaftler. Ich habe das Buch geschrieben, weil immer mehr Unternehmen Handlungsbedingungen aufweisen, welche die Nutzung einer Matrixstruktur zweckmäßig erscheinen lassen und weil diese Organisationsstruktur dementsprechend für immer mehr Unternehmen opportun ist. Und ich habe das Buch auch deshalb verfasst, weil die Matrixstruktur eines sorgfältig geplanten Einsatzes bedarf, der in diesem Buch erläutert wird. Das Buch soll helfen, dass der Einsatz der Matrixstruktur gelingt.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_1

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1 Einleitung

Der Aufbau des Buches ist von zwei Kernthesen geleitet: Erstens sollte die Matrixstruktur von jenen Unternehmen eingesetzt werden, deren Handlungsbedingungen (insbesondere deren Strategie) dies wirklich erfordert. Die Kap. 2 und 3 erläutern, welche Handlungsbedingungen von Unternehmen dies sind. Und zweitens ist der Einsatz der Ma­ trixstruktur durch eine angemessene Nutzung passender Managementinstrumente („Erfolgsfaktoren“) zu flankieren, die im achten Kapitel eingehend diskutiert werden. Werden diese beiden Kernthesen beachtet, dann kann die Matrixstruktur den Erfolg des betreffenden Unternehmens erheblich steigern helfen. Oder anders ausgedrückt: Auf der Basis meiner relativ langen Beschäftigung mit der Matrixstruktur bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass Unternehmen, welche die Matrixstruktur nutzten und mit ihr keinen Erfolg hatten, es unterlassen haben, die in den Kap. 2, 3 und 8 dargelegten Erkenntnisse zu berücksichtigen. Das Buch wurde gestaltungsorientiert ausgearbeitet. Es werden Entscheidungsfragen behandelt und beantwortet, welche die in Unternehmen tätigen Manager zu lösen haben, wenn sie die Matrixstruktur erfolgreich als organisatorische Grundstruktur einsetzen wollen. Das Buch erweitert und ergänzt die Erkenntnisse, die in dem Buch „Egelhoff, W. G., Wolf, J., Understanding Matrix Structures and their Alternatives – The Key to Designing and Managing Large, Complex Organizations, London 2017“ präsentiert sind. Noch stärker als dieses Buch ist das vorliegende handlungsbezogen aufgeschrieben worden. Aber auch bezüglich der inhaltlichen Aspekte unterscheiden sich die beiden Bücher erheblich. In dem vorliegenden Buch werden viele Aspekte behandelt, die in „Egelhoff/Wolf 2017“ nicht thematisiert sind. Als Ausgangspunkt für die in dem Buch präsentierten Erkenntnisse diente eine explorative Forschung, die an meinem Lehrstuhl zwischen 2012 und 2017 in 18 Großunternehmen durchgeführt worden ist. In 15 Unternehmen haben wir ein bis zwei Interviews, in drei Unternehmen jeweils zumindest acht Interviews geführt. Insgesamt waren es 46 Interviews. Jedes dieser Interviews dauerte mehr als eine Stunde, das längste sogar drei Stunden. Unsere Gesprächspartner waren Top Manager der Unternehmen  – teilweise Vorstands- bzw. Geschäftsleitungsmitglieder, welche sich für die Nutzung der Matrixstruktur in ihrem Unternehmen entschieden haben, teilweise aber auch Führungskräfte, die ent­ weder als Matrixmanager oder als Two-boss-Manager innerhalb einer Matrixstruktur agier(t)en. Diese Manager sind auf der zweiten oder dritten Hierarchieebene ihres Unternehmens tätig. Im vorliegenden Buch werden unter anderem die folgenden Fragen beantwortet: 1. Warum benötigen immer mehr Unternehmen die Matrix als organisatorische Grundstruktur und für welche Unternehmen ist sie besonders geeignet? 2. Wann ist die Einrichtung einer funktionalen, produktbezogenen oder regionenbezogenen Dimension in einer Matrixstruktur zweckmäßig? 3. Bei welchen Entscheidungsinhalten sollten die funktionale, die produktbezogene oder die regionenbezogene Dimension in der Matrix ein besonderes Gewicht haben? 4. Wie häufig kommt es zwischen den beteiligten Managern in der Matrix zu Konflikten?

1 Einleitung

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5. Bei welchen Themen entstehen typischerweise Konflikte? 6. Welche Methoden der Konfliktlösung sind geeignet? 7. Wie funktioniert die Eskalation als Konflikthandhabungsmethode? 8. Was ist unter einer selektiven Matrixstruktur zu verstehen und welche Funktionen, Produktbereiche und Regionaleinheiten sollten in diese eingebunden sein? 9. Ist Micro-Matrixing eine Option und – falls ja – bis zu welchem Grade sollte es wo betrieben werden? 10. Was sind die Aufgaben und Interaktionsmuster des Two-boss-Managers und welches Fähigkeitsprofil sollte er haben? 11. Welche Bedeutung haben hochrangige Meetings im Zusammenhang mit der Matrixstruktur? 12. Welche Erfolgsfaktoren (Managementinstrumente) unterstützen den Erfolg der ­Matrix? Bevor wir nun in die Beantwortung der einzelnen Gestaltungsfragen einsteigen, soll zunächst geklärt werden, was in diesem Buch unter einer Matrixstruktur verstanden wird. cc

Wir verstehen hierunter eine Organisationsstruktur, die über zwei oder mehr Weisungs- und Berichtslinien („Dimensionen“) verfügt, die sich an den Stellen der doppelt unterstellten Manager (den sogenannten Two-boss-Managern) überlagern.

Die Two-boss-Manager sind somit Teil mehrerer im Unternehmen bestehender Hierarchien. Ein weiterer Hinweis ist wichtig: In diesem Buch wird der Einsatz der Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur von Unternehmen untersucht. Wir studieren also

TopManagement 1 Beschaffung 2

ProduktManager A

3

Produktion

Marketing 2

3

3

2

3

3

2

3

2

ProduktManager B

Verwaltung 2

3

3

Abb. 1.1  Die Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur (Beispiel Funktions-­Produkt-Matrix)

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1 Einleitung

eine organisatorische Gestaltungsform, bei der ein Mehrfachunterstellungssystem direkt unter der Unternehmensleitung existiert und somit ein organisatorisches Gebilde wie in Abb. 1.1 dargestellt besteht (in dem Schaubild sind die Two-boss-Manager mit den Ordnungszahlen „3“ versehen, weil sie im Falle der Nutzung der Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur auf der dritten Hierarchieebene des Unternehmens tätig sind). Obwohl in der Literatur teilweise bis zu sechs Matrixdimensionen ausdifferenziert werden (Galbraith 2009), sind – wenn es um die Verwendung der Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur geht – mit der funktionalen, der produktorientierten und der regionenorientierten Dimension die wichtigsten Alternativen gegeben. Diese werden hier demzufolge in den Mittelpunkt der Analyse gestellt. Wenn in dem Buch von „Regionen“ gesprochen wird, dann haben wir vorrangig größere geografische Einzugsbereiche („Weltregionen“) wie Europa, Nordamerika oder Australien/Ozeanien und nicht Landesregionen wie Bayern oder Schleswig-Holstein im Blick. Überdies sei angemerkt, dass es sich bei der von uns so verstandenen Matrixstruktur um eine formale Organisationsstruktur handelt. Im Mittelpunkt des vorliegenden Buches stehen also nicht informelle Beziehungsnetzwerke zwischen den Managern eines Unternehmens, wie sie bspw. in den Schriften von Bartlett und Ghoshal (1990) als essenziell bezeichnet wurden (wenngleich diese hin und wieder in unserer Diskussion eine Rolle spielen werden). Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sind in verschiedener Weise validiert worden. Erstens wurde intensiv auf die Methode der Grounded Theory (Glaser und Strauss 1967) zurückgegriffen. Es wurde also eine „gegenstandsverankerte Form der Theoriekonstruktion“ (Eckert 2004, S. 24) betrieben, in der auf verschiedenen Ebenen (Kodierung des empirischen Materials, Fallauswahl, Transformation der Ergebnisse in ein vorläufiges Aussagensystem eines höheren Abstraktionsgrads) das Prinzip des permanenten Vergleichs (Eckert 2004, S. 24 ff.) verfolgt wurde. Hiermit haben wir die bereits von Max Weber vorgeschlagene und angewandte Methode der vergleichenden Kontrastierung zwischen Aspekten beobachteter Fälle eingesetzt, um typische Grundmuster zu finden, die idealisiert dargestellt werden können (Flick 1987, S. 252). Zweitens wurde die Methode der kommunikativen Validierung (vgl. z. B. Denzin 1978) eingesetzt. Während des Forschungsprozesses haben wir also die sich andeutenden, zu dem jeweiligen Zeitpunkt noch ungewissen Ergebnisse zum Thema nachfolgender Erörterungen mit den nächsten an der Untersuchung teilnehmenden Gesprächspartnern gemacht. Diese sich andeutenden, noch ungewissen „Ergebnisse“ wurden den Gesprächspartnern der nachfolgenden Gespräche in einer unvoreingenommenen, nicht suggestiven Weise als Möglichkeit präsentiert. Wir stellten den Gesprächspartnern der jeweils nachfolgenden Gespräche Teile der bis dahin vorliegenden Eindrücke vor und baten sie um Rückmeldung bezüglich ihrer Nachvollziehbarkeit, wobei die Gesprächspartner die Gelegenheit hatten, Zustimmung oder Kritik zu äußern (vgl. auch Steinke 1999). Zusammen mit den Gesprächspartnern betrieben wir also eine sorgfältige diskursive Reflexion möglicher sich abzeichnender Ergebnisse, bis wir von einem uns hinreichenden Grad der Gültigkeit der Ergebnisse ausgehen konnten. Diese

1 Einleitung

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Methode der kommunikativen Validierung haben wir sowohl bezüglich beschreibend-­ gestaltungsbezogenen Befundelementen (ob also zum Beispiel in dem jeweiligen Unternehmen ein bestimmter Typ einer Matrixstruktur vorliegt oder ob ein bestimmtes Managementinstrument eingesetzt wird) als auch bezüglich Befundelementen eingesetzt, die den Zusammenhang zwischen Gestaltungsformen und Erfolgsausprägungen (ob also zum Beispiel die Unternehmenskultur den Erfolg der Anwendung der Matrixstruktur beeinflusst) betreffen. Dabei hat es sich als sehr nützlich erwiesen, dass wir uns in drei Unternehmen mit jeweils mindestens acht Gesprächspartnern austauschen konnten. Aufgrund dieser Validierungsprozesse sind wir davon überzeugt, dass in den Gesprächen nicht ein Zustand strategischer Kommunikation vorlag. Die im weiteren Fortgang dieses Buches p­ räsentierten Ergebnisse stellen somit eine Wahrheit in Bezug auf die Welt der Tatsachen dar (Flick 1987, S. 249). Und schließlich haben wir drittens das seitens der Gesprächspartner Berichtete einer kritischen Vernunftprüfung durch die Forscher unterzogen. Auf der Basis von Faktoren wie „Erfahrung“, „Theoriekenntnis“ und „Disziplinüberblick“ wurden die Aussagen der Gesprächspartner reflektiert und jene Bestandteile als berichtenswert herausgefiltert, die sich als inhaltlich schlüssig und theoretisch vertretbar abgezeichnet haben. Gerade das letztgenannte Vorgehen mag Kritik auslösen, ist doch wiederholt der Einwand erhoben worden, dass Wissenschaftler die Tendenz haben, nur das zu sehen, was durch den Filter der bestehenden Theorie passt. Gleichwohl stellt die theoriebezogene Prüfung des durch die Gesprächspartner Gesagten ein wichtiges Instrument dar, um fraglich erscheinende Aussagen der Gesprächspartner zu eliminieren und tragfähige Aussagen zu bekräftigen. Auch sehen wir gerade im letztgenannten Vorgehen ein wichtiges Vehikel zur Vermeidung naturalistischer Fehlschlüsse. Wenn sich eine praktikerseitig als zielführend bezeichnete Vorgehensweise theoretisch untermauern lässt (wenn also begründbar ist, warum sie erfolgsstiftend ist), dann ist die Gefahr relativ gering, dass in unzulässiger Weise vom „Sein“ auf das „Sollen“ geschlossen wird. Den letztgenannten Gedanken wollen wir anhand eines Beispiels verdeutlichen: Nehmen wir an, einige Gesprächspartner hätten gesagt, dass ihre Unternehmen in einer multidimensionalen Umwelt tätig sind, eine Matrixstruktur aufweisen und in hohem Maße erfolgreich sind. Und andere Gesprächspartner hätten gesagt, dass ihre Unternehmen ebenfalls in einer multidimensionalen Umwelt tätig sind, eine eindimensionale Organisationsstruktur aufweisen und weniger erfolgreich sind. Dann sind diese beiden Gruppen an Statements zunächst bloße Zustandsbeschreibungen und sie können nicht von der Seins-Ebene auf die Ebene einer normativen Aussage „gehoben“ werden. Wenn es forscherseitig jedoch möglich ist inhaltlich zu begründen, warum die Verwendung einer Matrixstruktur zu einer multidimensionalen Umwelt passt und warum eine eindimensionale Organisationsstruktur hier weniger geeignet ist, dann wird hierdurch eine Legitimation geschaffen, die deskriptive Aussage in die Richtung einer präskriptiven zu erweitern. In dem vorliegenden Buch werden somit Ergebnisse präsentiert, welche einen sorgfältig vollzogenen Prozess der Validierung durchlaufen und bestanden haben. In dem Buch wird längst nicht alles wiedergegeben, was „uns die Praktiker in den Gesprächen mitgeteilt haben“.

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1 Einleitung

Von den über 1000 Seiten dokumentierten Gesprächsmaterials (Times New Roman; Schriftgrad 12; 1,5  zeilig) hat nur der als belastbar wahrgenommene Kern ­Eingang in dieses Buch gefunden. Oder anders ausgedrückt: Wir sind davon überzeugt, dass die nachfolgend präsentierten Ergebnisse mehr sind als selektive und in hohem Maße subjektive Wahrnehmungen einzelner Gesprächspartner bzw. der projektausführenden Forscher.

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Warum immer mehr Unternehmen die Matrix als organisatorische Grundstruktur benötigen

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird erläutert, warum die Matrixstruktur für immer mehr Unternehmen geeignet ist. Es wird aufgezeigt, dass dies an den zunehmend multiperspektivischen und komplexen Strategien der Unternehmen liegt. Unter anderem ist die Nutzung der Matrixstruktur in der zunehmenden Bedeutung von Synergiepotenzialen, der häufiger werdenden Einsatz von mehrfach nutzbaren Werken und Anlagen sowie der erhöhten Wichtigkeit von Key Accounts begründet. Die Top-Manager müssen deshalb Entscheidungen treffen, die auf den Wert des Gesamtunternehmens und nicht nur auf dessen Teileinheiten ausgerichtet sind. Hierzu ist eine starke informationelle Verzahnung der Teileinheiten des Unternehmens erforderlich, wie dies die Matrixstruktur unterstützt.

Bevor wir uns in gestaltungsbezogener Weise mit Anwendungsfragen der Matrixstruktur beschäftigen, soll zunächst aufgezeigt werden, warum in einer immer größeren Zahl von Unternehmen eine Nutzung der Matrix als organisatorischer Grundstruktur geboten ist. Gemäß unseren Untersuchungen macht ein ganzes Bündel an Beweggründen die Matrixstruktur erforderlich. Diese Vielfalt an Beweggründen ist auch von unseren Gesprächspartnern in den Unternehmen artikuliert worden. 1. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass heutzutage viele von Unternehmen zu bewältigende Aufgaben von einer multiperspektivischen und komplexen Natur sind (vgl. auch Kesler und Kates 2016, S. 15 ff.). Sie verlangen eine gleichzeitige starke Ausrichtung auf effizienz-, leistungsprogramm- und kundenorientierte Ziele, zwischen denen © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_2

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2  Warum immer mehr Unternehmen die Matrix als organisatorische Grundstruktur …

vielfältiger Wechselwirkungen bestehen. Wenn zum Beispiel ein in mehreren Regionen tätiger Aufzughersteller seine Produkte kundenindividueller ausrichtet, dann geht dies typischerweise zu Lasten der Effizienz im Herstellungsprozess und erschwert überdies die Kooperation zwischen Produktionsstätten, die in unterschiedlichen Regionen ansässig sind. Multiper­spektivische und komplexe Ziele erfordern eine ebensolche Bearbeitungsform. Ein­dimensionale Organisationsstrukturen unterstützen eine multiper­ spektivische und komplexe Bearbeitungsform eher weniger. Sie weisen die übergeordneten Aufgaben nämlich Entscheidungsträgern zu, die entweder funktional, produktorientiert oder regional orientiert sind. Dementsprechend besteht bei eindimensionalen Organisationsstrukturen die Gefahr, dass bei der Bearbeitung vielschichtiger Aufgaben einer der genannten Aspekte überbetont und die beiden anderen eher zu wenig beachtet werden. Ein Gesprächspartner hat diese Sichtweise unterstrichen. Er sagte: „Wenn Sie über eine Matrixstruktur aufgabenbezogen organisieren, dann stellen Sie besser sicher, dass Sie, wenn Sie eine Aufgabe zu lösen haben, dass Sie per se alle Perspektiven dieser Aufgabe in der Definition der Aufgabe und in den Vorschlag zur Abarbeitung einfließen lassen. Ich bin der Meinung, dass Sie das in einer Matrixstruktur schneller hinbekommen als in einer reinrassigen, silobezogenen Aufbauorganisation, egal jetzt ob nach Produkten, nach Funktionen, nach Zentralbereichen oder wie immer Sie das nennen. … Und ich glaube, dass dafür eine gelebte Matrixstruktur die besseren Ausgangsvoraussetzungen bringt, das zu lösen und zu bearbeiten.“

Sein Kollege argumentiert in die gleiche Richtung. Seiner Auffassung zufolge ist diese Multiperspektivität und Komplexität bei strategischen Entscheidungen besonders hoch. Den Hinweis auf eine zunehmende Komplexität und die daraus resultierende Konsequenz zur Nutzung einer Matrixstruktur hat auch ein Gesprächspartner aus einem großen global tätigen Logistikunternehmen zum Ausdruck gebracht. Er argumentierte: „The reason, why we need a matrix, is that the complexity of our service business is much higher than, for instance, of a consumer-good manufacturer. What we need nowadays in order to handle the complexity is a combination of (1) product management (the people who design the services on the demands of the industry), (2) then – on top of it – we need to have so-called vertical or industry solutions (where we really focus on the demands of a specific industry), and (3) we need to have people who sell and run the operations. And we always come back to the point when you do what we do – delivering services in all areas of supply chain management logistics – then you need a matrix. … A person who would consider all these contingencies would be a hero superstar.“

Einem Vertreter der Energiewirtschaft zufolge rührt Komplexität insbesondere aus der hohen Veränderlichkeit der Umwelt her: „These are not stable environments anymore that you are coping with. If you think about energy trading. That adds a lot more volatility that used not to be there, in the past we didn’t have that.“

2  Warum immer mehr Unternehmen die Matrix als organisatorische Grundstruktur …

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Als eine besonders bedeutsame Form der Multiperspektivität und Komplexität haben unsere Gesprächspartner den Umstand bezeichnet, dass viele Unternehmen heutzutage in starkem Maße lokal angepasst und zugleich sehr effizient und synergistisch sein müssen. Diese Herausforderung der gleichzeitigen Realisierung unterschiedlicher Zielsetzungen betrifft die Marktleistungen des Unternehmens, aber auch seine Prozesse. Sie kommt in den Ausführungen der Spitzenführungskraft eines großen deutschen Bierkonzerns zum Ausdruck: „We have many brands, we serve many market regions, and in each market we have different competitors (for instance: in Baden-Württemberg we have different competitors than in Bavaria). This is because in Germany there is no national beer market. Instead, the German beer market is very regional and fragmented; most of the German beer drinkers still prefer to drink regional-local beers (beer brands). In the foreseeable future, this situation will not change. … Thus, the German beer market will remain very heterogeneous and very complex. As a consequence, we have to consider regional peculiarities and – at the same time – we have to be very efficient and synergistic.“ Und wenig später ergänzte er: „The matrix helps us to provide central services (which we need in all divisions) and to be at the same time very close to the market. And the matrix helps us to generate positive cost effects which we can invest in the respective markets.“

Die Matrixstruktur führt zu einer verbesserten Integration von Globalisierungs- und Lokalisierungszielen, weil sie eine regelmäßige Interaktion zwischen den globalen und lokalen Führungskräften vorsieht und diese zu einer engen Zusammenarbeit angehalten sind. 2. Ein ganz wichtiger Beweggrund für die Nutzung der Matrixstruktur – vielleicht sogar der wichtigste überhaupt – besteht in der Erkenntnis, dass sie hilft, die zwischen den Teileinheiten des Unternehmens bestehenden Synergiepotenziale in systematischer Weise zu identifizieren und zu heben. Interessanterweise wird der Synergiebegriff in der Praxis, der Wissenschaft und der Wirtschaftspresse nicht immer präzise definiert. Schaut man insbesondere in die Wirtschaftspresse, dann wird dort häufig bereits dann von Synergiepotenzialen gesprochen, wenn sich durch die Zusammenlegung von gleichartigen Teileinheiten Kostensenkungspotenziale eröffnen. Insbesondere im Zusammenhang mit Mergers und Acquisitions werden derartige Gedanken häufig geführt. Ein solches Verständnis von Synergien kommt in aller Regel simplen Economies-­ of-­Scale-Argumenten gleich. In der Wissenschaft wird der Synergiebegriff häufiger präziser umrissen. Dort wird darauf hingewiesen, dass sich durch eine Zusammenlegung von Aktivitäten nicht bloß Kosten senken, sondern auch positive Wirkungen hinsichtlich der Qualität der Aktivitätsausführung realisieren lassen. Gemeint sind damit zu Passereffekten führende inhaltliche Ergänzungen zwischen den zusammengeführten Aktivitäten bzw. Einheiten. In diesem Falle werden Economies of Scope, mithin Verbundeffekte freigesetzt, weil dann aufgrund einer geschickten Ressourcenkombination ein Mehrwert erzeugt wird (Goldhar und Jelinek 1983, S. 141 ff.).

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Der Schwerpunkt vermuteter Synergiepotenziale liegt im Bereich der funktionalen Prozesse des Unternehmens. In eindimensional strukturierten Unternehmen sind diese funktionalen Prozesse typischerweise in den einzelnen Geschäftsbereichen sowie in den einzelnen Regionaleinheiten je besonders vorhanden, was sowohl bezüglich der Qualität der Funktionsausübung als auch bezüglich der durch sie anfallenden Kosten suboptimal ist. Im Gegensatz hierzu stellt die Matrixstruktur die notwendigen Querverbindungen zwischen Einheiten bereit, um die im Unternehmen versteckt vorhandenen Synergiepotenziale zur Geltung zu bringen. Außerdem können sowohl zwischen den Geschäftsbereichen von Unternehmen als auch zwischen den Regionen bzw. Regionaleinheiten des Unternehmens funktionale Synergiepotenziale bestehen. 1. Die zwischen den Geschäftsbereichen bestehenden Synergiepotenziale betreffen praktisch alle Unternehmensfunktionen. Sie können zum Beispiel in der Technologieentwicklung des Unternehmens bestehen. Zu denken ist etwa an das im Geschäftsbereich „Aufzüge“ der ThyssenKrupp AG laufende Entwicklungsprojekt „Multi“ (ThyssenKrupp 2018b, o. S.). Hierbei handelt es sich um einen Aufzug, bei dem die Kabinen nicht mehr an einem Seil befestigt sind und nur hoch- und runterfahren können, sondern der sich der Magnetschwebetechnologie bedient und dessen Kabinen somit auch horizontal bewegt werden können. Die Magnetschwebetechnologie wurde im letzten Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts vor allem im Rahmen des Transrapid-Projekts vorangetrieben. Dieses Projekt war ein Gemeinschaftsprojekt der Siemens AG und eines rechtlichen Vorgängers der ThyssenKrupp AG. Technologiespezifische Verbundeffekte entstehen in der ThyssenKrupp AG dadurch, dass die aus dem Transrapid stammenden Entwicklungsteams im Unternehmen noch immer bestehen und nun mit der Aufzugssparte kooperieren. Auch sind in dem Multi-Aufzug Steuerungselemente verbaut, die von Einheiten der Fahrzeugbausparte des Unternehmens entwickelt und bezogen werden. Hingewiesen werden kann aber auch auf das Projekt „InCar Plus“ dieses Unternehmens. In diesem Projekt haben 100 Ingenieure aus acht Teileinheiten der Geschäftsbereiche Steel, Material Services und Component Technologies zusammengearbeitet und 40 neue Bauteile und Lösungen für die Bereiche Antrieb und Lenkung, Fahrwerk und Karosserie des Automobilbaus entwickelt, die den Kunden Einsparpotenziale von bis zu 50 Prozent ermöglichen (ThyssenKrupp 2018a, o. S.). Als zukünftiges Sy­ nergieprojekt dieses Unternehmens kann gelten, dass die von seiner Aufzugsparte in Kooperation mit Microsoft entwickelte Blue Box (eine Technologie zur Fernwartung von Aufzügen) in der Zukunft auch dazu genutzt werden kann, um die von der Industrial-­Solutions-Sparte vermarkteten Industrieanlagen fernzuwarten. Denkbar ist aber auch ein Einsatz der Blue Box im Servicegeschäft der Materials-Sparte, was ebenfalls strukturelle Querverbindungen zwischen den Geschäftsbereichen erfordert, wie sie im Matrixkonzept angelegt sind. Auf den ersten Blick scheinen im Verkaufsbereich sehr wenige oder gar keine geschäftsbereichsübergreifenden Synergiepotenziale zu existieren, weil die dortigen Pro-

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zesse sehr kundenspezifisch seien und auch sein müssten. In unseren Gesprächen bei der ThyssenKrupp AG haben wir jedoch gelernt, dass dies in solch einer absoluten Weise nicht gesagt werden kann. So stellen beispielsweise die Vertriebseinheiten der Aufzugssparte und des Materialhandelsbereichs dieses Unternehmens beiderseits Flächenorganisationen dar, welche durch eine hohe Niederlassungsdichte gekennzeichnet sind. Auch wenden beide in ihren Niederlassungen dieselben Verwaltungsprozesse an und sie beschäftigen dort ähnliche Typen von Mitarbeitern. In dieser Konstellation sind die geschäftsbereichsübergreifenden Querverbindungen der Matrixstruktur hilfreich, um einheitliche, durch ein höheres Maß an Effizienz gekennzeichnete Verwaltungssysteme (z. B. IT-Systeme) zu implementieren oder Prozesse zu bündeln (z.  B.  Shared-Service-Systeme). In der Bayer Health Care AG (BHC), einem bis 2015 bestehenden und eine Matrixstruktur aufweisenden Teilkonzern der Bayer AG, ermöglichte die Matrixstruktur die Freisetzung von Vertriebssynergien, die deshalb für die Kunden positiv waren, weil sie dann nur noch einen Ansprechpartner hatten. So sei es beispielsweise wichtig, dass Kunden nicht von verschiedenen Teileinheiten des Unternehmens Rechnungen gestellt bekommen, sondern diese Aktivität aus einer Hand erfolge. Beispiele für einkaufs- und logistikspezifische Synergiepotenziale wurden uns ebenfalls in den Unternehmen BHC und ThyssenKrupp genannt. Im Einkauf ist eine stärkere geschäftsbereichsübergreifende Kooperation allein schon deshalb ein absolutes Muss, weil es nachteilig ist, wenn mehrere Einkaufschefs mit unterschiedlichen Prozessen auf die Lieferanten des Unternehmens zugehen. Auch kennen die für die einzelnen Geschäftsbereiche zuständige Einkäufer die funktionalen Prozesse (z. B. Prozesse der Lieferanten­ entwicklung, des Auditierens oder der Einkaufsfinanzierung) typischerweise nicht auf einem solch hohen Detaillierungsniveau, dass sie vorhandene geschäftsbereichsübergreifende Synergiepotenziale in ihrer Ganzheit bestmöglich nutzen können. In einem Unternehmen wie BHC gleichen sich die Lieferprozesse für rezeptpflichtige Arzneimittel (Geschäftsbereich Pharmaceuticals) und rezeptfreie Produkte (Geschäftsbereich Consumer Health) erheblich und dies bietet Raum für die Vereinheitlichung dieser Prozesse. Andererseits betonte ein Gesprächspartner: „Aber es ist schon anders, wie meine Kollegen hier jetzt von Crop Science ihre Spritzmittel an den Mann bringen, das ist ja ein ganz anderes Business“. Dies lässt bereits erahnen, dass in einer Matrix das Ausmaß der geschäftsbereichsübergreifenden Querverbindungen selektiv bestimmt werden muss (vgl. Kap. 5). Im IT-Bereich vieler Unternehmen sind die geschäftsbereichsübergreifenden Sy­ nergiepotenziale beträchtlich. So war nach Aussage eines Gesprächspartners die IT-­ Infrastruktur der ThyssenKrupp AG zumindest bis zum Zeitpunkt des Interviews weitgehend dezentral organisiert und es gab auch deshalb in seinem Unternehmen mehr als 50 Email-Systeme. Er sagte: „Es ist sicherlich auch ein Wert, den Sie schaffen, in dem Sie einmal eine saubere ­IT-­Infrastruktur für den Konzern bauen, wenngleich das erstmal kostet, passen Sie es an ­heutige Umfeldgeometrien an und lösen ihre Schwächen der Vergangenheit. Sie dürfen nicht vergessen, dass in der Zeit der Autonomie des Konzerns wesentliche Teile des

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Schließlich eröffnet auch der Compliance-Bereich erhebliche Synergiepotenziale, weil trotz aller geschäftsspezifischer Unterschiede im Regelungsverhalten der Grundsatz ist, ein prinzipiengleiches Compliance-Programm zur Anwendung zu bringen. So sagte uns ein Gesprächspartner: „Und dann gibt es eben die Ausformungen je nach Geschäftsmodell, aber natürlich ist es vollkommen klar, wenn ich jetzt zum Beispiel ein Benchmarking-Projekt oder eine Verbandsanalyse mache, da sind natürlich die Regeln vollkommen gleich. Insofern würde ich sagen, 70 Prozent unserer Themen gelten für alle Business Areas und 30 Prozent gelten zwar im Grundsatz auch für alle Business Areas, aber die tauchen dann eben bei einigen Business Areas auf und bei anderen nicht.“

Nicht nur die zuvor bereits erwähnten, sondern praktisch die Gesamtgruppe unserer Gesprächspartner hat deutlich werden lassen, dass diese geschäftsbereichsübergreifenden Formen der Zusammenarbeit nicht so gut gelungen wären bzw. gelingen würden, wenn das Unternehmen mit einer eindimensionalen Organisationsstruktur gearbeitet hätte bzw. arbeiten würde. 2. Auch die zwischen den Regionen bzw. Regionaleinheiten von Unternehmen bestehenden Synergiepotenziale betreffen funktionale Prozesse. In Unternehmen, die in unterschiedlichen Regionen wie Nord- und Südamerika, Europa/Naher Osten/Afrika oder Asien/Ozeanien tätig sind, kann die Matrixstruktur helfen, die zwischen diesen Regionen bestehenden Synergiepotenziale zu kapitalisieren. Zu denken ist auch hier wiederum an den IT-Bereich. In den meisten ohne eine Matrixstruktur arbeitenden Unternehmen berichten die IT-Leiter der Auslandsniederlassungen nämlich an die Leiter der jeweiligen Auslandsgesellschaft. Und wenn dann nach deren Auffassung eine stärkere Integration der IT-Prozesse über die Auslandsgesellschaften nicht erforderlich ist, dann werden in den betreffenden internationalen Unternehmen kaum Chancen auf eine systematische standortübergreifende Verzahnung der IT-Prozesse bestehen. Hat das betreffende Unternehmen jedoch eine länderübergreifende Matrixstruktur mit einer funktionalen Hierarchie, dann erfolgt ein systematischer standort-, länder- und regionenübergreifender Austausch IT-spezifischer Informationen und dies ist eine gute Grundlage für eine stärkere Integration dieses Funktionsbereichs. Obwohl dieser positive Effekt einer Matrixstruktur für sämtliche Funktionsbereiche gilt, hielt eine Gesprächspartnerin ein hohes Maß an regionenübergreifender Integration im IT-Bereich für besonders wichtig, weil im Falle einer hohen informationstechnischen Verzahnung sämtliche funktionalen Unternehmensprozesse besser miteinander koordiniert sind.

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Aber auch innerhalb einer Region kann die Matrixstruktur helfen, den standortübergreifenden Durchfluss funktionsbezogener Informationen und damit die unternehmensinterne Kooperation zu verbessern. Als Beispiel soll die Region Nordamerika der ThyssenKrupp AG dienen, in der das Unternehmen nach Deutschland den zweithöchsten Umsatz erzielt. In Nordamerika hat ThyssenKrupp in der Aufzugsparte und in der Ma­ terials-Services-­Sparte (Handel mit Werk- und Rohstoffen) große Flächenorganisationen. Wenn nun beispielsweise die Personalabteilungen dieser beiden Geschäftsbereiche im nordamerikanischen Bereich in direkter Weise organisationsstrukturell miteinander verkoppelt sind, dann ist es eher möglich, die an den nordamerikanischen Standorten tätigen Mitarbeiter dergestalt zu entwickeln und zu rotieren, dass das personalwirtschaftliche Gesamtoptimum dieser Geschäftsbereiche besser erreicht wird. Solche gemeinsam gestalteten Personalentwicklungs- und Entsendungsprozesse machen Sinn, weil in der Aufzugsund in der Materials-Services-Sparte Mitarbeiter mit ähnlichen Qualifikationen benötigt werden und somit einer bessere Allokation personeller Ressourcen möglich wird. Auch hier stiftet eine Matrixstruktur mit einer funktionalen Dimension erhebliche Synergievorteile, weil damit nicht zuletzt der Aufbau eines einheitlichen Enterprise-Resource-­ Planning-(ERP-)Systems erleichtert wird und sie allgemein zur Schaffung eines integrierten Personalsystems beiträgt. In einem aus einer Fusion hervorgegangenen Unternehmen wie der ThyssenKrupp AG erscheint die Matrix in besonderem Maße zielführend, weil derartige Unternehmen aufgrund ihrer dezentralen Historie typischerweise relativ wenig konzernweite Transparenz über Personalangelegenheiten haben. Generell hilft die Matrixstruktur, das innerhalb und zwischen den Regionen eines Unternehmens liegende Gemeinschaftliche zu bündeln und an bestimmten Standorten zu zentralisieren. Hierdurch wird ein Effizienzniveau realisierbar, das für eine einzelne, kleine Gesellschaft unrealistisch ist. Ein Fokus dieser systematischen Suche nach und Nutzung von Synergiepotenzialen liegt dabei im Bereich der Ressourcenallokation. Diese kann sich  – wie oben aufgezeigt  – auf die Allokation von Humanressourcen beziehen, kann aber auch andere Ressourcenarten wie zum Beispiel Finanzressourcen betreffen, was höhere Ausprägungsgrade im Bereich der Returns on (Human) Capital ermöglicht. Insgesamt gesehen ist bezüglich des Synergieaspekts mehrerlei festzuhalten: Erstens erachten unsere Gesprächspartner funktionale Synergien als Schlüsselhebel, die bis zum heutigen Tag vielfach unterschätzt werden – mitunter selbst von Analysten des Kapitalmarkts. Als ein zentrales Prinzip zur Erlangung funktionaler Synergien wird dabei ein systematisches Hin- und Hershiften von Ressourcen zwischen den Geschäftsbereichen und Regionen gesehen. Zweitens spielen in der Praxis auch heute noch die oben als einfach bezeichneten, skaleneffektbasierten Synergieeffekte eine große Rolle. So sagte ein Gesprächspartner: „Wir wollen jedem für eine Produkt-Markt-Kombination verantwortlichen Manager alle für ihn relevanten Funktionen überlassen (damit er auch auf alle Funktionen Einfluss nehmen kann). Da wir jedoch sehr breit aufgestellt sind, wollen wir natürlich nicht die funktionalen Scale-Effekte preisgeben.“

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Und drittens wird die systematische Suche nach im Unternehmen verborgenen Synergiepotenzialen tendenziell immer wichtiger, weil es in vielen Unternehmen eine Tendenz des Zusammenwachsens der Geschäftsbereiche gibt. Dies hat auch ein Gesprächspartner zum Ausdruck gebracht: „Es gibt eine starke Tendenz des Zusammenwachsens (der Geschäftsbereiche, Erg. JW) und die begrüße ich. Dass man über die Grenzen von Organisationsstrukturen hinweg zusammenarbeitet, um noch intelligentere Lösungen für Kunden zu schaffen, das ist sehr, sehr schwierig. Aber auch da ist die … Matrix sehr wichtig, dass man sich trifft und sagt: ‚Du arbeitest daran, ich arbeite daran, etc.‘ auf allen Ebenen. Dieser Verbund des Wissens ist nicht zu unterschätzen, er ist überaus wertvoll.“

Dem stimmte ein Kollege aus der Energiebranche vollumfänglich zu und sagte: „… nowadays in Europe, more than in the USA: We are closer to an integrated energy business.“ Im Nachgang zu diesem Statement hat er detailliert dargelegt, wie dieses hohe Maß an geschäftsbereichs- und standortübergreifender Integration in seinem Unternehmen heutzutage bereits ausgestaltet ist. Ein Vertreter eines internationalen Großunternehmens der Holzwerkstoffplatten-Industrie verwies auf eine von einer Beratungsgesellschaft in seinem Hause vor zwei Jahren durchgeführten umfassenden Organisationsanalyse, welche zeigte, dass die damalige Organisation weit vom Optimum entfernt war, „… especially that synergies which might exist in a worldwide operating company are not leveraged due to the hierarchical, country-driven organization.“ Deshalb habe das Unternehmen im Jahr darauf eine länderübergreifende Matrixstruktur eingerichtet. Neben diesen beiden übergeordneten haben unsere Gesprächspartner noch einige spezifischere Gründe für die Notwendigkeit einer Matrixstruktur vorgetragen. 3. So wurde von mehreren Gesprächspartnern darauf hingewiesen, dass in ihrem Unternehmen Produktionsstätten bestehen, die Komponenten und Marktleistungen für mehrere Geschäftsbereiche des Unternehmens herstellen. In der Wirtschaftspresse werden derartige Produktionsstätten mitunter als „Zebra-Werke“ bezeichnet (Pretzlaff und Nowak 2018, o. S.). Zwar eröffnet dies den Vorteil größerer Skaleneffekte und einer besseren Ausbeutung der produktionstechnischen Infrastruktur, doch wird hierdurch auch ein erhöhtes Ausmaß an Komplexität erzeugt, das es führungsbezogen zu handhaben gilt. Gemeinsam unterhaltene Produktionsstätten finden sich beispielsweise in dem genannten Bierkonzern: „A further reason why we need such a double reporting is since some divisions use the same breweries. Thus, it is advantageous if there is a coordinating organ between the breweries.“ In der Bayer Health Care AG wurden solche mehrere Geschäftsbereiche beliefernden Werke bereits 2002 eingerichtet (vor 2002 hatte das Unternehmen ausschließlich geschäftsbereichsspezifische Produktionsstätten) und man hat zur Koordination der Interaktionen zwischen diesen gemeinsamen Einheiten und den Geschäftsbereichen dann im Jahr 2007 die globale Funktion „product supply“ geschaffen, welche de facto zur Einführung einer matrixartigen Struktur führte. Auch

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hier ging es primär darum, die Produktionsinfrastruktur besser und vor allem flexibler zu nutzen sowie einen integrierten Gesamtansatz zu realisieren. Zu einem Matrixmodell führende zentrale Steuerungseinheiten sind aber auch deshalb erforderlich, weil insbesondere in der Chemie- und pharmazeutischen Industrie die Einzel­ investition für Produktionsstätten zwischenzeitlich extrem hoch geworden sind (so ­können beispielsweise die modernsten Methanolanlagen ein Zehntel der Weltnachfrage herstellen). Selbst die größten Unternehmen können eine derartige Anlage nicht im Alleingang erstellen; sie müssen in einem Joint Venture mit einem anderen Unternehmen aufgebaut und geführt werden und dies verlangt eben diese Steuerung von unternehmenszentraler Seite. 4. Außerdem halten einige Unternehmen die Matrixstruktur deshalb für notwendig, weil sie Key Accounts haben, die Kunden mehrerer Geschäftsbereiche des Unternehmens sind. Genau diese Begründung stammt von einem Gesprächspartner, der Mitglied des engsten Führungszirkels der ContiTech AG ist: „Wir brauchen die Matrixstruktur auch deshalb, weil unser Unternehmen Kunden hat, welche die Leistungen mehrerer Geschäftsbereiche nachfragen.“ In dieser Situation ermöglicht die Matrixstruktur ein einheitliches Auftreten des Unternehmens gegenüber diesen Kunden. Wäre in dem Unternehmen keine Matrixstruktur vorhanden, dann würden die Key Accounts von Vertretern verschiedener Geschäftsbereiche betreut, die nur ein geringes Ausmaß an gegenseitiger Abstimmung aufweisen. Nach einem Gesprächspartner von einem großen global tätigen Logistikunternehmen hat auch die Notwendigkeit zur stärkeren Integration regionaler Aktivitäten den Ausschlag gegeben: „Some of our customers (medium-sized firms) have globalized their activities and processes, we had to follow this development. Thus, we also had to integrate more our processes across countries and regions.“ Überdies war nach Gesprächspartner die Matrixstruktur zu Beginn der Tätigkeit des Unternehmens in Emerging Markets hilfreich: „Keine der Conti-Tech-Business Units wäre stark genug gewesen, um im Alleingang in einem Emerging Market wie China, Indien oder Brasilien Fuß zu fassen.“ 5. Ein weiterer Begründungskomplex für die Notwendigkeit einer Matrixstruktur bezieht sich auf die Qualität der Managerentscheidungen, die hoch gehalten oder sogar gesteigert werden soll. Auf diese Begründung hat uns ein Gesprächspartner hingewiesen: „Gerade als Unternehmen ThyssenKrupp, was ja in der Vergangenheit nicht unbedingt durch Entscheidungen brilliert hat, die dann auch so funktioniert haben, haben wir natürlich schon einen gewissen Bedarf, die Entscheidungsgüte zu steigern. Und das, was … als Kerngedanke hinter der Geburt der Matrix steckt, ist ja in der Tat eine Entflechtung von Entscheidungen von Einzelmeinungen hin zu einem von globalem Sachverstand getriebenen Kompromiss oder Konsens. Und wir sagen immer, unterschiedliche Sichtweisen auf denselben Sachverhalt steigern die Meinungsgüte.“

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Diese Argumentation erscheint deshalb sehr tragfähig, weil die beiden Matrixmanager sowie der Two-boss-Manager, der an sie beide berichtet, den zu entscheidenden Sachverhalt aus einer unterschiedlichen Perspektive und mit Bezug auf unterschiedliche Zielsetzungen analysieren und es demzufolge zu vergleichsweise intensiven Diskussionen über den Sachverhalt kommt. Der Aspekt der durch die Matrixstruktur gesteigerten Entscheidungsqualität ist auch im Redebeitrag eines Gesprächspartners deutlich geworden. Nach seiner Ansicht dient das zweite, überlagernde Hierarchiesystem der Matrix (z.  B.  IT-­ Funktion, Qualitätsmanagementfunktion) als Instrument zur Übertragung von Wissen zwischen den Geschäftsbereichen, wie dies bspw. im Falle neuer Technologien hoch bedeutsam ist. Das gleiche meinte letztlich ein Gesprächspartner, wenn er sagte: „The matrix helps to improve the learning from each other and to share best practices. It helps to structure firm-wide learning processes (especially across the regions and countries).“

Positive Effekte bezüglich Wissenstransfer, Lernen und Steigerung der Entscheidungsqualität (Sytch et al. 2019) dürften aber auch davon herrühren, dass mit der Matrixstruktur ein Instrument gegeben ist, um gemeinsame Standards (z. B. ein unternehmensweites System an Key Performance Indicators) zu entwickeln und auszurollen. Schließlich löst sie positive Effekte bezüglich der Entscheidungsqualität aus, weil in einer Matrixstruktur mehr Führungskräfte für die Entscheidungen zuständig sind, von denen jede einen vergleichsweise hohen Spezialisierungsgrad aufweist: „The matrix helps to have many highly specialized managers; if we would not have these specialists, we would not be that successful. … If we would not have a matrix structure, the managers would not be able to understand well the peculiarities of the respective industry a customers is in.“

6. Auch ist die Matrixstruktur ein Vehikel, um den Shareholder Value des Gesamtkonzerns zu maximieren. Aufgrund der in ihr bestehenden hohen informationellen Vernetzung würde sie den im Matrixkontext tätigen Managern immer wieder aufs Neue vor Augen führen, dass das Ziel ihres Tuns nicht bloß in der Maximierung der Erfolgsgrößen der von ihnen geleiteten Teileinheit, sondern das Hinarbeiten auf die Ziele des Gesamtunternehmens sei. Ein Gesprächspartner umschrieb diesen Sachverhalt wie folgt: „Also vielleicht zwei Sätze ausgeholt, ich bin immer noch, bei aller entgegenlaufenden Theorie, bei uns jedenfalls, der Meinung Structure-follows-Strategy. Und die Strategie in einem Multi-Business-Unternehmen, moderndeutsch Konglomerat, ist, dass wir dafür verantwortlich sind, als Konzern, als die eine Aktie, Mehrwert über die verschiedenen Geschäftsbereiche zu bringen.“

7. Schließlich wurden in den Interviews einige weitere Beweggründe hervorgebracht, warum die Unternehmen zur Matrixstruktur gegriffen haben. So vermag die Matrix ein zu

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hohes Maß an Autarkie der nachgelagerten Unternehmenseinheiten zu verhindern. Ein Gesprächspartner sagte: „… und da war Ihre Frage: Braucht man dann eine Matrix? Ich meine ja. Weil wenn Sie die (die Top Manager der Teileinheiten des Unternehmens, Erg. durch JW) loslassen, dann haben Sie nicht nur Autonomie, sondern Autarkie und dann macht jeder was er will. Und dazu hängt unsere Investitionsnotwendigkeit, unsere Betrachtung, was wo in der Welt wie sein soll, jetzt von der eigenen Stärke ab. Die ist dann viel zu wichtig, als dass wir das loslaufen lassen könnten. Und dann jeder alleine macht. Das halte ich für keine gute Idee.“

Unspezifischer war der Hinweis, dass Unternehmen die Matrixstruktur nutzen, „… weil wir diese Schärfe brauchen, die in der Matrix drin ist.“ Was die Einschätzungen der Interviewten hinsichtlich der zukünftigen Bedeutung der Matrixstruktur anbelangt, so wird ihr in der Zukunft eher ein noch größerer Stellenwert zugebilligt als heute. Stellvertretend für mehrere soll hier ein Gesprächspartner zu Wort kommen: „Die Tendenz wird eher mehr Matrix als weniger sein. Ganz klar. Wissensmatrix. Und deswegen Globalisierung der Forschung, wir machen jetzt Forschungsstandorte in Shanghai, in Nordamerika auf, damit wir von dem globalen Verbund wirklich ziehen können, in dem wir den nicht nur hier haben, sondern überall. Planetares Forschungsnetzwerk.“

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Die funktionale, produktbezogene und regionale Dimension innerhalb der Matrixstruktur: Gründe für deren Einrichtung und Einflussgrößen ihres relativen Gewichts im Entscheidungsprozess

Zusammenfassung

Im diesem Kapitel wird aufgezeigt, unter welchen Bedingungen die Einrichtung einer funktionalen, einer produktbezogenen oder einer regionalen Dimension in einer Ma­ trixstruktur angezeigt ist. Diese Matrixdimensionen sind bei unterschiedlichen Bedingungen erforderlich. Weiterhin wird dargelegt, bei welchen Angelegenheiten die funktionale, die produktbezogene und die regionale Dimension im Entscheidungsprozess ein besonderes Gewicht aufweisen sollten.

In einer Matrixstruktur sind mehrheitlich zwei, bisweilen sogar drei oder noch mehr Dimensionen (Hierarchien) übereinandergelegt. In fast allen Unternehmen sind diese Dimensionen funktional, produkt- bzw. geschäftsbereichsbezogen oder regional ausgerichtet. Unternehmen, welche die Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur nutzen wollen, müssen entscheiden, welche dieser Gliederungsalternativen sie in der Matrix verankern wollen. Im vorliegenden Abschnitt soll dementsprechend der Frage nachgegangen werden, wann die Einrichtung einer funktionalen, einer produktbezogenen oder einer regionalen Dimension angezeigt ist. Die Beantwortung dieser Frage bedarf einer sorgfältigen Analyse, was diese Dimensionen innerhalb einer Matrixstruktur zu leisten vermögen. Dies wird im nachfolgenden geschehen. Auch soll in diesem Abschnitt behandelt werden, bei welchen Entscheidungsangelegenheiten die Akteure einer funktionalen, einer produktbezogen oder einer regionalen Dimension im Entscheidungsprozess ein besonderes Gewicht oder im Vergleich zu den Akteuren der anderen Hierarchie(n) in der Matrix sogar „das letzte Wort“ haben bzw. haben sollten. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_3

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Die funktionale Dimension in der Matrix

Nach empirischen Untersuchungen sind für Funktionen verantwortliche, also auf bestimmte Verrichtungsarten spezialisierte Entscheidungsträger in den vergangenen Jahren in vielen Großunternehmen organisatorisch aufgewertet worden. So kommt bspw. die vielbeachtete Untersuchung von Guadaloupe et al. (2014) zu dem Ergebnis, dass seit den 1980er-Jahren immer mehr funktionale Manager in die Boards von Großunternehmen bestellt worden sind. Auch in matrixstrukturierten Unternehmen ist eine Aufwertung funktionaler Organisationseinheiten beobachtet worden – sei es, dass eine funktionale Hierarchie in die Matrix eingezogen oder den für Funktionen verantwortlichen Managern im Entscheidungsprozess mehr Gewicht zugestanden wurde. So konnte Wolf (2000) zeigen, dass Matrixstrukturen mit einer funktionalen Dimension schon ab den 1970er-Jahren in der deutschen Wirtschaft immer häufiger genutzt wurden und sich häufiger finden als Matrixstrukturen ohne eine funktionale Dimension (S. 667). Warum jedoch richten Unternehmen eine funktionale Dimension innerhalb einer Ma­ trixstruktur ein? Um diese Frage zu beantworten, kann zunächst auf die großzahlige, auf Matrixstrukturen bezogene Strategie-Struktur-Forschung (Wolf und Egelhoff 2002; Egelhoff et al. 2013; Egelhoff und Wolf 2017) zurückgegriffen werden. Diese hat wichtige Bedingungen identifiziert, unter denen für Unternehmen eine funktionale Dimension in einer Matrixstruktur sinnvoll ist. So ist eine funktionale Dimension insbesondere opportun, wenn der leistungsprogrammbezogene Diversifikationsgrad des betreffenden Unternehmens nicht allzu hoch ist. Begründet wird dies damit, dass in einem stark diversifizierten, trotzdem jedoch mit einem funktionalen Gliederungskriterium arbeitenden Unternehmen sehr schnell die begrenzten funktionsbereichsübergreifenden Informationsverarbeitungskapazitäten überlastet würden (Wolf und Egelhoff 2002, S. 183). Nutzt hingegen ein weniger diversifiziertes Unternehmen eine Matrixstruktur mit einer funktionalen Hierarchie, dann liegt mehr Gleichartigkeit in den Informationsverarbeitungsbedarfen der Funktionsbereiche vor und diese sind in der Lage, diese Bedarfe zu handhaben (Egelhoff und Wolf 2017, S. 83 f.). Nach unserer Informationsauswertung sind neben den vorgenannten noch weitere Gründe zu beachten, welche die Unternehmen zur Wahl einer funktionalen Dimension in der Matrixstruktur veranlassen (sollten). Zumindest sechs Gründe stehen dabei im Vordergrund. 1. So existiert in einigen der von uns beforschten Unternehmen deshalb eine funktionale Hierarchie, weil man der Überzeugung ist, dass diese hilft, in den Teileinheiten des Unternehmens die funktionale Exzellenz (die Qualität der Ausführung unter­ nehmensinterner Prozesse) zu steigern. Auf diese Begründung haben mehrere ­Gesprächspartner hingewiesen, unter anderem einer, der in seinem Unternehmen für eine der zentralen Konzernfunktionen verantwortlich ist. Er sagte: „… ich würde es nennen ‚funktionale Exzellenz‘ durchgängig zu ermöglichen. Und natürlich findet man, wenn man eine so starke Dezentralität wie wir hatten, immer irgendwo irgendwas,

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wo jemand einen besseren Prozess, eine bessere Idee oder ein besseres Konzept hat. … Und das ist absolut auch unsere Aufgabe … was natürlich gerade bei den Funktionen, jetzt auch meiner, die sich irgendwann dann in Systemen und in Datenmodulen wiederfinden, natürlich am extremsten ist.“

Ein anderer Gesprächspartner konkretisierte diesen Aspekt am Beispiel des IT-Bereichs: „Wenn Sie darauf keinen Wert legen, sondern letztlich nur IT als Trend verstehen wollen und Impulse geben wollen, dann organisieren sie es anders. Wenn Sie damit jedoch eine Infrastruktur und eine Applikations-Harmonisierung und eine Standardisierung durchsetzen wollen, dann müssen sie es genau so strukturieren, wie wir es hier gemacht haben. Und dann müssen Sie es auch in der Tat von den Geschäften rausnehmen. Sie finden auf der Business-­ Ebene immer Argumente, warum jetzt die Applikation noch die viel Schönere ist …“

Seine Kollegin ergänzte: „Jeder glaubt eigentlich, es alleine zu können. Und dieses sehr starke Abgrenzen voneinander, dass ist in unserem Geschäftsbereich XY (anonymisiert durch JW) noch da, muss man sagen. Und das ist auch etwas, was sich in Zukunft, denke ich mal, ändern muss oder auch ändern wird.“

Aus der Notwendigkeit zur Erzielung funktionaler Exzellenz scheinen die zentralen Funktionen auch einen Großteil ihres Selbstbewusstseins abzuleiten: „Die Rolle der Zentralfunktion ist es, … funktionale Exzellenz auszuprägen. Und somit haben diese Funktionen automatisch die Process Governance, die Hoheit, Prozesse – zum Beispiel HR-Prozesse – zu definieren im Unternehmen und über die Systeme zu entscheiden.“

Dem pflichtete ein Gesprächspartner bei, als er sagt: „Da müssen Sie es relativ brutal genau so durchziehen.“ In vielen Unternehmen ist deshalb Raum für eine Steigerung der funktionalen Exzellenz, weil in den Geschäftsbereichen und Regionen die funktionalen Einheiten naturgemäß recht klein sind und für sich genommen somit weniger Möglichkeiten zur Nutzung von Spezialisierungseffekten bieten. 2. Mehrfach wurde gerade die funktionale Hierarchie als Ermöglicher einer Erzielung von globalen Economies of Scale-Effekten gesehen. Dieser Gedanke spielte zum Beispiel in der ehemaligen BHC AG eine große Rolle, als es darum ging, die in der Matrix enthaltenen Dimensionen festzulegen. So sagte ein Gesprächspartner: „In the functions ‚global drug discovery‘ and ‚global development’ we want to have global economies of scale effects; for instance in the area of biotech and classical pharmaceutical development. We want to use the infrastructure that we have in the drug discovery/development in the pharmaceutical business also for the other businesses.“

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3. Besonders wichtig ist die funktionale Hierarchie aber auch dann, wenn es um die Stan­ dardisierung von Marktleistungen und Prozessen geht. Ein Geschäftsbereichsvorstand hat dabei vor allem die marktleistungsbezogene Standardisierung im Blick gehabt: „Wir haben heute um die 120 …-Produkte, wir haben über 20 …-Produkte – das braucht kein Mensch, das braucht kein Kunde. Wir wollen diese Palette mehr als halbieren in den nächsten zwei bis drei Jahren. … Es hat uns alleine fast ein Jahr gekostet, um überhaupt in Erfahrung zu bringen, wie viele unterschiedliche Produkttypen wir haben und wo es da Überschneidungen gibt. Das ist eine Wahnsinns-Task gewesen. Und dazu brauchen Sie Querschnittsfunktionen.“

Ein interessantes Beispiel für die Zuständigkeit der funktionalen Hierarchie für die Standardisierung unternehmensinterner Prozesse fand sich in der ThyssenKrupp AG. Ein in der Zentrale tätiger Funktionsbereichsleiter führte aus: „Wir haben ein Projekt namens DAPRO, Daten-Prozess-Harmonisierung, da geht es darum, einheitliche Daten und Prozesse unternehmensweit herzustellen, da wo es sinnvoll ist, und das in einheitliche IT-Lösungen dann zu überführen, einheitliche Templates zu überführen, nicht nur im FiCo-Bereich, sondern insgesamt auch für Geschäftsprozesse, das wäre jetzt ein Beispiel. Da haben wir das Unternehmen erstmal in homogene Geschäftsmodelle geschnitten und gesagt: „Wer ist denn irgendwo vergleichbar?“. Und das hört gar nicht an der Grenze der einzelnen Geschäftsbereiche auf, sondern man findet auch gleiche Geschäfte in verschiedenen Business Areas. Wo wir dann sagen, es gibt einen Kern, der muss für alle gleich sein, insbesondere der Kern, um Finanzzahlen zu erstellen. Und dann gibt es aber auch drum herum viele Prozesse, wo vielleicht zwei verschiedene Legal Entities, zwei verschiedene Einheiten, Ähnlichkeiten haben, die man im Sinne eines Best Practice dann austauscht und sagt: „Wie kann man das denn zusammenbringen, damit man das nicht zweimal haben muss, sondern nur einmal.“ Und das nennen wir Standardisierung im Rahmen unserer Geschäftsprozesse … eigentlich so ein modularer Baukasten. Ein bisschen die Idee aus dem Automobilsektor geklaut.“

Die Einheiten der funktionalen Hierarchie sind auch deshalb zu einer Gleichschaltung von Marktleistungen und Prozessen in der Lage, da sie weniger als die Geschäftsbereiche und die Regionaleinheiten durch geschäftsspezifische Partialinteressen geprägt sind. Auch haben Funktionsbereiche nicht den Charakter von Profit Centers. Stattdessen sind die Leiter der zentralen Funktionsbereiche unternehmensweit verantwortlich. 4. Nützliche Dienste kann eine funktionale Hierarchie in der Matrixstruktur aber auch erbringen, wenn es um das Vorantreiben von Initiativen und der Unternehmensent­ wicklung geht. Dies ist eine bedeutsame Leistung, da die Geschäftsbereiche und Regionaleinheiten hierzu nur sehr bedingt in der Lage sind. Erstens sind sie aufgrund ihrer Teileinheitenperspektive nicht befähigt, einen hinreichenden Blick auf das Insgesamt des Unternehmens zu entwickeln. Und zweitens fällt es Organisationseinheiten tendenziell schwer, weitreichende Veränderungen von innen heraus zu initiieren (vgl. z. B. Hauschildt 2004, S. 160 ff.). Erforderlich sind somit Impulse von außen und eine solche Position kommt in einer Matrixstruktur den Managern der Funktionalhierarchie zu. Eine Gesprächspartnerin illustrierte diesen Sachverhalt wie folgt:

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„Eine unserer großen Konzerninitiativen hat den schönen Namen ‚ACT‘, darüber hatten Sie glaub‘ ich schon einmal mit Herrn XY (Anonymisierung durch JW) gesprochen. ‚ACT‘ steht für ‚Achieve Change @ ThyssenKrupp‘. ‚ACT‘ war das Matrixprojekt oder ist immer noch das Matrixprojekt des Konzerns, mit dem wir, und da können wir gleich etwas länger drauf eingehen, erstmal begonnen haben, in verschieden Dimensionen zu denken. Von einer sehr stark dezentral aufgestellten Organisation, die ausschließlich in einer Dimension gedacht hat, in eine viel stärkere funktionale zentrale Führung. … Und die Aufgabe war nun, die sich auch Herr Hiesinger gestellt hat, wie können wir im Rahmen der strategischen Weiterentwicklung dieses Konzerns, wie müssen wir diesen Konzern zunächst einmal aufstellen, wenn wir Leading Edge Performance und wirklich Benchmark Performance mit unseren Wettbewerbern haben möchten und gleichzeitig wachsen wollen oder wachsen müssen und das insbesondere im Technologiebereich. Unser historischer Stahlfokus ist nun mal, wie man früher immer gesagt hat: 100 Kilometer rund um Duisburg. Und wenn wir stärker in Technologie gehen wollen, was unser Wachstumsmarkt einfach ist, dann müssen wir globalisieren, diversifizieren und das bedeutet, dass man ja auf der einen Seite anders zentral steuern muss, wenn wir ein diversifizierter Industriekonzern sein wollen.“

5. Von einer besonderen Wichtigkeit ist die funktionale Hierarchie in einer Matrixstruktur insbesondere dann, wenn in dem betreffenden Unternehmen das Ziel der Hebung von geschäftsbereichs- und regionenübergreifenden Synergieeffekten von großer Wichtigkeit ist. Nahezu alle Großunternehmen haben in den vergangenen Jahrzehnten Produkt- bzw. Dienstleistungsportfolios aufgebaut und durch Portfolioanpassungen zu optimieren versucht, deren Bestandteile in hohem Maße inhaltlich miteinander verwandt bzw. verwoben sind. Dies ist heutzutage praktisch in jedem diversifizierten Unternehmen der Fall – selbst in solchen, deren Leistungsprogramm relativ weit auf­ ge­ fächert ist (Guldner und Freitag 2018, o.  S.). Und den in diesen verwandten Leistungsprogrammen residierenden Mehrwert gilt es durch passende organisatorische Arrangements freizusetzen. Auch unsere Gesprächspartner vertraten diese Ansicht. Ein Gesprächspartnerin soll hier zu Wort kommen: „Als Konglomerat kann man nur Mehrwert schaffen, wenn man wirklich Verbundeffekte schafft. Wie schafft man diese Verbundeffekte? In dem man Synergien realisiert und die Sy­ nergien kann man durch Kosteneffekte realisieren. Die kann man aber nur erreichen, wenn man gemeinsam eine bessere Führung, wenn man Personalrotation hat, wenn man eine starke Zentralfunktion hat, die das über die verschiedenen Geschäfte realisieren können.“

Ein anderer Gesprächspartner drückte dies organisationstheoretisch aufgeladener aus und sagte: „The functions within the matrix are used to coordinate interdependencies; the firm has fairly complex supply chains; high interdependencies among its foreign subsidiaries and among countries, even across regions“.

Außerdem ist in einigen der beforschten Unternehmen spezialisiertes Personal für das Synergiemanagement zuständig und dieser Personenkreis wird bisweilen „Cluster-­ Manager“ genannt.

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6. Aber auch im Rahmen der Betreuung von Key Accounts spielt eine funktionale Ma­ trixhierarchie eine wichtige Rolle. Wiederum können die in ihr tätigen Manager aufgrund ihrer Outsider-Position besser als Sparten- und Regionenmanager für eine ausgewogene Betreuung dieser Schlüsselkunden sorgen. Ein Gesprächspartner, in der ThyssenKrupp AG im Bereich Components Technology verantwortlich, zeigt dies am Beispiel eines Key Accounts der Automobilbranche: „Unser größter Kunde über den gesamten Konzern ist VW und wir bündeln all das, was wir im Auto machen, in dem sogenannten In-Car-Projekt und da spielen wir rein, da spielt Steel rein mit den Blechen und da spielt auch Industrial Solutions rein mit dem Thema System Engineering. Die bauen Maschinen und Anlagen, die am Ende der Strecke entweder eine Aggregatmontage oder eine Fahrzeugmontage realisieren können. Und das zusammen ist der Automobilfootprint, den wir haben. … Auch In Car war nichts anderes als eine Plattform, um gemeinsame Entwicklungsprojekte im Sinne der Kunden zu heben und zu realisieren.“

Neben diesen Gründen einer funktionalen Matrixhierarchie wurden von den Gesprächspartnern noch weitere genannt wie die Schaffung klarer Führungsstrukturen, das hierdurch ausgelöste Aufbrechen eines geschäftsbereichsspezifischen Silo-Denkens sowie spezifischere Gründe wie die Optimierung der vom Unternehmen zu tragenden Steuerlast sowie eines sorgfältigeren Treffens von Outsourcing-Entscheidungen. Die vorgenannten Einzelaspekte lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Eine funktionale Dimension kann über Produkt-/Geschäftsbereiche Koordinationsleistung erbringen, um unternehmensweitere Economies of Scale and Scope zu realisieren, am besten innerhalb desselben funktionalen Tätigkeitsfelds. Typischerweise ist hierzu ein höheres Maß an Standardisierung auf der Gesamtunternehmensebene erforderlich. 2. Auch kann die funktionale Dimension dazu dienen, innerhalb von Produkt-/Geschäftsbereichen Economies of Scale zu heben, ebenfalls innerhalb desselben funktionalen Tätigkeitsfelds. Auch hier ist Standardisierung ein wichtiges Realisierungsinstrument. Da in vielen Unternehmen die größten Scale- und Scope-Potenziale innerhalb der Funktionsbereiche liegen, ist die funktionale Dimension das Instrument der Wahl zur Realisierung dieser Möglichkeiten. 3. Die funktionale Dimension hilft aber auch, um die Lerneffekte zwischen den Produkt-/ Geschäftsbereichen zu verbessern, was zu neuen, stärker integrierten Marktleistungen führen kann. Die vorgenannten Gründe für die Schaffung einer funktionalen Hierarchie innerhalb der Matrixstruktur korrespondieren in hohem Maße mit den im vorigen Hauptabschnitt präsentierten Zielen der Einrichtung einer Matrixstruktur. Dies lässt den Schluss zu, dass in vielen Unternehmen die funktionale Hierarchie besonders wichtig ist, was gut zu den oben referierten empirischen Befunden über funktionale Organisationseinheiten passt.

3.1 Die funktionale Dimension in der Matrix

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Diesen oben genannten Aspekt der Aufwertung der funktionalen Hierarchie in einer Matrixstruktur haben wir auch in den vorliegenden Interviews thematisiert. Dabei überwog bei unseren Gesprächspartnern zweifelsfrei die Ansicht, dass in ihrem Unternehmen in den letzten Jahren die zentralen Funktionen erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Als Beispiel sei die Äußerung eines Gesprächspartners wiedergegeben: „Erstmal ist es absolut richtig, dass die Funktionen ganz klar gestärkt worden sind.“ Ein anderer Gesprächspartner sah diese Entwicklung in seinem Unternehmen als noch nicht abgeschlossen an und umschrieb den früher herrschenden Zustand: „Ja, ich finde, der Prozess hält noch an. Was ich auch nur aus Erzählungen kenne oder als ich das erste Mal in Thailand war und mir den Geschäftsführer da mal angeguckt habe. Im Vergleich zu dem, was ich jetzt mache, das war noch ein ‚Lokalfürst‘. Thailand … das war seine Organisation, da gab es überhaupt keine Frage, dass alle Entscheidungen dann auch lokal getroffen werden. … Das ist mittlerweile eben ganz anders.“

Als Indiz für die erfolgte Gewichtsverlagerung kann auch gelten, dass es in den Unternehmen im Bereich der zentralen Funktionen zu einem deutlichen Personalaufbau gekommen ist. So antwortete der Leiter einer zentralen Complianceeinheit: „Also der Compliancebereich hat vor vier oder fünf Jahren eine Handvoll Mitarbeiter gehabt. Jetzt sind wir bei 60 mit einer Zielsetzung 70.“ Außerdem scheint der Bedeutungsgewinn der funktionalen Einheiten im Zuge der Einrichtung der Matrixstruktur erfolgt zu sein. Ein Gesprächspartner bemerkte: „Ja, das ist das, was die Matrix jetzt gebracht hat.“ In diesem Zusammenhang haben wir auch exploriert, wie der Prozess der Einrichtung bzw. Stärkung zentraler Funktionsbereiche in den Unternehmen geschehen ist bzw. idealerweise geschehen sollte. Unstrittig unter den Befragten war dabei, dass dieser Prozess sehr intensive Diskussions- bzw. Verargumentationsprozesse erfordert: „When the matrix was created, we had to argue strongly for strong functions, so that the divisions comprehended what we want to have. Then, based on side-letters, it was slowly evolving and there were many agreements and then – at a specific point – it became complicated.“

Auf der anderen Seite ist uns jedoch auch klargemacht worden, dass ein Argumentieren bei derartigen weitreichenden Änderungen allein nicht ausreicht. Unabdingbar ist eine Unterstützung durch die höchsten Ebenen des Unternehmens und damit der „Druck der ­Hierarchie“. So wurde uns auf die Frage, wie man solch‘ eine Veränderung auf den Weg bringt, geantwortet: „Brutal force. You need a board decision for doing so. And there are two sorts of complexities involved. First, you have to make sure that everybody understands what you are talking about, when you move from the old model to the other. So that needs some lengthy discussions, explaining, explaining, explaining. Because we do not have this implemented as an integrated concept, we have to explain it case by case. And second, you need to make sure that all the board members agree to that. So we had that on the table last week. …“

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Der Weg der Unterstützung durch die oberste Unternehmensleitung wurde auch in der Volkswagen AG gewählt: „We have discussed with the board that (because of the firm’s growth goals) we have to centralize the steering a little bit, that the headquarters units … are able to steer through directly those functions.“ Dabei reicht es nicht aus, wenn nur Teile der obersten Geschäftsleitung für eine derartige Veränderung sind – alle Mitglieder dieser Führungsebene müssen von ihr restlos überzeugt sein. Nach dem vorhin zitierten Gesprächspartner war dies in seinem Unternehmen in kritischen Phasen nicht der Fall: „We were planning to make a decision towards this direction. And everybody was fine in the process, everybody saw the necessity to do so, but then one of our board members said ‚no, we can’t do that because some staff people have explained to me that this is tricky and this has that implication in the local operations.‘ So he has got second thoughts about that and we had to start the whole process again, again, again. So it is really painful.“

Aus einem anderen Unternehmen war zu vernehmen, wie man den erforderlichen starken Druck ausüben kann: „One big lever is the reduction of headcounts of the different units. For example, if you got a fully-fledged HR organization in Germany for example and if you use this by a special number of people, you create new jobs in a functional HR department with these centers of expertise. People can apply for these jobs. But everybody knows that they have to reduce the HR, so they cannot do the service, they cannot operate at that comfort level they used to operate. And that is actually the measure we try to apply in order to strengthen these functions.“

In diesem Unternehmen entzog das Headquarters den dezentralen Einheiten also einfach personelle Ressourcen in der Absicht, dass diese dann schon von alleine die „Hilfe“ der zentralen Funktionsbereiche in Anspruch nehmen werden – was dann auch geschah. Auch haben wir die Frage behandelt, wie unsere Informanten die erfolgte Stärkung der zentralen Funktionsbereiche beurteilen. Zu Wort kommen sollen hier ausschließlich Gesprächspartner aus den dezentralen Einheiten der erforschten Unternehmen, weil aus den zentralen Funktionsbereichen wohl kaum skeptische Stimmen zu erwarten sind. Interessanterweise sind auch die von uns befragten ranghohen Vertreter der dezentralen Einheiten von der Notwendigkeit einer Stärkung der zentralen Funktionsbereiche in der Matrix überzeugt (bei rangniedrigeren Führungskräften in den dezentralen Einheiten mag eine andere Sicht vorherrschen). So bemerkte beispielsweise ein Gesprächspartner: „Dies halte ich auch für richtig, wenn man diesen Konzern wirklich als integrierten Konzern darstellen und am Ende auch weiterentwickeln will. Ansonsten, wie soll man den integrieren, wenn man nicht über die Funktionen, eigentlich diese Querfunktion gewährleistet und sagt, das wird vereinheitlicht, das wird zentral gesteuert, wo auch immer das auch geht und Sinn macht.“

Ein anderer Gesprächspartner hob die Supply-Chain-Funktion heraus und sagte: „Es ist sicherlich schon so, dass in der heutigen Welt solche Sachen wie Supply Chain zum Beispiel, globale Supply Chain, immer mehr Bedeutung bekommen, weil es einfach so wichtig

3.1 Die funktionale Dimension in der Matrix

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ist. Weil aufgrund der Technologie und der IT und was es da alles gibt, ist das natürlich schon wichtig. Dass es so ein komplexes Gebilde wird, dass man da Unterstützung braucht auch, als Geschäftseinheit und nicht mehr alles alleine machen kann. Deswegen brauchen wir da Fachleute, die sich damit auskennen.“

Eine weitere zu diesem Tenor passende Aussage lautete: „In my opinion, there are several reasons why the functions have gained importance during the last years. … If I compare for instance the situation existing 15 years ago: At that time, nobody had discussed the compliance topic. This was simply not relevant. Today, in all serious firms, we have huge departments dealing with this issue ….“

Gleichwohl wurde eine – freilich geringe – Zahl an Bedenken geäußert. Danach steht diese Zentralisierungstendenz zu dem Umstand im Widerspruch, dass gerade im Auslandsgeschäft die in den Gastländern ansässigen Einheiten (insbesondere die Leiter der Auslandsgesellschaften) formal die Verantwortung zu tragen hätten. Aus der Telekommunikationsbranche hörten wir: „This is a wide, wide field. From a legal point of view, they will always have a P&L responsibility. … You know, they always will have to sign and reiterate central decisions. Even when the group board says green, the local board also has to sign, yes, we want green, from a purely legal perspective. Therefore, from a legal perspective, they will have the P&L responsibility. From a managerial perspective, this is where you start to have lengthy discussions. Because you provide excuses for the local management for not meeting the targets. This is where it becomes really difficult.“

In den Interviews ist deutlich geworden, dass die Teilhierarchien der Matrix bei unterschiedlichen Entscheidungsangelegenheiten in ungleichem Maße kompetent sind und dementsprechend die Einflusshöhe der Matrixdimensionen entscheidungsangelegenheitenspezifisch variieren sollte. Demzufolge soll im weiteren Verlauf dieses Abschnittes nun der Frage nachgegangen werden, bei welchen Entscheidungsangelegenheiten die funktio­ nale Hierarchie in der Matrix gegenüber der produktbezogenen oder der regionenbezogenen relativ viel Einfluss genießt. 1. Erwartungsgemäß haben die Manager der zentralen Funktionsbereiche bei jenen Entscheidungsangelegenheiten viel Einfluss, die ein besonderes Maß an Fachspezifität aufweisen und dementsprechend viel Spezial-Know-how verlangen. Zu nennen sind hier zunächst Entscheidungen der Bereiche Finanzwirtschaft, Rechnungswesen und Steuern. In den Interviews mehrfach genannt wurde das Feld der Buchung von Rückstellungen, das nicht nur viel fachspezifische Kompetenz verlangt, sondern im Regelfall auch einen großen finanziellen Umfang und damit eine erhebliche Gesamtbelastung für das Unternehmen aufweist. Gerade in diesem Entscheidungsbereich wurde gesprächspartnerseitig auf das oben bereits genannte Problem hingewiesen, welches bei einer starken Zentralisation entsteht, da vom Gesetz her gesehen die dezentralen Einheiten die Haftung tragen. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis

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3  Die funktionale, produktbezogene und regionale Dimension innerhalb der …

eines Gesprächspartners, dass Finanzwirtschaft auch deshalb stärker zentralisiert sei, weil es im Unternehmen mehr Durchschlagskraft als z. B. Personalwesen habe. Aus dem Bereich des Controlling kann zu Illustrationszwecken auf das oben bereits genannte ThyssenKrupp-Projekt DAPRO verwiesen werden, welches über die einzelnen Geschäftsbereiche implementiert ist. Um eine Einheitlichkeit der Prozesse zu erreichen, muss der strukturelle Rahmen der in DAPRO enthaltenen Governance-­Funktionen wie zum Beispiel CU, FI, Kontenrahmen, Abrechnungsthemen, Berichtszeitthemen oder auch die Struktur der (langfristigen) Planungsprozesse rigoros von der Zentrale vorgegeben werden, so dass die einzelnen Geschäftsbereiche und Regionaleinheiten diesen nur noch umsetzen. Eine ähnliche Dominanz der zentralen Funktionsbereiche ist sinnvoll, wenn es Controlling-Strukturen weiterzuentwickeln gilt. Eine gleichartige Vorgehensweise empfiehlt sich beim Thema „Steuern“. Ein Vorstandsmitglied einer ThyssenKrupp-Sparte bemerkte: „Da haben wir im Prinzip kein Sagen, wir setzen es entsprechend in den Ländern um, je nachdem, was die Vorgabe der Zentrale ist.“ Ein hohes Maß an Funktionsbereichs-Dominanz findet sich sinnvollerweise auch bei weiteren Entscheidungsangelegenheiten, die juristisch sensibel sind. Aus diesem Spek­ trum sind zunächst Investor-Relations-bezogene Entscheidungen zu nennen. Ebenfalls in diesen Bereich fällt das Gestaltungsfeld „Mergers & Acquisitions“. Dieses wird typischerweise von den zentralen Funktionsbereichen in die Hand genommen, selbst wenn ein einzelner rechtlich selbständiger Geschäftsbereich ein anderes Business erwerben will und somit die Auswirkungen auf das Insgesamt des Unternehmens nur indirekter Natur sind. Eine direkt an den Vorstand berichtende Funktionsbereichsleiterin bemerkte: „Da kümmere ich mich auch gar nicht mehr im weitesten Sinne um irgendwelche peripheren Mitarbeiter, sondern das wird direkt in der Hierarchie abgestimmt …“ 2 . Auch im Bereich „IT“ ist eine starke Einflussnahme durch den zentralen Funktionsbereich sinnvoll. Mehrere Gründe sind hierfür ausschlaggebend: Erstens gehört IT zu jenen Themen, die sich am besten erfolgreich gestalten lassen, wenn man „sie global spielt“. Und zweitens lassen sich hierdurch erhebliche Effizienzvorteile freisetzen. Für eine Region, ein Land oder sogar einen Standort separat ein IT-System anzuschaffen, ist sowohl anschaffungsökonomisch als auch informationsflussbezogen sehr schwierig. „Wenn ich das Ganze auf globaler Ebene mache und mit einer entsprechenden Verhandlungsmacht rangehe und mit einer entsprechenden Purchase-Power, dann sieht es schon anders aus.“ Es ist daher wenig verwunderlich, dass praktisch in allen von uns kontaktieren Unternehmen derzeit Projekte zur Harmonisierung bzw. Standardisierung der IT-Konfigurationen laufen und dass sehr viel Zentralität in der Entscheidungsfindung besteht. Ein Vertreter eines zentralen Funktionsbereichs sagte: „Da gibt es aber administrative Prozesse, wo das Land gar keine Mitspracherechte hat. Wenn wir sagen, wir führen SAP weltweit ein, dann führen wir SAP weltweit ein und irgendwann kommt das Land X dran. Es kann überhaupt nicht mitentscheiden über die Inhalte, gewisse Ausprägungen ja, aber nicht über die Grundsatzregelungen.“ Er fuhr fort: „Mit den Teilein-

3.1 Die funktionale Dimension in der Matrix

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heiten kann man dann eigentlich nur noch diskutieren: ‚Okay, wie ist vielleicht die konkrete Ausprägung, wie ist die timeline? Vielleicht ist dieses Jahr schlecht, um dieses Projekt zu führen, vielleicht machen wir das dann lieber nächstes Jahr.‘“

Ein hohes Maß an IT-Standardisierung und -Zentralisierung betrifft dabei Dinge wie EAP, Customer-Relationship-Management-Systeme oder Basis-Infrastrukturen. Ein Vertreter eines Energieunternehmens bemerkte sogar: „In the future it will be that we join that all together in one IT. … In the future, it will be that then the CIO … can say this project will be executed in all areas or in all global units, because this is important. You follow these procedures and that is what the future will be. We will take the decisions on a more hierarchical basis“.

In manchen Unternehmen hatten die dezentralen Einheiten die im Zuge derartiger Veränderungen entstehenden Kosten in ihrer P&L abzubilden, was bisweilen zu Konflikten führte. Dies sei hier noch bemerkt. 3. Mit dem Bereich „Einkauf/Supply Chain Management“ ist ein weiterer Bereich gegeben, in dem in matrixstrukturierten Unternehmen die funktionale Hierarchie erheblichen Einfluss im Entscheidungsprozess ausübt. Dies ist insofern nicht weiter verwunderlich, als sich mittels eines geschäftsbereichsübergreifenden Global Sourcing wesentliche Kostensenkungseffekte realisieren lassen. Im Supply-Chain-Bereich ist eine Federführung der funktionalen Hierarchie auch deshalb geboten, weil in vielen Unternehmen die Liefer- und Leistungssysteme einen sehr hohen Komplexitätsgrad erreicht haben, der von einer Außenstelle nicht erfolgreich gesteuert werden kann. Vielmehr ist ein Einwirken hochspezialisierter Fachleute erforderlich, die eine Art „Excellence Unit“ bilden. Im Einkauf könnte eine sinnvolle Arbeitsteilung so aussehen, dass der zentrale Funktionsbereich bei der Koordination der „großen Einkaufsthemen“ mehr Einfluss ausübt. Dort könnte dann eine Art „Commodity-Truppe“ tätig sein, die für den Aufbau der Beziehungen zu und die Bewertung von Lieferanten zuständig ist. Die Einkäufer in den einzelnen Geschäftsbereichen hätten dann mehr Zuständigkeit für die Einzelprojekte des Beschaffungsbereichs. Ein Bedeutungsgewinn der zentralen Funktionsbereiche empfiehlt sich in den Bereichen Beschaffung und Supply Chain Management aber auch deshalb, weil sich in diesen mit der systematischen Nutzung von IT erhebliche Vorteile erzielen lassen. 4. Von einer andersartigen Logik ist der zwischenzeitlich auch in der Kommunikations­ politik vorzufindende Trend der starken Mitwirkung der Funktionalhierarchie geprägt. Hier ist das vorzufindende Streben nach einer Einheitlichkeit in der Ausführung weniger durch das Ziel der Kostensenkung, sondern durch das Bemühen um eine Vermeidung eines inkonsistenten und damit unklaren Außenauftritts geprägt. So bemerkte ein Gesprächspartner: „Das heißt also, für uns kommt es da sehr darauf an, den Namen, die Marke XY (Name des Unternehmens durch JW anonymisiert) zu stärken, um über das, was wir da vermitteln kön-

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3  Die funktionale, produktbezogene und regionale Dimension innerhalb der … nen, dann auch eine positive Wirkung auf die Wahrnehmung unserer Produkte zu schaffen. Das heißt also, für uns ist die Unternehmensmarke XY eine wichtige, auch im Markt fördernde Reputation und das heißt also auch, wir versuchen viel zu bündeln und viel auf die Marke XY zu ziehen.“

Auch spielt die Erkenntnis eine Rolle, dass bei sehr vielen Kommunikationsprozessen etwas nach außen gesagt wird. Dies kann bei einem wenig sorgfältigen Vorgehen leicht dazu führen, dass unternehmensgefährdend gehandelt wird. „So etwas muss dann einfach abgestellt werden.“ Allerdings variiert der Einflussgrad der funktionalen Hierarchie selbst innerhalb der Kommunikationspolitik: „Wenn es Investor Relations-bezogene oder politische Kommunikationen sind, dann ist die zentrale Kommunikationsabteilung zuständig, wenn es produktbezogene Kommunikationen oder interne, bezogen auf die Produktsparte sind, dann hat die Kommunikationsabteilung des Geschäftsbereichs mehr Gewicht.“

5. Die Bereiche „Personal“ und „Marketing/Vertrieb“ sind traditionellerweise jene, in denen in den Unternehmen viel Dezentralität herrscht (Wolf 1994, S. 150). Aber selbst hier mischen in matrixstrukturierten Unternehmen zwischenzeitlich die Vertreter der zentralen Funktionalhierarchie kräftig mit. Im Personalbereich könnte eine sinnvolle Arbeitsteilung dergestalt aussehen, dass die zentralen Personalbereiche bei übergeordneten Themen wie der Personalbedarfsplanung federführend eingreifen. In zahlreichen der von uns explorierten Unternehmen scheint dies auch genau so gehandhabt zu werden. Als Beispiel wollen wir auf die Äußerung einer Auslandsgesellschafts-Fach­ führungskraft verweisen: „Andererseits kann er (der zentrale Personalbereich, Erg. durch JW) verhindern, dass in meinem Zuständigkeitsbereich zusätzliche Stellen eingerichtet werden. Die Bestimmung der Stellenmenge sozusagen, die liegt bei den Funktionen. Die Funktionen, also Accounting, Procurement, die Funktionsleiter aus Leverkusen sagen mir ganz genau, wir genehmigen Dir acht oder neun oder zehn Stellen für diese Funktion.“

Eine beträchtliche Mitwirkung der zentralen Funktionsbereiche findet sich insbesondere bei Entscheidungen über die Auswahl von Führungskräften in den Geschäftsbereichen und Regionaleinheiten, wobei sich hier zwei unterschiedliche Hand­ habungsformen finden. Die erste wird durch eine in einer Auslandsgesellschaft der BHC tätige Führungskraft umschrieben: „Also, ich hatte ja schon gesagt, Hire and Fire liegt in meinem Fall bei der FACT-Community in Leverkusen, also bei meinen funktionalen Chefs. Die entscheiden das, wer hier CFO wird und … der Chef hier vor Ort … hat nur ein Veto-Recht. Er hat kein eigenes Vorschlagsrecht.“

Eine weniger restriktive Handhabungsform liegt vor, wenn danach unterschieden wird, ob es sich um eine geschäftsnahe oder um eine Verwaltungsposition im Geschäftsbereich bzw. der Regionaleinheit handelt und bei der sich die zentrale Hierar-

3.2 Die Produktdimension in der Matrix

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chie nur bei der Besetzung von Verwaltungspositionen erheblich einbringt. In einer Gesamtbetrachtung dieser beiden Handhabungsformen scheint die zweite besser zur P&L-Natur der Geschäftsbereiche und Regionaleinheiten zu passen. In den befragten Unternehmen fanden wir aber auch ein Bemühen der zentralen Funktionsbereiche, die Führungsprozesse der Geschäftsbereiche und Regionaleinheiten zu strukturieren. Ein Gesprächspartner betonte: „What we want to structure very much from the central HQ side is the question: ‚In which way do typical leadership processes in the world operate/function?‘“ 6. Schließlich finden sich selbst in den Bereichen Marketing/Sales zwischenzeitlich Themen, bei denen die zentralen Funktionsbereiche erheblich einwirken. Grundsätzlich ist ein Involvement dann angezeigt, wenn es sich um systemische Angelegenheiten handelt, die mehrere Geschäftsbereiche und Regionen betreffen. Zu denken ist etwa an die Implementierung eines Customer-Relationship-Management-Systems, in dem es darum geht, die Kontakte mit den Kunden zu dokumentieren und daraus die passenden Schlüsse zu ziehen. Ein Gesprächspartner sagte: „Das ist so ein typisches Thema. Das war in der Vergangenheit eine divisionale Entscheidung, unterschiedliche Systemstruktur, die Anzahl unterschiedlicher Systeme ist ein wesentlicher Kostentreiber für unsere Organisation. Da hat man irgendwann gesagt, lass uns eine Strategie entwickeln, wo wir uns auf ein, zwei Systeme beschränken …“

Aber auch Entscheidungsfelder wie dasjenige eines Produkt-Roll-outs sind geeignet, federführend durch die funktionale Hierarchie gesteuert zu werden. 7. Rückblickend auf die dargestellten Entscheidungsfelder haben in matrixstrukturierten Unternehmen heutzutage die Vertreter der Funktionalhierarchie bei vielerlei Entscheidungen die Zügel in die Hand genommen. Ein Involvement der Funktionalhierarchie ist dabei wahrscheinlich, wenn es sich um Entscheidungsangelegenheiten handelt, die sehr viel hochspezifisches Fachwissen verlangen, über die einzelnen Geschäftsbereiche des Unternehmens hinwegreichen (wie es beispielsweise für sogenannte Prozessthemen der Fall ist), von einer systemischen Natur sind, Effekte für das Insgesamt des Unternehmens haben (könnten), bei denen heterogene Umwelteinflüsse nicht bestehen oder weniger zu beachten sind und die ein beträchtliches finanzielles Volumen auf­weisen.

3.2

Die Produktdimension in der Matrix

Die Mehrzahl matrixstrukturierter Unternehmen hat in ihrer Struktur eine produktorientierte (geschäftsbereichsorientierte) Dimension verankert (Egelhoff und Wolf 2017) (im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nur relativ wenige Unternehmen mit einer Funktions-­ Regionen-­Struktur arbeiten). Was sind jedoch die wichtigsten Gründe, warum in so vielen matrixstrukturierten Unternehmen eine Produktdimension innerhalb der Matrix angezeigt ist?

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3  Die funktionale, produktbezogene und regionale Dimension innerhalb der …

Auch bei der Beantwortung dieser Frage kann zunächst auf die einschlägige auf Ma­ trixstrukturen bezogene Strategie-Struktur-Forschung (Wolf und Egelhoff 2002; Egelhoff et al. 2013) zurückgegriffen werden. Ein Grund besteht darin, dass viele dieser Unternehmen einen erheblichen leistungsprogrammbezogenen Diversifikationsgrad aufweisen, der seinerseits ein hohes Maß an marktbezogener und technologischer Komplexität mit sich bringt. Dies führt zu einem erhöhten Bedarf an funktionsbereichsübergreifender Informationsverarbeitung, welcher durch eine funktionale oder regionenbezogene Hierarchie in einer Matrix nicht zu bewältigen ist (Egelhoff und Wolf 2017, S. 82 f.). Wie im Falle der funktionalen Dimension spielen jedoch auch hier weitere Gründe eine Rolle, die sich nicht im Rahmen der großzahligen Strategie-Struktur-Forschung aufarbeiten lassen. Diese Gründe sind wiederum im Rahmen unserer Interviews offensichtlich geworden. 1. So ist es zunächst für nicht wenige Unternehmen wichtig, dass sie über Einheiten mit einer klaren Profit-and-Loss-(P&L-)Verantwortlichkeit verfügen und diese Aufgabe obliegt in gleichsam naturgegebener Weise den produktorientierten Unternehmenseinheiten. Sind derartige Einheiten in einem Unternehmen eingerichtet, dann können diese als „globale Unternehmer“ agieren und als Anwalt der Geschäftsinteressen dienen. Dieses Argument hat eine Gesprächspartnerin spezifiziert: „Wir geben den Business Areas die Aufgabe, die Planung und die strategische Marktbetrachtung auf Regionen runter zu brechen. Und dann ist unsere Aufgabe hier in der Holding, das zu schneiden und quasi einen Würfel draus zu machen.“

Außerdem hilft die Verankerung von Einheiten mit klarer P&L-Verantwortlichkeit, dass in den Unternehmen Gegenpole zu den unternehmensweit ausgerichteten Perspektiven der zentralen Funktionsbereiche bestehen. Auch hier soll die vorgenannte Gesprächspartnerin zu Wort kommen: „Und das heißt, wann immer diese gerade zuvor genannten Themen zum Konflikt mit der P&L und der Wirtschaftlichkeit führen, dann muss in der Tat diskutiert werden und die letztendliche Entscheidung kann dann auch bei der Business Area liegen …“

2. Auf der anderen Seite wird in verschiedenen Unternehmen deshalb eine Produktdimension in der Matrixstruktur eingerichtet, weil man mit dieser die Erzielung einer hinreichenden Nähe des Unternehmens zu seinen Märkten gewährleisten will. Insbesondere bestehen dann im Unternehmen Einheiten, welchen eine marktgerechte Entwicklung und Gestaltung der offerierten Produkte oder Dienstleistungen obliegt. Entscheidungsträger in einer funktionalen oder regionalen Hierarchie in einer Matrix vermögen diese Leistung nicht so gut zu erbringen, weil sie in geringem Maße als Business Areas über produktbezogene Kompetenzen verfügen. Ein Gesprächspartner stimmte diesem Gedanken zu und führte aus:

3.2 Die Produktdimension in der Matrix

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„Unsere Business Areas müssen marktnah agieren, denn im Kern ist es ja ihre Aufgabe, genau diese Übersetzungsarbeit zu leisten. Sonst bräuchten Sie die Business Areas nicht. Dann können Sie sie komplett abschaffen. … So wie wir aufgebaut sind, sind die Business Areas ich sag mal so eine Art Vorfluter …“.

Wenn die Anzahl und Verschiedenartigkeit der von unseren Gesprächspartnern vorgetragenen, soeben referierten Gründe für die Produktdimension in der Matrixstruktur kleiner ist als im Falle der funktionalen sowie regionalen Dimension in der Matrix, dann darf hieraus nicht geschlossen werden, dass eine Produktdimension für matrixstrukturierte Unternehmen weniger wichtig ist als die beiden anderen Dimensionen. Ganz im Gegenteil: Für stark diversifizierte Unternehmen ist die Existenz einer Produktdimension in einer Matrixstruktur sehr selbstverständlich. Für sie bedarf es gar keiner anderweitigen expliziten Begründung für die Nutzung dieser Strukturdi­mension. Wie im Zusammenhang mit der funktionalen Dimension in der Matrix soll nun auch hier eruiert werden, (1) welche Bedeutung eine produktorientierte Dimension im Vergleich zu einer anderen Dimension in der Matrix genießt und (2) von welchen Einflussfaktoren diese relative Bedeutung abzuhängen scheint. Mit Blick auf die erstgenannte Fragestellung ist zunächst festzuhalten, dass fast alle Gesprächspartner, mit denen wir diesen Aspekt exploriert haben, der produktorientierten Dimension ein hohes Bedeutungsgewicht zuschreiben und teilweise sogar normativ fordern. Interessanterweise wurde diese Sichtweise nicht nur von in den Business Areas tätigen Gesprächspartnern, sondern auch von solchen artikuliert, die regionen- oder funktionsbezogene Verantwortung tragen. Ein befragter Business-Area-Leiter hat die Vorfahrt der Produktdimension am deutlichsten zum Ausdruck gebracht. Er forderte klar: „Die Produktdimension muss immer zuerst kommen.“ Und er begründete dies wie folgt: „… weil da machen wir unser Geld und die Kunden spüren das. … Die Funktion muss danach gelagert sein, weil die bestimmt, was brauchen wir, um das Geschäft erfolgreich zu machen, und dann kommt die Region, die dann die License to operate erfüllt. … (Sie muss, Erg. durch JW) die Lücken füllen, die die einzelnen Geschäfte und die Funktionen halt lassen. … Und wenn diese Hackordnung nicht klar ist, dann glauben alle, sie stehen an Nummer eins, und dann wird es schwierig.“

Ein anderer Gesprächspartner, Leiter einer großen Region innerhalb der ThyssenKrupp AG, hatte die gleiche Antworttendenz, drückte es jedoch weicher aus: „Es gibt ja schon eine gewisse Priorisierung auch. Also die direkte Linie an die P&L-­ Verantwortlichen hier, die ist halt stärker als die Linie zu uns. Das ist einfach so. … Ja, das ist dann eine Strategiediskussion zum Beispiel, die ja bei uns in dem strategischen Dialog stattfindet, wo wir (die Regionaleinheiten, Erg. durch JW) dann letztendlich die Business Area challengen …“

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3  Die funktionale, produktbezogene und regionale Dimension innerhalb der …

Auch von Vertretern der Funktionalhierarchie matrixstrukturierter Unternehmen wurde diese Sichtweise bestätigt. Auf unsere Frage: „Aber heißt dies dann, dass in Ihrem Unternehmen dann doch die Business Lines mehr Gewicht haben?“ antwortete ein Vertreter des zentralen Finanzbereichs von UPM-Kymmene: „Offensichtlich, ja, ja.  – Ja natürlich, doch. Die Verantwortlichen dieser Produktlinien, oder Business Groups, wie wir sie nennen, die Präsidenten, die spielen natürlich eine ganz wichtige Rolle.“ Und eine Gesprächspartnerin von der zentralen Strategieabteilung der ThyssenKrupp AG merkte an: „Bei uns gilt das Prinzip: ‚Die P&L-Responsibility liegt im Geschäft.‘ Das heißt, die letzte Verantwortung für alles, was der (Business-Area-Leiter, Erg. durch JW) getroffen hat, muss der Manager im Geschäft mittragen. Und wenn etwas betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll ist, dann müssen wir (die zentralen Funktionsbereiche, Erg. durch JW) wirklich gute Gründe haben, um ihn trotzdem zu überzeugen …“

Im Folgenden soll nun herausgearbeitet werden, bei welchen Arten von Entscheidungsangelegenheiten und -situationen die produktbezogene Hierarchie innerhalb einer Ma­ trixstruktur ein besonderes Gewicht hat. Dies scheint insbesondere bei den nachfolgenden fünf Arten von Entscheidungsangelegenheiten und -situationen der Fall zu sein. 1. Sehr klar hat sich in den Interviews herausgeschält, dass die Business Areas gegenüber der funktionalen oder regionenbezogenen Hierarchie dann ein besonders Gewicht genießen, wenn es um produktbezogene Angelegenheiten bzw. das Geschäft selbst geht. Inhaltlich erscheint diese Vorfahrtsregel plausibel, dürfte es doch recht wenige Unternehmen geben, bei denen die Business Areas nicht P&L-Verantwortung tragen. Demzufolge billigt man ihnen das Entscheidungsrecht für die Frage zu, was sie als richtig für ihr Geschäft ansehen. Die Vorfahrt der Business Areas bei derartigen Entscheidungsangelegenheiten wird typischerweise auch von den Vertretern der regionenbezogenen Hierarchie nicht angezweifelt, obwohl diese in nicht wenigen Unternehmen ebenfalls mit einer P&L-Verantwortung (nämlich für ihre Region) ausgestattet sind. So bemerkte ein in einer Regionalzentrale eines Chemieunternehmens tätiger Manager: „Das wird er (der Chef eines Regional Headquarters, Erg. durch JW) nicht tun. Er wird sich nicht in das Geschäft einmischen. Erst recht nicht in das Tagesgeschäft. Aber er könnte z. B. natürlich sagen, dass er in seiner Region ein Kostenreduktionsprogramm hat, das er mal quer über alle Einheiten (inklusive der funktionalen) auflegen möchte …“

Das scheint dann aber eher ein Vorschlag als eine Maßgabe zu sein. 2. Weiterhin ist eine Vorfahrt der produktbezogenen Hierarchie auch dann üblich, wenn es um Entscheidungen über die einzelnen Bestandteile des Produktentstehungs- und -vermarktungsprozesses geht. Genannt werden soll hier zunächst die produktnahe (also nicht grundlagenorientierte) Forschung und Entwicklung. Ihre Organisation und Ausführung wird typischerweise in den Business Areas selbst gestaltet. Passend hierzu hörten wir von einem Top Manager der damaligen Wincor Nixdorf AG (jetzt Diebold Nixdorf Holding Germany Inc. & Co. KGaA):

3.2 Die Produktdimension in der Matrix

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„In the business areas we have heads of R&D. … We need them in the business areas since we need good relationships to the customers. We do a lot of reverse engineering. We collaborate with user groups. They are part of the areas of business. R&D is under the business areas.“

Hierzu passendes hörten wir auch aus anderen Unternehmen; z. B. aus der ThyssenKrupp AG: „Also wenn es dann meinetwegen um eine Produktentwicklungs- oder Anpassungsentscheidung geht, dann hat meinetwegen die Business Area das letzte Wort.“ Aber auch bei anderen produktbezogenen Entscheidungen wie Strategie-, Preisbildungs-, Produkt-Roll-out- oder Kommerzialisierungsentscheidungen genießen die Business-­Area-Manager typischerweise Vorfahrt. 3. Außerdem genießen die Business Areas in einer Matrixstruktur auch bei Investitions­ entscheidungen (Standortentscheidungen) typischerweise ein überdurchschnitt­ liches Gewicht. So bemerkte ein Vorstandsmitglied eines ThyssenKrupp-­Ge­schäfts­ bereichs: „Die Entscheidungshoheit liegt bei uns, wenn es um die geschäftlichen Entscheidungen geht. Z. B. in welches Land wollen wir investieren, wo müssen wir restrukturieren etc., das ist komplett von uns abhängig, weil wir auch die komplette Ergebnisverantwortung haben. Und deswegen ist das immer auch themenabhängig, wenn es ums Geschäft geht, wirklich mit dem Kunden und wo man sein Geld hinsetzt, wo man Veränderungen vornimmt …“

Passend hierzu äußerte sich auch der Vertreter einer Regionaleinheit der BHC AG, als er umschrieb, wie er in einer Konfliktsituation gegenüber seinen Business-Area-­ Kollegen kapitulieren musste: „Ich war im Norden tätig, da gab es landesübergreifende Organisationsstrukturen, wo ein Teilkonzern entschieden hat, sich aus Schweden, was ich vertreten habe, zurückzuziehen und alles nach Dänemark zu zentralisieren. Und da habe ich mich zusammen mit dem Landessprecher gegen die Divisionen quergelegt. Wir haben uns sowas von quergelegt. … Am Ende hat nämlich die Division das Überschreibungsrecht, da kannst du dich noch so querlegen, weil das ist eine operative Entscheidung. Wenn er (ein Geschäftsbereichsleiter, Erg. JW) sagt, ich kann mein Geschäft besser machen aus Dänemark heraus, dann kannst du nichts dagegen machen. Und dementsprechend ist die letzte Instanz dann die Operative Unit, und die hat sich dann auch durchgesetzt. Aber es war blutig, sehr blutig …“

4. Das Einflusspotenzial der produktorientierten Dimension in der Matrix hängt aber auch von der Größe des jeweiligen Geschäfts ab. Hat sich dieses in einer Region so weit entwickelt, dass vor Ort zahlreiche diesbezüglichen Entscheidungsbedarfe und Handlungsnotwendigkeiten bestehen, dann wird die Bedeutung der Entscheidungsträger der produktbezogenen Hierarchie tendenziell zunehmen, weil die Business Areas dann aus eigenem Interesse einen größeren Teil ihrer Kompetenzen in diese Region verlagern. Ein Gesprächspartner führte dieses Argument aus: „Das wird ja dann immer weniger für den … Regionenchef handhabbar, wenn es da (in einer bestimmten Region, Erg. JW) Milliardenumsätze gibt … Das heißt, an der Stelle gibt es eine

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3  Die funktionale, produktbezogene und regionale Dimension innerhalb der … eigenständige Entwicklung, einen eigenständigen Einkauf und ein Projektmanagement – also Funktionen, die aus der Business Area/Business Unit heraus in den Regionen gestärkt werden. Damit macht sich diese Einheit noch stärker und dann eher wieder so ein bisschen unabhängiger von dem RHQ, weil sie sagt, ich bin jetzt operativ so stark, dass die mir eh nicht mehr helfen können.“

5. Die hohe Entscheidungsmacht der produktbezogenen Hierarchie gilt freilich nur so lange, wie die Entscheidungen nicht rechtlich fragwürdig sind. So war von einem Gesprächspartner zu hören: „Die Segmente dürfen entscheiden, solange es nicht gegen Recht und Gesetz ist. Und die legalen Gremien, die Aufsichtsräte, die Geschäftsführer legal, die folgen dem dann. Ich sitze z. B. im Aufsichtsrat bei … (anonymisiert durch JW). Diese Einheit wird natürlich aus einer Management-Segmentlogik geführt. Dennoch muss ich als Aufsichtsrat gewisse Entscheidungen freigeben, rein formal, da sind auch Minderheitsaktionäre, ein sehr formaler Akt dann. Und ich tue das immer, sobald das Segment die Zustimmung gegeben hat, dann gebe ich meine Zustimmung, vorher würde ich das nie tun, weil wir klare Vorfahrtsregeln haben.“

3.3

Die regionale Dimension in der Matrix

Eine regionale Dimension findet sich in recht vielen matrixstrukturierten Unternehmen. In Wolfs Untersuchung (2000, S. 198) hatten 66,5 Prozent der matrixstrukturierten Unternehmen eine regionale Dimension, in der Studie von Egelhoff et al. (2013, S. 218) waren es 66,7 Prozent. Deshalb soll auch in diesem Abschnitt zunächst die Frage beantwortet werden, warum in einer Matrixstruktur auf eine regionale Dimension zurückgegriffen wird, bevor dann wiederum zu explorieren sein wird, bei welchen Entscheidungsangelegenheiten diese Dimension gegenüber der(n) anderen Matrixdimension(en) relativ viel Gewicht genießt bzw. genießen sollte. Bei der Beantwortung der ersten Frage kann wiederum auf die etablierte Strategie-­ Struktur-­Forschung (z. B. Wolf und Egelhoff 2002; Egelhoff et al. 2013) zurückgegriffen werden. Danach ist eine regionale Dimension in einer Matrixstruktur dann opportun, wenn das betreffende Unternehmen einen relativ hohen Auslandsumsatz aufweist. Es kann hier deshalb von einer Passung gesprochen werden, weil eine regionale Dimension im Gegensatz zu einer funktionalen oder produktorientierten hilft, den von den (internationalen) Managern zu betreuenden geografischen Umfang zu reduzieren, was eine bessere Nutzung bestehender regionaler Synergie- und Skalenpotenziale ermöglicht (Egelhoff und Wolf 2017, S. 86). Auch erscheint eine regionale Dimension in der Matrixstruktur angebracht, wenn das betreffende Unternehmen eine relativ große Zahl an Auslandsgesellschaften unterhält. Würde in einem solchen Unternehmen eine regionale Dimension (bzw. die dazu gehörenden Regionalzentralen) nicht vorliegen, dann würden sämtliche Auslandsgesellschaften direkt in die Unternehmenszentrale hinein berichten, was dort leicht zu einer Informationsüberlastung führen kann (Egelhoff und Wolf 2017, S. 87). Aber auch im Falle eines hohen Ausmaßes an Auslandsproduktion ist eine regionale Dimension in-

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nerhalb einer Matrixstruktur hilfreich. Dies ist deshalb der Fall, weil sich in vielen internationalen Unternehmen die Produktionsnetzwerke auf einzelne Regionen der Welt beschränken (also nicht darüber hinaus gehen). Und die bei Vorliegen einer regionalen Hierarchie bestehenden Regionalzentralen sind nun eben nützliche Vehikel, um ein hohes Maß an intraregionaler Informationsverarbeitung zu fördern (Egelhoff und Wolf 2017, S. 88 f.). Schließlich ist eine regionale Dimension für Unternehmen mit einer transnationalen Strategie angezeigt, bei der eine gleichzeitige Ausschöpfung von Globalisierungsund Lokalisierungspotenzialen angestrebt wird. Eine regionale Dimension in der Matrix ist hier angemessen, weil diese  – wie oben dargelegt  – die Intra-Regionen-­ Informationsverarbeitung fördert, die andere Matrixdimension (die dann funktional oder produktorientiert ist) hingegen die Inter-Regionen-Informationsverarbeitung sicherstellt. Die letztgenannten Dimensionen sorgen in dem jeweiligen Unternehmen dann auch für ein hinreichendes Maß an unternehmensweiter Standardisierung und Zentralisation, während die regionale Dimension dafür zuständig ist, die globalen Erfordernisse mit den lokalen Notwendigkeiten zu vermitteln (Egelhoff und Wolf 2017, S. 90 f.). Dies sind wie gesagt die Erkenntnisse, welche die Strategie-Struktur-Forschung geliefert hat. Zusammen mit den von uns interviewten Praktikern konnten nun verschiedene weitere Gründe herausgearbeitet werden, die für eine Nutzung einer regionalen Dimension in einer Matrixstruktur sprechen. 1. Eine größere Zahl unserer Gesprächspartner hielt eine regionale Dimension in einer Matrixstruktur dazu dienlich, in den jeweiligen Regionen eine systematische Ge­ schäftsentwicklung zu vollziehen. Besteht eine regionale Dimension nicht, dann ist es ungleich schwieriger, dass sich das Unternehmen in den Regionen vernünftig bewegt. Ein Regionenmanager der ThyssenKrupp AG bemerkte: „Systematische Geschäftsentwicklung meint, dass man die Märkte analysiert und Potenziale herausarbeitet, also z. B. was für ein Geschäftspotenzial hat unser Unternehmen in Ghana und warum ist das so, wie entwickeln sich die lokalen Märkte, welche der Technologieportfolien, die wir heute haben, sind in diesem Land im Moment gefragt, wie sieht dann der Einzelmarkt im Bereich Öl und Gas aus für die Komponenten, für die wir was liefern können, und wenn wir reingehen wollen in das Land, mit wem müssen wir sprechen, was sind die Wettbewerber, etc. Diese ganzen Voranalysen bis hin zu ersten potenziellen Kundenkontakten, um einfach ThyssenKrupp überhaupt erst mal präsent zu machen. Das ist alles so Aufbauarbeit, die dem eigentlichen Verkauf vorausgeht …“

Durch diesen Leistungsbeitrag erweisen sich die Regionaleinheiten sozusagen als „Anwalt der jeweiligen Region im Konzern“. Nach Sicht der Gesprächspartner kann dieser Leistungsbeitrag weder von der Unternehmenszentrale noch von den Geschäftsbereichen gut erbracht werden. So bemerkte ein Leiter einer großen Region mit Blick auf die Unternehmenszentralen: „Wenn Sie, ich sag mal, alles aus der Zentrale steuern, dann verwalten sie dann meistens in den Ländern, das Geschäft aber entwickelt es nicht weiter.“ Dies gilt insbesondere dann,

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wenn eine bestimmte Region zwar wichtig, aber nicht in der Mitte des globalen Radars der Unternehmenszentrale ist: „Unsere Region ist für unser Unternehmen zwar eine interessante und wichtige Region, aber es ist nicht die Region, wo der Vorstand jeden Tag dreimal drauf guckt und sagt, wie sieht es denn jetzt da aus. Dafür sind wir zu klein und somit auch zu unbedeutend.“ Die Geschäftsbereiche von Unternehmen sind geneigt, diesbezüglich Suboptimales zu leisten, weil es ihnen mitunter einfach an einer hinreichenden Motivation oder hinreichenden Ressourcen fehlt. Hierauf lässt ein Statement eines Gesprächspartners schließen: „Was wir auf jeden Fall merken, und das machen alle Business Areas, teilweise sind die überhaupt noch gar nicht in einer Region oder sie lassen sich da nur vertreten von einem Agenten … Dann haben wir dort das Problem, dass die Business Areas, wenn in einer Region nicht vorhanden, im Allgemeinen damit argumentieren, na ja, da ist ja auch für uns nichts los und wir haben jetzt auch nicht die Ressourcen, um uns groß mit dieser Region dort zu beschäftigen. Und wenn sich da opportunistisch was ergibt, dann nehmen sie das mit, aber wenn nicht, dann sehen sie das auch nicht, dann brauchen sie auch nichts zu tun. Was oft eine völlige Fehleinschätzung ist, da weil erst wenn man in eine Region oder in ein Land mal tiefer reingeht, dann erkennt man Geschäftspotenziale, die man vorher nicht gesehen hat.“

Seine Kollegin deutete auf einen möglichen Grund dieses Desinteresses hin: „Wenn Sie sich unsere Business Areas anschauen, die haben alle ihre Headquarters hier in Deutschland. Wenn wir eine Ebene tiefer gehen, zu den Business Units, dann haben sie, mit Ausnahme von (Name der Sparte anonymisiert durch JW), auch alle ihre Headquarters in Deutschland. Was ist denen also psychologisch am Nächsten, welche Märkte entwickeln die?“

Im Gegensatz hierzu weisen die regionalen Einheiten eine viel höhere gastlandsmarktbezogene Aufmerksamkeit auf. Ein Projektentwickler in einer Zukunftsregion bemerkte: „Weil ich sehe natürlich sehr viel mehr hier als die Business Areas oder Business Units. Ich sehe als erster, wenn was nicht in Ordnung ist, dann gehe ich der Sache nach … Hinzu kommt, dass ich Geschäftsopportunitäten mit meinem Team viel mehr wahrnehmen kann, weil meine Teammitglieder sind so im Tagesgeschäft drin, die haben kaum diese Vogelperspektive.“

Mehrere Gesprächspartner aus der ThyssenKrupp AG berichteten, zu welch negativen Effekten das Fehlen hoch eingegliederter regional zuständiger Einheiten führen kann. So brachte ein Gesprächspartner zum Ausdruck: „Wir haben festgestellt über Jahre, als ThyssenKrupp in den Wachstumsmärkten immer schwächer gewachsen ist als der Markt, einfach mal als Faktum, wir sind schwächer gewachsen als der Markt, gerade in Wachstumsmärkten, da stellt man sich ja schon die Frage, wie kommt das?“

Auch wurde uns bedeutet, dass die regionale Hierarchie ihre geschäftsentwicklerische Aufgabe dann am kraftvollsten erbringen kann, wenn ihre Leitungseinheiten, die

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Regionalzentralen, direkt in der jeweiligen Region angesiedelt sind. Der gegenwärtige Trend zur Verlagerung von Unternehmenszentralen (Menz et al. 2015; Nell et al. 2017) sollte vor diesem Hintergrund kritisch reflektiert werden. 2. Einen ähnlichen Sachverhalt haben jene Gesprächspartner thematisiert, nach deren Ansicht eine regionale Dimension in der Matrix dazu dienlich ist, die Geschäftsbereiche in dem jeweiligen geografischen Einzugsbereich herauszufordern. Der Leiter einer großen Zukunftsregion brachte dies wie folgt auf den Punkt: „Wir sollen den Challenger spielen. … Also sagen wir, ihr plant nicht hoch genug, da muss eigentlich mehr kommen aus unserer Sicht. Eure Sicherheitsstandards sind zu niedrig, das müssen wir irgendwie anheben. Also das ist diese Challengerrolle.“

Die Regionen sollen also fortwährend prüfen, ob das bestmögliche in der Region für die Geschäfte bereits herausgeholt worden ist oder nicht. „Das finde ich eine sehr wichtige Unterstützungsfunktion und ich bin auch froh, dass wir diese Regionenverantwortlichen jetzt in den letzten zwei, drei Jahren dahin entwickelt haben.“ In den Geschäftsbereichen wird diese Aufgabe jedoch durchaus kritisch gesehen. So mangele es den Regionenmanagern mitunter an einer hinreichenden geschäftsspezifischen Expertise: „Inhaltlich, und auch wieder ohne Vorwurf, da sitzen ja Leute, die müssen das dann für alle Geschäftsbereiche machen, die müssen Fahrwerke, die müssen Camshafts, die müssen U-Boote, die müssen Stahl und die müssen Aufzüge usw. machen. … Wie viele Jahre muss man im U-Boot-Geschäft arbeiten, um vernünftige Fragen zu stellen? Mindestens eines würde ich mal sagen und wahrscheinlich eher ein paar mehr. Und wenn man sich dann mal ein Konglomerat anguckt wie ThyssenKrupp …“

In die gleiche Richtung argumentierte ein anderer Gesprächspartner: „Aber im eigentlichen Geschäft bringen die gar nichts, also höchst selten, wenn sie irgendeinen Kontakt haben oder irgendwas hochkommt. Aber eigentlich sind die so weit weg vom Geschäft, dass die uns da kaum unterstützen können.“ Ein anderer Kollege aus einem Geschäftsbereich relativierte freilich: „Aber ich gebe mir schon Mühe, diese zu briefen, wie Geschäfte funktionieren, damit sie eben in der Region auch für uns tätig werden können im Sinne von Unterstützung.“ 3. Weiterhin wurde eine regionale Dimension in der Matrixstruktur auch deshalb für nötig gehalten, um hinreichend starke soziale Beziehungen und Netzwerke in der jewei­ ligen Region aufzubauen. Wer in fremden Regionen erfolgreich Geschäfte machen wolle, der brauche einen „… extended arm des Corporate Centers, der lokale Kenntnis, lokale Expertise, Reichweite, Netzwerke und eine Verbundenheit mit Communities hat.“ und der dann für eine hinreichende „connectivity“ in der Region sorgt und sicherstellt, dass das Unternehmen dort auch wie gewünscht wahrgenommen wird. „Die Sache ist diese Verbindung, dieses Netzwerk mit allen möglichen offiziellen Stellen, das funktioniert exzellent, wird auch sehr hoch anerkannt hier von der Politik und Behörden, dass die wissen, wir haben einen Ansprechpartner.“ Eine regionale Dimension sei

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insbesondere dann hilfreich, wenn es um Kontakte mit Arbeitnehmervertretern oder Politikern gehe. „You cannot take the responsibility away from a company to have a close relationship to the labor representative. That needs to be local.“ Die Existenz einer regionalen Dimension und der dazu gehörenden Regionalzentralen ist auch deshalb wichtig, weil andernfalls das Unternehmen in den Gastländern unter Umständen durch einen Kollegen vertreten würde, der in der Hierarchie seines Unternehmens relativ weit unten – vielleicht sogar erst auf der sechsten Hierarchieebene – eingegliedert ist und dementsprechend von den (wirtschafts)politischen Akteuren des jeweiligen Gastlandes wahrscheinlich nicht allzu ernst genommen werden dürfte. „Eine solche Person dürfte sich auf Grund ihrer Funktion und vielleicht auch aufgrund ihrer Ausbildung usw. dann kaum innerhalb eines solchen Landes hochrangig vernetzen können. Wenn Sie eine Struktur dort haben, einen Herrn BASF, der dann ich sag mal präsent und vor Ort ist, sieht das anders aus.“

Diese Notwendigkeit erscheint umso größer, wenn das jeweilige Unternehmen in der jeweiligen Region über eine größere Zahl relativ kleiner Auslandsgesellschaften verfügt. Eine hochrangige hierarchische Eingliederung regionenverantwortlicher Manager bzw. eine Netzwerkbildung aus einer Hand dürfte dabei gerade in Ländern wie China wichtig sein. So merkte ein Vertreter der Daimler AG an: „If we now go back to China: What is the logic to enter this market? Simply spoken: You have to do it with partners who are well networked with each other – and this is true for each kind of business our firm wants to make there … At the end, you will have to do it with the government. They know about everything. Therefore, it is not useful what we did during the last 20 years: First our bus unit went there and did some business, then other units went there and did something – only the other side (the Chinese) always knew everything, and they used it to block us. During the days, when we were together with Chrysler, you had two different car licenses, two different truck licenses and so on. And if an individual business line goes into this market, I say, then they burn down one of these licenses and then you will have pro­ blems … Thus, based on this ratio, we said: ‚We need somebody who, in this market, is res­ ponsible for the whole business system …‘“

Schließlich wird durch die Einziehung einer regionalen Dimension in eine Matrixstruktur vermieden, dass der Geschäftsführer eines bestimmten Gastlandes dieser Region zwei Hüte aufzusetzen hat (Regioneninteressen und Landesinteressen) und somit in eine Konfliktsituation gerät. 4. Auch hilft die Existenz regionenbezogener Einheiten, wenn es darum geht, die inner­ halb von Regionen bestehenden Synergiepotenziale zu heben. Nach der Einschätzung unserer Respondenten sind derartige regionenspezifische Synergiepotenziale vor allem in den Bereichen Finanzwirtschaft und Cash Management, Einkauf, Personalentwicklung und Arbeitsrecht sowie in den Unterstützungsdiensten (Shared Services) zu

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vermuten. In vielen Unternehmen würden in diesen Funktionen selbst dann erhebliche regionenbezogene Synergiepotenziale bestehen, wenn sich die in der jeweiligen Region befindlichen Geschäfte erheblich voneinander unterscheiden. Die Einziehung einer regionalen Hierarchie erscheint auch deshalb vorteilhaft, weil in manchen dieser Funktionen (z. B. dem Arbeitsrecht oder dem Accounting) aufgrund von rechtlichen Unterschieden oder ungleichen Kostenstrukturen die Synergiepotenziale mit anderen Regionen doch sehr begrenzt sind. In diesen Feldern läge innerhalb der jeweiligen Region eine größere Ähnlichkeit vor als zwischen den Regionen. Interessanterweise berichtete ein Gesprächspartner, dass sein Unternehmen in den Monaten vor der Interviewführung damit begonnen hat, von einem globalen auf ein regionales Sourcing überzugehen. Auch dies spricht für eine regionenbezogene Hierarchie. Sie kann hier wesentlich weiterhelfen, weil die in bestimmten Regionen tätigen Geschäftsbereiche typischerweise recht wenig voneinander wissen und dementsprechend die vorhandenen Synergiepotenziale auch nicht einschätzen können. Ein Gesprächspartner führte aus: „Die Vielzahl der Gesellschaften, jede hat ihre eigene Marktsicht entwickelt, ihre eigene Marktstudie gemacht. Jetzt sind sie genau bei dem synergetischen Punkt, macht denn das Sinn, wenn da jeder was macht, oder kann das nicht einer machen.“

5. Überdies wird die Existenz regionaler Hierarchien deshalb für sinnvoll gehalten, weil in vielen Branchen die Kundenbedürfnisse von Region zu Region oder sogar inner­ halb der Region variieren. Verwiesen werden soll hier auf die Äußerung eines Geschäftsbereichsmanagers der ThyssenKrupp AG: „Braucht ein Nordamerikaner denn einen anderen Aufzug als ein Europäer? Zum Teil ja. … Es ist schon so, dass die unterschiedliche Produktcodes haben, Sicherheitsstandards haben. Beispielsweise in den USA müssen Sie bei jedem Aufzug, egal auch in welchem Gebäude, sicherstellen, dass der wirklich behindertengerecht ist, sehr breite Türen hat. Unterschiedliche Erwartungen bestehen aber auch bezüglich der Ausgestaltung eines Aufzuges. Ich will Ihnen mal ein Beispiel nennen, in Russland, da muss ein Aufzug robust sein und wie der innen drin aussieht, ist relativ egal. Hauptsache, die können da besoffen rein und machen nichts kaputt, ich überspitze das. In der Türkei ist das ganz anders, da muss viel ‚blink blink‘ sein. Also viele Spiegel, alles irgendwie Marmor. Ob der Aufzug vom Antrieb gut oder schlecht ist, das ist denen egal, es reicht, dass das Interieur toll aussieht, dann sind die zufrieden.“

Und ein Funktionsbereichsmanager der BASF SE ergänzte: „Ein Beispiel wieder aus dem Automobilbereich. Gucken Sie sich mal die Lackfarben in der Welt an, das hat was von Regionalgeschmack. Da gehen sie in die Pastelltöne in Asien, das muss dann auch noch blitzen und blinken. Und hier fahren sie schwarze Autos und finden das toll. Und wenn Sie das nicht hinkriegen, und das kriegen Sie nicht hin, wenn Sie in Münster sitzen und der Chef von Coatings sind, sich einschließen und sagen, ich mach das jetzt mal so. Das war früher. Das ist nicht heute.“

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Die Notwendigkeit zu einer Einziehung einer regionenspezifischen Hierarchie in eine Matrixstruktur wird dadurch noch gesteigert, dass vielfach die Notwendigkeit besteht, die Marktleistungen nicht nur regional, sondern sogar innerhalb großer Landesmärkte zu variieren. Ein Geschäftsbereichsleiter der BASF SE bemerkte: „Ja klar. Das müssen sie nicht nur regional, das müssen sie sogar lokal anpassen. Das ist in Shanghai anders als in Peking. Und in Changsha anders als in Shengdu. … Also nicht das Pricing meine ich, sondern das Produkt selber. … Und warum muss man das anpassen? Weil unterschiedliche Vorschriften bestehen, das Klima variiert oder andere Geschmacksrichtungen vorliegen? … Das liegt einfach daran, dass jede Automobilanlage anders funktioniert, und deswegen ist das eine sehr regional unterschiedliche Geschichte. Also das Produkt … selbst das Polarschwarz von BMW, was in München läuft, können Sie nicht als Produkt nehmen und einen X3 in South Carolina damit polarschwarz lackieren, der sieht dann nämlich nicht gut aus. Sie müssen das Produkt dann nämlich auf die Anlage in Spartanburg, SC, anpassen …“

Da derartige regionen- und standortspezifische Produktanpassungs- bzw. Nichtanpassungsentscheidungen sehr weitreichend und kostenträchtig sind, können sie nicht von einem relativ weit unten in der Unternehmenshierarchie ansässigen Manager verantwortet werden. Erforderlich sind Entscheidungsträger, die gleichrangig zu den oft nach einer Standardisierung strebenden Produkt- und Funktionalmanagern in die Unternehmenshierarchie eingegliedert sind – und das sind die ranghöchsten Manager in der regionalen Dimension einer Matrixstruktur. 6. Aber auch die landesspezifischen Bedingungen, unter denen innerhalb der Unternehmen die Managementfunktionen auszuüben sind, variieren bisweilen erheblich und auch dies lässt die Einziehung einer regionenspezifischen Hierarchie in das Matrixgefüge sinnvoll erscheinen. In diesem Zusammenhang hat ein Respondent auf den Finanzbereich verwiesen. Er argumentierte: „Wie gesagt ist das gerade in Südamerika ein sehr spezifischer Teil, weil wir da diese ganzen Länderrisiken haben, nehmen wir das Beispiel Argentinien, ständige Abwertungsgefahr, das Beispiel Venezuela, wo wir … auch besonderen Gefahren ausgesetzt sind, selbst in Brasilien mit hoher Inflation, mit Abwertungstendenzen. Da gibt es viele Dinge, die man abstimmt. Aber auch da sind wir in der Regionalzentrale sehr kompetent über Dinge wie ‚wollen wir jetzt hedgen oder nicht hedgen, wollen wir Bata-Geschäfte betreiben?‘“

Auch erwähnte er den Logistikbereich. Dort „gibt es immer, immer Themen, weil da die Landesspezifika auch eine ganz wichtige Rolle spielen. Die Infrastruktur generell in Lateinamerika, speziell auch in Argentinien, ist nicht die, die wir von Europa aus kennen. Ist dann jemand Experte, der meinetwegen in Asien sitzt und einen bestimmten Teil dieses Themas betreut, ist das der Richtige oder ist er es nicht? Das ist dann doch eher ein regional-lokales Thema, an dem sich dann zum Teil die Geister scheiden.“

3.3 Die regionale Dimension in der Matrix

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Schließlich erwähnte er den Bereich des Arbeitsrechts, wo man bei hochrangigen Führungsentscheidungen ebenfalls ohne ein hohes Maß an regional-lokaler Kompetenz nicht auskommt. 7. Eine regionale Hierarchie und damit Regionalzentralen werden aber auch deshalb benötigt, weil es den Managementeinheiten vieler Auslandsgesellschaften internatio­ naler Unternehmen an einer kritischen Masse mangelt. Ein Gesprächspartner sagte: „Sie stellen nicht nur bei uns, sondern in jedem Konzern fest, wenn Sie rausgehen in die Region, dann werden Sie oft organisatorisch klein. Wenn Sie klein werden, sind Sie in der Regel nicht in der Lage, einen minimalen Qualitätsstandard durchzuhalten. Und das hat nicht nur etwas mit dem System zu tun, sondern auch viel mit Menschen.“

Auslandsgesellschaften mit sehr kleinen Managementeinheiten haben mehrere Nachteile. Einerseits entfalten sie nur eine sehr geringe Außenwirkung. Ein Gesprächspartner äußerte sich wie folgt: „Wenn man dann aber sagt, wir als ThyssenKrupp, wir haben hier 10.000 Mitarbeiter, ist das was anderes als ob jeder sagt, ich habe hier 1000. Also People Atractiveness ist ein großes Argument, das ist … eine Sache in Richtung Wachstum, Talente anziehen, Karriere bieten … Und überdies haben wir gesehen, dass viele der Kleinstgesellschaften Know-How-Probleme vielfältiger Art haben … Ich habe neulich eine Risikokonferenz in China gemacht, habe da zwei Stunden geredet und gemacht und getan vor unseren Gesellschaften. Und ich habe mich gewundert, warum denn kein Feedback kam. Bis ich dann irgendwann realisiert habe, dass die mich gar nicht verstanden haben. Die waren immer so höflich, haben immer genickt wie das dann die Asiaten auch gerne tun. Für alle gesichtswahrend.“

Der Vertreter eines anderen Unternehmens zeigte auf, wie Regionaleinheiten hier helfen können: „Eine kritische Masse haben Sie in vielen Entwicklungsländern nicht, da hat dann jede Division irgendwie anderthalb Vertriebsleute. Und dann kriegen Sie halt keine wirkliche Entwicklung für dieses Land hin. Und da muss dann eine Region auch manchmal einen Lead übernehmen, oder manchmal sagen, Business Units, sagt mir, was Ihr bereit seid, hier zu tun. Und ich übernehme jetzt die Entwicklung dieses Landes, bis wir an einem bestimmten Status sind und wir kritische Massen den in Einzelgeschäften aufgebaut haben.“

Angesichts dieser Nachteile macht es einfach keinen Sinn, wenn jede Auslandsgesellschaft sämtliche fachlichen Funktionen in atomar zerkleinerte Form vorhält. Das Problem einer unterkritischen Managementmasse existiert typischerweise vor allem in jungen Gastlandsmärkten, in denen das jeweilige Unternehmen noch nicht allzu lange direktinvestiv vertreten ist. Unsere Respondenten haben Länder wie Indonesien, Brasilien oder Uruguay sowie die Länder der Sub-Sahara-Region als Beispiele genannt. Als Funktionen, die typischerweise in einer Regionalzentrale gebündelt werden können, haben jene zu gelten, die ein hohes Maß an Spezial-Expertise verlangen. Genannt seien

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hier Funktionen wie Finanzen, Cash Management, Steuern, (Arbeits-)Recht, der Gover­ nance-­Bereich und dabei insbesondere Sicherheits- und Risikomanagementthemen. Neben diesen Hauptgründen für die Existenz einer regionalen Dimension in einer Matrixstruktur wurden vereinzelt noch weitere genannt wie (1) das Vorhandensein globaler Großkunden in der jeweiligen Region (die eine professionelle Betreuung erfordern) oder (2) das Bemühen, eine zu starke Verselbständigung einzelner Ländermärkte zu vermeiden. Bevor nun geklärt werden soll, bei welchen Entscheidungsangelegenheiten die regionale Dimension gegenüber der(n) anderen Dimension(en) relativ viel Gewicht genießt, sei darauf hingewiesen, dass die regionale Dimension zumindest in den meisten Unternehmen insgesamt einflussschwächer zu sein scheint als die beiden anderen Matrixdimensionen. Dieser Eindruck zeigte sich in dem vorliegenden Forschungsprojekt. Bereits in dem Abschnitt über die Produktdimension in der Matrix wurde über die Sichtweise eines Gesprächspartners berichtet, welcher eine klare „Hackordnung Produkt  – Funktion  – Region“ für existent und angemessen hält. Verschiedene andere Respondenten haben eine zumindest ähnliche Meinung. Ein anderer Gesprächspartner sagte: „Und die Spielregel muss da für mich immer so sein, und das ist sie auch, da kommt die Operating Division, dann kommen die funktionalen Einheiten, die haben ja auch was zusagen. … Und dann gibt es irgendwo … die regionalen Einheiten. Und zumindest wir als Geschäftsleute sehen das so, so muss es sein. Also wir müssen ja als BASF geschäftsgetrieben sein …“

Aus der Daimler AG war zu hören: „Up to now we have not positioned the regional element very high.“ Ein weiterer Gesprächspartner gab zu verstehen, dass regionale Aspekte zumindest hinter den Geschäftsbereichsaspekten kommen: „Wir haben im Bayer-Konzern so eine Art Priorisierung in Entscheidungsprozessen. Priorität 1: Der Konzern hat immer Recht – ein bisschen überspitzt formuliert – aber Konzernentscheidungen haben immer Priorität. Priorität 2: Teilkonzern-(Geschäftsbereichs-, Erg. durch JW) Entscheidungen haben Priorität. Priorität 3: Regionale bzw. lokale Priorität.“

Dieses Grundprinzip der Nachrangigkeit der regionalen Dimension scheint nur dort durchbrochen zu sein, wo diese eine Gewinn- und Verlustverantwortung aufweist, was nur in einer Minderheit der von uns beforschten Unternehmen der Fall war. Gleichwohl sind die Regionenmanager heutzutage nicht bloß „landlords“, sondern aktive Spieler in den Entscheidungsprozessen des Unternehmens. Auch scheint die regionale Dimension über die Zeit gesehen durchaus an Gewicht gewonnen zu haben. Ein Gesprächspartner begründete diese Tendenz wie folgt: „Und wenn ich wettbewerbsfähig sein will – und ein Wettbewerbselement bei uns ist Reaktionsschnelligkeit und -fähigkeit – dann muss ich stärker in die Regionen, auch mit der Verantwortung.“ Schließlich fanden wir heraus, dass die regionale Dimension letztlich bei keiner Entscheidungsangelegenheit das letzte Wort hat. Es geht demnach im Folgenden lediglich darum zu klären, bei welchen Entscheidungsangelegenheiten sie ein bisschen mehr Einflussgewicht genießt.

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1. Die regionale Dimension hat im Rahmen von Investitionsentscheidungen in jenem Stadium relativ viel mitzubestimmen, wenn es um die Wahl eines Standorts innerhalb einer vorbestimmten Region geht. Demgegenüber hat sie bei der Entscheidung: „Sollen wir das Werk in Südostasien oder in Lateinamerika errichten?“ nicht viel Einfluss; sie mischt aber deutlich mehr mit, wenn es hernach dann um die Frage geht, in welchem Land der zuvor ausgewählten Region das Werk errichtet werden soll. Ein Gesprächspartner bemerkte: „Nehmen wir mal an, es geht um einen neuen Standort. Wir wollen, ich glaube für den US-amerikanischen Markt, das ist noch gar nicht so lange her. … Dann ist es erstmal noch eine Business-Entscheidung, auch angelegt in dem strategischen Plan. Alles was wir haben, das wollen wir machen und dafür wollen wir auch 40 Millionen ausgeben. Und dann kommt die Region ins Spiel, wenn es darum geht: Wo soll das denn sein? Und worauf müsst Ihr denn achten im Sinne von Regularien. Gibt es Beihilfen und was ist steuerlich alles noch zu tun? Und da ist die Region in der Tat dabei …“

Aus entscheidungstheoretischer Sicht erscheint dieser Beteiligungszeitpunkt sinnvoll, weil die Regionalzentralen bei einer Standortwahl innerhalb einer vorbestimmten Region ihren besonderen Wissensvorsprung ausspielen können. 2. Eine ähnliche Logik greift, wenn es um die Tätigung einer Akquisition in der jeweiligen Region geht. Auch hier gilt der Grundsatz, dass die Regionalzentralen bei der Entscheidung „Sollen wir in der Region XY ein Unternehmen zukaufen?“ nur einen eher geringen Einfluss haben. Erheblich stärker beteiligt sind sie jedoch bei der kon­ kreten Ausgestaltung der jeweiligen Akquisition. Von einem Gesprächspartner war zu hören: „Ich sag jetzt mal ein Beispiel, Sie wollen in Malaysia eine Akquisition machen und da brauchen Sie natürlich die Fachleute aus der Region, die Ihnen dabei helfen und Ihnen die Guidance geben, wie man das richtig macht. Da wäre für mich, da ist ganz eindeutig die Region im Driver Seat. Und da können wir als Geschäftseinheit, da sind wir gar nicht dazu in der Lage, da sind wir gar nicht Fachleute genug … Da geht es um Compliance-Fragen, da geht es um Integrations-Fragen, da geht es um lokale Governence-Fragen. Das wissen die Regionen viel besser als wir und da brauchen wir ihre Fachunterstützung. Und da sitzt auch die Region im Driver Seat.“

3. Im Bereich „Marketing/Vertrieb“ ist die Preissetzung jenes Thema, bei dem die Regionenverantwortlichen relativ viel Entscheidungsgewicht haben. Mehrere Respondenten haben in diese Richtung argumentiert. Inhaltlich erscheint dies hoch plausibel, weil die Kaufkraft der Kunden unterschiedlicher Länder sehr oft verschieden ist und weil Variation bei den Produktpreisen nicht zwangsläufig negative Skaleneffekte auslösen. Aber selbst in anderen Teilen der „Marketing-Ps“ beeinflussen die Regionalzentralen die Entscheidungsprozesse mitunter erheblich – sogar im Bereich des Produktdesigns. Zwar trifft es zu, dass in vielen Branchen die Produkte aufgrund von Kostenargumenten weltweit einheitlich ausgestaltet sein müssen und daher der Einfluss der Regionen

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auf die Produktgestaltung recht gering ist. Die Fahrzeugplattformen der Automobilindustrie sind prominente Beispiele hierfür. Die Standardisierungstendenzen finden dann jedoch ihre Grenzen, wenn ein Unternehmen in einer bestimmten Region einen sehr hohen Anteil seines Gesamtumsatzes erzielt. Dann müssen bei der Produktgestaltung regionenspezifische Aspekte zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit in besonderem Maße berücksichtigt werden. Je größer der in einer Region erzielte Umsatz wird, desto mehr Funktionen des Produktgestaltungsbereiches müssen in die jeweilige Region gelegt werden und desto mächtiger ist die regionale Hierarchie in der Matrix. Ein Gesprächspartner drückte dies wie folgt aus: „Wenn ich … drei, vier oder fünf Milliarden Umsatz in China mache, da kann ich den Umsatz nicht mehr sinnvoll aus Deutschland alleine führen …“ Ein Extremfall dieser Situation liegt vor, wenn das Unternehmen über Produkte verfügt, die ausschließlich in einer Region angeboten werden. Hier mag man auf die Daimler AG verweisen, deren Lastwagenmodelle „Freightliner“ und „Fuso“ klare regionale Vermarktungsschwerpunkte haben, nämlich in Nordamerika bzw. Asien. Hier wäre es töricht, wenn das Unternehmen die Kompetenzen der jeweiligen Regionenverantwortlichen beim Design der jeweiligen Lastwagenmodelle ausblenden würde. 4 . Der Personalbereich gehörte schon immer zu jenen Funktionen, bei denen die Gegebenheiten der Gastländer stark zu berücksichtigen sind. Dementsprechend dürfte die regionenbezogene Matrixhierarchie hier relativ viel Einfluss ausüben. Die Aussagen unserer Gesprächspartner haben uns in dieser Sichtweise bestärkt. Als Beispiel sei auf die Einlassung eines Geschäftsbereichsleiters verwiesen: „90 bis 95 Prozent der Personen, die wir in der Firma haben, werden sich regional entwickeln. Die meisten sogar in dem Land, in dem sie heute tätig sind. Und da … sehe ich natürlich ein, dass dort eine Region eine viel stärkere Verantwortung übernehmen muss als bei der Frage … ‚Höre ich jetzt auf, General Motors zu beliefern‘. … Da brauche ich natürlich die Unterstützung der Region und da muss auch die Region zum Teil mal in den Lead gehen. … Ich kann nicht einschätzen, ob ein chinesischer Mitarbeiter, der meinem Geschäftsbereich zugeordnet ist, ob der in einer chinesischen Kultur wirklich Top-Führungspotential hat, das maße ich mir als Deutscher nicht an. Und da brauche ich die Unterstützung der Region.“

In der abschließenden Tab. 3.1 haben wir die vorigen Ausführungen verdichtet und zusammengestellt, bei welchen Entscheidungen die funktionale, die produktbezogene und die regionenbezogene Dimension in einer Matrixstruktur relativ viel Einfluss ausüben bzw. ausüben sollten. Der Inhalt dieser Tabelle lässt verstehen, dass die Frage, welche Dimensionen in einer Matrixstruktur enthalten sein sollten, nur im Einzelfall beantwortet werden kann. Natürlich wird es in der Realität Konstellationen geben, in denen im jeweiligen Unternehmen Bedingungen vorliegen, die unterschiedliche Ma­ trixdimension angezeigt sein lassen. In solchen Fällen müssen die Entscheidungsträger die relative Wichtigkeit der einzelnen Rahmenbedingungen abschätzen, um zu einer Entscheidung zu gelangen.

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Tab. 3.1  Die relative Bedeutung der funktionalen, der produktbezogenen und der regionenbezogenen Dimension innerhalb einer Matrixstruktur Funktionale Hierarchie hat in der Matrixstruktur viel Einfluss bei Entscheidungen, die ein hohes Maß an Spezial-Know-how verlangen (Finanzwirtschaft, Rechnungswesen, Steuern/ Recht, M&A, Investor Relations) IT-Entscheidungen

Kommunikationspolitische Entscheidungen

Produktbezogene Hierarchie hat in der Matrixstruktur viel Einfluss bei Produkt-/geschäftsbezogene Entscheidungen

Regionenbezogene Hierarchie hat in der Matrixstruktur viel Einfluss bei Bei Investitionsentscheidungen: Standortwahl innerhalb der jeweiligen Region

Entscheidungen über Bestandteile des Produktentstehungs- und Vermarktungsprozesses (produktnahe F&E, Produkt-­ Roll-­out, Kommerzialisierung) Investitionsentscheidungen, Standortentscheidungen

Bei Akquisitionsentscheidungen in der Region: Ausgestaltungs-­ und Implementierungsfragen

Bei Marketing- und Vertriebsentscheidungen: – Preissetzung innerhalb der jeweiligen Region – Produktdesign, falls die Region sehr bedeutsam ist Personalwesen: Entscheidungen über Geschäfte Bei Personalentscheidungen: Grundsätzliche/übergeordnete mit großem Umfang – Einzelfallbezogene Entscheidungen Entscheidungen Marketing/Vertrieb: Entscheidungen, bei denen Grundsätzliche/übergeordnete rechtliche Aspekte nicht im Entscheidungen Mittelpunkt stehen

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Konflikt in der Matrixstruktur

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird das Ausmaß des zwischen den Matrixmanagern und dem Two-boss-Manager typischerweise bestehenden Konflikts aufgezeigt und erläutert. Erstaunlicherweise scheinen nach unseren Forschungen Konflikte in matrixstrukturierten Unternehmen ein weitaus geringeres Ausmaß aufzuweisen als gemeinhin vermutet. Auch wird dargelegt, bei welchen Themen Konflikte relativ wahrscheinlich sind. Außerdem werden Mechanismen (z. B. eingehende Diskussion sowie Eskalation) zur Lösung bzw. Handhabung von Konflikten behandelt. Schließlich wird die Einsatzhäufigkeit dieser Mechanismen in der Praxis beschrieben.

In einem sehr großen Anteil der auf die Matrixstruktur ausgerichteten Publikationen wird das Vorhandensein von Konflikt zwischen den in der Matrix tätigen Managern als ein typischer Begleiter dieser Organisationsstruktur gesehen (z. B. Ghemawat und Nueno 2004; Piskorski und Spadini 2007; Galbraith 2009; Ojha 2010). Viele Autoren begreifen Konflikt sogar als unausweichlich, wenn ein Unternehmen eine Matrixstruktur nutzt. Insbesondere vermuten sie, dass Konflikt bei dieser Struktur häufiger und intensiver auftritt als bei eindimensionalen Organisationsstrukturen (zum Verweis auf diese Arbeiten siehe Egelhoff und Wolf 2017, S. 114). Und es wird sogar darauf hingewiesen, dass viele Unternehmen in den 1980er-Jahren deshalb von der Matrixstruktur wieder weggegangen sind, weil ihre Manager ein zu hohes Ausmaß an Konflikt wahrgenommen haben (Janger 1983). Die vermutete erhöhte Konfliktwahrscheinlichkeit und -intensität in matrixstrukturierten Unternehmen lässt sich mit verschiedenen Gedankenfolgen erklären. So verfolgen die den unterschiedlichen Teilhierarchien der Matrixstruktur angehörenden Matrixmanager unglei© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_4

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4  Konflikt in der Matrixstruktur

che Ziele und sie sind überdies hierarchisch gleichrangig. Weiterhin existieren in einer Matrixstruktur mehr Interdependenzen als in einer eindimensionalen Organisationsstruktur, was zu einer größeren Zahl an Kontakten und Kommunikationsprozessen zwischen den im höheren Führungsbereich der Unternehmen tätigen Managern führt. Und dies wiederum dürfte dann in einer höheren Zahl und Intensität an Konflikten resultieren (Davis und Lawrence 1977, S. 104). Und schließlich wird die Mehrfachunterstellung der Two-boss-Manager unter mehrere Matrixmanager als eine Ursache für die erhöhte Konfliktintensität gesehen, weil sie unklare Zuständigkeiten mit sich bringt (Chi und Nystrom 1998, S. 147). Interessant wird es in den meisten Studien über die Matrixstruktur unterlassen zu spezifizieren, was unter einem Konflikt verstanden wird. Diesbezüglich unterscheiden sich diese Studien erheblich von der allgemeinen sozialwissenschaftlichen Konfliktforschung, die nicht nur im Bereich der Konfliktarten, sondern auch bezüglich der Konfliktursachen und -wirkungen mehrerlei Unterscheidungen ausweist (z.  B.  Tajfel und Turner 2001, S. 94 ff.). Unterlassen wird in der Matrixforschung insbesondere eine Bezugnahme auf die in der sozialwissenschaftlichen Theorie gängige Differenzierung zwischen einem Sachkonflikt und einem Beziehungskonflikt. Während ein Sachkonflikt vorliegt, wenn die beteiligten Parteien unterschiedliche Einschätzungen, Ansichten, Lösungsansätze, Präferenzen etc. bezüglich einer bestimmten Entscheidungsangelegenheit aufweisen, liegt ein Beziehungskonflikt vor, wenn in der zwischenmenschlichen Interaktion Störungen existieren, die sich nicht auf einzelne Entscheidungsangelegenheiten bzw. konkrete Sachverhalte beziehen, sondern generellerer Natur sind und es demzufolge oft zu Verletzungen, Demütigungen und Missachtungen kommt.

4.1

Häufigkeit matrixbezogenen Konflikts

In unseren Gesprächen mit den mit der Matrixstruktur vertrauten Managern haben wir uns diesem Aspekt der Konfliktarten zugewandt. Während eventuelle Beziehungskonflikte mit den anderen im Matrixbereich agierenden Kollegen aus naheliegenden Gründen nicht Gegenstand der Gespräche waren bzw. explizit ausgeblendet wurden, wurde der Themenbereich der Sachkonflikte ausführlich erörtert. Er wurde in insgesamt 20 Interviews an­ gesprochen. Gemäß unseren Forschungen scheint matrixbezogener Sachkonflikt in den Unternehmen kaum vorzuliegen. So sagten zehn der zwanzig Respondenten, dass ihr Unternehmen im Matrixbereich keinen Konflikt aufweise. Natürlich gäbe es hin und wieder unterschiedliche Sichtweisen zu bestimmten Themen; von einem Konflikt könnte deshalb jedoch nicht gesprochen werden. Ein Gesprächspartner merkte an: „Solche Geschichten kommen schon mal vor, aber das ist in keinster Weise konfliktionär, das ist in den meisten Fällen aus guter Motivation heraus geboren und bedarf halt einer gewissen Abstimmung, die dann natürlich über den Herrn XY (Name gelöscht durch JW) sehr gut erfolgt.“

Zu einem Zusammenstoß, einem Widerstreit oder gar einer Gegensätzlichkeit bzw. Unvereinbarkeit der Positionen sei es aber nicht gekommen. Demgegenüber gaben lediglich fünf Gesprächspartner an, dass es zwischen den im Matrixbereich agierenden Managern

4.1  Häufigkeit matrixbezogenen Konflikts

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zu Sachkonflikten gekommen sei. Weitere fünf Gesprächspartner meinten, dass es in diesem Bereich sehr wenig bzw. kaum Konflikt gäbe. Als Gründe für dieses sehr seltene oder gar nicht vorliegende Bestehen von Konflikten wurden Gründe wie die folgenden genannt: „Es bestehen keine Konflikte, weil wir klären das eigentlich schon im Vorfeld.“ „The business area manager knows very well who to contact to get a problem solved.“ „Es gibt sie (also Konflikte, Erg. durch JW) nicht, weil die Rollen klar definiert sind. Und wenn das der Fall ist, dann funktioniert das auch.“ „There is no conflict, since there is somebody who has a functional responsibility and somebody who has a commercial responsibility …“ „Wir haben keine Konflikte, weil wir eine gut strukturierte Kommunikation haben.“ Eine Compliance-Managerin sagte: „Bei uns gibt es keine Konflikte, da wir es mit einem juristischen Thema zu tun haben.“ Weiterhin wurde als konfliktverhindernd angesehen, dass die Matrixmanager miteinander vertraut sind: „Also der Herr XY (Name gelöscht durch JW) ist jetzt ein Jahr in dem Job und der Herr Z (Name gelöscht durch JW) zwei. Und die kennen sich auch.“ Dies harmoniert mit dem Hinweis eines anderen Gesprächspartners, welcher sagte: „It depends on the individuals.“ Es korrespondiert weiterhin mit der Aussage: „Zu den sehr wenigen Konflikten kam es dann, wenn Leute beteiligt waren, die neu auf einmal dazu gekommen sind und sich noch nicht eingewöhnt hatten.“ Insgesamt gesehen ist in den beforschten Unternehmen deshalb kaum matrixbezogener Konflikt aufgekommen, weil sie es geschafft haben, (1) gut miteinander harmonierende Manager in der matrixbezogenen Interaktionsbeziehung zusammenzubringen und (2) eine A-priori-­ Struktur in die matrixbezogenen Entscheidungsprozesse hineinzubekommen. Der letztgenannte Eindruck hat Egelhoff und Wolf zu der Vermutung veranlasst, dass heutzutage in matrixstrukturierten Unternehmen die balancierte, öfter zu Konflikten führende Form der Entscheidungsfindung, bei der alle Matrixhierarchien bei sämtlichen Entscheidungsangelegenheiten ein gleichrangiges Mitbestimmungsrecht haben, nicht mehr die durchgängige Form der Entscheidungsfindung ist. Als Alternative zu diesem Modus der Entscheidungsfindung haben sie das Modell der regelbasierten Matrix entwickelt (2017, S. 131 ff.). In Tab. 4.1 sind diese beiden Formen der Entscheidungsfindung kriteriengeleitet einander gegenübergestellt. Die Tabelle verweist auf die reichhaltige und reziproke Form der Informationsverarbeitung der klassischen balancierten Matrixstruktur, welche zu gründlichen, aber langsamen Entscheidungen führt. Demgegenüber ist die neue regelbasierte Matrixstruktur aufgrund ihrer sequenziellen Form der Informationsverarbeitung schnell und effizient. Die Tabelle zeigt aber auch, dass in der balancierten Matrixstruktur viel mehr Konflikt entsteht als in der regelbasierten Matrixstruktur. Und bei ersterer sind geteilte Werte und eine starke Unternehmenskultur besonders wichtig (vgl. Egelhoff und Wolf 2017, S. 132 ff., insbesondere S. 133). Nach Egelhoff und Wolf (2017) sind diese beiden Formen der Entscheidungsfindung in Matrixstrukturen für unterschiedliche Situationen geeignet. Wenn eine klare Verantwortungs- und Haftungszuweisung wichtig ist, wenn eine schnelle Entscheidungsfindung wichtig ist, wenn ein hohes Maß an Effizienz und geringe Kosten wichtig sind oder wenn es unwahrscheinlich ist, dass eine Kombination des Wissens mehrerer Matrixhierarchien zu neuen Erkenntnissen führt, dann ist die regelbasierte Matrixstruktur angebracht (S.  147  ff.). Wenn jedoch die Ziele mehrerer Matrixhierarchien fundamental betroffen

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4  Konflikt in der Matrixstruktur

Tab. 4.1  Merkmale der klassischen balancierten Matrixstruktur und der neuen regelbasierten Ma­ trixstruktur

Einfluss der beiden Matrixhierarchien Entscheidungs-­ findung Modus operandi

Klassische balancierte Matrixstruktur ausgewogen langsam, gründlich, reichhaltige und reziproke Informationsverarbeitung gleicht unterschiedliche Sichtweisen der beteiligten Hierarchien auf dem Wege des Informationsaustausches – und gegebenenfalls der Eskalation – aus

Neue regelbasierte Matrixstruktur ungleich schnell, effizient, sequenzielle Informationsverarbeitung

Responsibility Charts und formal beschriebene Prozessfolgen leiten die Entscheidungsfindung, so dass es für die jeweilige Entscheidung keine sich überlagernden Zuständigkeiten gibt; Eskalation ist möglich, jedoch selten erforderlich Konflikt stark ausgeprägt; angetrieben durch weniger stark ausgeprägt; reduziert aufgrund der enger begrenzten und die in der Matrix vorhandene sich nicht überlappenden geteilte Zuständigkeit und die Zuständigkeiten Unterschiedlichkeit der Ziele weniger wichtig; spezifizierte Wichtigkeit geteilter sehr wichtig; bei Nichtvorliegen Regeln und Prozesse führen zu Werte und Unter-­ geteilter Werte und einer starken klaren Zuständigkeiten und weniger nehmenskultur Unternehmenskultur ist ein Überlagerungen; geteilte Werte und Ausgleich unterschiedlicher Sichtweisen schwierig; es müssen eine starke Unternehmenskultur sind daher weniger wichtig dann sehr viele Entscheidungen eskaliert werden Umfang der Matrix umfassend und breit eingesetzt selektiv und eng eingesetzt

sind, wenn die Unsicherheit in der Entscheidungssituation hoch und es unklar ist, welche Matrixhierarchie das für diese Situation relevanteste Wissen hat, oder wenn das Unternehmen nach einer grundlegend neuen Lösung zu dem anstehenden Problem sucht, dann ist die balancierte Matrixstruktur besser geeignet (S. 152 ff.). Da in Unternehmen diese Arten von Entscheidungssituationen parallel zueinander auftreten können, müssen Unternehmen die Form der matrixbezogenen Entscheidungsfindung einzelfallbezogen wählen und sie müssen die Fähigkeit besitzen, zwischen den beiden Formen der Entscheidungsfindung hin- und herzuspringen. Wird diese Maßgabe befolgt, dann liegt eine flexible Matrixstruktur vor (Egelhoff und Wolf 2017, S. 161 ff.).

4.2

Themen matrixbezogenen Konflikts

Gemäß dem vorausgehenden Abschnitt sind Konflikte zwischen den im Matrixbereich tätigen Managern ein eher seltenes Phänomen. Hieraus sollte jedoch nicht geschlossen werden, dass es keinerlei Themen gibt, bezüglich derer diese Personen unterschiedliche Sichtweisen, Interessen bzw. Standpunkte haben. Im nachfolgenden soll nun aufgezeigt

4.2  Themen matrixbezogenen Konflikts

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werden, bei welchen Themen (Entscheidungsangelegenheiten) es in den Unternehmen zu einer solchen Perspektivenvielfalt gekommen ist. Die Inhalte der perspektivisch vielfältigen Themen hängen davon ab, welche Matrixdimensionen aufeinandertreffen. Dies zeigte das vorliegende Projekt eindeutig. In der Interaktionsbeziehung zwischen einem Vertreter der funktionalen Hierarchie und einem Vertreter der produktbezogenen Hierarchie sind also z.  B. andere Themen strittig als in der Interaktionsbeziehung zwischen einem Vertreter der produktbezogenen Hierarchie und einem Vertreter der regionenbezogenen Hierarchie. Demzufolge werden wir im Folgenden die drei Interaktionsdyaden „funktionale Dimension vs. produktbezogene Dimension“, „funktionale Dimension vs. regionenbezogene Dimension“ sowie „produktbezogene Dimension vs. regionenbezogene Dimension“ nacheinander durchgehen und die Analyse aus pragmatischen Gründen auf jeweils ca. fünf Themen beschränken (obwohl in den Interviews mehr Themen genannt wurden). Zwischen den Vertretern der funktionalen Dimension und den Vertretern der Produktdimension (Geschäftsbereiche) kann es sehr leicht zu Meinungsverschiedenheiten kommen, wenn das Thema „Werksschließung und Entlassungen“ ansteht. Dabei besteht ein gängiges Muster darin, dass die der funktionalen Hierarchie zugehörigen Manager noch stärker als diejenigen der produktbezogenen Hierarchie das Ziel einer rigorosen Kostensenkung im Mittelpunkt des Denkens haben. Die Produktdimensionmanager haben dagegen verständlicherweise stärker im Blick, welche Auswirkungen die im Zusammenhang mit Werksschließungen und Entlassungen zu vollziehenden Maßnahmen auf die übrig bleibenden Mitarbeiter und deren Motivation haben. Ein in einem Geschäftsbereich tätiger Gesprächspartner umschrieb seine Interaktion mit dem zentralen Personalbereich seines Unternehmens wie folgt: „Ja klar, ich habe das vielfach gehabt. Ich bin ja hier verantwortlich für das Geschäft, was in den letzten Jahren Restrukturierungsfälle mit sich gebracht hat. Werksschließungen, viele Entlassungen usw. Und da hatte ich noch keinen Personalvorstand an meiner Seite, der das koordinativ wahrgenommen hat. Der dann in dem einen oder anderen Fall mal gerne großzügigere Interessenausgleiche, Sozialplanregelungen vom Stapel gelassen hätte, um bestimmte Dinge einfacher zu gestalten. Und da grätsche ich dann natürlich rein und sage, das können wir uns nicht leisten. Und insofern haben wir dann eine Konstellation, die Gespräche erfordert …“

Kostenbezogene Meinungsverschiedenheiten zwischen Funktionsbereichs- und Produktbereichsmanagern sind aber auch wahrscheinlich, wenn es darum geht, welche Einheit die im Zusammenhang mit organisatorischen Veränderungen auftretenden Kosten zu tragen hat. Diese Frage wird in besonderem Maße virulent, wenn eine organisatorische Veränderung auf Wunsch der zentralen Funktionsbereiche hin vollzogen wurde. Eine Vertreterin eines zentralen Funktionsbereichs erwähnte den Fall der Einführung eines neuen Informations- und Berichtssystems und umschrieb die Zusammenarbeit des zentralen IT-Bereichs mit einem Geschäftsbereich wie folgt: „Also wenn dann meinetwegen eine Interessenheterogenität besteht, also nehmen wir mal die Einführung eines solchen neuen Informationssystems oder Berichtssystems, dann führt es ja

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4  Konflikt in der Matrixstruktur dazu, dass das ja was kostet und dass der Business-Area-Manager sagt: ‚Naja dafür habe ich jetzt kein Geld oder das bindet mir zu sehr Ressourcen.‘ Also der ist vielleicht dagegen. Und der zentrale Mensch, der IT-Mensch, der möchte es haben; der Information Officer, der möchte das haben.“

Eine Unterschiedlichkeit von Sichtweisen über das erforderliche Volumen von Investitionen kommt aber auch in dem nachfolgenden Bericht eines Produktspartenleiters zum Ausdruck, der die Zusammenarbeit des zentralen Finanzbereichs mit seiner Produktsparte umschreibt. „Das besteht im Wesentlichen in der Ressourcenzuteilung, also ist vollkommen klar, insbesondere wenn es in Richtung Investitionen geht, auch wenn Sie objektive Maßstäbe haben, dann kriegen Sie eben nicht alles an einem objektiven Maßstab im Sinne der Investitionsallokation durchgesetzt, also streng nach Lehrbuch. Dann würde am Ende der Strecke für viele unserer Geschäfte in (Bezeichnung der Branche gelöscht durch JW) nicht mehr viel Invest übrig bleiben, zumindest nicht hinreichend, wenn ich mir die Dimension mit dem (Name des Produkts gelöscht durch JW) anschaue. Das heißt, da müssen wir ganz klar sehen, in welchen Geschäften sind wir unterwegs, welches Interesse kommt da auch hoch … Herr XY (= Leiter des zentralen Finanzbereichs) natürlich mit der Sicht des gesamten Unternehmens im Auge zu haben und ich primär mit der Sicht, hinreichende Investitionen für Expansionsschritte der Business Area zu bekommen.“

Ein anderer Gesprächspartner hat die genannten Dissonanzfälle auf eine generellere Logik gehoben. Er sagte: „Genau richtig. Da gibt es natürlich das Spannungsfeld in dem Teil der Matrix, dass die Funktionen häufig sehr, sehr effizienzgetrieben sind – transaktionale Effizienz, also niedrigste Kosten pro Transaktion. Während die Geschäfte dann sagen, für einen Teil der Geschäfte ist das vielleicht auch super, aber für andere, die sagen, ich brauche nicht niedrigste Kosten pro Transaktion, ich brauche die richtige Transaktion, auch wenn sie teurer ist. Aber solange sie nicht teurer ist als die vom Wettbewerber, ist es ok. Ich brauche nicht immer das billigste, ich brauche das, was zu meinem Markt passt. Und da ist die Abstimmung mit der Funktion dann häufig auch nicht einfach.“

Meinungsverschiedenheiten zwischen der funktionsbezogenen und der produktbezogenen Hierarchie betreffen aber nicht ausschließlich finanzielle Fragen. Ein mehrfach genanntes Themenfeld bezieht sich auf die Frage, ob etwas unternehmensweit vereinheitlicht (= Position der Funktionsbereiche) oder produktbereichsspezifisch gehandhabt werden soll (= Position der Produktsparten). Ein Gesprächspartner thematisierte den Gestaltungsbereich „Branding“: „Und da gab es einen Fall, der bezieht sich jetzt nicht auf meine aktuelle Tätigkeit, wo eine Produktlinie gesagt hat, wir wollen hier jetzt erst mal kein Co-Branding mit … (Name des Gesamtunternehmens, anonymisiert durch JW), denn das verschafft uns Schwierigkeiten. Der Funktionsbereich ‚Corporate Communication‘ in der Zentrale sagte hingegen, dass Co-­ Branding für ihn zwingend sei. Es könne nicht sein, das wichtige Produkte, nicht auf die ­Unternehmensmarke einzahlen. … Das ist so ein Thema, wo Deine Marktkenntnis … und übergeordnete Konsistenz aufeinander treffen.“

4.2  Themen matrixbezogenen Konflikts

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Wenn es nun um Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertretern der funktionalen Dimension und den Vertretern der regionenspezifischen Dimension geht, dann ist zunächst da­ rauf hinzuweisen, dass von den Respondenten, die wir nach Dissonanzen zwischen den Ma­ trixdimensionen gefragt haben, am häufigsten eben gerade solche zwischen der funktionalen und der regionenspezifischen Dimension angesprochen wurden. Dies ist insofern nicht weiter verwunderlich, als zwischen diesen beiden Dimensionen eine klare Zielheterogenität besteht. Typischerweise haben die regionalen Einheiten das Ziel, ihre eigene Region bzw. die dazu gehörenden Länder zu optimieren. Dies kann sich auf finanzielle Kategorien wie Umsatz oder Profitabilität beziehen, aber auch auf Strukturen und Prozesse. Die zentralen Funktionsbereiche hingegen wollen üblicherweise weltweit einheitliche Strukturen und Prozesse schaffen und globale Best Practices etablieren mit dem Ziel, Kostensenkungen zu ermöglichen. Was sind nun aber typische Themen, bei denen die zentralen Funktionsbereiche und die Regionaleinheiten uneins sind? Zu nennen ist zuvorderst die Frage der Produktgestaltung einschließlich der Auslastung der dem Unternehmen an unterschiedlichen Standorten zur Verfügung stehenden Produktionskapazitäten. Oben wurde ja bereits auf die bei der BHC aus diesem Grunde geschaffene globale Funktion „product supply“ hingewiesen. Ein Geschäftsbereichsmanager bemerkte: „Es kann Fälle geben, ich nehme mal ein Beispiel, wir hatten Europa in zwei unterschiedliche Regionen aufgeteilt bis dato, einmal Zentral- und Nordeuropa und einmal Südeuropa und Middle East …. Südeuropa wurde aus Spanien geführt und Nordeuropa wurde aus Deutschland geführt, die hatten also zwei Headquarters. … Die haben unterschiedliche Produkte für Nord- und Südeuropa entwickelt, also unterschiedliche R&D gemacht und eine unterschiedliche Werkstruktur aufgebaut. Jetzt ist es aber so, dass der Markt in Europa seit eigentlich vier, fünf Jahren stagniert oder teilweise auch rückläufig ist. … Das heißt, wir haben tendenziell Überkapazitäten in den Werken, wir haben tendenziell viel mehr Produkte als es erforderlich ist, überschneidende Produkte, und das löst sich nicht auf, wenn Sie da keine Querschnittsfunktionen drin haben. Das heißt, eine Querschnittsfunktion schaut dann natürlich über diese P&Ls der beiden Regionen hinweg und schaut, was ist denn eigentlich das Optimum aus beiden und wo müsste man idealtypisch sein. Weil jede Region, die beiden Regionen versuchen sich selber zu optimieren, und die versuchen sich ihre Werke auszulasten und versuchen auch, ihre Produkte irgendwo weiter zu betreiben. Das heißt, es ist sehr schwer, dort dann entsprechend so den Durchgriff zu kriegen, dass man dann auch sagen kann: ‚Wo muss man denn jetzt was machen?‘ Und deswegen braucht man eigentlich eine in Anführungsstrichen neutrale Querschnittsfunktion, die das Ergebnis in Summe optimieren möchte …“

Wenn ein Unternehmen in Produktkategorien mehrere Marken hat, dann kann die Frage des „Brand Positioning“ Dissens auslösen. Wir hörten dies bei der Volkswagen AG: „I give you a real example. We had this situation in customer perception. In China, for a reason I don’t know, Skoda is perceived more premium than VW. It has to do with what sort of features were in the cars when they have launched the brand in China. Not optional equipment, but standard equipment. So whatever they have put in the cars those years, made them to a premium brand. But this, of course, does not fit with the worldwide strategy of the group. … We are going to have some tough fights in our hand, because some of these local top managing directors … basically came up with this … They have been very, very strong, the local top managers. They have only seen – I am over-accentuating a little bit – they have only

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4  Konflikt in der Matrixstruktur seen their country and not the global strategy of VW in the past. And they have been successful. But now, in the context of the growth, also in the context of lots of new emerging markets, you have to basically make sure that certain standards are applied around the world; structural standards and market positioning standards etc.“

Global-Local-Diskussionen sind aber auch im Personalbereich wahrscheinlich, wo es um einen Ausgleich zwischen den Interessen der lokalen Mitarbeiter einerseits und der Realisierung einheitlicher Standards andererseits geht. Nach Aussage eines anderen Gesprächspartners fängt dies bereits bei der Entwicklung des Personalplans an: „Wo können die (Meinungsverschiedenheiten, Erg. durch JW) auftauchen? Beispiel: Personalplan. Also es gibt einen zentral geführten Prozess im Budget, der festlegt, was will diese Firma an Umsatz, an Ergebnis, an Ressourcen haben. Und ein Teil der Ressourcen ist Personal. Wie der Prozess läuft? Jede dieser Flächenorganisationen fängt unten an und sagt: „Ich brauche so viel Personal, um die Aufgaben, die ich in der Fläche sehe, aus den Regionen-­ Strategien habe, darf ich Dir den vorstellen?“ Und die Zentrale sagt: ‚Das ist schön, das Ihr das wollt, aber das kriegt Ihr nicht, weil es zu teuer ist.‘ Und dann geht es rückwärts in der Allokation ‚wer kriegt was‘. Und das ist ein typischer Fall des Konfliktes …“

Innerhalb des Personalbereichs gehören aber auch Vergütungsfragen zu den strittigen Aspekten: „Wir hatten mal einen Punkt, der augenscheinlich divers war … Aber das ist so ein Punkt gewesen, da ging es um die Frage, wie stark passen wir die Gehälter in Russland auf Basis der Inflationseffekte an. … Und da gab es in der Tat unterschiedliche Ansätze der einzelnen Gesellschaften in Russland, die – sagen wir mal – unterschiedlich waren zu denen, die wir hatten. … Und da muss man dann eine Einigung herbeiführen und das haben wir dann auch getan. Aber wo natürlich jeder erstmal für sich das Spannungsfeld auflösen muss zwischen Fairness gegenüber Mitarbeitern, die dann da dort letzten Endes eine deutliche Abwertung ihrer Währung bekommen haben, vs. P&L-Effekt bei uns. … Also wir sind für glaube ich acht Prozent Lohnanpassung gegangen, die im Land wollten deutlich mehr … Wir haben die acht Prozent diskutiert … und gesagt, das ist eigentlich ein Fair Value, wir haben uns dann auf zehn Prozent für alle im Land geeinigt und dann haben wir das auch überall so durchgeführt.“

Zu nennen sind aber auch Compliance-Angelegenheiten, wobei das Fragen hier ebenfalls bereits bei der Klärung der Zuständigkeit anfängt: „Es gibt Anlagenbauprojekte in Ländern wie China. Da geht es nicht selten unter Einsschaltung von Beratern. Und das ist natürlich unser klassisches Thema, weil wir dann seitens der zentralen Compliance-Einheit vorab prüfen: ‚Ist es ein schmieriger Berater oder kann der etwas, taugt der etwas? Wofür bekommt der sein Geld? Ist es angemessen, was der bekommt? Hat der einen vernünftigen Vertrag?‘ Und so weiter. Und Anlagenbauprojekte sind ja per se immer besonders sorgfältig zu prüfen. Ja, weil riesige Volumina dahinter stehen und der Verdacht ist einfach da, dass über solche Projekte Gelder aus dem Unternehmen rausfließen, Bestechung an Kunden laufen, Schmiergeldzahlungen laufen, ja, das ist ja unser tägliches Brot. So, und dann ist eben die konkrete Frage: ‚Ich habe so ein Projekt in China, wer begleitet das denn jetzt seitens Compliance? Macht das jetzt der Kollege in China … oder macht das einer meiner Kollegen hier in der Zentrale, wer kümmert sich da drum?‘“

4.2  Themen matrixbezogenen Konflikts

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Über Meinungsverschiedenheiten zwischen der produktbezogenen und der regionenbezogenen Dimension wurde in den Interviews weniger häufig berichtet. Es wäre jedoch verfehlt daraus abzuleiten, dass solche nur sehr selten auftreten. Was die Inhalte der zwischen diesen Matrixhierarchien auftretenden Konfliktthemen anbelangt, so haben unsere Gesprächspartner wiederholt Investitionsentscheidungen angesprochen. So sagte der Vertreter eines Produktbereichs: „Wann können Anspannungen entstehen? Immer dann, wenn ein RHQ-Chef der Meinung ist, wir haben in einem Land unserer Region (z. B. China) in den nächsten Jahren zu erwarten, dass der Bedarf an … (Produktname gelöscht durch JW) drastisch steigt, da ist ein riesengroßes Geschäftspotenzial. Und dann sagen wir in der Business Area: ‚Wunderbar, das kann stimmen, aber ich habe gerade in den USA eine ähnliche Möglichkeit, der dortige RHQ-Chef da hat gesagt, auch in seinem Land gäbe es tolle Entwicklungspotenziale, Geschäftspotenziale.‘ Und da passiert ja immer folgendes: Man muss für das Geschäft investieren, hat immer begrenzte Investitionsmittel und muss sich dann in dem Moment entscheiden, ob man sein neues Produktionswerk in China aufstellt oder in den USA. Und da kann es dann einen Konflikt geben oder auch eine Unzufriedenheit, wenn man sich für das eine oder andere Land entscheidet, man hat sich dann ja nicht gegen die Person entschieden, aber in der Frage der Bewertung der Geschäftsmöglichkeiten hat man Prioritäten gesetzt, die einfach der Tatsache geschuldet sind, dass man begrenzte Ressourcen hat.“

Die Äußerungen eines Vertreters der Energiewirtschaft entsprechen dieser Aussage weitgehend: „We apply the same standards and methodologies in the generation business in Germany, in the generation business in the UK … Because we always have these global businesses, they have to act globally. But on the other hand they produce of course in the respective country. And if we want to build a new power station, we need a very close relationship with the governments, the government of a certain region, with the mayor of a city etc. … But generation, also the building of new technologies, they then build the power station. … The regional unit says: ‚In order to get concessions in a certain area, we need to build a power station there. We need to be present in that region.‘ But the business area says: ‚In that region, under that frame of conditions, the power plant does not calculate, so it is better to put it in another region.‘“

In eine ähnliche Richtung äußerte sich der Leiter einer Business Area, der die Bestimmung von Zielmärkten für Produkte als ein Dissonanzthema ausmachte: „Ich gebe ein Beispiel; es ist auch ein reales Beispiel. … Das sehe ich schon als eine Aufgabe der regionalen Organisation, halt zu sehen, wo gibt es zwischen den einzelnen operativen Einheiten noch weiße Flecken, wo gibt es zusätzliche Kundenpotenziale, die von den bestehenden Geschäften noch nicht ausgenutzt werden … Da gab es glaube ich ein Meeting in Korea … und da kam dann über … (Name gelöscht durch JW) zu mir zurück, es gäbe doch jetzt den Wunsch der Region, dass wir uns mal mit dem Thema ‚Hochdruckreiniger (Produktbezeichnung geändert durch JW) in Korea‘ beschäftigen sollten, weil es wäre ein großes Potenzial da. Das ist aber aus unserer Geschäftsstrategie ganz klar, dieses Geschäft machen wir nur in Europa, das wollen wir nicht irgendwo anders machen, damit kann man kein Geld

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4  Konflikt in der Matrixstruktur verdienen. Und das sind dann so Fälle, da muss man sich dann mal unterhalten und noch mal erinnern, ein Regionalleiter kann ja jetzt nicht alle 60 SBU-Strategien kennen …“

Umgekehrt können auch Werks- oder Produktionsstättenschließungen Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten sein. Ein ebenfalls für eine Produktgruppe verantwortlicher Manager berichtete, dass er und der Chef einer Regionalzentrale uneins waren darüber, wann und wo über einen Carve-out zu berichten sei: „Also es geht um Südamerika, wir wollten, es ist schon veröffentlicht, ich wollte einen Carve-­ out machen, als Vorbereitung auf eine spätere Desinvestition. Und das wollten wir in Brasilien und Argentinien machen und nicht in Chile, wo ich auch Anlagen habe. Und mein Inte­ resse war es, dass ich das veröffentliche, dass wir dieses Carve-out beginnen, da es wichtig war für spätere geschäftliche Entscheidungen. Und der Leiter der Region Südamerika hat darauf bestanden, dass Chile mitinformiert wird bzw. Chile mit auf die Veröffentlichung gerät. Was in meinem geschäftlichen Interesse überhaupt nicht gelegen hat …“

Und schließlich streiten die produktbezogene und die regionenbezogene Dimension mitunter über die Personalplanung: „Konkreter würde es werden, wenn wir sagen, Personalplan. Wir haben ein Budget, wir brauchen so und so viel Leute, und der RHQ-Chef … (Name gelöscht durch JW) sagt jetzt, hier in dieser Region mach’ ich mal einen Deckel drauf, es gibt keine Leute mehr. Und der Produktlinien-­Chef … (Name gelöscht durch JW) sagt: ‚Ich brauch’ die aber, um mein Geschäft weiterzuentwickeln.‘ Da könnte es schon mal eine Diskussion geben. Das ist auch ein praktisches Beispiel. Wo wir dann sagen: ‚Wie gehen wir denn jetzt damit um?‘ Und dann müssen wir eine Lösung finden. Weil es könnte ja durchaus sein, dass für Asien der RHQ-Chef sagt: ‚Ich möchte nicht mehr als ….‘ Aber wenn er seine aggregierten Budgets von den Operating Divisions sieht, erkennt er, dass er zu viele Leute in Asien bekommt.“

Eine wesentliche übergeordnete Ursache für Dissonanzen zwischen den Managern der produkt- und regionenbezogenen Dimensionen in der Matrixstruktur deutete ein Gesprächspartner aus der Telekommunikationsbranche an: „Yes, I would say maybe it is quite similar. When you look at the knowledge bases involved, you see that the regional guys they are in love with the customers, they understand the customers and the market requirements. The product guys they are in love with the products. And they refuse to understand why the customers don’t like the products. So you have a complete clash of knowledge bases there, of different perspectives of the world …“

Eine erhebliche Begründung dürfte jedoch auch darin liegen, dass in vielen Unternehmen die regionenbezogenen Matrixeinheiten eine P&L-Verantwortung haben. In diesem Fall treffen dann zwei nach diesem Prinzip geführte Hierarchien aufeinander (vgl. Wolf und Egelhoff 2013, S.  598)  – eine Sichtweise, die sich auch in unseren Interviews abzeichnete. In Tab. 4.2 ist zusammengefasst, bei welchen Themenbereichen zwischen den unterschiedlichen Matrixdimensionen Dissonanzen wahrscheinlich sind.

4.3  Konfliktlösung in matrixstrukturierten Unternehmen

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Tab. 4.2  Häufige Themen der Dissonanz zwischen Matrixdimensionen Funktionale Dimension vs. Funktionale Dimension vs. produktbezogene Dimension regionenbezogene Dimension Werksschließungen/ Produktgestaltung Entlassungen Organisatorische Belegung/Auslastung der Veränderungen Werke unterschiedlicher Standorte Ausmaß erforderlicher Positionierung von Marken Investitionen in unterschiedlichen Ländern Ausmaß der Standardisierung Personalplanung von Produkten und Prozessen Vergütungsfragen Compliancefragen

Produktbezogene Dimension vs. regionenbezogene Dimension Investitionsentscheidungen: Standortwahl Wahl von Zielmärkten für Produkte

Werksschließungen

Personalplanung

Der Inhalt dieser Tabelle weist in eine ähnliche Richtung wie die Untersuchung von Schröter (2014, S.  202  ff.), der die Verteilung von Entscheidungsmacht bei finanzwirtschaftlichen Entscheidungen, bei Personalentscheidungen, bei kundenstrategischen Entscheidungen sowie bei P&L- oder stakeholderrelevanten Entscheidungen als Hauptkonfliktherde der Matrixstruktur ausgewiesen hat. Allerdings ist in der Matrixstruktur, wie die Tabelle zeigt, das Spektrum der Dissonanzthemen deutlich differenzierter ist, als es in Schröters Untersuchung ausgewiesen worden ist.

4.3

Konfliktlösung in matrixstrukturierten Unternehmen

Oben wurde dargelegt, dass in den beforschten Unternehmen vergleichsweise selten Konflikte zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Matrixdimensionen aufgekommen sind. Gleichwohl bleibt die Frage zu klären, welche Vorgehensweisen die betroffenen ­Manager nutzen, um einen erstmal aufgetretenen Konflikt zu schlichten bzw. aus der Welt zu räumen. Auch diesen Sachverhalt haben wir im Rahmen der Interviews aufgearbeitet. Zwei Konfliktlösungs- bzw. -handhabungsmechanismen herrschen vor: Die eingehende Diskussion des Konfliktfalles und – falls dies nicht gelingt – seine Eskalation.

4.3.1 Diskussion als Konfliktlösungsmethode In sehr vielen Publikationen über die Matrixstruktur werden Diskussionen als Königswege zur Handhabung von Konflikten zwischen den Matrixparteien erachtet. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich durch den intensiven Austausch von Argumenten ein höheres Niveau der Lösungsqualität erreichen lässt (Davis und Lawrence 1977, S. 7 ff.; Whit-

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4  Konflikt in der Matrixstruktur

ford 2012; Worren 2012, S. 125; Burton et al. 2015, S. 42). Diskussionen haben sich auch in den von uns geführten Gesprächen als eine wichtige Methode erwiesen, um zwischen den Matrixhierarchien bestehende Meinungsverschiedenheiten auszuräumen. Fast alle Respondenten, die Konflikte zwischen den beteiligten Parteien erwähnten, haben in Diskussionen eine primäre Methode zu deren Beilegung gesehen. Einige Interviewauszüge mögen dies verdeutlichen: • „Reden hilft in dem Fall. Man hat dann die Argumente für die Sichtweisen ausgetauscht. … Man versucht, sich gegenseitig schlauer zu machen, warum derjenige Einzelteilnehmer der Diskussion das so vertritt. … Und man hat dann geguckt, was sind die Themen, wo wir in der Tat auf unser Altposition beharren müssen und wo man auch eine holistische Lösung akzeptieren kann ...“ • „Und diesen konstruktiven Dialog, den wollen wir ganz bewusst haben, auch wenn man gewisse Vorfahrtsregeln definiert hat …“ • „Also letztendlich muss man sich an den Tisch setzen mit Überzeugungskraft oder People Management. ‚Komm‘, heute musst Du es einfach einsehen. Es gibt keine vernünftige Erklärung; es ist halt einfach so. Nächstes Mal ist es andersrum.‘ Also so ein bisschen, das ist alles, regelmäßiges Treffen, starke Kommunikation …“ • „Und dann habe ich ihm gesagt, wenn Du jemals noch einmal mit mir reden willst, ruf mich an. Dann haben wir miteinander telefoniert, weil er hat dann eingesehen, ist vielleicht ein bisschen blöd, der Frau XY (Name gelöscht durch JW) gegenüber so aufzutreten. Und dann habe ich ihm noch einmal die Sachen erklärt …“

Auch kam in den Wortmeldungen zum Ausdruck, dass Diskussionen zwischen den Matrixdisputanten als Methode gesehen werden, um die Qualität der zu treffenden Entscheidungen zu steigern. Ein Gesprächspartner hat dies wie folgt ausgedrückt: „Und das, was … als Kerngedanke hinter der Geburt der Matrix steckt, ist ja in der Tat eine Entflechtung von Entscheidungen von Einzelmeinungen hin zu einem von globalem Sachverstand getriebenen Kompromiss oder Konsens. Und wir sagen immer, unterschiedliche Sichtweisen auf denselben Sachverhalt steigern die Meinungsgüte. Und das ist auch, wovon wir schon in Summe profitieren.“

Und er fuhr fort: „Also ich glaube generell …, gerade als Unternehmen XY (anonymisiert durch JW) haben wir natürlich schon einen gewissen Bedarf, die Entscheidungsgüte zu steigern.“ Dabei ist man sich durchaus bewusst, dass dieser Zugewinn an Entscheidungsqualität durch einen Zeitverlust erkauft werden muss: „Ob das ein Modell für die Ewigkeit ist, weil es in der Tat Langsamkeit und Komplexität aufbaut, das ist in der Tat, das sehen wir auch, das ist auch nicht zu verachten, aber es ist immer die Frage, wo Sie Ihre Priorität legen. Wenn Sie eine Organisation haben, wo der Entscheidungsfindungsprozess sauber auf Werten basiert, auf Daten basiert, auf Analytik basiert, dann brauchen Sie das …“

4.3  Konfliktlösung in matrixstrukturierten Unternehmen

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In welchem Kontext finden nun solche Abstimmungsgespräche statt? In der Praxis scheint diesbezüglich eine erhebliche Varianz vorzuliegen. Das Spektrum reicht von: „Erstmal fängt die Abstimmung innerhalb unseres Boards an. Wir haben regelmäßige Vorstandssitzungen alle zwei Wochen. Aber darüber hinaus, das ganze ist ja nicht so, dass wir uns alle zwei Wochen nur sehen, wir sitzen jeden Tag zusammen, wir gehen jeden Tag zusammen essen, unser Büro ist gegenüber und das heißt, es erfolgt eine tägliche Abstimmung. Wir sitzen auch in vielen Gremien zusammen, das heißt, wir klären schon im Vorfeld viele Sachen ab. Und wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, dann klären wir das eigentlich schon im Vorfeld.“

bis hin zu Verhaltensweisen, wo z. B. die Business-Line-Manager in die jeweilige Region reisen, um von dort mit einem gemeinsam erarbeiteten Plan zurückzukehren. Interessanterweise haben solche Konfliktgespräche nicht das Ziel, dass sich die Disputanten immer in der Mitte treffen. Ein Gesprächspartner bemerkte: „Was wir selten machen, ist so dieser Mittelweggedanke. Weil das ist, was man oft hört, da einigen wir uns irgendwo in der Mitte, das funktioniert manchmal, aber im Allgemeinen setzt man sich an einen Tisch und überlegt ‚Was sollen wir denn jetzt machen?‘ Weil linksrum oder rechtsrum, wenn das so ist, dann können wir nicht einfach geradeaus fahren. Das ist jetzt mal die negative Art und Weise, den Mittelweg darzustellen; man einigt sich irgendwie im Wischi-­ Waschi-­Bereich. Ich halte relativ wenig von dieser Situation persönlich, weil ich glaube, man sollte lieber klare Wege wählen, die diskutieren und dann zu einem gemeinsamen Verständnis kommen als dann, ich gebe dir den halben Fünfziger und du gibst mir auch die Hälfte …“

Ein derartiges Treffen auf halber Strecke ist in vielen Fällen auch gar nicht möglich, weil eine Aufteilung des Entscheidungsgegenstandes gar nicht möglich ist. Man denke etwa an eine Entscheidung über den Standort eines aufzubauenden Werkes, bei der von den Matrixdimensionen unterschiedliche Regionen präferiert werden. Ökonomische Gründe lassen es in aller Regel nicht zu, dass man statt einem großen Werk zwei kleinere errichtet. Was schließlich die Voraussetzungen für ein Gelingen von Konfliktlösungsdiskussionen anbelangt, hat ein Gesprächspartner auf einen wichtigen Punkt hingewiesen. Er sagte: „This is the discussion which I mentioned at the beginning, that you have to have a very big discipline in management.“ (vgl. Abschn. 8.1.8).

4.3.2 Eskalation als Konflikthandhabungsmethode Wie eben dargelegt stellt die Eskalation die zweite Methode zum Umgang mit in der Matrixstruktur auftretenden Konflikten dar. Eine Eskalation liegt vor, wenn der Streitfall im Falle einer Nichteinigung der Manager der Matrixdimensionen an eine höhere Hierarchieebene weitergereicht wird mit dem Ziel, den Konfliktfall zu lösen.

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4  Konflikt in der Matrixstruktur

In 16 der 46 Interviews haben wir uns ausführlich mit dem Thema „Eskalation“ beschäftigt. Exploriert wurde zunächst, wie häufig in den betreffenden Unternehmen auf die Eskalationsmethode zurückgegriffen wird. Nach 11 der 16 geführten Gespräche kommen Eskalationen selten oder gar nicht vor. Lediglich in vier Gesprächen kam ein klares „ja“, dass man sich dieser Methode bedient. Was sind nun aber die Gründe, warum Eskalationen nur selten zur Anwendung kommen bzw. warum so viele Manager es vermeiden, auf sie zurückzugreifen? In Anbindung an das oben (in Abschn. 4.1) dargelegte Modell der zwei Entscheidungsfindungsstile in Matrixstrukturen sind wir zunächst der Auffassung, dass Konflikte in der zunehmend genutzten regelbasierten Matrixstruktur seltener auftreten und somit Eskalationen weniger häufig erforderlich werden. Seitens der Respondenten wurden verschiedene Begründungen hervorgebracht, innerhalb derer sich allerdings ein klarer Schwerpunkt ausmachen lässt. Es ist ja – so die erste Äußerung  – die originäre Aufgabe des Two-boss-Managers, Konflikte aus der Welt zu räumen. Wir hörten: „Eigentlich muss dieser Two-boss-Manager einer sein, der das gut kommunikativ hinbekommt, der beide Interessen vertritt.“ Die Two-boss-Manager sollten tunlichst verhindern, dass auf Eskalationen zurückgegriffen werden muss. Bei näherem Hinsehen erscheint diese Begründung jedoch recht naiv und damit nicht hinreichend, wenn man bedenkt, dass die Two-boss-Manager den Matrixmanagern hierarchisch unterlegen sind. Aus dem Kreise der Matrixmanager war zu vernehmen, dass man auf Eskalationen verzichte, weil dies nicht der eigenen Persönlichkeit entspreche. Ein Gesprächspartner sagte: „Ich mach’ das nicht. Und weil es nichts hilft. Denn wenn ich einem vor dem Kopf haue, weil er ums Verrecken nicht will, dann kann ich zwar siegen, aber nur einmal. … Wenn Sie President sind, dann gibt es nicht mehr viele Eskalationsebenen; Sie machen das dann zum Vorstands-­Topic. Ob man so was dann will, hängt so ein bisschen davon ab, wie man selber so unterwegs ist, ich brauche das nicht.“

Aus einem anderen Unternehmen war zu hören: „Da ist das Verhältnis glaube ich viel zu gut und zu konstruktiv; man kommt da immer zu einer Lösung …“ Auch scheint man nicht die wertvolle Zeit der übergeordneten Einheiten zu sehr strapaziert zu wollen. Ein anderer Gesprächspartner drückte es wie folgt aus: „Manchmal schwimmen, gerade was Personal angeht, zu kleine Sachen zu hoch auf, weil die Leute sagen, eskalieren geht für mich schneller, als es aufzulösen.“ Und „Niemand hat … großes Interesse, ständig irgendwelche Themen über den Vorstand zu eskalieren.“ Außerdem hörten wir, dass im Falle einer Eskalation die Entscheidung nicht unbedingt inhaltlich besser fundiert wird: „Die Entscheidung wird dann ja immer ein bisschen willkürlicher. Weil dann entscheidet einfach einer, um zu entscheiden, und dann ist das so. Es sollte immer so niedrig entschieden werden, wie es geht.“ Auch vermutet man bei Eskalationen einen Zeitverlust, den man nicht haben will: „Weil die Eskalation immer eine Zeitbremse ist.“ Unternehmen, die sich der Eskalationsmethode bedienen wollen, sollten diese also sehr zügig durchziehen. Im Kreise unserer Gesprächspartner wurde dies durchaus auch so gesehen: „The challenges I

4.3  Konfliktlösung in matrixstrukturierten Unternehmen

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see is that we really have to be able to make sure that there are very efficient, and very fast escalation mechanisms …“ Deutlich am häufigsten scheint man Eskalationen jedoch deshalb zu vermeiden, weil Sorge besteht, sonst von den höheren Ebenen als inkompetent eingeschätzt zu werden. Wiederholt wurde derartiges zum Ausdruck gebracht: „Weil, letztendlich, wenn man das eskaliert, sagt man als lokales Management, wir sind nicht in der Lage, Entscheidungen zu finden. Insofern können Sie sich vorstellen, dass das in der Konzernzentrale ein gewisses Geschmäckle hat.“ „Das Ziel ist jetzt nicht, alles Herrn XY (Name des Vorstandsvorsitzenden gelöscht durch JW) auf den Tisch zu legen, weil der wird dann auch sagen: ‚Warum bezahl’ ich die hier, wenn die sich den ganzen Tag nur streiten.‘“ „Aber wenn es immer das gleiche Thema ist, über das die sich streiten, dann muss man fragen, ob das die richtigen Leute sind.“

Nach Sicht eines anderen Gesprächspartners wiegen derartige Gedanken auf den Top-Management-Ebenen besonders schwer: „Wenn es bei uns Streit gibt, auf meiner Ebene, dann ist es oft so, dass es massive Folgen hat. … Wer Streit vom Zaun bricht, der gefährdet das System und das System eliminiert ihn.“ Dieses Statement korrespondiert übrigens mit den Ergebnissen einer Harvard-Fallstudie über die ABB Ltd., wonach ein häufiges Eskalieren von Streitfällen in negativer Form in den Leistungsbeurteilungen der jeweiligen Person vermerkt werden (Simons und Bartlett 1992). Interessanterweise konnten diejenigen Respondenten, welche von Eskalationen berichteten, diesen durchaus auch etwas Gutes abgewinnen. Beispielsweise wurde gesagt: „We have to think about this because by escalation you reach somebody who usually has a broader perspective than the two people here. This person here should have the broader perspective taking more into account. … This decision then can actually be used later as a guideline for additional situations. If that person explains it well. It is important that the person on the top explains it well and gives the logic …“

Die durch die höhere Instanz getroffene Entscheidung hat dann offenbar die Qualität einer Grundsatzentscheidung, wie sie beispielsweise von dem obersten Gerichtshof eines Nationalstaates getroffen wird. Von einem anderen Vorteilsaspekt berichtete ein anderer Gesprächspartner: „Und aus meiner Sicht, die (Eskalationen, Erg. durch JW) muss es auch geben. Wenn wir unterschiedliche Rollen in so einer Matrix haben, also wenn Sie mich als Konzernstrategen in meiner Rolle sehen, dann habe ich möglicherweise eine andere Sicht auf denselben Sachverhalt wie jemand der kurzfristig P&L und Q3 getrieben ist.“ Und er fuhr fort: „Aus meiner Sicht haben wir noch zu wenig Eskalationen. … Ich glaube zu wenig, weil es möglicherweise heute noch bei uns organisatorisch verankert ist, dass wenn sich zwei nicht einigen können, und sei es wohlbegründet fachlich, dass man dann sagt, die sind unfähig miteinander klar zu kommen. Und ich glaube, wir müssen das eine vom anderen trennen. Wenn ich in der Tat eine bessere Entscheidung treffen will über die Zeit, dann muss ich automatisch mehr inhaltliche Konfliktlösungen haben. Solange aber jeder denkt, der inhaltliche

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4  Konflikt in der Matrixstruktur Konflikt ist gleichzusetzen mit einem emotionalen Konflikt, und wenn ich nicht gewinne, bin ich der Verlierer, und an mir haftet was. Solange ich diese beiden Dinge nicht voneinander separiert bekomme, glaube ich, sind wir noch nicht da, wo wir hinmüssen.“

Untersuchenswert ist auch die Frage, bei welchen Entscheidungen (in welchen Situationen also) es wahrscheinlich ist, dass es zu Eskalationen kommt. Unsere Praktikergespräche gaben hierüber allerdings nur näherungsweise Auskunft. Danach sind Eskalationen wahrscheinlicher, wenn es prinzipielle Dinge sind, die einer Entscheidung bedürfen. Dies ist konsistent mit der und ebenso plausibel wie die Aussage: „In dem Augenblick, in dem große Entscheidungen getroffen werden, die maßgeblich sind für das Gesamtziel oder längerfristig wirken, da müssen Sie eskalieren, wenn Sie es nicht schaffen, beide Ziele unter einen Hut zu bekommen.“

Weiterhin sind Eskalationen eher an der Tagesordnung, wenn es um Compliance-­ Fragen geht. Aus diesem Bereich war zu hören: „Also wir hatten solche Fälle. Oder auch wenn ich sage: „Ich bin hier überhaupt nicht zufrieden.“ Dann eskaliere ich es … auch mal zu Herrn XY (Name des obersten Compliance-­ Leiters wurde entfernt durch JW). Ich habe es auch schon einmal zu einem Geschäftsbereichsleiter eskaliert. Also, das passiert schon.“

Auch dies lässt sich gut verstehen, weil Verstöße gegen formaljuristische Vorschriften massive Auswirkungen für den jeweiligen Unternehmensbereich und das Unternehmen insgesamt nach sich ziehen können. Außerdem sind Eskalationen bei Entscheidungsangelegenheiten wahrscheinlich, bei denen eine Partei aus Geschäftsbereichs-Managern besteht. Ein Top-Manager berichtete: „Die Segmentleiter, die haben 100 Prozent ihrer variablen Vergütung ausschließlich an ihrem Ergebnis festgemacht … Und dementsprechend ist doch klar, dass diese Leute dafür kämpfen, das Beste für ihre Teileinheit rauszuholen. Wenn es dann zu einem Konflikt zwischen diesen Leuten und dem Leiter einer quer liegenden Einheit kommt, dann finden wir das zunächst gut (weil wir dann sehen, dass sich zwei starke Leute aneinander reiben). Dann eskalieren wird das …“

Weiterhin dürften sich Eskalationen dann eher finden, wenn in dem betreffenden Unternehmen ein RACI-System (vgl. Abschn. 8.2) etabliert ist und Entscheidungen anliegen, bei denen eine der Parteien ein Vetorecht hat. Und schließlich scheint es so, dass Eskalationen am Anfang, wenn die Matrix in dem jeweiligen Unternehmen noch nicht allzu lange besteht, relativ häufig auftreten. Auch das ist sehr plausibel, weil die Matrixstruktur von den im Matrixdreieck tätigen Managern eine Interaktionsfähigkeit verlangt, über die diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht notwendigerweise verfügen.

4.3  Konfliktlösung in matrixstrukturierten Unternehmen

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„Eskalieren“ bedeutet, wie zu Beginn dieses Abschnittes dargelegt, eine Weiterreichung strittiger Entscheidungsangelegenheiten an eine höhere Einheit mit dem Ziel, über diese zu befinden. An welche Einheit jedoch wird eskaliert, wer ist dann für die Entscheidungsfindung zuständig? Bevor wir diese Frage beantworten, soll der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen werden, dass ein Respondent den Eskalationsbegriff in einer andersartigen als der von uns verstandenen Form verwendet hat. In seinem Unternehmen sei es üblich, dass der Two-boss-Manager selbst für das Treffen der Entscheidungen zuständig ist, die den Überlagerungspunkt der beiden Hierarchien betreffen, denen er angehört. Wenn der Twoboss-Manager bei einer Entscheidungsangelegenheit nun den Eindruck hat, dass es ihm nicht möglich ist, eine mit den Zielen beider Matrixmanager verträgliche Lösung zu finden, dann führt er eine „Eskalation“ der Angelegenheit durch, indem er diese an die beiden Matrixmanager übergibt, so dass sich diese gemeinsam der Entscheidungsangelegenheit annehmen. Nach diesem Verständnis besteht eine Eskalation also in einem Weiterreichen einer strittigen Frage vom Two-boss-Manager zu den Matrixmanagern. Unseres Erachtens handelt es sich hier jedoch nicht um eine Eskalation in dem oben genannten und in der Matrixliteratur üblicherweise verstandenen Sinn, sondern um ein Standardvorgehen innerhalb des Matrixdreicks. Bezogen auf die eigentliche Frage der Zieleinheit der Eskalation besteht die vermutete Standardlösung darin, dass die unmittelbar über den Matrixmanagern liegende Hierarchieeinheit mit der Lösung des strittigen Sachverhalts betraut wird. Wir fanden diese Vorgehensweise unter anderem in einem globalen Papierkonzern vor, bei dem es oft zu Strei­tigkeiten über die Auslastung der an unterschiedlichen Standorten befindlichen Papierwerke kam: „Let’s take a concrete example. It has to be decided which paper to produce on which machine (which location). Then, location A’s managers argue that this factory is running at 80 per cent operating rate, which is less than average. They argue: ‚We need more, since the neighbour location B – everything is hypothetical – with the same paper quality is running at 90 or 100 per cent. Why do they have such a high rate and we have only 80 per cent?‘ … And therefore there is a responsible person, who is here in the area Supply Chain, who is deciding on the use of the machines.“

Die Zuständigkeit für eskalierte Fälle muss jedoch nicht notwendigerweise bei der unmittelbar über den Matrixmanagern befindlichen Hierarchieeinheit liegen. Folgende andere Modelle fanden sich ebenfalls in den studierten Unternehmen. In einigen Unternehmen lag die Zuständigkeit bei einem hochrangigen Gremium, dem unter Umständen die Matrixmanager selbst angehören. So sagte ein Two-boss-Manager, der an den Chef einer Regionalzentrale sowie an den globalen Personalchef seines Unternehmens berichtet:

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4  Konflikt in der Matrixstruktur „Ich habe das dann rein gespielt … und argumentativ präsentiert auf diesem vierteljährlichen Regionalleiter-Treffen, auf einem dieser Treffen. ... Dies ist ein partizipatives Gremium und ein Gremium, was auch Entscheidungen trifft. Und letztendlich ist es auch eine Eskalationsinstanz, dadurch, dass der globale Personalchef mit am Tisch sitzt. Also wenn dann, was weiß ich, eine Region und ein Expertise-Center sich da nicht grün werden, kann er sozusagen … vermittelnd tätig werden und gucken, wie man da auf einen gemeinsamen Nenner kommt. Und über dieses Gremium, über diesen regelmäßig bestehenden Kommunikationskanal, können sicherlich viele Dinge auch abgefangen werden.“

Schließlich gab es in mehreren beforschten Unternehmen sogar Einheiten, die speziell für derartige Konfliktfälle zuständig waren. Ein Gesprächspartner berichtete: „Es gibt dann in der Konzernzentrale eine Abteilung, die nennt sich ‚Regionale Koordinierung‘. Die Aufgabe der Regionalen Koordinierung ist es, Themen, die eskaliert worden sind, zu einem Entscheidungsprozess zu bringen.“

In einem anderen Unternehmen wird diese Einheit als „Schlichtungseinheit“ bezeichnet. Als Themen, bei denen eine solche Schlichtungseinheit angerufen wurde, wurden strittige Fragen der Transferpreisgestaltung, der Personalauswahl sowie des Governance-­ Bereichs genannt. Welche der vorgenannten Alternativen ist nun aber am besten geeignet, an welche Einheit sollten strittige Fälle eskaliert werden? Als beste Lösung kann gelten, die strittige Angelegenheit an die Instanz zu übertragen, an die die beiden Matrixmanager berichten, diesen also direkt überstellt ist. Die Überweisung an ein hochrangiges Gremium halten wir für weniger angebracht, weil ein solches typischerweise heterogen besetzt ist und daher die Problemlösung durch sehr unterschiedliche Interessen überlagert wird. Auch dürften nicht alle Mitglieder eines solchen Gremiums hinreichend mit den Spezialitäten der jeweiligen Entscheidungsangelegenheit vertraut sein, um zielführende Lösungsvorschläge unterbreiten zu können. Ein Gesprächspartner zeichnete ein düsteres Bild einer solchen Gremienarbeit: „Dann sitzen die halt da, da hast Du den Personalvorstand und einen PKW-Vorstand, die sich dann in die Haare kriegen. Und wenn die sich in die Haare kriegen, dann haben sie vielleicht noch den Herrn XY (Name des Vorstandsvorsitzenden gelöscht durch JW) oder sonst was. Und dann haben wir alle geguckt; ach so ist das. Aber der Punkt ist ja eigentlich der, ihr solltet das vermeiden.“

Die Einschaltung einer speziell für Konfliktlösungen zuständigen Einheit dürfte ebenfalls wenig hilfreich sein. Zwar verfügen deren Mitglieder typischerweise über umfangreiche Sozialkompetenzen; in der sachinhaltlichen Dimension dürfte jedoch ein nicht ausreichendes Wissen vorhanden sein. Gleichwohl besteht bei der hier favorisierten Lösung die Gefahr, dass die höheren Führungskräfte, an die Entscheidungen weitergeleitet werden, durch diese im Übermaß strapaziert werden. Eine sorgfältige Überwachung des Geschehens ist also erforderlich, um derartige Überlastungen zu vermeiden.

4.3  Konfliktlösung in matrixstrukturierten Unternehmen

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Die für die Konfliktlösung zuständige übergeordnete Einheit sollte dabei folgende Spielregeln beachten: Sie sollte nicht versuchen, den Streitfall in der Form einer schriftlichen Interaktion oder gar über eine vorgefertigte Entscheidungsvorlage zu lösen, sondern auf der Basis eines Gesprächs, in dessen Zuge sie sich die Argumente beider Seiten anhört. Dies ist wichtig, weil davon auszugehen ist, dass jede Partei aus ihrer Überzeugung he­ raus, aus ihrer Rolle heraus schlüssig argumentiert. „Am Ende des Tages gibt es dann über die Führungskraft einen Call: ‚Ich habe die Argumente gehört, wir machen jetzt aber das, weil …‘. Und das ist glaube ich auch die richtige Art und Weise vorzugehen …“ Übereinstimmend hierzu sagte ein Gesprächspartner: „And if you are not going to hit with the hammer, but to make a decision, to explain why the decision took place and then to ask everybody to follow, that’s it, I made a good experience with that.“

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Reichweite der Matrix

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird die Frage behandelt, ob alle Funktionsbereiche, alle Produktbereiche bzw. alle regionenbezogenen Einheiten des Unternehmens in die Matrixstruktur einbezogen werden sollen oder ob eine Auswahl getroffen werden soll („Selektive Matrixbildung“). Auch wird geklärt, ob das Doppelunterstellungssystem ausschließlich zwischen der zweiten und der dritten Hierarchieebene des Unternehmens bestehen oder ob es auch auf darunterliegenden Hierarchieebenen zur Anwendung gelangen soll („Micro-Matrixing“).

Im dritten Hauptkapitel wurde die Frage behandelt, unter welchen Bedingungen welche Dimensionen (funktionale Dimension, produktbezogene Dimension oder regionenbezogene Dimension) in einer Matrixstruktur enthalten sein sollten. Damit sind jedoch noch nicht alle die Konfiguration der Matrixstruktur betreffenden Gestaltungsaspekte bestimmt. Festgelegt werden muss insbesondere auch noch, (1) ob alle Funktionsbereiche, alle Produktbereiche bzw. alle regionenbezogenen Einheiten des Unternehmens in die Matrixstruktur einbezogen werden sollen und (2) ob das Doppelunterstellungssystem ausschließlich zwischen der zweiten und der dritten Hierarchieebene des Unternehmens bestehen oder ob es auch auf darunterliegenden Hierarchieebenen zur Anwendung gelangen soll. Die erstgenannte Frage werden wir unter der Überschrift „Selektive Matrixbildung“ behandeln, die zweitgenannte Frage wird hernach unter der Überschrift „Micro-Matrixing“ zu erörtern sein.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_5

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5  Reichweite der Matrix

5.1

Selektive Matrixbildung

Matrixstrukturierte Unternehmen haben bei jeder enthaltenen Matrixdimension (Funktion, Produkt, Region) mehrere Teileinheiten. Die Mehrzahl der Publikationen über die Matrixstruktur lässt vermuten, dass diese Unternehmen sämtliche Teileinheiten in die Matrixbildung einbinden. Wenn also zum Beispiel ein Unternehmen mit einer Funktions-­ Produkt-­Matrix über vier Funktionsbereiche und drei Produktgruppen verfügt, dann wird in diesen Publikationen der Eindruck erweckt, dass alle vier Funktionsbereiche mit allen drei Produktgruppen „gematrixed“ sind. Ist das in der Realität aber wirklich so und ist das zweckmäßig? Im Nachfolgenden wollen wir zunächst über die Sichtweisen der Praktiker hinsichtlich der Frage berichten, ob alle Teileinheiten in die Matrix einbezogen werden. Hernach soll dann exploriert werden, welche Teileinheiten tendenziell in einer selektiven Matrix enthalten sein und welche außerhalb der Matrix geführt werden sollten. Im Hinblick auf den erstgenannten Aspekt haben unsere Gespräche sehr schnell deutlich werden lassen, dass in der Praxis keineswegs alle Funktionen, Produktbereiche und Regionen in die Matrixstruktur integriert sind. Keiner der Gesprächspartner, mit denen wir diesen Aspekt besprochen haben, sah die Matrix so ausgestaltet. Die Unternehmen scheinen also dem Gedanken einer symmetrischen Architektur der Matrixstruktur nicht zu folgen und statt dessen im Zuge der Einrichtung ihrer Matrix sorgfältig zu analysieren, welche Funktionen, Produktbereiche und Regionen sie in ihre Matrix integrieren wollen und welche nicht. Funktionen, die sie nicht direkt in der Matrix verankern, gliedern sie organisatorisch in die Produktbereiche des Unternehmens ein. Ein Gesprächspartner fasste dieses selektive Verhalten wie folgt zusammen: „Every company finds its own ideal matrix structure … And a matrix structure always is a compromise.“ Angesichts dieser eindeutigen Tendenz in Richtung einer selektiven Matrixstruktur haben wir versucht, in den Gesprächen Kriterien herauszuarbeiten, welche für die Unternehmen relevant sind für die Bestimmung von Funktionsbereichen, Produktbereichen und Regionen, welche in die Matrixstruktur eingebunden werden. 1. Danach ist die Verankerung eines bestimmten Funktionsbereichs, einer bestimmten Produktgruppe oder einer bestimmten Region in der Matrixstruktur wahrscheinlicher, wenn sich in diesem(r) durch einen globalen Wissensaustausch ein signifikanter Mehrwert erzeugen lässt. Der Vertreter des Beschaffungsbereichs eines israelischen Pharmaunternehmens sagte: „We are getting new ideas from the headquarters in Israel and they are getting new ideas from the United States or from Asia. And then they transfer these ideas to Europe. … There is a regular exchange among the regions.“

Dieser Gesprächspartner betonte aber auch, dass der Mehrwert eines solchen Wissensaustauschs von Funktionsbereich zu Funktionsbereich, von Produktbereich zu Pro-

5.1  Selektive Matrixbildung

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duktbereich sowie von Region zu Region variiert und dies ist dann eben dafür ausschlaggebend, ob der jeweilige Funktionsbereich, der jeweilige Produktbereich oder die jeweilige Region in die Matrixstruktur eingebunden wird oder nicht. 2. Auf der anderen Seite besteht bei regional begrenzten Aktivitäten wenig Notwendigkeit, diese direkt in der Matrix zu verankern. Wenn in einem Funktionsbereich oder in einem Produktbereich eine „insularische Struktur“ vorliegt, dann kann dieser aus dem Matrixdreieck ferngehalten werden. So weist nach Aussage eines Gesprächspartners nicht jeder Produktbereich seines Unternehmens einen Footprint in jeder Region der Welt auf. Manche Produktbereiche seien nur in einzelnen Regionen der Welt tätig und dementsprechend müssten sie nicht matrixartig verankert werden. Sein Kollege ­erwähnte Fertigungsstätten, die ausschließlich für jene Region produzieren, in denen sie ansässig sind mit dem Ergebnis eines Verbleibens des Funktionsbereichs „Produktion“ in der jeweiligen Regionaleinheit. Derartige auf die jeweilige Region bezogene Fertigungsstätten sind aus der Industriegas- oder der Pappkartonbranche bekannt, wo es wenig Sinn macht, die Erzeugnisse interkontinental zu transportieren. Ein Gesprächspartner verdeutlichte jedoch, dass der Fall einer solchen regionalen Begrenzung von Funktionen immer seltener werde. Bereits in Kap. 2 wurde zum Beispiel auf die heute übliche außerordentliche Größe von Methanolanlagen hingewiesen, die sich nur dann rechnen, wenn ihr Output rund um den Globus vermarktet wird. 3. Und schließlich scheint auch eine Rolle zu spielen, ob der jeweilige Funktionsbereich, der jeweilige Produktbereich oder die jeweilige Region eine große Bedeutung für den Entwicklungspfad des Unternehmens hat. Ist dies der Fall, dann wird er (sie) mit größerer Wahrscheinlichkeit in der Matrix direkt repräsentiert sein. An dieser Stelle sei auf ein Statement eines Gesprächspartners verwiesen, wonach der Vorstandsvorsitzende seines Unternehmens eine besondere Qualitätsbesessenheit aufwies, was zu Folge hatte, dass die Qualitätsmanagementfunktion direkt in die Matrix eingegliedert wurde mit dem Ziel, dieser unternehmensweit eine hohe Geltung zu verschaffen. Was sind nun aber die Einheiten (Funktionsbereiche, Produktbereiche, Regionen), die typischerweise in einer Matrixstruktur eine direkte Verankerung finden? Verständlicherweise ist es kaum möglich, bezüglich Produktbereichen hier konkrete Aussagen zu unterbreiten – sind diese von Unternehmen zu Unternehmen doch zu unterschiedlich ausgeprägt. Als allgemeine Heuristik kann freilich gelten, dass Produktbereiche, die in globalen Branchen wie dem Flugzeugbau, der Computerindustrie oder der Automobilindustrie operieren, mit relativ großer Wahrscheinlichkeit in der Matrixstruktur des jeweiligen Unternehmens direkt verankert sind, weil sich in diesen Branchen durch die konsequente standortübergreifende Verzahnung von Aktivitäten signifikante ökonomische Effekte erzielen lassen. Auch hinsichtlich von Regionen fällt es schwer, allgemeingültige Verankerungsmuster aufzuzeigen, weil die Unternehmen die geografischen Einzugsbereiche ihrer marktlichen Aktivitäten in sehr unterschiedlicher Weise zuschneiden. Bezüglich der Funktionsbereiche sind jedoch konkretere Angaben möglich und dies spiegelt sich auch in den

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5  Reichweite der Matrix

Aussagen der Praktiker wider. Bei einigen Funktionsbereichen besteht sogar eine sehr deutliche Tendenz der (Nicht-) Eingliederung in die Matrixstruktur. Zu nennen ist hier zunächst der F&E-Bereich, welcher in vergleichsweise vielen Unternehmen in einer selektiven Matrixstruktur repräsentiert ist. In diesem Bereich ist ein hohes Maß an spartenübergreifender Koordination erforderlich, um eine ökonomisch nachteilige Duplizierung von Anstrengungen zu vermeiden. Ein Praktiker meinte, dass dieses Argument in der pharmazeutischen Industrie eine besonders hohe Bedeutung besitzt, weil die F&E-Aktivitäten dort besonders teuer sind. Eine direkte Einbindung der F&E-Funktion in die Matrixstruktur ist insbesondere dann erforderlich, wenn mehrere Produktbereiche des Unternehmens auf gleichartige oder sogar dieselbe Technologie zurückgreifen. Ein Vertreter der Energiewirtschaft verwies in diesem Zusammenhang auf das F&E-Teilgebiet „Neue Technologien“ (neue Energiequellen, neue Mobilitätssysteme, etc.). Da in den Produktbereichen seines Unternehmens bezüglich dieses Technologiefelds zu wenig Wissen vorhanden sei, sei eine Zentralisation dieser Aktivitäten und damit eine „flächendeckende“ Einspeisung des Wissens über die Matrix geboten. Auch sind eine Zentralisierung von F&E-Aktivitäten und damit deren direkte Verankerung in der Matrixstruktur besonders wahrscheinlich, wenn es sich um die Entwicklung einer Grundlagentechnologie handelt. Wenn es hingegen um einen „go-to-market approach“ geht, dann ist es üblicherweise möglich und nötig, die Prozesse eher dezentral zu handhaben, weil das anwendungsbezogene Engineering erheblich zwischen den Produktbereichen variiert. Auch die Beschaffung gehört zu jenen Funktionsbereichen, die heutzutage in fast allen Unternehmen Teil der selektiven Matrix sind. Vom Vorstandsvorsitzenden eines Spezialchemikalienherstellers hörten wir: „Purchasing belongs to the functions where there is a close cooperation among the divisions.“ Fast das gleiche war aus dem Transportwesen zu vernehmen: „Our central procurement unit makes the procurement for all businesses.“ Und ein ebensolches Vorgehen fanden wir auch in der Energiewirtschaft: „We are developing into a matrix structure these days. Especially in functional areas like purchasing …“ Da wir daran interessiert waren, wie der Koordinationsgrad der Beschaffung im Vergleich zu demjenigen der F&E ausgeprägt ist, fragten wir provokativ: „What about purchasing, this is probably less coordinated than R&D?“ Die Antwort war eindeutig: „If so, you should change rapidly. It must be highly coordinated.“ Trotz dieser starken Abgestimmtheit ist in vielen Unternehmen jedoch eine hybride Lösung realisiert, bei der sich neben dem zentralen Beschaffungsbereich auch Beschaffungsabteilungen in den Produktbereichen finden. Wenig überraschend findet sich die Beschaffung so häufig in selektiven Matrixkonstruktionen, ist doch in vielen Unternehmen zumindest der Prozess der Beschaffung über mehrere Produktbereiche hinweg standardisiert. Aber vielfach gehen die im Beschaffungsbereich bestehenden Synergiepotenziale sogar noch deutlich weiter, weil die Produktbereiche sehr ähnliche Vorleistungen einkaufen oder auf gleiche Beschaffungskanäle zurückgreifen. Überdies hilft eine Bündelung der Beschaffungsfunktion die Einkaufsmacht der Unternehmen zu steigern. Und schließlich gerät der Beschaffungsbereich auch deshalb auf das Radar des Top Managements, weil er eine sehr große Hebelwirkung aufweist: „Purchasing is a very big lever in our business. That is why it got this extraordi-

5.1  Selektive Matrixbildung

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nary.“ Eine Gesprächspartnerin konkretisierte: „Ja, 50  Prozent unseres Umsatzes sind Kosten aus dem Einkauf. Und das war eine der ersten Funktionen, die wir bei der Stärkung der Zentralfunktion ins Visier genommen haben.“ Häufig in die Matrixstruktur integriert ist auch der Produktionsbereich. So hat man uns beispielsweise bei der ThyssenKrupp AG mitgeteilt, dass das Unternehmen nicht nur ein zentrales F&E-Center, sondern auch ein zentrales Fertigungscenter unterhält, welches von einer höchstrangigen Führungskraft geleitet wird. Und dieses Center wird als „Andockungspunkt … zu unserer Matrix“ begriffen. Wie anderswo bereits angedeutet, hat sich dieses Modell schon sehr früh in der pharmazeutischen Industrie herausgebildet. „Pfizer has a similar organization. They were the first who set up a global product supply unit (the so-called PGM: Pfizer Group Manufacturing).“ Die BHC AG ist dann 2007 mit der ­gleichen Konstruktion nachgezogen und dies wird gemeinhin als der Beginn der Matrixstruktur in diesem Unternehmen begriffen. Die Global Product Supply Function dieses Unternehmens koordinierte zeitweise mehr als 40 Werke und sie ist direkt in der Unternehmenszentrale beheimatet. Auch in diesem Unternehmen wird der zentralen Product-­ Supply-Einheit eine höchste Wichtigkeit eingeräumt, wobei sich ihre Kompetenzen nicht nur auf die eigentlichen Fertigungsprozesse konzentrieren, sondern auch auf das Bestandsmanagement (Vorhaltung angemessener Bestände an den einzelnen Standorten) beziehen. Zu begründen ist die im Fertigungsbereich vorliegende Zentralisationstendenz vor allem mit dem Streben nach einer Gesamtoptimierung der Auslastung aller dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Fertigungskapazitäten. Eine Spitzenführungskraft der Getränkewirtschaft hat aber weitere ökonomische Vorteile benannt, die durch eine Zentralisation der Produktionssteuerung möglich werden: „We also reach significant scale effects in the filling of the bottles, in the transportation, and in the glass management (glass sorting, glass separation, and bottle cleaning).“ Obwohl eine klare Tendenz zur Verankerung in der Matrixstruktur aufweisend, ist der Fertigungsbereich aber nicht in allen Unternehmen direkt dort eingegliedert. Ein abweichendes Verhalten fanden wir in einem großen internationalen Papierkonzern vor. Dort hat man den Fertigungsbereich bewusst aus der Matrixstruktur ausgeklammert und dies wurde mit der Unterschiedlichkeit der Papierfabriken des Unternehmens begründet. Diese könnten daher nicht von zentraler Seite über einen Kamm geschoren werden. In der Tendenz dezentraler zu koordinieren und daher weniger affin für eine direkte Einbindung in die Matrixstruktur ist der Logistikbereich. Dies mag zunächst überraschen, ist aber in mehreren Unternehmen deutlich geworden. Inhaltlich lässt sich dies durch mehrere Argumente untermauern. Einerseits spielen im Logistikbereich in den meisten Branchen immer noch physische Aspekte eine große Rolle. Dementsprechend ist verständlich, dass z.  B.  Entscheidungen, wer Lagerhäuser mit welchen Palettenwagen bedienen soll, dezentral getroffen werden. Sind physische Aspekte nachrangig, dann ist eine Zentralisation von Logistikentscheidungen eher möglich. Eine Matrixbildung gibt es in der Logistik aber auch deshalb längst nicht überall, weil in vielen Unternehmen die Produktflüsse immer noch durch unterschiedliche Logistikkonzepte beherrscht sind. Die Tendenz in

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5  Reichweite der Matrix

­ ichtung Dezentralisierung und somit Nichteinbindung in die Matrix gilt umso mehr, je R mehr die Unternehmen lokale anstatt globale Produktionssysteme etabliert haben. Ganz anders ist die Situation im IT-Bereich. In ihm stellt eine Vereinheitlichung der IT-Infrastruktur und -Prozesse heutzutage ein absolutes Muss dar. Standardisieren Unternehmen ihre IT-Infrastruktur und -Prozesse, dann fällt eine Integration derselben um so leichter und sie gewinnen dadurch erhebliche Flexibilitätsvorteile. Auch ist eine Standardisierung bzw. Integration der IT erforderlich, um Unternehmen konsequent anhand von Key Performance Indicators steuern zu können. Und schließlich kann hierdurch die Fehleranfälligkeit der Informationsverarbeitung deutlich gesenkt werden, was insgesamt zu erheblichen Effizienzgewinnen führt. Diese Argumente werden durch eine Umfrage des Beratungshauses Lündendonk und des IT-Dienstleisters Datagroup ergänzt: 40 Prozent der befragten IT-Experten bestätigen die These „IT-Dienstleistungen werden künftig ­deutlich standardisierter sein als heute“ und weitere 56 Prozent stimmen ihr tendenziell zu (Tennagel und Ostler 2018, o. S.). Angesichts der Schlagkraft der oben genannten Argumente und der Deutlichkeit der Befragungsergebnisse verwundert die Sicht unserer Gesprächspartner nicht, dass die IT zu jenen Funktionen gehört, in denen eine besonders enge Kooperation der Produktbereiche und demzufolge eine Matrixbildung vorliegt. An dieser Stelle sollen lediglich drei der hierauf bezogenen Einlassungen wiedergegeben werden: „IT is or used to be the real matrix model …“ „Sonae centralized IT as a global function this year … we have now a Chief Information Officer.“ Und selbst der oben erwähnte Gesprächspartner, der auf die Notwendigkeit einer dezentralen Logistik hingewiesen hat, betonte, dass in dieser ein bestimmtes Element, nämlich die IT-Infrastruktur, integriert werden muss: „Was dann innerhalb der Logistik zentralisiert werden muss, sind die verwendeten IT-Systeme.“ Der Finanzbereich ist fraglos derjenige Bereich, der am häufigsten als Bestandteil in eine selektive Matrix eingebunden ist. In jedem der von uns beforschten, eine funktionale Matrixdimension aufweisenden Unternehmen bestand in diesem Bereich eine Doppelunterstellung. Eine größere Zahl unserer Gesprächspartner hat die in diesem Bereich bestehende Matrixbildung deutlich unterstrichen, wobei auch hier nur wenige Redebeiträge herausgegriffen werden sollen. Aus einem großen Automobilkonzern war zu hören: „There is no doubt that we need matrix designs in the area Finance/Controlling.“ In der energieerzeugenden Industrie sagte man uns: „We are developing into a matrix structure these days. Especially in these functional areas like … finance …“ Am deutlichsten ausgeprägt war das folgende Statement aus der Chemieindustrie: „Wenn wir jetzt mal die zentralistischste Abteilung nehmen, die wir haben, das ist die Finanzabteilung. Konzernfinanzen ist ein zentral geführtes Konstrukt, zentraler geht es gar nicht. Da sind wir von den DAX-Konzernen fast die, die es am brutalsten zentral machen, im Prinzip geht alles über XY (Name Stadt, in der sich die Unternehmenszentrale befindet, wurde gelöscht durch JW). Und es gibt dann halt eine Linie rein in die Länder, und der macht, der guckt dann, in dem Fall ist das der CFO … der guckt dann für alle Teilkonzerne, dass es vernünftig läuft, dass wir unseren Cash generieren auf eine vernünftige Art und Weise …“

5.1  Selektive Matrixbildung

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Dieser im Finanzbereich bestehende hohe Zentralisationsgrad ist aus mehrerlei Gründen plausibel. Erstens gehören Finanzentscheidungen zu den fundamentalsten in Unternehmen überhaupt. Zweitens hat der Finanzbereich typischerweise mit dem sachinhaltlichen „Wesen“ des jeweiligen Geschäfts nur indirekt etwas zu tun. Dies verdeutlich die nachfolgende Aussage des Leiters eines Geschäftsbereichs: „Finanzen ist ein Beispiel, da muss man nicht groß unterscheiden zwischen den unterschiedlichen Geschäften. Die machen Abschlüsse, die machen Reporting, die machen Risk Management, das machen die praktisch für alle gleich. Und deswegen kann man das sehr gut standardisieren.“

Ein weiterer Grund für die Unabdingbarkeit einer Matrixbildung im Finanzbereich wird schließlich in der folgenden Aussage deutlich: „Unser Ziel ist es, Mehrwert über die verschiedenen Geschäftsbereiche zu erbringen. Und wenn wir diesen Mehrwert holen wollen, gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Einmal ist es, wie führe ich überhaupt – ein Kernthema ist Kapitalallokation –, dass ich bewusst mal Fristen inkongruent verschieben kann, weil dann habe ich eine andere Art von Binnenfinanzierungsmöglichkeit als jede dieser Einheiten als Stand-alone-Unit am Kapitalmarkt.“

Was die Ausgestaltung der Matrix im Finanzbereich anbelangt, so berichten die Finanzchefs der Geschäftsbereiche (bzw. Niederlassungen) typischerweise in solid line an die Chefs der Geschäftsbereiche (bzw. Niederlassungen) und in dotted line an die Chief Financial Officers des Gesamtunternehmens. Es mag manchen überraschen, aber auch den Personalbereich fanden wir in einigen Unternehmen als Bestandteil einer selektiven Matrix vor. Konkret waren es allerdings nur fünf der 46 Respondenten, die von einer Einbindung dieses Bereichs in die Matrix berichtet haben. Ähnlich wie bei dem zuvor behandelten Funktionsbereich scheinen auch die Personalleiter der Geschäftsbereiche (bzw. Niederlassungen) in solid line an die Chefs der Geschäftsbereiche (Niederlassungen) und in dotted line an die Chief Human Resource Officers des Gesamtunternehmens zu berichten. Auch wir waren über die Matrixbildung im Personalwesen zunächst recht erstaunt, weil gemäß – zugegebenermaßen alten – empirischen Untersuchungen (Wolf 1994, S. 150 und S. 156) Personalentscheidungen in Großunternehmen vergleichsweise dezentral und ohne wesentliche Standardisierung gehandhabt werden. Begründet wurde diese Dezentralität und Nichtstandardisierung damals vor allem mit der Notwendigkeit, die personalwirtschaftlich relevanten Bedingungen der jeweiligen Teileinheit (z. B. Auslandsgesellschaft) in hohem Maße zu berücksichtigen. Bei näherem Hinsehen ist die in einigen Unternehmen nun vorgefundene Einbindung des Personalbereichs in die Matrixstruktur insofern weniger verwunderlich, als es sich auch schon in der genannten alten Studie gezeigt hat, dass bei bestimmten Personalentscheidungen (z. B. Entscheidungen, welche Führungskräfte, Altersversorgungspläne oder die Personalpolitik betreffen) ein wesentlich höherer Zentralisations- und Standardisierungsgrad herrschte (Wolf 1994, S. 145 und S. 153). Ein Respondent (der interessanterweise nicht im

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5  Reichweite der Matrix

Personalbereich, sondern im Strategiebereich tätig ist) hat uns eine schlagende Begründung gegeben, warum er eine Matrixbildung im Personalbereich für notwendig hält: „Aber es sind eben auch so Themen wie Humankapital-Allokation, was meines Erachtens auch forschungstechnisch – ich habe jedenfalls nichts gefunden – komplett unterschätzt ist. Weil … der wesentliche Hebel, das kann man bei Jack Welch alles studieren, der wesentliche Hebel ist eigentlich nicht der Return on Capital, sondern der Return on Human Capital, in the Allocation of Leadership and Human Resources, und das ist glaube ich noch komplett unterschätzt. …“

Die vorgenannten Funktionsbereiche (= Beschaffung, Produktion, IT, Finanzwirtschaft, Personalmanagement) sind die vorrangigen, die in den Matrixstrukturen der von uns beforschten Unternehmen eingebunden sind. Zwar waren in einzelnen Unternehmen auch noch einige weitere Funktionsbereiche wie Compliance & Legal Aspects, Interne Revision, Steuern, Corporate Communications oder Qualitätsmanagement Teil der selektiven Matrix, doch war die Häufigkeit derartiger Konstruktionen zu gering, als dass es gerechtfertigt erscheint, hierüber detaillierter zu berichten.

5.2

Micro-Matrixing

Im vorliegenden Buch wird der Einsatz der Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur thematisiert und es ist somit auf eine Gliederungsform bezogen, bei der ein Mehrfachunterstellungssystem direkt unter der Unternehmensleitung besteht. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass das System der Doppelunterstellung nur dort vorliegt. Vielmehr kann es auch auf den darunterliegenden Hierarchieebenen vorhanden sein. Es stellt sich somit die Frage, ob eine solche Fortführung des Doppelunterstellungssystems hierarchieabwärts auch in den von uns beforschten Unternehmen vorhanden war und – falls ja – warum es dort existierte und wie weit es sich nach unten fortgesetzt hat. Dieses Phänomen einer Nutzung der Matrix abwärts in der Unternehmenshierarchie wollen wir mit dem Begriff des Micro-Matrixing belegen. Im Falle des Vorliegens eines Micro-Matrixing wäre es überdies interessant zu wissen, ob es in allen Bereichen des Unternehmens genutzt wird oder nicht und welche Probleme mit ihm erkauft werden. Gemäß unseren Forschungen war ein Micro-Matrixing in verschiedenen Unternehmen in der Tat vorhanden. So führte eine Spitzenführungskraft der BASF aus: „Also wir haben dann sozusagen die ‚Matrix in der Matrix‘ auch noch so ein Stück weit, dann haben wir, ich sag mal Business-Center-Leiter. Das haben wir heute so gelöst, dass die Business-­ Center-­Leiter Nord, West und Süd an meinem Admin-Chef rapportieren. Also der Kollege, der Finanzen und Administration macht, der ist dann in Personalunion auch sozusagen der disziplinarische Vorgesetzte der Business-Center-Leiter. In den Business Centers gibt es dann auch wieder diese Matrixstruktur …“ Eine übereinstimmende Lösung scheint bei der EON AG zu bestehen: „From what you see here, we have the matrix at several levels.“

5.2 Micro-Matrixing

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Und auch die Daimler AG wies eine kaskadische Ausgestaltung der Matrixstruktur auf. Aus deren Organisationsbereich war zu hören: „Sie könnten ja nun annehmen, dass nur der Personalleiter in England eine Linie nach Stuttgart hat. Aber jetzt hat dieser Personalleiter  – ich übertreibe jetzt  – einen Recruiting-­ Teamleiter, der berichtet auch noch nach Stuttgart an den dortigen Recruiting-Heini. Das heißt, wir haben die Matrix sehr weit runtergebrochen.“

Gleichwohl endet das Doppelunterstellungssystem in den meisten Unternehmen zwei Ebenen unter der Unternehmensleitung. Als typisch kann der folgende Dialog mit einer ThyssenKrupp-Führungskraft gelten. JW: „Ich habe noch eine deskriptive Frage. Sie haben vorhin beschrieben, dass unter Ihnen eine Matrixstruktur besteht. Geht es da noch weiter runter? Oder hört es dort praktisch auf? Ist dort … die letzte Ebene der Doppelunterstellung?“ Ein Gesprächspartner antwortete: „Dies sind die letzten, die in zwei Richtungen berichten. Genau diese Leute.“ Und ein Kollege aus demselben Unternehmen ­(Vorstandsmitglied einer Business Area) bestätigte: „Wenn Sie zum Beispiel den Manufacturing Head bei uns nehmen; die Werke, die berichten quasi an den Chef der Business Units, aber auch im Querschnitt an den Head of Manufacturing bei uns. So läuft das. … Aber innerhalb dieser, wenn da ein bestimmtes Werk ist, da gibt es nicht noch einmal wieder jemanden, der doppelt berichtet.“ Diese Gepflogenheit der nicht weiter reichenden Fortführung der Matrixstruktur nach unten kann als typisch gelten, da nur in einem der insgesamt 46 Interviews von einer Fortsetzung der Matrix noch weiter nach unten berichtet wurde. Des Weiteren hat unsere Forschung ergeben, dass ein Micro-Matrixing nicht in allen Unternehmensteileinheiten in gleichem Maße vorfindbar ist, sondern Anwendungsherde hat. Wir explorieren diese Schwerpunkte des Micro-Matrixing auch deshalb, weil dies Anhaltspunkte für die Gründe einer Doppelunterstellung in Unternehmensteileinheiten liefert. Im Hinblick auf die bevorzugten Funktionsbereiche haben sich Schwerpunkte gezeigt, die im Personalbereich, im Finanzbereich und in der Strategieformulierung liegen. Innerhalb des Personalbereichs scheinen insbesondere jene Führungskräfte an zwei Vorgesetzte zu berichten, die für Vergütungs- und Pensionsfragen zuständig sind. Erwähnt sei hier eine Aussage des Personalchefs eines sehr großen Unternehmens: „Also in Asien und Nordamrika gibt es natürlich Experten für die Themen Bezahlung und Pensionen. Warum? Weil die bei den gesamten Benefits, also bleiben wir mal bei den Pensionen, … eine andere Struktur haben, eine andere Überwachung haben, andere Regularien haben. … Und da gibt es natürlich auch eine pension liability, ja und die wird in Nordamerika buchhalterisch wirksam, trotzdem haben wir ein globales banking committee, in dem der Finanzbereich, die betreffenden Regionalbereiche und ich als Verantwortlicher interagieren, weil wir da natürlich, ich habe Ihnen die Gesamtsumme ja gesagt, bei 20 Milliarden Euro liegen. Ich bin schon der Meinung, da muss dann der Finanzer gucken, wieviel liquiditätsfressende Ideen haben denn hier die Staaten inzwischen zur Absicherung, zur Portabilität, zur Solvency-Rechtsgebung usw. Und wie läuft das hier, versus Asien, versus in Europa … Und da muss ich sagen, da geht nichts, bis man sich geeinigt hat auf irgendwas …“

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5  Reichweite der Matrix

Eine doppelte Unterstellung fanden wir aber auch bei Personalmanagern vor, die für die Auswahl von Führungskräften zuständig sind. Auch dort gibt es typischerweise keine einsamen „Leitwolf-Entscheidungen“. Noch ausgeprägter scheint das Micro-Matrixing im Finanzbereich zu sein. Hierauf weisen die Äußerungen des Finanzleiters einer Business Area der ThyssenKrupp AG (geschäftsbereichsbezogen ist dieses Unternehmen in Business Areas, Business Units und Operating Units gegliedert) hin: „Die CFO-Funktion läuft durch. … Nachfrage JW: Und dass ich mir das jetzt noch besser vorstellen kann: Unter Ihnen sind auch Führungskräfte, die genauso doppelt berichten wie Sie? … Sie haben also einen CFO unter sich? Antwort: Der berichtet genauso doppelt wie ich. Das heißt, der hat eine … Berichtslinie zu mir und dann hat er eine weich gestrichelte oder eben keine, die sie wirklich sehen, die hat er sicherlich auch in seinem Gremium, um dafür zu sorgen, dass die relevanten Entscheidungsgrundlagen im Board vorliegen. … Sprich, da ist genau das gleiche Funktionsprinzip angelegt, wie wir das auch leben. Das setzt sich eins zu eins fort.“

Eine weitgehend übereinstimmende Information lieferte der Finanzchef einer Business Unit desselben Unternehmens: „Ich habe Werke unter mir, in denen immer mindestens ein … CFO ist. Der CFO in einem Werk berichtet an mich und dann habe ich eine Funktionsebene, wo ich halt einen weltweiten Controlling-Verantwortlichen … habe. … Ich habe eine Funktion, die weltweit für Standards sorgt, das ist also der weltweite Controlling-Verantwortliche. Er sorgt dafür, dass überall die Standards in allen Werken gleich sind und ich habe eine operative Ebene …“

Und schließlich fanden wir das Micro-Matrixing im Strategiebereich. Erneut soll ein Vertreter einer Business Area des zuletzt angesprochenen Unternehmens zu Wort kommen: „Wir haben das (ein Micro-Matrixing, Erg. durch JW) im Controlling beispielsweise, wir haben das auch im Personal, da gibt es ebenfalls diese Doppelbänder. … Wir haben es auch im Strategiebereich. … Mein Strategiechef, die SMD-Funktion hier, das ist die Strategie- und Markt-Developement-Funktion, der berichtet in einer weiteren Berichtslinie auch an den Strategiechef des Gesamtunternehmens, der direkt an Dr. Hiesinger berichtet. … Ich rede mit Dr. Hiesinger über Strategie und mein Mitarbeiter, der die Strategie ausarbeitet, der hat eine zusätzliche Berichtslinie an den Strategiechef des Konzerns, der seinerseits wieder an Dr. Hiesinger berichtet. … In diesem Fall werden die jährlichen Zielvereinbarungen abgesteckt.“

Obwohl wir uns zuvor auf typische Funktionsbereiche mit einem Micro-Matrixing konzentriert haben, findet sich dieses auch in den Geschäftsbereichen und Regionaleinheiten von Unternehmen. Das folgende Statement verdeutlicht dies geschäftsbereichsbezogen: „Es gibt einmal die große ThyssenKrupp-Matrix, wo Sie wahrscheinlich jetzt schon ziemlich viel drüber gehört haben und wo ich Ihnen auch gerne gleich erzähle, wie ich da eingebunden bin. Es gibt aber auch eine oder inzwischen zwei Business Unit(s), … die auch … noch einmal als Matrixorganisation aufgebaut sind. Also sprich, wir bauen unsere Business Units als Ma-

5.2 Micro-Matrixing

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trix auf. Die ist relativ einfach strukturiert, die Schnittstellen sind glaube ich gut beschrieben und dann haben wir noch die große ThyssenKrupp-Matrix oben drüber.“

Und auf die Regionaleinheiten bezogen wurde mitgeteilt: „Within the respective country (e.g., USA), there is also such a matrix structure. If there is for instance in the USA a sea-freight manager, he has two bosses: a) the country manager is his disciplinary boss (he does for instance the performance appraisals) and b) the product manager is his dotted-line manager (goal agreements; performance management).“

Aus dem Inhalt dieser und anderer das Micro-Matrixing betreffenden Gespräche lassen sich nun übergeordnete Anhaltspunkte hinsichtlich der Gründe gewinnen, warum eine solche Erweiterung der Doppelunterstellung nach unten hin sinnvoll ist. Demnach ist ein Micro-Matrixing in Erwägung zu ziehen, wenn es sich um Unternehmensteileinheiten handelt, in denen auch die nachgelagerten Entscheidungen bzw. die Teilentscheidungen eine sehr hohe unternehmensstrategische Bedeutung besitzen. Überlegenswert ist sie weiterhin für Unternehmensteileinheiten, in denen die getroffenen Entscheidungen eine sehr hohe Bindungswirkung für das Unternehmen erzeugen (wie dies bspw. bei der Gestaltung von Pensionssystemen der Fall ist). Und schließlich sollte sie mit Blick auf Unterneh­ mensteileinheiten diskutiert werden, bei denen es in besonderem Maße auf eine Konsistenz (Abgestimmtheit) mit anderen Bereichen des Unternehmens ankommt. In solchen Teileinheiten empfiehlt sich der Aufbau eines mehrere Ebenen betreffenden „Systems von Querverstrebungen, die das Unternehmen kaskadisch durchfahren.“ Trotz der Angemessenheit dieser Überlegungen darf jedoch nicht übersehen werden, dass ein Micro-Matrixing auch deutliche Nachteile mit sich bringen kann und deshalb nicht überzogen werden darf. So war das Micro-Matrixing in einem Automobilunternehmen über alle Maßen implementiert worden und dies führte zu folgendem Statement: „I think that maybe we made the mistake to turn the wheel too far … In some cases we did this so far that the guy being responsible for the procurement of the swivel chairs in the offices of our American subsidiary also had a link to the headquarters … The question is: Is there really a need for the headquarters to be involved in such decisions? And I think this is a topic which we are currently dealing with … we are redefining this and we are doing it for the regions, too.“

In diesem Unternehmen wurden offenbar die gleichen Fehler gemacht wie vor Jahrzehnten in dem Unternehmen ABB Ltd. Man hat die zuvor genannten Anwendungsbedingungen des Micro-Matrixing (nach unseren Erkenntnissen strategische Entscheidungen, bindende Entscheidungen, konsistenzorientierte Entscheidungen) missachtet. In der Tat scheint die Matrixstruktur von sich aus die schädliche Tendenz zu haben, sich gleichsam von selbst hierarchieabwärts auszudehnen. Einer solchen Tendenz gilt es mit Bewusstheit entgegenzuwirken, denn „sonst entsteht in dem Unternehmen Frust.“ Es ist also sehr wichtig, „… to get insights how far down the hierarchy do we need such a double-line system. How far is there a need to break down the functions. Or, which topics/functions have to be picked. This discussion we will have to lead here in the near future …“

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5  Reichweite der Matrix

Gleichwohl soll abschließend darauf hingewiesen werden, dass das Micro-Matrixing bei einer wohlüberlegten Anwendung sowohl für das betreffende Unternehmen also auch für die in ihm agierenden Führungskräfte ein wertvolles Lernsystem darstellen kann. So können Manager, die auf einer rangniedrigeren Ebene mit dem System der Doppelunterstellung vertraut geworden sind, später vergleichsweise leicht auf Spitzenführungspositionen eingesetzt werden, die über ein ebensolches Leitungssystem in die Unternehmensorganisation eingebunden sind.

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Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers

Zusammenfassung

In diesem Kapitel geht es um die Aufgaben und Interaktionsmuster sowie das Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers. Der vorrangige Arbeitsinhalt des Two-boss-­ Managers scheint darin zu bestehen, die Interaktionsbeziehungen im Matrixdreieck und damit die Matrix selbst zu steuern sowie die getroffenen Entscheidungen hierarchieabwärts umzusetzen. Auch werden Fähigkeiten aufgezeigt, über die ein Twoboss-Manager typischerweise verfügen sollte.

Das vorliegende Kapitel erörtert die Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsanforderungen des Two-boss-Managers, der ja an die beiden (drei) Matrixmanager berichtet. Eine Untersuchung dieser Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsanforderungen ist geboten, weil dem Two-boss-Manager genau so wie den beiden Matrixmanagern eine zen­ trale Bedeutung für die erfolgreiche Nutzung der Matrixstruktur zukommt. Bezüglich der Aufgaben des Two-boss-Managers ist in den Interviews deutlich geworden, dass dessen vorrangiger Arbeitsinhalt darin besteht, die Interaktionsbeziehungen in der Matrix und damit diese selbst zu steuern. Auch hat er die getroffenen Entscheidungen nach unten hin umzusetzen. Den letztgenannten Aspekt werden wir hier nicht in den Mittelpunkt stellen, da diese Aufgabe jeder Führungskraft obliegt (also auch einer, die in einer eindimensionalen Organisation wirkt). Die dem Two-boss-Manager übergeordneten Matrixmanager halten sich aus diesen fortwährenden Steuerungsaktivitäten weitgehend heraus. Der Two-boss-Manager bereitet die zu treffenden Entscheidungen somit vor. Zur Erfüllung der genannten Steuerungsaufgabe muss er sich in beide Richtungen (bzw. im Falle einer Tensorstruktur in alle drei Richtungen) abstimmen, was nur gelingen kann, © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_6

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6  Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers

wenn er den permanenten Kontakt mit allen ihm übergeordneten Matrixmanagern hält. Da die Matrixmanager „ja nicht über jedes Thema immer direkt mit einem Kollegen sprechen können; das ist ja physisch kaum leistbar …“, hat der Two-boss-Manager als Sprachrohr des einen wie auch des anderen Matrixmanagers zu dienen. Auch agiert er im Prozess des Diskurses zwischen den Matrixmanagern als Vertreter der entsprechenden Interessen. Er muss also nicht nur darlegen, wofür der jeweilige Matrixmanager plädiert; er muss auch der jeweils anderen Seite (dem anderen Matrixmanager) die Argumente präsentieren, welche für diese Sichtweise sprechen. Da die Matrixmanager aufgrund ihrer hierarchisch ­höheren Position eher Generalisten als Spezialisten sind, hat der Two-boss-Manager überdies als Kompetenzträger zu fungieren. Die Matrixmanager kennen sich typischerweise über die Details der auf das Schnittfeld der Hierarchien bezogenen Entscheidungsangelegenheiten nicht allzu gut aus. Ein Matrixmanager betonte: „… es ist ja auch eine komplexe Welt, in der wir da sind, und jemanden zu haben, der das noch ein bisschen ein Stück weit moderiert, ist an dieser Stelle sehr hilfreich.“ Schließlich obliegt es dem Two-boss-­ Manager, die im Matrixdreieck getroffenen Entscheidungen umzusetzen. Bezüglich der Formen des Interaktions- und Abstimmungsverhaltens der Personen im Matrixdreieck hat sich in den Interviews kein einheitliches Muster herausgeschält. Nur in geringem Maße uneinheitlich waren freilich die Auskünfte darüber, ob eine bilaterale Kommunikation (also zwischen dem Two-boss-Manager einerseits und jeweils einem Matrixmanager andererseits) vorherrscht oder ob alle drei (vier) Personen gleichzeitig gemeinsam miteinander sprechen, also eine multilaterale Kommunikationsstruktur besteht. Die deutliche Mehrzahl der Respondenten deutete die Vorherrschaft einer bilateralen Kommunikationsstruktur an. Einige Interviewelemente sollen dies verdeutlichen: „Frage JW an einen Matrixmanager: Wie erfolgt das Abstimmungsverhalten? Antwort eines Two-boss-Managers: Bilateral, sehr viel bilateral! Bilateral ist das Stichwort. … Leute wie der Kollege XY (Name dieses Two-boss-Managers wurde gelöscht durch JW) – früher habe ich auch diese Ebene gehabt – die sind sehr angewiesen auf bilaterale Kontakte nach oben.“

Dieses Interaktionsmuster ist durch einen Two-boss-Manager bestätigt worden: „Frage: Dann ist tatsächlich die Kommunikation dann wieder gefragt, die bilaterale? Antwort des Two-boss-Managers: Ja.“ Ein Two-boss-Manager aus einem anderen Unternehmen signalisierte, wie er bei diesen „Bilaterals“ vorzugehen pflegt: „Also im Idealfall bearbeite ich beide Kollegen, sodass die beiden keine andere Meinung haben. Und das ist auch die Kunst dabei, dass man, bevor wer auch immer sich eine Meinung bildet, weil er eine dritte Information bekommt, dass ich dann versuche proaktiv zu sein und dann natürlich auch versuche, das aus meiner Sicht so darzustellen …, dass die das dann auch unterstützen.“

Eine multilaterale Kommunikationsstruktur scheint dagegen in der Interaktionsstruktur der Two-boss-Manager hierarchieabwärts vorzuherrschen. Als typisch kann die folgende Aussage eines Two-boss-Managers aus der pharmazeutischen Industrie gelten:

6  Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers

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„Meine Direct Reports habe ich alles sechs Wochen, auch im Team Meeting. Wo wir auch unsere Themen zusammenfassen, eine To-do-Liste machen, eine time line dahinter haben. Die verteile ich dann an meine Direct Reports, ich gebe aber auch eine Kopie an meine Vorgesetzten. Das Dokument dient nicht in erster Linie dazu, dass ich meine Vorgesetzten informiere. Der Sinn des Dokuments ist, dass ich mein Team zusammenhalte und jeder weiß, was die Prioritäten sind und wenn wir offene Punkte haben, dass wir die beim nächsten Mal nicht vergessen.“

Demgegenüber antwortete dieser Gesprächspartner auf die Frage, ob eine multidimensionale Meeting-Struktur auch nach oben hin, also zwischen den beiden Matrixmanagern und dem Two-boss-Manager existiert: „Kaum, das findet kaum statt.“ Ein gewisses Muster zeigte sich auch bezüglich der Frage, ob die Matrixmanager direkt miteinander kommunizieren oder nicht. Die Matrixmanager scheinen nur dann in einen direkten Kontakt bzw. Informationsaustausch miteinander zu treten, wenn ein Konfliktfall vorliegt oder sogar die Notwendigkeit zu einer Eskalation der jeweiligen Entscheidungsangelegenheit besteht. Auch hier sollen unsere Gesprächspartner direkt zu Wort kommen: „Frage JW: Kommunizieren die zwei Matrixmanager dann auch direkt miteinander? Antwort eines Two-boss-Managers: Zwar stellt das alle zwei Monate stattfindende Top-Management-Meeting eine Möglichkeit zur direkten Kommunikation zwischen den Matrixmanagern dar. … In der Praxis hat es bisher diesen Austausch noch nicht gegeben, weil … die Themen, die aufkamen, die konnte ich direkt klären.“

Und ein Matrixmanager desselben Unternehmens äußerte in einem unabhängig davon durchgeführten Interview: „Also ich muss ganz ehrlich sagen, so arg viel Kontakt habe ich mit dem XY (Name des anderen Matrixmanagers wurde gelöscht durch JW) tatsächlich nicht, was Themen angeht, weil der Herr XYZ (Name des Two-boss-Managers gelöscht durch JW) ist für das Geschäft verantwortlich. Dinge, die er auf der Agenda hat, verantwortet er voll.“

Ein anderer für einen Produktbereich zuständiger Matrixmanager sagte: „Normalerweise sage ich dem Two-boss-Manager: Ich habe einen Wunsch. Ich sage ihm als Service-Provider, ich brauche das und jenes. Und der sagt, gut, mach’ ich, erledige ich. Wenn er nicht wieder zurückkommt, dann ist es erledigt. Dann bekomme ich eine Email und sage soundso machen wir das und fertig. Der Two-boss-Manager muss andererseits auch sicherstellen, dass die andere Seite der Matrix einverstanden ist. … Die Two-boss-Manager sind angewiesen darauf, dass es eine unstrittige Situation gibt.“

Die folgenden Gesprächselemente verdeutlichen, dass in Konflikt- und Eskalationsfällen von diesem Standardmuster des Verzichts auf eine direkte Kontaktnahme zwischen den Matrixmanagern abgewichen wird: „Ich glaube, das ist insofern gut, dass Sie das noch einmal nachfragen. Denn in der Praxis ist 90 Prozent der Kommunikation zwischen Frau XYZ (Name der Two-boss-Managerin gelöscht durch JW) und Herrn XY (Name des Vorstands einer Business Area, der als Matrixmanager

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6  Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers fungiert, gelöscht durch JW). Denn eigentlich ist die Aufgabe von Frau XYZ konkret da zu beraten, zu sagen, in dem Fall, diese Projektstellungnahme zu verfassen und den Sachverhalt zu klären. … Solange das normal läuft und kein Konflikt auftritt, wird Herr XY mit mir (dem anderen, für eine Zentralfunktion zuständigen Matrixmanager, Erg. durch JW) darüber gar nicht sprechen und nicht drüber sprechen müssen. … Nur dann in den wenigen Fällen, wo es besonders kribbelig ist, dann würde es möglicherweise bei mir auftauchen.“

Und aus einem anderen Unternehmen erfuhren wir: „Im Falle einer Eskalation gibt es direkte Kontakte zwischen den Matrixmanagern; ja, sonst muss man sagen, also mit der eigentlichen Tagesarbeit, wenn es jetzt eine normale Pressemeldung ist, macht es meine Pressesprecherin, die die Meldung schreibt, oder der Herr XYZ (Name der Two-boss-Managers gelöscht durch JW), der eine Meldung schreibt, der das an die Pressesprecherin schickt, die das begutachtet und dann gibt sie ihm eine Rückmeldung und sagt, pass mal auf, hier bei der Formulierung, das machst du doch besser so, weil dieser und jener Grund. … Aber im Normalfall, ich sage jetzt mal, bis ich eingeschaltet werde, ist in der Organisation allerlei hin und her gelaufen. Das ist dann die Prä-Klärung, und dann steigt das wie im Meeresspiegel, steigt eben immer höher an …“

Ein anderer Gesprächspartner erläuterte, warum in Konfliktsituationen eine direkte Kontaktnahme der Matrixmanager erforderlich ist: „In dem Augenblick, wo es schwierig wird, dann müssen diese Multiplizität an Führungskräften notfalls miteinander kommunizieren und ‚Roadblocks‘ aus dem Weg schaffen. Was natürlich ein Zeitfresser ist, aber das ist unvermeidlich.“ Und er fuhr fort: „Der Herr XYZ (ein Two-boss-Manager, Erg. durch JW) kann, da wir ein streng hierarchisch gegliedertes Unternehmen sind, nicht die über ihm liegenden Ebenen per Dekret in eine Richtung schieben. Was bei uns Gott sei Dank zur Kultur gehört, ist, dass der Herr XYZ sehr wohl sagen kann, ich bin nicht einverstanden, ich sehe es nicht so, ich sehe es anders und das solltest Du Dir anhören.“

Auch sagte er: „Leute auf der Ebene des Herrn XYZ werden dafür bezahlt, Probleme aus dem Weg zu schaffen. Die Aufgabe meiner Ebene ist, Roadblocks aus dem Weg zu schaffen, also echte ‚Roadblocks‘. … Und oft sind die Probleme gar keine Probleme, sondern nur andere Facetten desselben Sachverhaltes, die einfach berücksichtigt werden müssen und an die man gar nicht gedacht hat. Und dafür sind Experten da, wie der Herr XYZ, der sagt, ich beleuchte es mal von der Seite des operativen Geschäftes, ich beleuchte es von der Seite der Region und dann sehen wir, was wir daraus machen können.“

Diese Zweiteilung zwischen Standard- und Konfliktsituationen korrespondiert mit dem interessanten Konzeptualisierungsversuch eines Respondenten aus der pharmazeutischen Industrie. Er unterschied zwischen Entscheidungen, bei denen der Two-boss-Manager schon eine Lösungspräferenz hat und solchen, bei denen er noch nicht weiß, wie vorzugehen ist. Den erstgenannten Fall beschrieb er wie folgt:

6  Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers

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„Gehen wir mal davon aus, ich habe einen Entscheidungsprozess, den ich umsetzen möchte, also ich bin mir meiner Position sicher, dann versuche ich natürlich mit den verschiedenden Kollegen das durchzusprechen und ich mache meine Meinung kund und ich hoffe, dass die das dann unterstützen.“

Mit Blick auf den zweitgenannten Fall (jenen, bei dem er noch nicht weiß, wie vorzugehen ist) fuhr er fort: „Es kann aber auch der Fall sein, wir haben ein Thema und ich weiß selbst noch nicht, in welche Richtung das geht. Wie zum Beispiel die Lokalisierung eines Warenlagers. Da gibt es sicher eine Menge an Gründen, warum man ein zentrales Lager für Europa haben kann und es gibt eine Menge Gründe, warum man ein Lokales will. Da muss man auch die Argumente sammeln. Und das ist ein ganz anderer Entscheidungsprozess. … In einem solchen Fall setzt man ein kleines Projekt auf. Im Idealfall bringt man die Leute für sich zusammen und stellt kurz dar, was ist der Sinn des Projekts, was wollen wir denn erreichen und dann bekommt jeder Aufgaben. Um bei dem Beispiel zu bleiben, dem Warenlager, da haben wir Steueraspekte, da haben wir Qualitätsmanagementaspekte, da haben wir Kostenaspekte, wo man vielleicht die Fracht- und Transportkosten verringern kann. Wir haben aber auch Aspekte in Bezug auf den Kunden. Wenn Sie ein Lager im jeweiligen Gastland haben, dann ist es natürlich einfacher. Die Geschwindigkeit, mit der Sie das Produkt zum Kunden bekommen, ist natürlich höher, sodass die Geschäftseinheiten natürlich auch ein Interesse daran haben. Da haben wir verschiedene Sichtweisen und Interessen und das muss man dann irgendwie unter einen Hut bekommen. Das ist das, was ich meistens mache. Ich setze ein kleines Projekt auf, im Idealfall vor Ort oder per Videokonferenz. Man kann vieles per Email machen, aber das mache ich dann nicht so gern. Ich habe es lieber, wenn man … so einen Status Call hat und dann werden die Punkte abgearbeitet, was man so zu machen hat und irgendwann kommt man dann zu einer Entscheidungsvorlage und dann hat man alles gesammelt und dann muss man mal schauen, wie man dann weiter vorgeht.“

Interessanterweise hat diese Unterscheidungen (zwischen Standard- und Konfliktsituationen bzw. zwischen bekannten und nicht bekannten Problemen) viel mit unserer in Kap. 4 dargelegten Zweiteilung zwischen der regelbasierten und der balancierten Matrix zu tun. Sind die Entscheidungsangelegenheiten eher von einer Standardnatur und wenig konfliktär, dann wird sich tendenziell die regelbasierte Matrix empfehlen, wohingegen die balancierte Matrix vorwiegend bei innovativen und konfliktären Entscheidungsangelegenheiten opportun erscheint. Die relativ geringe Interaktionsdichte der Matrixmanager im Nicht-Konfliktfall dürfte auch damit zu tun haben, dass die beiden (drei) Matrixmanager typischerweise nicht an demselben Standort tätig sind. Während die Matrixmanager der funktionalen Hierarchie ihr Büro typischerweise in der Unternehmenszentrale haben, ist dies bei den Matrixmanagern der Geschäftsbereichshierarchie seltener der Fall. Noch zwangsläufiger ist der Fall einer räumlichen Distanz, wenn einer der Matrixmanager einer Regionalhierarchie angehört. Er ist typischerweise am Standort der für die jeweilige Region zuständigen Regionalzentrale tätig. Dieses Phänomen einer räumlichen Distanz der Matrixmanager findet sich

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6  Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers

selbst in einem Unternehmen wie der Deutschen Bahn AG, das viele Jahre durch eher konservative Managementformen geprägt war. So berichtete ein Gesprächspartner: „Wir haben die Matrix ja auf unterschiedlichen Ebenen. Wenn wir unsere Matrix auf der Konzernebene anschauen, dann sitzt der funktionale (Matrixmanager, Erg. durch JW) natürlich hier in der Zentrale, und der andere, der sitzt in seinem Geschäftsfeld, das kann am gleichen Standort sein. Die sitzen nicht notwendigerweise räumlich beieinander; das geht gar nicht! Weil wir mehrere Geschäfte haben, die an unterschiedlichen Orten sitzen. Die Geschäfte sitzen mal in Berlin, mal in Mainz, mal in England …“

Interessanterweise hat keiner der Gesprächspartner, mit denen wir dieses Phänomen der räumlichen Distanz zwischen den Matrixmanagern besprochen haben, hierin ein Problem bezüglich des Funktionierens der Matrixstruktur gesehen. Liegt in dem betreffenden Unternehmen auch eine Matrixbildung auf den darunterliegenden Ebenen vor (siehe Abschn. 5.2 zum Micro-Matrixing), dann sind die Matrixmanager der nachgelagerten Ebenen typischerweise am gleichen Standort tätig. „JW: Wenn ich da mal einhaken darf. Diese Personen, also der Leiter der Operating Unit und der zentrale Einkaufsleiter der Business Area, sitzen die räumlich beieinander, sind deren Büros am gleichen Standort?“ Antwort: „Ja, also wir sind sehr zentralisiert, das ist sicher ein großer Vorteil, weil wir auch komplexe Abläufe und Produkte haben.“ Am Ende des vorliegenden Abschnittes soll nun noch herausgearbeitet werden, über welche Fähigkeiten ein Two-boss-Manager idealerweise verfügen sollte. Es ist offensichtlich, dass sich diese Fähigkeiten primär aus dessen Aufgabenschwerpunkten herleiten. Folglich muss der Two-boss-Manager über eine generelle Fähigkeit zum Aufbau bzw. zur Pflege guter Kontakte zu Kollegen verfügen, die ihm hierarchisch übergeordnet sind. Dies zu entwickeln ist sicherlich nicht einfach, weil die Matrixmanager Personen sind, die sich insbesondere um übergeordnete Aufgaben kümmern möchten. Voraussetzung hierzu ist fraglos ein hohes Maß an allgemeinem kommunikativem Geschick, zumal dem Two-boss-Manager im Umgang mit den Matrixmanagern die Positionsmacht fehlt. Ein ausgewogen gutes Verhältnis des Two-boss-Managers zu beiden (allen drei) Matrixmanagern ist wichtig, weil sonst Misstrauen und mangelnde Entscheidungsunterstützung resultieren dürften. Der Two-boss-Manager „… muss eine Person sein, die das gut hinbekommt, beide Interessen zu vertreten.“ Auch muss der Two-boss-Manager über ein hohes Maß an analytischem Gespür verfügen. Insbesondere muss er in der Lage sein, im Diskussionsund Argumentationsprozess frühzeitig zu erkennen, ob der jeweilige Matrixmanager mit einer anvisierten Lösung einverstanden sein wird oder nicht. Weiterhin ist es sicherlich hilfreich, wenn der Two-boss-Manager über ein hohes Maß an Ambiguitätstoleranz verfügt, weil im Matrixkontext oft Entscheidungsangelegenheiten anfallen, deren Handlungskontext unklar ist und weil sich die Einschätzungen von Personen und deren Äußerungen im Entscheidungsprozess verändern können. Und überdies muss er die Fähigkeit haben, selbst Entscheidungen in konfliktären Situationen zu treffen:

6  Aufgaben, Interaktionsmuster und Fähigkeitsprofil des Two-boss-Managers

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„Aber es gibt eine Reihe von Punkten, da müssen wir ein Stückweit darauf vertrauen, dass der Typ, der ja mehrere Ziele verfolgen muss, dass der für sich dann in der Situation angemessen eine Entscheidung trifft, wo er sowohl das eine als auch das andere möglichst optimal trifft und nicht jedes Mal in eine Abstimmung rein muss.“

Unglücklich wird es insbesondere sein, wenn der Two-boss-Manager zu viele Entscheidungsangelegenheiten ungelöst hinterlässt. „Den Eskalationsfall sollte er möglichst vermeiden. Es funktioniert sonst nicht …“ Außerdem muss er über spezifisches Wissen und ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz verfügen. Bezogen auf ein Reorganisationsproblem sagte ein Matrixmanager: „Ich meine, da sitzen 20 Leute und die müssen die Welt neu verteilen, irgendwie mal so ein bisschen. Und die sind natürlich auf qualifizierten Input angewiesen. Und was regionales Aufstellen der Organisation angeht, ich meine, wenn ich so etwas heute mache, ich habe auch keine Ahnung, wie man vielleicht in Südostanatolien die Länder zusammenschustert. Woher soll ich das denn wissen? Und dann ist man angewiesen, dass die Leute kommen und da gibt es unterschiedliche Meinungen.“

Und schließlich muss der Two-boss-Manager auch mal verlieren können: „Ich habe schon Sachen miterlebt, wo ich nicht hinter stand, definitiv nicht. Gut, dann muss ich es trotzdem irgendwann umsetzen, weil ich habe für meine Sache gekämpft, aber in dem Moment ist was anderes entschieden worden, was auch gut ist, und dann wird es umgesetzt.“

Angesichts dieser Profilierung wenig überraschend kam ein Gesprächspartner zu dem Gesamtergebnis: „So I think you know it is really about the people and being pragmatic and not egoistic.“

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Regelmäßige hochrangige Meetings im Umfeld des Matrixdreiecks

Zusammenfassung

In diesem Kapitel wird die große Bedeutung hochrangiger Meetings für das Gelingen der Matrix begründet. Hochrangige Meetings sind nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil in matrixstrukturierten Unternehmen typischerweise stark ausgeprägte funktionsbereichs-, produktbereichs- und regionenübergreifende Interdependenzen vorliegen. Verschiedene Arten derartiger Meetings werden besprochen.

Die Interaktionen und insbesondere Kommunikationen zwischen den Personen im Matrixdreieck (also zwischen dem Two-boss-Manager und den Matrixmanagern) dienen dazu, die in diesem Bereich bestehenden Interdependenzen zielführend zu handhaben. In Kap. 6 wurde unter anderem dargelegt, welche Interaktions- und Kommunikationsstruktur innerhalb des Matrixdreiecks, also zwischen dem Two-boss-Manager und den Matrixmanagern, vorherrscht. Danach sind direkte Interaktionen zwischen den Matrixmanagern eher selten; der Austausch erfolgt also vorwiegend über den Two-boss-Manager. Die Matrixstruktur bringt jedoch nicht nur erhebliche Interdependenzen innerhalb des Matrixdreiecks, sondern auch zwischen diesem und den Akteuren in seinem Umfeld mit sich. Es versteht sich daher fast von selbst, dass die Nutzung der Matrixstruktur dann am besten gelingt, wenn diese durch einen systematischen Einsatz übergeordneter, also im Kontext des Matrixdreiecks vollzogener Koordinationsinstrumente ergänzt wird. Nach den Interviews werden in den erforschten Unternehmen hierzu vor allem regelmäßig durchgeführte Meetings als Koordinationsinstrumente eingesetzt.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_7

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7  Regelmäßige hochrangige Meetings im Umfeld des Matrixdreiecks

Die Notwendigkeit zum zusätzlichen Einsatz weiterer Koordinationsinstrumente in matrixstrukturierten Unternehmen resultiert vor allem aus den Strategien, welche diese Unternehmen verfolgen. In Kap. 2 wurde aufgezeigt, dass diese Unternehmen typischerweise multiperspektivische und komplexe Aufgaben zu erfüllen haben, in ihnen erhebliche Synergiepotenziale zwischen den Teileinheiten bestehen und sie mehrfach dienliche Produktionsstätten sowie Key Accounts aufweisen. Die hieraus resultierenden Koordinationsbedarfe können nur partiell durch den Rückgriff auf ein Mehrfachunterstellungssystem gedeckt werden. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel eine Funktions-Produkt-­ Matrix aufweist, dann berichtet jeder Two-boss-Manager in einen Funktionsbereich und in einen Produktbereich hinein. Damit kann der jeweilige Two-boss-Manager jedoch nicht alle zwischen den Produktbereichen des Unternehmens bestehenden Interdependenzen handhaben, sondern nur jene, die thematisch zu dem von ihm betreuten Funktionsbereich gehören. Umfassendere, funktionsbereichsübergreifende Interdependenzen zwischen den Produktbereichen müssen durch andere Koordinationsinstrumente abgefangen werden. Wie zuvor dargelegt, weisen in den beforschten Unternehmen innerhalb der für die Handhabung dieser Interdependenzen geeigneten Koordinationsinstrumente regelmäßig veranstaltete Meetings eine besondere Prominenz auf. Die Unternehmen nutzen also „Betätigungen von Personen, die ihr Wissen, ihre Erfahrungen, Ideen und Meinungen zu einer gemeinsam interessierenden Fragestellung mündlich austauschen“ (Bleicher 1969, Sp. 856  f.). Oder in der Terminologie der modernen Managementforschung ausgedrückt könnte man sagen, dass die Unternehmen intensiv auf „planned and episodic communicative events“ zurückgreifen, „that involve several participants co-located in the same (physical or virtual) space and whose purpose is ostensibly related to the functioning of the organization or group“ (Seidl und Guérard 2015, S. 565). Dieser im übrigen schon von Henri Fayol (1916 (1929)) favorisierte Rückgriff auf regelmäßig durchgeführte Meetings ist insofern nicht weiter verwunderlich, als die Teileinheiten matrixstrukturierter Unternehmen ein besonders hohes Maß an Unterschiedlichkeit und Veränderlichkeit aufweisen, die es kaum ermöglichen, sie auf der Basis technokratischer Koordinationsinstrumente untereinander abzustimmen (vgl. auch Wolf 2020, S. 106). Unseren Praxisgesprächen zufolge veranstalten die matrixstrukturierten Unternehmen verschiedenartige Formen regelmäßiger Meetings. Dies gilt zum einen hinsichtlich des Zweckes der Meetings, die von der Informationssammlung, über die Beratung bis zum Treffen von Entscheidungen reicht. Zum anderen ist auch der Kreis der Akteure unterschiedlich, die an den Meetings teilnehmen, wobei diesbezüglich zwischen Meetings im obersten Führungskreis des Unternehmens, Regionenmanager-Meetings, Funktionsbereichsmanager-­ Meetings und Geschäftsbereichsmanager-Meetings differenziert werden kann. Diese Meetingformen sollen im Folgenden näher betrachtet werden. Dabei wird sich zeigen, dass jede dieser Meetingformen im Matrixkontext eine erhebliche Rolle spielt.

7.1  Unternehmensweite Top-Management-Meetings

7.1

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Unternehmensweite Top-Management-Meetings

Gemäß den Interviews werden in den Unternehmen zwei Arten unternehmensweiter Top-Management-Meetings durchgeführt: Zum einen häufigere Zusammentreffen des obersten Führungskreises des jeweiligen Unternehmens und zum anderen seltener durchgeführte Meetings, bei denen ein etwas größerer Kreis an Führungskräften teilnimmt. 1. Zu den Meetings des obersten Führungskreises sind typischerweise die Führungskräfte der höchsten drei Hierarchieebenen eingeladen, im hier vorliegenden Fall matrixstrukturierter Unternehmen also neben den Vorstands- bzw. Geschäftsleitungsmitgliedern die Matrixmanager sowie die Two-boss-Manager. Nicht wenige dieser Führungskräfte haben ihre Büros in anderen Regionen der Welt und sie fliegen extra für diese Meetings ein. Die Zahl der an diesen Meetings teilnehmenden Führungskräfte liegt bei vierzig bis hundert und ihre Häufigkeit variiert zwischen einem sechswöchigen (BASF SE) bis zu einem vierteljährlichen (ThyssenKrupp AG) Abstand. Diese sehr große Sitzungshäufigkeit wurde nicht von allen Respondenten gutgeheißen. So äußerte sich ein Regionenmanager wie folgt: „Ja, ich bin jetzt auch momentan fast jeden Monat hier, was mir ehrlich gesagt ein bisschen zu viel ist. … Man muss sich ja immer die Frage stellen, was wird denn besprochen? … Oder was hat sich getan während des Monats?“ Diese Meetings werden typischerweise in bzw. in der Nähe der Unternehmenszentrale durchgeführt. Sinnvoll erscheint es, wenn sie zeitnah nach der Sitzung des Vorstandes (der Geschäftsleitung) stattfinden. Dann kann dieser (diese) „… direkt die Essenz aus der Vorstandssitzung mitgeben, das ist quasi Losung des Monats. Wenn die … sagen, wir sparen jetzt Fixkosten, dann rappelt das durch die Kaskade. Ich gehe am nächsten Tag zu meinem Team und sage, jetzt wird gespart …“ Außerdem ist in unseren Forschungen deutlich geworden, dass diese Zusammentreffen des obersten Führungskreises üblicherweise zwei Bestandteile haben: Einerseits einen allgemeinen Plenumsteil, bei dem sämtliche Teilnehmer des Meetings zugegen sind und andererseits einen Teil, bei dem bilaterale Gespräche zwischen jeweils zwei Teilnehmern des Meetings erfolgen. Der allgemeine Plenumsteil wird üblicherweise durch eine Präsentation bzw. ein Briefing durch den Vorstand/die Geschäftsleitung eingeleitet. Behandelt werden dabei Themen von der Art wie: „Wie läuft das Geschäft, welche strategische Entscheidungsthemen gibt es, was gibt es an Neuigkeiten und was steht an?“ Im Vordergrund sind dabei Angelegenheiten, die in ihrer Totalität gefasst werden müssen. Zu denken ist etwa an „… Personalthemen, Bewertungsthemen, die Einschätzung bestimmter Entwicklungen wie zum Beispiel die Ukraine-Krise – was bedeutet das für unser Unternehmen?“ Im Hinblick auf diese Vorstands- bzw. Geschäftsleitungspräsentationen haben einzelne Respondenten allerdings zu bedenken gegeben, dass in dem Plenumsteil des Meetings zu viel informiert wird.

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7  Regelmäßige hochrangige Meetings im Umfeld des Matrixdreiecks „… ich habe immer gesagt, dafür muss man eigentlich in der heutigen Zeit nicht viel durch die Gegend fliegen. Das kann man einem auch zuschicken. Der kann sich das durchlesen. … Wir sollten eher die Zeit nutzen zu diskutieren, zu analysieren und zu erklären, aber reine Information wie ‚die Zahlen sind drei Prozent hochgegangen und da hinten zwei Prozent runter‘ und dann auch noch in extensio ist eigentlich unnötig …“

Für das Funktionieren der Matrixstruktur zielführender ist es, wenn in diesen Meetings ein Fahrplan des Zueinander-Findens geschaffen wird. Vor allem ist es sehr hilfreich, wenn sich die Teilnehmer „grundsätzlich einmal kennen lernen und auch ein bisschen außerhalb der Arbeits-Agenda.“ Damit erfüllen diese Meetings auch in ihrem Plenumsteil über informelle Interaktionen eine wichtige Koordinationsfunktion. Ein Top-Manager der ThyssenKrupp AG betonte: „Wir bauen jetzt ein Team oben, mit Werten, mit einer Vorstellung, mit einer Rolle. Und da haben die Teilnehmer dieses höchstrangigen Meetings natürlich einen ganz entscheidenden Einfluss. … Also die alte Architektur, es gab Bereichsvorstände, also es gab einen Konzernvorstand, der war aber eigentlich die zufällige Bündelung von fünf unterschiedlichen Aktien in einer nominierten Aktie. Und da drunter gab es halt’ desperate Hilfs-Djangos, ja. Das ist jetzt natürlich eine ganz andere Architektur.“

Insbesondere wurde in den Interviews zum Ausdruck gebracht, dass das regelmäßige Zusammentreffen der Personen dieses engsten Führungskreises die über das Jahr hinweg erfolgende bilaterale Koordination der Matrixmanager erleichtert. Die Meetings stiften Vertrautheit und dadurch gelingt in den Zeiträumen zwischen den Meetings die bilaterale Konfliktlösung besser. „Da kennt sich jeder, also wir kennen uns ja alle. Wenn es da irgendein Thema gibt, greift man da zum Hörer.“ Der allgemeine Plenumsteil eines solchen Meetings ist allerdings kein passender Ort, um Meinungsverschiedenheiten zwischen Matrixmanagern auszutragen. „Wer das macht, der kann es vergessen. Und das gehört nicht in eine solche Diskussion hinein. Das interessiert auch keinen Menschen. Das ist doch Dein Lokalproblem.“ Einen anderen Aufgabenschwerpunkt haben die im Rahmen des Zusammentreffens des obersten Führungskreises ebenfalls durchführten „Bilaterals“. In diesen kann seitens der beiden Gesprächspartner durchaus der Versuch unternommen werden, strittige, vor einer Eskalation stehende Entscheidungsangelegenheiten im 1-zu-1-Gespräch zu erledigen. Besprochen werden können aber auch das Matrixdreieck betreffende Themen, deren Rahmenbedingungen sich geändert haben und bei denen es fraglich ist, ob die bisher bevorzugte Vorgehensweise noch opportun ist. So sagte ein Two-boss-Manager: „Ein Thema, … wo ich gegebenenfalls eine direkte Kommunikation zwischen dem Herrn (Matrixmanager 1, Anonymisierung durch JW) und Herrn (Matrixmanager 2, Anonymisierung durch JW) bräuchte, wäre folgende: ‚Wir haben ja auch in der wirtschaftlichen Situation verschiedene Exzellenz-Programme laufen in der Organisation, die gerade auch die Plattformstrukturen betreffen, in diesem Kontext ist auch Human Resources unter besonderer Analyse …‘“

7.1  Unternehmensweite Top-Management-Meetings

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Konfliktlösungsbezogene Gespräche zwischen den Matrixmanagern anlässlich von Top-Management-Meetings dürften aufgrund der in den Bilaterals gegebenen Face-to-­ Face-­Konstellation eine größere Wahrscheinlichkeit auf eine Problembeseitigung haben als wenn dies aus der Distanz heraus in Angriff genommen wird. Demzufolge haben unsere Respondenten erwartungsgemäß in der Möglichkeit zur Durchführung bilateraler Gespräche einen wichtigen Bestandteil von Meetings der obersten Führungsspitze des Unternehmens gesehen. „Für jedes Meeting habe ich eine Liste, wo ich sage, ich muss mit X, Y oder Z reden über die und die Themen.“ „Und in den Pausen ist eben Börse. Da haken Sie Ihre Liste ab, haben Sie mit dem … ja, hier ich muss mit Dir über ein Personalthema reden oder hier, ich muss mit Dir über ein Markenthema reden und dann haken Sie Ihre Liste ab. … Und dann ist das Thema gegessen.“

Überdies werden die „bilaterals“ als wichtige Instrumente erachtet, um belastbare soziale Beziehungen aufzubauen. Interessant erscheint schließlich der in einem Unternehmen gepflegte Gesprächstyp zwischen Plenumsdiskussion und Bilaterals: „Von da aus (dem Vorstandsinput, Erg. durch JW) haben wir über Workshops die für uns zentralen Fragestellungen … besprochen. Nach dem Motto: ‚Was ist eigentlich das, wo wir glauben, dass wir Dinge noch anders machen müssen, wo wir korrigieren müssen oder wo wir die Dinge beschleunigt machen müssen?‘ Und diese Themen haben wir dann in Teams bearbeitet.“

2. In einigen Unternehmen werden darüber hinaus auch unternehmensweite Meetings organisiert, an denen ein noch größerer Kreis an Führungskräften teilnimmt. „Einmal alle paar Jahre treffen sich Vorstand, Presidents und Senior Vice Presidents … zu einem großen Pow Wow. … Das ist im Prinzip eine Mischung aus Präsentation, der Vorstand sagt, was er will, und Diskussionsrunden, da werden die, das sind alles hohe Hierarchen, werden in verschiedenen Diskussionsforen zusammenorganisiert, um irgendwie zu lernen, aber auch zu kreieren, neue Ideen zu schaffen, die möglicherweise dann später eingesetzt werden. Ist sehr schwierig bei einer so großen Organisation. Und da sind 200 Leute zusammen.“

Indizien für die Existenz derartiger erweiterter Meetings fanden wir in mehreren Unternehmen vor. Eine echte Podiumsdiskussion scheint es auf diesen Meetings jedoch nicht zu geben, allenfalls kurze Frage-Antwort-Sequenzen zwischen dem Vorstand/der Geschäftsleitung und den anderen Teilnehmern. Diese erweiterten Meetings haben eine andersartige Funktion bzw. einen andersartigen Sinn und Zweck als die vorgenannten, scheint bei ihnen doch auch der Anreiz- und Belohnungsaspekt im Vordergrund zu stehen: „Wir haben ein jährlich stattfindendes Managementmeeting, wo auch die Manager darunterliegender Ebenen teilnehmen. Die Teilnahme an diesem Meeting soll auch ein Incentive sein und wir wollen damit diese Gruppe dezentraler Manager stärken.“

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7  Regelmäßige hochrangige Meetings im Umfeld des Matrixdreiecks

Für die Validität dieser Sicht der Dinge spricht auch eine auf der Website des Unternehmens Hellmann SE & Co. KG früher verfügbare Beschreibung eines solchen erweiterten Global Meetings: „On September 8–11, 2010 the United States proudly hosted the 22nd Annual Worldwide Meeting in Chicago, IL! The meeting kicked off with an elegant gala dinner for all the invited guests. The following day began bright and early with a welcome speech from Jost Hellmann highlighting the importance of our F.A.M.I.L.Y. DNA and how it makes us unique in today’s market. Michael Claus – Managing Director of Hellmann Network, Roger Häussler – Global COO & CEO – The Americas …, along with their fellow regional CEOs also had the opportunity to present developments in their regions to the attentive audience. Hellmann USA customer Chep was selected as a customer speaker at the meeting and spoke of their partnership with Hellmann and how the relationship has developed to what it is today, how we stand out next to our competitors, and provide unparalleled customer service. FedEx and Lufthansa also presented in regards to their relationship as carriers with Hellmann. The next two days consisted of bilateral talks, giving each country the opportunity to clearly define their country goals and to create and strengthen existing relationships. Over 80 countries and 248 delegates participated in the 3 day event. ‚Thank You‘ to Hellmann Network for coordinating, once again, such an amazing Worldwide Meeting and to everyone else involved that made this meeting such a success! We look forward to meeting together again for the 23rd Annual Meeting in South Africa!“ (Hellmann 2015).

7.2

Meetings auf Regionenebene

Neben den gesamtunternehmensbezogenen Meetings setzten die befragten Unternehmen auch in großem Umfang Meetings auf der Regionenebene ein. Die Durchführungshäufigkeit dieser Art von Meetings schwankt zwischen vierteljährlich bis jährlich. An diesen in der jeweiligen Region höchstrangigen Meetings nehmen in aller Regel neben den Leitern der jeweiligen Regionalzentralen die Leiter der Landesgesellschaften (z. B. die Vice Presidents der Regionen), Vertreter ausgewählter Zentralfunktionen („Expertisecenter“) (z. B. HR oder Procurement) sowie das für die jeweilige Region zuständige Mitglied des Vorstands/der Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens teil, wobei die letztgenannte Person dieses Meeting typischerweise leitet. Das übergeordnete Ziel dieser Meetings besteht darin, „dass wir auf dieser Ebene, auch was die groben Ziele angeht, dass wir da aligned sind.“ Was die konkreteren Inhalte der Gespräche betrifft, so scheinen wenig überraschend regionenspezifische Themen im Vordergrund zu stehen. Das folgende Beispiel mag dies verdeutlichen: „Angenommen, wir kommen zu dem Schluss, in Asien sind unsere Logistikprozesse irgendwie nicht so sauber, dann würde ich das schon mal in dem Gremium vorstellen, vorschattieren und sagen, liebe Kollegen, da kommt was und wir werden Euch adressieren, und das ist der Grund und in Europa haben wir das schon umgesetzt, mit dem Benefit.“

7.2  Meetings auf Regionenebene

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Auf diesen Meetings spricht man nicht nur über das Geschäft, sondern auch über dessen kontextuelle Bedingungen. „… da reden wir zum Beispiel über Dinge, die, ich sage mal, regional interessant sind und von Belang sind. Ich nenne Ihnen mal als Beispiel das ganze Sustainability-Thema. Ja, was können wir in China, was können wir in Indien machen, um als Corporate Citizen das Ganze besser zu positionieren. Wie gehen wir mit NGOs um, nur um mal bei diesem Sustainability-­ Thema zu bleiben …“

Ein weiteres wichtiges Themenfeld scheint schließlich das Zusammenspiel zwischen global, regional und lokal zu sein. Welche Zielsetzung steht bei den Regionalmeetings nun aber im Vordergrund? Sind es primär Entscheidungs- oder nur Beratungstreffen? Kommen Sie eher als die unternehmensweiten Top-Management-Meetings als Eskalationsinstanzen in Betracht? Und erbringen sie auch noch andere, darüber hinausgehende Funktionen? Bezüglich der erstgenannten Frage haben wir den Eindruck gewonnen, dass das Treffen von Entscheidungen bei diesen Meetings in der Tat wichtig ist. Auch hier wollen wir einem Respondenten Gehör verschaffen: Frage JW: „Ist es so, dass die Regionalmeetings (die Regionalleitertreffen), dass die dann auch die Qualität zur Entscheidungskompetenz haben?“ Antwort eines Gesprächspartners: „Definitiv, also das ist glaube ich auch ein Fortschritt, den wir in den letzten Jahren erzielt haben. Jeder soll mitwirken können und mit dem, was am Ende dann als Beschluss rausgeht. Das ist dann verbindlich für alle, aber jeder konnte mitwirken. Also insofern ja, es ist ein partizipatives Gremium und ein Gremium, was auch Entscheidungen trifft.“ Weiterhin kommen die Regionalmeetings im Gegensatz zu den zuvor behandelten Top-Management-Meetings durchaus als eine Arena in Betracht, in der ungelöste Streitfragen einer Lösung zugeführt werden: „Und letztendlich ist es (das Regionalleitertreffen, Erg. durch JW) auch eine Eskalationsinstanz, dadurch, dass der globale Funktionschef und ein Vorstandsmitglied mit am Tisch sitzen. Also wenn dann, was weiß ich, eine Region und ein Expertisecenter sich da nicht Grün werden, kann er gleich sozusagen … dann vermittelnd tätig werden und gucken, wie man da auf einen gemeinsamen Nenner kommt.“

Inhaltlich erscheint diese Nutzung der Regionalmeetings als Eskalationsinstanz zweckmäßig, weil an diesen Meetings weniger Personen, gleichwohl aber Vertreter der streitenden Parteien anwesend sind und die Vermittlungsinstanz die Möglichkeit hat, die Argumente der Streitparteien anzuhören. Und schließlich werden die Regionalmeetings auch als Teambuilding-Maßnahmen genutzt. „Letzte Woche oder vorletzte Woche hatten wir wieder ein Regionalleitertreffen, das war verbunden mit einem Teambuilding. Wo wir im Taunus waren, sogar in Mehrbettzimmern, in so einer Jagdhütte übernachtet haben, mit dem globalen HR Leadership-Team. Sowas festigt natürlich so eine Kommunikationsbasis, so einen direkten Kanal und das hilft dann einem auch.“

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7  Regelmäßige hochrangige Meetings im Umfeld des Matrixdreiecks

Auch diese Art der Verwendung der Regionalmeetings erscheint bezogen auf die hier anstehende Thematik inhaltlich angemessen, weil an ihnen genau jene Personen (die Matrixmanager) teilnehmen, zwischen denen ein Konflikt im Matrixdreieck wahrscheinlich, wenn nicht sogar systematisch angelegt ist. Als wir mit den Gesprächspartnern über die Regionalmeetings diskutierten, hat man uns auf die Wichtigkeit eines „Sich-Kennens“ und guter persönlicher Beziehungen hingewiesen: „An der Stelle hilft es, wenn man die Leute kennt. Wenn man mit den Leuten in der Vergangenheit gearbeitet hat, dann kommt man leichter auf einen Nenner … Durch gute Kontakte kann man die Dinge dann aussteuern …“

Schließlich sei darauf hingewiesen, dass in den Regionen, weiter unten in der Hierarchie und insbesondere innerhalb der einzelnen Gastländer, zahlreiche weitere Meetings durchgeführt werden und die Häufigkeit des Sich-Treffens noch wesentlich größer ist. Als typisch kann die folgende Aussage gelten: „On the country level, once a month, the commercial people from the division and the supply chain folks get together. They have a series of operational planning meetings, etc. All of this is formally arranged, operation after operation. This is going on in a very similar way.“

7.3

Funktionsbereichsbezogene Meetings

Neben den regionenbezogenen führen die beforschten Unternehmen in erheblichem Umfang auch regelmäßige funktionsbereichsbezogene Meetings durch. Das Aufzeigen bestimmter Ausprägungen hinsichtlich Häufigkeit und Teilnehmerkreis der Meetings sowie den in diesen behandelten Themen ist schwierig, weil diese von Funktion zu Funktion variieren. Gleichwohl ist es möglich, einige Tendenzaussagen zu unterbreiten. So ist deutlich geworden, dass praktisch in allen Funktionsbereichen auf hoher Ebene regelmäßige Meetings durchgeführt werden. Es wurde auf derartige Meetings im Strategiebereich, im Einkauf, im Finanzbereich, in der IT, im Kommunikationsbereich, im HR-Bereich sowie im Rechtsbereich hingewiesen. Diese Meetings müssen nicht notwendigerweise auf einzelne Funktionsbereiche beschränkt sein; sie werden auch funktionsbereichsübergreifend veranstaltet: „Wir führen damit funktionale Exzellenz zusammen. Ich kann unheimlich viel lernen, wenn der Compliance-Chef, der Herr XY (anonymisiert durch JW), … mir seine Perspektive auf Sachen berichtet, oder unser Audit-Chef … Dann lerne ich davon, darum habe ich dieses Gremium komplett funktional, ‚cross functional‘ besetzt. Und siehe an, seitdem haben wir da auch lebhafte Diskussionen.“

Was die Häufigkeit der funktionsbereichsbezogenen Meetings anbelangt, so kann als gesichert gelten, dass auch diese jährlich bis mehrfach jährlich (im Extremfall alle sechs

7.4  Geschäftsbereichsbezogene Meetings

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Wochen) durchgeführt werden. Die Sitzungshäufigkeit nimmt hierarchieabwärts immer mehr zu. Teilnehmer dieser Meetings sind typischerweise das für die jeweilige Funktion zuständige Vorstands- bzw. Geschäftsleitungsmitglied des Gesamtunternehmens, der Leiter des jeweiligen Funktionsbereichs sowie die Leiter dieses Funktionsbereichs in den wichtigsten Geschäftsbereichen bzw. Tochtergesellschaften. Manche funktionalen Meetings dienen als Brainstorming-Veranstaltungen („Wie können wir unsere Dienstleistungen verbessern?“, „Wie können wir Kosten sparen?“, „Wie wollen wir gemeinsam Recrui­ ting für den Strategiebereich machen?“). Andere Meetings bereiten Entscheidungen des Top Managements vor („Welche Investitionsvorhaben sollen priorisiert werden?“). Und wiederum andere fungieren direkt als Entscheidungsgremien. Hier sitzen die Teilnehmer zusammen, „bis weißer Rauch aufsteigt …“

7.4

Geschäftsbereichsbezogene Meetings

Schließlich und nicht überraschend finden regelmäßige Meetings auch auf den hohen Ebenen der Geschäftsbereiche statt. Die Häufigkeit dieser Meetings scheint etwas größer zu sein und zwischen „vier Mal im Jahr“ und „alle sechs bis acht Wochen“ zu liegen. Auf den nächstniedrigeren Ebenen (z.  B. auf der Ebene der Business Units) trifft man sich deutlich häufiger (bisweilen sogar jede Woche in der Form eines kompakten Meetings), wobei dies oft unter Einsatz von Video-Konferenztechniken erfolgt. Typische Meetingthemen sind Grundsatzfragen der Geschäftstätigkeit (z. B. „Wie führen wir unser Geschäft weltweit?“), auf einzelne Kunden bezogene Strategien, Probleme mit eingeholten Aufträgen, Schwierigkeiten von Lieferanten bei der Bereitstellung von Vorleistungen, wichtige Entscheidungen zum Thema „Produktion“, „field“-spezifische Entscheidungen, R&D-Projekte und Investitionsprojekte innerhalb des Geschäftsbereichs, Budgetdiskussionen oder die Einführung und Nutzung neuer KPIs. Teilnehmer dieser Meetings sind üblicherweise der Leiter des jeweiligen Geschäftsbereichs, die Leiter der Teilbusinesses (Business Units; „Business Unit CEOs“) innerhalb des Geschäftsbereichs, die Leiter der Regionalzentralen (im Falle der BASF SE also z.  B.  Nordamerika, Südamerika, Asien und Europa), die Leiter der Regional Business Units (also jene Personen, die in der jeweiligen Region ein Teilbusiness verantworten (Two-boss-Manager)) sowie die Leiter ausgewählter Funktionaleinheiten im jeweiligen Geschäftsbereich („Excellence Units“) (z. B. Marketing, Supply Chain, Produktion, Technologiemanagement, HR, Global Communication), wobei der erstgenannte das Meeting leitet. Im Beispielfall der Coating-Division der BASF SE sind somit rund 15 Personen an diesem Meeting dabei. Was das Ausmaß an Entscheidungskompetenz anbelangt, so ist festzustellen, dass die ranghöchsten Meetings in den Geschäftsbereichen eher als die rangniedrigeren Entscheidungsmeetings sind. Das vierteljährliche Meeting in dem Geschäftsbereich XY (anonymisiert durch JW)

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7  Regelmäßige hochrangige Meetings im Umfeld des Matrixdreiecks „ist kein reines Beratungs- oder Informationsmeeting, sondern es ist eine Entscheidungsveranstaltung. … Und es sind teilweise sehr hitzige, sehr emotionale Meetings, wo wirklich ab und zu mal die Türen aufgehen und man erstmal eine Auszeit nehmen muss, aber es ist eine sehr produktive Geschichte, weil am Ende muss man das Commitment von allen Beteiligten haben.“

Bei den rangniedrigeren Meetings geht es mehr darum, allen betroffenen Personen einen Zugang zu relevanten Informationen zu verschaffen. Schließlich fungieren die in den Geschäftsbereichen veranstalteten hochrangigen Meetings durchaus als Konfliktlösungsarenen: „Da bringen wir die Matrix-Punkte zusammen, die Friction Points kommen dann zusammen.“ Frage JW: „Dinge, die sich im Vorfeld nicht so leicht bilateral haben klären lassen, die kommen dann in dieses Komitee?“ Antwort: „So ist es …“ Neben all diesen regelmäßigen Meetings werden in den Geschäftsbereichen, Funktionsbereichen und Regionen noch unzählige anlassbezogene Meetings durchgeführt. Viele dieser anlassbezogenen Meetings werden unter Einsatz moderner Konferenztechniken (Videoconferencing, Teleconferencing, …) durchgeführt. Trotz des Vorhandenseins dieser Technologien verlangen die vorgenannten Meetings von den Top Managern eine sehr hohe Reiseintensität. Das bedeutet „in der Tat relativ viel reisen. Also Videoconferencing ist jetzt besser geworden mit der Zeit, aber es gibt sehr schöne Analysen der Harvard Business School und des MIT über die Effektivität von Kommunikation. … Face-to-face ist einfach nicht zu schlagen.“

Gemäß der vorigen Ausführungen stellen hochrangige Meetings wichtige Vehikel dar, um die Matrixstruktur erfolgreich zur Anwendung zu bringen. In ihren verschiedenen Erscheinungsformen stellen sie Instrumente dar, um die Akteure des Matrixdreiecks mit anderen Einheiten des Unternehmens hinreichend gut zu verzahnen. Die große Bedeutung von Meetings zur Steigerung der Informationsverarbeitungskapazität matrixstrukturierter Unternehmen wird dann besonders deutlich, wenn man sich ein solches Unternehmen vorstellt, bei dem die Manager des Matrixdreiecks in nur geringem Maße oder gar nicht an hochrangigen Meetings teilnehmen würden: Insbesondere der Two-boss-Manager würde kaum in einem Austausch mit den Managern von Funktionsbereichen, Produktbereichen oder Regionaleinheiten stehen, denen er nicht direkt zugeordnet ist. Aber auch die Matrixmanager würden nur in sehr beschränktem Maße in Erfahrung bringen können, welche Entwicklungen sich in den vielen anderen Unternehmensteileinheiten vollziehen. Ein hohes Maß an informationeller Verzahnung ist jedoch erforderlich, weil in matrixstrukturierten Unternehmen typischerweise stark ausgeprägte funktionsbereichs-, produktbereichsund regionenübergreifende Interdependenzen vorliegen. Gelernt haben wir in den Interviews auch, dass die Meetings unterschiedliche Zwecke von der Informationssammlung, über die Beratung, dem Treffen von Entscheidungen bis hin zur Konfliktlösung erfüllen. Weiterhin kommen die ranghöchsten Meetings in ihren

7.4  Geschäftsbereichsbezogene Meetings

99

bilateralen, nicht jedoch im ihrem Plenumsteil als Orte zur Ausräumung von Konflikten zwischen den Matrixmanagern in Betracht. Angesichts der großen Bedeutung von Meetings in matrixstrukturierten Unternehmen ist es überraschend, dass Meetings in der zeitgenössischen Managementliteratur eine eher negative Beurteilung erfahren. Dort wird – freilich bezogen auf rangniedrigere Meetings in Unternehmen – auf Befragungsergebnisse rekurriert, wonach nahezu jedes zweite Meeting von den Teilnehmern als schwach beurteilt und sogar als Zeitverschwendung erachtet wird (Lehmann-Willenbrock et al. 2018; Redlbacher et al. 2019, S. 1 f.). Die R ­ espondenten der vorliegenden Studie haben eine positivere Gesamtbewertung gezogen und sie tendierten in eine Richtung, wie sie bereits in Fayols seminaler Publikation angelegt war: „Dieser enge Zusammenhang würde ohne Abhaltung von Konferenzen selbst bei Aufwendung von zehnmal soviel Zeit und Mühe nicht erreicht werden können.“ (Fayol 1916 (1929), S. 80 f.).

8

Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen

Zusammenfassung

In diesem Kapitel werden Managementinstrumente besprochen, welche helfen, im Matrixkontext ein hohes Maß an ökonomischer und sozialer Effizienz zu erreichen („Erfolgsfaktoren“). Dargelegt wird eine größere Zahl personenorientierter und technokratischer Erfolgsfaktoren. Zu den wichtigen technokratischen Erfolgsfaktoren gehört die Befolgung von Regeln, wie dies im Zuge der Entwicklung der regelbasierten Matrix vorgeschlagen worden ist.

In einem weiteren Teil dieses Projekts sind wir unserer übergeordneten Vermutung nachgegangen, dass die erfolgreiche Nutzung der Matrixstruktur einer ergänzenden Anwendung bestimmter Maßnahmen bedarf. Wir verstehen den Einsatz einer Matrixstruktur dann als erfolgreich, wenn dieser hilft, sowohl den Grad der Erreichung der ökonomischen Ziele von Unternehmen zu steigern als auch bei den im Matrixdreieck tätigen Managern ein Mehr an Zufriedenheit zu bewirken. Nach Abschluss unserer Informationsauswertung sind wir überzeugt, dass die in diesem Kapitel dargelegten Erfolgsfaktoren helfen, den Grad der Erreichung dieser beiden Erfolgsaspekte (ökonomische Effizienz sowie soziale Effizienz) zu steigern. In verschiedenen Interviews haben wir diesen Themenbereich relativ am Ende der Gespräche mit der folgenden überordneten Frage eröffnet: „Ich habe noch eine übergeordnete, höchst allgemeine Frage. Haben wir in dem bisherigen Verlauf unseres Gespräches irgendetwas vergessen, was Ihrer Ansicht nach den erfolgreichen Einsatz der Matrixstruktur wesentlich bestimmt?“ Als Antwort haben viele Gesprächspartner Managementinstrumente thematisiert, welche die Anwendung der Matrixstruktur flankieren. Dabei zeichnete © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_8

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8  Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen

sich ein klares Gesamtergebnis ab, das bereits an dieser Stelle erwähnt werden soll: In einer Gesamtschau betrachtet können die Antworten der Respondenten als klarer Beleg gewertet werden, dass sie es für den Einsatz der Matrixstruktur als essenziell erachten, dass in dem betreffenden Unternehmen Instrumente zur Anwendung gebracht werden, welche den Einsatz der Organisationsstruktur ergänzen. Unsere Eingangsvermutung wurde also bestätigt. Erörtert haben wir deshalb im Fortgang mit den Respondenten eine ganze Reihe von Instrumenten, bei denen von einer positiven Erfolgswirkung auszugehen ist. Der Einsatz dieser Instrumente soll im Nachfolgenden in geordneter Weise diskutiert werden. Als Ordnungsgerüst greifen wir dabei auf die bewährte, von Harold Leavitt (1964, S.  53  ff.) geschaffene Unterscheidung zwischen personenorientierten und technokratischen Managementinstrumenten zurück. Während bei den erstgenannten Instrumenten Menschen bzw. deren Eigenschaften und Verhaltensweisen die koordinative Kraft erzeugen, stellen die technokratischen Instrumente personunabhängige Methoden dar, denen sich das jeweilige Unternehmen bedient. Da den personenorientierten und technokratischen Instrumenten eine erfolgstiftende Wirkung zugeschrieben wurde, können diese auch als Erfolgsfaktoren bezeichnet werden.

8.1

Personenorientierte Erfolgsfaktoren

Gemäß unserer Forschungsarbeit begünstigen die nachfolgenden acht personenorientierten Faktoren eine erfolgreiche Anwendung der Matrixstruktur.

8.1.1 Fähigkeiten der Manager im Matrixdreieck Im Kreise der den Erfolg der Anwendung der Matrixstruktur fördernden Einflussfaktoren hat sich in den Gesprächen relativ schnell ein Favorit herausgestellt: Nach Sicht von vergleichsweise vielen Gesprächspartnern hängt der Erfolg der Matrixstruktur ganz wesentlich davon ab, dass das betreffende Unternehmen Manager in die Matrixpositionen beruft, die hinsichtlich ihrer Fähigkeiten den sich stellenden Anforderungen gewachsen sind. Die Wichtigkeit dieses Gestaltungsbereichs wurde bereits in Kap. 6 angerissen, als es um die an den Two-boss-Manager zu stellenden Anforderungen ging. Jetzt wollen wir diesen Faktor umfassender diskutieren. Wer den Bereich „Personalauswahl für Matrixstrukturen“ gestalten will, muss die Fähigkeiten inhaltlich spezifizieren, die der (die) auszuwählende Kandidat(in) aufzuweisen hat. Im Folgenden sollen nun Fähigkeiten dargelegt werden, welche für sämtliche der im Matrixdreieck tätigen Manager bedeutsam sind, also nicht nur für die Two-boss-Manager. Die wichtig erscheinenden Fähigkeiten lassen sich zu drei Blöcken bündeln: 1. fachliche Fähigkeiten, 2. zwischenmenschliche Fähigkeiten und 3. sonstige persönliche Fähigkeiten.

8.1  Personenorientierte Erfolgsfaktoren

103

Es ist für den Erfolg der Matrixstruktur unabdingbar, dass Manager mit allerbesten fachlichen Fähigkeiten im Matrixdreieck wirken. Gleich mehrere Respondenten deuteten dies an. Ein Top-Manager der ContiTech AG brachte es wie folgt auf den Punkt: „Es müssen sich zwei gute Manager treffen.“ Ein anderer Gesprächspartner konkretisierte diese Aussage und führte aus: „Ich glaube wirklich, dass ein zentral wichtiger Punkt ist, dass die Leute im Prinzip die fachlich besten im Unternehmen sind. … Es müssen gute Führungskräfte sein, die nicht nur strategisch gut sind, sondern auch operativ richtig gut sind. So dass derjenige, der lokal da sitzt, wenn er ein Problem hat, gerne … anruft und sagt, ich bin mir nicht ganz sicher, hilf mir mal. Wenn er das Gefühl hat, da kommen nur irgendwelche Konstrukte, wilde Sachen, die nichts mit meinem operativen Business, nichts mit meinem Tagesgeschäft zu tun haben, dann ruft der ihn nie wieder an und dann macht jeder Einzelsachen und dann funktioniert die Matrix sofort nicht.“

Der Hinweis auf die Notwendigkeit einer besonders hoch ausgeprägten fachlichen Exzellenz aller im Matrixdreieck tätigen Manager ist insofern sehr gut verständlich, als deren Interaktionspartner ja „von Natur aus“ mit unterschiedlichen fachlichen Argumenten (diejenigen des Matrixmanagers 1, des Matrixmanagers 2 sowie des Two-boss-Manager) zu tun haben. Wenn nun einer dieser Manager fachlich schwächer ist, dann kann leicht die Balance der argumentativen Hemisphäre aus dem Gleichgewicht geraten und die gesamte Matrixstruktur als solche ihre Wirksamkeit zu verlieren. Von einer größeren Zahl an Respondenten wurde überdies als besonders wichtig angesehen, dass die im Matrixdreieck tätigen Manager zuvor in verschiedenen Teilhierarchien (Funktionsbereichen, Geschäftsbereichen, Regionen) tätig waren. Ein Gesprächspartner bemerkte: „Und Sie müssen, wie Sie an meinem Werdegang gesehen haben, unterschiedliche Perspektiven selber eingenommen haben.“ Er fuhrt fort: „Wenn die Leute einen Teil ihrer Karriere im Business, ein Teil in der Region, ein Teil in der Funktion gemacht haben, das ist sicherlich ein contributing factor. Also ein Punkt, der dazu beiträgt, Entscheidungsprozesse einfacher zu gestalten. Wenn natürlich ein Geschäftsmann auch mal in einer funktionalen Einheit saß und umgekehrt. Dann weiß man, wie es läuft in den anderen Schichten und dann ist es sicherlich einfacher. Das ist sicherlich ein Faktor, der zum Erfolg beiträgt. Das sehe ich auch so. Wir haben eine Menge Beispiele von Kollegen, die das gemacht haben.“

Und aus einem anderen Unternehmen war zu hören: „Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, warum wir auch da unsere ganze Besetzungspolitik … geändert haben. Die Leiter dieser Querschnittsfunktionen (gemeint sind die Leiter der zentralen Funktionsbereiche, Erg. durch JW), das sind alles Leute, die wir aus den operativen Bereichen rekrutiert haben, die haben vorher in den Business Units gearbeitet, und waren Experten, in dem, was sie da gemacht haben. Die sind schon anerkannt als Person, weil die einfach auch die andere Seite über Jahre hinweg kennen gelernt haben. … Beispielsweise war der Chef von unserem zentralen Fertigungsbereich früher bei dem Bereich ‚Components Technology‘, … der hat etliche Werke restrukturiert, geschlossen, aufgebaut, transferiert usw.

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usf. Das sind quasi Leute, die nicht über ihr Amt die Autorität haben, sondern wirklich über ihr Wissen – und nicht nur Wissen, sondern auch Können. Die wissen nicht nur, wie es geht, die können es auch. Und die haben es demonstriert.“ Gerade die zuletzt wiedergegebene Einlassung weist im Übrigen erneut auf die große Wichtigkeit einer hohen fachlichen Expertise der Manager im Matrixdreieck hin. „Und wenn Sie Leute aus dem Headquarters für solche Funktionen nehmen (die zuvor nie in den Geschäftsbereichen tätig waren, Erg. durch JW), dann habe ich immer tendenziell die Sorge, dass die Anerkennung nicht da ist, auch wenn die Leute sehr intelligent sind. Aber die Erfahrung fehlt halt, und dieser operative Touch fehlt. Und wenn Sie Leute aus den operativen Einheiten holen, dann hat das zwei Vorteile, der eine ist, dass die von vorneherein anerkannt sind, das zweite ist aber auch, dass die das Headquarters auch anreichern mit Wissen, also die Leute, die auch im Headquarters bei uns sind, die ziehen sie auch noch einmal wissensmäßig mit hoch …“

Gerade dieser mehrdimensionale Hintergrund der im Matrixdreieck tätigen Personen trägt dazu bei, dass dort Manager tätig sind, „… that have a feeling for the portfolio …“ Im Bereich der erforderlichen zwischenmenschlichen Fähigkeiten haben sich in den Gesprächen fünf Eigenschaften herauskristallisiert, die amalgamartig miteinander verwoben sind. Ein erster Gesprächspartner sprach von der Unabdingbarkeit einer Brückenbau-­ Fähigkeit seitens der im Matrixdreieck beschäftigten Manager: „Aber deshalb glaube ich halt, dass eine solche Organisationsform, wie wir sie haben – es ist ja nicht nur eine zwei-, es ist ja mit der Funktion eine dreidimensionale Matrix – die hat besonders hohe Anforderungen an, ich nenne es immer die Brückenbau-Fähigkeit von Managern. Wenn ich nur Silo-Bauer und Mauer-Bauer habe, die können sehr effektiv und super strategisch brillant sein, die werden in unserem Unternehmen oft einen Kollateralschaden hinterlassen. Wir brauchen Brückenbauer und müssen gegebenenfalls hier und da mal auf diese super unternehmerische Brillanz verzichten …“

Die geforderte Fähigkeit zum Verbinden von Organisationsteileinheiten scheint dabei von vier Partialeigenschaften gebildet zu sein. Erstens einer ausgeprägten Kommunikationsfähigkeit. „Kommunikation ist das A und O. Ob man das jetzt in einer Email macht, wenn es ein spezifisches Thema ist, oder ob man einfach in Kopie diese Meeting-Minutes von den Arbeitsgruppen verteilt, oder ob man das mit einem periodischen Jour Fix auf der Eins-zu-Eins-Ebene macht. Ich denke alle drei Komponenten sind wichtig …“

Zweitens von der Bereitschaft bzw. dem starken Willen zur Zusammenarbeit: „Das, was ich eben gesagt habe ist immer die Frage … sind das Leute, die zusammenarbeiten wollen oder sind das Leute, die nicht zusammenarbeiten wollen. Und da bei uns die Führungskreise zumindest oben so ausgewählt sind, dass sie eigentlich dieses Bild haben, wir müssen das Unternehmen zusammen nach vorne bringen, klappt das gerade sehr gut …“

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Drittens das Gefühl und das Verständnis für die andere Seite: „Sie brauchen jemanden mit Perspektivenvielfalt. … Und genauso wenig können Sie etwas mit einem CEO anfangen, der auf der Finanzperspektive blind oder taub ist. Dass Sie beide Rollen nicht 50/50 anlegen, das ist klar, aber dass der eine mit 75/25 läuft und andere mit 25/75.“

Und viertens Personen mit einem Mindestniveau an Kompromissbereitschaft: „Man braucht natürlich ein bisschen Kompromissbereitschaft und wir haben am Anfang – das haben Sie vielleicht gehört – an manchen Standorten gewisse Probleme damit gehabt.“ Oder: „Simply put, if you have people with zero egos and being pragmatic, it’s excellent. If you are having people with big egos and not pragmatic, it’s a lot more time.“

Schließlich müssen die im Matrixdreieck tätigen Manager aber noch weitere Fähigkeiten aufweisen, die wir zu einer Kategorie „sonstige persönliche Eigenschaften“ zusammenfassen wollen. Wichtig erscheint dabei zunächst die Fähigkeit, mit mehrdeutigen Situationen umgehen zu können. Der hohe Stellenwert einer solchen Ambiguitätstoleranz erscheint insofern plausibel, als aufgrund der Interessendivergenz der Teilhierarchien in der Matrix Situationen wahrscheinlich sind, die von unterschiedlichen Personen ungleich interpretiert werden. „Wenn einer in so ganz starren Organisationen super ‚performt‘, in so einer Matrix funktioniert das eventuell nicht.“ Wie an anderer Stelle dargelegt, scheint diese Fähigkeits-Forderung insbesondere für die Two-boss-Manager zu gelten: „For the Two-boss-Manager it is much more difficult to live in a matrix than to live in an organization with a strict hierarchical order, where he always knows who is my boss and whom to ask. He has got to ask two guys or even three. And he has to decide in which case do I have to ask who. So that is the real challenge.“

In den Interviews wurde wenig überraschend auch von der Notwendigkeit einer besonders hohen intellektuellen Regsamkeit gesprochen. „Es war die Frage, … hat der die geistige Flexibilität, in einem anderen Modell zu arbeiten. Sie müssen dieses Thema ‚geistige Flexibilität‘ sehr, sehr ernst nehmen an dieser Stelle. Wenn die Leute zwanzig Jahre so gearbeitet haben, dass sie der Zentrale … selbst wenn sie in der Controlling-Einheit waren, dem Controlling in der Zentrale nichts gesagt haben, dann werde ich dem von heute auf morgen nicht erklären können, dass ich das jetzt mal anders mache.“ Auch benötigen Sie Personen, „… welche die Offenheit haben, im Meinungsbildungsprozess lernfähig sein zu wollen. Das ist ganz entscheidend. Dieses ‚ich weiß alles, ich kann alles und kann allein entscheiden‘, diese Spezies, die brauchen wir dann nicht, die funktioniert in der Matrix nicht.“

Und schließlich bedarf es der Fähigkeit zur Integration von Perspektiven: „Und wenn Sie mal, ich gehöre jetzt zu denen, bin jetzt Mitte 50, die zum Einstieg ihrer Karriere noch ganz andere Managementtrainings mitbekommen haben. Da war ja die Ansage, falscher Befehl ist besser als gar kein Befehl, braver Soldat Schwejk (schweig). Das gibt es ja heute auch nicht mehr. Im Sinne der Komplexität der Wissenschaft und Wirtschaft muss man

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eben die Fähigkeit haben und entwickeln, aus mehreren Meinungsbildern eines zu machen. Und nicht selber mehrere Meinungsbilder zu haben.“

Neben diesen für die Arbeit in der Matrix generischen Anforderungen spielen natürlich im jeweiligen Stellenbesetzungsfall auch noch weitere Fähigkeiten eine Rolle, welche für die jeweilige Matrixstelle bedeutsam sind. Wenn es zum Beispiel um die Position eines Two-boss-Managers in einem bestimmten Gastland geht, dann sind bestimmte für dieses Gastland typische Anforderungen zu beachten. Da derartige Anforderungen jedoch nicht matrixspezifisch sind, sollen sie an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Erörterungswürdig ist hingegen die bisweilen geäußerte Sichtweise, wonach die Nationalität der jeweiligen Person für das Gelingen der Matrix bedeutsam sei und es insbesondere helfe, wenn die im Ausland tätigen Two-boss-Manager Stammlandsangehörige sind. Diese Auffassung wurde in den Interviews eher verneint. Oder anders ausgedrückt: Es besteht keine Notwendigkeit, Matrixpositionen mit Stammlandsangehörigen zu besetzen. Das folgende Interviewsegment kann als typisch gelten: Frage JW an einen in der Unternehmenszentrale tätigen BHC-Manager: „Wir haben gehört, dass es für den Abgleich zwischen den Landesfürsten und den Funktionaleinheiten … der Zentrale hilft, dass ein großer Teil der Landesfürsten ebenfalls Deutsche ist.“ Antwort: „Ich würde es anders sehen. … Ich glaube, das Entscheidende ist nicht, dass dieser Landesfürst ein Deutscher ist … Ja, es hilft, aber das ist glaube ich nicht der Grund, dass er Deutscher ist, sondern was hilft ist, dass einerseits ein Landesfürst auch mal im Headquarters gearbeitet hat. Es kann also auch ein Lokaler sein, ein Franzose, der mal drei Jahre hier in Leverkusen war in einer Funktion. Und auch andersherum, dass die Kollegen, die hier eine Führungsverantwortung haben, auch mal in einem Land gearbeitet haben. So dass man füreinander ein besseres Verständnis hat. Ich weiß es aus eigener Erfahrung, wenn man in einem Land sitzt und seine operativen, ganz konkreten Probleme hat, wundert man sich manchmal, was aus Leverkusen kommt. Wahrscheinlich bei Daimler, was aus Stuttgart kommt. Wenn man aber selbst schon mal in diesen ganzen Gedankengängen (der Manager der Zentrale, Erg. durch JW) drin war, dann hat man ein besseres Verständnis dafür, dass die Kollegen ja auch nicht bösartig sind, sondern auch das Beste für das Unternehmen wollen. Und versteht dann wahrscheinlich auch, was die dortigen Hintergedanken sind. Und selbst wenn es mich jetzt in meiner Situation ärgert, habe ich aber ein besseres Verständnis dafür, dass es möglicherweise, oder warum es für das Gesamtunternehmen doch das Richtige ist. Genauso ist es aber auch hier, wenn wir hier im Headquarters nur Kollegen haben, die nur das Headquarters kennen und nicht die Challenges aus einer Landesgesellschaft, dann werden auch von hier Konzepte und Ideen kommen, die nicht wirklich funktionieren können.“

Trotz aller Prominenz der vorgenannten fachlichen, zwischenmenschlichen und sonstigen persönlichen Fähigkeiten sollte sich das Gesamtteam der im Matrixkontext tätigen Manager durch eine gewisse fähigkeitsbezogene Diversität kennzeichnen. Zu diesem Ergebnis muss man nach einer Gesamtschau des Interviewmaterials kommen. Es dürfte durchaus helfen, wenn zum Beispiel der eine Manager stark produktionsgetrieben, der andere mehr vertriebgetrieben, der nächste mehr logistikgetrieben und ein weiterer wiederum mehr finanzgetrieben ist.

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Schließlich bleibt noch kurz zu behandeln, wer für die Einstellung der Manager im Matrixdreieck zuständig ist. Zwar hängt den Interviews zufolge das Einflussgewicht der Einheiten durchaus davon ab, ob es sich um eine Position in einem Geschäftsbereich, in einem Funktionsbereich oder einer Regionaleinheit handelt und somit liegen je nach Position gewisse Variationsmuster vor. Allerdings zeigte sich doch auch, dass die zentralen Funktionsbereiche bei matrixpositionsbezogenen Auswahlentscheidungen viel Einfluss ausüben. Dies scheint selbst dann der Fall zu sein, wenn es um eine Position in einem Geschäftsbereich geht. „Die Auswahl in den Geschäftsbereichen, ob das im … (Name des Geschäftsbereichs gelöscht durch JW) oder beim … (Name des Geschäftsbereichs gelöscht durch JW) ist, die Auswahl trifft die Funktion des Geschäftsbereichs. … Wenn es um die Zentralfunktion geht, ist es wieder einmal ein bisschen komplexer, die Funktion ist im Lead und schlägt Kandidaten vor.“

Ebenfalls spricht (sprechen) die Unternehmenszentrale (und damit die zentralen Funktionsbereiche) erheblich mit, wenn es um die Besetzungen der Stellen der Landesfürsten geht. Auf der anderen Seite wurde uns von verschiedener Seite mitgeteilt, dass die Zuständigkeitsfrage in den Unternehmen nicht schematisch wahrgenommen bzw. umgesetzt wird. Bei der Besetzung von Matrixpositionen bemüht man sich also um eine konsensuale Entscheidungsfindung, was als solches schon als ein Erfolgsfaktor des Gelingens der Matrixstruktur angesehen werden kann. So berichtete der damalige Chef der zentralen Strategieabteilung des ThyssenKrupp-Konzerns: „Aber auch ein Hiesinger hätte mich hier nie reingesetzt, wenn der CEO und der Bereichsvorstand dafür nicht rezeptiv gewesen wären. Weil einen feindlich reinzusetzen, das funktioniert auch nicht. Offensichtlich habe ich mir mit dem Stahlvorstand oder anderen nicht zu viele Feinde gemacht vorher, obwohl ich der Strategie-Chef war und die vorher immer drangsaliert habe. Aber das ist auch ein Kulturthema …“

8.1.2 I ntegration „frischen Blutes“ im Zuge der Einrichtung der Matrix? Im Zuge des Übergangs von einer eindimensionalen Organisationsstruktur zur Matrixstruktur ist zu regeln, ob und in welchem Umfang in dieser Phase der Unternehmensentwicklung von außen „neue Köpfe“ bzw. „neues Blut“ als Manager in das Matrixdreieck hineingeholt werden müssen (muss). Rein formal gesehen spricht zunächst einiges für die (deutliche) Bejahung dieser Frage, verlangt die Matrixstruktur im Vergleich zu eindimensionalen Strukturen doch eine größere Anzahl an Managern mit echter Führungsfähigkeit (also der Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Treffen von Entscheidungen). Überdies lässt sich argumentieren, dass Unternehmen, welche zuvor einen bestimmten Typ einer eindimensionalen Organisationsstruktur aufwiesen (Funktionalstruktur, Produktspartenstruktur oder Regionalspartenstruktur), im Hinblick auf eben dieses Gliederungskriterium

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durchaus über eine hinreichende Zahl an führungsbefähigten Managern verfügt, bei den beiden anderen, damals also nachrangig aufgehängten Gliederungskriterien fähigkeitsmäßig hingegen eher schwächer bestückt sind. Zumindest die deskriptiven Aspekte dieser Frage lassen sich gut anhand des Falles der ThyssenKrupp AG diskutieren, die ja im Zeitraum 2014/2015 zur Matrixstruktur ­übergegangen ist. Dieses Unternehmen hat während dieser Zeit in der Tat in erheblichem Umfang externe Personen auf die Matrixpositionen berufen. So sagte man: „Ich glaube … lassen Sie mich mal gucken, wenn ich die siebzehn (d. h. den obersten Führungskreis des Unternehmens, Erg. durch JW) mal durchdekliniere … (beginnt laut zu zählen), dann würde ich mal sagen, ein Drittel sind die alten Funktionsinhaber, die sich selber adaptiv genug da rein begeben haben, ein Drittel sind Beförderungen aus dem Internen, und ein Drittel sind ganz klar von außen.“ „In der Funktionalverantwortung (gemeint sind die Führungspositionen in den Funktionsbereichen, Erg. durch JW), nehmen Sie mal die Strategie, fast immer greift die Drittel-Logik. Ein Drittel haben wir von intern hochbefördert, ein Drittel haben wir von außen (in der Strategie sogar mehr, weil es diese Funktion vorher nicht gab). … Ex McKinsey, Ex BCG, anderer Konzern … Und so gibt es eine hybride Konstellation. … Aber wenn Sie allein schon von den oberen 1500 ausgehen, wir nennen das das obere Prozent Führungskraft, würde ich tippen, dass da zwischen 300 und 500 Leute neu sind, über vier Jahre.“

Aber auch in den Produktsparten ist es damals zu einer Einstellung vieler Unternehmensexterner gekommen: „Ich glaube … über 50 Prozent der Produktspartenleiter kamen neu ins Unternehmen …“ Diese Neigung, im Zuge der Matrix-Reorganisation verstärkt externe Top-Manager in das Unternehmen hereinzuholen, ist den Gesprächen zufolge kein ThyssenKrupp-Spezifikum. Verwiesen sei hier auf den ähnlich gelagerten Fall der portugiesischen Sonae Indústria SGPS S.A., die ebenfalls vor nicht allzu langer Zeit zur Matrix übergegangen war: „Und da sind inzwischen … doch einige Leute dabei, die aus anderen Unternehmen kommen, die schon jahrelang eine Matrixstruktur praktizieren. Und diese Leute haben deutlich weniger Probleme damit.“ Was sind nun aber wichtige Gründe, warum Unternehmen gerade in dieser Phase verstärkt auf Unternehmensexterne zurückgreifen? Erstens kommen diese Unternehmen von einer eindimensionalen Organisationsstruktur her und es mangelt demnach „inhouse“ an Personen mit einer ausgeprägten Mehrfachperspektive (wie sie die Matrixstruktur fordert, siehe oben). „Es gibt noch viel zu wenige. Das liegt aber glaube ich weniger an der ‚willingness‘ der einzelnen Leute … Wir tun uns unglaublich schwer, intern zu rotieren.“ Zweitens spielt eine Rolle, dass – wie bei der ThyssenKrupp AG zu sehen – die vormaligen Produktspartenleiter zuvor geradezu allmächtig waren und manche von ihnen nicht die Persönlichkeit hatten, nun die Macht mit den Leitern zentraler Funktionsbereiche und Regionalzentralen zu teilen. „Zum Zeitpunkt der Reorganisation hin zur Matrixstruktur gab es in unserem Unternehmen schon einige Leute, die damit überhaupt nicht klargekommen sind. Und die sind auch heute nicht mehr da. Oder sie haben selber gesagt, ne, macht mir keinen Spaß, oder … ja, die wur-

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den dann identifiziert … Aber das wurde nicht delinquent beschlossen, sondern man hat dann schon gesagt, eine Adjustierung ist erforderlich …“

Und schließlich bringt eine solche Reorganisation einen Bedeutungsgewinn bestimmter Expertisefeld mit sich, die im betreffenden Unternehmen (noch) nicht vorhanden sind: „Gerade da, wo ich spezifische Expertise habe, also Shared Services, von außen, ERP System von außen, IT von außen, weil wir dort gesagt haben, da ist endogen keiner, der hat auch den Erfahrungskorridor nicht, außer er war zufällig nur drei Jahre da und davor war er woanders und jetzt können wir den umschulen …“

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass zur Matrix reorganisierende Unternehmen im Hinblick auf die Frage des Hereinholens „frischen Blutes“ durchaus in einer schwierigen Lage sind, um die sie auch wissen. Das Hereinholen externer Personen auf die Matrixpositionen ist mit einem erheblichen Preis zu bezahlen und es wäre in mancherlei Hinsicht eigentlich besser, ein internes Recruiting zu betreiben. So bemerkte ein Vertreter der BASF SE, die derartige Probleme schon jahrzehntelang hinter sich hat: „Extra Leute auf hoher Ebene einzustellen, die die Matrix verstehen und auch nutzen können, ist die Ausnahme und nicht die Regel. Fast alle Leute, die wir durch Akquisition dazu gewonnen haben, haben irgendwann das Unternehmen wieder verlassen. … Aber jemanden, der von draußen reinkommt und diese ganze Matrix fühlt, aber nicht sieht. Das ist unangenehm.“

Dass bei einer Matrixstruktur die Eingliederung externer Personen besonders herausfordernd ist, verwundert insofern nicht, als diese nur dann erfolgreich Entscheidungen treffen werden, wenn sie mit dem ganzen „feinstofflichen Bereich“ des Unternehmens gut vertraut sind, was bei Externen fast schon ex definitione ausgeschlossen ist. Zwar mögen externe Personen Vorteile hinsichtlich des Erfahrungshintergrunds mit der Matrix haben, doch reicht dies im Regelfall nicht aus, um die vorgenannten Nachteile aufzuwiegen.

8.1.3 Unternehmensinternes Job Rotation Das Vorhandensein einer Multiperspektivität bei den im Matrixbereich tätigen Managern ist für das Gelingen dieser Struktur vorteilhaft. Dies ist in den vorigen Abschnitten wiederholt angeklungen. Daher ist zu vermuten, dass mit wiederholten unternehmensinternen Personalwechseln ein kräftiger Erfolgsfaktor der Matrixstruktur gegeben ist, vermitteln diese den betroffenen Personen doch die Befähigung zur Interpretation der zu behandelnden Entscheidungsangelegenheiten aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Aber wurde dies von unseren Gesprächspartnern ebenfalls so gesehen? Gehen auch sie davon aus, dass interne Managerverschiebungen den Erfolg der Matrix steigern helfen? Und falls ja, in welchem Umfang wird in den beforschten Unternehmen dieses Instrument zur Anwendung gebracht?

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Bezogen auf die letztgenannte Frage stellte sich in den Interviews ein recht einheitliches Bild heraus: Die meisten im Matrixdreieck tätigen Manager waren zuvor „in einer komplementär anderen Rolle“ tätig. Verweisen kann man hier auf die ehemalige BHC AG (als Teil der Bayer AG), die viel von dem Prinzip des Job Rotation zu halten scheint: „Also es gibt immer wieder einen Wechsel in Führungspositionen. Früher waren das drei bis fünf Jahre; jetzt sagt man alle drei bis vier Jahre sollte man in einer Position bleiben und dann wieder weiterziehen, damit man nicht betriebsblind wird und bleibt. … Job Rotation in Führungspositionen ist bei Bayer Prinzip.“

Seitens der Respondenten wurden dabei zahlreiche Einzelbeispiele erwähnt, die an dieser Stelle natürlich nicht alle wiedergegeben werden können. Sucht man in diesen Einzelbeispielen nach Mustern, dann scheint man offenbar dafür zu sorgen, dass die Funk­ tionsbereichsmanager der Matrix auf ein ausreichendes Maß an Erfahrung in den Geschäftsbereichen zurückblicken können, wobei dies selbst für den Funktionsbereich „Personal“ zuzutreffen scheint: „Und jetzt existiert es (das Job Rotation, Ergänzung durch JW) sogar noch in der Steigerungsform, nicht nur innerhalb des Personalwesens, zwischen Region und Headquarters, sondern unser aktueller President, der aktuelle Leiter des BASF Personalwesens, kam aus dem Geschäft. … Jemand, der über Jahrzehnte Geschäftsbereiche geleitet hat, der bringt natürlich echt die Brille mit, was brauch’ ich denn von Human Resources, damit ich meinen anderen Geschäftsbereichsleitern die maximale Unterstützung bieten kann.“

Andere genannte Beispiele betrafen Compliance-, Finanz- sowie Public-Relations-­ Manager. Sie wirkten ebenfalls zuvor in den Geschäftsbereichen des Unternehmens. Aber auch die Regionenmanager innerhalb der Matrix verfügen typischerweise über Erfahrungen in den Geschäftsbereichen: „Das heißt, viele Leute, die eine Regionaldivision heute leiten, waren mal ein Operating Division Head …“ Interessanterweise verfügen nicht nur die direkt in die Matrix eingebundenen Manager, sondern auch viele der unter diesen tätigen Manager über solche Job-Rotation-Erfahrungen: Frage JW: „Und die Leute unter Ihnen (Ihre Mitarbeiter hier in der tschechischen Auslandsgesellschaft) … haben die auch schon Auslandspositionen gehabt?“ Antwort: „Ja, zum Teil. Das sind dann auch die Kollegen, die man dann ranführt an eine weitere Managementposition …“ Was die drei besonders intensiv beforschten Unternehmen anbelangt, so konnten wir erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung des Job Rotations feststellen. Am längsten und intensivsten scheint man auf das Instrument „Job Rotation“ bei der BASF SE zurückzugreifen (was insofern nicht weiter überrascht, als dieses Unternehmen schon seit langem die Matrixstruktur nutzt). Aber selbst in diesem Unternehmen fanden sich selbst vor wenigen Jahren noch Beispiele von Top-Managern, die wenig in Job-Rotation-­ Maßnahmen eingebunden waren: „Ich glaube ein Beispiel war, dass der frühere Leiter des BASF Personalwesens global … während seiner beruflichen Laufbahn Ludwigshafen nie verlassen hat. … Da ist es dann natürlich schwierig, solch eine Vision wahrzunehmen …“

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In der BHC AG (Bayer AG) waren Job Rotations ebenfalls schon seit längerem weit verbreitet, wobei insbesondere die Zeit des Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers einen Vorwärtsschub gebracht zu haben scheint. Folgt man den Respondenten, dann nutzt die ThyssenKrupp AG dieses Instrument noch nicht in demselben intensiven Umfang. Mehrere Gesprächspartner äußerten sich in diese Richtung: „Das ist ein Thema, das streuen wir noch nicht explizit genug ein. So muss man es eigentlich sagen. … Ich kann Ihnen ganz viele Beispiele sagen, wo so etwas stattgefunden hat – überhaupt kein Thema. Aber das kann man noch sehr viel deutlicher machen.“ Einer seiner Kollegen sagte: „Das ist für mich eines der großen Verbesserungspotentiale hier im Konzern. Wir haben überhaupt kein Job Rotation. Also Gesellschaften zu Zentrale fast gar nicht, untereinander sehr selten. Wenn ich mir da Volkswagen zum Vergleich angucke …“ Und schließlich: „Das gibt es schon, ist aber ich sag mal, das ist nicht General Electric like. Wenn man die Parallele mal zieht … dann haben wir noch eine ziemliche Lücke.“ Diese Zurückhaltung hinsichtlich Job Rotations ist insofern verwunderlich, als viele Respondenten starke Argumente für die Nutzung dieses Instruments im Matrixzusammenhang hervorgebracht haben. Das Spektrum der Antworten reicht von ganz allgemeinen Vorteilsbekundungen wie „Und es hilft, wenn die Leute in verschiedenen Funktionen, Units gesessen oder vielleicht in anderen Regionen gearbeitet haben, das ist alles ok.“, „Wir haben mit den Menschen weniger Probleme, sag ich jetzt mal in Anführungsstrichen, die verschiedene Einheiten gesehen haben.“ oder „Personal exchange is a key success factor.“ bis hin zu spezifischeren Argumentationen. Zwar fassten jene, die spezifischere Vorteile des Job Rotations benannten, ihre Gedanken in unterschiedliche Worte, jedoch waren die Argumentationslinien relativ ähnlich zueinander. Zunächst wurden Job Rotations als Mittel gegen die Herausbildung eines einseitigen Spartenblicks begriffen: „Das heißt also, wir wissen schon sehr genau, die unterschiedlichen Wahrnehmungen, auch die unterschiedlichen Interessen, weil wir selber auch Teil davon gewesen sind, und dann auch sagen, wenn es jetzt zu Unterschieden kommt oder wenn Dinge vielleicht vernachlässigt werden, weil wir jetzt zu sehr unseren Spartenblick haben, dann ist uns ja der BASF-Blick oder was man jetzt aus Ludwigshafen darüber denken könnte, ist uns ja selber aus eigener Erfahrung sehr gut bekannt.“

Mitunter wurde dieser Vorteil als Vermeidung einer Rollenblindheit bezeichnet: „Ich glaube, umso mehr man diese unterschiedlichen Sichtweisen auf unterschiedliche Sachverhalte institutionalisieren kann, über Rotation etc., das kann in der Tat nochmal einen starken signifikanten Mehrwert machen, weil man dann vielleicht aus seiner Rollenblindheit herauskommt.“

Überdies helfen Job Rotations, Verständnis für die Perspektive der anderen Seite zu gewinnen. Ein Controlling-Manager bemerkte: „Und dieser Perspektivwechsel, ich war auch mal im Personalbereich eine zeitlang, habe da auch mal gearbeitet, also wirklich

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ganz andere Perspektiven, das tut unheimlich gut.“ Dem entspricht die Aussage: „Ein Gespür für die Situation der anderen Seite kriegt man im Prinzip nur dann, wenn man es einmal gesehen hat. … Dann kann ich sagen, du weißt doch, wie es bei dir damals war in Asien.“ Außerdem bewirken Job Rotations, dass „der Blick partizipativer wird“ und dass „ein Querverständnis geschaffen wird“. Schließlich wurden Job Rotations als Vehikel zur Herstellung einer Bekanntheitsmatrix begriffen: „Die informelle Matrix ist eine Matrix, die ohnehin entsteht aus der blanken Tatsache, dass man immer wieder den Bereich wechselt, immer wieder neue Leute kennen lernt, eine persönliche ‚Bekanntschaftsmatrix‘ hat, die dann irgendwann selbstverstärkend ist, weil wenn man nicht jemanden kennt, dann kennt man jemanden, der jemanden kennt. Und dieses stabilisiert die Matrix. Die Matrix per se, streng ausgelegt und streng ausgelebt, würde wahrscheinlich nicht so gut funktionieren. Die informelle Matrix ist ein essentieller Stabilisierungsfaktor, damit die formelle Matrix tatsächlich funktioniert.“

Angesichts dieser schlagenden Argumente bleibt zu fragen, warum Job Rotations nicht in noch stärkerem Maße von matrixstrukturierten Unternehmen genutzt werden. Ein recht breites Spektrum möglicher Gründe scheint hierfür verantwortlich zu sein. Einerseits wurde auf die hohen Kosten dieses Instruments hingewiesen („the soft facts are very expensive in our company.“). Auch ist es bei sehr stark fachgeprägten Funktionen fraglos schwierig, Job Rotations organisatorisch tatsächlich hinzubekommen. Dies dürfte dann besonders der Fall sein, wenn die Teileinheiten stark spezialisiert sind. Auch scheint es bei manchen Betroffenen an einer Bereitschaft zum Umzug zu mangeln: „Die Sache (mit der Job Rotation, Erg. durch JW) wird ja spannend oder interessanter, wenn es um die regionale Dimension geht. Die Zentralfunktionen und die Business Areas, diese leitenden Personen sind ja alle hier irgendwo oder mehr oder weniger im Ruhrgebiet, die Regionaleinheiten hingegen weit weg von hier …“ Auch erscheinen manchem Betroffenen Positionen in den Regionaleinheiten weniger attraktiv zu sein als solche in den Geschäfts- oder den zentralen Funktionsbereichen Und schließlich will die bisherige Unternehmensteileinheit mitunter den Weiterzugwilligen nicht hergeben: „Und das Thema Personalrotation ist eines, was wir leider noch zu wenig nutzen, weil man ja dann auch immer Leistungsträger abgeben muss ‚Helden klauen, Flaschenpost‘.“

8.1.4 „Sich persönlich kennen“ Im weiteren Fortgang des Abschn. 8.1 werden wir uns mit einigen Einflussfaktoren des Erfolgs der Matrixnutzung beschäftigen, die im Gegensatz zu den zuvor behandelten nicht direkt, sondern allenfalls indirekt und längerfristig beeinflussbar sind. Diese Einflussfaktoren sollen aber trotzdem behandelt werden, weil sich bei ihnen im Rahmen des Forschungsprojekts eine Plausibilität der Wirkung auf den Erfolg der Matrixnutzung gezeigt hat.

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Mehrere Respondenten sahen ein „Sich-persönlich-kennen“ als sehr hilfreich für das Gelingen der Matrixstruktur an. So bemerkte ein Gesprächspartner: „An der Stelle hilft es, wenn man die Leute kennt. Wenn man mit den Leuten in der Vergangenheit gearbeitet hat, dann kommt man auf einen … (Rest des Satzes verschluckt; Erg. durch JW). Wenn es dann zufällig auch noch ganz vernünftige Leute sind, dann kann man die Themen ansprechen und sagen, passt auf, so in der Form macht es keinen Sinn.“

Übereinstimmend hierzu sagte ein Gesprächspartner: „In meiner ganz praktischen Arbeit – das ist jetzt eine ganz platte Antwort, die ich Ihnen jetzt gebe – meiner ganz praktischen Arbeit hilft es mir, dass ich fast alle meine Kollegen seit zwanzig Jahren kenne und ich den Hörer in die Hand nehmen und sagen kann: ‚Pass mal auf, wir sehen das so, Ihr seht das so … Da muss es doch einen Weg geben, wo wir uns da einigen.‘ Da kann man relativ viele Dinge aus dem Schlachtfeld rausziehen …“

Ein anderer Gesprächspartner bemerkte: „Ohne diese völlig informelle Matrix würde das Unternehmen nicht funktionieren. … Es gibt … eine informelle Matrix, die dafür sorgt, dass diese hochkomplexe Maschinerie tatsächlich geschmiert läuft. … Und wenn es nicht eine Art von Konsens gäbe, wie man miteinander umgeht; Leute die man schon lange kennt, dass man einfach funktioniert und zwar weit jenseits von der formellen Matrix.“.

Und schließlich ist nach einer weiteren Gesprächspartnerin ein „Sich-persönlich-­ kennen“ gerade am Anfang der Existenz der Matrixstruktur wichtig, wo die formalen Prozesse noch nicht stark genug ausgeprägt sind: „Ja, die kenne ich alle. Also, ich bin zusammen mit XY (Name gelöscht durch JW) in der Funktion am längsten dabei. Also, jetzt seit fünf Jahren. Die anderen Kollegen sind entweder alle neu dazugekommen oder haben im Konzern gewechselt. Das heißt alle Kollegen, die mit dazu gekommen sind, kenne ich persönlich. … Und klar, natürlich stimmt das, es klappt immer am besten, wenn man sich kennt. Und weil vielleicht sonst auch die Prozesse noch nicht stark genug sind, dass man die Abstimmung mit Personen sucht, die man nicht kennt.“

8.1.5 L  ange im Unternehmen tätig sein bzw. miteinander groß geworden In der BASF SE haben wir mit insgesamt neun Managern der zweiten bzw. dritten Hierarchieebene gesprochen. Im Rahmen dieser Gespräche ist respondentenseitig (also ohne das Setzen eines Erzählanreizes) kein einziger Einflussfaktor des Erfolgs der Matrix so häufig genannt worden wie der Umstand, dass fast alle Mitglieder des Top Managements des Unternehmens schon sehr lange im Unternehmen tätig und in diesem groß geworden sind.

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Im Nachfolgenden sollen einige Gesprächselemente wiedergegeben werden, um die Klarheit dieses Ergebnisses zu verdeutlichen. So meinte der Leiter eines Regional Headquarters: „Die BASF ist eine Firma, die sich vielleicht von anderen Firmen dergestalt unterscheidet, von der einen oder anderen, dass im Prinzip das ganze Managementteam so ein bisschen miteinander groß geworden ist. … Wir (d. h. die Manager der obersten drei ­Hierarchieebenen, Erg. durch JW) sind fast alle BASF-Eigengewächse, die größte Ausnahme ist da schon der Herr Bock, der für zwei Jahre mal ausgestiegen war, und da auch schon in Brasilien gearbeitet hat. Ja, alle anderen, die ich da so sehe, mit ein, zwei Ausnahmen, sind das alles Leute, die so wie ich dann vor 25 Jahren hier angefangen haben.“

Fast gleich Lautendes war von dem Chef eines zentralen Funktionsbereichs zu hören: „Sie (die Mitglieder des Top Managements, Erg. durch JW) … sind gemeinsam groß geworden und haben in dieser Struktur eine Kultur und einen Werdegang erlebt … mit immer noch der starken Ausprägung, dass man in der Regel lange bei der BASF bleibt, weil das Unternehmen alles anbietet, was man beruflich machen kann.“ Und auch der Leiter einer Business Area sah dies so: „In der Regel sind die (alle Manager der Ebenen zwei und drei, Erg. durch JW) alle sehr, sehr lange schon im Unternehmen.“ Nach Sicht der Leiterin eines zentralen Funktionsbereichs gab es in der BASF durchaus Fälle, wo im Matrixdreieck tätige Manager von außen ins Unternehmen kamen, aber nicht Fuß fassen konnten: „Man ist hier groß geworden. Es gibt aber auch Ausnahmen, aber viele von denen sind gescheitert. Die gehen dann nach drei bis vier Jahren, weil es einfach, die haben nicht richtig, quasi, sind nicht richtig angewachsen.“ Auch bot sie eine mögliche Logik für dieses Scheitern an: „Die Matrix beruht auch, ist auch ein Gesetz quasi, also auf persönlicher Netzwerktätigkeit, die natürlich über Jahre hinweg wächst. So etwas kriegen Sie nicht innerhalb von zwei Jahren so hin. Ich sage jetzt mal, Ebene drei (gemeint ist die Ebene der Matrixmanager, Erläuterung durch JW) schwierig, Ebene vier (gemeint ist die Ebene der Two-boss-Manager, Erläuterung durch JW) ist machbar, wenn es eine Spezialistentätigkeit ist und jemand versteht, wie grundsätzlich eine Organisation funktioniert.“

Drei weitere Aspekte sind im Rahmen der Gespräche in der BASF aufgekommen, die wir hier nicht verschweigen wollen. Erstens wird bezüglich der Länge der Beschäftigung der im Matrixdreieck tätigen Manager ein wesentlicher Unterschied zu US-­amerikanischen Unternehmen gesehen: „Aber wenn ich das mit amerikanischen Unternehmen vergleiche, wo Manager auf diesem Level oft zwei bis drei Jahre in der Firma sind, von außen eingestellt wurden, da ist dieses Vertrauenslevel nicht da.“ Zweitens scheint dieses Prinzip der Eigenentwicklung nur in Ausnahmefällen durchbrochen zu werden  – eigentlich nur an Stellen der absoluten Expertise (wie es zum Beispiel im Falle der Leitung der Rechtsabteilung des Unternehmens der Fall ist). Und drittens der Umstand, dass es günstig ist, wenn diese Prägung in Richtung Langzeitbeschäftigung von der obersten Hierarchiespitze des Unternehmens ausgeht: „Also wir haben keinen Herrn Dekkers von außen, wir haben einen CEO, der aus der BASF kommt. Und der große Teil der Top-Mannschaft … ist inner-

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halb der BASF entstanden und entwickelt. Also von daher glaube ich auch, dass das ein guter Indikator ist.“ Die Langfristigkeit der Tätigkeit der Manager im Matrixdreieck wurde nicht nur von Respondenten aus der BASF, sondern auch von solchen anderer Unternehmen als bedeutsam für das Gelingen der Matrixstruktur erachtet.

8.1.6 R  ückbesinnung auf gemeinsame übergeordnete Unternehmensinteressen An verschiedenen Stellen dieses Buches ist angeklungen, dass die Existenz von Konflikten zu einem konstitutiven und die Qualität von Entscheidungen fördernden Merkmal matrixstrukturierter Unternehmen gehört. Diese Konflikte müssen jedoch einer Lösung zugeführt werden, wobei die in Abschn. 4.3 dargelegten Konfliktlösungsmethoden zur Verfügung stehen. Mit der Rückbesinnung der im Matrixdreieck tätigen Manager auf gemeinsame übergeordnete Unternehmensinteressen ist ein wichtiger Bezugspunkt gegeben, welcher ein Sich-Hinziehen und ein Ausufern von Konflikten verhindern hilft. Falls also Meinungsverschiedenheiten bestehen, dann fragen die Konfliktparteien an, was gut für das Insgesamt des Unternehmens ist und dies wird dann zum vorrangigen Referenzpunkt der Entscheidung genommen. Wie bei dem zuvor diskutierten Erfolgsfaktor wurde auch dieser von vergleichsweise vielen Respondenten genannt. Einige Gesprächsausschnitte sollen dies verdeutlichen. Ein Gesprächspartner berichtete: „Und wir fragen uns natürlich schon, also ich sage mal schon, sehr professionell meines Erachtens, was ist das Beste für die BASF am Ende? Die Frage kommt schon häufig. … Eigentlich bräuchte ich das und der andere sagt, ich möchte das aber gerne so haben. … Und das ist dann eigentlich doch schon so, dass man dann sagt, das Beste für die BASF ist …“

Sein Kollege sagte: „Denn Sie dürfen nicht vergessen, Gruppeninteresse geht immer vor Individualinteresse. Das ist die goldene Regel, die im Prinzip dafür geeignet ist, jeden nur erdenklichen Streit mit nur einem Schlag zu lösen. Wer gegen Gruppeninteresse offenkundig verstößt, hat eine der absolut goldenen Regeln der BASF verletzt und bringt sich persönlich mit seiner Karriere in Gefahr. … Ich würde fast sagen, es ist eine common-sense-orientierte Vorgehensweise. Die Egos müssen irgendwann zurückgestellt werden und der ‚common sense must prevail‘, immer.“

Die gleiche Sichtweise wurde in der BHC vertreten. Ein in der tschechischen Auslandsgesellschaft dieses Unternehmens tätiger Manager meinte: „Aber es geht nicht um Tschechien, es geht nicht um Tschechien und die Slowakei, es geht um das Ganze. Es ist mir bewusst, dass wenn wir das so aufbauen, es für den Gesamtkonzern vorteilhaft ist und dementsprechend ist das dann eine Entscheidung, die habe ich sodann auch mitgetragen. … Mein Job ist value für die Firma zu generieren. Klar bin ich dafür in erster

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8  Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen

Linie verantwortlich, diesen value hier in Tschechien und die Slowakei zu generieren, aber wenn mir das so kommuniziert wird, dass das ein value für die Bayer Group ist, dann trage ich das natürlich.“

Insgesamt stimmt dieses Vorgehen vollumfänglich mit der Sichtweise eines ehemaligen Esso-Managers überein, in dessen Hause der gleiche Konfliktlösungsstil gepflegt wurde: „We would figure it what we called Jersey general interest (because Standard Oil of New Jersey was the old company). Jersey general interest was the absolute cost to the company, not to the subunit. … All the decisions would be based on that logic. So you might be making a decision actually gonna penalize the profitability of your local refinery in order to maximize the profit of the parent company. You always made the decisions that way.“

Natürlich ist es wahrscheinlich, dass auch bei einem Rückgriff auf diese Konfliktlösungsmethode Klärungsbedarf besteht, (1) was denn im konkreten Streitfall das generelle übergeordnete Interesse ist und (2) in welchem Maße die rivalisierenden Handlungsalternativen diesem übergeordneten Interesse dienen werden, doch dürfte allein schon die systematische Suche nach eben diesem generellen übergeordneten Interesse zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen.

8.1.7 Unternehmenskultur Ein Teil unserer Gesprächspartner hat im Rahmen der Interviews die Ansicht vertreten, dass eine stark ausgeprägte Unternehmenskultur, welche eine gewisse Überlappung zum vorigen Erfolgsfaktor aufweist, wichtig für das Gelingen der Matrixstruktur ist. Diese Auffassung wurde längst nicht von allen, sondern eben nur von einem Teil unserer Gesprächspartner so gesehen. Dieses Gesamtergebnis korrespondiert mit dem von Egelhoff und Wolf (2017, S. 131 ff.) entwickelten, in Kap. 4 angesprochenen Modell zweier Arten von Matrixstrukturen, wonach mit der balancierten (eine starke Unternehmenskultur verlangende) und einer regelbasierten (bei der der Faktor „Unternehmenskultur“ weniger wichtig ist) zwei Spielarten der Matrixstruktur existent sind. Im Folgenden sollen trotzdem einige Respondenten zu Wort kommen, welche dem Faktor „Unternehmenskultur“ eine große Bedeutung zugebilligt haben. Wir präsentieren hier einige Äußerungen im Originalwortlaut: „Role of the corporate culture? It is very important.“ Aus der ThyssenKrupp AG hörten wir: „Kultur ist das zentrale Element. Gar keine Frage. Sie können da hinmalen, was Sie wollen. Wenn Sie keine Kultur haben, die irgendwo auch deutlich macht, dass da hinreichend Disziplin und auch Inspiration dahintersteckt, dann funktioniert das nicht.“ sowie „Gestern haben wir schon mal über den Begriff der Haltung gesprochen, der das ergänzen muss.“

8.1  Personenorientierte Erfolgsfaktoren

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Und ein Spartenleiter der BASF argumentierte: „Und es gibt auch eine Art von Chorgeist, eine Art von nicht formell kommuniziertem Werteportfolio, das alle Mitarbeiter, vor allem jene in Führungspositionen, respektieren müssen. Wer das nicht tut, ist unternehmensweit als solcher erkannt. Er wird nicht gefeuert, aber er hat seinen Ruf weg und der Umgang mit solchen Leuten ist ungleich viel schwieriger.“

Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass es eben nur eine Minderheit (etwa fünf von 46) der Respondenten war, welche die Unternehmenskultur explizit als Erfolgsfaktor der Anwendung der Matrixstruktur herausgestellt hat. Was sind nun aber typische Werthaltungen, welche diese Respondenten als essenziell für das Gelingen der Matrixstruktur erachtet haben? Im Folgenden listen wir einige der genannten Werteaspekte auf und verdichten diese zu normativen Statements: 1. Kehre nichts unter den Teppich! „Und da haben wir auch insgesamt glaube ich eine ganz offene Kultur. Also es wird schon angesprochen, es wird nichts unter den Teppich gekehrt.“ 2. Höre Dir erstmal die Vielfalt der Argumente und insbesondere diejenigen der Gegenseite an! „Es gibt immer zwei, mindestens zwei Seiten, höre erstmal beide an und beurteile dann. Oder sammle erstmal alle Fakten und Information zusammen, bevor du eine Bauchentscheidung triffst.“ 3. Denke in Alternativen! „Denke immer in Optionen und denke nie monokausal. …“ 4. Lasse Konflikte nicht persönlich werden! „Wir brauchen eine Kultur, bei der Kontroversen und Konfliktthemen ausgetragen werden können ohne menschlichen Schaden.“ 5. Bleibe auch im Konfliktfall emotionslos! „Man braucht eine Kultur, bei der man den Konflikt nicht scheut und bei unterschiedlichen Meinungen nicht sofort in die Emotionalität abdriftet.“ 6. Kommuniziere viel und dabei offen und ehrlich! „Kommunikation ist wichtig, ja.“ und „Die Matrixorganisation lebt von einer offenen Kommunikation und Ehrlichkeit; Leute, die in ihrer Fabrik alles verbergen, kann man nicht gebrauchen …“ 7. Lüge nie! „Sagt man sich immer gleich die ganze Wahrheit – weiß ich nicht, aber lügen ist nicht. Und einem etwas vormachen auch nicht. Das ist so ein Ehrenkodex.“ 8. Zeige den Kollegen gegenüber ein Grundvertrauen! „Die Matrix funktioniert nur, wenn Sie Vertrauen haben. Die Matrix lebt davon, dass Sie es schaffen, Vertrauen aufzubauen.“ Die Respondenten waren sich durchaus darüber im Klaren darüber, dass der Aufbau einer starken Kultur in einem matrixstrukturierten Unternehmen kein einfaches Unterfangen ist. Dies sei bereits erwähnt, bevor wir einige Maßnahmen diskutieren werden, welche in den beforschten Unternehmen zum Aufbau einer hinreichend starken Unternehmenskultur eingesetzt wurden. So bemerkte ein Manager aus der Energiewirtschaft: „The real challenge behind the matrix is not setting up the structure and drawing nice pictures and also drawing processes. This is fairly easy. But changing the mindset of the people – that is … we can only do that if the management lives that.“ Als Unternehmenscharakteristika,

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8  Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen

welche die Schaffung einer starken Unternehmenskultur erschweren, wurden die erhebliche Größe des jeweiligen Unternehmens („… it is difficult to apply this cultural approach in such a huge organization …“), die vorhandene Stärke von Spartenkulturen („We are still in the transition from a more divisional culture to a BHC culture …“) sowie der Umstand genannt, dass in dem jeweiligen Unternehmen Teileinheiten existieren, die zugekauft wurden („cultural issues always become virulent if you buy or sell a business …“ sowie „Und die Sonae-Unternehmenskultur gibt es nicht. Dadurch, dass es sehr häufig zugekaufte Unternehmen sind. Also Wachstum durch Zukauf. Und dann auf Armes Länge gehalten, die Länder immer noch sehr unabhängig gehalten. Und deswegen gibt es weder eine sehr starke Sonae-Kultur noch eine sozusagen verborgene Matrix, die dann hilft, die Sachen zu ölen.“) Die beforschten Unternehmen setzen ein ganzes Bündel von Maßnahmen ein, um ihre Kultur hinreichend stark und passend zu entwickeln. Dabei sei zunächst auf einen Aspekt hingewiesen, der vorhin bereits erwähnt wurde: Gelingen wird die kulturelle Transformation nur dann, wenn die oberste Leitung des Unternehmens (also der Vorstand bzw. die Geschäftsleitung) dies vorlebt. Wenn die Mitglieder der obersten Führungsspitze Verhaltensweisen zeigen, die zu den oben aufgelisteten normativen Statements nicht passen, dann wird die Kulturtransformation zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sein. Wir verweisen hier auf ein Statement eines Gesprächspartners: „… die Art und Weise, wie der Vorstand das auch vorlebt, ist sehr wichtig. Und wenn der Vorstand einen konstruktiven Dialog fördert, und sagt: ‚Ihr müsst schon sagen, wenn Ihr Themen habt.‘ Und wenn man das Gefühl hat, man kann so etwas auch aufbringen, das führt dann dazu, dass sich wirklich auch was ändert. Dann macht man das und dann ist auch das gemeinsame Commitment auch viel mehr da.“

Ein Vorleben anzustrebender Werthaltungen seitens des Top Managements reicht jedoch nicht aus, um die Unternehmenskultur so auszurichten, dass sie die Anwendung der Matrixstruktur unterstützt. Erforderlich ist vielmehr ein expliziter Einsatz verschiedener Maßnahmen. Etliche der von den Praktikern genannten Maßnahmen erscheinen vorteilhaft. Eine wichtige Rolle dürfte dem regelmäßigen Zusammentreffen des obersten Führungskreises des Unternehmens (der auf den obersten drei Hierarchieebenen beschäftigten Manager) zukommen, weil dadurch eine Bestimmung von und Durchdringung des Unternehmens mit angemessenen Werten möglich wird. Ein Gesprächspartner sagte: „Wir haben zum Beispiel heute Nachmittag und morgen Top Leadership Team. Da kommen alle die 40, die Sie da sehen (der Gesprächspartner zeigt auf das vor ihm liegende Organigramm mit den Namen der Leiter der Geschäftsbereiche, der zentralen Funktionsbereiche sowie der Regionalzentralen, Erg. durch JW). Die kommen immer mal wieder regelmäßig zusammen. Das heißt, wir bauen jetzt ein Team oben, mit Werten, mit einer Vorstellung, mit einer Rolle. Und da haben die natürlich einen ganz entscheidenden Einfluss …“

8.1  Personenorientierte Erfolgsfaktoren

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Dieser Methodengruppe ist auch das „Annual Worldwide Meeting“ der Hellmann SE & Co. KG zuzurechnen, das wir bereits in Abschn. 7.1 angesprochen haben. Gerade in der Frühphase der Nutzung der Matrixstruktur scheint die Durchführung von Workshops zweckmäßig zu sein. Sie bieten sich an, um geeignet erscheinende Werthaltungen zu bestimmen und deren Diffusion im Hierarchiesystem des Unternehmens zu bewirken. Eingesetzt wurde diese Methode unter anderem durch die ThyssenKrupp AG in der Phase der Etablierung der Matrixstruktur. Ein Gesprächspartner bemerkte: „Ich würde mal sagen, es gibt einen Fahrplan des Zueinander-Findens. Schritt Nummer eins war, sich grundsätzlich einmal kennen zu lernen und auch ein bisschen außerhalb der Arbeitsagenda. Von da haben wir über Workshops die für uns zentralen Fragestellungen, also auch auf unserer Ebene, die zentralen Fragestellungen besprochen. Nach dem Motto: Was ist eigentlich das, wo wir glauben, wo wir Dinge noch anders machen müssen, wo wir korrigieren müssen oder wo wir Dinge beschleunigt machen müssen? Und die Workshops haben wir dann in Teams bearbeitet. Das hat stattgefunden Anfang des Jahres in Krickenbeck. Jetzt sammeln wir sukzessive die Arbeitsergebnisse und die Resultate ein aus den Workshops. Und das sind Themenstellungen, das ist so eine Mischung. Die meisten haben wir uns sozusagen selber gegeben. Das eine oder andere kommt dann aber auch durch Dinge reingelaufen wie Mitarbeiterbefragungen. Weil Sie dann ja nochmal eine andere Perspektive kriegen, die Sie auch abholen müssen. Wie reagieren wir denn jetzt darauf? Das sind Themen, die wir adressieren müssen. Die Resultate besprechen wir dann wieder im Gesamtgremium, aber die Bearbeitung findet dann schon in Arbeitsgruppen statt.“

In manchen Unternehmen werden diese Workshops als zentrale Medien einer Kulturinitiative begriffen. „Dort fragen wir uns: ‚Welche Leute wollen wir überhaupt?‘. Wir wollen … nicht die großen Harmonizer haben; wir wollen aber auch nicht ‚Cowboys‘ haben. Wir brauchen dazwischen eine gewisse Balance.“ Eine gleichartige Wirkungsstruktur dürften Projektteams haben, an denen Vertreter unterschiedlicher Hierarchiedimensionen teilnehmen. Aber auch in Unternehmen, in denen die Matrixstruktur schon längst implementiert ist, erscheint der Einsatz spezieller Foren zur Werteauffrischung zweckmäßig. Ein Vertreter der BASF SE berichtete von der Durchführung sogenannter „leadership journeys“. Er bezeichnete diese als „… eine von außen gesteuerte Maßnahme, die relativ neu ist. Wir setzen sie ein, weil wir … neu in der Zusammensetzung dieses obersten Zirkels sind, auf den ist das ausgerichtet. Wir haben gesagt, da wäre es jetzt gut, wenn wir so eine Entwicklungsmaßnahme machen, die sich genau mit diesen Fragen des notwendigen Vertrauens der Offenheit miteinander beschäftigen …“

Überdies kann es sich anbieten, im Kulturentwicklungsprozess mit internen oder externen Coaches und Trainern zusammenzuarbeiten. So hat die ThyssenKrupp AG in der Frühphase der Nutzung der Matrixstruktur externe Experten eingeladen, die über spezielle, für die Nutzung der Matrixstruktur relevante Tugenden berichtet haben. So hat beispielsweise Oliver Bierhoff einen Vortrag in diesem Unternehmen gehalten, wie im Laufe

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8  Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen

der vergangenen zehn Jahre „Die Mannschaft“ (die neu ausgerichtete Fußball-Nationalmanschaft, Erg. durch JW) entstanden ist. Referiert hat in diesem Unternehmen aber auch der Psychologe der Fußball-Nationalmannschaft, Prof. Herrmann aus Stuttgart. Weiterhin kann es als interessant gelten, sogenannte „Change Boards“ zu bestellen. Die sind Teams aus Schlüsselführungskräften, denen die Erklärung des im Unternehmen erforderlichen Wertewandels obliegt. Ein Gesprächspartner verdeutlichte: „Diese Change Boards sollen mehrere Ebenen bespielen. Einmal Erläuterung, warum machen wir es, wie ist es gedacht? Aber das zweite ist dann wieder, wie wollen wir eigentlich Kultur ausgeprägt sehen, wie wollen wir zusammenspielen? … Und wie sind wir denn in der Durchdringung unterwegs?“

Schließlich ist es erforderlich, den kulturentwickelnden Prozess durch permanente Feedbackschleifen abzusichern. So sollten die Leiter der Matrixeinheiten ihre Führungskräfte immer wieder zusammenholen, um mit diesen den Stand der Kulturentwicklung zu diskutieren.

8.1.8 Eiserne Disziplin im Management Schließlich haben einige Gesprächspartner auf die besondere Wichtigkeit eines hohen Maßes an Disziplin im Management hingewiesen. Auch wenn schwierige Konflikte entstehen und Entscheidungen nicht in Sicht sind, dürfen die im Matrixdreieck tätigen Manager nicht den Kopf verlieren. Ein Manager der Deutschen Telekom AG bemerkte: „It is important that you have a very big discipline in management. You have to make sure that these conflicts, if they are not resolved in the matrix, are put on the table … You really have to make up your mind being a top manager. And then you have to come to a conclusion there …“.

Nach dessen Sicht ist die Einhaltung einer solchen Disziplin dann besonders herausfordernd, wenn die betroffenen Manager vor der Einrichtung der Matrixstruktur über ein hohes Maß an Entscheidungsgewalt verfügten. Diese Manager müssen dann erkennen, „… that we do not have single board responsibilities any more, and no single functional responsibilities any more. You know, all have big egos, these top managers. And they do hate discussing things, evaluating things, compromising things. Because they are telling their teams usually: ‚Here we go, and we are going to be the winners!‘ This is their attitude, and this doesn’t suit the matrix organization at all. So, I mean you have to have rigorous discipline in management.“

Fraglos kommt dem obersten Management – wie im Falle der Entwicklung einer starken Unternehmenskultur – eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und Beibehaltung von Disziplin zu.

8.2  Technokratische Erfolgsfaktoren

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„Und es ist auch da entscheidend, wenn die Leute merken, dass der Vorstand auch in die Details geht, und jeden Monat seine Agenda hat, dann geht das die Kette durch die ganzen Hierarchieebenen durch bis aufs letzte Glied. … Und wenn Sie dann eine Disziplin haben, dann führt das dazu, dass in der gesamten Organisation eine Disziplin reinkommt.“

Diese Auffassungen korrespondieren mit der Sicht, dass Stilfragen ein besonders wichtiges Erfolgsrezept für das Gelingen einer Matrixstruktur darstellen. Wichtig ist „die Art und Weise, wie man das macht. Man kann konfliktär sein wie man will, aber wenn man eine gute Art und Weise hat, damit umzugehen, dem anderen das Gesicht lässt … und ihn dann nicht als absoluten Verlierer darstellt, … sondern … dem anderen den Raum und das Face lässt, dass er daran nicht nur beteiligt war, sondern auch co-created hat, seine Aspekte hat einbringen können, dann sind wir nachher tatsächlich mehr beim Stil.“

8.2

Technokratische Erfolgsfaktoren

Die Nutzung personenorientierter Erfolgsfaktoren garantiert noch keinen hinreichenden Erfolg der Matrixstruktur. Ergänzend hierzu müssen technokratische Faktoren zur Anwendung gelangen.

8.2.1 Befolgung von Regeln Im vierten Kapitel dieses Buches wurde darauf hingewiesen, dass in einem großen Teil der von uns beforschten Unternehmen Regeln eingesetzt werden, um die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen den im Matrixdreieck tätigen Managern (den Matrixmanagern und dem Two-boss-Manager) zu verringern. Weiterhin wurde dort dargelegt, dass heutzutage in matrixstrukturierten Unternehmen die traditionelle, balancierte, relativ oft zu Konflikten führende Form der Entscheidungsfindung, bei der die Matrixhierarchien bei sämtlichen Entscheidungsangelegenheiten ein gleichrangiges Mitbestimmungsrecht haben, nicht mehr die durchgängig genutzte Form der Entscheidungsfindung ist. Statt dessen wird die regelbasierte Matrix als Alternative verwendet (siehe Kap. 4 sowie insbesondere Egelhoff und Wolf 2017, S. 131 ff.). Und schließlich wurde im vierten Kapitel dargelegt, wann sich die balancierte und wann sich die regelbasierte Matrix empfiehlt. Den Befunden zufolge besitzt die Nutzung von Regeln in matrixstrukturierten Unternehmen heute eine größere Bedeutung als früher. Ist dem aber wirklich so? Und falls ja, welche Art von Regeln ist es, die im Matrixzusammenhang vorrangig genutzt wird? Um diese und weitere damit verbundene Fragen zu klären, haben wir den Aspekt der Nutzung von Regeln in den Interviews ausführlich behandelt. Als wir mit den Gesprächspartnern über die Nutzung von Regeln im Matrixzusammenhang diskutiert haben, ist offensichtlich geworden, dass im Bereich des Matrixdreiecks zwei Arten von Regeln zur Anwendung kommen:

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8  Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen

1. Auf der einen Seite Regeln, die in sogenannten RACI-Charts kodifiziert sind. Diese beinhalten Festlegungen und die hieraus entspringenden Darstellungen und Abzeichnungssysteme, welche bezogen auf einzelne Entscheidungsangelegenheiten den Beteiligungsgrad und die Verantwortlichkeit unterschiedlicher Unternehmenseinheiten bestimmen. RACI ist ein Akronym, welches die Begriffe „responsible“, „accountable“, „consulted“ und „informed“ umschreibt. Die als „responsible“ deklarierte Einheit ist für die Initiierung bzw. Durchführung der aus der Entscheidung entspringenden Handlung verantwortlich. Wer als „accountable“ bezeichnet wird, muss die jeweilige Entscheidung durch eine Unterschrift genehmigen. „Consulted“ werden müssen Einheiten, die über Informationen verfügen, die für die jeweilige Entscheidungsangelegenheit relevant sind. Und schließlich werden mit „informed“ jene Einheiten bezeichnet, die Informationen über den Verlauf bzw. das Ergebnis der jeweiligen Handlung zu erhalten haben. Bezogen auf die resultierende Arbeitsteilung ist dann für die jeweilige Entscheidungsangelegenheit durch eine Gegenzeichnung der jeweiligen Einheit zu dokumentieren, dass diese in der im RACI-Chart vorgesehenen Form am Entscheidungsprozess mitgewirkt hat. 2. Auf der anderen Seite werden Regeln genutzt, die bezogen auf einzelne Entscheidungsangelegenheiten bestimmen, welche Matrixhierarchie (welcher Matrixmanager) im Falle eines Konfliktes zwischen den Matrixhierarchien (Matrixmanagern) das letzte Wort hat. Damit sind Regeln angesprochen, wie sie für die regelbasierte Matrix typisch sind. Die Bedeutung von RACI-Charts im Matrixzusammenhang haben wir mit elf Respondenten thematisiert. Überraschenderweise berichtete eine stattliche Zahl von neun die­ ser Gesprächspartner davon, dass in ihrem Unternehmen bzw. in ihrer Unterneh­ mensteileinheit solche RACI-Charts genutzt werden bzw. genutzt wurden. Angesichts des Umstands, dass wir die Anwendung der Matrixstruktur im Top Management untersuchen, haben wir dies nicht erwartet. Einige wörtlich übernommene Aussagen verdeutlichen die Nutzung von RACI-Charts: „Grundsätzlich arbeiten wir auch mit dieser Methode im Rahmen mit diesem Struktur-­ Exzellenz-­Projekt, das wir hier in der Region fahren. Dabei werden auch die Rollen und die Zuständigkeiten untersucht …“ „Da muss ich durch, also wenn ich eine Investition machen will, muss ich die Fachstellen involviert haben. Da gibt es so einen Laufzettel, also einfach beschrieben so einen Laufzettel, aber jeder macht dann eine Expertise.“ „Also wir haben eine riesige Flowchart-Sammlung, wo im Prinzip ein Großteil, alle wäre im Prinzip jetzt etwas übertrieben, aber so ziemlich alle Prozesse relativ klar beschrieben wurden. Da sind natürlich auch Verantwortungen drin klar geregelt.“ „Natürlich haben wir auch am Anfang der Prozesse feste RACI-Matrizen gemacht, wo wir gesagt haben, wer muss wann wo einbezogen werden, wer muss was verantworten.“ Und „… da haben wir bei Industrial Solutions mal so eine RACI-Map erstellt. Sehr detailliert, wer wofür zuständig ist. Also hier ist der Prozess beschrieben …“

8.2  Technokratische Erfolgsfaktoren

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Die Nutzung von RACI-Charts scheint durch mehrere Gründe motiviert zu sein: Einerseits wurde darauf hingewiesen, dass die einzuschaltenden Einheiten über Spe­ zial-­Know-­how verfügen „… und da wissen die das viel besser als wir.“ Eine weitere Begründung wurde von einem anderen Gesprächspartner geliefert: „Also für mich sind die hilfreich, um mal so ein bisschen was zu durchleuchten, zu verstehen …“ Und schließlich wurde ihre Nutzung mit den verschärften Compliance-Vorschriften erklärt: „… so und dann haben wir das eben durchdekliniert gemeinsam auch unter der Federführung des Bereichsvorstandes, der für Compliance zuständig ist, und haben das so festgelegt.“ Ein anderer Gesprächspartner sagte: „Streng genommen wissen wir alle vom HGB, … dass jeder, der für das Unternehmen arbeitet, das Unternehmen verkaufen kann, mit einem Federstrich, ja. Aber wir haben unsere Limits und fertig ist die Laube. Dieses System ist dann dokumentiert, das ist im Qualitätsmanagement, das muss hinterlegt sein, das muss auditierbar sein.“

Und in einem Unternehmen seien RACI-Charts einfach deshalb entstanden, weil eine interne Beratertruppe gewirkt hat. „Die hat im Prinzip, die hat dieses Projekt hier mit den Kollegen aus der Region durchgegangen.“ Von einer Nicht-Nutzung von RACI-Charts sprachen lediglich drei Gesprächspartner. Einer sagte: „Das fing … fürchterlich viel mit RACI-Charts an. Und ich habe dann gesagt, lass mal stecken …“ Ein anderer meinte: „Also ich persönlich habe auch hier und da mit diesen RACI-Matrizen gearbeitet. … Aber im Endeffekt, in meiner Erfahrung, immer dann, wenn wir das gemacht haben, sind sie irgendwann in der Schublade verschwunden …“ Eine Gesprächspartnerin stimmte dem zu: „Also das ist schöne ‚Schrank-Ware‘ inzwischen.“ RACI-Charts wurden als entbehrlich erachtet, weil sie zu unspezifisch sind: „… da stehen die allergrößten Sachen drin, da steht drin, dass halt unser chinesischer Werksleiter nicht ein M&A-Projekt alleine starten darf.“ Und im Übrigen würden sie auch keine Beachtung erlangen: „Fakt ist, da schaut keiner drauf.“ Obwohl RACI-Charts im Bereich des Matrixdreiecks eine häufige Anwendung erfahren, sind wir der Auffassung, dass diese nicht originär für das Gelingen der Matrixstruktur erforderlich sind. Sie dienen nämlich vorrangig nicht der Abstimmung zwischen den Matrixmanagern und dem Two-boss-Manager, sondern der Abstimmung zwischen diesen und anderen Organisationseinheiten im Unternehmen. Auch sind sie in ihrer Anwendungsstruktur zu kleinteilig angelegt, als dass sie bei strategischen Entscheidungen den Grad der Abstimmung entscheidend verbessern helfen. Einen wesentlich klareren inhaltlichen Bezug zur Matrixstruktur weist die zweite Art von Regeln auf, die themenbezogen festlegen, welche Matrixhierarchie (welcher ­Matrixmanager) im Konfliktfall das letzte Wort hat. Wie bei den RACI-Charts haben wir zunächst ausgezählt, welcher Anteil der befragten Manager von der Nutzung solcher Regeln berichtete. Thematisiert haben wir diese Regelart in 26 Gesprächen. Gemäß den An-

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8  Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen

gaben von 17 Gesprächspartnern werden in ihrem Einzugsbereich ihres Unternehmens solche Regeln zur Abstimmung der Manager im Matrixdreieck genutzt. Auch hier wollen wir einige Gesprächspartner zu Wort kommen lassen. Einer sagte: „We have some ground rules defining who has the ‚final say‘.“ Inhaltlich stimmt dies weitgehend mit der nachfolgenden, aus der Automobilindustrie stammenden Aussage überein: „Wir haben das bis hin, dass wir – sag ich mal – in Zeitlettern oder AKVs (dies sind Beschreibungen über die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten einer Organisationseinheit, Erg. durch JW) etc. reingeschrieben haben, wer das Letztentscheidungsrecht hat.“ Derartige Regeln bezogen sich beispielsweise auf die Interaktion zwischen den Geschäftsbereichen und Regionalzentralen: „I think what you need is a framework. So for example someone like XY (= Leiter einer Business Area, Erg. durch JW) has the overriding vote for the strategic business units. What is strategically important for his Business Area that is his call. I (= Leiter einer Regionalzentrale, Erg. durch JW) have zero vote.“ Auch bestätigte sich unsere Erwartung, dass diese Letztentscheidungsregeln auf einzelne Themen bezogen sind, also von Entscheidungsinhalt zu Entscheidungsinhalt variieren: „Es gibt schon genügend Leitfäden, aber die sind auf das einzelne Gebiet bezogen.“ bzw.: „In dem Bereich entscheidet das Headquarters und Du musst halt mitgehen, in anderen Bereichen entscheidet Ihr lokal und das Headquarters kann challengen, aber irgendwo ist die Entscheidung dann eher lokal.“ Überdies werden Letztentscheidungsregeln nicht im Hinblick auf sämtliche, sondern nur auf ausgewählte Entscheidungsinhalte formuliert: „Das haben wir nicht durchgängig, aber in einzelnen Fällen haben wir das getroffen.“ Von Regeln geleitet scheinen wichtige und dringende Themen („Für bestimmte …, für die brennendsten Themen haben wir das, ja.“), Themen, bei denen die Legal-Struktur und die Management-­Struktur nicht identisch sind („Letztendlich haben Sie so etwas schon, wenn es zwischen dem Abwägen von Legalstruktur und Segmentstruktur geht, da ist ein klassischer Fall, wo wir Vorfahrtsregeln vereinbart haben, weil wir sagen, XY (Name des Unternehmens gelöscht durch JW) kommt aus einer Historie von Legal-Einheiten, die legal gesteuert wurden, da gab es keine Segmentstruktur, sondern jede Einheit wurde quasi wieder als neue Geschäftsführung an einer Ergebnisverantwortung gemessen.“ bzw. „Es wurde … eine Toolbox entwickelt, die für solche möglichen Streitigkeiten, die sowohl aus der Matrix aber auch aus einfach dem Auseinanderfallen von Legal- und Managementstruktur entstehen können.“) Inhaltlich erscheinen diese Aussagen gut nachvollziehbar, weil durch die beschriebene Handhabung vermieden wird, dass im jeweiligen Unternehmen eine überbordende, nicht mehr beherrschbare Masse an Regeln geschaffen wird. Uneinheitlich waren die Antworten auf die Frage, ob diese Letztentscheidungsregeln niedergeschrieben sind oder lediglich in der Form einer eingeübten, internalisierten Praxis bestehen. Das Spektrum der Antworten reichte hier von „Das ist dann mehr so, nicht so explizite Regeln, die man in Handbüchern hat, sondern letztendlich, das ist so gut eingeübte Praxis.“ einerseits bis hin zu: Frage JW: „Gibt es viele geschriebene oder nicht geschriebene Regeln oder Vereinbarungen?“ Antwort: „Die sind schon alle geschrieben.“

8.2  Technokratische Erfolgsfaktoren

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Gemäß den Angaben von vier der 26 Gesprächspartner war ihr Unternehmen zum Befragungszeitpunkt gerade dabei, ein solches System von Regeln zu schaffen. Hier hörten wir: „Der zweite Punkt ist, dass wir im Moment das Rollenbild sehr schärfen, was ist seine, was ist nicht seine Aufgabe, um das sauber zu machen. Das heißt, dass wir versuchen, sehr, sehr viele gut beschriebene Leitplanken zu setzen, die die generelle Guidance vorgeben.“ bzw. „We are in the process of implementing that … But this is a project which will take several years to get it into the head of the people.“

Fünf Gesprächspartner gaben zu verstehen, dass in ihrem Einzugsbereich keine Letzt­ entscheidungsregeln bestehen bzw. sie diese nicht nutzen. „We do not have such guidelines. We try to keep it informal.“ bzw. „Nein, formal gibt es das nicht. Wir sehen uns ja jeden Monat einmal, wir sind glaube ich beide, in dem Konstrukt, eher beide informelle Menschen. Ich hasse jede Form von Formalität, die mich nicht weiterbringt.“ Gerade aus der letztgenannten Äußerung ist eine starke Regelskepsis herauszuhören, die ein Gesprächspartner noch deutlicher äußerte: „Wenn Sie das noch mit Regeln überziehen, das wird nix.“ Demgegenüber sah ein anderer Gesprächspartner in einem „Sich-Einig-­ Werden“ einen besonderen Mehrwert: „Bei allen anderen Sachen ist es im Prinzip so, dass wir sagen, die beiden Level, die müssen sich einig werden.“ Eine pragmatische Begründung hörten wir aus dem Unternehmen UPM-Kymmene: „So etwas haben wir ganz bestimmt nicht, weil das letzte Wort hat immer Jussi Pesonen.“, welcher CEO und Präsident des Unternehmens ist. Und schließlich äußerte sich ein Gesprächspartner hinsichtlich des Vorhandenseins von Letztentscheidungsregeln unklar bzw. inkonsistent. Daher kann aus der Ex-post-Perspektive nicht mehr ermittelt werden, ob sein Unternehmen über derartige Dominanzregeln verfügt oder nicht. Wie oben gezeigt müssen die matrixbezogenen Letztentscheidungsregeln nicht notwendigerweise schriftlich niedergelegt sein. In einigen Unternehmen werden sie nur informell gelebt. Generell haben wir in den Gesprächen den Eindruck gewonnen, dass eine ausgeprägte Regelinternalisierung bei den betroffenen Managern für das Gelingen einer regelbasierten Matrixstruktur essenziell ist. Aus einem Unternehmen, in dem die Matrixstruktur schon lange erfolgreich verwendet wird, hörten wir: „Aber so ein Gefühl zu entwickeln, was ist innerhalb der Regeln und was ist außerhalb der Regeln, ich glaube, das tut man innerhalb der XY (Name des Unternehmens entfernt durch JW) relativ schnell.“ Und weiter „Also es ist mehr so intrinsisch, wir sind schon so lange in der Matrix … ok … ich sag immer, das sind so Übungen, ich beschäftige mich mit mir selber; ‚Klimmzug am Brotschrank‘ nenne ich es auch.“

Ein hoher Internalisierungsgrad der Regeln ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil viele von ihnen von einer prozessbeschreibenden Natur sind, also auf die Arbeitsabläufe der im Matrixdreieck tätigen Manager bezogen sind.

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8  Erfolgsfaktoren, welche die Anwendung der Matrixstruktur gelingen lassen

Letzteres mag auch ein Grund dafür sein, warum verschiedene Unternehmen die betroffenen Manager des Matrixdreiecks in hohem Maße in den Prozess der Entwicklung und Ausgestaltung der Letztentscheidungsregeln einbinden. So hörten wir: „Wir legen die Ausgestaltung dieser differenzierten Linien in die Hände derer, die diese Funktion innehaben und sagen, einigt Euch im Vorhinein, wie Ihr miteinander zusammenarbeiten wollt. Auch wenn das sehr schwammig formuliert ist, hat es bisher eigentlich funktioniert.“ In anderen Unternehmen wurden die Regeln zwar unter Federführung der Unternehmenszentrale entwickelt; allerdings waren auch dort die betroffenen Manager beteiligt: „The guideline was made in the headquarters here. Definitely the headquarters – together with the bosses who were outside of the headquarters. So it was really a joint activity with a strong guidance from headquarters who initiated it.“

In den Gesprächen wurden verschiedene Gründe herausgearbeitet, welche für die Formulierung und Nutzung matrixstrukturbezogener Letztendscheidungsregeln sprechen. Letztlich erscheinen sie sinnvoll, 1 . um eine „Jeder-beschließt-hier-alles-Mentalität“ zu vermeiden, 2. weil man weiß, dass auf dieser Ebene eine Eskalation ein Hineintragen des ungeklärten Problems in den Vorstand/die Geschäftsleitung bedeutet, was man tunlichst unterlassen will, 3. weil man sich hierdurch einen Transparenzgewinn erhofft, 4. weil man sozusagen ein „Notfallköfferchen“ braucht, wenn es wirklich keine andere Lösung mehr gibt, 5. um die tendenzielle Langsamkeit der Matrixstruktur zu überwinden („Wie mitigiert man das Risiko des Zeitverlustes? Indem man klare Regeln aufstellt.“), 6. weil sich der für den „balanced mode“ typische Mittelweggedanke nicht selten als fauler Kompromiss erweist, 7. weil sich gerade in der Frühphase der Nutzung der Matrixstruktur hierdurch positive Lerneffekte erzielen lassen, 8. weil es als der einzige Weg gesehen wird, um eine riesige Organisation mit einer Matrixstruktur zu beherrschen und 9. um letztlich die Funktionalität des Unternehmens zu steigern. Gleichwohl wurden auch Argumente hervorgebracht, die gegen die Nutzung von Letztentscheidungsregeln sprechen. Bisweilen werden sie abgelehnt, 1 . weil Regeln nur bei solchen Entscheidungen helfen, die man inhaltlich schon kennt, 2. weil es ja auch um die Frage geht, wie viel Komplexität oder wie viel Aufwand man betreiben möchte, um die vorhandene Komplexität zu handhaben, 3. weil man in dem Unternehmen den mit dem balanced mode verbundenen konstruktiven Dialog bewusst haben will,

8.2  Technokratische Erfolgsfaktoren

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4. weil man damit nur einen Berater reich macht, aber inhaltlich kein Mensch so arbeiten kann, 5. weil es ja darum geht, die beste Lösung zu finden. „Das ist für mich der Hauptgrund warum ich überhaupt so lange im XY (Name des Geschäftsbereichs gelöscht durch JW) bin, weil ich schon frisch aus der Uni raus es super fand, dass ich dem CEO sagen kann: ‚Das, was Du erzählt hast, das ist meiner Meinung nach quatsch‘“, 6. weil man eine Matrix nicht nach einer Gebrauchsanweisung führen kann, sondern sie leben muss, 7. weil das jeweilige Unternehmen nicht groß genug ist, um einen Regelapparat sinnvollerweise zu entwickeln und 8. weil man auf dieser Managementebene „nicht im Kindergarten, sondern mindestens im Gymnasium ist“. In einer Gesamtschau kommen wir zu dem Ergebnis, dass „RACI-Chart-artige“ Regeln für das Gelingen der Matrixstruktur weniger essenziell sind. Eine ungleich größere Bedeutung kommt hingegen der Formulierung und strikten Befolgung von Letztentscheidungsregeln zu, die festlegen, welche der Matrixhierarchien im Konfliktfall das höchste Entscheidungsgewicht hat. In manchen Unternehmen wird ein Regelverstoß wenig überraschend strikt geahndet: „Und das ist einfach, das sind einfach ganz klare Konsequenzen, bis hin zur Entfernung aus der Funktion, wenn einer wirklich, wirklich unverantwortlich handelt. … Es gibt auch Leute, die schon wirklich ordentlich einen draufgekriegt haben. Die kriegen dann auch den Anruf vom Vorstandsvorsitzenden … dann greift der sofort zum Hörer. Und das ist sehr unangenehm.“ Im dritten Kapitel, in dem die Rolle der funktionalen, produktbezogenen und der regionenbezogenen Dimension in der Matrix diskutiert wurden, haben wir uns bereits mit Entscheidungstatbeständen beschäftigt, bei denen die funktionale, die produktbezogene der die regionenbezogene Dimension ein besonderes Gewicht aufweisen. Die dort getroffenen Aussagen können als Richtschnur für die Entwicklung von Letztentscheidungsregeln herangezogen werden.

8.2.2 Klare Strategieformulierung und -kommunikation Auch ist es für die erfolgreiche Nutzung der Matrixstruktur unabdingbar, dass die übergeordnete, das Gesamtunternehmen betreffende Strategie klar formuliert und deutlich gegenüber den im Matrixdreieck tätigen Managern kommuniziert ist. Ist dies der Fall, dann haben diese Manager beim Treffen ihrer Entscheidungen (und insbesondere jenen, bei denen die Interessen der Teilhierarchien ungleich sind) einen verbindlichen Bezugspunkt. Die Nutzung der Matrixstruktur wird auch deshalb durch eine klare Strategieformulierung und -kommunikation unterstützt, weil es dann möglich ist, die zur jeweiligen Strategie passenden Strukturdimensionen (funktionale Dimension, produktbezogene Dimension und/oder regionenbezogene Dimension) in den Organisationsaufbau des Unternehmens

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bewusst zu wählen und dies wiederum begünstigt eine hinreichend präzise Ausrichtung der Positionen der Matrixmanager im Entscheidungsprozess. Die große Bedeutung einer klaren Strategieformulierung und -kommunikation wurde auch seitens unserer Gesprächspartner betont. So sagte zum Beispiel ein Vertreter eines großen Logistikunternehmens: „An important success factor is to clearly communicate the firm’s clear strategy to the country/regional managers; this helps that their thinking is coherent with that of the global managers.“

8.2.3 Zielvereinbarungen In der Matrixstruktur haben Manager zusammenzuarbeiten, die von unterschiedlichen, teilweise konfliktären Zielsetzungen geleitet sind. Die Heterogenität betrifft dabei insbesondere die Ziele der Matrixmanager, die unterschiedliche Teilhierarchien verantworten. Angesichts dieser Gemengelage können Zielvereinbarungen als hilfreiche Instrumente zur Strukturierung der Zusammenarbeit gelten. Die positive Wirkung von Zielvereinbarungen ist in mehrerlei Weise begründet: Einerseits erfolgt im Prozess der Zielaushandlung eine intensive Diskussion zwischen den beteiligten Akteuren; andererseits können diese im Fall des Vorliegens allseits akzeptierter Ziele im fortlaufenden Geschäftsgang auf diese Bezug nehmen. Die Existenz von Zielvereinbarungen haben wir mit sechs Gesprächspartnern erörtert. Fünf von diesen nutzen dieses Instrument im Matrixkontext. Eine typische Antwort lautete: „Wir haben ein formales Zielvorgabe- und -nachverfolgungssystem. Da wird das auch drin dokumentiert. Und dann wird es auch entsprechend über die Ebenen heruntergebrochen.“ Ergänzend hierzu berichtete ein Two-boss-Manager: „Meine Zielvereinbarung ist natürlich etwas geteilt, wo wir sagen, ich unterzeichne, ich mache meine Zielvereinbarung mit beiden.“ Die Zielvereinbarungen betreffen schwerpunktmäßig die Ziele der Two-boss-Manager und daher sind diese unter dem doppelseitigen Einfluss der Matrixmanager festzulegen. Der Gesprächspartner, der dem Vernehmen nach auf dieses Instrument verzichtet (dies war ein Matrixmanager), gab an, dass die Ziele „seines“ im Gespräch betrachteten Two-boss-Managers mit einem übergeordneten Matrixmanager bestimmt werden. Bei Licht besehen bedeutet dies freilich, dass in diesem Falle ebenfalls Zielvereinbarungen erfolgen, nur eben nicht unter dem Einfluss beider Matrixmanager. Unsere Gesprächspartner haben mehrere gut nachvollziehbare Gründe hervorgebracht, warum Zielvereinbarungen in matrixstrukturierten Unternehmen bedeutsam sind. Genannt wurde zunächst die Motivationswirkung dieses Instruments: „Also Zielvereinbarungen sind ein erheblicher Motivator, um Entscheidungen in die eine oder die andere Richtung zu bewegen. Dafür sind Zielvereinbarungen da, sie sollen ja … das Verhalten der Mitarbeiter konditionieren, dass sie bestimmte Unternehmensziele oder vermeintliche Unternehmensziele erreichen können.“

8.2  Technokratische Erfolgsfaktoren

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Weiterhin wurden sie als Basis für die variable Vergütung der Manager bezeichnet: „Zielvereinbarungen und Beurteilungsgespräche, das sind Bonushebel.“ In eine ähnliche Richtung zeigt der Hinweis, dass Zielvereinbarungen als Grundlage für die Karriereentwicklung dienen: „Die Zielvereinbarungen sind auch die Basis für … möglicherweise … nächste Karriereschritte. Daher achten viele Leute ganz streng darauf, dass ihre Zielvereinbarung auch ja erfüllt oder besser übererfüllt wird.“ Und schließlich scheinen sie zu helfen, die Unklarheit von Erwartungen zu reduzieren: „Damit haben wir im Vorfeld – das ist natürlich ein bisschen Aufwand – schon einmal verhindert, dass da unterschiedliche Erwartungen definiert werden.“ Angesichts dieser Nutzenwirkungen verwundert es nicht, dass Zielvereinbarungen als untrennbar von der Matrixstruktur begriffen werden: „Das ist ja auch Matrix-Ausgeburt per se.“ Zielvereinbarungsgespräche finden unseren Forschungen zufolge typischerweise am Jahresanfang statt. „Und … wir setzen uns am Jahresanfang oder Jahresende zusammen und sagen: ‚Was sind denn die großen Themen, die wir im Planjahr zu erledigen haben aus Sicht des globalen Funktionalen und … aus der Sicht des Regionalen.‘ Und der XY (Name des Two-boss-­ Managers anonymisiert durch JW) hat ja auch schon eine Waschliste von Topics. Und dann sammeln wir beiden Matrixmanager (ich als zentraler Funktionsbereichsleiter und der Leiter der jeweiligen Region) die Punkte, die der Two-boss-Manager aus unserer jeweiligen Sicht alles zu tun hat. Das sammeln wir, bilden ein Target Agreement und das unterschreiben wir, Herr XY (Name des Regionalleiters entfernt durch JW) und ich. … Und das Gleiche passiert am Ende der Periode, in der Abstimmung der Bewertung der Zielerreichung und damit geht es ums Geld.“

Auch bindet der Zielvereinbarungsprozess typischerweise an den Budgetierungsprozess des Unternehmens an: „Das heißt es gibt also einen Budgetprozess, der sozusagen die finanziellen und operativen Rahmenbedingungen festlegt für das jeweilige Land (natürlich auch aggregiert für den Konzern). Aufgrund dieser Vorgaben gibt es dann einen Zielvereinbarungsprozess für jeden, der in dieser Matrix ist. Und wir machen das so, dass wir, zumindest hier in Deutschland, alle Ziele zusammenkehren für die einzelnen Funktionen, dass wir diese abgleichen und dass wir auf der Deutschland-Management-Team-Ebene sicherstellen, dass wir erst einmal innerhalb von Deutschland keine Konflikte haben.“

Die Häufigkeit der Zielvereinbarungen und -abgleiche scheint dabei von Unternehmen zu Unternehmen zu variieren. Zwar herrschen wohl überwiegend jährliche Verhandlungen vor, doch fanden sich auch Hinweise auf häufigere Festlegungen: „Wir machen es heute so (bei uns in der Region zumindest), dass wir die Zielvereinbarungsgespräche am Anfang des Jahres und die Zielvereinbarungsgespräche am Ende des Jahres und zwischendurch auch noch einmal zur Mitte des Jahres, dass wir das gemeinsam machen.“ bzw. „Wir Drei machen regelmäßig einmal im Monat einen gemeinsamen Jour Fix, wo wir

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darüber reden ‚Was sind die Prioritäten, hat sich irgendwas geändert?‘, so dass wir da immer sehr gut aligned sind.“

Und schließlich können die Ziele der beiden Matrixmanager durchaus asymmetrisch in der Zielvereinbarung des Two-boss-Managers repräsentiert sein: „Und wenn Sie da reingucken, sehen Sie, wahrscheinlich habe ich Recht, wahrscheinlich sind das 80 Prozent oder mehr sogar geschäftsbereichsspezifische Themen, die wir hier machen wollen und 10 bis 15 Prozent wirklich typisch regionale Themen, wo man von mir erwartet, dass ich die unterstütze.“

Diese Asymmetrie des Einflusses wurde von einigen Gesprächspartnern dann auch als ein Argument gegen Zielvereinbarungen hervorgebracht: „Das hier sehe ich kritisch, weil hier ist der Solid-Line-Vorgesetzte, der ist viel stärker als der Dotted-Line-Vorgesetzte …“ Weiterhin wurde als Ablehnungsgrund genannt, dass Unternehmen heutzutage nicht mehr in Jahren denken (wie es in Zielvereinbarungen typischerweise angelegt ist), sondern in Tagen. „Und die Situationen, die Rahmenbedingungen können sich so schnell ändern, dass dann das, was da dokumentiert wurde, auf dem Zettel so offensichtlich überholt wäre, dass es gar keinen Sinn mehr machen würde.“

8.2.4 Formalisierter Planungsprozess Alle Gesprächspartner, mit denen wir das Thema „formalisierter Planungsprozess“ erörtert haben, wiesen darauf hin, dass ihr Unternehmen dieses Steuerungsinstrument im Matrixzusammenhang nutzt. Einer sagte sogar: „Das (der Planungsprozess, Erg. durch JW) ist … fast das einzig wirklich formelle.“ In einem der beforschten Unternehmen wurde ein formalisierter Planungsprozess zu jenem Zeitpunkt eingerichtet, als es zur Matrixstruktur überging: „Wir hatten damals auch keinen Strategieprozess, das ist sicherlich etwas, wozu Herr XY (ein Vorstandsmitglied des Unternehmens, Erg. durch JW) gerne noch einmal zu spricht und was ich sehr wichtig finde im Zusammenhang mit dem Zusammenarbeiten in der Matrix.“ Im Rahmen der Interviews konnten mehrere Gründe aufgedeckt werden, warum ein formalisierter Planungsprozess die Anwendung der Matrixstruktur begünstigt. Ein formalisierter Planungsprozess hilft, die Ziele der im Matrixkontext tätigen Manager zu harmonisieren und dies verhindert wiederum die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation von Entscheidungsangelegenheiten. Gleich mehrere Gesprächspartner verwiesen auf diese Logik: „Ich glaube, wenn Sie klare Prozesse beschrieben haben, beide haben die gleichen Ziele, dann kommt es zu dieser Eskalation eher selten.“ Und weiter: „Sie bauen eigentlich den Konsens vorher und Sie bauen ihn auch im Rahmen ihrer Planung. Im Prinzip legen Sie ja mit der Planung eine Richtung fest.“

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Weiterhin scheint ein formalisierter Planungsprozess dann besonders wichtig zu sein, wenn ein zu einer Matrixstruktur übergehendes Unternehmen zuvor sehr dezentrale Entscheidungsstrukturen aufwies: „Jetzt dürfen Sie nicht vergessen, dass wir kulturell aus einer Kultur der Autonomie kommen, der Autonomie der Einzelgeschäfte, und die Kristallisationspunkte diese Einzelgeschäfte sind. In vielen Fällen waren es auch gar nicht die Business Areas, sondern sie lagen ein oder zwei Punkte darunter, eine Business Unit oder Operating Unit. Deren CEOs haben wie vollständig eigenständig handelnde Unternehmer operiert.“

In einer solchen Situation vermögen formalisierte Planungsprozesse für die notwendige Integration innerhalb des Gesamtunternehmens zu sorgen. Im Mittelpunkt der somit erforderlichen formalisierten Planungsprozesse sollten dabei die Strategieplanung, die Budgetplanung und nicht zuletzt die Investitionsplanung stehen. Erstere hat für die übergeordnete Ressourcenallokation im Gesamtunternehmen zu sorgen. Der Prozess der Strategieplanung wird typischerweise jährlich durchlaufen, wie dies auch bei der Budgetplanung der Fall ist. In dieser „the managers present and negotiate the budget. They have to come to a budget compromise. This is a formal process; all managers involved have to sign an agreement.“ In der Investitionsplanung werden insbesondere Prioritäten bezüglich anstehender Großprojekte festgelegt. Bei all diesen Planungsgegenständen (Strategien, Budgets, Investitionen) sollten dabei weniger operative, sondern vielmehr übergeordnete Aspekte im Mittelpunkt stehen: „Die formalisierte Planung im Matrixbereich bezieht sich weniger auf das Operative… also wenn es um Budgets geht, ist eigentlich das weniger der Fall, dann ist das eher eine Angelegenheit der jeweiligen Geschäftseinheit, von der Division. Aber geordnete Abstimmungsprozesse gibt es zum Beispiel wenn Sie, sage ich mal, Investitionen machen.“

Was den Ablauf eines solchen Planungsprozesses anbelangt, haben sich in den Gesprächen verschiedene „good practices“ abgezeichnet. 1. Zunächst sollten an dem formalisierten Planungsprozess zahlreiche Manager mitwirken. Die nachfolgende, auf ein Investitionsprojekt bezogene Stellungnahme eines Geschäftsbereichsmanagers verdeutlicht dies: „Also ich kann jetzt auflisten, wer in dieser Entscheidung mit angehört werden muss. Strategische Einheit, Kommunikationseinheit, die Steuerabteilung, die Personalabteilung wegen personalrechtlicher Konsequenzen des Übergangs, noch einmal die Personalabteilung, anderer Teil davon, für die Rentenfragen für die Mitarbeiter, die mit übertragen werden. Da sind wir schon bei fünf, und das sind nur die Zentraleinheiten. Dann haben wir eine zentrale Kommission, die mitentscheidet, die eine Empfehlung abgibt an den Vorstand, ist das eine gute Idee oder nicht. Die muss das genehmigen, dass das überhaupt stattfindet … Da sind wir schon bei sechs. Dann der Regionalleiter, der für das jeweilige Land zuständig ist. Jetzt sind wir bei sieben und ich, also acht.“

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2. Überdies haben Projekte im formalisierten Planungsprozess dann eine vergleichsweise hohe Gelingenswahrscheinlichkeit, wenn sie von den Leitern aller beteiligten Teilhierarchien gutgeheißen bzw. unterstützt werden. So schreiben in Unternehmen mit einer Produkt-Regionen-Matrix die Geschäftsbereiche und die Regionen Investitionsanträge typischerweise gemeinsam und sie kooperieren im gesamten Planungsprozess intensiv miteinander. Dieses Vorgehen erscheint eine vernünftige Mitte zu sein zwischen der Notwendigkeit zu einer hinreichenden globalen Integration und der aus dem Bereich der Two-boss-Manager geäußerten Forderung nach einem Bottom-up-Vorgehen im Planungsprozess: „Und mein Ansatz ist, den habe ich letzte, vorletzte Woche auch vehement vertreten, ist tatsächlich dieser Bottom-up-Ansatz. Nach dem Motto, wir müssen lokal an der Basis, wo unsere Kunden sitzen, dieses Geld verdienen. Und letztendlich das erwirtschaften, was wir kosten. Abholen, was da gebraucht wird. Dann müssen wir das ganze sozusagen nach oben spielen.“

3. Gleichwohl ist es gut, wenn im formalisierten Planungsprozess eine Teilhierarchie den Lead übernimmt. Von dem Leiter eines Geschäftsbereichs hörten wir: „Der Unternehmensbereich übernimmt in der Regel den Lead, aber wenn es dazu kommt, dass mein Projekt in den Vorstand geht und da steht keine Unterschrift der Region drüber, dann kriege ich zumindest mal eine Frage, was ist denn da los, ist die Region damit nicht einverstanden oder sieht die den Wert dieser Investition nicht.“ Prozedural gesehen wurde diese Einvernehmlichkeit dadurch angestrebt, dass „the business-line managers go into the regions; they come to us with a joint plan.“

4. Auch spielt in solchen Planungsprozessen trotz aller Förmlichkeit ein informeller Informationsaustausch eine erhebliche Rolle. Dieser kann sich auf unterschiedlichen Ebenen vollziehen: „Im Planungsprozess wird erstmal ‚gesoundet‘. Wenn zum Beispiel der Controller der Zentrale was ausbrütet, dann hat der ja Matrixlinien zu den Controllern in den Business Areas. Und die kommen monatlich zusammen. Das heißt, der ‚sounded‘ erstmal. ‚Freunde, könnt Ihr Euch das vorstellen?‘ Ok, dann sieht der, wie die Mehrheitenlage ist, was aber für Argumente schon dagegen laufen.“

Auch ein Geschäftsbereichsleiter betonte die Wichtigkeit des teileinheitenübergreifenden Informationsaustauschs im Planungsprozess: „Wenn wir unsere Jahresplanung vorbereiten für meine gesamte Business Area, dann veranlasse ich im Rahmen der Erstellung der Jahresplanung rechtzeitig … eine Telefonkonferenz mit … allen Regionalchefs und frage die in dieser Audiokonferenz in Anwesenheit aller BU-­ Chefs: ‚Habt Ihr aus der Region noch wesentlichen Input, haben wir etwas übersehen?‘ Und dann bringen die ihren Input … Das wird dann nochmal abgewogen bei der Erstellung der Planung. Und das gilt dann vor allem auch in der zweiten Planungsrunde, die wir strategischen Dialog nennen …“

8.2  Technokratische Erfolgsfaktoren

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Und ein für China zuständiger Regionalleiter umschrieb, wie dieser Informationsaustausch auf höheren Ebenen aussieht: „Das heißt bei uns strategischer Dialog und da ist es eben so, dass die Business Areas ihre Strategie mit dem Vorstand diskutieren und vorstellen. Und dann ist es so, dass das, was die konkret zu der Region planen, zu uns kommt. … Wir kriegen einen Auszug aus dem, was die Business Areas für unsere Region geplant haben. Und auf dieser Basis sollen wir dann letztendlich … das ein bisschen zusammenfahren und sagen, das ist letztendlich die Strategie für China. Und dann auch wieder hingehen und sagen, das macht Sinn oder wir sehen das anders. Und da ist es durchaus gewünscht, dass wir mal kritische Fragen stellen. Das können dann so Themen sein wie ‚das Wachstum, was Ihr da plant, ist zu klein. Ihr müsst da mehr Ressourcen hinter packen, oder Eure Marktdaten sind eigentlich nicht wirklich richtig‘.“

Eine Gesprächspartnerin ergänzte: „Dann gibt es einen regionalen Strategietag quasi, an dem Region für Region durchgegangen wird, im Beisein von allen Business Area CEOs und man sich die Regionalstrategien gemeinsam anschaut. Das heißt, das ist eigentlich das Verknoten, wo Regionen und Businesses zusammenkommen. Rein formell natürlich, die kommen ansonsten ganz oft zusammen …“

5. Schließlich ist es wichtig, dass die übergeordneten Planungsprozesse durch standardisierte Funktionalprozesse ergänzt werden. Aus einer Unternehmenszentrale hörten wir: „… was uns jetzt hilft, was die meisten Firmen nicht haben, dass es uns gelungen ist, relativ standardisierte Plattformen oder Admin-Organisationen in allen Ländern für die (Name des Unternehmens gelöscht durch JW) zu etablieren. … Wir als zentrale Funktionsbereiche haben die operativen Einheiten dann immer weiter begleitet und haben für diese Organisationen Target Operating Modelle etabliert. Dieses definiert noch einmal, und das jetzt nicht nur für die ganze Plattform, sondern auch für einzelne Funktionen in der Plattform. Das gibt es für Controlling, für Logistik, für Credit Management, Order Management usw. Da haben wir gesagt, was sind eigentlich Rollen und Aufgaben dieser Funktionen, was sind wirklich die Tasks, die in diesen Funktionen gemacht werden müssen? … Wir haben versucht, da sehr genau zu definieren, auch Prozesse, wie läuft denn so ein Controllingprozess ab, auch versucht, will nicht sagen Best Practices, aber Good Practices vorzugeben. … Und wir haben dann zum Glück das so aufgegriffen, dass wir jetzt auch hier in meiner Organisation eine Abteilung aufgebaut haben, die regelmäßig mit den Ländern in Kontakt bleibt. Also nicht nur, wenn man mal so sporadisch merkt, oh, da ist ja irgendwas schief gelaufen …“

Abschließend soll ein typischer Planungsprozess, an dem die Matrixmanager beider Teilhierarchien beteiligt sind, anhand eines Investitionsplanungs-Beispiels veranschaulicht werden. „Es ist ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren, an dem auch die Region beteiligt ist. Wo wir dann gemeinsam als Region und Operating Division diesen Investitionsvorschlag unterbreiten und dann in dieses mehrstufiges Verfahren gehen, wo dann eben diese Facheinheiten … auch beteiligt sind und diese Investition prüfen und dann anschließend dem Vorstand zur Genehmigung vorschlagen. Frage: Also sieht das dann so aus, dass Sie als

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­Two-boss-­Manager, wenn Sie da eine bestimmte Investition in Ihrer Division in Asien tätigen wollen, dann so eine Art Business Plan oder Business Case aufschreiben? Und wird das dann letztendlich den Herren XY (Leiter Business Area) und Z (Leiter Region) (den beiden Matrixmanagern, Erg. durch JW) zugeleitet und die schreiben dann was dazu, geben sozusagen eine Stellungnahme ab? Oder wie hat man sich das vorzustellen? Antwort: Ja, wir … sind verantwortlich für den Business Case der Geschäftseinheit. Dann haben wir natürlich Facheinheiten zum Beispiel Legal, Tax, nur um mal so ein Beispiel zu bringen, ich sehe hier gerade Environment, Health and Safety, solche Leute, nur um mal ein paar Beispiele zu bringen, die dann natürlich ihre Fachstellungnahme dazu abgeben. Wenn ich jetzt zu meinem Beispiel wieder zurückkomme (ich will in China investieren), dann kriege ich verschiedene Stellungnahmen … Das heißt, die Engineering-Leute, die sehen zu, dass das auch alles von der Competence und vom Engineering her safe and sound ist. Die Environmental und Health-Leute sehen zu, dass das nach den weltweiten Richtlinien unseres Unternehmens anständig designed ist und gebaut werden kann und dass wir lokale Regularien, was Umweltschutz und Arbeitssicherheit usw. alles angeht, auch einhalten. Das wissen die, das sind so Fachleute. Dann gibt es vielleicht noch irgendwelche Rechtsfragen zu klären. Das macht unsere Rechtsabteilung usw. Da gehen wir also durch diese Instanzen durch und jeder gibt dann seine Fachexpertise ab. Das mag etwas kompliziert wirken, ist aber sicherlich in der Form effektiv, das es sehr nachhaltig ist. Dass wir nicht nachher, nach Genehmigung irgendwelche Überraschungen erleben in solchen Ländern, wie ich sie gerade genannt habe. Da wollen wir natürlich schon sicher sein, dass wenn wir die Investition – das ist ja dann auch nicht eine kleine – genehmigt bekommen, dass sie auch sicher abgewickelt werden kann. So würde das laufen. Dann gehen wir zu einer, wir nennen das Kommission, wo wir dann dieses alles vorlegen. Wo wir dann als Operating Unit, als Operating Division dieses Projekt vorstellen. Das macht Herr XY (der Leiter der Business Area), in diesem Fall dann mit mir, ich würde ihn dann unterstützen in dieser Kommissionssitzung. Aber vorher haben zum Beispiel Herr Z (der Leiter der Regionalzentrale ‚Asien‘) und der Chef der Region ‚China‘ das Projekt mitunterstützt, also auch mit abgezeichnet. Ersterer kennt das Projekt und sagt ‚ok‘, damit bin ich einverstanden, das wird so gebaut. Das machen wir dort und in dieser Region, und das passt auch von der Infrastruktur … ist alles sauber. Das passt in meine Region, mein China rein, in meinen Verantwortungsbereich. Und dann gehen wir eben mit der Kommission durch die Instanzen und dann wird das Projekt dem Vorstand vorgeschlagen.“

8.2.5 Gestaltung des Vergütungssystems Mit der Gestaltung von Vergütungssystemen ist bei einer jeglichen Organisationsform ein wichtiger Stellhebel zur Steuerung von Managern und Mitarbeitern gegeben. Ein Gesprächspartner hat dies wie folgt zum Ausdruck gebracht: „Am Ende des Tages gilt der Spruch ‚Mit Speck fängt man Mäuse‘ immer noch …“ In einem matrixstrukturierten Unternehmen ist der Aufbau von Vergütungssystemen allerdings insofern relativ kompliziert, als die Manager im Matrixdreieck ihr Handeln an den Zielen mehrerer Organisationseinheiten auszurichten haben. Diese Besonderheit gilt für die Matrixmanager und den Two-boss-Manager gleichermaßen. Nach Ansicht sämtlicher Gesprächspartner, mit denen wir den Erfolgsfaktor „Vergütungssysteme“ thematisiert haben, muss sich diese Besonderheit in der Ausgestaltung von

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Vergütungssystemen niederschlagen. Als „Königsweg“ wurde dabei eine Lösung bezeichnet, bei der die Leistungsbeurteilung der im Matrixdreieck tätigen Manager nicht nur anhand von auf ihre eigene Einheit bezogenen Kriterien erfolgt, sondern sich auch auf Kriterien stützt, welche das Insgesamt des Unternehmens bzw. andere Organisationseinheiten betreffen. Drei Interviewauszüge sollen dies verdeutlichen: 1. „Wir haben bei XY (Name des Unternehmens gelöscht durch JW) drei Komponenten in unserem Incentive Program, zum einem die Konzernkomponente … Diese beruht auf Earnings-per-Share-­Kennzahlen. Dann haben wir eine Teilkonzernkomponente. Und dann gibt es den individuellen Teil. In dem hat man schon die Möglichkeit, lokale oder regionale Aspekte einfließen zu lassen.“ 2. „Das sind so die klassischen Funktionen, wo wir mehrere Brillen aufhaben … Das sind so die Challenges des Tagesgeschäftes, die man hier so auf den Ebenen hat. … Man hat darum eben auch diese ‚70  Prozent wird davon bezahlt, 30  Prozent davon bezahlt‘. Und dasselbe spiegelt sich dann auch in den Boni wider. Weil, Sie können sich vorstellen, wenn ein Teilkonzern bei mir nicht funktioniert, jetzt sagen wir mal XY (Name des Geschäftsbereichs entfernt durch JW), dann kriege ich natürlich einen Hass, dass der meinen Bonus versaut, ja. Und marschiere zu dem hin und sage: ‚Hör mal, so und so. Sollen wir nicht mal irgendetwas unternehmen, damit es bei Euch besser läuft?‘“ 3. „In meinem Fall (Geschäftsführer einer Landesgesellschaft, Erg. durch JW), ich habe auch einen gespindelten Bonus dementsprechend, weil ich ja nicht 100 Prozent Geschäftsführer bin, sondern eben auch Bereichsleiter. Für meinen Geschäftsführeranteil geht es um die Zielerfüllung von CEE. Für meine General-Manager-Funktion ist es mittlerweile weltweit, weil wir eben weltweit so eine besondere Strategie fahren, dass es schon Nachteile geben kann, wenn man in bestimmten Regionen ist.“

Weiterhin ist in den Gesprächen deutlich geworden, warum in einer Matrixstruktur eine doppelseitige Ausrichtung der Beurteilungskriterien erforderlich ist: Würden diese ausschließlich auf die „eigene“ Organisationseinheit bezogen sein, dann würden die betreffenden Manager die Ziele dieser Einheit unverhältnismäßig stark in den Vordergrund rücken. Wenn hingegen zum Beispiel 70 Prozent des Bonus eines Two-boss-Managers vom Erfolg des eigenen Geschäftsbereichs und 30  Prozent davon abhängen, wie die andere Matrixhierarchie „performt“, dann wird er auch stärker ein Interesse entwickeln, dem Kollegen eines anderen Geschäftsbereichs zu helfen, damit dieser auch gut leistet. Und dadurch werden natürlich auch der Zusammenhalt und ein Denken „wir müssen für den Geschäftsbereich XY (anonymisiert durch JW) das Richtige tun und nicht nur in meinem Silo.“ an Bedeutung gewinnen. Auch würde es im Falle eindimensionaler Beurteilungskriterien der gegenüberliegenden Organisationseinheit ungleich schwerer Fallen, das Verhalten des betrachteten Managers zu beeinflussen. Eine Matrixmanagerin brachte dies bezogen auf die Steuerung eines Two-boss-Managers wie folgt zum Ausdruck: „Wer das Geld hat, sagt auch, wo es längs geht. ‚Dotted line‘ ist immer schwierig, weil ich habe nicht das Geld, ich habe nur fachliche Argumente. … Ja, ganz schwierig. … Natürlich kann ich mit dem Direct-Line-Chef über die Bewertung sprechen, ja aber jetzt kann der natürlich in das Formular reinschreiben, was der will.“

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Während doppelseitige Beurteilungskriterien bei den Managern des Matrixdreiecks unabdingbar erscheinen, können auf den darunterliegenden Ebenen eher eindimensionale Beurteilungskriterien angewandt werden: „Gehen wir eine Ebene tiefer, dann hat man automatisch, ist man ja irgendwann in seiner – von mir aus nenne ich es jetzt mal bewusst – ‚Säule‘ angekommen …“ Aber auch dort scheint in der Praxis zwischenzeitlich ein Trend zur Mehrdimensionalität von Beurteilungskriterien zu bestehen. Mehrere der beforschten Unternehmen haben das mehrdimensionale Kriteriengerüst eben im Zuge der Einrichtung der Matrixstruktur geschaffen. Auch dies spricht dafür, dass mehrdimensionale Leistungsbeurteilungskriterien und die Matrixstruktur inhaltlich zusammengehören. Die Forderung nach mehrdimensionalen Kriterien zur Beurteilung der im Matrixdreieck tätigen Manager bedeutet freilich nicht, dass die unterschiedlichen Organisationseinheiten immer gleichgewichtig in dem Spektrum der Beurteilungskriterien repräsentiert sein müssen. So sagte ein Geschäftsbereichsleiter: „Also ich habe einen höheren Einfluss auf seinen (gemeint ist ein Two-boss-Manager, der an diesen Geschäftsbereichsleiter und einen Regionenleiter berichtet) Bonus. Und ich würde mal sagen, wenn Sie ihn fragen, wer einen höheren Einfluss auf sein Fortkommen im Geschäft hat, dann bin sicherlich ich das, ja. … Das steht wahrscheinlich auch formal auf dem Zielvereinbarungsbogen … Dort gehören mir 80 Prozent und dem XY (Name des Regionenleiters entfernt durch JW) vielleicht 20 Prozent. Ich weiß gar nicht genau, wie es ist.“

Und aus einem anderen Unternehmen war mit Blick auf die Vergütung der Landesplattformleiter zu hören: „… ich hatte vorhin gesagt, die Ziele sind immer noch dominant durch die lokalen Anforderungen, sagen wir mal 70 Prozent, 30 Prozent gibt es globale Ziele. Wobei man sagen muss, die Lokalen müssen sich immer im Rahmen des globalen Frameworks bewegen, das ist ganz normal, das ist eine Grundvoraussetzung …“

Als Richtschnur kann gelten, dass das Ausmaß der zu den verschiedenen Organisationseinheiten bestehenden Interdependenzen die Zusammensetzung des Kriterienkatalogs leiten sollte. Für das Gelingen eines matrixgerechten Vergütungssystems erscheinen weitere Gestaltungshinweise bedeutsam: 1. So sollten die auf die im Matrixdreieck tätigen Manager bezogenen Vergütungssysteme für alle betroffenen Manager transparent sein. Zum Beispiel sollten im Falle eines Two-boss-Managers beide Matrixmanager (also auch der dotted-line-Chef) sehen können, anhand welcher Kriterien der Two-boss-Manager beurteilt wird. Hierdurch wird die Möglichkeit zum Dialog und insbesondere zum Austausch von Argumenten ­geschaffen.

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2. Ebenfalls gut ist es, wenn beide Matrixmanager an der Bestimmung von Zielvorgaben beteiligt sind. So kann die Perspektive der jeweils anderen Seite in die Leistungsbeurteilung mit einfließen. 3. Überdies sollten beide Matrixmanager an den den Two-boss-Manager betreffenden Leistungsbeurteilungsgesprächen teilnehmen. Diese Lösung empfiehlt sich auch deshalb, weil jeder Matrixmanager die Befähigung des Two-boss-Managers nur so weit bewerten kann, wie sie auf das Kompetenzfeld des jeweiligen Matrixmanagers bezogen ist. 4. Empfehlenswert erscheint auch die Einrichtung von Vergütungskomitees, welche in ihrer Arbeit selbstverständlich ebenfalls auf beide Hierarchien bezogene Leistungsbeurteilungskriterien berücksichtigen. 5. Und schließlich sollte das Gesamtvolumen der ausschüttbaren Vergütungen von der Gesamtperformance des Konzerns abhängen. „Das heißt, wenn ich jetzt meinen Kollegen auch über Grenzen hinweg nicht helfe oder nicht dazu beitrage, dass wir insgesamt die richtigen Entscheidungen treffen, weil ich ständig hier von den globalen Vorgaben abweiche, mich nicht drum kümmere … dann ist der Topf, aus dem er bedient wird, klein. Das heißt, dadurch, dass man das nicht mehr so atomisiert hat, sondern auf sehr großem Level zusammengeführt hat, aus welchem Topf überhaupt bezahlt wird, habe ich eine Incentive-Struktur geschaffen, die jetzt darauf angelegt ist, auch das große Ganze im Blick zu haben.“

8.2.6 Weitere technokratische Erfolgsfaktoren Am Ende des vorliegenden Abschnittes sollen nun noch kurz drei weitere technokratische Erfolgsfaktoren der Matrixstruktur erwähnt werden, die in den Praktikergesprächen thematisiert wurden und ebenfalls hochgradig Sinn machen. Nach der Sicht mehrerer Gesprächspartner „läuft“ die Matrixstruktur in ihrem Unternehmen auch deshalb gut, weil ihr Unternehmen eine relativ kleine Führungsspitze aufweist, die Anzahl der Top Manager also relativ gering ist. Dieser Auffassung zufolge sollten selbst in einem sehr großen Unternehmen auf den obersten vier Hierarchieebenen nicht wesentlich mehr als 500 Personen tätig sein. Diese Schätzgröße ist unseres Erachtens aus mehreren Gründen sinnvoll: Erstens wurde in Abschn. 8.1.4 betont, dass es sehr hilfreich ist, wenn die im Einzugsbereich der Matrix wirkenden Manager sich persönlich kennen. In einem Unternehmen, in dem wesentlich mehr als 500 Manager auf den obersten vier Hierarchieebenen tätig sind, dürfte es kaum möglich sein, diese Bedingung eines „Sich-persönlich-Kennens“ zu erfüllen. So ist in diesem Fall der für eine „Vollversammlung des Top Managements“ erforderliche Aufwand äußerst hoch und überdies steht diese große Zahl im Konflikt mit den Informationsverarbeitungskapazitäten der Manager. Und zweitens ist zu bedenken, dass diesem Kreis die Gesamtverantwortung für das Unternehmen obliegt. Falls nun die Zahl der Personen in der höchsten Führungsspitze sehr hoch ist, dann kann es leicht zu einem Zustand einer „kollektiven Nichtzuständigkeit“ kommen.

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Weiterhin dürfte es für das Gelingen der Matrixstruktur hilfreich sein, wenn in dem jeweiligen Unternehmen die „Legal-Strukturen“ nicht allzu ausgeprägt sind. Natürlich wird es in einem internationalen Unternehmen aus gastlandsrechtlichen Gründen notwendig sein, dass ausländische Tochtergesellschaften eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweisen. Als vorteilhaft muss jedoch angesehen werden, wenn in einem matrixstrukturierten Unternehmen die auf der zweiten Hierarchieebene angesiedelten Geschäftsbereiche eben keine rechtlich selbständigen Unternehmen sind. Wäre dies der Fall, dann würden die Leitungen dieser Teilunternehmen eigenständige gesellschaftsrechtliche Organe darstellen und dies widerspricht tendenziell der Forderung des Matrixkonzepts, zwischen den Teileinheiten des Unternehmens eine intensive informationelle und inhaltliche Verzahnung herzustellen. Auch sind bei Vorliegen solcher holdingartigen Strukturen die Führungsprozesse durch vielfältige Gremienarbeit überfrachtet, was den Managementprozess des Unternehmens verlangsamt. Und schließlich sei betont – und dies kann als Destillat der beiden vorgenannten Erfolgsfaktoren angesehen werden – dass die Matrixstruktur dann vergleichsweise gute Erfolgsaussichten hat, wenn das Führungssystem des Unternehmens relativ einfach strukturiert ist. So sagte ein Gesprächspartner: „I am one for more simplicity, because I don’t want to have interlays; I image totally the opposite. I am basically going for a lot more delayering, more agility, more outside-in, which I think is necessary.“

Im Rahmen einer Gesamtschau der in Kap. 8 erläuterten personenorientierten und technokratischen Erfolgsfaktoren sei die Überzeugung geäußert, dass zwischen diesen kein substitutives, sondern ein sich ergänzendes Verhältnis besteht. Jeder dieser Erfolgsfaktoren scheint also für das Gelingen der Matrixstruktur bedeutsam zu sein. Diese Einschätzung erscheint angemessen, da die einzelnen Erfolgsfaktoren unterschiedliche Schwachpunkte der Matrixstruktur auszugleichen vermögen.

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Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassung

Im abschließenden Kapitel werden die in den vorausgehenden Kapiteln dargelegten Ergebnisse zusammengefasst. Überdies wird die Frage behandelt, ob die Bedeutung der Matrixstruktur in der Zukunft eher zu- oder abnehmen wird. Bezüglich der Beantwortung dieser Frage besteht ein weitgehender Konsens zwischen Wissenschaft und Praxis.

Im vorliegenden, auf einer qualitativen empirischen Forschung beruhenden Buch wurde argumentiert, dass die Matrixstruktur für große, komplexe Unternehmen einen Mehrwert erbringen kann, wenn (1) sie passend zur Unternehmensstrategie konfiguriert und (2) ihre Verwendung durch den Einsatz flankierender Managementinstrumente („Erfolgsfaktoren“) unterstützt wird. Von dieser zentralen Einsicht waren der Aufbau des Buches sowie der Inhalt seiner Kapitel geprägt. Nachfolgend sollen einige Kernergebnisse des Buches zusammengefasst werden (angesichts der Vielfalt der in dem Buch präsentierten Erkenntnisse muss diese Zusammenfassung freilich sehr ausschnitthaft bleiben). Im zweiten Kapitel wurde die Frage beantwortet, warum immer mehr Unternehmen die Matrixstruktur als organisatorische Grundstruktur benötigen. Der übergeordnete Grund besteht darin, dass heutzutage viele der von Unternehmen zu bewältigenden Aufgaben multiperspektivisch und komplex sind. So müssen die Unternehmen die zwischen ihren Teileinheiten bestehenden Synergiepotenziale systematisch identifizieren und heben. Auch weisen immer mehr Unternehmen sogenannte „Zebra-Werke“ sowie Key Accounts auf. Schließlich müssen die Top-Manager dieser Unternehmen sorgfältige Entscheidungen treffen und den Wert des Gesamtunternehmens, also nicht nur der einzelnen Teileinheiten, im Blick haben. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9_9

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Im dritten Kapitel wurde unter anderem aufgezeigt, unter welchen Bedingungen die Einrichtung einer funktionalen, einer produktbezogenen oder einer regionalen Dimension in einer Matrixstruktur angezeigt ist. Eine funktionale Dimension erscheint brotnötig, wenn die Qualität der Ausführung unternehmensinterner Prozesse sowie Scale-und-­ Scope-­Effekte besonders wichtig sind. Auch hilft die funktionale Dimension sehr, wenn eine Standardisierung von Marktleistungen und Prozessen gefragt ist und es um ein rigoroses Vorantreiben von Initiativen und der Unternehmensentwicklung geht. Die Einrichtung einer Produktdimension ist angezeigt, wenn die Teileinheiten mit einer klaren P&L-Verantwortlichkeit ausgestattet werden sollen und eine besondere Nähe des Unternehmens zu seinen Märkten wichtig ist. Auf eine regionale Dimension sollte nicht verzichtet werden, wenn der Bedarf besteht, dass in den einzelnen Regionen eine systematische Geschäftsentwicklung vollzogen wird. Und sie hilft, die Geschäftsbereiche des Unternehmens in dem jeweiligen geografischen Einzugsbereich herauszufordern. Außerdem ist sie angezeigt, wenn starke soziale Beziehungen und Netzwerke in den einzelnen Regionen von besonderer Wichtigkeit sind und die dem Unternehmen sich bietenden Synergiepotenziale auf die jeweilige Region beschränkt sind. Weiterhin sollte zu ihr tendiert werden, wenn die Kundenbedürfnisse von Region zu Region oder sogar innerhalb der jeweiligen Region variieren. Und schließlich kann die mit einer regionalen Dimension verbundene Einrichtung von Regionalzentralen sehr hilfreich sein, weil es den Management­ einheiten vieler Auslandsgesellschaften an einer kritischen Masse mangelt. In Ergänzung hierzu wurde in diesem Kapitel dargelegt, bei welchen Angelegenheiten die funktionale, die produktbezogene und die regionale Dimension im Entscheidungsprozess ein besonderes Gewicht aufweisen sollten. Die Vielfältigkeit der hierzu vorgetragenen Erkenntnisse verbietet eine Zusammenfassung in kurzer Form. Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt bestand in der Erforschung des Ausmaßes des im Matrixdreieck bestehenden Konflikts (Kap. 4). Diesbezüglich zeigte sich, dass Konflikte in den beforschten Unternehmen ein weitaus geringeres Ausmaß annehmen als gemeinhin vermutet. Wir erklären dieses Ergebnis mit der in den Unternehmen recht häufig vorzufindenden Variante der regelbasierten Matrix. Nichtsdestotrotz wurde nachfolgend exploriert, bei welchen Themen Konflikte relativ wahrscheinlich sind. Die Konfliktthemen scheinen dabei davon abzuhängen, welche Dimensionen (Funktion, Produkt, Region) in der jeweiligen Matrixstruktur miteinander kombiniert sind. Wenn es um die Lösung bzw. Handhabung von Konflikten geht, scheinen zwei Mechanismen vorzuherrschen: Die eingehende Diskussion des Konfliktfalles und – falls dies nicht gelingt – seine Eskalation. Diskussionen haben sich in den von uns studierten Unternehmen als eine wichtige Methode erwiesen, um zwischen den Matrixhierarchien bestehende Meinungsverschiedenheiten auszuräumen. Fast alle Respondenten haben hierin eine primäre Methode zur Konfliktbeilegung gesehen. Einer Eskalation des Konfliktfalls bedient man sich dagegen weitaus seltener, was mit verschiedenen Gründen erklärbar ist (siehe ebenfalls Kap. 5). Im fünften Kapitel wurde erforscht, ob alle Funktionsbereiche, alle Produktbereiche bzw. alle regionenbezogenen Einheiten des Unternehmens in die Matrixstruktur einbezogen werden sollen und ob das Doppelunterstellungssystem ausschließlich zwischen der

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zweiten und der dritten Hierarchieebene des Unternehmens bestehen oder ob es auch auf darunterliegenden Hierarchieebenen zur Anwendung gelangen soll („Micro-Matrixing“). In einem erheblichen Teil der Unternehmen sind aus gut erklärbaren Gründen nicht alle Funktionsbereiche in die Matrix eingebunden – so das Ergebnis zur erstgenannten Frage. Es liegt also eine selektive Matrixbildung vor, die sich auch empfiehlt. Sehr häufig in der Matrix verankert sind jedoch die Funktionsbereiche Beschaffung, Produktion, IT, Finanzwirtschaft und Personalmanagement. Ein Micro-Matrixing wurde in den meisten Unternehmen vorgefunden; es findet jedoch eine Hierarchieebene unter dem hier hauptsächlich thematisierten Matrixdreieck seine Grenze. Wir fanden es vor allem im Finanzbereich, im Personalbereich und im Strategiebereich vor. Auch diese Befundkonstellation erwies sich als logisch schlüssig und somit empfehlenswert. Die Aufgaben und Interaktionsmuster sowie das Fähigkeitsprofil des Two-boss-­ Managers wurden im sechsten Kapitel exploriert. Der vorrangige Arbeitsinhalt des Two-boss-Managers scheint darin zu bestehen, die Interaktionsbeziehungen im Matrixdreieck und damit die Matrix selbst zu steuern sowie die getroffenen Entscheidungen hierarchieabwärts umzusetzen. Im Hinblick auf die Formen des Interaktions- und Abstimmungsverhaltens der Personen im Matrixdreieck hat sich kein einheitliches Muster herausgeschält. Gleichwohl scheint eine bilaterale Kommunikationsstruktur vorzuherrschen. Dem Two-boss-Manager obliegt es also, die Abstimmung unterschiedlicher Interessen auf dem Wege einer Serie von 1:1-Interaktionen mit den Matrixmanagern herbeizuführen. Lediglich in Konflikt- und Eskalationsfällen scheinen die Matrixmanager oft direkt miteinander zu kommunizieren. Was die Fähigkeiten des Two-boss-Managers anbelangt, so sollte dieser das generelle Vermögen zum Aufbau bzw. zur Pflege guter Kontakte zu Kollegen haben, die ihm hierarchisch übergeordnet sind. Voraussetzung hierfür ist ein hohes Maß an kommunikativem Geschick, an analytischem Gespür, an Ambiguitätstoleranz sowie fachlicher Kompetenz. Im siebten Kapitel konnte gezeigt werden, dass hochrangige Meetings wichtige Vehikel darstellen, um die Matrixstruktur erfolgreich zur Anwendung zu bringen. Diese stellen Instrumente dar, um die Akteure des Matrixdreiecks mit anderen Einheiten des Unternehmens hinreichend gut zu verzahnen. Hochrangige Meetings sind nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil in matrixstrukturierten Unternehmen typischerweise stark ausgeprägte funktionsbereichs-, produktbereichs- und regionenübergreifende Interdependenzen vorliegen. Derartige Meetings erscheinen sowohl in der Form unternehmensweiter Top-­ Management-­Meetings als auch in der Form von regionen-, funktionsbereichs- und geschäftsbereichsbezogenen Zusammenkünften sinnvoll. Im vergleichsweise großen achten Kapitel wurden Managementinstrumente identifiziert, welche helfen, im Matrixkontext ein hohes Maß an ökonomischer und sozialer Effizienz zu erreichen („Erfolgsfaktoren“). Im Bereich der personenorientierten Erfolgsfaktoren sollten dabei die Personen im Matrixdreieck durch ein hohes Maß an fachlichen, zwischenmenschlichen und sonstigen Fähigkeiten gekennzeichnet sein. Wichtig ist überdies eine Integration „frischen Blutes“ im Zuge der Einrichtung der Matrix, ein ausgeprägtes unternehmensinternes Job Rotation, eine gutes „Sich Kennen“

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unter den im Matrixkontext tätigen Managern, eine vergleichsweise lange Tätigkeit vieler Manager im betreffenden Unternehmen, eine Befähigung zur Rückbesinnung auf gemeinsame übergeordnete Unternehmensinteressen, ein Mindestmaß an geteilten Werten sowie eine eiserne Disziplin im Kreise der im Matrixbereich tätigen Top-Manager. Zu den wichtigen technokratischen Erfolgsfaktoren gehören die Befolgung von Regeln, wie dies im Zuge der Entwicklung der regelbasierten Matrix (Egelhoff und Wolf 2017, S.  131  ff.) vorgeschlagen worden ist. Als nicht minder bedeutsam müssen eine klare Strategieformulierung und -kommunikation, spezifische Zielvereinbarungen, ein formalisierter Planungsprozess sowie die matrixkonforme Gestaltung des Vergütungssystems gelten. Schließlich dürfte die Bedeutung der Matrixstruktur in der Zukunft eher zu- als abnehmen. Hierfür spricht, dass die Bedeutung der Gründe für die Matrixstruktur (vgl. Kap. 2) in den nächsten Jahrzehnten zu- und nicht abnehmen wird. Interessant ist, dass diese Sichtweise eines Bedeutungsgewinns der Matrixstruktur in der Zukunft auch von den in die Studie involvierten Fachexperten aus der Unternehmenspraxis geteilt wird.

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© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Wolf, Die Matrixstruktur erfolgreich einsetzen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30453-9

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