Die kommunistische Organisation der gesellschaftlichen Arbeit [Reprint 2021 ed.] 9783112597668, 9783112597651


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Die kommunistische Organisation der gesellschaftlichen Arbeit [Reprint 2021 ed.]
 9783112597668, 9783112597651

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N. K. TJAPKIN

Die kommunistische Organisation der gesellschaftlichen Arbeit

N. K. TJAPKIN

Die kommunistische Organisation der gesellschaftlichen Arbeit

AKADEMIE-VERLAG BERLIN 1973

Titel der russischen Ausgabe: H. K. Tamara KoMMyHHCTnqecKaH opraHH3aqHH oßmecTBeHHoro Tpy«a, Ü3«. M0CK0BCK0r0 yHHBepcHTGTa, MoCKBa 1970. Ins Deutsche übersetzt von K.-D. Göll, Eberswalde Wissenschaftlich bearbeitet von Dr. E. Domin, Leipzig

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 Copyright der deutschen Ausgabe 1973 by Akademie-Verlag, Berlin Lizenznummer: 202 • 100/30/74 Lektor: Dieter Graf Gesamtherstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen/DD R • 4100 Einbandgestaltung: Karl Salzbrunn Bestellnummer: 752 189 0 (6009) • LSV 0315 Printed in GDR EVP 17,-

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

7

I Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit als gesellschaftliche Ordnung der Arbeit im Sozialismus und Kommunismus . . . 1. Zum grundlegenden Produktionsverhältnis im Sozialismus

17 17

2. Die höchste historische Form der gesellschaftlichen Arbeit

34

II Notwendige Arbeit und Mehrarbeit III Lebendige und vergegenständlichte Arbeit

59 89

IV Arbeitsteilung und Wechsel der Arbeit

101

V Produktive und unproduktive Arbeit

114

VI Gesellschaftlich notwendige Arbeit

127

VII Wechselbeziehungen zwischen den Kategorien der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit 146 VIII Der sozialistische Betrieb als Hauptbestandteil der ökonomischen Verhältnisse in der Arbeit 1. Der Betrieb als ökonomische Kategorie 2. Der staatliche Produktionsbetrieb 3. Produktions-und Arbeitsprozeß 4. Das Produktionskollektiv als System von ökonomischen Verhältnissen in der Arbeit 5. Wege zur Entwicklung des Bedürfnisses nach Arbeit . . . .

157 157 162 184 190 202

I X Beziehungen zwischen Betrieben und Zweigen als Ausdruck ökonomischer Verhältnisse in der Arbeit 227 1. Arbeitsproduktivität und Produktivkraft der Arbeit . . . . 227 2. Gemeinschaft der Produktionskollektive 247 Personenregister

258

Sachregister

260 5

EINLEITUNG

In der vorliegenden Monographie werden die Grundlagen der Theorie der kommunistischen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit behandelt. Im Beschluß des Z K der KPdSU „Über die Vorbereitung auf den hundersten Geburtstag V. I. Lenins" heißt es, daß sich die Treue zum Leninismus und Kommunismus in der bewußten schöpferischen Arbeit der Massen zeigt. Lenin hat mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten und seiner praktischen Tätigkeit, die er in den ersten Jahren des sozialistischen Aufbaus geleistet hat, die Theorie der kommunistischen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit geschaffen. Die KPdSU und darüber hinaus das ganze Volk kämpfen für den Sieg der sozialistischen Arbeit und die Entwicklung dieser Arbeit zur kommunistischen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse haben die Theorie von der kommunistischen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit bereichert. Diese Theorie und die Erfahrungen, die bei ihrer Verwirklichung in der Praxis gewonnen worden sind, bilden das Fundament für die in dem obenerwähnten Beschluß behandelte bewußte schöpferische Arbeit. In den theoretischen Arbeiten Lenins nimmt die Lehre von der gesellschaftlichen Arbeit einen überaus wichtigen Platz ein, denn sie gibt auf folgende Grundfragen erschöpfend Antwort: Welche gesellschaftliche Ordnung der Arbeit löst die erzwungene Lohnarbeit ab, welches sind die charakteristischen Züge und die Vorzüge der neuen historischen Form der gesellschaftlichen Arbeit, und wie ist die sozialistische gesellschaftliche Arbeit zu organisieren und zur kommunistischen Arbeit zu entwickeln? In der praktischen Leitung des sozialistischen Aufbaus hat Lenin entschieden die prinzipiell neuen Verhältnisse in der Arbeit und zur Arbeit geschaffen und unterstützt. Er sah in ihnen Keime des Kommunismus. Er forderte von der Partei, vom Volk und von den Werktätigen in der Produktion, diese Keime auf jede Weise zu entfalten und keine Mühe zu scheuen, um der kommu7

nistischen Arbeit zum Sieg zu verhelfen. In den Subbotniks erkannte Lenin als erster eine neue Form der gesellschaftlichen Arbeit und neue Erscheinungen beim Aufbau von Partei und Staat. Lenin vertiefte und bereicherte die Marxsche Lehre von der gesellschaftlichen Arbeit, als er die Erfahrungen der neuen historischen Epoche theoretisch verallgemeinerte und die Theorie der sozialistischen (kommunistischen) Arbeit schuf. Die marxistisch-leninistische Lehre vom Doppelcharakter der Arbeit, von der durch das Eigentum an den Produktionsmitteln gesellschaftlich bedingten Form der Arbeit, der historischen Überlebtheit der erzwungenen Lohnarbeit und vom Sieg der freien Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaftswissenschaft und dient der Arbeiterklasse, um gegen den Kapitalismus zu kämpfen, den Sozialismus siegreich zu erbauen und zu festigen und den Kommunismus aufzubauen. Lange vor der Oktoberrevolution schrieb Lenin: „Deshalb gibt es nur ein Mittel, um der Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital ein Ende zu machen: das Privateigentum an den Arbeitsinstrumenten abzuschaffen, alle Fabriken, Werke, Gruben, ebenso alle großen Güter usw. in die Hände der ganzen Gesellschaft zu legen und zu gemeinschaftlicher sozialistischer Produktion überzugehen, die von den Arbeitern selbst geleitet wird".1 Schon in den ersten Tagen der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution warnte Lenin davor, sich nur darauf zu beschränken, das sozialistische gesellschaftliche Eigentum zu schaffen: „Mit der Konfiskation allein ist es nicht getan, denn sie enthält kein Element der Organisation, der Rechnungsführung über die richtige Verteilung",2 das heißt, der faktischen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit. Wir werden, erklärte Lenin im November 1917, eine Republik der Arbeit haben. Mit diesen Worten wurden Allgemeinheit und Pflicht der Arbeit sowie die Abschaffung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen proklamiert. Die Republik der Arbeit konnte nicht auf der früheren, kapitalistischen Ordnung der gesellschaftlichen Arbeit beruhen, das heißt nicht auf der Lohnarbeit und der unbezahlten Arbeit, die sich Kapitalisten aneignen. Lenin verallgemeinerte das Heldentum der Arbeit, das die sowjetischen Menschen insbesondere an den Subbotniks bewiesen, und kam 1

2

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V. I. Lenin, Entwurf kratischen Partei, in: V. I. Lenin, Werden Werke, Bd 26, Berlin

und Erläuterung des Programms der SozialdemoWerke, Bd 2, Berlin 1963, S. 100. die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten? In: 1961, S. 91.

zu dem Schluß, „daß das Proletariat einen im Vergleich zum Kapitalismus höheren Typus der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit repräsentiert und verwirklicht. Das ist der Kern der Sache. Darin liegt die Quelle der Kraft und die Bürgschaft für den unausbleiblichen vollen Sieg des Kommunismus". 3 Geleitet von der Leninschen Lehre über die gesellschaftliche Arbeit im Sozialismus und Kommunismus, hat das sowjetische Volk unter der Führung der Kommunistischen Partei zum erstenmal in der Geschichte einen neuen Typus der gesellschaftlichen Ordnung der Arbeit geschaffen: die freie, unmittelbar gesellschaftliche Arbeit. Der Charakterisierung dieser Ordnung der Arbeit ist die vorliegende Monographie gewidmet. Beim Aufbau des Sozialismus und vor allem des Kommunismus ist die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit nicht etwa nur ein einzelner Zug oder ein einzelnes Merkmal des gesellschaftlichen Charakters der Arbeit. Sie bildet vielmehr die gesellschaftliche Ordnung der Arbeit und bestimmt alle Züge, Merkmale und Eigenschaften des gesellschaftlichen Charakters der Arbeit. Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit ist befreite Arbeit in dreifachem Sinn: befreit vom privatkapitalistischen Eigentum an den Produktionsmitteln, vom Privateigentum des Menschen an seiner Arbeitskraft und von der staatlichen Macht der Ausbeuterklassen. Dadurch sind die Produktionsmittel kein Kapital, nimmt die Arbeitskraft nicht die Form einer Ware an und hört die Staatsmacht auf, eine Macht zu sein, mit der die Eigentümer der Produktionsmittel „andere Menschen zwingen, für sie zu arbeiten" 4 . Die freie Arbeit, die mit dem sozialistischen Eigentum beginnt, ist nicht eine besondere Art der Vereinigung von Produktionsmitteln und Werktätigen, sie ist vielmehr die organische Einheit von Produktionsmitteln und Werktätigen, das heißt die Beseitigung der sozialen Trennung der Produktionsmittel und Lebensbedingungen vom Werktätigen. Der Werktätige ist jetzt nicht Träger der Arbeitskraft im Dienste des Kapitals, nicht Lohnarbeiter, sondern Herr der Produktion und setzt seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten sowie seine biologische Energie unmittelbar ein. Die Arbeitskraft des Menschen als eine besondere Art der biologischen Energie ist die natürliche Basis der Arbeitskraft als einer öko3

4

V. I. Lenin, Die große Initiative, in: Werke, Bd 29, Berlin 1965, S. 408-409. K. Marx, Aufzeichnung einer Rede von Karl Marx über das Erbrecht, in: Marx/Engels, Werke, (im folgenden: MEW), Bd 16, Berlin 1962, S. 561.

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nomischen Erscheinung; sie ist jedoch nicht die Ursache für deren Existenz. Wie eine Maschine unter allen gesellschaftlichen Bedingungen eine Maschine ist und Kapital nur unter bestimmten historischen Voraussetzungen, so ist die Arbeitskraft des Menschen als biologische Energie unter allen gesellschaftlichen Bedingungen vorhanden, wenngleich sich ihre Rolle im Produktionsprozeß ändert. Dagegen existiert die Arbeitskraft des Menschen als eine bestimmte ökonomische Beziehung nur unter bestimmten historischen Bedingungen. So gesehen erfährt die Arbeitskraft als biologische Energie im Sozialismus eine Weiterentwicklung, während sie als Ausbeutungsverhältnis nicht existiert. An die Stelle des Menschen als Arbeitskraft, der Kategorie des Kapitalismus, setzt der Sozialismus den Menschen als Werktätigen. Die Pflicht zur Arbeit im Sozialismus und die Arbeit als erstes Lebensbedürfnis im Kommunismus bedeuten Pflicht bzw. Bedürfnis des Menschen, seine Fähigkeiten unmittelbar anzuwenden. Dabei setzen die Werktätigen ihre Fähigkeiten ein, ohne sie in die Ausbeutungsform der Arbeitskraft zu verwandeln, ohne die Anwendung ihrer Fähigkeiten anderen Personen oder sozialen Gruppen zu überlassen, ohne daß die Arbeit entfremdet ist. Das Grundprinzip des Kommunismus „Jeder nach seinen Fähigkeiten — jedem nach seinen Bedürfnissen" kann nicht auf das Prinzip zurückgeführt werden: „Von jedem die Arbeitskraft — jedem nach seiner Arbeitskraft". Der Proletarier dagegen realisiert dem Wert der Arbeitskraft. Für „ X " Werteinheiten in Form von Arbeitskraft erhält er „ X " Werteinheiten in Form von Geld. Er überläßt den Gebrauchswert der Arbeitskraft dem Geldgeber, der diesen Gebrauchswert nutzt. Marx schrieb, „daß der Mehrwert selbst abgeleitet wird aus einem .spezifischen' und ihr exklusive zukommenden Gebrauchswert der Arbeitskraft etc. etc., daß also bei mir der Gebrauchswert eine ganz anders wichtige Rolle spielt als in der bisherigen Ökonomie, daß er aber notabene immer nur in Betracht kommt, wo solche Betrachtung aus der Analyse gegebener ökonomischer Gestaltungen entspringt, nicht aus Hin- und Herräsonieren über die Begriffe oder Worte .Gebrauchswert' und .Wert'" 5 . Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit, das heißt die kollektive Arbeit, ihr Inhalt und Charakter, zeigt sich in Inhalt und Charakter der Kategorien notwendige Arbeit und Mehrarbeit, lebendige und vergegenständlichte Arbeit, Teilung und Wechsel der Arbeit, produktive und nichtproduktive Arbeit, gesellschaftlich notwendige Arbeit, 5

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K. Marx, Randglossen zu Adolph Wagners „Lehrbuch der politischen Ökonomie", in: MEW, Bd 19, Berlin 1962, S. 370f.

Arbeit für sich und die Gesellschaft usw. Inhalt und Charakter dieser Arbeit treten hier in ihrer Einheit und ihrem Unterschied, ihren Wechselbeziehungen und wechselseitigen Abhängigkeiten auf. Die ökonomischen Beziehungen, die mit diesen Kategorien ausgedrückt werden, sind andere als die der Lohnarbeit. Das trifft besonders auf diejenigen ökonomischen Verhältnisse zu, die in der notwendigen Arbeit und Mehrarbeit zum Ausdruck kommen; denn im Sozialismus gibt es die Ware Arbeitskraft nicht. Die Geschichte des Aufbaus, des Sieges und der Entwicklung des Sozialismus zum Kommunismus ist letzten Endes die Geschichte der allmählichen Umwandlung der sozialistischen Arbeit in die kommunistische. Sie vollzieht sich durch das allseitige Wachstum der Produktivkräfte und die Vervollkommnung der sozialistischen Produktionsverhältnisse, was sich in der Entwicklung aller Kategorien der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit und des Menschen als Werktätigen widerspiegelt. Der sowjetische Werktätige als Erbauer des Sozialismus, Schöpfer sozialistischer Formen des wirtschaftlichen Lebens und des Kommunismus, charakterisiert durch seine Entwicklung historische Etappen des Fortschritts der Gesellschaft zum Kommunismus, spiegelt durch den Grad seiner Vervollkommnung Einheit und Unterschied dieser Etappe wider. Der Fortschritt der sozialistischen Gesellschaftsordnung zeigt sich darin, wie sich der Mensch in der Arbeit vervollkommnet, wie er die Fähigkeiten entfaltet, im Kollektiv zu arbeiten und zu leben, aktiv die Produktions- und politischen Aufgaben zu lösen und für die Bewahrung und Stärkung der Errungenschaften des Marxismus-Leninismus zu kämpfen. Das Wesen der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit zu klären ist notwendig, um die Arbeit in der Gesellschaft erfolgreich zu organisieren. Diese Organisation schließt folgende Aufgaben ein: Heranziehen zur Arbeit, Ausbildung der Kader, Sicherung der Beschäftigung der arbeitsfähigen Bevölkerung, territoriale Verteilung der arbeitsfähigen Bevölkerung, Einsatz der Werktätigen in den Betrieben, Vergütung der Arbeit, Arbeitsnormung und Erfassung des Arbeitsaufwandes der Produkte. Unserer Meinung nach stellen Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit in einem Betrieb und ähnliches - organisierte Werbung, Einsatz von Spezialisten nach Beendigung des Studiums usw. - eine technisch-organisatorische und territoriale Vereinigung von Werktätigen und Produktionsmitteln dar und gehören deshalb zur Organisation der Arbeit in der Gesellschaft. Diese technisch-organisatorische Vereinigung von Werktätigen und Produktionsmitteln als eine besondere Form der Vereinigung von Arbeits11

kraft und Produktionsmitteln im politökonomischen Sinne, als Dingen der Arbeitskraft zu betrachten, hieße den entscheidenden Vorzug der sozialistischen Ökonomie außer acht lassen, nämlich jene historisch unbestreitbare Tatsache, daß im Sozialismus der Arbeiter Herr der Produktion ist. „Die Arbeitstat jedes einzelnen als Beitrag zur Entwicklung und zum Gedeihen der Gesellschaft und die ständige Sorge der Gesellschaft um jeden Werktätigen gehören zu den Besonderheiten der sowjetischen Lebensweise".6 Die ständige Sorge der sozialistischen Gesellschaft um ihre Werktätigen ist darauf gerichtet, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Rolle der Arbeit bei der Entwicklung des Menschen als Werktätigen und darüber hinaus als Mitglied der Gesellschaft zu vergrößern. Das System der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit ist ein System gesellschaftlicher Verhältnisse der sozialistischen (kommunistischen) Organisation der gesellschaftlichen Arbeit, ohne das es keinen Sozialismus, keine Erbauer der kommunistischen Gesellschaft, keine Arbeiterklasse, keine Kolchosbauernschaft, keine sozialistische Intelligenz, also keine arbeitende sozialistische Gesellschaft gibt. Vor mehr als einem Jahrhundert schrieb Karl Marx, daß die Lohnarbeit die bourgeoise Organisation der Arbeit ist, ohne die es kein Kapital, keine Bourgeoisie und bourgeoise Gesellschaft gibt. Um die Gesellschaft ökonomisch umzugestalten, muß das Proletariat „die Aneignung der Produktionsmittel, ihre Unterwerfung unter die assoziierte Arbeiterklasse, also die Aufhebung der Lohnarbeit, des Kapitals und ihres Wechselverhältnisses" 7 durchführen. Für die Lösung dieser historischen Aufgabe wurden vor einem halben Jahrhundert durch die sozialistische Revolution in unserem Lande die Grundlagen geschaffen. Das privatkapitalistische Eigentum wurde vernichtet, der Sieg des sozialistischen Eigentums und damit die sozialistische Organisation der gesellschaftlichen Arbeit wurden gesichert. In den Thesen des ZK der KPdSU zum 50. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution heißt es, daß das sozialistische Eigentum die Epoche der freien Arbeit im Namen des besseren Lebens des werktätigen Menschen eröffnet. Drei Momente sind in diesem Resümee der fünfzigjährigen Entwicklung des Sozialismus in der Sowjetunion enthalten : Erstens, die neue Ordnung der gesellschaftlichen Arbeit wird auf der Grundlage des 6 7

50 Jahre Große Sozialistische Oktoberrevolution, Berlin 1967, S. 34. K. Marx, Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850, in: MEW, B d 7, Berlin 1960, S. 42.

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sozialistischen Eigentums an den Produktionsmitteln geschaffen; zweitens, diese Ordnung ist im Sozialismus die freie Arbeit; drittens, freie Arbeit ist Arbeit für den Werktätigen. Zur Theorie der gesellschaftlichen Arbeit im Sozialismus ist eine umfangreiche ökonomische, philosophische, allgemeine soziologische und sonstige Literatur vorhanden, die ständig durch neue Publikationen ergänzt wird. Das zeugt davon, daß die Ökonomen, Philosophen, Soziologen und die in der Produktion Tätigen das Problem der gesellschaftlichen Arbeit im Sozialismus für Wissenschaft und Wirtschaftspraxis als äußerst wichtig betrachten. Es ist hier unmöglich, die vielen Publikationen zu behandeln. Es muß jedoch auf widersprüchliche, nicht selten direkt entgegengesetzte Auslegungen in mehreren Grundfragen eingegangen werden. Einige Autoren halten im Sozialismus die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit für eine historische Tatsache, für das entscheidende und bestimmende Merkmal der gesellschaftlichen Arbeit in ihrer gegenwärtigen Entwicklungsetappe. Andere erkennen die Existenz der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit an, schreiben ihr jedoch lediglich die Rolle eines Merkmals der gesellschaftlichen Arbeit neben solchen Merkmalen wie der Arbeit für sich und die Gesellschaft, der Arbeitsteilung und anderem zu. Andere schließlich verneinen, daß es auf dem gegenwärtigen Entwicklungsniveau der sozialistischen Gesellschaft unmittelbar gesellschaftliche Arbeit gibt. Bei der Frage nach der Arbeitskraft im Sozialismus wird in der letzten Zeit von einigen behauptet, die Arbeitskraft sei das persönliche Eigentum der Mitglieder der Gesellschaft, besitze Wert, werde gegen Lohn der Gesellschaft zur Nutzung überlassen und bilde eine besondere Art von Ware. Unserer Überzeugung nach ist dies falsch. In der vorliegenden Monographie werden Ansichten dargelegt, die sich von manchen bereits veröffentlichten unterscheiden. Es war nicht möglich, die hier entwickelten Grundgedanken auf alle relevanten Zusammenhänge umfassend anzuwenden. Hierzu gehören die Arbeit für sich und für die Gesellschaft, die Ware-Geld-Beziehungen und die wirtschaftliche Rechnungsführung, die eng mit der Natur der gesellschaftlichen Arbeit verbunden sind. Die Arbeit für sich und für die Gesellschaft sind die allgemeinsten und allumfassenden Erscheinungsformen der kommunistischen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit. Das sind abstraktere Kategorien als notwendige Arbeit und Mehrarbeit oder der Arbeitsprozeß in einem konkreten Zweig bzw. Anwendungsbereich. Arbeit für sich und die Gesellschaft ist Arbeit der gesamten Gesellschaft im Maßstab der gesamten Gesellschaft, das heißt in allen 13

Bereichen der Anwendung von Arbeit, und zwar vom Standpunkt der Ökonomik der Arbeit und der Arbeitsorganisation betrachtet. Dabei ist unter „Ökonomik" das System der Beziehungen in der Arbeit und unter „Organisation" die Ausbildung, Verteilung und die auf die Kader bezogene Organisation zu verstehen, das heißt die gesamte Organisation der Arbeit in der Gesellschaft. Mit der Arbeit für sich und für die Gesellschaft hängt das Problem der Bezahlung und Unentgeltlichkeit der Arbeit zusammen. Lenin hat mehrmals darauf hingewiesen, daß eine wissenschaftliche Organisation der Vergütung der Arbeit notwendig ist, und daß sich die Unentgeltlichkeit der Arbeit erst als Merkmal der kommunistischen Arbeit entwickelt. Über die Bezahlung der Arbeit im Sozialismus gibt es bei uns eine reiche Literatur. Heute ist es notwendig, auch die Unentgeltlichkeit der Arbeit zu studieren. Eine Analyse der Werke Lenins zeigt, daß die Leninsche Auffassung der Unentgeltlichkeit der Arbeit ein System der wissenschaftlichen Charakteristik der kommunistischen Arbeit ist. Bezahlte Arbeit im Kapitalismus und die Entlohnung nach der Leistung im Sozialismus sind prinzipiell verschieden. Das Entgelt für die Arbeit im Kapitalismus ist ein Entgelt für die Arbeitskraft. Derjenige, der den Arbeiter einstellt, kann die Arbeitskraft nach eigenem Ermessen nutzen. Dagegen ist das Entgelt für die Arbeit im Sozialismus eine Form der Verteilung dessen, was von den Werktätigen geschaffen wird und was durch den Staat oder den Kolchos Eigentum dieser Werktätigen wird, und zwar eine Form der Verteilung nach Quantität und Qualität der Leistung. Der Lohn ist eine Kategorie der Lohnarbeit, die Verteilung nach der Leistung eine Kategorie der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit. Unentgeltliche Arbeit zum Nutzen der Gesellschaft im Leninschen Sinne ist freiwillige Arbeit, bei der nicht mit einer Vergütung gerechnet wird, da diese „Vergütung" durch das Anreizsystem des Wirtschaftens selbst gewährleistet wird. Sie ist Arbeit aufgrund der Gewohnheit zu arbeiten und entspricht einem Bedürfnis des gesunden Organismus. Schon im Sozialismus, wo es objektiv notwendig ist, das ökononische Gesetz der Verteilung nach der Leistung sowie das Prinzip der materiellen Interessiertheit zu verwirklichen, weist die gesellschaftliche Arbeit mehrere Eigenschaften der Unentgeltlichkeit auf. Es wird mitunter die irrige Meinung vertreten, daß die Anerkennung der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit gleichbedeutend damit sei, die Existenz der Ware, des Geldes, das heißt der Ware-Geld-Beziehungen, im Sozialismus, zu leugnen. Diese Auffassung ist unserer Ansicht nach auf zwei Ursachen zurückzuführen. Erstens wird nicht verstanden, 14

daß es die abstrakte Arbeit als Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinne in jeder Form der gesellschaftlichen Arbeit gibt. Zweitens wird der Unterschied zwischen unmmittelbar gesellschaftlicher Arbeit und gesellschaftlich notwendiger Arbeit nicht begriffen. Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit ist die Basis der sozialistischen Ware-Geld-Beziehungen, sie offenbart ihr Wesen auch durch Wertformen. Die Wirtschaftsreform, die auf dem Septemberplenum des ZK der KPdSU im Jahre 1965 beschlossen und durch den XXIII. Parteitag der KPdSU gebilligt wurde, ist ein neuer Schritt in der Entwicklung der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit und schafft günstigere Bedingungen für die weitere Entwicklung der sozialistischen Warenbeziehungen. Die Beachtung der Wechselwirkungen zwischen der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit und den Ware-Geld-Beziehungen führt zu einem anderen Herangehen an die wirtschaftliche Rechnungsführung, als es häufig anzutreffen ist. Unser Standpunkt ist, daß die wirtschaftliche Rechnungsführung eine allgemeine ökonomische Kategorie des Sozialismus bildet. Die wirtschaftliche Rechnungsführung drückt das gesamte System der ökonomischen Beziehungen im Sozialismus aus, also nicht nur die Ware-Geld-Beziehungen. Die wirtschaftliche Rechnungsführung voll durchsetzen bedeutet das gesamte System der ökonomischen Gesetze und Kategorien allseitig nutzen. Arbeit für sich und für die Gesellschaft, wirtschaftliche Rechnungsführung und wissenschaftliche Arbeitsorganisation (WAO) drücken den Inhalt der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit durch die sich in diesen ökonomischen Erscheinungen verwirklichende Organisation der Arbeit in der Gesellschaft aus. Zu einer umfassenden Analyse sowohl der genannten als auch einiger anderer ökonomischer Kategorien gehören nicht nur eine Untersuchung des Wesens der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit, der die vorliegende Monographie hauptsächlich gewidmet ist, sondern auch eine Analyse des Systems der konkreten Organisation der Arbeit am Arbeitsplatz, im Betrieb, in den Zweigen und der gesamten Volkswirtschaft. Aber dies geht über den Rahmen der vorliegenden Untersuchung hinaus und kann nur von einem großen wissenschaftlichen Kollektiv oder von mehreren Kollektiven bewältigt werden. Die Wirtschaftsreform hat die untrennbare Verbindung zwischen der Organisation der gesellschaftlichen Arbeit und der Organisation der Arbeit in der Gesellschaft in jedem Bereich der Tätigkeit der Menschen deutlich gemacht. Früher wurde häufig die Auffassung 15

vertreten, daß sich die Organisation der gesellschaftlichen Arbeit bis an die Betriebstore erstrecke, aber dahinter die konkrete, technische Organisation der Arbeit beginne, die durch das Entwicklungsniveau der Arbeitsmittel, den Charakter des Arbeitsgegenstandes und die Spezifik des technologischen Prozesses bestimmt werde. Die Erfahrungen der Betriebe unter den neuen Bedingungen der Planung, ökonomischen Stimulierung und des materiellen Anreizes haben gezeigt, daß es nur durch die tagtägliche Entwicklung der Kollektivität, der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung in der Arbeit, das heißt der eigentlichen Grundlagen der Organisation der gesellschaftlichen Arbeit, möglich ist, die vollständige Nutzung der Ausrüstungen und die Verringerung der Arbeitszeitverluste zu sichern, die Anwendung moderner Arbeitsverfahren, die rationelle Ausstattung und ununterbrochene Nutzung der Arbeitsplätze und die Einführung progressiver Planungssysteme in jedem Produktionsabschnitt zu gewährleisten, die arbeitshygienischen Bedingungen zu verbessern und das Niveau der Allgemein- und fachlichen Bildung der Werktätigen zu heben. Die wissenschaftliche Arbeitsorganisation in den sozialistischen Betrieben umfaßt folgende untrennbar miteinander verbundenen Momente: 1. Entwicklung der kollektiven, kommunistischen Einstellung zur Arbeit; 2. Organisation der Arbeit in jedem konkreten Bereich, wobei Charakter und effektive Anwendung der Technik und beste Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen sind; 3. Schaffung möglichst günstiger Bedingungen dafür, daß jeder seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten entfalten kann. In der vorliegende Monographie wird hauptsächlich der erste Themenkreis analysiert. Der Autor hofft, daß dies für die theoretische Beleuchtung und praktische Lösung der übrigen zwei Aufgaben der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation nützlich ist. Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit ist ein fundamentaler und überaus aktueller Gegenstand der politischen Ökonomie des Sozialismus. Der Autor hofft, mit dieser Veröffentlichung das Interesse der Leser zu finden, insbesondere der Lehrkräfte, Aspiranten, Studenten und aller, die sich für die politische Ökonomie und deren gewaltige Rolle im Wirtschaftsleben interessieren. Er hofft schließlich, daß das schöpferische Interesse an den Problemen, die in dieser Arbeit untersucht werden, zu einem Meinungsausstausch führt, der der Wirtschaftswissenschaft und der Praxis der sozialistischen Wirtschaftsführung dient. 16

KAPITEL I

Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit als gesellschaftliche Ordnung der Arbeit im Sozialismus und Kommunismus

1. Über das grundlegende Produktionsverhältnis im Sozialismus Die Produktionsverhältnisse jeder Produktionsweise sind ein System von objektiv existierenden Beziehungen und Wechselwirkungen der verschiedenen Verhältnisse mit einer bestimmten Zusammensetzung von allgemeinen und weniger allgemeinen, primären und abschließenden, ursprünglichen und abgeleiteten Verhältnissen. Marx stellte neben den primären Produktionsverhältnissen auch „Sekundäres und Tertiäres, überhaupt abgeleitete, übertragene, nicht ursprüngliche Produktionsverhältnisse" 1 fest. Die vielfältigen Beziehungen der Menschen zueinander und der Klassen zueinander im Prozeß der Produktion, Verteilung des Austausches und der Konsumtion entwickeln sich auf dem Boden des grundlegenden Produktionsverhältnisses, das sie in ein einheitliches System von Wechselbeziehungen bringt. Das Wesen des grundlegenden Produktionsverhältnisses zu erkennen ist eine unbedingte Voraussetzung, um das gesamte System der Produktionsverhältnisse und seine Rolle in der Entwicklung der Produktivkräfte und des Überbaus zu verstehen. Das grundlegende Produktionsverhältnis ist durch vier Momente charakterisiert: Erstens, es kommt unmittelbar in der Produktion zum Ausdruck; zweitens, es bestimmt die Natur der gesamten ökonomischen und gesellschaftlichen Ordnung; drittens, es charakterisiert die Produktionsweise und die jeweilige sozialökonomische Formation; viertens, es ist für die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit und des gesamten Systems der Produktionsverhältnisse entscheidend. Das grundlegende Produktionsverhältnis der kapitalistischen Produktion und Gesellschaft ist das Verhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit. „Das Kapital ist die alles beherrschende ökonomische 1

K. Marx, Einleitung zur Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW, Bd 13, Berlin 1961, S. 640.

2 Tjapkin, Organisation

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Macht der bürgerlichen Gesellschaft. Es muß Ausgangspunkt wie Endpunkt bilden . . ." 2 Warum das Kapital und nicht das privatkapitalistische Eigentum? Weil dieses Eigentum, das die Konzentration der Produktionsmittel und -ergebnisse in den Händen der Ausbeuterklassen und der Arbeitskraft in den Händen der Proletarier bedeutet, im Prozeß der Produktion, also bei der Schaffung des Mehrwerts, als Kapital in Erscheinung tritt. Das privatkapitalistische Eigentum existiert und entwickelt sich infolge der Ausbeutung der Lohnarbeit und nicht allein deshalb, weil sich Produktionsmittel und -ergebnisse in den Händen einer Klasse befinden. Die Aneignung fremder, unbezahlter Arbeit, des Mehrwertes, die das Wesen des Kapitals ausmacht, bildet das grundlegende Produktionsverhältnis im System der Verhältnisse, die die Gesamtheit des privatkapitalistischen Eigentums darstellen. Welches ökonomische Verhältnis, welches Produktionsverhältnis spielt innerhalb der Gesamtheit der sozialistischen Produktionsverhältnisse die entscheidene Rolle? Nach L. I. Ljubosic ist das grundlegende Produktionsverhältnis „das Verhältnis zwischen der Gesellschaft insgesamt und ihren einzelnen Mitgliedern". 3 Ein solches Verhältnis existiert in allen sozialökonomischen Formationen. Es ist kein spezifischer Zug des Sozialismus. Die These von Ljubosic beruht auf seiner Meinung, daß sich in beiden Phasen der kommunistischen Gesellschaft „die unmittelbare und harmonische Beziehung zwischen der Gesellschaft und jedem einzelnen Produzenten in der Verbindung des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln mit dem individuellen Eigentum an den Gegenständen der Konsumtion ausdrückt" Das persönliche (individuelle) Eigentum als Form der Bedürfnisbefriedigung ist eine Kategorie des Sozialismus. In der entwickelten kommunistischen Gesellschaft wird es keine objektiven ökonomischen Bedingungen für persönliches Eigentum geben. Der Kommunismus, der sich auf ein der Form nach einheitliches Eigentum, auf die Verteilung der materiellen und geistigen Güter nach den Bedürfnissen gründet, macht persönliches Eigentum ökonomisch überflüssig. N. A. Cagolov untersucht in seinen Arbeiten die planmäßige Or2 Ebenda, S. 638. L. I. Ljubosic, Obsöie i specifiCeskie ekonomiceskie zakony, Moskau 1959, S. 115. Ebenda, S. 127.

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ganisation der gesellschaftlichen Produktion und schreibt: „Im System der Produktionsverhältnisse des Sozialismus gibt es ein einzelnes Produktionsverhältnis, das die spezifische Einheit der sozialistischen Ökonomie ausdrückt. Das ist die Planmäßigkeit der gesamten gesellschaftlichen Produktion. In der Planmäßigkeit, dieser allgemeinen Form der sozialistischen Produktionsweise, drückt sich der spezifische, unmittelbar gesellschaftliche Charakter der sozialistischen Ökonomie aus. Die Planmäßigkeit ist eine ökonomische Form, angefüllt mit ökonomischem Inhalt. Diese Kategorie ist zugleich die einfachste, abstrakteste Kategorie, auf der das gesamte System der übrigen Kategorien der politischen Ökonomie des Sozialismus beruht. Ohne sie ist es unmöglich, Entstehung, Existenz und Entwicklung irgendeiner anderen Kategorie der sozialistischen Produktionsweise zu verstehen." 5 Wir halten die Planmäßigkeit der Entwicklung der sozialistischen Volkswirtschaft für bedeutsam und betrachten sie als eine Eigenschaft jedes ökonomischen Gesetzes des Sozialismus. Als das grundlegende Produktionsverhältnis des Sozialismus können wir sie jedoch nicht akzeptieren. Planmäßigkeit bezeichnet den Charakter, nicht aber die Quelle der Entwicklung der sozialistischen Produktion. Sie existiert, wenn manuelle Arbeit vorherrscht, und auch dann, wenn mechanisierte Arbeit oder automatisierte Produktion überwiegt. Planmäßigkeit drückt nicht die Allgemeinheit der Arbeit, nicht ihre Kollektivität, nicht Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe aus und zeigt nicht, daß die Arbeit des einen Bedingung für die Arbeit des anderen ist. Die Theorie, nach der die Planmäßigkeit das grundlegende Produktionsverhältnis bildet, verwandelt die Werktätigen der Produktion und die sozialistischen Produktionskollektive in „Schräubchen" eines gigantischen Mechanimus, dessen Bewegung nur dadurch garantiert wird, daß die Details, die Teile und Baugruppen einander angepaßt sind. Der Charakter der Entwicklung verdeckt hierbei die Quelle der Entwicklung. Planmäßigkeit ist ein gewaltiger Vorzug des Sozialismus. Sie ist unerläßliche Voraussetzung und mächtiger Faktor für hohes Entwicklungstempo, kann jedoch nicht Ursprung der Entwicklung der sozialistischen Produktion sein. I. I. Kuz'minov hat das Problem der grundlegenden Produktionsverhältnisse des Sozialismus eingehend erforscht und schreibt: „. . . ein 5

N. A. Cagolov, Aktual'nye voprosy metodologii politifieskoj ekonomii, Moskau 1964, S. 10.

2'

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solches Verhältnis ist das Verhältnis der Kollektivität, der sozialistischen gegenseitigen Hilfe und der kameradschaftlichen Zusammenarbeit freier und assoziierender Produzenten." 6 Unserer Meinung nach gibt dieser Autor ein richtige, wenn auch zu allgemeine Definition. „Das Verhältnis der kameradschaftlichen Zusammenarbeit und sozialistischen gegenseitigen Hilfe der vereinigten Produzenten als . . . das grundlegende Verhältnis . . ." 7 charakterisiert die Gesamtheit der sozialistischen Produktionsverhältnisse und alle ihre Züge, Seiten und Momente im einzelnen. Nehmen wir die Warenbeziehungen im Sozialismus. Auch sie sind qualitativ von den sozialistischen Produktionsverhältnissen geprägt. Sie basieren nicht auf der Konkurrenz oder dem Profitstreben, sondern auf der sozialistischen Zusammenarbeit, der Kollektivität, der gegenseitigen Hilfe. Die Verbreitung der besten Erfahrungen im staatlichen Handel ist dafür Beweis. Warenbeziehungen aber können unserer Ansicht nach nicht das grundlegende, zentrale Produktionsverhältnis in der Gesamtheit sozialistischer Produktionsverhältnisse sein. Die These, die das hauptsächliche Produktionsverhältnis auf die Kollektivität, die gegenseitige Hilfe zurückführt, bedarf der Konkretisierung, der größeren Annäherung an den unmittelbaren Produktionsprozeß. Wie es im Programm der K P d S U heißt, ist dies „die Hauptsphäre des Lebens der Gesellschaft", das entscheidende Arbeitsgebiet der Menschen. Unserer Ansicht nach besteht das grundlegende Produktionsverhältnis innerhalb der Gesamtheit der sozialistischen Produktionsverhältnisse in den Verhältnissen zwischen den Menschen bei der Teilnahme an der gesellschaftlichen Arbeit. Konkreter: es sind dies die Kollektivität, gegenseitige Hilfe, Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung der gleichberechtigten, freien und an der Entwicklung von Volkswirtschaft und Kultur interessierten Mitglieder der Gesellschaft unmittelbar im Produktionsprozeß. Der Sozialismus ist deshalb eine Ordnung von Verhältnissen des kameradschaftlichen Wettbewerbs und der Zusammenarbeit, weil er auf Beziehungen der gegenseitigen Unterstützung in der Arbeit zur Schaffung materieller und geistiger Güter beruht. 6

7

Voprosy politiöeskoj ekonomii socializma. Diskussija, Moskau 1961, S. 11. Razvitie ekonomlöeskoj teorii v svete resenij X X I I I sezda KPSS, Moskau 1962, S. 25. Osnovnoe proizvodstvennoe otnosenie socializma, Moskau 1963, S. 10 u. a.

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Marx nannte die Arbeit „die einfachste Abstraktion also, welche, die moderne Ökonomie an die Spitze stellt und die eine uralte und für alle Gesellschaftsformen gültige Beziehung ausdrückt . . . " 8 Marx war der Ansicht, daß die Arbeit eine Beziehung ausdrückt, daß sie der Ausgangspunkt der modernen politischen Ökonomie (jener Zeit — N. Tjapkin) war. Die Arbeiterklasse führt die sozialistische Revolution durch, beseitigt das privatkapitalistische Eigentum, schafft das gesellschaftliche sozialistische Eigentum und organisiert die gesellschaftliche Arbeit. Dabei ist es Ziel der Arbeiterklasse, ihre eigene Position im Produktionsprozeß zu verändern, ihn auf die allseitige Befriedigung der materiellen und geistigen Bedürfnisse aller Menschen zu richten und die gemeinschaftliche Arbeit (Kooperation der Arbeit) in ein Mittel zur allseitigen Entwicklung der Persönlichkeit zu verwandeln. Man kann nicht damit einverstanden sein, daß einige sowjetische Ökonomen diese überall bekannte Wahrheit anzweifeln und erklären, daß im Sozialismus das Eigentum ökonomisch nicht ausgedrückt werde. So wird behauptet, das Eigentum an Grund und Boden sei in der sozialistischen Gesellschaft ökonomisch nicht realisiert.9 Das sozialistische Eigentum an Grund und Boden unterscheidet sich jedoch in nichts vom sozialistischen Eigentum an Fabriken, Werken, Eisenbahnen usw. „Das Eigentum, soweit es nur das bewußte Verhalten . . . zu den Produktionsbedingungen als den seinen i s t , . . . wird erst verwirklicht durch die Produktion selbst".10 Der Boden ist wie die anderen Produktionsmittel eine unerläßliche Produktionsbedingung. Die erste, grundlegende und entscheidende ökonomische Tatsache, in der sich das gesellschaftliche sozialistische Eigentum äußert, ist die Veränderung des Charakters der Arbeit, die Herstellung neuer Beziehungen der Menschen im Arbeitsprozeß durch* ihre Teilnahme an der Arbeit, die radikale Veränderung der gemeinschaftlichen Arbeit (Kooperation der Arbeit) und die Veränderung des Zieles der Produktion. „Zur wichtigsten Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung wird die kollektive Arbeit auf der Basis des sozialistischen Eigentums. Diese Arbeit, die die Menschen einander näherbringt und vereinigt, ist Hauptquelle für die Bewegung der sozialistischen Produktion und 8 9

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K. Marx, Einleitung . . ., a. a. O., S. 635. Vgl. I. I. Kozodoev, Zemel'nye otnosenija v socialistiöeskich stranach, Moskau 1960, S. 187 u. a. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 393.

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Gesellschaft. Aus einem Mittel zur Bereicherung der Ausbeuter ist die Arbeit zu einer gesellschaftlichen Funktion geworden, die von der Gesellschaft mit Hilfe von materiellen und moralischen Stimuli gefördert wird, und zu einer Sache der Ehre und des Ruhms geworden", zu einem Dienst jedes einzelnen an der Gesellschaft, wofür die Gesellschaft jedem ermöglicht, sich in der Arbeit zu bewähren. Und weiter: „Die kollektive Arbeit, die Beziehungen der kameradschaftlichen gegenseitigen Hilfe und Zusammenarbeit bringen eine solche neue Form der schöpferischen Zusammenarbeit der Menschen wie den sozialistischen Wettbewerb hervor, der den Menschen hilft, ihre Fähigkeiten zu nutzen und zu entwickeln". 1 1 Die kollektive Arbeit ist die wichtigste Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung. Sie drückt sich in Beziehungen der gegenseitigen kameradschaftlichen Hilfe und Zusammenarbeit aus. Dies alles beweist, daß die Kollektivität in der Arbeit das grundlegende Produktionsverhältnis des Sozialismus ist. Unbestritten ist die Existenz solcher ökonomischen Gesetze wie des Gesetzes des Wachstums der Arbeitsproduktivität, der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, des Wechsels der Arbeit, der Mehrarbeit (des Mehrprodukts), der Verteilung nach der Arbeitsleistung und anderer. Jedes dieser ökonomischen Gesetze drückt eine Seite, einen Zug, ein Moment der Verhältnisse in der Arbeit aus, ohne jedoch das grundlegende Wesen dieser Verhältnisse aufzudecken. Darauf hat als einer der ersten A. I. Paskov aufmerksam gemacht. In einem Aufsatz weist er darauf hin, daß in der sowjetischen politökonomischen Literatur mehrere überaus wichtige wechselseitige A b hängigkeiten von Erscheinungen des ökonomischen Lebens der sozialistischen Gesellschaft nicht als Gesetze angesehen werden, obwohl sie spezifische ökonomische Gesetze des Sozialismus sind. Das betrifft zum Beispiel eine Beziehung, die charakteristisch für die sozialistische Produktion ist, nämlich die kameradschaftliche Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe der Werktätigen der sozialistischen Produktion. 1 2 Die kameradschaftliche Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe stellen eine feste, wesentliche Beziehung, eine konstante Form der Wechselbeziehung der Menschen in der sozialistischen Produktion dar, das heißt ein ökonomisches Gesetz des Sozialismus. Dieses Gesetz bildet 11

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Osnovy marksizma-leninizma, Moskau 1959, S. 652 (Hervorhebung — N. Tjapkin). Vgl. A. I. Paikov, Vseobäöie i specificeskie ekonomiceskie zakony pri socializme, in: Voprosy ekonomiki, 9/1960.

einen Gegensatz sowohl zum allgemeinen Gesetz der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, das in der Sklaverei, im Feudalismus und im Kapitalismus wirkt, als auch zu den konkreten Erscheinungsformen dieses Gesetzes in jeder dieser Formationen. Die kameradschaftliche Zusammenarbeit der Werktätigen in der sozialistischen Gesellschaft, ihre gegenseitige Hilfe gründet sich auf das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln, während die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen immer mit einem Monopol der Ausbeuter an den Produktionsmitteln verbunden ist. Ja. A . Kronrod betont zu Recht, daß ohne Zusammenarbeit jede gesellschaftliche Produktion unmöglich ist. Es ist jedoch zwischen Zusammenarbeit (Kooperation) als technischer Seite der Produktion und Zusammenarbeit als gesellschaftlicher Form der Produktion zu unterscheiden. Vom Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Form der Produktion ist die Behauptung falsch: „. . . alle Formen von Verhältnissen, seien sie Verhältnisse der Herrschaft und Unterordnung oder Verhältnisse zwischen sozial völlig gleichen Teilnehmern der kommunistischen Produktion, sind Verhältnisse der Kollektivität, der Zusammenarbeit in der notwendig gesellschaftlich ablaufenden Produktion." 1 3 Ja. A . Kronrod zufolge „kann es Verhältnisse der antagonistischen Kollektivität, antagonistische Beziehungen der Zusammenarbeit geben (in Form der Organisation der gesellschaftlichen Arbeit in der Sklaverei oder im Feudalismus, wo die Arbeit von den Sklavenhaltern oder Feudalherren ausgebeutet wird, oder der freien Lohnarbeit, die durch den Kapitalisten ausgebeutet wird) oder unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Zusammenarbeit (in Form der unmittelbar gesellschaftlichen sozialistischen oder kommunistischen Arbeit, wo hinsichtlich des Eigentums an den Produktionsmitteln alle Teilnehmer der Produktion gleich sind, was eine Ausbeutung ausschließt)". 14 Was soll man unter „antagonistischer Zusammenarbeit" verstehen, zum Beispiel im Kapitalismus mit einer erzwungenen und nicht, wie Kronrod meint, freien Lohnarbeit? Unter Zusammenarbeit versteht man kollektive Arbeit, Arbeit füreinander. „Müßte das Kapital, um zu leben, auch arbeiten (nach der Terminologie Kronrods eine „antagonistische Zusammenarbeit" mit den Arbeitern eingehen — N. T j apkin), so erhielte es sich nicht als Kapital, sondern als Arbeit. Das Eigentum von Rohstoffen und Arbeitsinstrumenten wäre nur nominell; sie Ja. A. Kronrod, Zakony politiieskoj ekonomii socializma, Moskau 1966, S. 62. " Ebenda, S. 63.

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gehörten ökonomisch grade dem Arbeiter soweit als sie dem Kapitalisten gehörten, da sie ihm nur Wert schafften, soweit er selbst Arbeiter wäre. Er verhielte sich daher nicht zu ihnen als Kapital, sondern als einfachem Stoff und Mittel der Arbeit, wie der Arbeiter selbst..." 1 5 Man braucht also nur den Gedanken der Zusammenarbeit im Kapitalismus zuzulassen, und der Kapitalismus hört auf, Kapitalismus zu sein. Somit hegt dieser Produktionsweise etwas zugrunde, das Zusammenarbeit ausschließt. Die Lohnarbeit, die — nach Marx — im Kapitalismus die Basis des Ganzen ist (Hervorhebung — N. Tjapkin), schließt eine Zusammenarbeit zwischen Kapitalisten und Proletariern im Produktionsprozeß, der ein Prozeß der Konsumtion von Arbeitskraft ist, aus. Im Sozialismus ist die sozialistische Kooperation der Arbeit, das heißt die gemeinschaftliche Arbeit, ein charakteristischer Zug der Organisation der gesellschaftlichen Arbeit. „Gemeinschaftliche Arbeit unterstellt die unmittelbare Kooperation der Individuen"16, schreibt Marx. Diese gemeinschaftliche Arbeit (Kooperation der Arbeit) gibt es in verschiedenen sozialökonomischen Formationen. Im Unterschied zur Sklavenhalter-, feudalen und kapitalistischen Gesellschaft beruht im Sozialismus die gemeinschaftliche Arbeit (Kooperation der Arbeit) auf dem gesellschaftlichen Eigentum an Produktionsmitteln und bildet eine Organisationsform der Arbeit von Menschen, die frei von Ausbeutung sind. „Die Kooperation der Lohnarbeiter", schreibt Marx, „ist ferner bloße Wirkung des Kapitals, das sie gleichzeitig anwendet. Der Zusammenhang ihrer Funktionen und ihre Einheit als produktiver Gesamtkörper liegen außer ihnen, im Kapital, das sie zusammenbringt und zusammenhält. Der Zusammenhang ihrer Arbeiten tritt ihnen daher ideel als Plan, praktisch als Autorität des Kapitalisten gegenüber, als Macht eines fremden Willens, der ihr Tun seinem Zweck unterwirft".17 Im Sozialismus ist die gemeinschaftliche Arbeit (Kooperation der Arbeit) unmittelbar gemeinschaftlich, durch den Arbeitsprozeß bedingt. Deshalb ist die sozialistische Kollektivität wirkliche Kollektivität und nicht deren Surrogat, „scheinbare Kollektivität", wie Marx die Kollektivität im bürgerlichen Staat nannte. Die sozialistische Kooperation der Arbeit besitzt eine völlig andere Natur. Die Menschen sind hier frei sowohl von Ausbeutung als auch « K. Marx, Grundrisse . . ., a. a. O., S. 230. 16 K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, in: MEW, Bd 25, Berlin 1964, S. 114. " K.Marx, Das Kapital, Erster Band, in: MEW, Bd 23, Berlin 1962, S. 351.

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vom Despotismus der kapitalistischen Leitung. Der gesellschaftliche Charakter des Eigentums an den Produktionsmitteln und Arbeitsprodukten, der sich im Produktionsprozeß als Kollektivität der Arbeit ausdrückt, führt dazu, daß sich die Menschen zur Produktion als Eigentümer verhalten und daß sich die Arbeiter nicht nur um die Erfüllung und Übererfüllung ihrer persönlichen Produktionspläne, sondern auch um die des gesamten Betriebes sorgen. Andererseits hilft das Kollektiv des Betriebes (des Werkes, des Kolchos usw.) dem einzelnen Arbeiter in seiner Planerfüllung, Qualifizierung usw. Die kameradschaftliche Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe, die den sozialen Inhalt der sozialistischen Kooperation der Arbeit ausmachen, finden ihren sichtbaren Ausdruck in der breiten Entwicklung des sozialistischen Wettbewerbs. Kameradschaftliche Zusammenarbeit und sozialistische gegenseitige Hilfe sind eine neue gesellschaftliche Produktivkraft, die auf das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln, auf die Gemeinsamkeit der ökonomischen Interessen der Menschen, sozialen Gruppen, Klassen und Nationen zurückgeht. Kameradschaftliche Zusammenarbeit der Werktätigen, ihre gegenseitige Hilfe in der Produktion sind ein ökonomisches Gesetz sowohl der sozialistischen als auch der kommunistischen Gesellschaft, also ein spezifisches Gesetz der kommunistischen Formation. Kameradschaftliche Zusammenarbeit und sozialistische gegenseitige Hilfe stellen auch ein ökonomisches Prinzip des Sozialismus dar, das heißt eine moralische Norm für das Verhalten der Mitglieder der Gesellschaft sowie eine Norm für die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Klassen, zwischen den sozialen Gruppen und zwischen den verschiedenen Ländern des Sozialismus. Zu einem Prinzip des Sozialismus wurden sie jedoch deswegen, weil sie sich aus einem objektiven Gesetz des ökonomischen Lebens der sozialistischen Gesellschaft ableiten. Welches Verhältnis aus der Gesamtheit der sozialistischen Produktionsverhältnisse wir auch betrachten, es ist letztlich stets ein Verhältnis der Beteiligung an der Arbeit. Die Ökonomen, die sich mit der konkreten Ökonomie befassen, stellen zu Recht fest, daß die Aufwendungen der Volkswirtschaft immer Aufwendungen von Arbeit sind. Das kann Aufwand von lebendiger oder vergegenständlichter Arbeit sein, es geht aber immer um die gleiche Arbeit. Er ist die Folge des Arbeitsprozesses, der Verwirklichung der Verhältnisse der Beteiligung an der Arbeit. Man muß zwischen den Veränderungen in den technischen Produktionsmethoden und -verfahren und denjenigen Veränderungen unterscheiden, die sich in den Organisationsformen 25

der Arbeit vollziehen. Die Veränderungen, die hier erfolgen, sind Veränderungen „in jenen gegenseitigen Beziehungen, in denen sich die einzelnen Produzenten untereinander befinden"18. Wir wiederholen oft folgenden Marxschen Satz: „Von allen Produktionsinstrumenten ist die größte Produktivkraft die revolutionäre Klasse selbst." 19 Dasselbe gilt für Lenins Worte: „Die erste Produktivkraft der ganzen Menschheit ist der Arbeiter, der Werktätige."20 Der Kern dieser Aussagen der Klassiker besteht darin, daß die Arbeiter und darüber hinaus alle Werktätigen nur dann eine Produktivkraft bilden, wenn sie an der Arbeit teilnehmen, wenn sie Arbeitsverhältnisse eingehen. Zur Hauptproduktivkraft wird diese Produktivkraft nur durch Vereinigung der Werktätigen im Arbeitsprozeß. Dadurch wird eine gesellschaftliche Produktivkraft geschaffen, die ihrem Wesen nach Massenkraft ist. Dies ist es, was die Verhältnisse der Beteiligung an der Arbeit, insbesondere Unterstützung und Kollektivität in der Arbeit, zum grundlegenden Produktionsverhältnis macht. „. . . Diese Weise des Zusammenwirkens ist selbst eine ,Produktivkraft'. . .", heißt es in der „Deutschen Ideologie".21 Eine solche gemeinschaftliche Tätigkeit, die eine „Produktivkraft" darstellt, ist allein die gesellschaftliche Arbeit. Weder das Verhältnis der Verteilung noch des Austauschs, noch der Konsumtion usw. bildet eine „Produktivkraft", obwohl jedes dieser Verhältnisse durch kameradschaftliche Zusammenarbeit und sozialistische gegenseitige Hilfe gekennzeichnet ist. Eben deshalb kann nur die „gemeinschaftliche Tätigkeit" in der Produktion, im Arbeitsprozeß, als das grundlegende Produktionsverhältnis angesehen werden. Die große Bedeutung des grundlegenden Produktionsverhältnisses beruht darauf, daß es die neue gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit hervorbringt und die Entwicklung der Produktivkräfte der Gesellschaft entscheidend beeinflußt. Außerhalb dieses Verhältnisses können die Produktivkräfte nicht existieren und sich nicht entwickeln. Maschinen, automatische Linien usw. werden erst dadurch zu Arbeitsinstrumenten, das heißt zu einem Bestandteil der Produktivkräfte, daß sie in die Produktion und Arbeit einbezogen werden. Auch Rohstoffe und sonstiges Material werden A. I. Tjumenev, Istorija truda, 10. Auflage 1922, S. 1. 19 K. Marx, Das Elend der Philosophie, in: MEW, Bd 4, Berlin 1959, S. 181. 20 V. I. Lenin, I. Gesamtrussischer Kongreß für außerschulische Bildung, in: Werke, Bd 29, Berlin 1961, S. 352. 21 K. Marx, F.Engels, Die Deutsche Ideologie, in: MEW, Bd 3, Berlin 1958, S. 30. 18

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erst zu Arbeitsgegenständen, das heißt zu einem Bestandteil der Produktivkräfte, wenn sie diesen Bedingungen unterworfen sind. Menschen sind nicht von vornherein, nicht in jeder Sphäre des gesellschaftlichen Lebens eine Produktivkraft, sondern nur in dem Produktionsprozeß, in der Arbeit. Nur die Arbeit vereinigt Arbeitsinstrumente, Arbeitsgegenstände und Werktätige der Produktion zu einer Gesamtheit, verleiht dieser Gesamtheit eine neue Qualität, macht sie zur Produktivkraft und setzt sie in Bewegung: Die Produktivkäfte sind eine Kategorie des Produktionsprozesses, letzten Endes des Arbeitsprozesses. Die Entwicklung der Produktivkräfte besteht nicht nur in der quantitativen Anhäufung und Vervollkommnung der Maschinen und automatischen Ausrüstungen, der Vergrößerung der Vorräte und Verbesserung der Materialien, der Beschleunigung natürlicher Wachstumsprozesse und der Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung. Dies sind nur potentiell Produktivkräfte. Wirklich Produktivkräfte werden sie erst dann, wenn sie mit der lebendigen Arbeit zusammen den einheitlichen, schöpferischen Prozeß der Tätigkeit bilden, das heißt, wenn sie in die Arbeit einbezogen werden. Daß die Produktivkräfte nur im Arbeitsprozeß, nur durch Arbeit existieren und sich entwickeln, heißt im Grunde, daß sie innerhalb bestimmter Produktionsverhältnisse und dank dieser existieren und sich entwickeln. Denn das Verhältnis der Beteiligung an der Arbeit ist ein Produktionsverhältnis. Im Arbeitsprozeß, durch die Arbeit wirken die Produktivkräfte auf die Produktionsverhältnisse ein. Die Produktionsverhältnisse bestimmen ebenfalls die Entwicklung der Produktivkräfte durch die Arbeit, im Arbeitsprozeß, über das Verhältnis der Beteiligung der Menschen an der Arbeit. Was immer wir über die Dialektik der Wechselwirkung von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen sagen mögen, sie kann nicht verstanden werden, wenn diese Dialektik nicht in der Arbeit, nicht in den Verhältnissen der Beteiligung an der Arbeit gesehen wird. Versucht man, diese Wechselwirkung, die Dialektik der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse, dadurch zu erhellen, daß man lediglich analysiert, wem die Produktionsmittel gehören, und die Verhältnisse der Verteilung oder der Konsumtion analysiert, so bleibt die Untersuchung einseitig und oberflächlich. Die Beziehungen der Menschen in ihrer Teilnahme an der Arbeit, die sich in der gegenseitigen Unterstützung in der Arbeit ausdrücken, sind das grundlegende und wichtigste sozialistische Produktions27

Verhältnis. Es besteht in der gemeinschaftlichen, kollektiven Arbeit und äußert sich unmittelbar in den Brigaden, Produktionsabteilungen und Betrieben, im Austausch der Tätigkeit zwischen den Werktätigen der Produktionsabteilungen, Betriebe und Wirtschaftszweige. Die Arbeit füreinander, die die Produktionskollektivität bildet, ist im Anfangsstadium und um so mehr im höheren Stadium des Kommunismus das grundlegende Produktionsverhältnis. Es tritt unmittelbar in der gemeinschaftlichen Arbeit auf, und zwar als Austausch von Tätigkeit, als Hilfe eines Menschen, eines Betriebes, einer Generation, eines Volkes für einen anderen Menschen oder Betrieb, eine andere Generation oder ein anderes Volk, oder als Austausch von Waren. Sein Kern bleibt jedoch in allen Fällen derselbe, nämlich die Kollektivität in der Arbeit, das Verhältnis der Teilnahme an der Arbeit. Die gesellschaftliche Produktion umfaßt die unmittelbare Produktion, die Verteilung, den Austausch und die Konsumtion. Im Sozialismus entwickeln sich diese Glieder der einheitlichen gesellschaftlichen Produktion auf der Grundlage der Kollektivität, der gegenseitigen Hilfe, der kameradschaftlichen Zusammenarbeit. Dabei sind diejenigen die entscheidenen Verhältnisse, die sich unmittelbar in der Produktion herausbilden: die gemeinschaftliche, kollektive Arbeit, die Unterstützung in der Arbeit in der Produktionsabteilung und im Betrieb. In diesem Produktionsverhältnis liegt die Hauptquelle der Entwicklung der Produktivkräfte und weiteren Vervollkommung der sozialistischen Produktionsverhältnisse. Der Austausch von Tätigkeit ist der kollektiven Arbeit untergeordnet, er ist ein Ausdruck dieser Arbeit. So produzieren die Werktätigen, der Gießerei und der Montageabteilung eines Maschinenbauwerkes in gemeinsamer Arbeit Maschinen, ohne daß die Arbeit der Gießereiarbeiter gegen die Arbeit der Monteure ausgetauscht wird. Manche sagen, dies sei zwar im Hinblick auf einen Betrieb richtig, halte aber — bezogen auf die Zweige und die Volkswirtschaft im Ganzen — der Kritik nicht stand. Nehmen wir die Verflechtungsbilanz des Arbeitsaufwandes für die Produktion von Erzeugnissen und betrachten wir folgende Fälle: Erstens. Für die Kohleförderung nutzen die Bergleute keine Produkte und folglich keine Arbeit der Werktätigen der Torfindustrie, der Ölschieferbergwerke und der Erdölquellen, während die Werktätigen der gesamten Brennstoffindustrie Kohle, das heißt Arbeit der Bergleute aus den Kohlenschächten, verwenden. Ein Austausch der Tätigkeit zwischen Bergleuten der Kohlenschächte und Werktätigen der übrigen Brennstoffindustrie ist hier nicht gegeben. Hier liegt kollektive gemeinschaftliche Arbeit vor, um die Volkswirtschaft 28

und die Bevölkerung mit Brennstoff zu versorgen. Je größere Erfolge jeder Zweig der Brennstoffindustrie erzielt, desto erfolgreicher wird die vor allen stehende Aufgabe gelöst. Zweitens. In den Arbeitsaufwand für die Produktion von Gießereiausrüstung gehen auch die Arbeitsaufwendungen von Werktätigen der Kohlenschächte ein. Indessen gehen die Arbeitsaufwendungen für die Produktion von Gießereiausrüstung nicht in die Arbeitsaufwendungen für die Kohleförderung ein. Kann man deswegen sagen, daß die Bergleute und diejenigen Werktätigen, die Gießereiausrüstung produzieren, nicht durch gemeinschaftliche, kollektive Arbeit vereint sind? Nein. Vom Gesamtarbeitsaufwand, der für Gießereiausrüstungen aufgewendet wird, entfällt ein Teil der Jahresleistungen auf den Arbeitsaufwand für die Reparatur aller Arten von Ausrüstungen, darunter auch von Ausrüstungen der Kohlenschächte. Ohne Gießereiausrüstung unmittelbar zu verbrauchen, benutzen die Bergwerke Maschinen und Werkzeuge, die mit Hilfe von Gießereiausrüstungen produziert werden. Ohne Gießereiausrüstung würde es keine Gußstücke für die Herstellung von Maschinen geben. Ohne Maschinen gibt es keine maschinelle Arbeit in den Schächten. Letzten Endes ist es also ohne Gießereiausrüstungen unmöglich, Kohle zu fördern, und ohne Kohle ist es undenkbar, Gießereiausrüstungen zu produzieren. Die Wechselbeziehung zwischen den Bergleuten und den Produzenten von Gießereiausrüstungen beruht also auf der kollektiven Arbeit, die durch den Austausch von Tätigkeit der Beschäftigten des Maschinenbaus und der Betriebe zur Reparatur von Maschinen und Inventar verwirklicht wird. Drittens. Der Arbeitsaufwand der Kohlebergleute geht in die Arbeitsaufwendungen der Werktätigen aller Zweige (außer der Waldwirtschaft) ein, die in der Verflechtungsbilanz erfaßt sind. In den Arbeitsaufwand der Kohlebergleute wiederum gehen unmittelbar die Arbeitsaufwendungen der Werktätigen von 58 der 72 berücksichtigten Zweige ein. Wodurch kommt das zustande? Der Grund liegt in der Produktion mit ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand, insbesondere in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, letzten Endes in der Arbeit selbst; denn die Kohle wird durch die kollektive Arbeit der Werktätigen vieler Wirtschaftszweige gefördert. Dabei sind die in der Wissenschaft sowie in den Organen der Planung und Wirtscliaftsleitung Arbeitenden nicht mitgerechnet. In allen diesen Beispielen ist die gemeinschaftliche, kollektive Arbeit das Entscheidende. Der Austausch der Tätigkeit, der Gegenstände, Stoffe usw. stellt ein Moment, eine Erscheinungsform dieser kollektiven, gemeinschaftlichen Arbeit dar. 29

Am anschaulichsten kommt das grundlegende Produktionsverhältnis im sozialistischen Wettbewerb zum Ausdruck, der ein objektives ökonomisches Gesetz ist. Der sozialistische Wettbewerb ist die einfachste und den Massen am verständlichste Methode der aktiven Beteiligung an der Stärkung des Sozialismus, an der Suche und Mobilisierung der inneren Reserven zur erfolgreichen Erfüllung der Pläne der Entwicklung der Volkswirtschaft. Der sozialistische Wettbewerb ist die Form, in der die Massen der Produzenten an der Leitung der Volkswirtschaft teilnehmen, das heißt an der Planung, der Arbeitsorganisation, dem technischen Fortschritt, dem Erfahrungsaustausch, der Einsparung von Produktionsmitteln, der Nutzung der Fonds der Betriebe, der Verbesserung der materiellen und kulturellen Betreuung der Werktätigen der Betriebe, der Festigung der Arbeitsdisziplin usw. V. I. Lenin sagte: „Wir dürfen nicht vergessen, daß wir als erste an einem solchen vorläufigen Punkt der Geschichte angelangt sind, wo in der Tat von Millionen Werktätigen und Ausgebeuteten eine neue Disziplin, eine Disziplin der Arbeit, eine Disziplin kameradschaftlicher Verbundenheit, eine sowjetische Disziplin herausgearbeitet wird." 2 2 Damit wird die Frage beantwortet, von welcher Art die Arbeitsdisziplin im Kommunismus sein soll. Es wird dies nach Lenin eine Disziplin der kameradschaftlichen Verbundenheit sein. Sie wird bedingt durch den objektiven Inhalt der Kollektivität in der Arbeit, insbesondere durch das hohe Bewußtsein und das Verständnis dieser objektiven Erscheinung, die zur gegenseitigen Achtung der Werktätigen der Produktion und zu ihrer Bereitschaft führt, einander zu helfen. Die Entwicklung des sozialistischen Wettbewerbs in allen seinen zahlreichen Formen vervollkommnet die Prinzipien des demokratischen Zentralismus. Das trifft besonders auf die Bewegung um die Erringung der Titel Aktivist, Brigade und Kollektiv der kommunistischen Arbeit zu. Diese Form des sozialistischen Wettbewerbs entspricht am besten dem modernen Entwicklungsniveau der Produktion und dem politischen Bewußtseinsstand der Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft. Es ist für den Sieg des Kommunismus unerläßlich, daß die Werktätigen umfassend an der Leitung der Wirtschaft und des Staates teilnehmen. „Wenn wir diese Aufgabe nicht lösen, wenn wir die Gewerkschaften nicht zu Organen machen, die zehnfach breitere Massen als bisher für die unmittelbare Teilnahme an der Leitung 22

V. I. Lenin, Rede auf dem I . K o n g r e ß der Volkswirtschaftsräte, in: Werke, Bd 27, Berlin 1960, S. 411.

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des Staates erziehen, dann", so betonte Lenin, „werden wir den kommunistischen Aufbau nicht zu Ende führen können. Das ist uns allen klar. "23 Die Werktätigen unseres Landes haben den Weg von den ersten kommunistischen Subbotniks bis zum heutigen Massenwettbewerb des ganzen Volkes und bis zur Bewegung der Brigaden der kommunistischen Arbeit zurückgelegt. Der sozialistische Wettbewerb entwickelt sich ständig in die Breite und Tiefe. Das geschieht durch Vervollkommnung der Technik, Erhöhung des kulturell-technischen Niveaus der Werktätigen, Steigerung des Volkswohlstandes, Wachstum des sozialistischen Bewußtseins der Menschen, das heißt durch diejenigen Faktoren, die mit der Arbeit und den Beziehungen der Menschen aufgrund ihrer Teilnahme an der Arbeit verbunden sind. Die Geschichte des sozialistischen Wettbewerbs ist die Geschichte der Entwicklung der sozialistischen Produktionsverhältnisse, die Verhältnisse in der Arbeit sind. Es gibt unter den Ökonomen keinen Streit darüber, daß die kapitalistische Konkurrenz ein ökonomisches Gesetz ist. Aber es wird in der ökonomischen Literatur darüber diskutiert, ob man den sozialistischen Wettbewerb als ökonomisches Gesetz betrachten und zu den Produktionsverhältnissen rechnen kann. Indessen ist dies für alle, die ein Verhältnis in der Arbeit als Produktionsverhältnis betrachten, keine Frage: Der sozialistische Wettbewerb ist eine Seite, ist ein Teil der sozialistischen Produktionsverhältnisse. Im Kapital „Kooperation" des ersten Bandes des „Kapitals" lesen wir: „. . . Bei den meisten produktiven Arbeiten erzeugt der bloße gesellschaftliche Kontakt einen Wetteifer und eine eigne Erregung der Lebensgeister (animal spirits), welche die individuelle Leistungsfähigkeit der einzelnen erhöhen . . ," 24 Der Kapitalismus verzerrt diesen Wettbewerb, der durch den gesellschaftlichen Kontakt der Menschen im Produktionsprozeß hervorgebracht wird, und verwandelt ihn in Konkurrenz, in einen antagonistischen Kampf, der die kapitalistischen Produktionsverhältnisse kennzeichnet. Lenin schrieb: „Der Sozialismus erstickt keineswegs den Wettbewerb, im Gegenteil, er schafft erstmalig die Möglichkeit, ihn wirklich auf breiter Grundlage, wirklich im Massenumfang anzuwenden, die Mehrheit der Werktätigen wirklich auf ein Tätigkeitsfeld zu führen, auf dem sie sich hervortun, ihre Fähigkeiten ent2:5

V. I. Lenin, Referat auf dem II. Gesamtrussischen Gewerkschaftskongreß, in: Werke, Bd 28, Berlin 1959, S. 438. 24 K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 345.

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falten, jene Talente offenbaren können, die das Volk, einem unversiegbaren Quell gleich, hervorbringt und die der Kapitalismus zu Tausenden und Millionen zertreten, niedergehalten und erdrückt hat." 2 5 Jeder Schritt in der Entwicklung des sozialistischen Wettbewerbs vervollkommnet die sozialistischen Produktionsverhältnisse oder trägt dazu bei, diese Verhältnisse in kommunistische Produktionsverhältnisse umzuwandeln. Es ist bemerkenswert, daß der Wettbewerb um den Titel „Kollektiv der kommunistischen Arbeit" unter den Werktätigen der Produktion entstand. Er war durch die gesamte vorhergehende Entwicklung der sozialistischen Produktion vorbereitet und begann am Vorabend des XXI. Parteitages der KPdSU. Diese Massenbewegung des Volkes vervollkommnet die sozialistischen Produktionsverhältnisse grundlegend. Sozialistische Produktionsverhältnisse bringen durch die Kollektivität in der Arbeit in Form des sozialistischen Wettbewerbs solche materiellen und geistigen Stimuli für die Entwicklung der Produktivkräfte hervor, die es unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen nicht gibt. Die Beziehungen der Menschen im sozialistischen Wettbewerb schaffen für die Entwicklung der Produktionsinitiative, des wissenschaftlichen Denkens, des Erfindertums und der täglichen Sorge um die Erhöhung der Arbeitsproduktivität großen Raum. Die schöpferische Initiative der Werktätigen deckt jeden Tag Reserven für das Wachstum und die Vervollkommnung der Produktion auf. Es entstehen neue, wirksamere Formen des Übergangs zu einer kommunistischen Einstellung zur Arbeit. Die Arbeitsproduktivität wird weiter erhöht, die Produktion gesteigert, ihre Qualität verbessert, und die Selbstkosten werden gesenkt. Dies alles zeigt einen der wichtigsten Vorzüge der sozialistischen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit. Wie die fünfzigjährige Erfahrung der sowjetischen Gesellschaft zeigt, ist erst mit dem Sieg des Sozialismus die Arbeit das, was sie wirklich ist: das Verhältnis der Menschen bei der gemeinschaftlichen Teilnahme an der Produktion der materiellen und geistigen Güter. Die Entwicklung der sozialistischen Produktionsverhältnisse bedeutet die Vervollkommnung der Verhältnisse der Menschen in der Arbeit. Die Vervollkommnung der Verhältnisse der Teilnahme an der Arbeit bildet die feste Grundlage, die sozialistischen Produktionsverhältnisse zu kommunistischen weiterzuentwickeln. Das Hinüber25

V. I. Lenin, Wie soll man den Wettbewerb organisieren? in: Werke, Bd 26, Berlin 1961, S. 402.

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wachsen der sozialistischen in die kommunistische Arbeit ist eine grundlegende Gesetzmäßigkeit der Bewegung der Gesellschaft auf dem Weg zum Kommunismus. Das Leben zeigt, daß sich die sozialistischen Produktionsverhältnisse nach dem Prinzip der Vorrangigkeit einer Seite, eines Zuges, einer Form gegenüber den anderen Seiten, Zügen und Formen entwickeln. In einer bestimmten Etappe der Entwicklung besitzt ein ökonomisches Verhältnis den Vorrang, in einer anderen Etappe ein anderes. Die wichtigste ökonomische Gesetzmäßigkeit beim Aufbau des Kommunismus ist die vorrangige Entwicklung der sozialistischen gesellschaftlichen Verhältnisse auf dem Gebiet der Arbeit, vor allem der Beziehungen der gegenseitigen Unterstützung in der Arbeit, das heißt die vorrangige Entwicklung des wichtigsten, grundlegenden Produktionsverhältnisses. Zu bestreiten, daß sich diese Verhältnisse auf dem Gebiet der Arbeit schneller als andere Seiten, Züge usw. der Produktionsverhältnisse entwickeln, heißt behaupten, daß bis zur Umwandlung des sozialistischen Eigentums in kommunistisches von irgendwelchen Zügen der kommunistischen Arbeit keine Rede sein kann. Wie sollte dann aber die Bewegung für die kommunistische Arbeit aufgefaßt werden, die in unserem Lande schon Millionen Werktätige der Produktion erfaßt hat? Nur als Ergebnis der subjektiven Bestrebungen der Menschen? Nein, dies wäre ein grober Irrtum. Die Entwicklung der kommunistischen Arbeit ist ein objektiver Prozeß, der sich unmittelbar in der Produktion vollzieht. Er überflügelt die Verwandlung des gesamten Systems sozialistischer Verhältnisse in ein System kommunistischer Verhältnisse. Die Verhältnisse in der Arbeit bilden sich auf der Basis des sozialistischen Eigentums heraus, werden durch dieses bestimmt und üben zugleich einen bestimmenden Einfluß auf dieses Eigentum aus, bilden die Hauptquelle für dessen Wachstum und Vervollkommnung. Das sozialistische Eigentum kann sich nicht aus sich selbst heraus vervollkommnen. Es wächst, entwickelt sich und erhebt sich mehr und mehr auf seine höchste Stufe durch die Verhältnisse in der Arbeit, durch die Arbeit. Sich um das gesellschaftliche Eigentum sorgen heißt vor allem aktiv an der gesellschaftlichen Arbeit teilnehmen, für die Erhöhung der Produktivität dieser Arbeit kämpfen und allseitig die kommunistische Organisation der gesellschaftlichen Arbeit stärken. Bereits im Stadium des Sozialismus wird die kommunistische Organisation der gesellschaftlichen Arbeit als freie, unmittelbar gesellschaftliche Arbeit charakterisiert. Deshalb ist es notwendig, die Frage der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit zu untersuchen. 3

Tjapkin, Organisation

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2. Die höchste historische Form der gesellschaftlichen Arbeit Der Sozialismus ist die gesellschaftliche Ordnung der freien Arbeit. Juristisch drückt sich das im Recht auf Arbeit sowie in der allgemeinen Pflicht zur Arbeit aus, ökonomisch in der Herrschaft der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit. Jede Produktionsweise beruht auf der ihr entspechenden gesellschaftlichen Form der Arbeit, auf ihrer gesellschaftlichen Organisation der Arbeit. In der Entwicklung der gesellschaftlichen Form der Arbeit summiert sich die gesamte Geschichte der menschlichen Gesellschaft. Der Unterschied zwischen den Formen der gesellschaftlichen Arbeit charakterisiert den Unterschied zwischen den sozialökonomischen Formationen. Bei der Charakteristik der Arbeit wird häufig unterstrichen, daß die Arbeit vor allem ein Prozeß ist, der sich zwischen den Menschen und der sie umgebenden Natur abspielt und in dem die mit Produktionsinstrumenten ausgestatteten und über produktive Fertigkeiten verfügenden Menschen die äußere Natur verändern und die Objekte der Natur den eigenen Bedürfnissen anpassen. Sich auf diese Charakteristik zu beschränken oder sie als den bestimmenden Zug der Arbeit aufzufassen ist unzulässig. Wir dürfen keinen Augenblick vergessen, daß die Arbeit Doppelcharakter besitzt, und müssen hierbei hervorheben, daß die wichtigste Entdeckung in der Marxschen Lehre vom Doppelcharakter der Arbeit darin besteht, daß der gesellschaftliche Charakter der Arbeit nachgewiesen wird. Marx definiert die Arbeit als das Verhältnis zwischen dem Menschen und der Natur, zugleich aber deckt er die gesellschaftliche Struktur der Arbeit auf. Im „Kapital" wird das Wesen der kapitalistischen Produktionsweise erfaßt. Dieses Wesen ist untrennbar mit der spezifischen Form der gesellschaftlichen Arbeit verbunden. Das Kapital besitzt viele Gesichter und Gestalten. Es existiert in Form von Geld, von Produktionsmitteln, Fabrikgebäuden, Verkehrswegen, Wohnhäusern usw. Hinter dem gesamten überaus komplizierten Netz der nach Größe und Charakter verschiedenen kapitalistischen Betriebe und den außerordentlich verschiedenartigen Handlungen der Kapitalisten oder der Vereinigung der Kapitalisten verbirgt sich das Wesen: die ausgebeutete Lohnarbeit. Marx' Analyse der Produktion von Mehrwert beginnt mit der Charakteristik des Arbeitsprozesses. Marx unterstreicht, daß die Arbeit ein Prozeß ist, der solche einfachen Momente wie die zweckmäßige Tätigkeit, den Gegenstand der Arbeit und die Arbeitsmittel umfaßt. 34

Er schreibt, daß der Arbeitsprozeß „ewige Naturbedingung des menschlichen Lebens" 26 ist. Wo Marx zur Analyse des Prozesses der kapitalistischen Produktion übergeht, spricht er vom Doppelcharakter der Arbeit. Der Doppelcharakter der Arbeit als Äußerung des Arbeitsprozesses kann nicht verschwinden. Es ändert sich nur die historische Form des Charakters der Arbeit. Die politische Ökonomie deckt in dem Prozeß, „der zwischen Mensch und Natur abläuft", die gesellschaftlichen, ökonomischen Beziehungen auf und beweist, daß Kapital Wert ist, der auf der Grundlage einer historisch bestimmten Ordnung der Arbeit Mehrwert schafft. Kapital ist sich verwertender Wert. Der Wert verwertet sich und bringt Mehrwert nur durch die Ausbeutung von Lohnarbeit. „Kapital ist nichts ohne Arbeit . . ." 2 7 Um Geld in Kapital zu verwandeln und dieses Kapital zu vergrößern, muß der Geldbesitzer, der Kapitalist, den Arbeiter dingen, und der Arbeiter ist gezwungen, sich zur Arbeit dem Kapitalisten zu verdingen. Der Arbeiter schafft im Produktionsprozeß größeren Wert, als er im Arbeitslohn erhält. Der Überschuß der Wertes, den der Arbeiter schafft, gegenüber dem Wert, der in seinem Arbeitslohn enthalten ist, bildet den Mehrwert, durch den das Kapital zunimmt. Das Kapital ist das bourgeoise Produktionsverhältnis. Die Herrschaft dieses Verhältnisses und nicht des Verhältnisses der Teilnahme an der Arbeit bildet das grundlegende Wesen der kapitalistischen Produktionsweise und Gesellschaft. „Da die lebendige Arbeit — durch den Austausch zwischen Kapital und Arbeit — dem Kapital einverleibt ist, als ihm gehörige Tätigkeit erscheint, sobald der Arbeitsprozeß beginnt, stellen sich alle Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit als Produktivkräfte des Kapitals dar . . Z'28 „. . . schon dies Verhältnis in seiner Einfachheit ist eine Verkehrung." 29 Im Kapitalismus gilt: „Die produktive Arbeit - als Wert produzierende Arbeit - steht dem Kapital daher stets als Arbeit des einzelnen Arbeitsvermögens, des vereinzelten Arbeiters gegenüber, welche gesellschaftlichen Kombinationen diese Arbeiter immer im Produktionsprozeß eingehn mögen. Während so das Kapital dem Arbeiter gegen26 K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 198. F. Engels, Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie, in: MEW, Bd 1, Berlin 1961, S. 512. 28 K. Marx, Theorien über den Mehrwert, Erster Teil, in: MEW, Bd 26.1, Berlin 1965, S. 365. » Ebenda, S. 366. 27



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über die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit, stellt die produktive Arbeit des Arbeiters dem Kapital gegenüber immer nur die Arbeit des vereinzelten Arbeiters dar." 30 Unmittelbar im Produktionsprozeß, in dem der Wert geschaffen wird, tritt im Kapitalismus die Arbeit als individuelle Arbeit, als Tätigkeit der einzelnen Arbeitskraft auf, die nach dem Willen des Unternehmers in den Produktionsprozeß einbezogen oder davon ausgeschlossen werden kann. Die gesellschaftliche Arbeit tritt hier nur in Form des Kapitals auf und kann auch nur so auftreten; denn es gibt keine Arbeit außerhalb des Produktionsprozesses, und hier tritt die Arbeit als Kapital auf, als eine der Existenzformen des produktiven Kapitals. Im Kapitalismus besitzen die Arbeiter die entscheidende Produktivkraft: die Arbeitskraft, die herrschende Klasse aber sind die Kapitalisten. Dies ist die tatsächliche Usurpation der Arbeit durch das Kapital, ein antagonistischer Widerspruch. Der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital im Produktionsprozeß bedingt in seinem eigentlichen Keim den Übergangscharakter der kapitalistischen Ordnung. Die Produktivkraft der Arbeiter tritt als Produktivkraft des Kapitals auf. So hat der Kapitalismus die Frage nach der Relation zwischen der Arbeit überhaupt und der Arbeit auf der gegebenen historischen Entwicklungsstufe der Produktion „gelöst". Eine solche „Lösung" war eine objektiv unvermeidliche Stufe auf dem Wege zu dem einzig richtigen Wechselverhältnis zwischen diesen beiden Eigenschaften der Arbeit. Dieses Wechselverhältnis wird im Sozialismus hergestellt. Hier ist die Arbeit auch ein Prozeß, der zwischen Mensch und Natur abläuft, aber ihr gesellschaftlicher Charakter, ihre gesellschaftliche Ordnung unterscheiden sich prinzipiell von der im Kapitalismus. Die gesellschaftliche Form, die gesellschaftliche Organisation, die gesellschaftliche Ordnung der sozialistischen (kommunistischen) Arbeit bilden einen historisch besonderen Typ der Form der Arbeit. Die sozialistische Produktionsweise ist die Herrschaft der auf allgemeiner Teilnahme der Menschen an der Arbeit beruhenden Beziehungen. Dieses Verhältnis zeigt, daß im Sozialismus die Teilnahme am Produktionsprozeß und die kollektive Arbeit für die allgemeinen Volksinteressen der bestimmende Zug des Lebens aller Menschen sind. Aus diesem Produktionsverhältnis, das durch das sozialistische Eigentum entstanden ist, ergeben sich das Prinzip der Allgemeinheit der Arbeit und die Pflicht zur Arbeit. 30 Ebenda, S. 370. 36

Die gesellschaftliche Form der Arbeit ist ein Produktionsverhältnis. Im System der Kategorien der politischen Ökonomie des Sozialismus gibt es eine entsprechende politökonomische Kategorie, nämlich die sozialistische Arbeit, d. h. die historisch bestimmte gesellschaftliche Organisation der Arbeit, die sich allmählich zur kommunistischen Organisation der gesellschaftlichen Arbeit entwickelt. Wer an der sozialistischen gesellschaftlichen Arbeit teilnimmt, hat einen bestimmten Platz im System der sozialistischen Produktionsverhältnisse. Zum Unterschied vom Kapital, das nicht ohne Arbeit existieren kann, wird die Arbeit ohne Kapital zum „Herrscher der Welt", wird mit neuem Inhalt erfüllt und bildet die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit. In allen sozialökonomischen Formationen ist die Arbeit nicht nur ein Prozeß, der zwischen Mensch und Natur abläuft, sondern auch das einfachste, massenhafteste, sich von Tag zu Tag wiederholende gesellschaftliche Verhältnis: „. . . sobald die Menschen in irgendeiner Weise füreinander arbeiten, erhält ihre Arbeit auch eine gesellschaftliche Form" 3 1 , wird sie gesellschaftlich. In den verschiedenen sozialökonomischen Formationen äußert sich die gesellschaftliche Natur der Arbeit jedoch verschieden. In der Urgemeinschaft ist die Arbeit unmittelbar gesellschaftlich im Rahmen der Sippe oder patriarchalischen Familie. In der Sklaverei und im Feudalismus beruht die Gesellschaft „auf unmittelbaren Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnissen" 32 . Die Arbeiten der Menschen füreinander gehen in den Kreislauf des gesellschaftlichen Lebens als Naturaldienste und -leistungen ein. Die unmittelbar gesellschaftliche Form der Arbeit ist ihre Naturalform, ihre Besonderheit, nicht aber ihre Allgemeinheit, wie in der auf der Warenproduktion beruhenden Gesellschaft. Die Form, in der sich die gesellschaftliche Arbeit bei privater Warenproduktion ausdrückt, ist die abstrakte Arbeit, Ausgehend davon, daß der Sozialismus das privatkapitalistische Eigentum und die durch dieses Eigentum bestimmte Lohnarbeit abschafft und auf dem gesellschaftlichen Eigentum beruht, haben die Begründer der wissenschaftlichen politischen Ökonomie der Arbeiterklasse den Charakter der gesellschaftlichen Arbeit in diesem Stadium zutreffend definiert. Friedrich Engels schrieb: „Sobald die Gesellschaft sich in den Besitz der Produktionsmittel setzt und sie in unmittelbarer Vergesellschaftung zur Produktion verwendet, wird die Arbeit si K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 86. 32 Ebenda, S. 93.

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eines jeden, wie verschieden auch ihr spezifisch nützlicher Charakter sei, von vorherein und direkt gesellschaftliche Arbeit."33 Und Marx schreibt, daß im Sozialismus „im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg, sondern unmittelbar als Bestandteile der Gesamtarbeit existieren"34. Im Sozialismus ist die Arbeit jedes einzelnen im Produktionsprozeß nicht die Arbeit des „vereinzelten Arbeiters", sondern Arbeit des Miteigentümers der Produktionsmittel und Mitglieds des Produktionskollektivs und ist damit von einheitlichen ökonomischen und politischen Interessen geprägt. Die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit und die produktive Arbeit des einzelnen Arbeiters stehen einander hier nicht als fremde soziale Kräfte gegenüber. Das Wachstum der Arbeitsproduktivität jedes Werktätigen eines sozialistischen Betriebes erhöht die Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit, und das Wachstum der Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit bedingt eine Vergrößerung der Arbeitsproduktivität jedes Werktätigen. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, wie das Einzelne die Gesamtheit beeinflußt und die Gesamtheit ihrerseits das Einzelne. Im Sozialismus tritt die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit nicht als die Produktivkraft des Kapitals in Erscheinung, sondern unmittelbar als Produktivkraft der Arbeit aller Werktätigen, der Produktionskollektive und der gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Dies ist eines der wichtigsten Merkmale des unmittelbar gesellschaftlichen Charakters der Arbeit im Sozialismus. Die sozialistische Gesellschaft sichert die Steigerung der Arbeitsproduktivität sowohl auf der Grundlage des technischen Fortschritts als auch durch vervollkommnete Organisation der gesellschaftlichen Arbeit. Die Verwandlung der Arbeit in unmittelbar gesellschaftliche Arbeit bedeutet ein qualitativ neues Charakteristikum in der Entwicklung der Organisation der gesellschaftlichen Arbeit, in den Beziehungen der Beteiligung an der Arbeit. Im Kapitalismus wird die gesellschaftliche Natur der Arbeit verkrüppelt und verzerrt, sie kommt unter der Herrschaft des privatkapitalistischen Eigentums nicht unmittelbar zur Geltung. Sobald der Kapitalismus beseitigt ist, tritt diese Natur der Arbeit ans Tageslicht, kommt zur Geltung und wird zu ihrem bestimmenden Merkmal. Hier zeigt sich eine Verbindung von Wesen und 33 F. Engels, Anti-Dühring, in: MEW, Bd 20, Berlin 1962, S. 288. « K.Marx, Kritik des Gothaer Programms, in: MEW, Bd 19, Berlin 1962, S. 20.

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Erscheinung. Ihrem Wesen nach ist die Arbeit immer ein kollektiver, gesellschaftlicher Prozeß, aber dieses ihr Wesen tritt im Kapitalismus als abstrakte Arbeit, als Wert, als Kapital in Erscheinung. Wenn die privaten Eigentumsverhältnisse (das Kapital) beseitigt werden, dann findet das Wesen der Arbeit seine adäquate Erscheinungsform. Da aber die Erscheinung nicht anderes ist als eine Form, in der sich das Wesen ausdrückt, so entwickelt und bereichert sich mit der neuen Form auch das Wesen der Arbeit. Nicht das Kapital, sondern die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit, die Verhältnisse der Teilnahme an der Arbeit sind jetzt das herrschende Produktions Verhältnis. V. I. Lenin charakterisiert die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit folgendermaßen: „Die Arbeit ist in Rußland insofern kommunistisch vereint, als erstens das Privateigentum an den Produktionsmitteln abgeschafft ist und zweitens die proletarische Staatsmacht in gesamtnationalem Maßstab die Großproduktion auf staatlichem Grund und Boden und in staatlichen Betrieben organisiert, die Arbeitskräfte auf die verschiedenen Wirtschaftszweige und Betriebe aufteilt und die dem Staat gehörenden Konsumtionsmittel im großen Rahmen unter die Werktätigen verteilt."35 Das wurde 1919 geschrieben. Seitdem haben sich die Planmäßigkeit der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit und ihre Organisation durch die Gesellschaft, vertreten durch den sozialistischen Staat, bedeutend entwickelt. Dies erlaubt den Schluß, daß man die Organisation der gesellschaftlichen Arbeit und die Organisation der Arbeit in der Gesellschaft unterscheiden muß. Die Organisation der gesellschaftlichen Arbeit oder die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit, deren grundlegendes Wesen die Kollektivität und die sozialistische gegenseitige Hilfe in der Arbeit sind, wird vor allem dadurch bestimmt, daß das Privateigentum an den Produktionsmitteln aufgehoben ist. Dadurch ist eine solche Vereinigung der Werktätigen und der Produktionsmittel herbeigeführt worden, die die sozialökonomische Natur der gesellschaftlichen Produktion verändert hat. Die vereinigte kooperative Arbeit entwickelt sich damit in jedem Teil der organisatorisch-technischen Einheit von stofflichen und persönlichen Faktoren der Produktion vom Arbeitsplatz bis zur Volkswirtschaft, von der unmittelbaren Produktion bis zur Konsumtion. Die Lohnarbeit, die auf der Trennung der Produktionsmittel und der Arbeitskraft beruhte, ist liquidiert worden, und die Ära der freien, 35

V. I. Lenin, Ökonomik und Politik in der Epoche der Diktatur des Proletariats, in: Werke, Bd 30, Berlin 1961, S. 92/93.

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unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit hat begonnen, in der es diese Trennung nicht gibt. Der Sieg des sozialistischen Eigentums bedeutet, daß nicht nur das privatkapitalistische Eigentum an Produktionsmitteln, sondern auch das Eigentum an der Arbeitskraft beseitigt ist. Diese beiden Arten des Eigentums bedingen einander. Die Beseitigung des einen macht die Existenz des anderen unmöglich. Der Kapitalismus entstand und existiert nicht nur auf der Basis des Privateigentums an den Produktionsmitteln, sondern auch des Eigentums des Menschen an seiner Arbeitskraft. Auch vor dem Kapitalismus verfügte der Arbeiter über Arbeitskraft im Sinne seiner Fähigkeit zu arbeiten. Dadurch gehörte er zu den Produktionsmitteln. Aber erst im Kapitalismus wurde der Arbeiter zum Träger der Arbeitskraft im Sinne der politischen Ökonomie. In der ökonomischen Literatur gibt es viele Arbeiten zur Entstehung des privatkapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln und des Eigentums an der Arbeitskraft. B. V. Porsnev zum Beispiel schreibt, daß er sich die Frage stelle, wem das Eigentum an einem so wichtigen Element der Produktivkräfte wie den Menschen mit ihren Arbeitsfertigkeiten und Produktionserfahrungen gehört? Er beantwortet die Frage und beweist, daß die Feudalgesellschaft gewissermaßen eine Übergangstufe ist, und zwar von der Situation, in der ein unvollständiges Eigentum am Arbeiter existiert, zu der Situation, in der der Arbeiter niemandes Eigentum ist und als Eigentümer der Arbeitskraft in Erscheinung tritt. „Im Feudalismus ist das Eigentum an der Arbeitskraft (an der Fähigkeit zu arbeiten) noch fast untrennbar vom Eigentum am Arbeitenden. Eine solche Art des Eigentums, wie das Eigentum an der Arbeitskraft, gibt es noch kaum; es wird durch das unvollständige Eigentum am Arbeiter der Produktion selbst ersetzt." 36 Erst auf einem bestimmten Entwicklungsniveau der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse konnte das Eigentum an der Arbeitskraft vom Eigentum am Arbeiter getrennt werden. Nicht jeder Bauer, zeigt B. V. Porsnev, konnte Manufakturarbeiter werden, sondern nur derjenige, der eine Ausbildung erhalten hatte, der ein Könner geworden war. A. M. Pankratova betonte: „Das Wesen der Lohnarbeit als des wichtigsten Faktors für die Entstehung der kapitalistischen Produktions liegt nicht nur in ihrer quantitativen Ausbreitung . . . Die einfache Kooperation und die Manufaktur hätten nicht entstehen 36

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B. F. Porsnev, Ofierki politifieskoj ekonomii feodalizma, Moskau 1956, S. 40.

können, wenn die Qualifikation der Kleinproduzenten, ihre Produktionsund technischen Fertigkeiten, nicht ein hohes Niveau erreicht hätten, wenn es die Kleinproduzenten nicht verstanden hätten, im Kollektiv zu arbeiten und wenn sie nicht gelernt hätten, sich eines relativ differenzierten Werkzeugs zu bedienen . . . Diese ausgebildeten Vorgänger der Lohnarbeiter . . . sind das wichtigste Element der neuen Produktivkräfte, die im Schöße der Feudalgesellschaft heranreiften." 3 8 B. D. Grekov 3 8 schreibt, daß der Sklave nicht als Arbeitskraft, sondern als wertvolle Ware anzusehen ist. Dadurch wird nicht die Rolle des Sklaven als einer Arbeitskraft geringgeschätzt, sondern es wird unterstrichen, daß das Wichtigste am Sklaven nicht seine Arbeitskraft, sondern er selbst war. Die Ackerbauern der Kiewer Rus', führt der Autor diesen Gedanken fort, waren deswegen die hauptsächliche Arbeitskraft, weil sie neben der Arbeitskraft der Tiere die Hauptproduktivkraft bildeten. Der Verfasser lenkt mehrfach die Aufmerksamkeit des Lesers darauf, daß eine arbeitende Bevölkerung noch keine Arbeitskraft ist. Die Arbeit des Bauern und die des Proletariers sind zum Beispiel nicht ein und dasselbe. Der Mensch als Arbeitskraft und die Arbeitskraft des Menschen sind nicht dasselbe. Daß das Eigentum anderer am Arbeiter durch das Eigentum des Arbeiters an seiner eigenen Arbeitskraft abgelöst wurde, bedeutete einen gewaltigen qualitativen Sprung in der Entwicklung der Produktivkräfte. Das Eigentum an der Arbeitskraft wurde durch den Kapitalismus hervorgerufen. Es ist dies der Gegenpol des privatkapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln. Zuzugestehen, daß privatkapitalistisches Eigentum an den Produktionsmitteln beseitigt wird, aber persönliches Eigentum an der Arbeitskraft erhalten bleibt, bedeutet den widernatürlichen Versuch, zu verewigen, was sich zusammen mit dem Kapitalismus überlebt hat. Grundlage des Kapitalismus ist die Lohnarbeit. Karl Marx stellte fest, daß die Verneinung des Kapitals die Lohnarbeit ist 3 9 . Der Kapitalismus als gesellschaftliches System setzt nicht nur das Privateigentum an Produktionsmitteln voraus, sondern auch das Privateigentum an der Arbeitskraft. Der Sozialismus negiert das eine wie das andere. Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit drückt nicht nur aus, daß die Produktions37

A. M. Pankratova, O roli tovarnogo proizvodstva pri perechode ot feodalizma k kapitalizmu, in: Voprosy istorii, Nr. 9/1953. 38 Vgl. B. D. Grekov, Kievskaja Rus', Moskau 1953, S. 182 u. a. 39 K. Marx, Grundrisse . . ., a. a. O., S. 190.

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mittel den Produzenten selbst gehören. Sie drückt auch aus, daß die lebendige Arbeit wirkt, ohne daß die Fähigkeiten zu dieser Arbeit in die entfremdete Form der Arbeitskraft verwandelt werden. Bis heute wird in unserer ökonomischen Literatur lediglich gesagt, daß im Sozialismus die Arbeitskraft aufgehört hat, Ware zu sein. Die Frage, wer ihr Eigentümer ist, bleibt offen und wird nicht einmal gestellt. Diese „Lücke" wird auf folgende Weise geschlossen. Es wird erklärt: „Im Sozialismus herrscht das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln. Das bedeutet, daß jeder Werktätige, der Mitgüed der Gesellschaft ist, als gesellschaftlicher, assoziierter Eigentümer der Produktionsmittel in Erscheinung tritt. Gleichzeitig ist er auch Eigentümer seiner Arbeitskraft." 40 Und weiter: „Wenn er seine Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung gestellt hat, so hört der Werktätige nicht auf, Eigentümer seiner Arbeitskraft zu sein." 41 Der Verfasser beruft sich auf Untersuchungen von Marx und schreibt, daß erstens die Arbeitskraft immer existiert hat und existieren wird und daß, zweitens, „als historische Erscheinung nicht die Arbeitskraft selbst, sondern ihre Form auftritt" 42 . Es ist daran zu denken, daß Marx die Arbeitskraft erstens als „Naturkraft", „Gegenstand der Natur", „menschliche Arbeitskraft", als eine Kraft verstanden hat, die „im lebendigen Organismus" existiert. In diesem Sinne ist die „Arbeitskraft" vom Menschen nicht zu trennen. Sie äußert sich in der Tätigkeit des Menschen, hat existiert und wird immer existieren. Der Sozialismus entwickelt sie erfolgreich; die sozialistische Reproduktion der Arbeitskraft ist von der Vervollkommnung des Menschen und seiner Tätigkeit nicht zu trennen. Marx begriff aber die Arbeitskraft auch als ökonomische Kategorie, und zwar unter den Bedingungen des Kapitalismus als „Bestandteil des Kapitals". Er schrieb: „Die individuelle Konsumtion des Arbeiters bleibt also ein Moment der Produktion und Reproduktion des Kapitells .,." 43 In dieser Bedeutung, das heißt als Kategorie, die die Beziehungen zwischen den Eigentümern der Produktionsmittel und den unmittelbaren Produzenten ausdrückt, existiert die Arbeitskraft im Sozialismus nicht. Ein und dieselbe ökonomische Kategorie kann K. P. Tronev, Osnovnye zakonomernosti vosproizvodstva raboöej sily v period razvernutogo stroitel'stva kommunizma, Moskau 1965, S. 13. 4 1 Ebenda, S. 14. « Ebenda, S. 12. 43 K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 597. 40

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aber nicht prinzipiell verschiedene Wesenheiten ausdrücken: die Trennung der stofflichen und der persönlichen Faktoren der Produktion und, auf der anderen Seite, deren Vereinigung. Was bedeutet nun in einem solchen Falle das Eigentum an der Arbeitskraft im Sozialismus? Die Frage nach der Kategorie der Arbeitskraft ist nicht nur eine Frage nach dem Eigentum. Der gesellschaftliche Charakter der Arbeit äußert sich vor allem im Prozeß der Arbeit, in der Sphäre der Produktion. Wenn die Arbeit abgeschlossen ist, gegenständliche Form angenommen hat, vergegenständlicht worden ist, dann ist es unmöglich, ihre Natur zu bestimmen. Marx schrieb, daß man am Geschmack des Weizens nicht bestimmen könne, wer ihn produziert hat. Der Charakter der Arbeit und folglich der Arbeitskraft zeigt sich im Produktionsprozeß. Wenn wir den Produktionsprozeß von seiner gesellschaftlichen Seite her betrachten, jeden einzelnen in der Produktion beschäftigten „Arbeiter im Verhältnis zu anderen Arbeitern"44, so stellen wir fest, daß jeder Arbeiter seine Fähigkeiten, zu arbeiten (die Arbeitskraft), nur im Kollektiv, nur durch die gemeinschaftliche Arbeit, durch Beziehungen in der Arbeit verwirklichen kann. Diese Beziehungen drücken das gesellschaftliche sozialistische Eigentum an deren Produktionsmitteln aus, nicht aber das individuelle Eigentum des Menschen an seiner Arbeitskraft. Im Kapitalismus wird im Produktionsprozeß das Kapital in Form von Produktionsmitteln und von Arbeitskraft vereinigt, obwohl die Arbeitskraft im Menschen selbst, in seinem Organismus existiert und physisch davon nicht getrennt werden kann. Aber der Kapitalist entstellt selbst die physische Kraft des Menschen. Er verwandelt den Menschen in eine Funktion seiner Arbeitskraft.45 Im Kapitalismus dient nicht die Arbeitskraft dem Menschen, sondern der Mensch der Arbeitskraft. Hier existiert nicht die Arbeitskraft dank dem Menschen, sondern der Mensch lebt dank seiner Arbeitskraft. Um zu leben, seine Familie zu unterhalten und Kinder zu erziehen, muß der arbeitende Mensch über Arbeitskraft verfügen und es verstehen, sie zu verkaufen. Stellt er wegen mangelnder Gesundheit, hohen Lebensalters oder wegen fehlender Kenntnisse keine Arbeitskraft dar oder verkauft er seine Arbeitskraft nicht, verdingt sich also nicht zur Arbeit, so geht er der Existenzgrundlage verlustig. Er ernährt sich dann auf Kosten jener Familienmitglieder, die Arbeit haben, über deren Arbeitskraft ein Kapitalist verfügt. 44 45

K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 198. Vgl. K. Marx, Theorien über den Mehrwert, Erster Teil, a. a. O., S. 384. 43

Im Sozialismus sind die Produktionsmittel nicht von den unmittelbaren Produzenten getrennt. Als Eigentümer der Produktionsmittel und Werktätiger treten dieselben Personen auf. Alle Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft sind Miteigentümer der Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände. Die ökonomische Befreiung der Arbeiterklasse, vor mehr als hundert Jahren 4 6 von Marx als das große Ziel proklamiert, dem jegliche politische Bewegung untergeordnet sein muß, bedeutet letzten Endes die Befreiung der Arbeiterklasse von der Situation, in der die Arbeitskraft ausgebeutet wird. Der sowjetische Werktätige ist der wahre Herr der Produktion. Im Sozialismus verkauft der Arbeiter nicht seine Arbeitskraft, seine Fähigkeit, zu arbeiten, weil er hier diese Fähigkeit selbst im Produktionsprozeß realisiert. Im Sozialismus, der das Prinzip der Allgemeinheit der Arbeit verwirklicht, ist jeder arbeitsfähige Mensch am Produktionsprozeß beteiligt. Der Arbeiter der sozialistischen Gesellschaft ist Schöpfer, Produzent der materiellen Güter und nicht eine Funktion der Arbeitskraft. Die Arbeit bedeutet die Äußerung und Entwicklung seiner Fähigkeiten sowie die Erfüllung seiner wichtigsten Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft. Die gesellschaftliche Form des sozialistischen Arbeitsprozesses stellt die Sphäre dar, in der die körperlichen und geistigen kollektiven Kräfte schöpferisch zur Geltung kommen. Ein Werkkollektiv in einem sozialistischen Land bildet im Vergleich zur Summe der vom Kollektiv losgelösten einzelnen Arbeitskräfte eine neue gesellschaftliche Produktivkraft. Ist in einem kapitalistischen Betrieb die produktive Arbeit der Werktätigen immer die Arbeit des einzelnen Arbeiters, so ist unter den Bedingungen des Sozialismus die produktive Arbeit des Werktätigen immer kollektive Arbeit: „Die Arbeit des Einzelnen ist von vornherein als gesellschaftliche Arbeit gesetzt." 47 Wenn es so ist, daß jeder Betrieb vor allem ein Kollektiv von Werktätigen ist, die die Produktionsmittel zur Lösung einer bestimmten Produktionsaufgabe nutzen, und nicht umgekehrt" 48, dann ist der einzelne Arbeiter nicht Träger, nicht Personifikation der Arbeitskraft, sondern ein Werktätiger, durch dessen Arbeit sich die Produktivität des Kollektivs offenbart. „Arbeitskraft ist die Form, worin das variable Kapital innerhalb des Produktionsprozesses 46

47 48

Vgl. K. Marx, Provisorische Statuten der Internationalen ArbeiterAssoziation, in: MEW, Bd 16, Berlin 1962, S. 14. K. Marx, Grundrisse . . a. a. O., S. 88. Socialistiöeskij proizvodstvennyj kollektiv kak kategorija politiiegkoj ekonomii, Moskau 1966, S. 19.

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existiert." 49 Die körperliche und geistige Fähigkeit, zu arbeiten, tritt in Form der Arbeitskraft auf. Wenn im Kapitalismus über diese Kraft verfügt wird, so wird sie von ihrem Eigentümer getrennt und geht an den Eigentümer der Produktionsmittel über, die dem Arbeiter als eine fremde soziale Kraft gegenüberstehen. Die Arbeitskraft wird zur Produktion von Mehrwert benutzt. Die Begriffe Mehrwert und Arbeitskraft sind voneinander nicht zu trennen. Sie bedingen sich gegenseitig. Das Vorhandensein von Mehrwert beweist, daß Arbeitskraft existiert und über die Fähigkeiten verfügt, mehr Wert zu produzieren, als sie selbst Wert hat. Umgekehrt ist im Kapitalismus die Arbeitskraft die Grundbedingung für die Schaffung von Mehrwert. Die Besonderheit der Ware Arbeitskraft besteht in der Eigenart ihres Gebrauchswertes, in der Fähigkeit, Mehrwert zu produzieren. Der Prozeß der Konsumtion der Ware Arbeitskraft ist der Prozeß der Produktion von Mehrwert. Der sozialistische Produktionsprozeß ist Verwirklichung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Schaffung des gesellschaftlichen Produkts, nicht aber die Konsumtion der Ware Arbeitskraft, um Mehrwert zu produzieren. Welche Verhältnisse die ökonomische Kategorie Arbeitskraft ausdrückt, ergibt sich aus der Natur der gesellschaftlichen Produktion. Das wird letzten Endes durch den Charakter des Eigentums an den Produktionsmitteln, die gesellschaftliche Ordnung der Arbeit, das grundlegende Produktionsverhältnis bestimmt. Die Methodologie des wissenschaftlichen Kommunismus lehrt, bei der Klärung ökonomischer Erscheinungen und Kategorien von diesem Standpunkt auszugehen und sich nicht auf die Analyse ökonomischer Oberflächenerscheinungen zu beschränken, sondern in das sich dahinter verbergende Wesen einzudringen. Das gilt uneingeschränkt für die Arbeitskraft. Im Sozialismus, wo die Fähigkeiten der Menschen nicht von ihren Trägern abgetrennt werden, gibt es keine objektiven Gründe für die Existenz der Arbeitskraft als einer Ausbeutungskategorie. Lenin hat dieses Problem untersucht, die Aufmerksamkeit auf diese Frage gelenkt und gezeigt, daß sie von großer Bedeutung ist: Ohne Kauf und Verkauf, ohne Verdingen gibt es und kann es keine Arbeitskraft geben.50 Interessant ist folgende Tatsache. In seiner Lektion „Über den Staat" sprach Lenin 1919 von den Sklaven, die ihre Arbeit anderen lieferten, 49 50

K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 616. V. I. Lenin, Vulgärsozialismus und Volkstümelei, in: Werke, Berlin 1963, S. 256/257.

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von den leibeigenen Bauern, die von den Gutsbesitzern, die ein Recht auf die Arbeit der Bauern hatten, zu bestimmten Leistungen gezwungen wurden, und von den Arbeitern, die ihre Hände, ihre Arbeitskraft verkaufen. Lenin gebrauchte in diesem Zusammenhang nicht den Begriff „Arbeitskraft". Marx faßte das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital erstens als einen Austausch zwischen Kapital und Arbeit und zweitens als einen Prozeß auf, in dem das Kapital den Gebrauchswert der Arbeit verzehrt. „Träger der Arbeit als solcher — d. h. der Arbeit als Gebrauchswert für das Kapital — zu sein, macht daher seinen ökonomischen Charakter aus; er ist Arbeiter im Gegensatz zum Kapitalisten. Dies ist nicht der Charakter der Handwerker, Zunftgenossen etc., . . ." 5 1 Das gilt um so mehr für den ökonomischen Charakter des Arbeiters in der sozialistischen Gesellschaft, wo der Arbeiter keinesfalls nur als Träger der Arbeitskraft angesehen werden kann. Die sozialistische Revolution befreit die Arbeiter aus der Position von Arbeitskräften. Die sozialistischen Betriebe, die allmählich zu Betrieben der kommunistischen Gesellschaft werden, dingen nicht die Arbeitskraft, sondern sie nehmen Werktätige auf, die Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft und Miteigentümer dieser Betriebe sind. In einer kürzlich veröffentlichten Monographie heißt es: „ D i e sozialistische (kommunistische) Gesellschaft steht nicht wie ein Herr der Produktionsmittel den Mitgliedern der Gesellschaft gegenüber und beutet nicht die von ihm angeblich gedungene Arbeitskraft aus, wie das viele bürgerliche Ökonomen und die ihnen dienenden Revisionisten gern behaupten. Die sozialistische Gesellschaft ist auch nicht ein Herr, bei dem die Mitglieder der Gesellschaft die Produktionsmittel mieten müssen. Die sozialistische Gesellschaft ist kein Souverän, der seine Vasallen mit Lehnsherrschaften bedenkt, das heißt mit diesen oder jenen ökonomischen Gebieten oder Betrieben, und der folglich auch diese .Vasallen', die von seiner ständigen .Festung' abhängig sind, verpflichtet, ihm zu dienen. Die sozialistische Gesellschaft bedeutet auch keine kasernenhafte Gleichstellung aller Mitglieder der Gesellschaft, wie das die modernen Antikommunisten gern behaupten." 52 In einem sozialistischen Betrieb arbeiten, seine Fähigkeiten anwenden, um materielle und geistige Güter zu schaffen, bedeutet nicht sich verdingen. Es heißt vielmehr, sein Recht auf Arbeit verwirklichen, das sich objektiv aus dem sozialistischen Eigentum ergibt. Einen 51 52

K. Marx, Grundrisse . . ., a. a. O., S. 204. A. M. Rumjancev, O kategorijach i zakonach politiöeskoj ekonomii kommunistiöeskoj formacii, Moskau 1966, S. 84.

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Arbeiter in ein Produktionskollektiv aufnehmen heißt nicht, ihn zur Arbeit anstellen. Über die Vorstellungen kleinbürgerlicher Sozialisten schrieb Marx: „Zugleich die Lohnarbeit bestehn lassen und das Kapital aufheben, ist daher sich selbst widersprechende und auflösende Forderung." 53 A. M. Rumjancev schreibt mit Recht, daß „schon die erste Phase des Kommunismus, der Sozialismus, die Entfremdung der grundlegenden Produktivkräfte des Menschen vom Menschen beseitigt und die Beziehungen der Menschen von der Vergegenständlichung reinigt, diese Beziehungen zu unmittelbar gesellschaftlichen macht" 54 . Die Beseitigung dieser „Entfremdung" ist die Beseitigung des Verhältnisses des Verdingens, das „Entfremdung" ausdrückt. Der Proletarier und der Arbeiter haben hinsichtlich ihrer ökonomischen Rolle nichts miteinander gemeinsam, weil der eine Träger der Arbeitskraft, der andere aber ein Werktätiger ist. Das wichtigste charakteristische Merkmal dieses neuen Typs des Arbeiters, schreibt D. I. Valentej, besteht darin, daß dies ein Mensch ist, der untrennbar mit seinem Kollektiv, mit der gesamten gigantischen, die sozialistische Gesellschaft bildenden Assoziation von Werktätigen verbunden ist. 55 Die Herausbildung des neuen Typs des Arbeiters und die Reproduktion der Arbeitskraft betrachtet Valentej zwar als einen einheitlichen Prozeß. Aber er hebt die Bedeutung der zuerst genannten ökonomischen und sozialen Erscheinung hervor. Die Möglichkeit und Notwendigkeit, seine Fähigkeiten in kollektiver Arbeit anzuwenden, schließt die Möglichkeit und Notwendigkeit aus, daß diese Fähigkeiten die ökonomische Form der Ware Arbeitskraft annehmen. Ziehen wir eine Analogie heran: Eine Maschine ist keine ökonomische Kategorie, die Verwendung der Maschine aber ist es. Im Kapitalismus bildet sie ein Werkzeug der Ausbeutung, im Sozialismus ein Mittel zur Erleichterung der Arbeit und zur Steigerung der Arbeitsproduktivität. Niemand erhebt gegen diese Aussagen Einwände. Gegen die folgende These aber gibt es häufig Einwände: Die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Menschen sind keine ökonomische Kategorie; die Form und das Ziel ihrer Verwendung jedoch sind es. Im Kapitalismus ist diese Form die Arbeitskraft, im Sozialismus ist diese Form die unmittelbare Äußerung dieser Fähig53 54 55

K. Marx, Grundrisse . . ., a. a. O., S. 216. A. M. Rumjancev, O kategorijach . . ., a. a. O., S. 74. Vgl. D. I. Valentej, Teorija i politika narodonaselenija, Moskau 1967, S. 116.

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keiten innerhalb der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit. Der werktätige Mensch ist die Hauptproduktivkraft. Das ist richtig. Es darf jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß der Mensch, der Werktätige, die Hauptproduktivkraft im Kollektiv darstellt, als assoziierter Produzent. E r vereinigt sich mit anderen zum Kollektiv und wird ein assoziierter Produzent nicht deswegen, weil er über Arbeitskraft verfügt. Im sozialistischen Produktionsprozeß realisieren die Arbeiter ihre Fähigkeiten, zu arbeiten, und ihre gesellschaftliche Pflicht, materielle und geistige Güter zu schaffen. Im Kapitalismus leisten die Arbeiter einen Vorschuß für die Kapitalisten, sie schaffen für die Kapitalisten Mittel, aus denen dann der Arbeitslohn gezahlt wird. Im Sozialismus gibt die Gesellschaft große Mittel für den Menschen aus, lange bevor dieser zu arbeiten beginnt. Der Weg des Menschen in den Betrieb oder zu jedem beliebigen Arbeitsplatz führt über Kinderkrippe, Kindergarten, Grund- und Oberschule, handwerkliche und technische Lehranstalten, über zahlreiche Kurse und Hochschulen. Auf diesem ganzen Wege dient die Gesellschaft durch den Staat dem Menschen: Sie lehrt unentgeltlich, vermittelt einen Beruf usw. Durch die Sorge um die Gesundheit und die Ausbildung des Menschen bereitet der sozialistische Staat den Werktätigen auf die gesellschaftliche Produktion vor. Die Verwirklichung der allgemeinen Oberschulbildung, die im Programm der K P d S U vorgesehen ist, die Erweiterung der Hochschulausbildung, die Vervollkommnung des gesamten Systems der beruflichen und technischen Ausbildung unter Berücksichtigung der Anforderungen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, die Erhöhung der Qualifikation unmittelbar in den Betrieben und die Beachtung der Prinzipien der moralischen und materiellen Stimulierung zur Arbeit sind die Wege zur Herausbildung des Werktätigen der sozialistischen Gesellschaft. Es ist eine große Errungenschaft, daß die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Menschen nicht mehr wie früher die ökonomische Form „Arbeitskraft" annehmen können. Unserer Ansicht nach hat sich der Mensch erst mit seiner Befreiung aus der Situation einer Arbeitskraft endgültig über die übrige Tierwelt erhoben. Denn solange die Arbeitskraft des Menschen neben der Arbeitskraft des Pferdes, des Ochsen und des Esels steht, gehört der Mensch selbst auch zu den Arbeitstieren: In vielen Arbeiten ersetzt er sie, und in nicht weniger Arten der körperlichen Arbeit ersetzen sie ihn. Die sozialistische Gesellschaft formt den Menschen. Der Kommunismus verwandelt alle Mitglieder der Gesellschaft in Werktätige,

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die zum Wohl der gesamten Gesellschaft arbeiten. Die Lohnarbeit setzt Kapital und Arbeitskraft, Kapitalisten und Proletarier voraus, die freie, unmittelbar gesellschaftliche Arbeit die unmittelbare Vereinigung von Produktionsmitteln und Arbeitern. Die Verwandlung des Arbeiters vom Proletarier zum Herrn bezeichnet den Anbruch einer neuen Epoche in der Geschichte der Menschheit. Der Sozialismus befreit die lebendige Produktivkraft von der Situation der Arbeitskraft zunächst im sozialen, politökonomischen Sinne, später — mit der Schaffung der dem Sozialismus entsprechenden materiell-technischen Basis — auch im technologischen Sinne. Voraussetzung für die Veränderung der Form der gesellschaftlichen Arbeit, das heißt für die Ablösung der Lohnarbeit durch die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit, ist die Beseitigung des privatkapitalistischen und der Sieg des sozialistischen Eigentums. Für die Veränderung der gesellschaftlichen Form des Arbeitsprozesses ist jedoch ein bestimmtes Entwicklungsniveau der Produktivkräfte, Produktionsmittel und der Technik erforderlich. Bei jeder Organisation der gesellschaftlichen Arbeit bedeutet manuelle Arbeit die Konsumtion der lebendigen Produktivkraft des Menschen. Nicht nur die Organisationsform der gesellschaftlichen Arbeit, sondern auch das Entwicklungsniveau der Produktionsmittel verwandelt die lebendige Produktivkraft aus einem unmittelbaren Agenten des Arbeitsprozesses in eine schöpferische, über diesen Prozeß herrschende Kraft. Es ist interessant, sich daran zu erinnern, wie Marx sich dem Terminus genähert hat, der die bourgeoise Form der Arbeitsfähigkeit des Menschen ausdrückt: die Arbeitskraft. Im ursprünglichen Text von „Lohnarbeit und Kapital" definiert er die Arbeitskraft als „Lebenstätigkeit", „produktive Tätigkeit des Arbeiters", „schöpferische Kraft", „edle reproduzierende Kraft des Arbeiters", „Produktivkraft"; als Produktivkraft, deren Wirkung der Arbeiter verkauft, oder als Fähigkeit zur Arbeit. Schließlich findet Marx den Terminus „Arbeitskraft". Dieser Terminus zeigt, daß die Arbeitskraft eine ökonomische Kategorie der kapitalistischen Wirtschaft ist, die Beziehungen des kapitalistischen Produktionsprozesses ausdrückt, wo „der funktionierende Arbeitskörper eine Existenzform des Kapitals"56 ist. Denken wir uns in diese Worte hinein. Ein sozialistischer Arbeiter kann erstens niemals ein „funktionierender Arbeitskörper" genannt werden, und er ist außerdem keine „Existenzform des Kapitals". Manche Ökonomen halten die „Arbeitskraft" für eine ewige Kategorie 56

K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 381,

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Tjapkin, Organisation

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und die Verhältnisse der Aneignung, Verteilung, Reproduktion und Konsumtion der Arbeitskraft für einen Bestandteil der Ökonomie. Im Kapitalismus sei die Arbeitskraft ein Objekt der Aneignung durch die Ausbeuterklassen, im Sozialismus ein Objekt der Aneignung durch die gesamte Gesellschaft, die sozialistischen Kollektive. Im Kapitalismus gebe es die Kategorie des privaten Dingens, im Sozialismus die „ökonomische Kategorie des gesellschaftlichen Dingens". Marx hat indessen geschrieben: „Keine Form der Lohnarbeit, obgleich die eine Mißstände der andren überwältigen mag, kann die Mißstände der Lohnarbeit selbst überwältigen."57 Hätten die Autoren, die behaupten, daß es im Sozialismus die Kategorie Arbeitskraft und deren Dingen gibt, sich daran erinnert, daß Arbeitskraft „Lebenstätigkeit", Schaffensprozeß, ein gesellschaftliches Verhältnis, nicht aber ein Gegenstand oder eine Sache ist, dann hätten sie nicht neben die Arbeitskraft, die im kapitalistischen Betrieb wirkt, auch eine „Arbeitskraft" gestellt, deren Äußerung in einem sozialistischen Betrieb die Tätigkeit eines Mitgliedes der sozialistischen Gesellschaft ist. Die Beziehungen zwischen einem Mitglied der Gesellschaft und der Gesamtgesellschaft, aus denen man Verhältnisse der Aneignung und des Verdingens der Arbeitskraft ableitet, sind nicht nur Produktionsbeziehungen. Sie bilden sich und existieren nicht nur in der Sphäre der Produktion, sondern auch in anderen Sphären. Die Kategorie Arbeitskraft hingegen ist die Kategorie eines bestimmten Prozesses, des Prozesses der kapitalistischen Produktion. Nach der Beseitigung der kapitalistischen Produktion kann die von dieser Produktion hervorgebrachte Kategorie nicht weiter existieren. Es gibt keine Produktion ohne Arbeit und keine Arbeit ohne Produktion. Jedes Produkt ist das Ergebnis, der gegenständliche Ausdruck des Produktions- und Arbeitsprozesses. „Was auf Seiten des Arbeiters in Form der Unruhe erschien, erscheint nun als ruhende Eigenschaft, in der Form des Seins, auf seiten des Produkts." 58 Die Vergegenständlichung der „Bewegung" in die „Form des Seins" ist die Äußerung der „Arbeitskraft", ihre reale Existenz. Der Arbeiter spann, und das Produkt ist Garn. Zu meinen, daß auch im Sozialismus der Anteil des Arbeiters in der Produktion darin bestehe, seine Hände und Füße zu bewegen, also körperliche und geistige Energie zu verausgaben, und daß die „Form des Seins" dieser Bewegung, das Produkt, irgendeinen anderen Herrn habe und nicht den Arbeiter 57 58

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K. Marx, Grundrisse . . ., a. a. O., S. 43. K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 195.

in der Person des sozialistischen Staates, bedeutet hinter der Form nicht das Wesen sehen und übersehen, daß in der sozialistischen Produktion prinzipiell andere Verhältnisse herrschen. Man kann bisweilen folgende Meinung hören: Ob ein Mensch im Ergebnis des Kaufs und Verkaufs seiner Arbeitskraft als Lohnarbeiter oder nicht als Lohnarbeiter in ein Werk komme — das berühre den Charakter seiner Arbeit nicht. Der Dreher führe Dreharbeiten aus und der Schlosser Schlosserarbeiten. Eine solche Auffassung ist völlig falsch. Lohnarbeit ist mit Entfremdung der Arbeit verbunden. Nicht-Lohnarbeit kennt die Kategorie der entfremdeten Arbeit nicht. Entfremdete Arbeit ist ein System von Beziehungen, die auf Grund der Teilnahme an der Arbeit unter der Herrschaft des privatkapitalistischen Eigentums entstehen. Der sozialökonomische Inhalt der Kategorien „entfremdete Arbeit", der von Marx erschöpfend geklärt worden ist, besteht in der Trennung der Arbeit von der Arbeit, der Arbeit vom Arbeitsprodukt. Der Arbeiter verliert das Produkt der Arbeit, das ihm als eine fremde, ihn versklavende Kraft gegenübersteht. J e mehr Gegenstände der Arbeiter produziert, um so weniger kann er besitzen, und um so mehr gerät er unter die Herrschaft seines Produkts, des Kapitals. Der Arbeiter gerät schließlich nicht nur in die ökonomische, sondern auch in die moralische Versklavung. Das drückt sich darin aus, „daß, je geformter sein Produkt, um so mißförmiger der Arbeiter, daß, je zivilisierter sein Gegenstand, um so barbarischer der Arbeiter, daß, um so mächtiger die Arbeit, um so ohnmächtiger der Arbeiter wird, daß, je geistreicher die Arbeit, um so mehr geistloser und Naturknecht der Arbeiter wird" 59 . Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist Voraussetzung und Folge der entfremdeten Arbeit. Die Entfremdung aber vollzieht sich nur in einem Arbeitsprozeß, der auf dem privatkapitalistischen Eigentum beruht. Im Arbeitsprozeß ist zum Beispiel die Abhängigkeit des Drehers von der Drehmaschine ökonomisch gesehen im Kapitalismus und im Sozialismus grundsätzlich verschieden. Arbeitskraft und Kapital sind untrennbar. Ihre Verbindung stellt das Wesen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse dar. Diese Verbindung äußert sich im Kauf und Verkauf der Arbeitskraft. Die Trennung des Eigentums von der Arbeit ist ein Gesetz dieses Austauschs zwischen Kapital und Arbeit. Daher unterwerfen sich im 59

K. Marx, ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, in: MEW, Ergänzungsband, 1. Teil, Berlin 1968, S. 513



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Kapitalismus die Produktionsmittel den Arbeiter, und nicht umgekehrt. Der Arbeiter hat sie geschaffen, und sie zwingen ihn, nachdem sie zu Kapital geworden sind, zu arbeiten, und absorbieren seine Arbeitskraft. Warum? Weil sie sich im Eigentum des Kapitalisten befinden und im Produktionsprozeß als Kapital in Erscheinung treten. Da sie sich im Eigentum des Kapitalisten befinden, herrscht er über den Arbeiter und zwingt ihn, Gewinn zu schaffen. „. . . seine Herrschaft ist nur die der vergegenständlichten Arbeit über die lebendige, die des Produkts des Arbeiters über den Arbeiter selbst"60, schreibt Marx. Das Wesen des Kapitals liegt nach Marx darin, daß die lebendige Arbeit der akkumulierten Arbeit dient, indem sie deren Tauschwert erhält und vergrößert. „Der kapitalistische Produktionsprozeß ist daher auch nicht bloß die Produktion von Waren. Er ist ein Prozeß, der unbezahlte Arbeit absorbiert, Material und Arbeitsmittel — die Produktionsmittel — zu Mitteln der Absorption unbezahlter Arbeit macht." 61 Deshalb erleichtern unter kapitalistischen Bedingungen Wachstum und Vervollkommnung der Technik nicht die Arbeit und Arbeitsbedingungen. Im Sozialismus ist das Eigentum nicht von der Arbeit getrennt. Es verwirklicht sich durch die Tätigkeit der Menschen, durch ihre Arbeitsbeziehungen, ohne daß dies durch irgendwelche anderen Verhältnisse, auch nicht durch Kauf und Verkauf der Arbeitskraft, vermittelt wird. In der sozialistischen Produktion ist es der Arbeiter, der die Produktionsmittel anwendet und nutzt, und nicht umgekehrt. Der Mensch der sozialistischen Gesellschaft herrscht über das von ihm geschaffene Produkt, das heißt über die Maschinen, automatischen Fertigungslinien, Rohstoffe usw. Das Wesen der Arbeit als eines Produktionsverhältnisses besteht hier darin, daß die akkumulierte, vergegenständlichte Arbeit der lebendigen Arbeit als ein Mittel dient, die lebendige Arbeit zu erleichtern und die Produktion zu erweitem und zu vervollkommnen. Daraus folgt, daß sich mit der Entwicklung der Technik, der Vervollkommnung der Arbeitsinstrumente die Arbeitsbedingungen verbessern, die Arbeit leichter wird und sich in die Kraft verwandelt, die die zahlreichen und komplizierten Mechanismen und technologischen Prozesse steuert. In der sozialistischen Produktion äußern sich die körperlichen und 60

K. Marx, Theorien über den Mehrwert, Erster Teil, a . a . O . , S. 366. « Ebenda, S. 376.

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geistigen Fähigkeiten des Menschen darin, Güter zu produzieren und der Gesellschaft durch gesellschaftlich notwendige Produkte zu nützen. Die Arbeitsinstrumente sind hier gigantische natürliche Organe des Menschen, mit deren Hilfe er Metall schmilzt, Maschinen produziert, schöne Stoffe herstellt und Millionen Hektar Land bearbeitet, Rohstoffe für die Industrie und Brot für sich produziert. Dies alles macht es uns unmöglich, denjenigen Ökonomen zuzustimmen, die als zentrale Kraft der sozialistischen Produktion die Technik und nicht den Menschen ansehen. „Die Produktion, in der Fließverfahren herrschen, spielt sich in Systemen ab, die in der Regel gewaltige Konzentrationen menschlicher und stofflicher Produktionsressourcen darstellen. Diese Systeme sind in der Art von Linien oder Kanälen angeordnet, in denen ein Strom von industriellen Erzeugnissen verschiedenen Fertigungsgrades sich rhythmisch und ununterbrochen bewegt oder .fließt'. Dieser Strom nimmt auf seinem Wege lebendige Arbeit in der ganzen Vielfalt ihrer konkreten Erscheinungsformen in sich auf."62 Daraus würde folgen, daß der Strom von Gegenständen die Arbeit der Werktätigen in sich aufnimmt, daß sich die Technik in der sozialistischen Produktion den Menschen unterordnet, nicht der Mensch die Technik. Die Entwicklung des sozialistischen Produktionsprozesses führt nun zwar zu einer immer stärkeren Objektivierung, zur Verwandlung des Produktionsprozesses in ein Gebiet, wo in steigendem Maße die Wissenschaft angewendet wird. Damit wächst jedoch die Rolle des Menschen und wird nicht etwa geringer. In diesem Sinne sprechen wir von der Objektivierung des Produktionsprozesses. Die sozialistische Produktion wird von den Werktätigen der Betriebe kontrolliert, das heißt von den Arbeitern, Ingenieuren, Wirtschaftlern und den Vertretern der gesellschaftlichen Organisationen. Dies ist eine Kontrolle des Laufs der Maschinen und der Einhaltung der technologischen Disziplin. Im kapitalistischen Betrieb wird die Verbindung zwischen den einzelnen Arbeiten dadurch hergestellt, daß die verschiedenen Arbeitskräfte an ein und denselben Kapitalisten verkauft werden. Die Produktionsmittel sind in seinen Händen konzentriert, und er setzt die Arbeitskräfte als kombinierte Arbeitskraft ein. In einem sozialistischen Betrieb beruht die Verbindung zwischen den Werktätigen darauf, daß sie gemeinsam Eigentümer der Produktionsmittel sind und gemeinschaftlich am Produktionsprozeß teilnehmen. Sie beruht auf der Zusammenarbeit bei der Verwirklichung der wichtigsten 62

Problemy politiieskoj ¿konomii socializma, Moskau 1959, S. 81. 53

gesellschaftlichen Verpflichtung, bei der Arbeit, die die unumgängliche Voraussetzung zur Entwicklung und Vervollkommnung der sozialistischen Produktion bildet. Die sozialistische Arbeit wird in ihrem Wesen durch besondere Wechselbeziehungen und wechselseitige Abhängigkeiten gekennzeichnet. „Es ist erstens klar, daß der Austausch von Tätigkeit und Fähigkeiten, der in der Produktion selbst geschieht, direkt zu ihr gehört und sie wesentlich ausmacht. Dasselbe gilt zweitens vom Austausch der Produkte, soweit er zur Herstellung des fertigen, für die unmittelbare Konsumtion bestimmten Produkts Mittel ist . . . Drittens, der sogenannte Exchange zwischen dealers und dealers ist sowohl seiner Organisation nach ganz durch die Produktion bestimmt, als selbst produzierende Tätigkeit." 63 Hier spricht Marx von der Produktion allgemein, von der eigentlichen Produktion, wie sie sich am vollständigsten im Sozialismus äußert. Der Austausch von Tätigkeit unmittelbar im Produktionsprozeß als das Wesen der Produktion ist das wichtigste Kennzeichen der sozialistischen Arbeit als der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit, als einer ökonomischen Kategorie des Sozialismus. „ I m Prinzip gibt es keinen Austausch von Produkten, sondern einen Austausch von Arbeiten, die zur Produktion zusammenwirken."64 Es darf nicht vergessen werden, daß dies nicht die einzige und allumfassende Form der gesellschaftlichen Verhältnisse der sozialistischen Produktion ist, also der Austausch von Tätigkeit keineswegs immer mit dem unmittelbaren Austausch eines Produkts gegen das andere identisch ist und die Arbeit des einen Werktätigen die Bedingung für die Arbeit eines zweiten usw. sein muß. Jeder Werktätige kann nur dann arbeiten, wenn andere gearbeitet haben oder arbeiten. Die Tätigkeit eines Arbeiters im Produktionsprozeß kann sich nur als Bestandteil der gesamten Tätigkeit aller Arbeiter äußern. Die Arbeit des einen ist Bedingung für die Arbeit des anderen. Erst die gemeinschaftliche, kollektive, gleichzeitige und abgestimmte Tätigkeit der Produktionsarbeiter nimmt den Charakter von Arbeit an, wird Arbeit. Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung, daß nicht nur die Arbeitsteilung zur Entwicklung der Produktionsverhältnisse führt (durch den Austausch von Tätigkeit). Auch die Kooperation, die Vereinigung der Arbeiter, bedeutet eine weitere Vervollkommnung der Produktionsverhältnisse (gemeinschaftliche Arbeit, Unterstützung 63 K.Marx, Einleitung . . . , a.a.O., S. 630. 64 K . Marx, Das Elend der Philosophie, a. a. O., S. 104. 54

unmittelbar bei der Arbeit usw.). Wenn die Arbeitsteilung ein Produktionsverhältnis ist 65 , dann ist auch die Vereinigung der Arbeiter, die kollektive Arbeit in einem Betrieb, bei der Produktion eines Erzeugnisses, bei der Ausführung einer Operation (der Wettbewerb der Arbeiter in einer Schicht, ihre gegenseitige Hilfe und dergleichen) ein Produktionsverhältnis. Gemeinschaftliche Tätigkeit und wechselseitiger Austausch von Tätigkeit können sich unmittelbar äußern. Verstärkte Arbeitsteilung im einzelnen ist Folge des Wachstums der Produktivkräfte. Andererseits ist sie selbst ein mächtiger Faktor für das Wachstum der Arbeitsproduktivität. Der Sozialismus verleiht der Arbeitsteilung im einzelnen einen neuen Inhalt. Hier ist die lebenslängliche Kettung der Menschen an ihren Beruf und die von ihnen ausgeführte Arbeit ausgeschlossen, und es ist möglich, von einer Art der Tätigkeit zur anderen zu wechseln. „Der Kapitalismus hinterläßt dem Sozialismus unvermeidlich einerseits die alten, in Jahrhunderten herausgebildeten beruflichen und gewerblichen Unterschiede zwischen den Arbeitern und anderseits die Gewerkschaften. Diese können und werden sich nur sehr langsam, im Laufe vieler Jahre zu breiteren, weniger zünftlerischen Produktionsverbänden (die ganze Produktionszweige und nicht nur einzelne Branchen, Gewerbe und Berufe umfassen) entwickeln und erst dann dazu übergehen, vermittels dieser Produktionsverbände die Arbeitsteilung unter den Menschen aufzuheben und allseitig entwickelte und allseitig geschulte Menschen, die alles machen können, zu erziehen, zu unterweisen und heranzubilden. Dahin steuert der Kommunismus, dahin muß und wird er gelangen, aber erst nach einer langen Reihe von Jahren."66 Auf der Grundlage der sozialistischen Arbeitsteilung und des Wechsels der Arbeit entsteht ein völlig neuer Typ des Gesamtarbeiters. Im Kapitalismus ist für den Gesamtarbeiter charakteristisch, daß die Verwandlung der geistigen und körperlichen Arbeit in einen antagonistischen Gegensatz vollendet ist. Die geistige Arbeit ist hier in der Regel mit der Tätigkeit der herrschenden Klasse verbunden, während die werktätigen Massen auf Lebenszeit an die körperliche Arbeit gebunden sind. Im Sozialismus ist dagegen für den Gesamtarbeiter die allmähliche Vereinigung der geistigen und körperlichen Arbeit als untrennbarer 65 66

Vgl. ebenda, S. 107. V. I. Lenin, Der „linke Radikalismus", die Kinderkrankheit im Kommunismus, in: Werke, Bd 31, Berlin 1964, S. 34/35. 55

Funktionen der produktiven Arbeit charakteristisch. Schon heute wird in der Sowjetunion derjenige Werktätige der Produktion typisch, der organisch verbundene körperliche und geistige Arbeiten ausführt. Das Produkt, das in der sozialistischen Produktion geschaffen wird, ist gesellschaftliches Eigentum und dient der Befriedigung der Bedürfnisse der Gesellschaft und der Menschen. Das Arbeitsprodukt nimmt nicht die entstellte Form eines Produkts des Kapitals an. Für die Charakteristik der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit als gesellschaftlicher Ordnung der Arbeit im Sozialismus und Kommunismus ist die Frage nach der abstrakten Arbeit bedeutsam. Die abstrakte Arbeit als Verausgabung von menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinne, als die Gleichheit der Arbeiten verschiedener Individuen, ist eine allgemeine Kategorie. Abstrakte Arbeit als „Tauschwert setzende Arbeit ist dagegen eine spezifisch gesellschaftliche Form der Arbeit"67. Im ersteren Sinne gibt es die abstrakte Arbeit auch im Sozialismus, und sie wird es auch im Kommunismus geben. Im zweiten Sinne gibt es die abstrakte Arbeit nur im Sozialismus. In der kommunistischen Gesellschaft existiert sie jedoch nicht, weil die Gesellschaft schon im Stadium des Sozialismus eine entwickeltere Form der gesellschaftlichen Arbeit hervorbringt: die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit. Marx schreibt über die abstrakte Arbeit: „Es charakterisiert endlich die Tauschwert setzende Arbeit, daß die gesellschaftliche Beziehung der Personen sich gleichsam verkehrt darstellt, nämlich als gesellschaftliches Verhältnis der Sachen."68 Bei der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit sind die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen und Kollektiven wechselseitige Beziehungen in der Arbeit, das heißt in der kollektiven, gemeinschaftlichen Arbeit im Prozeß eben dieser Tätigkeit, und sind nicht „entfremdet". Die gesellschaftlichen Verhältnisse der Personen werden hier mit Hilfe von Sachen verwirklicht, aber sie nehmen nicht den Charakter von Verhältnissen von Sachen an. So zeigt zum Beispiel der Umfang der abgesetzten Produktion, daß die in ihr vergegenständlichte Arbeit nicht nur gesellschaftlichen Gebrauchswert schafft, sondern auch ökonomische Verhältnisse, ökonomische Beziehungen zwischen Liefer- und Abnehmerbetrieb. Daß diese Beziehungen durch Kauf und Verkauf realisiert werden, widerspricht dem nicht, sondern 67

K. Marx, Zur Kritik der politischen Ökonomie, in: MEW, Bd 13, Berlin 1961, S. 24. 68 Ebenda, S. 21.

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bestätigt es. Ware-Geld-Beziehungen existieren deswegen, weil in den Betrieben kollektive Arbeit verrichtet wird und zwischen den Betrieben Beziehungen in der Arbeit vorhanden sind. Es ist unzulässig anzunehmen, daß die kollektiven Beziehungen in der Arbeit hier deswegen existieren, weil es Ware-Geld-Beziehungen gibt. Die berühmten Worte von Marx über die vorrangige Bedeutung des Austausches zwischen den an der Produktion beteiligten Arten der Arbeiten gegenüber dem Austausch der Produkte dürfen nicht vergessen werden. Sowohl die unmittelbar gesellschaftliche als auch die abstrakte Arbeit sind im Sozialismus gesellschaftliche Formen der Arbeit und drücken ein und dasselbe Wesen der Arbeit, ein und dieselben Beziehungen in der Arbeit aus. Davon ist allumfassende und grundlegende Form die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit, die sich vielfältig äußert, darunter auch in der abstrakten Arbeit, in Wertverhältnissen. Den zwei Arten der abstrakten Arbeit entsprechen zwei Methoden ihrer Messung. Die abstrakte Arbeit als die allgemeine, in jeder konkreten Arbeit enthaltene Arbeitsenergie muß in entsprechenden Energie-Einheiten gemessen werden. Arbeit schließt mehrere Arten von Energie ein: mechanische Energie, Wärmeenergie, chemische und elektrische Energie sowie die physiologische Energie der Muskeln, Nerven und des Großhirns. Wenn keine einheitliche Messung der Verausgabung von menschlicher Energie festgelegt wird, um jenes Gemeinsame festzustellen, das in den verschiedenen Arten der Arbeit enthalten ist, dann ist es unmöglich, die Aufgaben der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation erfolgreich zu lösen, insbesondere die Eignung einer bestimmten Arbeit für Männer oder Frauen, für Erwachsene oder Jugendliche usw. Auf die Frage, was Arbeitsenergie ist, wie sie gespeichert und in welcher Menge sie verausgabt wird, müssen die Naturwissenschaften antworten. Abstrakte Arbeit als Form der gesellschaftlichen Arbeit ist im Sozialismus unmittelbar gesellschaftliche Arbeit, die sich nicht nur in der Arbeitszeit, durch den Austausch eines Produkts gegen ein anderes, sondern auch durch Kauf und Verkauf, also auch in der Verwendung von Wertformen äußert. Die Wirtschaftsreform in der UdSSR ist ein Schritt zur Weiterentwicklung der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit und folglich zur vollständigeren Nutzung der WareGeld-Beziehungen. Hauptinhalt der Wirtschaftsreform ist die verstärkte Rolle der ökonomischen Methoden der Leitung und Führung der Volkswirtschaft. Dies drückt sich darin aus, daß der Äußerung des unmittel57

bar gesellschaftlichen Charakters der Arbeit weiter Raum gegeben wird. Die früheren Methoden der Leitung, Planung, ökonomischen Stimulierung und des materiellen Anreizes entsprachen nicht mehr dem höheren Niveau der Produktivkräfte und hielten deren Entwicklung auf; denn sie trugen nicht dazu bei, daß sich der unmittelbar gesellschaftliche Charakter der Arbeit in einem der wichtigsten Bereiche der Beziehungen in der Arbeit äußerte: im Bereich der Leitung der Produktion. Die Planung nach der Hauptkennziffer „Bruttoproduktion" ist keine Planung des unmittelbar gesellschaftlich notwendigen Arbeitsaufwands und der Beziehungen in der Arbeit. Planung auf der Basis der Hauptkennziffer „abgesetzte Produktion" drückt dagegen in hohem Grade das Hauptkennzeichen der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit aus: Kollektivität, gemeinschaftliche Arbeit. Denn die „abgesetzte Produktion" zeigt, daß der Lieferbetrieb das hergestellt hat, was der Abnehmerbetrieb gebraucht hat und beide der Gesellschaft gemeinsam das gegeben haben, was von ihnen erwartet wird. Die sozialistische Produktion stellt die erste Phase der entwickelten kommunistischen Produktion dar. Obwohl die wesentlichen Prozesse der sozialistischen gesellschaftlichen Arbeit solche Eigenschaften enthalten, bei deren voller Reife es unnötig wird, daß sich der gesellschaftliche Charakter der Arbeit durch die abstrakte Arbeit äußert, gibt es gegenwärtig noch die Kategorie der abstrakten Arbeit als eine Erscheinungsform der gesellschaftlichen Arbeit. Daraus folgt keineswegs, daß sich die abstrakte Arbeit im Sozialismus nicht prinzipiell von der abstrakten Arbeit im Kapitalismus unterscheidet. Im Gegenteil erklärt sich daraus die prinzipiell andere Natur der sozialistischen Warenwirtschaft. Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit als ein Typus der Organisation der gesellschaftlichen Arbeit bildet sich in relativ kurzer historischer Frist heraus. Jedoch geschieht dies allmählich, nämlich entsprechend der Entwicklung des sozialistischen Eigentums und der materiell-technischen Basis. Die unmittelbar gesellschaftliche Arbeit als die höchste historische Form der gesellschaftlichen Arbeit wird qualitativ, das heißt vom Standpunkt des Wesens der Produktionsverhältnisse, durch solche Kategorien gekennzeichnet wie: notwendige Arbeit und Mehrarbeit, Teilung und Wechsel der Arbeit, produktive und nichtproduktive Arbeit, gesellschaftlich notwendige Arbeit, Arbeit für sich und die Gesellschaft. Auf diese Kategorien gehen wir nun ein.

KAPITEL

II

Notwendige Arbeit und Mehrarbeit

Notwendige Arbeit und Mehrarbeit bilden die grundlegenden Formen der gesellschaftlichen Arbeit. Karl Marx hat die notwendige Arbeit die erste Periode und die Mehrarbeit die zweite Periode des einheitlichen Arbeitsprozesses genannt. 1 E s h a t in der Geschichte der Arbeit des Menschen, deren Ziel die Gewinnung von Existenzmitteln ist, eine Zeit gegeben, in der es keine Mehrarbeit gab. Das war in der Urgemeinschaft bis zur E n t s t e h u n g des Patriarchats. Aber bereits in der vaterrechtlichen Gens spiegelte die Mehrarbeit (das Mehrprodukt) das Wachstum der Produktivkräfte wider u n d bildete eine Ursache für den Zerfall der Urgemeinschaft. Seit diesen fernen Zeiten gibt es keine Arbeit, die nicht in notwendige Arbeit und Mehrarbeit zerfällt. Notwendige u n d Mehrarbeit sind die Gegensätze in einem einheitlichen Prozeß. Notwendige Arbeit ist unmöglich ohne Mehrarbeit, u n d Mehrarbeit ist unmöglich ohne notwendige Arbeit. Ihre Einheit bildet die Bedingung f ü r Existenz und Entwicklung von beiden. Zugleich existiert diese Einheit durch den Unterschied zwischen ihnen. Die Einheit von und der Unterschied zwischen notwendiger und Mehrarbeit bilden die Grundlage f ü r das Wirken des ökonomischen Gesetzes der wachsenden P r o d u k t i v k r a f t der gesellschaftlichen Arbeit. Diese Einheit und dieser Unterschied sind relativ und vorübergehend. Notwendige und Mehrarbeit sind einheitlich und nicht einheitlich, verschieden und nicht verschieden. Ein und dieselbe Arbeit t r i t t als notwendige Arbeit und als Mehrarbeit oder zu einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Sphäre nur als notwendige Arbeit oder n u r als Mehrarbeit auf. Besonders läßt sich dies a n h a n d der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erläutern. Karl Marx schrieb: „Wir haben 1

Vgl. K. Marx, Das Kapital, Erster Band, in: MEW, Bd 23, Berlin 1962, S. 230/231. 59

früher gezeigt, daß, wie die Arbeit des einzelnen Arbeiters in notwendige und Mehrarbeit zerfällt, so man die Gesamtarbeit derart teilen kann, daß der Teil, der die Gesamtlebensmittel für die Arbeiterklasse produziert (eingeschlossen die hierfür erheischten Produktionsmittel), die notwendige Arbeit für die ganze Gesellschaft verrichtet. Die von dem ganzen übrigen Teil der Arbeiterklasse verrichtete Arbeit kann als Mehrarbeit betrachtet werden. Aber die notwendige Arbeit schließt keineswegs bloß agricole Arbeit ein, sondern auch die Arbeit, die alle übrigen Produkte produziert, die in den Durchschnittskonsum des Arbeiters notwendig eingehn. Auch verrichten die einen, gesellschaftlich gesprochen, bloß notwendige Arbeit, weil die andern bloß Mehrarbeit verrichten, und umgekehrt. Es ist dies nur Teilung der Arbeit zwischen ihnen. Ebenso verhält es sich mit der Teilung der Arbeit zwischen agricolen und industriellen Arbeitern überhaupt. Dem rein industriellen Charakter der Arbeit auf der einen Seite entspricht der rein agricole auf der andern. Diese rein agricole Arbeit ist keineswegs naturwüchsig, sondern selbst ein Produkt, und zwar ein sehr modernes, keineswegs überall erreichtes, der gesellschaftlichen Entwicklung, und entspricht einer ganz bestimmten Produktionsstufe. Ebenso wie ein Teil der agricolen Arbeit sich vergegenständlicht in Produkten, die entweder nur dem Luxus dienen oder Rohstoffe für Industrien bilden, keineswegs aber in die Nahrung, geschweige in die Nahrung der Massen eingehn, so wird auch andrerseits ein Teil der industriellen Arbeit vergegenständlicht in Produkten, die zu den notwendigen Konsumtionsmitteln sowohl der agricolen wie der nicht agricolen Arbeiter dienen. Es ist falsch, diese industrielle Arbeit — vom gesellschaftlichen Standpunkt - als Mehrarbeit aufzufassen. „Sie ist zum Teil ebenso notwendige Arbeit wie der notwendige Teil der agrikolen."2 So ist die Arbeit der Landarbeiter für diese Arbeiter selbst notwendige Arbeit und zugleich Mehrarbeit und außerdem für die Gesellschaft ganz und gar notwendige Arbeit. Das'selbe kann auch von der Arbeit der Werktätigen in den zahlreichen Industriezweigen sowie von der Arbeit in den Betrieben gesagt werden. Es sind zum Beispiel unter den neuen Bedingungen der Planung und materiellen Stimulierung diejenigen Betriebe, die nicht den erforderlichen Bestand an eigenen Umlaufmitteln sichern, verpflichtet, das Defizit durch überplanmäßige Akkumulation in der folgenden Periode aus2 K.Marx, Das Kapital, Dritter Band, in: MEW, Bd 25, Berlin 1964, S. 646.

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zugleichen. Die Verringerung der notwendigen Arbeit in der einen Periode wird durch die Mehrarbeit der folgenden Periode ausgeglichen. Entstehung und Existenz der Mehrarbeit drücken das Wachstum der Arbeitsproduktivität aus und bilden die ökonomische Grundlage für Entstehung und Vertiefung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Marx hat mehrfach darauf hingewiesen, daß notwendige und Mehrarbeit allgemeine ökonomische Kategorien sind, die für jede Entwicklung der gesellschaftlichen Ordnung, der Produktion und der Arbeit zutreffen. Im dritten Band des „Kapitals" wird der Terminus „Mehrarbeit überhaupt" verwendet und darauf hingewiesen, daß es Mehrarbeit schon vor der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit (vor dem Kapitalismus) gibt: „Die Mehrarbeit und das Mehrprodukt des ackerbauenden Stamms, der Hausgemeinde oder Familie umfaßt sowohl agrikole wie industrielle Arbeit. Beidegehn Handin Hand."3 Friedrich Engels schrieb zur Bedeutung der Mehrarbeit in der Gesellschaft: „Alle Entwicklung der menschlichen Gesellschaft über die Stufe tierischer Wildheit hinaus fängt an von dem Tage, wo die Arbeit der Familie mehr Produkte schuf, als zu ihrem Unterhalt notwendig waren, von dem Tage, wo ein Teil der Arbeit auf die Erzeugung nicht mehr von bloßen Lebensmitteln, sondern von Produktionsmitteln verwandt werden konnte. Ein Überschuß des Arbeitsprodukts über die Unterhaltungskosten der Arbeit, und die Bildung und Vermehrung eines gesellschaftlichen Produktions- und Reservefonds aus diesem Überschuß, war und ist die Grundlage aller gesellschaftlichen, politischen und intellektuellen Fortentwicklung."4 Der Marxismus verbindet die Frage nach der Entstehung der Ausbeutung und nach der Beseitigung dieser Ausbeutung mit dem Entwicklungsstand der Produktivkraft der Arbeit und damit, welchen Anteil notwendige und Mehrarbeit haben. Friedrich Engels schrieb: „Fügen wir bei dieser Gelegenheit hinzu, daß alle bisherigen geschichtlichen Gegensätze von ausbeutenden und ausgebeuteten, herrschenden. und unterdrückten Klassen ihre Erklärung finden in derselben verhältnismäßig unentwickelten Produktivität der menschlichen Arbeit. Solange die wirklich arbeitende Bevölkerung von ihrer notwendigen Arbeit so sehr in Anspruch genommen wird, daß ihr keine Zeit zur Besorgung der gemeinsamen Geschäfte der Gesellschaft — Arbeitsleitung, Staatsgeschäfte, Rechtsangelegenheiten, Kunst, Wis3 4

Ebenda, S. 645. F. Engels, Anti-Dühring, in: MEW, Bd 20, Berlin 1962, S. 180.

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senschaft etc. - übrigbleibt, solange mußte stets eine besondre Klasse bestehen, die, von der wirklichen Arbeit befreit, diese Angelegenheiten besorgte; . . . Erst die durch die große Industrie erreichte ungeheure Steigerung der Produktivkräfte erlaubt, die Arbeit auf alle Gesellschaftsglieder ohne Ausnahme zu verteilen und dadurch die Arbeitszeit eines jeden so zu beschränken, daß für alle hinreichend Zeit bleibt, um sich an den allgemeinen Angelegenheiten der Gesellschaft — theoretischen wie praktischen — zu beteiligen." 5 In einem bestimmten Entwicklungsstadium der Gesellschaft bildet die Mehrarbeit die Basis für die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, einer Klasse durch die andere. In einem höheren Entwicklungsstadium dagegen ist Mehrarbeit die Grundlage, um die Ausbeutung zu beseitigen und für immer unmöglich zu machen. Jede reife Gesellschaft kann nur dann existieren und sich entwickeln, wenn ihre Mitglieder mehr materielle und kulturelle Güter produzieren, als für sie selbst, für die Werktätigen der Produktion, erforderlich sind. Die marxistisch-leninistische politische Ökonomie hat unzweifelhaft begründet, warum Mehrarbeit und Mehrprodukt in einer entwickelten Gesellschaft objektiv notwendig sind. Dennoch vertreten einige Ökonomen entgegengesetzte Behauptungen. 6 In der Zeitschrift „Voprosy ékonomiki" wurde behauptet, daß Arbeit nur in Form von notwendiger Arbeit existieren kann. Bei dieser Behauptung wird die Tatsache ignoriert, daß die Arbeit in notwendige Arbeit und Mehrarbeit geteilt ist. Es wird nicht anerkannt, daß die Arbeit nur als Einheit von und Unterschied zwischen notwendiger und Mehrarbeit auftritt. Ohne dies sind Arbeits- und Produktionsprozeß unmöglich. In der Vergangenheit haben einige Ökonomen auch die Existenz der Kategorien notwendige Arbeit und Mehrarbeit im Sozialismus bestritten. Die Programme des Kurses der politischen Ökonomie enthielten sogar einen entsprechenden Abschnitt „Keine Teilung des Arbeitstages in notwendige und Mehrarbeit". Heute gibt es zwar weniger Verteidiger dieser Auffassung, aber es gibt sie noch. 7 Als Bestätigung ihres Standpunktes führen sie in der Regel eine Aussage von Marx an: „Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu beschränken. Jedoch würde die letztre, unter sonst gleichblei5 Ebenda, S. 169. Vgl. Voprosy ékonomiki, 10/1960. ? Vgl. Ékonomika truda v SSSR, Moskau 1962.

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benden Umständen, ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche größer. Andrerseits würde ein Teil der jetzigen Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit zählen, nämlich die zur Erzielung eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds nötige Arbeit." 8 Dazu ist folgendes zu sagen: Wenn man nicht von der Terminologie, sondern vom Wesen der notwendigen und Mehrarbeit ausgeht, dann wird in dem Zitat aus dem „Kapital" die Notwendigkeit von notwendiger und Mehrarbeit im Sozialismus nicht etwa bestritten, sondern, im Gegenteil, bestätigt. Marx sagt hier ausdrücklich, daß man die Schaffung der Lebensmittel für die Werktätigen der Produktion von der durch Arbeit erfolgenden Schaffung derjenigen materiellen Güter unterscheiden muß, die in den gesellschaftlichen Reserveund Akkumulationsfonds eingehen. Wenn Marx die Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit hinzurechnet, so betont er den objektiven Charakter der Mehrarbeit und die Einheit von notwendiger und Mehrarbeit nach der Beseitigung der kapitalistischen Produktion. Einen Teil der jetzigen Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit zählen heißt nicht, die Mehrarbeit zu negieren, sondern ihre Verbindung mit der notwendigen Arbeit zu unterstreichen und zu zeigen, daß die notwendige Arbeit die Quelle für die Erweiterung der Produktion ist, also im Sozialismus auch die Funktion der Mehrarbeit übernimmt. Außerdem wird in vielen anderen Äußerungen von Marx gesagt, daß das, was unter kapitalistischen Bedingungen die Grundlage des Arbeitslohns bildet (die notwendige Arbeit), und das, was hier die Grundlage des Mehrwerts ausmacht (die Mehrarbeit), „allen gesellschaftlichen Produktionsweisen gemeinsam" ist 9 . Schließlich bietet das Leben der sozialistischen Gesellschaft Beispiele für hohes Niveau der Akkumulation und hohes Tempo der Erweiterung der Produktion bei gleichzeitigem Wachstum des materiellen Wohlstands der Massen und zeigt so, daß die sozialistische Arbeit in notwendige und Mehrarbeit zerfällt. Das System der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit unterscheidet sich vom System der Lohnarbeit in der besonderen Natur der notwendigen und der Mehrarbeit, in ihrer Einheit und darin, daß antagonistische Widersprüche zwischen ihnen fehlen, aber nicht darin, daß die sozialistische Arbeit eine solche Einteilung angeblich nicht kennt. 8 9

K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 552. K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, a. a. O., S. 883.

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Der Kommunismus schließt weder in seinem ersten Stadium noch im Stadium seiner vollen Entwicklung Existenz und hohes Wachstum der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit aus. Die Behauptung, daß der Sozialismus eine Trennung der Arbeit und des Produkts in einen notwendigen und einen zusätzlichen Bestandteil nicht kenne, ist also nicht haltbar. Unter notwendiger Arbeit versteht die marxistisch-leninistische politische Ökonomie die Arbeit, die für die Produktion von Lebensmitteln für die Werktätigen der Produktion selbst, für deren ständige Reproduktion verausgabt wird. Marx nennt diese Arbeit „notwendig für den Arbeiter, weil unabhängig von der gesellschaftlichen Form seiner Arbeit"i0. Unter Mehrarbeit wird die Arbeit verstanden, die für die Produktion von materiellen und geistigen Gütern notwendig ist, über diejenigen Güter hinaus, die von den Werktätigen der Produktion verbraucht werden. „Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der gegebnen Bedürfnisse hinaus, muß immer bleiben . . . Ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit ist erheischt durch die Assekuranz gegen Zufälle, durch die notwendige, der Entwicklung der Bedürfnisse und dem Fortschritt der Bevölkerung entsprechende, progressive Ausdehnung des Reproduktionsprozesses . . . " n Marx nennt die Mehrarbeit die „zweite Periode des Arbeitsprozesses" und unterstreicht damit, daß Mehrarbeit eine objektive Kategorie des Produktionsprozesses ist. Die Natur der notwendigen und Mehrarbeit sowie die Wechselbeziehung zwischen beiden wird durch die gesellschaftliche Ordnung bestimmt. Es gibt keine notwendige und Mehrarbeit an sich, außerhalb einer historischen Form der gesellschaftlichen Produktion und Arbeit. Zugleich gilt, daß nicht die historisch bestimmte Form der Produktion die Ursache für die Existenz von notwendiger und Mehrarbeit ist, sondern die entwickelte Produktion überhaupt. Der Kapitalismus hat notwendige und Mehrarbeit nicht hervorgebracht. Er hat sie lediglich seiner eigenen Natur angepaßt. Im Kapitalismus ist notwendige Arbeit jener Teil des Arbeitsprozesses, in dessen Verlauf der Wert der Arbeitskraft reproduziert wird, das heißt der Wert der für den Arbeiter notwendigen Existenzmittel. In der kapitalistischen Gesellschaft sind die Produktionsmittel von den unmittelbaren Produzenten getrennt und in den Händen der Klasse der Kapitalisten 10

K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 231. " K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, a. a. O., S. 827.

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konzentriert. Die Produzenten sind dieser Existenzmittel beraubt und können nur dadurch leben, daß sie ihre Arbeitskraft verkaufen. Die Arbeitskraft wird von den Eigentümern der Produktionsmittel gekauft, um Mehrwert zu schaffen. Das heißt, die notwendige Arbeit ist auch für das Kapitell, für die gesamte kapitalistische Welt notwendig, schreibt Marx, weil die ständige Existenz des Arbeiters durch die notwendige Arbeit die Basis dieser kapitalistischen Welt darstellt. Die kapitalistische Form der notwendigen Arbeit ist folglich mit der Ware Arbeitskraft verbunden. Die kapitalistische Form der notwendigen Arbeit drückt sich in der Wirkung des Gesetzes des Wertes der Arbeitskraft aus. Noch klarer zeigt sich der ausbeuterische Charakter des Kapitalismus bei der Analyse der Mehrarbeit. Wie Marx im „Kapital" unwiderleglich bewiesen hat, preßt der Kapitalismus die Mehrarbeit zwangsweise aus den unmittelbaren Produzenten heraus, „wie sehr sie auch als das Resultat freier kontraktlicher Übereinkunft erscheinen mag" 12 . Das Produkt dieser Arbeit eignen sich die Kapitalisten ohne jede Gegenleistung an. Es kostet sie nichts, sie aber häufen damit kolossale Reichtümer an. Im Kapitalismus besitzt das Produkt der Mehrarbeit eine antagonistische Form, es äußert sich in ihm ökonomisch das privatkapitalistische Eigentum. Bildet die notwendige Arbeit die Existenzgrundlage des kapitalistischen Systems, so stellt die Mehrarbeit den grundlegenden Sinn dieses Systems dar. Die Mehrarbeit „bildet Mehrwert, der den Kapitalisten mit allem Reiz einer Schöpfung aus Nichts anlacht" 1J . Der Kapitalist arbeitet nicht, sondern eignet sich an, was durch die Arbeit anderer geschaffen wird. Die kapitalistische Form der Mehrarbeit äußert sich im ökonomischen Grundgesetz des Kapitalismus, im Mehrwertgesetz. Notwendige und Mehrarbeit sind im Kapitalismus eine typische Einheit von antagonistisch entgegengesetzten Seiten, die sich nicht ineinander verwandeln und sich unter den gegebenen Bedingungen auch nicht ineinander verwandeln können. Die Geschichte des Kapitalismus kennt keine solche Gesetzmäßigkeit, daß sich die kapitalistische Akkumulation von sich aus, aus eigenen inneren Impulsen heraus in sozialistische Akkumulation verwandelt, daß sich das privatkapitalistische Eigentum zu sozialistischem gesellschaftlichem Eigentum entwickelt. Die kapitalistische Nationalisierung entwickelt nur das Eigentum der einzelnen Kapitalisten zum Eigentum der Klasse der Kapitalisten. Sie verwandelt die Betriebe usw. nicht in sozialistisches 12 Ebenda. K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 231.

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Tjapkin, Organisation

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Eigentum des ganzen Volkes und macht die kapitalisierte Mehrarbeit nicht zu notwendiger Arbeit im Interesse der gesamten Gesellschaft. Einerseits sind im Kapitalismus notwendige und Mehrarbeit voneinander untrennbar und bedingen sich gegenseitig. Andererseits stehen sie einander antagonistisch gegenüber; denn hinter der notwendigen Arbeit stehen die Interessen der Arbeiterklasse und hinter der Mehrarbeit die der Ausbeuterklassen. Der Kampf der Massen für die Erhöhung des Arbeitslohns und die Verkürzung des Arbeitstages ist unter bestimmten Bedingungen ein Kampf um Vergrößerung der notwendigen Arbeit oder um Bewahrung der gegebenen Dauer der notwendigen Arbeit. Der Kampf der Kapitalisten um die Erzielung größtmöglichen Gewinns bedeutet letzten Endes Kampf für die Vergrößerung der Mehrarbeit und die Verminderung der notwendigen Arbeit. In diesem unversöhnlichen Kampf ist die ganze Geschichte des Kapitalismus zusammengefaßt. Im Sozialsmus haben notwendige Arbeit und die Mehrarbeit einen völlig anderen Charakter. Um das Wesen der sozialistischen Form der notwendigen Arbeit zu klären, muß man vor allem folgende Fragen beantworten: Wenn das Gesetz des Wertes der Arbeitskraft nicht gilt, die Arbeitskraft eine prinzipiell andere ökonomische Natur besitzt, wenn die „Arbeitskraft" keine Ware ist, nicht verkauft und nicht gekauft wird, kann man dann die notwendige Arbeit nur mit der „Arbeitskraft" in Beziehung setzen und sie nur insoweit als notwendig betrachten, wie sie materielle Güter für die Arbeiter der Produktion liefert? Wir meinen — nein. Das hieße diese Kategorie der kapitalistischen Wirtschaft auf die sozialistische Ökonomie mechanisch übertragen und die qualitative Besonderheit dieser Kategorie im Sozialismus außer acht lassen. Wenn wir die notwendige Arbeit von der kapitalistischen Form befreien, so sehen wir, daß die notwendige Arbeit organisch mit dem ökonomischen Gesetz der Kontinuität der gesellschaftlichen Produktion verbunden ist. Außerhalb der Verbindung mit diesem ökonomischen Gesetz, begriffen nur als Quelle für den Ersatz der Aufwendungen an Arbeitskraft, verliert die notwendige Arbeit im Sozialismus ihren ökonomischen Inhalt und drückt nicht die Verhältnisse in der Arbeit - insbesondere die Wechselbeziehung zwischen der lebendigen und der vergegenständlichten Arbeit — aus. Von welcher Art die gesellschaftliche Form der Produktion auch sein möge, sie ist kontinuierlich. Die Gesellschaft kann nicht aufhören zu konsumieren und zu produzieren, um so mehr, als Konsumtion und Produktion zusammenfallen, gleichzeitig als ein einheitlicher 66

Prozeß erfolgen. Die Kontinuität des Prozesses der gesellschaftlichen Produktion ist ein allgemeines ökonomisches Gesetz. Deshalb ist ein Teil des Arbeitsprozesses und folglich ein Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts für die Produktion bestimmt. Die kapitalistischen Produktionsbedingungen verbinden die notwendige Arbeit mit dem Wert der Arbeitskraft und maskieren so die Tatsache, daß dieser Teil der Periode des Arbeitsprozesses auch für das Kapital selbst notwendig ist und eine unumgängliche Bedingung für dessen Erhaltung ist. Unter sozialistischen Bedingungen werden notwendige Arbeit und notwendiges Produkt von diesen Vermittlungen befreit, das heißt vom Wert der Arbeitskraft als der Erscheinungsform der notwendige Arbeit, und wirken unmittelbar als Quelle für die Sicherung der Kontinuität des gesellschaftlichen Produktionsprozesses. Marx schrieb: „Wohl aber ist neue zusätzliche Arbeit nötig, um das während des vergangnen Jahrs nach seinem Wert und Gebrauchswert aufgezehrte konstante Kapital zu ersetzen, ohne welchen Ersatz die Reproduktion überhaupt unmöglich ist."14 Der ökonomischen Rolle im Reproduktionsprozeß nach gehört diese von Marx genannte „neue zusätzliche Arbeit" im Sozialismus unseres Erachtens zur notwendigen Arbeit und nicht zur Mehrarbeit. Planmäßige sozialistische Reproduktion setzt planmäßigen Ersatz der konsumierten Produktionsmittel voraus. Dieser Ersatz erfolgt aus dem gesellschaftlichen Gesamtprodukt in Natural- und Wertform. Ersatz in Naturalform ist voller oder teilweiser Austausch der verbrauchten Maschinen, Gebäude und anderen Baulichkeiten usw. durch neue und erfolgt durch die konkrete Arbeit. Ersatz dem Wert nach ist Ersatz der in den verbrauchten Maschinen, Gebäuden und anderen Baulichkeiten usw. verkörperten vergangenen vergegenständlichten Arbeit durch lebendige Arbeit, durch Arbeit überhaupt, unabhängig von ihrer konkreten Form. Daß der Wert der benutzten Produktionsmittel durch Arbeit überhaupt erhalten bleibt, hat Marx viele Male geäußert. „Daß zugleich (das heißt im Produktionsprozeß — N. T.) erhalten wird die im Rohstoff und Instrument enthaltne Arbeitszeit, ist Resultat nicht der Quantität der A rbeit, sondern ihrer Qualität als Arbeit überhaupt; und ihre allgemeine Qualität, die keine besondre Qualifikation derselben ist — nicht spezifisch bestimmte Arbeit —, sondern daß die Arbeit als Arbeit Arbeit ist . . ." 15 15

K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, a. a. O., S. 843. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 265.



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Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel bedeutet, daß die vergangene Arbeit sowohl in konkreter Form als auch in allgemeiner Form dem Wert nach ersetzt wird. Während jedoch der Ersatz der jeweiligen Menge vergegenständlichter Arbeit durch dieselbe Menge lebendiger Arbeit notwendig ist, kann der Ersatz einer bestimmten konkreten Art von Arbeit durch eine andere Art von konkreter Arbeit erfolgen. Der Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel ist nicht nur mit der stofflichen, sondern auch mit der gesellschaftlichen Seite der Arbeit verbunden. Der technische Fortschritt hängt nicht nur mit dem Akkumulationsfonds, sondern auch mit dem Ersatzfonds zusammen. Der Ersatzfonds ergibt sich aus den fungierenden Produktionsmitteln und der Notwendigkeit, diese in funktionstüchtigem Zustand zu erhalten. Dieser Fonds unterscheidet sich in seiner ökonomischen Rolle vom Akkumulationsfonds. Unter dem Einfluß des technischen Fortschritts verändern sich jedoch beide. Aus dem Ersatzfonds werden die verbrauchten Produktionsmittel nicht einfach in ihrer früheren realen Form reproduziert, sondern sie werden vervollkommnet und hierbei die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik berücksichtigt. E s ist hervorzuheben, daß im Sozialismus ein charakteristisches Merkmal der notwendigen Arbeit darin besteht, daß sie hier objektiv notwendiges Mittel zur Erhaltung der vergegenständlichten Arbeit durch lebendige Arbeit ist. Im Arbeitsprozeß wird Wert von den benutzten Produktionsmitteln auf das Produkt übertragen. Qualifizierte Arbeit ist heute unumgänglich, um den Wert der komplizierten Produktionsmittel auf das Produkt zu übertragen. Die Erlangung der Qualifikation aber erfordert Arbeit. Der Wert der verwendeten Produktionsmittel wird durch, konkrete Arbeit auf den Wert der erzeugten Waren übertragen. Wie dies im Produktionsprozeß geschieht, an dem die Arbeiter unmittelbar teilnehmen, ist von Marx im „Kapital" wissenschaftlich bewiesen worden. 16 Wie aber geschieht das unter den Bedingungen der modernen automatisierten Produktion, in der nicht nur die Arbeit der Arbeiter, sondern zu einem erheblichen Teil auch die der Ingenieure entbehrlich ist? Die ökonomische Literatur umgeht diese Frage. E s soll hier näher darauf eingegeangen werden. Die Automatisierung ist eine Richtung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts. In naher Zukunft wird die automatisierte Produktion die maschinelle Produktion ablösen und zu einer historisch bedingten Stufe der industriellen Pro16

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K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 214ff.

duktion werden. Schon heute sind in der Industrie Betriebe nicht selten, in deren Produktionsabteilungen es keinen einzigen Arbeiter gibt. Ein automatisiertes Wasserkraftwerk zum Beispiel kann längere Zeit ohne jeden Arbeiter funktionieren. Wie wird in einem solchen Falle der Wert (die vergegenständlichte gesellschaftlich notwendige Arbeit) der Ausrüstung auf den Wert der Elektroenergie übertragen? Bei der anfänglichen Teilautomatisierung, wo viele Prozesse der Elektroenergieerzeugung automatisiert sind, andere aber, wie Einrichtung und Reparatur der Ausrüstung, durch die Arbeiter des Wasserkraftwerkes ausgeführt werden, geschieht dies durch die konkrete Arbeit dieser Werktätigen. In dem Stadium der entwickelten (komplexen) Automatisierung, in dem sich gegenwärtig auch unsere Wasserkraftwerke befinden, nehmen die Arbeiter nicht mehr unmittelbar am Produktionsprozeß teil. Hier erfolgt die Übertragung des Wertes durch die Arbeit der Produzenten der automatischen Produktionsmittel und die Werktätigen der Leitung in den Maschinenbaubetrieben. Zeigen wir das an einem einfachen Beispiel. Wenn die Traktorenbauer einen Traktor herstellen, wo wird sein Wert auf den Wert des Getreides durch die Arbeit des Traktoristen übertragen, der mit Hilfe dieses Traktors pflügt, sät und erntet. Stellen die Traktorenbauer dagegen einen Traktor her, dessen Arbeit beim Pflügen automatisch gesteuert wird, so wird sein Wert auf den Wert des Getreides durch die Arbeit der Werktätigen des Traktorenwerkes übertragen, unabhängig davon, in welcher Abteilung diese Werktätigen arbeiten, das heißt auch durch die Arbeit der Konstrukteure im Konstruktionsbüro des Werkes oder in einem wissenschaftlichen Forschungsinstitut. Bei automatischer Produktion im Maßstab der gesamten Gesellschaft, wo die Tätigkeit aller Teilnehmer der Produktion von der Projektierung bis zur Herstellung der Fertigprodukte durch automatische Anlagen ausgeführt wird, ist die Arbeit der Menschen aus dem unmittelbaren Produktionsprozeß verbannt und in der Sphäre der schöpferischen wissenschaftlichen Arbeit konzentriert. Die automatische Werkzeugmaschine, die automatische Fertigungslinie und das automatische Werk werden ebenfalls von solchen automatischen Werkzeugmaschinen, Fertigungslinien und Werken hergestellt werden. Die konkreten Arten der Produktion werden zahlenmäßig zunehmen. Aber die Arten der konkreten Arbeit werden relativ abnehmen, da die Arbeit unter diesen Bedingungen vorwiegend in der Sphäre der Wissenschaften und der schöpferischen Beratung zur rationellen Durchführung der Produktion konzentriert sein wird. Durch diese Arbeit wird die in den Produktionsmitteln vergegenständlichte Arbeit erhalten bleiben 69

oder wird der Wert von den Produktionsmitteln auf die Produkte übertragen. Es geschieht folglich eine grundlegende Veränderung der konkreten Arbeit: Von einer unmittelbar konkreten Arbeit wird sie zu einer mittelbar konkreten Arbeit. Somit wird erstens die gesamte konkrete Arbeit aus einer an die Person gebundenen, unmittelbar zum Produktionsprozeß gehörenden Arbeit, zu einer kollektiven, gemeinschaftlichen Arbeit schöpferischer Werktätiger, die ihre Funktionen mit Hilfe der Wissenschaft und der Technik, der Automatik und der vollkommensten Technologie wahrnehmen. Zweitens werden die unmittelbaren Funktionen der konkreten Arbeit nicht durch lebendige, sondern durch vergegenständlichte Arbeit ausgeführt. Die Maschine schafft nicht nur die Maschine, sondern erhält auch deren „Wert", überträgt ihn auf den „Wert" der neuen Maschine oder irgendeiner anderen Art von Produkten. Dies wird eine völlig andere Beschäftigungsstruktur zur Folge haben. Die schöpferischen Fälligkeiten und Bemühungen werden auf das Gebiet der Konstruktion der Technik und der Vervollkommnung der Technologie konzentriert werden. Marx schrieb, daß der unmittelbare Produktionsprozeß „Experimentalwissenschaft, materiell schöpferische und sich vergegenständlichende Wissenschaft" 17 wird. Die Veränderung des Charakters der konkreten Arbeit, die sich darin ausdrückt, daß nicht die lebendige, sondern die vergegenständlichte Arbeit den Wert der Produktionsmittel auf den Wert des mit diesen Mitteln erzeugten Produkts überträgt, stellt eine prinzipiell neue ökonomische Erscheinung dar. Sie kann nicht ohne Auswirkung auf die Natur der notwendigen Arbeit bleiben. Die von Marx entdeckte Kategorie der notwendigen Arbeit als der Arbeit, die zur Reproduktion des Wertes der Arbeitskraft erforderlich ist, drückt das ausbeuterische Wesen des Kapitalismus aus und hilft, das Wesen dieser überlebten ökonomischen Ordnung zu verstehen. Es wird hier an folgende Äußerung von Marx erinnert: „Die spezifische Qualität, die sie besitzt, dadurch daß sie neues Arbeitsquantum dem schon vergegenständlichten Arbeitsquantum zufügt, zugleich die vergegenständlichte Arbeit in ihrer Qualität als vergegenständlichte Arbeit zu erhalten, wird ihr nicht bezahlt, und kostet dem Arbeiter auch nichts, da sie die Natureigenschaft seines Arbeitsvermögens ist." 18 Als Kategorie der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit betrachtet, drückt die notwendige Arbeit das Wesen einer prinzipiell « K. Marx, Grundrisse . . ., a. a. O., S. 599f. »8 Ebenda. S. 269. 70

anderen, der sozialistischen ökonomischen Ordnung aus. Sowohl die Natur dieser Ordnung als auch das Entwicklungsniveau ihrer Produktivkräfte lassen es als unzulänglich erscheinen, die Erhaltung der vergegenständlichten Arbeit durch die „Natureigenschaften" der Arbeitskraft zu erklären. Marx selbst zeigt in den „Grundrissen", daß für die Umwandlung der Bauwolle in Garn, des Garns in Stoff und des Stoffes in Kleidung neue Arbeit erforderlich ist und die in der Baumwolle enthaltene Arbeit (wenn die Baumwolle für Garn bestimmt ist) verlorengeht und den Menschen keinen Nutzen bringt, wenn nicht neue Arbeit angewendet wird. Die neue Arbeit erhält die alte, vergangene, vergegenständlichte. Aber nicht jede neue Arbeit tut das, sondern nur solche, die in einem objektiv bedingten quantitativen Verhältnis zur alten Arbeit steht, entsprechend qualifiziert ist und in einer bestimmten Zeit in einem Produktionskollektiv aufgewendet wird. Die notwendige Arbeit ist folglich in ihrer sozialistischen Form in doppeltem Sinne notwendig: für die Werktätigen selbst, weil dadurch für sie die Gegenstände des persönlichen Bedarfs geschaffen werden, und für die Produktion, für die Gesellschaft, weil die Tätigkeit der Mitglieder der Gesellschaft die unbedingte Voraussetzung für die Kontinuität des Produktionsprozesses und die Erhöhung der Effektivität der Produktion ist. Die sozialistische notwendige Arbeit ist eine der ökonomischen Formen der lebendigen Arbeit, dank der die Arbeit des einen Menschen, des einen Kollektivs, durch die Arbeit eines anderen Menschen, eines anderen Kollektivs, erhalten und ersetzt wird. Darin besteht eine der Seiten der Kollektivität der Arbeit. Die Produktionsfondsabgabe, die durch die Wirtschaftsreform eingeführt worden ist, stellt eine Form des Gewinns dar, durch die die Entwicklung der ökonomischen Funktion der notwendigen Arbeit stimuliert wird. Die sozialistische Form der notwendigen Arbeit kommt darin zum Ausdruck, daß die notwendige Arbeit im Leben der Werktätigen der Produktion eine prinzipiell neue Rolle spielt. Wo sozialistische Produktionsverhältnisse herrschen, gibt es kein Gesetz des Wertes der „Arbeitskraft". Die Dauer der notwendigen Arbeitszeit wird hier nicht durch die Größe des Wertes der „Arbeitskraft" bestimmt, sondern durch solche objektiven Faktoren wie das erreichte Niveau der Arbeitsproduktivität und den Grad der körperlichen und geistigen Entwicklung der Werktätigen der Produktion. Das Wachstum der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit führt zur Zunahme der materiellen und kulturellen Güter. Je höher die 71

Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit ist, desto größer ist das Nationaleinkommen. In der U d S S R werden etwa drei Viertel des Nationaleinkommens zur Befriedigung der persönlichen materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung verwendet, und ein Viertel dient der Akkumulation, das heißt der Erweiterung der sozialistischen Produktion, dem Bau von Produktionsstätten, der Bildung von Reserven. J e höher das Nationaleinkommen ist, desto mehr Konsumgüter erhält jeder. Das Wachstum des Nationaleinkommens und des Realeinkommens je Kopf der Bevölkerung drückte die E r höhung der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit aus. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität schafft ihrerseits die Möglichkeit, die notwendige Arbeit relativ zu verringern. Während das Wachstum der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit unter sonst gleichen Bedingungen zur Verminderung der notwendigen Arbeit führt, wirkt das objektiv erforderliche körperliche und geistige Entwicklungsniveau der Werktätigen der sozialistischen Gesellschaft umgekehrt. Nur allseitig entwickelte Menschen sind in der Lage, auf einem solchen Niveau, wie es Sozialismus und Kommunismus erfordern, zu produzieren und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die auf der modernen Technik beruhende Großproduktion führt dazu, daß die allseitige Entwicklung der Arbeit zu einem allgemeinen Gesetz der gesellschaftlichen Produktion wird. Dieses Gesetz macht es notwendig, „das Teilindividuum, den bloßen Träger einer gesellschaftlichen Detailfunktion, durch das total entwickelte Individuum, für welches verschiedne gesellschaftliche Funktionen einander ablösende Betätigungsweisen sind" 1 9 , zu ersetzen. Die Wirkung dieses Gesetzes führt zu einer Vergrößerung der notwendigen Arbeit. Das heißt, beim gegebenen Niveau der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit muß die notwendige Arbeit so groß sein, daß sie für die Produktion der entsprechenden materiellen und geistigen Güter, also dafür ausreicht, daß sich die Menschen allseitig entwickeln können. Dieses objektive Erfordernis zu beachten ist auch deswegen so außerordentlich wichtig, weil die notwendige Arbeit sowohl Mittel zum Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel als auch Quelle für die Befriedigung der materiellen und geistigen Bedürfnisse der Werktätigen der Produktion ist. Die Intensität der Nutzung der Produktionsgrundfonds und ihres Ersatzes hängt von der Menge und der Qualität der lebendigen Arbeit ab, also von jenem Teil der notwendigen Arbeit, 19

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K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 512.

der die Quelle der Befriedigung der materiellen und geistigen Bedürfnisse der Kader bildet. Marx schrieb, daß man die gegenseitige Identität ökonomischer Kategorien nicht ohne Zwischenglieder beweisen kann. 20 Wie kann man die Beziehung zwischen der notwendigen Arbeit als dem Mittel zum Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel und der notwendigen Arbeit als der Quelle für Existenz und Entwicklung der Werktätigen der Produktion sichtbar machen? Dies ist nur möglich, wenn das Zwischenglied gefunden wird. Dieses Zwischenglied ist der Werktätige der Produktion selbst, das Subjekt der lebendigen Arbeit. Es ergibt sich folgende Kette: lebendige Arbeit — Werktätiger der Produktion — notwendige Arbeit. Es erfolgt notwendige Arbeit in einer objektiv bedingten Menge; es erfolgt die notwendige körperliche und geistige Heranbildung der Kader; es erfolgt schöpferische lebendige Arbeit im notwendigen Ausmaß. Die Lebensbedürfnisse des Menschen der sozialistischen Gesellschaft sind höher als im Kapitalismus. Im Sozialismus hat jeder Werktätige die Möglichkeit, verschiedene Berufe zu erlernen, von einem Beruf zum anderen überzugehen, ein aktiver Erfinder und Rationalisator zu sein, an der Organisation der Produktion, an der Leitung des Betriebes und am gesellschaftlichen Leben des Landes teilzunehmen. Da die Lebensbedürfnisse der Arbeiter der sozialistischen Gesellschaft größer sind und ständig wachsen, so nimmt dementspechend auch die notwendige Arbeit zu, die die Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse liefert. Dies ist eine objektive Gesetzmäßigkeit. Sie findet ihren Ausdruck zum Teil im ökonomischen Gesetz der Verteilung nach der Arbeitsleistung, das vor allem in der Sphäre der Produktion gilt. Dieses Gesetz ist nicht bloß durch die Sphäre der Verteilung mit der Sphäre der Produktion verbunden, sondern es drückt unmittelbar die Verhältnisse der Produktion aus, die Gesetzmäßigkeit der Bildung und Bewegung des notwendigen Produkts und der es hervorbringenden notwendigen Arbeit. Einerseits schafft also das Wachstum der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit die Bedingungen für eine Verminderung der notwendigen Arbeit, und andererseits erfordert die allseitige Entwicklung der Werktätigen der Produktion, die durch das Wachstum der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit zwingend wird, eine Vergrößerung der notwendigen Arbeit. 20

Vgl. K. Marx, Theorien über den Mehrwert, Zweiter Teil, in: MEW, Bd 26.2, Berlin 1967, S. 221.

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Notwendige Arbeit und Mehrarbeit sind einerseits nicht voneinander zu trennen, bilden eine Einheit; keine kann ohne die andere existieren. Andererseits bilden sie einen Gegensatz: Die Zunahme der einen führt zur Verringerung der anderen. Aber keine dieser Seiten kann für immer die andere absorbieren. Sowohl die Einheit als auch der Gegensatz dieser Arten der Arbeit bilden eine Form der ewigen Bewegung, der Entwicklung der Arbeit von der niederen Form zur höheren, von der sozialistischen Arbeit zur kommunistischen, vom gegebenen Niveau der Produktivität zu einem höheren, von einer Stufe des gesellschaftlichen Fortschritts zur höheren. Sieg des Sozialismus und Entwicklung des Sozialismus zum Kommunismus bedeuten Sieg und Entwicklung einer solchen gesellschaftlichen Arbeit, bei der sich notwendige und Mehrarbeit gegenseitig beeinflussen und so dazu beitragen, daß die gesellschaftliche Ordnung der Arbeit die höchste historische Stufe erreicht. Die Steigerung der Arbeitsproduktivität erfolgt im Sozialismus durch Vervollkommnung der Arbeitsmittel, Verbesserung der Rohstoffe, Organisation des technologischen Prozesses und rationellere Organisation der Produktion. Dies alles erfordert außerordentlich kluge und technisch gebildete Menschen. Die Erhöhung der Allgemeinbildung und die Verbesserung der speziellen technischen Ausbildung der Werktätigen der Produktion erfordern ihrerseits von der Gesellschaft erhebliche und ständig steigende Aufwendungen. Die Erhöhung des allgemeinen und beruflichen Niveaus der Kaderausbildung ist Folge der gestiegenen Arbeitsproduktivität und zugleich einer der wichtigsten Faktoren für ihre weitere Steigerung. Im Sozialismus wird der gesellschaftliche Reichtum durch den Grad der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit bestimmt und nicht, wie im Kapitalismus, durch die Dauer der Mehrarbeit. Ein objektiver Mechanismus für die Regulierung der notwendigen Arbeit, wie es die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die ständige körperliche und geistige Vervollkommnung der Werktätigen der Produktion sind, ist ein großer Vorzug der sozialistischen ökonomischen Ordnung. Die kapitalistische Wirtschaft kennt einen solchen objektiven Mechanismus nicht. Die Verkürzung der notwendigen Arbeit wird dort zum Beispiel durch das Wachstum der Intensität der Arbeit, durch niedrig bezahlte Frauen- und Kinderarbeit herbeigeführt. Als Ursachen, die der Verkürzung der notwendigen Arbeit entgegenstehen, wirken die körperliche und geistige Erschöpfung der arbeitenden Massen, das Unfallgeschehen in der Produktion, die Dequalifizierung und der Klassenkampf des Proletariats. 74

Eine positive Seite der Wirtschaftsreform, die gegenwärtig in der UdSSR durchgeführt wird, ist die vollständigere Nutzung des objektiven Mechanismus zur planmäßigen Regulierung der notwendigen Arbeit und somit der Mehrarbeit. Dies wird insbesondere dadurch erreicht, daß der Arbeitslohn jedes in der Produktion Tätigen in direkte Beziehung zur Produktivität seiner eigenen Arbeit und der des gesamten Kollektivs gesetzt wird. Wie wir sehen, spielt die notwendige Arbeit im Sozialismus eine völlig andere ökonomische Rolle als im Kapitalismus. Ausgehend davon muß auch ihre Definition prinzipiell anders lauten. Unserer Meinung nach ist die notwendige Arbeit im Sozialismus der Teil der Periode des Arbeitsprozesses, in dessen Verlauf die Bedingungen für den Ersatz der verbrauchten Produktionsmittel und die Quellen für den persönlichen Verbrauch geschaffen werden. Dadurch werden die Kontinuität der Produktion und die Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse auf dem erreichten Entwicklungsniveau der Produktivkräfte gesichert. Betrachten wir nun die Mehrarbeit im Sozialismus. Dies ist der Teil der Periode des Arbeitsprozesses, der das Mehrprodukt schafft. Er bildet die Quelle für die Erweiterung der sozialistischen Produktion, die Verbesserung des materiellen und geistigen Wohlstands, die Schaffung des Sicherheits- und Reservefonds, die Unterhaltung des nicht arbeitsfähigen Teils der Bevölkerung und die Stärkung der Verteidigungsbereitschaft des Landes. Die Mehrarbeit unterscheidet sich im Charakter des Arbeitsaufwandes nicht von der notwendigen Arbeit. Von der notwendigen Arbeit unterscheidet sich die Mehrarbeit durch ihre ökonomische Rolle in der Gesellschaft, insbesondere durch die Bestimmung und Nutzung des Produkts der Mehrarbeit in der Entwicklung der Produktion von materiellen Gütern. Im Kapitalismus verwirklicht sich die Mehrarbeit in einem Mehrwert, den sich die Ausbeuterklassen ohne Gegenleistung .aneignen. Die Mehrarbeit stellt infolgedessen unbezahlte Arbeit dar. Im Sozialismus vergegenständlicht sich dagegen die Mehrarbeit in einem Mehrprodukt, das gesellschaftliches sozialistisches Eigentum ist. Die Mehrarbeit ist hier nicht unbezahlte Arbeit. Die sozialistische Gesellschaft gibt letzten Endes ihren Mitgliedern alles zurück, was sie von ihnen erhält. Eine der wichtigsten Aufgaben der ökonomischen Wissenschaft besteht darin, den objektiv wirkenden Mechanismen der Akkumulation des gesellschaftlichen Produkts, das durch die Mehrarbeit geschaffen wird, und den Mechanismus der Rückgabe dieses Produkts an seine Schöpfer aufzudecken. Eine der wichtigsten ökonomischen Aufgaben des sozia75

listischen Staates ist die Kontrolle darüber, daß alle Werktätigen der Volkswirtschaft sich an der Mehrarbeit beteiligen und daß das Produkt dieser Arbeit nicht vorwiegend von dieser oder jener Bevölkerungsschicht genutzt wird. Ein erheblicher Teil des Mehrprodukts verwandelt sich im Sozialismus in neue Beriebe, in Gebäude für kulturelle und andere Lebensbedürfnisse sowie in andere Einrichtungen, die von vielen nachfolgenden Generationen der sozialistischen Gesellschaft genutzt werden. E s verwandelt sich auch in wissenschaftliche E n t deckungen. In den kapitalistischen Ländern hinterlassen die Proletarier den in das bewußte Leben eintretenden Generationen ebensolcher Proletarier lediglich das „ R e c h t " auf den Verkauf der Arbeitskraft. Die Werktätigen der sozialistischen Gesellschaft hingegen hinterlassen jeder folgenden Generation den Volksreichtum und vor allem die Produktionsmittel, die sie geschaffen haben. Mit dem Sieg des Sozialismus entstehen somit völlig neue ökonomische Verhältnisse im ewigen natürlich-biologischen Prozeß der Ablösung der Generationen. Friedrich Engels schrieb über den „Nationalreichtum": „Solange das Privateigentum besteht, hat dieser Ausdruck keinen S i n n . " 2 1 Dagegen gewinnt dieser Ausdruck seinen vollen Sinn, wenn das gesellschaftliche Eigentum herrscht. Nationalreichtum ist hier wirklich Reichtum des Volkes. I m Zeitraum von 1918 bis 1968 wurden in unserem Lande 40900 große staatliche Industriebetriebe und eine große Anzahl von mittleren und kleineren Betrieben gebaut oder wiederhergestellt. E s gibt 12400 Sowchosen, in jedem Rayon existieren staatliche Werkstätten für die Reparatur von Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen. Die Betriebslänge der Eisenbahnen wurde von 7 0 3 0 0 k m im J a h r e 1917 auf 1 3 3 6 0 0 k m im J a h r e 1968 vergrößert. Von 1918 bis 1968 wurden von staatlichen und genossenschaftlichen Betrieben und Organisationen, von den Kolchosen sowie von der Stadt- und Landbevölkerung auf eigene Kosten mit Hilfe staatlicher Kredite Wohnhäuser mit einer Gesamtwohnfläche von 2226,1 Millionen m 2 gebaut. E s sind Tausende allgemeinbildender Schulen, Hunderte Hoch- und Fachschulen, Tausende Krankenhäuser, Polikliniken usw. gebaut worden. 22 I m Sozialismus ist die Mehrarbeit im Grunde auch gesellschaftlich notwendige, objektiv bedingte Arbeit. Ihr Umfang wird nicht durch 21

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F. Engels, Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie, in: MEW, Bd 1, Berlin 1961, S. 502. Statistisches Jahrbuch: Narnodnoe chozjajstvo SSSR v 1968 godu, Moskau 1969, S. 515, 313, 462, 573.

subjektive Wünsche, sondern durch die objektiven Bedingungen bestimmt. Mit der Klärung des Wesens der Mehrarbeit im Sozialismus hängt unserer Meinung nach eine der wichtigsten ökonomischen und sozialen Hypothesen zusammen. Nicht selten wird die Ansicht vertreten, d a ß im Sozialismus die Werktätigen der nichtproduktiven Sphäre nicht durch ihre Arbeit leben, sondern auf Kosten der Mehrarbeit der Werktätigen in der Sphäre der materiellen Produktion. Dies betrifft etwa ein Fünftel aller Beschäftigten, die in folgenden Bereichen arbeiten : in der Volksbildung, der Wissenschaft, der Kunst, der Kultur, im. Staatsapparat, im Transport- und Nachrichtenwesen, im Dienstleistungsbereich, im Handel, in Kreditinstituten und im Versicherungswesen usw. Diese Ansicht widerspricht indessen der grundlegenden Natur der Organisation der gesellschaftlichen Arbeit im Sozialismus und schadet dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt. Dieser Fortschritt ist nämlich damit verbunden, daß die Bedeutung der Arbeit und die Anzahl der Beschäftigten in der nichtproduktiven Sphäre zunehmen, insbesondere in der Volksbildung und der Wissenschaft. Die Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und die Erhöhung der Effektivität der gesellschaftlichen Produktion wurden auf dem X X I I I . Parteitag als überaus wichtige wirtschaftliche und politische Aufgaben bezeichnet. Das erfordert ein anderes Herangehen an die Frage nach dem Verhältnis der Werktätigen der nichtproduktiven Sphäre zur Mehrarbeit in der Gesellschaft. Diese Werktätigen konsumieren nicht nur das Mehrprodukt, das durch die Mehrarbeit geschaffen wird, sondern sie erzeugen auch Mehrprodukt, da ihre Arbeit ebenfalls aus notwendiger Arbeit und Mehrarbeit besteht. Die sozialistische gesellschaftliche Arbeit ist kollektive, gemeinschaftliche Arbeit zur Produktion und Schaffung materieller und geistiger Güter. Arbeit in der Sphäre der materiellen Produktion ist ohne Arbeit in der Sphäre der nichtmateriellen Produktion unmöglich und umgekehrt. Außerdem ist der Austausch von Tätigkeit eine unabdingbare Eigenschaft dieser Arbeit. Die Arbeiter der materiellen Produktion befriedigen mit ihrer Arbeit nur die materiellen Bedürfnisse, und ihre geistigen Bedürfnisse befriedigen sie dank der Arbeit der Werktätigen der nichtmateriellen Sphäre. Die Werktätigen in der nichtmateriellen Sphäre befriedigen ihrerseits durch ihre Arbeit geistige Bedürfnisse, ihre materiellen Bedürfnisse befriedigen sie dank der Arbeit der Werktätigen in der materiellen Sphäre. Und das Wichtigste ist schließlich die Wechselbeziehung dieser Arten von Arbeit. Die Proportionen zwischen ihnen sind zu bestimmen, nicht aber, welche dieser Arbeiten 77

Mehrprodukt schafft, denn keine von beiden kann das ohne die andere tun.23 Es ist weder in der Theorie noch in der Praxis der Wirtschaftsführung zulässig, notwendige und Mehrarbeit gleichzusetzen. Sie fallen nur letztlich zusammen. So nutzt die heute lebende Generation von Werktätigen nicht nur die Früchte der eigenen notwendigen Arbeit, sondern auch die Früchte der Mehrarbeit der früheren Generationen. Das sind zum Beispiel die Betriebe, die während des ersten Fünfjahrplanes gebaut worden sind. Die Frage, wann und in welchem Maße die gegenwärtig aufgebrachte Mehrarbeit in dieser oder jener materiellen oder geistigen Form denjenigen wieder zugute kommt, die diese Arbeit geleistet haben, führt insbesondere zur Frage nach der Rückflußdauer von Investitionen. Die Verausgabung von notwendiger Arbeit und Mehrarbeit erfolgt gleichzeitig und in gleicher Form. Der Ersatz von notwendiger und Mehrarbeit dagegen geschieht zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Formen. Wenn der Werktätige seinen Lohn erhalten hat, kauft er dafür Lebensmittel, Kleidung, Schuhwerk usw. und nutzt damit die Produkte der notwendigen Arbeit. Eine neue Eisenbahnlinie, eine automatische Fertigungslinie, ein Sanatorium oder ein Theater, deren Aufwand aus der Mehrarbeit bestritten wird, kann er sowohl heute als auch in Zukunft nutzen. Einheit, Unterschied und Wechselbeziehung der notwendigen und der Mehrarbeit weisen im Sozialismus grundlegende Vorzüge gegenüber dem Kapitalismus auf. Dies wird durch die folgenden Tatsachen charakterisiert : Erstens bilden notwendige und Mehrarbeit im Sozialismus eine grundsätzlich andere Einheit als im Kapitalismus — sowohl die eine als auch die andere haben hier objektive Ursachen, geschehen mit dem gleichen Ziel und sind frei von antagonistischen Widersprüchen. 2;i

Völlig gerechtfertigt ist unserer Absicht nach folgende Meinung: „Die nichtmaterielle Sphäre nur als Antipode der materiellen Produktion anzusehen, die jene Güter verzehrt, die ihr die materielle Sphäre liefert, steht nicht im Einklang mit der ständig wachsenden Bedeutung der nichtmateriellen Sphäre. Es zeugt von der tiefen inneren Verbindung beider Sphären des gesellschaftlichen Lebens, daß die Wissenschaft zur unmittelbaren Produktivkraft der Gesellschaft wird, daß die Qualifikation der Werktätigen vom Niveau der Bildung abhängt, daß die Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit davon abhängig ist, wie die Wohnverhältnisse der Werktätigen beschaffen sind, daß die Werktätigen über Freizeit verfügen usw." (T. S. Chaiaturov, Effektivnost' obscestvennogo proizvodstva, Moskau 1967, S. 11.)

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Aneignung von Mehrarbeit ist das Wesen des Kapitalismus. Die Kategorie der Mehrarbeit kennzeichnet den Charakter dieser Ausbeuterordnung : die Beziehung zwischen Arbeit und Kapital, Arbeitern und Kapitalisten, Arbeiteraristokratie und Hauptmasse des Proletariats, Großkapitalisten und übriger Masse der Kapitalistenklasse, zwischen den einzelnen Kapitalisten usw. Das Kapital eignet sich fremde Arbeit ohne Äquivalent an, aber unter dem Schein eines Äquivalents. Die Aneignung ohne Äquivalent ist die Aneignung des Mehrprodukts, das durch fremde Arbeit geschaffen wird. Im Sozialismus kann es eine Aneignung ohne Äquivalent nicht geben. Die Mehrarbeit drückt hier eine solche Aneignung nicht aus. Während im Kapitalismus hinter der notwendigen Arbeit , die Arbeiterklasse und hinter der Mehrarbeit die Klasse der Kapitalisten steht, erfolgen im Sozialismus notwendige und Mehrarbeit im Interesse der Arbeiter und der gesamten Gesellschaft. Im Kapitalismus drücken notwendige und Mehrarbeit antagonistische Klassengegensätze aus, die eine Gemeinsamkeit der Interessen ausschließen, obwohl sich die modernen Ideologen des Kapitalismus auf jede Weise bemühen, eine solche Gemeinsamkeit zu beweisen. Sie vergessen, daß notwendige und Mehrarbeit keine „Erfindung" des Kapitalismus sind. Diese ökonomischen Formen der Arbeit gehen auf objektive Ursachen zurück und sind durch die Produktion entstanden. Der Kapitalismus hat sie nur seinen Klasseninteressen angepaßt. Daher geschieht im Kapitalismus die notwendige Arbeit mit dem einen und die Mehrarbeit mit einem völlig anderen Ziel, und die Akkumulation der Mehrarbeit führt zu einer verstärkten Ausbeutung. Im Sozialismus drücken notwendige und Mehrarbeit die Gemeinsamkeit der persönlichen, kollektiven und gesellschaftlichen Interessen der Werktätigen aus. Die eine wie die andere wird verrichtet, um materielle Güter für die Werktätigen der Produktion und die Gesellschaft insgesamt zu schaffen. Zweitens gibt es im Sozialismus eine optimale, objektiv begründete Relation der Größe von notwendiger Arbeit und Mehrarbeit, die durch die allseitige Steigerung der Produktivität der Arbeit bedingt ist. Wichtigste Produktivkraft der Gesellschaft und Träger der Produktionsverhältnisse sind die Werktätigen der Produktion. „Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprozesses hängt also nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht" 24 , schreibt Marx. Der Sozialismus sichert das 24 K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, a. a. O., S. 828.

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unablässige und allseitige Wachstum der Arbeitsproduktivität. Das ist ein objektives ökonomisches Gesetz der sozialistischen Produktionsweise. I m Sozialismus ist das Ziel des unablässigen Wachstums der Arbeitsproduktivität die Steigerung der Produktion von materiellen Gütern und nicht die Verrößerung der Mehrarbeit. Drittens geht es im Sozialismus darum, die Mehrarbeit „zu verbinden mit einer größern Beschränkung der der materiellen Arbeit überhaupt gewidmeten Zeit" 25 . Die Summe der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit ergibt den Arbeitstag. Wie jede dieser Perioden des Arbeitsprozesses, so unterscheidet sich auch ihre Summe, der Arbeitstag, grundsätzlich von dieser ökonomischen Kategorie im Kapitalismus. Die Verhältnisse der Menschen, der sozialen Gruppen und Klassen im Hinblick auf die notwendige und Mehrarbeit sind Verhältnisse des sozialistischen Eigentums und der unmittelbar gesellschaftlichen Arbeit. Wenn man die Beziehungen zwischen den Kategorien der politischen Ökonomie behandelt, dann muß unterstrichen werden, daß die Verhältnisse, die mit der notwendigen und Mehrarbeit zusammenhängen, die Grundlagen der Verhältnisse bilden, die bei der Teilung des gesellschaftlichen Produkts in notwendiges Produkt und Mehrprodukt entstehen, und nicht umgekehrt. Die These von der Einheit und dem Unterschied der notwendigen und der Mehrarbeit liefert die theoretische Basis für die Lösung vieler praktischer volkswirtschaftlicher Probleme. Ohne eine tiefgehende Analyse des Wesens der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit, ihrer Einheit, ihres Unterschiedes und ihrer Wechselwirkung ist es unmöglich, eine vollkommene, objektiv begründete Teilung der gesellschaftlichen Fonds für die vorhandenen Zwecke vorzunehmen, zum Beispiel des Gesamtprodukts in den Fonds für den Ersatz der Produktionsmittel und das Nationaleinkommen, das Nationaleinkommen in Akkumulations- und Konsumtionsfonds, des Akkumulationsfonds in die Fonds für die Erweiterung der Produktion und den B a u kultureller, sozialer und anderer Versorgungseinrichtungen sowie des Konsumtionsfonds in den Fonds der Verteilung nach der Arbeitsleistung und den Fonds für die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse. Über den Anteil der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit an der gesellschaftlichen Gesamtarbeit kann man anhand der Struktur des gesellschaftlichen Gesamtprodukts eine Vorstellung gewinnen. 25 Ebenda, S. 827. 80

Nach Berechnungen der Statistischen Zentralverwaltung der U d S S R bietet die Struktur des gesellschaftlichen Gesamtprodukts folgendes Bild (in Prozenten zur Summe jeder Zeile) : 2 6 Tabelle 1 Struktur des gesellschaftlichen Gesamtprodukts Gesamtprodukt davon materielle Produktionsaufwendungen Gesellsch. Gesamtprodukt insgesamt 100,0 54,4 Produktionsmittel 100,0 57,7 Konsumtionsmittel 100,0 49,2

Arbeitslohn u. Mehra. Arten der Ar- probeitsvergütung dukt 23,9 24,7

21,7 17,6

22,6

28,2

Die notwendige Arbeit (das notwendige Produkt in Form des Arbeitslohnes und anderer Formen der Bezahlung der Arbeit) übersteigt also die Mehrarbeit (in Form des Mehrprodukts). Ihre Bewegung ist gegensätzlich: Die Vergrößerung der einen hat eine Verminderung der anderen zur Folge. Einem höheren Anteil des notwendigen Produkts (24,7 Prozent) entspricht ein geringerer Anteil des Mehrprodukts (17,6 Prozent). Einem niedrigeren Anteil der notwendigen Arbeit (22,6 Prozent) steht ein höherer Anteil von Mehrarbeit (28,2 Prozent) gegenüber. In den Betrieben und Wirtschaftszweigen sind bei gleichem Aufwand von Gesamtarbeit die Anteile der notwendigen und der Mehrarbeit unvermeidlich verschieden, weil das Niveau der Technik, der Organisation der Produktion und der Arbeit sowie die natürlichen und klimatischen Bedingungen, das heißt das Niveau der Arbeitsproduktivität, verschieden ist. In einem Betrieb kann in einem gegebenen Zeitabschnitt die notwendige Arbeit völlig mit der Summe der gesamten Arbeit zusammenfallen, in einem anderen Betrieb kann sie geringer sein. Ist bei gleichem Arbeitsaufwand in den Betrieben und Wirtschaftszweigen der Wert des notwendigen Produkts infolge der unterschiedlichen Arbeitsproduktivität verschieden, so ist auch der Wert des Mehrprodukts verschieden. J e geringer der Anteil des Wertes des notwendigen Produkts an der gesamten Wertsumme ist, desto größer ist der Wert des Mehrprodukts, und umgekehrt. Im vorliegenden Falle haben wir zur notwendigen Arbeit diejenige 26

Statistisches Jahrbuch: Narodnoe chozjajstvo SSSR v 1967 godu, Moskau 1968, S. 112. Tjapkin, Organisation

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Arbeit gerechnet, die im Arbeitslohn und in den anderen Arten der Entlohnung der Arbeit verkörpert ist. Darauf kann man sich nicht beschränken. Es gibt zwischen der notwendigen und der Mehrarbeit und dementsprechend zwischen dem notwendigen und dem Mehrprodukt keine unüberschreitbare Grenze. Die Teilung der Arbeit und des gesellschaftlichen Produkts in notwendige Arbeit beziehungsweise notwendiges Produkt und Mehrarbeit bzw. -produkt wird nicht durch die Sphäre der Verteilung und des persönlichen Verbrauchs bestimmt, sondern durch die Produktion. Sie bestimmt, wieviel Produktionsmittel verbraucht bzw. ersetzt werden müssen, welche Menge des gesellschaftlichen Produkts für die Versorgung der Betriebe usw. mit Kadern, für die Erweiterung der Produktion, für die Heranziehung neuer Arbeitskräfte und für die Anhebung des allgemeinen und des technischen Bildungsniveaus notwendig ist. Notwendige und Mehrarbeit und also auch notwendiges und Mehrprodukt sind nicht nur wechselseitig abhängig, sondern können auch wechselseitig gegeneinander ausgetauscht werden. Es wäre falsch zu meinen, daß alles, was individuell, persönlich im Haushalt verbraucht wird, das notwendige Produkt darstellt und das, was gesellschaftlich, kollektiv verbraucht wird (die kostenlose Bildung, medizinische Hilfe usw.), ganz und gar zum Mehrprodukt gehört. Das notwendige Produkt ist notwendig und das Mehrprodukt nicht deshalb Mehrprodukt, weil das erstere individuell und das zweite kollektiv konsumiert wird. Ebenso, wie in den individuellen Einkommen der Bürger Mehrprodukt enthalten sein kann, so kann es auch in den gesellschaftlichen Konsumtionsfonds notwendiges Produkt geben. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen notwendiger Arbeit und Mehrarbeit ist heute für den allmählichen Übergang von der sozialistischen Verteilung nach der Arbeitsleistung zur kommunistischen Verteilung nach den Bedürfnissen bedeutsam. Während des Aufbaus des Kommunismus ist die Entlohnung nach der Leistung — das heißt die konsequente Beachtung des Prinzips der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an den Ergebnissen der gesellschaftlichen und eigenen Arbeit — die Quelle für die Befriedigung der materiellen und geistigen Bedürfnisse. Die Entlohnung nach der Leistung ist ein ökonomisches Gesetz des Sozialismus, das durch die sozialistischen Produktionsverhältnisse auf dem gegenwärtigen Stand ihrer Entwicklung bedingt wird. Der Versuch, über dieses objektive Gesetz hinauszugehen, würde bedeuten, nicht mit den realen ökonomischen Verhältnissen, dem Niveau der Produktion und dem Grad der Bewußtheit der Massen zu rechnen. 82

Die progressive Bedeutung des Prinzips der Entlohnung nach der Arbeitsleistung wird durch die Erfahrungen des gesamten Systems der sozialistischen Wirtschaft in der Welt bestätigt. Dieses Prinzip stimuliert das Wachstum der Arbeitsproduktivität, die Anhebung des kulturell-technischen Niveaus der Werktätigen der Produktion, den Kampf für den technischen Fortschritt sowie die Erhöhung des Niveaus der Planung und der Wirtschaftsführung in allen Teilen der sozialistischen Wirtschaft. Die konsequente und kluge, alle Bedingungen und Umstände berücksichtigende Beachtung des Prinzips der Entlohnung nach der Leistung dient der erfolgreichen Lösung vieler Aufgaben des kommunistischen Aufbaus: der Angleichung der Lohnhöhen, der allmählichen Überwindung der wesentlichen Unterschiede zwischen geistiger und körperlicher Arbeit, der Entwicklung der Arbeits- und der gesellschaftlichen Initiative usw. Die Verwirklichung des Prinzips „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung" wird in der Periode des Aufbaus des Kommunismus nicht eingeschränkt, sondern allseitig vervollkommnet. Dieses Prinzip vervollkommnen heißt, das Verhältnis zwischen notwendigem Produkt und Mehrprodukt richtig zu beachten. Das gilt für die Entwicklung der Produktion, die Hebung des materiellen und kulturellen Wohlstands der Werktätigen, die Arbeitsorganisation und das schnelle Wachstum der Arbeitsproduktivität. In welcher Richtung sich diese große und diffizile Arbeit in jedem Betrieb bewegt, zeigen die Erfahrungen bei den lohnpolitischen Maßnahmen im Zeitraum zwischen dem XX. und XXII. Parteitag der KPdSU. Dabei wurden bedeutende Verbesserungen in der Entlohnung erreicht. Man löste sich von der schablonenhaften Anwendung des Leistungslohnes, machte die ersten Schritte zur Beseitigung der unbegründeten Kluft zwischen Höchst- und Mindestlohn, erreichte eine relative Vereinfachung der Einstufung der Arbeiten und erhöhte die Bedeutung des Tarifs in der Entlohnung. Eine weitere Verbesserung in der Verwirklichung des Prinzips der Entlohnung nach der Leistung erfolgt durch die Wirtschaftsreform. Arbeitslohn und -Organisation sind in der Produktion untrennbar verbunden. Heute, wo automatische Fertigungslinien, Fließbänder und sonstige moderne technische Mittel immer weitere Verbreitung finden, rückt die unmittelbar kollektive Arbeit, die gemeinschaftliche Arbeit, die Verbindung der persönlichen und der kollektiven Anstrengungen und Verantwortlichkeiten in den Vordergrund. Infolgedessen wird in immer größeren Bereichen der Produktion • die persönliche materielle Interessiertheit an den Ergebnissen der eigenen und der 6»

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gesellschaftlichen Arbeit, das Prinzip „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung" vollständiger, tiefer und konsequenter gewährleistet, indem man zum kollektiven Leistungslohn übergeht. Das „Prinzip der Kollektivität in der Arbeit" wird durch das Prinzip der „Kollektivität in der Entlohnung" ergänzt. Zum Beispiel wurde in der Kohleindustrie mit der Entwicklung der Mechanisierung und der Einführung einer neuen Arbeitsorganisation in den vorbereitenden Schichten und den Reinigungsschichten die Komplexbrigade zur effektivsten Form der Arbeitsorganisation, weil die Vereinigung verschiedener Berufe eine bessere Nutzung der Ausrüstungen und der Arbeitszeit ermöglicht. Die Entlohnung wird hier nach den Endergebnissen vorgenommen, das heißt je Tonne Kohle oder je Meter Vortrieb. Komplexbrigaden, die die Arbeiten bis zur endgültigen Fertigstellung des Objekts übernehmen, haben im Bauwesen weite Verbreitung gefunden. Außerordentlich effektiv ist diese Art der Entlohnung bei Montageund ähnlichen Arbeiten, die eine Kooperation der Werktätigen erfordern. Mit Erfolg wird diese Lohnform bei schwer zu normenden Operationen verwendet, bei Arbeiten mit kleinen Stückzahlen, oft wechselnden Arbeitsbedingungen und wechselnder Arbeitsintensität, bei Generalreparaturen, Havariearbeiten usw. In der Großserienfertigung werden Brigaden mit voller Arbeitsteilung in solchen Bereichen geschaffen, die eine Kooperation deutlich unterscheidbarer Arbeitsarten einschließen. Zu solchen Bereichen gehören die Montage von Mechanismen am Fließband, die Fließfertigung von Kleidung und Schuhen, die Montage von Uhren und dergleichen. Hier ist die Anwendung des kollektiven Leistungslohnes möglich. Der kollektive Leistungslohn bringt die Vorzüge der gemeinschaftlichen, abgestimmten Arbeit zum Ausdruck. Diese Lohnform trägt dazu bei, daß die persönlichen Fähigkeiten jedes Werktätigen zur Geltung kommen: seine Kenntnisse, Fertigkeiten und seine Findigkeit. Der kollektive Leistungslohn ist progressiver als die individuelle Form der Leistungsentlohnung und wird dem erreichten Stand der Technik und der Organisation der Produktion besser gerecht. Aber auch er erfordert, daß die Arbeitsbedingungen, die Ausbildung und der politische Bewußtseinsstand der Werktätigen berücksichtigt werden. Die moderne Produktion zeichnet sich durch außerordentliche Kompliziertheit und Vielfalt aus. Es gibt auch viele Bereiche der Produktion, in denen der individuelle Leistungs- und Zeitlohn die günstigsten Lohnformen sind. 84

Unbedingte Voraussetzung für die Festlegung jeder Lohnform ist die ökonomische Begründung, das genaue Abwägen des Für und Wider. Gegenwärtig besitzen die Arbeiter gewaltige Möglichkeiten mitzubestimmen, welche Lohnform im jeweiligen Betrieb festgelegt wird. In den ständigen Produktionsberatungen, gesellschaftlichen Gruppen der ökonomischen Analyse, gesellschaftlichen Wirtschaftsräten, Parteikommissionen zur Kontrolle der Wirtschaftstätigkeit des Betriebes und in vielen anderen Formen der Produktions- und Wirtschaftstätigkeit der Massen beteiligen sich die Werktätigen aktiv daran, Fragen des Arbeitslohns zu lösen. Dabei müssen sie sich von folgendem Hauptprinzip leiten lassen: Die Lohnform muß die erfolgreiche Planerfüllung, die Steigerung der Arbeitsproduktivität und des materiellen Wohlstands sowie die Erziehung der Werktätigen der Produktion im Geiste der Kollektivität gewährleisten. In der gegenwärtigen Periode der umfassenden Arbeit zur Erhöhung der Effektivität der gesellschaftlichen Produktion entwickelt sich neben der Entlohnung nach der Leistung verstärkt eine andere Quelle des materiellen Wohlstands: die gesellschaftlichen Konsumtionsfonds. Diese Fonds sind eine typische politökonomische Kategorie des Sozialismus. In ihnen wird jener Teil der notwendigen Arbeit verwirklicht, der zur Erstattung der Aufwendungen für die Ausbildung, Erziehung und Gesunderhaltung der Kader geleistet wird, sowie jener Teil der Mehrarbeit, der für die Produktion von solchen materiellen und geistigen Gütern aufgewendet wird, die dazu dienen, den materiellen und kulturellen Wohlstand des Volkes zu heben, die physischen und geistigen Fähigkeiten der Menschen allseitig zu entwickeln und hochqualifizierte Kader für die sozialistische erweiterte Reproduktion auszubilden. Die politökonomische Kategorie „gesellschaftliche Fonds" bringt ein Wesensmerkmal der sich unmittelbar im Produktionsprozeß bildenden sozialistischen Produktionsverhältnisse der Verteilung und Konsumtion von materiellen und geistigen Gütern zum Ausdruck. Diese ökonomische Kategorie zeigt, daß im Sozialismus harmonische Beziehungen zwischen Persönlichkeit und Gesellschaft, zwischen Bevölkerung und Staat und zwischen den Generationen herrschen. Wachstum der gesellschaftlichen Fonds und Erweiterung der Bedürfnisse, die durch diese Fonds befriedigt werden, sind sozialökonomisch außerordentlich bedeutsam. 85

Die gesellschaftlichen Konsumtionsfonds sind ein Beweis dafür, daß die persönlichen Bedürfnisse auf der Basis des gesellschaftlichen sozialistischen Eigentums befriedigt werden können, ohne daß Gebrauchswerte in persönliches Eigentum umgewandelt werden. Die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse und das persönliche Eigentum sind verschiedene ökonomische Kategorien. Eine Aufgabe beim Aufbau des Kommunismus besteht darin, die Nutzung der gesellschaftlichen Fonds zu vervollkommnen. Die kommunistische Gleichheit, die gleiches Verhältnis zu den Produktionsmitteln, Gleichheit in der Verteilung sowie die Harmonie der persönlichen und der gesellschaftlichen Interessen bedeutet, kann nicht automatisch entstehen. Ein neuer Schritt in diese Richtung ist nicht nur die konsequente, vernünftige Anwendung des Prinzips der Verteilung nach der Arbeitsleistung, sondern auch die Arbeit für die weitere Verbesserung der Nutzung der gesellschaftlichen Konsumtionsfonds. Die gesellschaftlichen Fonds entwickeln ein kommunistisches Verhältnis in der Verteilung. Das hebt aber nicht die Notwendigkeit auf, daß Staat, Gewerkschaften und die breiten Massen planmäßig für eine vernünftigere und richtigere Nutzung der Fonds arbeiten. Die Wirtschaftsreform in unserem Lande erhöht allseitig die Rolle dieser Fonds, um das Wachstum der Produktion und die Steigerung der Arbeitsproduktivität zu stimulieren. Sowohl die Verteilung nach der Arbeitsleistung als auch die Verteilung über gesellschaftliche Fonds geschehen auf objektiver Grundlage, im Interesse des Aufbaus des Kommunismus, des allseitigen Produktionswachstums und des materiellen Wohlstands des Volkes. „Bis die .höhere' Phase des Kommunismus eingetreten sein wird, fordern die Sozialisten die strengste Kontrolle seitens der Gesellschaft und seitens des Staates über das Maß der Arbeit und das Maß der Konsumtion . . ." 2 1 , schreibt Lenin. Die unentgeltliche und verbilligte Verteilung über die gesellschaftlichen Konsumtionsfonds kann nicht unkontrolliert bleiben. Quelle der gesellschaftlichen Fonds ist die Arbeit der Mitglieder der Gesellschaft; sie müssen auch die Konsumtion dieser Fonds kontrollieren. Bereits in den ersten Jahren der Sowjetmacht wies Lenin darauf hin, den gesellschaftlichen Verbrauch nach wissenschaftlich begründeten Normen festzulegen, und zwar so, „damit es alle nachprüfen können". In einem Brief schreibt er: 27

V. I. Lenin, Staat und Revolution, in: Werke, Bd 25, Berlin i960, S. 484.

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„1. Sehen Sie bitte meine Aufzeichnungen durch und schicken Sie sie mir mit Ihrer Stellungnahme zurück. 2. Ist eine Statistik darüber vorhanden, wieviel Ärzte es insgesamt in Moskau gibt? 3. Sind die Ärtztenormen veröffentlicht (wo und wann)? 4. - desgleichen: die Methoden zur Kontrolle über die Ärzte (daß sie nicht überzählig sind, daß sie erfaßt sind) ? 5. Die Normen (und die Anzahl der Ärzte) in Petrograd? 6. — in anderen Städten? 7. Sollte man nicht eine Kontrollstatistik der Ärzte und der Normen veröffentlichen? kurz, in den Zeitungen, damit es alle nachprüfen können?"28 , Der Satz „damit es alle nachprüfen können" bedeutet, daß die Verteilung der gesellschaftlichen Fonds auf der festen Grundlage des demokratischen Zentralismus erfolgen muß, durch die Verbindung der zentralen Planung mit der Initiative der gesellschaftlichen und örtlichen Organisation. In der Sowjetunion ist heute ein hohes Niveau der Demokratisierung in der Leitung der gesellschaftlichen Fonds erreicht. So ist der überwiegende Teil der sozial-kulturellen Ausgaben des Staates an die örtlichen Haushalte übergeben worden. Verschiedene Kultureinrichtungen (Klubs, Bibliotheken und andere) werden unmittelbar von den Organisationen der Werktätigen geleitet. Sanatorien, Erholungsheime, Polikliniken in den Kurorten und Pensionen sind den Gewerkschaftsräten der Unionsrepubliken übergeben worden, in der RSFSR dem Zentralrat der Gewerkschaften. Die Fonds der Betriebe werden unter aktiver Beteiligung der Werktätigen der Betriebe verteilt. Die marxistisch-leninistische Lehre von der notwendigen und Mehrarbeit, die sich im notwendigen Produkt beziehungsweise im Mehrprodukt verkörpern, hilft den breiten Massen, die sozialistische Ökonomie zu verstehen. Dies ist die wichtigste Voraussetzung für eine fruchtbringende Partei- und Staatskontrolle über Produktion und Konsumtion. Das Septemberplenum des ZK der KPdSU im Jahre 1965 und der XXIII. Parteitag der KPdSU haben dem Charakter dieser Fonds einen neuen Zug hinzugefügt. Ein bedeutender Teil der Bildung und der Nutzung dieser Fonds wurde unmittelbar mit den Ergebnissen der Produktion verbunden, insbesondere mit dem Gewinn und folg28 V. I. Lenin, An S. P. Solowjow, v. 1. 11. 1919, in: Briefe, Bd VI, Berlin 1969, S. 79 f.

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lieh der Mehrarbeit. Die materiellen Güter, die über die gesellschaftlichen Fonds verteilt werden, sind durch die Arbeit der Mitglieder der sozialistischen Gesellschaft geschaffen worden und damit sozialistisches gesellschaftliches Eigentum und für dieselben Mitglieder der Gesellschaft bestimmt. Obwohl sozialökonomisch die Fonds der Verteilung nach der Arbeitsleistung und die gesellschaftlichen Konsumtionsfonds gleichartig sind, ist ihre Verbindung in der Praxis außerordentlich kompliziert. Gute Beispiele hierzu liefern diejenigen Betriebe, die unter den neuen Bedingungen der Planung und des materiellen Anreizes arbeiten. Der allmähliche Übergang von der sozialistischen Verteilung nach der Leistung zur kommunistischen Verteilung nach den Bedürfnissen, das heißt die Verbindung dieser Verteilungsformen im Verlauf einer historischen Periode, geht mit der Entwicklung der Konsumtion einher. Die Konsumtion wird vielfältiger, in ihrer Qualität verbessert und auf wissenschaftliche Normen gegründet. Auf dem gegenwärtigen Entwicklungsstand der Gesellschaft kann nur der Sozialismus und in noch höherem Grade der Kommunismus die volle Befriedigung der Bedürfnisse garantieren. Die Entwicklung der Konsumtion, das heißt quantitative Zunahme und Zunahme der Vielfalt der Produkte, beeinflußt in steigendem Maße die Form der Verteilung und Nutzung. Kommunistische Verteilung und kommunistische Form der Befriedigung der Bedürfnisse sind nicht nur vom Entwicklungsniveau der Produktivkräfte, der Vervollkommnung der Produktionsverhältnisse und der allseitigen Entwicklung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, sondern auch von Quantität und Qualität der materiellen und geistigen Güter sowie vom Gebrauchswert der Erzeugnisse und Dienstleistungen abhängig. Notwendige und Mehrarbeit sind Grundlage für die materielle Interessiertheit der Werktätigen und die ökonomischen Stimuli der Produktionskollektive. Der Ersatz der verzehrten Mittel der individuellen und gesellschaftlich-individuellen Konsumtion ist ohne ein objektiv bestimmtes Maß an notwendiger Arbeit unmöglich. Ohne Mehrarbeit gibt es keinen Gewinn des Betriebes, keine Fonds der materiellen Stimulierung, für sozial-kulturelle Maßnahmen und Wohnungsbau. Die persönlichen und gesellschaftlichen Stimuli der sozialistischen Produktion sind ökonomische Hebel, die bewußt die objektive Wirkung der Kategorien notwendige Arbeit und Mehrarbeit nutzen. 88

KAPITEL

III

Lebendige und vergegenständlichte Arbeit

Lebendige Arbeit und vergegenständlichte Arbeit sind allgemeine und spezifische ökonomische Kategorien der gesellschaftlichen Arbeit. Lebendige und vergegenständlichte Arbeit können voneinander nicht getrennt werden und gehören zu ein und demselben Arbeitsprozeß. Jede Arbeit ist ein Prozeß, in dem körperliche und geistige Energie des Menschen verbraucht wird, und zugleich ist sie ein Prozeß der Konsumtion von bereits verausgabter vergegenständlichter Energie der gleichen Art. Vergegenständlichte Arbeit ist einmal lebendige Arbeit gewesen, und lebendige Arbeit muß sich in vergegenständlichte Arbeit verwandeln, sonst wird der Produktionsprozeß unmöglich. Die körperliche und geistige Energie des Menschen kann sich in der Arbeit nicht äußern, wenn der Mensch nicht mit vergegenständlichter Arbeit in Form von Produktionsmitteln ausgestattet ist: Arbeitsmitteln und Arbeitsgegenständen. Die vergegenständlichte Arbeit kann ihrerseits nicht in Berührung mit der lebendigen Arbeit treten, bevor der Mensch seine Bemühungen auf sie richtet. Lebendige und vergegenständlichte Arbeit äußern sich in einem wechselseitig verbundenen Prozeß. Jede Seite dieses Prozesses bedingt die andere, existiert dank der anderen und kann es ohne ihren Gegenpol nicht geben. Es kann keine lebendige Arbeit ohne vergegenständlichte Arbeit geben. Vergegenständlichte Arbeit wird in den Produktionsprozeß nur dank der lebendigen Arbeit einbezogen. Die Einteilung der Arbeit in lebendige und vergegenständlichte ist in Raum und Zeit zu betrachten. Das Fließband in der Produktion liefert dafür ein anschauliches Beispiel: Die Arbeit des Menschen, der die Operation 1 ausführt, ist für denjenigen, der die Operation 2 ausführt, vergegenständlicht, vergangen. Beide Produzenten arbeiten jedoch gleichzeitig. Daher ist das, was für denjenigen, der die Operation 2 ausführt, vergegenständlichte Arbeit ist, zugleich lebendige Arbeit für den, der die Operation 1 ausführt. Das Teil, das den Arbeiter von links erreicht (das Fließband bewegt sich von links nach 89

rechts), ist für ihn, der lebendige Arbeit aufwendet, vergegenständlichte Arbeit. Das Teil, das von ihm nach rechts geht und seine Arbeit enthält, ist vergegenständlichte, vergangene Arbeit für die Arbeiter, die auf den folgenden Arbeitsplätzen stehen. Da alle Arbeiter am Fließband gleichzeitig arbeiten, bildet ihr Arbeitsprozeß einen einheitlichen Strom, der zeitlich und räumlich abgestimmt ist. Die Arbeit aller ist gleichzeitig sowohl lebendige Arbeit als auch vergegenständlichte Arbeit. Es trifft völlig zu, daß „die Einteilung der aufgewendeten Arbeit in lebendige Arbeit und vergegenständlichte Arbeit, die in den nach der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitenden Betrieben berücksichtigt wird, sehr bedingt ist und hauptsächlich vom Charakter der Verbindungen zwischen den Betrieben und von der Organisationsstruktur der Produktion abhängt" 1 . Dasselbe kann von der lebendigen und der vergegenständlichten Arbeit gesagt werden, wenn man sie im Maßstab eines Produktionszweiges oder der gesamten Volkswirtschaft betrachtet. Die Kategorien lebendige und vergegenständlichte Arbeit existieren nur im Arbeitsprozeß. Sie existieren gleichzeitig in der Arbeit selbst, in der Einwirkung des Menschen auf die Arbeitsgegenstände mit Hilfe der Arbeitsinstrumente. Marx sagt dazu: „Es steht also Produzent dem Produzenten gegenüber." 2 Die Arbeit ist ein Prozeß, in dem gleichzeitig Gebrauchswert geschaffen und konsumiert wird. Produkte sind nicht nur Ergebnis der Arbeit, sie sind zugleich auch ihre Voraussetzung. Die Arbeit des einen ist die Voraussetzung für die Arbeit des anderen. Darin zeigt sich konkret die Einheit von lebendiger und vergegenständlichter Arbeit. Vergegenständlichte und lebendige Arbeit bilden zwar eine Einheit, sind jedoch nicht identisch. In der Produktion und Arbeit spielt jede von ihnen eine andere Rolle und charakterisiert infolgedessen auf eine eigene Weise die gesellschaftliche Organisation der Produktion. Die politisch-ökonomischen Eigenschaften der lebendigen und der vergegenständlichten Arbeit im Kapitalismus sind von diesen Eigenschaften im Sozialismus völlig verschieden. Erstens werden dort lebendige und vergegenständlichte Arbeit voneinander getrennt 1

V. A. Pervucin, Difíerenciacija proizvoditel'nosti obsáestvennogo truda i ee éskonomiíeskie posledstvija pri socializme. Autorreferat zur Dissertation, Novosibirsk 1963, S. 14. 2 K.Marx, Das Kapital, Erster Band, in: MEW, Bd 23, Berlin 1962, S. 176.

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und verwandeln sich in gegensätzliche, sozial fremde Kräfte. Die vergegenständlichte Arbeit tritt als Kapital (c) auf. Die lebendige Arbeit nimmt ebenfalls die Form des Kapitals (v) an und erscheint in allen Momenten des Arbeitsprozesses als Tätigkeit, die dem Kapital gehört. Hinter der vergegenständlichten Arbeit steht jedoch der Kapitalist, während hinter der lebendigen Arbeit der Eigentümer der Arbeitskraft, der Arbeiter, steht, der diese Kraft für eine bestimmte Zeit verkauft hat. Zweitens herrscht die vergegenständlichte Arbeit über die lebendige, als die Herrschaft „des Produkts des Arbeiters über den Arbeiter selbst" 3 . Drittens werden vom Kapital zusammen mit der vergegenständlichten und lebendigen Arbeit auch die Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit — Wissenschaft, Naturkräfte, der Nutzen der Kooperation und Spezialisierung und anderes — absorbiert und usurpiert. Kapital ist sich verwertender Wert. „Dies reduziert sich auf Austausch eines gegebnen Quantums vergegenständlichter Arbeit gegen ein größres Quantum lebendiger Arbeit." 4 Darin liegt das Wesen der kapitalistischen Produktion. Das Wesen der sozialistischen Produktion ist davon grundsätzlich verschieden. Deshalb ist die lebendige Arbeit hier die Tätigkeit des Menschen selbst. Marx schrieb: „Die Arbeit als das Nicht-Kapital als solches gesetzt, i s t : . . . Nicht-vergegenständlichte Arbeit, negativ gefaßt, (selbst noch gegenständlich; das Nichtgegenständliche selbst in objektiver Form) . . . kann nur diese Gegenständlichkeit eine nicht von der Person getrennte: nur eine mit ihrer unmittelbaren Leiblichkeit zusammenfallende sein . . . Die Arbeit nicht als Gegenstand, sondern als Tätigkeit; nicht als selbst Wert, sondern als die lebendige Quelle des Werts." 5 Lebendige Arbeit ist die Äußerung der schöpferischen, der Schaffensenergie des Menschen durch ihn selbst. Dem Menschen, dem Arbeiter, dem Produzenten gehört die entscheidende Rolle in der Produktion. Hier besteht die Arbeitsproduktivität in der Fähigkeit der lebendigen Arbeit, eine bestimmte Menge von Arbeitsgegenständen und Arbeitsmitteln in Bewegung zu setzen. J e mehr Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände die lebendige Arbeit benutzt, desto produktiver ist sie. Die Bezahlung der Arbeit ist die Bezahlung der lebendigen Arbeit. 3 K. Marx, Theorien über den Mehrwert, Erster Teil, in: MEW, Bd 26.1, Berlin 1965, S. 366. « Ebenda, S. 368. 5 K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953, S. 203.

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Der Geldlohn im Sozialismus bildet einen Maßstab zur Berücksichtigung des Aufwands an lebendiger Arbeit. Er zeigt, daß der eine Arbeiter mehr körperliche und geistige Kräfte aufwendet als der andere. Die Messung des Aufwandes von lebendiger Arbeit mit Hilfe von vergegenständlichter Arbeit, das heißt mit Hilfe von produzierten Gegenständen und Sachen im Geldausdruck, darf jedenfalls nicht zur einzigen und alles umfassenden Methode werden. Die vergegenständlichte Arbeit offenbart sich im Sozialismus in Form der technischen Ausrüstung der lebendigen Arbeit, das heißt der Arbeitsinstrumente und Arbeitsgegenstände, und der Kenntnisse des Arbeiters. Einheit und Gegensätzlichkeit der lebendigen und der vergegenständlichten Arbeit im Sozialismus zeigen, daß der Werktätige der Produktion Produzent und Konsument materieller Güter zugleich ist. Sie zeigen, daß der Arbeitsplatz im Betrieb die reale Verkörperung der Produktionsverhältnisse darstellt, deren Wesen darin besteht, daß die Menschen der sozialistischen Gesellschaft unmittelbar füreinander arbeiten, daß jeder Werktätige in Hinsicht auf die einen Werktätigen Produzent, im Hinblick auf die anderen Konsument ist. Einheit und Gegensätzlichkeit dieser beiden Momente der Arbeit zeigen das Wesensmerkmal der sozialistischen Produktionsverhältnisse in der Produktion und Arbeit, nämlich die Beziehungen unmittelbar zwischen den Arbeitern, zwischen den Arbeitern und dem ingenieurtechnischen Personal einerseits und den Mitarbeitern der Verwaltung andererseits. Ihrem Charakter nach sind dies Beziehungen der gegenseitigen Hilfe, der Kollektivität in der Arbeit. Diese Beziehungen machen das Wesen eines sozialistischen Produktionskollektivs aus. Entwicklung der sozialistischen Produktionsverhältnisse und gegenseitige Hilfe der Werktätigen der Produktion unmittelbar in der Arbeit bedeuten im Grunde ein und dasselbe. Unentgeltliche Weitergabe von Kenntnissen, von Arbeitserfahrungen qualifizierter Arbeiter an weniger qualifizierte und erfahrene, Beherrschung verwandter Berufe, Gemeinschaftsarbeit von Arbeitern und Ingenieuren sowie Technikern in Komplexbrigaden für Erfindungen und Rationalisierungsvorhaben, Teilnahme der Arbeiter an der Leitung der Betriebe durch die ständigen Produktionsberatungen und die Beteiligung an der Aufstellung der Betriebspläne usw. sind Ausdruck der Produktionsverhältnisse. Im Sozialismus ist die Einheit von lebendiger und vergegenständlichter Arbeit durch die Natur des Produktionsprozesses bedingt. 92

Diese Einheit ist ein Verhältnis, das Arbeit füreinander, kollektive Arbeit genannt wird. Die Dialektik der lebendigen und vergegenständlichten sozialistischen Arbeit, die Einheit und Gegensätzlichkeit dieser Momente der Arbeit, machen es uns unmöglich, die unserer Ansicht nach verbreitete, einseitige Definition der Produktivkräfte der Gesellschaft zu akzeptieren. In einem Lehrbuch „Politische Ökonomie" heißt es: „Die Produktivkräfte drücken das Verhältnis der Menschen zu den Gegenständen und Kräften der Natur aus, die zur Produktion von materiellen Gütern benutzt werden." 6 J a . A. Kronrod formuliert diesen Gedanken so: „Die Produktion ist die Einheit der Beziehungen des Menschen zur Natur und der Beziehungen zwischen den Menschen selbst im Arbeitsprozeß"; „die materielle Produktion ist die umwandelnde unmittelbare Einwirkung des Menschen auf die Natur . . . " 7 Die Autoren berufen sich auf die Äußerungen von Marx, daß in der Produktion die Menschen auf die Natur einwirken. Es ist aber zu berücksichtigen, daß Marx erstens seine Aufmerksamkeit hauptsächlich darauf richtete, das Wesen der Produktionsverhältnisse aufzudecken. Marx betonte daher, daß in der Produktion die Menschen auf die Natur einwirken 8 , er hat diese Einwirkung auf die Natur aber nicht in ihren Details analysiert. Zweitens. Als Marx an seinen grundlegenden ökonomischen Werken arbeitete, war die Wissenschaft weniger entwickelt als heute. V. I. Lenin schrieb: „2 Formen des objektiven Prozesses: die Natur (mechanische und chemische) und die ¿¡wegsetzende Tätigkeit des Menschen." 9 Der Satz Lenins von den zwei Formen des objektiven Prozesses, den zwei Formen der objektiven Realität und der zweckmäßigen Tätigkeit des Menschen, verdient von den Ökonomen gründlich beachtet zu werden. In diesem Satz verbirgt sich ein Moment, das für das richtige Verständnis der Produktivkräfte von großer Bedeutung ist. An dieser Stelle, im gleichen Konspekt von Hegels „Wissenschaft der Logik" schließt Lenin: „Das Bewußtsein des Menschen widerspiegelt nicht nur die objektive Welt, sondern schafft sie auch." 10 Weiter bemerkt Lenin: „In der praktischen Idee (auf dem Gebiet Politiceskaja ekonomija, Lehrbuch, Moskau 1962, S. 10. J a . A. Kronrod, Obsöestvennyj produkt i ego struktura pri socializme, Moskau o. J., S. 14, 20 u. a. 8 K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 192. 9 V. I. Lenin, Konspekt zur „Wissenschaft der Logik". Die Lehre vom Begriff, in: Werke, Bd 38, Berlin 1964, S. 178. « Ebenda, S. 203. 6

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der Praxis) steht dieser Begriff als Wirkliches (Wirkendes?) dem Wirklichen gegenüber" 11 , „d. h., daß die Welt den Menschen nicht befriedigt und der Mensch beschließt, sie durch sein Handeln zu verändern." 12 Dies verpflichtet uns, die Definition der Produktivkräfte als der Beziehungen der Menschen zur Natur zu konkretisieren und zu präzisieren. Es ist zu präzisieren, von welcher Natur, von welcher objektiven Realität die Rede ist, ob von der natürlichen Natur oder von der vermenschlichten Natur, ob davon die Rede ist, was dem Menschen gegeben wird, ohne daß er in irgendeiner Weise tätig wird, oder davon, was nicht nur Existenzbedingung des Menschen ist, sondern auch durch seine Existenz hervorgerufen ist. Nicht ohne Grund wird zum Beispiel die Chemie als eine zweite Natur angesehen. Bis zum 13. Jahrhundert waren der Menschheit ganze 9 chemische Elemente bekannt, im 14. Jahrhundert waren es 13, gegen Ende des 17. Jahrhunderts 25 und zu Lomonossows Zeiten 29. Als das Gesetz der Periodizität entdeckt wurde, waren 63 Elemente bekannt, gegenwärtig 104. Am Ende des vergangenen Jahrhunderts wurden in der Industrie 47 Elemente genutzt, 1950 waren es 86. Heute stellen die Chemiker in jedem Monat mehr als zweitausend neue organische Verbindungen her und kennen etwa 3 Millionen organische Verbindungen und über 50000 anorganische Stoffe. Die chemische Industrie produziert in der Welt etwa 20000 chemische Produkte. Ohne zu berücksichtigen, daß es zwei Formen des objektiven Prozesses gibt, ohne die Unterschiede und Wechselbeziehungen zwischen ihnen zu klären, läßt sich die Rolle der Produktivkräfte in der Gesellschaft nicht völlig aufdecken. Was ist charakteristischer für die Arbeit, die Beziehung der Menschen zur natürlichen Natur, zum Beispiel die Benutzung eines Steines, eines Stockes als Arbeitsmittel und die Sammlung von Früchten, oder die Beziehung der Menschen zu der vermenschlichten, von vergegenständlicher Arbeit durchdrungenen Natur? Was ist in diesem Falle innerhalb der Produktivkräfte von größerer Bedeutung: die Beziehungen der Menschen zu den Gegenständen und Kräften der Natur oder ihre Beziehung zu den Gegenständen und Kräften der Natur, die bereits menschliche Arbeit enthalten? Produktivkräfte sind eine Kategorie des Produktionsprozesses, in dem sie als das Verhältnis zwischen lebendiger und vergegenständ11

Ebenda. !2 Ebenda, S. 204. 94

lichter Arbeit auftreten. Dieses Verhältnis ist umfassender als d a s Verhältnis der Menschen zur N a t u r an sich. Marx schrieb: „. . . denn jede Produktivkraft ist eine erworbene K r a f t , das P r o d u k t früherer Tätigkeit. Die P r o d u k t i v k r ä f t e sind also das Resultat der angewandten Energie der Menschen, doch diese Energie selbst ist begrenzt durch die Umstände, in welche die Menschen sich versetzt finden, durch die bereits erworbenen Produktivkräfte, durch die Gesellschaftsform, die vor ihnen da ist, die sie nicht schaffen, die das P r o d u k t der vorhergehenden Generation ist. D a n k der einfachen Tatsache, daß jede neue Generation die von der alten Generation erworbenen Produktivkräfte vorfindet, die ihr als Rohmaterial f ü r neue Produktion dienen, entsteht ein Zusammenhang in der Geschichte der Menschen, entsteht die Geschichte der Menschheit, die u m so mehr Geschichte der Menschheit ist, je mehr die Produktivkräfte der Menschen und infolgedessen ihre gesellschaftlichen Beziehungen wachsen. Die notwendige Folge: Die soziale Geschichte der Menschen ist stets nur die Geschichte ihrer individuellen E n t wicklung, ob sie sich dessen bewußt sind oder nicht. Ihre materiellen Verhältnisse sind die Basis aller ihrer Verhältnisse. Diese materiellen Verhältnisse sind nichts anderes als die notwendigen Formen, in denen ihre materielle und individuelle Tätigkeit sich realisiert." 1 3 Aus dem zitierten Brief von Marx geht hervor, daß erstens die Produktivkräfte, die „das Resultat der angewandten Energie der Menschen" sind, nichts anderes als vergegenständlichte, vergangene Arbeit sind. Zweitens kann, da „jede neue Generation die von der alten Generation erworbenen Produktivkräfte vorfindet, die ihr als Rohmaterial für neue Produktion dienen", das Studium dieser Verhältnisse dazu beitragen, die objektive Unvermeidlichkeit der revolutionären Ablösung des Kapitalismus durch den Sozialismus u n d des Hinüberwachsens des Sozialismus in den Kommunismus zu verstehen. In den Ausbeuterordnungen vollzieht sich die Wechselbeziehung der Generationen im Klassenkampf. I m Kommunismus besitzt diese Wechselbeziehung von Anfang — also dem Sozialismus — an den Charakter der Zusammenarbeit. J e d e Generation löst eine bestimmte Summe von historischen Aufgaben, die sich aus dem objektiven Verlauf der Menschheitsentwicklung ergeben. Dabei leistet die eine Generation einen größeren Beitrag zur Lösung der allgemeinen historischen Aufgaben als die andere. Erst im Kommunismus, wenn 13

K. Marx an Pawel Wassiljewitsch Annenkow, Brief v. 28. Dezember 1846, in: MEW, Bd 27, Berlin 1963, S. 452/453.

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es eine entwickelte wissenschaftliche Perspektivplanung gibt, wird die Gesellschaft bewußt entscheiden können, welche historischen Aufgaben jede Generation zu lösen hat. Drittens werden die Menschen erst dann zur Hauptproduktivkraft, wenn sie Produzenten sind, wenn sie sich assoziieren und miteinander Produktionsverhältnisse eingehen. Die politische Ökonomie kann das ökonomische Wesen der Produktivkräfte nicht außer acht lassen und sie nicht nur auf die Verhältnisse des Menschen zur Natur reduzieren. Marx schreibt, daß die Geschichte der Menschheit „um so mehr Geschichte der Menschheit ist, je mehr die Produktivkräfte der Menschen und infolgedessen ihre gesellschaftlichen Beziehungen wachsen" 14 . Die Entwicklung der Produktivkräfte und die Entwicklung der gesellschaftlichen Beziehungen werden von Marx als ein Prozeß dargestellt. Die Wechselbeziehung zwischen lebendiger und vergegenständlichter, gegenwärtiger und vergangener Arbeit enthüllt die Beziehungen zwischen den Werktätigen der sozialistischen Gesellschaft. Wir sind nicht mit der Behauptung einverstanden, daß im Sozialismus „die Wechselbeziehungen der Produzenten in ihrer Ausgangsform . . . keinerlei Sachform annehmen" 15 . Diese Behauptung steht im Widerspruch zur Wirklichkeit. Jeder Arbeiter weiß zum Beispiel, daß die Textilarbeiterinnen die Arbeit der Maschinenbauer nicht unmittelbar nutzen, sondern durch die Verwendung von Webstühlen. Die Maschinenbauer wiederum erhalten die Arbeit von den Textilarbeiterinnen in den Stoffen vergegenständlicht. Die Beziehungen des Produzenten zum Produzenten, die auf der Teilung der Arbeit beruhen, werden also durch Sachen verwirklicht. Diese Beziehungen werden unter den Bedingungen des Sozialismus nicht verzerrt, nicht fetischiert, nicht aus dem Charakter der Dinge abgeleitet, aber sie können nicht ohne die Sachen verwirklicht werden, nicht allein durch die Arbeit, die darin enthalten ist. Marx schrieb: „Es ist die Naturgabe der lebendigen Arbeit, alten Wert zu erhalten, während sie Neuwert schafft." 16 Das ist unmöglich, wenn es „keinerlei Sachform" gibt. Die Lehre von der lebendigen und der vergegenständlichten Arbeit wirft Licht auf wichtige Fragen der politischen Ökonomie. Das be14 15

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Ebenda. N. A. Cagolov, Voprosy razrabotki naucnogo kruga politiöeskoj ekonomii, in: Kommunist, 10/1961, S. 115. K. Marx, Das Kapital, Erster Band, a. a. O., S. 633.

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trifft zum Beispiel die Quellen für das Wachstum der gesellschaftlichen Arbeitsproduktivität und die Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Reproduktion, die letzten Endes einen ununterbrochenen Prozeß der Umwandlung von lebendiger Arbeit in vergegenständlichte darstellt, wobei der Ersatz der vergegenständlichten Arbeit bei der Benutzung der Produktionsmittel nur durch lebendige Arbeit möglich ist. In jeder Gesellschaft produziert derjenige die Arbeitsinstrumente, der sie benutzt. In der unentwickelten Wirtschaft ist das eine offensichtliche Tatsache: Der Bauer zum Beispiel fertigte Hakenpflug und Egge selbst an und nutzte diese Werkzeuge dann selbst auf dem Feld. In der entwickelten Wirtschaft, die auf der Arbeitsteilung beruht, produzieren die einen zum Beispiel nur Arbeitsmittel und die anderen nur Getreide. Hinsichtlich der ökonomischen Rolle aber ist die Arbeit der einen wie die der anderen Arbeit sowohl zur Schaffung von Arbeitsinstrumenten als auch zur Produktion von Getreide. Der sowjetische Arbeiter eines Betriebes nennt die Maschinen seine eigenen. Damit wird ausgedrückt, daß er erstens auf Grund des gesellschaftlichen Eigentums ihr Herr ist und daß er, zweitens, selbst diese Maschinen schafft. Jeder Werktätige der Produktion, der Maschinen, Werkzeuge usw. physisch als konkrete Arbeitsmittel benutzt, reproduziert diese Arbeitsmittel ökonomisch, das heißt, ersetzt die darin enthaltene vergegenständlichte Arbeit. Die Lehre der politischen Ökonomie von der lebendigen und vergegenständlichten, gegenwärtigen und vergangenen Arbeit ist für die Praxis bedeutsam. Die Hauptaufgabe der Produktions- und Arbeitsorganisation besteht darin zu sichern, daß die Betriebe, Wirtschaftszweige und die gesamte Wirtschaft ununterbrochen, rhythmisch und mit hoher Produktivität arbeiten. Voraussetzung dafür ist, daß die Betriebe im notwendigen Umfang und in der notwendigen Qualität beziehungsweise Qualifikation mit Kadern und mit Produktionsmitteln (lebendiger und vergegenständlichter Arbeit) rechtzeitig versorgt werden, daß ständig mit der Zunahme der Anzahl der Arbeitenden und der Verbesserung ihrer Ausbildung auch die Fondsausstattung der Arbeit und so die Arbeitsproduktivität wächst. Es gibt große Möglichkeiten, durch richtige Gestaltung des Verhältnisses zwischen lebendiger und vergegenständlichter Arbeit die Auslastung der Produktionsausrüstungen zu verbessern. So liegen in einigen Maschinenbaubetrieben die Ursachen des Stillstands der Ausrüstungen während einer vollen Schicht und der Stillstandszeit innerhalb einer Schicht zu mehr als 50 Prozent hauptsächlich darin, daß es an Übereinstimmung zwischen der lebendigen und der ver7

Tjapkin, Organisation

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gegenständlichten Arbeit fehlt, das heißt, zwischen Anzahl der Beschäftigten und Menge der Ausrüstungen. Im Kalinin-Werk in Woronesh betrugen 1963 die Stillstandszeiten der spanabhebenden Werkzeugmaschinen 46 Prozent des zur Verfügung stehenden Fonds von Maschinenstunden. Diese Stillstandszeiten waren zu 18,1 Prozent auf Krankheit und zu 54, 5 Prozent auf Mangel an Arbeitskräften zurückzuführen.17 Ohne das Wesen der lebendigen und der vergegenständlichten Arbeit als der integrierenden Bestandteile des Arbeitsprozesses zu erfassen, ist es unmöglich, bei der Planung der Volkswirtschaft eine gegenseitige Übereinstimmung der Pläne der Produktion, des Bauwesens und der Versorgung zu erreichen. Einen überaus gelungenen Versuch, das Verhältnis zwischen vergegenständlichter und lebendiger Arbeit — das heißt, zwischen Produktionsmitteln und Kadern — quantitativ auszudrücken, hat unserer Meinung nach P. Mstislawski unternommen. Er stellt fest, daß es der vollständigen Nutzung der Produktionsmittel und Arbeitsressourcen sowie der Proportionalität zwischen ihnen bedarf, um ein hohes Tempo der sozialistischen Reproduktion zu sichern. Die Ubereinstimmung der Masse der Produktionsmittel mit der Masse der Arbeitskraft muß mit der Produktivität und der Dauer des Arbeitstages koordiniert werden. Ist eine jährliche Zunahme des gesellschaftlichen Produkts um 10 Prozent vorgesehen (100 -j- 10 = 1,1) und werden die Produktionsfonds um 8 Prozent vergrößert (100 + 8 = 1,08), so muß die Fondsquote, d. h. der Umfang der Produktion je Fondseinheit, im gesellschaftlichen Maßstab um 1,85 Prozent zunehmen (100 + 1,85 = 1,0185). Das Produkt aus den Fonds und ihrem „Effekt" ergibt 110 Prozent (1,08 • 1,0185 • 1 0 0 = 110). Wenn weiter die Anzahl der in der gesellschaftlichen Produktion Arbeitenden im Jahr um 1,6 Prozent zunimmt (100 + 1,6 = 1,016) und der Arbeitstag unverändert bleibt, so muß, um ein Wachstumstempo der Reproduktion um 10 Prozent zu sichern, die Produktivität der Arbeit der Werktätigen, darunter auch der neuen Arbeitskräfte, um 8,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr wachsen (100 + 8,3 = 1,083). Das Produkt aus der Anzahl der Beschäftigten und der Größe der jährlichen Produktivität ihrer Arbeit muß ebenfalls gleich 110 Prozent sein (1,016 • 1,083 = 1,10). Diese funktionale Beziehung läßt sich als Formel darstellen: Wt (Wachstumstempo) = 10 Prozent oder 1,10 = 1,08 • 1,0185 = 1,016 • 1,085. 71

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Ekonomifieskie voprosy techniCeskogo progressa v öernozemnogo centra, Voronez 1965, S. 198.

promyslennosti

Die Formel ist so zu lesen: Das Wachstumstempo des gesellschaftlichen Produkts ist gleich dem Wachstumstempo der Produktionsfonds, multipliziert mit der Zunahme ihrer Produktionseffektivität, oder gleich dem Wachstumstempo der Arbeitskräfteressourcen, multipliziert mit der Steigerung ihrer Produktivität. Die Verletzung der in dieser Formel ausgedrückten Proportion führt zu Verlusten, die im Sozialismus nicht geduldet werden können. Wenn zum Beispiel die Produktionskapazität der Fonds (ihre Masse, multipliziert mit ihrem „Effekt") um mehr als 10 Prozent zunimmt, während das Wachstum der Kader und ihrer Produktivität nur 10 Prozent beträgt, so bedeutet dies, daß die akkumulierten Produktionsmittel teilweise ungenutzt bleiben. Wenn umgekehrt die Arbeitskraft und ihre Produktivität es gestatten, die Produktion um mehr als 10 Prozent zu steigern, die Produktionskapazität jedoch nur ein Wachstum um 10 Prozent gewährleistet, so heißt das, daß die Arbeitskraft nicht voll genutzt wird. In beiden Fällen bleibt die Zuwachsrate des gesellschaftlichen Produkts gleich 10 Prozent, da im ersten Falle ein durch die Produktionsmittel mögliches schnelleres Wachstum durch die Arbeitskraft beschränkt wird und im zweiten Falle das auf Grund der vorhandenen Arbeitskraft mögliche schnellere Wachstum seine Grenze in den vorhandenen Produktionsfonds findet. An Hand der entwickelten Formel läßt sich auch verfolgen, wie sich die Nichterfüllung des Plans in einer Kennziffer unvermeidlich auf alle anderen Kennziffern auswirkt. Das Wesen der lebendigen Arbeit zu klären ist notwendig, um das Gesetz der Verteilung nach der Arbeitsleistung zu verwirklichen. Die Verteilung nach der Arbeitsleistung drückt Verhältnisse zwischen den Werktätigen und der Gesellschaft (dem Staat) aus. Sie ist kein Warenverhältnis, kein Wert Verhältnis. Der Arbeitslohn des sozialistischen Werktätigen ist nicht der Geldausdruck des Wertes der Arbeitskraft oder des Wertes des durch die Arbeitskraft geschaffenen Produkts. Das Produkt der Arbeit ist im Sozialismus gesellschaftliches staatliches Eigentum. Der Werktätige verkauft es nicht an den Staat, obwohl er einen bestimmten Teil davon kauft. Der Übergang der zur Konsumtion bestimmten Produkte aus dem Eigentum des Staates in persönliches Eigentum, der durch Kauf geschieht, ist kein Ferkauf, stellt folglich - vom Standpunkt des Werktätigen einen besonderen Kauf dar, der durch das Wesen der lebendigen Arbeit bedingt ist. Der Arbeitslohn oder das dafür gekaufte Produkt bilden ein spezifisches Äquivalent der lebendigen Arbeit, und die Geld- oder Gebrauchswerteinheiten des Produkts bilden einen Maß7»

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stab der lebendigen Arbeit. Sie zeigen, daß der eine Werktätige mehr oder besser arbeitet als der andere. Karl Marx und Friedrich Engels schrieben im „Manifest der Kommunistischen Partei": „In der bürgerlichen Gesellschaft ist die lebendige Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. In der kommunistischen Gesellschaft ist die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern."18 Lebendige Arbeit ist die Quelle der angehäuften Arbeit, angehäufte Arbeit erleichtert die lebendige Arbeit. In der sozialistischen Gesellschaft ist Arbeit die Quelle aller materiellen und geistigen Werte und der Selbstvervollkommnung der Menschen. 18

K. Marx, F. Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, in: MEW, Bd 4, Berlin 1959, S. 476.

KAPITEL

IV

Arbeitsteilung und Wechsel der Arbeit

Teilung und Wechsel der Arbeit sind allgemeine Merkmale der Arbeit. Ohne die Arbeitsteilung und den Wechsel -(

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