Die Krankheit im Neuen Testament [Reprint 2021 ed.] 9783112486146, 9783112486139


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Die Krankheit im Neuen Testament [Reprint 2021 ed.]
 9783112486146, 9783112486139

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UNTERSUCHUNGEN ZUM NEUEN TESTAMENT H E R A U S G E G E B E N Y O N H. W I N D I S C H

/ H E F T 18

DIE KRANKHEIT IM

NEUEN T E S T A M E N T EINE UND

RELIGIONS-

MEDIZINGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNG VON

DR. F R I E D R I C H F E N N E R P F A R R E R

AM

DER

C H A R I T E'-

U N I V E R S I T Ä T

K R A N K E N H A U S BERLIN

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9

3

LEIPZIG/J.C.HINRICHS'SCHE

0 BUCHHANDLUNG

UNTERSUCHUNGEN ZUM N E U E N T E S T A M E N T HERAUSGEGEBEN

VON

D. DR. H A N S W I N D I S C H P R O F E S S O R AN D E R U N I V E R S I T Ä T K I E L

H E F T 18

PRINTED

IN

GERMANY

D m c k von W i l h e l m H o p p e , B o r a d o r f • L e i p z i g

VORWORT. Die vorliegende Untersuchung ist eine erweiterte theologische Doktordissertation, zu der im Jahre 1920 der damalige Jenaer Ordinarius für die Wissenschaft des Neuen Testaments, Herr Geheimer Kirchenrat, Professor D. Heinrich Weinel, den Anstoß gegeben hat. Von seinem unmittelbaren Nachfolger auf dem Lehrstuhl, Herrn Professor D. Karl Ludwig Schmidt, wurde dann eine literar- bzw. stilkritische Vertiefung der Arbeit angeregt, die er im Sommersemester 1928 als Referent der Fakultät zur Annahme vorschlug, so daß das Dissertationsverfahren am 3. November 1928 seinen Abschluß fand. Beiden genannten Herren sei daher an dieser Stelle aufrichtigster Dank abgestattet. Auch Herrn Professor D. Windisch und dem J . C. Hinrichs'schen Verlag fühlt sich der Verfasser für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftensammlung „Untersuchungen zum Neuen Testament" sehr verbunden. Endlich gedenkt er dankbar derer, die ihm in dieser Notzeit für die Wissenschaft die Verwertung und Veröffentlichung des noch in vorgerückten Jahren Erarbeiteten finanziell ermöglichten. Inhaltlich möchte die Arbeit ein Versuch zur Lösung der Aufgabe sein, die Adolf v. Harnack bereits im Jahre 1892 (Medizinisches aus der ältesten Kirchengeschichte, S. 57, Anm.) der neutestamentlichen Forschung gestellt hat, die Aussagen des Neuen Testaments über die Krankheit zusammenhängend darzustellen. Sie möchte ausführen, was für Krankheitserscheinungen im N. T. auftreten, wie sie geschildert werden und wie ihre Entstehung und Heilung gedacht ist, zugleich aber auch untersuchen, wie weit eine wirkliche Feststellung der diesen Aussagen zugrunde liegendenTatbestände und Vorgänge vom Standpunkt der historisch-kritischen Forschung wie der medizinischen Wissenschaft aus mög-

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Vorwort

lieh ist. Wenn Harnack (a. a. O., Vorwort) konstatiert, daß zwischen der christlichen Religion und der Heilwissenschaft ein sehr enger Zusammenhang bestehe, „zum Glück ein engerer als zwischen den Theologen und Medizinern", so darf heute wohl behauptet werden, daß sich gerade in bezug auf die ntl. Aussagen über die Krankheit zwischen den Vertretern beider Disziplinen ein zunehmendes gegenseitiges Verständnis beobachten läßt. Die heutige Medizin hat sich nicht bloß kürzer oder ausführlicher dazu geäußert (Ebstein, Laehr, Seeligmüller, Fischer, Bayer, Seng, March u. a.), sondern überhaupt durch die von ihr gewonnenen Erkenntnisse der theologischen Wissenschaft beachtenswerte Fingerzeige zur Beurteilung der ntl. Aussagen über die Krankheit gegeben, und diese hat sich die ihr so dargebotenen Hilfen in steigendem Grade zu Nutze gemacht. Was Heinrich Weinel (Die Wirkungen des Geistes und der Geister im nachapostolischen Zeitalter bis auf Irenaeus. 1899, S. 110, Anm.) mit bezug auf die Bedeutung der von ihm benutzten medizinischen Literatur für die Evangelien ausgesprochen h a t : „Das Studium solcher Werke ist von Wichtigkeit für die höhere Kritik", h a t auch der vorliegenden Untersuchung als Richtschnur gedient. F ü r die Beurteilung der medizinischen Seite des N. T. und der damit zusammenhängenden Fragen ist dem Verfasser eine langjährige Krankenhaustätigkeit, in dem Amt, das Friedrich Schleiermacher einst bekleidete, von Nutzen gewesen. Die Rücksicht auf die medizinischen Leser seiner Arbeit h a t ihn daher auch bestimmt, für die der Grundsprache des Neuen Testamentes Unkundigen das Griechische zu transkribieren. B e r l i n , im Dezember 1929. Friedrich Fenner.

INHALTS-ÜBERSICHT. A. Allgemeines und Grundsätzliches zur Beurteilung der ntl. Aussagen über die Krankheit B. Die ntl. Anschauungen von der Entstehung der Krankheit

. . .

C. Die Krankheit im N. T. in ihren Einzelerscheinungen I. Benennung und Beschreibung II. Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen 1. Die Krankheit des Paulus 2. Die einzelnen Krankheitsformen in den Evangelien und der Apostelgeschichte a. Kranke mit psychischen Hemmungen b. Kranke mit somatischen Veränderungen c. Kranke mit sensorischen Störungen

7 21 27 27 30 30 41 41 53 69

D. Die Krankheit im N. T. als Gesamterscheinung. Einheitlichkeit. Verbreitung. Bedingtheit

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E. Die ntl. Vorstellungen von der Heilung der Krankheit. Darstellung und Beurteilung

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Exkurs über Lukas den Arzt

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Literatur

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Abkürzungen

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Sachregister

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A. ALLGEMEINES UND GRUNDSÄTZLICHES ZUR BEURTEILUNG DER NTL. AUSSAGEN ÜBER DIE KRANKHEIT. Das Urchristentum ist durch ein lebhaftes Interesse für die Krankheit und ihre Heilung gekennzeichnet. Das erscheint durch die Zeit seiner Entstehung bedingt; denn es t r a t in eine ..heilungssüchtige" Welt und fand eine von Krankheit geplagte und ihr gegenüber hilfsbedürftig dastehende Menschheit vor. Daß ihr die christliche Religion Heilung verkündete und brachte und darin die ihr stark konkurrierenden Heilgötterkulte überbot, hat zu ihrem Siege beigetragen. Diese sieghafte Macht des jungen Christentums über die Krankheit spiegelt sich in der ganzen urchristl. Literatur. Auch die Schriften des N. T. lassen erkennen, wie sich das älteste Christentum zur Krankheit und ihrer Heilung gestellt hat. Es sah darin als ein echtes Kind der Antike übersinnliche K r ä f t e sich auswirken, aber es war sich auch bewußt, etwas diesen Kräften Überlegenes zu besitzen. I n diesem Licht wollen die Aussagen des N. T. über die Krankheit verstanden werden. Als Besieger der Krankheit zeigen sich uns die urchristl. Missionare in den verhältnismäßig wenigen Stellen der ntl. Briefliteratur. von der die Paulus-Briefe uns besonders wertvolle Beiträge liefern, als solche erscheinen in den Evangelien und in der Apostelgeschichte die Sendboten Christi, als Besieger der K r a n k heit tritt uns schließlich dieser selbst entgegen. Aber so zahlreiche Aussagen über die Krankheit die Evangelien und die Apostelgeschichte auch enthalten, so dürfen sie doch angesichts des beträchtlichen zeitlichen Abstandes ihrer endgültigen Fixierung von den in ihnen berichteten Vorgängen

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Allgemeines und Grundsätzliches.

nicht ohne weiteres mit diesen identifiziert werden (Martin Dibelius: Die Formgeschichte des Evangeliums. 1919, S. 4. Zur Formgeschichte der Evangelien. Theol. Rundschau 1929. H e f t 3. Ludwig Köhler: Das formgeschichtliche Problem des N. T. 1927, S. 25). Was Jesus auf dem Gebiet der Krankenheilung vollbracht hat, erscheint bei den Synoptiken, auch bei Markus, nicht chronikartig gebucht, sondern als „Evangelium" dargestellt 1 . Die Verfasser unserer synopt. Evangelien haben aus der breiten Traditionsmasse über die Worte und Taten Jesu eine ihnen für ihren Zweck geeignet erscheinende Auswahl getroffen und uns auch von den gewiß zahlreichen Krankenheilungen Jesu nur eine beschränkte Zahl überliefert 2 , ein jeder von ihnen in seiner schriftstellerischen Eigenart. Sie bieten aber keine literarischen Kunstprodukte, sondern zeigen sich überall als Sammler volkstümlichen Erzählerstoffes, den sie geordnet und gerahmt haben. Daß dieser bereits ein vorliterarisches Dasein geführt und in diesem eine Geschichte durchlaufen hat, ist nicht zu bezweifeln. Darauf f ü h r t eine Vergleichung der Evangelien unter einander. Sie zeigt, daß der erzählte Stoff im Laufe der Zeit nicht unerhebliche Wandlungen durchgemacht hat. Die Entwicklungslinie von Markus, der meist die älteste Tradition h a t (Koehler, a. a. 0., S. 29 ff.) zu Mt. und Lk., wie von dort zu den nichtkanonischen Evangelien und Joh. ist unverkennbar. (Paul Wendland : Die hellenistisch-römische Kultur in ihren Beziehungen zu J u d e n t u m und Christentum I. 1907, I I . 2. u. 3. A. 1912, S.258ff. Karl Ludwig Schmidt: Die Stellung der Evangelien in der allgemeinen Literaturgeschichte, in Eucharisterion . . . . Hermann Gunkel . . . dargebracht. I I . 1923, S. 50 ff.) Das ergibt sich auch aus einer Untersuchung der einzelnen Erzählung, die auf frühere Stufen ihres Daseins zurückweist. Daß die vorliterarische Überlieferung unserer Evangelien in mehr oder weniger zeit- und ortslosen kleinen Einheiten umlief, die erst durch Sammler- und Redaktorhand ihre Verbindung nach rückwärts und vorwärts erhalten haben, h a t nach Wrede, Wendland und Wellhausen Karl Ludwig Schmidt (Der Rahmen der Geschichte Jesu. 1919) evident gemacht. Auch Arnold Meyer: Die Entstehung des 1 G. Heinrici: Der literarische Charakter der neutestamentlichen Schriften. 1908, S. 35 ff. 2 Über den Restcharakter der synopt. Tradition: Koehler, a. a. O., S. 25.

Das formgeschichtliche Problem der Evangelien.

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Mk. Evangeliums, in Festgabe für Adolph Jülicher. 1927, S. 35ff., nimmt als Grundlage für Mk. wie für Q diese im Fluß befindliche mündliche Überlieferung an, während für Ludwig Lemme (Das Leben Jesu Christi in seiner geschichtlichen Tatsächlichkeit. 1927) immer noch der Erweis der apostolischen Qualität der Quellen das Entscheidende ist. Bestätigt wird das ferner durch eine Untersuchung der zu den einzelnen Geschichten vorliegenden Parallelen mit ihrer Fülle kleinerer und größerer Übereinstimmungen und Abweichungen. Sie sind überzeugende Beweise für die K r ä f t e der lebendig gestaltenden mündlichen Überlieferung. (Paul Fiebig: Der Erzählungsstil der Evangelien im Lichte des rabbinischen Erzählungsstils untersucht. 1925, S. 115, cf. E. Schultheß: Zur Sprache der Evangelien. Z . N . W . 1922, S. 216 ff.) Ebenso erweisen auch die Varianten und Dubletten der Evangelien die unmittelbar formende, aber diese Form mit freier Lebendigkeit handhabende mündliche Tradition. Grundsätzlich liegt keine Notwendigkeit vor, sie auf eine gemeinsame Vorlage zurückzuführen, sie können durchaus ihre selbständige geschichtliche Entstehung gehabt haben. Mit Recht h a t Karl Ludwig Schmidt (Die Stellung der Evangelien. Eucharisterion II., S. 74) als Analogie der in unsern Evangelien vorliegenden Sammlung von Einzelstücken der Tradition auf die Sammlung der Sadhu-Überlieferung hingewiesen, wie man auch als Vorstufe der Vita Apollonii des Philostratus kleine, selbständige Einheiten naiver Volkserzählung anzunehmen habe. Es gilt demnach auch bei der Verwertung des Sammelguts unserer Evangelien über die Krankheit auf diese kleinen, erst später durch chronologische und topographische Notizen mit einem Rahmen versehenen Einheiten zurückzugehen und zu fragen, welches Aussehen sie ursprünglich gehabt haben, und was an ihnen etwa sekundären Ursprungs bzw. redaktioneller Zusatz sein dürfte. Die Aufwerfung und Erörterung dieser Fragen ist das Verdienst der in ihren Forschungen von Hermann Gunkel beeinflußten ntl. Formgeschichte und Stilkritik. Sie h a t in ihrer Beantwortung die im evangelischen Erzählungsstoff vorliegenden literarischen Typen herausgestellt. Als Beispiele für das apostolische Kerygma bestimmte, knappe, in sich abgerundete, portraitlose, durch Worte Jesu erbaulichstilisierte, für Glauben und Leben der Gemeinde geformte P a r a d i g m e n , und in erzählerfroher Breite gehaltene und variierte,

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Allgemeines und Grundsätzliches.

von „weltlichen" Motiven beherrschte und nicht für die Verkündigung berechnete, sondern die Wundertätigkeit Jesu ausmalende N o v e l l e n (Dibelius), oder: kurze, in einem Jesuswort gipfelnde und mit einem geschichtlichen Vorgang umkleidete A p o p h t h e g m a t a , von denen Martin Albertz die „synoptischen Streitgespräche" 1 gesondert behandelt hat, und frei geschaffene, in Form und Stil fremdem Einfluß unterlegene W u n d e r e r z ä h l u n g e n (Rudolph Bultmann: Die Geschichte der synopt. Tradition. 1921). Daß manche Vertreter der formgeschichtlichen Methode hierbei von Konstruktionen, Verallgemeinerungen, Nivellierungen und Schematisierungen, wie auch von gewaltsamen Eingriffen nicht frei geblieben sind, haben vor andern die Untersuchungen von Erik Aurelius: Till Fragan om den synoptiska traditionens ursprung och äldsta historia, in Acta universitatis Lundensis X I X , 1923. Erich Fascher: Die formgeschichtliche Methode. Eine Darstellung und Kritik. 1924, und Ludwig Koehler, a. a. 0 . erwiesen. Vor allem sind sie dem überlieferten Stoff nicht gerecht geworden, weil sie ihn fast nur traditionsgeschichtlich und stilkritisch messen. Er erscheint bei ihnen mehr oder weniger als Produkt der Gemeinde, am konsequentesten bei Bultmann, nach dem die meisten Heilungserzählungen der Evangelien „legendarisch, zum mindesten legendarisch ausgeschmückt" sind 2 , während Dibelius den Paradigmen eine relative geschichtliche Zuverlässigkeit zuerkennt. Die formgeschichtliche Forschung hat nicht genügend beachtet, daß dem Rohstoff der Überlieferung nicht literarische Motive, sondern geschichtliche Erinnerungen innewohnen, die sich um ihrer Geschichtlichkeit willen, auch wenn diese getrübt ist, einer „Umgestaltung in reine literarische Formen" widersetzen (Koehler S. 27). Da die synoptische Darstellung des Wirkens Jesu zweifellos auch dem „biographischen Interesse" dienen will (ebd. S. 34), so muß sie auch nicht bloß literar- und stilkritisch, 1 U n t e r dem genannten Titel 1921. 2 cf. K. B u l t m a n n : Jesus. 1926. S. 159, wo B. zwar hinzufügt, daß Jesus zweifellos K r a n k e geheilt und Dämonen vertrieben habe, aber dann, S. 160, wieder erklärt: „Es liegt n u n nicht viel daran, genauer zu untersuchen, wieviel von den evangelischen Wunderberichten historisch ist." Im Gegensatz zu dieser Auffassung B's. möchte die vorliegende Untersuchung gerade die den Heilungserzählungen der Evangelien zugrundeliegenden Tatbestände herausarbeiten und dadurch das Wirken Jesu in seiner Zeit verständlicher machen.

Die religionsgeschichtlichen Parallelen zu den ntl. Heilungserzählungen. 11

sondern auch sach- und geschichtskritisch beurteilt werden 1 . Die Formgeschichte kann bei der Lösung des synoptischen Evangelienproblems, das ja die Frage nach der synopt. Tradition ist. „mit Selbstkritik geübt", wichtige Dienste leisten, auch f ü r die Frage nach der Krankheit im N. T., denn das historische Problem der Evangelien ist zunächst ein literarisches. (Karl Ludwig Schmidt: Der Rahmen der Geschichte Jesu. S. V.) Ebenso ist es ein Verdienst der religionsgeschichtlichen Forschung, (Paul Wendland a. a. 0., 0 . Weinreich: Antike Heilungswunder. 1909. R. Reitzenstein: Hellenistische Wundererzählungen. 1906. P. Fiebig: Antike Wundergeschichten. 1911. Jüdische Wundergeschichten des ntl. Zeitalters. 1911. Rabbinische Wundergeschichten. 1911)2, den synopt. Heilungserzählungen eine Reihe jüdischer und hellenistischer Parallelen zur Seite gestellt zu haben, über deren Einfluß auf die ntl. Wundergeschichten nur von Fall zu Fall entschieden werden kann. (Koehler, a. a. O. S. 36 f.) Liegen Ähnlichkeiten mit solchen vor, so muß zunächst gefragt werden, ob sie sich nicht daraus erklären, daß die Erzählungen in gleichartiger Atmosphäre erwachsen sind, in der sie, wie Fascher (a. a. 0 . S. 130, Anm.) darlegt, noch bis in die Gegenwart hinein entstehen. Auch wenn sich zeigen läßt, daß die urchristlichen Heilungserzählungen die gleiche Topik aufweisen wie die der jüdischen und hellenistischen Literatur, so erhellt aus dieser Topik zunächst nur, wie gebunden man an die für jene Zeit natürliche Art, zu sehen und zu hören war. Diese Topik ist nicht künstlich von außen an die evangelischen Erzählungen herangebracht worden, denn sie hat ihren Grund im Wesen der Sache und eignet der volkstümlichen Erzählung von „Wundertätern" noch heute. Die bekannten Typen des Wunders sind von den Jahrtausenden festgelegt und kehren überall wieder (Adolf Deißmann: Licht vom Osten. 4. A., S. 330). Aus der Topik einer Erzählung an sich läßt sich ihre Ungeschichtlichkeit nicht folgern. (Aurelius. a. a. O. S. 23). 1 Die Entgegnung von Dibelius auf Koehlers Ausführungen (Zur Formgeschichte 197 ff.) e n t k r ä f t e t diese nicht. Endgläubigkeit und biographisches Interesse schließen sich nicht aus. Die Evangelien würden ohne letzteres ganz anders aussehen. 2 Doch vgl. über die Benutzbarkeit des von Fiebig zusammengestellten Materials: A. Schlatter: Das W u n d e r in der Synagoge. Beiträge zur Förderung christlicher Theologie 16. 1912, S. 49 ff.

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Allgemeines und Grundsätzliches.

Auch eine sprachliche Untersuchung der evangelischen Heilungserzählungen stärkt das Vertrauen in die ihnen zugrundeliegende Überlieferung, weil sie ihre Herkunft verrät. Mag die Überlieferung unserer Evangelien auch erst durch die griechische Sprache (G. Heinrici, a. a. 0., S. 104) und in der hellenistischen Gemeinde ihr schließliches Gepräge empfangen haben, so ist doch nicht daran zu zweifeln, daß das Gros des Erzählungsstoffes seine sprachlichen Wurzeln im Semitischen hat, weshalb Fiebig das Hebräische N. T. von Franz Delitzsch für einen der besten Kommentare zu den Evangelien erklärt. Schon Wellhausen (Einleitung in die Evangelien. S. 7 ff.) h a t die semitische Grundlage der synopt. Überlieferung an einer langen Reihe syntaktischer Kennzeichen aufgewiesen (gegen die Zurückführung des größten Teiles dieser Semitismen auf die Koine Martin Brückner: Das 5. Evang. 1910, S. 5), die trotz der Umprägung nicht verschwunden ist, sondern noch durchschimmert. (Roland Schütz: Apostel und Jünger. 1921, S. 58.) Am meisten ist das bei Mk. der Fall, während Mt. und Lk. das Semitische auszumerzen oder sprachlich zu verwischen suchen, aber auch von Lk. wird inbezug auf die von ihm übernommene Tradition mit Heinrici (a. a. O., S. 53) zu sagen sein, daß sein Satzbau ungriechisch ist. Einen weiteren Nachweis dafür, wie eng die synopt. Überlieferung durch Sprache und Stil mit dem zeitgenössischen palästinensischen J u d e n t u m verbunden ist. h a t P. Fiebig erbracht. (Der Erzählungsstil der Evangelien im Lichte des rabbinischen Erzählungsstils untersucht. 1925.) So gelangt man zu einem wesentlich anderen Ergebnis über den Boden, auf dem der synopt. Überlieferungsstoff gewachsen ist; als (nach Dibelius) Bultmann, der eine doppelte Traditionsreihe annimmt, eine wesentlich palästinensische, die er mit Q, und eine wesentlich hellenistische, die er mit Mk. identifiziert. Eine solche scharfe Trennung ist in der von Bultmann gewollten Weise schwer durchzuführen (Koehler, S. 16), denn wenn auch in Q Jesus vorwiegend als der eschatologische Bußprediger und gewaltige Lehrer erscheint, während bei Mk. die Gestalt Jesu aus dem Glauben der hellenistischen Gemeinde stammende, mythische Züge erhalten hat, so handelt es sich doch auch bei Mk. u m eine Schilderung des irdischen Wirkens Jesu, den er in seinen Heilungserzählungen der Gemeinde vorwiegend als den machtvollen Helfer darstellen will, während Q ihn unter Ab-

Die Herkunft des Überlieferungsstoffes der Evangelien.

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zielung auf die urchristliche Paränese als den überlegenen Lehrer zeichnet. Aber ebenso wie Mk. letzteres auch gelegentlich t u t . so zeigt ihn Q auch als den mächtigen Wundertäter. Mt. 8, 5 ff. ist „mythischer", als Mk. 7, 31 ff.! Es wird vielmehr im allgemeinen für die Apophthegmata wie für die Wundergeschichten palästinischer Ursprung anzunehmen sein, weil beide ihre mythische Beleuchtung bereits von den Auferstehungserlebnissen der Jünger her empfangen haben, wenn diese auch erst in der hellenistischen Gemeinde ihre Fortentwickelung und ihre Terminologie erhalten hat. Die Geschichte Jesu selbst ist nichtmythischen Ursprungs. Mag besonders in den Varianten bei dem am meisten griechischen Lk. manches erst hellenistischem Boden entstammen, im allgemeinen dürfte bei der synopt. Uber lief erung trotz ihrer Uber malung und Differenzierung eine einheitliche Urfarbe nicht zu verkennen sein, und diese spricht für ihre Geschichtlichkeit. (Fiebig: Der Erzählungsstil. S. 149. K . L. Schmidt: Die Stellung der Evangelien. S. 128, Köhler: Das formgeschichtl. Problem. S. 4.) Ebenso gewinnen die in den synoptischen Evangelien vorliegenden Heilungserzählungen Anspruch auf das Vertrauen des Historikers durch eine Vergleichung mit den Schilderungen der Wundertätigkeit Jesu in apokryphischer Zeit. (W. Bauer: Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apokryphen. 1909.) Zwar hat man in dieser Periode die kanonischen Wundergeschichten nur ganz vereinzelt ausgestaltet, cf. den Nachtrieb zu Mk. 3, 1 ff. im Hebraeer Evang. 1 ; auch h a t in ihr die Erfindung neuer Wundergeschichten für das öffentliche Wirken Jesu so gut wie nicht stattgefunden. Um so mehr gefällt man sich im Stil von Mk. 3, 9 ff. u. a. in verallgemeinernden Zusammenfassungen (die Stellen bei W. Bauer S. 363f.), man versichert, wie Joh. 20, 30, daß Jesus viel mehr Wunder getan habe, und steigert seine Heiltätigkeit nach Act. 10, 38 derart, daß m a n ihn Tausende von Verstümmelungen heilen, jede Krankheit vertreiben und den Glauben an irdische Dämonen gänzlich vernichten läßt (ebd. S. 364). Die Thomaserzählung füllt dann auch die Jugend Jesu mit absonderlichen Wundergeschichten aller Art aus. Besonders Totenerweckungen werden ihm zugeschrieben (K. 9. 17. 18). Trotzdem treten hier die Heilungswunder Jesu 1 s. E. Hennecke: Neutest. Apokryphen. 2. A. 1924, S.30.

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Allgemeines und Grundsätzliches.

hinter andern, nur aus seiner übernatürlichen K r a f t fließenden Wundertaten zurück. Während also in dieser Literatur die Mythologumena und die Phantastik des Heidentums auf christlichem Boden auf wuchern, tragen die synopt. Evangelien gerade in den Heilungserzählungen die „markanten Züge ehrlicher, schlichter, allem Sensationellen fremder Mitteilung." Alles, was an das Prodigienwesen und seine Praktiken erinneren könnte, fehlt hier. Die kanonischen Erzählungen von der Heilung Dämonischer ermangeln alles exorzistischen Beiwerks, wie es sich in den entsprechenden bei Josephus, Tacitus, Philostratus findet 1 , weshalb Heinrici mit Recht bei R. Reitzenstein die Heraushebung dieses Abstandes der hellenistischen Wundererzählungen von den neutestamentlichen vermißt (cf. auch G. N a u m a n n : Die Wertschätzung des Wunders im N. T. 1903). Während endlich in den synoptischen Evangelien die Heiltätigkeit Jesu im engsten Zusammenhang mit seinem Kerygma erscheint (A. Schlatter: Die Geschichte des Christus. 1921. S.226f.), wird Jesus in der außerkanonischen Literatur zum Thaumaturgen, mit dessen Größe sich niemand messen kann, dem keinerlei Schranken gezogen sind, von dem vielmehr gilt: uden estin ho adünatei poiein2. (Ps.-Clem. Horn. I, 6. W. Bauer S. 362, cf. 526 ff. Wendland Kultur, S. 124 f.) So wird im allgemeinen anzunehmen sein, daß wir mit den in den synopt. Heilungserzählungen berichteten Vorgängen auf dem geschichtlichen Boden des Wirkens Jesu stehen. Gewiß können diese volkstümlichen Erzählungen als historische Berichte in dem Sinn, daß jede Einzelheit mit protokollarischer Genauigkeit wiedergegeben wird, nicht angesprochen werden, obwohl gerade für die Einzelheiten eines Vorganges das volkstümliche Erinnerungsvermögen sehr beachtlich ist (K. L. Schmidt: Die Stellung der Evangelien, S. 90 u. 102). Wer aber einen Bericht historisch nennt, weil er das Wesentliche eines Ereignisses mitteilt, wird die den meisten synopt. Heilungserzählungen zugrunde liegenden geschichtlichen Vorgänge nicht verkennen, wenn auch ein Urteil darüber nur durch die Einzeluntersuchung möglich ist und schließlich subjektiv bedingt bleibt (so auch Dibelius: Zur Formgeschichte). Für die geschichts- und sachkritische 1 s. A. Deissmann: Licht vom Osten. 4. A. S. 217 ff. Die Einzelnachweise weiter unter D. 2 „Nichts ist, was er nicht tun kann."

Kanonische und apokryphische Heilungserzählungen.

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Beurteilung der einzelnen Erzählung wird aber immer mit P. Fiebig (Jüdische Wundergeschichten des ntl. Zeitalters. 1911, S. 22, cf. S. 77 ff. 94) und mit E. v. Dobschütz (Der heutige Stand der Leben Jesu Forschung. Z. Th. K. 1924, S. 76 f.) ein dreifaches zu fragen sein: was vorgefallen ist, wie man einst das Vorgefallene gedeutet h a t und wie heute derselbe Vorfall zu erklären wäre. Daß Jesus eine umfangreiche Heiltätigkeit ausgeübt hat, wird nicht bezweifelt werden können, mögen auch die summarischen Aufzählungen wie Mk. 1, 32 ff. 3, 7 ff. 6, 54 ff. Mt. 4, 23 ff. 12, 15 ff. Lk. 6, 17 ff. u. a. als solche sekundärer Herkunft sein. Daß sie gleichwohl auf historischen Grundlagen ruhen können, wird von K . L. Schmidt (Der Rahmen der Geschichte Jesu, zu Mk. 3, 7 ff.) zugestanden. Diese ihre Grundlage verlieren die synoptischen Heilungserzählungen auch dann nicht, wenn man ihre praktisch-erbauliche Abzweckung ins Auge faßt, denn sie sind der Ausdruck einer religiösen Bewegung (W. Bauer, S. 520 ff.). Brennende Fragen des Gemeindelebens und der Missionstätigkeit, wie die Bedürfnisse des Kultus haben die Überlieferung über die Heilungen in unsern kanon. Evangelien beeinflußt. Und zwar müssen schon die Vorstufen der Evangelien von der gottesdienstlichen Perikopenpraxis aus beleuchtet werden (K. L. Schmidt: Die Stellung der Evangelien, S. 117), wie schon Heinrici a. a. O., 5. 45, 107, auf die liturgische Stilisierung, besonders in den feierlichen Schlüssen des Mk. hingewiesen hat. Durch ihre Verbindung mit dem Gemeindeglauben an den Christus, der im Kult verehrt und erlebt wurde, h a t der in den Evangelien niedergelegte Überlieferungsstoff seine „Christianisierung" erhalten (Wellhausen Einl., S. 75), nur daß man den Christuskult nicht zum Sammelbegriff machen darf, der alle Motive für die Gestaltung der Traditionsmasse durch die Gemeinde in sich aufnimmt. Ähnliches gilt auch von der Apg., deren Heilungserzählungen ebenfalls auf kleine Überlieferungseinheiten zurückgehen (Dibelius: Stilkritisches zur Apostelgeschichte, in Eucharisterion I I , S. 27 ff.) und in der Weise der antiken Praxeis- und AretalogieLiteratur den Kyrios Christos in seinen Sendboten verherrlichen; denn das christologisch-kultische Interesse ist bei manchen dieser Erzählungen, in denen die Heilkraft des Namens Jesu Christi

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Allgemeines und Grundsätzliches.

erhoben wird, 3, 6. cf. V. 16. 9, 34. 16,18, noch deutlich erkennbar. Sonst tragen sie allerdings novellistisches Gepräge. Das gilt sowohl von den aus der judenchristlich-palästin. Apostelquelle, wie auch von den aus der heidenchr.-hellenist. Jüngerquelle stammenden Wundererzählungen, wobei jedoch in den ersteren das Wunderhafte viel massiver erscheint, als in den letzteren, wo es nicht fehlt, aber in griechischer Weise sublimiert und psychologisiert ist (Roland Schütz: Apostel und Jünger. 1921). Aber auch wenn wir in diesen Heilungserzählungen unserer kanon. Apg. bereits „die Welt der Legende" betreten, so darf doch der Historiker ihnen im allgemeinen mit Vertrauen begegnen. Dies wird durch einen Blick auf die nichtkanon. Apg. deutlich, wo, wie im hellenist. Roman (G. Naumann, S. 78 ff.), eine ungezügelte Phantasie einen ungeheuerlichen Zug an den anderen reiht. Totenerweckungen sind besonders häufig, und das Heilen von Krankheiten wird im Giunde als ein Geringes empfunden. (E. Hennecke: Die ntl. Apokryphen. 2. A. S. 349. 164 ff. 204 f. 268 ff. u. a. P. Wendland, Literaturformen. 269 ff. 276. Schlatter: Das Wunder. S. 57 ff.). Demgegenüber ist in unserer kanon. Apg. das Wenige, was von Heilungen berichtet wird, nur dem praktisch-erbaulichen Zweck dienstbar gemacht, die Ausbreitung der christlichen Ekklesia von Jerusalem aus zu illustrieren. Die Apg. ist ein Missionsbuch, das geängsteten Gemeinden Halt und frohe Zuversicht geben, das Christentum gegen Juden und Römer verteidigen und für den Glauben werben will. Was endlich das 4. Evangelium betrifft, so zeigen seine Heilungserzählungen einen ebenso stark volksmäßigen und kultischen Charakter wie die synoptischen (Deißmann a. a. 0., S. 211), aber das Joh.-Evang. ist im Gegensatz zu den Synoptikern keine Perikopensammlung, sondern eine kunstvoll komponierte und dramatisierte Geschichte des Christus. (H. Windisch: Der johanneische Erzählungsstil, in Eucharisterion I I , 174 ff. cf. E. Lohmeyer: Über Aufbau und Gliederung des 4. Evang. Z. n. W. 1928, H f t . 1), während L. Lemme das Joh.-Evangelium als Werk eines Augen- und Ohrenzeugen zur wichtigsten Quelle für sein „Leben Jesu Christi" macht, wobei er nicht verschweigt, daß es u m seiner Christologie willen geschieht, (a. a. 0., S. 45 ff.). Im Joh.-Evangelium sind die Krankenheilungen Jesu zu wenigen, scharf herausgehobenen aretai theu kondensiert, so

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Die ntl. Heilungserzählungen und die Wunderfrage.

daß die darin anklingenden geschichtlichen Erinnerungen für den Historiker nur mit größter Reserve verwendbar erscheinen. Aus dieser Tatsache, daß der urchristlichen Verkündigung und ihrer literarischen Fixierung der Christusglaube zugrunde liegt, erklärt es sich, daß überall die Erfolge auf dem Gebiet der Krankenheilung als „Wunder" 1 beurteilt und erzählt werden, und zwar unter fortschreitender Steigerung des Wunderbaren. Mit Recht h a t Weinreich, a. a. 0., darauf hingewiesen, daß der antike Wunderbegriff jedes göttliche Handeln bezeichnet, auch wenn es in natürlichen Bahnen erfolgt. Alles, was geschah, konnte als Wunder aufgefaßt werden. Durch das Wunder steht das N. T. „recht plastisch volkstümlich" inmitten seiner Umwelt (Deißmann a. a. 0., S. 330). Mit Recht hat aber auch Schlatter, a. a. 0.. geltend gemacht, daß die neutestamentlichen Wunder zwar dem zeitgenössischen Denken entsprechen, aber nicht nur als alltägliches „übernatürliches Erlebnis" beurteilt werden, sondern eine „bestimmt unterschiedene Art" an sich tragen, wofür er sich allerdings nicht auf das in den Wundererzählungen wiederkehrende Staunen der Menge berufen dürfte, das ja stilkritisch angefochten ist. In diesem spezifischen Sinn sehen wir die urchristliche Mission eng mit dem Wunder verknüpft. (A. Fridrichsen: Le problème du miracle dans le christianisme primitif. 1925. G. Naumann, a. a. O.) In der urchristlichen Terminologie des Wunders ist der Grundgedanke überall derselbe, daß transzendentale Kräfte sich auswirken. Diese Manifestationen der göttlichen Macht dienen zur Legitimierung der christlichen Sendboten, 2. Kor. 12, 12. 1. Kor. 2, 4. Hebr. 2, 4. Mk. 16,20. cf. 1. Thess. 1, 5. Gal. 3, 5. Rom. 15,18), das ist jüdisch, wie griechisch gedacht (Strack-Billerbeck, zu Mt. 24, 24 und Reitzenstein a. a. 0., S. 62, 83. cf. den Begriff der „Epiphanie-Geschichten" bei Dibelius: Formgeschichte, S. 52). So suchte die urchristliche Verkündigung auch mit dem Hinweis auf die Wunder Jesu oder durch ihre Erzählung seine göttliche Sendung zu erhärten, den Juden gegenüber als die des Messias, den Heiden als die des fleischgewordenen Soter. In der Darstellung der Apg. erscheint Jesus durch seine Wunder 2,22 als der Gottgesandte, 10, 38 als der Euergetes, wobei in dem einen Fall Juden angeredet sind, im anderen der römische Hauptmann. Letztere Betrachtungs1 K. L. Schmidt, Art. „Jesus Christus' 4 . R. G. G. 2. A. III, 110 ff. UNT 18: F e n n e r .

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Allgemeines und Grundsätzliches.

weise entspricht dem griechischen Empfinden des Lk. In seiner Schilderung Jesu als des Wohltäters und hilfreichen Arztes für Leib und Seele berührt Lk. sich zweifellos eng mit der hellenistischen Literatur. Die sensible Art, in der Jesus so bei Lk. geschildert wird, hat zwar bei Mk. und Mt. gewisse Anknüpfungen (das Motiv des Mitleids: Mk. 6, 34. 8, 2. Mt. 14, 14. 20, 34), aber als „Liebestaten" werden die Krankenheilungen Jesu, wie Lemme S. 178 will, in den Synoptikern in erster Linie nicht geschildert. Mk.-Mt. betrachten sie vielmehr vorwiegend als Apodeixeis. wobei Mt. die Erfüllung der Prophetie in den Wundern hervorhebt, 8,17. cf. 12, 15 ff. Unter diesem Gesichtspunkt der Apodeixeis der in ihm und durch ihn kommenden messianischen Endvollendung dürfte aber bereits Jesus selbst seine ungewöhnlichen Erfolge auf dem Gebiet der Krankenheilung beurteilt haben, Mk. 3, 22 ff. Par. Mt. 11, 4 ff. = Lk. 7, 22 ff. 10, 13 ff. (P. Wernle: Jesus. 1916, S. 21). Wie Jesus bei seinem ganzen Wirken, wie bei seiner Verkündigung, eschatologisch eingestellt ist, so hat er auch in seinen Heilerfolgen die Anzeichen des Messiassieges gesehen, Mk. 1, 39. 3, 14 f. 6, 7 ff. Par. cf. Mt. 10,23 b. Lk. 11,20. (Mundle: Die Geschichtlichkeit des messianischen Bewußtseins Jesu. Z. N. W. 1922, S. 302 f. Schlatter: Das Wunder. S. 83.), wenn er auch ablehnt, sich durch Wunder zu legitimieren, Mk. 8, 11 f. Par. Ebenso wurden von seinen Gegnern seine Wunder als Erweise seiner Messianität bestritten, Mk. 3, 22. Mt. 9, 34 (D). 12,24. Lk. 11,15. Wie weit diese Stellen die Angriffe widerspiegeln, die die missionierende Kirche durch ihre Gegner erfuhr, Jesus sei ein Magier und Verbündeter des Satans gewesen, sei dahingestellt (Fridrichsen, a. a. O. Albertz, a. a. O. cf. Strack-Billerbeck, I. S. 631). Aber diese jüdische wie heidnische Polemik gegen die von Jesu erzählten Wunder, auf die die christliche Apologetik die Antwort nicht schuldig geblieben ist, (W. Bauer, Leben Jesu, S. 366 ff. 462, 465) zeigt, daß man an der Tatsächlichkeit der von Jesus und den Aposteln vollbrachten, wunderbaren Krankenheilungen nicht zweifelte, ebensowenig wie an der Tatsache der von außerchristlichen Thaumaturgen vollzogenen zahlreichen Heilungen. Man bestritt nur die Auswertung dieser Heilerfolge Jesu als Erweise seiner göttlichen Sendung und stempelte sie als dämonischen Zauber. (Justin, dial. 69, 7. Strack-Billerbeck I, 38ff. 84 ff. 631 ff. Orig. c.. Cels. I, 28. cf. I I I 25, „In der Macht,

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Die Beurteilung der Heilerfolge Jesu in den Evangelien.

Kranke zu heilen, offenbart sich an sich nicht etwas Göttliches".} So werden auch Mt. 11, 2 ff. = Lk. 7, 18 ff. von dem Täufer und seinen Jüngern die durch Jesus vollzogenen Krankenheilungen nicht geleugnet, sie vermochten nur darin kein Zeichen seiner Messianität zu erblicken. Es ist möglich, daß die Erzählung von der Täuferfrage einen apologetischen Beweis der Gemeinde für Jesu Messianität erbringen will. Ähnlich ist es mit dem Beelzebul-Wort, Mk. 3, 20 ff. Vielleicht reflektiert sich in dem Vorwurf der Schriftgelehrten gegen Jesus die Polemik, die die missionierende Kirche seitens ihrer Gegner erfuhr. Auch die Verkündigung der Messianität Jesu durch die Dämonen bei Mk. (1, 23 ff. 1, 34. 3, 11. 5, 7. cf. Apg. 16, 17. Reitzenstein: Hellenist. Wundererz. S. 124. Wellhausen, Einl. S. 44), könnte als apologetischer Versuch der Gemeinde aufgefaßt werden, Jesus gegen die Verleumdung, ein Magier zu sein, zu schützen und als den Gottgesandten zu rehabilitieren. Dementsprechend könnte auch das Schweigegebot Jesu an die Dämonen, Mk. 1, 25. 3, 12. (anders 5, 19) und an andere Geheilte, 1, 34. 44. 5, 43. 7, 36. 8, 26, als apologetischer Versuch des Evangelisten angesehen werden, den tatsächlichen Unglauben des Volkes, trotz all der Taten Jesu, als etwas von ihm Gewolltes zu erklären. Aber die geschichtliche Grundlage, daß die Dämonischen Jesus als höheres Wesen angesehen und angerufen haben, wird trotz der späteren Stilisierung der Stellen nicht zu bezweifeln sein (G. Naumann, a. a. 0., S. 9 ff.). Um Gemeindeapologetik handelt es sich auch wohl Mt. 12, 15 ff., wo das Jesaiazitat erweisen muß, daß Jesus kein Scharlatan war, der mit allen Mitteln Reklame machte, wie die gewöhnlichen Thaumaturgen. Andererseits scheint in der Versuchungsgeschichte und in Lk. 10, 17 ff. GemeindePolemik gegen alle Überschätzung der thaumaturgischen Tätigkeit in ihrer eigenen Mitte vorzuliegen, die um so begreiflicher war, als Pseudopropheten die christlichen Wunderheilungen nachäfften, Mt. 7, 15 ff. Aber auch wenn man das Vorhandensein solcher vereinzelten, späteren Verbiegungen, besonders apologetischer und polemischer Art, in den Evangelien zugesteht, der großen Masse des Erzählten fehlt offenbar jede nachträgliche tendenziöse Zuspitzung, es erweist sich vielmehr lediglich als um seiner selbst willen berichtet. Ergibt sich aus allen diesen Erhebungen, daß die ntl. Aussagen über die Krankheit, trotz notwendiger kritischer Abstriche 2*

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Allgemeines und Grundsätzliches.

dennoch im allgemeinen das Vertrauen des Forschers verdienen, so verstärkt sich dieser Eindruck, je näher er die Krankheit kennen lernt, deren Heilung sie berichten (Weinel, a. a. O., S. 110, Dibelius, Formgeschichte. 99 f.) „Jedenfalls entsprechen recht viele der im N. T. erzählten Heilungen anderweitigen, und zwar auch modernen ärztlichen Erfahrungen in einem weit höheren Maße, als viele zu glauben scheinen" (W. Ebstein: Die Medizin im N . T . 1903, S. 119). P r ü f t man die ntl. Aussagen über die Krankheit an den durch die ärztliche Wissenschaft gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen, so ergibt sich, daß die im Urchristentum berichteten Krankheitserscheinungen unter ähnlichen Verhältnissen auch anderswo beobachtet worden sind, und daß auch die ihnen gegenüber angewandten Heilkräfte bis in die Gegenwart ihre Parallelen haben.

B. DIE NTL. ANSCHAUUNGEN VON DER ENTSTEHUNG DER KRANKHEIT. Die urchristlichen Anschauungen über die Ursache der K r a n k h e i t , die hier n u r in ihren Grundzügen dargestellt werden sollen, e n t s t a m m e n dem primitiven D e n k e n 1 . N a c h den n a t ü r lichen Ursachen einer K r a n k h e i t wird im N . T. nicht gefragt. Das U r c h r i s t e n t u m bietet keinerlei Ansätze zu einer Aetiologie oder Pathogenese 2 , ebenso wie es auch der K e n n t n i s des B a u e s u n d der F u n k t i o n e n des menschlichen Organismus e r m a n g e l t 3 . Die K r a n k h e i t erscheint vielmehr durch höhere Macht v e r u r s a c h t u n d wird entweder auf Gott selbst oder auf die D ä m o n e n u n d den Teufel z u r ü c k g e f ü h r t . Sie erscheint als göttliche Vergeltung, als Strafe f ü r menschliche Sünde, was sowohl jüdischem D e n k e n entspricht (F. W e b e r : Jüdische Theologie auf G r u n d des T a l m u d u n d v e r w a n d t e r Schriften. 2. A. 1897, S. 243 ff. Strack-Billerbeck, zu Mt. 9, 2. E . Balla: D a s Problem des Leides in der Geschichte der isr.-jüd. Religion. Eucharisterion I, 255 a. 4), wie auch in der griechisch-römischen Welt galt (Weinreich, a. a. 0 . , S. 60). Diese Auffassung liegt in den ntl. E r z ä h l u n g e n v o m paralytikos, Mk. 2, 5, dem K r a n k e n a m Teich von B e t h z a t h a , J o h . 5, 14, u n d v o m Blindgeborenen, J o h . 9, 2. 34 vor. Auch 1. K o r . 11, 30. Apok. 2, 22 u n d J a k . 5, 15 gehen auf sie zurück. E i n e n erheblich breiteren R a u m als diese A n s c h a u u n g v o n der Ursache der K r a n k h e i t n i m m t im urchristlichen, wie bereits 1 Sie sind „vorwissenschaftlich", „mythologisch". Als solche bilden sie nicht „die Substanz des Christentums". P. Wernle: Die Anfänge unserer Religion 2 A. 1904, S. 8. 2 Krankheitsentstehung. 3 Über die physiologischen Vorstellungen im Spätjudentum StrackBillerbeck IV. 2, S. 747 f.

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Die E n t s t e h u n g der Krankheit nach dem N. T.

i m spätjüdischen u n d im griechisch-römischen Denken, die zweitg e n a n n t e ein, die hinter aller K r a n k h e i t die D ä m o n e n u n d den Teufel sieht, so d a ß die K r a n k h e i t selbst als D ä m o n erscheint. (Strack - Billerbeck IV. S. 501 ff.: „Zur a l t j ü d . Dämonologie". R . G. G. 1. A. I I , Sp. 1210 f., 2. A. I I . 963 ff.) E i n e innere Verbindung dieser beiden Anschauungen scheint bereits im Spätj u d e n t u m vorzuliegen, denn es sah in den D ä m o n e n entweder den u n m i t t e l b a r e n Grund wie des Leides ü b e r h a u p t , so auch der K r a n k h e i t , oder den mittelbaren, sofern sie den Menschen zu allerlei Schlechtigkeit verführen, der d a n n als gerechte Strafe Gottes das Leid folgt (Balla, a. a. O.). N a c h urchristlicher Auffassung gilt die ganze Welt als von bösen Geistern erfüllt u n d von ihrem O b e r h a u p t beherrscht, 1. J o h . 5, 19. 1. K o r . 5, 5. J o h . 12, 31. E p h . 2, 2. 6, 12. Mt. 4, 8 f. = Lk. 4, 5 ff. B a r n . 4, 10 u. a. Alles Unheil in der Welt u n d im Menschenleben geht auf sie zurück. Der Mensch wird überall von D ä m o n e n u m l a u e r t , alle menschliche Gebrechlichkeit u n d Hinfälligkeit ist von ihnen verursacht ( H a r n a c k : Dogmengeschichte. 4. A. I, S. 200), besonders jede unerklärliche u n d unheimliche K r a n k h e i t gilt als Dämonenwerk. (W. Bousset: Die Religion des J u d e n t u m s im ntl. Zeitalter. 1906, S. 390. W e n d l a n d : Hellenistisch-römische K u l t u r . 1907, S. 122 ff. P . Volz: Der Geist Gottes u n d die verw a n d t e n Erscheinungen im A. T. u n d im anschließenden J u d e n t u m . 1910, pass. J o h . Weiß in R . E . 3. A. A r t . „Dämon", „Dämonische" cf. über das M a n a der D ä m o n e n R . G. G. 1. A. IV. 125 ff.) Das S p ä t j u d e n t u m k e n n t auch f ü r die einzelne K r a n k h e i t den betreffenden Dämon, den Geist der K u r z a t m i g keit, der E n t z ü n d u n g u n d des Fiebers, des K a t a r r h s , der rheumatisch m a c h t , der Blindheit u n d Taubheit, des Irrsinns (StrackBillerbeck IV. S. 524 ff. 503. 637). Diese antike, auf animistischen Vorstellungen beruhende Auffassung von den K r a n k heitserregern (Joseph, bell. jud. 7, 6, 3. cf. O. v o n H o v o r k a : Geist der Medizin. 1915, S. 199 ff. 203 ff.), die noch heute gerade im Orient lebendig ist (Ludwig B a u e r : Volksleben im L a n d e der Bibel. 2. A. 1905, S. 225, C a n a a n T a u f i k : „Dämonenglaube im L a n d e der Bibel". 1929) spiegelt sich i m urchristlichen Sprachgebrauch. Wie bereits die Septuaginta, so bezeichnet das Urc h r i s t e n t u m diese Krankheitsgeister als daimonia. Das an sich ethisch indifferente N e u t r u m von daimonios h a t im N. T. stets die Bedeutung des Unheilvollen, doch ist dort diese Bezeichnung der

Die Dämonen als Krankheitserreger.

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Krankheitserreger nicht die durchgehende. Am häufigsten findet sie sich bei Lk. (19 mal), bei Mk. 9 mal, bei Mt. 8 mal, bei Joh. 6 mal. Daneben gebrauchen die Synoptiker pneuma akatharton, am häufigsten Mk. (11 mal), Lk. 5 mal, Mt. 2 mal. In Acta steht es 2 mal. Seltener findet sich dafür pneuma poneron, bei Lk. 4 mal, Mt. 1 mal, Act. 1 mal. Mt. hat 1 mal daimones für daimonia, 8, 31. Bei Lk. findet sich 4, 33 pneuma daimoniu akathartu (D: pneuma daimonion akatharton.) Das einfache pneumata steht Mk. 9, 20. Mt. 8, 16. 12, 45. Lk. 9, 39. 10, 20. 11, 26. Act. 16, 18. cf. 1. Kor. 12, 10, pneumata tes astheneias, Lk. 8, 2. 13,11. Im 4. Evangelium findet sich die Vokabel daimonion nur in Beziehung auf Christus in einem spezifischen Sinn, 7, 20. 8, 48 f. 52. 10, 20. Ein solcher liegt auch bei den Synoptikern überall vor, wo das in der Septuaginta fehlende daimonizesthai gebraucht wird. Wo von daimonizomenoi (ein dämonisch Gewesener heißt daimonistheis Mk. 5, 18) die Rede ist, sind offenbar Kranke mit Störungen des Seelenlebens gemeint. In solchen Fällen spricht das N. T. auch von pneuma akatharton echein oder en pneumati akatharto einai (Mk.).

Die schädigende Wirkung dieser, an öden Stätten hausenden Dämonen, Mt. 12,43 Par., die F. Preisigke (Die Gotteskraft der frühchristlichen Zeit. 1922) auf ihre ursprüngliche, animistische Bedeutung zurückgeführt hat, und die Strack-Billerbeck (II, S. 300, cf. IV. S. 505 f.), als „Seelen ohne Körper" kennzeichnet, können den Menschen auf doppelte Weise schädigen, entweder dadurch, daß sie ihn von außen „schlagen", daran ist Mk. 9, 18. 2. Kor. 12, 7. Act. 12, 23 gedacht, oder dadurch, daß sie in den Menschen eingehen, Lk. 8, 30. Joseph, bell. 7, 185. ant. 6. 166ff. 211. 214. 8,45ff„ (M. Bartels: Die Medizin der Naturvölker. 1893, S. 11 ff. W. W u n d t : Völkerpsychologie. 1906. 11,2,391. J . Schwalbe: Irrtümer der allgemeinen Diagnostik und Therapie. Heft 3, S. 55). I m letzteren Fall nimmt der Dämon, der als durch Mund und Nase, „diese Pforten der Seele", in den Menschen eingedrungen gedacht ist, von ihm Besitz und gewinnt völlige Macht über seine Gedanken, Worte und Handlungen. So beurteilt der Kranke sich selbst als einen „Besessenen" (StrackBillerbeck I, 137. 631. 861. IV, 524 f. 534 f.) oder wird von anderen so angesehen 1 . I n der Regel f ä h r t nur ein einziger Krankheitsdämon in den Menschen, es kann aber auch eine Mehrzahl, Mt. 12, 43 ff., ja, eine Menge sein, Mk. 5, 9, wenn man hier nicht mit Strack-Billerbeck daran denken will, daß im 1 Uber die in allen Ländern sich findende, nur nach den religiösen und kulturellen Anschauungen variierende Vorstellung von der Besessenheit E. v.Baelz: Über Besessenheit und verwandte Zustände. Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte. I . 1907. T. K. Oesterreich: Die Besessenheit. 1921. Dort die gesamte Literatur.

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Die Entstehung der Krankheit nach dem N. T.

rabbinischen Sprachgebrauch „Legion" nicht bloß die ganze Truppe, sondern auch den einzelnen Legionär bedeutet. In solchen Fällen ist an besonders schwere und komplizierte Krankheitszustände gedacht. Der Dämon kann sich zeitweise dem Menschen gegenüber untätig verhalten, um ihn dann wieder um so heftiger und grausamer zu peinigen. Durch diese Einwohnung des Dämons entsteht im Kranken manchmal ein duales Bewußtsein, Mk. 1, 24 (Oesterreich, S. 30. 34 ff.) Der Dämon kann durch den Kranken sprechen, auch ein Gespräch mit dem Dämon ist möglich, Mk. 1, 34. 5, 7 ff. (Oesterreich, S. 58 f.) Hüllt ein solcher Kranker sich in Schweigen, so h a t er einen sprachlosen, stummen Dämon, Mk. 9, 17. Oft schreit der Dämon aber aus dem Menschen, Mk. 5, 5 ff. Lk. 4, 33. 8, 28. Act. 8, 7 u. a. Auch körperlich h a t der Dämon den Kranken ganz in seiner Gewalt, Mk. 9, 18 ff. 1, 26. Lk. 8, 29. 9, 39. Da für die Dämonen die Schranken des Raumes aufgehoben sind, so vermögen sie überall zu sein, so erfahren sie alles, wissen sie alles (Tert. Apol. 23 f.). Mit solchem höheren Wissen ausgestattet erscheinen sieMk. 1,24. 34. 3,11. 5,7 u . a . Durch den Dämon bekommt der Kranke bisweilen ungeheure Körperkräfte, so daß er jede Fessel sprengt, Mk. 5, 4. Aber die Besessenheit äußert sich auch in ganz andersartigen Erscheinungen als in solchen wilden Erregungszuständen: in Stummheit, Mt. 9, 32. Lk. 11, 14, in Blindheit und Stummheit, Mt. 12, 22. I n einzelnen Fällen werden dieselben Leiden als dämonischen Ursprungs angesehen, Mt. 9, 32 f. 12,22f. Lk. 11, 14. Mk. 9, 17. 25, in anderen ist davon keine Rede, Mk. 7, 32. Mt. 9, 27. 20, 30. Mk. 8, 22. 10, 46. Die von W. Braun (Z. Th. K. 1898, S. 494 ff.) hieraus gefolgerte Unterscheidung zwischen Krankheiten dämonischen Ursprungs und „natürlichen Gebrechen" widerspricht dem antik - primitiven Denken, dem diese modernen Kategorien fremd sind, für das alle Krankheit vielmehr übernatürlichen Ursprungs ist. Auch die von A. Schlatter (Die Geschichte des Christus. S. 235) befürwortete Unterscheidung von „Krankheiten, die leibliche Vorgänge seien, und solchen, die auf unsichtbare Verderber zurückgeführt wurden", besteht für das Denken des primitiven Menschen nicht. Gerade auch der Aussatz, mit dem Schi, argumentiert, kennzeichnet seinen Träger als „Unreinen", von Dämonen „Geschlagenen" (Volz, Altertümer, S. 92. Oesterreich, S. 120 f.). So sind die Dämonen als Krankheitserreger auch bei denjenigen Krankheitsfällen des

Krankheit und Besessenheit im N. T.

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N. T. zu supponieren, bei denen sie nicht ausdrücklich erwähnt werden. Wenn in den Evangelien bisweilen zwischen den Heilungen Dämonischer und anderer Kranker unterschieden wird, Mk. 1, 34. 3, 10 f. 6, 13. Lk. 4, 40. 6, 17 f. 7, 21. Act. 5, 16. 8, 7 u. a., so wird eine jüngere Uberlieferungsschicht anzunehmen sein, in der der Begriff der Besessenheit auf eigentliche Störungen des seelischen Verhaltens beschränkt wurde, Mk. 3, 22, 30. Par. cf.Mt. 10, 05. 11, 18. Lk. 7, 33. Joh. 7, 20. 8, 48. 52. 10, 20 (Hier neben dem daimonion echei auch kai mainetai) u . a . Daß aber für die ältere und ursprüngliche evangelische Überlieferung alle Krankheit dämonischen Ursprungs ist, läßt sich noch aus einer Reihe von Stellen erkennen, Mk. 9, 25. 7, 32. cf. Mt. 9, 32 f. 12, 22. = L k . 11, 14. 13, 11. 4, 39. So wird in der Erzählung von der verkrümmten Frau, Lk. 13, 11, das Leiden auf ein pneuma astheneias zurückgeführt, sie war eine vom Satan Gebundene, V. 16. Auch bei der Heilung der fieberkranken Schwiegermutter des Petrus, Lk. 4, 39, wird mit dem epetimesen, cf. auch das exebalen, (K. L. Schmidt: Der Rahmen der Geschichte Jesu, zu Mk. 1, 43) das Vorhandensein des betreffenden Krankheitsdämons vorausgesetzt. Dem entspricht die Sendung der Zwölf, Mk. 6, 7 P a r . ; auch die 70 (über die Lesart und die Beurteilung von Lk. 10, 1 als Dublette von Mk. 6, Mt. 10 ebd. S. 167 f., Roland Schütz a. a. O.) werden mit dem Auftrag ausgesandt, therapeuete tus astheneis, Lk. 10, 9. Daß auch hier die Dämonen als Erreger der Krankheit gedacht sind, zeigt der Bericht der Ausgesandten bei ihrer Rückkehr, V. 17. Auch die Antwort Jesu an die Abgesandten des Täufers, Mt. 11, 5. = L k . 7, 22, k a n n allein darum von den Heilungen Besessener schweigen, weil alle Krankheiten als dämonischen Ursprungs angesehen werden. Zu Unrecht folgert Lemme, a. a. O., S. 166, aus dem Fehlen der Dämonischen an dieser Stelle, daß Jesus den Dämonenheilungen nicht den Wert beigemessen habe, wie es bei Mk. erscheine. Er schließt das auch aus dem Fehlen von Dämonenheilungen im Joh.-Evangelium, die aber dort wohl vom Evangelisten unterdrückt sind, weil sie ihm nicht als Beweise der absoluten Macht des Christus, sondern geeignet erschienen, ihn auf das Niveau landläufiger Exorzisten herabzudrücken, Mk. 3, 15. 9, 38. Mt. 12, 27. Auch in Act. 10, 38 wird die gesamte Heiltätigkeit Jesu als Kampf gegen den Teufel geschildert, cf. 1. Joh. 3, 8. Genau so h a t sie Jesus selbst aufgefaßt, Mt. 12, 28 = Lk. 11, 20. Ent-

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Die Entstehung der Krankheit nach dem N. T.

sprechend der jüdischen Enderwartung vom Sturz Satans und seiner Genossen (Strack-Billerbeck, zu Lk. 10, 18) hat er in seiner Macht über die Dämonen den beginnenden Sieg der Gottesherrschaft über die Teufelsherrschaft gesehen. Die ganze Anschauung von der Entstehung der Krankheit durch dämonische Einwirkung oder Einwohnung stellt sich uns so als die antike Form der populären, auch im rationalen Denken fortlebenden Auffassung der Krankheit als eines in den Menschen eingedrungenen „pathogenen 1 Mikroorganismus" dar (J. Schwalbe, a. a. 0 . 0 . Schwarz: Psychogenese und Psychotherapie körperlicher Symptome. 1925, S. 91 f.) und wird zugleich die primitive Parallele zur Infektionslehre der heutigen Medizin 2 . Die römisch-kathol. Exegese, (Th. Taozak: Dämonische Besessenheit. 1903. cf. Dausch: Die drei älteren Evangelien. 3. A. 1923, S. 162 f.) lehnt die Auffassung der Besessenheit als Krankheit ab und nimmt ein tätsächliches Okkupiertsein dieser Kranken von sittlich unreinen, teuflischen Geistern an. Aber gehen, wie T. behauptet, die vielen Fälle von Besessenheit in der Zeit Christi darauf zurück, daß die Welt damals sittlich tief gesunken war. und muß er zugleich zugeben, daß diese Fälle heute fast ganz verschwunden sind, so entzieht er damit seiner eigenen These den Boden. Denn sind heute die Fälle von Besessenheit selten geworden, so erklärt sich das nicht daraus, daß es heute weniger sittliche Korruption in der Welt gibt als in urchristlicher Zeit, sondern lediglich aus dem Umstände, daß die Voraussetzung des Besessenheitswahns, der antike und mittelalterliche Teufels- und Dämonenglaube, den der Katholizismus teilt (F. Heiler, a. a. 0 . S. 571; cf. den Untertitel der Schrift von Taczak), einer anderen Beurteilung Platz gemacht hat (Oesterreich, S. 193). Von evangelischer Seite hat G. Hafner: Die Dämonischen des N. T. 1894. diese primitive Auffassung vertreten. Gegen dies „bakterium daemonicum Hafneri" H. Laehr: Die Dämonischen des N . T . 1894. Aber schon Luther meinte: „Ueber das ist kein Zweyfel, dass Pestilentz und Fieber und ander schwer Krankheyten nichts anders seien, denn des Teufels Werkhe." (bei Bartels, a. a. O. S. 9, 11 ff. cf. Oesterreich, S. 181.) Erst nach dem Kampf der Aufklärung gegen den Besessenheitsglauben konnte Friedrich Schleiermacher die Besessenheitszustände als wirkliche Krankheitszustände kennzeichnen (Das Leben Jesu, in: Sämtliche Werke. 1864. VI. S. 342 f.) Über das Wiederaufleben des Besessenheitsglaubens durch die Romantik: Oesterreich, S. 189. Über Besessenheitsfälle in der Gegenwart: ebd. S. 192 ff.

1 Krankheitserregenden. 2 Nach spätjüdischer Auffassung haftet ein schädigender Dämon auch an der ungewaschenen Hand. Strack-Billerbeck IV, S. 517, Mk. 7, 2 Par.

C. DIE KRANKHEIT IM N. T. IN IHREN EINZELERSCHEINUNGEN. I. Benennung und Beschreibung. Für die deutschen Worte Krankheit, krank, krank sein, hat das N. T. eine ganze Reihe von Ausdrücken. Krankheit heißt dort nosos, Mt. 4, 23 f. 8, 17. 9, 35. 10, 1. Mk. 1, 34. Lk. 4, 40. 6, 14. 7, 21. 9, 1. Act. 19, 12, oder astheneia, Mt. 8, 17. Lk. 5, 15. 8, 2. 13, 11 f. Joh. 5, 5. 11, 4. Act. 28, 9. Gal. 4, 13. 1. Tim. 5, 23. Hebr. 11, 34? im Plural = Schwächeanfälle, 2. Kor. 12, 5. 9 f. 1. Tim. 5, 23, seltener malakia, Mt. 4, 23. 9, 35. 10, 1. Ist an quälende Leiden gedacht, so steht basanos Mt. 4, 24. Herrn, vis. 3, 7, 6. sim. 6, 3, 4. 6, 4, 3f. 6, 5, 1. 3. 7 1 oder mastix Mk. 3,10. 5, 29. 34. Lk. 7, 21. 1. Klem. 22, 8. Herrn, vis. 4, 2, 6. Greifen Krankheiten stark um sich, so heißen sie loimoi, Lk. 21, 11. Mit einander verbunden erscheinen nosos und astheneia, Mt. 8, 17. nosos und malakia Mt. 4, 23. 9, 35. 10, 1, nosos und basanos Mt. 4, 24. K r a n k ist im N. T. asthenes, Mt. 25, 39. 43 f. Lk. 10, 9. Act. 4, 9. 5, 15 f. 1. Kor. 11, 30, substantivisch ho asth., der Kranke, Mt. 25, 43 f. Lk. 10, 9. Act. 5, 15 f. 1. Klem. 59, 4. Pol. 6, 1, oder arrostos, mit dem Nebensinn des Siechen, Mk. 6, 5. 13. (16, 18.) Mt. 14, 4. 1. Kor. 11, 30, wo es mit asthenes im Sinne krankhafter Kraftlosigkeit verbunden ist. Die Kranken heißen oft hoi kakos echontes, Mk. 1, 32. 34. 2, 17. 6, 55. Mt. 4, 24. 8, 16. 9, 12. 14, 35. Lk. 5, 31. 7, 2. Nur einmal findet sich für krank die Vokabel kamnon, J a k . 5, 15. F ü r krank sein sagt das N. T. asthenein, Mk. 6, 56. Mt. 10, 8. 25, 36. 39. Lk. 4, 40. 9,2. Joh. 4, 46. 5,3. 7. 6,2. 11, 1 ff. 6. Act. 9, 37. 19, 12. 20, 25. Phil. 2, 26 f. 2. Tim. 4, 20. J a k . 5, 14. 2. Kor. 1 Der Plural von basanos

bedeutet bei Lk. (16,23)

Höllenqualen.

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Die K r a n k h e i t in ihren Einzelerscheinungen.

12, 10 (?). 1. Klem.59, 4. An oder unter einer Krankheit leiden heißt: asthenein noso, Lk. 40. kakos echein noso, Mt. 4, 24. echein astheneian, Act. 28, 9. basanizesthai, Mt. 8, 6, oder auch Icalcos paschein, Mt. 17, 15 1 . Außerdem enthält das N. T. eine große Zahl auf die Krankheit bezüglicher Ausdrücke in übertragener Bedeutung z. B. nosein, 1. Tim. 6, 4, he hygiainusa didaskalia, 1. Tim. 1, 10. 2. Tim. 4, 3. Tit. 1, 9. 2, 1. cf. 1. Tim. 6, 3. 2. Tim. 1, 13. Tit. 1, 13. 2, 2, oder den molops Christi, 1. Petr. 2, 24, loimos, Act. 24, 5, gangraina, 2. Tim. 2, 17, u. a., die aber für die vorliegende Untersuchung nicht weiter in Bet r a c h t kommen. Auch für die Benennung der einzelnen Krankheit verfügt das N. T. über eine ganze Reihe entsprechender Termini, es kennt außer den bereits erwähnten daimonizonenoi: paralytikoi oder paralelymenoi, choloi, typhloi, anaperoi, xeroi, kophoi, leproi usw. Aber während die heutige medizinische Wissenschaft jede Krankheit durch ihren Namen genau zu kennzeichnen sucht, bewegen sich die ntl. Krankheitsnamen zum guten Teil in Allgemeinheiten, aus denen ein genaues Bild von der Art des Leidens nicht zu gewinnen ist. Bisweilen ist selbst ihre deutsche Wiedergabe umstritten. Wenn Walter Bauer (Handb. zum N. T. Joh.-Evang. 1. A. 1912, S. 53) die Vokabel xeroi in 5, 3 mit „an Auszehrung Leidende" übersetzt, so weiß man nicht, woran er dabei denkt, ob, was nach seiner Ubersetzung nahe liegt, an Phtisis 2 oder, was nach dem Zusammenhang wahrscheinlicher ist, an Atrophie 3 . I n demselben Dunkel tappen wir auch bei den choloi und typhloi der angeführten Stelle. Welcher Art diese Bewegungs- und Sehstörungen waren, erfahren wir nicht. Die ntl. Krankheitsbenennungen entstammen ja der Volkssprache, die, wie auch die Medizin auf früheren Entwicklungsstufen, die Krankheit nur nach einem auffälligen Symptom benennt, weil dieses für die Krankheit selbst gehalten wird (R. Gaupp: Wege und Ziele psychiatrischer Forschung. 1907. S. 14; O. Schwarz, a. a. 0., S. 28 f.); so spricht das Volk von Fieber, Wassersucht, Tobsucht, ohne zu wissen, daß das alles nur Symptome sind, die bei verschiedenen Erkrankungen erscheinen. 1 .. . .ete echein en astheneia, . . . J a h r e l a n g k r a n k sein, J o h . 5, 5 . cf. 11, 4. Herrn, sim. 6, 3, 4. Z Schwindsucht. 3 Gewebeschwund.

Benennung und Beschreibung der Krankheit im N. T.

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Mehr Anhalt für die Bestimmung der im N. T. vorkommenden Krankheiten scheint ihre Schilderung in den einzelnen Erzählungen zu gewähren. Wir hören von Anfällen mit Schäumen und Zähneknirschen, von wilden Schrei- und Wutausbrüchen, von Lähmung und Verkrümmung usw. Diese Schilderungen der einzelnen Krankheitsfälle zeigen eine Reihe typischer Züge, die sich auch in ähnlichen Erzählungen außerhalb des N. T. finden. Wir erhalten Angaben über die Dauer der Krankheit, Mk. 5, 25 f. 9, 21. Lk. 13, 11. Act. 3, 2. 4, 22. 9, 33. 14, 8. Joh. 9, 1 cf. Philostr. Vit. Apoll. I I I , 38. 39. Dittenb. Syll. I I . 802, 95. 809, 5. Vereinzelt wird auch die Furchtbarkeit und Gefährlichkeit des Krankheitsfalles betont, Mk. 5, 3 ff. 9, 18 ff. cf. Lucian Philops. 11. 16. Philostr. Vit. Apoll. IV, 20, oder auf die vergeblichen Heil versuche der Ärzte hingewiesen, Mk. 5, 26. cf. Weinreich a. a. O., S. 195 ff. Aber eine genaue Beschreibung der einzelnen Krankheit, wie sie den Forderungen der Wissenschaft entspricht, liegt nirgends vor. Die rein volkstümliche Erzählung vermag ein medizinisches Krankenblatt nicht zu ersetzen. Die Anamnese 1 fehlt meist ganz. Über den bisherigen Verlauf der Krankheit erfahren wir oft nichts. Der status praesens wird bald nur andeutungsweise, bald mit gewissen Einzelangaben geschildert, beschränkt sich aber auf die gerade hervortretenden Symptome, für deren vollständige Aufzählung eine Bürgschaft nicht besteht. Nicht selten werden diese Symptome auch in Erscheinungen gefunden, die wohl vorhanden, aber f ü r die Krankheit selbst nicht charakteristisch sind, oder zu mehreren Krankheiten passen. (H. Seng: Die Heilungen Jesu in medizinischer Beleuchtung. 1926, S. 11, M. Höfler: Deutsches Krankheitsnamenbuch. 1899, Vorwort). F ü r die Stellung einer einwandfreien Diagnose reicht das vorliegende Material nicht aus. Nur wenige, einigermaßen deutliche Krankheitsbilder lassen sich gewinnen. Trotzdem enthalten gerade auch die Heilungserzählungen des N. T. so viele beachtenswerte Bemerkungen, daß es möglich ist, wenigstens mit einiger Wahrscheinlichkeit die einzelnen Krankheitsformen zu erkennen und auf eine gemeinsame, durch die zeit- und sozialgeschichtlichen Verhältnisse bedingte, pathologische Grundlage zurückzuführen. Daß es sich um eine solche handelt, wird schon von vornherein dadurch 1 = Die Vorgeschichte der Krankheit.

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

nahe gelegt, daß eine ganze Anzahl von Krankheiten, die das A. T. kennt, (W. Ebstein: Die Medizin im A. T. 1901) und die in ntl. Zeit ebenso vorhanden gewesen sein werden, gleichwohl im N. T. nicht erscheinen 1 , weil sie über den Kreis des den urchristlichen Heilungskräften Zugänglichen hinausgegangen sein dürften. Gehen wir nun dazu über, die einzelnen Krankheitsformen des N. T. darzustellen und zu beurteilen, so soll das nicht nach einem Schema klinischer Terminologie geschehen, es soll vielmehr nur versucht werden, wie auch Seng es tut, die vorliegenden Fälle „nach Gesichtspunkten, wie wir sie heute brauchen", zusammenzustellen. Da eine solche Einteilung nur für die in den Evangelien und in der Apg. vorkommenden Krankheitsfälle praktische Bedeutung hat, wollen wir zunächst die Krankheit des Paulus untersuchen, sodann in Anlehnung an die Einteilung Sengs von den Kranken mit psychischen Hemmungen, mit somatischen Veränderungen und mit sensorischen Störungen handeln.

II. U n t e r s u c h u n g und B e u r t e i l u n g der einzelnen K r a n k h e i t s f o r m e n . 1. D i e K r a n k h e i t

des

Paulus.

Auf seine Krankheit kommt Paulus 2. Kor. 12, 7 ff. im Zusammenhang mit seinen außergewöhnlichen, ekstatischvisionären Erlebnissen zu sprechen (H. Windisch: Der 2. Korintherbrief. 1924, S. 385 ff.) Gegen allen, ihm nahegelegten Selbstruhm hat er ein starkes Gegengewicht empfangen, einen skolops en sarki, einen Dorn oder Splitter im Fleisch, etwas, was ihm stechenden Schmerz bereitet (Strack-Billerbeck, z. d. St.); ein Satansengel d. h. ein Dämon ist ihm beigegeben worden, wie auch dem Nebukadnezar von Gott ein Satansengel gesandt wird, damit er ihn schlage, (a. a. O. I, 139. 983). Dieser Trabant des Teufels schädigt den Paulus durch kolaphizein, durch „mit Fäusten schlagen" (wohl populärer Ausdruck für pykteuein, 1 cf. Th. Traub: Jesu Heilungen. Chr. W. 1904, Sp. 823.

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

nahe gelegt, daß eine ganze Anzahl von Krankheiten, die das A. T. kennt, (W. Ebstein: Die Medizin im A. T. 1901) und die in ntl. Zeit ebenso vorhanden gewesen sein werden, gleichwohl im N. T. nicht erscheinen 1 , weil sie über den Kreis des den urchristlichen Heilungskräften Zugänglichen hinausgegangen sein dürften. Gehen wir nun dazu über, die einzelnen Krankheitsformen des N. T. darzustellen und zu beurteilen, so soll das nicht nach einem Schema klinischer Terminologie geschehen, es soll vielmehr nur versucht werden, wie auch Seng es tut, die vorliegenden Fälle „nach Gesichtspunkten, wie wir sie heute brauchen", zusammenzustellen. Da eine solche Einteilung nur für die in den Evangelien und in der Apg. vorkommenden Krankheitsfälle praktische Bedeutung hat, wollen wir zunächst die Krankheit des Paulus untersuchen, sodann in Anlehnung an die Einteilung Sengs von den Kranken mit psychischen Hemmungen, mit somatischen Veränderungen und mit sensorischen Störungen handeln.

II. U n t e r s u c h u n g und B e u r t e i l u n g der einzelnen K r a n k h e i t s f o r m e n . 1. D i e K r a n k h e i t

des

Paulus.

Auf seine Krankheit kommt Paulus 2. Kor. 12, 7 ff. im Zusammenhang mit seinen außergewöhnlichen, ekstatischvisionären Erlebnissen zu sprechen (H. Windisch: Der 2. Korintherbrief. 1924, S. 385 ff.) Gegen allen, ihm nahegelegten Selbstruhm hat er ein starkes Gegengewicht empfangen, einen skolops en sarki, einen Dorn oder Splitter im Fleisch, etwas, was ihm stechenden Schmerz bereitet (Strack-Billerbeck, z. d. St.); ein Satansengel d. h. ein Dämon ist ihm beigegeben worden, wie auch dem Nebukadnezar von Gott ein Satansengel gesandt wird, damit er ihn schlage, (a. a. O. I, 139. 983). Dieser Trabant des Teufels schädigt den Paulus durch kolaphizein, durch „mit Fäusten schlagen" (wohl populärer Ausdruck für pykteuein, 1 cf. Th. Traub: Jesu Heilungen. Chr. W. 1904, Sp. 823.

Die Krankheit des Paulus.

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hypopiazein). Hierbei handelt es sich wohl nicht um Ohrfeigen, sondern, wie M. Krenkel (Beiträge z. Aufhellung der Geschichte und der Briefe des Ap. Paulus. 1890, S. 49 a. 3) nachweist, u m Faustschläge, die Kopf und Scheitel treffen. Die von Lietzmann (Handbuch z. N. T. An die Korinther II, 2. A.) angeführten Parallelen, Euseb. h. e.V, 28, 12, Hieron. ep. 22, 30, werden unserer Stelle nicht gerecht, da es sich bei Paulus nicht, wie dort, um ein einfaches Verprügeltwerden, das als einmaliges gedacht ist, vielmehr offenbar um sich immer wiederholende Vorgänge handelt. Mag auch kolaphizein nicht notwendig = „zu Boden schlagen" sein, ein von schweren Faustschlägen auf den Kopf Getroffener wird darunter oft betäubt zu Boden sinken. Daß Paulus den Ausspruch in diesem Sinne gemeint hat und nicht bloß im Sinne von ohrfeigen, erhellt aus den wiederholten hina me hyperairomai. Dem Sichselbstüberheben steht das tief demütigende Niedergeschlagenwerden als Gegensatz gegenüber. Die Beseitigung dieses furchtbaren Übels hat er 3 mal, wobei die Länge der Zwischenräume nicht erwähnt wird, durch das Gebet vergeblich herbeizuführen gesucht. Ein Dreifaches darf aus diesen Aussagen des Paulus hinsichtlich des über ihn verhängten Übels gefolgert werden: 1. daß Paulus an einer in seinem Körper sich auswirkenden Krankheit litt, 2. daß dieses Leiden ein chronisches, 3. daß es mit stechendem Schmerz verbunden war und in heftigen Anfällen von dämonischer Unheimlichkeit verlief. Wie Paulus bei den Korinthern die Bekanntschaft mit seinem Leiden voraussetzt und darum nur in allgemeinen Andeutungen davon redet, so auch im Galater-Brief, 4, 13 ff., di' astheneian tes sarkos, wegen leiblicher Schwachheit oder „aus Anlaß einer Erkrankung" h a t er bei den Galatern unfreiwilligen Aufenthalt genommen. Bedeutete auch sein Krankheitszustand für sie eine starke Zumutung, sie haben die Probe bestanden, sie haben ihn nicht mit Verachtung behandelt und auch nicht (vor ihm) ausgespien, sondern ihn wie einen Gottesengel, ja wie Christus Jesus aufgenommen. Paulus muß ihnen V. 15 sogar das Zeugnis ausstellen, daß sie sich womöglich ihre Augen ausgerissen und ihm gegeben hätten. Hieraus ergibt sich für die Krankheit des Paulus zunächst, daß der Zustand, in dem die Galater sie kennen lernten, für sie etwas starken Abscheu Erregendes an sich trug. Daß uk

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

exuthenesate geht wohl weniger auf die beschämende, hilflose Lage des Paulus, als vielmehr in Verbindung mit dem steigernden uk exeptysate auf das Abstoßende, das sein Anblick bot. Hierbei wird an einen im Altertum weit verbreiteten und auch heute noch bekannten apotropäischen Brauch gegen dämonische Einflüsse, die man besonders bei allen unheimlichen, abstoßenden Krankheitszuständen sich auswirken sah, zu denken sein. Näher läge schon eine metaphorische Auffassung von Gal. 4, 15, die Liebe der Gal. sei so überschwänglich gewesen, daß sie sich auch zum Opfer des Teuersten bereit gezeigt hätten; allein die hierfür beigebrachten Belege genügen m. E. nicht, um die eigentümliche Ausdrucksweise der Stelle zu beleuchten, die nur einen Sinn hat, wenn dem Paulus damals gesunde Augen fehlten. Die Annahme erscheint daher wohlberechtigt, daß die Krankheit des Paulus in Galatien in Verbindung mit einem Augenübel auftrat. Konkretere Züge über die Art dieser Sehstörung, wie über die Krankheit des Paulus überhaupt, gewinnen wir aus seinem Act. 22, 6 ff. 26, 12 ff. 9, 3 ff. erzählten Bekehrungserlebnis. Handelt es sich auch in der letzten Stelle nicht um eine kritiklos zu verwertende Geschichtsquelle, und haben auch die Reden des Paulus in den beiden andern Stellen erst durch den Verfasser ihre, aus der jeweiligen Situation geborene Formulierung erhalten (zu den scheinbaren Widersprüchen Strack-Billerbeck II, S. 690), so dürfen sie gleichwohl nicht einfach als freie schriftstellerische Komposition abgelehnt werden. Die historische Grundlage des Vorgangs ist nicht zu verkennen (E. Vischer: Der Apostel Paulus und sein Werk, 1910, S. 15). Daß Paulus in seinen Briefen die DamaskusVision nicht erwähne, bemüht sich G. P. Wetter (Die Damaskusvision und das paulinische Evangelium, in: Pestgabe für Jülicher S. 30, ff.) zu zeigen. Aber er wird Gal. 1,14 ff. stets gegen sich behalten und gibt auch schließlich für die Berufung des Paulus eine Vision wie die Act. 9 Par. erzählte als möglich, ja wahrscheinlich, zu.

In die Krankheitszustände, an denen Paulus litt, erhalten wir hier einen wertvollen Einblick. Der in einer starken Erregung befindliche Fanatiker h a t eine, durch die blendende Mittagsglut beförderte Halluzination, die zunächst in Form einer Vision verläuft, dann fällt er zu Boden. Er wirft sich nicht erschrocken hin, das würde wohl anders ausgedrückt sein, sondern er sinkt wie gelähmt nieder. I n diesem Zustand setzt sich die Halluzination fort, und zwar in der Form einer Audition. 1 Endlich 1 Daß derartige Visionen und Auditionen sich „von einem Mittelpunkt

Die Krankheit des Paulus.

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erhebt sich Paulus vom Boden (von fremder Hilfe dabei wird nichts berichtet) und muß beim Offnen der Augen feststellen., daß er keine Sehkraft mehr besitzt, so daß er von seinen Begleitern nach Damaskus geführt werden muß. Dieser Erblindungszustand hält 3 Tage an und wird erst durch die therapeutische Hilfe des Ananias (über die Ananiasüberlieferung A.Wickenhauser: Die Apostelgeschichte und ihr Geschichtswert. 1921) gehoben. Durch diese Actastellen wird uns zunächst die Aussage über die Faustschläge des Satansengels verdeutlicht (für diese Kombination ist bereits Krenkel a. a. 0 . mit m. E. guten Gründen eingetreten). Wir lernen hier einen jener, von Paulus gemeinten Krankheitsanfälle kennen, bei denen er wie von einem unsichtbaren Schlage getroffen, zu Boden sank. Nach der ganzen Darstellung der Apg. ging dieser Anfall schnell vorüber. Paulus zeigt auch an das während desselben Erlebte eine durchaus klare Erinnerung, aber der Anfall brachte eine transitorische 1 Blindheit für ihn mit sich. In der Bestimmung dieses Leidens herrscht eine nicht geringe Meinungsverschiedenheit. Heinrici erklärt es für das wahrscheinlichste, daß Paulus irgend ein schmerzvolles, chronisches, leibliches Übel an sich trug, d. h. er verzichtet auf eine Bestimmung. Auch wenn er sich dann die Ansicht Herzogs aneignet, Paulus habe infolge zeitweiser Überbürdung und Überanstrengung des Nervensystems an periodischen Nervenschmerzen gelitten, so kommt er doch über blasse Allgemeinheiten nicht hinaus. Kotelmann (Verhandlungen der 48. Philologenversammlung. 1906, S. 170 ff.) tritt für ägyptische Augenkrankheit, Preuschen (Z. N. W. I I , 123 f.) für Aussatz, Seeligmüller (War Paulus Epileptiker? 1910), ähnlich: Feine (Reformation I X . 1910, S. 803 ff.) für Augenmigräne, ev. mit Malaria ein. Harnack (Medizinisches, S. 93) erkennt auf eine zeitweise mit Krampfanfällen, Bewußtseinsstörungen und, wie es scheint, auch mit Sehstörungen und nachfolgender großer Schwäche verbundene Neurose. Krenkel u. a. halten das Leiden des Paulus für Epilepsie, Lietzmann und Wendland nach Binswanger für Hysterie. H. Windisch hält neben Epilepsie, Hysterie und Augenweiterverbreiten" können, 9, 7. 22, 9. cf. 1. Kor. 15, 6 zeigt Wilhelm Wundt: Grundlagen der physiologischen Psychologie 5. A. 1911, S. 359. 1 vorübergehende. UNT 18 : F c n n e r. 3

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

migräne auch noch schwere Ischias und hochgradigen Rheumatismus für diskutabel, (a. a. O.S. 387 f.), lehnt aber persönlich die beiden letzten wegen Gal. 4 ab und zieht Hysterie und Augenmigräne der Epilepsie vor. Die Auffassung des Leidens des Paulus als Epilepsie ist heute sehr verbreitet. Ihre Vertreter fußen auf Krenkels wissenschaftlich gründlicher und methodisch geschickter Studie, in der er unter Kombinierung von 2. Kor. 12, Gal. 4 u. Acta, sowie unter starker Heranziehung der auf Epilepsie bezüglichen Stellen der antiken Literatur zu erweisen sucht, daß Paulus ein schwerer, unheilbarer Epileptiker gewesen sei. E r deutet den in Acta erzählten und in Gal. 4 angedeuteten, von vorübergehender Erblindung begleiteten Anfall als einen genuin epileptischen. Eine Bestätigung für diese Annahme findet er in dem Gal. 4, 14 gemeinten „morbus, qui sputatur" der Alten, in dem dreitägigen Fasten des Paulus in Damaskus, in der Scheerung seines Haupthaares zu Kenchreä, Act. 18,18, in seiner ekstatischen Veranlagung und den in Stellen wie 2. Kor. 11, 1. 6. 16 u. a. vorausgesetzten und nur durch Epilepsie zu erklärenden empfindlichen Störungen seiner Geistesklarheit (aphrosyne) und seines Sprechvermögens (idiotes to logo). Aber alle diese Argumente entbehren m. E . der Beweiskraft. Was zunächst den in Acta geschilderten, mit einer Halluzination verbundenen und von einer transitorischen Amaurose 1 begleiteten Anfall betrifft, so erscheint mir seine Auffassung als epileptischer nicht möglich. Zum Bilde eines großen epileptischen Anfalls, den Krenkel meint, fehlen gerade die wichtigsten, konstituierenden Züge. Nach dem durch eine Aura 2 eingeleiteten, heftigen Hinstürzen des Kranken, bei dem das Bewußtsein meist sofort aufgehoben ist, verläuft dieser Anfall in heftigen tonischen 3 und klonischen 3 Krämpfen, um mit völliger Erschöpfung des Kranken, sowie terminalem Schlaf, gewöhnlich tiefem Schlaf, zu enden. Erwacht er dann, so geschieht das mit totaler Amnesie 4 . Die Erinnerung für die Zeit des Anfalls ist erloschen (H. W. Gruhle: Psychiatrie f. Ärzte. 1918, S. 134 ff.). Ein derartiger großer epileptischer Anfall muß für Paulus als ausgeschlossen gelten, da von den für diesen Anfall charakteristischen Symptomen nichts angedeutet ist und auch 2 = die Vorboten des Anfalls. 1 Verdunkelung. 3 Abnorme Muskelkontraktionen von verschiedener Art und Dauer. 4 Gedächtnisverlust.

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Die Krankheit des Paulus.

das soporöse 1 Nachstadium fehlt. Paulus steht nicht nur nach dem Anfall, wie geschlossen werden darf, ohne fremde Hilfe sofort wieder auf, sondern behält auch für das während seines Anfalls Erlebte durchaus klare Erinnerung. Aber auch wenn man für diesen Anfall leichtere Formen, wie tiefe Ohnmacht oder Dämmerzustand annimmt, einen epileptischen darf man ihn trotzdem nicht nennen. Darum wird auch von Seeligmüller die Auffassung der Krankheit des Paulus als Epilepsie unbedingt verworfen. Er macht auch mit Recht geltend, daß die 2. Kor. 12 erwähnten Empfindungen von Faustschlägen auf den Kopf von keinem modernen Neurologen als für Epilepsie pathognomisch 2 angesprochen werden können. Auch wenn man für Paulus nur einen „halluzinatorischen Dämmerzustand" annehme, müsse bei ihm mit „keinerlei, oder höchstens einer sehr schwachen und durchaus unklaren Erinnerung" gerechnet werden. Aber auch die anderen, von Krenkel beigebrachten Argumente erweisen sich als hinfällig. Die vorübergehende Erblindung des Paulus nach dem Anfall deutet nicht mit Notwendigkeit auf einen status epilepticus, weil sie ebenso auch hysterischen Ursprungs sein kann. Daß man ferner nicht nur vor Epileptikern ausspie, ist bereits erwähnt. Auch das dreitägige Fasten, das von Paulus in Damaskus berichtet wird, kann nur gewaltsam zu einer Diätverordnung nach einem epileptischen Anfall, wie sie das Altertum gewiß gekannt hat, gestempelt werden, während es sich doch am natürlichsten als äußeres Zeichen starker seelicher Erschütterung erklärt. Ebenso erscheint das Argument der Haarschur, Act. 18, als an den Haaren herbeigezogen, und die Betrachtung der Phoebe, Rom. 16, als Pflegerin des Paulus bei einem epileptischen Anfall als luftige Hypothese. Endlich muß auch unter Ablehnung der Krenkelschen Auslegung von 2. Kor. 11, 1.6.16 (s. o.) mit H. Fischer (Die Krankheit des Paulus. 1911) und mit Seeligmüller gegenüber Krenkel behauptet werden, daß die Schriften des Paulus von Störungen seines Intellekts durch Epilepsie keinerlei Anzeichen enthalten. „Die Mehrzahl seiner Briefe, des köstlichsten Besitzes der christlichen Kirche, sind während seiner Krankheit geschrieben, ein sicheres Zeichen seiner ungetrübten geistigen Kräfte." (Fischer, a. a. 0., S. 13.) Mit Recht stellt auch Seeligmüller, S. 37, den Paulus in seiner u n 1 in tiefem Schlaf bestehende.

2 =

bezeichnend. 3*

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

geheuren missionarischen Tatkraft einem armen Epileptiker gegenüber, der sich ohne Bewußtsein mit blutigem Schaum vor dem Munde röchelnd im Straßenkot wälzt. Auch zeigt der Charakter des Paulus nicht die zunehmende egozentrische Entartung des Epileptikers. Wäre ferner Paulus mit seinem leicht erregbaren Temperament ein Epileptiker gewesen, so hätte er in solchen aufregenden Stunden, wie sie Act. 20, Schluß und 27 geschildert werden, bestimmt seine Anfälle gehabt. Vor allem darf aber nicht vergessen werden, daß die Epilepsie, die doch eine Gehirnerkrankung ist und auf organischer Rindenschädigung beruht (W. Marie: Lexikon der gesamten Therapie. 2. A. 1923, II. 726.) in den weitaus meisten Fällen fortschreitenden Verlauf hat. und daß die epileptische Degeneration oft zu Schwachsinn und Verblödung führt. (Ph. Jolly: Kurzer Leitfaden der Psychiatrie. 1922, S. 217). Wieweit hier Ausnahmen beobachtet sind, scheint unter den Psychiatern nicht festzustehen. Nach Binswanger (Realenzyklopädie der gesamten Heilkunde IV. 547 ff.) bleiben 17,3 % von intellektueller Schädigung frei. Fischer, S. 23, Seeligmüller u. a. halten Muhammed, Napoleon u. a. nicht erwiesenermaßen für Epileptiker, auch für Dostojewski, auf den Vischer, S. 23 f. verweist, dürfte Epilepsie nicht diagnostisch ausgemacht sein 1 . Im Altertum wurde höchstwahrscheinlich viel der Hysterie Zugehöriges der Epilepsie zugezählt (Gruhle, S. 52), so daß die von Krenkel so hoch gewerteten Angaben der alten Ärzte mit größter Vorsicht aufzunehmen sind. Auch heute noch ist, wie Seeligmüller feststellt, eine Differentialdiagnose zwischen Epilepsie und anderen Krankheiten in gewissen Fällen außerordentlich schwierig. Jedenfalls wird man aber wohl sagen dürfen, daß für die Krankheit des Paulus die Epilepsie ausgeschlossen ist. (H. Vierordt: Medizinisches aus der Geschichte. 3. A. 1910, S. 153 f.). Auch die Annahme ägyptischer Augenkrankheit muß als verfehlt gelten. Von einem chronischen Augenleiden hören wir bei Paulus nichts, und die spezifischen Ausdrücke in 2. Kor. 12 würden dazu überhaupt nicht passen. Ähnlich verhält es sich mit der Annahme von Aussatz, die auch von Seeligmüller und Fischer abgelehnt wird. Wenn nun ersterer die Krankheit des 1 So auch P. Schilder: Medizinische Psychologie für Ärzte und Psychologen. 1924, S. 283 und W. Steckel: Dichtung und Neurose. 1909. Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens, ed. Loewenfeld S. 41.

Die Krankheit des Paulus.

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Paulus als Augenmigräne deutet, (so nach ihm auch UhleWetter: Der Pfahl im Fleisch und die Fausthiebe Satans bei Paulus. E. K. Z. 1913, S, 130 ff. 392 ff.), weil es bei ihr während des Anfalls zu vorübergehenden Störungen des Bewußtseins, zu Delirien, ja sogar zu Krampfzuständen kommen könne, oder wenn er auch Malaria, mit der sich Paulus in Galatien infiziert habe, nicht von der H a n d weisen will, weil dabei heftige neuralgische Schmerzen aufträten, so möchte ich doch diese, an sich wohl möglichen Deutungen für unwahrscheinlich halten, weil sie dem Pathologischen in dem ganzen Wesen des Paulus nicht gerecht werden. Es ist das Verdienst Fischers (a. a. 0., S. 13 ff.), die Psyche des Paulus nach dieser Seite analysiert zu haben, ohne die Ehrfurcht vor seiner Geistesgröße vermissen zu lassen: die zu Tränen neigende Weichheit und Empfindsamkeit des Mannes, 2. Kor. 2, 4. Phil. 3, 18. cf. Act. 20, 19 ff., die „etwas weibisch Eifersüchtiges" an sich tragende Liebe und Angst hinsichtlich seiner Gemeinden, 2. Kor. 2, 4, sein leichtes Gekränktsem, 2. Kor. 2, 5, seine Unverträglichkeit, Act. 15, 39, seine große Heftigkeit im Streit, Gal. 2, 11 ff. seine Heißblütigkeit bis zum Jähzorn, Act. 23, 3 ff. Es ist sehr bezeichnend, daß Fischer, obwohl er diese krankhaften Züge im Wesen des Paulus durch Epilepsie erklärt, sie doch in seiner Aufzählung wiederholt „hysterisch" nennt. Tatsächlich runden sie sich zu dem psychischen Krankheitsbilde ab, das als „hysterischer Charakter" 1 bekannt ist. Erhöhte Gefühlserregbarkeit, Reizbarkeit und Empfindlichkeit mit heftigen Gefühlsausbrüchen, nicht selten großer Eigensinn und starkgesteigertes Selbstgefühl, Labilität der Stimmungen, vermehrte Phantasietätigkeit und aus ihr heraus Schilderung der subjektiven Beschwerden in bilderreicher Sprache mit starken Übertreibungen sind seine Kennzeichen (Jolly, a. a. O., S. 230). Daß diese Affektmenschen manchmal „die aufopferungsfähigsten Leute" sind, betont E. Bleuler: Lehrbuch der Psychiatrie. 4. A. 1923, S. 421. Lassen schon diese psychoneurotischen Symptome den Paulus als Hysteriker erscheinen, die Bestätigung dafür gewinnen wir auch aus den mit ihnen parallel gehenden körperlichen K r a n k heitszuständen des Apostels. Handelt es sich doch bei Hysterie 1 Mit diesem Terminus lassen sich nur allgemeine Grundlinien der hysterisch Keagierenden zeichnen. E. Kretschmer: Über Hysterie. 2. A. 1927, S. 41 ff. A. Kronfeld, S. 65.

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

um „ein Seelenleiden, das seinen Ausdruck weniger in intellektuellen Störungen, als in Anomalien des Charakters und der Stimmung findet und sein innerstes Wesen hinter einer fast unbegrenzten Zahl körperlicher Krankheitserscheinungen verbirgt" (H. Oppenheim: Lehrbuch der Nervenkrankheiten. 7. A. 1923, II, 1680). Mit einem für das Wesen der Hysterie geschärften Blick gewinnt man aus 2. Kor. 12, Gal. 4, Acta einen ganzen hysterischen Symptomenkomplex. Dazu gehört zunächst der Anfall des Paulus, den als epileptischen zu verstehen unmöglich ist, der aber dem hysterischen der Neurologie und Psychiatrie entspricht. Meist, wie auch bei Paulus, durch einen Affektchok veranlaßt, besteht der hysterische Anfall aus sehr verschieden ausgeprägten Bewußtseinsstörungen mit motorischen Erscheinungen; fast stets zeigt er ein zu Boden Sinken des Kranken, entweder mit Spasmen 1 und Kontrakturen 1 , oder, wie bei Paulus, mit nur kurzer Ohnmacht ohne sonstige motorische Erscheinungen. Erlischt das Bewußtsein beim epileptischen Anfall, beim hysterischen geschieht es nicht. Finden wir beim epileptischen fast stets postparoxysmalen 2 Schlaf, beim hysterischen nicht. Eignet dem ersteren totale Amnestie, bei letzterem fehlt sie. Als weiteres Symptom kommt der 2. Kor. 12 mit Faustschlägen eines Satansengels verglichene, immer wiederkehrende, heftige und betäubende Schmerz in Betracht. Ist er für den epileptischen Anfall nicht pathognomisch, als hysterisches Symptom ist er bekannt. K a u m ein Hysteriker bleibt von quälendem Kopfschmerz verschont. Sehr häufig ist bei Hysterischen der Clavus, ein heftiger Hinterkopfschmerz bohrender und stechender Art, der sich entweder nach dem Nacken oder Scheitel lokalisieren kann. (0. Binswanger-Siemerling: Lehrbuch der Psychiatrie. 6. A. 1923, S. 337 u. a.), Beschwerden, die man in Verbindung mit einem Anfall auch als „hysterische Aura" bezeichnet. Auch die Halluzinationen des Paulus gehören in diesen Komplex. „Es sind meist plötzlich einsetzende Zustände, traumhafter Verwirrung, in denen die Individuen unter dem Einfluß von Sinnestäuschungen, namentlich schreckhafter Visionen stehen und sich dementsprechend gebärden." (Oppenheim, a. a. O.) Die Halluzinationen gehören zu den Erscheinungen der hysterischen Konstitution überhaupt (W. Hellpach: Die geistigen Epidemien. 1 bestimmte Muskelaktionen.

2 nach dem Anfall eintretenden.

Die Krankheit des Paulus.

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1907, S. 80 ff.). Mit Recht weist Wetter, a. a. 0., S. 88, wenn auch mit übertreibendem Ausdruck, darauf hin, daß Paulus nach seinen Briefen nicht bloß vereinzelte „Offenbarungen" für sich in Anspruch nimmt. „Wir können ruhig vermuten, daß diese Momente nicht feierliche Ausnahmen darstellten, sondern für ihn gewissermaßen das Normale waren." Handelt es sich auch bei ihnen stets um reproduzierte Vorstellungen, sie sind aber auch immer von physischen Reizungen begleitet und finden, wenn letztere höhere Grade erreichen, auch im vollen Tageslicht statt (Wilhelm W u n d t : Grundzüge der physiologischen Psychologie 5. A. 1911, S. 430 ff.). So sehen wir auch bei Paulus vor Damaskus die physiologische Erregung zu solcher Fülle wachsen, daß das Phantasma die sinnliche Stärke eines Anschauungsbildes erreicht. Wenn Paulus dies sein Erlebnis Act. 22, 17 als genesthai en ekstasei kai idein auton (cf. Act. 10, 10) d. h. als ekstatisches beschreibt, so ist das nur ein anderer Ausdruck für dieselbe Sache. Denn die Ekstase ist nicht ein selbständiges Phänomen neben der Vision, sondern nur „eine andere Seite des gleichen Zustandes abnorm gesteigerter Erregung" (Wilhelm Wundt: Völkerpsychologie, a. a. O., S. 96). Sie ist die regelmäßige Begleiterin der Wachvision. Der Ekstatiker sieht nicht bloß die eingebildete Welt des Visionärs als Wirklichkeit vor sich, sondern die Entrückung des Geistes von dem Ort des Körpers hinweg ist das Charakteristische (P. Volz: Der Geist Gottes. 1910, S. 45, 120 f.). Als hysterisches Symptom ist auch die vorübergehende Erblindung nach dem Anfall anzusprechen, da totale Amaurose bei Hysterie eine nicht seltene Erscheinung ist. (M. Lewandowski: Die Hysterie. 1914, S. 20). Auch das dreitägige Fasten des Paulus in Damaskus läßt sich, wenn man eine medizinische Erklärung desselben für nötig hält, als ein Glied in der Kette hysterischer Erscheinungen ansehen. Häufige Störungen der Nahrungsaufnahme, manchmal Abneigung gegen jede Nahrung, sind bei Hysterischen beobachtet (Jolly, a. a. O.). Mit dem allen handelt es sich um die Feststellung von Tatsachen, „in denen nur ein kurzsichtiger Blick Gefahren für unsere religiösen, sittlichen und ästhetischen Werte finden kann. Wen das Schicksal aus dem Gleichmaß des Durchschnittsmenschen hinaushob, dem nahm es auch meistens das ruhige Gleichmaß im Ablauf des seelischen Lebens und schuf damit den Boden für das Auftreten pathologischer Vorgänge" (R. Gaupp: Wege

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

und Ziele psychiatrischer Forschung. 1907, S. 24. 0 . Jaspers: Allgemeine Psychopathologie. 1913, S. 303. W. Steckel, a. a. O., S. 72). Religiös-sittliche Größe und prophetisch-missionarische K r a f t finden sich in der Geschichte nicht selten auf psychopathologischer Grundlage. Paulus gehört zu den „großen religiösen Hysterikern der Menschheit". In welchem Grade er es war, zeigt auch wohl eins seiner Worte, dem die wissenschaftliche Erklärung bisher mit einiger Verlegenheit gegenübergestanden hat, das Wort von den Stigmata tu Jesu an seinem Leibe, Gal. 6, 17. Auch Lietzmann nennt es ein „seltsames" Wort und erklärt den Ausdruck von den Brandmalen, mit denen man sich einst als Eigentum einer Gottheit versehen ließ, so daß sich Paulus dadurch als Eigentum Jesu bezeichnete. Er gesteht aber auch die übliche allgemeine Deutung der Stigmata als der Narben zu, die er in den Verfolgungen um Jesu willen, analog dessen Leiden, empfangen hat. Aber damit wird m. E. der Ausdruck der Stelle in seiner plastischen Konkretheit nicht erklärt. Wir müssen vielmehr nach dem Zusammenhang wohl an die Wundmale des Gekreuzigten denken, die Paulus an seinem Leibe trägt und um derentwillen er ihn zu schonen bittet. So mag hier, wenn auch mit großem Vorbehalt, die Vermutung ausgesprochen werden, daß der visionäre Hysteriker Paulus die Reihe der „Stigmatisierten" eröffnet, die durch autosuggestive Reaktion das Todesleiden Jesu am eigenen Körper durchmachen, indem sie nicht bloß dessen Qualen wirklich empfinden, sondern auch an Händen und Eüßen blutende Wundmale zeigen (Bälz, a. a. 0., S. 123. 0 . Stoll: Hypnotismus und Suggestion in der Völkerpsychologie. 1904, S. 520 ff. R. G. G. V, S. 923 ff. W. Jacobi: Die Stigmatisierten. 19231). Von hier aus gewönne auch das pantote ten nekrosin tu Jesu en to somati periferontes in 2. Kor. 4, 10 statt der bisherigen gewundenen Deutungen einen neuen Sinn. Betreten wir nun mit der Kenntnis dieser psychisch bedingten, aber zugleich somatisch sich auswirkenden eigentümlichen Krankheitserscheinungen den Boden der Evangelien und der Apg., so k a n n sie uns für die Bestimmung der uns dort begegnenden Krankheitszustände wertvolle Dienste leisten. 1 Jacobi lehnt die Annahme von Stigmatisation für Paulus S. 2 kurz ab, allerdings ohne Begründung.

Die einzelnen Krankheitsformen in den Evangelien und der Apg.

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2. D i e e i n z e l n e n K r a n k h e i t s f o r m e n i n d e n E v a n g e l i e n u n d der Apg. a. Kranke mit psychischen Hemmungen. Betrachten wir zunächst die ntl. Erzählungen von der Heilung „Dämonischer", von denen die Synoptiker 4 bieten, Mk. 9, 14 ff. Par.: Der kranke Knabe am Berge. 1, 21 ff. Par.: Der Kranke in der Synagoge von Kapernaum. 5, 1 ff. Par.: Der gerasenische Kranke. Hierzu kommt Mk. 7, 24 ff. = M t . 15, 21ff.: Die kranke Tochter der Syrophönizierin, bei der es sich um die Fernheilung einer Dämonischen handelt. Auch Mk. 1,29 ff. Par.: Die kranke Schwiegermutter des Petrus, läßt sich hier anreihen. Die beiden aus. Q stammenden Mt.-Stellen von der Heilung Dämonischer, 12, 22 ff. und 9, 32 ff., werden unter 2. c 2 zu Mk. 7, 31 ff. behandelt werden. Eigentümlich sind diesen Erzählungen von der Heilung Dämonischer eine Anzahl von Zügen, außer solchen, die auch bei anderen Krankenheilungen vorkommen: 1. der Dämon wittert den Beschwörer und zeigt sich durch seine Macht beunruhigt, Mk. 1, 24. 5, 7. 9, 20 (Fiebig: Jüd. Wundergeschichten, S. 25 f.), 2. der Dämon bittet um Verschonung, Mk. 5, 7 Par. Philostr. Vit. Apoll. IV. 20, oder wenigstens um ein Zugeständnis, Mk. 5, 10. 12, was zu einem Wechselgespräch führt, Mk. 5, 9. Lucian. Philops. 16, cf. die Unterredung zwischen Hanina ben Dosa und der jüdischen Dämonin 'Agrat (Fiebig, a. a. 0., S. 25. Über solche Verhandlung zwischen Dämon und Beschwörer mit schließlicher Konzession noch im heutigen Orient: Curtiss bei T . K . Oesterreich: Die Besessenheit, S. 192 ff.), 3. nach der Beschwörung des Dämons findet dessen demonstratives Ausfahren statt, Mk. 5, 13. Jos. Ant. VIII, 2. 5. Philostr. vit. Ap. IV, 20. Hierzu gehört auch das Schreien und Toben des Dämons beim Ausfahren, Mk. 1, 26. 9, 26. Von diesen Zügen dürfte es sich nur bei dem Gespräch des Dämons mit Jesus um spätere Stilisierung handeln (vgl. die Parallelisierung dieser Gespräche mit wirklichen Streitgesprächen durch M. Albertz: a . a . O . zu Mk. 1, 21 f.). Die anderen Züge sind überall durchaus sachlich begründet und beweisen in unsern Evangelien nur die zutreffende Schilderung der ganzen Vorgänge 1 . 1 Über die als „Besessenheit" bezeichneten Zustände: Oesterreich S. 3 f., der gerade vom Standpunkt der heutigen psychologischen Forschung

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

a l . Der kranke Knabe am Berge. Mk. 9, 14 ff. Mt. 17, 14 ff. Lk. 9, 37 ff. Der von Mt. und Lk. gekürzten Heilungserzählung des Mk., die Bultmann in zwei Wundergeschichten, 14 bis etwa 20 und 21 bis 27, zerlegt, und in der auch A. Titius (Die Heilung der Dämonischen im N. T., in: Theologische Festschrift f. G. N. Bonwetsch, 1918) nach Wellhausen die Konfundierung der Erzählung vom kranken Knaben am Berge und von der Exorzisation eines Stummen sehen will, ist aus sachkritischen Gründen die Einheitlichkeit nicht abzusprechen. In erzählerfroher Breite, die nicht aus profanen Wundergeschichten zu stammen braucht, wird in der 1. Szene, 14—20, durch die Gegenüberstellung der unheimlichen Macht des Krankheitsdämons und der beklagenswerten Ohnmacht der Jünger die ganze Schwere des Leidens geschildert 1 . Diese Schilderung gewinnt in V. 21 f., eine wertvolle, echt volkstümlich-konkretisierende Ergänzung. Die von Bultmann angefochtene doppelte Beschreibung der Krankheit, wie in vit. Apoll. I I I , 38, ist sachlich durchaus begründet, weil es hier für die Heilung auf eine möglichst genaue Erfassung des Krankheitsfalles ankam. Auch die scheinbar disparaten Krankheitselemente, die zur Auseinanderreißung der Erzählung verleiten könnten, ergeben bei näherer Prüfung ein einheitliches Krankheitsbild, s. u. Gerade die ganze Darstellung der Krankheitsvorgänge erweist sich für die medizinische Untersuchung als zutreffend und deutet auf wirklichen geschichtlichen Hintergrund (K. L. Schmidt: Der Rahmen der Geschichte Jesu, S. 227 ff.). Der sekundäre Charakter von 28 f. ist an sich möglich, weil die Erzählung in V. 27 zu Ende ist, wenn auch wohl kaum dadurch zu begründen, daß Jesus damit seine Gottessohnschaft einschränke, wie Klostermann will, denn das Jesusbild des Mk. trägt eine ganze Reihe sehr „menschlicher Züge", und auch wohl kaum dadurch, daß hier ein Wunderrezept für den praktischen Gebrauch der Gemeinde gegeben werden solle. (Dibelius, E. Meyer). Das würde kaum in einem solchen kurzen, nur angehängten Wort einer Erzählung geschehen sein und stände auch in der evangelischen Überlieferung singulär da. aus den „historischen Wahrheitswert" der betreffenden ntl. Erzählungen hoch einschätzt. 1 Bultmann sieht hier das Motiv vom Meister und den Zauberlehrlingen.

Kranke mit psychischen Hemmungen.

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Aber das Wort spricht nichts, in Jesu Mund Undenkbares aus, sondern scheint wertvolle Fingerzeige für die Beurteilung seiner Heilungskraft zu geben. Die auf dämonischer Einwirkung beruhende Erkrankung des Knaben besteht nicht bloß in Zuständen pathologischen Schweigens, Mk. 9, 17. 25, sondern vor allem in von Kind auf vorhandenen (Mk.) aufreibenden (Lk.), schweren Krampfanfällen (Mk., Lk.), mit Geschrei (Lk.), Schäumen (Mk., Lk.) und Zähneknirschen (Mk.), so daß er schließlich bewegungslos (Mk., Mt.) 1 daliegt. Bei den Anfällen kommt es oft vor, daß er ins Feuer und Wasser fällt (Mk. Mt.). Ein heftiger Krampfanfall, bei dem der Knabe zu Boden sinkt und sich schäumend wälzt, tritt im Anblick Jesu ein, Mk. V. 20. Diese Krampfzustände erreichen durch die Austreibung des Dämons, die zur Herbeiführung eines dauernden Erfolges besonders nachdrücklich geschieht, V. 25 b, in seiner Starre als „Toter", V. 26, ihren höchsten Grad. Zu diesem Krankheitsbild fügt Mt. mit dem seleniazetai, 17, 15 (cf. 4, 24) noch einen bemerkenswerten Zug. Aus dieser ganzen Charakterisierung des Krankheitsfalls wird von Joh. Weiss, Klostermann u. a., aber auch von Ebstein, Knur (Christus medicus ? 1905) und H. Seng (Die Heilungen Jesu in medizinischer Beleuchtung. 2. A. 1926), auf Vorliegen von Epilepsie geschlossen. Sie sehen hier einen genuin-epileptischen Anfall, wobei Weiß das Schäumen und Zähneknirschen, Ebstein das häufige ins Feuer- und Wasserfallen des Knaben und seine durch den Mondwechsel zu erklärenden somnambulen Zustände für pathognom erklären. Aber diese Gründe erscheinen als nicht beweiskräftig. Denn Krampf der Kaumuskeln, um den es sich bei dem Schäumen und Zähneknirschen handelt, kommt auch beim hysterischen Anfall vor, ein gleiches gilt von den somnambulen Zuständen, was Ebstein selbst einräumen muß (Oesterreich, S. 36). Aber auch die Annahme Ebsteins, der Knur S. 38 zustimmt, daß das ins Feuer- oder Wasserfallen nur für Epilepsie in Betracht komme, ist nicht begründet. Der Epileptiker mag leichter in der genannten Weise verunglücken können, weil er sofort bewußtlos hinstürzt, während der Hysteriker noch ein Stück Weges hintaumeln kann. Aber warum er sich dabei nicht ebenso schädigen kann, ist nicht einzusehen. Die Fassung des 1 Über das

xerainetai:

Klostermann, z. d. St.

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

Ausdrucks ins Feuer- und Wasserfallen von Fieberhitze und Schüttelfrost ist wegen des pyressein in Mk. 1, 30. Mt. 8, 14 sehr unwahrscheinlich. Gegen die Annahme des großen motorischen Anfalls des Epileptikers dürfte aber bei dem kranken Knaben nicht bloß das Fehlen des postparoxysmalen 1 Schlafes sprechen, sondern vor allem der Umstand, daß bei ihm im Gegensatz zu einem Epileptiker beim Hinfallen die bewußte Perzeption offenbar nicht erloschen ist, daß er vielmehr im Gegensatz zu dem auf nichts reagierenden Epileptiker sich von Jesus zum Aufstehen bringen läßt. Auch der Heilerfolg bei dem Kranken in der von der Erzählung gedachten Weise käme bei einem Fall von schwerer Epilepsie medizinisch nicht in Frage (vgl. das Urteil Sengs über „die recht mäßigen therapeutischen Erfolge auch einer längeren geistigen, pädagogischen Beeinflussung Epileptischer", wie Steckel und seine Schule sie versuchen). Für eine augenblicklich wirksam werdende Heilung dürfte kein Epileptiker zugänglich sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir es demnach in diesem Fall mit hysterischen Zuständen 2 zu tun, wenn auch der katholische Arzt K n u r S. 38 die Annahme von Hysterie auf bloße Opportunitätsgründe zurückführen möchte, um hier, gleich den katholischen Theologen, ein absolutes Wunder Christi zu konstatieren. Daß diese Heilungserzählung einen von Dibelius nur den „Paradigmen" zugesprochenen „erbaulichen" Zug hat, läßt sich um V. 23 f. willen nicht leugnen, ebensowenig wie sich auch sonst in dieser Hinsicht die Trennungslinie zwischen „Paradigma" und „Novelle" scharf ziehen läßt, cf. z. B. Mk. 5, 36. a 2. Der Kranke in der Synagoge von Kapernaum. Mk. 1, 21 ff. Lk. 4, 31 ff. Die von Dibelius als Zwischenstufe zwischen Paradigma und Novelle angesehene Erzählung wird von Bultmann nach Hinwegschneiden des Rahmens, 2 1 a und 28, und der nach seiner Meinung die Pointe störenden VV. 22 und 27 sowie von V. 24 1 cf. o. 2 Der Verfasser redet in der ganzen Arbeit von Hysterie im Sinne Gaupps bei Kretschmer: Über Hysterie. S. 1. „Hysterie ist eine abnorme Reaktionsweise auf die Anforderungen des Lebens", die aus dem triebhaften seelischen Untergrund kommt. Von W.Marie: Lexikon der gesamten Therapie. 2. A. 1923. I S. 722 wird Hysterie durch „psychogene Neurose" umschrieben, cf. E. O. Schwarz, a. a. O. S. 57. 64.

Kranke mit psychischen Hemmungen.

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mit seinem messianischen Dämonenbekenntnis als typische Wundererzählung von der Heilung Dämonischer, wie vit. Apoll. IV, 20, gekennzeichnet. Eine Notwendigkeit zu allen diesen Kürzungen liegt aber nicht vor. Die Lokalisierung des Vorgangs an der gottesdienstlichen Stätte in V. 21 erscheint nicht sekundärer Natur s. u., und die starke Wirkung dieser, vielleicht ersten Dämonenaustreibung Jesu auf die Umgebung von Kapernaum ist durchaus begreiflich. Auch V. 22 erregt keinen Verdacht, weil er sich sachlich an den Schluß von 21 anschließt. Auffallend ist ja in V. 27 das erneute Staunen über die Lehre Jesu, das dort eingedrungen sein dürfte, aber sonst ist der Vers sachlich begründet. Bedenken könnte auch die Anerkennung Jesu als des Messias durch die Dämonen hervorrufen (Titius z. V. 24. cf. 34). Das höhere Wissen der Dämonen entspricht aber den zeitgeschichtlichen Vorstellungen (Fiebig: Jüdische Wunderz., S. 25) und ihr Anruf Jesu als des Inhabers einer höheren Macht, cf. V. 22, ist als geschichtlich möglich bei diesem Kranken nicht von der Hand zu weisen. Die Ansicht Wellhausens, daß das Schreien der Dämonen ursprünglich keine verständliche Rede gewesen sei, h a t Titius mit Recht abgelehnt. „Sie schreien, aber sie reden auch verständlich 1 ." Der Schluß Bultmanns aus dem ausmalenden und die volle Besiegung des Krankheitsdämons bestätigenden Zusatz des Lk. in 4, 35 ist schwer verständlich. Die eine Reihe typischer Züge tragende Erzählung berichtet aus der Krankheitsgeschichte nichts. I n was für Krankheitserscheinungen sich der Dämon in diesem Fall zu betätigen pflegte, bleibt dunkel. Anzunehmen aber dürfte sein, daß es keinerlei gefährliche Erregungszustände waren. Darauf läßt die 1 Der mir erst bei Drucklegung der Arbeit bekannt gewordene Versuch von Otto Bauernfeind: Die Worte der Dämonen im Markusevangelium. Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament ed. R. Kittel. Heft 8. 1927, die Dämonenworte bei Mk. für die ursprüngliche Überlieferung dadurch zu retten, daß er den Dämonen beim Nahen Jesu eine Gegenwehr gegen den Messias supponiert und dies Moment in der Versuchungsgeschichte des 1. und 3. Evangeliums zum „zähen, ausgedehnten Kampf" des Satans gegen den Messias gesteigert, dagegen in den Mt. und Lk. Erzählungen von der Heilung Dämonischer, wenn auch nicht aus apologetischen Gründen verschoben sieht, mutet stark konstruktiv an und bewegt sich m. E. grundsätzlich auf falschen Bahnen, weil er die psychische Struktur dieser eigenartigen, komplizierten, krankhaften Zwangszustände, die in der Besessenheit vorliegen, verkennt. (Oesterreich, S. 121 s. u.)

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

Anwesenheit des Kranken im synagogalen Gottesdienst schließen. Aber unter dem starken Eindruck, den die exusia Jesu (R. Reitzenstein, Poimandres, 48,3. Norden, Agnostos theos, 111 a. 1) die machtvolle Art seiner Persönlichkeit und seiner Verkündigung, bei den Versammelten hervorruft, 1, 22. cf. 6, 2. 7, 37. 10, 26. 11, 18, überkommt den Kranken eine starke angstvolle Erregung, die sich in einem leidenschaftlichen, an Jesus als ihren Verursacher gerichteten Ausruf auswirkt, Mk. 1. 24. Lk. 4, 34. Mag die genaue, ursprüngliche Form dieses Ausrufs nicht mehr greifbar erscheinen, es darf doch angenommen werden, daß es die durch die eschatologische Erwartung von der Vernichtung des Dämonenreiches in dem Kranken begründete und von Jesus zum äußersten gesteigerte seelische Hochspannung war, die sich unter dem Eindruck der Stunde bei ihm explosivartig auslöste. Das machtvolle Bedrohen des Dämons durch Jesus hat einen krampfartigen Anfall mit lautem Geschrei, Mk. 1, 26, und ein zu Boden Geworfenwerden des Kranken, Lk. 4, 35, und damit die Austreibung des Dämons zur Folge. Dieser Fall erscheint medizinisch zunächst dadurch bemerkenswert, daß der krankhafte Affektausbruch in der gottesdienstlichen Versammlung stattfindet. Die religiöse, in der gemeinsamen Feier sich steigernde Erregung war für die pathologischen Zustände, die man als Besessenheit bezeichnet, immer der fruchtbarste Boden (M. Friedmann: Uber Wahnideen im Völkerleben. 1901, S. 150 ff., W. Hellpach: Grundlinien einer Psychologie der Hysterie. 1904, S. 485 f.). W. von Bechterew (Die Bedeutung der Suggestion im sozialen Leben. 1905, S. 65 ff.) berichtet von einer noch heute vorkommenden russischen 1 Form der Besessenheit, dem Klikuschentum, an dem dieselben Erscheinungen beobachtet worden sind, die die biblische Erzählung schildert: „Bei solchen Kranken stellen sich während der Gottesdienste, sobald gewisse priesterliche Handlungen anfangen, häufig die schwersten hysterischen Anfälle ein. Hier wiederholen sich die gleichen Erscheinungen, wie während jener mittelalterlichen Dämonopathien. Die unglücklichen Kranken rufen oft und allen hörbar ihr Dämonentum aus und reden während der Anfälle im Namen des in ihnen sitzenden Bösen." (cf. Friedmann, a. a. O., S. 289 ff.). So spiegelt auch der Ausruf des 1 cf. Oesterreich, S. 190. 196 ff.

Kranke mit psychischen Hemmungen.

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K r a n k e n in der Synagoge die Eigentümlichkeit seines dualen Bewußtseins wider (hemas). Dies Doppelbewußtsein l ä ß t solche K r a n k e den Exorzisten zugleich herbeiwünschen u n d verabscheuen (Titius, S. 41 f.). Das W o r t des K r a n k e n a n Jesus e n t h ä l t spontane Huldigung wie leidenschaftliches Wiederstreben. Aber in diesem Widerstreit der E m p f i n d u n g e n gewinnt die entsetzt abweisende Angst die Oberhand. D a r u m sagt K r e t s c h m e r (Über Hysterie. 1923, S. 78. cf. 2. A. 1927, S.88ff.). vom H y s t e r i k e r : „Das Bild v o m Besessenen, der seinen Teufel in sich h a t , der ihn reißt u n d zerrt, der schlägt u n d s c h ä u m t , u n d der m i t einem plötzlichen R u c k a u s f ä h r t , dieses Bild ist das allerbeste, es ist mit naiven Augen und vollkommen richtig beobachtet. Zwei Willen, in einem K ö r p e r sitzend u n d beide das Verfügungsrecht über ihn beanspruchend, ein natürlicher, aber ohnmächtiger Wille, der der eigentlichen Persönlichkeit des Besessenen entspricht, u n d der den T h e r a p e u t e n u m Hilfe b i t t e t , gegen den anderen Willen, den „Teufel", der aus den U n t e r gründen seiner Seele her Gewalt über seinen K ö r p e r h a t " (cf. Oesterreich, S. 64 f.). „So ist auch bei diesem K r a n k e n das Vorliegen von H y s t e r i e 1 als das Wahrscheinlichste a n z u n e h m e n , wie es auch K l o s t e r m a n n (zu Mk. 1, 23) t u t . "

a 3. Der gerasenische K r a n k e . Mk. 5, l f f . , M t . 8, 28ff., Lk. 8,26ff. Die Heilungserzählung, die von Mk. m i t 4, 35 ff. zu einem Seeanekdotenpaar vereinigt (Arnold Meyer: Die E n t s t e h u n g des Mk.-Evangeliums, in Festgabe f ü r Jülicher. 1927), von Lk. ausgemalt u n d von Mt. s t a r k gekürzt, variiert (2 Besessene) u n d gesteigert ist, vgl. Mk. 5, 11 u n d Mt. 8, 30, zeigt außer den T y p e n von Mk. 1, 21 ff. den Zug einer Konzession a n den D ä m o n . Der durch diesen beim Ausfahren angerichtete Schaden h a t seine Analogien bei Philostr. vit. Apoll. IV, 20 u n d Jos. A n t . V I I I , 2,5. Eine Reihe kritischer Bedenken sind gegen das Stück erhoben worden. Dibelius u n d B u l t m a n n sehen hier eine n u r zur U n t e r h a l t u n g bestimmte, d a r u m den Vorgang breit ausmalende u n d durch profane Stoffe ausgeschmückte, eigentliche Wundergeschichte ohne erbaulichen W e r t , m i t dem Motiv vom betrogenen Teufel, der sich durch N e n n u n g seines N a m e n s in die H ä n d e seines 1 s. o.

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

Beschwörers gibt. Ein anderes Bedenken ist von Titius gegen den Anfall in der Erzählung geltend gemacht. Er hält ihn für eingetragen, um so eine künstliche Verbindung mit der angehängten jüd. Anekdote zu schaffen. Jülicher (Einleitung. 6. A. S. 625) verweist die Erzählung in das Reich der reinen Legende. Auch Eascher hält hier das Eindringen profanen Stoffes für möglich, lehnt aber eine Verallgemeinerung dieser Annahme für die Novellen überhaupt ab und weist darauf hin, daß hier dem profanen Motiv ein religiös-kultisches zur Seite gehe. Die Erzählung soll der Gemeinde letztlich an einem biographisch besonders bemerkenswerten Eall Jesus als den machtvollen Wundertäter zeigen. Daß der Besessene V. 9 seinen Namen preisgebe, läßt sich nicht sagen, wenn das „Legion" eine Zahl ist, was wahrscheinlich sein dürfte 1 . Dann wird die Annahme des Eindringens des Motivs vom betrogenen Teufel hinfällig. Auch Titius muß, um den Schluß der Erzählung als jüdische Anekdote zu erweisen, einen kritischen Gewalteingriff in sie vornehmen und zu derhaltlosen Annahme schreiten, daß der schwererregte Kranke unter dem Eindruck der Person und der Worte Jesu allmählich zur Besonnenheit zurückgekehrt sei. Die Breite der Erzählung ist nicht zu verkennen. Aber der „ausgeführte Stil", in dem Mk. erzählt, steht dem kultischen Gebrauch nicht entgegen, denn der Erzähler will nicht „fromme Wißbegierde" befriedigen, sondern durch die Darstellung einer besonders schwierigen Heilungstat Jesu die Gemeinde „erbauen". Der Reichtum der Erzählung an Einzelheiten darf nicht ohne weiteres als Kennzeichen sekundärer Uberlieferungsform angesprochen werden, weil diese Ausführlichkeit ursprüngliche semitische Volkstümlichkeit zeigt 2 . Die Topik der Erzählung erweist sich als in der Sache begründet. Auch in der Schlußszene gleitet sie nicht ins Phantastische über. Das Ausfahren der Dämonen in die Schweine wird wohl als Konstatierung des Wunders erzählt. Eine Vergleichung dieser Szene mit den Stellen bei Philostr. und Joseph., in denen die Dä-

1 cf. die oben angeführte Erklärung von Strack-Billerbeck z. d. St. Sohlatter: Die Geschichte des Christus. 1921. S. 236. 2 Der Versuch von Dibelius, die Jesu als Wundertäter schildernde Novellen nach ihrer zeitlichen Entstehung im Urchristentum hinter die Paradigmen zu rücken, entbehrt des Überzeugenden. Paradigma und Novelle dürften miteinander, nicht nacheinander entstanden sein.

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monen mit einer sehr „zauberhaft" anmutenden Demonstration ausfahren, ist aber für die biblische Erzählung nur günstig 1 . Die Schilderung des Kranken geschieht mit einer Reihe anschaulicher Züge. Seit langem hält sich dieser Dämonische nicht zu Hause auf, sondern lebt in Grabeshöhlen, wenn er nicht auf den Bergen (Mk.) umherstreift, was er unbekleidet t u t (Lk.). Er schreit, (Mk.) zerschlägt sich selbst mit Steinen (Mk.) und ist so gemeingefährlich, daß niemand dort entlangzugehen vermag (Mt.). Die häufigen Versuche, ihn an Händen und Füßen zu fesseln (Mk., Lk.), sind mißlungen, weil er alle Fesseln zerbricht und zerreißt und sich von niemandem bändigen läßt. Als er Jesus kommen sieht, läuft er zu ihm (Mk.) und fällt mit einem Angstschrei vor ihm nieder, indem er in ihn dringt, ihn nicht zu quälen (Mk. horkizo, Lk. deomai), und zwar „vorzeitig" (Mt.). Nach dem nun folgenden Gespräch findet der Exorzismus unter Gewährung der Bitte der Dämonen (des Dämons) statt, Jesus möge sie (ihn) in eine in der Gegend weilende Schweineherde fahren lassen. Dies geschieht in so aufregender Weise, daß die Tiere entsetzt den zum See führenden Abhang hinabstürzen und dabei ertrinken. Der Schluß der Erzählung will die wirklich erfolgte Heilung konstatieren. Die Schilderung des Kranken und seiner Heilung geschieht durchaus „wirklichkeitsgemäß". Der Kranke läuft erregt auf Jesus zu, der seinen Angriff mit einem Exorzismus abwehrt. Daß ersterer nicht beabsichtigt war, zeigt der Fußfall und die an Jesus gerichtete Bitte. Daß er zu Jesus, Hilfe und Heilung suchend kommt, darf mit Johannes Weiß nicht als sinnlos bezeichnet werden, weil es das Psychologisch-natürliche ist. Der gewaltige suggestive Eindruck Jesu hat seine anfängliche Wildheit in Angst verwandelt, und diese gewinnt die Oberhand. So liegt also auch hier der bereits zu Mk. 1 mit Kretschmer festgestellte Doppelwille des Hysterikers vor. „Er h a t einen, der die Heilung sucht, — er ist ehrlich gemeint und wirklich vorhanden, aber oberflächlich und kraftlos — und einen zweiten Willen, der der Heilung widerstrebt" (a. a. O., S. 80). „Wird der Zweckwille insuffizient, so übernimmt die Hypobulik 2 die Führung" 1 Zur Beurteilung der Perikope cf. Köhler, S. 35 f. und das kurze, treffende Wort Heinricis: Der literarische Charakter, S. 42, über ihre geschichtliche Bedingtheit. 2 das unterbewußte Wollen. UNT 18 : F e n n e r . 4

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(ebd., S. 92, cf. Sanders: Die Autosuggestion und die Macht des Unterbewußten in uns. 1925, S. 79). Mag sich der Kranke in einem letzten, heftigen Paroxysmus auf die Schweineherde gestürzt oder sie sonstwie stark erschreckt haben — dieser Vorgang wird auch von F. Barth (Hauptprobleme des Lebens Jesu. 3. A. 1903, S. 132, cf. K. Bornhäuser, S. 82) in der Erzählung supponiert — jedenfalls verursacht sein Anfall eine Panik. Eine solche t r i t t nicht bloß bei Menschen ein, wenn bei plötzlichem Innewerden einer unerwarteten Gefahr ein, wenn auch nur leiser Anstoß gegeben wird. „Auch im Tierreiche, wo ja der Selbsterhaltungstrieb ebenfalls nicht fehlt, sind Paniken möglich. Man kennt erstaunliche Beispiele, wo Paniken unter Haustieren zu nicht minder bedauerlichen Folgen geführt haben, wie in der menschlichen Gesellschaft. Ganze Herden von Haustieren sind bereits infolge von Paniken im Wasser zugrunde gegangen." (Bechterew, a. a. O., S. 122, cf. die Parellelen für das Ausfahren der Dämonen in Tiere bei Wohlstein, Ztschr. f. Assyr. I X , 31, Z. N. W. XV, 45). So liegt für den Historiker keinerlei Grund vor, diese Erzählung preiszugeben. „Sie kann geschichtlich sein und deshalb glaubeich, sie für geschichtlich halten zu sollen 1 ." Zusammenfassend läßt sich von dem vorliegenden Krankheitsbild sagen, daß wir es hier wohl mit einer hysterischen Psychose, die eine Mischung manischer und melancholischdepressiver Zustände in paranoider Form darstellt, zu tun haben 2 . Die Krankheit verläuft zunächst in Affektausbrüchen: „der Kranke ist zornmütig, erregt, gereizt, geradezu explosibel empfindlich, brüllt, schreit, schimpft unflätig, tritt, schlägt und beißt, zerstört sinnlos, greift sich und seine Umgebung an (Furor hystericus)" 3 . Diese Zustände tobsüchtiger Erregung verwandeln sich dann in solche depressiver Art, deren Heilung erfolgt, wie ja hysterische Erscheinungen „grundsätzlich ausgleichbar und heilbar" sind 4 . a. 4. Die kranke Tochter der Syrophönizierin. Mk. 7, 24 ff., Mt. 15, 21 ff. Die Perikope, deren Mk.-Relation bei Mt. nicht gekürzt sondern erweitert erscheint (V. 23 und 30), wird von Bultmann 1 Koehler, S. 36. 2 Trotz Stock: N. K. Z. 1907, S. 499 ff. 3 Binswanger-Siemerling, a. a. O., S. 339. 4 ebd., S. 346.

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als ein mit einem Wunder Jesu umrahmtes „biographisches" Apophthegma angesehen, dessen Situationsangabe er ablehnt und dem er als Variante der Erzählung vom Hauptmann, Mt. 8, 5 ff. = Lk. 7, 1 ff., und als „idealer", das Motiv: wie Jesus auch Heiden Hilfe gewährt, ausmalender Szene die geschichtliche Grundlage abspricht, zumal sich für die Fernheilung wohl niemand einsetzen werde. Die Möglichkeit der Echtheit des Herrenwortes in Mt. 15, 24, das von dort in den Mk.-Text gekommen sei, gesteht er zu, so daß dann aus diesem die Gemeinde die Erzählung herausgesponnen habe. Auch die pistis bei Mt. V. 28 hält B. für spätere Zutat, da bei Mk. Jesus der Frau u m ihrer „Schlagfertigkeit" willen ihre Bitte erfüllt. Aber die Situationsangabe erscheint in ihrer nur allgemein orientierenden, tendenzlosen Form unverdächtig. Die innere Verwandtschaft mit der Erzählung vom H a u p t m a n n ist nicht zu leugnen. Hier wie dort handelt es sich um einen Fall, in dem es der bittenden Person gelingt, Jesu Bedenken zu überwinden, beidemal wird die Hilfe Jesu Heiden zuteil, beidemal vollzieht sich auch die Heilung aus der Ferne. Aber es lassen sich keine Anzeichen dafür entdecken, daß ursprünglich das Schwergewicht auf dem Gespräch gelegen habe. Es liegt vielmehr auf dem Wunder, in das auch in der jüdischen Wundererzählung Rede und Gegenrede eingeflochten erscheint (Fiebig: Der Erzählungsstil, pass.). Gegen die Geschichtlichkeit der Fernheilung sprechen nicht die dazu vorhandenen hellenistischen und jüdischen Parallelen (Dittenb. Syll. 803, 1 ff. und Fiebig: Jüdische Wundererz., S. 20). Sie erscheint, wie später ausgeführt werden wird, auch medizinisch begründet, auch wenn sie von Mk. und Mt. als rein wunderhaft aufgefaßt ist. Die Mk.-form dürfte jedenfalls in ihrer Ganzheit die älteste Überlieferung darstellen, zu der die des Mt. in V. 28 eine nach Ansicht des Evangelisten für die Gemeindeerbauung geeignetere, sekundäre Umbiegung bietet. Über die Krankheit enthält die Erzählung nur sehr dürftige Angaben. Sie erscheint als durch einen Dämon hervorgerufen und schwer (Mt. 15, 23). Die Schlußbemerkung des Mk., daß die Mutter das Kind bei der Rückkehr auf dem Bett liegend und den Dämon vertrieben gefunden habe, deutet an, daß pathologische Erregungszustände vorgelegen haben, die wir nicht kennen, deren psychogene Entstehung aber durch die Art der stattfindenden Heilung nahegelegt wird. 4*

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a. 5. Die kranke Schwiegermutter des Petrus. Mk. 1, 29 ff. Mt. 8, 14 f. Lk. 4, 38 f. I n der kleinen Erzählung besitzen wir eine Wundergeschichte in einfachster Form mit kurzen Angaben über die Art der Krankheit, ihre Behandlungsweise und die Tatsächlichkeit der eingetretenen Heilung. Ihre Einfügung an dieser Stelle der Untersuchung ist durch das in der Lukasrelation V. 29 erhaltene epetimesen begründet, das auf einen Exorzismus weist (Klostermann, z. d. St.). Diese Angabe wäre bei Lk. wohl ohne besonderen Grund nicht entstanden 1 , sodaß in ihr ein wertvoller Zug der ältesten Überlieferung durchblicken dürfte. Die Kranke liegt mit Fieber darnieder, cf. Joh. 4, 52. Act. 28, 8 2 ; nach Lk. handelt es sich um „großes" Fieber, womit wohl nicht starkes Fieber gemeint ist, sondern das von den griechischen Ärzten vom „kleinen" Fieber unterschiedene „große" (a. a. O., S. 128, Anm. 4). Hierbei dürfte es sich um delirante Zustände gehandelt haben, wie sie z. B. bei Hysterie in Form von Wahnvorstellungen vorkommen, die den Kranken vorübergehend befallen, und ihn als einen Besessenen erscheinen lassen (Wilhelm W u n d t : Völkerpsychologie, a. a. O.). Schon Hippokrates rechnet die Fieberdelirien zur „Phrenitis", wobei eine scharfe Trennung von somatischer und psychischer Erkrankung nicht vollzogen wird (H. Haeser: Geschichte der Medizin 1875 ff. I, S. 109 ff.). Von irgendeiner schweren organischen Erkrankung, als deren Symptom das Fieber anzusprechen wäre, ist in der Erzählung keine Rede. H ä t t e sie vorgelegen, so würde wohl gerade der Verfasser von Lk. und Act. genauere Angaben gemacht haben, cf. Act. 28, 8. Es handelt sich demnach wohl um essentielles Fieber oder „nervöse Hyperthermie" (Ebstein: Die Medizin im N. T. 1903, S. 102). AuchLewandowsky, a.a. 0., S. 64, weist auf den unleugbaren Einfluß psychischer Vorgänge auf die Körpertemperatur hin, auch wenn er die Lehre vom rein psychogenhysterischen Fieber als unsicher bezeichnet, wogegen E. Bleuler: Psychisches und Physisches in der Pathologie. 1916, S. 44 bemerkt: „Daß es psychogenes Fieber gibt, ist jetzt sicher", cf. ders.: Lehrbuch der Psychiatrie. 4. A. 1923, S. 414. Über die 1 A. Harnack: Lukas der Arzt. S. 125. Hierüber wie besonders über die medizinischen Ausdrücke des Lk. s. Exkurs. 2 Von „lebensgefährlicher Krankheit", wie Bornhäuser (Das Wirken des Christus durch Worte und Taten. 2. A. 1924, S. 74) will, ist nichts gesagt.

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nach der Erzählung angewandte Heiltechnik Jesu wird später gehandelt werden. Das „parachrema" (Lk. und Harnack, a. a. 0., S. 137) der eingetretenen Heilwirkung, das hier nicht auf das Konto des die Wunderbarkeit des Vorgangs verstärkenden Erzählers zu setzen sein dürfte, sondern in der Natur des vorliegenden Leidens bezw. seiner Heilung begründet erscheint, zeigt sich darin, daß die Kranke sich erhebt und den Gästen des Hauses aufwartet, was der vorher gegebenen Erklärung des Fiebers entspricht. Dem gegenüber erscheint die Bemerkung Knurs, daß solches Aufwarten mit dem Wesen „einer Hysterikerin" unverträglich sei, als bedauerliche Karrikierung des Tatbestandes. Hiermit wenden wir uns derjenigen Gruppe ntl. Heilungserzählungen zu, in denen von allerlei körperlichen Veränderungen die Rede ist, teils mit „dämonischer" Erklärung dieser Zustände, teils ohne ausdrückliche Bezugnahme auf einen Dämon.

b. Kranke mit somatischen Veränderungen. Hierzu gehören: Die verkrümmte Erau, Lk. 13, 10 ff., der Gichtbrüchige, Mk. 2, 1 ff., der Kranke mit der verdorrten Hand, Mk. 3, 1 ff. Par., der kranke Knecht des Hauptmanns, Mt. 8, 5 ff., Lk. 7, 1 ff., der Kranke am Teich Bethzatha, Joh. 5, 1 ff., der Lahme im Tempel, Act. 3, 1 ff., Aeneas, Act. 9, 32 ff., der Kranke in Lystra, Act. 14, 8 ff. Auch die Erweckungsfälle, Mk. 5, 21 ff. Par. Lk. 7, 11 ff. Act. 9, 36 ff., 20, 7 ff. reihen sich hier ein. Dazu kommen die Aussätzigen, Mk. 1, 40 ff. Par. Lk. 17, 11 ff., das blutflüssige Weib, Mk. 5, 25 ff. Par., der Wassersüchtige, Lk. 14, 1 ff., der kranke Vater des Publius, Act. 28, 8 und der kranke Herodes Agrippa, Act. 12, 20 ff.

b. 1. Die verkrümmte Frau. Lk. 13, 10 ff. Die aus dem Sondergut des Lk. stammende Erzählung gehört mit den Perikopen vom Gichtbrüchigen, Mk. 2, 1 ff. Par., vom Kranken mit der verdorrten Hand, Mk. 3, 1 ff. Par. und vom Wassersüchtigen, Lk. 14, 1 ff., literarisch zusammen, weil überall Heilung und Streitgespräch miteinander verbunden ist. In Lk. 13 wird der Heilungsbericht im voraus gegeben, in

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Mk. 2 und 3 am Ende, in Lk. 14 findet die Heilung im Verlauf des Streitgesprächs s t a t t 1 . Die Kritik Bultmanns ist mit allen gleich radikal verfahren und h a t sie zu idealen Szenen gestempelt, die aus einem Logion Jesu herausgewachsen seien. Gegen die Ursprünglichkeit von Lk. 13, 10 ff. macht er vor allem geltend, daß die vor der Debatte erzählte Heilung ungewöhnlich und daß die Freude des Volks über die herrlichen Taten Jesu in V. 17 b sonst nur für die eigentlichen Wundergeschichten typisch sei. Aber bei diesen Einwänden läßt er sich wohl von dem apriori zugeschnittenen Musterbild eines stilgerechten Apophthegmas bestimmen, das es nicht gibt (Aurelius, a. a. 0., S. 31). Durch eine derartige Hineinpressung der verschiedenen Erzählungen in ein bestimmtes, von vornherein feststehendes Schema wird man ihrer Eigena r t nicht gerecht. Der Schluß von V. 17, der von den herrlichen Taten Jesu spricht, paßt allerdings nicht zu dem vorhergehenden Streitgespräch, 14 ff. E r würde sich eher an V. 13 anschließen, wodurch dann eine geschlossene Wundererzählung zustande käme, die für sich existiert haben könnte. Es ist aber u m des V. 16 willen zu bezweifeln, daß das der Fall war. Dieser zeigt sich so eng mit der vorangegangenen Heilung verknüpft, daß die Einheitlichkeit der Perikope von Anfang an in der Uberlieferung bestanden haben dürfte, und diese geschichts- und sachkritisch unverdächtig erscheint. Die Kranke hat ein pneuma astheneias, einen Dämon, der Schwachheit oder Krankheit bewirkt (Strack-Billerbeck z. d. St. Reitzenstein, Poimandress, S. 11). Sie ist eine synkyptusa, eine nach vorn Verkrümmte, so daß sie sich nicht völlig aufrichten kann; und zwar besteht das Leiden schon 18 Jahre. Nach der therapeutischen Tätigkeit Jesu richtet sie sich wieder auf. Die Erzählung zeigt eine gewisse, medizinisch-interessierte Genauigkeit, wenn auch nähere Angaben über die Verkrümmtheit selbst fehlen. Ebstein sieht f ü r die Erklärung dieser Kont r a k t u r 2 Möglichkeiten, entweder liegt ein Lähmungszustand vor, „wodurch gewisse antagonistisch entgegenwirkende Muskeln 1 Wenn an dieser Stelle der Untersuchung Lk. 14 noch nicht mitbehandelt wird, so geschieht es nur darum, weil die anderen 3 Fälle durch die Art des darin geschilderten Leidens dicht aneinanderrücken, während Lk. 14 eine ganz andersartige Krankheitsform bringt.

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das Übergewicht bekamen und so eine Krümmung nach der entgegengesetzten Körperseite veranlaßten", oder es handelt sich hier um eine primäre Kontraktur gewisser Körpermuskeln, „weil tatsächlich tonische Kontrakturen einzelner Muskelgruppen und auch ganzem Extremitäten bei schwerer Hysterie beobachtet werden, welche lange Zeit hindurch bestehen können." Der Zeitraum von 18 Jahren erscheint ihm freilich recht lang für das Bestehen solcher Kontraktur, aber doch möglich. Auch Braun (a. a. O., z. d. St.) möchte am ehesten an Hysterie denken, der derartige Funktionsstörungen eigentümlich sind. Wir würden dann Scoliasis hysterica anzunehmen haben (Oppenheim a. a. O., II, S. 1230). Solche Kontrakten werden auch die kylloi in Mt. 15, 30 gewesen sein. K n u r (a. a. 0., S. 49) erkennt, um den Fall zu einem außergewöhnlichen zu stempeln, auf Arthritis deformans 1 , die aber durch nichts angezeigt ist. b. 2. Der Gichtbrüchige. Mk. 2, 1 ff. Mt. 9, 1 ff. Lk. 5, 17 ff. Die mit einem Streitgespräch verbundene Heilungserzählung trägt eine Reihe typischer Züge, sie zeigt die Größe der äußeren Schwierigkeiten, das wunderwirkende Wort, die den Erfolg demonstrierende Betätigung und den Eindruck auf das Publikum, und wird von Dibelius den Paradigmen eingereiht. Aber die in ihr sich findenden Kennzeichen des Paradigmas bieten auch manche Novellen: ihre Kürze haben Mk. 7, 32 ff. oder 8, 22 ff., ihre Portraitlosigkeit entspricht Mk. 7, 32, ihre Erbaulichkeit ist kaum größer als die von 9, 17 ff., ebenso zeigt sie, wie das Heilung zusprechende Wort, das der Novelle Mk. 8, 22 ff. fehlt, in einem Paradigma stehen kann. Wegen dieser Mannigfaltigkeit, in der sich die einzelnen Züge auf beide Gattungen verteilt finden, wird auch der Chorschluß, der dem Paradigma Mk. 3, 1 ff. fehlt, in Mk. 2, 1 ff. nicht zu beanstanden sein, trotzdem die Erzählung bereits vorher einen Abschluß hat. Er macht nicht den Eindruck des künstlich Geschaffenen, sondern resultiert aus der Situation. Das kritische Verfahren Bultmanns, der V. 5 b—10 aus der Perikope ausscheidet und die Debatte auf die Heilungsgeschichte hin komponiert sein läßt, erregt gewichtige Bedenken (Koehler, S. 18, cf. auch den Hinweis von Aurelius, S. 28 ff. auf die enge Verbindung von V. 10 1 auf eine chronische Gelenkentzündung.

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und 11 als Sicherstellung der Einheit). Es ist nicht einzusehen, warum das Logion von der Sündenvergebung zuerst vorhanden gewesen sein und dann in unserm Apophthegma eine frei geschaffene Gestalt erhalten haben soll, vielmehr ist die Annahme berechtigt, daß sich die Heilungserzählung mit dem Logion, die als ursprüngliche Überlieferung der Gemeinde vorlag, ihr gerade durch diese Verbindung für die praktische Verwendung empfohlen und von ihr ihre Stilisierung erhalten hat, um die Gestalt Jesu als des schlagfertigen Lehrers herauszuheben, so daß sich die Heilung dem Streitgespräch als Beweismittel unterordnen muß. Mit Recht setzt sich darum auch Joh. Weiß (Die Schriften des N. T. 1906. I, S. 80 f.) für die durch das Jesuswort von der Sündenvergebung „nicht auf der gewöhnlichen Heerstraße der Wundergeschichten" liegende Heilungserzählung ein (cf. A. Schlatter: Die Geschichte des Christus. 1921. S. 230). Uber den Kranken erfahren wir bei Mk., Mt. (bei Lk. in medizinisch-verbesserndem Ausdruck), daß er bewegungsunfähig war und darum auf einem Bett (über die verschiedenen griechischen Ausdrücke dafür: Klostermann zu d. St.) herzugetragen werden muß. Zugleich leidet er, wie vorausgesetzt wird, an einer wohl in der zeitgeschichtlichen Auffassung seiner schweren Krankheit begründeten Depression. Dieses sein Schuldgefühl wird durch den Zuspruch Jesu behoben. Durch einen solchen Zuspruch erfolgt ebenfalls die körperliche Wiederherstellung 1 , so daß sich der Kranke (Lk.: alsbald) erhebt und mit seinem Bett heimkehrt, was gewiß als Beweis der vollkommenen Heilung, aber wohl nicht als besondere „Kraftleistung" des Geheilten erzählt wird, weil die leichte palästinensische Lagerstatt dazu nicht geeignet erscheint (L. Bauer: Volksleben im Lande der Bibel. 1903, S. 52). Es handelt sich demnach bei dem Kranken offenbar um eine Lähmung der unteren Extremitäten. Nähere Angaben werden darüber nicht gemacht. Woher 0 . Holtzmann (Leben Jesu. S. 155 ff.) weiß, daß der Kranke auf einer Seite gelähmt war, ist nicht ersichtlich. Wir lernen seine Lähmung nur als eine 1 „Die körperliche Krankheit weicht, wenn die innere Heilung erfolgt ist." K.Heim: Zur Frage der Wunderheilungen. Zeitwende 1927, S. 410 ff. Aber der Satz Heims: „Die biblischen Wunder hängen . . . unmittelbar mit der Versöhnung des Gewissens zusammen" ist eine, auch durch Jak. 5, 14 ff. nicht begründbare Verallgemeinerung.

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psychisch beeinflußbare und heilbare kennen. Die im Altertum unbekannte, unheilbare, allgemeine progressive Paralyse kommt für die paralytikoi des N. T. nicht in Betracht (P. W. Schmidt: Die Geschichte Jesu, II, 205 ff.). An eine von organischer Erkrankung des Rückenmarks ausgehende Abasie 1 ist demnach nicht zu denken, vielmehr dürften funktionelle Lähmungserscheinungen vorgelegen haben, wie sie gerade die Hysterie oft in schwereren Formen zeigt, als sie bei organischen Erkrankungen beobachtet werden (Binswanger-Siemerling, a. a. 0., S. 335). „Es gibt hysterische Lähmungen, die J a h r e und J a h r zehnte hindurch unverändert bestehen bleiben." (Lewandowsky, S. 29). Auch Seng beurteilt den Fall als einen rein psychisch begründeten, während Knur, S. 6 ff., hysterische Lähmung für völlig unwahrscheinlich erklärt, weil in diesen Fällen plötzliche Heilungen meist trügerisch, und Rezidive zu befürchten seien, die er für Jesus ausschließen möchte. Daß im vorliegenden Fall auf psychogene Grundlagen der Lähmung geschlossen werden darf, wird durch die vorhin erwähnten schweren Depressionszustände nahegelegt. b. 3. Der Kranke mit der verdorrten Hand. Mk. 3, 1 ff. Mt. 12, 9 ff. Lk. 6, 6 ff. Die von Bultmann nach Ausscheidung des redaktionellen Zusatzes V. 6 als organisches Apophthegma betrachtete Perikope ist, wie die vorher besprochenen, eine mit einem Streitgespräch verbundene Heilungserzählung. Der Inhalt des Gesprächs, die Sabbatfrage, steht auch Lk. 13, 10 ff. Lk. 14, 1 ff. wie Joh. 5, 9 ff. 9, 14 ff. zur Diskussion. Diese Sabbatkonflikte reflektieren in besonderer Weise den Kampf Jesu mit seinen Gegnern, weshalb sie auch der Gemeinde für ihre Auseinandersetzungen wertvoll waren. Die von Dibelius zu den Paradigmen gerechnete Erzählung endet gleich 2, 1 ff. wie eine Wundergeschichte, die sie auch bei Mk. und Lk. von Anfang an gewesen sein dürfte, cf. ihren Nachtrieb im Hebr. Ev., Hieron. Comm. z. Mt. 12, 13, während Mt. sie zu einem ausgeführten Streitgespräch macht. Daß Mk. hier die ursprüngliche Tradition vertritt, im Gegensatz zu dem „unjüdischen Lk." und dem „Kirchenmann" Mt., zeigt Koehler S. 31. 1 Unfähigkeit, zu gehen.

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Der Kranke h a t eine xera oder exerammene cheir (nach Lk. ist es die rechte). Dürr, vertrocknet, erschlafft läßt er sie hangen und vermag sie nicht auszustrecken. Diese Fähigkeit gewinnt er aber durch die Heilung wieder. Die von Klostermann aufgeworfene Frage, ob cheir hier nicht im Sinn von Arm steht, ist begründet, denn bei dem ekteinon ist wohl an den Arm mitgedacht. Es liegt demnach eine monoplegische 1 Lähmung mit Atrophieerscheinungen 2 vor. Schwere Atrophie, wie Joh. Weiß will, ist mit nichts angedeutet und ließe sich auch durch psychische Impulse nicht beheben. Die Art der Heilung läßt vielmehr auf eine leichtere Form derselben schließen. Beides, Lähmung und Atrophie leichterer Form, findet sich bei Hysterie bisweilen verbunden. Bei längerer Dauer der Lähmung zeigen die hysterisch-gelähmten Glieder in einer Reihe von Fällen eine mäßige Atrophie, die durch eine gleichmäßige Abnahme der Muskulatur zustande kommt 3 . Daß es sich hier um hysterische Erscheinungen handelt, wird auch besonders durch die scharfe zirkuläre Abgrenzung der Lähmung auf die eine Hand nahegelegt. Somit dürfte wohl das Leiden dieses Kranken, soweit als möglich, als „medizinisch-festgestellt" dastehen (zu Koehler, S. 33). Bemerkt sei, daß es auch eine hysterische Insuffizienzerscheinung 4 gibt, die sich auf den ganzen Körper erstreckt und in allgemeiner Muskelschwäche äußert. Dieser Amyosthenie oder Asthenie entsprechen wohl die arrostoi des N. T. Mk. 6, 5. 13. 16, 18. Mt. 14, 14 1. Kor. 11, 30. b. 4. Der kranke Knecht des Hauptmanns von Kapernaum. Mt. 8, 5 ff. Lk. 7, 1 ff. Die aus Q stammende Perikope erinnert einerseits an die Erzählung von Jairus, Mk. 5, 21 ff., sofern in beiden Fällen ein Beamter Jesu entgegenkommt, um für ein schwerkrankes Glied seines Hauses zu bitten, das selbst nicht gebracht wird, andererseits an die von der Synophönizierin, Mk. 7, 31 ff., wo es auch 1 Lähmung nur einer einzigen Extremität, bzw. einer umschriebenen Muskelgruppe. 2 s. o. 3 Hysterische Muskel- oder Inaktivitäts-Atrophie, Lewandowsky a. a. 0., S. 28 f., Gruhle, S. 12, a. 3, was auch Knur erwähnt, aber nicht auswertet. 4 Ungenügende Punktion von Organen.

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der B i t t e n d e n d u r c h eine geschickte E n t g e g n u n g gelingt, J e s u Hilfe zu erlangen, die beidemal als Fernheilung erscheint. I n letzterer Hinsicht h a t sie auch große Ähnlichkeit m i t der E r zählung von der Heilung des Sohnes des R a b b a n Gamli' el durch H a n i n a (Fiebig: J ü d . Wundererz., S. 19), wo auch auf das zeitliche Zusammentreffen der eingetretenen Heilung m i t d e m gesprochenen Heilwort W e r t gelegt wird. Die A n n a h m e K . L. Schmidts (Der R a h m e n , S. 71 ff.), d a ß den in einem früheren S t a d i u m der Überlieferung v o r h a n d e n gewesenen E r z ä h l u n g e n von einem B e a m t e n , der die Heilung eines Hausgenossen e r b a t , e i n Vorkommnis aus dem Leben Jesu zugrunde gelegen habe, ist an sich möglich, aber die Erzählungen bieten nicht bloß m a n c h e gemeinsame, sondern auch m a n c h e individuelle Züge, die auf Erinnerungen r u h e n d ü r f t e n , u n d die F r a g e Faschers ist wohlberechtigt, w a r u m Jesus nicht in mehreren derartigen Fällen Heilung gebracht h a b e n könne, wie das auch von den Heilungen a m S a b b a t gilt. Die Schilderung des K r a n k e n , der nach Mt. große Qualen leidet, entspricht den heutigen Beobachtungen hysterischer Lähmungen, die m i t heftigen Schmerzen v e r b u n d e n sein k ö n n e n (Lewandowsky, a. a. 0 . , S. 40 ff.). Die Heilung ist, wie in Mk. 7, 24 ff. als F e r n w i r k u n g gedacht, erscheint aber auch wie d o r t in dem festen Vertrauen des Bittstellers auf die zu erlangende Hilfe bei dem K r a n k e n psychologisch b e g r ü n d e t 1 . Von K n u r , S. 7 ff., wird die anzunehmende hysterische Grundlage des Leidens durch Verwandlung des K r a n k e n in einen „unausstehlichen H y s t e r i k e r " in F r a g e gestellt, der sich höchstwahrscheinlich nicht h ä t t e aus der Ferne, dazu noch m i t einem W o r t kurieren lassen, u n d gewiß nicht gesund geblieben wäre. I n J o h . 4, 47 ff. ist der Stoff von Mt. 8, 5 ff. frei v e r a r b e i t e t . Hier h a n d e l t es sich u m die Heilung eines Beamtensohnes, während der pais i n M t . 8,13 nach dem dulos V. 9 zeigt, d a ß d o r t von d e m K n e c h t des H a u p t m a n n s die Rede ist. Die johanneische E r z ä h l u n g gehört zu den wenigen Geschichten, die der 4. E v a n g . den Synoptikern e n t n o m m e n u n d in eine andere F o r m umgegossen h a t , u m sie seiner Christusanschauung a n z u p a s s e n 2 . Die Einleitung, 4, 47, erinnert a n Lk. 7, 2 f., ebenso das emellen apotkneskein. Mit Mt. h a t die E r z ä h l u n g die Gleichzeitigkeit 1 Hierüber unter E.

2 Cf. 3 , 3 5 . 1 3 , 3 . 17, 2.

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von Wort und Heilung gemeinsam, 4, 53 a und Mt. 8, 13, cf. die Haninaerzählung (H. Windisch: Der johanneische Erzählungsstil, in Eucharisterion II, S. 174 ff. Johannes und die Synoptiker. 1926, S. 50). Spannend macht der 4. Evangelist seine Erzählung durch das die Heilung zunächst abweisende Wort Jesu über die Wundersucht und erinnert durch diesen retardierenden Zug an Mt. 15, 22 ff. Mk. 7, 27 ff. Über die Krankheit des Beamtensohnes enthält die Erzählung, abgesehen von der allgemeinen Angabe in V. 47, nur in V. 52 die kurze Bemerkung, daß es sich um Fieber gehandelt habe. An weiterer Verdeutlichung der Krankheit hat der Evangelist kein Interesse mehr. Die Heilung ist semeion. Nur der Wundertäter, für den es keine Grenze der Macht mehr gibt, soll ins Licht treten; V. 44 ff. enthält den Tatbeweis dafür, daß Jesus wirklich der soter tu kosmu ist (H. Weinel: Biblische Theologie des N. T., 4. A., S. 27 ff., 314, 385, 422). b. 5. Der Kranke am Teich von Bethzatha. Joh. 5, 1 ff. Die vom Evangelisten „rätselhaft lokalisierte", dramatisch ausgesponnene, fünfszenige Novelle mit Zeugnis- und Streitrede 1 berührt sich einerseits mit der synoptischen Perikope von der verdorrten Hand, Mk. 3, 1 ff., beidemal ist die Heilung Anlaß zum Streit über die Sabbatverletzung. Andererseits besteht Verwandtschaft mit der Erzählung vom Gicht brüchigen, Mk. 2, sofern das heilende Wort und die Demonstration der Heilung übereinstimmen. Beidemal spielt auch das Moment der Sündenvergebung hinein, nur mit dem Unterschied, daß diese bei Mk. vorangeht, bei Joh. nachfolgt. Parallel ist endlich auch die erneute Begegnung des Geheilten mit Jesus, Joh. 5, 14, mit der synopt. Stelle Lk. 17, 15 ff., cf. Joh. 9, 35 ff. An der Krankheit, deren ganze Schwere mit besonders starken Zügen aufgetragen ist (die jahrelange, von vornherein jede Heilung ausschließende Bewegungsunfähigkeit), soll die Allmacht des Gottessohnes anschaulich werden. Andererseits scheint die Erzählung auch wieder mit einem psychologischen Gesichtspunkt bei der Heilung zu rechnen (V. 6). Daß bei dem Kranken an eine Lähmung 1 Eine Kombination von Wundergeschichte und Predigt bietet auch Act. 3 , 1 ff. 14, 8 ff.

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gedacht ist, wird von W. Bauer in der 2. A. seines Kommentars, im Gegensatz zur 1. zugegeben; im übrigen cf. das zu Mk. 2, 1 ff. Ausgeführte. b. 6. Der Lahme im Tempel. Act. 3, 1 ff. Die Heilungserzählungen der Act. stehen unter ähnlichen literarischen Bedingungen wie die der Synoptiker und des Joh. Evang. Mit Recht charakterisiert R. Schütz die Apg. als idealisierte Aposteltradition und als Produkt nicht rein geschichtlicher Anschauung, sondern erbaulicher Missionserzählung. Sie stellt eine Beispielsammlung von Aposteltaten dar. Soweit ihre Heilungserzählungen aus der Apostelquelle stammen: 3, 1 ff. 9, 32 ff. 36 ff., tragen sie eine wunderreiche legendarische Zeichnung des Wirkens der Apostel, die nach Inhalt wie Erzählungsweise den jüd. Wundergeschichten der christlichen Zeit entspricht. Diese Heilungserzählungen zeigen Vorliebe für das Genrebild und die Kleinmalerei. Die Erzählung vom cholos, Act. 3, ist reich an konkreten Einzelheiten, hinsichtlich der Person des Kranken wie der Umstände. Das Heilungswunder wird mit typischen Zügen geschildert. Die Schwere des Krankheitsfalls und die lange Dauer des Leidens, V. 2, die Heiltechnik mit Geste, V. 7, der Heilerfolg und seine Konstatierung, V. 7 ff., so daß Dibelius (Stilkritisches z. Apg.) die Erzählung in die Kategorie der synopt. Novelle einreiht, ohne damit über ihren Wirklichkeitscharakter urteilen zu wollen. Daß das erbauliche Moment in ihr zurücktrete, kann n a c h V . 6 nicht gesagt werden, da die Heilung als „Fortsetzung der Wunder Jesu" erzählt wird, cf. auch die V. 12 ff. angehängte Predigt 1 . Daß die Erzählung sich in Ausdrücken bewegt, die der alten Medizin geläufig sind, hat Harnack nach Hobart hervorgehoben. Uber die Heilkraft des Namens Jesu Christi von Nazareth und die in V. 16 als die Heilung vermittelnd genannte pistis s. unter E. Medizinisch gemessen gehört die Krankheit und ihre Heilung mit den vorher besprochenen Fällen zusammen. Das ek koilias würde dann auf endogene Veranlagung hinweisen, wie sie auch bei der Hysterie vorkommt (Oppenheim a. a. O., I I . S. 16, 180. W.Marie: Lexikon der gesamten Therapie, s . v . H y s t e r i e ) . 1 Über ihre Verbindung mit der Heilungserzählung s. z. Joh. 5, 1 ff.

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b. 7. Aeneas. Act. 9, 32 ff. Die kleine Erzählung bewegt sich in den bekannten Zügen der Wundergeschichte. Sie bringt Mitteilungen über den Kranken und die Schwere des Falles, V. 33, die Heilungsformel (hier abgewandelt), V. 34, den Heilerfolg, V. 34,undseineKonstatierung, V. 35. Daß die Heilung, wie Dibelius will, als bloßer Nachhall einer Wundererzählung völlig situationslos und ohne wirklichen Abschluß dastehe, ist wohl zu viel behauptet. Der Kranke ist, wie der in Act. 3, 1 ff. ein an den unteren Extremitäten Gelähmter. Auch seine Heilung entspricht diesem Fall. b. 8. Der Kranke von Lystra. Act 14, 8 ff. Die von R. Schütz aus der hellenistischen Jüngerquelle abgeleitete Wundererzählung erinnert in ihrer Topik an Act. 3, 1 ff. Das Leiden des Kranken wird in seiner ganzen, kaum heilbar erscheinenden Schwere geschildert, V. 8, der die Heilung vermittelnde Blick und Glaube V. 9 hervorgehoben und das Heilungswort, V. 10, sowie der Heilerfolg, V. 10 b, mitgeteilt. Seine Konstatierung durch die Menge ist zu einer besonderen Erzählung von der Vergötterung der beiden Jünger und deren Ablehnung durch ihre Predigt ausgeweitet, um dadurch der Wundererzählung ein starkes erbauliches Moment zu geben. Daß der Überlieferungsstoff in Act. 14, 8 ff. primär, in 3, 1 ff. sekundär ist, wird mit Schütz anzunehmen sein. Auch hier wird die Krankheit nur ganz kurz, aber mit medizinischem Ausdruck bezeichnet. Artlich deckt sie sich mit der in Act. 3, 1 ff. 9, 32 ff. Mk. 2, 1 ff. vorliegenden. b. 9. Die Erweckungsfälle. Mk. 5, 21 ff. Par. Lk. 7, 11 ff. Joh. 11, 1 ff. Act. 9, 39 ff. 20, 7 ff. Die als Erweckungswunder erscheinenden Erzählungen der Evangelien zeigen eine Steigerung des Wunderhaften von Mk. 5 über Lk. 7 zu Joh. 11, während die Erzählungen der Acta eine solche unter sich nicht aufweisen. Ihre Topik ähnelt durchaus der der Heilungserzählungen und ist, wie in den außerchristlichen Parallelen, sachlich begründet (3. Reg. 17, 17 ff. 4. Reg. 4,8. Weinreich, S. 46, 171 ff.; zur Erwähnung von Totenerweckungen durch die Rabbinen: Fiebig, Jüd. Wundererz., S. 36 ff., Strack-Billerbeck, zu Mt. 10, 8). Dem szenischen Auf-

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bau nach zeigt Lk. 7 die einfachste Form mit einer Szene, Mk. 5 weist vier Szenen auf, während die johanneische Lazaruserzählung zu sieben Szenen aufsteigt. Die mit der Erzählung von dem blutflüssigen Weib ineinandergeschachtelte Perikope von der Jairustochter, Mk. 5, 21 ff., wird von Bultmann als nur künstlich mit ihr verbunden betrachtet. Während Arnold Meyer (Die Entst. des Mk.-Evang., S. 40), die gleiche Trennung vornimmt, sieht Ed. Meyer (Anfänge I, S. 190) beide für sehr geschickt verknüpft, ja dramatisch aufgebaut an, wie auch Joh. Weiß und K . L. Schmidt gerade wegen dieser Verknüpfung einen historischen Tatbestand festhalten wollen. Die Annahme Kreyenbühls (Ursprung und Stammbaumeines biblischen Wunders. Z.N. W. 1909, S. 265 ff.), daß die JairuserZählung mit ihrem talitha der Tabithaerzählung nachgebildet sei, entbehrt der Grundlage. Denn trotz unverkennbarer Ähnlichkeit der Erzählungen in der ganzen Struktur fehlt gerade die von Kr. behauptete Übereinstimmung in „fast allen Einzelheiten", wie seine eigene Gegenüberstellung, S. 271 f., zeigt. Die Unterschiede sind so groß, daß von literarischer Abhängigkeit nicht geredet werden kann. Die Vermutung Bultmanns, daß der Name Jairus nicht zur ältesten Uberlieferung gehört habe, sondern erst aus Lk. in den Mk.-Text eingedrungen sei, kann nur als möglich bezeichnet werden (cf. Klostermann zu Mk. 5, 22). Die Auslassung des vielleicht zauberhaft klingenden talitha kumi bei Mt. und Lk. ist bezeichnend. Der erbauliche Zug in Mk. 5, 36 gab der Erzählung für die Gemeinde besonderen Wert. Die Aufforderung in V. 43, der Wiederbelebten zu essen zu geben, soll nur den Erfolg der Wundertat dokumentieren. Die Erzählung vom Jüngling zu Nain, Lk. 7, 11 ff., stellt der Jairus-Perikope gegenüber den hellenistischen Typus des Erweckungswunders dar. Ihre große Ähnlichkeit mit der Erzählung des Philostr. vit. Apoll. IV, 45 von der Wiedererweckung eines toten Mädchens wird auch von K. Beth (Die Wunder Jesu. S. 36 f.) zugestanden. Die Lk.-Erzählung dürfte mit Ausnahme von V. 17 intakt sein. Sie zeigt gutes Lokalkolorit und auch sonst palästinensische Bodenständigkeit (M. Brückner, a. a. O., S. 6). Wenn O. Holtzmann (Leben Jesu. S. 213) der Erzählung die historische Grundlage abspricht, weil das Wunder angesichts einer staunenden Volksmenge geschehe, so erscheint dies Argu-

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ment darum als hinfällig, weil die Volksmenge bei vielen Wunderheilungen der Evang. als anwesend geschildert oder vorausgesetzt wird, ohne daß darum überall die Geschichtlichkeit in der einzelnen Erzählung angefochten werden könnte (G. Naumann, a. a. O., S. 26). Die Lazaruserzählung, Joh. 11, 1 ff., in der auch Lemme zwar einige starke Spuren von Überarbeitung findet, im übrigen aber ein absolutes Wunder festhält, ist eine reine Epiphaniegeschichte, die unter ungeheuerlicher Steigerung des Wunders die grandiose Macht des Sohnes Gottes auch über Tod und Verwesung zeigen soll und als bloßes semeion darum für eine weitere medizinische Untersuchung nicht in Betracht kommt (cf. Seng a. a. 0., S. 22). Die Tabithaerzählung, Act. 9, 36 ff., erscheint als selbständige, in sich abgeschlossene Novelle mit vielen ausmalenden Einzelzügen und erbaulich orientiertem Schluß, V. 42. Auf die Technik der Wunderheilung ist kein Nachdruck gelegt. Die Topik erinnert stark an die Jairusperikope. Die Eutychuserzählung, Act. 20, 7 ff., wird von Dibelius (Stilkritisches z. Apg.) in eine ursprüngliche, völlig unerbauliche Wundererzählung und einen um sie gelegten Rahmen zergliedert, mit dem erst der Autor ein wenig Christentum an sie herangebracht habe. Zur Beurteilung der Erzählungen ist zunächst zu beachten, daß eine genaue Beschreibung der „Toten" nicht gegeben wird, und daß es sich im N. T. bei der Annahme des Todeseintritts nur um Laienurteile handelt, Mk. 9,26. „Wäre der Vorgang in unserer Mitte geschehen, so würde kein Arzt hinterher zugeben, daß der Tod bereits eingetreten war" (O. Holtzmann: Leben Jesu. S. 213). Wie geneigt man zur Annahme wirklicher Totenerweckungen war, zeigt die Erzählung von Eutychus, Act. 20, 9 ff (cf. StrackBillerkeck. I. S. 560. 1048. I I . S. 545). So muß auch bei der Jairustochter, dem Jüngling von Nain und Tabitha mit der Möglichkeit des Vorhandenseins eines todesähnlichen Zustandes gerechnet werden 1 . Auch Lemme (a. a. 0., S. 89) t u t das für die 1 Von K. Bornhäuser, a. a. O., S. 51 ff., werden die Totenerweckungen des Elia und Elisa für die Erweckung der Jairustochter durch Jesus als Folie benutzt, von der sich sein „mit königlicher Majestät" vollbrachtes Wunder so stark abhebe. Für den Historiker läßt sich ein grundsätzlicher Unterschied nicht feststellen.

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Jairusgeschichte, während er für den Jüngling von Nain ein wirkliches Totenerweckungswunder zur Verherrlichung des Gottessohnes annimmt. Das Vorkommen derartiger, durch Trübung des Bewußtseins charakterisierter Zustände, bei denen eine völlige Starre der Extremitäten, Aufhebung der Sensibilität, Abschwächung der Atmung und Herztätigkeit eintritt und bei denen der Kranke mit ausdruckslosem Gesicht und starrem Blick Tage, Wochen, Monate hindurch in hypnoiden 1 Zustand liegt (Oppenheim, a. a. O., II, 1709. Binswanger-Siemerling a. a. 0., S. 340. Stoll, S. 240), steht gerade bei Hysterie fest. Wer an die ntl. Erzählungen von der Erweckung Toter mit der richtigen kritischen Maxime F. Barths (Hauptprobleme des Lebens Jesu. 3. A. 1903, S. 104) herantritt: „Was u n s . . . . überzeugen soll, das muß doch irgendwie heute noch erfahren werden können", muß in ihnen den Eintritt und die Aufhebung solcher kataleptischen Zustände erblicken, die K n u r wegen der fehlenden Garantie für die Dauer ihrer Heilung ablehnt. b. 10. Das blutflüssige Weib. Mk. 5, 25 ff. Mt. 9, 20 ff. Lk. 8, 43 ff. Die Novelle, deren kanonische Form in Ev. Nik. Kap. 7 einen legendären Nachtrieb erfahren hat, trägt die typischen Züge der Wundererzählung. Die Größe des Wunders soll geschildert werden. Dazu dient die Angabe über die lange Dauer der Krankheit, das vergebliche Bemühen der Ärzte und die plötzliche Heilung. Gleichwohl will die Erzählung nicht, wie die profanen Wundererzählungen, nur unterhalten, sondern, wie Mk. 5, 34 zeigt, die Gemeinde erbauen. Der Zug der „automatisch ausfließenden Wunderkraft", cf. Mk. 3, 10. 6, 56, spricht nicht gegen den historischen Wert der Erzählung, begründet ihn vielmehr (Ed. Meyer I, S. 108). Von s p ä t e r e r Deutung des Heilvorgangs als eines „magischen" (G. Naumann, a. a. O., S.68f.) läßt sich hier nicht reden. Das bereits seit 12 Jahren bestehende Leiden der Kranken, dessen Heilung Lk. mit medizinischem Terminus erzählt, dürfte die in Levit. 3, 25 ff. erwähnte Anomalie der Periode gewesen sein, so daß Menorrhagie vorlag, die oft hysterischer Art und dann psychisch beeinflußbar ist (Bleuler: Psychisches und 1 schlafartigen. UNT 18 : F e it n e r .

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Physisches in der Pathologie. 1916, S. 44, Stoll, a. a. 0., S. 225, cf. 0 . Schwarz, S. 295), wie auch Seng, S. 17, den Fall beurteilt, während auch hier Knur, S. 44, die hysterische Grundlage des Leidens mit der tendenziösen Bemerkung ablehnt, daß der Wunsch der Frau, geheilt zu werden, der Charakter Veränderung einer „Hysterikerin" widerspreche. b. 11. Der Wassersüchtige. Lk. 14, 1 ff. Die aus dem Sondergut des Lk. stammende, von Dibelius als eine Mischform von Paradigma und Novelle angesehene Erzählung gehört zu den Streitgesprächen, die mit einer Heilung verbunden sind. Sie ist nach Bultmann, wie 13, 10 ff. aus einem Logion herausgesponnen und variiert Mk. 3, 1 ff. (cf. 14, 1 und Mk. 3 , 1 ; 14,3 und Mk. 3, 4). Die Erzählung als Rahmenkomposition für das auch Mt. 12, 11 überlieferte Herrenwort anzusehen, ist möglich, wie auch Joh. Weiß (Die Schriften des N. T. 1906 I, z. d. St.) bemerkt „Die Gründe der Komposition des Lk. sind dunkel", aber nicht nötig, da die Erzählung in dem hydrotikos eine selbständige Krankheitsangabe bietet, die sie P. W. Schmidt (a. a. 0 . II, S. 263 — ohne nähere Angabe der Gründe) zu den geschichtlich nicht zu messenden Erzählungen rechnen läßt. Zur Beantwortung der Frage nach der Art des Leidens bleiben wir in Ermangelung näherer Angaben auf Vermutungen angewiesen. Da es sich bei Wassersucht (Hydrops, Hydropsia) nicht um eine Krankheit sui generis, sondern um ein Symptom von veränderter Diosmose 1 der Gewebsflüssigkeiten handelt, wie sie vor allem durch Erkrankung der Nieren oder durch chronische periphere Kreislaufinsuffizienz entsteht, so wäre auch bei dem hydrotikos die Ermittelung solch eines schweren organischen Leidens nötig, was aber nicht möglich und auch durch die Art der Heilung ausgeschlossen ist. Von einem Heilungsprozeß, an den Ebstein (Die Medizin im N. T. 1903, S. 96 ff.) zu denken geneigt ist, sagt der Text nichts. Es ist aber möglich, an Hydrops articulorum intermittens oder Hypostrophus articulorum zu denken, „eine trophische Neurose, bei der ohne Fieber und ohne äußere Veranlassung Ergüsse in den serösen Gelenkhäuten (auch Sehnenscheiden) entstehen, gelegentlich mit Oedem der 1 Durchdringen.

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umliegenden Haut". „Meist sind es von Haus aus nervöse, übererregbare Menschen. Gelegentlich wird eine gewisse Periodizität der Anfälle beobachtet, auch andere nervöse Symptome. Eigentliche Behandlung des einzelnen Anfalls ist unnötig. Bei Ruhe und Schonung läuft der Zustand ab" (Marie a. a. O., s. v. Hydrops). Eine derartige Möglichkeit zieht Knur, S. 50, überhaupt nicht in Erwägung, weil es ihm überall um Konstatierung des schlechthin Unerklärbaren zu tun ist. b. 12. Die Aussätzigen. Mk. 1, 40 ff. Mt. 8, 1 ff. Lk. 5, 12 ff. Lk. 17, 11 ff. Die Perikope vom Aussätzigen, Mk. 1, 40 ff., die von Bultmann durch Eliminierung von V. 43 und 45, als Zusätzen des Mk., auf eine einfache Heilungserzählung mit stilgemäßen Zügen zurückgeführt wird, wobei er das Gebot, sich dem Priester zu zeigen, als Demonstration des erfolgten Wunders ansieht, h a t ihre Pointe wohl nicht, wie Arnold Meyer (Die Entstehung des Mk.-Evang., S. 35 ff.) meint, in der Reinerklärung, mit der sich der Aussätzige begnügen will, worauf ihn Jesus, V. 44, unwillig an seine Pflicht erinnern muß, sondern wohl in der tatsächlich erfolgten Reinigung, die durch die Heilgeste und das Heilwort, V. 4, bewirkt ist. Auf eine wirkliche Krankenheilung dürfte auch das exebalen in V. 43 hinweisen, die mit K. L. Schmidt (Der Rahmen. S. 63 ff.) als ursprüngliche Austreibung eines Dämons gedacht gewesen sein dürfte, wozu auch das nach D in V. 41 zu lesende orgistheis paßte. Diese, auf ursprünglicher Überlieferung basierende Erzählung h a t in Lk. 17, 11 ff. eine in hellenistischer Darstellung gehaltene Variante gefunden, bei der es dem Verfasser darum zu t u n ist, ein eindrucksvolles Bild von der Dankbarkeit bzw. Undankbarkeit bei den Geheilten zu geben. Gegen die Aussätzigenheilungen bestehen nicht geringe geschichts- und sachkritische Bedenken. Der Vorgang in Mk. 1 Par. steht im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen über die völlige örtliche Absonderung dieser Kranken (Lev. 13, 45 f. Num. 5, 2. 4. Reg. 7, 3), mögen sie auch nicht immer streng gehandhabt worden sein (Strack-Billerbeck IV. 2, S. 745 ff. 751 ff). Ebenso befremdet die in V. 41 Par. wie 4. Reg. o, 11 erwähnte Berührung des doch noch mit seinem Übel be5*

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h a f t e t gedachten u n d daher kultische Verunreinigung verursachenden K r a n k e n 1 . Demgegenüber klingt die Schilderung in der Nebenform, L k . 17, wahrscheinlicher. Aber das Zusammenleben der 9 J u d e n m i t dem S a m a r i t e r ist n a c h Mt. 10,5f. J o h . 4, 9 nicht anzunehmen. Auch die Verweisung des Samariters an die f ü r ihn nicht zuständige jüdische Priesterinstanz ist nicht begreiflich. So m u ß d a m i t gerechnet werden, d a ß m a n nach alttestamentlichem Vorbild, E x . 12, 10 ff. 4. Reg. 5, auch Jesus Aussätzigenheilungen zugeschrieben h a t . D e n n die Heilung des Aussatzes, über den erst neuerdings p h a r m a k o t h e r a peutische Erfolge berichtet werden, u n d dazu noch eine plötzlich sich vollziehende, ist geschichtlich nicht zu messen. Aber auch wenn m a n angesichts der in den E v a n g . vorausgesetzten Heilbarkeit des Aussatzes an seine „leichte F o r m " d e n k t , die Lev. 13, 3 f. von dem eigentlichen, genuinen Aussatz unterschieden wird u n d deren Verschwinden im L a u f e weniger Tage möglich ist, gewinnt m a n keine E r k l ä r u n g f ü r die Plötzlichkeit seines Verschwindens. I m übrigen l ä ß t sich diese „leichte F o r m " m i t uns b e k a n n t e n E k z e m e n 2 nicht identifizieren, so d a ß auf eine B e s t i m m u n g der ntl. lepra zu verzichten ist. I h r e Gleichsetzung m i t der h e u t e als L e p r a bezeichneten K r a n k h e i t ist ebensowenig angängig, wie die der ntl. paralysis m i t der heutigen Paralyse, (cf. o. Seng, S. 18). Die A n n a h m e Ebsteins, d a ß der biblische Aussatz die allerverschiedensten Hautausschläge u m f a ß t (cf.StrackBillerbeck IV. 2, S. 745), d a r u n t e r auch eine Reihe durchaus ungefährlicher u n d s p o n t a n heilender Ausschlagformen, d a ß es sich also bei der ntl. lepra u m einen S a m m e l n a m e n h a n d e l t (so auch Max N e u b u r g e r : Die Medizin in der Bibel. Velhagen & Klasingsche Monatshefte. 1920, S. 83), läßt sich aber nicht von der H a n d weisen, cf. Seng, S. 18, der die E n t s t e h u n g ekelerregender H a u t k r a n k h e i t e n infolge Vernachlässigung zugibt u n d darauf hinweist, d a ß H a u t v e r ä n d e r u n g e n u n t e r dem E i n f l u ß psychischer W i r k u n g e n stehen k ö n n e n (A. Kronfeld, S. 202. 0 . Schwarz, S. 258 ff.), während K n u r auf wirkliche L e p r a erkennt, u m die ganze Größe des Christuswunders ins Licht zu stellen.

1 worüber Bornhäuser, S. G9, leicht hinweggeht. 2 Hautausschlägen.

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b. 13. Der k r a n k e Vater des Publius. Act. 28, 8. Die schriftstellerische Bearbeitung, in der die E r z ä h l u n g erhalten ist, l ä ß t auch Dibelius von stilkritischen Schlüssen absehen. W e n n er sie nicht als urchristliche E r z ä h l u n g gelten lassen will, weil sie f ü r das in ihr vorliegende Motiv der Apotheose keinerlei K o r r e k t u r biete, so ist dem entgegenzuhalten, d a ß in V. 10 von einer Erweisung göttlicher E h r e n keine R e d e ist, sondern n u r von E h r u n g e n , wie sie W o h l t ä t e r empfangen. Die Kennzeichnung des Leidens als „fieberhafte R u h r " scheint auf die dysenteria des H i p p o k r a t e s u n d die heutige Dysenterie bzw. eine ihrer F o r m e n zu deuten. Die Heilung eines derartigen infektiösen Darmleidens ist in der geschilderten Weise unvorstellbar. D a h e r n i m m t Ebstein a n , d a ß es sich u m einen leichten R u h r f a l l gehandelt habe, der gleichzeitig m i t der therapeutischen Behandlung, aber u n a b h ä n g i g von ihr zur Heilung gekommen sei. E s wäre aber auch möglich, a n eine dysenterieähnliche S y m p t o m e aufweisende, vielleicht nervös g e a r t e t e E n t e r i t i s oder Diarrhoea zu denken. b. 14. Die K r a n k h e i t des Herodes Agrippa. Act. 12, 20 ff. Die jedes christlichen Zuges ermangelnde Erzählung, die bei Josephus A n t . X I X , 8, 2 eine Parallele h a t (über das Verhältnis beider zueinander Dibelius, Stilkritisches, S. 44), ist m i t H a r n a c k (Medizinisches, S. 95) zur G r u p p e der „ f a b e l h a f t e n K r a n k h e i t e n " zu rechnen, von denen bei J u d e n wie Christen als besonderen Gottesstrafen erzählt w u r d e (Wickenhauser, S. 398 ff.). So wird die E r z ä h l u n g m i t Dibelius f ü r eine j ü d . Legende zu erklären sein, deren religiöse P o i n t e ist: W e r sich selbst z u m Gott m a c h t , den t r i f f t Gottes Gericht. E i n e Bes t i m m u n g der d u r c h das sJcolekobrotos bezeichneten K r a n k h e i t des Herodes ist unmöglich, weil sie der Wissenschaft u n b e k a n n t ist.

c. Kranke mit scnsorischen Störungen. c. 1. K r a n k e m i t Sehstörungen. Mk. 8, 22 ff. 10, 46 ff. P a r . Mt. 9, 27 ff. J o h . 9, 1 ff. Der Blinde von Bethsaida. Mk. 8, 22 ff. Die a n K n a p p h e i t den P a r a d i g m e n nicht nachstehende Novelle h a t eine auffallende Ähnlichkeit m i t der Blindenheilung

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Vespasians, Tac. hist. IV, 82. Sueton Vesp. 7. Dio Cassius ed. Dindorf IV. 92 (Jacoby: Zur Heilung des Blinden von Bethsaida. Z. n. W. 1909, S. 18 ff.), woraus aber über ihre Abhängigkeit keinerlei Schlüsse gezogen werden können. Auch eine Ähnlichkeit von 8, 22 ff. mit 7, 31 ff. hinsichtlich des Heilverfahrens ist nicht zu leugnen. Aber sie deswegen mit Wellhausen (Einl., S. 44 u. a.) als Varianten zu erklären, geht wegen ihrer Eigenständigkeit nicht an. Der Vorschlag Arnold Meyers, sie für ein ursprünglich zusammengestelltes Überlieferungspaar von Heilungen durch Speichel anzusprechen, erscheint wohlbegründet. Wodurch die Sehstörungen des Kranken eingetreten sind, wird nicht gesagt. Die Heilung verläuft in 2 Stadien, nach deren erstem wieder partielle Sehkraft eintritt, während sie nach dem zweiten wieder vollkommen hergestellt erscheint. Diesen wertvollen Zug sucht Jelke (Die Wunder Jesu. 1924, S. 47 ff.) als Zusatz des Mk. auszuschalten, weil er der von ihm postulierten übernatürlichen K r a f t Jesu nicht entspricht. Mit Recht rechnet Harnack (Medizinisches, S. 57) diese Erzählung zu denen, in denen uns eine deutlichere Erfassung der krankhaften Zustände möglich wird. Eine symbolische Erklärung der Perikope erscheint bei Mk. unangebracht und ist auch nicht nötig, weil es eine Kategorie von Erblindungen gibt, die in der von Mk. gedachten Art geheilt werden können, die hysterischen. Eine Annahme hysterischer Blindheit bei den Heilungen Jesu glaubt Knur, S. 23 ff., mit der haltlosen Begründung ablehnen zu dürfen, daß ein Laie in solch einem Fall nicht von „Blindheit" sprechen würde. Mag auch der Erzähler die Blindenheilung als „Wunder" darstellen wollen, die historische Wirklichkeit schimmert in unverkennbarer Weise hindurch. Gerade auch die von Joh. Weiß beanstandete Plötzlichkeit der Heilung bestätigt, daß die Erblindung nicht als auf organische, sondern nur auf funktionelle Störungen zurückgehend gedacht ist. Tatsächlich ist nach der Schilderung des Mk. nicht eine totale Amaurose 1 anzunehmen, sondern diejenige Art der hysterischen Anaesthesien 2 , die Amblyopie genannt wird, die offenbar eine solche höheren Grades war und bei dem Heilungsvorgang zunächst eine leichtere Form gewinnt, um schließlich ganz zu schwinden (Marie a . a . O . , I, S. 724. Lewandowsky a . a . O . ; 1 cf. o.

2 Empfindungslähmungen.

Kranke mit sensorischen Störungen.

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über die plötzliche Heilung ebenda und Ebstein, S. 82). Der plötzlichen Heilung entspricht die plötzliche Entstehung derartiger Zustände (Ebstein, S. 84 ff. und Act. 13, II) 1 . Bei dem Blinden von Bethsaida handelt es sich wohl um eine medizinisch durchaus begreifliche psychogene, hysterische Erscheinung, als die sie auch von Seng, S. 19 angesehen wird. Bartimaeus. Mk. 10, 46 ff. Par. Während Bultmann in der Erzählung kaum eine stilgemäße Wundergeschichte als Grundlage sehen zu können meint und sie wegen der Nennung des Namens des Kranken für sekundären Ursprungs erklärt (dagegen Eiebig: Der Erzählungsstil, S. 105), sieht Ed. Meyer I, S. 114 in der großen Lebendigkeit der Erzählung „beste und in allem wesentlich historische Überlieferung". Die Annahme 0 . Holtzmanns, es handele sich hier um eine sinnbildliche Darstellung der Bekehrung des Zakchäus, entbehrt jeder Grundlage. Die von Mt. variierte Erzählung von dem blinden Bettler sagt über die Art und Dauer seiner Erblindung nichts aus. Auch das anablepein in V. 52 gibt dafür keinen Anhalt. Die Heilung erfolgt plötzlich, wie in Mk. 8, 22 ff., nur mit einfacheren Mitteln. Aber auch sie genügen therapeutisch, wenn, was auch hier anzunehmen ist, hysterische Blindheit vorliegt, so daß die Heilung durchaus vorstellbar ist (Ebstein, a. a. O.). Eine Nebenform der Bartimaeusheilung ist die aus dem Sondergut des Mt., 9, 27 ff., stammende Erzählung von der Heilung der beiden Blinden. Sie zeigt sich schon durch die Zweizahl als schriftstellerische Arbeit, cf. 20, 29 ff. 8, 28 ff., und setzt auch an Stelle der natürlichen Frage nach dem Begehren des Blinden die dogmatische nach der Möglichkeit des WTunders. Der Blindgeborene. Joh. 9, 1 ff. Die dramatisch ausgesponnene Novelle mit Zeugnis- und Streitrede, die in sieben Szenen verläuft, zeigt gegenüber den synoptischen Blindenheilungen höchste Steigerung, cf. das Angeborensein und die lange Dauer der Blindheit. Während ferner 1 Die symbolische Erklärung dieser Erblindung des Elymas, G. Traub: Das Wunder im N. T. S. 17, ist Verlegenheitsauskunft.

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Untersuchung und Beurteilung der einzelnen Krankheitsformen.

nach Mk. 8, 22 die Heilung des Blinden außerhalb der Ortschaft stattfindet, ist die johanneische Blindenheilung „eine Epiphanie im großen Stil vor aller Welt" (Windisch: Erzählungsstil, S. 183). Der geschichtliche Vorgang ist lediglich Einkleidung des semeion. Daher erledigt sich jede medizinische Aufklärung des Falles, auf die auch Seng verzichtet, während Knur, S. 28, von der Voraussetzung aus, daß hier das Tun Jesu ins Außergewöhnliche gehe, die ihm unbequemen Züge der Erzählung ablehnt: „Speichel und Erde und Waschen im Teiche Siloe — das paßt gar nicht zum Bilde." c. 2. Kranke mit Hör- und Sprachstörungen. Mk. 7, 31 ff. Mt. 9, 32 ff. Par. 12, 22. Der Taubstumme. Mk. 7, 31 ff. Die Verwandtschaft der kleinen Wundererzählung, in der n u r V . 31 nicht intakt und V. 36 sekundär ist, mit der Perikope vom Blinden von Bethsaida hinsichtlich des Heilverfahrens erstreckt sich auf die vorbereitende Absonderung des Kranken, auf die Berührung und die Anwendung von Speichel. Sie reicht aber nicht aus, um die beiden Erzählungen zu Varianten zu stempeln 1 . Eigentümlich ist Mk. 7, 31 ff., wie 5, 41, das als rhesis barbarike auftretende Heilwort. I n Mt. 15, 29 ff. wird die Erzählung durch einen Sammelbericht über Heilungen von Kranken verschiedener Art ersetzt. In Mt. 9, 32 ff. Par. und 12, 22 liegen Dubletten vor. In beiden Fällen wird die sensorische Störung auf dämonischen Einfluß zurückgeführt, nur daß es sich im ersten Fall um einen Tauben, im zweiten um einen Blinden und Tauben handelt, wobei das typhlos aus 9, 27 ff. übernommen sein könnte. Die Kombination von Blindheit und Taubheit ist auch medizinisch höchst selten (Binswanger-Siemerling a. a. O., S. 201 ff.). Beide Erzählungen tragen ganz den Stempel des Literarischen und ermangeln jeder volkstümlichen Schilderung des Heilungsvorganges. Der Kranke in Mk. 7, 31 ff. ist Jcophos kai mogilalos. Es liegt also nicht völlige Taubstummheit vor, sondern der Patient h a t nur Sprachhemmungen, er kann nicht orthös, V. 35, d. h. richtig, normal, deutlich und verständlich sprechen. Das alalos 1 s. o., zu Mk. 8, 22 ff.

Kranke mit sensorischen Störungen.

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in V. 37 ist wohl als populäre Übertreibung zu fassen. Die therapeutische Behandlung durch Jesus bewirkt, daß er wieder hören und ungehemmt sprechen kann. Joh. Weiß schlägt eine symbolische Auffassung der Erzählung vor, Mk. habe in diesem Heiden, dem Jesus das Ohr geöffnet und die Zunge gelöst habe, sinnbildlich auf die geistlichen Erfolge der Heidenmission vor ausweisen wollen. Ferner bemüht er sich, um die vorliegende Erzählung als ungeschichtlich zu erhärten, eine ältere, naive und eine jüngere, reflektierende Anschauung über die Heilung darin aufzuweisen. Ersteres hat bereits durch Klostermann seine Widerlegung gefunden. Gegen letzteres ist zu bemerken, daß Mk. die Heilung als „Wunder" darstellt, auch wenn er Jesus sich natürlicher Mittel bedienen läßt. Daß er die Heiltätigkeit Jesu hier und anderswo so schildert, zeigt, wie völlig unreflektiert er erzählt. Gerade die Naivität der ganzen Erzählung ist das Wertvolle an ihr und hilft uns, die ursprünglichen Vorgänge zu erkennen. Die ganze Art der Therapie und ihr plötzlicher Erfolg läßt auf sensorische Störungen hysterischer Art schließen. Was zunächst die hysterische Taubheit betrifft, so ist sie in der heutigen Medizin ein bekanntes Phänomen. „Hysterische Hörstörungen können, wie alle anderen Sinnesstörungen total sein oder in verschiedenem Umfang auftreten. Die absolute hysterische Taubheit ist nicht ganz selten" (Lewandowsky, S. 25). Gerade durch den Weltkrieg ist es möglich geworden, die hysterische binaurikuläre 1 Taubheit oft zu beobachten (Oppenheim I I , S. 1698). Sie verbindet sich nicht selten mit Sprachlähmung (Aphasie) oder Stimmlähmung (Aphonie) (Gruhle, S. 12). Bei letzterer ist die Sprache zeitweilig oder immer tonlos, bei ersterer unartikuliert. Dies wird für den mogilalos anzunehmen sein, wenn nicht das durch Kontrakturen der Sprachmuskeln entstehende hysterische Stottern gemeint ist. Spontanheilungen für psychogene Taubheit und Stummheit werden auch von Knur, S. 29 ff., als möglich zugegeben, aber er lehnt diese medizinische Erklärung hier ab, weil kein Arzt durch ein Machtwort eine Heilung garantieren könne.

1 Taubheit auf beiden Ohren.

D. Die Krankheit im N. T. als Gesamterscheinung. Einheitlichkeit — Verbreitung — Bedingtheit. Überblicken wir die lange Reihe der besprochenen Krankheitsfälle, die ja nur eine Auswahl aus der Masse des mündlichen Uberlieferungsstoffes darstellen (Koehler, S. 25 ff. cf. Nippold. S. 53), so ergibt sich, daß die These Harnacks (Medizinisches, S. 57), viele Krankheiten würden in den Evangelien erwähnt, jedoch mit wenigen Ausnahmen nicht näher beschrieben, in dieser Form nicht zutreffend sein dürfte. Ihr ist, wenn die wenigen undurchsichtigen Stellen ausgeschieden werden und die übrigen richtig gedeutet sind, die andere entgegenzustellen, daß wir es im N. T. im Grunde nur mit e i n e r Krankheit zu tun haben, die uns in ihren mannigfaltigen Formen volkstümlich gezeichnet wird, dem „Proteus unter den Krankheiten", der Hysterie, falls wir nicht mit der heutigen Forschung besser von „ h y s t e r i s c h e n R e a k t i o n e n " sprechen (Oppenheim II, S. 1681 f., Hellpach: Grundlinien einer Psychologie der Hysterie. 1904. S. 485ff. cf. A. Kronfeld: Psychotherapie. 2. A. 1925, S. 65). Aber zum vollen Verständnis dieser einen Krankheit des N. T. gelangen wir erst, wenn wir auch auf ihre Verbreitung achten, wie sie das Evangelium gerade in seinem Mutterland vorfand. Es sind nicht bloß vereinzelte Krankheitsfälle, die an Jesus in seiner galiläischen Heimat herantreten, sondern immer wieder sehen wir ihn von zahlreichen Kranken umlagert, Mk. 1, 32 ff. 3, 7 ff. 6, 54 ff. Mt. 4, 23 ff. 12, 15 ff. 15, 29 ff. Lk. 6, 17 ff. u. a. Mag diesen Schilderungen auch etwas Stereotypes anhaften, sie dürften doch im ganzen einer hinter ihnen stehenden geschichtlichen Wirklichkeit entsprechen (Nippold, S. 55). Darauf deutet auch der Umstand, daß in dem von den Synoptikern erzählten Wunderwirken Jesu seine Heilungen den weitaus größten R a u m einnehmen, während andere Wunder durchaus in den Hintergrund treten. Der Andrang der hilfesuchenden Menge, zumal der Kranken, die sein Gewand berühren wollen, Mk. 3,10. 6,56, ist manchmal so groß, daß es für Jesus und die Jünger unmöglich ist, zu essen, Mk. 3, 20 f., cf. 2, 2, und die therapeutische Tätigkeit Jesu zeitweise so aufreibend, daß er sich in die Einsamkeit zurückziehen muß, aber auch dorthin von der Kunde verfolgt wird: Alle suchen Dich, Mk. 1, 35.37, cf. die Flucht vor der Menge ins Boot, Mk. 3, 9. Diese De-

Die Verbreitung der Krankheit nach dem N. T.

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taillierung des „Massenandrangs", den Arnold Meyer 1 auf das Konto des Mk. setzen will, sieht nicht nach schriftstellerischer Arbeit aus, sondern spiegelt deutliche Erinnerungen an eine geschichtliche Wirklichkeit wider. Auch W. Wrede (Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. 1901, S. 130) gesteht das zu. F ü r die außerordentliche Verbreitung der geschilderten Krankheitsformen sprechen auch noch eine Reihe anderer Gründe. H ä t t e nicht Jesus in den Städten am See von Genezareth, besonders in Kapernaum, eine außergewöhnliche und augenfällige Heiltätigkeit ausgeübt, so würde Mt. 11, 20 ff. Par. kaum einen Sinn haben. Auch die Aussendung der Jünger, deren Zwölfzahl begründet erscheint, Mk. 3, 13. 6, 7 ff. P a r . 2 fällt dafür ins Gewicht. Mit Unrecht folgert Ed. Meyer I, S. 215 aus der Tatsache, daß die Jünger sich Mk. 9, 18 unfähig zeigen, zu heilen, sie hätten vorher keine K r a f t zum Heilen empfangen, denn in Mk. 9 handelt es sich um einen besonders schweren Fall. Mag auch die Instruktion der Jünger bei Mk. 6, 7 ff. dem Auftreten der Wanderprediger der urchristlichen Mission entsprechen, so darf doch daraus nicht geschlossen werden, daß diese Angabe für die Zeit Jesu keine Bedeutung habe, (Roland Schütz, S. 72). Die missionierende Tätigkeit der Jünger, die, den kynischen Wanderpredigern gleich, auch als Heiler in das kranke Volk gingen, wird mit Schütz nicht zu bezweifeln sein. Bei den 70 (72), Lk. 10, 1 ff., handelt es sich offenbar um Sekundärüberlieferung, wie sich auch in V. 17 ff. die Freude über die überraschenden Erfolge der christlichen Mission spiegelt, cf. Mk. 16, 17 f. Daß aber der Kreis derer, die aus der großen Zahl der von Jesus Geheilten sich um ihn scharten, wuchs, darf aus Lk. 8, 2 f. gefolgert werden, und daß er sie dann aus seiner ganzen eschatologischen Einstellung heraus gerade auch zur planmäßigen und beschleunigten (Mt. 10, 23) Arbeit an den zahlreichen Kranken des breiten Landes als Gehilfen verwandte, erscheint nur als natürlich. Auch ein Wort wie Lk. 10, 18, das nicht erst die Uberzeugung der Gemeinde ausspricht, wäre unmöglich, wenn es sich bei Jesus nicht um sehr viele Heilungen gehandelt hätte, cf. Mk. 3, 27. Par. Mt. 12, 28 Par. Ferner setzt die Botschaft an den Täufer, die ihre heutige Form, Mt. 11, 5, 1 cf. Joh. Weiß: Die Schriften des Neuen Testaments I. S. 43 f. 2 E.Knopf: Einführung in das N . T . 2. A. 1923, S. 244 f.

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Die Krankheit als Gesamterscheinung.

vom Evangelisten erhalten haben mag, aber sachlich gute Überlieferung darstellen dürfte, zahlreiche, ohne weiteres in die Augen fallende Heilerfolge Jesu voraus, eine Stelle, deren geistige Deutung F. Barth (a. a. 0., S. 105) mit Recht für einen verzweifelten Ausweg erklärt. Endlich dürfte auch das Vorhandensein anderer Exorzisten im Lande, Mk. 9, 38 f. Par. Mt. 12, 27 Par. 7, 22, für die Tatsache sprechen, daß wir es in den Evang. mit der Krankheit als einer „Massenerscheinung" zu tun haben. Das von ihnen gezeichnete Gesamtbild berechtigt zu der Annahme, daß wir in der urchristlichen Zeit einer dämonomanischen Epidemie gegenüberstehen, wie wir sie auch sonst aus der Geschichte kennen (W. Hellpach: Die geistigen Epidemien. 1907) und wie sie auf dem Boden, dem sie entstammt, durchaus begreiflich erscheint (Oesterreich, S. 121. A. Titius, a. a. 0., zu Mk. 1, 32 ff.). Auch Dausch gibt zu, daß es sich bei einer Gleichsetzung von Besessenheit und Krankheit in urchristlicher Zeit um „eine Art hysterischer Epidemie" gehandelt haben müsse. Um so seltsamer ist, wie Knur, S. 42, für die ntl. Zeit die Möglichkeit einer solchen Epidemie, die die Geschichte sonst wohl kenne, mit der Begründung ablehnt, es fehle das dazu erforderliche „geschlossene Zusammenleben" wie in einem Kloster pp. Denn das Zusammenleben im palästinensischen Dorf, das aus engen Sippenquartieren besteht, kann an „Geschlossenheit" kaum überboten werden. Uber die soziologische Bedingtheit derartiger Massenerkrankungen: Oesterreich a. a. 0., S. 82 ff. 266 ff. H a t sich diese psychische Epidemie auch auf alle Länder um das östliche Mittelmeer erstreckt (Lucius: Die Anfänge des Heiligenkultes in der christlichen Kirche pass., Weinel: Die Wirkungen des Geistes, S. 8), und hat sie auch weit über das erste Jahrhundert hinaus bestanden (ebd. und Harnack: Mission und Ausbreitung. 3.A. 1915 I, S. 138), in der Bevölkerung Palästinas waren für ihre Ausbreitung besonders günstige Voraussetzungen gegeben (Nippold, S. 53). Sie erscheint zunächst schon rassenmäßig begründet. Mit Recht hat H . Singer (Allgemeine und spezielle Krankheitslehre der Juden. 1904, S. 85ff., cf. H . Oppenheim, a. a. 0 . Oesterreich, S. 166 f.) auf die nervöse Veranlagung der Juden hingewiesen. „Die Krankheiten des Nervensystems haben eine so außerordentliche Verbreitung unter den Juden gefunden, daß die Norm fast zu einer Ausnahme geworden zu sein scheint." Diese Begründung findet Singer

Die Bedingtheit der Krankheit im N. T.

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aber auch in den allgemeinen sozialen Verhältnissen. Die große Bedeutung der sozialen Verhältnisse für die Krankheit hat A. Grotjahn (Soziale Pathologie. 2. A. 1915, S. 15) 1 herausgestellt. „Die Hysterie ist die Krankheit der Unfreiheit", das gilt gerade auch für die Zeit Jesu. Die politische Fremdherrschaft mit der starken wirtschaftlichen Belastung der unteren Schichten und der dadurch entstandenen Unsicherheit des ganzen Lebens (E. Lohmeyer: Soziale Fragen im Urchristentum. 1921. P. W. Schmidt: Die Geschichte Jesu. I. S. 1 ff. Tac. Ann. II, 42. A. Hausrath: Ntl. Zeitgeschichte. 1868. I, S. 169 ff., dort auch die zahlreichen Josephusstellen und der Hinweis auf die Zeichnung des wirtschaftlichen Hintergrundes in den Gleichnissen Jesu. K. Kautsky: Der Ursprung des Christentums. S. 184 ff.) hatte seit Jahrhunderten in diesen Schichten das Milieu geschaffen, in dem die Hysterie am besten gedeiht (Lewandowsky a. a. O., S. 135. Bechterew, S. 124). Auch die dauernde Verschärfung des Gegensatzes zwischen „Reichen" und „Armen" beförderte in den Kreisen der letzteren die Entstehung krankhafter psychischer Zustände. Ferner begünstigte auch die für die breite Masse vorhandene Unmöglichkeit, das kasuistische jüdische Gesetz zu halten, und die daraus folgende Selbstbeurteilung diese Art von Erkrankungen (Koehler, S. 32). Endlich hatte all das Neue und Absonderliche, das die griechischrömische Kultur, das Altgewohnte stürzend, mit sich brachte jene seelische Uberspannung hervorgerufen, die auch das sterbende Mittelalter mit seinen zahlreichen psychischen Epidemien zeigt. (J. Fr. C. Hecker: Die großen Volkskrankheiten im Mittelalter. 1865. Oesterreich, S. 171 ff. cf. S. 182. 393 und Friedmann 298 f.) „Hysteriegünstig" war in urchristlicher Zeit vor allem die ganze Einstellung des religiösen Denkens. Es war die eschatologische Grundstimmung, die Überzeugung von dem Eintritt der Vorzeichen des Endes mit entsetzlichen Krankheiten, umherschweifenden Dämonen und unheimlicher Verwirrung (W. Bousset: Die Religion des Judentums. 3. A., S. 250, 254, 336 ff. Oesterreich, S. 118. 121. 166. cf. Gaupp, S. 22 f. Friedmann, S. 250. Hellpach: Grundlinien, S.485 f.) 2 und das Erleben dieser 1 Die sozialen Verhältnisse schaffen und begünstigen die Krankheitsanlage, sind die Träger der Krankheitsbedingungen, vermitteln die Krankheitserregung und beeinflussen den Krankheitsverlauf. 2 Die Annahme Stolls, a . a . O . , S. 242, daß Jesu gewaltige Heilungs-

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Die Krankheit als Gesamterscheinung.

großen Not als Gesamtschuld durch den Einzelnen (Seng, S. 15), die dem ganzen Leben einen unheimlichen, schreckhaften Hintergrund gab und sich unter „größter seelischer Auflockerung", wie im Mittelalter, in mannigfachen psychischen Anomalien auslöste (Bechterew, S. 52). Welche schweren inneren Erschütterungen die letzte Zeit des untergehenden nationalen Lebens für das jüdische Volk mit sich brachte, zeigt Josephus Bell. 2. 478. Ant. 15. 365 u. a. Gerade Galiläa mit seinen dauernden territorialen Verschiebungen, die keinem Menschen ermöglichten, sich auf beständige Verhältnisse einzurichten (W. Bauer: Jesus der Galiläer, in Festgb. f. Jülicher, S. 16 ff.), erlebte um die Zeitenwende Zustände unruhigster Gärung und blutige messianische Wirren (Volz: Eschatologie. 1903, S. 209 f.). So erklärt es sich, daß gerade dort die hysterische Epidemie diese besondere Stärke und Ausdehnung gewann (Encyclopaedia of Religion and Ethiks IV, 613. H. Holtzmann: Handkommentar zum N. T. 1889, I, zu Mt. 4, 23). Endlich ist für die Bedingtheit der Ausbreitung dieser Krankheit des N. T. daran zu erinnern, in wie hohem Grade sie, zumal auf primitiver Bildungsstufe, geeignet ist, sich von einzelnen Herden auf die Umgebung zu übertragen (Contagium psychicum, vgl. Jolly: Hysterie, 568. 506. Isserlin: Psychotherapie. 1926, S. 5. P. Dubois: Die Psychoneurosen. S. 106. 168. Oesterreich, S. 88 f. Stoll, S. 32 f., Harnack: Mission und Ausbreitung. I, 1361. „Die Hysterie schafft nicht bloß Miterregbarkeit durch fremde Erregung, sondern Nachbildung fremden Erlebens. Wo sie zu eigener Symptomengestaltung schreitet, entfaltet sie einen ungeheuren Reichtum rätselhafter Erscheinungen. I n den hysterischen Epidemien und an den Hysterischen 2 in allen Epidemien geschehen die Zeichen und Wunder, werden Blinde sehend, Lahme gehend, Stumme redend" (Hellpach: Die geistigen Epidemien. S. 82). wunder eine psychische Epidemie „angefacht" haben, ist in dieser Form nicht haltbar. Aber daß die dadurch verursachte starke Erregung zu ihrer weiteren Ausbreitung beigetragen haben wird, ist wohlbegreiflich. Vielleicht erklärt sich so Jesu Schweigegebot. 1 Es handelt sich dabei auch um die psychische Infektion seelisch Normaler, bei denen sich im entsprechenden Milieu „epidemische Imitationsphänomene" leicht entwickeln können. Oesterreich, S. 184. Lewandowsky, S. 75. 2 Darum bezeichnet Charcot die Hysterie als gesteigerte Suggestibilität cf. P. Dubois: Die Psychoneurosen. S. 166.

E. D i e ntl. V o r s t e l l u n g e n v o n der H e i l u n g der Krankheit. Darstellung und

Beurteilung.

Heilen heißt im N. T. iasthai, Lk. 5, 17. 6, 19 9, 2. 11. 42. 14, 4. 22, 51. Joh. 4, 47. Act. 9, 34. 10, 38. 28, 8. 1. Klem. 59, 4. Passivisch steht die Vokabel Mt. 8, 8. 13. 15, 28. Lk. 6, 17. 7, 7. 8, 47. 17, 15. Joh. 5, 13. Mk. 5, 29. Von etwas geheilt werden heißt iasthai apo tinos, Mk. 5, 29. Lk. 6, 18, durch etwas dia tinos, Barn. 8, 6. Nicht minder häufig heißt heilen therapeuein, Mt. 4, 23 f. 8,7. 16. 9,35. 10,1. 12,22. 14, 14. 15,30. 17,16. 19, 2. 21, 14. Lk. 4, 23. 40. 5, 15. 6, 7. 8, 2. 43. 9, 6. 10, 9. 13, 14. 14, 3. Mk. 1, 34. 3. 2, 10. 15. 6, 5. 13. Joh. 5, 10. Act. 4, 14. 5, 16. 8, 7. 17, 25. 28, 9. Apoc. 13, 3. 12, dafür ein Mal therapeias poiein, Lk. 9, 11. Im Sinne von heilen wird auch sozein gebraucht, Mk. 5, 23. 28. 34. 6, 56. 10, 52. Mt. 9, 22. Lk. 7, 50. 8, 48. 17, 19. 18, 42. J a k . 5, 15. Passivisch steht es = gesund werden Mk. 5, 23. 28. 6, 56. Mt. 9, 21 f. Lk. 8, 36. 50. Act. 4, 9. 14, 9. Statt sozein steht diasozein Mt. 14, 36. Lk. 7, 3. Synonym ist poiein tina hygie, Joh. 5, 15. 7, 23. Passivisch steht apokathistasthai, Mk. 3, 5. 8, 25. Lk. 6, 10. mit dem Zusatz hygies Mt. 12, 13, cf. parhestekenai hygie, Act. 4, 10. Mk. 5, 34 findet sich isihi hygies, Joh. 5, 6. 9. 14 hat hygies genesthai. Gesundmachen heißt Mk. 1, 31 egeirein (Strack-Billerbeck II, z. d. St.) J a k . 5, 15. Eine Umschreibung für geheilt werden ist apolyesthai tes astheneias, Lk. 13, 12. Gesund sein heißt hygiainein, Mt. 8, 13. Lk. 5, 31. 7, 10. 15, 27. cf. 3. Joh. 2, sich besser befinden kompsoteron echein, Joh. 4, 52, schlechter, eis to cheiron erchesthai Mk. 5, 26. F ü r Heilung stehen die Vokabeln iama (Plur.) nur 1. Kor. 12, 9. 28. 30, iasis (Plur.) Lk. 13, 32. Act. 4, 22. 30. Barn. 12, 7. therapeia Lk. 9, 11. Apok. 22, 2. Auch das Wort soteria bezieht sich Act. 4, 12, wohl mit auf die körperliche Heilung, der Ausdruck hat etwas schillerndes. F ü r gesund h a t das N. T. außer hygies, Mt. 15, 31. Joh. 5, 4. 6. 9. 11. 14 f. 7, 23. Act. 4, 10. cf. Mt. 12, 13. Mk. 5, 34., auch die Partizipia von hygiainein, Lk. 5, 31. 7, 10. 15, 27 und ischyein, Mt. 9, 12. Mk. 2, 17. Wo im N. T. Krankenheilungen erzählt werden, geschieht es in typisch gewordenen Formen. So wird die Person und die

80

Die Vorstellungen von der Heilung der K r a n k h e i t .

Tat des Heilers dadurch in helles Licht gesetzt, daß Zweifel oder verächtliche Äußerungen laut werden, Mk. 5, 39, Philostr. vit. Apoll. IV, 45, oder die Größe des Meisters wird dadurch illustriert, daß er seinen Schülern gegenübergestellt wird, Mk. 9, 14ff. cf. 4. Reg. 4, 31. Lucian Philops. 36. Ferner ist zu beachten, daß fast nie der eigentliche Vorgang der Heilung geschildert wird, sondern mehr die begleitenden Umstände. So wird die Schwierigkeit der Heilung hervorgehoben, Mk. 7, 33. 8, 23. Tac. hist. IV, 8. Jos. ant. VIII, 2, 5. cf. Weinreich, S. 173. Zur Heilung t r i t t der Heiler an das Lager des Kranken heran, Lk. 4, 39, Lucian Philops. 16, Weinreich, S. 1 ff. Häufig ist Berührung oder Ergreifung mit der Hand, Mk. 1, 31. 41. 5, 41. 7, 33. 8, 22. Mt. 9, 29. 20, 34. Lk. 7, 14. 13, 13. 14, 4. Act. 3, 7. (9, 3.) 28, 8. Vit. Apoll. I I I , 39. IV, 48 (Weinreich, a. a. O.). Die Berührung des Gewandes wirkt heilend Mk. 5, 27 ff. 6, 56. Mt. 14, 36. Act. 5, 15. 19, 12. Das Heilung bringende Wort wird registriert Mk. 1, 41. 2, 11. 3, 5. 10, 52. Lk. 8, 54. 13, 12. 17, 14. Joseph. Ant. VIII, 2, 5. Lucian Philops. 7 f. 10 f. 12, 16, in rhesis barbarike Mk. 5, 41. 7, 34, cf. Joseph, a. a. 0 . Lucian a. a. O. 9, 31, Vit. Apoll. IV, 45, und verschiedentlich erfolgt die Heilung durch einen wunderkräftigen Namen, Mk. 9, 38. Act. 3, 6 ff. 9, 34. 16, 18. 19, 13. Jos. Ant. VIII, 2, 5. Lucian a. a. O. 10. 12. Ferner kehrt die Entfernung der Zuschauer öfter wieder, Mk. 5, 40. 7, 33. 8, 23. Act. 9, 40. cf. 3. Reg. 17, 19. 4. Reg. 4, 4. 33. Ob diese zum Zweck der Geheimhaltung der Heilmethode stattfindet (Klostermann), ist fraglich. Gemeint ist wohl die Fernhaltung jeder Störung des Heilungsprozesses. Die Plötzlichkeit der Heilung wird hervorgehoben Mk. 5, 29. 42, 10, 52. Mt. 21, 19. Lk. 4, 39. 5, 25. 8, 47. 13, 13. Act. 3, 7. 5, 10. 12, 23. 18, 11. 16, 26. Joh. 5, 9. (Weinreich, S. 192 f.) An Gleichzeitigkeit der Heilung mit dem Heilwort ist bei den Fernheilungen gedacht, Mk. 7, 29. Mt. 8, 13. Joh. 4, 50. Von der Wirklichkeit der Heilung muß eine Demonstration überzeugen, Mk. 1, 36. 44. 2, 11 f. 5,43. Joh. 5, 8. Lucian Philops. 11. Der Erfolg der Heilung wird von den Anwesenden durch Staunen bestätigt, Mk. 2, 12. 5, 15 ff. Lk. 7, 16. Act. 3, 9. 9, 39. Joh. 5, 10. 9, 8 f. 11, 45 (Weinreich, 5. 173). Bisweilen wird der Geheilte einfach entlassen, Mk. 5, 19. 34. 7, 29. 10, 52. Mt. 8, 13. Wo in den synoptischen Evang. die Heilung begehrt wird, da geschieht es entweder durch den Kranken, worauf die Gewährung durch Jesus erfolgt, Mk. 1,40 ff.

Die Heilkunst in ntl. Zeit.

81

10, 46 ff. Par. Lk. 18, 35 ff. cf. Mt. 9, 27 ff. Lk. 17, 13 ff., durch andere. Dann wird die Heilung erst vollzogen, nachdie vorliegenden Hemmungen beseitigt sind, Mk. 5, 35 f. 7, 26 f. Mt. 15, 21 ff. Mk. 9, U f f . Par. Mit der antiken Heilwissenschaft, die über Anfänge nicht hinausgekommen und um die Zeitenwende bedeutungslos geworden war (Weinreich, S. 113), berührt sich das N. T. nur durch eine Anzahl von Termini aus der griechischen Medizin in den lukanischen Schriften 1 . Die Heilkunst stand in ntl. Zeit stark unter dem Einfluß synkretischer Superstition, wie überall die früheste Therapie in der Volksmedizin eine antidämonische ist (0. v. Hovorka: Geist der Medizin. 1915). Sie wurde nach dem N. T. von Ärzten, iatroi, ausgeübt, Mk. 2, 17. 5, 26. Mt. 9, 12. Lk. 5, 31. 8, 43. 4, 23. Kol. 4, 34. Trotz der Mk. 5, 26 erwähnten vielen Ärzte dürften sie nicht überall vorhanden gewesen sein. (P. W. Schmidt, a. a. O., II, 202). I h r Können wurde vom Volk gering eingeschätzt, Mk. 5, 26. Kidduschin 4, 14 fol. 82, auch wenn die in der Stelle erwähnte Verschlimmerung des Leidens trotz oder infolge ärztlicher Behandlung als volkstümliche, noch heute überall anzutreffende Beurteilung der ärztlichen Tätigkeit anzusprechen ist (Klostermann, z. d. St. Weinreich, 194 ff. Dibelius, Formgeschichte 45). Auch die Stellen Lk. 8, 43 und 4, 23 zeigen ausgesprochenen Spott über die damalige ärztliche Kunst, cf. Tanchumah 4, 2 b., Jülicher, Gleichnisse I I , S. 172. Hierüber und über Lukas den Arzt s. Exkurs.) Die ganze supranaturalistische Auffassung von der Verursachung der Krankheit ließ in ntl. Zeit gewiß Viele, besonders bei chronischen Krankheiten, ihre Zuflucht zu den Heilung gewährenden Stätten in der griechisch-römischen Welt (Weinreich, S. 113) oder zur „Magie" nehmen. Da nach antiker Auffassung Dämonen nicht bloß Krankheiten verursachen, sondern auch heilen können, wendet man sich an die „Zauberer", die dämonische K r ä f t e haben (Weber, a. a. 0., 257, Weinreich, S. VII) 2 . So erklärt sich auch der Mk. 3, 22 Par. gegen Jesus erhobene Vorwurf, den später Celsus aufnimmt, indem er Jesus für einen dämonischen Zauberer Par. oder dem Par.

1 S. Exkurs. 2 Über Zauberei und Zauberer im Spätjudentum Strack-Billerbeck, I. 387. 583. 738. 1034. 1047. II. 163. 187. 271. 473. 606. 678. 711. 764. III. 391. 402. 594. 599. 611 f. 661 f. 780. IV. 503 f. 511 f. 516. 524 f. 532. 732. 772. cf. R. G. G. 1. A. II. 500. UNT 18 P e n n e r. 6

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Die Vorstellungen von der Heilung der Krankheit.

erklärt (Orig. c. Cels. I. 6. 28. II. 9. 14. I I I . 1. V, 51. VI, 42 u. a.). In welchem Grade in der römischen Kaiserzeit „Wunderdoktoren" tätig waren, zeigt die außerchristliche Literatur (Fiebig, Jüd. Wundergeschichten, pass., Wendland, Kultur, S. 124, Lucius: Die Anfänge des Heiligenkults in der christlichen Kirche. 1904, S. 50 ff.). Solche, durch Heilungen Kranker, besonders Besessener bekannte Therapeuten sind Hanina ben Dosa, Jacob aus Kepher Sam'a, Eleazar, wie Pythagoras, Apollonius von Tyana u. a. (Strack-Billerbeck I. S. 526. I I . S. 2. 10. 441. 594. G. Naumann a. a. O., 79 ff. Ed. Meyer I, 412). Wir begegnen ihnen aber auch im N. T., auf palästinensischem wie außerpalästinensischem Boden, Mk. 9, 38. (Lk. 9, 49) Mt. 12, 27. Act. 19,13 ff. An sie ist auch wohl in Mt. 7, 21 ff. gedacht. Mit Hilfedes Namens Jesu üben sie ihre „magische" Kunst. Der in ihnen der Kirche drohenden großen Gefahr entspricht das Urteil derselben über sie, V. 15, 23, cf. die Deutung der zizania von Mt. 13, 24 ff. in V. 37 ff. In Act. 19, 13 ff. wird von diesen Exorzisten (exorkistai nur hier) der Euphemismus hoi ta perierga prassontes gebraucht (Preuschen z. d. St.). Diese jüdischen Beschwörer übten ihre „magische" Heilkunst nach V. 13 umherziehend aus und betrieben sie bisweilen familien- oder sippenweise, V. 14. Ob die „Magier" Simon, Act. 8, 9 ff., (E. Meyer I I I . 277) und Barjesus, 13, 6 ff., sich auch therapeutisch betätigt haben, wird nicht gesagt. Ersterer will aber die Heilkraft der Apostel, die er als eine durch Handauflegung ex opere operato, als physisch wirkende beurteilt, selbst erwerben, Act. 8, 18 f. (Uber das Treiben dieser „Zauberer", die sich im Orient bis heute erhalten haben, Orig. c. Cels. I, 67 II, 34). Die Erfolge dieser volkstümlichen Krankenheiler (Harnack: Medizinisches, S. 71) h a t Jesus anerkannt und in weitem Maße selbst eine heilende Tätigkeit ausgeübt, und zwar als der Erfüller der zeitgenössischen eschatologischen Erwartungen. Wie man in der messianischen Heilszeit die Heilung aller Krankheiten erhoffte (Strack-Billerbeck, zu Mt. 11, 5. cf. IV. S. 527. 521), so hat Jesus in seinen Heilungen die Bezwingung der Dämonen und den beginnenden Eintritt der Gottesherrschaft gesehen, Mt. 12, 28 Par. Zu diesem seinem Heilwirken erscheint Jesus befähigt wie bereits die „Männer des Geistes" im A. T. (P. Volz: Die biblischen Altertümer. 2. A. 1925, S. 198. 207. 322). Dementsprechend werden seine Heilungen vom Volk auch als Er-

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Die H e i l k r a f t im N. T.

weise prophetischer Größe angesehen (Lk. 7, 16. 24, 19. cf. Mk. 6, 14 f. 8, 28. Mt. 21, 11. 46. G. Naumann, a. a. 0., S. 64), ohne daß sie zum messianischen Glauben geführt hätten, Mt. 11, 20 ff. Der Erfolg seiner Heilungen erklärt sich nach urchristlicher Auffassung aus der ihm innewohnenden göttlichen Lebenskraft, die, wie in der ganzen Antike und auch bereits im A. T. als eine feine Materialität erscheint und als übersinnliches, ätherisches Fluidum überströmt (Fr. Preisigke: Vom göttlichen Fluidum nach ägypt. Anschauung. 1920. Die Gotteskraft der frühchristlichen Zeit. 1922. P. Volz: Der Geist Gottes 1910, S. 34. J. Behm: Die Handauflegung im Urchristentum, S. 193 ff. F. Heiler: Der Katholizismus, S. 167 f.). Daß dies Fluidum nicht bloß den Pneumatiker selbst erfüllt, sondern auch z. B. seinen Kleidern als etwas von der Person ihres Trägers Unabhängiges innewohnt, erscheint auch im N. T. als primitiver Volksglaube, Mk. 5, 27 ff. 3, 19 6, 56. Act. 5, 15. 19, 121. Die Vorstellung stofflicher Substanz feinster Art liegt allen Ausdrücken des N. T. für diese göttliche Lebens- und Heilkraft zugrunde (J. Röhr: Der okkulte Kraftbegriff im Altertum. 1923. S. 14 f. 23 über die Mana-Vorstellung im Neuen Testament). Daher setzen Paulus und Lukas Geist und W u n d e r gern in enge Beziehung. l . K o r . 12, 9. 11. l . T h e s s . 1 , 5 . Rom. 15, 19. Gal. 3, 5. L k . 4 , 1 8 . Act. 10, 38. 13, 9. Bei Mt. findet sich pneuma (heu n u r in der angefochtenen Stelle 12, 28, wofür L k . 11, 20 ddktylos theu setzt. D a dem pneuma dynamis innewohnt, Lk. 4, 14, sprach m a n auch von dynamis als der wunderwirkenden K r a f t , Mk. 6 , 1 4 . Mt. 14, 2. Herrn, vis. 1, 3, 4. L k . 5, 17. Act. 4, 7. 1. Thess. 1 , 5 . Gal. 3, 5. 1. Kor. 12, 28 f. cf. auch den volkstümlichen Beinamen Simons des Magiers in Act. 8 , 1 0 , Wickenhauser, S. 394 ff., oder von dynameis, Mk. 6, 14, cf. 5, 30. Mt. 7, 22. 11, 20 ff. 13, 54. 58. L k . 6,19. 1 0 , 1 3 . 19, 37. Act. 2, 22. 1. Kor. 12,10. 28. 2. Kor. 12, 12. Hebr. 2, 4. Als bezeichnender heiltechnischer Ausdruck erscheint ferner exusia, Mk. 1, 27. 3 , 1 5 . ti, 7. Lk. 10,19. Act. 8 , 1 9 . Daneben finden sich Verbindungen von pneuma und dynamis, Act. 10, 38. 1. Kor. 2, 4. von exusia u n d dynamis, Lk. 4, 36. 9, 9. u n d von charis und dynamis, Act. 6, 8. Die Wirksamkeit dieser göttlichen Lebens- und Heilkraft wird auch durch die technischen Ausdrücke energeia, energein, energema ausgedrückt, Mk. 6, 14. I. Kor. 1 2 , 6 . 10 f.. Gal. 3, 5. 2. Thess. 2, 9. 1 Die von Bornhäuser, zu Mk. 5, 27, S. 92, einem „Modernen" in d e n Mund gelegte F r a g e : „Ist hier nicht Jesus vorgestellt wie ein m i t W u n d e r k r ä f t e n gleichsam elektrisch geladener M a n n ? " ist demnach zu b e j a h e n , cf. die primitiven Anschauungen über die Tabukraft. R . G. G. 1. A. I I . 5 5 1 . f f . I I I . 563. 6*

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Die Vorstellungen von der Heilung der Krankheit.

Diese primitiven Vorstellungen vom ausströmenden Pneuma finden im neuzeitlichen Gedanken über die Ausstrahlung der „Lebenskraft" gewisser Heilerpersönlichkeiten, die besonders von dem Arzt Wilhelm Beyer vertreten werden (Gibt es Heilungen von körperlicher Krankheit durch Geisteskraft? 1921. Jesus und seine Wunder. 1922, cf. das Nervenfluid, für das R. Franckh: Zur Frage nach der Psychotherapie Jesu. 1928. S. 10 f. eintritt), ihre Parallele. Aufgrund dieser ntl. Vorstellungen über die dem Menschen innewohnende göttliche Lebens- und Heilkraft darf mit Joh. Weiß aus Lk. 5, 17 nicht gefolgert werden, daß die Heilgabe Jesu eine intermittierend auftretende gewesen sei, denn die Stelle will besagen, daß Gotteskraft ihn zum Heilen befähigte, so daß er auch in diesem Fall Heilungen vollziehen konnte. Diese pneumatische Grundlage seines Wesens gilt in den Evang. als die Erklärung seiner außergewöhnlichen Macht über die Menschen, zumal die mit krankhaften Seelenzuständen (Heitmüller: R. G. G. 1. A. Jesus Christus II, 4). Mit ihr zeigt sich bei ihm jene intuitive,praktische Menschenkenntnis, Mk. 2, 5, verbunden, die die Voraussetzung aller erfolgreichen Therapie ist, wie auch Bleuler a. a. 0., S. 168 „u. U., und in einem beschränkten Sinn" dem nichtärztlichen Therapeuten ein Geschick für Diagnosen durch Intuition zugesteht, cf. die „unmittelbare Einfühlung" bei Gaupp, S. 20, Gruhle: Psychiatrie für Ärzte. 1918, S. 1. 38, Kretschmer, S. 3. A. Kronfeld: Psychotherapie. 2. A. 1925, S. 3 ff. Auch die Jünger Jesu haben nach den Evangelien eine umfang- und erfolgreiche therapeutische Tätigkeit ausgeübt, Mk. 3, 15 ff. 6, 6 ff. und 6, 30 ff., Mt. 9, 35. 10, 1. 5 ff. Lk. 9, 1 ff. und 9, 10. 10, 1 ff. und 10, 17 ff. (Strack-Billerbeck I. S. 36. 38. 530). Diese ihre Tätigkeit erscheint dadurch möglich, daß Jesus etwas von seiner eigenen pneumatischen K r a f t auf sie übertragen hat, wie auch Asklepios seine wunderbare Heilkraft seinen Jüngern mitteilt (Weinreich, S. 35). Auf der Betätigung dieser, den Jüngern verliehenen pneumatischen Heilkraft beruhen auch die in der Apg. von ihnen erzählten Heilungen. Der pneumatische Christus wirkt sie durch die Träger seines jmeuma, zuerst durch die Zwölf, dann auch durch die Sieben (Act. 6). So wird ein Stephanus pleres charitos kai dynameos und t u t terata kai semeia megala 6, 8, was vornehmlich auf wunderbare Krankenheilungen gehen dürfte; ähnlich dürfte 8, 13. cf. V. 7

Die Heilkraft im N. T.

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zu verstehen sein. So verleiht der pneumatische leyrios auch dem Paulus und Barnabas semeia fcai terata 14, 3, womit, wie V. 8 ff. zeigen, Krankenheilungen gemeint sind. Auch in Ephesus vollbringt Paulus durch göttliche K r a f t dynameis u tas tychusas 19, 11, in denen wir V. 12 Wunderheilungen kennen lernen, und auf Malta betätigt er die ihm geschenkten Wunderkräfte als Heiler, 28, 8 f. Diese therapeutische Wundertätigkeit wird in dem unechten Mk.-Schluß 16, 17 ff. den Glaubenden überhaupt verheißen und in V. 20 von den Aposteln berichtet, cf. Joh. 14,12. Auch Paulus selbst kann es seiner Gemeinde bezeugen, daß er apostolische semeia, terata, dynameis in ihrer Mitte vollbracht hat, 2. Kor. 12, 12, wie er auch Rom. 15, 18 f. cf. Gal. 3, 5, von dem spricht, was Christus durch ihn gewirkt hat. Als pneumatische Erscheinung begegnet uns die Heilungsgabe besonders unter den Gliedern der korinthischen Gemeinde, 1. Kor. 12. Dort gab es auch charismata iamaton V. 9. 28. 30, wobei wohl an die den mannigfachen Krankheitszuständen entsprechenden, verschiedenen Formen charismatischer Heilgabe gedacht ist. Vielleicht ist auch in dem Charisma der antielmpsis V. 28, die Wartung Kranker miteingeschlossen 1 . Daß unter dem charismata iamaton auch das der Besessenheitheilung war, wird nicht erwähnt, ist aber zu vermuten. Wahrscheinlich war es das wichtigste, was sich auch aus seinem Vor anstehen im unechten Markusschluß ergibt und was durch die weitere Entwicklung vom apostolischen Heilenthusiasmus zum kirchlichen Exorzistenstand erhärtet wird. Der ntl. Grundauffassung von der Krankheit und den festgestellten Krankheitsformen entspricht auch die im N. T. geschilderte Art der Therapie. Unter den darin erwähnten wenigen Heilmitteln steht der E x o r z i s m u s obenan. Es handelt sich bei ihm um ein Stück international gewordener Magie und Theurgie, deren Vollzug auf jüdischem wie griechisch-römischem Boden, ja überall grundsätzlich der gleiche war (Oesterreich, S. 96 ff., Fiebig: J ü d . Wundergeschichten, pass., Wendland: Kultur, S. 124. A. Deißmann: Licht vom Osten, 4. A. 1923, S. 217 ff. Über das im Spätjudentum allgemein übliche „Besprechen", 1 Daß die Novellen unter den Heilungserzählungen der Evangelien mit ihrer Beschreibung der Heiltechnik, besonders auch der geheimnisvollen Heilungsformeln christlichen Heilern hätten Vorbild und Anweisung geben wollen (Dibelius, Formgeschichte), ist kaum anzunehmen, s. o.

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Die Vorstellungen von der Heilung der Krankheit.

d. h. das Flüstern eines Zauberspruchs mit Nennung des Namens Gottes: Strack-Billerbeck I. S. 627. I I . S. 15. 17. IY. S. 773). Er begegnet uns in seiner genuinen Gestalt auch im N. T., Act. 19, 13, der Therapeut veranlaßt den Dämon, auszufahren (exerchesthai Mk. 7, 29 f. Mt. 17, 18. Lk. 4, 41. 8, 2. 33. 35.38 oder ekporeuesthai, Mk. 1, 25 f. 5, 8. 13. 7, 29. Mt. 17, 21. Act. 19, 12). Das Austreiben der Dämonen heißt meist ekballein, Mk. 1, 34. 39. 3, 15. 22 f. 6, 13. 7, 26. 9, 18. 16, 17. Mt. 7, 22. 9, 34. 10, 8. Lk. 9, 49. 11, 14 f. 18 ff. 13, 52. Es geschieht durch Befehl (epitassein, Mk. 1, 27. 9, 25. Lk. 4, 36, paranggellein, Act. 16, 18) oder durch Anfahren (epitiman, Mk. 1, 25. 8, 30. u. a.). Ist der Exorzismus erfolgreich, so ist von einem Gehorchen der Dämonen (hypakuein, Mk. 1, 27, hypotassesthai, Lk. 10, 17.20) die Rede, Die K r a f t der antiken Beschwörungsformeln (epodai, Rhode: Psyche II, 77, 1), die ihren peinlich genauen Gebrauch voraussetzt, beruht auf der Anwendung heiliger Namen, in denen ihre, den Dämonen überlegenen Träger hypostasiert sind. Nach antiker Anschauung ist das Pneuma-Fluidum eins mit dem Namen, so daß bei seiner Nennung durch den Hauch des Mundes das im Namen wohnende Fluidum überströmt. Diesen primitiven Namenglauben teilt das N. T. mit seiner Zeit (Heitmüller: Im Namen Jesu. 1903. R. G. G. s. v. Namenglaube i m N . T.,Deißmann: Licht vom Osten. J . Röhr, a. a. O., S. 12ff.) Der zauberkräftige Name erscheint auch dort als das Hauptmittel des Exorzismus, Mk. 9, 38. Mt. 7, 22. Lk. 9, 49. Act. 16,18. 19, 13. Mk. 16, 17. u. a. Auch das N. T. setzt voraus, daß die Nennung des heiligen Namens als solchen genügt, um die Dämonen zu bannen, auch wenn der Exorzist dem Träger dieses Namens innerlich völlig fern steht, Act. 19, 13. Mk. 9, 38. Lk. 9, 49. Jesus bedient sich gleich den dämonenmächtigen Rabbinen (Strack-Billerbeck. IV. 534 cf. 527. 532. I. 652, I I . 751) grundsätzlich auch des Exorzismus als eines therapeutischen Mittels. I m Mk.-Evang. erscheint er als der große Dämonenbezwinger. Die hohe Schätzung des Exorzismus zeigt auch Lk. 13, 32. 10, 18, und auch in den Logia erscheint das Austreiben der Dämonen als unzweideutiger Beweis des Anbruchs der Gottesherrschaft. Mt. 12, 28. Lk. 11, 20. Bei Mt. und Lk. werden die Dämonenaustreibungen des Mk. stark zusammengestrichen und gemildert. Mt. hebt, offenbar im Gegensatz zu den professionellen Exor-

Krankenheilung im N. T. durch Exorzismus.

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zisten hervor, daß Jesus allein durch sein Wort die Dämonen ausgetrieben habe, 8, 16. cf. 8, 8. Man darf daher bei Jesus von einer veredelten Form des Exorzismus sprechen. Er verschmäht alle „magischen" Manipulationen, wie den Gebrauch heiliger Namen. Mit seiner dynamis und exusia vermag er die Dämonen zu zwingen, und zwar sogar aus der Ferne, Mk. 7, 24. Mt. 8, 5 ff. Weinreich, S. 46. Es bedarf von seiner Seite nur des bestimmten Befehls oder der machtvollen Bedrohung, und die Dämonen weichen, wobei nicht bloß an den Inhalt der Worte zu denken sein wird, sondern auch wohl an ihre Form und ihren Klang, die ihnen das Zwingende gaben. (Traub a. a. O., S. 52). Zeigt sich Jesus hierbei auch von traditionellen Formen frei, typische Exorzisierungsformeln (Strack-Billerbeck. II, 17. IV, 65. 204. 515. 527. 532 f.53 4) klingen auch bei ihm an, cf. das exelthe ap autu oder ex autu, Lk. 4, 35. Mk. 1, 25. 5, 8. 9, 25 und Deißmann, a. a. 0., cf. auch das phimotheti, Mk. 1, 25, und Rhode, a. a. 0 . II, S. 224, cf. endlich auch das effata, Mk. 7, 34. Ob die Wirkung der Exorzismen Jesu überall eine dauernde oder bisweilen eine nur vorübergehende war, erfahren wir nicht. Daß Jesus bei den Exorzismen mit Rückfällen gerechnet hat, zeigt Lk. 11, 24 ff. 1 . Ob Lk. 8, 2 solche Rückfälle andeutet, erscheint zweifelhaft. Daß die therapeutischen Erfolge Jesu an den Besessenen außergewöhnliche gewesen sein müssen und ihm bald den Ruf des sieghaften Dämonenbezwingers eingetragen haben, Mk. 1, 27, ergibt sich aus dem Übergang seines Namens in die Exorzisierungsformeln der jüd. Geisterbeschwörer. Mk. 9, 38. Lk. 9, 49. Act. 16, 18. 19, 30. Justin dial. 85 (Fiebig: J ü d . Wundererz., S. 35. L. Blau: Das altjüd. Zauberwesen. 2. A., 1914.) durch die er dann auch in der griechisch-röm. Welt zum dämonenbannenden Zaubernamen wurde. Diesen Gebrauch des Namens Jesu finden wir auch in den Exorzismen und anderen Heilungen der Jünger, die für die antike Anschauung im Grunde nichts anderes als Exorzismen sind. (R. G. G. 1. A. IV, 664, Oesterreich, S. 97. cf. Mt. 7, 22. Mk. 9, 39. Lk. 10, 17. Acta, pass.; nur Act. 14, 8 erfolgt der Heilspruch ohne Nennung des Jesusnamens.) Und zwar erscheint der Name Jesu in diesen Fällen, entsprechend den mit Ehren1 Gegen P. Barth.

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Die Vorstellungen von der Heilung der Krankheit.

prädikaten versehenen, sonst üblichen Zaubernamen mit feierlichen Zusätzen, Act. 3, 6. cf. 19, 13 1 . Gegenüber dem Exorzismus nimmt das Gebet als Heilmittel im N. T. einen bescheidenen Raum ein. Die Behauptung Jelkes (a. a. 0., S. 47), die in veränderter Form bei Lemme wiederkehrt, Jesus sehe seine Wunder als Gebetserhörungen an, besteht nicht zu Recht. Erscheint auch im A. T. das Gebet der Pneumatiker wunder kräftig (Volz: Der Geist, S. 35) und im Spätjudentum das Aufsagen eines Gebetes dämonenbannend und Krankheit vertreibend (Weber, S. 256, Fiebig: Jüd. Wundererz. 19. 72. Schlatter: Das Wunder. S. 73 ff. cf. Strack-Billerbeck. II. S. 441), von Jesus wird eine Heilung mittels alleinigen Gebetes nicht berichtet. Vielleicht erzählt Mk. 7, 34 von einem mit Krankenheilung verbundenen Gebet Jesu, wenn das zum Himmel gerichtete Seufzen als Gebetsseufzer aufzufassen ist, was sich gegenüber der gesuchten, religionsgeschichtlichen Erklärung von Dibelius (Formgeschichte, S. 47) empfiehlt. Aber auch hier besitzt das Gebet bei der Heilung keine selbständige Bedeutung, sondern steht neben anderen Funktionen Jesu, die in diesem Fall nicht minder bedeutsam erscheinen. Gleichwohl ist an Mk. 7, 34 beachtenswert, daß das Zauberwort effata sich unmittelbar an den Gebetsseufzer anschließt. Irgendwelche Schlüsse auf die sonstigen Heilungen Jesu lassen sich jedoch aus dieser Stelle nicht ziehen. Allerdings spricht Mk. 9, 29, wo mit Klostermann auch kai nesteia zu lesen ist, vom Zusammenhang des Gebets mit dem Erfolg des Exorzismus und erklärt den Mißerfolg der Jünger in dem vorliegenden, besonders schweren Fall damit, daß sie dieser hartnäckigen Sorte von Dämonen nicht mit den rechten Mitteln begegnet sind, unter denen das Gebet voransteht. Wenn Joh. Weiß (im Gegensatz zu Titius, der das Wort als Ermutigung an den verzweifelnden Vater gerichtet sein läßt), hier spätere Gemeindetheologie findet, weil der Hinweis auf das Gebet zu der vorhergehenden Szene nicht passe, die weder Jesus noch den Vater des kranken Knaben beten lasse, so ist diese Begründung nicht zwingend. Denn auch wenn Jesus bei der Heilung selbst sich des Gebets nicht bedient, der Aufenthalt auf dem Berge war, wie die in Lk. 9, 28 durchblickende 1 Über das Portleben des urchristlichen Exorzismus im Katholizismus: F . Heiler, a. a. O., S. 232 f. 571 f.

Krankenheilung im N. T. durch Gebet.

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ursprüngliche Überlieferung zeigt, zumZweckdes Gebetesgenommen und nach V. 29 mit Gebet verbunden. Diese intensive Rüstung mit Gotteskraft haben die Jünger unterlassen, daher ihr Mißerfolg. Zwar findet Klostermann diesen Gedanken im Munde eines Jesus, der sich als Gottessohn Macht über die Dämonen gegeben weiß, befremdlich. Aber dieses Befremden erledigt sich durch den Hinweis darauf, daß der synoptische Jesus, obgleich er die göttliche dynamis und exusia hat, immer wieder neue Stärkung im Gebet sucht, Mk. 1, 35. 6, 46 u. a., (P. Wernle: Jesus. 1916, S. 57). Gerade der betende Jesus der Evangelien beweist, wie naiv die alten Erzähler von seiner Gottessohnesschaft gedacht haben. So erklärt es sich auch, daß sie ihn bei seinen Heilungen unbedenklich „natürliche" Mittel anwenden lassen. Auch bei den Heilungen der Apostel scheint das Gebet keine größere Rolle gespielt zu haben. Petrus gebraucht es Act. 9, 40 bei Tabitha, und Paulus betet bei der Heilung des Vaters des Publius, Act. 28, 8, jedoch ohne sich darauf zu beschränken. Daß aber in nachapostolischer Zeit die Anwendung des Gebets bei Krankenheilungen üblich war, zeigt Jak. 5, 14 f. Hier erscheinen entsprechend den jüdischen Rabbinen die presbyteroi als die amtlichen „Gesundbeter" in der Gemeinde. Ist das Gebet hier auch nicht das einzige Heilmittel, es ist aber, wie V. 15 zeigt, das entscheidende. Durch das gläubige Gebet tritt der kyrios selbst mit seiner Heilung bewirkenden Macht in Tätigkeit. Die Stelle basiert, cf. V. 17, auf dem uralten Glauben an die Wunderkraft des Gebets (Bousset: Die Religion des Judentums. 1. A., 457). Aus Jak. 5, 14 f. darf aber mit Behm nicht gefolgert werden, daß im Urchristentum das Gebet bei der Handauflegung als das eigentlich Wirksame gedacht wurde. Zu dieser Verallgemeinerung fehlen die Unterlagen. Nur Act. 28, 8. 9, 40 f. erscheint das Gebet zusammen mit Handauflegung und Berührung. Es war ein Faktor neben andern. Auch das Mk. 9, 29 neben dem Gebet erwähnte F a s t e n wird im Zusammenhang mit Heilungen im N. T. sonst nicht genannt. Doch ist es in der ältesten Kirche als beliebtes Hilfsmittel zu Kraftleistungen des Geistes, namentlich im Kampf gegen die Dämonen, reichlich bezeugt (Jülicher: R. G. G. II, 832, wie bereits im Judentum das Fasten als Beschwörungsmittel zur Einwirkung auf die Gottheit galt (Strack-Billerbeck. I,

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Die Vorstellungen von der Heilung der Krankheit.

5. 760. R. Knopf: Das nachapostolische Zeitalter 1905, S. 439). Es fördert ekstatische Zustände in denen das Außergewöhnliche möglich wird (Volz: Der Geist, S. 125 f. W. W u n d t : Völkerpsychologie a. a. O,. S. 99, Stoll, a. a. 0., S. 238). Als Heilung wirkend gilt im N. T. neben dem machtvollen Wort des Therapeuten besonders die B e r ü h r u n g mit ihm (Strack-Billerbeck I, S. 520. Weinreich, S. 63 ff. J . Behm: Die Handauflegung im Urchristentum. 1911). So erfolgen die Heilungen Jesu dadurch, daß er die Kranken berührt, haptesthai. Mk. 1, 41. 7, 33. 8, 22 u. a., oder daß er ihre Hand ergreift. kratein tes cheiros, Mk. 1, 31. 5, 41. 9, 27, epilambanesthai nur Lk. 14, 4, piazein tes dexias cheiros nur Act. 3, 7, oder daß er ihnen die Hände (Hand) auflegt 1 , epitithenai tas cheiras c. dat. oder epi c. acc. oder auch ten cheira c. dat. oder epi c. acc.. Mk. 5, 23. 6, 5. 7, 32. 8, 23 (hier zweimalige Handauflegung) Mt. 9, 18. Lk. 4, 40. 13, 11 ff. So werden Mk. 6, 2 die Wundertaten Jesu als dia ton cheiron autu vollbracht bezeichnet. I n Mk. 7, 33. 8, 25. Mt. 9, 29. 20, 34. Joh. 9, 6. cf. 11, 15. ist der Körperteil angegeben, auf den die H a n d gelegt bezw. der durch sie berührt wird. Ebenso h a t die apostolische Zeit die Handauflegung bei Krankenheilungen geübt, Mk. 16, 18. Act. 5, 12 9, 17. 14, 3. 19, 16. cf. Apoc. 1, 17. I n Act. 28, 8 t r i t t sie in Verbindung mit dem Gebet auf, in Act. 3, 6 f. erscheint die heilende Berührung mit der H a n d zusammen mit dem Befehlswort. Um intensivste körperliche Berührung handelt es sich Act. 20, 10 beim Auflegen des ganzen Körpers 2 . Aber auch wenn K r a n k e Jesus anrühren, wird derselbe Heilerfolg erwartet, ja es bedarf nur der Berührung seines Gewandes, Mk. 3, 10. 5, 27 ff. Par. 6, 5 u. 6. Lk. 6, 19. cf. Mt. 14, 36. Um solch eine indirekte Berührung des Heilers handelt es sich auch Act. 19, 12 bei den Wäschestücken 3 , die Paulus auf seiner Körperhaut getragen h a t und die, auf Kranke gelegt, heilend wirken sollen, und Act. 5, 15, wo schon von dem auf den Kranken fallenden Schatten des Petrus Heilung erwartet wird. Diese primitiven Vorstellungen von der Heilung durch körperliche Berührung des Kranken mit dem Heiler teilt das 1 Weinreich, S. 46. L . B a u e r : Volksleben im Lande der Bibel. 2. A. S. 12. 2 Wie 3. Reg. 17, 21. 4. Reg. 4, 34 ff. Weinreich, S. 47. 3 Für primitives Denken hat der Schweiß Heilkraft.

Krankenheilung im N. T. durch Berührung, Speichel und Öl.

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N. T. mit der semitischen wie griechisch-römischen Welt (StrackBillerbeck, zu Mk. 7, 33, Weinreich, a. a. 0.). Das Überströmen der Heilkraft ist als auf physischem Wege stattfindend gedacht. Dieser Erkenntnis verschließt sich Lemme, S. 182, trotz gewisser scheinbarer Zugeständnisse an sie, weil er in der ntl. Handauflegung pp. bei der Krankenheilung vor allem die Herstellung des Kontaktes zum gemeinsamen Gebet erblickt. Wenn Act. 14, 3 von dem Wunderwirken der Apostel gesagt wird, der Herr habe semeia kai terata geschehen lassen dia ton cheiron auton, so ist dieser Ausdruck buchstäblich zu fassen. Auch „alle äußeren, zum Menschen gehörigen Dinge gelten als Träger seelenartiger K r ä f t e " (Wilhelm Wundt: Völkerpsychologie a. a. 0., S. 20). Daß derartige Heilungen gleichwohl nicht als „magische" zu denken sind, zeigt die Perikope vom blutflüssigen Weib, wo die uns auch in Jesu Mund begegnenden Volksvorstellungen von der Heilkraft, die fühlbar ab- und zuströmen kann, in V. 34 paralysiert werden. Der dort von Jesus angegebene Grund der Heilung (s. u.) zeigt auch den Weg für eine befriedigende medizinische Erklärung derartiger Heilungsvorgänge. In 3 Fällen erscheint im N. T. als Heilmittel neben anderen der S p e i c h e l , Mk. 7, 33. 8, 23. Joh. 9, 6, wobei wohl in den beiden Mk.-stellen an ein Bespeien des kranken Organs (StrackBillerbeck. I, 216. I I , 15 ff.) gedacht ist, während in Joh. 9 der Speichel, mit Erde gemischt angewandt wird. Diese Heilmaßnahme Jesu, die auf uralten Volksvorstellungen beruht (Hovorka, S. 252 f., 288) 1 und besonders zur Heilung Augenkranker Anwendung fand (Jacoby: Z. n. W. 1909. Strack-Billerbeck, I. S. 216, I I , S. 15. 530. Wendland: Kultur I, S. 218, Weinreich, S. 68, 97), darf nicht mit Jelke, S. 47, und Dausch, S. 157, nur als symbolisch, sondern muß als einen wirklichen Heilerfolg beabsichtigend angesehen werden (Ebstein, N. T., S. 83). Jesus benutzt den Speichel nicht, wie Lemme, S. 183, will, zur bloßen mechanischen Unterstützung seiner göttlichen Wunderkraft, sondern als geschätztes volkstümliches Heilmittel, dessen apotropäische Bedeutung zu Gal. 4, 142 erörtert ist. Als dämonenvertreibend wird der Speichel auch von Jesus angewandt worden 1 Der Speichel überträgt die Tabukraft. R. G. G. 1. A. III. 563. 2 s. o. S. 32.

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sein. „Die medizinische Anwendung des Speichels war also nur eine Unterart der religiösen und beruhte auf dem Glauben an die magischen Wirkungen, die man ihm zuschrieb, nicht auf der Erfahrung, die man von einer ihm innewohnenden natürlichen Heilkraft gemacht hätte" (Krenkel, a. a. 0., S. 83). E r gilt aber einer heilenden Wirkung auf Kranke für das primitive Denken darum als fähig, weil er als aus dem Munde kommend, zum Stellvertreter der „Hauchseele" wird, „kondensierter Hauch" (Wilhelm W u n d t : Völkerpsychologie, S. 19. Jacoby, a. a. 0.), wie auch noch W. Beyer (Jesus u. seine Wunder, S. 28) den Speichel als „stark heliodisch" ansieht, und die Derwische des Orients ihn als Träger der Lebenskraft anwenden (L. Bauer: Volksleben, S. 12), und wie er auch in der römischen Kindertaufe angewandt wird, wobei seine apotropäische Wirkung vorausgesetzt ist (Heiler: a. a. 0., S. 230. 383). I n weiteren 3 Stellen begegnen wir dem Ol im N. T. als Heilmittel, Lk. 10, 34. Mk. 6, 13. J a k . 5, 14. In Lk. 10, 34 kommt es in Verbindung mit Wein, wie auch sonst im Altertum, als Hauptmittel der volkstümlichen Wundtherapie vor (Klostermann, z. d. St. Strack-Billerbeck I. S. 159. 428. I I . S. 11. I I I . S. 759). Das Ol dürfte auch als Hauptbestandteil des kollurion in Apoc. 3, 18 (ebd. I I I . S. 397) anzusprechen sein. I n den beiden anderen Fällen erscheint das Öl als Heilmittel gegen Krankheit überhaupt. Es ist nicht möglich, in Mk. 6, 13 als Verbindung mit der Olapplikation mit B. Weiß das Gebet zu supponieren (Heitmüller: R. G. G. 1. A. IV, 875). Da das Heilöl dem Körper des Kranken durch Streichen mitgeteilt wurde, (über andere Anwendungen desselben Strack-Billerbeck, zu Mk. 6, 13) und dieses eine fortgesetzte Berührung durch den Therapeuten darstellt, so erscheint die Olsalbung als eine besonders wirksam gedachte Heilbehandlung. Auf eine weitere Steigerung ihrer Heilwirkung weist J a k . 5, 14. Hier wird Anweisung gegeben, sie im Namen des Herrn zu vollziehen und mit Gebet zu verbinden 1 . Aus dem Gesagten dürfte erhellen, ob das Heilverfahren Jesu der „Magie" zugehört. Versteht man darunter „technisch ausgebildete Zauberei" (Orelli in R. E. 3. A. Bd. 2, Art. Zauberei 1 Über die Weiterentwicklung dieser Ölanwendung im Katholizismus Scheel: R. G. G. IV, 875 f. Heiler, a. a. 0 . 1 7 7 f. Längin: Der Wunder- und Dämonenglaube der Gegenwart. 1887, S. 34.

Jesu Heilverfahren und die Magie.

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und Wahrsagerei), so daß etwa einem Kranken durch bestimmte geheimnisvolle Formeln oder Handlungen ein Zauber irgend welcher Art appliziert würde, von dem man desto sicherer übernatürliche Wirkungen erwartet, je abstruser er erscheint, so zeigt sich Jesu Heilverfahren davon frei. Mag auch Einzelnes bei seinen Heilungen „magisch" anmuten, wie die Anwendung des Speichels, so tritt in diesen Fällen wohl jene andere „Magie" in die Erscheinung, die jeweils noch unbekannte und verborgene Naturkräfte in Wirksamkeit zu setzen sucht (B. Aschner: Die Krise der Medizin. 1928, S. 284 ff. Orelli a. a. 0.). Jedenfalls läßt sich aber die Möglichkeit einer therapeutischen Wirkung auf die Psyche des Kranken auch durch Berührung und Speichel nicht in Abrede stellen. Diese Einstellung Jesu auf die Psyche der Kranken wird nach den Evangelien zu behaupten sein. Dafür spricht zunächst eine in ihnen zweimal erwähnte, bedeutsame Maßnahme Jesu. I n Mk. 7, 33 und 8, 23 wird erzählt, daß Jesus den Patienten allein beiseite nahm. Die von Bultmann empfohlene religionsgeschichtliche Erklärung dieser Maßnahme, daß die Gottheit keinen Zeugen haben dürfe, reicht nicht aus, da dies Verfahren von Jesus bei seinen Heilungen nicht konstant angewandt wird. Wir werden vielmehr wohl an eine, in besonderen Fällen von Jesus herbeigeführte A b s o n d e r u n g des Kranken von der Menge zum Zweck einer ungestörten Heilbehandlung zu denken haben. Diese Maßnahme zeugt von einer individualisierenden und psychologisierenden Art des Heilverfahrens Jesu und von seiner tiefen Einsicht in das Wesen derartiger, als psychogener anzusprechender Zustände. Oft ist die Entfernung des Kranken von den Angehörigen zur Fernhaltung jeden Reizes die erste und dringendste Maßregel für eine erfolgreiche Therapie, so daß die „lokale Isolierung" zum Zweck „psychischer Isolierung" bisweilen auch von Jesus vorgenommen sein dürfte (Marie, II, 724, cf. Binswanger-Siemerling, S. 347, Friedmann, S. 285). Diese Einstellung Jesu auf die Psyche der Kranken ergibt sich aber mit vollster Deutlichkeit aus dem Zusammenhang, in dem er seine Heilerfolge mit dem G l a u b e n gesetzt h a t . Mit einem in allen Fällen selbstverständlichen Erfolg seines therapeutischen Wirkens hat er nicht gerechnet, sondern ist von seiner psychologischen Bedingtheit überzeugt gewesen, Mk. 5, 36. 9, 23. Pistis und pistmein sind im Zusammenhang mit Krankenheilungen im N. T. fast „technische" Ausdrücke geworden. Es handelt sich um den

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Glauben, der das Wunder hervorbringt, Mk. 9, 23 Par. Mk. 11, 22 f. Mt. 21, 21 ff. 17, 20. Lk. 17, 6 (Q). Während Q eine hyperbolische Sentenz bietet, setzt Mk. dem Begriff des Glaubens den des Zweifels entgegen und gibt eine Instruktion. So wird auch bei dem Kranken der Glaube für die Heilung grundlegend. (Fridrichsen, a. a. O., H. Windisch in R. G. G. 2. A. II. 1202.)

Zu Unrecht machen Dibelius und Bultmann diesen Glauben zum bloßen Wunderglauben, der nur den Wundertäter verherrlichen solle, für die Heilung selbst aber keine Bedeutung habe, weil das Wunder etwas „automatisch Funktionierendes" sei, denn es handelt sich bei diesem Glauben der Kranken, der eine Anerkennung der besonderen Berufsausrüstung Jesu involviert (Windisch), stets um ein unbegrenztes Vertrauen zu seiner Person, das sich entweder spontan dokumentiert, oder von Jesus, wie Mk. 9, 23, erst gewirkt wird. Dieses unbedingte Vertrauen zu Jesu Person hat auch das blutflüssige Weib, auch wenn es sich schon von einer bloßen Berührung seines Gewandes Heilerfolg verspricht. Gerade auch in diesem Fall erscheint in dem Glauben der Frau die innere Disposition für die Heilung gegeben, mag letztere auch äußerlich herbeigeführt und automatisch eingetreten zu sein scheinen. Gerade durch diese, immer wieder stattfindende Hervorhebung der pistis in den ntl. Heilungserzählungen werden sie dem Gebiet des Magischen und Zauberhaften entrückt, während in den Apokryphen der „Aberglaube" seine Stätte h a t (s. o.). Jesus vermag nur da zu heilen, wo ihm das feste Vertrauen auf seine Hilfe entgegenkommt. Meist handelt es sich um das Vertrauen des Kranken, bisweilen auch um das Anderer, Mt. 8, 5 ff. 15, 21 ff. Mk. 2, 5, auch in Mk. 1,30 ff. darf Jesus dies Vertrauen voraussetzen, während er es in Lk. 7, 13 zu wecken sucht. Begegnet es ihm in unerwarteter K r a f t , so lobt er es, Mt. 8, 10. Mk. 5, 34, und mit dem he pistis su sesoken se, Mk. 5, 34. 10, 52. Lk. 17, 19, schreibt er ihm den eingetretenen Heilerfolg zu, cf. Hebr. 11, 34. Wo er statt auf Glauben, wie in Nazareth, Mk. 6, 5, auf Unglauben stößt, ist ihm keine dynamis möglich. Das soll im Sinn des Mk. nicht bedeuten, daß Jesu Wunder kraft erlahmte und versagte, denn er betrachtet Jesus als mit übernatürlicher Macht ausgestattet. Aber die wirklichen historischen Vorgänge schimmern hier deutlich durch. Jesu Wunder waren nicht etwas automatisch Funktionierendes, sondern durch den ihnen entgegenkommenden Glauben bedingt. Gerade die Stelle Mk. 6, 5, die bereits Mt.

Krankenheilung im N. T. und Glaube.

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13, 58 korrigiert wird und der Bultmann eine abschwächende, die Stellung des Volkes als ganzen zur Predigt Jesu symbolisierende Auslegung zu geben sucht (Die Erforschung der synoptischen Evang. 1925, S. 23 f.), zeigt, daß sein Heilwirken bestimmte Grenzen hatte (Ed. Meyer, I, S. 72). In welchem Ausmaß Jesus dieses unbedingte Vertrauen in den Massen geweckt hat, beweist der Zulauf 1 , den er seitens der Kranken hat. An seinem, aus dem Bewußtsein seiner Sendung und pneumatischen Ausrüstung erwachsenen und durch den Eintritt immer neuer, außergewöhnlicher Erfolge zu höchster Kraft und hinreißendem Feuer gesteigerten Glauben an die hereinbrechende, das Dämonenreich stürzende Gottesherrschaft entzündete sich das Vertrauen der Kranken. Die übermächtigen seelischen Kräfte, die er in Bewegung setzte, entbanden auf dem Wege der psychischen Ansteckung die gleichen Glaubens- und Willenskräfte auch da, wo sie in krankhafter Ohnmacht darniederlagen. Diese Wirkung konnte um so eher eintreten, als Jesus einem völlig naiven, unreflektierten Denken gegenüberstand, für das es einen Zweifel an der Möglichkeit jedes übernatürlich herbeigeführten Geschehens nicht gab (P. W. Schmidt I I , S. 216). Daß Jesus auch bisweilen den Glauben des Heilers an die ihm innewohnende Heilkraft als Bedingung der Heilung angesehen hat, läßt sich aus Mk. 9, 19. Mt. 17, 20 Par. erschließen. In Mk. 16, 17 erscheint dieser Glaube des Heilers im Zusammenhang der Stelle als der christlich-kirchliche Glaube. Jedenfalls ist für die Krankenheilungen des N. T. der Glaube als einer der wichtigsten Heilfaktoren 2 anzusehen, was auch von W. Beyer anerkannt, dagegen von Dausch, S. 157 ff., abgelehnt und auch von Lemme, S. 178, verwischt wird. Wenn Schlatter (Das Wunder. S.83) gegen die Anschauung Fiebigs, daß die Unterscheidung zwischen dem Glauben und dem Zauber als unhistorisch abzulehnen sei, erklärt: „Den Satz, daß es keinen Unterschied ergebe, ob die Zuversicht auf Gott gerichtet sei oder ob sie an den Geruch einer Wurzel, an den Geruch einer Räucherung, an den Laut gewisser Worte usw. geheftet werde, lehne ich als blind ab", so übersieht er, daß es für den Heilvorgang als solchen gleichgültig ist, ob er durch den Glauben an Gott oder durch einen „Zauber" zustande gekommen ist. Denn auch die Wirkung des letzteren erklärt sich aus den ihn von dem Kranken entgegengebrachten G l a u b e n . Hat Jesus auch „körperliche Mittel, die Berührung und den 1 s. o. rosen. S. 217.

2 Über seine Unerläßlichkeit P. Dubois: Die Psychoneu-

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Speichel und Formeln, deren Wirkung an die Aussprache gewisser Worte gebunden war", benutzt, so wird er auch Glauben an die Wirksamkeit dieser Mittel erwartet haben, die ja für ihn im Dienst Gottes standen. So erledigt sich die Frage Schlatters: „Sollte es wirklich nötig sein, daß wir u n s . . . darüber besprechen, ob Jesus ein Zauberer gewesen sei" ? von selbst, und die These Fiebigs erscheint als begründet, s. u. Auch mit der Bemerkung Schis. (Die Geschichte des Christus. S. 234): „Der Maßstab, nach dem sich für Jesus die Unentbehrlichkeit des Glaubens ergab, war lediglich ein ethischer, kein psychischer" wird die Auffassung der tatsächlichen Heilvorgänge als psychisch bedingt zu denkender nicht widerlegt, (cf. B. Aschner: Die Krise der Medizin. 1928, S. 257). Die Tatsache, daß für Jesus die Heilungen „die Mitwirkung der schöpferischen Macht Gottes zur Voraussetzung" hatten, wird dadurch nicht berührt. Die Feststellung, „daß nicht etwa nur nervöse, sondern organische Veränderungen im Menschen. . . . durch unmittelbare Willensbewegung auf geistigem Wege" herbeigeführt werden ( K . H e i m : Zur Frage der Wunderheilungen. Zeitwende 1927. S. 410 ff.), schließt den Preis Gottes nicht aus, „der solche Macht den Menschen gegeben h a t " Mt. 9 , 8 .

Neben diesem Glauben der Kranken, der eine Heilung allein psychologisch ermöglicht, erscheint im N. T. die zwingende Macht der Persönlichkeit des Heilers als das Entscheidende (Oesterreich, S. 101). Jesu, alle inneren Hemmungen brechendes, emporreißendes Heilwort läßt darum in den Heilungserzählungen der Evangelien den Heilerfolg eintreten. Alle sonstigen, im einzelnen Fall, je nach dem vorliegenden Bedürfnis, angewandten Mittel und Maßnahmen nehmen ihm gegenüber nur eine untergeordnete Stelle ein, sie dienen nur dazu, bei den Kranken das zur vollen Höhe zu steigern, was man heute als die „innere Heilungsbereitschaft" bezeichnet. „Nicht das Gebet heilt, sondern der Beter, nicht die Formel, sondern der Geist, nicht der Exorzismus, sondern der Exorzist" (Harnack: Medizinisches, S. 70). Das gilt von den Krankenheilungen des N. T. überhaupt. Die Erinnerung an dieses rein persönlich, geistig sich vermittelnde Heilwirken Jesu und der Apostel ist in der alten Kirche noch lange lebendig gewesen (Euseb. K. G. III, 4. cf. Harnack: Medizinisches, S. 1). Der hier gebrauchte Ausdruck „Seelenheilkunde" ist in der Tat der allein zutreffende. Die ntl. Krankenheilungen sind medizinisch als p s y c h o t h e r a p e u t i s c h e 1 anzusprechen, auch wenn sie als durch mehr physische als psychische 1 „Die ganze Wundertätigkeit Jesu r u h t e . . . auf der Voraussetzung, daß die Welt eine Innenseite hat, die der Willenskraft zugänglich ist." K. Heim, a. a. 0., S. 421. 414. Von Jesu Psychotherapie wird nicht im Sinn

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Vorgänge vermittelt gedacht worden sind. Psychotherapeutischer Art waren aber ebenso die Heilungen der jüdischen Exorzisten wie des Asklepios, des Apollonius von Tyana u. a., soweit das von ihnen Erzählte nicht bloße Legende ist. Diese Tatsache ist darum auch bereits in der antichristlichen Polemik der späteren Kaiserzeit mit Vorliebe geltend gemacht worden. Die Heilerfolge Jesu und der Apostel werden von Celsus und Julian nicht geleugnet, aber man stellt ihnen Gleiches, ja Größeres auf außerchristlichem Boden zur Seite (W. Bauer: Das Leben Jesu. 1909, S. 467). Nicht anders sind auch die Heilungen der christlichen Mönche zu beurteilen, soweit sie nicht den untrüglichen Stempel des Legendarischen tragen. Sie waren offenbar sehr erfolgreiche Psychotherapeuten (Lucius, a. a. 0 . S. 387. 507 f.). Medizinisch gemessen besteht zwischen den Heilungen Jesu und der Apostel und denen eines „Gregor v. Neocaesarea, Antonius und Hilarion, Martin v. Tours und Severinus, Bernhard v. Clairveaux und Franz v. Assisi, Blumhardt und Zeller" (so F . Barth, S. 119) kein prinzipieller Unterschied. Das pneuma iaseos geht durch die Jahrhunderte hindurch, und die Geschichte der Psychotherapie zeigt, daß es die großen pneumatischen Persönlichkeiten sind, die auf diesem Gebiet das Bedeutendste geleistet haben, zumal wenn sie auch starke Willensmenschen waren (I. H. Schulz: Die seelische Krankenbehandlung. 3. A. 1922, S. 45 ff.). Was sich in der heutigen Heil Wissenschaft als Erkenntnis immer mehr Bahn bricht, daß der Kranke als psycho-physische Einheit zu nehmen ist und daß sich jedes ärztliche Arbeiten an die ganze Person des Kranken zu wenden hat (Schwalbe: Irrtümer der allgemeinen Diagnostik und Therapie. Heft 3, 1923. Schulz, a. a. O., S. 295 cf. W. Beyer: Jesus und seine Wunder, S. 34), haben die Populärpsychotherapeuten aller Zeiten intuitiv erkannt und praktisch beachtet 1 . Diese praktische Seelenkunde, die nicht von der Psychologie einer bestimmten, heute geübten H e i l m e t h o d e gesprochen. R . F r a n c k h : Zur Frage nach der Psychotherapie Jesu 1928. Hans March: Die Psychotherapie Jesu. 1928. 1 Über die Wechselbeziehung zwischen dem Physischen und Psychischen, Wilhelm Wundt: Grundlagen der physiologischen Psychologie. 2. A. 1911, S. 553. P . Dubois: Die Psychoneurosen und ihre psychische Behandlung. 1905. O. Schwarz: Psychogenese und Psychotherapie körperlicher Symptome. 1925. S. VI. 13 f. 20. 30 ff. 86 ff. E . Bleuler: Psychisches und Physisches in der Pathologie, S. 44 ff. J . H . S c h u l z : a. a. 0 . , S. 2.74. UNT 18 : F e Q n e r.

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gelehrt wird (Gruhle, a. a. O., S. 1. 238), hat Jesus in besonderem Grade therapeutisch betätigt. „Er faßte den Kranken bei dem an, was vielleicht das einzige an ihm noch Gesunde war, bei dem Wunsch, zu leben, Joh. 5, 6, und stärkte diesen Wunsch durch die Einwirkung seines mächtigen Willens, zu helfen, in dem Grade, daß der Leib gehorchen mußte." „Der feste Wille Jesu, welchem ihr (sc. der Kranken) sehnsüchtiges Verlangen entgegenkam, wirkte durch Blick, Wort und Gebärde so mächtig auf ihr Gemüt ein, daß auch die Nerven und Muskeln sich seinem Einfluß nicht entziehen konnten, sondern allmählich oder auf einmal ihren Dienst wieder taten, und die erloschene Lebenskraft in die kranken Organe zurückkehrte" (F. Barth, S. 122 ff.). Die Psychotherapie, die als Heilmethode im N. T. anzunehmen ist, wird ihre Hauptaufgabe immer in der Behandlung psychisch-nervöser Zustände finden. Alle auf dem Boden der Hysterie erwachsenen psychischen Störungen sind ihr zugänglich (Binswanger-Siemerling, S. 47). Für die Heilung der „Besessenen" kommt sie allein in Betracht. Aber auch bei Vorliegen funktioneller Symptome auf dem Gebiet der sensorischen und motorischen Nerven, der Vasomotoren wie der Sekretion arbeitet sie erfolgreich. Hysterische Lähmungen aller Art, funktionelle Erblindung und Ertaubung, manchmal sehr alte, bringt sie durch bloße psychische Beeinflussung, ohne Anwendung anderer Mittel zur Heilung (Lewandowsky, S. 158. Bechterew, S. 25 ff.). Bei hysterischer Aphonie 1 und Aphasie 1 hat besonders die Shocktherapie viel erreicht (Schulz, a. a. 0.). Wo sie sich neben der rein psychischen Beeinflussung noch anderer Mittel bedient, geschieht es nur zu ihrer Unterstützung. „Jedes Mittel hilft, sofern es dem Kranken imponiert und Achtung oder Vertrauen einflößt" (Binswanger-Siemerling, S. 347). Die Heilwirkung des Glaubens ist durch die Untersuchung I. M. Charcot's: La foi qui guérit. 1897, u. a. erwiesen worden (Hovorka a. a. O., S. 307. 349 f., A . R ö m e r : Psychiatrie und Seelsorge 1899, S. 230 f.). Daß gerade auch religiöser Glaube 2 in der Psychotherapie die auffallendsten Heilerfolge herbeiführen hilft, gilt in der heutigen Psychiatrie als ausgemacht (Lewandowsky, S. 158). Und zwar 1 s. o. 2 K. Heim, a. a. O., verweist u. a. auf Möttlingen, Männedorf, Teichwolframsdorf und erklärt, daß „heute Dinge geschehen, die den biblischen Wundern wenigstens verwandt sind." cf. R. G. G. 2. A. II. 901 ff.

Psychotherapie im N. T.

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handelt es sich dabei nicht bloß um den Glauben des Kranken selbst, sondern auch in manchen Fällen u m den seiner Angehörigen. Mit bezug auf die hierfür in Betracht kommenden ntl. Erzählungen bemerkt Ebstein (N. T. S. 60) von den Angehörigen des Kranken: „Die Rolle, welche die letzteren bei diesen Heilungen spielten, dürfte wohl darin bestanden haben, daß bereits die Vorstellung des Kranken, daß eine solche vertrauenswerte, im Heilen bewährte Persönlichkeit von den Angehörigen u m Hilfe angegangen werde, einen heilenden Einfluß auszuüben vermochte. Fanden doch die Angehörigen den Kranken bei ihrer Rückkehr von ihrem Bittgang bereits gesund vor." F ü r diese seelischen Vorgänge, die 0 . Holtzmann (a. a. O., S. 155) zutreffend einschätzt, fehlt scheinbar Bultmann, der die Ungeschichtlichkeit von Fernheilungen für ausgemacht hält, das Verständnis, in anderer Weise auch Jelke (S. 50 ff.). Was Mt. 15, 22 ff. Mk. 7, 25 ff. als Fernheilung erscheint, läßt sich mit F. Nippold (Die psychiatrische Heiltätigkeit Jesu. 1889, S. 19) als „auswärtige Consultation" bezeichnen. Der Boden für die Heilungen dieser Art beginnt sich bereits in dem Augenblick vorzubereiten, in dem der Kranke zum ersten Mal von den Heilerfolgen eines berühmten Therapeuten hört (Bechterew, S. 31). Diese Heilerwartung steigert sich dann für den Kranken, wenn er sich zum Heiler auf den Weg macht 1 , und kann, besonders in religiöser Ekstase, schon durch bloße Berührung seines Körpers oder Gewandes zu Heilungen führen. Daß sogar der auf den Kranken fallende Schatten eines Wundertherapeuten Heilung herbeizuführen vermag, wird von L. Bauer (Volksleben im Lande der Bibel, 2. A., S. 12) belegt: „Mancher Schech h a t zur Genesung eines Kranken nur nötig, über ihn hinwegzuschreiten 2 ." Läßt sich so zusammenfassend mit Binswanger-Siemerling, S. 347, von den hysterischen Erscheinungen sagen: „Es gibt eben nur eine Therapie, das ist die Psychotherapie im weitesten Sinne des Wortes", so ist doch auch mit Marie (II, S. 723) einschränkend hinzuzufügen: „Die zugrundeliegende hysterische Veranlagung ist gegeben und nicht zu beseitigen, wohl aber lassen sich die manifesten Krankheitssymptome behandeln und dadurch ein 1 „Nicht selten bessert sich der Zustand des Kranken schon nach der ärztlichen Visite." P. Dubois: Die Psychoneurosen. S. 214. A. Kronfeld: Psychotherapie. 2. A. 1925, S. 133. 2 cf. Weinreich, S. 68 f. 7«

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Zurückbringen auf die latente Veranlagung erzielen." Weiteres darf auch für die ntl. Heilungen nicht vorausgesetzt werden. Die „Wunder und Zeichen" des N. T. gehören jedenfalls nicht bloß der Vergangenheit an (Hellpach: Die geistigen Epidemien, S. 91). Aus diesen Ausführungen ergibt sich, ob und wie weit die bei den ntl. Heilungserzählungen anzunehmenden Heilvorgänge mit dem Wort „ S u g g e s t i o n " 1 meßbar sind. Eine Klarheit über diese Frage ist bisher noch nicht erreicht. Von den einen wird die Annahme, daß Jesu Krankenheilungen Suggestionsheilungen gewesen sein könnten, von vornherein abgelehnt, so von J . Jäger (Ist Jesus ein Suggestionstherapeut gewesen? N. K. Z. 8. 1897, S. 454), so von R. Jelke (Die Wunder Jesu. 1924), so von R. Franckh (a. a. O., S. 21: „Jesu Taten waren Gottes Taten"), so endlich auch von der römisch-katholischen Exegese unter Berufung auf Knur, der S. 51 2 zeigt, daß er im apologetischen Interesse geschrieben hat, um Christus von dem Schein des Suggestivtherapeuten zu reinigen. So wird auch von Jäger und Jelke die Frage nur nach ihrer christologischen Einstellung beantwortet. F ü r Jäger ist es ausgemacht, daß Jesus nur als der Sohn Gottes einen Blinden heilen konnte, und Jelke wehrt jeden Versuch ab, der die Jesus von Gott verliehene „übernatürliche" K r a f t zu einer, wenn auch gesteigerten „natürlichen" machen könnte. Bei anderen wird zwar diese Ablehnung nicht grundsätzlich ausgesprochen, aber doch auf eine sachliche Behandlung des Problems verzichtet. Es erscheint bemerkenswert, daß Lemme, S. 180 f., die Möglichkeit von Suggestionsheilungen bei Jesus nicht prinzipiell ausschließen will, so wenig wie F. Barth 3 , S. 132, es tut, aber Lemme hält diese Erklärung nicht für ausreichend, denn den letzten Aufschluß über die Möglichkeit der Heilungen Jesu könne nur ihre Betrachtung als wirklicher „Wunder" bieten, wobei der Blindgeborene und die Aussätzigen den Ausschlag geben müssen 4 . Ähnlich undeutlich 1 P. Dubois: Die Psychoneurosen. S. 104. 2 cf. auch die Zusammenfassung S. 71 und den Schluß S. 74. 3 Wenn auch ohne Klarheit und Konsequenz. 4 Über seine seltsame Unterscheidung zwischen der Heilung Dämonischer, die Jesus als persönlicher Träger des heiligen Geistes = Bringer des Gottesreiches, und den Heilungen Kranker, die er als „der gottgesandte, j a gottentsprungene Sohn Gottes" vollzieht, und in denen er als Herrscher im Reich des Geistes die Überlegenheit des Geistes über die Natur zur Geltung bringt, S. 177 f.

Die Krankenheilungen des N. T. und die Suggestionstherapie.

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ist die Stellung Behms zu der Frage, der einerseits die von Jesus und den Aposteln ausgegangenen Heilwirkungen mit denen anderer außerchristlicher Therapeuten in Parallele setzt, andererseits aber die ntl. Heilungen als Suggestionsheilungen ablehnt, weil Christus aus der ihm mitgeteilten „singulären Wundermacht" heraus geheilt habe 1 . Hierher gehört auch K . Beth (Die Wunder Jesu. 1914), der zeigen zu können meint, daß die Deutung der Heilungen Jesu als Suggestionsheilungen nicht „notwendig" sei, weil Jesu Wunder der Ausfluß erbarmender Liebe seien und dem Zweck des Gottesreiches dienten. Ebensowenig äußert sich Harnack zu dieser Frage in eindeutiger Weise, denn einerseits erklärt er das Wort Suggestion für einen Verlegenheitsausdruck, andererseits setzt er sie voraus, wenn er hinzufügt: „Anders suggeriert der Prophet, anders der professionelle Exorzist" (Medizin. S. 70). In allen diesen Fällen muß eine klare Erfassung des eigentlichen Wesens der Suggestionsheilung vermißt werden. Es ist das Verdienst Stolls, a. a. 0., die Suggestionsheilungen als völkerpsychologisches Phänomen dargestellt und an einem reichen Material illustriert zu haben. So bemerkt er, S. 231 f., über die Wunderheilungen Jesu: „Je schlichter und buchstäblicher jene Erzählungen gefaßt werden, desto besser stimmen sie mit unsern heutigen Suggestionserfolgen überein." Neuerdings hat sich besonders Alexander Beyer (Religion und Suggestion. 1922 cf. Oesterreich, S. 101) für die Beurteilung der Heilungen Jesu als Suggestionsheilungen eingesetzt und ihr Zustandekommen durch den Hinweis auf die bei Jesus vorliegende starke Suggestivkraft wie die ihm entgegenkommende starke Suggestibilität beleuchtet (A. Kronfeld, S. 233 f. Bälz, S. 136, Stoll, S. 20. 221. 229). Wenn demgegenüber Wilhelm Beyer (Jesus und seine Wunder), ähnlich Seng, S. 18, und R. Franckh, S. 9 ff., die Krankenheilungen Jesu als Heilungen durch „heliodische Lebenskraft" ansieht, die er ausgestrahlt habe, wie andere dazu befähigte Heiler bis in die Gegenwart hinein, — indem er sich als Arzt für die Wirklichkeit dieser Vorgänge verbürgt, —• so wird er damit den bei den Heilungen Jesu zweifellos vorauszusetzenden psychischen Vorgängen nicht 1 Wenn K. Bornhäuser, a. a. O., S. 56 ff. aus Mt. 11, 1 ff. die Heilungstaten Jesu als spezifische Wunder des Propheten gegenüber den Propheten beleuchtet, so kommt er bei der Aufweisung des Singulären an den Heilungen Aussätziger durch Jesus gegenüber Elisa in starke Verlegenheit.

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Die Vorstellungen von der Heilung der Krankheit.

gerecht und ersetzt sie durch physisch erscheinende, für die der medizinischen Wissenschaft außer vielleicht dem Magnetismus 1 gegenüber, den Ed. Meyer I, S. 71, bei Jesus und vielen anderen Persönlichkeiten der Religionsgeschichte wirksam sieht, die erforderlichen nachprüfbaren Unterlagen fehlen 2 . Auch wenn man mit Franckh, S. 15, bei Jesu Heilungen, „physische Leiter psychischer Energie" annimmt, so ist doch letztere das Entscheidende und wirkt auch ohne erstere. Wenn wir auf Grund der bisherigen Ergebnisse der Untersuchung schließlich die ntl. Heilungserzählungen noch einmal daraufhin einer Durchsicht unterziehen, ob Suggestionswirkungen bei ihnen in Frage kommen, so nehmen wir unsern Ausgangspunkt von dem Satz Ebsteins (N. T., S. 64): „Eine Erklärung, wie solche Heilungen sich vollziehen, wird durch das Wort Suggestion nicht gegeben, sondern nur ein terminus technicus für einen komplizierten psychischen Vorgang, wodurch derselbe unserm Verständnis etwas näher gerückt werden soll." Wenn Friedrich Nippold, wohl als einer der Ersten den Terminus Suggestion in die theologische Wissenschaft eingeführt hat, so geschah es aus demselben Bemühen heraus, das auch Joh. Weiß (in R. E . 3. A. Art. Dämonische) zeigt, die ntl. Heilungserzählungen hierdurch dem heutigen Denken näher zu bringen. Dabei handelt es sich nicht darum, wie Behm unterstellt, in die biblischen Vorstellungen ihnen wesensfremde Gedanken einzutragen, sondern nur darum, was er selbst, S. 149, erstrebt, von den Anschauungen der Antike zur Gegenwart eine Brücke zu schlagen. Das geschieht, wenn das, was im N. T. bei den Heilungen Jesu und der Apostel, theologisch ausgedrückt, als sie erfüllende Gotteskraft erscheint, medizinisch gemessen als Suggestionswirkung gedeutet wird 3 . Man wird dabei die Verschiedenheit 1 Über Mesmers Heilmagnetismus, der aber von seinen Nachfolgern als Suggestionswirkung erkannt wurde, Dubois: Die Psychoneurosen. S. 204 f. 2 Nach N. Kotik: Die Emanation der psychophysischen Energie. 1908. Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens, ed. Loewenfeld, Heft 61, handelt es sich bei Suggestion um unmittelbare Beeinflussung durch die Emanation der psychophysischen Energie. S. 130. 3 Daß die eine Betrachtungsweise die andere nicht ausschließt, sollte nicht in Abrede gestellt werden. Auch Franckh muß zugeben, daß desto stärkere Heilwirkungen von einem Menschen ausgehen werden, je mehr er eine vom „Geist Gottes erfüllte Persönlichkeit ist" (S. 24); cf. March, S. 31: Der lebendig mit Gott verbundene Mensch übt „Suggestion, die keine Suggestion mehr ist".

Die Krankenheilungen des N. T. und die Suggestionstherapie.

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des suggerierenden Propheten von dem suggerierenden professionellen Exorzisten nicht übersehen und trotzdem zugeben müssen, daß auch die Magier des nachapostolischen Zeitalters „keine gewöhnlichen Schwindler" waren; sie „müssen K r ä f t e in sich lebendig gefühlt haben, deren sie selbst nicht ganz Herr waren, die sie selbst nicht zu durchschauen vermochten. Das gab ihnen auch diese große Macht über die Menschenherzen" (Weinel: Die Wirkungen des Geistes. S. 226). Ein prinzipieller Unterschied zwischen den Heilungen Jesu und der Apostel und denen dieser Magier läßt sich vom Historiker nicht feststellen 1 . Der Unterschied zwischen beiden liegt für ihn nur in dem tiefen religiösen Ethos, in dem Jesus im Gegensatz zu sonstigen Therapeuten seine Heilungen nur dem Zweck des Gottesreiches dienstbar macht. Wird nicht für Jesus von vornherein eine „singulare Wundermacht" postuliert, so steht nichts im Wege, auch die ntl. Krankenheilungen als Suggestionsheilungen anzusehen 2 . Die erste Stelle nimmt, wie bei den heutigen Suggestionsheilungen, so auch im N. T. die V e r b a l s u g g e s t i o n ein. Sie liegt in den meisten Erzählungen vor. Die verschiedenen Arten des suggestiven Wortes, wie sie E. Kretschmer (Medizinische Psychologie. 2. A., S. 260) schildert, begegnet uns auch im N. T.: ruhiges Zusprechen, Mk. 2, 5. 5, 34, Spannung der Erwartung, Mk. 10, 51. 8, 23. (AI. Beyer, S. 77.) Mt. 9, 27. 20, 32. Joh. 5, 6. Act. 3, 4 f., bestimmter Befehl, Mk. 2, 11. 3, 5. 5, 41. 7, 34. Lk. 13, 12. Act. 9, 40, kräftiges Anfahren, Mk. 1, 25. 5, 8. Bisweilen finden sich auch mehrere Formen der Verbalsuggestion in derselben Erzählung. Diese wichtigste Art der Suggestion ist auch in der Volks- und Zaubermedizin, wie in der allgemeinen Heilkunde der Hauptfaktor (E. Bleuler: Das autistisch-undisziplinierte Denken in der Medizin. 2. A. 1922, S. 51 ff. 166 ff.) Hovorka, a. a. O., S. 307, 349 f.). Ein gleiches gilt von der ärzt1 s. o. 2 Es ist beachtenswert, daß weder Franckh noch March vor einem Vergleich der Heilungen Jesu und Coue'a zurückschrecken und daß letzterer die Heilungsvorgänge, zu denen Coue führt, dadurch erklärt, daß er im Menschen „den Glauben an sich und die gesundenden Kräfte in sich" wieder aufrichtet. Auch Jesus knüpfe an den Gesundheitswillen des Kranken an, steigere ihn aber zu stärkstem Vertrauen auf die Kraft Gottes. So will March bei Jesus „der Suggestion v e r w a n d t e Vorgänge" zugestehen. Aber die Heilungsvorgänge sind m. E. in beiden Fällen g r u n d s ä t z l i c h dieselben.

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liehen Kunst des Spätjudentums, die auch da, wo Heilmittel gegeben werden, oft die Verbalsuggestion anwendet (StrackBillerbeck, zu Mt. 9, 20. cf. das mit der Anwendung von Speichel verbundene Besprechen, ebd. I. S. 216. I I . S. 15 ff. IV. S. 773). Endlich darf auch für die neueste Zeit mit Dibelius (Formgeschichte, S. 99) auf die erstaunlichen Erfolge dieser, den Willen überwältigenden Art der Suggestion bei schweren, durch Kriegshysterie verursachten Lähmungen hingewiesen werden. Uber die überrumpelungsartige Suggestionsheilung psychogener Lähmungen A. Kronfeld: Psychotherapie. 2. A. 1925. S. 254. Die heutige Suggestionstherapie bietet zu den ntl. Heilungen geradezu frappante Parallelen (Bechterew, S. 23 f. u. ö.). Gerade auch das von Jesus geübte epitiman ist heute als besonders wirksame Form der Verbalsuggestion bekannt (Jolly, S. 569), und die Heilbarkeit Besessener durch Bedrohen und Erschrecken vielfach bestätigt (ebd., S. 599. Bälz, a. a. 0., S. 136). Daß die Verbalsuggestion mit der A u g e n s u g g e s t i o n Hand in Hand geht, sei nur kurz erwähnt. Sie ist offenbar in allen Fällen, wo sie anwendbar erscheint, auch in den ntl. Heilungserzählungen vorauszusetzen. Einen genaueren Einblick in ihre Wirkung gewinnen wir aus Act. 3, 1 ff., wo diese Suggestivbehandlung durch das atenisas in V. 3, das blepson eis Tiemas, V. 4, und das entsprechende epeichen autois, V. 5, dargestellt wird. Es handelt sich hier um stärkste Konzentrierung des Kranken. Neben der Verbalsuggestion, ihre Wirkung unterstützend, geht zu allen Zeiten die Anwendung „ i n d i f f e r e n t e r " M i t t e l . Prinzipiell sind als solche auch die sogenannten Zaubermittel aller Zeiten zu bezeichnen (cf. den Zauberring des Eleazar bei seiner Dämonenbeschwörung vor Vespasian, Jos. Ant. VIII, 2, 5, bei dessen Anwendung auch die Verbalsuggestion ausschlaggebend ist). Die im N. T. bei Krankenheilungen angewandten indifferenten Mittel, Speichel, Ol, Verordnung eines Bades, haben in der heutigen Suggestivtherapie ihre Korrelate (Binswanger-Siemerling, S. 347, AI. Beyer, S. 77. A. Kronfeld, S. 253). Unter den Handlungen, durch die die Wirkung der Wortsuggestion gesteigert wird (dazu gehören auch die für den Suggestionserfolg wichtigen Gebärden), ist das in den ntl. Heilungserzählungen öfter vorkommende feste Anpacken und

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kräftige Emporrichten des Patienten bei hysterischen Lähmungen oder kataleptischen Zuständen auch heute noch erfolgreich (AI. Beyer, S. 78, cf. Weinel, S. 116). Ebenso bedient sich die heutige Suggestionstherapie vielfach der t a k t i l e n R e i z e , die in der ntl. Berührung und Handauflegung vorliegen (AI. Beyer, S. 56 ff.). Daß die Suggestivwirkung auch eine indirekte sein kann, zeigt Mk. 7, 24 ff. Mt. 15, 22 ff. Mt. 8, 5 ff. Joh. 4, 50, wo es sich u m Fernheilungen handelt, die Lemme als Gebetsheilungen deuten will, während sie Bultmann aus augenscheinlichem Mangel an Einsicht in das Wesen der Suggestion ablehnt. Daß auch Seng über Fernheilungen medizinisch nichts sagen zu können meint, ist darum doppelt befremdlich. Für die Möglichkeit und Tatsächlichkeit solcher Fernheilungen bringt Fascher, S. 130 Anm., aus der Tätigkeit des „Wunderdoktors" MüllerCzerny, einen überzeugenden Nachweis 1 . Auch der Gebrauch des Namens Jesu bei den Heilungen der Apostel und jüd. Exorzisten ist als eine Übertragung der suggestiven Macht der Person Jesu durch Dritte anzusprechen. Eine solche Übertragung kann auch durch Gegenstände stattfinden, die zu der heilkräftigen Person eine enge Beziehung haben. Die in diesen Fällen anzunehmenden a u t o s u g g e s t i v e n Vorgänge zeigen uns Mk. 5, 28 ff. Act. 5, 15. 19, 12 (0. Holtzmann, S. 212. Längin, S. 7 f. Oesterreich, S. 104). Um solche Vorgänge handelt es sich auch bei den Wunderheilungen, die zu allen Zeiten durch Berührung „heiliger" Gegenstände und Besuch „heiliger" Stätten herbeigeführt worden sind (Bechterew, S. 28 ff.). Hier wird die entscheidende Bedeutung des Glaubens für die Heilung deutlich 2 . 1 Oesterreich, S. 162, cf. die interessante Parallele zu dem Fernheilbrief des brahmanischen Weisen Jarbas an einen Kranken (Weinreich: S. 46) bei O. Kohnstamm: Erscheinungsformen der Seele, ed. Heyer. 1927. S. 219, cf. auch den erfolgreichen Heilbrief Luthers an Mykonius. 2 H. Th. Sanders: Die Autosuggestion und die Macht des Unterbewußten. 1927. Weinreich: S. 64 f. 74, 143 ff. Lucius, pass. Herrlich: Antike Wunderkuren. 1911. Längin, S . U . Friedmann, S. 212 f. 296. cf. O. Holtzmann, S. 149. 155 ff. über die ärztlich bezeugten 38 Trierer Suggestionsheilungen, von denen ca. Ys Heilungen Gelähmter waren. Über die Wunderheilungen von Lourdes als Suggestionsheilungen: P. Dubois, Psychoneurosen, S. 203 f. Auch die Erinnerung an die zahlreichen Votivgeschenke in Form von Nachbildungen geheilter Glieder für antike Heilstätten und römisch-katholische Wallfahrtskirchen ist hier am Platze. R. G.G. I . A . II. 517.

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Erst wenn die ntl. Heilungserzählungen in diese großen Zusammenhänge eingeordnet werden, wird ihr volles Verständnis möglich. Die Beibringung außerchristlicher Parallelen, wie sie die religionsgeschichtliche Forschung in dankenswerter Weise geliefert hat, und ihre bisherige Auswertung durch die ntl. Wissenschaft genügen m. E. dafür nicht. Denn bisher ist im wesentlichen nur auf die äußere Ubereinstimmung zwischen beiden hinsichtlich der Form, des Stils und der Heiltechnik geachtet worden, während die inneren Vorgänge zwischen Kranken und Heilern, auf die auch diese Parallelen hindeuten und die für das Zustandekommen der Heilung entscheidend sind, im ganzen eine geringe Beachtung erfahren haben. Zum Verständnis der ntl. Heilungserzählungen bedarf es gerade nach dieser Seite hin einer vergleichenden Untersuchung der zuverlässig berichteten Krankenheilungen aller Zeiten, die in ähnlicher Weise, besonders auch durch religiös-autoritative Persönlichkeiten oder durch starke religiöse Einflüsse anderer Art hervorgerufen worden sind. Eine solche Untersuchung würde über den Rahmen dieser Arbeit weit hinausgehen. Erkennt man aber, daß durch die Einwirkung religiöser Spannung und Erregung eine besondere Möglichkeit dieser suggestiv gearteten Krankenheilungen gegeben ist, so gewinnt man damit auch ein erhöhtes Verständnis für die Krankheit im N. T. Gerade als eine Zeit stärkster religiöser Spannung und Erregung bot die urchristliche Zeit den geeigneten Boden, auf dem die in den Heilungserzählungen des N. T. vorliegende, in ihrer vielgestaltigen Einheitlichkeit erörterte Krankheitsgattung sowohl zur Entstehung als auch zur Heilung gelangen konnte. Auf diesen doppelten Zusammenhang hinzuweisen, war die Absicht der vorliegenden Abhandlung, deren Verfasser sich freilich dessen bewußt bleibt, daß in einer Untersuchung über die Krankheit im N. T. für den Historiker nur bis zu Wahrscheinlichkeiten vorzudringen möglich ist.

EXKURS ÜBER LUKAS DEN ARZT. Der von Adolf Harnack unternommene Versuch, den Verfasser des 3. Evangeliums und der Acta mit dem Kol. 4, 14. Philem. 24. 2. Tim. 4, 11 genannten Lukas zu identifizieren und ihn dadurch zum Arzt zu stempeln, kann nicht als überzeugend bezeichnet werden. Von der Person des Kol. 4, 14 als iatros ho agapetos = mein Arzt (Deißmann: Licht vom Osten 4. A. S. 372 ff.) erwähnten Lukas (Kurzform für Lukios, Rom. 16, 21) wissen wir nichts Näheres. Daß er der Verfasser der ihm zugeschriebenen beiden ntl. Schriften gewesen sei, sucht Harnack unter Zugrundelegung der Untersuchung Hobarts (The medical language of St. Luke. 1882.) durch den Nachweis glaubhaft zu machen, daß Lk. und Act. nach Inhalt wie besonders nach Form nur von einem griechischen Arzt geschrieben sein könnten, worin er die volle Zustimmung Zahns (Einl. 3. A. II, S. 423 ff.) gefunden hat. Aber dieser, durch eine Reihe von Belegen gestützte Nachweis Harnacks ist nicht zwingend. Es wäre freilich ungerechtfertigt, mit Jülicher (Einl. 5. A. S. 406 ff.) den medizinischen Einschlag in Lk. und Act. als „Harmlosigkeit" zu kennzeichnen. Denn es wird Hobart-Harnack zuzugeben sein, daß hier ein mit der medizinischen Sprache und Kunst vertrauter Schriftsteller die Feder geführt hat. Mehr läßt sich aber aus den von Harnack besprochenen Stellen nicht entnehmen (E. Meyer I I I , 338). Der Wunsch als Vater des Gedankens blickt durch seine Beweisführung immer wieder hindurch. Mit Recht weist Harnack, um von den „Wirstücken" der Apg. auszugehen, darauf hin, daß Act. 28 erst bei Beachtung des dort vorliegenden medizinischen Sprachgebrauchs richtig erklärt werden könne (S. 123 f. 11 f.). Aber von einer ärztlichen Funktion auch des Lukas auf Malta ist trotz des hemas in V. 10 nichts angedeutet. Nach dem in V. 8 von der Heiltätigkeit des Paulus Berichteten ist er auch in V. 9 als der Heilende zu denken. Ebensowenig läßt sich aus der Art, wie die Wirkung

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Exkurs über Lukas den Arzt.

des Schlangenbisses V. 6 erzählt wird, folgern, daß hier ein Arzt berichte und nicht ein Laie. Denn für den letzteren ist, wenn er beobachtet, das Anschwellen des Gebissenen ebenso beachtens- und erwähnenswert, wie das Hinfallen. Auch in der These ist H. beizustimmen, daß der Verf. des 3. Ev. in den aus Mk. geschöpften Heilungsgeschichten sich als medizinisch interessierten Erzähler zeigt 1 , während der erste Evangelist alle nicht absolut notwendigen ärztlichen Züge in diesen Mk.-Perikopen tilgt. Aber daß hier die Autorschaft eines Arztes vorliegt, läßt sich nicht beweisen. Wenn Lukas z. B. in seiner Relation der Jairusgeschichte, 8, 55 ff., zuerst den Auftrag Jesu berichtet, dem wiederbelebten Mädchen zu essen zu geben, was als Beweis für die Genesung gedacht ist (StrackBillerbeck, zu Mk. 5, 43), und dann erst sein Verbot, über das Geschehene zu sprechen, während Mk. das letztere zuerst bringt, so läßt das nicht den Schluß H.'s zu, daß bei Lk. der fürsorglich verordnende Arzt spreche. Bei Mk. erscheint die Voranstellung des Schweigebefehls nach seiner ganzen pragmatischen Darstellung des Wirkens Jesu wohlbegreiflich. Ebenso abwegig dünkt mich H.'s Argumentation zu Act. 9, 18 zu sein, wo er fragt, ob ein Laie die Nahrungsaufnahme des Saulus nach seiner Taufe vermerkt hätte, denn nach dem in 9, 9 erzählten ergab sich diese Bemerkung ohne weiteres. Auf nicht minder schwachen Füßen dürfte H.'s Versuch stehen, aus den bei Lk. sich findenden näheren Angaben über das geheilte Glied (Lk. 6, 6 die rechte Hand, Lk. 23, 50 f. das rechte Ohr) den genau berichtenden Arzt zu erweisen, denn diese Zusätze sind mit der formgeschichtlichen Forschung eher als legendäre Nachtriebe anzusehen. Daß H. sogar aus der nur von Lk. berichteten, der geschichtlichen Grundlage entbehrenden Anheilung des Ohres 22, 51 den Arzt erkennen will, der „daran Anstoß genommen" habe, „daß der arme Teufel sein Ohr verloren hat", sei lediglich erwähnt. Auch in den dem Verfasser von Lk. und Acta allein eigenen Heilungsgeschichten h a t H . auf eine ganze Anzahl von Zügen 1 Doch handelt es sich auch bei manchen mediz. Ausdrücken in Lk. und Act. einfach um die Sprache eines vielseitig gebildeten Mannes. Über den Einfluß, den gerade die mediz. Anschauungen jederzeit auf die Phraseologie ausgeübt haben, Max Neubauer: Die Medizin des Josephus. 1919, S. 73 f.

Der medizinische Einschlag in Lk. und Act.

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aufmerksam gemacht, die medizinisch erklärt werden müssen. Aber der Gebrauch medizinischer Ausdrücke — falls sie wirklich im einzelnen als solche festgestellt werden — verrät noch nicht notwendig einen Arzt (cf. das anekathisen Lk. 7, 15. Act. 9, 40, wo sich H. selbst sehr vorsichtig ausdrückt). Zur Annahme eines solchen zwingt auch nicht die genaue Beschreibung von Krankheit und Heilung der Kontrakten, Lk. 13, 11 ff. Denn selbst wenn man apolyein wie anorthun als medizinische termini nähme, was bei dem Letzteren angeht, dagegen bei dem Ersteren wegen V. 16 (Lösung der Satansfessel) sich verbietet, so ist doch nicht einzusehen, inwiefern die Zusammenstellung beider termini auf einen Arzt hindeutet, vielmehr zu behaupten, daß das, was Harnack als die beiden, aufeinanderfolgenden Phasen der Heilung besonders genau und sachgemäß geschildert findet, zuerst „die Lösung der Krümmung" und dann „die Einrichtung", bei der kontrakten Er au eine allmählige Heilung supponiert, während doch, cf. das parachrema, an eine augenblicklich erfolgende gedacht ist. Sehr befremdlich erscheint es auch, daß H. in der Parabel von Lazarus, Lk. 16, 19 ff., außer aus den vorhandenen termini auch aus der Bemerkung: „Die Hunde leckten ihm seine Geschwüre" auf den ärztlichen Erzähler schließen will, der an die fehlende ärztliche Hilfe denke. Denn dieser Zug will wohl in der Realistik echt volkstümlicher orientalischer Erzählerkunst die ganze Hilflosigkeit des kranken Bettlers darstellen, der sich nicht einmal der zudringlichen Straßenhunde erwehren kann. Ebenso anfechtbar verfährt H. mit der Elymasgeschichte, Act. 13, 11. Gegen die Fassung des achlys als terminus im Sinne Galens hat Preuschen (z. d. St.) berechtigte Bedenken geltend gemacht. Aber noch bedenklicher erscheint die Art, wie H . die Bemerkung: „er suchte solche, die ihn führen konnten" für seinen Zweck benutzt, indem er sie als Beweis für den ärztlichen Stand des Verf. geltend macht, der sich „sofort die traurigen Folgen des Falls" vergegenwärtige, S. 134. Zusammenfassend wird H. zuzugeben sein, daß das 3. Ev. und die Apg. gerade auch durch ihren medizinischen Einschlag als schriftstellerische Einheit erscheinen, und daß die Tätigkeit Jesu als des Arztes für Leib und Seele in keinem der Evangelien „so geflissentlich hervorgehoben und so liebevoll nacherzählt ist wie im 3. Evangelium" (Harnack: Medizinisches, S. 17. Lukas

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Exkurs über Lukas den Arzt.

der Arzt, S. 135 f.). Aber ebenso entschieden ist H.'s Behauptung zu bestreiten, daß die Darstellung einen Arzt als Autor anzunehmen nötige oder nahelege. Durch ein Dreifaches erscheint diese Annahme hinfällig. Zunächst spricht dagegen die in Lk. 8, 43 in Parallele mit Mk. sich findende, ein absprechendes Urteil über die kostspielige und doch vergebliche Kunst der Ärzte involvierende Bemerkung. Gewiß erscheint die Mk.Relation bei Lk. ästhetisch verfeinert und auch durch die Auslassung des polla pathusa etc. gemildert. Aber sachlich kommt Lk. auf dasselbe hinaus wie Mk., die Ärzte h ä t t e n die F r a u um ihr ganzes Vermögen gebracht, und ihr doch nicht geholfen. Nach dem handschriftlichen Befund der Stelle liegt keine Veranlassung vor, das für H. peinliche iatrois prosanalosasa holon ton bion zu streichen. Aber selbst wenn man es mit Cod. D nicht läse, würde sich an dem Urteil des Verfassers über die Unfähigkeit der Ärzte zur Heilung der Frau nichts ändern. Solch ein Urteil ist aber in der Feder eines Arztes aus Rücksicht auf die Ehre seines Standes ausgeschlossen. Das Gleiche ergibt sich aus Lk. 4, 23: pantos ereite moi ten parabolen tauten: iatre, therapeuson seauton. Der Versuch H.'s, dieses Wort als nicht in den Zusammenhang passend und als Vorwegnahme von Mk. 15, 31 Par. zu eliminieren, zeigt n u r seine Verlegenheit ihm gegenüber. Wäre der Verfasser ein Arzt, so wäre dieser ausgesprochene Spott über die damalige ärztliche Kunst (Jülicher: Gleichnisse II, S. 172. Strack-Billerbeck I I , S. 156. IV. 1075) unmöglich. Endlich wird zu behaupten sein, daß niemand den mit der Kunstsprache der griechischen Medizin vertrauten Verf. von Lk. und Act. für einen griechischen Arzt halten kann, der die naturwissenschaftlich eingestellte, wenn auch damals nicht mehr auf ihrer Höhe stehende hippokrateische Schulmedizin mit der von dem übrigen N. T. keineswegs abweichenden Grundanschauung des Lk. über die Krankheit vergleicht (Ebstein: Die Krankheiten des A. T., S. 177 ff. M. Neuburger: Geschichte der Medizin I, S. 193). Ein Hippokrates vertritt die Ableitung der Geisteskrankheiten aus Veränderungen im Gehirn, ein Lk. f ü h r t sogar Kontraktheit auf dämonischen Ursprung zurück, 13, 16, und läßt Jesus auch das Fieber bezw. den Fieberdämon anfahren (epitiman, 4, 39 s. o.).

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114 Preisigke, F. Preuss, J . Religion die in Römer, A. Rohde, E. Reitzenstein, R. Raimann, E. Röhr, J. Schmidt, K. L.

Schmidt, P. W. Schlatter, A.

Seeligmüller, A. Steckel, W. Schütz, Rol. Schmiedel, O. Schmiedel, P. W. Staerk, W. Soltau, W. Seng, H. Singer, H. Stoll, O. Schwarz, O. Sanders, H. Th. Schulz, I. H. Schwalbe, J. Schulthess, F. Soden, H. v. Traub, G. Traub, Th. Taczak, Th. Titius, A. Tambornino, J.

Literatur. Vom göttlichen Fluidum nach ägyptischer Anschauung. 1920. Die Gotteskraft der frühchristl. Zeit. 1922. Der Arzt in Bibel und Talmud. R. Virchows Archiv. 138. 1894. Geschichte und Gegenwart. I . A . 1909 ff. 2. A. 1928 ff. Psychiatrie und Seelsorge. 1899. Psyche. 5. u. 6. A. 1910. Hellenistische Wundererzählungen. 190G. Poimandres. 1904. Die hysterischen Geistesstörungen. 1904. Der okkulte Kraft begriff im Altertum. 1923. Der Rahmen der Geschichte Jesu. 1919. Die Stellung der Evangelien in der allgem. Literaturgeschichte. Eucharisterion. 1923. Art. „Jesus Christus". R. G. G. 2. A. III. 110 ff. Die Geschichte Jesu. I. 1899. II. 1904. Geschichte Israels von Alexander d. Großen bis Hadrian. 1906. Das Wunder in der Synagoge. Beiträge z. Förderung christl. Theol. XVI. 5. Die Geschichte des Christus. 1921. War Paulus Epileptiker? 1910. Dichtung und Neurose. Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens, ed. Loewenfeld. Heft 65. 1909. Apostel und Jünger. 1921. Hauptprobleme der Leben Jesu Forschung. 2. A. 1906. Art. „Gospels" in Encyclopaedia Biblica. Ntl. Zeitgeschichte. 3 . A . 1922. Hat Jesus Wunder getan? 1903. Die Heilungen Jesu in medizinischer Beleuchtung. 1926. Allgemeine und spezielle Krankheitslehre der Juden. 1904. Hypnotismus und Suggestion in der Völkerpsychologie. 1904. Psychogenese und Psychotherapie körperlicher Symptome. 1925. Die Autosuggestion und die Macht des Unterbewußten in uns. 1925. Die seelische Krankenbehandlung. 3. A. 1922. Irrtümer der allgemeinen Diagnostik und Therapie. H. 3. Psychotherapie v. Schulz. 1923. Zur Sprache der Evangelien. Z. N. W. 1922. Die wichtigsten Fragen im Leben Jesu. 2. A. 1909. Das Wunder im N. T. 2. A. 1907. Jesu Heilungen. Chr. W. 1904. Dämonische Besessenheit. 1903. Die Heilung von Dämonischen im N. T. Festschrift f . G. N. Bonwetsch. 1925. De antiquorum daemonismo. 1909.

Literatur und Abkürzungen.

115

Jüdische Eschatologie. 1908. Der Geist Gottes und die verwandten Erscheinungen im A. T. und im anschließenden Judentum. 1910. Vischer, E. Der Apostel Paulus und sein Werk. 1910. Vierordt, H. Medizinisches aus der Geschichte. 3. A. 1910. Weinel. H. Die Wirkungen des Geistes und der Geister im nachapostolischen Zeitalter bis auf Irenaeus. 1899. Das Leben Jesu. 2. A. 1884. Weiß, B. Artikel „Dämon", ..Dämonische", in R. E. 3. A. Bd. 4. Weiß, J. Der johanneische Erzählungsstil. Eucharisterion. 1923. Windisch, H. Johannes u. die Synoptiker. Untersuchungen z. N. T. ed. Windisch H. 12. 1926. Wetter, (i.V. Die Damaskusvision und das paulinisehe Evangelium. Festgb. f. Jülicher. 1927. Weizsäcker, C. v. Das apostolische Zeitalter. 3. A. 1902. Wrede, W. Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. 1901. Paulus. 1904. Wickenhauser, A Die Apostelgeschichte und ihr Geschichtswert. 1921. Weber. F. Jüdische Theologie auf Grund des Talmud und verwandter Schriften. 2. A. 1897. Weinreich. 0 . Antike Heilungswunder. 1909. Wundt, W. Völkerpsychologie. 1906. Grundzüge der physiologischen Psychologie. 5. A. 1911. Wendland, 1'. Die hellenistisch-römische Kultur in ihren Beziehungen zu Judentum und Christentum. 1907. Die urchristlichen Literaturformen. 2. u. 3. A. 1912. Zöller, F. Das Gesamtwerk der Theopsychologie. 1922 ff.

Volz. P.

Micklem, E. R. Smit, J. Sulzer, G.

Nicht zugänglich war mir: Miracles and the New Psychology. A study in the healing miracles of the New Testament. 1922. De daemoniacis in historia evangelica. 1913. Die Besessenheitsheilungen Jesu. 1921.

ABKÜRZUNGEN. E. K. Z. N. K. Z. R. E.

= Evangelische Kirchen-Zeitung. = Neue Kirchliche Zeitschrift. = Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, ed. Herzog. 3. A. ed. Hauck. 1896 ff. R. G. G. = Die Religion in Geschichte und Gegenwart, ed. Schiele und Zscharnack 1909 ff. 2. A. 1927 ff. Z. n. W. = Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft. Z. Th. K. = Zeitschrift für Theologie und Kirche. Ch. W. = Die Christliche Welt.

Literatur und Abkürzungen.

115

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Micklem, E. R. Smit, J. Sulzer, G.

Nicht zugänglich war mir: Miracles and the New Psychology. A study in the healing miracles of the New Testament. 1922. De daemoniacis in historia evangelica. 1913. Die Besessenheitsheilungen Jesu. 1921.

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= Evangelische Kirchen-Zeitung. = Neue Kirchliche Zeitschrift. = Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, ed. Herzog. 3. A. ed. Hauck. 1896 ff. R. G. G. = Die Religion in Geschichte und Gegenwart, ed. Schiele und Zscharnack 1909 ff. 2. A. 1927 ff. Z. n. W. = Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft. Z. Th. K. = Zeitschrift für Theologie und Kirche. Ch. W. = Die Christliche Welt.

SACHREGISTER. Ärzte im N. T. 81 104 ff. Ätiologie 21. Amblyopie 70. Amyosthenie 58. Anamnese 29. Augenkrankheit, ägyptische 33. 36. Augenmigräne 33. 37. Augensuggestion 104. Aura 34. 38. Atrophie 58. Aussatz im N. T. 33. 36. 67 f. Autosuggestion 105. Besessenheit 23 ff. 41 ff. 76. 98. Blindheit 33. 69 ff. Charakter hysterischer 37. Clavus hystericus 38. Contagium psychicum 78. Dämonen als Krankheitserreger 21ff. 30. 41 ff. 77. Doppelwille des Hysterikers 47. 49. Duales Bewußtsein 47. Dysenterie im N. T. 69. Ekstase 39. 99. Epidemie, psychische 76. Epilepsie 33 ff. 43 f. Exorzismus und Exorzisten 49. 76. 82. 85 ff. 103. Fasten und Heilung 89 f. Fernheilung 51. 58. 80. 99. 105. Fieber 52. 60. 69. Furor hystericus 50. Gebet und Heilung 88 f. Glaube und Heilung 93 ff. 98 f. 105. Halluzination 32. 38 f. Heilgaben in Korinth 85. Heilgötterkulte, antike 7. 81. Heilkraft nach antiker Auffassung 82 ff. Heliodische Lebenskraft und Heilung 101 f. Heilmagnetismus 102. Heiltätigkeit Jesu im N. T. 8. 10. 17 ff. 74. 82 ff. Heiltätigkeit Jesu in den Apokryphen 13 f.

Heiltätigkeit der Jünger Jesu 18. 75. 84. Hysterie 33. 36. 43. 47. 73. 76ff. 99f. Indifferente Mittel und Heilung 104. Ischias 34. Isolierung, lokale und psychische 93. Kataleptische Zustände 65. 105. Konstitution, hysterische 38. Kontrakturen 38. 54 f. 73. Krankheitsnamen im N. T. 27 f. Krankheitsschilderung im N. T. 29. Krankheit und Rasse 76. Krankheit und Sünde 21. 56. 60. Krankheit u. soziale Verhältnisse 77 f. Lähmungen, hysterische 57 ff. 98. Magie 19. 81 f. 85. 92 f. 94. 103. Manavorstellung im N. T. 83. Medizinische Ausdrücke im N. T. 107 ff. Menorrt igie 65. Name Jesu Christi und Heilung 15. 86 f. 105. Öl und Heilung 92. Pathogenese 21. Paulus' Krankheit 30 ff. Psychotherapie und Psychotherapeuten 96 ff. Physisches und Psychisches in der Therapie 52. 57. 97 f. Scoliasis hysterica 55. Somnambule Zustände 43. Spasmen 34. 38. Speichel 32. 91 f. Stigmatisation 40. Suggestion und Heilung 100 ff. Supranaturale Erklärung der Krankheit 21 ff. 81. Tabukraft 83 f. Taktile Reize und Heilung 90 f. 105. Taubheit 72 f. Totenaufweckungen 62 ff. Verbalsuggestion 103 f. Volks- und Zaubermedizin 81. 103. Wassersucht 66 f. Zauberei und Zauberer 81 f. 87. 104.