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German Pages 27 [28] Year 1884
Die
Königliche Bibliothek in Berlin.
Von
Heinrich von Treitschke.
(Abdruck aus dem LIH. Bande der Preußischen Jahrbücher.)
Berlin. Druck und Berlag von Georg Reimer.
1884.
üDie Zeilen sind dahin, da man in Süddeutschland spottete, Preußen habe sich groß gehungert.
Die Wiederherstellung des deut
schen Reichs hat unseren Staat mancher unnatürlichen Fesseln ent ledigt, seine mächtigen Glieder können sich endlich strecken und dehnen, der so
lange durch peinliche Sparsamkeit beengte Staatshaushalt
wirthschaftet aus
dem Vollen.
Im Jahre 1863 bestritt Preußen
seinen gesummten ordentlichen Staatsaufwand, einschließlich des Heer wesens, mit rund 400 Mill. Mark; heute genügt eine Milliarde schon langst nicht mehr, obgleich die Kosten des Heeres, des Aus wärtigen
Amts und
viele
andere
Deutsche Reich übergegangen sind.
Ausgaben inzwischen
auf das
Und doch fühlt sich Niemand
durch dies gewaltige Wachsthum beunruhigt, denn es findet seine natürliche Erklärung nicht blos in der Vergrößerung des Staatsge bietes und der Steigerung aller Preise, sondern vornehmlich in den neuen Aufgaben, welche von allen Seiten her, eine endlose Reihe, an unseren Staat herantreten.
Viele Leistungen für Volksbildung
und Gemeinwohl, die er einst verabsäumte oder nur kümmerlich er füllte, erscheinen heute, seit er zu seinen Jahren gekommen ist, als unerläßliche Ehrenpflichten. Es ist nur menschlich, daß die Nation sich in dem weiten Mantel des Großstaates noch nicht ganz heimisch fühlt und zuweilen erst nach einigem Besinnen erkennt, wie viel ihr noch zu thun bleibt, um den weiten Vorsprung älterer Culturvölker einzuholen.
In der Regel
zeigt sich die öffentliche Meinung wohlwollend und einsichtig, so oft für die Pflege von Kunst und Wissenschaft neue Mittel gefordert werden; der unverwüstliche Idealismus der Deutschen bleibt schließlich l*
4 doch stärker als die Gehässigkeit des Parteigeistes.
Die platten Nütz
lichkeitslehren des alten kleinstaatlichen Liberalismus, der Alles waS über die nackte Nothdurft hinausging als Luxus verdammte, finden heute in den gebildeten Kreisen keine Gläubigen mehr und werden nur noch zur Aufwiegelung der Massen gemißbraucht.
Der bessere
Theil der Nation weiß, wie befruchtend das höchste.geistige Schassen bis in die Tiefen des socialen Lebens zurückwirkt; er weiß, daß wir uns selber untreu würden, wenn wir unsere neugewonnene politische Machtstellung nicht durch den Adel unserer Gesittung sittlich zu recht fertigen vermöchten.
Seit dem Jahre 1870 hat der Landtag, immer
unter lebhafter Zustimmung der Presse, die ordentlichen Ausgaben deS Cultusministeriums nach und nach von 6'/4 Mill. Thaler bis auf nahezu 53 Mill. Mark erhöht, wozu int laufenden Jahre noch mehr als 9 Mill. außerordentliche Ausgaben hinzutreten.
Für die
Berliner Museen allein sind soeben wieder über 1,2 Mill. bewilligt worden, und wir dürfen hoffen, daß diese der Wissenschaft und der Kunst gleich unentbehrlichen Sammlungen unter ihrer gegenwärtigen musterhaften Verwaltung bald auf einen Stand gelangen werden, der den berechtigten Ansprüchen der Reichshauptstadt genügt.
Aber
mit alledem sind die Unterlassungen früherer Jahre noch bei Weitem nicht gesühnt.
Noch manche andere unserer großen Bildungsinstitute
bedürfen dringend einer gründlichen Reform, vor allen die König liche Bibliothek, die für das geistige Leben der Hauptstadt mindestens ebenso viel bedeutet wie die Mlffeen.
Betrachten wir in kurzem
Ueberblick, wie diese schöne Stiftung der Hohenzollern sich gebildet hat, was wir an ihr haben und was ihr gebricht. Es
ist
ein
anspruchsloses aber lehrreiches Stück preußisch
deutscher Geschichte.
Die Entwicklung des preußischen Staates und
der Charakter jedes einzelnen seiner Fürsten spiegelt sich in den Schicksalen
dieser Sammlung
Namen unserer Annalen,
treulich wieder;
viele der großen
Männer des Lagers und des Rathes,
Dichter und Denker halfen ihren Bücherschatz mehren.
Wie spät
und mühsam hat die zarte Pflanze der Wissenschaft Wurzeln ge schlagen
in dem
jungen
Colonialboden
der
Marken;
wie
viele
5 Schätze gelehrten Wissens lagen schon aufgespeichert in den Büchereien der romanischen Klöster, als an der Havel noch die Wenden hausten. Schon um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts entstand in Rom die große vatikanische Bibliothek, um dieselbe Zeit in Florenz die Laurentiana, und achtzig Jahre später erbaute Sansovino in Venedig für den literarischen Nachlaß Petrarcas und Bessarions jenen strahlen den Palast, dessen kühn gebogene Metopen die ganze Künstlerwelt Italiens in Aufruhr brachten.
In Frankreich stellte Franz I. die
Bücherei von Fontainebleau unter die Leitung des gelehrten Gräcisten Bude,
und schon sein Nachfolger betrachtete diese Sammlung als
eine Nationalanstalt, der alle die reichen literarischen Kräfte seines früh geeinten Volkes dienstbar werden sollten. fahl König Heinrich II.
Im Jahre 1556 be
allen französischen Buchdruckern,
Exemplare ihres gesammten Verlags einzusenden,
Pflicht-
und also durch
die Nation selbst gefördert wuchs die königliche Bibliothek beständig an, znmal seit König Heinrich IV. sie nach Paris verlegt hatte; sie umfaßte schon vor der Revolution 150,000 Druckwerke und einen reichen Schatz von Handschriften, Aber auch in den oberdeutschen Landen war schon lange bevor das wissenschaftliche Leben in den Marken erwachte der Sammler fleiß thätig gewesen.
In Fulda, in Corvey und anderen Klöstern
des Westens hatten sich seit den Anfängen unseres Mittelalters kost bare Handschriftenschätze aufgehäuft. Jahrhunderts begann auch den Werth der
Seit der Mitte des sechzehnten
die erstarkende landesfürstliche Gewalt
Büchersammlungen zu
erkennen.
Kurfürst Otto
Heinrich ließ die Bibliothek der Pfalzgrafen mit der Bücherei der Heidelberger Heiligengeistkirche vereinigen; bald nachher gründete Herzog Albrecht V. die Münchener, Kurfürst August die Dresdener Bibliothek.
Vieles von diesen Schätzen ging freilich in den Stürmen
des dreißigjährigen Krieges zu Grunde; Jedermann weiß, wie Tilly mit seinem Helfershelfer Leo Allatius die Heidelberger Palatina nach Rom sendete und Gustav Adolf, um das unglückliche Deutschland schadlos zu halten, zur Vergeltung die Bibliothek der Würzburger Jesuiten nach seinem Upsala entführen ließ.
Immerhin blieb den
6 alten Culturlanden des Reichs auch nach den Plünderungen dieser wilden Zeit noch ein ungleich reicherer Büchervorrath erhalten als dem armen Brandenburg.
Hier hatten die wackeren Cistercienser-
mönche mit dem Roden der Wälder und der Pflege ihrer Gärten immer vollauf zu thun gehabt und für die Wissenschaft wenig Muße behalten.
Außer der bescheidenen Bücherei des Havelberger Doms,
die erst im Jahre 1821 nach Berlin kam, ist der heutigen König lichen Bibliothek kein irgend namhafter märkischer Kirchenschatz zu gewachsen.
Als die evangelische Lehre in das Land einzog, beklagte
Melanchthon bitterlich die Roheit dieser märkischen Centauren, die Unwissenheit ihrer Clerisei, und auch das folgende Jahrhundert der theologischen Hahnenkämpfe war der ernsten Gelehrsamkeit wenig günstig.
Die kleine Bibliothek der Frankfurter Universität bezog
ihren bescheidenen Bedarf meist aus Leipzig.
In Berlin trieben die
Drucker und Buchbinder nebenbei einen Handel mit Bibeln, Postillen und wenigen gelehrten Werken.
Erst im Jahre 1659 wagte Ruprecht
Völker eine Buchhandlung in der Hauptstadt zu eröffnen. In demselben Jahre beginnt die Geschichte der Berliner Biblio thek.
Pufendorf hat es verschmäht den heroischen Stil seines Ge
schichtswerks durch die Erwähnung solcher Kleinigkeiten zu entwür digen; uns Heutigen erscheint es als ein charakteristischer Zug aus den Zeiten der Neugründung unseres Staates, daß der Große Kur fürst,
fern der Heimath,
mitten
in den Wirren des
nordischen
Krieges noch Zeit behielt für das wissenschaftliche Leben seiner Haupt stadt zu sorgen.
Er hatte soeben seine Adler auf Düppel und Alfen
aufgepflanzt und rüstete sich die Schweden auch aus Fünen zu ver treiben, während Frankreich bereits jene Friedensvermittlung begann, welche den Marquis von Brandenburg um die Früchte seiner Siege betrügen sollte.
In diesem Augenblicke schwerer Sorge, drängender
militärischer und diplomatischer Arbeit,
erließ Friedrich Wilhelm
aus seinem Hauptquartier Viborg in Jütland, am 20. April 1659 den Befehl, die einzige werthvolle Büchersammlung seines Landes, die Hausbibliothek der Kurfürsten neu zu ordnen und betraute den neu ernannten Bibliothekar Rave mit der Ausführung.
Bald nach
7 dem Frieden von Oliva, 1661 wurde der Lesesaal der Sammlung der öffentlichen Benutzung übergeben.
Sie stand in dem Seiten
flügel des Schlosses, dem heutigen Dome gegenüber, in denselben Gemächern wo einst Thurneyßer seine alchymistischen Künste getrieben. Nach Mäcenatenruhm
hatten die sparsamen Hohenzollern nie ge
trachtet, doch war im Laufe der Zeit, zumal unter dem gelehrten Joachim I., manches gute Buch in den Besitz des Hauses gelangt. Neben den Büchern wurden auch naturwissenschaftliche Curiosa auf gestellt, wie sie dem Geschmacke der Zeit zusagten, vor allen die neu erfundene Luftpumpe des getreuen Bürgermeisters von Magdeburg, Otto v. Guericke, mitsammt den beiden wunverbaren Halbkugeln, die durch zwei starke Pferde nicht auseinandergerissen werden konnten und vor Kurzem
die
gerechte Verwunderung
Reichstags erregt hatten.
des Regensburger
Nach dem Finanzbrauche der Epoche, die
eben erst aus der Naturalwirthschaft zur Geldwirthschaft überging, wurde die junge Stiftung nicht mit einem festen Einkommen aus gestattet, sondern auf den Ertrag einiger kleinen Gebühren ange wiesen, namentlich auf die Dispensgelder der ungeduldigen Braut paare, welche sich mit einmaligem Aufgebot von der Kanzel begnügen wollten.
Daraus und
aus dem Verkauf ihrer Doubletten bezog
die Bibliothek ein Einkommen von etwa 324 Thaler jährlich. Sie blieb Sinn,
ein Liebling
des Kurfürsten; sein hausväterltcher
der sich so glücklich mit wagendem Heldenmuthe verband,
ward nicht müre für die Sammlung zu sorgen.
Bis zu seinem
Tode schenkte er ihr noch fast Alles was er an Büchern besaß, an 2000 Bände, selbst die Prachtexemplare der ihm gewidmeten Werke: so das Buch von Guericke über den leeren Raum und Pufendorfs Schrift über Staat und Kirche, die tapfere protestantische Antwort auf die Aufhebung des Edikts von Nantes.
Als
er das unbe-
zwingliche Stralsund erobert hatte und die theuere Beute im Frie den von St. Germain wieder an die Schweden zurückgeben mußte, ließ er sich zum Abschied noch eine Sammlung von Büchern und Handschriften für seine Berliner Bibliothek ausliefern. Helden und Staatsmänner halfen mit.
Auch seine
Sein Statthalter in Cleve,
8 Johann Moritz von Nassau, der Eroberer von Brasilien, schenkte der Bibliothek die Karten und die seltsamen Thierbilder, die er einst im fernen Westen gesammelt; der letzte Bischof von Kammin, Herzog Ernst Bogislav von Croy, der sich für den rechtmäßigen Erben des
alten pommerschen Greifenstammes hielt
aber
längst
seinen Frieden mit dem neuen Landesherrn geschlossen hatte, ver machte ihr seine gesammte Bücherei.
So kamen bis zum Tode des
Kurfürsten etwa 20,600 Drucke zusammen — eine stattliche Samm lung für ein Land, das dreimal nach einander den Jammer eines langen Schwedenkrieges überstanden hatte.
Hier wie in allen seinen
Unternehmungen zeigt sich ein königlicher Ehrgeiz, der in unschein baren Anfängen schon künftige Größe ahnt; es war dieselbe stolze Zuversicht, die ihn bestimmte, durch die Einöde seines Thiergartens die breite Prachtstraße der Linden schlagen zu lassen. Unter seinem prachtliebenden Nachfolger fehlte es der Bibliothek nicht an reichen Geschenken; sie erwarb unter Anderem den großen Bücherschatz ihres Direktors, des gelehrten Diplomaten Ezechiel von Spanheim, und die Musikalien der philosophischen Königin.
Die
Buchhändler der neuen französischen Getonte vermittelten den Ver kehr mit dem Büchermärkte ihrer alten Heimath, und nach Frank reichs Vorbild wurde im Jahre 1699 allen preußischen Verlegern die Einlieferung von Pflichtexemplaren anbefohlen, was freilich noch sehr wenig bedeutete. Aber auch die Schwächen der neuen Regierung, die Schlaffheit der Verwaltung und die Lust an planlosen Speculationen machten sich
bald
fühlbar.
Die Bibliothek wurde
mit
einem seltsamen buchhändlerischen Geschäfte belastet, das zugleich ihre Einkünfte vermehren und den aufgeklärten Christenglauben fördern sollte. Sie mußte zwei Bücher im Lande verbreiten: die Betrachtungen über dem Exorcismo von dem pommerschen Pastor Polius und Eisen mengers entdecktes Judenthum — das gefürchtete Buch, dessen Er scheinen die Juden schon dreimal bei Kaiser und Reich hintertrieben hatten.
König Friedrich schmeichelte sich mit der Hoffnung, Eisen
menger werde die verstockte Judenschafl bekehren, Polius den langen Kampf der Hohenzollern wider die Teufelaustreibung siegreich been-
9 btflen.
Und das Buch des wackeren Pohl hat allerdings manchem
lutherischen Eiferer die Augen geöffnet, doch die Juden blieben leider »»belehrt, und der Geldgewinn war bei beiden Büchern gleich un erfreulich, da der moralische Erfolg doch nur durch unentgeltliche Ver breitung der Bekehrungsschriften gesichert werden konnte.
Schlimmer
war, daß seit Spanheims Abgang die Bibliothekare ihre Pflicht ver säumten und aus Trägheit den Einkauf neuer Bücher unterließen. Die Gelver lagen muffig in der Kasse, im Jahre 1719 war ein Ueberschuß von mehr als 2600 Thaler vorhanden. Für eine Sammlung, die solche Ueberschüsse brachte,
konnte
der gestrenge Haushalter Friedrich Wilhelm I. sich unmöglich er wärmen; ihr Zustand schien Alles zu bestätigen was er über die Narrenspoffen der Gelehrten dachte. griff er durch und ließ dem
Nach seiner soldatischen Art
General
Glasenapp
Pension aus den Bibliotheksgeldern zahlen.
kümmerte unter seinem banausischen Regimente, deren mühsam Jahren
wie
gepflegten Keime feinerer Bildung.
unterblieb
der
Bücherkauf
gänzlich,
1000 Thaler
Die Bibliothek ver
der
alle die an In dreizehn
Austausch
der
Doubletten mußte genügen; nur selten einmal bewilligte der König eine lächerliche Summe, vier, sieben oder 27 Thaler.
Mehrere Ab
theilungen der Sammlung wurden an andere Institute, denen sie nützlicher schienen, abgetreten, und es scheint fast räthselhaft, daß die Bibliothek nach solcher Verwahrlosung beim Tode des Königs noch einei» Bestand von 72,000 gedruckten und 2000 Handschriftenbänden aufwies. In den bewegten drei ersten Jahrzehnten seiner Regierung kümmerte sich Friedrich
der Große wenig um die vernachlässigte
Sammlung, nur daß er ihr dann und wann ein Geschenk aus seiner eigenen Bibliothek zukommen ließ und auch den auswärtigen Verlegern, denen er Privilegien gegen den Nachdruck gewährte, die Lieferung von Pflichtexemplaren anbefahl.
Selbst in den späteren
ruhigen Zeiten hatte sie zuweilen noch unter den drängenden politi schen Aufgaben des Tages zu leiden; so mußte sie im Jahre 1776 vierhundert Thaler hergeben um vierzig Dorfschulmeister schleunigst
10 in das neugewonnene Westpreußen zu
befördern.
Indeß begann
der König doch im Aller den Werth der Sammlung zu würdigen und suchte durch ungewöhnliche Freigebigkeit das Versäumte nachzu holen.
Er bewilligte
mehrere Jahre
hindurch 8000 Thaler für
Bücherkäufe und ließ die Bibliothek im Jahre 1782 in ihren neuen Palast übersiedeln.
Der seltame Bau mit der seltsamen Inschrift,
die dem gelehrten Quintus Jcilius so viel Aerger bereitete, genügte damals vollkommen seinem Zwecke; in drei großen Sälen des Haupt geschosses
standen die Bücherreihen übersichtlich an den Wänden
entlang. Auch für die wissenschaftliche Leitung der Anstalt wurde erst spät der rechte Mann gefunden. Gelehrten — Jcilius,
Der König wünschte einen tüchtigen
nur keinen Pedanten, natürlich
— und Quintus
Winckelmanns alter Hallenser Commilitone,
auf den großen Archäologen in Rom aufmerksam.
machte
ihn
Aber es blieb
Friedrichs Schicksal, daß er zu den Helden der deutschen Literatur, die doch seinen Thaten einen guten Theil ihrer jungen Lebenskraft verdankte,
niemals
ein persönliches
Verhältniß
anknüpfen
sollte.
Da Winckelmann das hohe Gehalt von 2000 Thalern forderte, so meinte der König, für einen Deutschen sei die Hälfte genug, und — suchte nach einem Franzosen, der mit der Hälfte vorlieb nähme. Er fand ihn, aber spaßhafterweise einen falschen. Durch die Gaunerei eines seiner berüchtigten französischen Regie-Beamten wurde statt des geistreichen Domherrn Jakob Pernety ein beliebiger Benediktiner mönch Anton Joseph Pernety berufen; der trat in das Amt, das man zuvor dem ersten Gelehrten Preußens zugedacht hatte.
Sechzehn
Jahre lang mußte man den unbrauchbaren Franzosen ertragen; da zog er endlich von dannen, und an seine Stelle kam im Jahre 1784 I. E. Biester, der Herausgeber jener Berlinischen Monatsschrift, in deren Spalten die aufgeklärten Leute von der Spree ihre angeborene Verstandes-
und Naseweisheit
abzulagern
pflegten.
Trocken und
schwunglos, ohne Sinn für die genialen Kräfte der neuen Literatur, war Biester doch ein gründlicher Gelehrter, histor,
grade so weit Poly
wie es der Beruf des Bibliothekars verlangt, und wartete
11 seines Amts so umsichtig, daß selbst sein nachmaliger Vorgesetzter, Minister Wöllner, der Todfeind der Berliner Aufklärer, den Unent behrlichen nicht zu entfernen wagte. In dem hoffnungsreichen Gnadenjahre König Friedrich Wil helms II.,
daS
so
manche Härten
des
fridericianischen Systems
milderte, wurde auf den Antrag des Grafen Hertzberg auch das Ausleihen der Bücher, daS schon früher einige Jahre lang üblich gewesen, wieder gestattet; der große König hatte seit der Eröffnung des
neuen Bibliothekgebäudes kein Buch
gehen
lassen.
Den
mehr
aus
dem Hause
offenen Händen Friedrich Wilhelms II. ver
dankte die Anstalt die Erwerbung der Rolofsschen Sammlung; Biester aber stellte endlich
strenge Ordnung her und verschmolz die fünf
selbständigen Bibliotheken, die bisher neben emmiber bestanden, zu einer einzigen. Die eigenthümliche Unfruchtbarkeit der ersten Regierungsjahre Friedrich Wilhelms III. zeigte sich Bibliothek.
auch
tu der Verwaltung der
Es fehlte nicht an gutem Willen.
Der König zahlte
einen jährlichen Zuschuß von 1600 Thlr. aus seiner Dispositions kasse, doch die Mittel reichten nicht mehr aus gegenüber der an schwellenden Masse der Literatur.
Als die französischen Heere ein
brachen, schwebte die Sammlung in großer Gefahr und sie verdankte es wohl nur ihrer Armuth an auffälligen Kostbarkeiten, daß sie vor den
Plünderungskünsten
blieb.
Bignon
der napoleoniscken Intendanten
bewahrt
versuchte zwar einmal schüchtern anzuzapfen,
be
gnügte sich aber schließlich mit einem vollständigen Exemplar der Berichte der Akademie.
Während des Krieges hörten die Einkäufe
von selber auf, und in diesem Zustande der Erstarrung schien die Sammlung, da der Staat am Rande des Bankerotts stand, noch jahrelang verharren zu müssen. Da wurde Wilhelm von Humboldt an die Spitze der neuge gründeten Cultusabtheilung gestellt, und mit ihm zog jener freie Geist humaner Bildung in die Unterrichtsverwaltung ein, der seit dem wohl zu Zeiten verdunkelt, doch niemals ganz verschwunden ist. Humboldt sah sofort, daß die neue Stiftung der Berliner Universität
12
ohne einen stetig wachsenden Bücherschatz nicht gedeihen konnte, und verschaffie der Bibliothek statt der unsicheren Gebühren-Einkünfte ein festes Einkommen von 3500 Thlr. jährlich. Ihre Jahresausgaben stellten sich nunmehr (nach einem handschriftlichen Aktenauszug von Willen) für 1810 und 11 wie folgt: Besoldungen und Pensionen 1650 Thlr., Unterhaltung des Gebäudes, Heizung u. s. w. 246 Thlr., blieben für Ankäufe 1604 Thlr., wovon aber noch einige hundert Thaler für die Anstellung eines zweiten Sekretärs abgehen sollten. Heutzutage verwendet mancher wohlhabende Privatmann ebenso viel auf die Vermehrung seiner Bücherei; und doch bezeichnen diese arm seligen Summen den Anfang einer neuen Epoche für die Sammlung. Denn der König hatte sich in den schweren Jahren der Prüfung endlich das Herz gefaßt, alle die guten Vorsätze, über denen er früher nur gebrütet, durchzuführen; er war entschlossen, die neue Universität zu einer Hochschule ersten Ranges zu erheben und auch für die Bibliothek in großem Stile zu sorgen, sobald die bittere Noth der Zeit eS nur irgend erlauben würde. Als Altenstein bald nach dem Frieden die Leitung deS neuen Cultusministeriums über nommen, wurden die Einkünfte (1818) auf 4000 Thlr. erhöht, neun Jahre später schon auf 8000 Thlr. Dazu kamen Jahr für Jahr sehr bedeutende Geschenke und außerordentliche Zuschüsse — 1827 allein 15000 Thlr.; und dies in einer Epoche, da der Staatshaus halt mit einem unüberwindlichen Deficit kämpfte und die sämmt lichen Zweige der Verwaltung, welche dem heutigen preußischen Budget noch geblieben sind, mit etwa 25 Mill. Thlr. auskommen mußten. Es waren die glücklichsten Zeiten der Sammlung; ein freund licher Stern stand über dem geistigen Leben Berlins. Wie Schinkel und Rauch mit dürftigen Mitteln das Kunstleben in der verarmten Hauptstadt von Neuem begrünbeten, wie die neue Universität rasch ihre Nebenbuhler überflügelte, so schritt auch die Bibliothek rüstig vorwärts. Sie erwarb die Büchereien von Friedrich Jacobi und Tralles; Freiherr von Diez, der langjährige Vertreter Preußens im Orient, vermachte ihr seine Sammlung von 17000 Bänden,
13 Wilhelm v. Humboldt seinen sprachwissenschaftlichen Nachlaß,
und
der blutarme Chamisso schenkte dankbar was er von seiner Weltumseglung heim gebracht.
Seit 1824 wurde allen Verlegern des
vergrößerten Staatsgebiets
die Einsendung
auferlegt.
Im Jahre 1828 besaß die Sammlung bereits 250,000
gedruckte und 4600 Handschriftenbände. Händen.
von Pflichtexemplaren
Die Leitung blieb in guten
1816, nach Biesters Tode, wurde Willen berufen, der
Heidelberger Historiker,
der
soeben
einen
Theil des
Tilly'schen
Raubes aus dem Vatikan in die Palatina zurückgeholt hatte.
Unter
ihm wirkte, wohl noch thätiger als er, der gelehrte Schalk Philipp Buttmann; dem war nirgends wohler als in seiner Gesetzlosen Ge sellschaft und unter dem Dache des Nutrimentum Spiritus; überall hatte
er seine Augen wo nur ein literarischer Schatz zu erspähen
war.
So ging es weiter bis der alte König starb; nachher wurde
noch der größte Theil seiner hinterlassenen Bücher der öffentlichen Bibliothek überwiesen.
Keiner der Hohenzollern hatte die Stiftung
des Großen Kurfürsten, nach dem Maße seiner Mittel, erfolgreicher gepflegt; unter den ungünstigsten Umständen war sie doch endlich in die Reihe der großen Bibliotheken Europas eingetreten. Nachdem diese Stufe erreicht war, konnte das weitere Fort schreiten ungleich rascher erfolgen.
Der gelehrteste aller preußischen
Könige widmete der Sammlung nach seiner enthusiastischen Weise die wärmste Theilnahme; er gebot auch, Dank den Segnungen des langen Friedens, über reichere Mittel, so daß er den Fonds für neue Erwerbungen sehr beträchtlich, zuletzt auf 10,000 Thlr. jährlich erhöhen
konnte.
Mehr als eine
halbe Million Thaler
unter seiner Regierung auf die Bibliothek verwendet.
wurden
Sie verdankt
ihm außer vielen anderen reichen Gaben die spanische Bibliothek Ludwig Tiecks und das wahrhaft königliche Geschenk der Meusebach'schen Sammlung, die, wie Uhland sagte, „so recht dem eigensten Leben des deutschen Volkes angehört".
Indeß die Hand Friedrich
Wilhems IV. war selten glücklich, am wenigsten in der Wahl der Personen.
Willens Nachfolger Pertz erwarb sich zwar manches Ver
dienst um die Sammlung; unter seiner Verwaltung begann seit 1844
14 die schwierige Ausarbeitung nahezu beendet ist.
des großen Realkatalogs,
der heute
Aber so kräftig, wie es sich bei der günstigen
Gesinnung des Monarchen erwarten ließ, war der Aufschwung nicht; mit den gewaltig steigenden Bedürfnissen
der Leserwelt hielt die
Sammlung nicht mehr gleichen Schritt. Auch
die
ersten Jahre der Regierung
König
Wilhelms I.
brachten wieder viele werthvolle Erwerbungen; der Fonds für neue Anschaffungen Doch
in
wurde um die Hälfte,
auf 15000 Thaler erhöht.
jenen Zeiten welthistorischer Entscheidungen
konnten die
Musen ebenso wenig zu ihrem vollen Rechte gelangen wie einst in den Anfängen Friedrichs II.
Es lag damals wie ein Bann auf
dem Kunstleben und auf allen großen Bildungsanstalten Berlins; Nichts wollte recht vorwärts kommen, selbst die Universität begann zurückzugehen,
und zuweilen geschah es, daß neue Denkmäler in
Anwesenheit der Wittwe des Künstlers enthüllt wurden.
Erst seit
dem Frankfurter Frieden ist dieser Bann gebrochen, ein mächtiger Umschwung in allen Verhältnissen eingetreten, und dem freigebigen Wohlwollen, das seitdem über der Kunst und Wissenschaft waltei, hat auch die Bibliothek sehr viel zu danken.
Ihre ordentlichen Aus
gaben stellen sich jetzt auf 289,159 Mark, davon entfallen 141,230 auf Besoldungen,
96,000 auf die Vermehrung der Sammlung.
Der Zuwachs betrug 19,783 Bände im Jahre 1882/83; die Zahl der auf dem Lesezimmer ausgelegten Zeitschriften stieg in den Jahren 1874—83, unter der Verwaltung des gegenwärtigen Oberbiblio thekars Geh.-Ralh Lepsius, von 701 auf 1152.
Mit einem Be
stände von rund 900,000 Bänden ist sie heute neben der Münchener die bändereichste Sammlung Deutschlands, allerdings noch keines wegs die reichste schlechthin, denn mit den Schätzen der 35000 Hand schriften Münchens kann sie sich nicht entfernt vergleichen, und auch von anderen Bibliotheken wird sie in einzelnen Fächern noch weit übertreffen, so von der Göttinger im alten Reichsrecht und in der englischen Geschichte.
Ein Unkundiger mag das Institut leicht für
unersättlich halten, wenn er nur das gewaltige Anwachsen der Aus gaben betrachtet und etwa vergleicht,
wie unter W. v. Humboldt
15 insgesammt 1600 Thlr. für neue Erwerbungen genügen mußten, während heute allein für Buchbinderarbeiten 19716 Mark ausge geben werden.
Wer die Verhältnisse kennt wird nicht bestreiten, daß
die bescheidene Sammlung vom Jahre 1828 den Bedürfnissen der Zeit besser genügte als die heutige Bibliothek, trotz aller der großen und dankenswerthen Fortschritte seitdem.
Preußen ist nicht mehr
ein verarmter, der Vernichtung kaum entgangener Staat, Berlin ist längst zur Millionenstadt geworden; eS wird hohe Zeit, diese Sammlung, die wie
keine andere
allen Gebieten der weitver
zweigten wissenschaftlichen Arbeit gleichmäßig zu gute kommt, als ein großes National-Jnstitut zu behandeln. Was dies sagen will, lehrt ein Blick auf Frankreich.
Die
Pariser Nationalbibliothek verausgabte im Jahre 1873 (ohne die Münzsammlung) 479,050 fr.; ihr Bestand wird heute auf 2'/, Mill. Bände und mehr als 70,000 Manuskripte geschätzt; und obwohl ein starker Stamm sich schon seit Jahrhunderten angesammelt hatte, so ist doch ein sehr großer Theil dieser Schätze erst in den jüngsten fünfzig Jahren zusammengekommen, seit Guizot als Unterrichts minister der Sammlung eine methodische Pflege widmete und damit allen seinen Nachfolgern die Bahnen verzeichnete. spricht das Beispiel des Britischen Museums.
Noch beredter
Die dortige Biblio
thek ist sogar noch jünger als die unsrige, erst im Jahre 1753 durch das Vermächtniß Sir Hans Sloane's begründet und erst seit 1823 durch die Vereinigung mit der Kings Library zu einer großen Sammlung angewachsen, aber seitdem unter Mitwirkung der gesammten Nation durch die mächtigen Mittel des reichsten Staates der Erde so nachhaltig vermehrt, daß heute jeder gebildete Eng länder mit Stolz auf sie blicken kann. Sie gebot im Jahre 1879/80 über ein Budget von 46000 Pfv. Stert, (mehr als 920,000 Mark) und verwendete 18000 Pfd. Sterl. auf neue Erwerbungen; ihr Be stand wuchs in demselben Jahre um 31,019 Bände abgeschlossener Werke und 39,145 noch unvollendete Theile und Hefte, ungerechnet die kleinern Drucksachen. Eine solche Ansammlung aller literarischen Bestände an einer
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Stelle ist in unserem becentralifirten Vaterlande weder möglich noch wünschenswerth. Und noch weniger kann ein Unbefangener wünschen, daß wir, um fremden Borbildern nachzuahmen, das Einzige aufgeben sollten was unsere Büchereien vor dem Auslande voraus haben, die unvergleichliche Liberalität der deutschen Bibliotheksverwaltung. Da hinaus geht doch der Vorschlag, nach dem Muster des Britischen Museums einen prachtvollen Lesesaal einzurichten und dann das Aus leihen der Bücher gänzlich einzustellen. Dieser wunderbare Gedanke spukt bereits in verschiedenen Zeitschriften und findet gläubige Hörer; denn so weit sind wir bereits mit unserer unersättlichen Tadelsucht gekommen, es braucht Einer nur recht frech auf bewährte deutsche Einrichtungen zu schmähen, so fehlt es ihm nicht an Beifall. Ich weiß nicht, wer die Idee zuerst aufgebracht; vermuthlich jener alte Bibliothekdirektor, der einen seiner Custoden lesend fand und ihn anherrschte: „Wie, junger Mann, Sie lesen? Ein Bibliothekar, der liest, ist verloren!" Der Vorschlag erledigt sich durch die einfache Frage: sind die öffentlichen Büchersammlungen um der Biblio thekare willen da oder um der Leser willen? Gewiß wird der Dienst der Custoden sehr erleichtert und die Abnutzung des Büchervorraths verlangsamt, wo nur ein Lesezimmer besteht; noch größer ist der Vortheil, daß jeder Besucher jedes vorhandene Buch unfehlbar vor findet und es entweder sogleich erhalten oder sich mit einem anderen Leser darüber verständigen kann. Aber was wollen diese Vortheile bedeuten gegenüber dem unvergleichlich größeren Nutzen, den die nach Hause verliehenen Bücher stiften? Der öffentliche Lesesaal ge nügt zum Nachschlagen, zum Sammeln von Notizen oder auch zum raschen Durchgehen eines Buchs, dessen Inhalt man sich nur in Bausch und Bogen anzueignen denkt; wer sich in ein Werk ver tiefen, wer es kritisch verwerthen will, wird seinen Zweck nur in der Stille des Hauses vollständig erreichen. Wenn die Bibliotheken Englands, Frankreichs, Italiens die deutsche Sitte des Ausleihens gar nicht oder nur unter scharfen Beschränkungen kennen, so beweist dies nur, daß die deutsche Ver waltung auch auf diesem Gebiete, wie fast überall, gemeinnütziger,
17 humaner verfährt als das Beamtenthum der Nachbarländer.
Graf
Hertzberg beurtheilte unsere socialen Zustände ganz richtig, als er diesen im guten Sinne demokratischen Brauch in Preußen einführte. In dem reichen London mag der Lesesaal des Britischen Museums ausreichen;
dort
besitzt fast jedes
anständige Haus eine
leidliche
Bibliothek, und sehr viele gebildete Männer können über ihre Zeit ziemlich frei verfügen.
In Deutschland gilt seit langeher die Regel,
daß die Reichen selten gebildet, die Gebildeten selten reich sind, und das Wachsthum unseres Volkswohlstandes hat an dieser Thatsache bisher nur wenig geändert. markt seit
einigen
Jahren
Allerdings erfreut sich unser Bücher eines vermehrten
Absatzes,
aber die
wachsende Kauflust des Publikums richtet sich zumeist auf Bilder bücher und Prachteinbände, auf Eisenbahnliteratur, auf Conversationslexika und die ihnen verwandten schlechten Zeitschriften, ungleich seltener auf ernste wissenschaftliche Werke, und es wird noch sehrlange währen, bis sich in der Klasse der neuen Reichen literarische Anslandsgewohnheiten ausbilden.
Die meisten der
deutschen Ge
lehrten sind in ihren jungen Jahren wirklich außer Stande,
sich
mehr als den unentbehrlichsten Büchervorrath anzuschaffen (und bei läufig, wenn Einer vielleicht etwas mehr für seine Bücherei thun könnte, aber seine Ersparnisse lieber in einigen Flaschen Wein als in einem Buche anlegt, so darf man über die alten Bräuche ger manischer Jugend doch nicht allzu splitterrichterlich aburtheilen); sie müssen also auch solche Bücher, die nur im Hause mit Erfolg benutzt werden können, von den öffentlichen Sammlungen verlangen.
Und
wie Viele werden den Tag über durch Berufsgeschäfte gefesselt, so daß sie nur die späte Nacht oder den frühen Morgen dem Studium widmen können.
In Berlin kommt durchschnittlich auf zwei ausge
liehene Bücher erst eines, das auf dem Lesesaale gebraucht wird; in kleineren deutschen Städten pflegt man das Lesezimmer sogar noch weniger zu besuchen, und unzweifelhaft müßten sehr viele der Ent leiher auf die Benutzung der Bibliothek ganz verzichten, wenn ihnen nur noch der Lesesaal offen stände.
Mit diesen Verhältnissen hat
die deutsche Verwaltung zu rechnen; sie darf nicht
ausländischen 2
18 Mustern zu Liebe die Wirksamkeit unserer Bibliotheken gefährden, noch die lief eingewurzelten Gewohnheiten der deutschen Gelehrsam keit stören. Bestechender erscheint ein
anderer Vorschlag,
haften Männern mit guten Gründen empfohlen wird.
der von nam Soll die Ber
liner Sammlung — so sagt man — zu einer großen Nationalanstalt werden, so muß sie als Reichsbibliothek in die Hände des Reichs übergehen.
Und gewiß würde sie dann auch dem Namen nach sein,
was sie der Sache nach werden soll.
Der Name des Deutschen
Reichs übt Gott sei Dank einen starken Zauber auf die Gemüther. Eine Reichssammlung kann, wie die Geschichte der Straßburger Bibliothek beweist, von der Nation eine freudige Mitwirkung er warten,
die einer preußischen Anstalt niemals in gleichem Maße
zu Theil werden wird; sehr reiche Geschenke würden ihr vom In land wie vom Ausland zuströmen.
Und dazu die gesetzliche Mit
wirkung des gesammten deutschen Buchhandels; denn natürlich wäre eine Reichsbibliothek nur möglich durch ein Reichsgesetz, das allen deutschen Verlegern die Einlieferung von Pflicht-Exemplaren aufer legte. Der heutigen Berliner Bibliothek nützen diese Pflicht-Exemplare wenig, da die Cabinetsordre vom 28. December 1824 nur in den alten Provinzen gilt und blos ein großer Verlagsplatz, Berlin, dem preußischen Staate angehört.
Einer Reichsbibliothek dagegen würden
durch die Pflicht-Exemplare der Leipziger und Stuttgarter Verleger beträchtliche Ersparnisse erwachsen, und bei einiger Umsicht läßt sich die Verpflichtung also regeln, daß sie beiden Theilen erträglich wird. Niemand wird wünschen, die Berliner Sammlung mit der entsetz lichen Masse von 14802 Nummern, welche der neueste Jahreskatalog des deutschen Buchhandels aufweist, zu überschwemmen.
Es genügt,
wenn die Buchhändler angehalten werden, alljährlich das Verzeichniß ihres neuen Verlags einzusenden und die Bibliothekverwaltung dann nach ihrem Ermessen auswählt.
So beschränkt, wird die Verpflichtung
von den ehrenhaften Verlegern nicht als ungerecht empfunden werden. Der Buchhandel verdankt der neuesten Gesetzgebung sehr große Vor theile, die Preßfreiheit, den Schutz gegen Nachdruck, die Herabsetzung
19
der Postgebühren; cs ist nur billig, daß er dafür eine mäßige Ab gabe zahlt, die neben der Masse der alljährlich nutzlos verschwen deten Recensions-Exemplare gar nicht in Betracht kommt und schon durch die Porto-Ermäßigung reichlich gedeckt wird. Nur die kurz sichtige Selbstsucht sieht in den öffentlichen Bibliotheken die natür lichen Gegner des Buchhandels. Die wahren Feinde der Verleger sind die Leihbibliotheken. Die ernste wissenschaftliche Arbeit in den großen öffentlichen Sammlungen weckt vielmehr das Verlangen nach Büchern und fördert die Erzeugung neuer Werke. Die englischen und französischen Verleger ertragen die Pflicht-Exemplare ohne Murren; denn sie wissen, daß ihnen die Abgabe zehnfach ersetzt wird. Es läßt sich also nicht bestreiten, daß eine Reichsbibliothek über ungleich größere Mittel gebieten kann als eine preußische Samm lung. Trotzdem ist der Plan für jetzt unausführbar. In späteren Zeiten, wenn der Reichshaushalt dereinst durch die Reichseisenbahnen und das Tabaksmonopol ein festes Rückgrat erhalten hat, wird sich die Thätigkeit der Reichsgewalt sicherlich auch über das Gebiet deS Cultus und des Unterrichts erstrecken; eine Deutsche Akademie der Wissenschaften und andere große wissenschaftliche Institute, deren wir auf die Dauer nicht entbehren können, wird uns nur daS Reich schaffen. Aber so weit sind wir noch nicht. Die Pflege der Wissen schaften und Künste gehört nach der Verfassung nicht zu den Be fugnissen der Reichsgewall, und Niemand bestreitet, daß der Particularismus auf diesem Gebiete allein noch ein gewisses Recht hat. Niemand wird die sämmtlichen deutschen Universitäten jetzt schon unter die Aufsicht eines einzigen Ministers stellen wollen. DaS Reich be sitzt für so feine Aufgaben noch keine Organe und begnügt sich mit der Zahlung von Beiträgen für die Monumenta Germaniae, für die olympischen Ausgrabungen u. f. w. Man müßte also die Reichsbibliothek unter das vielgeplagte ReichSamt deS Innern stellen, das ursprünglich für handelspolitische Zwecke bestimmt, schon mit allzu vielen verschiedenartigen Aufgaben belastet ist; dann hinge eS ganz von unberechenbaren Zufällen ab, in welche Hände die Leitung der Sammlung fiele. Das preußische Cnltusministerium dagegen mit
20 seinen
alten
guten
wissenschaftlichen
Traditionen
ist
in
Fragen
solcher Art unzweifelhaft sachkundiger. Auch scheint es überaus zweifelhaft, ob der Reichskanzler in einer nahen Zukunft daran denken darf, dem Bundesrathe einen solchen Antrag vorzulegen.
Seit die Anarchie der alten deutschen Libertät
in dem Parteigezänk unseres neuen Reichstags wieder aufgelebt ist, sieht sich die Politik der nationalen Einheit wesentlich auf den Bundes rath angewiesen, und der Reichskanzler muß sich hüten an die kleinen Bundesgenossen ohne dringende Noth unwillkommene Zumuthungen zu stellen.
Und eine starke Zumuthung wäre der Plan einer Reichs
bibliothek allerdings.
Denn trotz ihres gesammtdeutschen Namens
würde die Berliner Bibliothek doch immer in erster Linie den Ge lehrten der Hauptstadt zu gute kommen; die Reform liefe also darauf hinaus, daß die kleinen Staaten für ein bisher von Preußen allein erhaltenes müßten.
Institut
ohne
entsprechenden
Entgelt
Beiträge
leisten
Nun haben in Baiern Krone und Staat für die öffent
lichen Büchereien sehr freigebig gesorgt.
Viele Jahre lang verfügte
die Münchener Hof- und Staatsbibliothek über größere Einkünfte als die Berliner Sammlung, und wenngleich dies Verhältniß sich neuerdings gänzlich geändert hat, so bleibt es doch immerhin eine achtungswerthe Leistung, wenn ein Staat von Baierns Größe für diese mit kostbaren
alten Werken
bereits sehr reich
ausgestattete
Sammlung jährlich (1883) 119,571 Mark (darunter 41,143 Mark für Anschaffungen) aufwendet.
Auch
in Sachsen,
Württemberg,
Gotha sind für die Landesbibliotheken beträchtliche Opfer gebracht worden, und man darf nicht über störrischen Particularismus schelten, wenn
diese Staaten
sich
gegen
den Plan
einer
Reichsbibliothek
ziemlich kühl verhalten sollten. Was wir brauchen läßt sich auch durch Preußens eigene Kraft erreichen, allerdings mit etwas größerem Aufwande. Sammlung
soll sich nicht auf Kosten
bibliotheken erweitern,
Die Berliner
der kleineren Universitäts
die vielmehr alle ebenfalls einer reicheren
Ausstattung bedürfen; es ist aber eine billige Forderung, daß sie die anerkannt erste der deutschen Bibliotheken werden muß, schon weil
21 sie unter allen weitaus am stärksten benutzt wird.
Dazu gehört zu
nächst eine sehr bedeutende Vermehrung der Mittel für neue Erwer bungen; und die hierzu erforderlichen Summen sind, wenn auch be scheiden im Vergleich zu den Ansprüchen der Kunstsammlungen, doch viel höher als man im großen Publicum glaubt. Von den 96000 Mk., welche heute für Anschaffungen bestimmt sind, bleiben — nach Abzug der Zeitschriften,
der Fortsetzungen,
der Einbände — nur
etwa
36000 Mark für neue Bücher und Handschriften Übrig, und dieser Betrag genügt auch bescheidenen Ansprüchen nicht.
Die Preise der
Bücher sind durchweg gestiegen, die der Handschriften und Selten heiten fast bis zum Unerschwinglichen seit die amerikanische Mitbe werbung macht.
sich
auch
auf
dem Büchermärkte
Bisher kaum beachtete Nationen
unliebsam
beginnen
bemerklich
sich jetzt ihre
eigene Literatur, die doch nicht ganz übersehen werden darf, zu bilden.
alten Hauptfächer sind
längst zu
selbständigen Disciplinen mit großem Bücherreichthum
Viele Nebenzweige der
geworden.
Alle Wissenschaften aber stehen heute in einer Epoche der Special forschung; sie können schlechterdings nicht vorwärts kommen, wenn sie nicht den gesammten vorhandenen literarischen Stoff bis in die entlegensten Einzelheiten bewältigen. Unter solchen Umständen muß schon die Auswahl
aus
den
neuen Erscheinungen sehr weit bemessen werden, weil man selten wissen kann, ob nicht ein Buch, das heute noch wenig Belehrung bietet, dereinst vielleicht, sei es durch seinen Verfasser, sei es durch seinen
Inhalt,
eine noch ungeahnte Bedeutung
Weit schwieriger und Der Meusebach'sche
gewinnen wird.
kostspieliger ist die Ausfüllung
Nachlaß
kann
zu
der Lücken.
einer nahezu vollständigen
Sammlung aller älteren deutschen Literaturdenkmäler erweitert wer den, freilich
nur durch nachhaltigen Fleiß
und
großen Aufwand.
Manche Unterlassungen der früheren kargen Jahre lassen sich heute nur noch durch schwere Opfer sühnen.
Wenn es gelänge, vierzig
Jahrgänge der Times, des Journal deS DebatS und einiger an derer namhafter Zeitungen
des Auslands,
die
Bibliothek schlechterdings nicht fehlen dürfen,
auf einer großen
mit einem male zu
22 erwerben,
so
würden dafür allein 50,000 M. draufgehen.
Mißverhältniß zwischen dem Büchervorrathe
und
Das
der wachsenden
Nachfrage hat sich allmählich zu einem wirklichen Nothstände ge steigert.
Im Jahre 1873 wurden 66000 Bestellzettel abgegeben, im
Jahre 1882/83 schon mehr als daS Doppelte, 136,789 und, mit Hinzurechnung der in den Bibliothekräumen selbst eingereichten Zettel, insgesammt 147,000.
Im ersten der beiden Jahre konnte aber fast
ein Drittel der Bestellungen
nicht
ausgeführt werden.
Wünsche des Publicums kennen zu lernen,
Um
die
ließ die gegenwärtige
Verwaltung nunmehr die mit „nicht vorhanden" bezeichneten Zettel zurückbehalten und prüfen.
Seitdem hat sich die Lage etwas ge
bessert; doch im Jahre 1882/83 mußte immer noch ein Viertel der Bestellzettel mit „verliehen", ein Vierzehntel mit „nicht vorhanden" bezeichnet werden. Das allzu häufige peinliche Warten auf die Rückgabe der aus geliehenen Bücher zählt freilich zu den vielen unvermeidlichen Ge duldproben des großstädtischen Lebens;
der Uebelstand kann nicht
ganz beseitigt werden, wenn man nicht auch auf die ungleich größeren Vortheile des Ausleihens verzichten und das Publicum allein auf den Lesesaal verweisen will.
Darum wird auch die Berliner Biblio
thek von auswärtigen Gelehrten sehr wenig in Anspruch genommen; sie ziehen es vor, ihr Glück bei einer minder reichen, aber minder stark benutzten Provinzialsammlung zu versuchen.
Die Bibliothek
ließ im Jahre 1882/83 nur 250 Sendungen mit 588 Werken nach auswärts abgehen.
Jeder nach Berlin berufene Gelehrte muß im
Voraus wissen, daß er hier zwei- oder dreimal mehr als an einer kleinen Universität für seine eigene Bücherei auszugeben hat. Immer hin läßt sich der Mißstand einigermaßen mildern, wenn die beson ders gangbaren guten Bücher in mehreren Exemplaren angeschafft werden, von denen dann eines immer für den Lesesaal im Hause bleiben müßte.
Auch scheint es dringend geboten, die Bibliothek
von einer unwillkommenen und unberufenen Kundschaft zu entlasten. Unter allen Büchern werden die juristischen am meisten verlangt. Dies mag auf den ersten Blick räthselhaft scheinen; denn die jungen
23 Juristen stehen bekanntlich nicht in dem Rufe ungewöhnlichen wissen schaftlichen Eifers, und von jedem erfahrenen Buchhändler kann man hören: „Philologen und Historiker kaufen am meisten gelehrte Werke, weit weniger schon die Mediciner
und Naturforscher, weil
theueren Bücher so schnell veralten, Juristen."
am allerwenigsten
Die erstaunliche Nachfrage erklärt sich
ihre
aber
die
auch nur aus
der großen Zahl der jungen Leute, die sich in der Hauptstadt auf die juristischen Prüfungen vorbereiten.
Es sind immer wieder die
selben wohlbekannten Examentröster, die von sechs Candidaten zu gleich bestellt und natürlich nur von einem erlangt werden.
Im
Spätherbst pflegt diese juristische Strebsamkeit ihren Siedepunkt zu erreichen; im November 1881 wurden 2265 juristische Werke ver langt, aber nur etwa 1400 ausgeliefert.
Warum sorgt die Justiz
verwaltung nicht dafür, daß die Fachbibliotheken des Kammergerichts und des Justizministeriums und vielleicht auch die für solche Zwecke wohl geeignete Universitätsbibliothek in den Stand gesetzt werden, diesen Bedürfnissen des Beamtennachwuchses zu genügen? Die große Königliche Bibliothek ist zunächst für die productive Wissenschaft be stimmt; man darf ihr nicht zumuihen,
etwa den Ankauf eines
theueren
um
allen
Werkes
zu unterlassen,
dafür
ein
Dutzend
Exemplare der Riesencompendien von Rönne, Lette und Simon an zuschaffen. Wenn gegenwärtig Vermerk
„nicht
ein Vierzehntel der Bestellzettel mit dem
vorhanden" versehen wird, so giebt diese Ziffer
leider noch kein Bild von den vorhandenen Lücken.
Man darf sie
vielmehr getrost verdoppeln; denn seltene Bücher werden zumeist von den Fachgelehrten gesucht, und diese Pflegen nicht auf gut Glück Bestellungen zu schreiben, sondern selber in den Katalogen nachzu sehen.
Mögen immerhin unter den vergeblichen Bestellungen viele
thörichte oder
ganz unerfüllbare Wünsche mit unterlaufen:
eine
Sammlung, die einem vollen Siebentel der gestellten Anforderungen nicht zu entsprechen vermag, ist doch sicherlich noch weit von ihrem Ziele entfernt Mängel.
und
bedarf
großer Mittel
zur Ergänzung
ihrer
24 Ebenso nöthig erscheint die Vermehrung und bessere Besoldung der Beamten.
In die Bestellkästen unserer Bibliothek wurden im
Jahre 1881/82 täglich 440 Zettel eingeworfen, also mit Einschluß der im Hause selbst geschriebenen täglich 540 Zettel erledigt.
Auf
dem Lesesaale des Britischen Museums arbeiteten im Jahre 1879/80 täglich 430 Personen, die zugleich.
meisten natürlich in mehreren Büchern
Eine genaue Vergleichung ist bei der großen Verschieden
heit der Benutzungsweise allerdings unmöglich.
Erwägt man jedoch,
daß in London jeder Besteller Zeichen und Nummer des gewünschten Buches selber auf dem Zettel angeben muß und das halbmechanische Geschäft des Herbeiholens mithin auch durch gutgeschulte Diener be sorgt werden kann, während bei uns in den meisten Fällen das Nachsuchen und Nachschlagen den Bibliothekaren allein zufällt; be denkt man ferner, daß unsere Beamten auch noch die Katalogisirung fortzuführen haben, während dem Britischen Museum ein Realkatalog ganz fehlt: so liegt die Vermuthung nahe, daß die Berliner Beamten Tag für Tag eine fast ebenso große Arbeitsmasse bewältigen müssen wie das Bibliothekspersonal des Britischen Museums.
Die Lon
doner Bibliothek hat aber 8 Oberbeamte, 47 Assistenten, 82 Diener; die Berliner zählt nur 18 ständige Beamte,
12 außerordentliche
Assistenten, 18 Diener — wobei zu beachten ist, daß die Londoner Assistenten fast sämmtlich
fest angestellte Beamte sind
mit guten
Gehalten (bis zu 9000 Mark), während die Berliner nur für einige Jahre zur Dienstleistung berufen werden. Unsere Bibliotheksbeamten sind unzweifelhaft überbürdet, obgleich das große Publicum, Dank ihrer unerschöpflichen Gefälligkeit, wenig davon bemerkt.
Namentlich
ist eine Vermehrung der dauernd angestellten Custoden zu wünschen; denn eine große Sammlung bedarf fester Traditionen für ihre Fort führung, ein einseitiger, aber streng eingehaltener Plan schadet hier immer noch weniger als wechselnde Experimente. Dazu kommt als ceterum censeo die Nothwendigkeit eines Neubaus.
Wenn der sparsame große König schon hundert Jahre
nach der Stiftung die alten Räume für ganz unzureichend hielt, um wie viel weniger kann sein Palast jetzt genügen, nachdem ein zweites
25 Jahrhundert der Sammlung unvergleichlich größere Vermehrung ge bracht hat.
Die Wohnungsnoth der Bibliothek, die Finsterniß ihrer
zum Brechen gefüllten Säle ist leider sprichwörtlich geworden. Schon im Jahre 1853 erhielt Pertz den Auftrag, sich nach einer Baustelle umzusehen,
und seitdem schleppt sich der leidige Handel durch ein
volles Menschenalter unentschieden dahin,
obgleich jeder Berliner
mit Fingern auf den passenden Bauplatz weist.
Neuerdings ist
endlich in dankenswerther Weise der dringendsten Noth worden.
gesteuert
Der Landtag hat 2,6 Mill. für den Ankauf des Nieder
ländischen Palastes, 410,000 Mark für den Umbau bewilligt, und wir dürfen nunmehr hoffen, einen schönen Lesesaal, menschenwürdige Beamtenzimmer, einen besonderen Arbeitsraum für die Benutzung der Handschriften,
endlich Platz für neuen Zuwachs
zu
erhalten.
Aber daS Alles bleibt nur ein Nothbehelf für wenige Jahre. neuen Räume sollen für reichlich
150,000 Bände Platz
Die bieten.
Wächst die Sammlung wie bisher um 20,000 Bände jährlich oder, wie wir hoffen, bald noch schneller, so kehrt in einer nahen Zukunft der alte unerträgliche Zustand wieder. radikaler Entschluß.
Hier hilft nichts als ein
Nicht ohne Beschämung kann ein Preuße das
schöne Münchener Bibliothekgebäude, daS schon vor mehr als vierzig Jahren eröffnet wurde,
betreten.
Damals freilich war Preußen
nicht in der Lage, wie daS kleine Baiern, sein Heerwesen zu Gunsten der Bauten zu vernachlässigen.
Heute stehen wir längst nicht mehr
vor einer so peinlichen Wahl.
Das neue Gebäude muß aber, selbst
wenn man allen Prunk verschmäht, sehr groß werden.
Denn eine
Bibliothek ist nicht eine Gallerie, die auf einer gewissen Höhe an gelangt sich mit mäßigen Erwerbungen begnügen kann; ihre Be stimmung ist zu wachsen, in steigender Progression zu wachsen; auch die Kataloge unserer Sammlung sind mit ihren springenden Nummern von vornherein auf eine fast unbegrenzte Vermehrung angelegt. Ist die Bibliothek der Hauptstadt erst angemessen ausgestattet und untergebracht, dann kann auch das gefammte deutsche Bibliothek wesen zu dem Maße der Centralisation gelangen, daS unter deutschen Verhältnissen erreichbar und heilsam ist.
Die Zerstreuung unserer
3
26 öffentlichen Bücherschätze über so viele kleine Bildungscentren bleibt ein unschätzbares Glück, trotz allen Unbequemlichkeiten, die sie mit sich führt; sie entspricht dem Charakter unserer Cultur.
Aber eine
Stelle in Deutschland muß es doch geben, wo jeder Forscher erfahren kann, was er in diesen Sammlungen zu suchen hat. solche Stelle läßt sich
schaffen,
Und eine
wenn man zunächst die größeren
Provinzialbibliotheken Preußens auffordert, Abschriften ihrer Kataloge in der Berliner Sammlung aufzustellen — was nicht unerschwinglich theuer wäre;
dann werden die anderen großen deutschen Biblio
theken, schon in ihrem eigenen Interesse, bald und gern nachfolgen. Dadurch würde unseren Gelehrten eine unglaubliche Masse nutzloser Schreiberei erspart.
Die Wissenschaft verbreitert sich ins Unendliche.
Es ist heute sehr leicht,
eine Monographie über die Läuse des
Diogenes oder eine ähnliche Specialschrift, die nur von zehn Menschen auf dem Erdball gelesen wird, zu verfassen, aber sehr schwer, in einem umfassenden Buche zugleich neue Gedanken aufzustellen und den peinlich strengen Anforderungen moderner Einzelforschung genügen.
zu
In solcher Lage muß jede Ersparniß an Zeit und Kraft
hoch angeschlagen werden.
Die Centralisation der Bücherkataloge
giebt den deutschen Bibliotheken die Gelegenheit, bisher für die gegenseitige Ergänzung
gründlicher als
ihrer Bestände zu sorgen,
und mit der Zeit wird dann auch noch eine andere, schwerere und wichtigere Aufgabe gelöst werden: die Katalogisirung schriften.
An schönen Anfängen fehlt es nicht.
der Hand
Unsere Bibliothek
hat soeben durch namhafte Gelehrte Verzeichnisse ihrer orientalischen und lateinischen Manuscripte anfertigen lassen, die für den Druck bestimmt,
theils
beendigt
theils dem Abschluß
nahe sind.
Doch
ebenso wichtig wäre ein Katalog aller der Handschriften und Brief schaften aus der deutschen Geschichte, die in unseren Bibliotheken vergraben liegen; und so riesig die Arbeit scheint, unausführbar ist sie nicht, wenn Plane
sie an vielen Orten zugleich und nach demselben
begonnen
wird.
romanischen Zwang, unserer freien
So
kann die Berliner Bibliothek
ohne Benachtheiligung
der Provinzen,
ohne nach
deutschen Weise dereinst eine Centralstelle der na-
27 tionalen
Gelehrsamkeit
werden,
ähnlich
der
Pariser
National
bibliothek. Engländer und Franzosen pflegen unS vorzuwerfen, die deutsche Gelehrsamkeit stehe zwar hoch, doch daS lebendige Verständniß dafür sei unter uns seltener
als im Westen.
DaS Verhalten deS preu
ßischen Landtags während der jüngsten Jahre bestätigt diese Anklage nicht.
Er ist der Wissenschaft stets mit warmem Herzen und offener
Hand entgegengekommen; er wird sich auch nicht versagen, wenn eS gilt, diese unter
dem bescheidenen
Kurhute
würdig der Kaiserkrone neuzugestalten.
aufgeblühte
Stiftung
Je länger die Reform sich
verzögert, um so schwieriger wird sie durchzuführen sein. — 20. April.