Die jüdische Emigrantenselbsthilfe in Stockholm (1938–1973): Hilfe durch Selbsthilfe 9783110731224, 9783110729511, 9783110729573

"From help to self-help" was the motto of an almost forgotten German-Jewish self-help organization, Emigrant S

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German Pages 344 Year 2023

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang
2. 25 lange Jahre Die Emigranten-Selbsthilfe von Kriegsbeginn bis 1973
3 Die Emigranten-Selbsthilfe aus der Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes
4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten
5 Anhang
6 Quellen- und Literaturverzeichnis
7 Personenregister
8 Abbildungsverzeichnis
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Die jüdische Emigrantenselbsthilfe in Stockholm (1938–1973): Hilfe durch Selbsthilfe
 9783110731224, 9783110729511, 9783110729573

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Helmut Müssener, Michael F. Scholz Die jüdische Emigrantenselbsthilfe in Stockholm (1938–1973)

Helmut Müssener, Michael F. Scholz

Die jüdische Emigrantenselbsthilfe in Stockholm (1938–1973)  Hilfe durch Selbsthilfe

ISBN 978-3-11-073122-4 e-ISBN (PDF) 978-3-11-072951-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-072957-3 Library of Congress Control Number: 2023914982 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston. Einbandabbildung: Hjälp Dem! (1945) © Lotte Laserstein / Bildupphovsrätt 2021 Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort „Von Hilfe zur Selbsthilfe“ war das Motto einer weitgehend in Vergessenheit geratenen deutsch-jüdischen Selbsthilfeorganisation in Stockholm, zeitweise nach der Stockholmer Gemeinde die zweitgrößte jüdische Organisation in Stockholm bzw. die größte der Emigration in Schweden. Sie wurde im November 1938 als Emigranten-Selbsthilfe bzw. Emigranternas Självhjälp („E-S“) von deutsch-jüdischen Flüchtlingen gegründet und existierte bis 1973. Weitgehend aus eigener Kraft gelang es ihr, ein effizientes Migranten-Netzwerk zu bilden, die Identität der Zielgruppe zu stärken, sie die Beschwerden des Alltags vergessen zu lassen, ihr Mut zum Weiterleben zu geben und erfolgreich bei der Integration ins neue Umfeld zu helfen. Zudem trug die Emigranten-Selbsthilfe vornehmlich durch Musikveranstaltungen, Vorträge und kleinere Theatervorstellungen vor allem in den ersten Jahren mutmasslich auch über ein jüdisches Publikum hinaus zum Stockholmer Kulturleben bei. Diese Veranstaltungen wurden in erster Linie von namhaften Musikern, Wissenschaftlern und Intellektuellen, sehr häufig Mitglieder der „E-S“, bestritten. Über ihre kulturelle Arbeit, mit Vorträgen zu jüdischen und allgemeinbildenden Themen, Musikabenden, Sprachunterricht sowie ihrer gesamten sozialen Arbeit einschließlich einer individuellen Beratung in Sachfragen half die „E-S“ Flüchtlingen, sich in die neuen Verhältnisse einzufinden und vermittelte ihnen gleichzeitig ein Gefühl von Heimat. Die Gründung der Emigranten-Selbsthilfe stand unmittelbar unter dem Eindruck des Pogroms vom 9. November 1938 und ging in erster Linie auf Bemühungen innerhalb orthodox-zionistischer Kreise in Schweden zurück, die in organisierter Form mehr Hilfe leisten wollten. Doch diese fanden unerwartet Unterstützung von jüdischen Linksintellektuellen. Der Erfolg der „E-S“ beruhte deshalb auch auf einer gelebten „Volksfrontpolitik“ unter den Emigranten sowie einer breiten Solidarität in der zionistischen, aber auch assimilierten schwedischen Judenheit mit den jüdischen Hitlerflüchtlingen. Über die Emigranten-Selbsthilfe als deutsch-jüdische Hilfsorganisation in Schweden war in Deutschland wie in Schweden bisher nur wenig bekannt. Erst allmählich wird die tatsächliche Bedeutung dieser jüdischen Selbsthilfeorganisation deutlich: Eine Organisation von Hilfe zur Selbsthilfe. Doch vergessen scheint die gesamte soziale Arbeit der „E-S“, darunter die erfolgreiche frühzeitige Arbeit des Informationsausschusses, der Transemigranten mit Informationen über Berufsaussichten und Lebensverhältnisse in den Ländern versorgte, in die sie sich von Schweden aus begeben wollten, noch bevor die Jüdische Gemeinde in Stockholm dies systematisch in Angriff nahm.

https://doi.org/10.1515/9783110729511-201

VI  Vorwort

Die „Sozialarbeit“ im wahrsten Sinne des Wortes, „die Hauptaufgabe, die zur Gründung unserer Organisation führte“, wie es im Zehnjahresbericht der „E-S“ heisst, war ihr „Standbein“. Sie umfasste eine umfangreiche karitative Arbeit, erstreckte sich nach Kriegsende auch auf die aktive Hilfe für die KZ-Häftlinge, die nach Schweden gerettet wurden, leistete tatkräftige Hilfe unter der Parole „Helft Emigranten durch Aufträge“ durch eine Arbeitsvermittlung, informierte direkt nach Kriegsende regelmäßig und ausführlich über Fragen zur Wiedergutmachung und arbeitete erfolgreich für die Schaffung eines Pflegeheims für Alte. Auch die regelmäßig erscheinenden Mitteilungen der „E-S“ waren Teil dieser „Sozialarbeit“, gewissermaßen ihr „geistiges Band“, das nicht zuletzt durch Kleinanzeigen über die Lebensverhältnisse unfreiwillig Auskunft gibt wie über die Veranstaltungen unterrichtet. Denn die umfangreiche Kulturarbeit war quasi das „Schwungbein“ der „E-S“. Sie folgte seit der Gründung dem bewusst gewählten Motto „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, sie stellte sich die „seelische und geistige Betreuung der von Unterhaltung und Zerstreuung ausgeschlossenen Neulinge“ als Aufgabe. Das solide Fundament der gesamten Tätigkeit war ein stets ausgeglichener Haushalt. Seine Einnahmen bestanden aus Mitgliedsbeiträgen, aus Spenden und aus den Einkünften eines alljährlich stattfindenden Chanukka-Marktes. Seine Ausgaben finanzierten zu 70 Prozent die „Sozialarbeit“ und zu etwas mehr als 15 Prozent die „Kulturarbeit“. Die internen Kosten beliefen sich auf die restlichen Prozente. Die deutsch-jüdischen Flüchtlinge, in Schweden in politischen Exilkreisen auch Wirtschaftsemigranten genannt, wobei dieser Begriff unterstellt, freiwillig Deutschland verlassen zu haben, werden oft als Objekte oder Opfer beschrieben. Dieses Bild kann mit der Präsentation des Wirkens der Emigranten-Selbsthilfe in Schweden in Frage gestellt bzw. korrigiert werden. Die erfolgreiche Arbeit der „ES“ wird anhand von Dokumenten wie Rechenschaftsberichten, Rundschreiben, Programmen, Berufslisten, Korrespondenzen u. a. vorgestellt und an zwei ihrer wichtigsten Vertreter wird besonders erinnert, an Fritz Hollander (1915–2004), bald ein führender Zionist in Schweden, und Wolfgang Steinitz (1905–1967), deutscher Kommunist und später in der DDR erfolgreicher Wissenschaftler. Zudem wird diskutiert, warum diese jüdische Hilfsorganisation in der historischen und Exilforschung beider deutschen Staaten und Schwedens sowie in der Erinnerungskultur weitgehend dem Vergessen anheimgefallen ist. Ausgangspunkt ist die Darstellung zur „E-S“ von Helmut Müssener in seiner grundlegenden Studie zum deutschen Exil in Schweden aus dem Jahr 1974. Diese konnte sich auf eine 1948 publizierte Jubiläumsschrift stützen sowie auf einige

Vorwort



VII

Aufrufe und Dokumente der „E-S“.1 Die Quellenlage hat sich seitdem verbessert, einige Nachlässe von Einzelpersonen sind hinzugekommen und befinden sich heute in verschiedenen Archiven und Bibliotheken. Doch die Archivlage ist kompliziert. Das Archiv der „E-S“, das es laut deren Statut gegeben haben muss, konnte bisher nicht aufgefunden werden. Hauptquelle für die folgende Untersuchung war die in der Bibliothek der Universität Uppsala, verwahrte Sammlung Jacobowsky (Carl Vilhelm Jacobowskys Judaicasammlung), die in zwei Konvoluten 268 Blätter mit Rechenschaftsberichten, Programmen, Einladungen etc. zur „E-S“ umfasst.2 Im Archiv der Jüdischen Gemeinde in Stockholm finden sich nur wenige Dokumente zur „E-S“. Relativ umfangreich ist dagegen die Sammlung im Stockholmer Archiv der Arbeiterbewegung (Arbetarrörelsens Arkiv, ARAB), wo sich auch die ExilSammlung von Helmut Müssener befindet. Archivsplitter, darunter Protokolle der Leitungssitzungen, Rechenschaftsberichte und Korrespondenzen, finden sich in den Nachlässen von Aktiven der Hilfsorganisation. Im Nachlass von Fritz Hollander, heute Teil des Firmenarchivs Hollanderbolagen im Reichsarchiv Stockholm, sind Protokolle der Leitungssitzungen des ersten Jahres sowie Rechenschaftsberichte und Statuten überliefert.3 Die Sammlung von Herbert Friedländer in der Handschriftensammlung der Königlichen Bibliothek sowie im ARAB, beide Stockholm, enthalten Material zu den Sprachkursen der „E-S“ sowie für deren Aktivitäten nach 1945. Der umfangreiche Nachlass von Wolfgang Steinitz im Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften dokumentiert seine Exiljahre in Schweden. Die Sammlung enthält für die Jahre bis 1945 die Mitteilungen der Emigranten-Selbsthilfe, Rechenschaftsberichte sowie die Jubiläumsschrift zum 10. Jahrestag 1948, alle Vorträge von Steinitz aus diesem Zeitraum sowie seinen Briefwechsel im Rahmen der Hilfsarbeit. Für eine Steinitz-Biografie hatte Renate Steinitz (†) um das Jahr 2000 dem Autoren Michael F. Scholz eine Reihe von Kopien aus ihrem Archiv zur Verfügung gestellt.4 Nach ihrem Tod wurde dieses Material in das Akademie-Archiv gegeben. Nicht in jedem Fall konnten die Kopien mit den aktuellen Archivsignaturen abgeglichen werden. In diesen Fällen werden sie zitiert als Sammlung Scholz/Steinitz (Visby), die auch weitere von Jan Peters (†) groß1 Müssener, Helmut: Exil in Schweden. Politische und kulturelle Emigration nach 1933.München 1974. S. 111–113; Emigrantenselbsthilfe, 1938–1948 ES, [s. n.], [Stockholm], 1948 (folgend als Zehnjahresbericht). 2 Im Folgenden: „Sammlung Jacobowsky, UU“. Zur Sammlung Jakobowsky vgl.: Hans Nordesjö, Jacobowsky-samlingen på Carolina Rediviva: ett bibliotek för judisk kultur och historia. In: Multiethnica 16/17 (1996). 3 Zu den Archiven und Sammlungen siehe das Quellen- und Literaturverzeichnis in diesem Band. 4 Leo, Leben als Balance-Akt, das Kapitel „Die schwedischen Jahre (1937–1945)“ von Michael F. Scholz.

VIII  Vorwort

zügig überlassene Materialien zur „E-S“ enthält, darunter fast alle Drucksachen für die Zeit bis 1945 sowie Peters Interview-Sammlung. Svante Hansson (†; Paris) hat den Autoren dankenswerterweise Kopien aus der Sammlung von Herbert und Liesel Kahn, nach 1945 aktiv in der „E-S“, zur Verfügung gestellt. Die von der Emigranten-Selbsthilfe herausgegebenen Drucksachen sind mehrfach überliefert und werden hier nach der Sammlung Jacobowsky zitiert. Ein erst in den letzten Jahren zugänglicher Bestand bilden die Akten der schwedischen Sicherheitspolizei, die hier erstmalig umfassend zur EmigrantenSelbsthilfe ausgewertet werden. Aktive und Funktionäre der „E-S“ waren neben ihrem Engagement in der Hilfsorganisation auch aktiv im Rahmen illegaler Widerstandsarbeit gegen das nationalsozialistische Regime in Deutschland und in den okkupierten Ländern. Das Interesse, das der zivile schwedische Sicherheitsdienstes diesem Personenkreis widmete, resultierte auch in Informationen und Einschätzungen zur „E-S“. Offenbar stand der unpolitische Charakter der EmigrantenSelbsthilfe beim Sicherheitsdienst jedoch nie in Frage. Erste Ergebnisse ihrer Forschungen zur Emigranten-Selbsthilfe haben die Autoren bereits 2014 auf einer internationalen Konferenz in Uppsala vorgestellt, deren Ergebnisse in einem Sammelband bei de Gruyter 2017 erschienen.5 Doch die bis dahin geringe Beachtung durch Forschung und Öffentlichkeit erstaunt angesichts der Bedeutung dieser deutsch-jüdischen Selbsthilfeorganisation, die über Jahre zahlenmäßig die größte Emigrantenorganisation war und deren deutsche Kulturabende bis zur Gründung des Freien Deutschen Kulturbundes (FDKB) auch die Hauptereignisse im geistigen Leben der deutschen Emigration in Stockholm waren. Gründe dafür können in den herrschenden politischen Verhältnissen ausgemacht werden. Mit dem Kriegsanfang im September 1939 hatte die „E-S“ politisch bedingt bewusst Zurückhaltung in der Öffentlichkeitsarbeit geübt. Später blieben die Zeitzeugen, was die Organisation als solche und die eigene Rolle in ihr betraf, aus unterschiedlichen Gründen zurückhaltend. Offenbar war dies wesentlich dem politischen Klima in der Zeit des kalten Krieges geschuldet, denn weder in Ost noch in West wollte man an eine Organisation erinnern, die gemeinsam von Zionisten und politisch Linken initiiert und zumindest zeitweilig auch gemeinsam getragen worden war. Hinzu kommt, dass die „E-S“ nicht offizieller Bestandteil der Arbeit der Flüchtlings- bzw. Kulturarbeit der Stockholmer Jüdischen Gemeinde war und deshalb lange keinen Platz im Rahmen des jüdischen Selbstverständnisses fand. Für die großzügige Bereitstellung von Abbildungen und Material danken wir Svante Hansson (†; Paris), Viveka Hellström (Stockholm), Andreas Herbst (Berlin), 5 Glöckner & Müssener (Hg.), Deutschsprachige jüdische Emigration. Eine bearbeitete schwedische Ausgabe erschien 2021 – Andersson, Müssener & Pedersen (Hg.), Heimat Sverige.

Vorwort 

IX

Ernst Hollander (Stockholm) und Pontus Rudberg (Stockholm) sowie für so manchen guten Rat Professor Emeritus Lars Dencik (Stockholm) und Dr. Olaf Glöckner (Potsdam). Für die Unterstützung gilt unser Dank der Uppsala Universität, vor allem dem Hugo Valentin-Centrum und dem Zentrum für Russland- und Eurasienstudien (IRES). Zu Dank verpflichtet sind wir auch den Archivaren des Stockholmer Reichsarchivs sowie dem Verlag De Gruyter, besonders Carla Schmidt, für die Geduld und die umsichtige editorische Arbeit. Sehr herzlich danken wir last not least außerdem der Deutschen Gesellschaft zu Stockholm 1862 für einen Druckkostenbeitrag, der die Veröffentlichung der Arbeit ermöglichte. Die Autoren Kapitel 1, 3 und 4 werden von Michael F. Scholz verantwortet, Kapitel 2 sowie der Anhang von Helmut Müssener.

Inhaltsverzeichnis Vorwort  V 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.6 2.7

Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang  1 Die Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938  1 Schweden als Asylland vor dem zweiten Weltkrieg  2 Die Jüdische Gemeinde in Stockholm und ihre Hilfsarbeit  9 Friedrich Salomon „Fritz“ Hollander (1915–2004)  12 Die Zionisten in Schweden  17 KPD, Volksfrontpolitik und die Juden  19 Wolfgang Steinitz (1905–1967)  24 Der Aufruf vom November 1938  30 Die Konstituierung der Emigranten-Selbsthilfe  35 Die Arbeit beginnt  37 Die Kulturarbeit der Emigranten-Selbsthilfe bis zum Ausbruch des Krieges  47 Der erste Tätigkeitsbericht der „E-S“ – ein Jahr erfolgreicher Arbeit  62 25 lange Jahre Die Emigranten-Selbsthilfe von Kriegsbeginn bis 1973  65 Quellen  65 Mitglieder und Vorstand  65 Die Finanzen der Emigranten-Selbsthilfe  70 Einnahmen und Ausgaben  70 Spenden  74 Der Chanukka(h)-Markt  81 Schlussbetrachtung  85 Sozialarbeit  85 Mitteilungen – das „geistige Band“, und die Beratungsstelle  86 Die Arbeitsvermittlung. „Helft Emigranten durch Aufträge“  100 Karitative Arbeit  108 „Beihilfe“  108 Krankenhilfsdienst und ärztliche Betreuung  111 Hilfsbedürftige helfen Hilfsbedürftigen  116 „Der starke Anstieg der Hilfstätigkeit 1945“  121 Hilfsaktionen nach 1945  136 Schadensersatzansprüche und Wiedergutmachung  139 Die Heimfrage. Vom Kollektivhaus zum Pflegeheim  146

XII 

2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4 2.8.5 2.8.6 2.9 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 4

Inhaltsverzeichnis

Die Kulturarbeit  150 Die Veranstaltungen  151 Alle Jahre wieder: Chanukka und Purim  153 Theater und Film  159 Konzerte, Musikabende, Opernarienabende und …  164 Vorträge  171 Sprachunterricht und Gymnastikkurse  186 Schlussbetrachtung  189 Die Emigranten-Selbsthilfe aus der Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes  196 Personenakten und systematische Aktenvernichtungen  196 Erste Informationen zur Emigranten-Selbsthilfe bei der Polizei  199 Spitzel und Denunzianten über die Emigranten-Selbsthilfe  202 Sachliche Informationen prägen das Bild der „E-S“  206 „E-S“-Aktive im Blickfeld des schwedischen Sicherheitsdienstes  211

4.4.6

Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten  228 Die zeitgenössische Publizistik der Emigranten-Selbsthilfe  228 Die Emigranten-Selbsthilfe in der Erinnerung ihrer Funktionäre  231 Innerjüdische Auseinandersetzungen  237 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung  242 Walter A. Berendsohn (1884–1984)  242 Curt Trepte (1902–1990)  244 Helmut Müssener (* 1936)  246 Jan Peters (1932–2011)  252 Die Hintergründe für die stiefmütterliche Behandlung der „E-S“ in der Literatur  261 Das Bild der Emigrantenselbsthilfe in Schweden heute  268

5

Anhang  273

6 6.1 6.2

Quellen- und Literaturverzeichnis  314 Ungedruckte Quellen  314 Gedruckte Quellen  316

7

Personenregister  325

8

Abbildungsverzeichnis  332

4.1 4.2 4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5

1 Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang 1.1 Die Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 Die Verfolgung der Juden im nationalsozialistischen Deutschland verlief in mehreren Etappen. Auf den Reichstagsbrand folgte am 1. April 1933 der Boykott-Tag, der sich gegen jüdische Intellektuelle und Geschäfte richtete. Jüdische Beamte wurden zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Ärzte und Rechtsanwälte verloren ihre Zulassung. Mit der Unterstellung des gesamten kulturellen Lebens unter die Reichskulturkammer waren Juden oder mit Juden Verheiratete vom Kulturleben ausgeschlossen. Mit den Nürnberger Rassegesetzen vom September 1935 wurden den jüdischen Deutschen ihre bürgerlichen Rechte genommen. Vermögen mussten angegeben werden. Diese Entwicklung erreichte mit den Pogromen der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, der sogenannten Reichskristallnacht, einen Höhepunkt. Synagogen wurden in Brand gesteckt, Geschäfte demoliert und tausende jüdische Männer inhaftiert. Nur bei nachgewiesenem Vorsatz, das Reichsgebiet verlassen zu wollen, kamen sie aus den Lagern wieder frei, wobei eine Wiederinhaftierung drohte, wenn die Ausreise nicht schleunigst erfolgte. Eine neu gebildete Reichsvereinigung der Juden sollte in erster Linie die Emigration organisieren. Alle anderen Organisationen der jüdischen Deutschen wurden aufgelöst.1 Das NS-Regime erlaubte sich mit dem Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14. Juli 1933, deutschen Emigranten die Staatsangehörigkeit zu entziehen. Solche Strafexpatriationen geschahen durch einen Verwaltungsakt zunächst individuell-fakultativ. Oft ist die politische von der rassischen Emigration nicht streng zu trennen, da zahlreiche politische Flüchtlinge zugleich Juden waren. Die Ausbürgerung, die Familienangehörige einschließen konnte, bedeutete zunächst den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Mit dem Ablaufen ihrer Pässe fehlten den nun staatenlosen Emigranten Legitimationspapiere; damit verloren sie den Schutzanspruch und das damit zusammenhängende Aufenthaltsrecht im Exilland. Zumeist schloss die Ausbürgerung eine Vermögensbeschlagnahme und -konfiskation ein sowie bald auch die Aberkennung des Doktortitels und anderer akademischer Grade, erbrechtliche Beschränkungen und Entzug aller Versorgungsansprüche. 2 Hatte bisher die politisch motivierte Emigration vorgeherrscht, flüchteten nach der Po1 Benz, Gewalt im November 1938; Pätzold (Hrsg.), Verfolgung, S. 164–167. 2 Grundlegend: Tutas, Nationalsozialismus und Exil; Lehmann, In Acht und Bann; ders., Acht und Ächtung politischer Gegner; Hepp (Hg.), Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger. https://doi.org/10.1515/9783110729511-001

2 

1 Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang

gromnacht vor allem Juden als Opfer der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung massenhaft ins Ausland.

1.2 Schweden als Asylland vor dem zweiten Weltkrieg Mit der Frage des politischen Asyls war Schweden erstmals 1917/18 in größerem Umfang konfrontiert.3 Nach Einführung eines Pass- und Visazwangs hatte sich das Land bald den internationalen Abkommen über die Ausstellung des sogenannten Nansen-Passes für staatenlose Flüchtlinge angeschlossen. Ein entsprechendes Gesetz von 1927 (es galt bis 1937) verfolgte als Hauptzweck den Schutz des Arbeitsmarktes; es sollte aber auch eine „Überfremdung“ Schwedens und der „schwedischen Rasse“ verhütet werden. Politischen Flüchtlingen war zwar allgemein ein Asylrecht zugebilligt worden, Sonderbestimmungen waren für sie aber nicht vorgesehen. Angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen nach 1933 und der beunruhigenden Entwicklung in Deutschland änderte sich in Schweden die Sicht auf die Flüchtlingsfrage. Die schwedische Ausländerpolitik, keineswegs frei von antisemitischen Ressentiments, versuchte nun einen Spagat zwischen dem Bemühen um Hilfe für die Flüchtlinge und der Rücksichtnahme auf die Interessen Deutschlands, des mächtigen Nachbarn im Süden. Das neue Ausländergesetz von 1937 räumte politischen Flüchtlingen zwar eine Sonderstellung ein, doch der Begriff „politischer Flüchtling“ wurde nicht einheitlich definiert. Klar war jedoch, dass Personen, die sich als politische Flüchtlinge ausgaben, an der Grenze nicht abgeschoben werden durften. Ihre Ankunft war der Sozialbehörde (Socialstyrelsen – Nationales Gesundheits- und Sozialamt, folgend Sozialbehörde genannt), zu melden. Die Sozialbehörde unterstand dem für die Flüchtlingsfragen zuständigen Sozialministerium (Socialdepartementet).4 Politische Betätigung war Flüchtlingen bei Strafe untersagt. Allgemein galt, dass Flüchtlinge nicht in das Land abgeschoben werden durften, aus dem sie geflohen waren, und auch in kein Land, von dem aus sie wieder dorthin geschickt werden könnten. Dieser Grundsatz, auch als Heimatland- beziehungsweise Deutschlandklausel bekannt, sollte für viele Emigranten lebensrettend werden. Mit dem Inkrafttreten des Ausländergesetzes am 1. Januar 1938 war bei der Abteilung für Einwanderungsfragen der Sozialbehörde ein Ausländerbüro eröffnet worden, das Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen erteilte. Während sich viele 3 Grundlegend zu Schweden als Asylland: Hallberg, Källor till invandringens historia; Müssener, Exil in Schweden; Peters, Exilland Schweden; Rudberg, The Swedish Jews and the Holocaust; Dahl, Schweden als Zufluchtsland; Kvist Gevert, Ett främmande element; Lindberg, Svensk flyktingpolitik; Maier-Wolthausen, Zuflucht im Norden; SOU 1972-84. 4 Lindberg, Svensk flyktingpolitik S. 48–49; Kvist Gevert, Ett främmande element, S. 58.

1.2 Schweden als Asylland vor dem zweiten Weltkrieg 

3

schwedische Sozialdemokraten und Kommunisten für eine aktive Hilfs- und Einwanderungspolitik aussprachen, die auch bei den Liberalen Unterstützung fand, waren die die Konservativen und vor allem die Bauernpartei negativ eingestellt; bisweilen fehlte es dabei auch an einer deutlichen Abgrenzung zu Antisemitismus und Nazismus.5 In Schweden hatte seit 1933 eine Anzahl jüdischer Flüchtlinge Zuflucht gefunden. Doch auch hier lebten sie in rechtlicher und finanzieller Unsicherheit. Angesichts wachsender Flüchtlingszahlen und der beunruhigenden Entwicklung in Deutschland wuchs in Schweden ein Bewusstsein für die Flüchtlingsfrage. In den Medien und in privaten Zirkeln wurden Stimmen lauter, die sich für eine nachhaltige und humanitäre Lösung auf politischer Ebene aussprachen. Bereits unmittelbar nach dem Machtantritt Hitlers im Januar 1933 hatte sich eine Vielzahl von nichtstaatlichen Interessenverbänden und Hilfsorganisationen von und für Emigranten gebildet. Diese sogenannten Flüchtlingskomitees leisteten unmittelbare praktische Hilfe und nahmen die Aufgaben einer Flüchtlingshilfe wahr. Sie gewährten Unterstützung beim Antrag einer Aufenthaltsgenehmigung und trugen Sorge um die weitere Versorgung. Die breite Palette der Flüchtlingsarbeit in Schweden kann auf vier Grundformen zurückgeführt werden: spontane Hilfe durch Einzelpersonen, organisierte Hilfsarbeit einzelner bekannter Persönlichkeiten, allgemeine Hilfsarbeit kleiner (meist lokaler) Komitees ohne Organisationsgebundenheit sowie gezielte Hilfsarbeit verschiedener Organisationen und Einrichtungen für spezielle Kategorien von Flüchtlingen.6 Die Flüchtlingshilfe der Arbeiterbewegung (Arbetarrörelsens flyktinghjälp) war eine Hilfsorganisation der schwedischen Sozialdemokraten und des Gewerkschaftsbundes. Das Flüchtlingskomitee der Roten Hilfe (Röda Hjälpens flyktingskommitté) kümmerte sich um die kommunistischen Flüchtlinge. Die Sammlung für landesflüchtige Intellektuelle (Insamling för Landsflyktiga Intellektuella, folgend als Intellektuellen-Komitee) unterstützte exilierte deutsche Kulturschaffende. Auch ein Arbeitskreis jüdischer Flüchtlinge hatte sich in Stockholm gebildet, über den jedoch wenig bekannt ist. Die Hauptsorge für die jüdischen Flüchtlinge oblag der Jüdischen Gemeinde in Stockholm (Mosaiska Församlingen i Stockholm, folgend Jüdische Gemeinde bzw. MFST).7 Ihren Vorsitz führte der Buchhändler Gunnar Josephson, Schwager des einflussreichen Staatssekretärs des Außenministeriums Erik Boheman, der sich, anders als der Außenminister, durch eine grundlegend prowestliche Einstellung 5 Vgl. Lindberg, Svensk flyktingpolitik, S. 214; SOU 1972:84, Kap.2.1., 3.3.1.; Müssener, Exil in Schweden, S. 60–64. 6 Peters, Exilland, S. 52; Frohnert, Swedish Refugee Relief. 7 Nach 1838 nannte sich die Jüdische Gemeinde in Stockholm „Mosaiska Församlingen i Stockholm“. 1980 nahm sie wieder den Namen „Judiska Församlingen i Stockholm“ an.

4  1 Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang

auszeichnete. Nicht nur die deutsche Seite, sondern auch Justizminister Karl Gustaf Westman führte das auf „Blutsbande“ zurück.8 Boheman wurde, obwohl seine Mutter Jüdin war, als an jüdischen Fragen uninteressiert beschrieben. In jedem Fall blieb sein politischer Einfluss in diesen Fragen beschränkt; doch werden die familiären Beziehungen wohl einen Austausch zwischen dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde und dem Staatssekretär zu jüdischen Fragen befördert haben.9 Für die Hilfsarbeit war bei der Jüdischen Gemeinde ein besonderes Hilfskomitee gebildet worden, das sich aus den Gemeindevorstehern und den Rabbinern zusammensetzte.10 Für die Stockholmer Hilfsorganisationen wurde im November 1937 eine Dachorganisation gebildet, wofür sich ein kleines Komitee gebildet hatte. Hier wirkten neben anderen der erwähnte Gunnar Josephson, die Schriftstellerin Mia Leche-Löfgren vom Intellektuellenkomitee, der Gründer und Direktor von Birkagården Natanael Beskow und Gillis Hammar, Rektor der Volkshochschule Birkagården. Birkagården war ein Kulturhaus in der Tradition der englischen Settlement-Bewegung und für die Flüchtlinge ein wichtiger Ort der Zuflucht und Sammlung. Hammar entwickelte über Birkagården eine Vielzahl von Initiativen, um Flüchtlingen beizustehen.11 Die neue Dachorganisation, das Zentralkomitee für Flüchtlingshilfe (Stockholms Centralkommitté för flyktinghjälp), stand zunächst unter dem Vorsitz von Beskow; noch im selben Monat gewann er den Philosophen und Soziologen Einar Tegen, Professor an der Hochschule in Stockholm (ab 1952 Universität Stockholm), für die Mitarbeit. Tegen übernahm kurz darauf den Vorsitz.12 Das Zentralkomitee sah es als seine Aufgabe an, die Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen zu gestalten. Das Zentralkomitee trat auch als gemeinsames Gremium gegenüber der Regierung und der Öffentlichkeit auf. Unter den angeschlossenen Flüchtlingskomitees fehlten jedoch die Flüchtlingshilfe der Arbeiterbewegung und die Rote Hilfe. Auch im Zentralkomitee verlief die Arbeit nicht immer konfliktfrei. So bestanden 8 Carlgren (Hg.), K. G. Westman, S. 95, 109; Thomsen an das AA., 29.3.1943, in: Akten zur deutschen auswärtigen Politik E, Bd. V., S. 500–501. 9 Rudberg, The Swedish Jews and the Holocaust, S. 25. 10 Thor Tureby, Hechaluz, S. 140. Das Komitee nannte sich am Anfang „Hjälpfond für Tysklands judar“ oder „Stockholms Mosaiska Församlings nödhjälpskommitté“, bald nur noch „Mosaiska Församlingens i Stockholm hjälpkommitté“. 11 Hammar, T, Glöm inte vårt uppdrag!, S. 207–208. 12 Stockholms Centralkommitté för flyktinghjälp – nach der Kopiensammlung von Einar Tegen in der Uppsala universitetsbibliotek (folgend Sammlung Tegen). Insamlingen för Landsflyktiga Intellektuella, (Mia Leche Löfgren), Hjälpkommittén för flyktingar (Anna Lindhagen), Internationella Foyern (Stig Bendixon), Mosaiska församlingens Nödhjälpskommitté (Frank Hirsch), Svenska Ekumeniska Nämndens hjälpaktion för tyska flyktingar (Pastor Arnold Werner), Vännernas Samfunds i Sverige Sociala Hjälpkommitté [Quäker] (Märta Jacobowsky) und Birkagårdens folkhögskolas Kursverksamhet för flyktingar (Gillis Hammar).

1.2 Schweden als Asylland vor dem zweiten Weltkrieg 

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Spannungen zwischen dem Vertreter des jüdischen Hilfskomitees Frank Hirsch, einem assimilierten Juden aus einer alteingesessenen Familie, und dem zionistisch-orthodoxen Stig Bendixon als Vertreter des Internationalen Foyers (Internationella Foyern).13 Beide waren Vorstandsmitglieder der Jüdischen Gemeinde. Der Industrielle Hirsch wirkte auch im Vorstand der Hirsch-Stiftung, die für die Finanzierung von Arbeitsvermittlung und Ausbildung der Emigranten wichtig war. Hirsch war damit eine der zentralen Persönlichkeiten im Rahmen der Flüchtlingsarbeit der Jüdischen Gemeinde und spielte im Arbeitsausschuss des Zentralkomitees eine zentrale Rolle.14 Bendixon hatte bereits Anfang 1935 zusammen mit Gleichgesinnten, darunter der bekannten Friedensaktivistin Matilda Widegren, das Internationale Foyer gegründet und ihm in seinem Haus in der Västerlånggatan Nr. 40 in der Altstadt Stockholms (Gamla stan) eine Etage zur Verfügung gestellt. Das Foyer richtete sich ausdrücklich an Flüchtlinge jüdischer bzw. halbjüdischer Abstammung. „Da war nichts von gönnerhafter Philanthropie, nichts von ‚Nächstenliebe‘, sondern nur ein spontaner, menschlicher Sinn für Solidarität und ein Herzensreichtum, ohne Sentimentalität, aber hell und warm“, wie sich der Uppsalienser Historiker und aktive Zionist Hugo Valentin nach dem Krieg erinnerte. 15 Da viele der Besucher zum linken antinazistischen Exil gehörten, erlebte das Foyer 1937/38 wiederholt Razzien bzw. Hausdurchsuchungen durch die Polizei.16 Der Einmarsch deutscher Truppen in Österreich am 12. März 1938 vergrößerte die Zahl der Juden unter der Naziherrschaft und machte die Weltöffentlichkeit auf das Schicksal der Juden aufmerksam. Um eine dauerhafte Lösung des Flüchtlingsproblems zu diskutieren, wurde von US-Präsident Franklin D. Roosevelt eine internationale Konferenz in Évian, im Südosten Frankreichs, initiiert. Der Einladung folgten Regierungen und Vertreter verschiedener jüdischer und nichtjüdischer

13 Nach einer späteren Äußerung von Bendixon sei der assimilierte Jude Hirsch ohne Sinn für Religiosität und den orthodoxen Juden gegenüber nahezu feindlich eingestellt gewesen. Hansson, Flykt och överlevnad, S. 119. Bendixon behauptete später auch, dass Ehrenpreis als „Flüchtlingsfeind“ bekannt gewesen sei. – Müssener, Exil in Schweden, S. 87. 14 Hirschska Stiftelsen – zum Andenken an Isaak Hirsch (1843–1917); Einladung von Tegen, Hirschska Stiftelsen, 30.11.1938; Hansson, Flykt och överlevnad, S. 118. 15 Valentin, Stig Bendixon 60 år, S. 142. 16 Notiz, 25.2.1935; 13.3.1937, in: Riksarkivet (Stockholm), Säkerhetspolisen (folgend: RA, Säpo), HD 7466/40; Notiz, 3.10.1938, in: RA, Säpo, P 403. Siehe auch die Darstellung von Bendixon, der das Komitee nach Widegrens Tod leitete; als Sekretär hatte ihn Greta Lamm, geb. Wavrinsky, abgelöst. Sein Archiv hatte Bendixon im April 1940 verbrannt, als er damit rechnete, „dass die Deutschen sich durch einen Überfall Stockholms bemächtigen würden“. In: Müssener, Exil in Schweden, S. 86–88.

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Flüchtlingsorganisationen. Auch Schweden nahm an den Beratungen vom 6. bis 15. Juli 1938 teil.17 Einar Tegen hatte sich im Namen des Stockholmer Zentralkomitees für Flüchtlingshilfe im Vorfeld dieser Beratungen im Juni 1938 mit der Forderung nach einer generöseren Flüchtlingspolitik an den sozialdemokratischen Sozialminister Gustav Möller gewandt, dessen Ministerium die Flüchtlingsfragen unterstellt waren. Tegens Schreiben richtete die Aufmerksamkeit auf das Schicksal der jüdischen Flüchtlinge, über deren Status weiter Unklarheit bestand. In Folge des sogenannten Anschlusses Österreichs an Hitlerdeutschland seien 300.000 Menschen jüdischer Abstammung ihrer Existenzgrundlage beraubt; sie brauchten dringend Hilfe. Deshalb, so argumentierte Tegen, sollte Schweden sich auf der bevorstehenden Konferenz in Évian zur Aufnahme einer bestimmten Anzahl von Flüchtlingen bereit erklären. Auch sollte die Rechtsauslegungspraxis des neuen Ausländergesetzes einer Revision unterzogen werden. Die Forderung, jüdische Flüchtlinge den politischen gleichzustellen, wurde vor allem von Stig Bendixon vertreten. Bendixon war im politischen Schweden gut vernetzt. Über seine Ehefrau war er mit Rolf R: son Sohlman verwandt, einem einflussreichen Berufsdiplomaten im Stockholmer Außenministerium, und eine Kinderfreundschaft verband ihn mit Sonja Branting. Die Tochter des legendären Führers der schwedischen Sozialdemokraten Hjalmar Branting engagierte sich mit ihrem Stockholmer Anwaltsbüro gegen Nazismus und Faschismus. Doch Bendixons Vorstellung, jüdische Flüchtlinge den politischen gleichzustellen, fand in der Stockholmer Regierung keinen Anklang.18 Immerhin kam es aufgrund der Initiative des Zentralkomitees zu mehreren Treffen zwischen dem Komitee und dem Sozialminister. Die Konferenz in Évian, die vor allem von der jüdischen Öffentlichkeit in Deutschland mit großen Hoffnungen erwartet worden war, endete am 15. Juli 1938 enttäuschend. Die internationale Gemeinschaft verweigerte sich, die Einwanderungsquoten den tatsächlichen Bedürfnissen anzupassen. Auch in der Frage Palästinas als Zufluchtsstätte für alle Juden gab es keine Fortschritte.19 In diesem Sommer 1938 wurde in den schwedischen Medien verstärkt die Frage diskutiert, ob sich Schweden eine großzügige Flüchtlingspolitik überhaupt leisten könne. Zwar war 1937 die Arbeitslosigkeit fast überwunden, doch eine breite Öffentlichkeit blieb weiter beunruhigt. Von Seiten des Zentralkomitees wurde dazu eindeutig und beruhigend Stellung bezogen. Auf einer öffentlichen Veranstaltung Mitte August in Stockholm erklärte Mia Leche Löfgren, dass in Schweden 17 Adler-Rudel, Die Enttäuschung von Evian, S. 315–317. 18 Kvist Geverts, Ett främmande element, S. 99; Rudberg, The Swedish Jews and the Holocaust, S. 77. 19 Adler-Rudel, Die Enttäuschung von Evian, S. 315–317.

1.2 Schweden als Asylland vor dem zweiten Weltkrieg 

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keine Gefahr einer Überbevölkerung bestehe.20 Im Gegenteil, die sinkende Geburtenrate gebe Anlass zur Sorge. In vielen Bereichen, wie Landwirtschaft, Hausarbeit und Gesundheitsversorgung fehlten bereits Arbeitskräfte, auch an Fachkräften verschiedenster Art mangle es, so an Architekten, Ingenieuren und Technikern. Als quasi Sachverständigen in Flüchtlingsangelegenheiten trat Professor Gunnar Dahlberg auf, den Herbert Tingsten für diese Rolle gewonnen hatte. Tingsten, Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule in Stockholm, war ein früher Gegner des Nationalsozialismus, der auch gegenüber der zionistischen Idee offen war. Nicht zuletzt durch seine Vermittlung war Dahlberg 1935 die Leitung des Rassenbiologischen Instituts übertragen worden.21 Dahlberg hatte zur Rassenbiologie einen streng sozialmedizinischen Zugang. Unter seiner Leitung wurde der bis dahin am Institut gepflegte rassistische Sprachgebrauch abgeschafft, und das Institut stärker statistisch und medizinisch ausgerichtet.22 Wenige Jahre später würde sein Institut eine Rettung für viele Flüchtlinge aus der Internierungshaft werden, indem Dahlberg ihnen dort eine befristete Anstellung als Archivarbeiter verschaffte, eine Voraussetzung für die Entlassung aus dem Lager.23 Offensichtlich spielten in den Überlegungen hinsichtlich einer generöseren Flüchtlingspolitik Arbeitsbeschaffungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Zur Frage der Beschäftigungspolitik kamen auch Vorschläge von der sogenannten Emigrantengemeinschaft (auch Flüchtlingsgemeinschaft genannt), die die Interessen der von der Flüchtlingshilfe der Arbeiterbewegung anerkannten Flüchtlinge vertrat. Hier engagierte sich an vorderer Stelle ihr Leitungsmitglied Ludwig Lewy (auch: Lutz Levi), der auch den Arbeitskreis jüdischer Flüchtlinge leitete.24 Lewy hatte nach einer Banklehre in Berlin als Prokurist und Wirtschaftsjournalist gearbeitet. Nach dem Januar 1933 wirkte er illegal als Journalist und Korrespondent linkssozialistischer Auslandsgruppen. Seit 1935 lebte er in Schweden, wo er Mitglied der SoPaDe, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands im Exil, wurde, die 20 Diskussionsmöte: Har vi i Sverige inte råd till en generös flyktingpolitik? (16.8.1938), Sammlung Tegen. 21 Das Staatliche Institut für Rassenbiologie (Statens institut för rasbiologi, Rasbiologiska institutet) war ein 1922 an der Universität Uppsala gegründetes rassenbiologisches Institut. 1958 wurde das Institut ersetzt durch das Institut für medizinische Genetik (Institutionen för medicinisk genetik); heute eine Abteilung der Universität Uppsala. 22 Broberg, Statlig rasforskning. 23 Dies galt zum Beispiel für Herbert Wehner, Josef Wagner, Erich Glückauf, Peter Blachstein, Vitja Kunze. Zumindest von den letzten dreien sind ihre jüdischen Wurzeln bekannt. 24 Neben Lewy war hier der jüdische Flüchtling Wolfgang Jacoby engagiert, der in Berlin das Gymnasium besucht und eine Lehre in der Damenkonfektion absolviert hatte. Er war seit September 1935 in Schweden, wo ihn die Jüdische Gemeinde als Flüchtling anerkannt hatte; seit 1938 war er mit einer Schwedin verheiratet. Jacoby unterstützte auch Lewys politische Widerstandsarbeit – RA, Säpo, P 403.

8  1 Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang

1935 eine Ortsgruppe Stockholm gegründet hatte.25 Im September 1938 unterbreitete Lewy dem Zentralkomitee „provisorische Vorschläge“ der Flüchtlingsgemeinschaft zur Beschäftigungspolitik. Die Erfahrung hätte gezeigt, so Lewy, dass eine Beschäftigung von Facharbeitern die geringsten Probleme darstellte. Schwierig sei dagegen die Lage der Intellektuellen und der kaufmännischen Angestellten.26 Da jedoch die Emigrantengemeinschaft schon wenig später den Parteistreitigkeiten in der politischen Emigration zum Opfer fiel und sich durch Mehrheitsbeschluss im Oktober 1938 auflöste, kam es zu keiner weiteren Erörterung dieser Vorschläge.27 Immerhin einigten sich noch 1938 einige Flüchtlingsausschüsse auf einen gemeinsamen Ausschuss für Berufsbildungsfragen.28 Anfang September 1938 sprachen sich die Vertreter des Zentralkomitees dafür aus, die Rote Hilfe zu den Diskussionen über Flüchtlingsfragen zwischen dem Komitee und der Sozialbehörde hinzuziehen. Deren Sekretär Knut Olsson, Politbüromitglied der Schwedischen Kommunistischen Partei, SKP, stand dem durchaus positiv gegenüber und sagte zu, sich künftig gern in jeder ihm möglichen Weise „an der Fortsetzung dieser wertvollen Arbeit zu beteiligen“.29 Was die konkrete Frage der Arbeitsvermittlung betraf, war er wenig optimistisch. Untersuchungen hätten gezeigt, dass nur eine geringe Zahl der Flüchtlinge für die Umschulung zur Landarbeit oder Hauswirtschaft in Frage käme. Jedenfalls bat Olsson darum, über die Arbeit des Komitees auf dem Laufenden gehalten zu werden.30 Im Oktober 1938 fasste das Zentralkomitee die von den verschiedenen Flüchtlingskomitees eingebrachten Gedanken zusammen, und leitete sie an die Sozialbehörde weiter. Acht Memoranden, darunter Stellungnahmen zu Anträgen auf Aufenthaltserlaubnis, wurden mit dem „Ziel einer vertrauensvollen Zusammenarbeit“ vorgelegt. Das von Rechtsanwalt Mauritz Grünberger, der auch Kämmerer (Verwaltungschef) der Jüdischen Gemeinde war, abgefasste Schreiben war durch Rücksichtnahme auf Befindlichkeiten der Regierung geprägt. Wiederholt wurde hier betont, dass sich das Zentralkomitee der begrenzten Möglichkeiten des Landes für eine Flüchtlingsaufnahme durchaus bewusst sei. Letztlich ginge es aktuell aber auch darum, den verschiedenen humanitären Verbänden und Organisationen 25 SOPADE (Sozialdemokratische Partei Deutschlands im Exil). 1935 erfolgte die Gründung der Ortsgruppe Stockholm. Müssener, Exil in Schweden, S. 134–159. 26 Lewy an Tegen, 14.9.1938, Sammlung Tegen. 27 Müssener, Exil in Schweden, S. 135–136. 28 Lindberg, Svensk flyktingpolitik, S. 46–47. 29 Einar Tegen, Stig Bendixon, Gillis Hammar, Kerstin Hamilton, Frank Hirsch, Märta Jacobowsky, Anna Lindhagen, Mia Leche-Löfgren, Dagmar Swartling, Natanael Beskow, Anna C. Petterson, Irma Fraenkel und Signe Jacobson. 2. September 1938 (Centralkommitté för flyktinghjälp), Sammlung Tegen. 30 Knut Olsson, 5.12.1938, Sammlung Tegen.

1.3 Die Jüdische Gemeinde in Stockholm und ihre Hilfsarbeit 

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Richtlinien für die Flüchtlingsarbeit zu geben, insbesondere „in Bezug auf bestimmte Fallgruppen“, sowie, wie die Sozialbehörde organisatorische Fragen zu behandeln gedenke. Dem folgten Argumente zur Nützlichkeit der Einwanderung, zum Beispiel von Geschäftsleuten, Industriellen, wissenschaftlich-technischen Spezialisten, aber auch von Landarbeitern und Haushaltshilfen. Es fehlte auch nicht der Hinweis, dass Verfolgte auch nahe Verwandte unter den hier lebenden schwedischen Staatsbürgern hätten.31 Im Ausländerbüro der Sozialbehörde blieb die Haltung ablehnend.32 Doch infolge dieser Diskussionen und Vorschläge sollte das Zentralkomitee für Flüchtlingshilfe zur Keimzelle der im Juni 1939 gegründeten Staatlichen Flüchtlingshilfe werden.33 Um eine weitere Zuwanderung nach Schweden zu verhindern, war im September 1938 eine Verordnung erlassen worden, wonach Ausländer ab- und ausgewiesen werden konnten, wenn anzunehmen war, dass sie nicht beabsichtigten, in ihr Heimatland zurückzukehren.34 Diese Maßnahme zielte deutlich auf jüdische Flüchtlinge. Sie waren durch den sogenannten J-Stempel im Pass, mit dem der Passinhaber als Jude gekennzeichnet wurde, bei der Einreise leicht erkennbar. Noch im Oktober 1938 ordnete die Sozialbehörde an, dass Personen mit J-Stempel im Pass abgelehnt werden sollten, wenn sie keine Aufenthaltserlaubnis oder Grenzempfehlung hätten. Die Einführung des J-Stempels in deutschen Reisepässen war auf Drängen Schwedens und der Schweiz nach Verhandlungen mit dem deutschen Außenministerium und dem Reichsicherheitshauptamt (RSHA) von deutscher Seite im Oktober 1938 eingeführt worden. Eigentlich widersprach diese Maßnahme der NS-Politik auf eine rasche „Ausreise“ oder Abschiebung aller jüdischen Menschen aus Deutschland. Doch wollte Deutschland eine angedrohte allgemeine Visumpflicht für deutsche Bürger wegen der vielen aus Deutschland und dem okkupierten Österreich Flüchtenden verhindern.35

1.3 Die Jüdische Gemeinde in Stockholm und ihre Hilfsarbeit Die Anfänge der Jüdischen Gemeinde in Stockholm gehen zurück bis ins 18. Jahrhundert.36 Viele administrative Beschränkungen gegen eine jüdische Einwande31 Till Kungl. Socialstyrelsen, Stockholm (Vorschlag, verfasst von Grünberger, Oktober 1938), Sammlung Tegen. 32 Kvist Geverts, „Fader Byråkratius“, S. 79–80. 33 Zunächst Nämnden för statens flyktingshjälp; ab 1941 ging diese Aufgabe an Statens flyktingsnämnd. Hallberg, Källor, S. 179–180. 34 Hallberg, Källor till invandringens historia, S. 150–152. 35 Lindberg, Svensk flyktingpolitik, S. 123–158. 36 Folgend nach Carlsson, Judarnas historia.

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1 Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang

rung waren in Schweden seit 1838 aufgehoben und die Rechte der Juden kontinuierlich erweitert worden. Die Jüdische Gemeinde in Stockholm verfügte mit der 1870 fertiggestellten Hauptsynagoge in der Wahrendorffsgatan über einen prächtigen Bau, der nach Plänen des berühmten schwedischen Architekten Fredrik Wilhelm Scholander erbaut worden war. Die Gemeinde war geprägt von den etablierten schwedisch-jüdischen Familien, die hauptsächlich aus Deutschland stammten, aber auch aus Dänemark kamen. Ende der 1930er Jahre lebten sie nicht selten bereits in der dritten Generation in Schweden. Viele waren gut etabliert, führten erfolgreiche Geschäfte und engagierten sich in philanthropischen Projekten. Sie waren assimiliert, liberal und folgten nicht mehr unbedingt jüdischen Traditionen. Jiddisch wurde von ihnen nicht (mehr) gesprochen. Hatten Ende des 19. Jahrhunderts in Schweden etwa 3.000 Juden gelebt, war ihre Zahl bis 1933, im Jahr von Hitlers Machtantritt, auf etwa 7.000 gestiegen. Die Verdopplung verdankte sie der ostjüdischen Einwanderung zwischen 1860 und 1914, in einer Zeit, in der der Zuzug relativ einfach war. Die osteuropäischen Juden waren aus Gebieten gekommen, die zum zaristischen Russland gehörten, wie Litauen, Lettland und Teilen des heutigen Polens. Sie waren arm, orthodox und hatten viele Kinder. Sie sprachen vor allem Jiddisch und Schwedisch oft nur schlecht. Im Gegensatz zu den bereits etablierten Familien, die im Norden Stockholms lebten, waren sie im Stockholmer Stadtteil Södermalm, umgangssprachlich auch Söder genannt, konzentriert, damals ein Industriegebiet mit zahlreichen Arbeitervierteln. Fast alle Juden hier lebten nach den traditionellen jüdischen Religionsvorschriften. Das führte zu Konflikten zwischen den etablierten und den neueingewanderten Juden. Beide Gruppen gehörten zur Stockholmer Jüdischen Gemeinde; im gemeinsamen Einverständnis wurde neben der Hauptsynagoge in der Wahrendorffsgatan auch eine orthodoxe Synagoge auf Södermalm errichtet, Adat Jisrael. Die Kontakte zwischen den beiden jüdischen Gruppen im MFST waren lange Zeit nicht sehr lebhaft, doch Oberrabbiner Marcus Ehrenpreis wusste hier ausgleichend zu wirken.37 Die bessergestellten Juden sahen es traditionell als ihre Pflicht an, bedürftige Glaubensgenossen zu unterstützen. Eine der ältesten auf diesem Gebiet tätigen Hilfsorganisationen war Rodef Chesed. Sie war vor allem bemüht, die Not der ins Land kommenden osteuropäischen Juden zu lindern. Es ging dabei um die Bereitstellung medizinischer Versorgung und um Unterstützung bei einer möglichen Weiterreise, aber auch um geistiges Wohlergehen. Die Organisation stand offen für „jeden wohlhabenden jü37 Ehrenpreis hatte in Deutschland studiert, war Oberrabbiner Bulgariens von 1900 bis 1914, von 1914 bis zu seinem Tod Oberrabbiner von Stockholm. Er war ein früher Anhänger des Zionismus und Mitarbeiter Theodor Herzls bei den Vorbereitungen zum ersten Zionistenkongress. Nach 1908 ließ sein Interesse am Zionismus und an der hebräischen Literatur merklich nach; er blieb jedoch sein Leben lang Kulturzionist. Rosenberg, Rabbi Marcus Ehrenpreis.

1.3 Die Jüdische Gemeinde in Stockholm und ihre Hilfsarbeit



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dischen Mann und jede wohlhabende jüdische Frau“.38 Nach 1933 war die Hilfsarbeit von Rodef Chesed verstärkt worden. Unter anderem wurde eine Flüchtlingsküche auf dem Grundstück der Heckscher Stiftung in der Klippgatan 19 eingerichtet. Die Stiftung ging zurück auf eine Spende für den Bau eines mehrstöckigen Gebäudes auf Södermalm, dessen Wohnungen hauptsächlich an arme Juden aus Osteuropa vermietet wurden.39 Das 1913 fertiggestellte sogenannte „Judenhaus“ war zu seiner Zeit auf dem neuesten Stand der Technik mit fließendem Wasser, Innentoiletten und Waschküche. Im Erdgeschoss organisierte die Gemeinde eine Kindertagesstätte und ein Nachmittagsheim, genannt Arbeitshaus. Im Gebäudekomplex waren auch jüdische Vereine untergebracht. Die Jüdische Gemeinde, deren Hilfsarbeit durch mehrere wohlhabende jüdische Familien unterstützt wurde, betrachtete Schweden nicht als Einwanderungsland, sondern als Transitland, nicht zuletzt, weil sie sich der negativen Haltung zur Einwanderung in Schweden bewusst war.40 Ab 1933 erlaubte Schweden, deutsch-jüdische Jugendliche im Alter von 18 bis 35 Jahren zur landwirtschaftlichen Ausbildung nach Schweden zu schicken. Dafür erhielten sie eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für die Weiterreise nach Palästina. Partner war hier der Dachverband der zionistischen Jugendorganisationen Hechaluz (hebräisch ‫חלוּץ‬ ָ ‫ה‬ ֶ , Der Pionier), der sich zum Ziel gesetzt hatte, die jüdische Einwanderung in Palästina (Alija) und deren Vorbereitung (Hachschara) zu organisieren. So wurden für eine begrenzte Zahl jüdischer Emigranten Ausbildungsplätze in der Landwirtschaft organisiert, deren Übersiedlung nach Palästina vorbereitet und auch die Übersiedlung von einigen Hundert Kindern und Transmigranten organisiert.41 Trotz ihrer umfassenden Hilfsarbeit war die Leitung der Jüdischen Gemeinde wenig geneigt, die Aufnahme einer größeren Zahl jüdischer Flüchtlinge zu unterstützen. Ziel ihrer Hilfsarbeit war in vielen Fällen also die Weiterreise.42 Gegen die restriktive Einwanderungspolitik der Regierung und auch die gegen die Haltung der Jüdischen Gemeinde in dieser Frage opponierten vor allem die sogenannten Ostjuden. Unter ihnen konnte man verschiedene Richtungen ausmachen, vor allem Zionisten und Orthodoxe. Letztere waren offener für Einwanderung, während die Zionisten aufgrund ihres grundlegenden Referenzrahmens an einer Einwanderung letztlich nicht interessiert waren, wohl aber an einer Weiterwanderung nach Palästina. Sie sahen die Errichtung eines jüdischen Staates als 38 Hjälpsamhetsförbundet Rodef Chesed. 39 Die Stiftung war 1911 durch Sophia Heckscher, die Witwe des deutsch-dänischen Bankiers Edvard Heckscher, gegründet worden. https://heckscherstiftelse.se/. 40 Lindberg, Svensk flyktingpolitik, S. 45; Thor Tureby, Hechaluz, S. 140. 41 Siehe dazu allgemein Thor Tureby, Hechaluz. 42 Andersson & Kvist Geverts (Hg.), En problematisk relation?; Müssener, Exil in Schweden, S. 88; Lindberg, Svensk flyktingpolitik, S. 45 f.; Peters, Exilland Schweden, S. 71; auch SOU 1945:1.

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1 Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang

einzige Alternative.43 Der Zionismus war angesichts der neuen Herausforderung im Aufwind. Noch 1933 kam es zur (Wieder-) Gründung des Schwedischen Zionistischen Bundes (Svenska Zionistförbundet), der für eine sofortige Siedlung in Palästina eintrat.44 Den Vorsitz übernahm Hugo Valentin, Sekretär war ab 1935 Daniel Brick, Sohn litauischer Einwanderer. Zusammen mit seinem Bruder Simon hatte er die Zeitschrift Judisk Krönika gegründet, zunächst auch aus Opposition der schwedisch-jüdischen Jugend gegen die Etablierten in der MFST.45 Als erste echte zionistische Jugendbewegung wurde in Schweden Zeire Misrachi 1934 durch Fritz Hollander gegründet.

1.4 Friedrich Salomon „Fritz“ Hollander (1915–2004) Fritz Hollander, ein junger Kaufmannssohn aus Deutschland, war 1934/35 und 1936–38 auch Präsident von Zeire Misrachi. Nach 1938 sollte er eine der zentralen Persönlichkeiten in der Emigranten-Selbsthilfe werden. Ab 1944 war er Vorstandsmitglied der Sektion Schweden des Jüdischen Weltkongress (englisch World Jewish Congress, WJC) sowie ab 1962 Präsident der Geschäftsführung der Jüdischen Gemeinde in Stockholm und 1968 Präsident des Schwedischen Zionistischen Bundes. Friedrich Salomon „Fritz“ Hollander wurde am 25. September 1915 in Hamburg/Altona geboren und wuchs in einem wohlhabenden jüdisch-orthodoxen Haushalt von überregionaler Bedeutung auf.46 Seine Eltern waren Julius Jeshajahu Hollander und Paula, geb. Gutmann. Fritz war neben Hilde, Hermann und Arnold das jüngste Geschwisterkind. Der Vater, ein erfolgreicher Kaufmann, war Mitglied von Agudat Yisrael, einer internationalen ultraorthodoxen jüdischen Organisation. Die Mutter Paula und der Bruder Arnold waren zum Ende des ersten Weltkrieges an der Spanischen Grippe gestorben. Der Familienmittelpunkt wurde dann nach Frankfurt am Main verlegt, wo Fritz eine gediegenen Schulausbildung genoss. Seine Gedankenwelt war hier bereits geprägt von Zionismus und Sozialismus/Kommunismus, wie er damals seinem Tagebuch anvertraute. Doch als zukünftiger Unternehmer/Kapitalist wollte er sich keinen Anschauungen hingeben, die gegen den Bestand des kapitalistischen Systems gerichtet waren, so die Überlegung des gerade 16jährigen. Einerseits sei er der Überzeugung nach „zumindest Sozialist, vielleicht sogar Kommunist“, andererseits Zionist. Obwohl ihn gefühls43 Hansson, Flykt och överlevnad, S. 93. 44 Broberg/Runblom/Tydén, Judiskt liv i Norden, S. 322; [Valentin], Anförande. Zum Zionismus vor dem ersten Weltkrieg siehe: Narrowe, Zionism in Sweden; Weberling, Isaak Feuerring. 45 Dem Vorstand des Bundes gehörten weiter an (1940): Norbert Masur, Leo Bab, Abraham Brody. Zu Judisk Krönika siehe Fruitman, Cultural Zionism. 46 Allgemein zu Hollanders Biographie: Hollander, Per, The cosmopolitans.

1.4 Friedrich Salomon „Fritz“ Hollander (1915–2004) 

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mäßig vieles zum Judentum ziehe, sah er sich nicht als religiös an, da ihn verstandesmäßig („leider“, weil er wisse, was für ein Halt die Religion sein könne) zumindest ebenso viel von der Religion abstoße. Mit Eintritt in die Firma des Vaters gewannen diese Fragen an Bedeutung. In jedem Fall wollte Fritz Hollander danach streben, die Firma, die ja auch seinen Namen trug, zu erhalten und zu vergrößern. Auch wollte er sich nicht mit seinem Vater überwerfen, den er „im Grunde genommen sehr Lieb“ hätte. Der Kompromiss sollte sein, dass er später in Erez Israel47 eine Industrie aufbauen würde, bei der er nichts zu verdienen brauchte, die auf sozialistischen Prinzipien aufgebaut, gleichzeitig zur Förderung des Sozialismus in Erez Israel und zur Förderung des Aufbaus dort nützlich sein werde. Zu diesem Kompromiss wäre es aber notwendig, „nicht nur ein großes Geschäft zu haben, sondern auch so viel Geld zu besitzen, dass man es im Kampf mit der Großindustrie fertigbringen würde, in die Lederindustrie einzudringen“. Sorge machte ihm zunächst aber der Gedanke, seine vielen guten Ideen wohl allzu bald vergessen zu können und bestenfalls ein etwas besserer Spießer zu werden.48 Anfang August 1931 hatte ihn sein Vater überraschend schnell von Frankfurt nach Hamburg geschickt, damit er in das väterliche Geschäft A. J. Hollander in Altona als Lehrling einträte. Hamburg war ein Zentrum der Jugendbewegung des religiösen Zionismus mit vielen Aktiven des Jugendbundes Zeire Misrachi, der Jugendorganisation der gesetzestreuen Zionisten, der zum Reichsverband der jüdischen Jugendorganisationen gehörte. Fritz wohnte im Hamburger Stadtteil Eppendorf, unweit des jüdischen Grindelviertels. Seine Wohnung lag nicht weit von der Synagoge am Bornplatz, die in der Reichspogromnacht 1938 verwüstet und 1939 abgerissen werden sollte. In unmittelbarer Nähe der Bornplatzsynagoge lag auch die Talmud Tora Schule, damals die größte jüdische Schule Norddeutschlands. Fritz freundete sich hier mit einem ihrer Schüler an, dem ein Jahr älteren gebürtigen Hamburger Ernst Baruch Levy. Zusammen engagierten sie sich im Jugendbund Zeire Misrachi, in dem damals die Frage eines „Jüdisch-religiösen Sozialismus“ heiß diskutiert wurde. Eine Nähe zwischen historischem Idealismus und marxistischem Sozialismus wurde nicht als Problem gesehen. Während Hollanders Hamburger Aufenthalts hatte der Bundestag des Zeire Misrachi bestätigt, dass ungeachtet einzelner Differenzierungen die sozialistische Haltung des Bundes als eine Selbstverständlichkeit gesehen wurde. Der religiöse Sozialismus, wie ihn der Zeire Misrachi vertrete, würde seine besondere Note erst durch die jüdische

47 EREẒ ISRAEL (hebr.) Das Land Israel. 48 Abschrift von Fritz Hollanders Tagebuch 27/7/1931- 9/8/1931 (Ernst Hollander), Kopie beim Verfasser; Hollander, Per, The cosmopolitans, S. 51–52.

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Tradition erhalten.49 Die verschiedenen Richtungen der jüdischen Jugend in Hamburg, von der Hechaluz über die deutsch-jüdische Jugend bis zu Zeire Misrachi, trafen sich im Jugendheim in der Johnsallee 54. Auch andere jüdische Vereine, darunter Sportvereine aller jüdischen Richtungen, trafen sich dort, wo auch die Jüdische Berufsberatung ihren Sitz hatte.50 Diese Erfahrungen saugte der junge Fritz Hollander in sich ein. Über den Jugendbund Zeire Misrachi kamen Ernst und Fritz in Kontakt mit dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD). Fritz erzählte später seinem ältesten Sohn Per über Ernst Baruch Levy, dass dieser Kommunist war und sein bester Freund wurde. Zusammen hätten sie damals in Hamburg viele Abende mit kommunistischen Freunden verbracht, um über Politik zu diskutieren.51 Die Machtübertragung an die Nazis im Januar 1933 stellte einen tiefen Einschnitt in das Leben dieser jungen Menschen dar. Der weitsichtige Julius Hollander zog aus den Veränderungen in Deutschland sehr schnell geschäftlich und familiär Konsequenzen. Bereits am 30. März 1933 ging er mit seiner Familie ins Ausland. Seinen Sohn Herman[n] schickte er in die USA, die Tochter ging mit ihrem Mann nach Palästina und Fritz setzte seine Ausbildung in verschiedenen europäischen Ländern fort. Bereits 1932 hatte Julius Hollander in Amsterdam die Firma „N. V. Julius Hollander“ für den Expert und Import von Häuten, Leder und Fellen mit einem Startkapital von 50.000 Niederländische Gulden gegründet. Dorthin konnte er nun problemlos seinen Geschäftssitz verlagern. In Hamburg war die Situation offenbar gefährlich. Nur zwei Wochen nach der Ausreise der Hollanders wurde Ernst Baruch Levy aus der Schule heraus verhaftet. Die Gründe für die Festnahme sind unklar, doch ist anzunehmen, dass ihm seine Beziehungen zum nun verbotenen KJVD zur Last gelegt wurden. Nach zwei Monaten im Gefängnis wurde er entlassen und konnte sich nach Schweden retten, wo er in der Stockholmer Filiale der Firma von Julius Hollander eine Anstellung erhielt. Als seine Arbeitserlaubnis abgelaufen war, wechselte er zur Hollanders Firma in Amsterdam. Von dort sollte Levy bald auch Verbindungen zur Abschnittsleitung West der illegalen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) unterhalten, die versuchte, von den Niederlanden aus den Widerstand gegen das Naziregime zu organisieren.52 49 Bundestag des „Zeïre Misrachi“, Hamburger Familienblatt Nr. 1 vom 5.1.1933, S. 5, zitiert in: Lorenz & Berkemann, Die Hamburger Juden, Bd.4, S. 597. 50 Lorenz & Berkemann, Die Hamburger Juden, Bd. 3, S. 517–519. 51 Hollander, Per, The cosmopolitans, S. 52. 52 Levy wurde zusammen mit seinen Eltern im November 1939 „ausgebürgert“ (Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger Nr. 261 vom 7.11.1939). Im April 1943 wurde er verhaftet, im November d. J. nach Auschwitz deportiert, wo er im März 1944 starb. Siehe: Gebauer, Das KPD-Dezernat der Gestapo; Stolpersteine Hamburg https://www.stolpersteine-hamburg.de/ (2021-03-29).

1.4 Friedrich Salomon „Fritz“ Hollander (1915–2004) 

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Fritz kam im Oktober 1933 nach Stockholm, um hier in der Hollander-Tochterfirma Baltiska Skinnkompaniet A. B. seine Ausbildung fortzusetzen bzw. eine neue Lehre zu beginnen. Sein älterer Bruder Herman, der nun eine Filiale in den USA aufbaute, hatte ebenfalls hier unter Direktor Norbert Masur gelernt. Der aktive Zionist Masur, ursprünglich aus dem schleswig-holsteinischen Friedrichstadt, war in Hamburg aufgewachsen, wo er nach dem Besuch der Talmud-Thora-Realschule eine kaufmännische Lehre absolvierte und dann als Mitarbeiter in Julius Hollanders Firma in Altona eintrat.53 Von ihr wurde er 1924 nach Stockholm geschickt, wo er später die Leitung der neuen Filiale Baltiska Skinnkompaniet übernahm und ihr Teilhaber wurde. 1931 nahm Masur die schwedische Staatsbürgerschaft an. In Stockholm war inzwischen eine weitere Hollander-Firma, A. B. Svensk Varuclearing, gegründet worden. In deren Geschäftsleitung saß auch ein alter Geschäftspartner Julius Hollanders aus Frankfurter Zeiten, der inzwischen in Stockholm erfolgreiche Direktor Jacob Ettlinger. Ettlinger und Hollander hatten bereits im ersten Weltkrieg Geschäftsverbindungen unterhalten, vor allem in Kopenhagen. Jakob Ettlinger kam ursprünglich aus Mannheim, seine Frau Jeanette Ettlinger, geborene Philip, stammte aus einer alten dänisch-jüdischen Familie. Er hatte sie, ein streng gläubiges Mädchen, 1917 in Kopenhagen kennengelernt und geheiratet. In Stockholm gehörten Ettlingers zu den wohletablierten jüdischen Familien. Beide waren schwedische Staatsbürger und lebten im vornehmen Stadtteil Östermalm. Doch in der Stockholmer Gemeinde fühlten sie sich den orthodoxen Juden auf Södermalm deutlich näher, deren Interessen sie auch in der Gemeinde vertreten sollten. Jakob Ettlinger stand der Orthodoxen Synagoge Adas Jisrael vor.54 In Stockholm war Fritz Hollanders erste Anlaufadresse (laut polizeilicher Anmeldung vom 25. Oktober 1933) Moritz Pinkus (Mor Pineas). Auch Hermann Hollander hatte sich während seiner Stockholmer Zeit gern bei der Familie Pinkus aufgehalten, mit ihr den Schabbat gefeiert und die jüdischen Lieder gesungen. Für Herrmann war der immer gut gelaunte und optimistische Pinkus auch so etwas wie ein Gelehrter der Tora. Vor 1933 hatte Pinkus sich als Anwalt in Frankfurt am Main für Sozialisten und Kommunisten eingesetzt. Als jüdischer Rechtsanwalt war er deshalb nicht nur unmittelbar vom Berufsverbot betroffen, sondern auch bedroht. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten war er sofort nach Schweden geflüchtet. Aus seiner Frankfurter Zeit war er mit der Familie Hollander befreundet, und durch seine Ehe mit Carla (Karla) Nebenzahl aus einer begüterten orthodoxen Frankfurter Familie bestanden familiäre Bande zur Familie Hollander. Carlas Bruder Ernst Nebenzahl hatte die Schwester von Fritz Hollander geheiratet, mit der er in Palästina lebte. Pinkus und seine Frau wurden in Stockholm 53 Zu Masurs Biographie siehe Philipsen, Norbert Masur. 54 Zu Ettlingers Biographie siehe Carlsson, Jacob Ettlinger.

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herzlich aufgenommen und ihm hier ein Auskommen bei Baltiska Skinnkompaniet gesichert.55

Abb. 1: Fritz Hollander (Privat)

Fritz Hollander unterhielt in der schwedischen Hauptstadt engen Kontakt mit den Familien Masur und Pinkus sowie der Familie Ettlinger. Jakob Ettlinger kannte er bereits von dessen Geschäftsreisen nach Frankfurt am Main, wo dieser Hollanders oft besucht hatte. In Stockholm verkehrte Fritz vor allem mit den Ettlinger-Kindern, Camilla, Ruth und Joseph. Das Heim der Ettlingers galt als ein gutes jüdisches, traditionell, aber auch modern orthodox. Jeanette und ihre Kinder hatten linke Sympathien, wohl auch für die Sowjetunion und die kommunistische Lehre. Jedenfalls machte sich später der schwedische Sicherheitsdienst diese Auffassung wegen eines Abonnements der Komintern-Zeitschrift Die Welt und häufiger Reisen von Mitgliedern der Familie in die UdSSR bzw. von Kontakten zur sowjetischen Gesandtschaft zu eigen.56 Die Initiative zur Gründung von Zeire Misrachi in Schweden ist laut Fritz Hollander von Simon Federbusch ausgegangen, dem Oberrabbiner von Finnland und Misrachi-Aktivisten seit seiner Studentenzeit.57 Doch Fritz Eindrücke aus seiner Lehrzeit in Hamburg, dem Zentrum der Jugendbewegung des religiösen Zionismus in Deutschland, sollten eine zentrale Rolle bei der Ausprägung dieser ersten echten zionistische Jugendbewegung spielen.

55 Hollander, Herman, My Life, S. 36. 56 Jacob Ettlinger, RA, Säpo, HD 3767/40 57 Hollander, Fritz, Sweden, S. 174.

1.5 Die Zionisten in Schweden 

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1.5 Die Zionisten in Schweden Die Zionisten waren Anfang der 1930er Jahre in allen skandinavischen Ländern auf dem Vormarsch. In Dänemark war seit 1933 die religiöse Misrachi besonders aktiv. Sie strebte danach, das traditionelle Judentum mit dem Zionismus zu vereinen. Im Sommer 1933 wurde von ihr in der Nähe Kopenhagens ein Lager für junge deutsche Juden mit 50 Teilnehmern organisiert. Im weiteren Verlauf wurde die Jugendvereinigung Zeire Misrachi gebildet.58 Fritz hatte bereits in seiner Hamburger Zeit guten Kontakt mit der dortigen Misrachi-Jugendorganisation und war von deren selbstverständlich sozialistischer Haltung beeindruckt. Vor allem der Gedanke, dass der religiöse Sozialismus, wie ihn der Zeire Misrachi vertrat, seine besondere Note erst durch die jüdische Tradition erhalte und dass dem Bund auch die besondere kulturelle Aufgabe zufiele, Bindeglied zu sein zwischen der jüdischen Vergangenheit und dem sich neugestaltenden Leben in Palästina, sollte sich bei ihm verfestigen.59 Wohl unter diesen Eindrücken gründete Fritz 1934 in Stockholm Zeire Misrachi als eine schwedisch-jüdische Jugendvereinigung. Ihr schlossen sich auch die Ettlinger-Kinder an. Fritz blieb in dieser jüdischen linken orthodoxen Jugendorganisation bis 1940 aktiv, darunter 1934/35 und 1936–38 als ihr Präsident. Die schwedischen Zionisten ergriffen 1935 die Initiative zur Bildung eines Zionistischen Bundes für Skandinavien. Am ersten Kongress im Juli 1936 in Kopenhagen nahmen aus Schweden die Vertreter der wichtigsten zionistischen Organisationen teil. An erster Stelle Hugo Valentin, der Schweden im Präsidium vertrat und in die Verbandsleitung gewählt wurde, daneben Daniel und Simon Brick. Fritz Hollander vertrat die Stockholmer Misrachi Vereinigung.60 Mit dem Zionismus hatte Fritz Hollander seit frühester Jugend sympathisiert. Zunächst allerdings nicht im Sinne einer Forderung nach sofortiger Masseneinwanderung nach Palästina, sondern für einen Zionismus als geistig-kulturellen Regenerationsprozess, wie ihn auch sein Vater Julius gesehen hatte. Für diesen Kulturzionismus sollte Palästina für die Juden lediglich ein Kultur- und Geisteszentrum sein. Diese Haltung sollte sich mit dem Machtantritt der Nazis und der antisemitischen Politik in Deutschland ändern. Stärker als in der dänischen Organisation nahm in Stockholm der Chalutz-Gedanke unter den Misrachi von Beginn an eine wichtige Stellung ein.61 Doch zunächst war das Streben nach vertiefenden Kenntnissen über das Judentum zentral. Studienzirkel wurden in Hollanders Jugendbund durch Moritz Pinkus abgehalten, der einer der Führer der Orthodoxen 58 59 60 61

Thing, De russiske jøder, S. 558–559. Lorenz & Berkemann, Die Hamburger Juden, Bd. 4, S. 597. Hartvig, Skandinaviska zionistförbundets kongress. Judisk Krönika, 6 (1935) 4. S. 114.

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war. Gesellige Abende und Sprachkurse wurden unter anderem von Abraham Brody geleitet.62 Brody, geboren 1901 in Branowitz/Mähren, war seit 1925 schwedischer Staatsbürger. Er promovierte in Uppsala und war Lehrer in der Stockholmer Jüdischen Gemeinde. Als Gastgeber einer Veranstaltung der schwedischen Zeire Misrachi rief Moritz Pinkus im Herbst 1935 dazu auf, sich mehr als zuvor mit dem Studium der Tora und des Talmud sowie der Pflege jüdischer kultureller Werte zu beschäftigen. Dazu schlug er die Gründung eines Vereins vor, der alle Traditionstreuen vereinen sollte. Noch am selben Abend wurde ein Vorbereitungskomitee gebildet.63

Abb. 2: Mor Pineas (Moritz Pinkus) mit Familie in Stockholm (Privat)

Fritz Hollander engagierte sich in Stockholm zionistisch und links. Verdeckt unterstützte er auch den antinazistischen Kampf der deutschen Kommunisten im skandinavischen Exil. Diese Kontakte gingen auf seine Hamburger Zeit 1931 bis 1933 zurück, wo der damals noch nicht Achtzehnjährige zusammen mit seinem Freund Levy über die zionistische Jugend mit dem KJVD und dann auch mit der KPD in Kontakt gekommen war. Aus dieser Zeit kannte Hollander zum Beispiel den Lehrer Josef Wagner, in Hamburg Abwehrleiter der KPD, seit 1936 in Stockholm Leiter der KPD-Exilgruppe. 62 Ebenda. 63 Judisk Krönika, 9 (1935) 4, S. 167.

1.6 KPD, Volksfrontpolitik und die Juden



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1.6 KPD, Volksfrontpolitik und die Juden Viele der politischen Flüchtlinge waren auch Juden, jedenfalls aus Sicht der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung. In der kommunistischen Bewegung war eine jüdische Prägung aber nicht gern gesehen. Deshalb wurde eine solche von den Parteimitgliedern nur selten erwähnt, manchmal auch bewusst verschwiegen. Für nicht wenige Kommunisten war ihre jüdische Herkunft bis 1933 auch oft ohne Belang. Formell hatten sie sich bisweilen schon in der zweiten Generation vom Judentum gelöst. Jedenfalls gab es von Seiten der KPD kaum eine Reaktion auf die judenfeindlichen Kampagnen der Nazis, keinen Aufruf zur Unterstützung der verfolgten Juden. Auch der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale, der vom 25. Juli bis 20. August 1935 in Moskau tagte, hatte in seiner Analyse des Faschismus auf eine Resolution verzichtet, die den Antisemitismus verurteilte.64 Doch seit diesem Weltkongress unternahmen die Kommunisten ernsthafte Anstrengungen, eine über die Arbeitereinheit hinausgehende Volksfrontpolitik zu betreiben.65 Die KPD fasste auf ihrer sogenannten Brüsseler Konferenz in Kunzewo bei Moskau (3.–15. Oktober 1935) zunächst Beschlüsse für eine Neustrukturierung ihrer Arbeit. In mehreren an Deutschland angrenzenden Ländern waren Abschnittsleitungen zu bilden, die die Aufgabe hatten, als Organe des ZK der KPD die Organisationen der Partei in den Bezirken und Gebieten direkt anzuleiten. Von Kopenhagen aus arbeitete die für Norddeutschland zuständige Abschnittsleitung Nord zunächst unter Sepp Schwab („Louis“).66 Ihr unterstand die KPD-Exilgruppe in Schweden, deren Leitung im August 1936 der ehemalige Hamburger Lehrer Josef („Willi“) Wagner übernahm. Vor 1933 hatte er als Leitungsmitglied in der Allgemeinen Freien Lehrergewerkschaft Deutschlands die kommunistischen Lehrer organisiert und für die KPD die Abwehrarbeit in Hamburg geleitet. In Stockholm gelang es ihm, das politische Leben in der kommunistischen Parteigruppe zu entwickeln und auch die Einheitsfrontarbeit mit den anderen politischen Gruppen in Gang zu bringen. Ihn löste im Februar 1938 der ehemalige KPD-Reichstagsabgeordnete Herbert Warnke als Leiter der KPD-Exilgruppe (Polleiter) ab. Begründet wurde das damit, dass die Anforderungen an die Stockholmer politische Leitung gestiegen wären und sich deren Verantwortungsbereich nun auf ganz Skandinavien erstreckte. Wagner verblieb aber in der Parteileitung und die Zusammenarbeit mit Warnke verlief reibungslos.

64 Kessler, Die SED und die Juden, S. 24, 63. 65 Dazu ausführlich Langkau-Alex, Deutsche Volksfront II. 66 Zu den Biographien der politischen Emigranten siehe vor allem Röder/Strauss, Biographisches Handbuch.

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Die Brüsseler Konferenz der KPD hatte unter dem Eindruck der Volksfrontpolitik der Komintern auch eine neue Taktik festgelegt, die „Taktik des Trojanischen Pferdes“. In den „faschistischen Ländern“ sollte es nun darum gehen, den Kampf gegen die „faschistische Diktatur von außen mit ihrer Untergrabung von innen, innerhalb der faschistischen Massenorganisationen und -organe, zu verbinden“.67 Die Taktik zielte generell auf Unterwanderung von Organisationen mit Massencharakter. Sie bedeutete, so drückte es der KPD-Führer Walter Ulbricht aus, nicht nur eine Tarnung unserer Arbeit, sondern zielte auch auf Beeinflussung. Diese Taktik sollte generell auch in den Exilländern Anwendung finden. Die KPD-Mitglieder sollten dort hinsichtlich ihrer Eignung und ihrer Erfahrungen so eingesetzt werden, dass sie in ihrem Bereich aktiv aufzutreten imstande seien. Sie sollten sich mit größter Sachlichkeit und Geschicklichkeit „bei den reformistischen Emigrantenstellen“ melden und eintragen lassen, nicht nur zur Entlastung der eigenen Hilfsorganisationen, was „nicht unwichtig“ sei, sondern um „den kameradschaftlichen Verkehr“ aufzunehmen, mit dem Ziel „sich bei passender Gelegenheit zur Arbeit zur Verfügung (zu)stellen“. Der damit errungene Vertrauensgewinn sollte dazu befähigen, die jeweiligen Organisationen bestens kennenzulernen und für eigene Zwecke zu nutzen, aber deren Mitglieder auch für die kommunistische Sache zu gewinnen. Durch „ernstes, sachliches Auftreten und kameradschaftliches Verhalten“ sollte Vertrauen gewonnen werden, um daraus dann Schritt für Schritt eine systematische Organisationsarbeit zu entwickeln. Ausdrücklich sollten Antifaund Einheitskomitees in der Emigration gebildet werden.68 Im Geiste der Volksfrontpolitik bildeten sich in Schweden verschiedene antifaschistische Gruppen, Kulturfront, Volksfront, Antifaschistische Sammlung. Sie alle zeichneten sich durch eine prosowjetische Ausrichtung aus, woran sie beginnend mit den Moskauer Schauprozessen bis zum Ribbentrop-Molotow Pakt dann auch scheitern sollten.69 Zu den Aktiven in der Ende 1935 initiierten antinazistischen Vereinigung Kulturfront gehörte der schwedische Rechtsanwalt und Sozialdemokrat Arvid Rudling, auch Vertrauensanwalt der sowjetischen Vertretung. Anfang 1936 versammelten sich in Rudlings Wohnung schwedische Intellektuelle und deutsche Emigranten unterschiedlicher politischer Richtung.70 In diesem sogenannten Rudling-Kreis waren Mitglieder der SPD und der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), jüdische Emigranten, ja sogar oppositionelle National-

67 Duhnke, Die KPD, S. 205. 68 Ulbricht, Zur Taktik des trojanischen Pferdes; Anweisungen für den Aufbau der Oppositionsarbeit unter den sozialdemokratischen Emigranten, in: BArch, SAPMO, DY 30 I 2/3/372, Mappe Emigration CSR 1935/36. 69 Drangel, Den kämpande demokratin, S. 12–33. 70 Alfred Lange, Gedanken für Einleitungskapitel (ca. 1963), BArch, SAPMO NY 4261/2.

1.6 KPD, Volksfrontpolitik und die Juden 

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sozialisten, sogenannte Otto-Strasser-Leute, vertreten.71 Von der KPD nahm u. a. der KPD-Abschnittsleiter Sepp Schwab teil. Im Rudling-Kreis war auch der sogenannte Fünferkreis vertreten, der sich aus linken Sozialdemokraten zusammensetzte.72 Bereits nach einem halben Jahr zeigte sich jedoch auch im Rudling-Kreis, dass eine gemeinsame Basis nicht zu finden war. Etwa gleichzeitig bildete sich auf Initiative einiger Flüchtlinge von SPD, SAP und KPD der sogenannte ASKANIAKreis. Vorbild war hier der Lutetia-Kreis in Paris (auch Lutetia-Comité), benannt nach dem Tagungsort Hotel Lutetia in Paris, wo von 1935 bis 1937 ein Komitee zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront arbeitete. Zwischen beiden Kreisen bestanden auch Kontakte. Im ASKANIA-Kreis hatten Josef Wagner, KPD-Leiter in Schweden, und dann sein Nachfolger Herbert Warnke sozusagen die Leitung. Von der SPD war nur der Fünferkreis vertreten. In einer politischen Kommission arbeiteten Vertreter von SPD und SAP, darunter August Enderle, der 1928 als Anhänger des „rechten Parteiflügels“ aus der KPD ausgeschlossen worden war. Enderle war damals in Moskau gegen die stalinistische und ultralinke Linie der Kominternführung aufgetreten und hatte sich gegen eine eigenständige kommunistischen Gewerkschaftspolitik ausgesprochen. Er zählte dann zu den Mitbegründern der 1928/ 29 entstandenen Kommunistische Partei-Opposition (KPO), einer Abspaltung der KPD. Er trennte sich aber von der KPO und ging 1932 mit einer Minderheit zur SAP über. In Stockholm leitete Enderle deren Exilgruppe und verrichtete im Auftrag der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) politische Arbeit unter deutschen Seeleuten.73 Bis zum Kriegsausbruch sollte er eng mit der kommunistischen Seeleutearbeit kooperieren.74 In der Kulturkommission des Askania-Kreises arbeiteten neben Josef Wagner auch Ernst Behm, Mitglied des Landesvorstands der SAP, und Simon Katzenstein von der SoPaDe. Behm, der von 1921 bis 1929 der KPD angehört hatte und seit 1931 SAP-Mitglied war, gehörte im schwedischen Exil von 1935 bis 1939 dem Verband deutscher Lehreremigranten an, von 1935 bis 1945 war er zudem Vorstandsmitglied der Flüchtlingshilfe der Arbeiterbewegung. Der Schriftsteller Katzenstein war Lehrer an Arbeiterbildungs- und Parteischulen. Er hatte sich bereits als Jugendlicher vom Judentum losgesagt und war 1889 der SPD beigetreten. Von 1915 bis 1919 war Katzenstein Stadtverordneter in Berlin und 1919/20 Abgeordneter in der Wei71 Otto Strasser führte von 1931 bis 1938 die politische Kampforganisation „Schwarze Front“ und organisierte Hitler-Gegner aus den Reihen des Nationalsozialismus. 72 Nach Angaben von Alfred Lange gehörten dem Kreis weiter an: Ludwig Lewy, Fritz Schreiber, Rudi Robinsky, Josef Otto, Arthur Henschel (Noack) und Simon Katzenstein. Dazu: Müssener, Exil in Schweden S. 118–119. 73 Röder/Strauss, Biographisches Handbuch, S. 157. 74 Heinrich Sommer, Einiges über Seearbeit in Schweden, BA, SAPMO, RY 1I 23369. Bl. 103. [o. O.]. Abschrift, 13.6.1941. Für den Hinweise bedanke ich mich bei Bernd-Rainer Barth (Berlin).

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marer Nationalversammlung. 1933 emigrierte er in das Saarland, von wo aus er 1935 nach Schweden geflüchtet war und hier Mitglied der SoPaDe wurde. Anfang 1938 zeigte sich, dass auch im ASKANIA-Kreis die Arbeit nicht weitergeführt werden konnte. Ursache waren nicht zuletzt Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Moskauer Prozesse, in denen zwischen 1936 und 1938 verdienstvolle kommunistische Funktionäre wegen angeblicher terroristischer und staatsfeindlicher Aktivitäten zum Tode verurteilt worden waren.75 Die kommunistische „Taktik des Trojanischen Pferds“ galt sinngemäß auch für zionistische Organisationen. Mehrere deutsche jüdische Kommunisten hatten damals den Auftrag erhalten, in zionistische Jugendorganisationen einzutreten. So jedenfalls beschrieben sie es selbst nach 1945 in Lebensdarstellungen für ihre Partei. Einige dieser Kommunisten sollten vor Kriegsausbruch Zuflucht in Schweden nehmen. So Albert Cohen, der 1937 zusammen mit seiner Frau Jenny und dem gemeinsamen Sohn aus der Sowjetunion nach Schweden abgeschoben worden war. Albert war im Juni 1933 aus Deutschland zunächst nach Holland geflohen. Dort erhielt er Kontakt mit kommunistischen Emigranten. In Amsterdam beauftragte ihn die KPD-Emigrationsleitung im Jahr 1935 mit der illegalen Aufklärungsarbeit in der linkszionistischen Jugend-Emigrationsgruppe Hechaluz. Hier löste ihn im Jahr darauf sein Vetter Siegfried Berliner ab. Die Aufklärungsarbeit bestand nach einer Niederschrift Berliners vom März 1953 darin, „(1) die Jugendlichen von einer Weiterwanderung in andere Länder abzuhalten und sie stattdessen für den gemeinsamen Kampf zum Sturz des Hitler-Regimes zu gewinnen; (2) soweit sie doch weiteremigrierten, sie soweit politisch aufzuklären, dass sie sich in den Kampf der Arbeiterklasse in den jeweiligen Ländern, besonders aber in Palästina, einreihen und dort der Kommunistischen Partei beitreten, wobei wir ihnen die Rolle des Zionismus als Agentur des englischen Imperialismus, die uns damals bereits in Bezug auf den Vorderen Orient völlig klar war und die Utopie der ‚Kommunen‘ usw. erläuterten; (3) sie zum Kampf zur Verbesserung ihrer jetzigen Lage zu mobilisieren; (4) nach Ausbruch des Krieges in Spanien für eine Teilnahme zu gewinnen“.76

Albert Cohen hatte in Amsterdam die jüdische Zahnärztin Jenny Phillips kennen und lieben gelernt. Sie schloss sich ebenfalls der kommunistischen Arbeit an. 1935 heirateten sie und gingen im Jahr darauf als „Spezialisten“ in die Sowjetunion. Jenny Cohen hatte durch die Organisation Ose (Œuvre de secours aux enfants), die jüdische emigrierte Ärzte in die Sowjetunion vermittelte, die Einreise-Erlaubnis erhalten. Sie arbeitete als Zahnärztin in einer Poliklinik und Albert als Konstruk-

75 Peters, Exilland Schweden, S. 112–116.; Müssener, Exil in Schweden, S. 176–178. 76 Siegfried Berliner – Lebenslaufergänzung. Meine Beziehungen zur Jüd. Gemeinde (2.3.1953), BArch, BY 1 590. Bl. 53. Für den Hinweis auf diesen Text danke ich Bernd-Rainer Barth (Berlin).

1.6 KPD, Volksfrontpolitik und die Juden



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teur beim Leichtautobau in Moskau.77 Als ihnen in der UdSSR im Herbst 1937 eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt wurde, fuhren sie nach Schweden. Dort meldete Jenny sich auf Anraten von Knut Olsson, Sekretär der schwedischen Roten Hilfe, nicht bei der kommunistischen Hilfsorganisation, sondern beim Hilfskomitee der Jüdischen Gemeinde. Auf deren Vermittlung hin fand Jenny Cohen zunächst eine Anstellung als Reinigungskraft; erst später konnte sie auch in ihrem Beruf als Zahnärztin in einer Volkszahnklinik in Farsta arbeiten, einem Randbezirk Stockholms. Während ihrer Zeit in Schweden beteiligte sie sich aktiv in der Chorarbeit der Jüdischen Gemeinde bzw. der Judiska Musiksällskapet und von Birkagården.78 Eine ganze Reihe deutscher Exilierter hatte die Sowjetunion unfreiwillig verlassen müssen. Dies geschah vor dem Hintergrund der politischen Säuberungen unter Josef W. Stalin zwischen 1936 und 1938. Diese richteten sich gegen vermeintliche politische Gegner, darunter ausländische Kommunisten, die in der Sowjetunion lebten oder vor Verfolgung dorthin geflüchtet waren. Aufenthaltsgenehmigungen wurden nicht verlängert. Wer nicht die sowjetische Staatsbürgerschaft besaß, musste (und durfte) das Land verlassen. Einige verschlug das Schicksal nach Schweden, wie die erwähnten Albert und Jenny Cohen, die beide erst 1938 in Schweden Mitglied der KPD wurden, Wolfgang Steinitz und dessen Schwager Hans-Jürgen Cohn-Peters79 mit Familie, auch den nichtjüdischen Schauspieler Curt Trepte oder den jüdischen, aber nicht sonderlich religiösen, dafür mit der KPD sympathisierenden Musikforscher und Musikethnologen Ernst Emsheimer. Im Fall von Steinitz und Cohn-Peters war die Entscheidung für Schweden recht leicht, denn hier hatten sie Verwandte, bei denen Steinitz schon als Kind viele Sommer verbracht hatte. Bei der Einreise gab er als Grund „wissenschaftliche Arbeit“ an und als Referenz „Professor Oskar Klein“. Mit Hilfe der Bürgschaft des international renommierten Physikers Oskar Klein, Cousin von Steinitz Mutter Else, geb. Jacobsohn, und ein Sohn von Gottlieb Klein, der 1882 als erster Oberrabbiner in Stockholm installiert worden war, konnte Wolfgang Steinitz zunächst sich und seine Familie in Schweden in Sicherheit bringen. Bald folgte ihm die Familie seines Schwagers Cohn-Peters. Auch Mutter Else sollte es vor den Novemberpogromen gerade noch nach Schweden schaffen.80

77 Albert Cohen, Lebenslauf, Oktober 1949; Ergänzung zum Lebenslauf, Mai 1951, BArch, SAPMO IV 2/11/v.1686. 78 Albert Cohen, RA, Säpo, P 2161. 79 Bis 1922 führte er den Namen Cohn, dann erfolgte eine Namensänderung in Cohn-Peters, doch führte er bereits in der Emigration und nach der Rückkehr de facto den Namen Peters, ab 1952 offiziell geändert in Peters. Auskunft von Jan Peters. 80 Steinitz, R., Eine deutsche Familie.

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Curt Trepte war dem Rat des Schriftstellers Friedrich Wolf gefolgt, Schweden als Zufluchtsland zu wählen. Wolf hatte Mitte der 1930er Jahre eine erfolgreiche Vortragstournee durch Skandinavien unternommen, an die er offenbar gute Erinnerungen hatte. Trepte traf am 8. Januar 1938 aus Moskau kommend in Stockholm ein und meldete sich nach seiner Ankunft bei der Roten Hilfe. Doch „aus taktischen Gründen“ ließ er sich beim Intellektuellenkomitee führen; offiziell als politischer Flüchtling anerkannt wurde er durch das Matteotti-Komitee. Zunächst schrieb Trepte für die sozialdemokratische Frauenzeitung Morgonbris und engagiert sich in Västerås in der sozialdemokratischen Jugendarbeit.81 Politisch verhielt er sich unauffällig, beispielsweise schrieb er unter Pseudonym, als er im Januar 1938 in dem Organ der schwedischen sozialdemokratischen Partei Social-Demokraten die sowjetische Kulturpolitik lobte.82 Vor allem schrieb und machte er Theater; für das Spanienkomitee in Västerås inszenierte er „Die Gewehre der Frau Carrar“, ein Theaterstück von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1937, das auch als ein Kommentar zum spanischen Bürgerkrieg zu verstehen war. Der überzeugte Kommunist Brecht, der aber nie Mitglied der KPD war, hatte noch im Februar 1933 mit seiner Familie Deutschland verlassen. Seine Bücher wurden am 10. Mai 1933 von den Nationalsozialisten verbrannt und seine gesamten Werke verboten. Zwei Jahre darauf wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Nach Exilstationen in Prag, Wien, Zürich lebte er eine Zeit in Dänemark, dann ein Jahr von Frühjahr 1939 bis zum Frühjahr 1940 in Lidingö bei Stockholm.83

1.7 Wolfgang Steinitz (1905–1967) Der promovierte Sprachwissenschaftler Wolfgang Steinitz war bereits während seines Studiums in Berlin Mitglied der KPD geworden und zeitig in die illegale Widerstandsarbeit einbezogen worden. Eine jüdische Identität war ihm fremd. Bereits seine Eltern, der 1929 verstorbene Vater war Rechtsanwalt und Mitglied der Demokratischen Partei, hatten sich vom Judentum gelöst. Steinitz besaß keine Beziehung zur jüdischen Religion oder Kultur; seine Frau Minna (Inge), geborene Kasten, die er 1930 geheiratet hatte, war keine Jüdin. Doch auch hatte er, wie das Ehepaar Cohen und andere Genossen, eine weitläufige jüdische Verwandtschaft, die zunehmend unter der Verfolgungen der Nazis litt.84 81 Politischer Lebenslauf Curt Trepte, Mitgliedsnummer I/1/5312, wahrscheinlich von 1950, in: Archiv DAK, Rep 017, I a 6. 82 Scholz, Skandinavische Erfahrungen, S. 32. 83 Fuegi, Brecht & Co., Schweden-Kapitel, S. 535–550. 84 Seine Tochter Renate Steinitz hat das Schicksal dieser weit verzweigten Familie als exemplarisch für jüdische Schicksale in Deutschland aufgeschrieben. Steinitz, R., Eine deutsche Familie.

1.7 Wolfgang Steinitz (1905–1967)



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Steinitz hatte in Breslau das Gymnasium besucht und sich der Freideutschen Jugend und 1923/1924 der SPD angeschlossen. An den Universitäten Berlin und Breslau studierte er finno-ugrische Sprachen und Völkerkunde. 1924–1926 war er auch wissenschaftlicher Hilfsassistent am Museum für Völkerkunde in Berlin. Studienreisen führten ihn nach Finnland, Ungarn, Estland und 1926 in die UdSSR. Angeregt durch die politische Entwicklung in Deutschland und wohl vor allem durch seinen Aufenthalt in der Sowjetunion trat Steinitz im Juni 1927 der KPD bei. Am Ungarischen Institut der Universität Berlin war er ab April 1928 als Assistent angestellt. Im Juni 1929 wurde er von der KPD zur illegalen Arbeit nach Finnland geschickt, wo er sich durch sein Studium und seine Übersetzertätigkeit legalisieren konnte. Im Herbst kam Inge, die er in Breslau „in der Partei“ kennengelernt hatte, nach Finnland, wo sie heirateten. Als im Juli 1930 die faschistische Lappo-Bewegung ihren Marsch nach Helsinki unternahm, wurde er denunziert und musste aus Finnland fliehen. Er war zwei Monate in Berlin und wurde dann zusammen mit seiner Frau für ein Jahr auf illegale Arbeit nach Estland geschickt. Im Oktober 1931 wieder in Berlin widmete er sich verstärkt seinen Studien und promovierte im Dezember 1932. Im November wurde der Sohn Klaus geboren. Von Februar 1932 bis März 1933 arbeitete Steinitz für die KPD als Agitpropleiter einer Straßenzelle in Berlin. Im April 1933 wurde er „aus rassischen Gründen“ als Universitätsassistent entlassen, und war dann als gelegentlicher Übersetzer tätig. In Deutschland konnte er keine feste Existenz finden; seit seinem Aufenthalt in der Sowjetunion hegte er aber den Plan einer Forschungsreise zu den wenig bekannten finnisch-ugrischen Völkern in Sibirien. Er stellte vor der Bezirksleitung seiner Partei die Frage seiner Emigration. Da er 18 Monate „verantwortungsvolle illegale Arbeit“ geleistet hatte, erhielt er die Genehmigung. Im Frühjahr 1934 unternahm er zunächst mit Parteierlaubnis eine „Erkundungsreise“ nach Finnland, wo seine Dissertation von der Akademie der Wissenschaften zum Druck angenommen war. Ende September 1934 emigrierte mit seiner Frau zunächst nach Estland, wo er wissenschaftlich arbeitete, während sie auf das sowjetische Visum warteten. Von Oktober 1934 bis Oktober 1937 war Steinitz in Leningrad (heute St. Petersburg) am Institut der Nordvölker als Professor für finnisch-ugrische Sprachen tätig; 1935 unternahm er allein eine halbjährige Forschungsreise zu den Ostjaken und Wogulen in Sibirien. Im Februar 1936 wurde die Tochter Reni (Renate) geboren. Da er im Deutschen Konsulat in Leningrad vom Februar 1934 als Wissenschaftler bekannt und da außerdem geplant war, ihn nach zwei bis drei Jahren wissenschaftlicher Arbeit erneut auf illegale Arbeit ins Ausland zu schicken, beschlossen seine Parteivorgesetzten in Leningrad, dass er offiziell als Nichtparteimitglied auftreten sollte; er durfte auch nicht am Parteileben der deutschen Emigration teilnehmen. In seinen Lebensläufen nannte er, dass er in „Spezialarbeit“ eingebunden gewesen sei. Im kommunistischen Sprachgebrauch umschrieb dies eine verdeckte oder gehei-

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me Tätigkeit für die kommunistische Bewegung, eingeschlossen die sowjetischen Nachrichtendienste. Steinitz hat das nie näher ausgeführt. Nur der Direktor am Institut der Nordvölker wusste, dass er Mitglied der KPD war. Als dieser im Herbst 1936 verhaftet wurde, konnte Steinitz Entlassung als verdächtigen Ausländer von der KPD-Führung gerade noch verhindert werden. Doch im Laufe des Jahres 1937 verstärkte sich durch die Trotzkistenprozesse das Misstrauen gegen Reichsdeutsche, insbesondere gegen „parteilose“ – also auch gegen Steinitz. Vergeblich hatte er sich in Leningrad und Moskau um Klarstellung seiner Parteimitgliedschaft bemüht. Ihm wurde gekündigt, und er musste zum 31. Oktober 1937 die Sowjetunion verlassen. Seine Frau durfte noch bleiben und folgte ihm mit den beiden Kindern Anfang Dezember.85 Auch in Stockholm meldete er sich bei keinem Flüchtlingskomitee und verblieb offiziell unpolitisch. Entsprechend dem damaligen KominternRegelwerks suchte er aber um die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei des Gastlandes nach. Verbindung zur KPD-Gruppe in Stockholm nahm er dagegen erst nach dem positiven Ausgang eines Gesprächs beim Ausländerbüro der Sozialbehörde im März 1938 auf. Öffentlich trat er weiter als „linker Intellektueller“ auf, nie als Parteimitglied. Sein Arbeitsfeld wurde, wie er später in einem Lebenslauf für seine Partei schrieb, „Volksfrontarbeit“ in den Kreisen deutscher und schwedischer Intellektueller. Vorbild dafür sei ihm die erfolgreiche Arbeit der KPD in Paris gewesen, über die er von Josef Wagner viel erfahren hatte. Wagner war im Mai 1938 zur Parteischulung nach Paris geschickt worden und von dort begeistert nach Stockholm zurückgekehrt. Hier übernahm er die Kaderschulung und führte im August 1938 in der Nähe der schwedischen Hauptstadt eine fünftägige Parteischulung für seine deutschen Genossen durch. Weitere Anregungen erhielt Steinitz aus Paris in Gestalt der dort seit Juli 1938 von der sogenannten Freien Deutschen Hochschule herausgegebenen Zeitschrift für freie deutsche Forschung. Einen ihrer Herausgeber, Johann Lorenz Schmidt, kannte Steinitz aus Berlin als Mitarbeiter des Zentralkomitees der KPD und als Mitbegründer der Marxistischen Arbeiterschule (MASCH). Lorenz Schmidt, in Budapest als László Radványi geboren, hatte den Namen Johann Lorenz Schmidt 1925 nach seiner Heirat mit Netty Reiling angenommen. Als Schriftstellerin sollte seine Frau unter dem Namen Anna Seghers Berühmtheit erlangen. Das Paar war sehr an jüdischen Fragen interessiert, alle Veröffentlichungen des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber befanden sich in ihrer Bibliothek.86 Schmidt/Radványi hatte Vorlesungen bei Georg Lukács gehört und war 1923 bei Karl Jaspers zum Dr. phil. promoviert worden. Seit 1924 war er Mitglied der KPD. In Paris gehörte er zu den Mitbegründern der Freien Deut85 Eigenhändige Lebensläufe, n. d. und 6.7.1951, BArch, SAPMO, DY 30/IV 2/11/v.644. Leo, Leben als Balance-Akt., S. 145–181. 86 Fehervary, Anna Seghers.

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schen Hochschule, die inhaltlich den ideologischen Vorgaben der Volksfront-Politik folgte. Schmidt/Radványi hielt dort Vorlesungen über die Grundlagen des historischen und dialektischen Materialismus sowie über den Nationalsozialismus und seine Ideologie und referierte zu Fragen von Politik, Wirtschaft und Kultur. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Frankreich 1940 sollten diese Aktivitäten allerdings ein Ende finden. Im September 1938 schrieb Steinitz an Schmidt/Radványi.87 Angesichts der anzunehmenden Briefkontrolle gab er sich dem „werten Kollegen“ in Paris nur verdeckt zu erkennen, indem er scheinbar beiläufig erwähnte: „Sie werden mich übrigens aus Berlin kennen; ich hatte eine Führung im Berliner Museum für Völkerkunde veranstaltet. Meine Frau Inge hat Ihnen manchmal in Ihrer Volkshochschule Maschine geschrieben.“ Steinitz bekannte, dass er schon seit längerer Zeit die Absicht gehabt hätte, sich betreffs Zusammenarbeit der deutschen Emigrantenwissenschaftler an ihn zu wenden. In Stockholm hätte eine Reihe meist jüngerer deutscher Wissenschaftler Zuflucht gefunden. Sie repräsentierten die verschiedensten Wissenschaftsgebiete und arbeiteten in unterschiedlichen schwedischen Institutionen (Hochschule, Museen, medizinische Institute u. a.). Bisher hätten sie jedoch untereinander kaum oder gar keine Fühlung. Da Steinitz sich gewisser Bedenken und einer anfänglichen Zurückhaltung hinsichtlich einer Zusammenarbeit der deutschen Emigrantenwissenschaftler bewusst war, wollte er von Schmidt/ Radványi gern mehr über dessen einschlägige Erfahrungen in Frankreich erfahren. Die erste Nummer der Zeitschrift für Freie Deutsche Forschung schien ihm die Möglichkeit zu eröffnen, mehrere Kollegen für sie zu interessieren und in Stockholm um diese einen „Kreis freier deutscher Wissenschaftler“ zu bilden. Steinitz erbat fünf weitere Exemplare dieser ersten Nummer. Als Auftakt einer Zusammenfassung der Emigrantenwissenschaftler hatte er bereits einen Vortrag von einem auswärtigen Gast geplant, konnte er mitteilen. Dazu habe er Professor Berendsohn, nun in Kopenhagen, für Anfang Oktober eingeladen. Berendsohn sollte vor einem kleinen geladenen Kreis von Wissenschaftlern und Schriftstellern über Fragen der Literaturwissenschaft in Deutschland sprechen. Bei dem ins Auge gefassten Vortragenden handelte es sich um den Literaturwissenschaftler Walter A. Berendsohn, der bis 1933 eine außerplanmäßige Professor an der Universität Hamburg innehatte. Er hatte sich unter dem Eindruck des „Judenboykotts“ (vom 1. April 1933 bis Ende Juli 1933) gezwungen gesehen, nach Dänemark zu emigrieren. Im Oktober des Jahres folgte ihm seine Familie dorthin. Hugo Valentin hatte ihn Anfang Dezember 1933 nach Stockholm für einen Vortrag im Zionistischen Bund eingeladen. Dies und die im selben Jahr im Verlag von Ju87 Steinitz an Schmidt, Nachlass Steinitz, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (folgend ABBAW: NL Steinitz), 40 II.

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disk Krönika erschienene kleine Schrift Zionismen von Valentin, weckten bei Berendsohn ein Interesse am Zionismus und an der eigenen jüdischen Identität. Wie er Valentin nach der Lektüre brieflich mitteilte, hätte er „selbst von jeher das Gefühl gehabt, dass er ein echter Jude“, und das, was er als „dunkle Triebkraft zu praktisch idealistischer Arbeit“ in sich spürte, „jüdischer geistiger Erbteil“ sei. Darum habe er sein „Judentum auch nie verleugnet“. „Soweit ich mich des Assimilantentums ‚schuldig‘ gemacht habe,“ resonierte er, „war es einerseits Mangel an jüdischer Belehrung in meiner Kindheit – meine Eltern starben, als ich fünf Jahre alt war -, andererseits Schicksal, Ergebnis von tiefgreifenden Erlebnissen.“ Aber das „große neue Erlebnis der Auswanderung aus Deutschland“, verbunden mit dem Verlust des Arbeits- und Freundeskreises, führten ihn an einen Wendepunkt, über den noch nachzudenken sein wird.88 Beide blieben fortan in Kontakt. Berendsohn wurde im Oktober 1936 die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, und wenig später folgte der Entzug seiner von der Philosophischen Fakultät der Universität in Kiel verliehenen Doktorwürde durch Beschluss selbiger Universität. In Kopenhagen bemühte er sich vergeblich um eine akademische Anstellung. Vor direkter Armut bewahrte ihn ein Stipendium der American Guild for German Cultural Freedom, einer amerikanischen Hilfsorganisation, die vor dem Nazi-Regime geflüchtete Intellektuelle unterstützte.89 Da es Steinitz besonders am Herzen lag, die Schriftsteller zusammenzufassen, nahm er mit dem SDS, dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller, Kontakt auf. Dieser von der KPD dominierte Exilverband war als Antwort auf die Bücherverbrennungen in Deutschland am 30. Oktober 1933 in Paris gegründet worden und verfolgte eine Volksfront-Politik. Steinitz trat dem SDS im Oktober 1938 bei und bildete später in Stockholm eine Sektion Skandinavien des SDS. Für dessen Vorsitz gewann er den einflussreichen deutschen Dramatiker Bert Brecht; er selbst arbeitete in der Sektion als Sekretär.90

88 Berendsohn an Valentin, 18.12.1933. Sammlung Hugo Valentin (privat – für die zu Verfügungstellung danke ich Viveka Hellström, Stockholm), Kopie beim Verfasser. 89 Mickwitz, Ein lebensbejahender „Landstreicher“. Die Korrespondenz Steinitz – Berendsohn ist zum Teil im NL Steinitz bewahrt. 90 Lebenslauf Wolfgang Steinitz n. d. (ca. 1946) und weiteres Material zum Schutzverband in ABBAW: NL Steinitz, Nachtrag 2020. Schweden 1938–45 (2).

1.7 Wolfgang Steinitz (1905–1967) 

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Abb. 3: Wolfgang Steinitz (um 1946) (Privat)

Nach der sogenannten Reichskristallnacht vom 9. November 1938 änderten die Kommunisten ihre Einstellung zu den Juden und dem antisemitischen Naziterror. Zumindest sollten „die jüngsten jüdischen Pogrome in Deutschland für die allseitige Verstärkung der Kampagne gegen die profaschistische und kapitulantenhafte Politik der bürgerlichen Regierungen Westeuropas gegenüber dem deutschen Faschismus“ genutzt werden. Dazu ließ der Generalsekretär der Komintern, Georgi Dimitroff, zwei Tage nach den Pogromen konkrete Instruktionen nach Paris übermitteln.91 Erst jetzt stellte sich die KPD offen auf die Seite aller verfolgten Juden. „Gegen die Schmach der Judenpogrome“ war die Überschrift einer ZK-Erklärung, die in einer Sonderausgabe der illegalen Roten Fahne abgedruckt wurde. Die KPD berief sich darin auf die „stolzen Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung“ und „der größten deutschen Dichter und Denker“ und verurteilte die Judenpogrome Hitlers, „die vor der gesamten Menschheit die Ehre Deutschlands mit tiefster Schmach bedeckt“ hätten. Und sie mahnte, den Verfolgten Hilfe zu leisten.92

91 Dimitroff, Tagebücher, S. 224. Am selben Tag hatte Dimitroff eine schwedische SKP-Delegation empfangen. 92 Kessler, Die SED und die Juden, S. 24.

30  1 Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe von ihrer Gründung bis zum Kriegsanfang

1.8 Der Aufruf vom November 1938 In Folge der Pogromnacht des 9. November 1938 kulminierte die Flüchtlingssituation auch in Schweden. Schon vor den nazistischen Novemberpogromen war in Stockholm im Kreis deutsch-jüdischer Emigranten diskutiert worden, ob nicht diejenigen, die bereits festen Fuß in Schweden gefasst hätten, durch eigene Initiativen die schwedischen Behörden und die schwedisch-jüdischen Hilfsorganisationen entlasten könnten. In der Jüdischen Gemeinde bestanden jedoch Bedenken gegenüber einer weiteren Organisation, da man eine unnötige und unproduktive Splitterung der sozialen Hilfsarbeit befürchtete.93 Die Entwicklung in Deutschland wurde auch von der Zeitschrift Judisk Krönika verfolgt. Ihr Chefredakteur Daniel Brick, auch Sekretär des Schwedischen Zionistenbundes, sprach sich in einer ersten Reaktion auf die Novemberpogrome für eine sofortige Palästinalösung aus, denn mit einer Hilfe der sogenannten „München-Mächte“ sei nicht zu rechnen.94 Eine tiefschürfende Analyse der Ereignisse folgte wenig später in selbiger Zeitschrift aus der Feder von Hugo Valentin. Unter der Überschrift „Die deutsche Judenheit vor dem Untergang“ analysierte er die eigentlichen Geschehnisse in der Nacht vom 9. zum 10. November. Scharfsinnig hatte er erkannt, dass hinter den Aktionen Heinrich Himmler, Reichsführer SS, und Propagandaminister Joseph Goebbels standen, die Hitler aber gern habe gewähren lassen. Für Valentin war das Ziel der deutschen Politik gegenüber den Juden Deutschlands klar, sie sollten von der übrigen Bevölkerung völlig isoliert werden, aller Beschäftigungsmöglichkeiten und Besitztümer beraubt und so proletarisiert sowie entsprechend der von der Nazipropaganda behaupteten „blutsbedingten Natur“, ins kriminelle Stadium absinken. Dann würden sie „mit Feuer und Schwert“ ausgerottet werden. Noch hieße es, so Valentin, das Ausland könne, wenn es dies wünsche, die deutschen Juden (implizit, da sie ihres gesamten Besitzes beraubt waren) aufnehmen und überall platzieren. Doch angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen in der Tschechoslowakei schien Valentin auch dies nicht sicher. Vor allem sah er als überzeugter Zionist die Idee der Möglichkeit einer vollständigen Assimilation der Juden widerlegt. Und er stellte die Frage, ob das mitteleuropäische Judentum noch zu retten sei. Für Valentin wie für Brick bot ein jüdischer Staat in Palästina die einzige Lösung.95 93 Zehnjahresbericht. Alle Drucksachen, wenn nicht anders angegeben, nach Sammlung Jacobowsky, UUB. 94 Brick, Varthän. „München-Mächte“ bezieht sich auf die Vertragspartner Deutschlands im Münchner Abkommen vom 29./30.9.1938 – das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien. 95 Valentin, Den tyska judenheten. Valentin war ein Zionist mit einer spezifischen politischen Interpretation der jüdischen Politik, die sein Denken über den Holocaust prägte. Angesichts der zunehmenden Angriffe auf das europäische Judentum und der Schwierigkeiten, einen sicheren

1.8 Der Aufruf vom November 1938



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In Schweden wurde als Reaktion auf die Pogromnacht vorübergehend die Einwanderungssperre für die nächsten Angehörigen, vor allem für die Eltern der bereits im Lande befindlichen Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, aufgehoben.96 Zahlreiche ältere Leute, zum großen Teil von allen Hilfsmitteln entblößt, kamen nun hilfesuchend nach Schweden. Angesichts dieser aktuellen Notlage wurden von Moritz Pinkus und seiner Frau Karla alle früheren Bedenken beiseitegeschoben.97 Ein Kreis um Pinkus, darunter federführend der 23jährige Direktor Fritz Hollander und Wolfgang Steinitz, verfasste Ende November 1938 einen Aufruf zur Gründung einer jüdischen Selbsthilfeorganisation, bereits der Name sollte ihr Anliegen ausdrücken: Emigranten-Selbsthilfe.98 Im ersten – zweisprachigen – Aufruf vom November 1938 hieß es: „Nach den Ereignissen der letzten Wochen darf niemand mehr abseitsstehen, wenn er zur Hilfe für die Heimatlosen aufgerufen wird. Muss auch fast jeder bereits im eigenem Kreise helfen, so darf doch dadurch die Mitarbeit an einem allgemeinen Hilfswerk nicht leiden. Die EMIGRANTEN-SELBSTHILFE kann eines Tages auch für unsere Nächsten Bedeutung gewinnen.“

Mit der neuen Hilfsorganisation wolle man „die schon bestehende großzügige Hilfsarbeit der Jüdischen Gemeinde Stockholms und der anderen Organisationen“ ergänzen.99 Die bereits heimisch gewordenen Flüchtlinge sollten den Neuankommenden ihre gesammelten Erfahrungen zugänglich machen und ihnen die „Einordnung in die neuen Verhältnisse“ erleichtern. Gedacht war an kostenfreie schwedische Sprachkurse, an Hilfestellungen bei Übersetzungen oder bei der Wohnungssuche. Man wusste auch um die furchtbaren seelischen Leiden der Emigranten, die nun ohne Heim und ohne Arbeit waren. Geistige Anregung in Form von Vorträgen, Arbeitsgemeinschaften und künstlerischen Veranstaltungen sollte hier Erleichterung bringen. Die Arbeit der Emigranten-Selbsthilfe sollte unpolitisch sein und „selbstverständlich“ im Einklang mit den Gesetzen Schwedens erfolgen. „Besonders wollen wir die Zusammenarbeit mit unseren schwedischen Freunden in dieser Hinsicht fördern“, betonte der Aufruf eindringlich. Und abschließend

Zufluchtsort für jüdische Flüchtlinge zu finden, war für ihn die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina die einzige Lösung. Bei seinen Aktivitäten zur Flüchtlingshilfe arbeitete Valentin Hand in Hand mit Juden verschiedener politischer Richtungen der Stockholmer Gemeinde. Bortz, The Greatest Pogrom in World History, S. 126–127. 96 Lindberg, Svensk flyktingpolitik, S. 169–173, 288. Dazu auch Kvist Geverts, Ett främmande element, S. 271–273. 97 Emigranten-Selbsthilfe, 1938–1948. 98 Gründungsaufruf, November 1938. 99 Ebenda.

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hieß es: „Wir alle wollen durch dieses Hilfswerk dem Schicksal unsere Dankbarkeit bezeugen, dass wir zu den Gebenden und nicht zu den Nehmenden gehören.“100 Unterschrieben hatten den Gründungsaufruf neunzehn Personen, Schweden und Nichtschweden. Mit ihren Unterschriften wollten sie die „Sympathien aller Kreise mit diesem Hilfswerk“ zum Ausdruck bringen. Sie versprachen, in gemeinsamer Arbeit ihr Bestes für das Wohl der Heimatlosen zu geben. Bei den neunzehn Personen handelte es sich um sechzehn Männer und drei Frauen. Während die Frauen nur als „Frau/fru“ vorgestellt wurden, war den Männern immer ein Titel beigeben, der jeweils Auskunft über ihre soziale Stellung geben sollte. Unter ihnen befanden sich vier Professoren (darunter ein Mediziner), sechs Doktoren (darunter ein Dr. med.), je ein Dozent, Ingenieur, Notar und Anwalt, ein „fil. kand.“ (Bachelor) sowie ein Rabbiner. Der Kreis setzte sich aus orthodoxen Juden, Zionisten und jüdischen linken Intellektuellen zusammen.

Abb. 4: Gründungsaufruf (Ausschnitt) (Privat)

Wichtig war den Initiativnehmern ein gutes Verhältnis zur Stockholmer Jüdischen Gemeinde. Vom gutem Willen der Gemeinde gegenüber dem Aufruf zeugen die Unterschriften von Emil Kronheim, deutscher Feldrabbiner im Ersten Weltkrieg, seit 1926 zweiter Rabbiner der Stockholmer Gemeinde und Mitglied ihres Hilfskomitees, der bereits 1933 die schwedische Staatsangehörigkeit erworben hatte, und von Erik Wolff, Vorstandsmitglied der Gemeinde und Direktor des Staatlichen Instituts für Rechtsmedizin, sowie von Abraham Brody, seit 1926 Lehrer in der Gemeinde. Viele der Erstunterzeichner waren bereits in der Flüchtlingsarbeit der Ge100 Ebenda.

1.8 Der Aufruf vom November 1938



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meinde aktiv, darunter Jeanette Ettlinger und Sara Gottfarb (geb. Pagrotzky), die beide auch in der Leitung des Jüdischen Frauenklubs (Judiska Kvinnoklubben) saßen.101 Der bekannte Kinderarzt Isak Jundell engagierte sich in der Arbeit mit Flüchtlingskindern, die durch das Kinderhilfskomitee kamen. Der jüdisch-orthodoxe Moritz Pinkus hatte sich vor 1933 als Anwalt auch für Sozialisten und Kommunisten eingesetzt. Fritz Hollander, der die Arbeit der „E-S“ wesentlich prägen sollte, gehörte zwar nicht zu den Unterzeichnern, dafür aber seine Frau, Camilla Hollander (geb. Ettlinger), und seine Schwiegermutter, Jeanette Ettlinger. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters 1937 war er als Zweiundzwanzigjähriger geschäftsführender Direktor der J. Hollander & Co. AB und der Leder- und Häutehandlung AB Baltiska Skinnkompaniet sowie Aufsichtsratsmitglied der Hollander-Filialen in einer Vielzahl von Ländern geworden. Im selben Jahr noch hatte er sich mit der Tochter von Jakob Ettlinger verlobt und im Mai 1938 die noch nicht 20jährige Camilla geheiratet Der vermögende Ettlinger, auch Vorsitzender von Adat Jisrael, war bereits Partner im Hollander-Geschäft. Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehörten viele, die dem 1933 (wieder-) gegründeten Schwedischen Zionistenbund, der für eine sofortige Siedlung in Palästina eintrat, nahestanden. Mehrere waren auch mit der Zeitschrift Judisk Krönika verbunden. Der Uppsalienser Historiker Hugo Valentin gehörte als Vorsitzender des Zionistischen Bundes zum Redaktionskomitee der Zeitschrift, zu dem auch die Mitunterzeichner Stig Bendixon und der Kunstprofessor Isaak Grünewald gehörten.102 Zur engagierten Autorenschaft dieser Zeitschrift zählten ferner die Mitunterzeichner Ingenieur Leo Bab und der im Skandinavisch-Jüdischen Jugendverband sowie in Judiska Studentklubben engagierte Herbert Friedländer, Enkel des bekannten Kunstsammlers und großzügigen Mäzens Herman Philip Friedländer. Nur die Hälfte der Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs war schon länger in Schweden und besaß die schwedische Staatsbürgerschaft. Der größere Teil der Unterzeichner gehörte nicht zu den etablierten und alteingesessenen jüdischen Familien. Sie hatte die Notwendigkeit der Emigration erst kürzlich nach Schweden 101 Nachruf Sara Gottfarb, in: Judisk Krönika 8 (1966) 35, S. 191–192. Siehe auch Thor Tureby, Den Judiska Kvinnoklubben. 102 Isaak Grünewald war Sohn polnisch-jüdischer Einwanderer und gehörte als Maler, Grafiker und Bühnenbildner, seit 1932 (bis 1942) auch Professor an der schwedischen Kunstakademie in Stockholm, zu den einflussreichen Persönlichkeiten in der modernen Malerei in Schweden. Sein Elternhaus auf Söder in Stockholm hatte einen völlig ostjüdischen Charakter und seine Integration in die schwedische Gesellschaft, die zu dieser Zeit nicht ohne antisemitische Züge war, erzeugte in ihm zweifellos eine Arroganz, die herausforderte, aber auch Verständnis für die Situation der jüdischen Einwanderer und Flüchtlinge. Siehe auch die Einleitung von Karl Axel Arvidson in: Grünewald, Isaac har ordet, S. VII.

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verschlagen. Paul Kallós war 1934 aus Ungarn über Deutschland und die Schweiz nach Schweden gekommen. Hier war er zusammen mit seiner Frau Lieselotte (geb. Deffner) zunächst am Akademischen Krankenhaus in Uppsala angestellt, bis beide 1937 nach Stockholm ans Wenner-Gren-Institut berufen wurden, einer neuen Forschungseinrichtung für experimentelle Biologie. David Katz, bis 1933 Professor an der Universität Rostock, war aus seinem englischen Exil 1937 einem Ruf an die Hochschule in Stockholm auf den Pädagogik-Lehrstuhl gefolgt. Das war nicht unumstritten. Bei der Probevorlesung im Herbst 1937 war es sogar zu heftigen antisemitischen Protesten gekommen. Der bekannte Mathematiker und Physiker Walter Gordon, der angesichts der politischen Situation in Deutschland bereits 1933 nach Stockholm übergesiedelt war, war damals noch mit offenen Armen und ohne antisemitische Proteste empfangen worden. Gordon hatte 1926 zusammen mit dem renommierten schwedischen Physiker Oskar Klein wichtige Ergebnisse zur Quantenmechanik präsentiert. Willkommen in Stockholm war auch Jacob Forchheimer, Spezialist für Eisenlegierungen, der mehrere einschlägige Firmen besaß, darunter auch in Schweden. Forchheimer sollte nicht lange im Land verweilen; bereits im Juli 1939 emigrierte er weiter nach Kanada.103 Wolfgang Steinitz wird von den Bestrebungen orthodoxer Kreise um Moritz Pinkus, eine eigene Hilfsorganisation zu starten, durch Fritz Hollander erfahren haben, mit dem er durch Josef Wagner bekannt geworden war. Für die KPD ergaben sich mit der neuen Einstellung zur Judenfrage neue Möglichkeiten für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zum Nutzen aller. Als Erstunterzeichner des Aufrufs war Ernst Emsheimer wohl von Steinitz gewonnen worden. Beide teilten gemeinsame Forschungsinteressen. Emsheimer war bereits 1932 in die Sowjetunion gegangen, wo er an der Staatlichen Eremitage in Leningrad angestellt war und im Phonogrammarchiv des Ethnographischen Museums der Russischen Akademie der Wissenschaft Volksmusikaufnahmen bearbeitete. Emsheimer und Steinitz hatten sich wahrscheinlich schon 1934 in Leningrad getroffen. Emsheimer hatte bereits im Dezember 1936 die Sowjetunion verlassen müssen. Über Finnland reiste er nach Stockholm, wohin ihm seine Frau Mia, geb. Merzbach, bald folgte. In der schwedischen Hauptstadt erhielt Emsheimer eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle am Staatlichen Ethnographischen Museum, die ihm vom Ethnologen Ernst Klein vermittelt wurde. Der jüngere Bruder Oskar Kleins, der auch Hugo Valentin nahestand, starb allerdings bald. Seit Herbst 1937 war gegen Emsheimer die Ab103 Forchheimer hatte nach Studien in München und Berlin einen technischen Doktorgrad erworben und 1906 die Chemische Fabrik in Fuerth, GmbH gegründet. Er war Inhaber der 1911 gebildeten Gesellschaft für Elektrometallurgie in Nürnberg, mit Hauptsitz in Berlin. Dazu hatte er 1913 die A. B. Ferrolegeringar in Schweden gegründet. 1935 sah er sich gezwungen, Deutschland zu verlassen. Ausbürgerung Liste 203 (32) 15.10.1940.

1.9 Die Konstituierung der Emigranten-Selbsthilfe



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erkennung seiner Reichsangehörigkeit betrieben worden. In der Begründung vom 10. November 1937 wurde ihm vorgeworfen, Marxist zu sein und sich „deutschfeindlich“ im Ausland betätigt zu haben. In „politischer Hinsicht“ stände er in Verdacht, „sich in Deutschland organisatorisch für marxistische Verbände betätigt zu haben“. Seine „Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus“ habe er öffentlich unter Beweis gestellt, indem er „in dem deutschsprachigen kommunistischen Hetzblatt der Leningrader ‚Roten Zeitung‘ kommunistische Artikel“ veröffentlichte. Im April 1938 wurde Emsheimer mit seiner Frau ausgebürgert und ihm der Doktortitel entzogen.104 Ein Blick auf die Unterzeichner macht deutlich, dass sich dieser Aufruf von „Schweden und Nichtschweden“ vornehmlich an die jüdische schwedische Gesellschaft richtete und eine Verankerung in der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft wohl auch nicht wirklich anstrebte. Besonders gut vernetzt war die „E-S“ in orthodoxen und zionistischen Kreisen, was seinen Ausdruck in der engen Zusammenarbeit mit den zionistischen Vereinen Judiska Kvinnoklubben, WIZO (Women’s International Zionist Organisation) und Zeire Misrachi fand. Doch auch Linksintellektuelle bzw. kommunistische Einflüsse sollten die Emigranten-Selbsthilfe prägen, und dies nicht zu ihrem Nachteil.

1.9 Die Konstituierung der Emigranten-Selbsthilfe Als offizieller Gründungstag der Emigranten-Selbsthilfe gilt die Zusammenkunft vom 30. November 1938. An dieser Gründungssitzung nahmen von den neunzehn Unterzeichnern des Aufrufs nur fünf teil: Emsheimer, Forchheimer, Camilla Hollander, Moritz Pinkus und Steinitz. Hinzu gestoßen waren Fritz Hollander und die Ehefrauen von Forchheimer und Pinkus, Irene Forchheimer und Karla (Carla) Pinkus, sowie Karo (Karoline) Salomon (später verheiratete Samson), die aus Nürnberg stammende Assistentin Jacob Ettlingers.105 Unter den weiteren Teilnehmern befanden sich die Juristen Dr. Ernst Baburger und Dr. Wilhelm Michaeli. Baburger, ursprünglich aus Fürth/Bayern, war im März 1933 nach Schweden gekommen, wo er nochmals Jura studiert hatte und seit 1936 als Anwalt tätig war. Michaeli war als Spezialist für internationales Privatrecht Ende 1933 nach Schweden ge104 PAAA_RZ214_099689_068. Liste 42 vom 25.4.1938; Biographie in: Rosengren, Fünf Musiker. 105 Karo (Karoline) Salomon, später verheiratete Samson. Ihr Ehemann war Samuel Semmy Samson, Angestellter bei Baltiska Skinnkompaniet, Sohn des aus Hamburg nach Dänemark gekommenen Abraham Samson, Gründer der jüdischen Austrittsgemeinde Machsike Hadas, die dem Beispiel des Frankfurter Rabbiners Samson Raphael Hirsch folgte, der sich aus der säkularen jüdischen Gemeinschaft zurückgezogen und das neue orthodoxe Judentum in Deutschland gegründet hatte. Karos Eltern wurden 1942 in Auschwitz ermordet.

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kommen, wo er ab dem 1. Dezember 1938 als Sekretär des Hilfskomitees der Jüdischen Gemeinde arbeiten würde. Hier war es seine hauptsächliche Aufgabe, bei der Gemeinde eintreffende Anträge hinsichtlich der Transmigrationsmöglichkeiten zu prüfen und eine ordnungsgemäße Weiterwanderung zu gewährleisten. Mit L. M. Joseph, Max Korngold und Alfred Ullmann nahmen an der Gründungssitzung auch jüdische Geschäftsleute teil, die mit dem Zionismus sympathisierten. L. M. Joseph war Besitzer einer Taschenfabrik in Stockholm. Max Korngold war mit seiner Frau 1933 aus Deutschland nach Schweden gekommen, wo er mit ihr ein Geschäft in der Wohnungswirtschaft aufbaute.106 Alfred Ullmann stammte aus einer alten jüdischen Kaufmannsfamilie aus Feuchtwangen in Mittelfranken; er sollte allerdings schon bald in die Vereinigten Staaten weiteremigrieren.107 Gleichfalls finden wir in diesem Kreis aus Deutschland eingewanderte Wissenschaftler: Dr. chem. Walter Tuchmann, ein Jugendgefährte des Physikers Werner Heisenberg und Kollege von Oskar Klein, nun Chefchemiker der Holzdestillationsanlage der Papierfabrik in Piteå, und Erich Adler aus dem bayerischen Frankenreuth, seit 1933 in Schweden tätig als Assistent, später Abteilungsleiter, am Biochemischen Institut der Hochschule Stockholm und 1952 Professor an der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg.108 Ein Vorstand konstituierte sich Anfang Dezember. Ihm gehörten an Dr. Jakob Forchheimer, Dir. Alfred Ullmann, Advokat Moritz Pinkus, Dr. Erich Adler, Dr. Wolfgang Steinitz, Dir. Fritz Hollander, Dir. Max Korngold, Adv. Dr. Ernst Baburger. Auf der Gründungssitzung wurde beschlossen, die Aufgaben auf fünf Ausschüsse zu verteilen: 1) Ausschuss für Kulturarbeit. Die in Aussicht genommenen Tätigkeitsgebiete umfassen Vorträge und Arbeitsgemeinschaften, künstlerische Veranstaltungen, Sprachunterricht und Führungen, Sport u. a. 2) Ausschuss für Statistik, Werbearbeit und Arbeitsvermittlung. Es ist beabsichtigt, statistische Grundlagen für die das Emigrantentum in Schweden betreffenden Fragen zu schaffen. Durch systematische Werbearbeit soll das Hilfswerk der EmigrantenSelbsthilfe weiter ausgebaut werden. Durch eine fortlaufend geführte Kartothek über Arbeits- Angebot und – Nachfrage soll dem Emigranten die Arbeitssuche erleichtert werden, soweit die Arbeitsannahme gesetzlich zulässig ist. 3) Ausschuss für Heimfürsorge, Krankenund Kinderbetreuung, Unterstützung bei der Wohnungssuche, gelegentliche Hilfe im Hause und Kinderbewachung soll dem Emigranten die Einordnung in die neuen Verhältnisse erleichtern. 4) Ausschuss für Informationen. Sein Arbeitsgebiet ist die Beschaffung von Auskünften über die Verhältnisse in den Immigrationsländern und über Auswanderungsmög-

106 107 108 lung

Nachruf von Simon Brick in: Judisk Krönika Nr. 5–6 (1. Mai) 1970. Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945 (Moritz Ullmann) – (2023-02-10). Wikipedia Erich Adler (2023-02-10); Professor Dr.-Ing. Erich Adler (Manuskript, o. N.), SammKahn.

1.10 Die Arbeit beginnt



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lichkeiten usw. 5) Beratungsausschuss. Dieser steht in regelmäßigen Sprechstunden Rat und Hilfesuchenden Emigranten zur Verfügung.109

Die Ausschusssitzungen sollten durch die betreffenden Vorsitzenden einberufen und bei allen Ausschussberatungen Protokolle geführt werden. Jeweils eine Kopie sollte an den Vorstand gehen. Bis zu einen Betrag von zehn Kronen im Monat konnte jeder Ausschuss seine Ausgaben selbst beschließen. Schreiben der Emigranten-Selbsthilfe würden entweder von zwei Vorstandsmitgliedern oder von den Sachbearbeitern im Ausschuss in Verbindung mit einem Vorstandsmitglied gezeichnet. Vorstandsmitglieder waren berechtigt, an Beratungen der Ausschüsse teilzunehmen.

1.10 Die Arbeit beginnt Die erste reguläre Vorstandssitzung fand am 7. Dezember 1938 statt.110 Anwesend waren die Herren Forchheimer, Pinkus, Adler, Korngold, Steinitz, Lewy und Hollander. Zunächst wurde die Lokalfrage diskutiert. Für einen Versammlungs- und Veranstaltungsraum hatte Moritz Pinkus von Gillis Hammar, Rektor der Volkshochschule Birkagården, Unterstützung zugesagt bekommen. Herbert Friedländer regte an, ein Mitteilungsblatt mit den Programmen aller Veranstaltungen herauszugeben. Wegen der hohen Portokosten sollten die Mitteilungen monatlich verschickt werden, die Veranstaltungen der „E-S“ aber auch durch Aushänge in der Jüdischen Gemeinde, dem Internationalen Foyer und in Birkagården beworben werden. Eifrig wurde auf der Sitzung über die Durchführung künstlerischer Veranstaltungen sowie von Sprachunterricht und Sport diskutiert.111 Abraham Brody betonte wiederholt die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit den bestehenden jüdischen Vereinen. Tatsächlich war der Vorstand später immer darum bemüht, mit der Jüdischen Gemeinde zusammenzuarbeiten und nicht mit ihr zu konkurrieren. Davon zeugt auch der Beschluss dieser Leitungssitzung, keine eigene Kleidersammlung durchzuführen, sondern gemeinsam mit Judiska Kvinnoklubben.112

109 Richtlinien für unsere aktiven Mitarbeiter (vertraulich), Sammlung Friedländer. 110 Protokoll Sitzung des Vorstandes der Emigranten-Selbsthilfe am 7.12.1938, Protokollführer: Steinitz. Riksarkivet, Hollanderbolagen. Allmän korrespondens 1938–1944 (folgend: Sammlung Hollander) 111 Protokoll. Sitzung des Kulturausschusses am 8.12.1938. Teilnehmer: Katz, Steinitz, Greid, Brody, Friedländer, Emsheimer und Adler. Kopie in Sammlung Scholz/Steinitz (Visby). 112 Vorstandssitzung vom 7.12.1938, Protokoll in: Sammlung Hollander, E 1 a:1.

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Die erste Zusammenkunft des Kulturausschusses fand schon am folgenden Tag, dem 8. Dezember 1938, in der Wohnung von Professor David Katz statt. Neben Katz, Steinitz, Emsheimer, Friedländer und Adler nahmen auch der Regisseur und Schauspieler Herman(n) Greid sowie der Komponist, Pianist und Musikpädagoge Hans Holewa teil. Greid stammte aus Wien, war jüdischer Herkunft und Kommunist sowie vor 1933 Schauspieler an namhaften Bühnen in Deutschland und Leiter einer Arbeiterspielschar in Westdeutschland. Seit 1933 lebte er in Schweden, unterbrochen von einer Theatertätigkeit in der Sowjetunion vom August 1935 bis Juni 1936, wo er bereits mit Trepte gearbeitet hatte. 1938 hatte Greid die schwedische Staatsbürgerschaft erhalten; er war mit Berta Aschberg, der Schwester des Bankiers Olof Aschberg verheiratet, der als „roter Bankier“ der schwedischen Arbeiterbewegung bekannt war. Greid sollte nach 1940 zum evangelischen Christentum übertreten, was seinem Engagement in der Kulturarbeit der „E-S“ aber keinen Abbruch tat. Bekannt war er vor allem durch erste Brecht-Inszenierungen und später als „Vater des schwedischen Kirchenspiels“.113 Hans Holewa war 1937 aus Österreich als Flüchtling nach Schweden gekommen. Als radikaler Komponist mit der sogenannten Zwölftontechnik als Ausgangspunkt, mit jüdischem Einfluss und mit seinem Engagement in der linken Bewegung stieß er in Schweden auch auf Misstrauen. Unermüdlich sollte er aber als Pianist und Chorleiter auf Kulturveranstaltungen der Emigration tätig sein; 1979 wurde Holewa in die schwedische Musikakademie gewählt.114 Einleitend wurden auf dieser ersten Sitzung des Kulturausschusses zunächst ausgehend von den allgemeinen Ziele der „E-S“ vier Tätigkeitsgebiete für den Kulturausschuss ausgemacht: A) Vorträge und Arbeitskreise; B) Künstlerische Veranstaltungen; C) Sprachunterricht und Führungen und D) Sport. Es zeigte sich, dass Zusagen von einer ganzen Reihe von Persönlichkeiten vorlagen, am Programm mitzuwirken. Hier fielen bereits die Namen der Musiker Maxim Stempel und Johannes Velden. Auf Anregung von Greid wurde die Frage der Honorierung der Künstler und Vortragenden erörtert. Der Ausschuss kam zu der Auffassung, dass eine Honorierung im Rahmen des Möglichen – entweder aus einem besonderen Fond oder aus Eintrittsgeldern – insbesondere bei bedürftigen Künstlern in Betracht gezogen werden müsse. Brody schlug vor, im Anschluss an die Vorträge und Darbietungen „Teesoupers als Einnahmequelle“ anzuordnen. Auch im Kulturausschuss drängte er auf eine möglichste enge Zusammenarbeit mit den bestehenden jüdischen Vereinen, zum Beispiel durch gemeinsame Vortragsabende. Friedländer 113 Hermann oder Herman Greid (eigentlich Markus Grabscheid) – sowohl die deutsche als auch die schwedische Schreibweise des Vornamens sind gebräuchlich. Greid, Als Fremder; Müssener, „Wir werden sehen!“. 114 Rosengren, Fünf Musiker.

1.10 Die Arbeit beginnt



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wiederholte seinen Vorschlag, ein halbmonatlich erscheinendes Mitteilungsblatt mit Programmen aller jüdischen Veranstaltungen ins Leben zu rufen. Zum Arbeitsgebiet Sprachunterricht und Führungen versprach er, schwedische Studenten zu gewinnen. Für die kostenlose Erteilung von Unterricht in Englisch und Französisch konnte Emsheimer einen konkreten Vorschlag unterbreiten; auch Unterricht in Spanisch schien realistisch. Zur Erteilung von Unterricht in Hebräisch stellte Brody sich zur Verfügung. Für das Arbeitsgebiet Sport sollten emigrierte Turnlehrer herangezogen werden, wobei Brody anmerkte, dass es besser wäre, in die bestehenden schwedischen Sportvereine einzutreten. Auch meinte er, dass die Eltern angehalten werden sollten, ihre Kinder zu den schwedischen Pfadfindern zu schicken. Weiter regte er an, ein Mitglied des Makkabi zur Mitarbeit und Beratung heranzuziehen.115 Katz schlug vor, Wanderungen zu organisieren. Er erklärte sich dann bereit, die Leitung des Kulturausschusses zu übernehmen; Steinitz, Brody und Adler übernahmen die Verantwortung für den Bereich Vorträge und Arbeitskreise; Greid und Emsheimer für künstlerische Veranstaltungen und Friedländer für Sprachunterricht und Führungen; Sport blieb vakant.116 Es war das Verdienst von Wolfgang Steinitz, dass bereits viele Zusagen für Vorträge und die Bildung von Arbeitskreisen vorlagen. Tatsächlich konnte Steinitz dem Ausschuss ein nahezu komplettes Programm unterbreiten. Er hatte nämlich einige Wochen zuvor, wohl noch ohne von der bevorstehenden Bildung der „E-S“ zu wissen, begonnen, seine Pläne im Kulturbereich zu verwirklichen. Ende November 1938 hatte er darüber auch ausführlich an Schmidt/Radványi berichtet.117 Zunächst wird sich dieser gefreut haben, dass Steinitz bereits Abonnenten für die Zeitschrift für freie deutsche Forschung in Stockholm gewonnen hatte. Als Netzwerker hatte Steinitz dabei gleich seinen Bekanntenkreis zum Nutzen aller erweitert. Der Bezug der Zeitschrift würde über Sandbergs Buchhandel laufen. Dieser traditionsreiche Buchhandel wurde von Gunnar Josephson geführt, dem Vorsteher der Stockholmer Jüdischen Gemeinde. In der Frage einer Zusammenarbeit unter den Emigrantenwissenschaftlern in Stockholm ging es Steinitz vor allem darum, die Leistung der deutschen Emigration, ihr Ansehen und die Stellung der Emigrantenwissenschaftler in den ausländischen Fachkreisen zu stärken. Die von ihm angekündigte erste Zusammenkunft der Emigranten-Wissenschaftler in Stockholm hatte bereits stattgefunden. Der schwedische Literaturhistoriker Martin Lamm hatte dafür in seine Wohnung eingeladen.118 Die Lamms gehörten zu den alten jüdischen 115 Der jüdische Sportverein IK Makkabi Stockholm war im Herbst 1933 von Simon Brick gestartet worden, auch um das Image der Juden als schwache und nur Intellektuelle wegzuwaschen und das jüdische Selbstwertgefühl zu steigern. 116 Protokoll. Sitzung des Kulturausschusses der E. S. H. am 8. Dezember 1938. 117 Steinitz an Schmidt, 24.11.1938, ABBAW, NL Steinitz, 40 II. 118 Peters, Exilland Schweden, S. 113.

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Familien in Schweden, doch stand Martin Lamm in Fragen der Assimilation Hugo Valentin nahe. Lamm, Professor an der Hochschule in Stockholm, gehörte der Svenska Akademin (Schwedische Akademie der Wissenschaften) an, die ihre Aufgabe hat, die schwedische Sprache und Literatur zu fördern, und die auch den Nobelpreis für Literatur vergibt. Steinitz hatte auf Lamm offenbar einen guten Eindruck gemacht. Als dieser ihn später im Zusammenhang mit einer Unterstützung jüdischer Flüchtlinge an Karl Otto Bonnier empfahl, beschrieb er Steinitz als „eine männliche und stilvolle Persönlichkeit“, die sich von dem etwas „schwammigen Typ intellektueller Glaubensgenossen, die wir in den letzten Jahren hierher bekommen haben“ unterscheide.119 In der Wohnung Lamms hatte Berendsohn über die Stellung von Hauptmanns „Die Weber“ in der deutschen Literatur gesprochen, was Steinitz für ein derartiges erstes Zusammentreffen allerdings nicht für eine gute Wahl hielt.120 Noch vor Bildung der „E-S“ hatte Steinitz den Weg für eine Kulturarbeit im Geiste der Volksfrontpolitik geebnet und bereits sehr konkrete Absprachen getroffen. Geplant waren ursprünglich mehrere Abende im kleinen Kreis, so bei Oskar Klein, der selbst über „arische Physik“ sprechen wollte, oder bei Einar Tegen, bei dem Ernst Cassirer, seit kurzem als Philosophieprofessor in Göteborg, einen Vortrag „Kant und Rousseau“ halten sollte, der aber wegen Erkrankung auf den Februar 1939 verlegt werden musste.121 Zusagen lagen Steinitz auch von Professor David Katz sowie von einigen jüngeren Wissenschaftlern vor, darunter von dem Ethnologen Dr. Paul Leser, der 1936 aus Deutschland nach Dänemark emigriert und 1937 nach Schweden gekommen war. Leser hatte einen Vortrag über die Grundlagen der Rassenforschung angekündigt.122 Angesichts eines so „lebhaften kulturellen Interesses“ blickte Steinitz optimistisch in die Zukunft. Gegenüber Schmidt/Radványi deutete er am 24. November an, dass sich hinsichtlich einer kulturellen Arbeit „wahrscheinlich“ eine Zusammenarbeit mit jüdischen Kreisen entwickeln werde.123 119 Zit. nach Gedin, Litteraturens örtagårdsmästare, S. 427–428. Auf Vermittlung von Lamm im Oktober 1939 hin erhielt Steinitz von K. O. Bonnier 500 Kronen. 120 Gerhart Hauptmann, Nobelpreis für Literatur (1912). Das Drama „Die Weber“ (1891/92) hatte die Weberaufstände von 1844 als Grundlage. 121 Ernst Cassirer emigrierte 1933 nach Großbritannien, 1935 wurde er als Professor an die Hochschule Göteborg, später Universität, berufen und erhielt 1939 die schwedische Staatsbürgerschaft; 1941 emigrierte er weiter in die USA. Korrespondenz mit Steinitz in: BBWA, NL Steinitz Nr. 40 Bd. II. 122 Paul Leser, deutsch-amerikanischer Ethnologe, jüdisch, floh 1936 aus Deutschland über Dänemark 1937 nach Schweden, ab 1942 in den USA. 1952 bis 1967 Professor für Anthropologie in Hartford/Connecticut. Als Gastprofessor wirkte er 1958 an der Universität Köln und 1966/67 an der Universität Wien. 123 Steinitz an Schmidt, 24.11.1938, BBWA, NL Steinitz, 40 II.

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Anfang Dezember flossen Steinitz’ Ideen für künftige künstlerische Veranstaltungen nun in die Kulturarbeit der neugebildeten jüdischen Selbsthilfeorganisation ein. Ergänzt wurde das Programm durch Vortragsangebote von Hugo Valentin und Dr. Brody. Für zu bildende Arbeitskreise hatte sich der Sekretär der Flüchtlingsfragen der Jüdischen Gemeinde, Franz Arnheim, erboten, einen Arbeitskreis mit dem Thema „Der Aufbau des schwedischen Staates“ zu leiten. Steinitz schlug seinerseits vor, Dr. Paul Leser für eine Vortragsreihe über „Wissenschaftliche Grundlagen der Rassenforschung“ zu gewinnen, woraus sich ein weiterer Arbeitskreis ergeben sollte. Von besonderem Gewicht für den Status der „E-S“ im Rahmen der Stockholmer Jüdischen Gemeinde war schließlich die Zusage von Prof. Ehrenpreis, den Einleitungsvortrag zum ersten kulturellen Abend der Emigranten-Selbsthilfe zu halten.124

Abb. 5: Vortragsankündigung (Ehrenpreis, 31. Januar 1939) (Privat)

Camilla Hollander stand dem Ausschuss für Statistik vor. Zuständig für Arbeitsvermittlung waren Kurt Heinemann und Else Korngold, für die Werbearbeit der in 124 Protokoll. Sitzung des Kulturausschusses der E. S. H. am 8. Dezember 1938.

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Lund geborene Aby Schönkopf sowie Leo Bab. Im Ausschuss für Heimfürsorge, Wohnungsfragen, Krankenpflege und Kinderbetreuung arbeiteten ausschließlich Frauen. Zuständig für Wohnungsfragen waren Frau Schnebel und Frl. Hilde Jarozewsky, für Heimfürsorge Frau Forchheimer, für Kinderbetreuung Karo Salomon, für Krankenpflege Frau Lindenbaum. Dem Beratungsausschuss gehörten an: Alfred Ullmann, Max Korngold, Moritz Pinkus, Fritz Hollander, Paul Fränkel, Jeanette Ettlinger und Karo Salomon. Fränkel war zusammen mit seiner Frau 1931 aus Wien nach Stockholm gekommen, wo sie sich ein Geschäft im Pelzhandel aufbauten. Er sollte wenig später zu den Aktivsten bei der Rettung der europäischen Juden gehören.125 Advokat Ernst Baburger leitete den Informationsausschuss. Als Kassierer fungierte L. M. Joseph. Eine zentrale Aufgabe der „E-S“ wurde die Arbeitsvermittlung. Hier erleichterte bald eine fortlaufend geführte Kartothek über Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt die Arbeitssuche. Dem standen allerdings gesetzliche Einschränkungen entgegen, denn Flüchtlingen war Erwerbsarbeit verboten. So erklärt sich auch der offizielle Name des Ausschusses, „Berufsumschulung“.126 Die praktische Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe bestand in organisierter praktischer Hilfe. Diese begann mit dem Empfang der neuankommenden jüdischen Flüchtlinge. Jeden Dienstag wurden sie von der Emigranten-Selbsthilfe, meist von Hollander und Steinitz persönlich, im Klublokal Klippgatan 19 auf Södermalm in Empfang genommen.127 In diesem Lokal im sogenannten „Judenhaus“ fand am 11. Januar 1939 mit einem Heinrich-Heine-Abend auch „die erste Kulturveranstaltung der deutschen Emigration in Schweden“ statt, wie Curt Trepte Jahre später in seiner Darstellung der „Anfänge selbständiger deutschsprachiger Aufführungen und Kulturveranstaltungen in Schweden“ schrieb.128 Nach einer Würdigung Heinrich Heines durch den ehemaligen Redakteur der Frankfurter Zeitung und Mitarbeiter der Weltbühne Erich Landsberg129, rezitierte an diesem Abend Herman Greid aus Heines Werk. Ferner wirkten mit der Opernsänger Dr. Leo Barczinski130 125 Zusammen mit Hollander und Masur; Nachruf in Dagens Nyheter 1993-04-02/12 von Fritz Hollander. 126 Richtlinien für unsere aktiven Mitarbeiter (Vertraulich!). Emigranten-Selbsthilfe, Vorstand; An unsere Freunde! (Stockholm, im Dezember 1938, zweisprachige Drucksache der EmigrantenSelbsthilfe). 127 Interview mit Fritz Hollander (16.5.1994). Klippgatan bezieht sich auf das Haus der Heckscher-Stiftung in Klippgatan („Heckscherska stiftelsens hus på Klippgatan“). 128 Hoffmann & Trepte, Kunst und Literatur, S. 400. 129 Zu den Schwierigkeiten einer biographischen Skizze zu Erich Landsberg siehe Bauer, Rundfunkprogramm und Politik. 130 Barczinsky, in Polen geboren, hatte 1919 in Berlin einen medizinischen Doktorgrad erworben und sich später als Opernsänger einen Ruf verschafft; in Schweden war er auch als Logopäde tätig.

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und Oberkantor Julius Tarschis, begleitet von dem Wiener Kapellmeister und Komponisten Hans Holewa. Nach Trepte handelte es sich um einen „internen Abend der deutsch-jüdischen Emigration in Stockholm“, organisiert vom Arbeitskreis jüdischer Flüchtlinge. Die Teilnahme von Greid und Holewa, ohne die die Kulturarbeit der „E-S“ in den nächsten Jahren nicht denkbar ist, sowie Tarschis, machte bereits die Nähe zur Emigranten-Selbsthilfe deutlich. Jedenfalls wurde auf der „E-S“-Vorstandssitzung am 25. Januar beschlossen, diesen Kulturabend rückwirkend finanziell zu unterstützen und dem Arbeitskreis jüdischer Flüchtlinge für die Unkosten im Zusammenhang mit dem Heine-Abend 30 Kronen aus dem Überschuss der kommenden „E-S“ Kulturabende (Lessing) auszuzahlen.131 Für die zentralen Aufgaben im sozialen Bereich war der Sekretär der „E-S“ Ludwig Lewy verantwortlich, der bereits Erfahrungen auf dem Gebiet der Flüchtlingshilfe verfügte. An der Vorstandssitzung am 25. Januar 1939 unter Vorsitz von Dr. Adler nahmen teil Dr. Baburger, Frau Ettlinger (als Gast), Direktor Joseph, Fräulein Karo Salomon, Redakteur Lewy, Dr. Steinitz, Direktor Ullmann sowie Fritz Hollander, der auch Protokoll führte – und zwar nicht auf Deutsch, sondern auf Schwedisch!132 Karo Salomon wurde einstimmig in den Vorstand gewählt. Erfreut konstatierte man, dass das erste Rundschreiben der Emigranten-Selbsthilfe starken Widerhall gefunden hatte. Aus unterschiedlichen Kreisen war Bereitwilligkeit zur Mitarbeit bekundet worden. Dr. Baburger informierte dann über ein Gespräch mit Kämmerer Grünberger von der Jüdischen Gemeinde.133 Die Gemeinde hätte sich bereitgefunden, die Sozialbehörde über die Bildung der Emigranten-Selbsthilfe zu informieren. Dazu benötigte Grünberger die Statuten der „E-S“. Offenbar drängte die Zeit, denn er wollte sie schon für den nächsten Tag. Baburger wurde deshalb vom Vorstand gebeten, diese unmittelbar auszuarbeiten. Vor Übergabe an den Anwalt sollte der Text aber den Direktoren Joseph und Hollander vorgelegt werden. Die wichtigsten Punkte in den für den Gebrauch gegenüber schwedischen Behörden selbstverständlich auf Schwedisch abgefassten Statuten wurden in Übereinstimmung mit dem Gründungsaufruf und früheren Beschlüssen der Leitung formuliert.134 Im Entwurf der Statuten war als Zweck der Vereinigung festgehalten, den sich in Schweden aufhaltenden Emigranten mit Rat und Hilfe zur Seite zu stehen, die Mitgliedschaft könne „von jedermann“ erworben werden. Es gab also keine ausdrückliche Beschränkung auf jüdische Flüchtlinge. Betont wurde auch der unpolitische Charakter der Vereinigung.

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Protokoll Leitungssitzung der „E-S“ am 25.1.1939, Sammlung Hollander, E 1 a:1. Ebenda. Hansson, Flykt och överlevnad, S. 53; Kvist Geverts, Ett främmande element, S. 3. Sammlung Hollander, E 1 a:1

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Absatz 1 Zweck des Vereins ist es, Flüchtlingen in Schweden Beratung und finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen und durch Unterricht und fachliche Anleitung ihr Einfinden in den neuen Bedingungen zu erleichtern. Die Verwirklichung des Zwecks wird unter anderem angestrebt durch die Vermittlung von Sprachkursen, Hilfe bei Übersetzungen, finanzielle Unterstützung von Menschen in Not, Vermittlung von Vorträgen sowie durch Arbeitsgemeinschaften und Kunstabende. Der Verein arbeitet völlig unpolitisch. Absatz 2 Die Vereinsarbeit ist in Ausschüsse gegliedert. Die Ausschüsse sind dem Vereinsvorstand untergeordnet. … Absatz 4 Die Mitgliedschaft im Verein kann von jedermann erworben werden. Die Mitgliedschaft wird durch Übernahme der Verpflichtung zur regelmäßigen Leistung oder durch besondere Anzeige an den Vorstand des Vereins erworben. …135

Zur Lokalfrage wurde auf der Leitungssitzung erklärt, dass ein Büroraum von „privater Seite provisorisch“ in der Stockholmer Drottninggatan 10III zur Verfügung gestellt worden sei.136 Dabei handelte es sich um Jakob Ettlingers Residenz und Firmensitz. Doch es sollte eine permanente Lösung gefunden werden. Angestrebt wurde ein Büro mit einem Aufenthaltsraum für die Emigranten, alternativ sollte ein provisorisches Büro angemietet werden. Hollander wurde beauftragt mit der Jüdischen Gemeinde zu verhandeln, ob sie in diesen Fragen helfen könnte. Was die Wohnungsfrage für Emigranten betraf, sah sich die „E-S“ allein für zu schwach an und wollte diese Frage zusammen mit der Jüdischen Gemeinde angehen. Weiter wurde beschlossen, sich regelmäßig einen Überblick über die finanzielle Situation der „E-S“ zu verschaffen, die sich aus Beiträgen und Spenden finanzierte. In Vorbereitung des ersten großen eigenen Kulturabends am 31. Januar 1939 mit einem Vortrag von Professor Ehrenpreis wurde beschlossen, die Einführung hierzu nicht Professor Katz zu übertragen, sondern mit Dr. Baburger einem Vertreter des Vorstandes der „E-S“. Katz sollte dafür die Kulturabende im Konzerthaus am 13. und 14. Februar einleiten. Zur Jahreswende 1938/39 sah sich der Vorstand der „E-S“ mit aufkommenden antisemitischen Stimmungen im Lande konfrontiert. Bis zur Pogromnacht am 9. November 1938 war die schwedische Bevölkerung insgesamt den jüdischen Flüchtlingen bzw. Hilfesuchenden gegenüber relativ positiv eingestellt. Doch mit der ver135 Stadgar för Emigranternas Självhjälp (handschriftl. „förslag till“), Sammlung Hollander, E 1 a:1. (Rückübersetzung aus dem Schwedischen). 136 An unsere Freunde! Dezember 1938 (zweisprachig). Sammlung Jacobowsky, UUB.

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stärkten Einwanderung und dem Erstarken Hitlerdeutschlands sollte es auch in Schweden zu antisemitischen Kampagnen kommen.137 Die schwedische Regierung war sich der Flüchtlingsproblematik vor allem im Verhältnis zu Schwedens mächtigem Nachbarn im Süden bewusst. Davon zeugt nicht zuletzt das Gespräch von Außenminister Rickard Sandler gelegentlich einer Durchreise Ende Januar 1939 in Berlin mit Werner von Grundherr, seit 1934 im Auswärtigen Amt Leiter des Referats Skandinavien. Nach dem deutschen Gesprächsprotokoll versicherte Sandler, es läge nicht in der Absicht der schwedischen Regierung ein Emigrantenzentrum in Stockholm zu schaffen. Namentlich habe Schweden keinerlei „Bedarf“ an ausgewanderten „Intellektuellen“ (Schriftstellern, Redakteuren usw.). Er gab aber auch zu verstehen, dass es sich anders verhalte mit der Aufnahme von „nicht arischen Facharbeitern“ aus der „Tschechei“. Abschließend betonte der schwedische Außenminister, dass er der Pflege der Kulturverbindungen zwischen Deutschland und Schweden besonderen Wert beimesse.138 Eine vom Vorstand der „E-S“ angeratene Zurückhaltung in der Öffentlichkeit war also durchaus angebracht. Im vertraulichen Rundschreiben des Vorstandes mit Informationen über die beschlossenen Richtlinien der künftigen Arbeit wurde nochmals darauf aufmerksam gemacht, strengste Diskretion zu wahren, keine offiziellen Erklärungen abzugeben oder Namenslisten oder statistische Angaben herausgeben. Vorbeugend wurde den jüdischen Flüchtlingen allgemeine Zurückhaltung empfohlen, wobei man sich auf entsprechende Erfahrungen aus anderen Ländern stützte. Dem Informationsausschuss wurde aufgetragen, Emigranten in England um deren „Merkblatt für das Benehmen der Emigranten in England“ zu bitten. Daraus sollten dann die wichtigsten Teile nach Vorlage beim Vorstand der „E-S“ auch in Schweden unter den Emigranten verbreitet werden. Von Dr. Adler übernahm Fritz Hollander den Vorsitz bis zur nächsten Vorstandssitzung.139 Der Informationsausschuss beschaffte das „Merkblatt“, das mit entsprechenden Ratschlägen und Hinweisen in deutscher Sprache zur Zurückhaltung in jeder Beziehung ermahnte, so etwa in Unterhaltungen mit Fremden, im Benehmen oder in Kleidungsfragen. Zunächst bestand wohl die Absicht, diese „Verhaltensregeln“, ein „wirklich schwieriger und sensibler“ Text, wie Herbert Friedländer anmerkte, in schwedischer Sprache abzufassen. Es war auch zu überlegen, ob ein solcher Text unterzeichnet werden sollte; und auch mit der Jüdischen Gemeinde sollte der

137 Vgl. Koblik, The stones cry out; Levine, From indifference to activism. 138 Ausw. Amt. Pol VI Nord Staaten. Pol Beziehungen Schwedens zu Deutschland, Bd 2, Aufzeichnung, 28.1.1939 von Grundherr. Riksarkivet, Auswärtiges Amt m. fl. Kopior, Bd. 79 139 Protokoll, 25.1.1939, Sammlung Hollander, E 1 a:1.

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Text abgesprochen werden.140 Schließlich lag er in deutscher Sprache vor, gedruckt auf einer kleinen Karte und ohne Unterschrift: Hinweise für Emigranten Denke stets daran, dass Du hier Gastrecht genießt. Beachte strikt alle behördlichen Vorschriften. Kritisiere nicht die schwedischen Verhältnisse und Sitten. Lerne sofort Schwedisch. Vermeide es, durch lautes Deutschsprechen in der Öffentlichkeit aufzufallen. Politisiere nicht auf der Straße, in Lokalen und besonders nicht vor Zeitungsaushängen. Sei zurückhaltend in Unterhaltungen mit Fremden. Sei höflich. Vermeide auffälliges Benehmen und auffällige Kleidung. Vermeidet es, in der Öffentlichkeit gruppenweise aufzutreten. Vergiss nicht, dass all Dein Tun und Handeln im Licht der Öffentlichkeit vielfach vergrößert erscheint, und dass Du Dich deshalb ständig bemühen sollst, alles zu unterlassen, was Dir und allen anderen Emigranten zum Nachteil ausgelegt werden kann.141

Abb. 6: Hinweise für Emigranten (Format A 6) (Privat)

Im Februar 1939 war auf der Zusammenkunft des schwedischen Reichstages der Ton der Debatte zur Flüchtlingspolitik schärfer als im Mai 1937. Schon als damals das neue Ausländergesetz verabschiedet worden war, hatte es Bedenken gegen eine möglicherweise zu generöse Flüchtlingspolitik gegeben. Nun versuchte die 140 Vgl. Brief von Friedländer an Baburger, 22.1.1939, Sammlung Friedländer. 141 Hinweise für Emigranten, o. D., Sammlung Jacobowsky.

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Regierung, die Flüchtlingsfrage herunterzuspielen und deutliche Aussagen zu vermeiden. Das veranlasste den Reichstagsabgeordneten Hilding Hagberg, Politbüromitglied der Schwedischen Kommunistischen Partei, der auch 1935 am VII. Weltkongress der Komintern in Moskau teilgenommen hatte, zu einem scharfen Kommentar in der zweiten Kammer des Reichstages. Er klagte an, dass sich die Regierung nun einer Auffassung angeschlossen hätte, die sich gegen die Flüchtlinge richtete, nämlich zu unterscheiden zwischen politischen Flüchtlingen und rassisch Verfolgten. In der Debatte zeigte sich auch, dass allen klar war, dass Außenminister Sandler für Schweden die Rolle eines neutralen Staates und möglichen Friedensstifters in Europa bewahren wolle und deshalb vermied, den deutschen Antisemitismus öffentlich zu verurteilen.142 Die Leder- und Häutehandlung AB Baltiska Skinnkompaniet hatte 1938 ein außerordentlich schlechtes Geschäftsjahr erlebt. Das galt vor allem für das europäische Geschäft, denn als jüdische Firma war sie in ganz Mitteleuropa behindert. Dazu kam die allgemeine politische Unsicherheit. In dieser komplizierten Zeit stand ihr der dreiundzwanzigjährige Fritz Hollander vor. Er war zusammen mit seinen Geschwistern Erbe der Firma. Mit seinem Bruder Hermann in den USA und Schwester Hilde in Palästina, vertreten durch ihren Mann, war Übereinkunft erzielt worden, dass Fritz Hollander in Stockholm die gemeinsamen Interessen vertreten würde. Als Direktor des Hollander-Handelshauses sowie Aufsichtsratsmitglied der Hollander-Filialen in einer Vielzahl von Ländern trug er eine große Verantwortung, der er sich durchaus bewusst war. Um die beschwerliche wirtschaftliche Situation zu diskutieren, trafen sich die drei Männer im Frühjahr 1939 in New York. Nach einer ernsten Diskussion, ob das Europa-Geschäft überhaupt weitergeführt werden sollte, entschied man letztendlich positiv. Das Hauptargument dafür war, dass das Geschäft direkt oder indirekt zur Basis vieler Existenzen geworden sei. In einem vertraulichen Brief wurden die Direktoren der HollanderFirmen im März 1939 beschworen, gemeinsam äußerste Anstrengungen zu unternehmen und auch Opfer zu bringen, um durch diese schwierige Krisenzeit zu kommen.143

1.11 Die Kulturarbeit der Emigranten-Selbsthilfe bis zum Ausbruch des Krieges Den Auftakt der Kulturarbeit der „E-S“ gab der Vortrag des Stockholmer Oberrabbiners Marcus Ehrenpreis am 31. Januar 1939 im Versammlungssaal der Jüdischen 142 Riksdagens protokoll. Andra kammaren 1939: 12, S. 52–55. 143 Vertraulich, an die Direktoren, 30.3.1939. Sammlung Hollander, E 1 a:3.

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Gemeinde. Ehrenpreis sprach über „Die Judenaustreibung aus Spanien 1492“ und zog dabei Parallelen zur aktuellen Situation. Im Anschluss wurde zu einem kleinen Tee-Empfang geladen. Der Beschluss des „E-S“-Vorstands vom 25. Januar 1939, nicht, wie ursprünglich vorgesehen, David Katz, sondern Ernst Baburger als Vertreter der Vorstandes diese erste öffentliche Veranstaltung der Emigranten-Selbsthilfe einleiten zu lassen, sollte ein Nachspiel haben. Katz legte den Vorsitz im Kulturausschuss nieder und zog sich aus der Arbeit der „E-S“ zurück.144 Von nun an leitete Steinitz den Kulturausschuss. Als zweite Veranstaltung der „E-S“ folgte am 13. und 14. Februar im Kleinen Saal von Stockholms Konzerthaus das Kulturprogramm „Lessing und die Juden“.145

Abb. 7: Aus dem Programm des Kulturabends (13./14. Februar 1939) (Privat)

144 E-S (Vorstand) an Katz, 10.2.1939, Sammlung Hollander, E 1 a:1. 145 Hoffmann & Trepte, Kunst und Literatur, S. 400–401. Trepte nennt diesen Abend den „ersten Theaterabend der deutschen Emigration in Stockholm“, doch erwähnt keinen Veranstalter, wohl aber die Mitwirkung von „Mitgliedern der schwedisch-jüdischen Jugendvereinigung ‚Zeire Misrachi‘, unter denen sich auch Emigranten befanden“.

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Mit dieser Veranstaltung bezogen die Emigranten Stellung gegen Stimmen im Lande, die glauben machen wollten, dass der Antisemitismus der Nazis ein dem ganzen deutschen Volk eigener Wesenszug sei. Deshalb wurde das Programm zu Gotthold Ephraim Lessing, dem bekanntesten Schriftsteller der Aufklärung, durch einen zeitgenössischen deutschen Dichter ergänzt, den hochgeschätzten deutschsprachigen Autor Stefan Zweig, der als jüdischer Autor ins Exil getrieben worden war. Seine deutschen Schriften erschienen nach dem „Anschluss Österreichs“ in Stockholm im Verlag Bermann-Fischer, der sich hier mit Unterstützung des Verlagshauses Bonnier etablieren konnte.146 Das Kulturprogramm leitete der Vortrag „Lessing und die Juden“ von Erich Landsberg ein, der die mutige Haltung Lessings in seinem Kampf gegen den Antisemitismus und dessen damalige Verfechter hervorhob. Dem folgte die Aufführung der Ringparabel aus „Nathan der Weise“ mit Hermann Greid als Nathan und Curt Trepte als Sultan Saladin. Ein Sprechchor aus „Jeremias“ von Stefan Zweig wurde von Greid und Mitgliedern des Jugendvereins Zeire Misrachi in deutscher Sprache gestaltet. Die Jugendlichen stammten fasst alle aus einflussreichen Stockholmer jüdisch-orthodoxen Familien. Neben Camilla Hollander und Joseph Ettlinger finden wir hier Dorit und Alfred Tarschis, die Kinder des Großhändlers Moritz (Mauritz) Tarschis, der zu den frühen Führungspersönlichkeiten der schwedischen Zionisten zählt, sowie Manfred147 und Gabriel Lehmann, die Söhne von Hans Lehmann, Großhandelsunternehmer und Retter der Hamburger Synagoge in der Heinrich-Barth-Straße, die schließlich zur orthodoxen Synagoge Adat Jeschurun werden sollte.148 Am besagten Abend wurden von Hertha Fischer und Hans Holewa auch Musikstücke von Bach und Mozart dargebracht. Den Abschluss bildete Lessings Einakter „Die Juden“ in schwedischer Sprache, gespielt von den Jugendlichen aus Zeire Misrachi.149 Mit der Programmauswahl sollte noch einmal unterstrichen werden, welche anderen Einstellungen zur Judenfrage in Deutschland vorhanden wären. Karten für die „E-S“-Kulturabende waren über Karo Salomon (c/o Ettlinger) und Camilla Hollander in unterschiedlichen Preisklassen zu haben, von 1 Krone bis zu 5:50. Auf den Eintrittskarten, deren Text schwedisch abgefasst war, wurde der Zweck deutlich, „zugunsten der Emigranten-Selbsthilfe“ („till förmån för Emigranternas Självhjälp“). Als Veranstalter 146 Nawrocka, Irene, Gottfried Berman Fischer. 147 Manfred Raphael Lehmann, geboren in Stockholm, 1929 Besuch der Talmud Torah Oberrealschule in Hamburg, April 1933 über Kopenhagen nach Stockholm; 1940 Emigration in die USA. Gabriel (ben-Chajim) ging mit seiner Frau Mirjam, geb. Abel, nach Palästina. 148 Hultmann, Between Marginality and Multiplicity, S. 266; Hultman, Die Synagoge in der Heinrich-Barth-Straße. 149 Neben Greid als Baron spielten Dorit Tarschis, Manfred Lehmann, Alfred Tarschis, Camilla Hollander, Gabriel Lehmann und Joseph Ettlinger. Siehe auch Hoffmann/Trepte, Kunst und Literatur, S. 400–401.

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wurden neben der „E-S“ genannt: Judiska Klubben, Zeire Misrachi, Judiska Studentklubben und der Sportverein I. K. Makkabi. Das Programm-Heft vermerkte als Sponsoren STERLING, Radio- & Grammofoncentralen; den Flügel hatte Ohlssons Pianomagasin bereitgestellt, die Perücken für die Schauspieler Carl M. Lundh.150 Am 25. Februar 1939 lud die „E-S“ zu einem Vortrag des aus Göteborg angereisten Professor Ernst Cassirer über „Kant und Rousseau“ in den Gemeindesaal der Jüdischen Gemeinde ein, ein Lokal, das die Gemeinde in Zukunft kostenlos für alle größere Vortragsabende und Konzerte der „E-S“ zur Verfügung stellte. Die Einladung war zweisprachig, der Eintritt frei.151 Der Referent wurde von Steinitz als einer der „hervorragendsten Vertreter der geistigen Emigration“ vorgestellt. Wissenschaftler wie er würden das kulturelle Leben ihres Gastlandes bereichern und keinem eine Stellung wegnehmen. Das müsse man gerade jetzt „beim Kampf gegen den sogenannten Intellektuellenimport“ hervorheben.152 Damit nahm Steinitz Bezug auf Proteste von schwedischen Ärzten und der Studentenschaft einiger Universitäten gegen die Aufnahme von sieben jüdischen Medizinern in Schweden. Steinitz betonte auch, dass sich die Kulturarbeit der „E-S“ nicht als eine „abstrakte, rein kulturelle Tätigkeit, losgelöst von unserer gegenwärtigen Situation“ verstand, sondern es ihr um die „Pflege des Kulturellen“ ginge, darum, „Ewigkeitswerte der Menschheit mit dem Aktuellen zu verbinden“. Diesem Gedanken seien die bisherigen Veranstaltungen der „E-S“ verpflichtet gewesen, resümierte Steinitz. Auf dem ersten „E-S“ Abend hätte Professor Ehrenpreis in seinem Vortrag über die Vertreibung der Juden Parallelen mit den heutigen Ereignissen gezogen, der folgende Lessing-Abend die Einstellung von großen Deutschen zur Judenfrage behandelt und mit Cassirers Vortrag zu Kant und Rousseau würden nun „typische und hervorragende Vertreter ihrer Nationen“ vorgestellt, und zwar „der beiden Nationen, von deren Verhältnis zueinander wahrscheinlich in der nächsten Zukunft das Schicksal Europas abhängen“ werde. „Die Kräfte der Menschlichkeit, des Kampfes für Fortschritt auch in dunkelster Zeit, die von diesen beiden Männern symbolisiert werden und die das wahre Deutschland, nicht das des heute herrschenden Systems, und das wahre Frankreich der Menschenrechte darstellen, sind es wert“, so Steinitz, „dass auch wir Emigranten, gerade in unserer Situation, uns mit ihnen beschäftigen.“ Aktuell hätte sich eine weitere Aktualität ergeben. In Hitlerdeutschland versuchte man, Kant und Rousseau für den Nationalsozialismus und einen hasserfüllten Rassismus zu vereinnahmen, was Steinitz als „geradezu grotesk“ zu-

150 Programm Kulturafton; Eintrittskarten. 151 Kant und Rousseau (zweisprachige Einladung). 152 Redemanuskript Steinitz, BBWA, NL Steinitz, Nachtrag Schweden (9).

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rückwies. Solche Versuche dürften von der kulturellen Emigration nicht unwidersprochen bleiben.153 Im Monat März organisierte die „E-S“ einen Lichtbildervortrag über „Wissenschaft und Rassenlehre“ im Saal des Birkagården.154 Wie von Steinitz angedacht, entwickelte der Vortragende Dr. Paul Leser daraus später eine Arbeitsgemeinschaft über Rassenforschung. Für deren Diskussionsabende – beginnend am 2. Mai – stellte die Jüdische Gemeinde wiederum Schulräume zur Verfügung. Ebenfalls dort fanden donnerstags Übungsstunden des Chors unter Leitung von Hans Holewa statt.155 Ein Ausdruck des Willens zur Zusammenarbeit mit anderen Organisationen war die gegenseitige Information und Bewerbung von Veranstaltungen. So wiesen auf Initiative von Herbert Friedländer die Mitteilungen der „E-S“ vom März auf den Kafka-Abend von Judiska Studentklubben am 16. des Monats im Gemeindesaal hin. Dort würde Dr. Hans Joachim Schoeps über „Franz Kafka – ein jüdischer Dichter heutiger Zeit“ sprechen.156 Als Nationalkonservativer hatte Schoeps sich ursprünglich der konservativen Revolution verbunden gefühlt und nach 1933 versucht, nationalgesinnte Juden in den Nationalsozialismus zu integrieren. Doch seine Versuche misslangen; auch beruflich konnte er nicht Fuß fassen. Durch seine politischen Kontakte hatte er in Deutschland aber das Interesse der Gestapo auf sich gezogen. Ende 1938 war ihm gerade noch die Flucht nach Schweden gelungen, wo er es aufgrund seiner deutsch-nationalen Einstellung unter den politischen Emigranten auch nicht leicht haben sollte.157 Im „E-S“ Mitteilungsblatt wurde auch die Veranstaltung der deutschen Lehreremigranten Stockholm im A. B. F.-huset (ABF: Arbetarnas Bildningsförbund) mit einer Diskussion zum Thema „Judentum und Arbeiterschaft“ beworben, die anlässlich der Aufführung des Sprechchors aus Stefan Zweigs „Jeremias“ stattfand. Ab März arbeitete auf Vermittlung von Wolfgang Steinitz auch Hans-Jürgen Cohn-Peters bei der „E-S“, und zwar im Beratungsausschuss, dessen Büro in der Kungsgatan 54 (3 Treppen) lag. Die Räumlichkeiten waren von A.-B. KAHN & KAHN, Generalagentur der Zigarettenmarke SIMON ARZT, kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Sprechzeiten waren montags bis donnerstags vom 19.00 bis 20.00; ein bis zweimal in der Woche war Cohn-Peters hier Ansprechpartner.158

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Ebenda. Mitteilungen (o. D.). Mitteilungen des Kulturausschusses der Emigranten Selbsthilfe (1939). Mitteilungen (o. D.). Schoeps, Leben in schwierigen Verhältnissen. Verhör mit Cohn-Peters, 18.12.1939, RA, Säpo, P 1445.

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Abb. 8: Beitrittserklärung (Privat)

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Abb. 9: Mitteilungen des Kulturausschusses (April 1939) (Privat)

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Aus Anlass des 60. Geburtstages von Albert Einstein lud die Emigranten-Selbsthilfe am 1. April zu einem Festvortrag in den Saal der Jüdischen Gemeinde ein. Als Redner hatte Steinitz Professor Oskar Klein mit dem Vortrag „Einstein als Wissenschaftler und Mensch“ gewonnen. Wie schon Tradition in der „E-S“ wurde der Vortrag musikalisch begleitet (Sonate f-dur für Violine und Klavier von Händel), und es schloss sich ein Teetisch an. Der Eintritt war frei. Im selben Monat folgten im Saal der Jüdischen Gemeinde Konzertabende mit Werken von Bach, Mozart, Beethoven, Mahler, Debussy, Dohnanyi, Respighi und Hans Holewa. Letzterer hatte dafür eine Kantate für Bariton, obligate Violine, Klavier und drei Frauenstimmen komponiert. Die Preise für die Eintrittskarten lagen zwischen 0:55 und 2:75 Kronen, was durchaus der Bandbreite der erwarteten Gäste entsprach.159 Im April 1939 kam es in Schweden auf Initiative von Wolfgang Steinitz und anderen zur Bildung eines Heinrich-Mann-Kreises.160 Ausgangspunkt dieser Initiative war die wenige Wochen zuvor erfolgte Gründung eines Aktionsausschusses Deutscher Oppositioneller in Paris, dessen Ehrenvorsitzender Heinrich Mann die schwedische Initiative begrüßte.161 Dem losen Zusammenschluss in Schweden gehörten etwa dreißig Personen an, darunter Hans-Jürgen Cohn-Peters, der dem Kreis auch vorstand, sowie Ernst Emsheimer, Hermann Greid und Fritz Steckel als Sekretär.162 Die seit ihrer Berliner Studienzeit miteinander bekannten, inzwischen promovierten Physiker Steckel und Cohn-Peters verband ein ähnliches Schicksal. Beide waren in Deutschland rassisch verfolgt und aus der Sowjetunion ausgewiesen. Steckel war dem früheren Studienkameraden nach Schweden gefolgt, wo er im Februar 1939 eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis sowie eine Anstellung am Nobel-Institut erhalten hatte.163 Der Heinrich-Mann-Kreis war nur von kurzer Lebensdauer, fand aber eine Fortsetzung im Schutzverband deutscher Schriftsteller, der sich bis April 1940 regelmäßig traf. Im Rahmen der Kulturarbeit der „E-S“ hielt Professor Walter A. Berendsohn, damals noch wohnhaft in Kopenhagen, am 29. April 1939 im Gemeindesaal der Jüdischen Gemeinde vor 250 Zuhörern einen Vortrag über Thomas und Heinrich

159 Mitteilungen des Kulturausschusses der Emigranten Selbsthilfe (n. d.). Am Konzertabend wirkten neben Holewa weiter mit Trude Adler, Jenny Cohen, Hans und Lilli Eppstein, Hertha Fischer, Hede Köller, Maria Spilga, Walter Stein, Julius Tarschis und Johannes Velden. 160 Dünzelmann, Stockholmer Spaziergänge, S. 209. 161 Heinrich Mann an Gustavsson (i. e. Wolfgang Steinitz), 23.6.1939. Abgedruckt in Peters, Exilland Schweden, S. 203–204. 162 Peters, Exilland Schweden, S. 114. 163 Steckel, RA, Säpo P 1863. Vermittelt durch Professor Wilhelm Palmær, Initiator der Freundschaftsgesellschaft Schweden-Sowjetunion (Sällskapet för främjande av kulturella och ekonomiska förbindelser mellan Sverige och Sovjetunionen, 1935).

1.11 Die Kulturarbeit der Emigranten-Selbsthilfe bis zum Ausbruch des Krieges 

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Mann.164 Mit Berendsohn hatte Steinitz die Vorträge in Stockholm noch vor Bildung der „E-S“ vereinbart, darunter den Vortrag „Querschnitt durch die deutsche Emigrantenliteratur“. Berendsohn verfügte in Stockholm über viele Kontakte, darunter auch zu Märta Jacobowsky vom 1935 gebildeten sozialen Hilfskomitee der Quäker (Vännernas Samfund i Sverige sociala Hjälpkommitté), welches sie auch im Zentralkomitee für Flüchtlingshilfe vertrat, und mit Greta Lamm, der Gattin von Martin Lamm, von der 1915 gebildeten internationalen feministischen Friedensorganisation Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (Kvinnornas internationella liga för fred och frihet). Berendsohn, der von Steinitz über die kulturelle Arbeit unter den Emigranten in Stockholm auf dem Laufenden gehalten worden war, schrieb Ende Januar 1939, wie sehr es ihn freue, dass in Stockholm unter den Emigranten so rege Arbeit geleistet werde. Was seinen Vortrag in Stockholm über „Thomas und Heinrich Mann“ betraf, wollte er Steinitz gern von einem stärker politischen Thema überzeugen, eventuell zum Thema „Deutschland und Europa“.165 Doch Steinitz wollte als Vertreter der „E-S“ Rücksicht auf den unpolitischen Charakter der Kulturabende nehmen, auch wenn er selbst wohl einen stärkeren politischen Einschlag vorgezogen hätte. Über Berendsohn versuchte Steinitz dafür Verbindung zu antinazistischen Gruppen in Skandinavien herzustellen, so zum Beispiel mit dem Schriftsteller Werner Türk, der in Norwegen Zuflucht und Arbeit gefunden hatte und dessen antinazistischer Roman „Kleiner Mann in Uniform“ 1934 auch in Schweden in der Übersetzung des Schriftstellers und späteren Nobelpreisträgers (1974) Eyvind Johnson unter dem Titel „Gatan fri: En roman om hur Tyskland blev nazistiskt“ [Die Straße frei: Ein Roman darüber, wie Deutschland nazistisch wurde] in dem der sozialdemokratischen Partei nahestehenden Verlag Tiden erschienen war. Zu weiteren politischen Emigranten, mit denen Steinitz in Kontakt treten wollte, fehlte Berendsohn aber die „Fühlung“, was er sowohl mit seinem Wohnsitz außerhalb der Stadt als auch mit seiner Arbeitsbelastung entschuldigte.166 Als Berendsohn im April in Stockholm einen Vortrag für die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit hielt, machte sich ein Gestapo-Spitzel an ihn heran, was für Berendsohn und anderen in seiner Umgebung negative Folgen hatte, darunter für Berendsohn die Ablehnung weiterer Reisen nach Schweden.167 Zu einem Höhepunkt aller bisherigen Veranstaltungen der Stockholmer Emigration wurde die „Maifeier der Emigranten und ihrer schwedischen Freunde“, zu 164 Nach Mitteilungen der Emigranten-Selbsthilfe. 165 Steinitz an Berendsohn, 24.1.1939; Berendsohn an Steinitz, 28.1.1939, BBWA, NL Steinitz, 40 Bd. 1. 166 Berendsohn an Steinitz, 11.2.1939; 20.3.1939, BBWA, NL Steinitz, 40 Bd. 1. 167 BArch, ZA VI 3502 A3, S. 20.

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der am 1. Mai 1939 in den Birkagården geladen wurde.168 Aus der Einladung geht nicht hervor, wer eingeladen hatte. Tomas Hammar, der die Feier in der Biographie über seine Eltern Gillis och Lisa Hammar beschreibt, nennt als Veranstalter einen „deutschen Kulturverein, der vor dem Krieg Emigranten unabhängig von Parteifarbe oder Religion in Schweden sammelte“. Sein Vater, Gillis Hammar, sei einer der Veranstalter gewesen. Unter den 350 Teilnehmern hätten sich sowohl Kommunisten als auch Sozialdemokraten sowie Liberale befunden. 169 Auf dem Programm standen Mozart und Beethoven sowie Rezitationen von Goethe (Prometheus) und Erwin Wolf (Die Juden) nebst Schillers Ode „An die Freude“ als Sprechchor mit Klavierbegleitung. Doch auch die Lieder „Die Moorsoldaten“, welches 1933 von antinazistischen Häftlingen im Konzentrationslager Börgermoor im Emsland, Niedersachsen geschrieben worden war, und das „Solidaritätslied“, ein revolutionäres Arbeiterlied von Bertolt Brecht und Hanns Eisler, wurden vorgetragen.170 Am Kulturprogramm wirkten neben anderen Hertha Fischer und Hans Holewa sowie Hermann Greid mit. Greid trat zusammen mit dem Sprechchor „Junge Stimmen“ (Unga Röster) auf, der sich aus „interessierten sozialdemokratischen Jugendlichen“ zusammensetzte. Greid sollte dieses von ihm gegründete Ensemble über mehrere Jahre leiten. Zum Auftritt am 1. Mai berichtete die Zeitung SocialDemokraten am darauffolgenden Tag begeistert: „‚Junge Stimmen‘ in blauen Blusen unter der Leitung von Hermann Greid trugen das Gedicht ‚Der 1. Mai‘ des schwedischen linksgerichteten Schriftstellers und Journalisten Ture Nerman vor. Es war ein starker Beitrag. Wer sich die Zeit nahm, während dieser Minuten die Zuschauer zu studieren, konnte sehen, dass auch ein schwedisches Publikum auf einer Massenveranstaltung gepackt werden und intensiv miterleben kann.“171

Der KPD-Führer Josef „Willi“ Wagner, der zu dieser Zeit als anerkannter politischer Flüchtling in Stockholm lebte und an der Maifeier teilgenommen hatte, lobte diese in einem Brief an Greid als „glückliche Vermählung“ von Kunst und Politik; diese Veranstaltung habe sicher „manchen Emigranten aus der latenten Depression herausgerissen“.172 Für die von der KPD in Paris herausgegebene Deutsche Volkszeitung war die Mai-Feier Anlass, erstmalig überhaupt über die „Kulturarbeit der deutschen Emigration in Schweden“ zu berichten. Wenn hier von einer starken Belebung der kulturellen und gesellschaftlichen Tätigkeit die 168 Müssener, Exil in Schweden, S. 197–198. 169 Hammar, T., Glöm inte vårt uppdrag!, S. 212. Ende Mai 1944 sollte in Birkagården auch der erste landesweite Kongress des Freien Deutschen Kulturbundes (FDKB) stattfinden, in dem sich auch „E-S“ Aktive organisierten. 170 Einladung. 171 Nach: Hoffmann & Trepte, Kunst und Literatur, S. 399 (Social-Demokraten, 2.5.1939). 172 Nach: Müssener, Deutschsprachige Theater, S. 392.

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Rede war, bezog sich das ausschließlich auf Veranstaltungen der EmigrantenSelbsthilfe, ohne diese jedoch namentlich zu nennen. Im Bericht, der in der Form eines Leserbriefes „aus dem Stockholmer Raum“ gehalten war, würdigte ein „begeisterter Besucher“ der Maifeier diese als einen „Höhepunkt aller bisherigen Veranstaltungen der Stockholmer Emigration“. Sie sei „zwar noch nicht eine gemeinsam von den verschiedenen Emigrations-Organen einberufene Feier“ gewesen, doch hätte sie gezeigt, „wie groß die Sehnsucht nach einem Zusammengehen auch in Stockholm geworden“ sei.173 Auf der Vorstandssitzung der „E-S“ am 17. Mai 1939 stand erneut das Statut im Mittelpunkt. Die Sitzung leitete Dr. Baburger, das Protokoll führte Fritz Hollander. Weitere Teilnehmer waren Direktor Ullman, Dr. Adler, Dr. Steinitz, Direktor Korngold, Redakteur Levy, Frau Camilla Hollander. Der Vorschlag des Redaktionskomitees zum Statut wurde weitestgehend angenommen. Baburger machte nochmals deutlich, dass das Statut provisorisch sei. Es müsse noch die Zustimmung des Vorstands der Jüdischen Gemeinde finden. Der aktuelle Vorschlagstext sollte deshalb an deren Vorsitzenden Direktor Josephson, den Kämmerer Advokat Grünberger und Professor Erik Wolff gesendet werden. Ein vom Werbeausschuss unter Redakteur Lewy erarbeitetes Werberundschreiben wurde im Prinzip angenommen und dessen endgültige Formulierung dem Redaktionskomitee, bestehend aus Direktor Ullman, Redakteur Lewy, und Dr. Adler, übertragen. Beschlossen wurde weiterhin, dem Beratungsausschuss prinzipiell zu gestatten, bei Bedarf Unterhandlungen mit anderen Komitees zu führen. Gleichzeitig wurde bestimmt, dass Dr. Cohn-Peters, der Schwager von Steinitz war inzwischen mit Hollanders freundschaftlich verbunden, einen ständigen Kontakt mit dem Gemeindekomitee aufrechterhalten sollte. Die Direktoren Korngold und Pinkus wurden beauftragt, die Möglichkeit des Ausbaus der Spendenaktion über den Blumenhandel La Fleuriste (Malmtorgsgatan 6) zu Gunsten der „E-S“ zu untersuchen und auf der nächsten Sitzung einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Aus den aktuellen Sondereinnahmen dieser sogenannten Blumenablösung wurden 60 Kronen für den Beratungsausschuss bewilligt, die für intellektuelle Flüchtlinge verwendet werden sollten. Vom Vorstand wurde aufgrund einer Beschwerde klargestellt, „dass den Wünschen unserer Freunde strikt Folge geleistet“ werden müsse, „falls diese keinerlei Mitteilungen ins Kontor oder sonst schriftlich zugesandt erhalten wollen“. Auch habe niemand das Recht, sich am Telefon als „E-S“ zu melden. Beschlossen wurde weiterhin, fortan Judisk Tidskrift zu abonnieren, die mit weiteren gestifteten Zeitungen künftig im Vorraum des Beratungsausschusses ausgelegt werden würde. Anlässlich der Feier des 70. Geburtstages von Professor Ehrenpreis wurde vom Vorstand ein Rundschreiben mit der Aufforderung vorbereitet, sich an der Ehrung verschie173 Deutsche Volkszeitung 1939-05-21.

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dener Organisationen und Privatleute durch Zeichnung einer Baumspende für den „Ehrenpreis-Wald“ in Palästina zu beteiligen. Als Organisation würde die „ES“ einen eigenen Baum spenden und eine Grußadresse an Ehrenpreis überreichen.174 Als wenig später der gemeinsame Aufruf für die Zeichnung einer Baumspende verschickt wurde, zeichneten die Vereine durch ihre Vorsitzenden, etwa Ez Chaim durch Moritz Pinkus, Judiska Studentklubben durch Herbert Friedländer, WIZO durch Ella Masur, Zeire Misrachi durch Fritz Hollander und Zionistischer Bund durch Hugo Valentin; bei Emigranternas Självhjälp blieb diese Stelle offen. Politische Diskussionen wurden in der „E-S“ auch im Vorstand vermieden, zumindest, wenn man den Protokollen folgt. Dies galt auch für das von den Briten konzipierten Weißbuch vom 17. Mai 1939 zu Palästina. Die britischen Mandatsmacht setzte hier offenbar unbeeindruckt von der komplizierten Lage der Juden in Europa, darauf, die Araber vor dem heraufziehenden Weltkrieg auf die britische Seite zu ziehen. Zionistischen Stiftungen war es nun untersagt, Land in Palästina zu kaufen und die jüdische Einwanderung wurde erheblich eingeschränkt. Solche Fragen wurden in Judisk Krönika diskutiert, aber von der „E-S“ ferngehalten.175 Die „E-S“-Kulturarbeit lief bis zur Sommerpause 1939 planmäßig. Wie ursprünglich vom Kulturausschuss angedacht, fanden auch Führungen statt, so an Freitagvormittagen in der Nationalgalerie im Frühjahr 1939 unter Leitung von Lotte Laserstein. Die getaufte und assimilierte Jüdin Laserstein hatte in der Weimarer Republik als eine der ersten Malerinnen eine akademische Kunstausbildung in Berlin erhalten. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ab 1933 zunehmend aus dem Kulturbetrieb verdrängt, emigrierte sie 1937 nach Schweden, wo sie sich eine neue Existenz als Malerin aufbaute und ihren Lebensunterhalt durch Auftragsportraits bestreiten konnte.176 Im Mai 1939 organisierte die „E-S“ Führungen durch die Abteilung für die Vorgeschichte Schwedens im Nationalmuseum – Eintritt frei. Kunstgewerbliche und handwerkliche Arbeiten von Emigranten wurden im selben Monat im Saal der Jüdischen Gemeinde ausgestellt. Auf der „E-S“ Veranstaltung am 1. Juni sprach Dr. Ari Wohlgemut, Studienrat am Jüdischen Realgymnasium in Riga, über „Uriel da Costa und das Toleranzproblem im Judentum“ (Eintritt 0,50).177

174 Protokoll ES-Vorstandssitzung, 17.5.1939 (F. Hollander). Hier irrtümlich immer „Redakteur Levy“. 175 Zum Beispiel in: Judisk Krönika 6 (1939) 8, S. 81–84. 176 Gedenktafel für Lotte Laserstein in der Jenaer Straße in Berlin. 177 Mitteilungen der Emigranten-Selbsthilfe. In den Laserstein-Ausstellungen 2004 in Berlin (mit umfangreichem Katalog) sowie 2006 im Jüdischen Museum Stockholm und in Bror Hjorths Hus in Uppsala sowie in Malmö (2023) wurde die Emigranten-Selbsthilfe bzw. Lasersteins Engagement in ihr erwähnt.

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In der Emigranten-Selbsthilfe nahm die Arbeit mit Jugendlichen einen festen Platz ein. Besonders engagierte sich hier Fritz Hollander, der in der „E-S“ für eine breite Zusammenarbeit der gesamten jüdischen Jugend stand. Als Präsident der von ihm gegründeten jüdischen linken orthodoxen Jugendorganisation Zeire Misrachi hielt er auf dem Festakt zu ihrem fünften Jahrestag am 4. Februar 1939 die Eröffnungsrede im großen Saal der Jüdischen Gemeinde. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Palästina für das jüdische Volk auf der Grundlage der jüdischen Doktrin“. Hollander betonte in seiner Rede das Streben der Organisation nach einer Zusammenarbeit mit der gesamten jüdischen Jugend. Entsprechend waren zum Festakt Vertreter der verschiedenen Richtungen innerhalb der Gemeinde eingeladen worden, sich zur Frage „Jüdische Jugend – wohin?“ zu äußern. Auch Herbert Friedländer war unter den Diskutanten; am Kulturprogramm wirkte Hermann Greid mit. Nach Einschätzung von Judisk Krönika hatte diese Feierstunde ein gutes Bild von der Arbeitsfähigkeit und der Kraft der zionistisch-religiösen Jugend vermittelt.178 In der „E-S“ verfolgte Fritz Hollander eine ebensolche Politik. Anfang 1939 hatte er sich dafür eingesetzt, „für die jugendlichen Emigranten, insbesondere die in letzter Zeit angekommenen, eigene Veranstaltungen zu organisieren, und die jugendlichen Emigranten mit Mitgliedern schwedischer Jugendvereinigungen zusammen zu bringen“. Dafür sammelte die „E-S“ im Februar in Verbindung mit der Einladung zu Cassirers Vortrag Adressen von Jugendlichen (mit Altersangabe), die an derartigen Zusammenkünften Interesse hätten. Im Juni 1939 arbeiteten in der „E-S“ sieben Jugendgruppen, davon fünf im Alter von 12 bis 17 Jahre und zwei ältere Gruppen. Unter den Jugendlichen waren zionistische und antizionistische, religiöse und nichtreligiöse Auffassungen vertreten. Hollander legte hier Wert auf eine „neutrale“ Arbeit; für alle Auffassungen in der Jugendgruppe wie in der „E-S“ sollte Raum sein. Dabei stützte Hollander sich auch auf die Gedanken der „deutschen Jugendbewegung“, die in der Zwischenkriegszeit gerade in Form der „Wandervogelbewegung“ als „typisch“ deutsche Organisation auch auf deutsch-jüdische Jugendliche eine große Anziehungskraft ausgeübt und eine Vorbildfunktion eingenommen hatte.179 Aktuell sah Hollander es als wichtige Aufgabe an, den Jugendlichen gerade solche Kenntnisse zu vermitteln, die an den deutschen Schulen vernachlässigt oder verzerrt gelehrt wurden. Das betraf besonders die Geschichte der letzten 150 Jahre, die in den „E-S“- Gruppen auf Wunsch der Jugendlichen unterrichtet wurde. Ferner las man skandinavische Literatur, so den norwegischen Dramatiker Henrik Ibsen und die schwedische Schriftstellerin Selma Lagerlöf, die 1909 als erste Frau den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte. Für diejenigen, die bald weiteremigrieren wollten, wurde auf sein 178 Fem år Zeire Misrachi, Judisk Krönika 4 (1939) 8, S. 63–64. 179 Cox, Circles of resistance, S. 15–23.

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Anraten neben dem Studium schwedischer Verhältnisse bzw. schwedischer Geschichte bereits mit der Vermittlung der Geschichte der künftigen Zielländer begonnen.180 Mit diesen Auffassungen zur Jugendarbeit geriet Hollander in eine damals heftig geführte Kontroverse über die Identitätsausbildung jüdischer Flüchtlingskinder. Nachdem der namhafte Wirtschaftshistoriker Professor Eli Heckscher, der als jüdischer Antizionist eine praktisch orientierte Flüchtlingshilfe unterstützte,181 ein Manuskript über Einwanderung und Nationalismus in weiten Kreisen hatte kursieren lassen, kam es zwischen Heckscher und dem Vorsitzenden des Schwedischen Zionistischen Bundes Hugo Valentin zu einer vielbeachteten Diskussion.182 Valentin hielt eine Assimilation für nicht wünschenswert und vor allem auch für nicht möglich, denn der Antisemitismus wäre in der sogenannten Mehrheitsgesellschaft etabliert und fest verankert. Sein Engagement für den Zionismus und gegen die Judenverfolgung in Deutschland hatte ihn dem bedeutend jüngeren Fritz Hollander nahegebracht, der ihm als Beitrag zur Debatte seine Erfahrungen in der Arbeit mit Jugendlichen schilderte.183 Für den Sommer 1939 hatte Steinitz für die Kulturarbeit bereits weitgehende Pläne. Zunächst veranstaltete die von ihm initiierte Sektion Skandinavien des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller am 4. Juli 1939 eine Feier anlässlich des 70. Geburtstages des dänischen Schriftstellers Martin Andersen-Nexö unter Mitwirkung von Bert Brecht und Hermann Greid. Steinitz weitere Pläne waren verbunden mit dem für den 3. bis 7. September 1939 in Stockholm geplanten XVII. Kongress des internationalen PEN.184 Vom Verlag Bermann-Fischer hatte er erfahren, dass auch Stefan Zweig zum Kongress kommen wolle. Im Auftrag des Kulturausschusses der „E-S“ fragte Steinitz Ende Juli 1939 bei diesem an, ob er bei der Gelegenheit nicht einen Vortrag für die Emigranten-Selbsthilfe halten könnte. Dabei berichtete er über die bisherigen kulturellen Aktivitäten der „E-S“, darunter über die Aufführung von Zweigs „Jeremias“.185 Auch Berendsohn hatte sich zum Kongress in Stockholm angemeldet und sah einer Zusammenarbeit mit Steinitz erwartungsvoll entgegen. Berendsohn hatte inzwischen ein Manuskript über die deutsche Emigranten-Literatur abgeschlossen, welches den Anspruch der Emigranten, Deutschland im PEN-Klub zu vertreten, rechtfertigte. Bis zum Kongress würde es aber nicht mehr im Druck erscheinen können. Berendsohn fragte des180 Hollander an Valentin, 7.6.1939, Sammlung Hollander, E 1 a:4. 181 Thor Tureby, Flüchtlinge und Pioniere, S. 342. 182 Flakierski, Rötter. 183 Hansson, Flykt och överlevnad, S. 240–244; Hollander an Valentin, 7.6.1939, Sammlung Hollander, E 1 a:4. 184 PEN – der internationale Autorenverband, 1921 in London gegründet. Die Abkürzung P. E. N. stand ursprünglich für Poets, Essayists, Novelists. 185 Steinitz im Auftrag der „E-S“ an Stefan Zweig, 29.7.1939.

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halb in Oxford bei Rudolf Olden, Sekretär der deutschen PEN-Gruppe186, an, wie man damit in Stockholm verfahren könne. Olden verwies Berendsohn an Steinitz, der offensichtlich in England kein Unbekannter war. Steinitz könne sich bei Dr. Carl Björkman, dem Vorsitzenden des schwedischen PEN und Sekretär des Kongresses, für Berendsohn verwenden. Berendsohn fragte daraufhin bei Steinitz an, ob er nicht auch einen oder auch mehrere Vorträge in Stockholm halten könne, vielleicht wollten „auch die jüdischen Studenten und Akademiker wieder einmal einen Vortrag“ von ihm hören.187 Steinitz setzte für die kommende Kulturarbeit auch Hoffnungen auf eine neue Gesellschaft, die auf Initiative schwedischer Schriftsteller entstehende Nordische Gesellschaft für deutsche Kultur (Nordisk sällskap för tysk kultur).188 Ein Vortrag von Thomas Mann, der zum PEN-Kongress erwartet wurde, sollte ihre öffentliche Tätigkeit einleiten. Steinitz hatte erfahren, dass die neue Gesellschaft bereits ihr Programm für die Wintersaison 1939/40 geplant hatte, darunter Theateraufführungen von Stücken Bert Brechts durch hiesige deutsche Emigrantenschauspieler.189 Doch der Kriegsbeginn am 1. September 1939 machte allen Plänen ein Ende. Die Nordische Gesellschaft für deutsche Kultur sollte nie an die Öffentlichkeit treten, und der PEN-Kongress konnte nicht mehr stattfinden. Auf Drängen des schwedischen Außenministeriums sagte der schwedische PEN sogar seinem bereits angereisten Ehrengast Thomas Mann ab.190 Nach der Statistik der Sozialbehörde befanden sich am 1. Juli 1939 3.063 jüdische Flüchtlinge in Schweden. Hinzu kamen 518 Juden, die als politische Flüchtlinge registriert waren. Kinder unter 16 Jahren waren hier nicht erfasst, deshalb ging die Flüchtlingsarbeit der Stockholmer Jüdischen Gemeinde von 4300 bis 4800 Personen aus. Für viele dieser Menschen war Schweden nur ein Station ihres Exils. Einige fühlten sich so nahe an Deutschland auch nicht sicher genug und verließen das Land, so sie konnten.191 Mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde die Lage der jüdischen Emigranten und damit auch der „E-S“ noch schwieriger.

186 Das PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland wurde 1934 unter dem Namen „Deutscher PEN-Club im Exil“ gegründet mit Heinrich Mann als Präsident und Rudolf Olden als Sekretär. 187 Berendsohn an Steinitz, 2.8.1939, ABBAW, NL Steinitz, 40 Bd. I. 188 Frederik Ström, Arnold Ljungdahl, Johannes Edfelt – vgl. auch Müssener, Exil in Schweden, S. 449. 189 Steinitz an Prof. Eli Heckscher, 20. Mai 1943 (Durchschlag), ABBAW, NL Steinitz, Nachtrag 2020. Schweden 1938–45 (2). 190 Ebenda. 191 Carlsson, Judarnas historia, S. 243.

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1.12 Der erste Tätigkeitsbericht der „E-S“ – ein Jahr erfolgreicher Arbeit Der erste gedruckte Tätigkeitsbericht der „E-S“ lag im September 1939 in deutscher Sprache vor. Ihm waren im Juni ein zusammenfassender Tätigkeitsbericht im Rahmen des von Ullman, Lewy und Adler formulierten Werberundschreibens (An unsere Freunde!) vorausgegangen, sowie Ende August ein in schwedischer Sprache abgefasster Tätigkeitsbericht (Verksamhetsrapport). Der deutsche Tätigkeitsbericht vom September 1939 konnte eine gute Bilanz hinsichtlich der Arbeit im sozialen Bereich und auf dem Gebiet der Kultur ziehen.192 Hauptaugenmerk lag auf der sozialen Arbeit. Der Beratungsausschuss hätte im Berichtszeitraum in 120 Sprechstunden 600 Fälle behandelt. Die Beratungen seien in „enger, Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde erfolgt und, wenn erforderlich, auch mit anderen Hilfsorganisationen“. Die Beratungen umfassten Berufsangelegenheiten, Weiterwanderung, Vermittlung von Arzthilfe, Nachweis von Wohnungen und Hausfürsorge. Auch finanzielle Unterstützung wurde geleistet, vor allem für medizinische Hilfe (Zahnbehandlung und Medikamente). Was Wohnraum betraf, konnten 130 Wohnungen und Zimmer nachgewiesen und 100 Empfehlungen für Hotels und Pensionen erteilt werden. Sechs schwedische Ärzte und drei Zahnärzte hatten sich zur Verfügung gestellt, die Emigranten kostenlos oder gegen Erstattung der Materialkosten zu behandeln. Ungefähr 60 Fälle wurden zur Behandlung vermittelt. Im Rahmen der Hausfürsorge waren Patenschaften übernommen, Kinderaufsichten organisiert und Babyausstattungen beschafft worden. In 25 Fällen konnte in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften für Emigranten Arbeit vermittelt werden. Zur kulturellen Arbeit nannte der Tätigkeitsbericht vom September nur die wichtigsten Vorträge und künstlerischen Veranstaltungen. Das Werbeschreiben vom Juni (An unsere Freunde!) war da ausführlicher und zählte neben den Vorträgen von Ehrenpreis, Cassirer, Klein und Berendsohn eine stattliche Anzahl weiterer Vorträge und künstlerischer Veranstaltungen auf, wie den Vortrag von Dr. Richard Mautner über „Die Juden in Italien. Geschichtlich-kultureller Überblick“ und von Dr. Hans Eppstein über „Jüdische Musik“.193 Der Familienforscher Rudolf

192 Tätigkeitsbericht, im September 1939. 193 Richard Mautner war als Dr. jur. und Landgerichtsdirektor 1933 von der NS-Rassengesetzgebung betroffen zunächst nach Süditalien emigriert, und Anfang 1937 nach Schweden übergesiedelt, wo er in der Volksbildungsarbeit tätig war. Mautner (H. A.M) https://www.exilarchiv.de (2023-05-10). Hans Eppstein, der sich während seines Studiums für den Roten Studentenbund engagiert hatte und der KPD als Mitglied angehörte, war mit seiner ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammenden Frau 1936 nach Schweden emigriert. Hier sollte er eine akademische Kar-

1.12 Der erste Tätigkeitsbericht der „E-S“ – ein Jahr erfolgreicher Arbeit



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Simonis hatte über „Jüdische Familienforschung“ vorgetragen.194 Im Sommer war auch ein Vortrag von Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy und Gustav Mahler genannt worden, der in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis jüdischer Flüchtlinge organisiert worden war.195

Abb. 10: Tätigkeitsbericht (September 1939) (Privat)

riere durchlaufen und sich vor allem um musikwissenschaftliche Editionen verdient machen. Krummacher, Zum Gedenken an Hans Eppstein. 194 Simonis stammte aus Berlin und war 1937 nach Schweden emigriert; er kehrte nicht nach Deutschland zurück. 195 An unsere Freunde! (Juni 1939).

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Der gedruckte Tätigkeitsbericht vom September nannte als Mitwirkende in den künstlerischen Veranstaltungen die Schauspieler Hermann Greid und Curt Trepte, die Pianisten Hertha Fischer und Hans Holewa sowie die Sängerin Maria Spilga und würdigte auch die kostenlosen Tee-Abende, die zum gegenseitigen Kennenlernens der Emigranten beitrugen. Schließlich nannte er auch die Jugendgruppe der „E-S“ mit 60 Teilnehmern, die Vorträge, Arbeitsgemeinschaften und Wanderungen organisiert hatte und in der Sport getrieben wurde. Im detaillierteren Juni-Bericht hatte der der Kulturausschuss eine stolze Bilanz gezogen: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. In dieser Erkenntnis halten wir die seelische und geistige Betreuung der in fremder Umgebung oft in unerfreulichen Behausungen lebenden, auf strenge Sparsamkeit angewiesenen und daher von Unterhaltung und Zerstreuung abgeschlossenen Neulinge für eine unserer Hauptaufgaben.“

Hier waren auch weitere Musiker aufgezählt worden, wie Professor Johannes Velden und Oberkantor Julius Tarschis, sowie der Chor von Zeire-Misrachi. Auch wurden hier die im Rahmen der Kulturarbeit organisierten Führungen durch Stockholmer Museen gewürdigt; ebenso die Arbeitsgemeinschaften, wie die unter Leitung von Redakteur Franz Arnheim, Sekretär des jüdischen Hilfskomitees, zum Thema „Das öffentliche Leben Schwedens“, oder der bereits erwähnte Arbeitskreis „Rassenforschung“ von Dr. Leser. Erwähnt wurden auch Gymnastikkurse, mit denen ein Anfang zur Pflege sportlicher Betätigung gemacht worden sei. In dem Bestreben, den Neulingen die Einordnung in die schwedischen Verhältnisse zu erleichtern, aber auch zur Vorbereitung von Durchwanderern wurde besonderes Gewicht auf die Pflege fremder Sprachen gelegt. An den Sprachkursen (Schwedisch, Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Hebräisch) hatten 400 Schüler teilgenommen. Der Juni-Bericht hatte das noch für den allerdings viel kürzeren Zeitraum spezifiziert, Schwedisch 100, Englisch 50, Französisch 15, Spanisch 15, Portugiesisch 3 und Hebräisch 4. Alle Kurse wurden kostenfrei erteilt, die Lehrbücher gratis zur Verfügung gestellt. Außerdem fanden Kurse in Buchhaltung und Englische Stenographie statt, ebenfalls gratis. Der in gedruckter Form an Mitglieder und Interessenten verschickt Tätigkeitsbericht schloss mit einem Spendenaufruf; regelmäßige Überweisungen und Monatsspenden, aber auch eine einmalige Beihilfe wären willkommen.196

196 An unsere Freunde (wohl Mai 1939).

2 25 lange Jahre Die Emigranten-Selbsthilfe von Kriegsbeginn bis 1973 2.1 Quellen Auch für diesen Zeitraum ist die Quellenlage nur bescheiden, aber sie reicht aus, um die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe auf allen Gebieten im Folgenden in groben Zügen zu schildern, d. h. die ersten Jahre mit dem absoluten Höhepunkt während des Krieges, das langsame Abklingen aus eigentlich selbstverständlichen Gründen in den ersten Jahren danach bis etwa 1951 und die Umwandlung in eine freundschaftliche Traditionskompagnie bis zu ihrer Auflösung im März 1973. Die Quellen bestehen für diese Jahre aus dem umfangreichen, bereits genannten vervielfältigtem Zehnjahresbericht anlässlich des zehnjährigen Bestehens der „E-S“ 1948 und den Mitteilungen sowie vor allem auch aus den Rechenschaftsberichten der Jahre 1949–1955, denn der Vorstand hatte 1948 auf seiner letzten Vorstandssitzung beschlossen, die „Rechenschaftsberichte vervielfältigen zu lassen“.1 Auf diese Weise sollten „Gönner und Mitglieder“ in Zukunft regelmäßig über Einnahmen und Ausgaben sowie die Tätigkeit informiert werden.2 Diese Rechenschaftsberichte beschränken sich nicht nur auf Zahlen und Berichte, sondern gehen auch auf die Probleme ein, vor die sich die Gemeinschaft bei der zunehmenden Integration in die schwedische Gesellschaft gestellt sah. Der Bericht für 1953, 15 Jahre nach der Gründung also, summiert darüber hinaus wie der Zehnjahresbericht kurz die Tätigkeit der „E-S“.

2.2 Mitglieder und Vorstand Der Rechenschaftsbericht für dieses Jahr vermerkt, wohl nicht ohne Stolz, dass die „E-S“ „wohl immer noch die größte [jüdische] Vereinigung in Stockholm“, d. h. außer der Mosaischen Gemeinde, sei. 1951 sind es noch 415 Mitglieder, deren Zahl dann kontinuierlich bis 1955 „durch Auswanderung und Tod“ auf 345 absinkt. Allerdings ist keine einzige Mitgliedsliste erhalten. Genaue Aussagen über die Anzahl der Mitglieder und diese selbst sind also nicht möglich. Lediglich eine Liste, die in etwa Auskunft geben kann, hat sich an entlegener Stelle in Jerusalem in den Central Zionist Archives im dort vorhandenen Archiv

1 Rechenschaftsbericht 1949. 2 Für die folgenden Jahre bis 1973 liegen keine Berichte vor. https://doi.org/10.1515/9783110729511-002

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der schwedischen Sektion des WJC finden lassen.3 Der damalige Sekretär der Emigranten-Selbsthilfe sandte sie am 14. Mai 1945 an einen „Herrn Rabel“, der im „Hotel Anglais, Malmö“ abgestiegen war. Er teilte dem „sehr geehrten Herrn“ nur kurz mit: „Im Auftrag von Herrn Dir. G. Storch, [der damalige Leiter des WJC in Schweden] sandte ich Ihnen heut [sic] per Post 150 Listen [Exemplare] mit den Namen der Mitglieder und Förderer der Emigranten-Selbsthilfe, Stockholm“. Bei dieser Liste der „Mitglieder und Förderer“ handelte es sich mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Liste, die zeitgleich mit der Ankunft der „Weißen Busse“ des schwedischen Roten Kreuzes zusammengestellt wurde und deren 150 Exemplare den Helfern in Malmö dienlich sein sollten. Sie umfasst fünf Seiten mit insgesamt 764 Namen – die Seiten 1–4 jeweils mit 153 Namen und Seite 5 mit 152 – in alphabetischer Reihenfolge, die gelegentlich geringfügig nicht eingehalten wird und sich von „Aber, Erich“ bis „Zacharias, Frau S.“ erstreckt. Ein Name taucht zweimal auf, offensichtliche Tippfehler kommen vor, des Öfteren fehlt ein Vorname oder wird abgekürzt, Titel wie „Dr.“ und „Professor“ werden wohl regelmäßig genannt und ein Herkunftsstaat, ob Deutsches Reich oder Österreich, wird nicht angegeben. Es ist weiter zum großen Leidwesen nicht zu erkennen, ob es sich bei einem Namen um den eines Förderers oder den eines Mitglieds handelt. Man wäre also für eine Trennung der beiden Gruppen völlig auf Mutmaßungen angewiesen, die wenig aussagekräftig wäre und auf die deshalb hier verzichtet werden muss. Man darf annehmen, dass die Liste ad hoc und schnell erstellt wurde, und es ist alles in allem fraglich, wie zuverlässig sie ist. Zudem nennt sie außerdem weitaus mehr Personen als die 450 Mitglieder, von denen 1948 die Rede ist. Legt man die diese Anzahl zugrunde, betrüge die der Förderer mehr als 300, eine kaum glaubhafte Zahl. Eine eventuellen Einteilung der Personen in „Mitglieder“ und „Förderer“ ist also nicht erkennbar und letzten Endes auch nicht möglich, zumal die Grauzone zwischen diesen beiden Gruppen sehr groß ist. So dürften zwar die Ettlingers (2), die Lehmanns (3) und Norbert Masur, die schon vor 1933 schwedische Staatsbürger waren, zu den Förderern gehören, aber wie steht es um die Juristen Dr. Ernst Baburger, ein prominentes Mitglied des Vorstandes und späterer Vorsitzende, sowie Dr. Joseph Fischler und Dr. Julius Hepner, die vor 1945 bereits als „Advokaten“ [Rechtsanwälte] tätig waren und später vor allem in Wiedergutmachungsfragen eine große Rolle spielen sollten? Waren sie noch „Emigranten“? Selbst „Hollander, Fritz“ war 1943 vom Emigranten zum Immigranten geworden. Es ist also müßig, hier überhaupt unterscheiden zu wollen. Zudem taucht ein Name wie der von Carl 3 Central Zionist Archives, Jerusalem. C4 (World Jewish Congress, Swedish section). Vol.: 402 (C2). Die vollständige Liste findet sich im Anhang. Wir danken an dieser Stelle Dozent Pontus Rudberg für den Fund.

2.2 Mitglieder und Vorstand



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Jakobowsky in der Liste nicht auf, obwohl dieser die „E-S“ seit dem Start regelmäßig „gefördert“ hatte. Und wie sollte man das Fehlen von Namen wie Stig Bendixon und Hugo Valentin erklären, die nicht nur den Aufruf zur Gründung unterzeichneten, sondern sie auch weiterhin tatkräftig unterstützten? Man muss sich auf einige Beobachtungen beschränken, die trotz dieser Leerstellen möglich sind. So soll nun auf einige Personen aus der Liste schon jetzt hingewiesen werden, die in der Emigration in Schweden, vor allem aber im inneren Leben der „E-S“ eine Rolle spielten, im Folgenden mehrfach auftauchen werden und einige Vermutungen über die Zusammensetzung der Emigranten-Selbsthilfe zulassen. Notiert werden kann, dass der Stockholmer Oberrabbiner „Prof. Ehrenpreis“ auf der Liste, unklar natürlich ob als „Mitglied“ oder „Förderer“, vertreten ist wie auch „Kronheim, Rabbiner“ und der Kantor der Gemeinde „Leo Rosenblüth“, die beide schon vor 1933 aus Deutschland eingewandert waren. Emigranten, aber auch Angestellte der Mosaischen Gemeinde in Stockholm sind zudem „Dr. Michaeli, Wilhelm“ und „Dr. Stillschweig. K.“ Aber sie bleiben seltsamerweise oder „wie nicht anders zu erwarten war“, die einzigen „Funktionäre“ der MFST, die in der Liste vertreten sind. Es fehlen ebenfalls eine Reihe der schwedischen Persönlichkeiten, die den Aufruf zur Gründung der „E-S“ unterzeichnet hatten. Dagegen taucht „Storch, Gilel“ auf, der als offizieller Repräsentant des WJC oft eine konträre Position zur MFST einnahm. Ferner sind die beiden ursprünglich aus Deutschland stammenden orthodoxen Rabbiner „Jacobson, A. J., Rab.“ und „Jacobson, W. S., Rab.“ vertreten, die 1942 aus Oslo bzw. 1943 aus Kopenhagen nach Schweden entkommen konnten. Religionszugehörigkeit oder „Rasse“ spielten allem Anschein nach keine entscheidende Rolle für die Mitgliedschaft, oder man folgte innerhalb des Vorstands dem Sprichwort „Ausnahmen bestätigen die Regel“. „Greid, Hermann“ war 1940 zum evangelischen Christentum übergetreten, die KPD-Mitglieder „Trepte, Curt“, „Wetzel, Rudi“ und „Warnke, Herbert“ waren Nichtjuden. Die Namen „politischer“ Flüchtlingen haben insgesamt gesehen unter den Mitgliedern eher Seltenheitswert, und man kann bestenfalls eine gewisse Linkslastigkeit feststellen. Die KPD in der schwedischen Emigration ist neben den oben genannten Personen vertreten mit den jüdischen Mitgliedern und Sympathisanten „Cohen, Ing. A.“, „Emsheimer, Dr. Ernst“, „Friedländer, Erika“, „Seydewitz, Max“, „Dr. Steinitz, W.“, „Walch-Lux, Katja“, „Wetzel, Irene“ „Zempelburg, Ludwig“. Allerdings dürfte die Mitgliedschaft in der KPD den wenigsten Mitgliedern der „E-S“ bekannt gewesen sein. Emsheimer nahm an einer Parteiarbeit nicht teil, Seydewitz galt eher wie vor allem auch Steinitz als parteiloser Intellektueller. Rudolf Wetzel, Journalist und Redaktionssekretär der Politischen Emigration, war 1938 nach mehrjähriger Zuchthaus- und KZ-Haft nach Schweden gekommen und kehrte Anfang 1946 in die SBZ zurück, während seine Frau Irene, eine Ungarin und gebo-

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rene Irén Rósza, nach Ungarn zurückkehrte und dort im Außenministerium, u. a. zuständig für Skandinavien und jüdische Fragen, arbeitete. Ludwig Zempelburg, der 1938 nach Schweden emigrierte, war quasi „Mitglied im Wartestand“ und trat der KPD erst nach der frühen Rückkehr in die SBZ bei. Er war Ende 1944 der erste Vorsitzende der neugegründeten FDJ. Es gibt auch zu denken, dass die Frau Jenny des Ingenieurs Cohen, Mitglied der KPD und aktiv innerhalb der „E-S“ nicht in der Liste auftaucht. Auch bei anderen Paaren gibt es Grund zur Annahme, dass die Ehefrauen unter dem Namen des „Haushaltsvorstands“ registriert wurden. Linke Positionen innerhalb der SoPaDe nahmen Ludwig Lewy, der erste Sekretär der „E-S“, und Simon Katzenstein, die dem „Fünferkreis“ der SoPaDe angehört hatten, und „Dr. Hodann, M“, der erste Vorsitzende des Freien Deutschen Kulturbundes ein, mit „Dr. Dallmann, Günter“, war ein aktives Mitglied der SAP vertreten und Willy Smulovitz zählte zum Führungskreis des Hechaluz. Aber andere Parteien und politische Gruppierungen der deutschen Emigration in Schweden sind allem Anschein nicht erkennbar vertreten. Die österreichische politische Emigration tritt ebenfalls kaum in Erscheinung. Die von Bruno Kreisky geleitete Österreichische Vereinigung in Schweden (ÖVS), zum Teil sozialdemokratisch beeinflusst, aber mit mehrheitlich bürgerlichen Mitgliedern repräsentieren Jakob Meth, ein Gewerkschaftsjournalist, und fünf Doktoren, darunter „Benedikt, Dr. Ernst“, der letzte Chefredakteur der Neuen Freien Presse und in Schweden ein bedeutender Mitarbeiter der Judisk Tidskrift, sowie „Dr. Frisch, Justinian“, Journalist und Übersetzer, Schwager Lise Meitners, und der Anthroposoph „Dr. Mändl, Hans“, während die der KPÖ nahestehende Freie Österreichische Bewegung (FÖB) durch drei sehr aktive Mitglieder der „E-S“ aufscheint, den Kapellmeister Hans Holewa, die Pianistin Hertha (Larsson)-Fischer und den Musikwissenschaftler Maxim Stempel. Alles in Allem ist das Erscheinungsbild der „E-S“ parteipolitisch völlig neutral, was sich auch in der praktischen Arbeit wie Kulturarbeit zeigen sollte. Die Mitglieder der „E-S“, mehr als 30, die sich aktiv an der Arbeit der „E-S“ beteiligten, die Vorträge hielten, Sprachunterricht gaben, an Konzertveranstaltungen mitwirkten, Fürsorge ausübten etc. sollen hier nicht im Einzelnen genannt werden, sondern im Text wird auf sie hingewiesen werden. Dagegen sollen noch einige Personen erwähnt werden, die ihr angehörten, aber innerhalb der „E-S“ nicht in Erscheinung traten, so der Journalist Boris Silber, Sylvia Simson, die Begleiterin der Kindertransporte von Berlin nach Stockholm, der international bekannte Patentanwalt Dr. Ludwig Brann, 1949 Gründer eines heute noch existierenden großen Patentbüros, der Repetitor und Notar Dr. David Goldschmidt, der in Schweden zwar als Jurist nicht Fuß fassen konnte, aber an juristischer Fachbüchern mitwirkte, Fred Forbat, Bauhaus-Mitglied, Architekt und Stadtplaner, der Bildhauer Harald Isenstein und der Psychoanalytiker Dr. Lajos Székely, dessen Be-

2.2 Mitglieder und Vorstand 

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rufsgenossin und Ehefrau Edith Székely zwar dem letzten Vorstand der „E-S“ angehörte, aber in der Liste, wohl als Ehefrau, nicht geführt wird und … und … „Sachs, Nelly“. Alle diese wenigen Namen, die hier erwähnt werden konnten, und die vielen, die auf der Liste standen, lassen den Verlust erkennen, den Deutschland und Österreich durch Judenverfolgung und Shoah erlitten haben. Ihnen allen versuchte die Emigranten-Selbsthilfe zu helfen. Die Mitglieder des Vorstandes werden in dem Zehnjahresbericht für die Jahre seit der Gründung der „E-S“ bis 1948 ebenso genannt wie die Jahre, die sie ihm angehörten. Die Namensliste in alphabetischer Reihenfolge lässt erkennen, dass Kontinuität angesagt war.4 Vier Mitglieder der ersten Vorstandes von 1938 gehörten ihm noch 1948 weiterhin an, nämlich Ernst Baburger, Fritz Hollander, Max Korngold und Karo Samson. Zwei waren erst 1946, nach acht Jahren ausgeschieden, als Wolfgang Steinitz nach Deutschland, in die damalige SBZ, zurückkehrte und Moritz Pineas nach Südafrika weiterwanderte, zwei hatten ihn 1940 bzw. 1944 und 1945 verlassen, nämlich L. M. Joseph (1940) und Alfred Ullmann (1944). Nachgerückt waren Siegfried Pawel5, Elsa Meyring (1944)6, Sylvia Benzian (1945)7 und Julius Nussbaum 1945 sowie Georg Freund (1945), Herbert Kahn (1945) und Johanna Kaphan (1946).8 Der Vorstand blieb nach 1948 bis 1955 weitgehend unverändert. 1949 schied Johanna Kaphan, die nach Israel übersiedelte, aus. Ersetzt wurden ebenfalls 1949 der verstorbene Julius Nussbaum durch Jeanette Ettlinger, Sylvia Benzian nach ih-

4 Noch vor der Liste der Vorstandsmitglieder werden der achtzehn „Teilnehmer der Gründungssitzung der Emigrantenselbsthilfe vom 30. November 1938“ namentlich gedacht. 5 Siegfried Pawel, geboren 1878, war Architekt in Stettin. Er emigrierte Ende 1938 nach Schweden. Vorher war er nach der ‚Kristallnacht‘ im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert, seine Tochter Annemarie war mit Erich Adler verheiratet, der an der Gründung der Emigranten-Selbsthilfe beteiligt war. Seit Ende 1939 war Pawel bis zur Auflösung der „E-S“ ihr Sekretär, die „Seele des Geschäfts“. Nach dem Krieg war er vor allem in der Frage der Wiedergutmachung, der Heimfrage und in der Planung für das jüdische Krankenhaus Hammarbyhöjden engagiert, das im Januar 1959 eingeweiht wurde. Er starb 1968. Zu Pawel siehe: Nordlund, Belastung und Gewinn, S. 98–99; Leopold Adler, Architekt Siegfried Pawel (Manuskript 1975), Sammlung Kahn. 6 Elsa Meyring, 1919–1929 Stadtrat für soziale Fragen in Stettin, wurde Februar 1940 nach Lublin deportiert und kam Juni 1940 mit einem polnischen Pass (!) nach Schweden. Müssener/Wilhelmus, Stettin, Lublin, Stockholm. 7 Sylvia Benzian, geb. Fleischmann. Sie stammte aus Altona und heiratete nach Schweden. 8 Johanna Kaphan, Lehrerin und 1929–1939 Direktorin der Jüdischen Mädchenschule in Berlin. Sie emigrierte 1939 nach Schweden. Es gelang ihr, einige der älteren Schülerinnen mitzunehmen und lebte mit ihnen in Lidingö bei Stockholm in einer Wohngemeinschaft, bis die Mädchen erwachsen waren. Sie wanderte nach1949 nach Israel weiter.

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2 25 lange Jahre

rer Auswanderung 1952 durch Hanna Guter sowie 1955 Georg Freund durch Walter Hirschmann und Elsa Meyring durch Sophie Michaeli.9 In den ersten Jahren wurde die „E-S“ kollektiv vom Vorstand geleitet, danach, unklar wann, wurde Ernst Baburger Vorsitzender und blieb es bis 1973.

2.3 Die Finanzen der Emigranten-Selbsthilfe Die Finanzen waren das A und O der „E-S“, ihr solides Fundament, und ohne einen ausgeglichenen Haushalt wäre ihre Tätigkeit auch undenkbar gewesen. Je höher die Einnahmen waren, desto grösser war ihre Möglichkeit, ihre hochgesteckten Ziele zu verwirklichen. Auch aus finanzieller Sicht kann die Arbeit der „E-S“ rückblickend als äußerst erfolgreich betrachtet werden, was vor allem für die ersten 15 Jahre ihrer Existenz gilt, soweit dies die nicht vollständigen Quellen erkennen lassen. Zum ersten ist hier der Zehnjahresbericht anlässlich des zehnjährigen Bestehens der „E-S“ 1948 zu nennen, der für die Jahre 1939–1947 eine sehr summarische Aufstellung über die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und dem alljährlich stattfindenden Chanukka-Markt enthält sowie ferner eine Zusammenstellung der Ausgaben für verschiedenen Bereiche wie „Beihilfe“, „Veranstaltungen“ und „Unkosten“ für Sekretariat, Porto-, Telefon- und Mietkosten usw. Zum anderen sind ferner zwei lose Blätter mit maschinenschriftlichen Angaben für 1942–1943 bzw. für die ersten fünf Jahre 1939–1943 der „E-S“ zu nennen.10 Zum dritten liegen in den vervielfältigten Rechenschaftsberichten für die sechs Jahre von 1949 bis einschließlich 1955 detailliertere Berichte über Einnahmen und Ausgaben vor.

2.3.1 Einnahmen und Ausgaben Folgt man dem Zehnjahresbericht von 1949, so belaufen sich die Einnahmen für die Zeit vom 3. Dezember 1939 bis 31. Dezember 1947 auf einen Betrag von 149.000

9 Sophie Michaeli, Ehefrau von Wilhelm Michaeli. Das Ehepaar wanderte schon 1933 nach Schweden aus. Sie leitete von 1939–1946 das Wohnheim für deutsch-jüdische Jungen in Uppsala/Tullgarn. 10 Der Zehnjahresbericht und die vervielfältigten Rechenschaftsberichte befinden sich in der UU, Sammlung Jakobowsky; die maschinenschriftlichen Angaben in der Sammlung Scholz/Steinitz. Tabellarische Aufstellungen sämtlicher Quellen befinden sich im Anhang.

2.3 Die Finanzen der Emigranten-Selbsthilfe



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Kronen, nach dem heutigen Kurs auf 3.163.000 Kronen, die Ausgaben auf 148.200 Kronen.11 Der größte Ausgabeposten sind hier die „Beihilfen“, mit 105.600 Kronen, und sie sollten es mit großem Abstand zu den beiden anderen bedeutenden Ausgabeposten wie „Veranstaltungen“ und „Unkosten“ auch in den Jahren danach bleiben. Sie machten in den zehn Jahren bis 1947 volle 71,2 %, nahezu zwei Drittel der Verwendungen aus, ein Anteil, der die die große und vielseitige Bedeutung der Sozialarbeit in der „E-S“ unterstreicht, worauf später noch zurückzukommen sein wird. Die Ausgaben für die erfolgreiche „Kulturarbeit“ betrugen 24.800 Kronen, d. h. 16,8 Prozent, und die „interne Arbeit“, d. h. die „Unkosten“, kostete nur 17.800 Kronen, also 12,0 % der Ausgaben. Diese Prozentsätze sollten sich nach 1949 nur geringfügig verringern. Bedauerlicherweise ist es unmöglich, detailliertere Angaben für die einzelnen Jahre in diesen zehn Jahren zu erstellen. Man muss sich für „Einnahmen“ und „Ausgaben“ für die Jahre 1939 bis einschließlich 1943 leider mit den pauschalen Angaben begnügen, die wie folgt aussehen und aus denen leider nicht hervorgeht, wie groß der Anteil der „Mitgliedsbeiträge“, der „Spenden“ und der „Veranstaltungen“ (s. u.) jeweils gewesen ist. Die Einnahmen betrugen für die Jahre 1939

1940

1941

1942

1943

10.800

11.700

12.000

16.300

20.200

Aus diesen Zahlen lässt sich ablesen, dass die nominellen Einnahmen nach 1940 von Jahr zu Jahr kräftig stiegen, während, dies am Rande, der reelle Wert der Einnahmen in den beiden Kriegsjahren 1940 und 1941 durch eine allerdings mäßige Inflation in Schweden sank, danach aber wieder kräftig anstieg. Die Angaben für die Ausgaben sind dagegen detaillierter und in die oben bereits genannten Bereiche aufgelistet: Jahr

Beihilfe

Kultur

Unkosten

1939

6.700 = 63,5 %

2.200 = 19 %

1.908 = 17,5 %

1940

7.900 = 69,0 %

2.070 = 17 %

1.633 = 14,0 %

1941

8.800 = 71 %

2.000 = 18 %

1.348 = 11,0 %

1942

10.900 = 69 %

3.200 = 20 %

1.612 = 10,5 %

1943

12.300 = 72 %

3.000 = 17 %

1.944 = 11,0 %

11 Sämtliche Zahlen sind im Folgenden jeweils auf 1000 abgerundet und werden nicht auf den Kurs von 2022 umgerechnet.

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2 25 lange Jahre

Diese (Prozent-)Zahlen werden sich in den folgenden Jahren bis 1954 stets wiederholen. Sie bestätigen die oben gemachten Angaben, dass die Kosten für Beihilfen aller Art, d. h. die karikative Arbeit, den weitaus größten Teil der Ausgaben ausmachten und die Verwaltungsausgaben, zu denen die Kosten für das Sekretariat, die Mitteilungen und eventuelle Gehälter, über die keine Rechenschaft abgelegt wird, zählen dürften, sich nach den beiden Anfangsjahren bei zehn bis elf Prozent eingependelt hatten. Der maschinenschriftliche Bericht über Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe für die Zeit vom 1. Januar – 31. Dezember 1940 schlüsselt erstmalig die pauschalen Summen für Einnahmen (11.710 Kronen) und Ausgaben (11.612 Kronen) genauer auf (s. Anhang). Bei den Einnahmen geht es um einen „Konzertüberschuss“, um „Einzahlungen“, d. h. „Mitgliedsbeiträge und Spenden“, Posten, die nicht weiter aufgeschlüsselt werden, und um nicht näher aufgeführte „Spenden für Feiertage“, d. h. die jüdischen Feiertage Chanukka, Rosch ha-Shana und Pessach, sowie im Rahmen des alljährlichen Channuka-Marktes um eine „Tombola“.12 Die Ausgaben umfassten außer kleineren Beträgen, die hier nicht aufgezählt werden sollen, „Beihilfen“, „Arzt- und Zahnarztbeihilfen“, „Kulturausschuss/Veranstaltungen“, „Unkosten“ (Porto, Telefon, Drucksachen), sowie erst- und letztmalig „Gehalt“13. Ein ähnliches Bild geben die „Einnahmen und Ausgaben der EmigrantenSelbsthilfe für die Zeit vom 1. Januar–1. Dezember 1942“, wobei der Kassenbericht hier erstmalig – und danach regelmäßig, soweit Quellen vorhanden – am 2. Januar 1943 von Siegfried Pawel, unterschrieben wird, dem Sekretär und Kassierer der „E-S“ seit Mitte 1940 bis 1973.14 Aufschlussreicher sind danach die „Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe für die Zeit vom 1. Januar – 31. Dezember 1943“. In diesem Jahr steigen die Einnahmen auf 20.000 Kronen; sie bestehen aus „Mitgliedsbeiträgen“ (9.000 Kronen), einem hohen Ertrag des Chanukka-Markts (5.000 Kronen), „Spen12 Chanukka wird jährlich acht Tage lang am Ende November/Anfang Dezember zur Erinnerung an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem 164 v. Chr. gefeiert. Die acht, gelegentlich neun Kerzen des Chanukka-Leuchters werden feierlich angezündet. Rosch ha-Schana ist das jüdische Neujahrsfest. Pessach wird zur Erinnerung an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten unter Führung von Moses Mitte/Ende April gefeiert. Die Einnahmen des Chanukka-Marktes sollten in den kommenden Jahren einen bedeutenden Teil des „E-S“-Etats ausmachen. Er wurde 1940 zum ersten Mal veranstaltet. 13 Dieser Posten scheint nur ein einziges Mal auf. Auch im Übrigen sind die Kosten in den einzelnen Bereichen nicht weiter aufgeschlüsselt. 14 Im Anhang finden sich sämtliche Kassenberichte. Hier werden nur einige beispielhaft genannt.

2.3 Die Finanzen der Emigranten-Selbsthilfe



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den“ in Höhe von 2.700 Kronen, erst- und letztmalig einem Betrag der „Jüdischen Gemeinde für kulturelle Zwecke“ von 500 Kronen15 sowie einem außergewöhnlichen Betrag von 3.000 Kronen für die Einnahmen von „Kino und Bridge“. Den Einnahmen stehen Ausgaben in Höhe von 19.000 Kronen gegenüber. Darunter die Kosten für „Beihilfen und Spenden“ (12.000 Kronen), für den „Kulturausschuss“ (3.000 Kronen), für „Unkosten für das Büro“ (2.000 Kronen) sowie zur Durchführung von „Chanukka-Markt“ (800 Kronen) und „Kino und Bridge“ 1.000 Kronen. Für die folgenden fünf Jahre bis 1948 finden sich keine Angaben, aber es ist dank den pauschalen Angaben im Zehnjahresbericht anzunehmen, dass sie cum grano salis in Prozenten den bisherigen Einnahmen und Verwendungszwecke entsprachen. Dagegen sind für die anschließenden sechs Jahre von 1949–1954 den Rechenschaftsberichten, die jetzt vervielfältigt vorliegen und an die Mitglieder versandt werden, jeweils detaillierte Listen der Einnahmen und Ausgaben zu entnehmen, wobei die Angaben unterschiedlicher Art sind und die Gesamtsummen zurückgehen.16 Die Einnahmen und Ausgaben für die einzelnen Jahre bieten folgendes Bild. Die Einnahmen betrugen 1949 17.500 Kronen, sanken 1950 und 1951 auf 15.000 ab und verringerten sich ab 1951 auf 5.000. Die Ausgaben, fast ein ausgeglichener Haushalt, lagen auf gleicher Höhe, nur 1951 überstiegen sie die Einnahmen um 2.000 Kronen. Diese Veränderungen werden auch durch die detaillierten Angaben zur Art der Einnahmen und Ausgaben in diesen Jahren deutlich. Sie lassen schrittweise den allmählichen und gegen Ende völligen Wegfall der „Geschäftsgrundlage“ der „E-S“ zwischen 1949 und 1954 erkennen. So verringert sich die Summe der Mitgliederbeiträge von 6.000 Kronen auf die Hälfte, 3.000 Kronen, und die der Spenden von 4.000 auf 1.000. Der Zugewinn der Veranstaltungen sinkt von 500 Kronen 1949 auf 200 Kronen 1954, die Einnahmen aus der Chanukka-Markt, die im Jahre 1949 5.000 Kronen und zwei Jahre später, 1952, gar 6.500 betrugen, liegen 1953 nur bei 2.000, um ab 1953 gänzlich zu verschwinden. Der Markt findet nicht mehr statt. Es ist nur zu verständlich, dass sich die Ausgaben für „Beihilfen“, „Veranstaltungen“ und „Allgemeine Unkosten“ in diesem Zeitraum von 1949 bis 1953 gleichermaßen verringern, so die der „Beihilfen“ von 11.000 Kronen in den Jahren

15 Dieser Beitrag wird erstmalig 1942 aufgeführt. Weitere Zahlungen sind für die Jahre bis 1948 mangels Quellen nicht nachweisbar. In den Jahren danach werden sie nicht aufgeführt. Die „kulturellen Zwecke“ werden nirgends beschrieben. 16 Detaillierte Listen und Angaben für die einzelnen Jahre finden sich im Anhang.

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1949 und 1951 und sogar 13.000 im Jahr 1950 auf 4.000 Kronen und die der „Veranstaltungen“ um die Hälfte von 2.000 auf 1.000 Kronen sowie die „Unkosten“ von 2.000 auf 400. Diese Zahlen dürften für sich selbst sprechen und bedürfen keines weiteren Kommentars. So sind denn auch die Angaben im Rechenschaftsbericht für 1955, des letzten uns vorliegenden, fast lakonisch. Hier betragen die Einnahmen aus „Mitgliederbeiträgen, Bankzinsen und dergleichen“ nur noch 3.805 Kronen, wobei ausdrücklich betont wird: „Von den 345 Mitgliedern haben sehr viele mehr als den Mindestbeitrag von 6,00 Kronen gezahlt“.17 Die Ausgaben belaufen sich für „Sozialarbeit“ nurmehr auf 1.547 Kronen, für „Veranstaltungen“ auf 1.109 Kronen und für „Unkosten“ auf 386 Kronen, also insgesamt auf 3.042 Kronen. Die Lebensverhältnisse der Emigranten, die mittlerweile fast alle spätestens 1951 die schwedische Staatsangehörigkeit erhielten, hatten sich den schwedischen Verhältnissen angeglichen, eine Reihe der Mitglieder war weitergewandert oder verstorben und die Bundesrepublik Deutschland begann ab 1953 Wiedergutmachungsleistungen zu erbringen.

2.3.2 Spenden Es wurde deutlich, dass die teilweise hohen Spendensummen, die ab 1947 nachweislich fast die Höhe der Mitgliedsbeiträge erreichten, maßgeblich daran beteiligt waren, dass die „E-S“ ihre selbstgestellten Aufgaben zu erfüllen vermochte. Sie wurden jedes Jahr zu den Festtagen Pessach und Rosch ha-Schana mit deutschen und/oder schwedischen Bittbriefen eingeworben, die Angehörigen der Jüdischen Gemeinde, vielleicht auch anderen Personen aus der schwedischen Gesellschaft, zugingen. Über die Zahl der Spender sowie über ihre Namen ist allerdings nichts bekannt, ebenfalls nichts über die Höhe einzelner Spenden, sondern nur über die Gesamtsumme. Auch die im Folgenden zitierten Bitt- und Dankesbriefe sind allem Anschein nach die einzigen, die erhalten sind18. Es sei dahingestellt, ob sie gleichlautend an alle Spender geschickt wurden, aber sie dürften repräsentativ für die Gesamtheit sein. Sie lassen erkennen, dass man sich von Seiten der „E-S“ stets dar-

17 Wenn jedes der 345 Mitglieder lediglich den obligatorischen Mitgliedsbeitrag von 6,00 Kronen gezahlt hätte, hätten die Einnahmen lediglich 2.070 Kronen betragen. 18 Sammlung Jakobowsky, Universität Uppsala. Sämtliche Dokumente, die im Folgenden zitiert werden, finden sich, chronologisch geordnet, in dieser Sammlung. Jakobowsky spendete alljährlich zu den einzelnen Festtagen, wie aus Quittungen für die Einzahlungen und Dankesbriefen an ihn hervorgeht.

2.3 Die Finanzen der Emigranten-Selbsthilfe



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um bemühte, sie von Jahr zu Jahr unterschiedlich abzufassen. Rhetorisch gelungene Bitten, die gleichzeitig den Spendern von der erfolgreichen Verwendung der Spenden berichteten und mit Hinweis darauf sowie auf die in der Tat schweren Zeiten an die Gebefreudigkeit der Spender appellierten, welche stets mit „An unsere Freunde“ angesprochen wurden19. Vermutlich der erste Brief dieser Art ist auf „August 1939“ datiert und wurde noch vor Beginn des Weltkrieges versandt. Ein namentlich nicht genanntes Redaktionskomitee spricht eingangs von der Arbeit der ersten Monate und erwähnt die „große Beteiligung an unseren kulturellen Veranstaltungen“ sowie „die starke Inanspruchnahme unserer charitativen Tätigkeit“, die „(deutlich) von der Notwendigkeit unserer Arbeit gezeugt (hat)“20. Expressis verbis wird danach betont, dass „die Fortsetzung dieser Arbeit aber nur möglich“ sei, „wenn sie weiterhin von der Hilfs-, Opferbereitschaft unserer Freunde getragen wird“. Man habe sich aber darüber hinaus „neue künftige Ziele“ gesetzt, wie zum Beispiel die „Errichtung von Umschulungskursen und Schaffung eines Emigrantenheims“ [im vervielfältigten Text durch Fettdruck hervorgehoben]. Dort sollte den „Emigranten ein behaglicher Tagesaufenthalt mit Lektüre und anderem Unterhaltungsstoff sowie eine bescheidene Mahlzeit geboten werden“. Das waren Ziele, die man im Prinzip nicht erreichte, wobei der Ausbruch des Krieges dafür verantwortlich gewesen sein dürfte. Wollte man sie erreichen, so hieß es, bedürfe man aber „ganz besonderer neuer Mittel“, „der tatkräftigen Unterstützung durch alle diejenigen, denen die Not der Flüchtlinge am Herzen liegt“. Der Verfasser beteuert ferner geschickt, man werde „nicht ermüden in der Bewältigung unserer immer grösser und schwerer werdenden Aufgaben“, und bittet abschließend um Hilfe „durch regelmäßige Überweisungen von Monatsspenden oder durch einmalige Beihilfe“. Er schließt mit drei kurzen prägnanten Sätze, mit denen bis zum Ende der Spendenbitten alle Briefe endeten. „Helft uns helfen! Spendet Beiträge! Werbt Mitglieder!“

19 Eigentlich unnötig zu bemerken, dass nur von „Freunden“ die (An-)Rede war, nicht aber von „Freundinnen“. 20 Auch in den späteren Jahren unterzeichnet fast immer „der Vorstand“, nur gelegentlich werden Namen von Vorstandsmitgliedern, mindestens drei, genannt. Hier fällt auf, dass die Sprachkurse, die bereits im Frühjahr 1939 gegeben wurden, nicht erwähnt werden.

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Abb. 11: Bitte um Spenden. September 1940. Der erste Bittbrief, Vorbild für viele andere. (Privat)

„Anfang 1940“ folgt dann ein erster „herzlichster Dank“ an die Spender, der einleitend über den tatsächlichen Erfolg – „Wir waren durch den Erfolg, den unser Ap-

2.3 Die Finanzen der Emigranten-Selbsthilfe



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pell gehabt hat, in der Lage, 34 Familien eine unverhoffte Feiertagsfreude zu bereiten“ –, aber auch vor allem über den moralischen unterrichtet: Wie groß diese Freude war, ist aus den Danksagungen zu ersehen, die wir erhalten haben. Aus ihnen ist immer wieder zu entnehmen, wie das Bewusstsein die Empfänger auf das Tiefste bewegt hat, dass Menschen, ohne selbst in Erscheinung zu treten, sich in so fürsorglicher Art für andere eingesetzt haben.

Die „E-S“ hebt danach nur noch hervor: „Wir sind uns bewusst, dass der uns ausgesprochene Dank Ihnen gebührt, und schließen dem Dank der Empfänger unseren an“. Im März 1940, also zu Pessach, wendet sich die „E-S“ erneut „an unsere Freunde“: Der Brief ist in drei Absätze, überschrieben mit „Dank“, „Bitte“ und „Mahnung“ [die drei Wörter werden im Brief durch Fettdruck hervorgehoben], und zwei Sätze am Ende gegliedert. Man dankt für „das allseitige Verständnis der Notwendigkeit unserer Arbeit sowie die Bereitwilligkeit, mit der unsere nunmehr dreivierteljährige Tätigkeit, über die wir umstehend Bericht erstatten, gefördert wurde“,21 und bittet um „fernere äußerste Opferbereitschaft, die allein die Fortführung unserer Arbeit möglich machen kann“. Darauf folgt eine eindringliche „Mahnung“ [Durch Fettdruck hervorgehoben] an alle, die nur irgend geben und helfen können, heute in der Zeit der Weltkatastrophe nicht die Unglücklichen zu vergessen, die schutzlos in der Fremde stehen und auf die Hilfe anderer angewiesen sind“. Den Schluss bilden kurz und präzis die befehlenden Sätze, die ihre Wirkung nicht verfehlt haben dürften: „Wer helfen ‚kann, muss‘ [durch Fettdruck hervorgehoben] helfen“. Neun Monate später im September 1940 folgt der nächste, eindringliche, erneut rhetorisch äußerst geschickt aufgebaute Bittbrief zu „Rosch Hachschana“, der Leser und Leserin an den aktuellen Anlass erinnert: „Ein neues jüdisches Jahr beginnt. Eine schöne, jüdische Sitte ist es, gerade zu den hohen Feiertagen Wohltätigkeit zu üben“. Er leitet mit einem Fragezeichen über zu dem Zweck des Briefes: „Wer bedarf heute mehr der Hilfe als der aus der Existenz grausam herausgerissene Emigrant?“ und schildert danach ergreifend dessen Situation, die er nicht selbst äußern kann, sondern die durch den Bittsteller vermittelt werden muss: „Weder Sie noch öffentliche Hilfsstellen kennen diese Unglücklichen alle, welche oft still für sich unter größten Entbehrungen ihr Leid tragen. Wir kennen Sie oft, denn der Emigrant vertraut sich dem Emigranten an; zu uns kommt man, um sich Rat zu holen.“

21 Der Bericht fehlt leider in den Materialien. Verwunderlich ist der Hinweis auf die „nunmehr dreivierteljährige Tätigkeit“, denn sie hatte ja bereits Anfang 1939 begonnen.

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Erst darauf folgt die eigentliche, fast plumpe Bitte: „Insbesonders diesen unbekannt leidenden Emigranten wollen wir zu den Feiertagen die Wärme einer hilfreichen Hand zu spüren bekommen. Senden Sie uns durch beiliegende Zahlkarte Ihren Betrag ein“. Danach fragt der Verfasser unvermittelt, die Notwendigkeit der Spende betonend und verschiedenste Nöte der Emigranten wortreich, aber ohne Übertreibung und sachkundig beschreibend: Kennen Sie unsere übrige Hilfsarbeit? Arzthilfe, zahnärztliche Beihilfe, Unterstützung in einzelnen Hilfsfällen, in denen der Emigrant uns aufsucht, weil er von anderer Seite keine Hilfe erhalten kann, bilden einen wichtigen Kreis unserer Tätigkeit und erfordern viele Mittel. Kennen Sie das Elend der Emigranten, welche das Visum für die Reise in ihre transozeanische Bestimmungsländer erhalten können, aber den Weg der Bettelei beschreiten müssen, um sich das Reisegeld zu beschaffen?

Er vergisst dabei nicht, einen weiteren Aspekt der gesamten, nicht nur die Mitglieder der „E-S“ betreffenden Hilfstätigkeit anzusprechen, der nicht nur in Schweden im Argen lag: „Es wäre an der Zeit, dass die verschiedenen Hilfsorganisationen sich zu einer gemeinsamen Aktion zwecks Schaffung eines ‚Auswandererhilfsfonds‘ zusammenfinden“.22 Der Bittbrief zu Pessach 1941, im Jahr darauf, beginnt wieder mit einer kurzen Bestandsaufnahme, die den Spendern zeigen sollte und wohl auch zeigte, wie wichtig ihre Unterstützung ist: Dank der Aufopferung unserer Freunde konnten wir im vergangenen Jahr in etwa 400 hilfsbedürftigen Emigranten Unterstützungen gewähren, unsere Sprachkurse weiterführen, auch unter Aufwendung geringer Mittel durch gesellige Veranstaltungen ein wenig Licht in das trostlose Einerlei des schweren Alltags bringen“.

Dass diese „hilfsbedürftige Emigranten“ zudem ständig Gefahren unterschiedlichster Art ausgesetzt waren, zeigen danach überzeugend die folgenden Sätze: Wieder müssen wir uns hilfesuchend an Sie wenden, denn doppelt fühlbar ist die Teuerung für diejenigen, die mit einem Existenzminimum wirtschaften müssen. Jede unvermeidbare Ausgabe in Krankheitsfällen – Arzt, Zahnarzt, Medikamente –, jede unvorhergesehene Nebenausgabe ist für diese Menschen, die unverschuldet in ihre Notlage gekommen sind, unaufbringbar, wenn wir nicht helfend eingreifen.

Deutlich betont wird aber auch, dass diese Situation unverschuldet der Entwicklung des Krieges geschuldet ist: „Viele sind erst jetzt in die Lage der Bittenden gekommen, weil sie durch die veränderten Verhältnisse von ihren eigenen Mitteln

22 Die Spenden für Feiertage und Tombola betrugen im Jahr 1940 1.475 Kronen.

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oder von der Hilfe ihre Verwandten abgeschnitten sind. Mancher hat auch seine eigenen Verdienstmöglichkeiten eingebüßt“. „Sofortige Hilfe“ tut not. Der Appell an alle Spender ergeht: „Nehmen Sie das Pessachfest zum Anlass, das Fest der Befreiung von den Unfreien unserer Zeit, den Emigranten zu helfen“. Dass er zumindest bei Jakobowsky erfolgreich war, zeigt die Spendenquittung der Post in Höhe von 25 Kronen, die auf den Brief geklebt wurde“.23 Nach weniger intensiven, dringenden Briefen in der Folgezeit läuft der Verfasser im September 1943 erneut zu großer rhetorischer Form auf. Auf Schwedisch, hier ins Deutsche übersetzt, spricht er mit eindringlichen Worten in gefetteten Buchstaben „Unsere verehrten Freunde“ an: Vor den jüdischen Feiertagen fühlen wir uns zur Selbstprüfung aufgefordert. Gibt es einen einzigen unter uns, der sich nicht fragt: ‚Womit haben wir es verdient‘ [gefettet], dass wir bei diesem verheerenden Weltenbrand nicht in Mitleidenschaft gezogen werden?

Er beschwört sie hier geradezu mit Wörtern wie den Hilfsverben „können“ und „müssen“: Auch wenn wir selbst am großen Kampf zwischen Recht und Unrecht nicht teilnehmen können, gibt es doch etwas, was wir tun können und müssen, nämlich denen zu helfen, [gefettet] die so viel dessen beraubt worden sind, was lebenswert ist. Die Not ist sicherlich außerhalb Schwedens Grenzen grösser, aber man muss dort helfen, wo es möglich ist, und auch in unserer Mitte ist der Bedarf an Hilfe unter den vielen Emigranten groß, die Unterernährung und Krankheiten bedrohen. Wie schwer haben sie es nicht, die klägliche Unterstützung zu erhalten, die für die notwendigsten Ausgaben reichen müssen“.

Erneut obliegt es, „unseren Freunden (…) ausreichend Hilfe zu leisten, den Emigranten, hier im Lande, die auch jetzt noch Unterstützung benötigen. ‚Sie und wir, wir müssen ihnen helfen’ [gefettet]“. Es gilt nun „so schnell wie möglich ihre Spende auf das Postgirokonto […] einzubezahlen“.24 Nach diesem Aufruf zur Selbstprüfung werden die Bittbriefe in der Folgezeit weniger dramatisch. Zu Pessach März 1944 begnügt man sich mit der Bitte: „Wie in den vergangenen Jahren wollen wir auch in diesem Jahr zum Pessachfest hilfsbedürftigen Emigrantenfamilien eine Feiertagsfreude bereiten“. Sie wird hier von den Vorstandsmitgliedern Moritz Pineas, Fritz Holländer und Siegfried Pawel unterzeichnet, und der Empfänger erfüllt sie erneut mit 25 Kronen.

23 Die Spenden für „Feiertage und Veranstaltungen“ betrugen Jahr 1942 7.900 Kronen. 24 Die Spenden betrugen 1943 betrugen lediglich 2.700 Kronen, ein Grund dafür ist nicht erkennbar.

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Ein Jahr später, im März 1945, leitet der „neu gewählte Vorstand“ den Bittbrief nurmehr mit zwei Sätzen ein: „Im Jahre 1944 haben wir in 520 Einzelfällen Beihilfe leisten können. Die Notwendigkeit zu helfen hat sich nicht verringert, sie ist vielmehr im Laufe der Jahre noch grösser geworden“. Der Krieg ist zwar zu Ende, aber die Notlage der Emigranten darf nicht vergessen werden, „die infolge ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in den Arbeitsprozess einzuordnen waren und sich seit Jahren mit den knappesten Mitteln behelfen müssen“ Zu Rosch ha-Schana August 1947, ein Jahr später, hat sich die Lage zwar stabilisiert, „die jungen Emigranten und Flüchtlinge (haben sich erfreulicherweise) in den Arbeitsprozess eingereiht“, aber dennoch gilt es, „zu den Feiertagen das Solidaritätsgefühl besonders zu beweisen“, denn „eine Anzahl arbeitsbeschränkter und arbeitsunfähiger alter Emigranten (ist) angewiesen, mit Mitteln auszukommen, die nur das Existenzminimum gewährleisten“ (September 1948). Diese „arbeits-“ bzw. „erwerbungsbeschränkten und arbeitsunfähigen Emigranten“ werden auch in den Bittbriefen zu den Feiertagen der folgenden Jahre beschworen, wenn es darum geht, Geldspenden einzuwerben. Ihre Zahl wird im August 1949 noch auf „50 bis 90“ angegeben. Zwar hat „der Tod so manchen Alten hinweggerafft“, aber „der Kreis der zu Betreuenden (ist) infolge der Überalterung unserer Mitglieder nicht kleiner geworden“; 1951 werden dann noch „60 kranken, alten, arbeitsbeschränkten und arbeitsunfähigen Emigranten und Flüchtlingen25 Geldspenden“ zugesandt. Anlässlich des Rosch ha-Schana Festes 1952 wird nun erstmalig eine Bilanz gezogen. Im Dankesbrief von Oktober 1952 an „unsere Gönner“ heißt es: „Fast 250.000 Kronen hat unsere Organisation seit ihrem Bestehen vereinnahmt und gemäß ihrer Aufgabe hauptsächlich für Sozialhilfe verausgabt“26, wobei hervorgehoben wird, der Betrag sei durch „Mitgliederbeiträge, Spenden und die Abhaltung des Chanukka-Marktes“ aufgebracht worden. Da sich „die Zahl der durch uns betreuten Personen verringert hat“, sei es „durch Einordnung in den Arbeitsprozess“, sei es „durch Weiterwanderung“, sei es „durch das Ableben älterer Personen“ könne die „E-S“ auch „im Hinblick auf die Einsammlungstätigkeit anderer Or-

25 Ab 1946 werden neben „Emigranten“ auch „Flüchtlinge“ in den Bittbriefen als Spendenempfänger genannt. Als solche werden die jüdischen Überlebenden aus den deutschen Konzentrationslagern bezeichnet, die 1945 durch verschiedene Hilfsaktionen nach Schweden gerettet wurden. Die Spenden betrugen 1949 4.100 Kronen und 1951 305 Kronen, 1950 die „Mitgliedsbeiträge und Spenden“ 7.809 Kronen. 26 Leider lassen sich mangels Quellen über die Zahl der Spenderempfänger, die Höhe der einzelnen Spenden, aber auch die Spender, ihre Anzahl und die Höhe der eingezahlten Spenden keinerlei Angaben machen.

2.3 Die Finanzen der Emigranten-Selbsthilfe



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ganisationen zu gleicher Zeit“ für dieses Jahr darauf verzichten, den ChanukkaMarkt abzuhalten. Man bitte aber „unsere Mitglieder und Gönner, uns die Treue bezüglich Zahlung der Mitgliederbeiträge und Spenden zu bewahren, damit wir wie bisher in der Lage sind, unseren alten bzw. kranken, erwerbsbeschränkten und arbeitsunfähigen Emigranten und Flüchtlingen so wichtige Sozialarbeit aufrecht erhalten zu können“.

Im März 1953, zur Pessach-Zeit, war dann aber auch für die Spendenaktionen das Ende gekommen. Der Vorstand teilte Mitgliedern wie Spendern mit, er habe beschlossen, „von der Einsammlung von Geldspenden abzusehen“, da man „unter Voraussetzung, dass unsere Mitglieder ihren Mitgliederbeitrag bezahlen“, die „Ausgaben aus diesen Einnahmen decken“ könne. Fünf Monate später, im August 1953, informiert man zwar Mitglieder und bisherige Spender, man habe im vergangenen Jahr zu Rosch ha-Schana unter „Kranken, Alten, Arbeitsbeschränkten und arbeitsunfähigen Emigranten und Flüchtlingen“ 50 Spenden verteilt, und möchte, „wenn irgend möglich, die schon zu Tradition gewordene Spendenverteilung auch in diesem Jahr wiederholen“. Aber man betont im folgenden Monat, im September 1953, in einem Rundbrief an die bisherigen Spender erneut, man habe „alle Spendeneinsammlungen eingestellt“. Man wäre aber „früheren regelmäßigen Spendern“ dankbar, „wenn Sie unsere Bestrebungen durch einen Mitgliederbeitrag – Mindestbeitrag Kr. 6,00 unterstützen würden – Zahlkarte anbei“. Mit diesem lakonischen „Zahlkarte anbei“ versiegen alle Quellen. Inwieweit der Mitgliederbeitag stieg, ob die „Bestrebungen“ weiterhin erfolgreich verwirklicht wurden und wieviel Spendenempfänger in den folgenden Jahren noch beglückt werden mussten und konnten, diese Fragen müssen leider, wie so viele andere, mangels Quellen unbeantwortet bleiben.

2.3.3 Der Chanukka(h)-Markt Die dritte große Geldquelle der „E-S“ für ihre Tätigkeit war, wie ersichtlich, der Chanukka-Markt, der von 1940 bis 1951 alljährlich, also insgesamt zwölfmal, an einem Sonntag vor der Chanukka-Feier Ende November/Anfang Dezember stattfand und für den stets dieselbe Zeichnung Lotte Lasersteins Reklame machte.27 Seine Erfolge werden im Zehnjahresbericht 1948 nachdrücklich gewürdigt, und er wird im Rechenschaftsbericht für 1951 nachdrücklich als „unsere beste Einnahmequel27 Mehrfach wird das Wort Chanukka in den Quellen am Ende noch mit einem „h“ versehen, ohne dass sich für diese veränderte Schreibweise eine Erklärung findet. In den Einladungen ist das junge Mädchen auf der Titelseite der Einladung durch einen ältere Frau ersetzt.

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le“ bezeichnet. Hier wird ferner deutlich, dass eine solche Möglichkeit der Geldschöpfung den deutschen Juden, nicht aber den schwedischen unbekannt war: Wir müssen in diesem Zusammenhang dankbar aussprechen, dass die Einrichtung des Basars28 für uns Emigranten, denen die hiesigen Verhältnisse fremd waren, nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht schwedische Jüdinnen29 aus ihrem reichen Schatz an Erfahrungen uns hilfreich zur Seite gestanden hätten und auch jetzt noch stehen.

Die Durchführung war laut Baburger, dem Verfasser der Schrift, „seit Jahren“ einem besonderen Ausschuss anvertraut, dem 1948 sechs schwedische und drei deutsche Jüdinnen sowie drei deutsche Juden angehörten oder angehört hatten.30 Das erste Dokument, das sich in den Materialien findet, ist eine Anzeige auf Schwedisch in der zionistischen Zeitschrift, Menora, Heft 23 von November 1940; sie lässt erkennen, dass man sich vor allem auch an die Juden Stockholms, in Sonderheit die zionistisch gesinnten wandte. 31 Hier heißt es, in deutscher Übersetzung: Denkt an den Chanukka-Markt mit Tombola der Emigranten-Selbsthilfe. Sonntag, der 1. Dezember 1940, 13–21 Uhr. Sitzungssaal der Jüdischen Gemeinde, Wahrendorffsgatan 3. Komm und hilf die Not unter den Emigranten zu mildern!

In der gleichen Nummer, deren erster Artikel, wohl von Steinitz geschrieben, die Emigranternas Självhjälp, die „E.-S“, ihren Lesern und Leserinnen ausführlich vorstellt, geht die Redaktion auch mit vielen Einzelheiten auf den kommenden Channuka-Markt ein. Sie betont, dass er „unter Mitwirkung von mehreren führenden weiblichen Mitglieder der Jüdischen Gemeinde“ (s. o.) stattfinden und ein „Teil“ des Marktes den „Kindern mit einer eigenen Tombola, Puppentheater und Ähnlichem“ gehören werde. Sie hebt weiter hervor, dass „auf Wunsch verschiedener 28 Dieser im Deutschen, nicht aber im Schwedischen oft abwertende Ausdruck für eine solche Wohltätigkeits-Veranstaltung taucht hier erstmalig in den Dokumenten auf und wird in späteren nur noch einmal verwendet. Sonst ist immer von einem „Markt“ die Rede. 29 Aus heutiger Sicht ist interessant, dass hier erstmals von „jüdischen Frauen“ als Gruppe die Rede ist, denn sonst existieren nur schwedische „Juden“ und schwedische „Herren“ 30 Es handelt(e) sich bei den Schwedinnen um Jenny Brick, Jeanette Ettlinger und Valerie Öberg, die dem Vorstand des Jüdischen Frauenklubs angehörten und in der WIZO aktiv waren, sowie Gurli Dante, aktiv in der Flüchtlingshilfsarbeit der Gemeinde, und Irma Kaufmann, über die keine nähere Angaben vorliegen. Die deutsche Seite vertraten Johanna Kaphan, Elsa Meyring, weibliches Vorstandsmitglied seit 1947, und die männlichen Vorstandsmitglieder Herbert Kahn, Max Korngold und Siegfried Pawel. Zum „Judiska Kvinnoklubben“, der 1931 gegründet wurde und bis heute besteht, sowie seinen Einsatz für die jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland s. ThorTureby, Den Judiska Kvinnoklubben; Knorring, Judinna och rösträttskvinna. 31 Menora war eine Zeitschrift der zionistischen Vereine in Stockholm, die 1940–1946 in Stockholm von Simon Brick herausgegeben wurde. Redakteur war sein Bruder Daniel Brick.

2.3 Die Finanzen der Emigranten-Selbsthilfe



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Emigranten ihnen gehörende Gegenstände und andere wertvolle Sachen verkauft“ werden, und weist in dem Zusammenhang auf eine Beilage zur Zeitung hin, die leider nicht erhalten ist. „Alle“ seien „herzlich willkommen“, und die EmigrantenSelbsthilfe hoffe auf „ein gutes Resultat für die Emigranten“. Die nächste Ankündigung findet sich dann im darauffolgenden Jahr 1941 in den Mitteilungen, die ebenfalls einige Details über den Markt und sein Angebot offenbart. Sie offeriert eine „Tombola und Ausstellung“, aber auch zusätzlich „eine Verkaufsausstellung von Wert- und Kunstsachen aus Emigrantenbesitz“, für die „schriftliche Anmeldungen mit Angabe der Gegenstände und Mindestpreis“ erbeten werden. Auf dem Markt selbst werden dann diese „durch einen sachverständigen Treuhänder“ verkauft. 1942 wird nur auf den Chanukka-Markt hingewiesen, während es bereits im September 1943 in den Mitteilungen dieses Monates heißt, man beabsichtige „auch dieses Jahr einen Chanukka-Markt mit dem Verkauf von Heimarbeiten zu veranstalten“. Dabei wolle man „vielfach geäußerten Wünschen zufolge […] den Ausstellenden mehr Platz und dem kaufenden Publikum eine bessere Übersicht bieten“. Aus diesem Grund werden „Interessenten“ darum gebeten, sich schriftlich bis zum 20. September anzumelden, um „die genaue Zahl der Aussteller fest(zu)stellen“.32 Der Markt selbst wird dann in den November-Mitteilungen für den „12. Dezember, 13–18 Uhr“ angekündigt und dabei sowohl auf „Tombola und Verkauf“ sowie ausdrücklich auf eine „Barservering“33 hingewiesen. Unterstrichen wird, dass die Tombola „auch dieses Jahr viele und wertvolle Gewinne“ enthält, unter ihnen „besonders mehrere Bilder von anerkannten Künstlern“, u. a. Isaac Grünewald, Lotta Hallencreutz34 und Lotte Laserstein. Der „Verkauf von Heimarbeit- und anderen Dingen, die Emigranten angefertigt haben“, erbiete sodann „gute Möglichkeiten, Geschenke zu kaufen“, und die Barservering sei „die ganze Zeit geöffnet“. Sie habe im „Angebot: Tee, Saft, Limonadegetränke, Torten, Törtchen, Gebäck“, wobei die „Spezialität: Wiener Apfelstrudel“ besonders hervorgehoben wird. Nachdrücklich wird unterstrichen, dass „alle Waren, die sonst nur auf Karte erhältlich sind, auf Grund einer behördlichen Genehmigung ohne die Entwertung der entsprechenden Abschnitte sowohl verkauft als auch ausgelost werden (dürfen)“ und dass „Umsatz- und Luxussteuern entfallen“. Vor allem aber wird betont,

32 Leider finden sich keine Dokumente, aus denen die Zahl oder die Namen der Aussteller hervorgehen bzw. die Gegenstände, die verkauft werden sollten. 33 „Bar“ ist ein schwedisches Wort für ein einfaches Restaurant oder Café mit Selbstbedienung. Jeder Gedanke an eine „Bar“ im herkömmlichen Sinne erscheint hier eher abwegig. Es ist sicher, dass auf dieser Veranstaltung kein Alkohol ausgeschenkt werden durfte. 34 Lotta Raphael-(Linden)–Hallencreutz, war nicht nur eine schwedisch-jüdische Schauspielerin, sondern auch Schriftstellerin und Malerin.

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dass „die Einkünfte des Chanukkah-Marktes zur Gänze an hilfsbedürftige Emigranten (gehen)“35. Dieses großzügige Angebot wird dann im November 1944 für den ChanukkaMarkt am 3. Dezember noch gesteigert, denn es wird zusätzlich ein „Tivoli der Kinder“ angekündigt. Es bietet diesen eine „Rutschbahn“, eine „Tombola“, die „nur Gewinne“ kennt, „Liedersingen, Märchentante, Fischteich u. a. m.“ an. Versprochen wird, es sei „der Platz, an dem sich kleine und große Kinder treffen“. Auch an Eltern mit „Kleinkindern“ ist gedacht. Sie können sich ohne Sorgen „in aller Ruhe den verschiedenen Attraktionen des Marktes widmen“, denn jene werden im „Spielzimmer […] sachkundig betreut“. Im folgenden Jahr 1945 wird dann bereits in einer Ankündigung nachdrücklich auf Schwedisch, hier in deutscher Übersetzung, unterstrichen, dass die „Einkünfte“ des Chanukka-Marktes vom 25. November 1945 „ungekürzt an notleidende Emigranten und an die Geretteten des Jahres 1945“ gehen werden, letzteres die allgemeine Bezeichnung für die KZ-Häftlinge, die durch die verschiedenen schwedischen Hilfs-Aktionen ins Land geholt werden konnten. Von den folgenden Chanukka-Märkten, die für den 8. Dezember 1946, den 30. November 1947, den (?) Dezember 1948, den 4. Dezember 194936 und den 26. Dezember 195037 angekündigt werden, ist nichts Außergewöhnliches zu berichten. Lediglich 1948 heißt es, man sei gebeten worden, „Wertsachen aus Privatbesitz, Porzellan, Glas und dergl., in Kommission zu nehmen“, die wohl aus dem Nachlass Verstorbener stammten. Man bitte um „detaillierte Anmeldungen, um zu sehen, ob Platz vorhanden ist“. Am 9. Dezember 1951 fand dann der letzte ChanukkaMarkt statt.38 In den Mitteilungen für November 1952 wird bekannt gegeben, der Vorstand habe beschlossen, in diesem Jahr „versuchsweise“ den Chanukka-Markt „im Hinblick auf die Einsammlungstätigkeit anderer Organisationen“ einzustellen, auch wenn man „für die Feiertagsspenden nach wie vor auf die Gebefreudigkeit unserer Gönner angewiesen“ sei.39 Diese anderen Organisationen werden dann im Rechenschaftsbericht für 1952 genannt: „Israel-Einsammlung, Flüchtlingshilfe der Gemeinde, WIZO-Woche und dergleichen“. Der Versuch, den Markt einzustellen, sei aber erfolgreich gewesen, denn die Hoffnung, „von Gönnern Bargeld40 statt Sachspenden zu erhalten“ habe sich erfüllt.

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Die Einnahmen betrugen 5.177 Kronen. Die Einnahmen betrugen 5.418 Kronen. Die Einnahmen betrugen 6.440 Kronen. Die Einnahmen betrugen 6.514 Kronen. Gemeint sind die Spenden für Rosch ha Schana und Pessach. Die Bargeld-Einnahmen betrugen 1.940 Kronen.

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2.3.4 Schlussbetrachtung Damit sind die Quellen zum „nervus rerum“, zum Fundament der EmigrantenSelbsthilfe erschöpft, die ja noch mehr als zwei Jahrzehnte existieren sollte. Es muss also offenbleiben, ob sie den Mitgliedsbetrag beibehielt, wie lange es einen schriftlichen Rechenschaftsbericht mit „Einnahmen und Ausgaben“ gab und ob sie noch länger bzw. noch lange „kranken, alten, arbeitsbeschränkten und arbeitsunfähigen Emigranten und Flüchtlingen“ zu den Feiertagen Spenden zukommen lassen konnte. Ihre Finanzen, gespeist durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und den Chanukka-Markt, hatten ausgereicht, um das im November 1938 gesetzte Ziel zu verwirklichen, „die schon bestehende großzügige Hilfsarbeit der Jüdischen Gemeinde Stockholm und der anderen Organisationen auf den Gebieten zu ergänzen, auf denen wir – auch mit bescheidenen Mitteln – wichtige Arbeit leisten können“ (Gründungsaufruf 1938). Die „E-S“ hatte ihr Ziel verwirklichen können. Sie hatte in der Tat die Mittel beschafft, die nötig waren, um „wichtige Arbeit leisten zu können“.

2.4 Sozialarbeit Die Sozialarbeit im weitesten Sinne des Wortes ist das Standbein, „die Hauptaufgabe, die zur Gründung unserer Organisation führte“, wie es im Zehnjahresbericht 1948 heißt. Noch im Rechenschaftsbericht für 1953 heißt es kurz und knapp: Am 30. November 1938 besteht die „E-S“ 15 Jahre, und wenn auch die Aufgaben unserer Organisation geringer geworden sind, ist die Aufrechterhaltung unserer Sozialarbeit, deretwegen die „E-S“ s. Zt. gegründet wurde, immer noch eine Notwendigkeit.

Sie begann erfolgreich, wie bereits deutlich geworden sein sollte, 1939 direkt nach der Gründung in überraschend großem Umfang, wuchs in den Kriegsjahren immer mehr an, wurde auch danach fortgesetzt und sollte erst in den 1950er Jahren langsam ein Ende finden. Diese „Hauptaufgabe“ umfasste verschiedene Arbeitsgebiete, darunter zunächst und vor allem in erster Linie praktische Hilfeleistungen wie Arbeits- und Wohnungs-Vermittlung, die karitative Arbeit mit den „Beihilfen“, wie es in den ersten Kassenberichten hieß, und der Gesundheitsfürsorge, einem Krankenhilfsdienst, ärztlicher und Kinder-Betreuung sowie die ab 1942 monatlich erscheinende Mitteilungen der „E-S“, die regelmäßig über diese Angebote unterrichteten und deren soziale Bedeutung wesentlich war, sowie eine „Beratungsstelle“.

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Diese hielt Sprechstunden ab, zunächst einmal wöchentlich und ab Oktober 1942 täglich, von sonnabends und sonntags abgesehen, und war telefonisch erreichbar. Ihre Bedeutung für die praktische und notwendige Hilfe einer Gruppe, deren Angehörige, oft im fortgeschrittenen Alter, plötzlich aus ihren gewohnten Lebensumständen herausgerissen und unvermittelt in eine völlig fremde Umgebung verpflanzt worden waren, war nicht zu überschätzen. Zusammen mit den Mitteilungen verband sie die ‚Zwangsgemeinschaft‘ zu einer Emigranten-Selbsthilfe und sollte auf Jahre hinaus von ihrer vielfältigen Tätigkeit zeugen.

2.4.1 Mitteilungen – das „geistige Band“ – und die Beratungsstelle Auf der ersten ES-Vorstandsitzung am 7. Dezember 1938 hatte Herbert Friedländer angeregt, ein „Mitteilungsblatt mit den Programmen aller Veranstaltungen herauszugeben. Wegen der hohen Portokosten sollten die Mitteilungen monatlich verschickt werden“. Diese Anregung sollte verwirklich werden, aber nicht sofort. Zunächst versandte nur der „Kulturausschuss“ 1939 seine Einladungen als Mitteilung des Kulturausschusses. Danach ergingen 1940–1941 allem Anschein nach lediglich Einladungen zu den zahlreichen einzelnen Veranstaltungen, die allerdings als Vorstufe der Mitteilungen auf dem gleichen Blatt durch Informationen und Angebote verschiedener Art ergänzt wurden. Die stets auf Deutsch abgefassten Mitteilungen erschienen dann, soweit feststellbar, mit Ausnahme der Sommermonate Juni und Juli ab Oktober 1942 monatlich, waren unnummeriert, umfassten doppelseitig auf billigem Papier, selten auch bis zu vier, A 4-Seiten und schlossen allesamt mit dem Aufruf, gelegentlich in Großbuchstaben, „Werbt Mitglieder!“, der sachlichen Information „Monatlicher Mitgliedsbeitrag -:50 Öre!“, der für alle Emigranten erschwinglich gewesen sein sollte, und stets derselben Adresse: „Postbox 19096-Stockholm, Postgiro 155618“. Sie informierten über die Veranstaltungen des laufenden Jahres, nannten die Vorstandsmitglieder und gaben indirekt in erster Linie durch zahlreiche Anzeigen auch Auskunft über die Lebensverhältnisse in der Gemeinschaft. Sie funktionierten durch die Vielfältigkeit ihres Inhalt die Jahre hindurch quasi als das „geistige Band“, das die „E-S“ zusammenhielt. In den einzelnen Nummern der Mitteilungen tauchten dann nahezu immer Abteilungen wie „Stellenangebote“ und „Stellengesuche“, „Wohnungsangebote“ und „Wohnungssuche“, „Kaufgesuche“ und „Verkaufsgesuche“ sowie „Auskunft“ und „Beratung“, „Adressenänderung“ und „Anzeigenaufnahme“ auf; Veranstaltungen wurden angekündigt, alle erdenklichen Suchkleinanzeigen und Angebote aufgegeben, usw. etc., oft ein detailreiches Kaleidoskop, das in die unterschiedlichen Lebensumstände der Mitglieder in der Emigration sichtbar macht.

2.4 Sozialarbeit



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Abb. 12: Einladung sowie Anzeigen. 15. Februar 1941. Eine von vielen Rundschreiben mit Anzeigen aller Art. (Privat)

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Ab 1949 werden die Mitteilungen in den Rechenschaftsberichten erwähnt und ihre Bedeutung stets hervorgehoben. Für 1948 heißt es: Das Mitteilungsblatt, das der Kostenersparnis wegen in primitiver Form unseren Mitgliedern in gewissen Zeit Abständen zugestellt wird, hat zu unserer Freude mehr Beachtung gefunden, als wir erwartet hatten und manch guten Erfolg mit sich gebracht.

Im September dieses Jahres hatte man darum gebeten, „(…) Mitteilungen (…) dem Sekretariat schriftlich ein(zu)reichen“. Diese Aufforderung sollte sich wiederholen, und für 1949 konstatiert man sehr zufrieden, dass die Mitteilungen „mit Anzeigen aller Art, das wir regelmäßig anlässlich der Ankündigung unserer Veranstaltungen beifügen, (…) immer mehr Beachtung (finden)“. Sie unterstützen „unsere soziale Arbeit“, und immer wieder habe man Beweise dafür, „dass unsere Ankündigungen mit Interesse gelesen werden und oft den gewünschten Erfolg bringen“. Für 1953 werden ihnen „oft gute Erfolge bescheinigt“, und im Jahr danach, 1954, rühmt man sich, „dass wir in letzter Zeit auch die neuesten Entscheidungen in Wiedergutmachungsfragen sehr zeitig bekanntgeben können“. Im gleichen Jahr registriert man auch, dass die „Beratungs- und Auskunftsstelle“, deren Arbeit sonst kaum genannt wird, „nach wie vor sehr rege in Anspruch genommen“ werde. Dies dürfte ein Beweis dafür sein, dass die praktische Arbeit der „E-S“ noch neun Jahre nach Kriegsende notwendig und erfolgreich war. In jeder Nummer der Mitteilungen fanden sich denn auch Hinweise, wo das „Sekretariat“, die „Beratungsstelle“, seine Räumlichkeiten hat und die „Sprechstunde“ abgehalten wird. Im März 1942 teilt man mit, dass diese „in den Sommermonaten jeden Montag von 19.30 – 20.30 in dem Klublokal Klippgatan 19 B“41 stattfinden“ und dass „telephonische Auskünfte (…) täglich – außer Sonnabend und Sonntag – in der Zeit von 15–17 Uhr (Tel. 31 84 55) gegeben“ werden. Dies ist die Telefonnummer des Sekretärs Siegfried Pawel, die, soweit feststellbar, bis mindestens 1955 dieselbe bleibt. Ohne ihn ist die praktische Arbeit der „E-S“ nicht denkbar. Oktober 1942 heißt es dann, dass die „Sprechstunden ab 19. Oktober statt Klippgatan in Regeringsgatan 50“ in den Räumen der „Sällskapet för Religiös Bildning“ gehalten werden, und im April 1943, dass „die Abendsprechstunden am Montag nach dem 1. und 15. jeden Monats (…) nicht mehr Regeringsgatan 50, sondern Freijgatan 47/II (Pawel), Tel. 31 84 55, von 19 bis 20 Uhr statt(finden)“, also in der Wohnung des Sekretärs der „E-S“, ebenso „daselbst auch täglich – außer Sonnabend und Sonntag – Nachmittagssprechstunden von 15–17 Uhr“, eine Adresse und Telefonnummer, die auch 1956 noch gültig sein sollte.

41 Es handelt sich um das „Judenhaus“ im Stockholmer Stadtteil Söder, ein Zeichen dafür, dass die „E-S“ den Zionisten näherstand als der eher assimilierten, offiziellen Jüdischen Gemeinde.

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Es war wohl die wichtigste Arbeit in all diesen Bereichen. Sie „begann“ wie es im Zehnjahresbericht heißt mit offiziellen Beratungsstunden, „an denen immer verschiedene Mitglieder des hierfür besonders eingesetzten Ausschusses beteiligt waren“. Dies soll sich erst „so allmählich“ ändern, als die „öffentlichen Beratungsstunden“ durch „täglichen Sprechstunden für individuelle Behandlung“ ersetzt wurden, wobei gerade das Wort „individuell“ die Sonderstellung der „E-S“ unter sämtlichen Hilfsorganisationen unterstreicht.42 Zu kaufen und zu verkaufen Großes Interesse dürften die in den Kriegs- und Nachkriegsjahren überaus zahlreichen und vielseitigen Kleinanzeigen gefunden haben, von denen hier nur einige charakteristische Kostproben gegeben werden können. Sie berichten von den alltäglichen Sorgen und Nöten der Emigranten, lassen des Öfteren erkennen oder vermuten, dass viele von diesen aus einem Milieu stammten, das gutbürgerlich genannt werden kann, dass und wie sie sich bemühen, sich in einer anderen, völlig fremden Umgebung zurecht zu finden. Sie sind insgesamt eine Fundgrube für soziologische und ethnologische Studien, wobei, aber nur am Rande, gelegentlich deutlich wird, dass es sich um Juden handelt, die sich in der Fremde befinden. So gibt es Kaufgesuche für „Grammophonplatten mit jüdischen Kompositionen“ schon im Januar 1943, für ein „Jüdisches Lexikon in fünf Bänden“ im Mai 1943 und für das „Gebetbuch Hanna“ (November 1943) sowie im Oktober 1952 für „2 silberne Leuchter“ und im Januar 1953 für ein „Deutsch-hebräisches Gebetbuch“. „Zu verkaufen“ sind März 1945 das Bild „‚Betender Jude‘ (Bildformat 40x50) von Ludwig Meidner“43 sowie im Mai 1952 „Der ‚Babylonische Talmud‘, 12 Bände, gut erhalten (übertragen durch Lazarus Goldschmidt)“44 und im gleichen Monat „österliches Geschirr“. Insgesamt dominieren aber ‚normale‘, alltägliche Angebote. So ist im September 1949 „Knaurs Konversationslexikons in einem Band zu kaufen gesucht“, und so werden im Oktober 1946 „Gut erhaltene deutsche Kinderbücher wie Struwwelpeter, Hänschen im Blaubeerwald u. dergl. (…) gesucht“. Das „Hänschen“ war im Übrigen ursprünglich ein schwedischer „Putte“, der sich 1901 im klassisch gewor42 Die Mitteilungen schließen fast ausnahmslos mit einer Notiz wie der folgenden mit sehr genauen Angaben: „Auskunft und Beratung täglich außer Samstag und Sonntag von 15–17 Uhr Frejgatan 47/II – Ecke Frejgatan/Sveavägen (Pawel), Tel: 318455. Abendsprechstunden Regeringsgatan 50/II nur am Montag nach dem 1. & 15. jeden Montag von 19.30 bis 20.30 Uhr“. 43 Ludwig Meidner, ein expressionischer Maler und orthodoxer Jude. Seine Bilder galten als „entartete Kunst“. Das Bild, eine Zeichnung, entstand 1933/1934. 44 Lazarus Goldschmidt wurde 1871 in Plungen/Litauen geboren und emigrierte 1933 aus Berlin nach London. Der „Babylonische Talmud“, bis heute die maßgebliche Ausgabe des Talmud, erschien 1930–1936 im Jüdischen Verlag in Berlin.

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denen Bilderbuch der schwedischen Kinderbuchautorin Elisabeth Beskow in einem „Blåbärsskogen“ verirrt hatte und 1903 eben zum „deutschen“ Kinderbuch wurde. Bücher werden im Allgemeinen häufig gesucht, so bereits im Januar 1943 „Ernst Toller: Hinkelmann“ [sic; eigentlich Hinkemann], aber auch zum Kauf angeboten, so im September 1949 „Brockhaus Konversationslexikon gut erhalten Ausgabe 1920 (16 Bände, vollständig) für Kr. 60:00“ und im Mai 1952 „Brockhaus Konversationslexikon (17 Bände, 1910)“, vermutlich wie so manche andere Verkaufsangebote aus einem Nachlass. Vor allen Dingen sind Möbel aller Art in den ersten Jahren im neuen Land gefragt, so fahndet März 1943 ein wohl gutsituiertes „Jung verheiratetes Ehepaar (…) [nach] Möbeln für eine Dreizimmerwohnung“, wobei „Näheres durch das Büro der ‚E-S‘“ zu erfahren ist, und im Februar 1948 findet sich eine Suchanzeige für „Gut erhaltenes Klavier oder Flügel. Servis (Zwiebelmuster)“. Aber andererseits „erbittet Flüchtling“ noch im April 1947 „für sein gemietetes Leerzimmer Möbel (Tisch, Stühle, Kommode, Lampe, Geschirr)“. Teppiche sind beliebt, so wenn im November 1942 ein „Gut erhaltener Teppich (…)“ oder im Januar 1943 sogar ein „Echter Teppich […] und mehrere Brücken“ gesucht werden. Kleidung, Möbel und Teppiche sind allerdings auch häufig im Verkaufs-Angebot zu finden. Im November 1951 sind „Gebrauchte Möbel zu verkaufen“, im November 1944 ein „Großer Waschtisch“ sowie „Bettstellen“, aber im September 1949 dann sehr detailliert „Ein rechteckiger Spiegel 45x90 cm, ein Kinder-Klappstuhl, zwei moderne Schaukelstühle im Windsor-Stil, ein kleiner Tisch, zwei Bettvorleger in bestem Zustand“. Im Dezember 1948 geht es unspezifiziert um „Winterkleidung“ und, wohl aus einem Nachlass, im April 1950 um „Gut erhaltene Herrenanzüge (mittlere Größe) und Herrenhüte preiswert“ und mutmaßlich auch im Dezember 1952 aus einem wohlbestellten Haushalt um „Damasttischtücher 1,60/1,60 bzw. 1,60/2,20 m groß, Damastservietten, Klavierauszüge und Klavierstücke, Herrengarderobe (mittlere Größe), Deckbett, Kopfkissen und ca. 1,-/0,50 m. Koffer“. Ein direkter Bezug zu einem Todesfall wird schon vorher im Mai 1951 hergestellt: Verkauf aus einem Nachlass. Schreibmaschine (AEG), eichene Bücherschränke, gut erhaltene Herrenkleidung (Frack-, Abend und Straßenanzüge, Mäntel, Unterkleidung, Schuhe Gr. 39). Aber neben Möbeln und Kleidung sucht man vor allem Fotoapparate, Radios und Schreibmaschinen zu verkaufen oder zu kaufen, so im Januar 1943 eine „Leica oder Kontax mit lichtstarkem Objektiv, ev. älteres Modell“, ein „Allstrom Radioapparat mit Kurzwelle“ oder eine „Reiseschreibmaschine“, wobei die „Angebote [jeweils] an das Büro der ‚E-S‘ zu richten sind“. Im Oktober 1942 ist andererseits eine

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„Rechenmaschine Brunnsviga“ zu 75 Kronen zu verkaufen sowie eine „Schreibmaschine Adler“ zu 50 Kronen. Wie sehr gerade Schreibmaschinen beliebt waren, zeigt dann eine redaktionelle Meldung von Februar 1945: „Auf Grund wiederholter Anfragen nach gebrauchten Schreibmaschinen geben wir an, dass uns die Firma […] mitteilte, dass bei ihr gebrauchte Schreibmaschinen stets käuflich und leihweise erhältlich sind“. Nach Ankunft der dänischen Juden Oktober 1943, unter denen sich auch zahlreiche deutsche Flüchtlinge befanden45, die zunächst in Dänemark ihre Zuflucht gefunden hatten, suchte man in den Mitteilungen im November „(Für Flüchtlingslager) zu kaufen oder zu leihen: Lehrbücher für deutsche Stenographie (neu oder antiquarisch) – Gabelsberger, Stolze-Schrey und Einheitskurzschrift“. Und im Februar 1949 ist ein „Vollständiger deutsch-schwedischer Linguaphone-Kurs, 30 Platten und 2 Bücher für 70:00 Kronen zu verkaufen“, vielleicht ein Zeugnis geglückter Einbürgerung. Oder er stammt, wie ab Mitte der 40er Jahre ja oft zu vermuten ist, aus einem Nachlass. Kuriosa sind ebenfalls zu verzeichnen, so wird in derselben Anzeige Mai 1944 eine „Gebrauchte Ziehharmonika (…) und Stoff- oder Ledersessel zu kaufen oder zu leihen“ gesucht. Vermutlich ein Emigrantenehepaar, das gerade Eltern wurde, möchte im September 1943 eine „Baby-Badewanne (leihen)“, in einer Anzeige von November 1943 gibt es ein „Leihgesuch: Nähmaschine 2–3 Monate“, und im Dezember 1944 kann man eine „Schreibmaschine gegen Singer-Nähmaschine oder neuen elektrischen Ofen“ tauschen. Anything goes. Immer wieder ist man als später Leser von den Schicksalen angerührt, die in den vielen, vielen Anzeigen aufscheinen, von hier nur wenige genannt werden konnten. In ihnen ging es um den täglichen Bedarf, und man wird neugierig auf die Personen, die die Anzeigen veröffentlichten. Gleichzeitig wird deutlich, dass es erhebliche soziale Unterschiede unter den Emigranten gegeben haben muss. Sie konnten wohlhabend sein oder eben auch starker Unterstützung bedürfen. „Gebildetes Ehepaar sucht gut möbl. Zimmer mit Küchenbenutzung“ Dies gilt ebenfalls für die Unterbringung in einfachen Zimmern zur Untermiete oder in Drei-Zimmer-Wohnungen, für die man Möbel und Teppiche suchte (s. oben). Eine erste, sehr erfolgreiche Bilanz auf diesem Gebiet hatte man bereits im ersten Rechenschaftsbericht für etwa neun Monate 1939 gezogen. Dort heißt es:

45 Im Oktober konnte fast ausnahmslos die jüdische Bevölkerung Dänemarks, fast 6000 Personen, unter ihnen mehr als 100 deutsche Juden, dank der dänischen Widerstandsbewegung und der schwedischen Behörden, nach Schweden gerettet werden.

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Es sind ca. 60 Wohnungen und Zimmer besorgt, etwa 40 Empfehlungen für Hotels, Pensionen und kurzfristige Unterkünfte erteilt worden. Die gleiche Anzahl weiterer Adresse wurde an Emigranten gegeben, ohne dass das Ergebnis bekannt geworden wäre. 10 bei Emigranten zur Verfügung stehende Zimmer wurden weitervermietet. Im September des gleichen Jahres ist für die gleiche Zeit die Rede davon, dass „die Wohnungsvermittlung […] ca. 130 Wohnungen und Zimmer und etwa 100 Empfehlungen für Hotel und Pensionen nachgewiesen (hat)“.

Dies war ein großer Erfolg, denn in den folgenden Kriegsjahren war der Wohnungsmarkt streng reguliert. Gerade als Emigrant war man auf die Hilfe von Wohltätern oder auf eine oft vergebliche Suche angewiesen, wovon die Anzeigen in den Mitteilungen zeugen. Im Herbst 1942 sucht ein „(alleinstehender) Herr ein einfach möbliertes Zimmer mit Pension zum 1. 10. des Jahres“, im November 1942 ein „einzelner älterer Herr“ ebenfalls ein „kleines möbliertes oder unmöbliertes Zimmer“ und im März 1943 sowohl eine „berufstätige Dame“ als auch ein weiterer oder der obige „älterer Herr“ jeweils ein „kleines möbl. Zimmer“. Im Juli 1943 gibt dann ein „gebildetes Ehepaar“ eine Suchanzeige nach einem „gut möbl. Zimmer mit Küchenbenutzung zum 1. Oktober d. J.“ auf, wobei man annehmen sollte, dass ein „gebildetes Ehepaar“ sich von diesem Adjektiv Erfolg versprach. Mutmaßlich im Zusammenhang mit der Flucht der dänischen Juden sucht dann die „E-S“ sogar selbst „Möbl. Zimmer in allen Preislagen, auch gegen Haushaltshilfe“. Im Januar 1951 findet sich dann ein weiteres, mutmaßlich erfolgversprechendes Adjektiv in der Suchanzeige einer „Dame“, die ein „Möbl. Zimmer in rituellem Haushalt“ sucht. Zimmerangebote finden sich dagegen seltener, so wenn im Mai 1943 unter „Zu vermieten“ ein „Balkonzimmer Rindögatan Kr. 75 monatlich, ein gut möbl. Zimmer mit Küchenbenutzung […] f. 1–2 Damen“ angeboten wird. April 1954 wird dann eine „Deutsch oder ungarisch sprechende Dame (…) als Mitbewohnerin von älterer Dame aufgenommen. Kleines Zimmer einschließlich Heizung, Beleuchtung und Telefon wird kostenlos überlassen“. Gerade luxuriös ist und eine völlige Ausnahme ist eine Anzeige, die im November 1943 erscheint und die man nicht in den Mitteilungen erwartet hätte. Sie handelt von einem „Wohnungstausch: 3 Zimmer-Wohnung in Stockholm Stadt gesucht. Geboten wird Doublette mit Bad, Heizung, Warmwasser und Balkon in Villa Stocksund. Jahresmiete Kr. 1.200“. Im Rechenschaftsbericht für 1949 muss man dann allerdings wohl aufgrund der weiter anhaltenden Wohnraumbewirtschaftung gestehen:

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Die Wohnungsvermittlung kommt überhaupt nicht mehr in Frage, denn es gibt keine Wohnungen zu vermitteln, doch können wir hin und wieder ein möbliertes Zimmer nachweisen, wenngleich die Nachfrage wesentlich höher ist als das Angebot. Vernetzung

Die Mitteilungen unterbreiteten auch auf anderen Gebieten den Mitgliedern der „E-S“ ein breites Angebot, so zu Ausstellungen und Veranstaltungen. Im „Spätherbst 1941“ teilt man beispielsweise mit: „Im Dezember des Jahres beabsichtigen wir eine Ausstellung künstlerischer, kunstgewerblicher und handwerklicher Arbeiten von Emigranten zu veranstalten“. Über sie wird dann aber nichts Näheres berichtet, und sie bezieht sich möglicherweise auf den Chanukka-Markt des gleichen Jahres. Im September 1943 geht es dann um eine Ausstellung einer Emigrantin, der österreichischen Malerin und Architektin Leonie Pilewski-Karlsson, die „im Konsum-Restaurant […] eine Ausstellung ihrer Blumen- und Landschaftsbilder“ zeigt. Im November 1944 wird ferner hingewiesen auf eine weitere „Bilderausstellung von Leonie Pilewski-Karlsson in den Klubräumen der Konsum-Angestellten“. Hinweise erscheinen ferner auf die anderer Vereinigungen, mit denen man zusammenarbeitet, so im Spätherbst 1941 auf eine „Veranstaltungen der Jugendund der Seniorengruppe des ‚Judiska Klubben‘“, wobei „Mitglieder der ES“ aufgefordert wurden, „Adresse, Telefonanschluss an[zu]geben“. Dieser Klub wurde 1933 gegründet und existierte bis 1950, „als er mit der zionistischen Tel-Aviv-Gruppe fusionierte, die ihrerseits 1944 von Jugendlichen gegründet wurde, die in den 30er Jahren nach Schweden gekommen waren“; er „veranstaltete Feste und Tanzabende für die jüdische Jugend, verantwortete zahlreiche Abendkurse [zu jüdischen Fragen] und es gelang ihm, namhafte Vortragshalter einzuladen“.46 Erwähnt wird ferner im März 1942 „‚Judiska Musiksällskapet‘47, die Anmeldung zu Chor- und Orchesterübung bei Hans Holewa, Moses Pergament und Leo Rosenblüth entgegennimmt“. Die Gesellschaft existierte 1940 bis 1946 und wurde von Moses Pergament48, einem aus Finnland stammenden, sehr bekannten jüdi46 Die Angaben und Zitate nach der Arbeit von Carl Henrik Carlsson: Judarnas historia i Sverige. Stockholm 2021, S. 227. Bei den apostrophierten Jugendlichen dürfte es sich um deutsche und österreichische Emigranten gehandelt haben. Die Gesellschaft gehörte zum zionistischen Flügel der Jüdischen Gemeinde. 47 Über die Gesellschaft und ihre Tätigkeit sind keine publizierten Dokumente vorhanden. In Judisk Krönika (1940, 10) findet sich ein erster Artikel über die Gesellschaft nach ihrem dritten Konzert. U. a. wird betont, dass die Gewinne aus den Konzerten „ungekürzt der Hilfe für Flüchtlinge und notleidende schwedische Juden zufallen“ sollen. Es ist anzunehmen, dass der Chor der „E-S“ in der Judiska Musiksällskapet aufgegangen war. Er tritt öffentlich nie in Erscheinung. 48 Der Komponist, Violinist, Kapellmeister und Musik-Kritiker Moses Pergament wurde 1893 in Helsinki geboren. Er bildete sich zum Violinisten am Konservatorium in Sankt Petersburg aus,

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schem Komponisten und Musikkritiker zusammen mit Leo Rosenblüth gegründet, ebenfalls Komponist, Oberkantor und Chorleiter der Jüdischen Gemeinde in Stockholm. Moses Pergament war teilweise aus Konkurrenzneid antisemitischen Intrigen ausgesetzt und mehrere Jahre mit Nelly Sachs befreundet, deren Drama „Eli“ er 1951 als Oper vertonte. Leo Rosenblüth war 1931 nach Stockholm berufen worden. Er hatte sich vorher in Deutschland zum (Chor-) Dirigenten und Sänger ausgebildet und war als Konzert- und Oratoriensänger aufgetreten. Er komponierte u. a. Chorwerke, Kantaten, Musik für den jüdischen Gottesdienst und Opern. Ferner trat er in Schweden, so auch häufig auf Veranstaltungen der „E-S“, als Gesangssolist, auf. Hans Holewa, Mitglied der „E-S“, dürfte wohl der wichtigste Mitarbeiter der Gesellschaft gewesen sein, die auch viele der Emigranten rekrutierte. Im November 1943 lud die „E-S“ zusammen mit den zionistischen Vereinigungen Zionistföreningen, WIZO und Zeire Misrachi zu dem Vortrag „Schicksalsschwere Jahre“ ein, den Dr. Marcus Melchior, der Chefrabbiner der Großen Synagoge in Kopenhagen, halten sollte.49. Er hatte sich im Oktober 1943 nach Schweden retten können, nachdem er von der geplanten Verhaftung aller Juden in Dänemark unterrichtet worden war und sie zur Flucht nach Schweden hatte auffordern können. Der Schauspieler Jura Fränkel alias Jura Tamkin, der aus Russland stammte und auf Veranstaltungen der „E-S“ öfters als Alleinunterhalter auftrat, las ferner auf Jiddisch aus Werken von u. a. Scholem Alechem.50 Im Oktober 1945 weisen dann die Mitteilungen der „E-S“ darauf hin, dass die schwedische Studentenverbindung Clarté zusammen mit der Freien Deutschen Jugend am Freitag, d. 26. d. Mts., 20 Uhr im großen Saal des Medborgarhuset eine Soiree für die in Schweden befindlichen Befreiten aus Konzentrationslagern durchführt. Dies war eine Veranstaltung der sozialistischen Linken, vertreten durch die schwedische Studenten- und Intellektuellenorganisation Clarté, die einer deutschen Studentenverbindung in keiner Weise entsprach. Die Freie Deutsche Jugend war im Dezember 1944 auf Betreiben der KPD gegründet wurde. Ihr gehörten vorwiegend jugendliche „bürgerlich-zionistische“ Kreise aus Stockholm und der Um-

studierte danach mehrere Jahre an der Universität Helsinki und wurde zwei Semester zum Opernkapellmeister am Sternschen Konservatorium in Berlin ausgebildet. 1915 zog er nach Stockholm. 1923 stellte ihn die Zeitung Svenska Dagbladet als Musikkritiker ein. Später wechselte er zu anderen Tageszeitungen. Er heiratete 1923 die Deutsche Ilse Maria Kutzleb. 1944 komponierte er die Chorsymphonie „Den judiska sången“ [Der Jüdische Gesang]. 49 Zionistföreningen existierte in Stockholm 1911–1949, Wizo ist die 1919 in London gegründete und bis heute existierende Women’s International Zionist Organisation und Zeire Misrachi eine von Fritz Hollander gegründete jüdische, in erster Linie wohl zionistische Jugendorganisation. 50 Er spielte auch in einigen schwedischen Filmen mit, führte gelegentlich Regie und gehörte keinem festen Ensemble an.

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gebung an. Die überwiegende Mehrheit war parteilos, einige standen den Kommunisten nahe.51 Möglicherweise lässt die Einleitung der Anzeige, „Wir werden gebeten, darauf hinzuweisen, dass …“ eine gewisse Distanzierung des Sekretärs der „E-S“ von der Veranstaltung erkennen. Diese Formulierung findet sich auch bei Aufführungen der Freien Bühne und bei Filmveranstaltungen der Sowjetischen Botschaft, die diese arrangierte. Zu guter Letzt finden sich noch zwei Anzeigen des Jüdischen Frauenklubs von März 1952 und Februar 1954. Zum einen wird für den 5. Mai 1952 zu einem „Handarbeitsabend mit musikalischer Unterhaltung“ eingeladen, zum anderen geht es darum, dass „Judiska Kvinnoklubben beabsichtigt, monatliche Zusammenkünfte am Nachmittag einzurichten. Gelegenheit zu Bridge, Canasta u. dgl. … Auch Herren sind willkommen“, ein Zeichen dafür, dass sich die Zeiten zu diesem Zeitpunkt wohl endgültig normalisiert hatten. Weitere Verweise in den Mitteilungen der „E-S“ auf die Tätigkeit zionistischer oder anderes jüdischer Organisationen sind selten.52 Im Januar 1946 wird ein Adressenverzeichnis“ genannt, dass ein Judiska Föreningars Centralkommittée anfertigte, und „dass wir mit Einverständnis des Centralkommittées unseren Mitteilungen beilegen“. Im Februar 1946 liest man dann unter der Überschrift „Wanderbibliothek“, dass das Judiska Föreningars Centralkommittée beabsichtigt, eine Wanderbibliothek für die 1945 Geretteten zusammenzustellen. Wir bitten unsere Mitglieder, uns Bücher in deutscher und englischer Sprache zur Weitergabe an das Centralkommittée zur Verfügung zu stellen“. Bereits im August 1944 hatte man über die „Bne Bris Logen [sic]“ erfahren können – ein Zeichen beginnender Normalität –, dass ein Zusammenschluss ehemaliger Brüder der Reichsdeutschen Bne Briss Logen [VIII. Distrikt] geplant (ist). Wir bitten die Brüder, die an der vorbereitenden Besprechung nicht teilgenommen haben, ihre Adresse und frühere Logenzugehörigkeit baldm. Herrn Pawel (…) anzugeben und Brüder, die nicht Mitglied der „E-S“ sind, zu veranlassen, sich gleichzeitig zu melden. Zugleich bitten wir, uns auch die Adressen von Witwen früherer Brüder anzugeben.

51 Clarté ist eine überparteiliche sozialistische, in erster Linie studentische Jugendorganisation, die 1921 gegründet wurde und der vor allem in den 1930er und 1940er Jahren auch eine Reihe linksstehender Intellektuelle angehörte. Sie existiert auch heute noch. Zur FDJ: Peters, Exilland Schweden, S. 171–173. Vorsitzender der FDJ war Ludwig (Lutz) Zempelburg, ein Neffe von Simon Katzenstein. 52 Dies gilt auch für Veranstaltungen der Jüdischen Gemeinde in Stockholm, auf die sehr selten hingewiesen wird.

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Blick nach „Draußen“ Zudem werden die Mitglieder als Bewohner eines neutralen Staates in den Mitteilungen darüber informiert, dass nicht alle Verbindungen nach Außen abgeschnitten sind. Schon im Herbst 1942 erfährt man, dass „Herr Rosengart“ in der „Heros Handels AB“ [AG] „Lebensmittelpaketsendungen nach allen europäischen Ländern über Lissabon (…) vermitteln kann“, und im August 1943 wird mitgeteilt, dass „neue Preislisten für Paketsendungen (Lebensmittelpakete innerhalb Europas) durch die Firma Heros Handels AB [dieselbe Firma also] erhältlich sind“. Nach Kriegsende reißen die Möglichkeiten für solche Hilfsaktionen nicht ab, sondern werden bedeutend grösser und vielfältiger. Bereits im Januar 1946 erfahren die Mitglieder der „E-S“ durch Anzeigen, dass Paketsendungen nach Deutschland durch Vermittlung von KFUM:s [CVJM] Världsförbunds Krigsfångehjälp und Hjälp Krigets Offer in die von den Westmächten besetzte Zonen Deutschlands befördert werden (können), während aber vorderhand Pakete in die russische Zone und nach Berlin nicht befördert werden (können).

ein indirekter Hinweis darauf, dass Deutschlands kommende Teilung sich abzuzeichnen beginnt. In den folgenden Monaten wiederholen sich regelmäßig solche Informationen. Februar 1946 geht es um „Paketsendungen nach allen Ländern Europas“, März 1946 um „Paketsendungen nach europäischen Ländern“, Februar 1947 sendet eine „Internationale Pakethilfe (…) 5 kg Lebensmittelpakete nach Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei“, Oktober 1951 geht es um „Lebensmittelpakete nach Deutschland, Österreich und [erstmalig] I s ra el“, die Verlierer des Krieges brauchen also ebenso Hilfe von den Mitgliedern der „E-S“ wie die Bewohner des neuen Staates, was durch die Mitteilungen von November 1951 unterstrichen wird. Hier heißt es erneut: „Lebensmittelpakete nach Israel. Nunmehr auch per Flugpost“ und noch im März 1953: „Pakete nach Israel – Zionistiska Federationens Paketkommitté“. Aber auch andere, rein geschäftliche Möglichkeiten zu Auslandsbeziehungen tauchen überraschenderweise in den Mitteilungen der „E-S“ auf und lassen ahnen, dass es eine Welt gab, gibt und geben würde, in der eine gewisse Normalität herrscht. Im August 1943, als die Niederlage Deutschlands sich für Optimisten abzuzeichnen beginnt, wittert eine „hiesige Importfirma“ Morgenluft. Es heißt in einer Anzeige: Emigranten, die durch Angehörige oder Freunde die Verbindung mit einheimischen Importfirmen in Südamerika – La Platastaaten, Argentinien, Brasilien, Peru, Chile, Colombia und

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Venezuela – für eine hiesige Importfirma herstellen können, bitten wir, sich an das Büro der „E-S“ zu wenden.

Und im November 1944, immerhin noch ein halbes Jahr vor Kriegsende, wird vorsorglich eine „Verbindung zu Citros-Plantagenbesitzern in Jaffa und Umgebung für späteren Import durch hiesige Vermittlung gesucht“. Nach Kriegsende öffnet sich auch in den Mitteilungen der „E-S“ eine jüdische Welt außerhalb Schwedens. Im Februar 1948 findet sich die Anzeige: „Der Aufbau“, die in New York in deutscher Sprache erscheinende Zeitung teilt uns mit, dass bei ihrer hiesigen Vertretung (…) sowohl Abonnements als auch Inserate und Mitteilungen angenommen werden“, im August 1948 wird darauf hingewiesen, dass „eine Liste der in Shanghai im Jahre 1947 verstorbenen Juden (…) im Büro einzusehen“ ist, und im Dezember desselben Jahres, dass „die letzte Sendung der in Europa geretteten jüdischen Literatur in deutscher Sprache (Dubnov, Herzl, Achad Haam, Klausner u. a. (…) in Schweden eingetroffen und durch Kurt Heinemann (…) beziehbar“ ist.53 Auch eine Öffnung nach Deutschland bahnt sich an. Es findet sich im gleichen Monat die Notiz, man sei ersucht [worden] auf folgende Zeitungen aufmerksam zu machen: – – – –

Jüdisches Gemeindeblatt, die Zeitung der Juden in Deutschland, Düsseldorf Benrath Das neue Israel, Zürich Das Israelitische Wochenblatt, Zürich Die Zeit. Zeitung für Politik, Wirtschaft, Handel und Kultur, Hamburg. Erscheint einmal wöchentlich. Jahresabonnement kr. 24.–.

Im September 1953 geht es schließlich um das European Jewish Yearbok 1953/54. Es enthalte, die „Adressen der kulturellen, ökonomischen und politischen Organisationen und Gemeinden in Europa einschl. der Namen der Vorstandsmitglieder und einer bibliographischen Abteilung ‚Wer ist das?‘ sowie einen illustrierten Sonderabschnitt ‚Israel‘ …“.

53 Diese vier Schriftsteller waren „Klassiker“ des Zionismus. Simon Dubnov war russisch-jüdischer Historiker des Judentums. Er kam 1922 aus Wilna nach Berlin, floh 1933 nach Riga und wurde dort Ende 1941 im Rahmen einer Massentötungsaktion umgebracht. Er schrieb 1922– 1929 eine „Weltgeschichte des jüdischen Volkes“ in zehn Bänden. Theodor Herzl gilt als Begründer des Zionismus. Achad Ha’am, geboren nahe Kiew und gestorben in Palästina, war führender Kulturzionist. Joseph Klausner, im heutigen Litauen geboren, wuchs in Odessa auf und lebte dort bis 1919, als er nach Palästina auswanderte. Er starb 1958. Er war Zionist, Historiker und Literaturwissenschaftler.

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Offizielle „Flüchtlingshilfe“ und Öffnung nach Außen Als so allmählich nach Kriegsbeginn auch die schwedischen Behörden begannen, sich der Emigranten bzw. Flüchtlinge anzunehmen, teilte die „E-S“ ihren Mitgliedern im Oktober 1943 mit, dass das 1941 neu geschaffene Statens flyktingsnämnd [Staatliche Flüchtlingsbehörde] in Stockholm ein Flyktingarnas Rådgivningsbyrå [Beratungsstelle für Flüchtlinge] eingerichtet hätte, das kostenlos „Ratschläge zu Studien, Kursen, Hobbies und Freizeitgestaltung“ erteile, „insbesondere geeignete Studienzirkel“ nachweise und eine eventuelle „Herabsetzung von Kursgebühren vermittelt“.54 Sie sei „im Studienheim der Quäker“ [Vännernas Samfund] zu finden, aber bereits einen Monat später, im November 1943, muss dieser Hinweis geändert werden, denn „Frl. Hellner hält ihre Sprechstunden nunmehr in „Statens Flyktingsnämnd“ ab“.55 Eine weitere Anlaufstelle, diesmal eine städtische, wird im Februar 1945 erwähnt, die „Kuratorin der Stadt, Fräulein Astrid Regnell“, die ihre „Sprechstunden nunmehr Montag, Mittwoch, Freitag und Sonnabend von 11–15 Uhr Vasagatan 4/V“ abhält.56 Vermischtes Diese Aufstellung über das Inhalt-Potpourri der Mitteilungen der „E-S“ wäre nicht vollständig ohne einige Anzeigen, die den Alltag der Emigranten und Emigrantinnen aufscheinen lassen. Im Spätherbst 1941 bittet man im Zusammenhang mit einem Vortrag von Ernst Baburger am 5. November: „Diejenigen, die an der Teetafel teilnehmen wollen, werden gebeten, einen Teelöffel Tee und Gebäck bzw. fleischlose Butterbrote mitzubringen“, wobei die Butterbrot-Bitte erst- und letztmalig geäußert wird. Dagegen wird die Aufforderung, „einen Teelöffel Tee mitzubringen“, im Zusammenhang mit fast allen Veranstaltungen wiederholt, während Gebäck anscheinend in Zukunft gereicht wird. Im Oktober 1945 lässt man die Mitglieder wissen, man sei aus Mitgliederkreisen gebeten worden, in unseren Mitteilungen jeweils Familiennachrichten (besondere Gedenktage oder dergl.) mitaufzunehmen. Aber allem Anschein nach sind 54 Sie war „für alle Nationalitäten“ geöffnet, Es gab besondere Sprechstunden, so für norwegische Flüchtlinge montags 10–12 Uhr und für Flüchtlinge aus dem Baltikum freitags 17.30–19 Uhr. Für die deutschsprachigen fanden sie donnerstags 13–15 Uhr statt. Sie hielt Wolfgang Steinitz ab. Siehe hierzu: Byström, En broder, gäst och parasit. 55 Kerstin Hellner beschreibt ihre Tätigkeit in dem Buch: De landsflyktiga och Sverige. Stockholm 1952 56 Über Astrid Regnell sind keine näheren Angaben möglich. Sie soll bereits 1945 verstorben sein; s. Hergemöller, Mann für Mann: Abschnitt zum jüdischen Emigranten Günter Stiel, mit dem sie befreundet gewesen sein soll.

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keine Anmeldungen erfolgt, denn „Familiennachrichten“ fehlen in Zukunft. Auch Kontaktanzeigen kommen sehr selten vor. Im November 1944 sucht ein Anonymus „Bridge- und Skatpartner“, März 1946 heißt es: „Gesellschafterin: Ältere Emigrantin sucht Damenbekanntschaft zu Spaziergängen, Kinobesuchen und dergl.“ Im Januar 1947 wird ein „Mitabonnent für ausländische Zeitschriften gesucht wie Newsweek und Times Educational Supplement“, im April des Jahres kann man lesen: „Älterer Schachspieler sucht Partner und erteilt Unterricht im Schachspiel“. In den Mitteilungen von März 1950 gibt schließlich jemand bekannt, dass er „bei genügender Beteiligung Sederabende veranstaltet“, wobei man sich fragt, was wohl eine genügende Beteiligung ist und ob nach oben eine Grenze gezogen wird. Selbst der Übergang, zum geselligen Verein wird deutlich. Im Januar 1949 kann man in den Mitteilungen lesen: Wir wurden gebeten, für unsere älteren Mitglieder, die nicht gern in den Wintermonaten Abendveranstaltungen besuchen, ein- bis zweimal im Monat Teenachmittage und für jüngere Frauen zur Besprechung häuslicher und pädagogischer Fragen einzurichten. Um das Interesse zu testen, werden schriftliche, unverbindliche Anmeldungen erbeten.

Allerdings ist nicht überliefert, ob solche Anmeldungen getätigt wurden. Auf jeden Fall wurden solche Teenachmittage in den Mitteilungen nicht angekündigt. Vielleicht hatten auch „jüngere Frauen“ das Interesse an einer solchen Gelegenheit „zur Besprechung häuslicher und pädagogischer Fragen“, das blitzartig die gesellschaftliche Stellung der Frauen in dieser bürgerlichen Emigranten-Selbsthilfe verdeutlicht, verloren. Nach Kriegsende mehren sich zu guter Letzt die Anzeigen, in denen sich Restaurants, Köchinnen und Privatpersonen „empfehlen“, für wahrscheinlich lange entbehrte leibliche Genüsse zu sorgen. Schon im Dezember 1946 „(empfiehlt sich eine Frau NN) für komplette Gelegenheitsdinners (…) (Spezialität Wiener und tschechische Bäckereien, Torten, Kleingebäck und Konfekt)“, im Januar 1949 ein „Polsk [Polnisches] Restaurant für Lunch und Middag [schwedisch: Abendessen]. Polnische Spezialitäten“. Im Februar 1949 „empfiehlt sich Frau NN für die Bereitung von ‚Fest-Mittagen‘ und Kaffeeeinladungen (Spezialität, Wiener Gebäck)“ und im Januar 1952 werden „Backspezialitäten: Wiener und Prager Spezialitäten, Apfelstrudel, Gugelhopf, Käse- und Sachertorten“ offeriert. Sogar zu „Gefunden“ und „Vermisst“ finden sich vereinzelt Anzeigen. Im November 1942 heißt es „Portemonnaie mit Geldbetrag auf unserem ChanukkahMarkt gefunden“ und im Mai 1952 kann man lesen: Vermisst: Bei unserer letzten Veranstaltung vermisste einer unserer Besucher seine HerrenGummischuhe mit Reißverschluss. Wir bitten, die irrtümlich mitgenommenen Gummischu-

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he an dem Telephonwechsel [sic; Telefonzentrale das schwedische Wort „växel“ wurde ins Deutsche eingebürgert] … abzugeben.

Im September 1956 wird dann schließlich und endlich „Partner für Skatspiel“ gesucht, das deutscheste, aber in Schweden bis heute völlig unbekannte Kartenspiel. Vielleicht ist es ja die gleiche Person, die im November 1944, also zwölf Jahre vorher, schon einmal einen „Bridge- und Skatpartner“, gesucht hat.

2.4.2 Die Arbeitsvermittlung. „Helft Emigranten durch Aufträge“ Auf der Gründungssitzung der „E-S“ am 30. November war beschlossen worden, die kommenden Arbeitsaufgaben auf fünf Ausschüsse zu verteilen. Einer von ihnen war der Ausschuss für „Statistik, Werbearbeit und Arbeitsvermittlung“57. Er wurde offiziell „Ausschuss für Berufsumschulung“ genannt, denn man wollte nicht mit der streng regulierten schwedischen Gesetzgebung für den Arbeitsmarkt in Konflikt geraten, die den Flüchtlingen eine direkte Arbeitsannahme in fast allen Berufen verbot. Wohl aber registrierte man in einer Kartothek Arbeitsangebot und -nachfrage, um sich so einen Überblick über den Markt zu beschaffen58, und man suchte auch Beschäftigungsmöglichkeiten in Bereichen zu fördern, die, wie die Arbeit als Dienstmädchen im Haushalt oder als Näherin, als privater Sprach- oder Musiklehrer u. a. m., keine offizielle Genehmigung erforderten. Innerhalb des Ausschusses waren Kurt Heinemann und Else Korngold59, die Frau des Vorstandmitglieds Max Korngold, für diese Aufgaben zuständig. Sie trugen die Verantwortung für einen Bereich, der in dem Zehnjahresbericht 1948 als „besonders schwierig“ beschrieben wurde, da jeder Emigrant „bei Betreten schwedischen Bodens einen Revers unterschreiben (musste), der Erwerbsarbeit verbot“. Laut Bericht bemühte sich „besonders Fritz Hollander“ um die „Berufsberatung junger Menschen“, bis nach einiger Zeit, unklar wann, allmählich eine Arbeitsteilung eintrat. Danach „kümmerte sich Mosaiska Församlingen um Berufsumschichtung und Unterbringung der Jugend in Arbeit“ und später auch „um Eingliederung von älteren Personen in den Arbeitsprozess“60. 57 Über die Beschäftigung mit den Aufgaben „Statistik“ und „Werbearbeit“ sowie über die eigentliche Vermittlung von Arbeit sind keine Dokumente vorhanden. Es fehlen auch interne Materialien über die Arbeit des Ausschusses. 58 Eine solche Kartothek ist nicht vorhanden. 59 Nähere Angaben zu Kurt Heinemann, mutmaßlich kein deutscher Jude, liegen nicht vor. Er wird im Impressum der Judisk Krönika in den 1940er Jahren als verantwortlich für die Adressenannahme genannt. Über Else Korngold liegen keine Angaben vor. 60 Sämtliche Zitate aus dem Zehnjahresbericht, S. 5.

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Der Ausschuss, über dessen internen Arbeitsprozess und seine weitere Zusammensetzung keine Quellen61 vorliegen, tritt nach außen hin erstmalig im Januar 1940 in Erscheinung, als er eine Umfrage unter den Mitgliedern der „E-S“ plant. Ihr Entwurf sollte zunächst in den Sprachkursen verteilt werden, deren Teilnehmern versichert wird, man wäre ihnen „vor der allgemeinen Versendung für etwaige Anregungen bzw. Erweiterungen der gestellten Fragen dankbar“.62 Die Ergebnisse der Umfrage sollte nach der Auswertung „allen Emigranten, deren Adressen uns zugänglich sind, gesandt werden“. Man versichert, dass „die Antworten streng vertraulich behandelt und Außenstehenden auf keinen Fall zugänglich gemacht werden“. Mit Hilfe dieser Umfrage wollte man danach „im Interesse aller hier lebenden Emigranten, eine Statistik getrennt nach Berufen und Alter, anfertigen“ und, wenn möglich, auch „die gesellschaftliche Verbindung der einzelnen Berufe und ev. auch der Altersklassen“ erfassen. Aber nicht genug dieser selbstgestellten Aufgabe. Darüber hinaus sollten „Umschulungsmöglichkeiten erwogen und gegebenenfalls eingeleitet und die nach bestimmten Ländern Weiterwandernden schon jetzt miteinander bekannt gemacht werden, da wir einen Gedankenaustausch dieser Emigranten für wertvoll erachten“. Der Fragebogen selbst ist sehr ausführlich, denn alle 16 Fragen waren nur zu berechtigt. Gefragt wird nach: 1. Zuname – 2.Vorname – 3. Alter – (die Fragen 4 und 5 bitten wir nur auszufüllen, wenn die Angehörigen zusammen mit Ihnen leben) – 4. Personalien der Ehefrau. – 5. Personalien der Kinder – 6. Wohnung – 7. Fernsprecher63 – 8. Staatsangehörigkeit. – 9. Vor der Emigration ausgeübter Beruf. – 10. Ist schon eine Umschulung erfolgt ev. für welchen Beruf sind sie umgeschult? – 11. Jetziger Beruf. – 12. Haben Sie für eine Umschulung Interesse, ev. für welchen Beruf? – 13. Letzter Wohnort vor der Auswanderung. – 14. Seit wann sind Sie in Schweden? – 15. Besteht die Absicht der Weiterwanderung, ev. wohin? – 16. Besondere Bemerkungen – Für Familienmitglieder – s. Fragen 4&5 – sind die Fragen gesondert zu beantworten; Fragebogen bitten wir anzufordern.

61 Wir sind im Folgenden auf die „Mitteilungen“ und einzelne Listen aus der Sammlung Jakobowsky Silberangewiesen. 62 Enquete und Folgebrief in der Sammlung Friedländer. Dieser veranlasste, dass die einzelnen Lehrer die Umfrage in den Sprachkursen verteilten und sie danach „den Vertrauensleuten der Sprachkurse im verschlossenen Umschlag“ zurückgegeben oder direkt „bis zum 23. Januar“ an die „E-S“ gesandt wurden. Beantwortete Fragebogen liegen nicht vor. Es ist ferner nicht geklärt, ob diese für die weitere Arbeit benutzt wurden. 63 Gegenüber den deutschen Verhältnissen waren Fernsprechanschlüsse schon zur damaligen Zeit in Stockholmer Haushalten üblich.

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„Hjälp Emigranter“ Die Umfrage resultierte in einer ersten, provisorischen „Berufsliste“ Mitte 1940 auf Schwedisch und Deutsch64, die an die Mitglieder der „E-S“, aber vor allem ihre schwedischen Gönner und vermutlich wohl auch an Angehörige der Jüdischen Gemeinde mit der Bemerkung versandt wurde, die „E-S“ „erlaubt sich, Ihre Aufmerksamkeit auf folgende Adressen zu richten“. Man sicherte sich hier aber auch direkt gegenüber dem Vorwurf ab, man betreibe etwa eine illegale Arbeitsvermittlung, indem man ausdrücklich darauf hinwies, man wolle „nur gemäß den schwedischen Gesetzen gestattete Arbeit vermitteln. Wir bitten jedoch jeden einzelnen, in allen Fällen selbst zu prüfen, ob alle gesetzlichen Vorschriften zur Annahme der Arbeit erfüllt sind“. Diese erste Liste ist nicht wie spätere alphabetisch nach Personen geordnet, sondern notdürftig auf Schwedisch(!) nach Berufsgruppen, die von dem Arbeitsverbot nicht betroffen sind; außer den Namen sind stets Adresse und Telefonnummer angegeben65. Diese Liste ist bereits auf den ersten Blick hin aufschlussreich, denn sie lässt erkennen, dass es sich bei den Emigranten, die Arbeit suchten, nicht um Angehörige unqualifizierter Berufe handelte, sondern um solche des Mittelstandes, vor allem aber hier auch um Frauen, die bemüht waren, ihre oder der Familie kleine Unterstützung durch die MFST oder eine andere Hilfsorganisation aufzustocken. Aufgeführt werden 4-mal Musikunterricht, darunter 3-mal Klavier (Hertha Fischer) und 1-mal Gesang (Maria Spilga); 2-mal Unterricht in technischem Zeichen (Ing. Albert Cohen); 5-mal Sprachunterricht, darunter 1-mal Spanisch (Lilly Croner), 1-mal Französisch und Deutsch, 1-mal Deutsch, Geschichte und Übersetzung (Simon Katzenstein)66, einmal Schwedisch [!] und 1-mal Deutsch, Literatur, Volkswirtschaft (Ludwig Lewy), 2-mal Gymnastik + Skidåkning [Skilaufen]67 sowie 1-mal Gymnastik + JiuJitsu, 3-mal Kunstunterricht (u. a. Lotte Laserstein, Hilde Rubinstein68), 15-mal Kunstgewerbe, Handarbeiten, Zeichnen, Büro64 Sammlung Friedländer. 65 Einige der Personen werden hier namentlich genannt; sie werden an anderer Stelle vorgestellt. 66 Simon Katzenstein war Sozialdemokrat und Journalist. Er ging 1933 ins Saarland und emigrierte 1935 nach Schweden. 67 Man denkt unwillkürlich an das geflügelte Wort von Eulen nach Athen tragen, aber das Ehepaar, das dem Namen nach zu urteilen, aus Österreich stammt, dürfte wohl an deutsche Schüler und Schülerinnen gedacht haben. Name und Arbeitsangebot kommen in späteren Listen nicht vor. 68 Nähere Angaben zu Hilde Rubinstein, einer jüdischen, aber auch kommunistischen Künstlerin finden sich in Müsssener, 1974. Sie kommt nur an dieser Stelle in den Unterlagen zur „E-S“ vor. Siehe auch Hilzinger, Eine Spurensuche.

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arbeiten von 8 Frauen und 7 Männern, wobei die Frauen mehrfach ohne Vornamen nur als „Frau“ in Erscheinung treten. Genannt werden u. a. Mia Emsheimer, Frau Holewa und Boris Silber. 5-mal Wäsche und Nähen 1-mal Modistin 1-mal ein Mann, der Kosmetika vertreibt 1-mal „ett manligt hembiträde“ [eine männliche Hausangestellte].

Im Herbst 1940 liegt dann erstmalig eine gedruckte doppelseitige Liste mit der Überschrift „Helft Emigranten durch Aufträge“ vor, die sich, diesmal auf Deutsch, an eventuelle Interessenten wendet, wobei ihr Kreis nicht abgesteckt ist. Sie ist alphabetisch in 37 [!] Sach- und Berufsgebiete gegliedert. Diese beginnen mit „B“ wie „Bridgeunterricht“ und enden mit „Z“ wie „Zuschneide- und Nähunterricht“; die Namen der 77 Anbieter oder Anbieterinnen werden jeweils mit Adresse und Telefonnummer angegeben Man findet „Briefmarkenexpertise“ wie „Füllfederreparaturen“, „Porzellan- und Glaskitterei“ wie „Schreibmaschinenarbeiten“, die u. a. von Dr. Croner und Dr. Wolfgang Steinitz angeboten werden, „Klavierstimmen“ wie „Musik-/Klavierunterricht“ (7 Angebote). Im Angebot sind „Mittag- und Abendessen [Wiener Küche [nicht rituell]“, aber auch „Kinderbetreuung und Kinderwache“ [u. a. Steinitz/Stocksund], wobei das deutsche Neuwort „Kinderwache“ eine Direktübersetzung des schwedischen „Barnvakt“ ist.69 Für den Spätherbst 1941 wird dann im September bereits auf Grund „vieler Neuanmeldungen und Abänderungen als Neuauflage“ eine neue Liste angekündigt, für die man bis 8. November um Zuschrift bittet. Diese kommt auch gegen Ende dieses Jahres heraus, diesmal repräsentativ in A 8-Format auf Dünndruckpapier.

69 Die vollständige Liste sieht wie folgt aus. Einige Anbieter und Anbieterinnen werden hier namentlich genannt, aber an anderer Stelle vorgestellt. Bridge-Unterricht, Briefmarkenexpertise, Buchführung, Fleckentfernung, Fotoarbeiten, Fotokopien [Pawel], Füllfederhalter, Fußpflege, Gymnastik, Handarbeiten, Haushalthilfe, Kinderbetreuung und Kinderwache [u. a. Steinitz/ Stocksund], Klavierstimmen, Kleidung, Kosmetik, Kunstgewerbe, Lederwaren-Reparaturen, Lebensmittel, Mal- und Zeichenunterricht [u. a. Laserstein], Mittag- und Abendessen [Wiener Küche [nicht rituell], Modistin, Musikunterricht [u. a. Emsheimer, Eppstein, Wasservogel], Pelznähen, Polsterarbeiten, Porzellan- und Glaskitterei, Radio, Reklame- und Textilmuster [Emsheimer!], Schreibmaschinenarbeiten [u. a. Dr. Croner, Steinitz], Schreibmaterial, Sprachunterricht [u. a. Dr. Croner], Strickarbeiten, Tischlerarbeiten, Übersetzungen [u. a. Steinitz: russisch, finnisch, estnisch, ungarisch, schwedisch], Wäsche (Anfertigung), Wäsche (Reparaturen), Wäschewaschen und Reparaturen, Zuschneide- und Nähunterricht.

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Abb. 13: Helft Emigranten! 1941. Seite 1 einer vierseitigen Liste. (Privat)

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Die Mitteilungen, aber auch diverse Ankündigungen und Einladungen ergänzen diese Liste dann mehrere Jahre lang durch zahlreiche Nachträge wie beispielsweise „Krankenbetreuung und Diätküche“ (April 1943), „Wäscheausbesserung im Hause, Anstricken und Stopfen von Strümpfen“ (Mai 1943) sowie „Instandsetzung von Kravatten, Ausbesserung von Bett- und Leibwäsche“ (Dezember 1943), „Strumpfrepassionierung und Aufmaschung mit elektrischer Maschine“ im Januar 1943 und ein lakonisches „Mieder und Büstenhalter“ (Dezember 1944). Auffällig ist, wie sehr ‚weibliche‘ Angebote allmählich dominieren. Nach vier Jahren ist aber diese „Berufsliste (…) durch vielfache Änderungen und durch die erforderlichen Nachträge unübersichtlich geworden“. Die Mitteilungen für August 1944 melden, dass eine neue Zusammenstellung beabsichtigt ist, zu der bis zum 8. September Anmeldungen entgegengenommen werden. Diese erscheint dann auch bereits Ende 1944 in der gewohnten Form auf Schwedisch. Dies wie auch die Überschrift „Hjälp Emigranterna“ lässt erkennen, an welche ‚Arbeitgeber‘ man sich wiederum wendet. Sie ist mit 43 [!] Arbeitsgebieten sechsmal grösser als die Liste von 1940 und wird durch Angebote wie „Cykelexpress“ [Fahrradbote], „Språkfel“ [Sprachfehler], „Försäkringar“ [Versicherungen] angereichert und mit 82 Anbieternamen abgeschlossen. Ein letzter, aber erfolgloser Versuch wird dann im Oktober 1949 unternommen. In den Mitteilungen dieses Monats heißt es „Wir beabsichtigen, auf unserem Chanukkah-Markt eine Berufsliste verteilen zu lassen, falls hinreichende Anmeldungen vorliegen“. Aber die Zahl der Anmeldungen dürfte zu gering gewesen sein. Gleichzeitig gehen auch die der Stellenangebote und Stellengesuche in den Mitteilungen zurück. Sie verschwinden zwar nie ganz, sondern beziehen sich stattdessen mehr und mehr auf Angebote für den Haushalt. „Hausangestellte für koscheren Haushalt gesucht“ Doch mit dieser Liste allein war es für den Arbeitsausschuss der „E-S“ nicht getan. Zusätzlich enthalten fast alle Mitteilungen, Einladungen und sonstige Rundschreiben unterschiedliche „Stellenangebote“ und „Stellengesuche“, wie sie auch in Zeitungen und Zeitschriften der damaligen Zeit gang und gäbe waren, Angebote wie „Hausangestellte gesucht. Gute Bedingungen. Pineas. Grev Magnigatan 11“ (Oktober 1942), „Arzthaushalt sucht während des Ferienaufenthaltes an der See unter guten Bedingungen für Zeit vom 5.-26. Juni Vertretung für die beurlaubte Hausangestellte“ (Mai 1943) zeugen dabei davon, dass eventuelle Arbeitgeber aus gut situierten Kreisen stammen dürften. Im Dezember 1943 bietet im Gegenzug die „Opernsängerin Margot Stahl, diplom. Gesang- und Sprachpädagogin (…) Gesang- und Violinunterricht“ an. Und noch zehn Jahre später, im Dezember 1953, möchte eine „Ältere gebildete Dame

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(…) älterem Ehepaar oder alleinstehendem Herrn oder Dame den Haushalt führen. Eigenes Zimmer und harmonisches Heim wichtiger als hohes Gehalt“. Vor allem nehmen aber allmählich Angebote für alleinstehende Herren oder solche mit Ehefrauen zu, die nicht so recht mit allen hausfraulichen Diensten vertraut zu sein scheinen und die nach Kriegsende vor allen Dingen zeigen, woran nun zunehmend Not herrscht. So wird Februar 1949 „Wäscheausbesserung im Hause, Anstricken und Stopfen von Strümpfen“ bzw. „Strümpfe und Wäsche stopfen und ausbessern, mit Maschine Nähen und Stricken von Bett- und Leibwäsche“ angeboten, im September 1950 „Herren-Oberhemden, Strick-Modelle, Herren- und Damenbekleidung“ und im Oktober 1951 „Wäsche- und Kleiderausbesserungen, Bettwäschenähen“.70 Nur gelegentlich wird erkennbar, dass es sich um Anbieter und Suchende mit speziellen, jüdischen Wünschen handelt. So wird im August 1943 eine „Hausangestellte für koscheren Haushalt unter guten Bedingungen gesucht“. Im März 1943 geht es um eine „Pflegerin und Gesellschafterin für ältere Dame […] Verständnis für Jiddisch erw.“, und im November 1946 sucht „die Chewra Kaddischa, Stockholm, (…) Herren zur Hilfe bei Beerdigungen gegen Bezahlung“71. Im Dezember 1955 wird dann noch ein „Junges Mädchen nach London von jüdischer Familie zur Stütze der Hausfrau mit Familienanschluss und entsprechender Vergütung“ gesucht. Ferner sucht im Dezember 1943 eine „Dame“, die „perfekt in koscherer Küche“ ist, eine Anstellung, und ein „Älteres Fräulein möchte „gegen Zimmer und Verpflegung Führung eines kleinen rituellen Haushalts (…) übernehmen“. Im Dezember 1945 ist es ein „24-jähriges deutsches Flüchtlingsmädchen“, das an einer „Stellung in kleinem rituellem Haushalt“, interessiert ist. Noch Dezember 1952 heißt es: „Junge Kontoristin mit guten Referenzen, schwedischen, englischen, deutschen und hebräischen Sprachkenntnissen sucht Registratur- oder Karteiarbeit, eventuell Hilfsarbeit in Buchhaltung“. 70 Der Bedarf an solchen Hilfeleistungen scheint zu jener Zeit offenbar nicht zu stillen zu sein. Die Angebote wiederholen sich von Mitteilungen zu Mitteilungen. Ein interessanter Stoff für eine Reihe von soziologischen Studien, wie folgende Reihung zeigen mag. „Instandsetzung von Kravatten, Ausbesserung von Bett- und Leibwäsche“ und „Alte Kravatten werden wie neu durch Reinigen und Reparieren“ (Dezember 1948); „Oberhemden und Neuanfertigung sowie Kragen- und Manschettenreparation, spec. Nylon“ (September 1953); „Herrenhemden und Bettwäsche, Blusen, Kleider und Wäsche, Oberhemden und Wäsche, Kravatten“ (Dezember 1954); „Änderungen von Damengarderobe und Anfertigung von Kinderkleidern“ (Oktober 1955); „Änderung von Damengarderobe und Anfertigung von Kinderkleidern, Oberhemden und Wäsche“ (Dezember 1955); „Oberhemden und Wäsche und Änderung für Damengarderobe und Anfertigung für Kinderkleidern sowie Ausbesserung für Haushaltswäsche“ (September 1956). 71 Eine Beerdigungsgesellschaft (- brüderschaft) in jüdischen Gemeinden, die für die Beerdigung nach ritueller Ordnung zuständig ist. Die Mitglieder arbeiten unentgeltlich.

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Verkaufsstelle „Febo“ Schließlich und endlich machen die Mitteilungen von März 1944 auf eine „ständige Verkaufsstelle von Emigranten-Arbeiten aufmerksam“, die die Abkürzung „Febo“72 trägt. Eine Werbekarte lag bei, auf der ein ungenanntes Kollektiv sich auf Schwedisch „die Ehre gibt, mitzuteilen, dass ein Laden, der den Flüchtlingen gehört, in Stockholm, Grevturegatan 9, eröffnet wurde“. Man macht bekannt, dass „alle Waren, die verkauft werden, (…) ausschließlich von Flüchtlingen angefertigt worden (sind)“, dass „Kleidung (…) ausgebessert und Porzellan repariert (wird)“. Man würde sich „sehr freuen, wenn Sie Febo mit einem Besuch beehren wollten, um sich die Produkte anzusehen, die wir anbieten“. Im November 1944 wird erneut „auf die ständige Verkaufsstelle für Hausarbeiten für Emigranten“ hingewiesen wie noch im September 1945 auf die „Dauerausstellung von Emigrantenarbeiten“. Mehr dazu war bisher leider nicht in Erfahrung zu bringen. Abgesang Eine letzte längere Erwähnung finden dann die „Arbeitsvermittlung“ und ihre Leistung insgesamt im Jahresbericht für 1949. Zufrieden kann Sekretär Siegfried Pawel konstatieren, dass sie „nicht mehr die große und bedeutsame Rolle wie vor Jahren (spielt)“. Grund dafür ist, dass sich „die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt (…) ja grundlegend geändert“ haben. Man könne sich vier Jahre nach Kriegsende „kaum noch vorstellen, wie schwer es zurzeit für einen Ausländer – also auch für einen Emigranten – war, eine Arbeits- oder Handelserlaubnis zu erhalten“. Die Zeiten hätten sich grundlegend geändert, denn „(wir können) diejenigen Arbeitssuchenden, die sich jetzt bei uns melden, (…) meist sofort unterbringen und Arbeitgebern die gewünschte Arbeitskraft zuweisen“73. Dennoch ist die Arbeitsvermittlung mit dem Einbruch der neuen Zeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht unnötig geworden, denn in den Jahresberichten von 1949 bis 1952 wird sie auch weiterhin, meist zusammen mit der Arbeit der Beratungsstelle, genannt und gewürdigt. Es wird bekundet, dass sie „viel“ oder „rege“ in „Anspruch, ohne dass weitere Details bekannt werden, genommen wird.

72 Die Abkürzung wird nirgends aufgelöst. 73 Leider ist diese Leistung im Einzelnen nicht nachweisbar. Details über die Arbeitsweise und ihre Erfolge finden sich weder in den Mitteilungen und dem Zehnjahresbericht noch anderen Dokumenten

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2.5 Karitative Arbeit Im Rechenschaftsbericht der „E-S“ für das Jahr 1948 werden auf Seite 1 im Rahmen der Sozialarbeit einstige und derzeitige „Arbeitsgebiete“ wie „Mitteilungsblatt“, „Wohnungsvermittlung“ „Arbeitsvermittlung“ und „Veranstaltungen“ aufgeführt und kurz gewürdigt. Im Mittelpunkt der gesamten mannigfachen Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe steht aber die eigentlich soziale Arbeit, der Dienst an den und für die Schicksalsgenossen und Schicksalsgenossinnen, die karitative Arbeit. Ihr wird eine Sonderstellung fern aller kontraproduktiven politischen Diskussionen eingeräumt, und sie sollte diese auch nach 1948 noch weitere Jahre einnehmen. Dementsprechend wird sie so auch im Zehnjahresbericht gewürdigt. Einleitend heißt es hier zunächst, sie sei „ein feststehender Begriff für die in Stockholm lebenden Emigranten“, und es wird nachdrücklich unterstrichen, ihr „dauerndes Steigen und Fallen an Aufgaben (ließe) sich an Zahlen nicht ablesen“.74 Diese Bemerkung stimmt sicherlich zu Recht, auch wenn über die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, ihren Umfang und den Erfolg der Arbeit sowie die Summe der Kosten für die einzelnen Arbeitsbereiche und ihre Finanzierung aus Spenden und/oder Mitgliederbeiträgen, Chanukka-Märkten und Spenden leider ebenso wenig Quellen und Dokumente vorliegen wie über die Leistungen im Einzelnen, die erbracht wurden. Lediglich in den ersten Tätigkeitsberichten finden sich genauere Angaben über die Arbeitsbereiche, die hier noch einmal aufgeführt werden sollen, wie „Vermittlung von Arzt- und Zahnarzthilfe“, „Hausfürsorge“, „Unterstützung für erste Hilfe“, „Ärztliche Hilfe“. Sie sollen im Folgenden gewürdigt werden.

2.5.1 „Beihilfe“ Diese „Aufgaben der ‚E-S‘“ konzentrieren sich spätestens ab 1948, „besonders in finanzieller Hinsicht“, auf die „Beihilfen“, die finanzielle Unterstützung „für erwerbsbeschränkte, erwerbsunfähige und alte Emigranten“, die aber schon vorher im Mittelpunkt gestanden hatte, wie aus dem Abschnitt dieser Arbeit über Spenden hervorgeht. Ein sehr großer Teil dieser Hilfe wurde nicht durch eigene Mittel geleistet, sondern durch „Sonderzuwendungen“. Diese wurden, wie im Zehnjahresbericht 74 Auf den Seiten 71 bis 74 konnte nachgewiesen werden, dass die Summe der erbrachten Leistungen wie „Spenden“, „Arztleistungen“, „Beihilfen“ aller Art alljährlich an die oder mehr als 70 Prozent der Ausgaben ausmachte.

2.5 Karitative Arbeit 

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ausdrücklich hervorgehoben wird, „durch eine Anzahl vorwiegend schwedischer Juden in niemals versiegender Bereitwilligkeit und in Anerkennung der Wichtigkeit unserer Hilfsaktion zu den Feiertagen geleistet“. Die „Sonder“-Arbeit mit der Verteilung wurde zudem nicht routinemäßig abgewickelt, sondern, wie ausdrücklich betont wird „einem Verteilungsausschuss“ anvertraut, „der Geld[er] aus Sonderaktionen verteilt zwecks objektiver Beurteilung der Verhältnisse“.75 Es ginge bei all dieser alljährlichen Sozialarbeit aber nicht nur um die Verteilung von Hilfsgeldern und Spenden, sondern „der persönliche Kontakt mit den hilfsbedürftigen Emigranten (…) bleibt nach wie vor die wichtigste Forderung für die Mitarbeiter der ‚E-S.‘“, wie hervorgehoben wird. Gerade dies, der jederzeit mögliche, stets persönliche Kontakt mit den Mitgliedern, der Hilfe von Emigranten für Emigranten, dürfte der entscheidende Unterschied zwischen der Hilfsarbeit der „E-S“ und der anderer Hilfsorganisationen gewesen sein. Selbsthilfe von Emigrant zu Emigrant wurde geleistet, und Mildtätigkeit nicht passiv von anderen Hilfsorganisationen erwartet. Die überragende Stellung der sozialen Hilfsarbeit wird sogar noch 1952, sieben Jahre nach Kriegsende und 14 Jahre nach Gründung der ES, unterstrichen. Nun ist der Vorstand der Ansicht, dass „kranke und arbeitsunfähige“ Mitglieder „unsere Sozialarbeit noch eine ganze Reihe von Jahren notwendig machen“ werden, eine Voraussage, die sich allerdings und gottlob als falsch erweisen sollte. Der Vorstand rühmt die geleistete Arbeit, weil man „sofort nach Bekanntwerden eines Notfalls“ Hilfe leisten könne. Man arbeite nämlich, wie ausdrücklich betont wird, „ohne jeden Bürokratismus“ und könne somit „die Zeit bis zum Eingreifen einer anderen zuständigen Hilfsstelle“ überbrücken. 1953 wird diese individuelle Hilfsarbeit im Rechenschaftsbericht nochmals besonders hervorgehoben, wenn nachdrücklich die Kontinuität der Arbeit betont sowie nicht ohne berechtigten Stolz aus dem ersten Bericht für das Jahr 1939 zitiert wird, dass in den täglichen Abendsprechstunden der ersten neun Monaten weit über 600 Einzelfälle bearbeitet worden waren, die Berufsangelegenheiten, Weiterwanderung, Vermittlung von Arzt- und Zahnarzthilfe, Arbeits- und Wohnungsvermittlung, Hausfürsorge und dergleichen betrafen.

75 Der in jeder Hinsicht paritätisch besetzte Ausschuss bestand 1948 aus den Vorstandsmitgliedern Jeanette Ettlinger und Max Korngold, einer deutschen Jüdin und einem deutschen Juden, die bereits die schwedische Staatsangehörigkeit angenommen hatten, sowie einer Emigrantin und einem Emigranten, die erst nach 1933 nach Schweden entkommen waren, nämlich Sylvia Benzian und Siegfried Pawel, dem Sekretär der ES und dem für alle alltägliche Arbeit Hauptverantwortlichen.

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An dieser Stelle wird auch erst- und letztmalig genauer beschrieben, wofür die „gezahlten Beihilfen“ im Einzelnen „bewilligt wurden“, nämlich zu „60 % für Lebenshaltungskosten, [zu] 30 % für medizinische Hilfe und [zu] 10 % für Pass- und Zollgebühren“. Siegfried Pawel, Sekretär der „E-S“ und Verfasser des Berichtes, stellt zwar 14 Jahre später ausdrücklich fest, dass das Tätigkeitsfeld „ich möchte sagen, glücklicherweise, immer kleiner geworden ist“, aber er ist weiterhin der Ansicht, man werde die „segensreiche Tätigkeit fortführen“, solange noch Notfälle zu behandeln seien. Pawel geht in diesem Zusammenhang erneut auch auf die Bedeutung der „Beratungs- und Auskunftstelle“ ein, wenn er betont, „dass sie nicht nur von unseren Mitgliedern und nicht nur von den hiesigen jüdischen, sondern auch von rein schwedischen Kreisen in Anspruch genommen wird, ein Beweis dafür, dass unsere Organisation für viele – auch Außenstehende – ein fester Begriff geworden ist“. Es ist ein Satz, der davon zeugen dürfte, dass die Emigranten-Selbsthilfe noch 15 Jahre nach ihrer Gründung eine vorbildliche Arbeit leistete und ebenso lange geleistet hatte. Abschließend äußert Pawel aber auch den Wunsch, „dass wir (…) unsere Sozialarbeit in absehbarer Zeit ganz einstellen“ können. Dieser Wunsch scheint sich dann auch überraschend schnell erfüllt zu haben. Bereits ein Jahr später, 1954, konstatiert man im Rechenschaftsbericht für 1953, dass die Ansprüche, die „die Sozialarbeit, in den letzten Jahren unsere Hauptaufgabe“ stellte, erstmalig merkbar zurückgegangen sei. Zwar werde die „Beratungsund Auskunftsstelle nach wie vor sehr rege in Anspruch genommen“. Aber die „wirtschaftlichen Verhältnisse“ hätten sich „schneller gebessert als vorausgesehen“ und die „Einführung der Volkspension“ sei erfolgreich gewesen.76 Zudem wird ebenfalls und erstmalig darauf hingewiesen, dass „sich die langsam eingehenden, aber immerhin begonnenen Zahlungen aus den Wiedergutmachungszahlungen der Deutschen Bundesrepublik“ bemerkbar machen.77 Infolgedessen sei es nun möglich, „freiwillig auf Spenden zu verzichten“, dies aber unter der Voraussetzung, dass „weiterhin Beiträge gezahlt werden“. Denn man sei schließlich „nicht dazu berechtigt, Geldbeträge, die nicht dringendst gebraucht werden, anzufordern“. Man betont auch, dass es „nicht unsere Aufgabe, Geld zu thesaurieren“, sei. Diese Bemerkung lässt erkennen, dass die Zeiten der Not für 76 Die allgemeine schwedische „folkpension“, die bereits 1913 eingeführt sowie 1948 reformiert worden war und einen bescheidenen Lebensunterhalt sicherte, kam begreiflicherweise nur schwedischen Staatsbürgern zugute. Aber die noch in Schweden lebenden Emigranten dürften zu diesem Zeitpunkt, 1953, fast alle diesen Status erreicht haben 77 Nachdrücklich heisst es in diesem Zusammenhang: „Durch unsere Mitteilungsblätter haben wir in letzter Zeit auch die neuesten Entscheidungen in Wiedergutmachungsfragen sehr zeitig bekanntgeben können“.

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die meisten jüdischen Emigranten endgültig beendet war, auch wenn Ausnahmen nicht ausgeschlossen sind. Denn sollte dennoch ein „Geldbedarf für zeitweilige Unterstützungen“ eintreten, könnte dieser „durch Beiträge unserer Mitglieder“ gedeckt werden. Zudem sei es sicherlich möglich, dass die „Fredsloge, die dem B’ne Brith Orden angehört“, solche eventuell entstehende „Notfälle übernehmen“ kann. Die Hauptaufgabe der Emigranten-Selbsthilfe ist damit bis auf eventuelle Einzelfälle endgültig erfüllt. Andere mannigfache Aufgaben einer praktischen Hilfsarbeit, vor die sich die Mitglieder und damit E-S gestellt sahen, tauchen des Öfteren in den Mitteilungen auf bzw. lassen in den Jahresberichten erkennen, dass und wie sie gelöst wurden. Die Parole „Emigranten helfen Emigranten“ war damit mustergültig befolgt worden.

2.5.2 Krankenhilfsdienst und ärztliche Betreuung Außer der überlebenswichtigen, finanziellen Unterstützung vor allem im sozialen Bereich wurde auch praktische Hilfe für kranke, notleidende Mitglieder direkt geleistet. Im Mitteilungsblatt von Januar 1943 heißt es getreu dem Motto „Emigranten helfen Emigranten“ in einer größeren Notiz unter der Überschrift „Krankenhilfe“: „Mädchen, Frauen und Männer, die gewillt sind, gelegentlich unentgeltlich oder gegen Bezahlung für Stunden oder Tage Kranke zu betreuen, bitten wir, sich im Büro der ‚E-S‘ zu melden“. In derselben Notiz wird dieser Personenkreis auf einen „Kurs in Krankenhilfe für Frauen“ und einen „für Männer“ des schwedischen „Roten Kreuzes“ hingewiesen; dabei werden Kursbeginn, Kursdauer mit 18 Abendstunden für Frauen und sechs für Männer, Kurstage und Teilnehmergebühr (8 Kronen für Frauen, 6 für Männer) angegeben.78 Abschließend wird „Interessenten, die an diesen Kursen, die in schwedischer Sprache gehalten werden, teilnehmen wollen“ versprochen, dass ihnen „gegebenenfalls die Teilnehmergebühr durch die ‚E-S‘ ersetzt“ werden kann. Die Anmeldungen zu diesen Kursen werden zudem beim Büro der „E-S“ entgegengenommen. Geeignete „Mädchen, Frauen und Männer“ scheinen sich gefunden zu haben, denn zwei Monate später findet sich März 1943 in den Mitteilungen unter der danach des Öfteren wiederkehrenden Rubrik „Krankenhilfsdienst“ oder „Hilfsdienst“ der Hinweis an eventuelle Hilfssuchende, man möge sich „im Bedarfsfalle“ telefonisch an das „Büro der ‚E-S‘“ wenden und erfragen, „ob eine der Damen, die 78 Es bleibt unklar, ob diese Kurse eigens für Mitglieder der „E-S“ eingerichtet wurden oder ob sie sich an eine schwedische Allgemeinheit wandten, aber auch für Emigranten zugelassen waren.

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sich aus unserem Kreis für den Krankenhilfsdienst zur Verfügung gestellt haben, frei ist“.79 Sogar noch März 1950 werden unter der Rubrik „Hilfsdienst“ „Frauen, die bereit sind, sich gelegentlich zur Entlastung der Hauspflegerin stundenweise gegen Bezahlung zur Verfügung zu stellen (…) gebeten“, sich „schriftlich bei Frau Meyring anzumelden“. Ein Jahr später heißt es unter der Bezeichnung „Hauspflege“, dass eine „Frau Sally Dick“, über die nähere Angaben nicht vorliegen, „in Krankheitsfällen (stundenweise) die Betreuung des Kranken bzw. des Rekonvaleszenten unter Aufrechterhaltung des Haushalts übernimmt“. Dieselbe wird im September 1953 wieder genannt, als sie zusammen mit einer „Frau Leiser (auch als Vorleserin und Gesellschafterin)“ und „Frau Walter (ehemalige Krankenschwester)“, die ebenfalls mangels Angaben nicht näher vorgestellt werden können, für „(stundenweise) Kranken- und Rekonvaleszentenpflege mit leichter Hausarbeit“ zur Verfügung steht. Diese Aufgaben lassen sich dann mit den gleichen Namen bis 1954 nachweisen. Letztmalig80 taucht zu diesem Zeitpunkt der Name Sally Dick auf, als sie zusammen mit der in „Deutschland stattlich [sic] geprüfte(n) Krankenschwester Henny Baruch“ erneut „stundenweise Kranken- und Rekonvaleszentenpflege mit leichter Haushaltsarbeit“ übernimmt.81 Darüber hinaus finden sich vor allem nach 1945 in den Mitteilungen zahlreiche Anzeigen, die sich an Hilfsbedürftige wenden, allem Anschein nach nicht von der „E-S“ koordiniert werden und auf die aber hier nicht weiter eingegangen werden soll. Beispielweise bietet im September 1946 eine „staatlich geprüfte Krankenschwester“ unter der Überschrift „Krankenpflege und Nachtwachen“ „Massage und Heilgymnastik“ an, ein Angebot, das in der Folgezeit mehrfach wiederkehrt; sie übernimmt ferner, so im Oktober 1949, „Tagespflegen und Barnvakt“.82 Und die Opernsängerin Margot Stahl empfiehlt März 1950 ihre „Entspannungsgymnastik für Kranke und Gesunde, speziell von psychischen und physischen Verkrampfungen, Schlaflosigkeit usw.“, die „ärztlich empfohlen“ ist. November 1950 werden. „Hauspflege, Nachtwachen und Injektionen, Massagen“ angeboten.

79 Hier ist nun nur von „Damen“ die Rede. Männer oder Herren werden nicht genannt. 80 Diese Ausgabe der „Mitteilungen“ ist ein Einzelstück aus dem Nachlass von Herbert Friedländer. 81 Jenny Baruch wurde in Heilbronn geboren und emigrierte mit ihrem Bruder Hans am 10. Januar 1939 nach Schweden. Sie starb in Stockholm 82 Das schwedische Wort für Babysitter, „barnvakt“ [Kinderwache], wurde bereits seit 1940 der Einfachheit halber kommentarlos als Lehnwort ins Deutsche übernommen.

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Kinderbetreuung Auch um die Kinderbetreuung kümmerte sich die Emigranten-Selbsthilfe anfänglich, wie aus dem „Tätigkeitsbereich“ von August 1939 hervorgeht. Hier heißt es unter der Rubrik „Hausfürsorge“: In etwa 30 Fällen wurden bei Kindern, die die Eltern allein lassen mussten, Wache gehalten. Für 6 junge Mütter wurden Baby-Ausstattungen, Kinderwagen etc. beschafft. Für fünf Kinder im Alter von 1 bis 5 Jahren haben jugendliche Emigranten die Patenschaft übernommen. Erkrankten Hausfrauen wurden [zudem] Helferinnen gestellt.

Weitere Angaben über ein direktes Engagement der „E-S“ auf diesem Gebiet fehlen. Suchanzeigen für „barnvakt“ und Angebote, diese Aufgaben zu übernehmen, finden sich aber in den Mitteilungen beziehungsweise in den „Berufslisten“. Ferner findet sich im März 1942 ein direkter Verweis auf einen „Jüdische(n) Kindergarten für Kinder von 3–6 Jahren 9.30 – 12 (Klippgatan) und 14.00 – 16.30 Freijgatan 29“, im November 1943 wird aufmerksam darauf gemacht, dass der „Klub der Jugend (Deutschsprachiger Kinderklub) auch in diesem Jahr einmal im Monat seine Zusammenkünfte haben (wird)“, wobei „nähere Auskünfte die Klubleiterin Frau Edith Fischer-Winter83 (erteilt)“, und im Dezember 1945 wird auf einen „Privatkindergarten“ hingewiesen, der von Frau Anneliese Interstein84 geführt wird“. Ärztliche Betreuung Selbstverständlich bemühte man sich von Anfang an auch um eine gute ärztliche Betreuung. Da es emigrierten Ärzten verboten war, in Schweden ihren Beruf auszuüben, musste man sich um Hilfe an schwedische Ärzte wenden. Die Suche war erfolgreich, und man konnte bereits im „Tätigkeitsbereicht“ [sic!] von September 1939 unter der Rubrik „Arztvermittlung“ vermelden: „Es haben sich sechs Ärzte, darunter drei Zahnärzte zur Verfügung gestellt, die Emigranten kostenlos oder gegen Erstattung der Materialkosten behandeln. Ungefähr 60 Fälle wurden zur Behandlung vermittelt“.85

83 Zu Edith Fischer-Winter liegen keine Angaben vor. 84 Anneliese Interstein, geborene Kahn, wurde in Berlin geboren, dort zur Kindergärtnerin ausgebildet und betrieb 1929–1933 einen privaten Kindergarten. Sie lebte seit ihrer Heirat mit Julius Interstein, zeitweise Kantor der jüdischen Gemeinde, im August 1938 in Karlsruhe. April 1939 emigrierte das Ehepaar nach Stockholm. Sie starb in Stockholm. 85 Ein schwedischsprachiger Entwurf von August 1939 nennt unter der Überschrift „Verksamhetsrapport“ etwas andere Zahlen. Die Rede ist von „åtta [8] läkare“ und „ca. 60 fall“. Zahnärzte werden hier noch nicht genannt.

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Abb. 14: Ärzteverzeichnis. Anfang 1945. Ein erstes Ärzteverzeichnis als Beispiel dieser Einteilung. (Sammlung Jakobowsky. Uppsala Universitätsbibliothek)

In den folgenden Jahren ist zwar von ärztlicher Versorgung in den Mitteilungen nicht mehr die Rede, aber es bleibt anzunehmen, dass sich die „E-S“ wie auch andere Emigrantenorganisationen mit der Problematik weiter beschäftigten, zumal sich eine Anzahl von deutschsprachigen Ärztinnen und Ärzten unter den Emigran-

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ten befand. Aber es war diesen deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen, d. h. sudetendeutschen, Ärztinnen und Ärzten nicht erlaubt, in Schweden zu praktizieren, ein Hauptanliegen der schwedischen Ärzteorganisationen.86 Sie befürchteten offenbar unliebsame Konkurrenz und führten als Argument unter anderem an, eine sichere Behandlung schwedischer Patienten sei durch nicht schwedisch-sprachige Berufsgenossen keineswegs gewährleistet. Dieses Berufsverbot wurde strikt eingehalten, und eine Weiterbildung immigrierter Ärzte war nicht vorgesehen. Der ein oder andere Arzt konnte bestenfalls famulieren oder sich als Krankenschwester verdingen.87 Es sollte bis Dezember 1944 dauern, ehe sich eine Lösung abzeichnete. Es heißt hierzu in den Mitteilungen dieses Monats: „Von dem Vorstand der Österreichischen Vereinigung in Schweden wurden wir verständigt, dass dessen Eingabe bzgl. Behandlung österreichischer und tschechoslowakischer Ärzte genehmigt wurde. Die Ärzteliste wird baldmöglichst bekanntgegeben werden.88 Diese Ärzteliste erschien tatsächlich „baldmöglichst“, d. h., bereits einen Monat später im Januar 1945. Besagte Liste nannte wie ersichtlich, in alphabetischer Reihenfolge die Namen, Wohnorte und Adressen sowie Fachbereiche derjenigen, die nun endlich praktizieren durften, aber deren Patienten und Patientinnen ausschließlich aus den jeweiligen Heimatländern stammen mussten. Sie waren in drei Gruppen eingeteilt. Die erste umfasste 15 Ärztinnen und Ärzte, die „zur Behandlung von Emigranten aus Deutschland (zugelassen)“ waren, eine zweite diejenigen, die „Patienten aus Österreich“ (3), und eine dritte, die „Patienten aus der Tschechoslowakei“ (3) behandeln durften. Aus der Liste geht ferner hervor, dass zu diesem Zeitpunkt eine „Freie Vereinigung emigrierter deutscher Ärzte in Schweden“89 existierte, deren Vorsitzender „Sanitätsrat Dr. Alfred Peyser“ ein Mitglied der „E-S“, war.90. 86 Dieses Verbot galt nicht für Zahnärzte, die vor allem im öffentlichen Dienst in den 40er Jahren und noch lange danach Mangelware waren. Jenny Cohen arbeitete ab 1942 im nordschwedischen Färila als Bezirkszahnärztin für Volks- und Schulzahnpflege 87 In Schweden war und ist die Berufsbezeichnung „sjuksköterska“ für sowohl Frauen wie Männer gültig 88 Die „Österreichische Vereinigung in Schweden“ wurde 1944 von österreichischen Emigranten unter der Führung von Bruno Kreisky gegründet. Er hatte beste Kontakte zu schwedischen Politikern und Behörden. 89 Die Vereinigung wurde 1944 gebildet. Sie hatte etwa 30 Mitglieder aus deutschsprachigen Staaten. Zweck der Vereinigung war zum einen die Vertretung der Mitglieder gegenüber den schwedischen Behörden und zum anderen die berufliche Weiterbildung (Müssener, Exil in Schweden, S.115). 90 Dr. Alfred Peyser war HNO-Arzt in Berlin. Er hatte in Berlin und München studiert, wurde Sanitätsrat und gründete 1906 das Seminar für Soziale Medizin des Verbandes der Ärzte Deutschlands. Er war Mitglied des Verbandes nationaldeutscher Juden und wurde 1930 zum Vorsitzenden der jüdischen Reformgemeinde gewählt. Er emigrierte 1939 nach Schweden, wo er als Übersetzer

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In den Mitteilungen von Januar 1949, also vier Jahre danach, wird dann interessanterweise gemeldet, dass „folgende bei der Freien Vereinigung emigrierter deutscher Ärzte in Schweden gemeldete Ärzte (…) den Mitgliedern der Emigranten-Selbsthilfe zur Verfügung stehen“, auch wenn diese in der Zwischenzeit „die schwedische Staatsbürgerschaft erworben haben“, nicht aber, dass nun urschwedische Staatsbürger behandelt werden dürften.91 Selbst in den Mitteilungen von März 1950 muss diese Botschaft erneut verkündet werden: „Alle die für die Behandlung ihrer Landsleute zugelassenen emigrierten Ärzte haben das Recht, nach wie vor diese auch nach ihrer Einbürgerung zu behandeln“. Die Fürsorge, die die „E-S“ den Mitgliedern angedeihen lässt, gilt auch in Fragen der Krankenversicherung. So findet sich in den Mitteilungen April 1943 ein Aufruf, Mitglied einer Krankenversicherung zu werden, aus dem aber einleitend auch hervorgeht, dass der „E-S“ die Unterstützung ihrer hilfsbedürftigen Mitglieder schwerfällt: Werdet Mitglied einer Krankenversicherung! Wie schwer fällt es sonst, die durch Erkrankung verursachten Unkosten aufzubringen. Die „E-S“ bemüht sich, zu helfen. Aber ihre Inanspruchnahme für Krankenhilfe ist so groß, dass sie sich auf Diejenigen beschränken müsste, die wegen fortgeschrittenen Alters nicht mehr in eine Krankenversicherung aufgenommen werden können. Man muss deshalb jedem, der noch die Möglichkeit der Aufnahme in eine Versicherung hat, anraten, dieser baldmögl. beizutreten, zumal die Beiträge verhältnismäßig gering sind.

Schließlich scheint im Mai 1945 endlich eine Normalisierung eingetreten zu sein. Den Mitgliedern wird mitgeteilt, dass „die Altersgrenze für die Aufnahme“ in die staatliche Rikskassan. Allmän sjuk- och begravningskassa [Allgemeine Krankenund Bestattungskasse] auf „60 Jahre erhöht worden“ ist. Ein großer Teil der Emigranten ist damit im schwedischen Sozialstaat angekommen.

2.5.3 Hilfsbedürftige helfen Hilfsbedürftigen Überraschend ist, dass die Shoa, die massenhafte Vernichtung der Juden in Europa und besonders die in Osteuropa in den Kriegsjahren, in den Mitteilungen fast keine Aufmerksamkeit findet, sondern bis auf drei Notizen stillschweigend überganmedizinischer Fachliteratur und Berater einer Arzneimittelfirma arbeitete. Er gehörte dem Freien Deutschen Kulturbund und der Deutschen Vereinigung von 1945 an, die von rechten Sozialdemokraten als Konkurrenz zu FDKB Mitte 1945 gegründet wurde. Er sollte bis in die Mitte der 80er Jahre existieren. 91 Die 15 hier genannten Ärztinnen und Ärzte sind in der oben genannten Liste von Januar 1945 vertreten.

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gen wird. Es ist hier allerdings wahrscheinlich, dass die Berichte und Nachrichten darüber vor allem in Judisk Krönika, aber auch in der Tagespresse völlig ausreichten, um die immer düsterer werdende Sachlage zu beschreiben, die die Emigranten-Selbsthilfe aber nicht in erster Linie direkt berührte. Einen weiteren schwerwiegenden Hinweis auf dieses (Ver-) Schweigen findet man dann auch im Zehnjahresbericht, wenn ihr Verfasser Ernst Baburger pauschal erklärt, man habe erst „nach dem Krieg“ Fragen diskutieren können, „von denen wir uns wegen ihrer Berührung mit der Politik fernhalten mussten“. Jedenfalls findet sich über die Deportationen aus Deutschland und Österreich in den Jahren 1941–1942 März 1942 in den Mitteilungen nur ein einziger, noch für das Heute von 2023 beklemmender, aber vielsagender Hinweis: „Die Nachrichten über von Deutschland nach dem Osten deportierte Juden laufen nur spärlich ein. Mosaiska Församlingen versucht zur Zeit, die Adressen zu ermitteln. Herr Dr. Michaeli – Tel. 251660 – ist gern bereit, Auskunft zu vermitteln“. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wie weit die Leerstellen damals von den Lesern und Leserinnen ausgefüllt werden konnten, lässt sich leider heute nicht mehr feststellen. Die zweite Notiz bezieht sich in den Mitteilungen von Januar 1943 auf eine ‚Hilfsaktion‘ der schwedischen Juden in Stockholm, die zeitgleich mit der gerade stattfindenden Vernichtung der Juden in Osteuropa, besonders die der polnischen, stattfinden sollte und die im Hinblick auf diese Situation sehr makaber und aus heutiger Sicht kaum verständlich ist. Diese Notiz kündigte ein „Fest“ an, das am 17. Januar in „Blå Hallen“92 des Stadthauses, dem repräsentativsten Festsaal der Stadt Stockholm, stattfinden und dessen Ertrag den „Juden in Polen“ zufallen soll. Veranstalter war die Judiska Musiksällskap, und sämtliche zionistische Vereinigungen der Stadt, die in alphabetischer Reihenfolge genannt wurden, wirkten an diesem „Fest“ mit, angefangen mit Judiska Klubben und Judiska Kvinnoklubben über Rodef Chassed bis hin zu Wizo und Zionistföreningen.93. Nicht genannt werden allerdings die Jüdische Gemeinde in Stockholm und die Emigranten-Selbsthilfe. Der Eintrittspreis war gestaffelt. Für fünf beziehungsweise für drei oder auch nur zwei Kronen durfte man dabei sein. Karten waren im Büro der „E-S“ erhältlich. Die dritte Notiz steht, durch einen weißen Zwischenraum und sechs Gedankenpunkte von der zweiten Notiz getrennt, etwa fünf Zeilen darunter in denselben Mitteilungen. Sie lässt eine andere, weniger ‚festliche‘ Möglichkeit der Hilfe, erken92 Unter anderem wird diesem Saal alljährlich das große Bankett anlässlich der Verleihung der Nobelpreise veranstaltet. 93 Über das „Fest“-Programm ist leider nichts bekannt. Man kann vermuten, dass der Ertrag dem Arbetsutskott (s. u.) zur Verfügung gestellt wurde (s. u.). Rodef Chassed ist eine orthodoxjüdische Hilfsorganisation.

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nen. Hier ruft „im Namen des Arbetsutskottet för hjälp åt Europas judar“94[Hilfskomitee für Europas Juden] die „E-S“ ihre Mitglieder dazu auf, „im Rahmen ihrer Mittel diese Sammlung zu unterstützen“. Auch die eigene Situation als jüdische, teilweise nur auf Zeit zugelassene Fremde in einem vom Antisemitismus nicht gerade freien Lande wird selten deutlich, sieht man von zwei Meldungen in den Mitteilungen von August und September 1943 ab, die im Nachhinein erschreckend sind, denn sie hätten eventuellen deutschen Okkupanten eine „Endlösung“ auch in Schweden erleichtert. Es geht um einen Erlass zur „Streichung der Zusatznamen ‚Israel‘ bezw. ‚Sara‘, […] aus den hiesigen amtlichen Dokumenten“. Es muss unklar bleiben muss, um welche Dokumente, möglicherweise außer Fremdenpass auch die Aufenthaltsgenehmigung, es sich gehandelt haben mag; jedenfalls heißt es weiter ausdrücklich, „die Fortlassung der Zusatznamen in den Fremdenpässen allein genügt nicht“.95 Ein „entsprechendes Gesuch mögl. in Schreibmaschinenschrift“ sei an das „Statistische Zentralamt“ zu richten. Dessen Anschrift wurde angegeben und empfohlen, es mit einer Berufung auf die „kungl. kungörelse“ [königl. Bekanntmachung] vom 16. Oktober 1942 [!] einzuleiten und die „befrielse från namnet [Befreiung vom Namen] Israel (Sara)“ zu beantragen.96 Man empfiehlt auch, welche Angaben, jeweils auf Schwedisch, zu machen seien, so „Name, Adresse, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit“ – dabei wird die Angabe „staatenlos“ vorgeschrieben – „Wohnort“ und „Religion“.97 Einen Monat später kommen die Mitteilungen nochmals aufgrund einer Bitte des „Statistischen Zentralamts“ auf die Antrags-Prozedur zurück. Zum einen geht es darum, dass „Familienmitglieder, die in einer Wohnungsgemeinschaft leben“, nur ein Antragsformular einreichen müssen, dass dieses aber „von allen Personen über 18 Jahren unterschrieben werden muss“. Zum anderen ist es von einem Familienangehörigen „persönlich“ abzugeben, wobei „Geburtszeugnis oder Heimatschein oder Taufschein“ und „‚flyttningsbetyg‘ [Abmeldung]“ ebenso im Original

94 Ein erster Arbetsutskott wurde von der Jüdischen Gemeinde Stockholm im Oktober 1941 als „Hilfskomitee für Juden im Generalgouvernement“ [!] gegründet und bestand bis Sommer 1942, als er durch den zweiten, hier genannten Arbeitsausschuss ersetzt wurde, der bis 1950 existierte. 95 Eine amtliche schwedische Verfügung, dass diese Zusatznamen möglicherweise aus eventuellen deutschen Dokumenten, z. B. Reisepass, nur nahtlos übernommen werden sollten, ist nicht bekannt. 96 Dabei bleibt unklar, warum man von Seiten der „E-S“ erst jetzt darauf hinweist. 97 Dass diese Angaben auf Schwedisch vorgeschrieben werden wie auch die Empfehlung, das Gesuch mit „vördsamt“ [ergebenst] zu unterzeichnen, lässt vermutlich erkennen, dass nicht alle Adressaten zu diesem Zeitpunkt mit der schwedischen bürokratischen Nomenklatur vertraut waren.

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oder Fotokopie vorzulegen seien wie „Pass“ und „schriftliche Erklärung über die frühere Staatsangehörigkeit“. „An unsere dänischen Freunde“ Einen Monat später, Ende Oktober 1943 wurde man aber danach im Aufnahmeland Schweden direkt mit der „Judenverfolgung“ konfrontiert, als durch den Einsatz der dänischen Widerstandsbewegung mehr als 6.000 dänische Juden zusammen mit mehr als hundert deutschen und österreichischen Juden über den Öresund nach Schweden gerettet werden konnten, die bis dahin in Dänemark nicht direkt verfolgt worden waren.98 Die Juden Schwedens hießen sie ebenso willkommen wie das offizielle Schweden, und sie genossen eine Vorzugsbehandlung im Lande. Auch die Emigranten-Selbsthilfe ließ auf einer A 4-Seite in dänischer Sprache einen kurzen Aufruf unter sie verteilen und bot ihre Hilfe an. Dieser war „An unsere dänischen Freunde“ adressiert und beschrieb in wenigen Zeilen die „E-S“ und ihre Tätigkeit. Sie wurde „vor fünf Jahren gegründet, um die wirtschaftliche und soziale Hilfsarbeit für die Emigranten zu fördern“, und in ihr seien „diejenigen, die Hilfe leisten können, mit denjenigen, die Hilfe brauchen, auf der Grundlage gegenseitigen Verständnisses“ verbunden. Man unterstrich ferner, dass „im Lauf der Jahre große Kreise der schwedischen Juden großes Interesse an dieser Arbeit“ gezeigt und „Mitglieder geworden wären oder sich anderweitig angeschlossen“ hätten. Man habe auch „verschiedene Sprachkurse“ organisiert, „umfangreiche Kulturarbeit“ geleistet und verschiedene „Zusammenkünfte gesellschaftlicher Art“ veranstaltet. Der Aufruf schloss in der Hoffnung, man könne „den dänischen Freunden von einigem Nutzen sein“, und gab die Adresse der Emigrantenselbsthilfe an. Die „E-S“ leistete auch aktive Hilfe, als sie kurz nach Ankunft der dänischen Juden in einer gesonderten Einladung zu einer „Wohltätigkeitsveranstaltung zum Besten der Flüchtlinge aus Dänemark“ in Gestalt eines „Heine-Abend“ einlud, der am 13. November 1943 in der Aula einer Schule Stockholms stattfand. Auf dem Programm standen „Lieder zu Gedichten von Heinrich Heine“ der Komponisten „Brahms, Franz, Mendelssohn, Schubert und Schumann“. Ein weiteres Zeichen der Solidarität war ferner die Chanukka-Feier am 21. Dezember des Jahres, eine Veranstaltung, zu der gesondert eingeladen wurde. Auf ihr hielt der ultra-orthodoxe „Rabbiner Wolf S. Jacobson (Kopenhagen)“ die „Ansprache“. Er stammte aus Altona und schloss seine Rabbiner-Ausbildung 1934 ab.

98 Mit den gleichen Transporten erreichten auch einige politische Flüchtlinge, vornehmlich Kommunisten und Sozialdemokraten, Schweden.

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Im gleichen Jahr emigrierte er nach Dänemark und floh 1943 nach Schweden.99 An die Ansprache schloss sich ein Konzert an, das der Violinist und „Konzertmeister des Philharmonischen Orchesters in Oslo“ Ernst Glaser zusammen mit seiner Frau Kari Glaser bestritt. Er stammte aus Hamburg und lebte seit 1928 in Oslo. November 1942, als die norwegischen Juden deportiert werden sollten, gelang dem Ehepaar die Flucht nach Schweden.100 Er kehrte 1945 nach Oslo zurück. Der Zehnjahresbericht erinnert 1948 mit wenigen Zeilen an diese Jahre: „Auch das Hereinströmen von Juden aus Dänemark und die Entlassungen aus dem norwegischen Gefängnis Grini101 brachten kurze Zeit Ansprüche an unsere Hilfstätigkeit mit sich“, aber sie seien bald darauf von den schwedischen Behörden in Zusammenarbeit mit den Botschaften Norwegens und Dänemarks übernommen worden. Im Dezember 1969, dies am Rande, sollte übrigens die „E-S“ noch einmal eine ähnliche Hilfeleistung anbieten, als die Juden aus Polen vertrieben wurden. In den Einladung zum Chanukka-Veranstaltung am 14. Dezember heißt es: „Wir haben in diesem Jahr auch eine Anzahl neu angekommener Emigranten zu unserer Veranstaltung eingeladen und hoffen aus diesem Grund auf besonders zahlreiches Erscheinen unserer Mitglieder, auch mit jüngeren Angehörigen, um Kontakt aufzunehmen“. Paketsendungen Danach wurde dann ab Spätherbst 1944 nahezu in allen Mitteilungen die Lage im noch deutschbesetzten, aber allmählich befreiten Europa angesprochen, wobei Vorträge und andere Veranstaltungen aus gegebenem Anlass weitgehend in den Hintergrund traten und die selbst noch Hilfsbedürftigen gebeten wurden, anderen Schicksalsgenossen, die der Hilfe noch mehr bedurften, zu unterstützen. So findet sich Dezember 1944 in den Mitteilungen unter der Überschrift „Paketsendungen nach Theresienstadt, Bergen-Belsen usw.“ die Notiz: „Wir weisen auf beiliegende Bekanntmachung des ‚Arbetsutskottets och Kongressens pakethjälp åt judar‘ besonders hin“. Diese Bekanntmachung, eine lose A 4-Seite auf Schwedisch, wurde mit einigen wenigen Zeilen eingeleitet:

99 In Stockholm diente er an der orthodoxen Synagoge Adat Jeschurun. 1949 liess er sich in Israel nieder. 100 Etwa ein Drittel der 2.173 Juden Norwegens wurde im November 1942 nach Auschwitz deportiert, und ca. 900, darunter auch einige deutsche Flüchtlinge, konnten mit Hilfe der norwegischen Widerstandsbewegung nach Schweden fliehen 101 Grini in der Nähe von Oslo war das bekannteste Polizeihäftlingslager Norwegens. Es kann nicht geklärt werden, worauf bzw. auf wen sich diese „Entlassungen“ beziehen.

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Nachdem die schwedische Sektion des WJC die Erlaubnis erhalten hat, Lebensmittelpakete nach Deutschland, insbesonders an in jüdischen Internierungslagern (Theresienstadt, Bergen-Belsen u. a. m.) wohnende Glaubensbrüder zu senden, hat der „Arbeitsausschuss für die Hilfeleistung an den Juden Europas und der Kongress“ alle Arbeiten, die mit dem Versand zusammenhängen, übernommen.

Es folgte eine detaillierte Aufzählung dessen, was diese standardisierten Pakete enthalten sollten, die mit dem Absender „Hjälp krigets offer“ ohne eine Abgabe von Lebensmittelkartenabschnitten durch den Konsum-Verband abgesandt werden sollten. Der nicht gerade reichhaltige Inhalt, als sicherlich erste Hilfe zum Überleben aber sehr willkommen, wurde genau aufgeführt: „Jedes Paket wiegt bis auf Weiteres ungefähr 2,5 Kilo netto. Es enthält 1 Kilo Speck oder anstelle von Speck 500 Gramm Margarine, außerdem eventuell einige Boullion-Würfel. […]“. Die „Bekanntmachung“ enthielt weitere präzise Angaben: Die Kosten für jedes Paket betrugen 12 Kronen, diejenigen Besteller, die sie nicht übernehmen konnten, sollten jeweils die Adressen der Bedürftigen angeben und man dürfe Pakete schicken, „auch wenn man mit dem Adressaten nicht verwandt ist“. Es findet sich ferner der Hinweis, „Bis auf Weiteres nehmen wir keine Versandaufträge nach Lagern in Oberschlesien entgegen“, der sich implizit auf den KZ-Lagerkomplex Auschwitz und seine Außenlager bezogen haben dürfte. März 1945 wurde dann in den Mitteilungen kurz vor Kriegsende noch eine letzte Hilfsaktion angekündigt, „eine Kleidersammlung für die Juden aus den befreiten Gebieten“, die ein weiteres Komitee, „das Komitee für Nachkriegshilfe von Mosaiska Församlingen“, veranstaltete. Die „E-S“ bat ihre Mitglieder „diese Aktion weitgehend zu unterstützen und gebrauchte Kleider, Schuhe, Wäsche und dergl. zur Verfügung zu stellen. Auch abgetragene Kleidung und Flicken sind erwünscht, sollen aber besonders verpackt abgegeben werden“. Die Bitte schließt mit dem Appell: „Wir wissen alle, dass die Not der Juden in den befreiten Gebieten sehr groß ist und hoffen, dass auch aus unserem Kreise geholfen werden kann“. Aus Emigranten, die der Hilfe bedurften, sind nun endgültig Emigranten geworden, die Hilfe leisten konnten. Das Kriegsende näherte sich, Schweden öffnete sich, die Ausmaße der Judenverfolgung wurden erkennbar.

2.5.4 „Der starke Anstieg der Hilfstätigkeit 1945“ Der Zehnjahresbericht spricht 1948 von einem „starken Anstieg der Hilfstätigkeit 1945, als aus den Konzentrationslagern durch die Hilfsaktion des Grafen Bernadotte eine große Anzahl ihrer Insassen nach Schweden kamen“. Unter ihnen waren

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eine Reihe deutscher Juden, deren Ankunft die „E-S“ vor besondere Aufgaben stellte: Da hinter den ehemaligen deutschen Staatsbürgern, nunmehr Staatenlosen, kein Konsulat stand, hielt es die „E-S“ für ihre selbstverständliche Pflicht, sich besonders um diese Flüchtlinge zu kümmern.102 Sie begann ihre Tätigkeit, noch ehe sich das Chaos gelichtet, die das Einströmen so vieler hilfsbedürftiger und gesundheitsgeschädigter Menschen mit sich bringt.

Die Frage, wie diese „Soforthilfe“, die ‚Lichtung des Chaos‘, finanziert werden sollte, sei aber durch „die großzügige Unterstützung des World Jewish Congress gelöst“ worden, der „nicht unbeträchtliche Mittel sofort zur Verfügung gestellt“ hatte. In dieser Rückschau wurde ebenfalls vermeldet, ein „Appell an unsere Mitglieder zur Abgabe von Kleidungsstücken etc. hatte einen unerwartet guten Erfolg“, so dass „das Lager der Staatenlosen am schnellsten mit Kleidern usw. ausgestattet werden konnte“. Zusammen mit einem Hjälpkommitté för tyska och statslösa offer103, das LO [Lands-Organisationen; der schwedische Gewerkschaftsbund], zusammen mit SAP [Sveriges socialdemokratiska Arbetarparti] gegründet hatte, habe man sich dann einige Monate der „Flüchtlinge von 1945“104 angenommen, bis der schwedische Staat gegen Ende des Jahre nach einem Treffen am 18. Juni 1945 im Reichstag, zu dem die Regierung sämtliche privaten Hilfsorganisationen eingeladen hatte, die gesamte Betreuung übernahm105. Dass dies notwendig war, war offensichtlich, wie aus einem Schreiben an das schwedische Außenministerium vom 2. Juli 1945, das die Vorsitzenden Ernst Baburger und der Sozialdemokrat Martin Krebs, der 1934 nach Schweden emigriert war, für das Hilfskomitee unterzeichnet hatten, hervorgeht. Die Antragsteller ver102 Alle deutschen Juden hatten spätestens im November 1941 die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Im Gegensatz zu Polen, Russen, Tschechen waren sie ohne jeden diplomatischen Schutz. 103 Dieses Komitee sollte sich ab 1946 unter der Bezeichnung „Demokratiska Hjälpkommitté för Tyskland“ vor allen Dingen auf die Hilfe für die notleidende Bevölkerung in Deutschland konzentrieren. 104 „(19)45 års räddade“ [die Geretteten des Jahres 1945] ist später die allgemeine Bezeichnung für KZ-Häftlinge, die im Rahmen verschiedener schwedischer Hilfsaktionen kurz vor und nach Kriegsende nach Schweden kamen 105 Am 18. Juni 1945 hatte das staatliche „Svenska kommittén för internationell hjälpverksamhet“, das März 1944 gegründet worden war, zu einem Treffen im Reichstagsgebäude eingeladen, auf dem alle staatlichen und privaten Organisationen vertreten waren, so auch die EmigrantenSelbsthilfe. Es ging um die zukünftige Organisation det Flüchtlingshilfe. Das Treffen wurde von Professorin Alva Myrdal geleitet, die danach die Leitung der gesamten Hilfstätigkeit übernahm und damit in diesen Jahren ihre Laufbahn als Politikerin und Diplomatin begann, deren Höhepunkt 1982 die Verleihung des Friedens-Nobelpreis war.

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suchten vergeblich, 20.000 Kronen aus den Kontobeständen der reichsdeutschen Organisationen, in diesem Fall der N. S. V. [Nationalsozialistische Volkswohlfahrt], zu erhalten, die die schwedischen Behörden nach der Kapitulation Deutschlands beschlagnahmt hatten. Krebs und Baburger verwiesen zum einen darauf, dass diese Mittel nicht länger dem ursprünglichen Zweck zugeführt werden konnten, und zum anderen darauf, „dass in der letzten Zeit eine große Anzahl Personen nach Schweden gekommen“ seien, „die durch die Schuld des früheren deutschen Regimes im hohen Maße hilfsbedürftig geworden“ seien. Unter diesen „aus den deutschen Konzentrationslagern Befreiten (…)“ befänden sich „einige Hunderte Deutsche und Staatenlose (…), denen keine diplomatische Vertretung mit Rat und Tat helfen“ könne. Man fügte hinzu: Ihr Aufenthalt ist zur Zeit durch den schwedischen Staat und private Organisationen, darunter die unterzeichnenden, gesichert. Aber diese Mittel stehen in keinem Verhältnis zu dem ständig wachsendem Hilfsbedarf. Daher halten wir es für recht und billig, dass diese, von den nazistischen Organisationen eingesammelten Mittel dazu verwendet werden, um zumindest einen Teil der materiellen Bedürfnisse der Opfer der Konzentrationslager zu lindern.

„Das Lager der jüdischen Staatenlosen“ in Smålandsstenar Wohl danach und im Zusammenhang mit diesem Treffen erschien eine engbeschriebene, vierseitige (!) Ausgabe der Mitteilungen, in der, so die Überschrift, „Das Lager der jüdischen Staatenlosen“106 vorgestellt wurde, ein Durchgangslager für diejenigen, die „im Laufe der letzten Woche nach Schweden gekommen sind“. Es wurde hervorgehoben, dass „(die ‚E-S‘) diesem Lager ihr besonderes Interesse widmen wird“ und ihre Mitglieder „darum bittet, sie darin zu unterstützen“. Diese Aufgabe, die alles andere als klein war und die die Emigranten-Selbsthilfe sich selbst stellte, wurde danach in den folgenden Zeilen umrissen. Diese lassen erkennen, dass es den Verantwortlichen um mehr ging als um materielle Unterstützung, ein Ziel, das die Arbeit der „E-S“ von Anfang an bestimmt hatte. So heißt es ausdrücklich in den Mitteilungen: Wenn auch die zuständigen Stellen und die jüdischen Organisationen alle Hereingekommenen gleicherweise betreuen, so fehlt den Staatenlosen doch der wichtige moralische Halt durch die persönliche Anteilnahme [Hervorhebung HM], die die Vertretung aller Länder ihren Angehörigen zuteilwerden lässt. Hierfür will die „E-S“ eintreten.

106 Es lag in dem kleinen Ort Smålandsstenar in der Provinz Småland an einer Eisenbahnlinie fern aller grösseren Siedlungen.

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Man berichtete ferner, dass man bereits das Vorstandsmitglied Frau Elsa Meyring in das Lager entsandt und damit den ersten Kontakt angeknüpft habe. Dieser Besuch hatte bereits erste Resultate erzielt, die im Folgenden in den Juni-Mitteilungen auf der ersten Seite aufgezählt werden. Als Erstes wurde eine Liste (s. u.) genannt, die 2 ¼ Seiten umfasste und am Ende der Mitteilungen publiziert wurde. Danach folgte „ein Verzeichnis von Wünschen, die unsere Landsleute geäußert haben“ (s. u.), wobei man sich „sicher (ist), dass sie sich mit Hilfe unserer Mitglieder erfüllen lassen“. Man bittet daher, als Zeichen für die oben genannte „persönliche Anteilnahme“, um eine „direkte Zusendung“, damit dadurch in den „Empfängern das Gefühl bestärkt wird, dass viele Landsleute sich für sie interessieren“. Aber die „E-S“ sei auch bereit, „die Absendung vorzunehmen“. Als letztes wird in der Einleitung der Wunsch ausgesprochen, „zu der schnellen Befriedigung der geäußerten Wünsche freundlichst beitragen zu wollen“, denn die „noch zur Untätigkeit Verurteilten (warten) unruhig auf ein Lebenszeichen ihrer Landsleute“. Darauf folgt als erstes aber ein „Adressen gesucht“ für „folgende angeblich in Schweden ansässige [10] Personen“, ehe dann unter der Überschrift „Smålandstenar“ auf achtzehn Zeilen eine Liste der erbetenen „Wünsche, die unsere Landsleute geäußert haben“, aufscheint. Diese ist mit 43 detaillierten Wünschen äußerst aufschluss- und umfangreich, wobei deutlich wird, dass es den „Geretteten von 45“ an allen ‚einfachen‘ und ‚einfachsten‘ Lebens-Mitteln fehlt. „Erbeten“ werden zwar ‚geistige Nahrung‘ wie „deutsche und englische Literatur“ und einfache Mittel zur jetzt wieder möglichen Kommunikation wie „schwedische und englische Lehr- und Wörterbücher“ sowie „Schreibhefte, Luftpost- und anderes Briefpapier, Kopierbleistifte“. Aber vor allem geht es um praktische Gegenstände des Alltagslebens, die die „Geretteten“ hatten lange entbehren müssen, um „Schuh- und Kleiderbürsten“, um „Schuhcrème schwarz und farblos“, um langentbehrte „Toilettenartikel wie Hautcrème, Zahnpasta, Puder“, um ebenso vermisste Badezimmer-Utensilien wie „Seifendosen“ oder „Waschlappen und Schwämme“, um Kleidungsstücke wie „Schlafanzüge für Männer“, „Strickjacken, oder dergl. wärmendes, für Damen und Herren“, und „einfache Kleider Größe 42– 46“, um … um … um ….107

107 Es mag hier mit dieser Aufzählung reichen. Im Übrigen verweise ich auf die Abbildung. Sie dürfte in allen Einzelheiten zeigen, welche Gegenstände eines ‚normalen‘ Alltags ‚normale‘, ‚zivilisierte‘ Menschen, die „Geretteten von 45“, lange Jahre entbehren mussten, ein Mangel, der jetzt endlich und auf einmal behoben werden konnte.

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Abb. 15: Mitteilungen, Juni 1945, S. 2. (u. a. eine Wunschliste). (Sammlung Jakobowsky. Uppsala Universitätsbibliothek)

Auf diese Wunschliste folgt die oben erwähnte Liste, welche in alphabetischer Reihenfolge 130 „Namen der Staatenlosen in Smålandsstenar“, Namen von 90 Frauen

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und 40 Männern, aneinanderreiht. Man erfährt hier Nach-, Vor- und eventuelle Geburtsnamen sowie die Geburtsdaten, die Heimatorte und vor dem Transport ausgeübten Berufe. (s. u). Dabei wurde bereits in der Einleitung der Mitteilungen (s. o.), begründet, warum jeweils die einzelnen Angaben erbeten wurden, sowie gleichzeitig direkt an die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Mitglieder appelliert. Der Heimatort sei beispielsweise „bewusst“ statt des Geburtsortes gewählt worden, weil man hoffte, „dass sich unter unseren Mitgliedern Landsleute finden, die gern in direkte Verbindung (…) treten wollen“, und die Berufsangabe soll dazu „dienen, durch Mitwirkung unserer Mitglieder die Eingliederung in das Erwerbsleben zu bewerkstelligen“. Man hebt in dem Zusammenhang hervor, dass „es sich um gut ausgebildete, vorwiegend jüngere Kräfte“ handele. Gleichzeitig wird betont, dass es aber noch „Gegenstand der Klärung“ sei, „ob und wann es gelingen wird, die Internierten bei vorliegender Nachfrage aus dem Lager freizubekommen“. Die „Vorarbeit“ müsse „dennoch geleistet werden“.108 Nähere Auskünfte könnten durch die Besucherin, Elsa Meyring, erteilt werden, deren Telefonnummer angegeben wird. Betrachtet man diese Liste näher, so ergibt sich folgendes Bild: 68 Personen, die ohne Angehörige nach Schweden gerettet wurden, stehen 62 gegenüber, die zusammen mit einem Angehörigen oder mehreren das Land erreichten.109 Das gesamte damalige „Groß-Deutschland“ ist vertreten, wenn auch einzelne Gebiete und Städte stärker als andere. Aus Westdeutschland, dem heutigen NordrheinWestfalen, kamen fast die Hälfte der „Geretteten“ mit 58 Personen, aus Norddeutschland 20 Personen und aus Hessen 15. Die übrigen verteilten sich auf Wien (9), Berlin (8) und Deutschland südlich des Mains (6). Nur sechs stammten aus Ostdeutschland, und acht Personen hatten keinen Heimatort angegeben.110 Sie sind, wenn man von den Angaben zum Geburtsjahr ausgeht, bei der Ankunft in Smålandstenar zwischen 69 und 13 (!) Jahren alt. In zwei Fällen sind sie vor 1880 und in zwei nach 1930 geboren.

108 Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass irgendwelche Kontakte vermittelt wurden. Und leider lässt sich auch nicht klären, ob die Angaben zum Beruf irgendwelchen Nutzen hatten, da Berufsvermittlung und eventuelle Umschulung bereits Ende 1945 Sache der staatlichen Behörden wurden. Immerhin aber unternahm die „E-S“ noch vor dem Start staatlicher Maßnahmen einen ersten Versuch, die Neuangekommenen in Schweden sozial und beruflich einzuordnen. 109 Es handelt sich im Einzelnen um 4 Familien, 7 Ehepaare, 5 Mütter mit Tochter, 1 Mutter mit Sohn, 3 Brüderpaare und 8 Schwester- bzw. Schwägerinnenpaare. 110 Der Transport wurde erst im AEL Hassee (Arbeits- und Erziehungslager des KZ:s. Neuengamme) zusammengestellt. Die „Geretteten“ kamen allem Anschein nach aus unterschiedlichen NS-Lagern nach dort.

2.5 Karitative Arbeit 

127

Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: Jahr

Personen

Jahr

Personen

-1880

2

-1920

11

-1890

5

-1930

49

-1900

10

-1940

2

-1910

44

ohne Geburtsjahr

7

An dieser Zusammenstellung sind ganz allgemein auffällig die geringe Anzahl derjenigen (17) Personen, die 1945 älter waren als 45 Jahre und die große Anzahl (104) derjenigen, die zwischen 1900 und 1909 beziehungsweise vor allem zwischen 1920 und 1929 geboren wurden. Sie waren somit 1945 nur 45 bis 16 Jahre alt und damit im perfekten Arbeits- oder besser Ausbeutungsalter. Die beiden Jüngsten wurden 1931 und 1932 geboren. Dass sie überlebt hatten, haben sie wohl vor allem der Tatsache zu verdanken, dass ihre Eltern sie durchschleppen konnten. Von etwas größerem allgemeinem Interesse ist die vielseitige Berufsliste, die, zum einen, eine deutliche Trennung der Berufssphären von Männern und Frauen zeigt, zum anderen, dass es sich fast ausschließlich um Angehörige eines ‚normalen‘ Kleinbürgertums gehandelt haben dürfte und dass, zum dritten, die herkömmlichen, ‚typisch jüdischen‘ Berufe oder gar Akademiker bzw. Akademikerinnen nicht vertreten sind. Zwölfmal wird ein Beruf, es handelt sich ausschließlich um die jüngsten „Geretteten“, nicht genannt. Bei den Frauen wird als Beruf 30-mal „Haushalt“ und 28-mal ein Textil-Beruf wie „Näherin, Stepperin, Strickerin“ angegeben, je fünfmal ist eine „Angestellte“, je viermal eine „Kindergärtnerin“, je dreimal eine „Pflegerin“ und je zweimal eine „Kunstgewerblerin“ vertreten.111 Bei den lediglich 40 Männern ist die Liste der Berufe weniger umfangreich und eintönig. 19-mal handelt sich um Arbeiter und Handwerker, je fünfmal um Kaufleute und Landwirte, dreimal um Metzger, zweimal um Gastwirte und je einmal taucht ein Chauffeur, ein Dekorateur und ein Turnlehrer auf. Alles in Allem übten also Frauen und Männern fast ausschließlich, mit Ausnahme der „Haushalt“- und „Textilberufe“ bei Frauen, nur Berufe aus, die unter den eher ‚großbürgerlichen‘ Mitgliedern der „E-S“ nicht vertreten waren. Es dürfte also dieser und ihren Gönnern schwergefallen sein, den Neuankömmlingen zu helfen, das heißt, „durch Mitwirkung unserer Mitglieder die Eingliederung [dieser Personen] in das Erwerbsleben zu bewerkstelligen“ (s. o.) Da nicht angegeben ist, wann diese Personen deportiert wurden, in welchen Lagern sie lebten und mit welchem Transport sie ins AEL Hassee kamen, möchte 111 Je einmal trifft man auf eine Bibliothekarin, Dolmetscherin, Fotografin, Gymnastiklehrerin, Landwirtin, Lehrerin und Masseurin.

128 

2 25 lange Jahre

ich hier nicht weiter über diese Zahlen und Angaben spekulieren, sondern nur quasi als Exkurs auf fünf Personen eingehen, das heißt auf die beiden Ältesten und die beiden Jüngsten der „Geretteten“ sowie eine Jüdin, die als „Privilegierte“ in Deutschland gelebt hatte, und auf das Umfeld, in dem sie existiert hatten, wobei auch ihre Namen genannt werden sollen. Fünf Einzelfälle. Ein Exkurs Es sollte mit Hilfe der lakonisch kurzen und nur stichwortartigen Beschreibung das Schicksals einiger „Geretteten von 45“ zu erkennen sein, dass es bei ihnen um Menschen unterschiedlicher Generationen ging, die Unsägliches erlitten und überlebt hatten. Dabei sind die unten stehenden Angaben nahezu ausschließlich der äußerst verdienstvollen Netzpublikation „Spuren im Vest Recklinghausen. Leben und Schicksal der jüdischen Bewohner Recklinghausens. Der schmale Grat zwischen Tod und Überleben“ entnommen worden:112 Diese enthält, soweit sich nachprüfen ließ, stichwortartige Kurzbiographien der „Geretteten“, die in der oben erwähnten Liste erfasst sind, wobei die von mir genannten Personen, wie ersichtlich sein wird, samt und sonders weder aus dem „Vest Recklinghausen“ stammen noch irgendwie mit dieser Gegend in Berührung gekommen sind. In dieser Netzpublikation werden weitere Quellen nachgewiesen, von denen hier nur folgende genannt werden sollen, die aber nicht weiter benutzt wurden: Aufbau, NY: Nach Schweden gerettet; Ausgabe vom 22.6.1945 Hilde [Winter] Sherman: Zwischen Tag und Dunkel, Mädchenjahre im Ghetto, Frankfurt, 1984 [mehrere Auflagen]. Gertrude Schneider, Reise in den Tod. Deutsche Juden in Riga 19411944, Dülmen, 2008

Sie werden nicht weiter kommentiert, sondern sollten für sich selbst sprechen. Leerstellen auszufüllen, bleibt der Phantasie der Leser überlassen. Ausgewählt wurden der älteste „Gerettete“, geboren 1876, seine Schwiegertochter (1923) und die beiden jüngsten „Geretteten“, ein Geschwisterpaar, geboren 1931 und 1932, sowie eine ‚Externe‘ deren Schicksal zeigt, wie zufällig der Transport zusammengewürfelt war. Sie vermitteln alles in allem ein äußerst erschreckendes, aber repräsentatives und direktes Bild der alltäglichen Judenverfolgung und -ausrottung in den 1940iger Jahren in Deutschland und im Baltikum. Deutlich werden individuelles wie kollektives Schicksal der hier genannten „Geretteten“, der Beginn ihrer Verfolgung, die Transporte, die sie wie Vieh machtlos über sich 112 https://spurenimvest.wordpress.com

2.5 Karitative Arbeit 

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ergehen lassen mussten, die Stationen ihrer unfreiwilligen ‚Gesellschafts‘-Reisen bis hin zum letzten gemeinsamen Transport der Überlebenden nach Schweden und der Ankunft in Smålandstenar. Die Angaben der Netzpublikation wurden im Folgenden gelegentlich geringfügig gekürzt, ohne dass dies deutlich gemacht wird, während Ergänzungen im Text durch eckige Klammern [ ] gekennzeichnet werden. Julius Winter Das erste Schicksal, das hier aufgezeigt werden soll, ist das von Julius Winter, der aus Korschenbroich in der Nähe von Neuss stammte und Landwirt war. Er wurde 1879 geboren und ist bei Kriegsende mit seinen 66 Jahren der älteste „Gerettete“ des Transportes. Julius Winter * 8.5.1879 in Korschenbroich; † 9.5.1958 in Springfield, USA. Geschwister [Er hatte zwölf Geschwister, von denen acht in der Shoah umkamen] – Moritz Winter * 1878, † 1942 in Minsk – Ahron Albert Winter * 1880 † 1947 Dafna, Israel – Jeanette Winter * 1881, +nach 11/1941 in Minsk – Selma Winter * 1883, +nach 11/1941 in Minsk – Helene Winter * 1885, † 5.9.1969 in Hilden – Max Winter * 1890, † 30.6.1915 in Verdun – Abraham Winter * 1891, † 4.4.1920 in Köln-Ehrenfeld – Sibille Winter * 4.4.1892, +nach 4/1942 in Izbica113 – Ludwig Winter * 17.8.1893, +nach 9/1942 Auschwitz – Siegfried Winter * 6.5.1896 † 8.1.1844 in Auschwitz – Gustav Winter * 1.11.1897, † 30.4.1943 in Auschwitz – Karolina Winter * 11.4.1900 in Korschenbroich, † 1942 Auschwitz Beruf: Landwirt Heirat: – 1. Ehe Henriette Schwarz * 1879 in Korschenbroich, † 1925 in Korschenbroich – 2. Ehe Fanny Schwarz * 1875 Korschenbroich, Schwester von Henriette Schwarz; † 1943 Auschwitz Kinder [Er hatte fünf Kinder aus erster Ehe, von denen zwei in der Shoa umkamen] – Grete Winter * 1909, † 2008 Los Angeles – Kurt Winter * 1912, † 1942 Tetanus-Infektion in Salaspils/Lettland 113 Izbica ist ein Dorf in Ostpolen. Dort lag eine Konzentrationslager, das u. a. als Durchgangsgetto zu den Vernichtungslagern Belzec und Sobibor diente.

130  2 25 lange Jahre

– Bruno Winter * 1915, Emigration nach Chile; † 2010 in Springfield, USA – Alfred Winter * 1918, Zwilling; Riga, Theresienstadt […] 2001 Norwalk, USA – Erich Winter * 1918, Zwilling; † 1945 in Kambodscha Weiterer Lebensweg – 9./10.11.1938 Verwüstung des Hauses durch SA-Horde – Schutzhaft für Julius und Sohn Kurt – Zwangsverkauf von Haus und Geschäft – Emigration nach Chile scheitert – 10.12.1941 Sammellager Schlachthof Düsseldorf – 11.12.1941 Transport Da 38 Düsseldorf nach Skirotawa, Riga mit Ehemann Fanny, den Kindern Kurt, Alfred, Herbert und Grete Winter – 13.12.1941 kurz vor Mitternacht Ankunft Rangierbahnhof Skirotawa, Laderampe vereist – 14.12.1941 morgens Fußmarsch ins Ghetto Riga – Mitte 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos, Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung – 2.11.1943 Ehefrau Fanny nach Auschwitz verschleppt – November 1943 im Armeebekleidungsamt ABA [Armee-Bekleidungs-Amt] 701 in Mühlgraben, Kasernierung – Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga – Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof – 30.9.1944 Zwangsarbeiter des ABA 701 mit dem Frachtschiff „Sanga“ nach Libau, Lettland – 1.10.1944 Ankunft Libau, SS-Sonderlager in Lettland, Arbeit im Hafen – 22.12.1944 schwerer russischer Bombenangriff auf die besetzte Stadt, 14 Lagerinhaftierte kommen um – 19.2.1945 200 Häftlinge von Libau auf dem mit Granaten- und Patronenhülsen beladenen Kohlefrachter „Balkan“ über die Ostsee erst Richtung Lübeck, wegen Bombenangriffen umgeleitet nach Hamburg – 27.2.1945 Ankunft in Hamburg, von der Gestapo in Gefängniswagen vom Hafen nach Fuhlsbüttel – 27.2.1945 – 11.4.1945 Polizeigefängnis Fuhlsbüttel „Kola-Fu“ – 15.4.1945 86 km Fußmarsch nach Kiel, ins AEL [Arbeitserziehungslager] „Nordmark“ in Hassee, Außenlager des KL Neuengamme in Kiel. – Rettungsaktion „Graf Bernadotte“ durch das Schwedische Rote Kreuz. Nach Verhandlungen des schwedischen Graf Bernadotte und Norbert Masur vom World Jewish Congress, Stockholm mit Heinrich Himmler nahe Berlin werden 168 jüdische Häftlinge und ihre Kinder nach Schweden freigelassen.

2.5 Karitative Arbeit 



– – – – – –

131

5.1945 153 Juden mit weißen Bussen des Roten Kreuz nach Pattburg [Padburg], Dänemark, Entlausung in der Quarantänestation; weiter mit dem Zug nach Kopenhagen 2.5.1945 mit der Fähre nach Malmö; erste Quarantäne ca. 10 Tage 13.5.1945 in Smålandsstenar, Schweden in Quarantäne 8.6.1945 IRC-Recreation-Camp [International Rescue Committee] Holsbybrunn Bis 1952 bei Sohn Herbert [* 1922; dasselbe Schicksal, blieb bis 1952 in Schweden, danach USA] 1954 in die USA 9.5.1958 Tod in Springfield, USA

Hilde Winter Die zweite Kurzbiographie ist die der Schwiegertochter Hilde Winter. Sie war in erster Ehe mit Kurt Winter verheiratet, der 1942 im Arbeits-Erziehungs-Lager [AEL] Salaspils südlich von Riga verstarb. Sie heiratete Anfang der 1950er Jahre in Kolumbien den lettischen Juden Willi Szerman, später William Sherman, den sie in Riga kennengelernt hatte und dem es nach Jahren als DP in Deutschland gelang, nach Paris und später Kolumbien auszureisen. 1995 wanderte das Paar nach Israel weiter. Sie starb 2011 in Jerusalem. 1984 veröffentlichte sie ihre Autobiographie: Zwischen Tag und Dunkel, Mädchenjahre im Ghetto. Hilde Winter Sherman geb. Zander – 22.3.1923 in Wickrathberg;114 † 11.3.2011 in Jerusalem – 1.Ehe 6.12.1941 Kurt Winter, † 27.4.1942 Tetanus-Infektion in Salaspils – Beruf: Haushalt [Näherin?] – Weiterer Lebensweg – 11.12.1941 Transport Da 38 Düsseldorf nach Skirotawa, Riga mit 13 weiteren Personen aus der Familie Winter (s. o.). – Auf dem Transport noch mit dem Mädchennamen, fünf Tage verheiratet. [!!!] – 13.12.1941 kurz vor Mitternacht Ankunft Rangierbahnhof Skirotawa, Laderampe vereist [Die Stichworte des weiteren Lebenswegs sind bis 1945, dem Lager in Holsbybrunn, bis auf kleine, wenige Auslassungen identisch mit den Angaben zu Julius Winter (s. o.)] – [1946 Reise nach Bogota/Kolumbien] 114 Aus Wickrathberg beziehungsweise Wickrath stammen auch die fünf Angehörigen einer Familie Harf, für die ebenfalls die Daten der Kurzbiographie gelten. Es handelt sich um Emma Harf (* 1908, geb. Zander). [Die Annahme liegt nahe, dass sie mit Helene Winter, geb. Zander verwandt ist], Johanna Harf (* 1911), Meta Harf (* 1903, geb. Seligmann), Regina Harf (* 1920, geb. Schneider) und Siegmund Harf (* 1907).

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In der Kurzbiographie finden sich zum Abschluss folgende Zeilen: „Sieben Monate verbrachte ich in Schweden, fünf davon in Kliniken und Hospitälern. Ich hatte Typhus, Ruhr, Bruch der Wirbelsäule, Nierenbeckenentzündung, Gelbsucht.“ (Zwischen Tag… S.141)

Ellen und Harry Stern Ellen Stern war die jüngste unter den „Geretteten“. Sie wurde am 6.2.1931 in Neustadt bei Marburg geboren, als Zehnjährige deportiert, als Vierzehnjährige befreit und starb am 26.2.1966 in New York. Ihr Vater war Karl Stern, ihre Mutter Erna Stern, geb. Abraham. Ihre Geschwister waren Harry, der Zweitjüngste in Smålandstenar, und Marion. Die Familie wohnte bis 1941 in Neustadt bei Marburg.115 Die Angaben zu den Jahren 1941 bis 1945, zu dem Geschehen von Riga bis zur Ankunft in Smålandstenar, sind identisch mit denen von Julius Winter. Weiter unten werden nur die Angaben bis zur Ankunft in Hamburg notiert. Kleinere Zusätze kommen vor. Sie sind hier durch Anführungszeichen gekennzeichnet „“. Ellen Sterns Deportationszug erreichte einen Tag vor dem des Julius Winter das Ziel. Bemerkenswert und mehr als makaber ist weiter unten die Eintragung zum 22.12.1944: „Beim letzten lustigen Abend in der Schuhfabrik treten auch Ellen und Harry Stern auf“ (s. u.) – Beruf: keine Angabe [„Schüler“ in der Transportliste] – Weiterer Lebensweg – 1930–20.5.1941 wohnt die Familie in Neustadt, Marburg – Mai 1941 Zwangsumsiedlung der 21 Neustädter Juden nach Roth und Fronhausen innerhalb von zwei Tagen auf Anordnung der Gestapo Kassel – 5.12.41 inhaftiert, dann in Personenzügen nach Kassel, Turnhallen WörthSchule als Sammellager. – 9.12.41 Deportation Kassel-Riga mit den Eltern [ferner Bruder Harry und Schwester Marion]. – Fahrtroute über Berlin, Breslau, Posen, Königsberg – 12.12. Ankunft Rangierbahnhof Skirotawa, Fußmarsch ins Ghetto Riga bei 40 Grad minus

115 In der Liste der „Geretteten“ wird fälschlicherweise für Karl und Harry als Heimatort „Neustadt/Paderborn“ angeben, während die Angabe „Neustadt/Marburg“ wie für Erna und Ellen korrekt gewesen wäre.

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Mitte 1943 schrittweise Auflösung des Ghettos, Einrichtung des Konzentrationslagers Riga-Kaiserwald und verschiedener Betriebslager mit lokaler Kasernierung [s. Julius Winter] [13.11.1943 Tod der Schwester Marion Stern (* 9.10.1935 in Frankfurt); deportiert, (im Alter von acht Jahren) aus Riga in der Novemberaktion, 1943 mit der Oma Paula (d. i. Betty Bertha Paula Löwenstein * 1875)].116 November 1943 im Armee-Bekleidungs-Amt ABA [Arbeits-Bekleidungs-Amt] 701 in Mühlgraben, Kasernierung Sommer 1944 Auflösung des KL Kaiserwald, Riga Juli – September 1944 Transporte der Arbeitsfähigen aus Riga per Schiff nach Stutthof 29.9.- 3.10.1944 140 Zwangsarbeiter ABA 701 mit dem Frachtschiff „Sanga“ nach Libau, Lettland „13.-14.10.1944 Die letzten 50 Männer, 10 junge Frauen mit der „Drechtdijk“ auch „Drächtig“, nach Libau“ SS-Sonderlager Libau in Lettland, Arbeit im Hafen, „Be- und Entladen von Schiffen“ „22.10.1944 Fliegerangriff auf Libau mit zwei Toten unter den Häftlingen“ 22.12.1944 schwerer russischer Bombenangriff auf die besetzte Stadt, 14 Lagerinhaftierte kommen um „Beim letzten lustigen Abend in der Schuhfabrik treten auch Ellen und Harry Stern auf“.117 19.2.1945 200 Häftlinge von Libau auf dem mit Granaten- und Patronenhülsen beladenen Kohlefrachter „Balkan“ über die Ostsee erst Richtung Lübeck, wegen Bombenangriffen umgeleitet nach Hamburg … 13.5.1945 in Smålandsstenar, Schweden in Quarantäne 8.6.1945 Flüchtlingslager Holsbybrunn 29.11.1946 Flüchtlingslager Ryds Brunn 20.12.1999 Tod in Ridgewood, New Jersey

Aber dies sind nur Stichproben, ausgehend von vier Individuen. Sie stammten aus verschiedenen Gegenden Deutschlands, wurden nur mit einem Tag Unterschied im Dezember 1941 nach Riga deportiert und hatten dort sowie in den Jahren danach bis zur Ankunft in Schweden das gleiche Schicksal erlitten. 116 Das Ghetto wurde im November 1943 aufgelöst und der größte Teil der Bewohner, vor allem Kinder, Alte und Arbeitsunfähige, im Viehwagen nach Auschwitz deportiert und dort vergast, 117 Eigentlich unvorstellbar. Die Geschwister waren 13 und 12 Jahre alt. Die Kurzbiographie Harry Sterns ist bis 1945 mit der seiner Schwester identisch.

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Wie die Angaben über die älteste „Gerettete“ im Folgenden zeigen, müsste aber nun jede Kurzbiographie untersucht werden, um ein vollständiges und endgültiges Bild der ‚Reise‘ der „Geretteten von 1945“ zu geben, was aber hier weder geschehen kann und noch soll. Helene Scharpenberg Die letzte Kurzbiographie behandelt eine Helene Scharpenberg, geb. Bloch, die am 22.2.1876 in Bremen geboren wurde und am 11.1.1979 im Alter von hundertzwei (102) Jahren dort verstarb. Als Beruf ist „Hausfrau“ angegeben. Sie war mit einem Wilhelm Scharpenberg verheiratet und lebte „vermutlich“, so die Kurzbiographie, in einer „privilegierten Mischehe“. Es heißt hier weiter: – April 1942 [als 66-jährige] Verhaftung und Verbringung ins Polizeigefängnis Bremen, da sie sich weigerte, ihre großzügige Wohnung der SS zu überlassen – Polizeigefängnis Fuhlsbüttel „Kola-Fu“, Zuchthaus und Konzentrationslager – Verbringung ins AEL Nordmark – Rettungsaktion „Graf Bernadotte“ durch das Schwedische Rote Kreuz Danach sind die Angaben identisch mit denen der vorigen Personen. Die letzte ist: – 8.6.1945 Holsbybrunn, Ausländerheim der schwedischen Ausländerkommission Damit genug des Exkurses, den man durch das Schicksal vieler Individuen hätte erweitern können. Es fällt, eine persönliche Bemerkung, nicht leicht, damit zur ‚Normalität‘, der nüchternen Wirklichkeit der Emigranten-Selbsthilfe im Sommer 1945 in Schweden zurückzukehren, deren Mitglieder diesem Schicksal der Julius Winter, Hilde Winter, Ellen und Hardy Stern sowie auch Helene Scharpenberg durch ihre rechtzeitige Emigration entronnen waren. August 1945 wird dann in den „Mitteilungen“ der Erfolg der Aktion mitgeteilt, mit dem man fürs erste in jeder Hinsicht zufrieden ist. Unsere Mitglieder dürfte es interessieren, dass unserer Aufforderung, an die nach Schweden gekommenen Staatenlosen Kleidung, Bücher und dergl. zu senden, in erfreulichem Umfange nachgekommen worden ist. Dadurch wurde in diesen schwer geprüften Menschen das Gefühl erweckt, in der Fremde Freunde zu erwecken.118

118 Leider ist nichts weiter über den Verlauf und das Ergebnis der Spendenaktion zu erfahren.

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135

Man nimmt dies zum Ansporn, um sich erneut an die Gebefreudigkeit der Mitglieder zu wenden, wenn man hinzufügt: Aber es muss noch viel mehr getan werden, umso mehr als über das Kontingent, das z. Z. nach Smålandsstenar gekommen und von dort nach Holsbybrunn119 verlegt worden ist, inzwischen neue Staatenlose angekommen sind, für die wir uns nicht minder interessieren müssen.120

Man veranstaltet „zu den Feiertagen“, es geht in diesem Fall um Rosch ha-Schana, „eine Geldsammlung“. Man heißt „auch das kleinste Scherflein“ willkommen, man bittet um weitere Werbung dafür „im Freundeskreis“ und fügt eine Zahlkarte bei, auf der der Geber „F eie rtagspen de“ vermerken solle. Damit ist aber noch nicht genug getan. Die Mitglieder werden erneut aufgefordert, Mitmenschlichkeit zu zeigen. Es geht nun nicht mehr allein um die „Staatenlosen“, die „Landsleute“, sondern um alle, die mit den „Weißen Bussen“ nach Schweden gekommen sind. In den Krankenhäusern befinden sich immer einige Flüchtlinge aus verschiedenen europäischen Ländern, die sich schon aus Sprachschwierigkeiten dort sehr einsam fühlen. Wir nehmen an, dass sich unter unseren Mitgliedern sehr viele zu Besuchen bereitfinden werden, auch solche, die sich auf Deutsch, jiddisch, polnisch, rumänisch, ungarisch u. s. w. verständigen können.121

Gleichzeitig versendet man gesondert mit der Post auf einem A 4-Blatt an Gönner und Spender einen Spendenaufruf, der demselben Zweck, wenn auch mit anderen Worten dient. Die Bitte um Spenden wird hier vom gesamten Vorstand namentlich unterschrieben. Diese sind gedacht für „Hunderte von Staatenlosen aus deutschen Konzentrations- und Arbeitslagern“. Zwar sorge „der schwedische Staat (…) für ihre Verpflegung und Kleidung“, aber da sie „von keiner Legation betreut werden“, fehle „diesen Menschen noch vieles, das zu dem täglichen Bedarf gehört“. Man habe zusätzlich zu den „bisherigen Aufgaben“ die „Betreuung“ der Gruppe übernommen und bemühe sich nun, „ihnen ihr schweres Schicksal zu erleichtern“. Man sei bestrebt, „zu den hohen Feiertagen“ den Bedürftigsten „in irgendeiner Form eine Feiertagsfreude (zu) bereiten“, und bitte darum, wie es ausdrücklich heißt, „wie seit Jahren (…) uns die Möglichkeit für unser Hilfswerk zu geben“.

119 Dieser kleine Ort liegt etwa 200 Kilometer entfernt im Nordwesten Smålands. 120 In der bereits eingangs erwähnten Liste der „Mitglieder und Förderer“ der „E-S“ findet sich auch ein umfangreicher Briefwechsel zwischen Gilel Storch vom JWC und Elsa Meyring über die finanzielle Hilfe für die „Geretteten von 1945“ und die Verhältnisse in den Lagern. Central Zionist Archives, Jerusalem. C4 (World Jewish Congress, Swedish section). Vol.: 402 (C2). 121 Auch hier fehlt es an Angaben darüber, ob und wie dieser Aufruf befolgt wurde.

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Die „E-S“ kümmert sich sogar darum, auch Einzelne in einer neuen Gemeinschaft willkommen zu heißen, so wenn sie Mitte August gesondert „schon heute“ und damit „rechtzeitig“ im Voraus auf eine bevorstehende Trauung hinweist. Es geht um „eine Trauung von vier Paaren aus Holsbybrunn“, also dem Ort, nach dem die „Geretteten von 1944“ aus „Smålandsstenar“ verlegt worden waren. Diese soll, etwas mehr als drei Monate nach der Ankunft in Schweden, „am Sonntag, d. 26. August in der Synagoge Wahrendorffsgatan 3 statt(finden)“. Man schließt mit der ausdrücklichen Bitte an „unsere Mitglieder, der Feier beizuwohnen, damit sich die jungen Ehepaare von Freunden umgeben fühlen“. Eine weitere Trauung findet dann, wie Oktober 1945 in den Mitteilungen, bekannt gegeben wird, am Sonntag, den 4. November, in der Stockholmer Synagoge statt. Es heiraten „Lotte Feuchtbaum, früher Wien“ und „Ernst Wachsmann, früher Berlin“, die im Übrigen nicht zu der Gruppe gehören, die in Smålandstenar untergebracht worden waren. Hier wird ferner die Suchanzeige „Schlitten, Schlittschuhe, Skier für nach Schweden gerettete Flüchtlingskinder gesucht“ veröffentlicht, und es findet sich der bereits erwähnte Hinweis, „dass die schwedische Studentenverbindung Clarté zusammen mit der Freien Deutschen Jugend am Freitag, d. 26. d. Mts., 20 Uhr im großen Saal des Medborgarhuset eine Soiree für die in Schweden befindlichen Befreiten aus Konzentrationslagern veranstaltet“. Im November heißt es dann – auf Schwedisch – in dem Aufruf an die gewöhnlichen Spender, dass das Spendenaufkommen „ungekürzt an die notleidenden Emigranten und an die ‚Geretteten von 1945‘ geht“. Zu guter Letzt ist dann noch einmal, aber auch zum letzten Mal die Rede von den „1945 Geretteten“, wenn unter der Überschrift „Wanderbibliothek“ die bereits erwähnte Notiz folgt: „Judiska Föreningarnas Centralkommittée beabsichtigt, eine Wanderbibliothek für die ‚1945 Geretteten‘ zusammenzustellen. Wir bitten unsere Mitglieder, uns Bücher in deutscher und englischer Sprache zur Weitergabe an das Centralkommittée zur Verfügung zu stellen“.

2.5.5 Hilfsaktionen nach 1945 Aber auch in der Folgezeit ist in den Mitteilungen an Aufrufen zu und Hinweisen auf weiteren Hilfsaktionen, diesmal aber vor allem für solche im Ausland, kein Mangel, von denen hier einige wenige genannt werden sollen. Zunächst geht es „Februar 1947“ um „Lebensmittelpakete“, die durch den WJC „nunmehr nach allen Ländern Europas versandt werden“ können. Es handelt sich um „10 kg Paket“, die „einschl. Fracht und Versicherung“ 50 Kronen kosteten. August 1948 ist dann eine gezielte „Hilfsaktion für Juden in Berlin“ aktuell. Die Notiz beginnt mit einem Bericht von 17 Zeilen über einen Besuch des „Vorstands-

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mitglieds der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Dr. Hans Erich Fabian“, nach 1945 ihr Mitgründer. Er war Jurist und Rechtsanwalt, hatte in Theresienstadt überlebt und wanderte 1949 nach den USA aus.

Abb. 16: Mitteilungen. August 1948. Aufruf zur Hilfsaktion für Juden in Berlin. (Sammlung Jakobowsky. Uppsala Universitätsbibliothek)

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Der Bericht fasst die schwere Situation der Juden und der Jüdischen Gemeinde in Berlin nach 1945 kurz zusammen: Die jüdische Gemeinde in Berlin zählt gegenwärtig 7.800 Mitglieder. Von diesen sind über 50 % über 50 Jahre alt. Wenn auch das American Joint Distribution Committee nach Möglichkeit Hilfe leistet, so reicht dies doch nicht aus. Viele Mitglieder der Gemeinde erhalten keinerlei Hilfe aus dem Ausland und sind dringend auf Hilfe angewiesen, da die rund 2.000 Kalorien, die sie täglich erhalten, keine ausreichende Nahrung geben“.

Fabians Schilderung veranlasste nun die „E-S“ dazu, „unter (…) Mitgliedern und Freunden für eine einmalige Hilfsaktion für die Berliner Juden zu sammeln“, obwohl „unsere Mitglieder, um den in Deutschland verbliebenen Angehörigen und Freunden zu helfen, ständig schwere persönliche Opfer bringen“. Ein „Obwohl“Satz, der erkennen lässt, dass eine Reihe der Mitglieder auch privat Hilfe leisteten. Man begründete diese Aktion für Berlin in einem einzigen, einfachen Satz, der – das Wort sei erlaubt – anrührt. Wir, denen ein gnädiges Geschick all die Leiden erspart hat, die die in Deutschland Zurückgebliebenen in so reichem Masse erdulden mussten, müssen es nicht nur als unsere Pflicht, sondern als unser Privileg betrachten, uns bei einer Hilfsaktion für deutsche Juden in die erste Reihe zu stellen.

Die „E-S“ bittet danach um „Geldspenden zur Beschaffung von Lebensmitteln“ auf das Postgirokonto „unter der Bezeichnung ‚Spende für Berlin‘“. Aber es ist nicht die einzige Aktion für Berliner Juden. Direkt unter diesem Bericht und Spendenaufruf folgt die Überschrift „Jüdische Kinder aus Berlin in Schweden“. Es geht um eine Aktion, die allem Anschein nach nicht auf die Initiative einer Organisation, sondern einer Privatperson oder eines privaten Kreises zurückzuführen ist, denn der erste Satz der Notiz deutet darauf hin. Er besagt, dass es „durch private Hilfsbereitschaft“ gelungen sei, „30 jüdischen Kindern aus Berlin einen Ferienaufenthalt in Schweden zu ermöglichen“. Man habe nun erfahren, dass „die Kinder unzureichend mit Kleidung versehen sind“. Es fehle „besonders an Unterwäsche, Strümpfe und Schuhen für 15 Jungen und Mädchen im Alter von 5 bis 13 Jahren“, eine Feststellung, die blitzlichtartig die Situation in Nachkriegsberlin auch noch im Jahre 1948 beleuchtet. Man teilt dies „den Mitgliedern mit in der Hoffnung, dass mancher aus unserem Kreis gewillt ist, gebrauchte und neue Bekleidungsstücke gleich welcher Art zu spenden“. April 1949 wird dann in Großbuchstaben zu einer „VEREINIGTE ISRAEL–EINSAMMLUNG“ aufgerufen.122 Erstmalig taucht hier der neue Staat auf, dem von Ju122 Das Wort „Einsammlung“, das häufig und schon Anfang der 40er Jahre vorkommt, ist eine wörtliche Übersetzung aus dem Schwedischen „insamling“.

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den solidarisch Hilfe zu leisten ist, wobei nicht klar wird, vom wem die Aufforderung ausgeht, aber deutlich wird, warum man sich gerade an die Mitglieder der Selbsthilfe wendet. Es heißt: In diesen Tagen ergeht an alle in Schweden lebende Juden ein Aufruf für die finanzielle Unterstützung des gigantischen Hilfswerks, das zum Ziel hat, in diesem Jahr 250.000 Flüchtlinge in Israel aufzunehmen“ Wir nehmen an, dass gerade in unserem Kreise das größte Verständnis für diese Aufgabe vorhanden sein wird und bitten unsere Mitglieder, diese so dringend notwendige Einsammlung nach Möglichkeit zu unterstützen.

Oktober 1951 ist immer noch Hilfe durch den Versand von Lebensmitteln nach „Deutschland, Österreich und Is ra el “ nötig, die die „Representation des ‚International Rescue Committees-New York‘ in Schweden“ vermittelt.123 Ihr Inhalt ist allerdings wesentlich üppiger als der der Hilfspakete nach Bergen-Belsen. Sie könnten „je nach Wahl Kaffee, Tee, Kakao, Schokolade, Zucker, Reis, Olivenöl, Butter, Margarine, Fett, Corned Beef, Kondens-Milch und Honig enthalten“, und auch die Preise sind gestaffelt. Nach „Westdeutschland und Westberlin“ ist man von „12 bis 29 Kronen“ dabei, nach „Österreich“ kostet es „16.50 bis 34 Kronen“ und nach „Israel“ als drittem Empfängerland „21–30 Kronen“. März 1952, 7 Jahre nach Kriegsende, ist dann das letzte Mal von einer Hilfsaktion die Rede. Es geht um „Pakete nach Israel“, die von „Zionistiska Federationens Paketkommitté“ vermittelt werden.

2.6 Schadensersatzansprüche und Wiedergutmachung Wie nicht anders zu erwarten, wurde, wie aus den Mitteilungen hervorgeht, schon vor, aber vor allem nach Kriegsende über die Arbeit der „E-S“, aber auch die der gesamten deutschsprachigen Emigration in Schweden, in der Frage der Ersatzansprüche ob des erlittenen materiellen Schadens und die seiner „Wiedergutmachung“ fortlaufend informiert. Dabei wurde die praktische Arbeit damit aber ab 1948 völlig der MFST überlassen, wie hier weiter unten deutlich werden soll. Bereits im Februar 1945 wurde den Mitteilungen zufolge „laut Beschluss der Generalversammlung vom 20. Februar (…) der Ausschuss für Nachkriegsfragen, der sofort seine Arbeit aufgenommen hat, gebildet“. Die „E-S“ bittet ihre Mitglie-

123 Ebenfalls statt des deutschen „Vertretung“ ein Schwedizismus auch in der Rechtschreibung.

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der, „etwaige Anregungen“, also keine direkten Fragen, dem Vorstandsmitglied „Herrn Dr. Julius Nussbaum“ mitzuteilen.124 Am 4. September des Jahres spricht dann Advokat Ernst Baburger zum ersten Mal über die jetzt aktuell werden Themen „Wiedergutmachung125 [sic]“ und „Schadensersatz. Rechtliche und tatsächliche Staatenlosigkeit. Rück- und Weiterwanderung“. Sie dürften alle Mitglieder der „E-S“ betroffen haben. Oktober 1945 wird dann in den „Mitteilungen“ erst- und letztmalig auf die Interessengemeinschaft deutschsprachiger Emigranten (IDE), hingewiesen, die bereits am 17. Juli 1944 von zumeist deutsch-jüdischen Privatpersonen, darunter Mitgliedern der „E-S“, gegründet worden war und deren Arbeit von Socialstyrelsen, der Obersten Sozialbehörde Schwedens, und der MFST unterstützt wurde.126 Ihre „Mitteilungen Nr. 5“ sind den Mitteilungen der ‚E-S‘ beigefügt, ohne dass ein Grund direkt erkennbar ist. In diesem Zusammenhang wird aber aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung der IDE vom 30. Mai 1945 zitiert. Dr. Josef Fischler, Mitglied der „E-S“, hatte dort über das gerade zu diesem Zeitpunkt hochaktuelle Thema „Probleme der Staatenlosigkeit“ gesprochen.127 In der Schrift heißt es am Rande, von allgemeinem Interesse aber und bezeichnend für die Stellung der Juden auch in der ‚Hierarchie‘ der Konzentrationslager: In seinem Schlusswort berichtete Advokat Dr. Fischler u. a., dass ihm ein aus einem deutschen Konzentrationslager heimgekehrter Norweger berichtet habe, die dortigen politischen und kriminellen Internierten hätten im Allgemeinen an der Judenpolitik des Deutschen Reiches keinen Anstoß genommen.

In der Folgezeit wird häufig auf die internationale Entwicklung in diesen Fragen, insbesondere aber die in den vier Besatzungszonen hingewiesen und sie gelegentlich kommentiert. Dabei werden hier im Folgenden die den Mitteilungen beigefügten umfangreichen Dokumente der Besatzungsmächte und die der verschiedenen Länderregierungen im besetzten Deutschland wiedergegeben, wenn auch fast ausnahmslos nicht im Einzelnen. Die folgende Darstellung dürfte dennoch einen kurzen Abriss der komplizierten, verworrenen und verwirrenden Geschichte der Wiedergutmachung in der ersten Nachkriegszeit aus der Sicht der Mitglieder einer kleinen Vereinigung der unmittelbar Betroffenen in einem Gastland erkennen lassen. 124 Die Mitglieder des Ausschusses werden nicht genannt. 125 Der Ausdruck „Wiedergutmachung“ taucht hier erstmals auf. 126 Auf Schwedisch: Emigranternas Skyddsförening [Schutzvereinigung der Emigranten]; s. Müssener, Exil in Schweden, S. 113–114. 127 Josef Fischler war ein jüdisch-deutscher Rechtsanwalt aus Österreich, der in Hamburg promoviert hatte und bereits 1933 nach Schweden emigriert war, wo er erneut Jura bis zum schwedischen Examen studiert hatte.

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Bereits im September 1946 wird erstmalig ein Dokument vorgestellt, das über die Gesamtlage orientiert und den Stand der Dinge im Herbst 1946 zusammenfasst. Es lässt erkennen, wie verwickelt die Situation zu diesem Zeitpunkt war, aber auch, dass ein spannender, widersprüchlicher Prozess in Gang gekommen ist. Er sollte sich lange hinziehen und über verschiedene Zwischenstationen verlaufen. Deutlich wird auch, dass die „E-S“ zu diesem Zeitpunkt bereits Teil eines internationalen Netzwerks ist. Die Rede ist von der Interessenvertretung der aus Deutschland ausgewanderten Juden. („Council for the Protection of the Right and Interests of Jews from Germany“). Sie sei zu diesem Zeitpunkt „in England, USA, Palästina, Schweden – die ‚E-S‘ ist bekanntlich angeschlossen [Unterstreichung HM]– und einer Reihe anderer Länder vertreten“. Ausdrücklich wird betont, sie habe „in der letzten Zeit in der Entschädigungsfrage zahlreiche Vorstöße unternommen“, wobei über diese Vorstöße nichts ausgesagt wird, aber die Bezeichnung „Entschädigungsfrage“ von gewissem Interesse ist. Sie wird bald darauf durch „Schadensersatzansprüche“ und wenig später auch international durch „Wiedergutmachung“ ersetzt. Im folgenden Absatz wird dann erstmalig Konkretes berichtet wird, wenn es heißt: Gleichzeitig [mit den Vorstößen] finden Verhandlungen der süddeutschen Juden mit den örtlichen Regierungsstellen statt. Eine engere Zusammenarbeit des Council mit dem Joint, der Jewish Agency sowie dem Intergouvernemental Committee on Refugees ist geplant“. Allerdings bleibt die gesamte Sachlage auch weiterhin sehr unklar, denn wer ist beispielsweise gemeint, wenn im Folgenden, im September 1946, von „deutschen und österreichischen Regierungsstellen“ die Rede ist, die „prinzipiell zur Anerkennung der jüdischen Entschädigungsansprüche bereit (sind), sofern die Geschädigten sich im Inland befinden“. Auch die neutralen Staaten Schweden und Schweiz hätten „im Zusammenhang mit der Einigung über die deutschen Guthaben bedeutende Summen für denselben Zweck zur Verfügung gestellt.

Etwaige Hoffnungen auf eine schnelle „Entschädigung“ der Mitglieder der Emigranten-Selbsthilfe werden aber sehr schnell gedämpft, wenn es danach heißt, es sei „durchaus noch unklar“, ob aus diesem Fonds, „der in erster Linie dazu bestimmt ist, den Hunderttausenden Heimatloser die Möglichkeit zu geben, sich eine neue Existenz zu gründen“, überhaupt „Emigranten mitentschädigt werden“ könnten. Einen Monat später, am 28. Oktober 1946 wurden diese „Entschädigungsansprüche“ dennoch erstmalig sehr aktuell und konkret. Die „E-S“ informierte ihre Mitglieder auf einer A 4-Seite in einer Mitteilung über die Möglichkeit, jetzt „Schadensersatzansprüche innerhalb der englischen Zone in Deutschland geltend“ zu machen. Diese wurde zusammen mit zwei 1-seitigen Anlagen beziehungsweise

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Formularen, einer „SPECIMEN DECLARATION AS TO PROPERTY“ und seiner deutschen Übersetzung versandt.128 Es handelte sich um eine Aktion des britischen Außenministeriums, das „die schwedischen Behörden davon verständigt“ hätte, dass auch Personen, die nicht englische Staatsangehörige sind und die ihren Wohnsitz außerhalb des britischen Weltreiches [sic!] haben, soweit sie durch die Naziverfolgung ihres Besitzes in der britischen Zone in Deutschland beraubt worden sind, nunmehr ihre Ansprüche in England anzumelden befugt sind.

Diese „Ansprüche“ waren jeweils „in vierfacher Ausfertigung“, je zwei auf Englisch und auf Deutsch, beim Control Office for Germany and Austria“ anzumelden. Verlangt wurde eine Menge von detaillierten Angaben, wobei man sich fragen muss, wie diese in der schwedischen Emigration nach mindestens sechs Jahren in einem fremden Land überhaupt erbracht werden konnten. Anzugeben waren der Kreis, in dem das Eigentum belegen ist, Name und Adresse der Person, von der der Anmeldende annimmt, dass sie im Besitz des Eigentums ist, genaue Beschreibung zum Zwecke der Identifizierung des Eigentums, dessen mutmaßlicher Wert, die Umstände unter welchen sowie der Anlass aus welchem der Anmeldende den Besitz verloren hat, sowie der möglicherweise dafür gezahlte Kaufpreis.

In dem Dokument wird ferner darauf hingewiesen, dass auch diejenigen, die bereits mit anderen „Behörden in Korrespondenz gewesen sind, gut daran täten, sich dieser Gelegenheit zur Anmeldung zu bedienen“. Man macht zum Schluss auch darauf aufmerksam, „dass der Zweck der Veröffentlichung lediglich der ist, eine Anmeldung zu ermöglichen“, denn der direkte „Briefverkehr mit Deutschland“ sei anderthalb Jahre nach der Kapitulation des Landes weiterhin „erschwert“. In den Mitteilungen Dezember 1947 informiert der Vorsitzende der „E-S“, Ernst Baburger, dann darüber, dass „das erste Gesetz über die Wiedergutmachung des an den deutschen Juden begangenen Unrechts […] von der amerikanischen Militärregierung, neun Jahre nach dem Novemberpogrom 1938, veröffentlicht worden ist“, und darüber, dass „die französische Militärregierung ein ähnliches Gesetz unmittelbar danach veröffentlichte, während das britische Entschädigungsgesetz noch vorbereitet wird und von entsprechenden Absichten der russischen Militärregierung noch nichts bekannt ist“, sowie auch darüber, dass „die Vertreter der deutschen Länder im Länderrat Einspruch dagegen erhoben“ hätten“. Die hier erkennbare komplizierte Situation im mehrfach geteilten Deutschland Ende 1947 wird noch deutlicher, wenn es weiter heißt, „das amerikanische 128 Das teilweise unbeholfene Deutsch der Mitteilung lässt vermuten, dass sie aus dem Englischen übersetzt wurde.

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Gesetz“ gelte nicht „für den amerikanischen Sektor von Berlin, da ganz Berlin der Legislatur der Alliierten Kommandantur unterliegt“. Zweck des amerikanischen Gesetzes sei es, für die Rückerstattung identifizierbaren Besitzes an die Personen zu sorgen, denen er in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 wegen ihrer Rassenzugehörigkeit, Religion, politischen Anschauung oder Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zu Unrecht entzogen wurde.

Man könne mit Rücksicht auf die Verhältnisse, die in Deutschland zwischen 1933 und 1945 herrschten, […] davon ausgehen, dass bei jedem Übergang jüdischen Besitzes in nichtjüdische Hände während des genannten Zeitraumes die Ursache in einer der oben genannten Maßnahmen oder Handlungen zu suchen ist. Das Gesetz wird daher in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle, in denen eine Identifizierung möglich ist, zur Rückgabe von Grundstücken, industriellen und landwirtschaftlichen, Handelsfirmen, Fahrzeugen, Warenzeichen und Namensaktien führen. Für Geld und Inhaberpapiere gelten besondere Bestimmungen.

Das Gesetz, das wohlweislich nur für die amerikanische Zone galt und über dessen Durchführung und eventuelle Erfolge auch in späteren Mitteilungen nicht berichtet wurde, regelte auch die Frage der „Erben als Rechtsnachfolger“, d. h., dass „die Ansprüche von Personen, die ohne Erben gestorben sind, einer – im Falle von Juden – jüdischen Nachfolgeorganisation zufallen sollen“. Diese Organisation würde aus Vertretern der großen jüdischen Zusammenschlüsse wie Joint und Jewish Agency gebildet, und der bereits erwähnte Council of Jews from Germany, dem die „E-S“ ja angehörte, „wird drei Vertreter innerhalb der Nachfolgeorganisation erhalten“. Das Thema der Wiedergutmachung sollte auch danach in den folgenden Mitteilungen immer wieder eine große Rolle spielen. Im Februar 1948 geht es um die „Erbansprüche über Vermögen verstorbener Verwandter“. Hier hat der Keren Kajemet in Jerusalem es übernommen, „die Ansprüche von verstorbenen Verwandten (…) zu sammeln“.129 Diese Organisation werde die Aufgabe übernehmen, bei fremden Regierungen zu intervenieren, um auf diese Weise für ihre Zwecke Vermögen zu retten, die sonst „den fremden Regierungen zufallen, weil sich keine Erben gemeldet haben“. Im gleichen Monat laden Emigranternas Självhjälp, Emigranternas skyddsförening und Tyska socialdemokratiska partistyrelsens representant i Sverige zu einem Informationsabend am 1. März ein, auf dem nach der Einleitung von Dr. Wilhelm 129 Der jüdische Nationalfonds, der zu diesem Zeitpunkt vor allem den jüdischen Landerwerb in Palästina fördert.

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Michaeli Dr. Julius Hepner130 über „Die Anmeldung von Forderungen gegen deutsche Schuldner gemäß der schwedischen Bekanntmachung vom 16. Januar 1948“ und Dr. Ernst Baburger über „Die Wiedergutmachungsgesetzgebung in Deutschland“ berichteten werden.131 Darauf folgte eine „Aussprache“. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass die MFST eine „Abteilung für Rechtsauskünfte“ – das spätere „Büro für Rechtshilfe“ – eingerichtet hatte, die bei der Anmeldung von Forderungen gemäß dieser Bekanntmachung behilflich sein sollte und in der Folgezeit für die gesamten Wiedergutmachungsfragen maßgebend sein wird. Sie wurde zunächst vom Rechtshistoriker Dr. Kurt Stillschweig, Mitglied der „E-S“, geleitet, der 1939 nach Schweden entkommen war. Auf ihre Tätigkeit wird in den Mitteilungen der folgenden Jahre weiter unten mehrfach hingewiesen. Diese „Abteilung“ hatte u. a. bereits im März 1948 „ein Merkblatt für die Anforderung von Geldforderungen gegen deutsche Schuldner und ein Anmeldungsformular an Clearingnämnden ausgearbeitet“. Sie wies danach im März 1949 auf eine „Anordnung der alliierten Kommandantur vom 2. Februar 1949 – Ansprüche auf Rückerstattung geraubten Vermögens“ hin und machte im August 1949 auf „Sozialversicherungsansprüche in Deutschland“ und „Wiedergutmachungsansprüche in der französischen Besatzungszone und in der Saar“ aufmerksam. In den Mitteilungen für März 1948 folgte ferner eine „Information zur Rückerstattung von Vermögen in Deutschland“ und zur „Rückführung von persönlichem Eigentum, Wertsachen, Möbeln, Hausrat u. s. w. aus Deutschland, Österreich, Ungarn und der Tschechoslowakei“. Januar 1951 wird des Weiteren darüber berichtet, dass „in Berlin vom Magistrat ein Entschädigungsgesetz beschlossen“ wurde, das allerdings „noch nicht in Kraft getreten“ sei. Man werde dies in den Mitteilungen bekannt geben. Dies geschieht dann bereits im März 1951, und im Mai 1951 teilt Dr. Wilhelm Michaeli, der mittlerweile die Leitung des Büros übernommen hatte, die Ausführungsbestimmungen mit. September 1953, also erst zweieinhalb Jahre später, wird darauf hingewiesen, dass die „Bank deutscher Länder […] sich bereit erklärt (hat), in Zukunft Anträge auf Freigabe kleinerer Sperrmarktbeiträge als Hilfe für bedürftige Personen im

130 Rudolf Hepner war Mitglied der „E-S“ und „Advokat“ [Rechtanwalt], der ein juristisches Examen in Schweden abgelegt hatte. Er wurde bereits am 19.10.1944 Vorsitzender des Arbeitsausschusses der IDE. 131 Kurt Heinig war ab April 1940 nach seiner Flucht aus Dänemark der Vertreter des Parteivorstands der SoPaDe in Schweden. Er war mit einer Jüdin verheiratet. Wilhelm Michaeli, Mitglied der „E-S“, war als Mitarbeiter der MFST verantwortlich für alle Wiedergutmachungsfragen. Die „schwedische Bekanntmachung vom 16. Januar 1948“ wird in einer weiteren Nummer der Mitteilungen von Februar 1948 auf drei Seiten vorgestellt.

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Ausland wohlwollend zu prüfen“, und im Oktober heißt es dann endlich, aber keineswegs abschließend: Am 1. Oktober 1953 ist das Neue deutsche Bundesentschädigungsgesetz in Kraft getreten, das für jeden Emigranten von Interesse ist. Es behandelt: Schaden am Leben, Schaden an Körper und Gesundheit, Schaden an Freiheit, Schaden an Eigentum und Vermögen, Schaden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen.

Über seine Bedeutung werde „Dr. Wilhelm Michaeli Mittwoch, den 25. November 1953, 20 Uhr im Sessionssaal der Mosaiska Församlingen“ einen Vortrag halten, dem eine „Aussprache unter Leitung von Dr. Ernst Baburger“ folgen solle. Bereits im Dezember heißt es dann keinen Monat später in einer Anzeige der Mitteilungen Fotokopien von Dokumenten für Schadensersatzanträge auf Grund des neuen Entschädigungsgesetzes fertigt an (…). In der Folgezeit wird danach immer wieder über das Gesetz, seine Ausführungsbestimmungen und ihre Änderungen informiert. Das „Büro für Rechtshilfe“ übernimmt es im Januar 1954, „allen Unbemittelten Auskunft über ihnen zustehende Ansprüche nach dem neuen Bundesentschädigungsgesetz (zu geben) und ev.im Einvernehmen mit URO in London Anträge auf Ersatzleistung (zu bearbeiten)“, und es wird im April des gleichen Jahres „in eine selbständige Filiale von United Restitutions Office in London (URO) umgewandelt. Das Bureau befasst sich ausschließlich mit Bearbeitung von Wiedergutmachungs- und Entschädigungssachen in Gemäßheit [sic] der in Deutschland gültigen Bestimmungen“. Danach orientiert Dr. Wilhelm Michaeli in den Mitteilungen von September 1954 ausführlich auf zwei Seiten über die „Grundzüge des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) vom 18. September 1953“, dass er als „eigentlich ein Ergänzungsgesetz zu Gesetzen in amerikanischer und französischer Zone“ bezeichnet. Seine Absicht ist es, „den Mitgliedern der Emigranten-Selbsthilfe eine ganz allgemein gehaltene Übersicht über das BEG zu geben“, wobei er mit seiner Kritik nicht spart. Er nennt dieses nur zu Recht, „eines der schwierigsten Gesetze, die existieren, dank seines Stoffes, aber gleichzeitig auch wegen der schlechten Fassung in formeller Hinsicht und der materiellen Unvollständigkeit“. Dabei kritisiert er, eine allgemeine Kritik des Gesetzes unter den Verfolgten formulierend, dass „trotz einjährigen Bestehens (…) von allen Seiten angeregte Verbesserungen bisher nicht erfolgt und Ausführungsbestimmungen nicht erlassen“ worden sind, mahnt, dass das „gesamte Verfahren mit größter Beschleunigung durchgeführt werden“ sollte, aber gibt gleichzeitig zu bedenken, dass „die bisherigen Erfahrungen beweisen, dass dies bis jetzt nicht möglich war“. Erwähnenswert unter seinen häufigen Kommentaren zum BEG und bevorstehenden Änderungen ist vom Oktober 1955, für eine Bewilligung eines Antrags viel-

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leicht entscheidend, die Auskunft: „Neben München und Berlin ist jetzt auch von Köln das Tragen des Judensterns als ausreichend erachtet worden, um Freiheitsentziehung zu begründen“. „Bei dieser Gelegenheit“ macht dieser ferner darauf aufmerksam, „dass in Polen spätestens ab Ende Dezember 1939 das Tragen des Judensterns obligatorisch war, in Berlin ab 1. April 1941“. Im Februar 1956 wird dann in den Mitteilungen berichtet, dass „Arbeiten in Österreich an ähnlicher Wiedergutmachung noch nicht spruchreif sind“, und im September des gleichen Jahres kann Dr. Wilhelm Michaeli, nachdem das „Bundesentschädigungsgesetz am 29. Juni 1956 in Kraft getreten ist“, eine Neufassung des vielkritisierten Gesetzes von 1953, über „die allerwesentlichsten Änderungen“ informieren. Er kommentiert dabei bezeichnenderweise, dass „den Beamten der Regierungen ausdrücklich zur Pflicht gemacht“ werde, ihre Arbeit „besonders zu beschleunigen“, und zitiert dabei aus dem „Bundesrats-Bericht“ dazu: „Das beste Gesetz nützt nichts, wenn die Menschen, die es anzuwenden haben, nichts von seinem Geist spüren“. Vor allem aber weist er aber auch darauf hin, dass „die Frist zur Stellung von Anträgen am 30. September 1956 (ab)läuft“. Danach liegen keine weitere Mitteilungen vor. Dass aber die Wiedergutmachung die Frage weiterhin virulent war und von der „E-S“ auch bewacht wurde, zeigt eine Notiz aus Judisk Krönika, 1964/9. Hier geht es um eine „Untersuchung zum herrenlosen Eigentum in Schweden“. Es habe sich vor kurzem in Stockholm ein Komitee gebildet, das die gemeinsamen Interessen der in Schweden lebenden Nazi-Opfer wahrnehmen solle. Ihm gehörten an die Vereinigung polnischer Juden in Schweden, eine österreichische Zentralorganisation für österreichische und zentraleuropäische Naziopfer und die Emigranten-Selbsthilfe, die deutsche Naziopfer vertrete. Erwähnt wird auch eine gemeinsame Arbeitsgruppe dieses Komitees an, der unter anderem die Rechtsanwälte Baburger und Fischler angehörten.

2.7 Die Heimfrage. Vom Kollektivhaus zum Pflegeheim Zu diesen Wiedergutmachungsfragen gehörte auch die Heimfrage, d. h. das Projekt der Emigranten-Selbsthilfe, für ihre Mitglieder ein „Heim für unsere Alten“, zu schaffen, das 1948 in Angriff genommen wurde.132 132 Im ersten Rechenschaftsbericht Herbst 1939 wird neben der „Errichtung von Umschulungskursen“ auch die „Schaffung eines Emigrantenheims, in welchem Emigranten ein behaglicher Tagesaufenthalt mit Lektüre und anderem Unterhaltungsstoff sowie eine bescheidene Mahlzeigt geboten werden soll“ als „künftiges Ziel“ genannt, aber der Kriegsbeginn dürfte alle weitere Arbeit für dieses Ziel gestoppt haben. Inzwischen waren fast zehn Jahr vergangen.

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Die Quellen für eine Darstellung dieses Prozesses, der sich über sieben Jahre hinzog, sind rudimentär. Sie beschränken sich auf gelegentliche Notizen und zwei Umfragen in den Mitteilungen sowie auf einige Rechenschaftsberichte in den Jahren 1949–1956, darunter vor allem derjenige für 1955, in dem Siegfried Pawel die komplizierte Entwicklung von den ersten Plänen im Jahre 1948 bis zur Lösung 1955 beschreibt. Bereits im Jahre 1948 entschied sich der Vorstand der „E-S“ laut Rechenschaftsbericht für 1955 dafür, „die Frage zu prüfen, ob es bei der ungünstigen Alterszusammensetzung unseres Kreises nicht angebracht und wünschenswert, ja sogar notwendig sei, ein Heim für unsere Alten zu schaffen“, und die Generalversammlung von Februar 1949 ermächtigte ihn dazu. Damit war nach der Sozialarbeit „der zweite Grund“ genannt, der gegen eine vorzeitige Liquidation der Emigranten-Selbsthilfe, „unserer kollektiven Vertretung hier im Lande,“ sprach. Es sollten aber weitere fünf Jahre vergehen, bis dieser Plan, zumindest zum Teil, in Angriff genommen werden konnte, und es war „wohl nur unserer jahrelangen Arbeit zu verdanken, dass anscheinend die Heimfrage ihrer Verwirklichung entgegensieht“, so im Rechenschaftsbericht für 1955. Bereits den Mitteilungen von Dezember 1949 lag dann ein Fragebogen bei, „um den Bedarf der notwendigen Räume [in einem] Kollektivhaus für ältere Menschen zu erfassen“, denn es sei „notwendig, festzustellen, wie viele Reflektanten z. Z. vorhanden sind“, den 45 Interessenten auch ausfüllten.133 In den Jahren nach 1949 wurde dann vergeblich „nach einem geeigneten Grundstück“ gesucht und „verschiedene führende Gemeindemitglieder für den Plan interessiert, die uns ihre uneingeschränkte Unterstützung“ zusagten. Aber es sollte sich zeigen, wie Siegfried Pawel 1955 schreibt, dass es trotz des Versprechens des leider so früh verstorbenen Rabbiners Jacobson und des Oberrabbiners Dr. Wilhelm134, uns bei Geldeinsammlungen für den Heimbau in jeder Beziehung zu helfen, unmöglich sein würde, die erforderlichen Geldmittel, es handelte sich ja um viele Hunderttausende, sogar ev. um ev. eine Million Kronen, in unserem Kreise aufzubringen.

Zudem zeigte es sich, so der Rechenschaftsbericht für 1949, dass die MFST bereits im Frühjahr 1950 „eine große Aktion für die Gründung eines „Vårdhemmets“ [also eines Heimes für dauernd Pflegebedürftige] beginnen soll, so dass wir es für rich133 In dieser „unverbindlichen Anmeldung für das geplante Kollektivhaus“ wurde nach den notwendigen Angaben zur Person u. a. gefragt nach: „Vollpension oder nur eine Hauptmahlzeit bevorzugt (Nichtzutreffendes bitte zu unterstreichen)“ und ob eine „eigene Wohnung oder Untermieter“ gewünscht sei. 134 Dr. Kurt Wilhelm wurde in Würzburg zum Dr. phil. promoviert und erhielt sein Rabbinerdiplom am Jewish Theological Seminary in New York. 1933 bis 1948 lebte er in Palästina, wo er ab 1936 Rabbiner war. 1948 wurde er Oberrabbiner der Mosaiska Församlingen in Stockholm.

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tig hielten, noch nicht an die Öffentlichkeit heranzutreten, da (…) eine gleichzeitige Aktion den Erfolg nur schwächen würde“. Man werde das Projekt aber in der zuversichtlichen Hoffnung weiterverfolgen, um „unsere Weiterarbeit in absehbarer Zeit wieder aufnehmen zu können“. Für 1950 wird nur vermerkt, dass man allerdings Makler beauftragt hatte, „geeignete Objekte nachzuweisen“. Sie hatten aber keinen Erfolg, da u. a. „Villen zu klein (waren), um rentablen Betrieb zu gewährleisten“ und ein „Erweiterungsbau“ bei der damaligen „Bauzwangswirtschaft“ nicht genehmigt werden würde. Der Vorstand beschloss daher, „den Gedanken eines Kollektivheims nicht weiter zu verfolgen“. Erst im übernächsten Jahr, im Rechenschaftsbericht für 1952, kommt Pawel wieder auf das Projekt zurück. Man hatte konstatiert, dass gemäß dem ersten Wiedergutmachungsvertrag, dem Luxemburger Abkommen von 1952, zwischen der Bundesrepublik und Israel, diese „450 Millionen Kronen an die in der ganzen Welt zerstreut lebenden Juden zahlen“ würde. Man habe sich daraufhin mit dem Council for the Protection of the Rights and Interests of Jews from Germany, „der Dachorganisation aller deutsch-jüdischen Emigrantenorganisationen der ganzen Welt“, die bereits 1945 gegründet wurde und „dem wir angeschlossen sind“, in Verbindung gesetzt. Sie bemühe sich zur Zeit darum, „aus diesem Entschädigungsbetrag Gelder für soziale Zwecke der Emigranten-Organisationen vorgemerkt zu erhalten“. „Sofort (habe man) unser bekanntes Projekt für ein Alters- und Pflegeheim angemeldet“, darum gebeten, „uns aus dem ‚erblosen jüdischen Gut‘ in Deutschland Beträge für die Errichtung eines Heims zur Verfügung zu stellen“, und wisse nun, „dass man unserem Vorhaben Interesse entgegenbringt“. Die dadurch sicherlich geweckte Hoffnung dürfte allerdings durch eine Notiz im Rechenschaftsbericht für 1953 gedämpft worden sein. Der Vorstand habe zwar noch im Herbst 1953 gehofft, „unseren Plan, die Schaffung eines Alters- und Pflegeheims verwirklichen zu können“, zumal der Council „diesem Projekt sehr wohlwollend gegenüberstand“. Nun aber habe sich bereits 1951 eine Conference on Jewish Material Claims against Germany gebildet, um die Wiedergutmachungsfrage gemeinsam für die Nazi-Opfer der Shoah zu lösen. Ihr gehörten „21 Organisationen der verschiedensten Richtungen und Bestrebungen an(…), wobei der Council nur eine einzige Stimme hat“. Es sei daher sehr „fraglich geworden, ob, in welcher Höhe und wann unser angemeldeter Anspruch berücksichtigt werden wird“. Einen gewissen Trost spendet dann aber eine Zusicherung, an die sich aber die MFST zwei Jahre später nicht mehr zu erinnern scheint: „Der Vorstand der hiesigen jüdischen Gemeinde, die ja auch an dem Zustandekommen des Bauvorhabens interessiert ist, wird, wie uns vor kurzem zugesichert worden ist, unseren angemeldeten Anspruch z. Z. in Paris unterstützen“.

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Erneut wird die „E-S“ dann in einem Aufruf aktiv, als man sich fünf Jahre nach dem ersten Fragebogen am 24. November 1954 wieder in der gleichen Frage an seine Mitglieder wendet und sie daran erinnert, dass man „wiederholt über (…) Bemühungen berichtet (habe), dass ein Pflege- und Krankenheim (Heim für chronisch Kranke) für die Opfer des Nazismus in Stockholm errichtet wird“. Man bittet darum, falls Sie für sich oder einen Ihrer Angehörigen an dem Projekt interessiert sind, umgehend die für Sie unverbindlichen Auskünfte [Unterstreichung im Text] zu geben. Zur weiteren Bearbeitung unseres Antrages an die sind umgehend Angaben über die sofortige oder in naher Zukunft erforderlichen Anzahl von Plätzen zu machen.

Die Antwort eilte sehr. Sie musste „spätestens am 29. November 1954 [Unterstreichung im Text] in unserem Besitz sein“, also nur fünf Tage später. Allerdings dürfte die Antwort leichtgefallen sein, denn auszufüllen waren lediglich: „Vor- und Nachname. Geburtsdatum. Gesundheitszustand. Baldige Aufnahme oder Vormerkung erwünscht. Adresse. Tel.“

Ausführlich wird dann im Jahresbericht für 1955 über die Verhandlungen und Querelen ab Sommer 1954 zwischen der Conference on Jewish Material Claims against Germany, dem Council der deutschen Juden, der „E-S“ und der MFST berichtet. Dabei bleibt hier manches mangels Quellen ungeklärt. Einleitend wird die gesamte grundsätzliche Situation der aktuellen Wiedergutmachung gemäß des Luxemburger Abkommens zu dem Zeitpunkt dargestellt, als „der Briefwechsel zwischen Council und uns noch stattfand“. Generell, so heißt es über das Abkommen, erklärte sich die Deutsche Bundesrepublik bereit, außer der an den Staat Israel zu zahlenden Wiedergutmachungsleistung weitere 500 Millionen DM in zehn Jahresraten zu 50 Millionen an die in der ganzen Welt zerstreut lebenden „jüdischen Naziopfer“ zu zahlen.

In der Claim Conference seien darauf natürlich noch viele Fragen zu klären gewesen, während ein Verband der getauften Juden in Deutschland direkt für seine Mitglieder 50 Millionen „abzuzweigen“ vermocht hätte. Wäre die „E-S“ nun selbst so „weitblickend gewesen“, „gleichfalls um eine Beihilfe nach(zu)suchen“, so wäre diese bewilligt worden und das Heim wäre „schon gebaut und bezogen gewesen“. Aber wir „warteten die kommenden Dinge ab und hatten das Nachsehen“. Denn die Claim Conference, in der das Council ja nur eine Stimme hatte, bewilligte von den Wiedergutmachungsgeldern „nicht eine einzige DM aus diesen rein deutschen Geldern […] den deutsch-jüdischen Organisation für die Gründung von

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Heimen“. Dies hatte zur Folge, dass das Council „unter Protest aus der Conference austrat“, ein Schritt der „nicht nur in der gesamten jüdischen, sondern auch in der nichtjüdischen Welt großes Aufsehen erregte“, und dazu führte, dass man dem Council versprach, von „der nächsten Jahresrate 3 Millionen DM für die von ihm vorgeschlagenen Heimprojekte zu bewilligen“. In der Zwischenzeit hatte die MFST bei der Conference einen eigenen Antrag auf die Bewilligung von Geldmitteln für ein Pflegeheim gestellt, da sie „angeblich“, so Siegfried Pawel, nicht wusste, dass vom Council ein Antrag für das „E-S“-Projekt eingereicht worden war. Es lagen somit der Conference zwei Anträge vor für ein „von uns durch den Council vorgelegtes und eins von der hiesigen jüdischen Gemeinde eingereichtes“. Es kam sodann Sommer 1954 in Stockholm unter Anwesenheit eines Vertreters der Conference zu Verhandlungen, in denen die Beteiligten einen Kompromiss eingingen. Demnach erklärte sich die MFST bereit, den „in Schweden lebenden Naziopfern fünfzehn von den dreißig vorgesehenen Heimplätzen zu reservieren“. Der Vorstand der „E-S“ stimmte diesem „nach reiflicher Überlegung“ zu, und 1955 hatte dann „die Conference der […] Gemeinde ganz beträchtliche Geldmittel für die Baukosten bewilligt und ferner nach Inbetriebnahme des Heims jährliche Beihilfen für die laufenden Unkosten zugesagt“. Daraufhin hatte man in einem gemeinsamen Komitee für die „E-S“ und die MFST beschlossen, „im nächsten Jahr mit dem Bau“ zu beginnen. Siegfried Pawel beschließt diesen Teil seines Rechenschaftsberichts für 1955 mit dem Satz: Das eine steht jedenfalls unleugbar fest, hätten wir nicht durch unsere kollektive Vertretung in all den Jahren unbeirrt unser Ziel auf die Schaffung eines Heims energisch verfolgt, dann würden wir heute nicht so weit halten, wie es nun der Fall ist.

Diesen Worten ist vorbehaltlos zuzustimmen. Zwar konnte das Ziel nicht voll und ganz erreicht werden, aber dieser Kompromiss war für beide Partner „gesund“.

2.8 Die Kulturarbeit Herbst 1939 leitete der Vorstand der „E-S“ den Tätigkeitsbericht für die ersten neun Monate mit dem Satz ein: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, und er sah „eine seiner Hauptaufgaben“ somit in der „seelischen und geistigen Betreuung der (…) von Unterhaltung und Zerstreuung abgeschlossenen Neulinge“, d. h. der Emigranten der Jahre 1938 und 1939. Er bilanzierte dort weiter, man habe 21 „Vor-

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träge und künstlerischen Veranstaltungen organisiert“, eine nicht nur auf den ersten Blick hin erfolgreiche Lösung. Für diese gesamte Kultur-Arbeit trug der bereits vorgestellte Kulturausschuss die Verantwortung, die er in unter anscheinend unveränderter Besetzung in den folgenden Jahren erfolgreich fortsetzen sollte. Die Sozial- und die karikative Arbeit war alle Jahre hindurch gewissermaßen das Standbein der Emigranten-Selbsthilfe. Sie trug die Hauptlast der gesamten Arbeit, beanspruchte jedes Jahr mehr als zwei Drittel des Haushalts, wirkte nach innen und trat bestenfalls mit den Mitteilungen und den Rechenschaftsberichten, die erst ab 1949 veröffentlich wurden, öffentlich in Erscheinung. Die vielfältige, umfangsreiche Kulturarbeit dagegen war in jeder Hinsicht das Schwungbein der Emigranten-Selbsthilfe. Sie repräsentierte nach Außen und wandte sich in erster Linie an die Mitglieder selbst, aber auch an eine jüdischschwedische Öffentlichkeit, insbesondere an ihre zionistischen Freunde und Förderer, die tatkräftig an der Arbeit selbst teilnahmen, aber auch bereitwillig spendeten, sowie an interessierte Mitglieder der Mosaischen Gemeinde Stockholms. Vor allem erfüllte sie vorbildlich eine soziale Funktion. Ihre Tätigkeit bis hin zu den Teeabenden und Teetafeln nach zahlreichen Veranstaltungen aktivierte die Mitglieder, stärkte den internen Zusammenhalt, bildete ein Hindernis gegen jegliche Isolation und war gemeinschaftsbildend, was besonders in den Kriegsund ersten Nachkriegsjahren von größter Bedeutung war. Sie trug auch zum großen Teil nicht nur die eigenen Unkosten, da man, wenn auch geringe, Teilnehmergebühren und Eintrittsgelder verlangen konnte, sondern erzielte sogar in den ersten Jahren einen Gewinn, wie die Angaben zu den Einnahmen erkennen lassen. Darüber hinaus honorierte man häufig Künstler, Sprachlehrer und teilweise auch Redner, alle fast ausnahmslos aus dem Kreis der Betroffenen selbst, und befolgte damit die Parole Emigranten helfen Emigranten. Der Aufgabenbereich des Kulturausschusses war groß. Er umfasste neben der Organisation der Veranstaltungen, von Chanukka- und Purimfesten über musikalische Veranstaltungen, Filmabende bis hin zu Theateraufführungen und den vielen Vortragsabenden, gelegentlich auch in Zusammenarbeit mit Dritten, sowie Gymnastikkursen und dem Sprachunterricht.

2.8.1 Die Veranstaltungen Sämtliche Veranstaltungen der Emigranten-Selbsthilfe werden, soweit sie rekonstruierbar sind, im Anhang im „Veranstaltungskalender“ summarisch aufgelistet, und werden im Folgenden in den Abschnitten „Alle Jahre wieder: Chanukka und

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Purim“, „Theater und Film“, „Konzerte“, „Musikabende, Opernarienabende und …“, „Vorträge“ sowie „Gymnastik- und Sprachkurse“ näher vorgestellt. Diese Untergliederung ist verständlicherweise schematisch, denn des Öfteren finden Vorträge statt, die von einem Musikprogramm begleitet werden, Musikprogramme und Generalversammlungen werden von einem Vortrag eingeleitet, usw. usf. Umfang und Vielfältigkeit der Veranstaltungen lassen sich zunächst in einigen Zahlen ausdrücken, die zwar Zahlenspielereien und l’art pour l’art gleichen, aber dennoch aussagekräftig für die Schwerpunkte der Veranstaltungstätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe in den Jahren 1939–1956 sind.135 Insgesamt wurden in diesen Jahren 199 Veranstaltungen, eine stattliche Zahl, angekündigt, darunter einige wenige, zu denen zusammen mit anderen, fast ausnahmslos zionistischen Organisationen eingeladen wurde bzw. die diese allein verantworteten.136 Es waren also durchschnittlich fast 15 Veranstaltungen in diesen 13 Jahren statt, die aber im gesamten Zeitraum höchst ungleichmäßig verteilt waren. Von 1939 bis 1945, also in den sieben Kriegsjahren, fanden bei den insgesamt 116 Veranstaltungen durchschnittlich 16 pro Jahr statt. Die absoluten Höchstzahlen wurden 1939, im ersten Jahr der Tätigkeit, mit 23 und 1943 sogar mit 28 weit übertroffen und lagen nur 1940 und 1941 unter diesem Durchschnitt. 1946–1951 sank die absolute Zahl, 58 Veranstaltungen, von 14 im Jahre 1947 schrittweise auf nur acht ab, während in den folgenden fünf Jahren, von 1952–1956, nur noch insgesamt 25 Veranstaltungen stattfanden. Es sind Zahlen, die erkennen lassen, dass die kulturelle Tätigkeit nach den ersten Nachkriegsjahren ihre Bedeutung und Zugkraft verloren hatte und aus den verschiedensten Gründen von den Mitgliedern nicht mehr in Anspruch genommen wurde. Diese schrittweise erfolgende Ent- und Abwicklung geht auch aus den Rechenschaftsberichten nach 1949 hervor. Im Rückblick auf das Jahr 1948 konstatiert man noch mit sich und der Welt zufrieden, dass die Veranstaltungen „in den letzten Jahren besonders gut besucht waren“ und man im Durchschnitt 125 Besucher begrüßen konnte. Man sei auch weiterhin bestrebt, „unseren Mitgliedern durch unseren Veranstaltungen einen Treffpunkt zu schaffen, auf dem wir Vorträge in der früheren Heimatsprache oder Unterhaltungen altgewohnter Art zu bieten“. Aus diesem Satz geht vor allem mit den Wörtern „Treffpunkt“, „frühere Heimatspra135 Für die Jahre 1957–1973 liegen nur spärliche Quellen vor. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fanden aber jedes Jahr eine Generalversammlung und eine Chanukka-Feier statt. 136 Zu diesen Organisationen gehörten unter anderem die Freie Bühne und die IdE (Interessegemeinschaft deutscher Emigranten). Hier werden allerdings die Vorlesungsreihen Professor Walter A. Berendsohns nicht mitaufgeführt, die in den Jahren 1948–1952 fast regelmäßig zweimal pro Jahr in der Hochschule Stockholm stattfanden. Alle diese Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender kursiv gekennzeichnet.

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che“ und „Unterhaltungen altgewohnter Art“ auch hervor, welch bedeutende soziale Funktion diese Veranstaltungen hatten, die ja häufig auch mit anschließenden „Teetafeln“ verbunden waren. Genau diese Funktion wird ein Jahr später für 1950 unterstrichen, wenn man davon spricht, dass viele Besucher die meist gut besuchten Veranstaltungen dazu nutzten, „sich mit Bekannten bei dieser Gelegenheit zu treffen“. Aber erste Anzeichen einer Änderung werden deutlich, wenn man feststellt, dass „für Vorträge nur noch geringes Interesse vorhanden“ sei und man sich „auf musikalische Darbietungen eingestellt“ habe. Bereits ein Jahr darauf konstatiert man im Jahresbericht für 1951, dass der „Besuch im Vergleich zu früheren Jahren zurückgegangen“ sei, und gibt auch die objektiven Gründe dafür an. Das „Stammpublikum“ sei „zu alt“ geworden, um „bei Wind und Wetter auszugehen und spät nachts nach Hause zu kommen“. Die Mehrzahl der Mitglieder wohnte zudem mittlerweile in den „Außenbezirken“. Vor allem müsse man aber bedenken, ein entscheidendes und außerordentlich bemerkenswertes Argument, dass sich „die Mehrzahl der Mitglieder in die schwedischen Verhältnisse eingelebt hat“. Zwar wird im Jahre darauf in einem Rückblick auf die vergangene fünfzehnjährige Tätigkeit fast nostalgisch daran erinnert, dass bei manchen Veranstaltungen der ersten Zeit die Polizei den Eingang sperren musste und vielen Einlassbegehrenden wegen Überfüllung des Saales den Zutritt verweigerte.

Aber die Zeiten hatten sich endgültig geändert. Die Anzahl der kulturellen Veranstaltungen wurde weiter verringert, wobei die Gründe aus dem vorigen Bericht fast wortwörtlich wiederholt werden und zudem hinzugefügt wird: „Wir haben unseren Bekanntenkreis geschaffen und brauchen nicht mehr zu suchen“. Ein letztes Mal und abschließend kommt der Vorstand dann im Rückblick auf das Jahr 1953 in einer Art Abgesang auf diese Abwicklung zurück, der es wert ist, in extenso zitiert zu werden. Wie sehr wir uns eingeordnet haben, ersieht man auch aus der Tatsache, dass unsere Veranstaltungen, die sich in früheren Jahren eines regen Zuspruchs erfreuen konnten, in letzter Zeit trotz des guten Programms, das wir boten, verhältnismäßig schlecht besucht wurden. Aber wir beherrschen nun mehr oder minder hinreichend die Landessprache, können also auch an dem kulturellen Leben der neuen Heimat teilnehmen und wir haben uns einen neuen Verkehrskreis geschaffen.

2.8.2 Alle Jahre wieder: Chanukka und Purim Die Chanukka-Feier war alle Jahre hindurch, zusammen mit der Purim-Feier in den ersten Jahren, das jüdisch-geistige Band der Emigranten-Selbsthilfe und wurde

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ab 11. Dezember 1939 bis 1972 jedes Jahr im November/Dezember gefeiert. Sie gab „den Zusammenkünften alljährlich eine besondere Note“, so der Zehnjahresbericht 1948, und war 1954 „schon zur Tradition geworden“ (Rechenschaftsbericht).137 Sie fand bis auf eine Ausnahme alljährlich im Sessionssaal der MFST statt. 1943 musste sie allerdings nach Birkagården verlegt werden, da der Saal infolge der Rettungsaktion im Oktober für die Juden Dänemarks anderweitig in Anspruch genommen werden musste. Der Eintritt war frei, wie anfänglich in der Einleitung vermerkt wurde, und die Teilnehmerzahl groß; 1940 fand sie zweimal, am 28. und 30. Dezember, statt. Auch die Programmpunkte waren stets die gleichen. Den feierlichen Beginn bildete die „Anzündung der ‚Lichte‘“, wobei gelegentlich die ausführenden Personen genannt wurde, so 1942, 1943 und 1945 der „Oberkantor Leo Rosenblüth“ sowie die Kinder Jan Bornstein (zehn bzw. 11 Jahre alt; 1946–1947), und 1956 Johnny Lachmann, 10 Jahre alt. 1944 und 1947 waren die anwesenden Männer schon in der Einladung „frdl. gebeten“ worden, „beim Anzünden der Lichte die Kopfbedeckung aufzusetzen“. Danach folgte eine zeremonielle „Ansprache“. Ein Redner oder Prediger wird aber erst 1942 genannt, als „Advokat Pineas“, einem der „Gründer“ der „E-S“, diese Aufgabe anvertraut wird. Er spricht auch 1945 und 1946. 1943 und 1944 hielt sie als erster Profi der orthodoxe „Rabbiner Wolf S. Jacobson (Kopenhagen) “, der aus Dänemark geflohen war; hier wird ausnahmsweise auch das Thema (s)einer Predigt genannt: „Was sagen die Chanukkahlichte dem Emigranten?“, eine damals nur zu berechtigte Frage, wobei aber die Antwort Jacobsons leider nicht bekannt ist. 1947 war dann „Professor Hugo Bergmann“, Philosophie-Professor an der Universität in Israel und in diesem Jahr Gastprofessor an der Hochschule in Stockholm, an der Reihe. Erst danach sprachen dann Rabbiner der MFST 1948–1956, so abwechselnd an geraden Jahren „Oberrabbiner Dr. Kurt Wilhelm“ und an ungeraden „Rabbiner Emil Kronheim“; dieser, soweit nachweisbar, auch 1968 und 1969. In diesem letzten Jahr, als 3.000 aus Polen vertriebene Juden nach Schweden gekommen waren, wurde übrigens in der Einladung besonders vermerkt, ein letztes Beispiel des „Emigranten helfen Emigranten“: „Wir haben dieses Jahr auch eine Anzahl neu angekommener Emigranten zu dieser Veranstaltung eingeladen und hoffen auf besonders zahlreiches Erscheinen unserer Mitglieder, auch mit jüngeren Angehörigen, um Kontakt aufzunehmen“. An die jährlichen Chanukka-Feiern schloss sich regelmäßig ein geselliger Teil mit einem in den Kriegsjahren oft anspruchsvollem künstlerischem Programm an, das in den Jahren danach in leichte Unterhaltung überging, gefolgt von einem tra137 Das jeweilige vollständige Programm der Chanukka-Feiern, wie es in den Mitteilungen und Einladungen abgedruckt wurde, findet sich im Anhang.

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ditionellen „Beisammensein am Teetisch“ – 1969 heißt es erstmalig in Klammern „(es gibt auch Kaffee)“ –, wobei „kleine Chanukka-Geschenke“ verteilt werden. Programmatisch wird das „gesellige Beisammensein“ bereits 1939 mit „ernste (n) und heitere(n) Darbietungen“ umrissen, wobei bis 1944 eindeutig „künstlerische“ überwiegen. 1941 heißt es zwar bescheiden nur „Musikalischer Teil“, aber es wurde ein Konzert nach allen Regeln der Kunst dargeboten. Ausführende war Judiska Musiksällskapet, in der zahllose Emigranten mitwirkten, so u. a. ihr Chor. Hans Holewa spielte einen Satz aus dem Klavierkonzert No. 1 von Friedrich Mendelssohn, der Bass und Oberkantor Leo Rosenblüth sang „Drei Gesänge von Max Kowalski“138 und zum Abschluss wurde das Finale aus dem 1. Akt der Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolai von Amateursolisten wie der schwedischen Jüdin Gerda Marcus, der deutschen Ruth Kasdan und dem deutschschwedischen Kantor Leo Rosenblüth sowie dem „E-S“ Mitglied Martin Rosenthal, Norbert Wohlgemuth und dem Chor gegeben.139 1943 folgten „Künstlerische Darbietungen“, an denen drei prominente Künstler, sämtliche Mitglieder der „E-S“ – Maria Spilga (Gesang), Dr. Hans Eppstein (Klavier), und Hermann Greid (Schauspieler) – teilnahmen, aber leider keine Details des Programms vorliegen.140 1942 fand ein weiteres Konzert statt, das das Ehepaar Glaser bestritt.141 1944 standen erneut „Künstlerische Darbietungen“ auf dem Programm, das zum ersten und letzten Mal eine rein jüdisch-jiddische Ausprägung hatte. Maria Spilga sang jüdische Lieder, deren Titel leider nicht genannt werden.142 Sie wurde am Flügel begleitet von dem Pianisten Leo Demant, während der aus Russland stammende Schauspieler und Geschäftsmann Jury Fränkel alias Juri Tamkin, Mitglied der „E-S“, „Cha-

138 Max Kowalski war polnisch-deutscher jüdischer Jurist, Sänger und Liederkomponist. 139 Gerda Marcus war eine vielseitige Journalistin und literarische Übersetzerin aus dem Deutschen. Sie leitete ab 1938 innerhalb der MFST die Abteilung, die für die Betreuung der deutschsprachigen Flüchtlingskinder zuständig war. Norbert Wohlgemuth war ein deutsch-jüdischer, zionistischer Akademiker (Ethnologe), der 1934 nach Schweden kam, wo er schwer Fuß fassen konnte. Er war u. a. als Privatlehrer und Journalist tätig. Einige Jahre war er Privatsekretär des Oberrabbiners Marcus Ehrenpreis. 1965 kehrte er nach Deutschland zurück und war in Trier als Lehrer tätig. 140 Hermann Greid war nach der Rückkehr 1941 aus Finnland zum evangelischen Christentum übergetreten, nahm aber weiterhin an den Veranstaltungen der „E-S“ teil. 141 Ernst Glaser war 1934 nach Oslo emigriert, wo er als Berufsmusiker, als Violinist und Kapellmeister, Karriere machte. Seine norwegische Frau Kari war ebenfalls als Pianistin Berufsmusiker. 142 Maria Spilga war als Sängerin (Alt) und Musikpädagogin ausgebildet. Sie war in Memel geboren und kam 1937 nach Schweden. Leo Demant war ein jüdisch-lettischer Pianist, der 1933 nach Dänemark gezogen war und sich im Oktober 1943 von dort nach Schweden retten konnte. Er zog 1946 nach Neuseeland. Jascha Golowanjuk war in Odessa geboren. Er kam 1929 aus Dänemark (1919) nach Schweden.

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nukkalichlach“ des in Schweden lebenden, Schwedisch schreibenden Schriftstellers Jascha Golowanjuk las. Ab 1945 verschwanden ernste und ‚schwerere Kost‘ völlig, und das Programm wurde ganz und gar durch ‚leichtere‘ Unterhaltung ersetzt. Dies wurde bereits 1945 eingeleitet, als zu einem „Gesellige(n) Beisammensein am Teetisch mit buntem Programm und Überraschungen“ eingeladen wurde. 1946 traten zwar noch einmal „Kinder der jüdischen Religionsschule“ auf, aber ab 1947 siegte dann endgültig leichte Kost mit einer „Gemütlichen Teestunde“, auf der „Herr Kurt Bolz“143 für „heitere Unterhaltung“ sorgte. 1948 wurden „Volkslieder“ zur Gitarre dargeboten, und 1945 erfreute ein Fräulein „Ingrid Jacob“, über das keine Angaben vorliegen, mit „Chansons“. 1950 trat ein Zauberkünstler auf, und 1951–1953 unternahmen „auf vielfachen Wunsch“ das Emigranten-Duo „Las Guitarras“ zunächst „Eine musikalische Reise durch die ganze Welt“ (1951), der 1952 und 1953 zwei weitere, titellose Programme folgten.144 Noch die letzte vorliegende Einladung von 1969 verspricht unspezifizierte „Musikalische Unterhaltung“, die allem Anschein nach die „gemütlichen Teestunden“ als letzter Programmpunkt der Chanukka-Feiern dominierten. Zu Purim-Feiern wurde 1941–1946, also insgesamt nur sechs Mal, eingeladen, die beiden ersten Male zu einer Purim-Revue, die sogar an einem zweiten Abend wiederholt wurde. Ort aller Feiern war mit einer Ausnahme, der ersten Revue, der Sessionssaal der MFST. Der Eintritt kostete 25 Öre. 1941 ging die erste Purim-Revue noch in den Räumen des Judenhauses im Stadtteil Södermalm über die Bühne. Motto und Programm sind nicht überliefert, während die Mitwirkenden, die Schauspielerin Olga Demetriescu145, der Schauspieler Walter Taub146 und der Pianist Maxim Stempel in diesem Metier Profis waren und des Öfteren bei Veranstaltungen der „E-S“ auftraten; dagegen liegen über Lola Abicht, die ebenfalls mitwirkte, keine Angaben vor.147

143 Kurt Bolz war ein deutscher Jude, der durch die Hilfe der schwedischen Viktoria-Gemeinde im Jahre 1945 mit den „Weissen Bussen“ nach Schweden kam. Andere Angaben liegen nicht vor. 144 Das Duo bestand aus den Emigranten Heinrich Frankl und Heinz Goldstein, Mitglied der „ES“. Beide hatten verschiedenen Fraktionen der Jugendbewegung angehört und 1939 kurz vor Kriegsbeginn nach Schweden entkommen können. Frankl spielte Gitarre und Goldstein Balalaika. 145 Unter dem angeheirateten Namen „Lichtenstein“ Mitglied der „E-S“. 146 Walter Taub stammte aus Brünn in der Tschechoslowakei und war deutschsprachiger Schauspieler und Regisseur am Neuen Deutschen Theater in Prag. 1939 emigrierte er nach Schweden, wo er bis 1953 als Journalist und (Film-)Schauspieler tätig war. 1953 kehrte er in die CSSR zurück, wo er als (Film-)Schauspieler arbeitete und häufig auch in Deutschland am Theater und beim Film mitwirkte. 147 Olga (Ekman-Lichtenstein-)Demetriescu, geborene Mandel, stammte aus Wien. Sie war Sängerin und (Film-) Schauspielerin. Sie war Mitglied der „E-S“.

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Abb. 17: Purim-Revue. März 1942. Programm. (Privat)



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Im folgenden Jahr hatte die Feier im Sessionssaal diesmal den ironischen Titel „Alles schon einmal dagewesen. Darum diesmal etwas Neues“. Der Text stammte von dem österreichischen (Film-)Schauspieler und Regisseur Robert Peiper, die Regie führte Hermann Greid und der musikalische Begleiter am Flügel war Hans Holewa.148 Die Schauspieler dürften dagegen Amateure gewesen sein, die nur mit dem Vornamen vorgestellt werden. Die Namen der Personen der Handlung wie Ahasverus, Haman, Ester, Mordechai aus dem Buch Ester der jüdischen Bibel lassen erkennen, dass das Thema der drohenden, aber in ihren Ausmaßen noch nicht erkannten oder gar bekannten Judenvernichtung paraphrasiert wurde, und die Eintrittsgelder in der sechsstufigen Höhe von 4 Kronen bis 50 Öre, dass es sich mutmaßlich um eine großangelegte Ausstattungsrevue gehandelt hatte. Die vier folgenden Feiern von 1942 bis 1946 hatten dann ein wesentlich kleineres Rahmenprogramm. Es gab kleinere und größere Unterhaltungsprogramme und auf der vorletzten Feier nach den „Einleitenden(n) Worte(n)“ von Moritz Pineas „Lieder und Opernarien“, gesungen von dem „Opernsänger Franz Rabinowitz“, einem dänischen Juden, der 1943 nach Schweden entkommen konnte, begleitet am Flügel von Leo Demant. Den Abschluss bildete dann ein Auftritt von Fritz Berger, vorgestellt als „der bekannte Wiener Chansonier“, der ebenfalls von Leo Demant begleitet wurde.149 Eine letzte Einladung liegt für den 19. März 1946 vor. Die Feier wurde erneut von Moritz Pineas eingeleitet. Danach folgte ein Musikprogramm, an dem der Opernsänger Leo Landi und der österreichische „[Musik]Professor“ Ernst Wasservogel mitwirkten.150 Wie fast alle Veranstaltungen der „E-S“ schloss auch hier die Einladung zur Feier mit dem Hinweis: „Es wird gebeten, einen Teelöffel Tee mitzubringen und sich mit Zucker zu versehen“, die soziale Komponente der Feier betonend. In den folgenden Jahren wird nicht mehr zu einer Purim-Feier eingeladen. Man kann allerdings vermuten, dass die musikalischen Veranstaltungen, „OpernArien Abend“, „Opernarien“ und „Konzert“ jeweils im März der Jahre 1947, 1949 und 1950, als inoffizielle Purim-Feier funktionierten, aber das musss eine Vermutung bleiben.

148 Er stammte aus Wien und gehörte der KPÖ an. Die Stationen seiner Flucht waren die Tschechoslowakei (1934), Dänemark (1937), Norwegen (1938). Er gelangte 1941 nach Schweden. 149 Über Fritz Berger konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. 150 Über Leo Landi und Ernst Wasservogel, Mitglied der „E-S“, konnte nichts Näheres in Erfahrung gebracht werden.

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2.8.3 Theater und Film Die Emigranten-Selbsthilfe selbst verantwortete nur wenige Aufführungen, wies aber in ihren Mitteilungen gelegentlich auf Veranstaltungen anderer Organisatoren, so der Freien Bühne, hin, die ihren Mitgliedern ermäßigte Eintrittskarten anboten.151 Außer der bereits in Kapitel 1 erwähnten ‚Programmerklärung‘ im Februar 1939, als das Lustspiel „Die Juden“ sowie die „Ringparabel“ aus „Nathan dem Weisen“ von Gotthold Ephraim Lessing aufgeführt wurden, sind für die „E-S“ als Veranstalter eigentlich nur die oben erwähnten Purim-Revuen zu nennen. Ausnahme ist am 24. und 25. März 1942 im Rahmen eines „Mozart-Abends“ lediglich die „Tragödie Mozart und Salieri“ von A. Puschkin. Sie wurde durch die Schauspieler Curt Trepte und Peter Winner und den Schweden Cederholm aufgeführt.152 Ihr folgte im Februar 1943 unter dem Titel „‚Flucht zu Gott‘. Drei Szenen aus Leo Tolstois ‚Flucht und Tod‘“ die dramatisierte Fassung einer der „Sternstunden der Menschheit“ von Stefan Zweig. Hinter dieser einmaligen Studio-Aufführung stand aber nicht mehr der Kulturausschuss der Emigranten-Selbsthilfe, sondern das Trio Hermann Greid, Curt Trepte und Peter Winner. Sie dürften sich zwar in erster Linie an die Mitglieder der „E-S“ gewandt haben, aber auch ein schwedisches Publikum mit Deutschkenntnissen war sicherlich willkommen. Die Rezensionen in der schwedischen Presse waren im Allgemeinen positiv, aber es war nirgends zu erkennen, dass deutsch-jüdische Flüchtlinge maßgebend an der Inszenierung mitgewirkt hatten. Dies war sicherlich darauf zurückzuführen, dass dem Ensemble mit Nils Henrik Ahmeen, Hans Lindström, Segol Mann, Lotta Raphael, Gun Robertson und Alfred Tarschis sechs schwedische Schauspieler angehörten.153 Allerdings hatte Curt Trepte Regie geführt und Hermann Greid sowie Peter Winner führende Rollen übernommen; Maxim Stempel begleitete die Vorstellung auf dem Klavier. In den Mitteilungen von September 1943 findet sich dann eine Notiz, die die Gründung einer „neugegründeten deutsch-schwedischen Schauspieltruppe Freie Bühne“ bekannt gab. Ihr gehörten jüdische und nichtjüdische Schauspieler an, und schwedische Schauspielerinnen übernahmen die Frauenrollen. Sie war von 151 Eine vollständige Liste der Aufführungen, die in den „Mitteilungen“ der „E-S“ angezeigt bzw. von ihr veranstaltet wurden, findet sich zusammen mit den Angaben auch zu den Mitwirkenden im Anhang. Teilweise gingen die Erlöse der vom FDKB organisierten Theaterabende an die Emigrantenselbsthilfe. 152 Peter Winner stammte aus Cernovice, heute Rumänien. Er spielte bis 1939 an verschiedenen Bühnen in der Tschechoslowakei und emigrierte aus politischen Gründen nach Schweden. 153 Lotta Raphael-(Linden)–Hallencreutz, war nicht nur eine schwedisch-jüdische Schauspielerin, sondern auch Schriftstellerin und Malerin.

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dem oben genannten Trio gegründet worden und zeigte für den 7. und 8. Oktober an, dass sie das „deutsche Lustspiel ‚Der zerbrochene Krug‘ von Heinrich v. Kleist zur Aufführung bringen“ wird. Gleichzeitig wurde programmatisch „die Aufgabe“ verkündet, die sich das Ensemble gestellt hatte: „Die Pflege der klassischen und modernen deutschen Dramatik in ihren humanistischen Traditionen und fortschrittlichen Tendenzen“, wobei, wie es ausdrücklich heißt, in der „Aufführung des Zerbrochenen Krug (…) die sozialkritische Tendenz des Lustspiels besonders herausgearbeitet“ wurde. Curt Trepte hatte, was in diesem Zusammenhang interessant ist, das Stück bereits 1937 in der Sowjetunion für ein deutschsprachiges Wandertheater in der Ukraine inszeniert. Hermann Greid hatte auch dort den Dorfrichter Adam gespielt. Die Freie Bühne versprach außerdem den „Mitgliedern der ‚E-S‘ an der Abendkasse gegen Vorzeigung der Mitgliedskarte auf allen Plätzen 50 Öre Ermäßigung“. Es dürfte nicht wundern, dass die obige Programmerklärung mit der Betonung von „humanistischen Traditionen und fortschrittlichen Tendenzen“ der deutschen Dramatik sowie die Wahl eines Stücks von Kleist und die „sozialkritische Tendenz“ dieses „Lustspiels“ nicht gerade den Wünschen und Vorstellung eines Großteiles der Mitglieder der „E-S“ entgegengekommen sein dürfte. Sie entsprachen dagegen mehr den Vorstellungen des „Anderen Deutschland“ der vornehmlich linksgerichteten politischen deutschen Emigration, wie sie der gleichzeitig gegründete Freie deutsche Kulturbund (FDKB) vertrat. Er wurde maßgeblich von Kommunisten geleitet. Curt Trepte gehörte zudem als Vertreter der Freien Bühne dem Vorstand des FDKB an. Trepte hatte auch vornehmlich mit einem Publikum von insgesamt 780 Zuschauern aus der deutschsprachigen politischen Emigration kalkuliert, aufgeteilt „in 120 deutsche und 60 österreichische Flüchtlinge“ sowie ferner in 400 „reichsdeutsche“ und 200 österreichische, also insgesamt 600 deutschsprachige, „Wirtschaftsemigranten“ [sic]. Diese Bezeichnung für die von der Shoah bedrohte Juden soll hier nur angeführt, aber nicht weiter diskutiert werden. Sie war mutmaßlich nicht eine Ausnahme für die Sicht eines politischen Flüchtlings, hier eines Kommunisten, auf solche, die ‚nur‘ wegen der Zugehörigkeit zu einer „Rasse“ geflohen waren. Zu ihnen gehörten eben auch die Mitglieder der „E-S“ Sämtliche Aufführungen der Freien Bühne werden dann auch mit der eher distanzierenden Einleitung angekündigt: „Die Freie Bühne bittet um Aufnahme nachstehender Ankündigung“. So auch bei der zweiten Veranstaltung, einem „Arthur Schnitzler-Abend“ am zweiten und dritten Dezember 1943, auf dem die Einakter „Literatur“ und „Der grüne Kakadu“ in der Inszenierung Peter Winners von deutschen, österreichischen und schwedischen Schauspieler und Schauspielerinnen aufgeführt wurden. Der Abend dürfte eher den Erwartungen der Mitglieder

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der „E-S“, nicht zuletzt der österreichischen, entsprochen haben und war auch gut besucht. Als dann die dritte Aufführung der Stockholmer Freien Bühne am fünften und sechsten Oktober 1944 ob des geringen Besuchs in einem finanziellen Desaster endete, war ihr Schicksal als selbständige Truppe schon besiegelt. Gegeben wurde das durch das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 inspirierte „Zeitstück ‚Die andere Seite‘ von Hans Dierk [Hermann Greid]“, der auch die Regie geführt hatte. Im Anschluss daran wurden in einem Briefwechsel die unterschiedlichen Erwartungen der politischen Flüchtlingen und der „Wirtschaftsemigranten“, aber auch der „reichsdeutschen“ und österreichischen Emigranten deutlich, woran die Freie Bühne letztlich gescheitert war. Robert Peiper, österreichischer Jude, Regisseur und Verfasser der Purim-Revue von 1942, schreibt an Hermann Greid, dass „leider viele, sehr viele nicht zu einer Veranstaltung (kommen), wenn die FREIE BÜHNE sie macht. Juden, die erklären, dass es keine deutsche Kultur gibt“. Es sind zwei Sätze, die die tragische Entwicklung erkennen lassen, die seit 1933 eingetreten war und dazu geführt hatte, dass viele deutschsprachige Emigranten nichts mehr mit einem Dichter wie Kleist oder mit deutschen Widerstandskämpfern wie Hermann Greids Protagonistem zu tun haben wollten. In den folgenden Jahren wurde die Freie Bühne, die weiterhin auf den Veranstaltungen des FDKB, aber nicht in eigener Regie auftrat, in den Mitteilungen nur noch zweimal erwähnt. So traten am 28. September 1948 anlässlich des Besuches des Schriftstellers Alfred Neumann154 drei Mitglieder – Robert Peiper, Hans Verder155 und Peter Winner – in Szenen seines Dramas „Der Patriot“ auf. Am 4. November desselben Jahres führten schließlich anlässlich der Feier zum zehnjährigen Bestehens der „E-S“ Robert Peiper und Peter Winner zusammen mit Evy Everth, über die keine Angaben vorliegen, das Lustspiel „Die Episode“ von Arthur Schnitzler auf. Allem Anschein nach entsprachen dagegen die gelegentlichen Filmvorführungen eher dem Interesse der Mitglieder der Emigranten-Selbsthilfe. Wie der „Zehnjahresbericht“ vermeldet, wurde „viel Interesse auch während des Krieges der Vorführung von Filmen entgegengebracht“. Allerdings durften sie aufgrund der schwedischen Zensur während des Krieges nicht öffentlich, sondern nur „in ge154 Alfred Neumann, geboren 1895, lebte in Berlin und war Schriftsteller. 1933 stand er auf der Liste der verbotenen Autoren und emigrierte 1933 nach Italien. Er wanderte weiter über Frankreich (1938) nach den USA/Los Angeles (1941). 1948 kehrte er nach Europa zurück und starb 1952 in der Schweiz. 155 Die Lebensdaten von Hans Verder sind unbekannt. Vor 1936 war er u. a. Regisseur und Schauspieler in Guben und Bautzen. In diesem Jahr emigrierte er mit seiner Frau, Trude Conrad Verder, die Schauspielerinn und Jüdin war, nach Schweden. Sie wanderte weiter nach Großbritannien.

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schlossenen Kreisen gezeigt werden“. Erinnert wird hier weiter „an die mehrfachen Vorführungen [von] Chaplins ‚Diktator‘“, der in schwedischen Kinos erst nach Kriegsende vorgeführt werden konnte. Dieser Film wurde 1943 in der Septembernummer der Mitteilungen mit dem amerikanischen Titel „The great dictator“ und dem Hinweis auf Regisseur und Hauptdarsteller Charlie Chaplin für den 26. September angekündigt. Diese schwarze Komödie von 1940 und einzigartige Satire auf Adolf Hitler war der erste Film, der, wie es hieß, „durch das Entgegenkommen der ‚American Free Press‘“ (AFP)gezeigt werden konnte. Er dürfte wohl bei allen Mitgliedern der „E-S“ große Zustimmung gefunden haben. Dabei lässt dieser Hinweis auch erkennen, dass zu diesem Zeitpunkt zunächst zumindest eine der späteren Siegermächte der „E-S“ seine Aufmerksamkeit schenkte. Die AFP hatte zudem versprochen, den „Mitgliedern in der nächsten Zeit interessante Filme vorführen zu lassen“. Der Film sollte an diesem Tag in „zwei sicheren Vorstellungen“ gezeigt werden, zwei weitere konnten „bei Bedarf am selben Tag“ folgen. Danach folgten in den Mitteilungen genaue Vorschriften, die beachtet werden mussten, wenn man Eintrittskarten, die nicht übertragbar waren, kaufen wollte. Sie wurden nur an „Mitglieder der ‚E-S‘“ verkauft. Sie würden bei der Lösung einer Eintrittskarte auch eine Mitgliedskarte erhalten, die in Zukunft bei anderen Vorstellungen vorzuzeigen war, wobei „ lt. behördlicher Vorschrift jedes einzelne Familienmitglied eine Mitgliedskarte erhalten (muss)“. Sie müsste immer vorgezeigt werden, denn eine Eintrittskarte allein genüge nicht. Von großem Interesse wäre zu erfahren, wie die Besucher des nächsten Films auf diesen reagierten und wie viele Vorstellungen benötigt wurden. Er war erneut von AFP, wie es in den Mitteilungen von Oktober hieß, „für unsere Mitglieder (…) zur Verfügung gestellt“ worden. Zwei Vorstellungen waren vorgesehen, drei weitere konnten „bei Bedarf“ am Tag danach stattfinden. Ferner wurde erneut dringlich auf die Bestimmungen beim Kauf der Eintrittskarten hingewiesen. Bei diesem Film handelte sich um „Edge of Darkness“ [Aufstand in Trollness] in der Regie von Lewis Milstone und mit Errol Flynn sowie Ann Sheridan in den Hauptrollen. Der zu diesem Zeitpunkt gerade erst in den USA fertig gedrehte Film schildert melodramatisch den bewaffneten und erfolgreichen Kampf der Einwohner eines norwegischen Fischerdorfes gegen die deutsche Besatzer, die sämtlich getötet werden. Ihr Anführer ist Gunnar Brogge, gespielt von Errol Flynn, dem Führer der Fischergenossenschaft. Seine Braut Karen, gespielt von Ann Sheridan, einem weiteren Filmstar dieser Zeit, gab mit der Erschießung eines deutschen Soldaten das Zeichen zum Aufstand.156 156 Der Film wurde 1973 in der Bundesrepublik gezeigt.

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Der nächste Film war dann am 21.November 1943 ein russischer Film, „Min Barndom“ [Meine Kindheit], vorgestellt als „ein Film nach der Autobiographie Maxim Gorkis ‚Meine Kindheit‘“. Er wird mit schwedischen Untertiteln gezeigt, die zu diesem Zeitpunkt für fast alle Emigranten verständlich gewesen sein sollten. Zwei Vorführungen sind vorgesehen, eine dritte ist „falls erforderlich“ möglich. Über Regisseur und Darsteller wird nichts ausgesagt, ebenso wenig über den Veranstalter.157 Zwar wird beim Kauf einer Eintrittskarte erneut die Mitgliedskarte „zwecks Abstempelung“ verlangt, aber ansonsten fehlen weitere Anweisungen. Als Dritter im Siegerbunde stellte danach die englische Seite der „E-S“ zwei Filme zur Verfügung. Auch sie handelten vom Widerstand gegen und von Erfolgen über das Deutsche Reich, über die Wehrmacht und über die Gestapo, handelten von Spionage und Konzentrationslager, von Niedertracht und Heldentum. Sie suchten mit psychologischen Mitteln den Willen zum Überleben zu stärken und Hoffnung auf einen möglichen Sieg über die Deutschen zu verbreiten. Auch hier stellt sich erneut die Frage, wie das Publikum, das ja aus Deutschland stammte, wohl auf die Filme reagierte, ob mit uneingeschränkter Zustimmung und (Schaden-) Freude oder nur Nachdenklichkeit, mit dem Gefühl eines „mea res agitur“ auf der Siegerseite oder dem Schwanken zwischen einem jüdischen und einem deutschen Sein oder dem Gefühl eines Grenzgängers zwischen den beiden Existenzformen. Gezeigt wurde am 20. Februar 1944 „Pimpernell Smith“ mit Leslie Howard in der Regie und Hauptrolle sowie am 21. Mai „Silverfleet“, hier hatte Ralph Richardson die Hauptrolle inne. Allerdings war hier ausdrücklich „nur eine Vorstellung“ vermerkt. Noch in den Mitteilungen von August 1944 wurde verkündet: „Von Oktober d. J. ab beabsichtigen wir, allmonatlich Filmabende zu veranstalten. Eintrittspreise für unsere Mitglieder nur 90 Öre“. Aber es finden sich nur zwei Hinweise auf solche Veranstaltungen, so am 15. Oktober auf einen italienischen Film zu Wolfgang Amadeus Mozart, zu dem es wie gewohnt „Eintrittskarten nur im Vorverkauf gegen Vorzeigung der Mitgliedskarte zwecks Abstempelung“ gab. Der nächste Film zeigte ein Kontrastprogramm am 22. Oktober. Es wurde bereits in den Mitteilungen von September 1944 angekündigt:

157 Vermutlich wurde er von der Botschaft der Sowjetunion als weiterer Siegermacht zur Verfügung gestellt. Auf wessen Veranlassung dies geschah, muss unbekannt bleiben. Möglich ist eine Verbindung zu Wolfgang Steinitz.

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Auf Wunsch von Mitgliedern zeigen wir einige russische dokumentarische Filme über die letzten Ereignisse. Erster Film 22. Oktober: „Der Charkower Prozess“. Eintritt zu 90 Öre nur für unsere Mitglieder gegen Vorzeigung der Mitgliedskarte zwecks Abstemplung.158

Diese Vorstellung wird dann in den Mitteilungen von Oktober 1944 mit der schlichten Notiz angekündigt: „‚Der Charkower Prozess‘. Ein dokumentarischer Film“. Ein zweiter oder gar dritter Film über den Prozess wird wohl nicht gezeigt worden sein und über die Reaktionen eines Publikums ist nichts bekannt. Und trotz der Ankündigung von August 1944 „allmonatlich Filmabende zu veranstalten“, finden sich dann in den folgenden Mitteilungen keine Hinweise auf solche Abende. Die Rolle der „E-S“ als Filmveranstalter scheint aus welchen Gründen auch immer zu Ende zu sein. Lediglich zwei Notizen in den Mitteilungen von April zeigen zwei Filme anderer Veranstalter an. Für den 19. April 1946 wird die Premiere des „seit langem erwartete Palästina-Films ‚Där är vi hemma‘ (engl. Titel: The Great Promise)“ angezeigt, der „mit schwedischem Text versehen“ ist und zweitens auf eine weitere Premiere Ende April hingewiesen, die des schwedischen Spielfilms „EN SVENSK TIGER“. Es ist ein doppeldeutiger Titel, der ins Deutsche mit „Ein schwedischer Tiger“ bzw. „Ein Schwede schweigt“ übersetzt werden kann, die offizielle Entsprechung zur deutschen Parole während des zweiten Weltkriegs „Der Feind hört mit“. Der Grund für diesen Hinweis wird mitgeliefert: „An ihm wirken die uns bekannten Schauspieler Werner Arpe,159 Robert Peiper, Hans Verder und Peter Winner mit“, ausnahmslos Angehörige der Freien Bühne.

2.8.4 Konzerte, Musikabende, Opernarienabende und … Musik in jeglicher Veranstaltungsform, in Form von „Konzerten“, „Kammermusik“-, „Musik“- und „Opernarienabenden“, Abenden, die Komponisten wie Beethoven, Mozart und Verdi gewidmet waren, Musik als überaus wichtiger, Ausschlag gebender Einschlag bei „Geselligen“ und „Bunten Abenden“, bei einem „Musikund Rezitationsabend“, ein Publikum lockend zu einer „Generalversammlung“, 158 Diese Prozesse werden bei Wikipedia unter dem Stichwort „Der Charkower Prozess“ wie folgt vorgestellt: „Der Kriegsverbrecherprozess von Charkow fand vom 15. bis 18. Dezember 1943 in der ukrainischen Stadt Charkow (…) gegen drei deutsche Militärangehörige und einen ukrainischen Kollaborateur statt. Es war der erste öffentliche Kriegsverbrecherprozess des Zweiten Weltkrieges gegen deutsche Soldaten“. Mutmasslich wurde der Film von der sowjetischen Botschaft zur Verfügung gestellt. Wer die „Mitglieder“ der „E-S“ waren, lässt sich nicht eruieren. 159 Werner Arpe wanderte 1937 nach Schweden aus, wo er u. a. als (Film-)Schauspieler, Dramaturg, Verlagslektor, Übersetzer und (Theater-) Sachbuchautor tätig war.

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bei „Vorträgen“ … Musik, aber fast durchgehend ernste, „klassische“ Musik in allen Formen war ein sehr bedeutender Bestandteil der Kulturarbeit der „E-S“.160 Insgesamt fanden 1939–1955 34 Veranstaltungen, ein bis drei pro Jahr, statt, in denen die Musik dem Programm nach zu urteilen die tragende Rolle spielte. Der Sessionssaal der MFST war fast ausnahmslos der ‚Ort der Handlung‘, nur zweimal wich die „E-S“ auf zwei andere, große Lokale aus, am 22. Januar 1940, bei einem „Konzert für zwei Flügel“, auf den repräsentativen Victoriasaal der Absolutisten-Organisation Godtemplarorden, ein beliebtes Lokal, das mit ca. 350 Plätzen wohl auch platzmässig ausgereicht haben dürfte, und am 13. November 1943 anlässlich der bereits erwähnten „Wohltätigkeitsveranstaltung zum Besten der Flüchtlinge aus Dänemark“, eines „Heine-Abends“, auf die Aula einer Schule. Der Eintrittspreis war fast immer niedrig und damit erschwinglich. Er betrug lediglich 25 oder 30 Öre, gelegentlich eine Krone für Nichtmitglieder. Einige Male, so im Viktoriasaal am 22. Januar und am 24/25. März zu einem Mozart-Abend im Sessionssaal, wurden höhere Preise verlangt, je nach Platz abgestuft zwischen 2.20 Kronen und 50 Öre bzw. schrittweise zwischen 5.00 Kronen über 3.50 und 2.00 Kronen zu 50 Öre. Die Dirigenten, Musiker und Musikerinnen bzw. Sänger und Sängerinnen, die an den musikalischen Veranstaltungen mitwirkten, waren im Allgemeinen aus dem deutschen Reich oder aus Österreich entkommene, gestandene Mitglieder der „E-S“ und im Allgemeinen keine Amateure, sondern Berufskünstler und -künstlerinnen bzw. noch in der Ausbildung befindlich, als sie nach Schweden kamen. Hier machten sie fast ausnahmslos Karriere. Nur gelegentlich tauchten vor Kriegsende Namen aus dem Gastland auf. Danach nahm die Zahl der Ausführenden aus den Kreisen der deutschsprachigen Emigration ab. Andere, bis heute weitgehend unbekannte Künstlerinnen und Künstler wirkten mit, wobei fast nie zu erkennen ist, ob sie ‚nur‘ Künstler und Künstlerinnen waren und woher sie stammten. Nur bei einigen kann angenommen werden, dass sie Schweden, Finnland oder dem Baltikum kamen. Unter den Emigranten, die häufig in Erscheinung traten, sind beispielsweise der aus Österreich stammende Komponist, Dirigent und Pianist Hans Holewa, die Pianisten Alfred Klein und Ernst Wasservogel zu nennen sowie die junge Pianistin Hertha Fischer, Mitglied der „E.-S“, lediglich der Pianist Hans Eppstein, ebenfalls Mitglied der „E-S“, kam aus dem Deutschen Reich. Der Amateur Alfred Rimberg, ein Tenor, hatte 1937 aus Hamburg entkommen können, während der Bass und Oberkantor der MFST Leo Rosenblüth aus Deutschland stammte und bereits vor 160 Eine vollständige Übersicht über die Veranstaltungen findet sich im Anhang. Je drei Veranstaltungen fanden 1943, 1945, 1947, 1949 und auch 1950 – 1952 statt, je zwei 1940, 1941, 1942, 1954 und nur eine 1944, 1948, 1953, 1955.

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1933 in der MFST angestellt worden war. Ein weiterer Bass, Johannes Norrby war gebürtiger Schwede. Von den vier Sängerinnen, die hier genannt werden sollen, war Trude Magnus die einzige Schwedin. Olga Ekman-(Lichtenstein)-Demetriescu, Sopran, stammte aus Österreich wie auch der Alt Maria Ribbing, die in Schweden eine sehr erfolgreiche Karriere als Konzertsängerin machen sollte, und Maria Spilga, Alt aus Memel, die ebenfalls in den dreißiger Jahren aus Deutschland kam.161 Der Musikwissenschaftler und Musiklehrer Maxim Stempel führte mehrmals in das Programm ein, Schauspieler wie Walter Taub und Hermann Greid rezitierten oder plauderten bei Veranstaltungen und waren wie Peter Winner allesamt Emigranten. Der Not gehorchend und aus verständlichen Gründen konnten Musikveranstaltungen mit einer größeren Besetzung oder gar mit einem Chor nicht durchgeführt werden.162 Ein bis drei Sänger und Sängerinnen sowie ein bis drei Instrumentalisten, vornehmlich Pianisten zur Begleitung oder mit eigenen Abenden, mussten für ein abendfüllendes Programm ausreichen, man musste sich nach der Decke strecken. Typisch dafür sind die Programme der ersten drei Jahre. Während der erste Abend am 17. und 18. April 1939 mit vier Sängerinnen und einem Sänger, zwei Pianisten und zwei Pianistinnen sowie einem Violinisten und einem Bratschisten, davon neun Künstler und neun Künstlerinnen aus den Kreisen der deutschsprachigen Emigration und nur zwei aus dem Gastland 350 Hörerinnen und Hören noch ein volles Programm boten, gab es 1940 am 22. Januar in einem repräsentativen Saal gegen hohe Eintrittspreise ein „Konzert auf zwei Flügeln“ mit Werken von Brahms, Chopin, Debussy und Strawinsky. Für den 7. November war dann gegen Ende des Jahres ein „Musikabend“ mit einer Sängerin und einem Pianisten vorgesehen. Besonders angekündigt werden hier für den anschließenden „Teetisch“ dann noch zwei Vorträge, ohne dass hier die Themen genannt. Am 15. Februar 1941 folgte dann ein „Musik- und Rezitationsabend“ mit einem opulenten Programm. Dr. Hans Eppstein als Pianist und Dr. Felix Printz163 – die Doktortitel sind und bleiben wichtig – spielen Beethoven, Brahms und Veracini, der Schauspieler Walter Taub rezitiert Jaroslav Hasek und Heinrich Heine sowie Christian Morgenstern.

161 Über Margot Stahl, die als Opernsängerin angekündigt wurde und Gesangstunden gab, ist nichts bekannt. 162 Der Chor, der laut den Mitteilungen von Mai 1939 zu diesem Zeitpunkt regelmäßige Übungsstunden unter Leitung von Hans Holewa abhielt, trat nicht an die Öffentlichkeit, sondern dürfte im Chor von Judiska Musiksällskapet aufgegangen sein. 163 Felix Printz war Violinist und Musiklehrer in München. Er emigrierte mit Hilfe der Quäker 1939 nach Schweden, wo er 1967 starb.

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Abb. 18: Mozart-Abend. 24/25. Februar 1942. Programm. (Privat)



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Es sind Programmarten, die in der Folgezeit dominierten und die nicht einzeln genannt werden sollen. Hervorzuheben sind allerdings im Folgenden einige Veranstaltungen, so zwei der drei Programme, die nur Mozart gewidmet waren. Am 24. und 25. März 1942 wurde, ein Höhepunkt aller Kulturveranstaltungen, im Sessionssaal der MFST ein „Mozart-Abend“ gegeben. Er begann mit einer „Einführung“ in Leben und Werk durch Maxim Stempel, gefolgt von einer Aufführung der Tragödie „Mozart und Salieri“ von A. Puschkin mit den Schauspielern Curt Trepte und Peter Winner, die später die Freie Bühne mitgründen sollten, und dem Schweden Cederholm in einer Nebenrolle. Am musikalischen Programm wirkten fünf Sängerinnen und Sänger sowie zwei Pianisten aus den Reihen der Emigration mit, zudem der schwedisch-jüdische Violinist Josef Grünfarb, der eine große Karriere vor sich hatte haben sollte, Amateure und Professionelle. Die Preise der Eintrittskarten von fünf Kronen in den Reihen 1 und 2 bis zu 50 Öre in den Reihen 7 bis 17 lassen erkennen, dass die „E-S“ auch ein schwedisches Publikum erwartete. Am 17. Mai im Jahre darauf, 1943, verbindet man im angekündigten „Musikabend“ mit einem Gesangssolisten und einer -solistin und zwei Pianisten das Angenehme mit dem Nützlichen. Es heißt in der Einladung zu der Veranstaltung „Während der Teetafel wird der Tätigkeitsbericht für 1942 gegeben“. Wieder einmal ist zu erkennen, dass diese Abende mit folgender Teetafel auch eine soziale Aufgabe wahrnahmen: Der Vereinsamung Widerstand zu leisten und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Ein Jahr später fand am 13. November ein „Heine-Abend“ statt, eine „Wohltätigkeitsveranstaltung zum Besten der Flüchtlinge aus Dänemark“. Nach „einführenden Worten“ des preußischen Beamten, Verlaglektors und literarischen Übersetzers Walter Lindenthal164 sangen der schwedische Bass Johannes Norby und die Sängerin Iwa Voghera, über die keine Angaben zu eruieren war, begleitet von Hans Holewa am Flügel Gedichte Heines in der Vertonung von „J. Brahms, R. Franz, F. Mendelson [sic], F. Schubert, R. Schumann“. Dieser „Wohltätigkeitsveranstaltung“ folgte dann am 1. April 1944 ein zweiter „Mozartabend“. Nach dem Vortrag des Arztes „Dr. Alfred Peyser“ über „Das Märchen von der Weltfreimaurerei und vom „Weltjudentum“ waren ein Sänger, eine Sängerin und ein Pianist für den musikalischen Teil verantwortlich. Sehr bemerkenswert sind dann ein erster „Künstlerische Abend“ am 27. Januar 1945 und ein zweiter nach Kriegsende im gleichen Jahr am 28. September, deren Programme von den herkömmlichen abweichen. Es beginnt am 27. Januar mit Barockmusik von J. S. Bach, G. F. Händel, Chr. W. Gluck. Danach werden Gedichte von H. Heine rezitiert, gefolgt von „Negro Spirit“, die von Maxim Stempel einge164 Walter Lindenthal lebte als Beamter in Berlin und emigrierte 1939 nach Stockholm, wo er als Übersetzer und Verlagslektor tätig war. Er war Mitglied der „E-S“.

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führt werden. Er ist an diesem Abend auch der einzige Pianist, der die Sängerin Olga Demetriescu begleitet. Leider geht aus der Ankündigung nicht hervor, welche für das Publikum zu diesem Zeitpunkt sicherlich exotische Songs und Spirituals vorgetragen werden. Diese Art von Musik wird in der Folgezeit auch nicht wieder zum Vortrag kommen. Rezitator ist ein Maxim Swartlin[g?], über den nichts in Erfahrung zu bringen war.

Abb. 19: Einladung. September 1945. (Privat)

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Der zweite „Künstlerische Abend“ findet nach Kriegsende nur wenige Monate später am 26. September 1945 statt. Ein Pianist und ein Violinist spielen Kompositionen des jüdisch-litauischen Komponisten J. Achron, des französischen E. Lalo, des russischen P. I. Tschaikowski und des polnischen H. Wienawski, also keines deutschen oder österreichischen. Ihre Werke umrahmen unter dem Titel „Jüdisches Schicksal“ die Rezitationen der ersten Gedichte von Nelly Sachs, die hier erstmalig in der schwedisch-jüdischen Öffentlichkeit vorgestellt werden.165 Rezitator war Hermann Greid. Sie dürften aus den Sammlungen „In den Wohnungen des Todes“ und „Sternverdunkelung“ stammen, die die Shoa zum Thema haben, 1947 im Aufbau-Verlag, Berlin und 1949 bei Bermann-Fischer/Querido, Amsterdam erschienen und damals nahezu unbeachtet blieben. Aus den Nachkriegsjahren sollen hier nur noch zwei Programme erwähnt werden. Am 17. März 1949 ein „Opern-Abend und Ensembles“ und am 10. November des gleichen Jahres „Opernarien und Ensembles“. Unter Leitung von Hans Holewa sangen an beiden Abenden die zwei Sängerinnen Sáry-Dománi-Bergestam166 und Margot Stahl sowie der Bass Leo Rosenblüth ein sicherlich dem Geschmack des Publikums gefälliges Potpourri von Arien, Duetten und Terzetten der Komponisten G. Bizet, F. Flotow, A. Lortzing, O. Nicolai, J. Offenbach und G. Verdi bzw. D. Auber, F. Flotow, Ch. Gounod, Ch. W. Gluck, W. A. Mozart, J. Offenbach, G. Puccini, C. Saint-Saens, J. Strauss und G. Verdi. Ohne die einzelnen Programme der Konzerte näher analysieren zu wollen oder gar zu können, lassen sich ein paar allgemeine Bemerkungen zum Musikgeschmack des Publikums aus den Kreisen der „E-S“ machen, wenn man einmal zusammenstellt, welche Komponisten, mit einer Ausnahme alles Männer, eine Rolle spielten. Sie stammten bis auf wenige Ausnahmen aus dem deutschsprachigen Raum, gehörten zum Repertoire des damaligen bürgerlichen Konzertbetriebs, repräsentierten keine „Neue Musik“ und bevorzugten keineswegs „jüdische Musik“. Auch Musik des Gastlandes spielt keine nennenswerte Rolle. Lieder- und Opernkomponisten haben wenig erstaunlich eine großen Stellenwert, denn Flügel und Piano sind nahezu die einzigen Instrumente, die zur Verfügung stehen, zum Gesang als bevorzugter Kunstform passen und auch eigene Programme verantworten können. An der Spitze stand W. A. Mozart, der an elf Konzertabenden gespielt wird, von denen drei ausschließlich seinem Werk gewidmet werden. Der Liederkomponist F. Schubert folgt mit zehn Abenden an zweiter Stelle, gefolgt mit je neun von J. Brahms, dem Klavier- und Liederkomponist, und dem Arien-Lieferant G. Verdi. 165 Nelly Sachs, emigrierte 1941 mit ihrer Mutter nach Schweden. Sie war als Übersetzerin und Schriftstellerin tätig. 1966 erhielt sie den Nobelpreis. 166 Über diese Sängerin, möglicherweise handelte es sich um eine Ungarin, ist nichts bekannt.

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Danach kommen nach größerem Abstand mit je fünf J. S. Bach und Cl. Debussy und mit vier L. van Beethoven, F. Mendelssohn, der erste jüdische Komponist, und R. Schumann. Dreimal sind G. Bizet, F. Chopin, G. F. Händel, J. Offenbach und C. Saint-Saens vertreten und zweimal J. Achron, A. Corelli, E. Grieg, L. Gröndahl, J. Haydn, H. Holewa, G. Nordqvist, A. Nicolai, R. Strauss und H. Wienawski. Hier tauchen auch erstmals mit Agathe Backer-Gröndahl eine norwegische Komponistin und mit G. Nordqvist ein schwedischer Komponist auf und mit Hans Holewa, wohl dem Spiritus Rektor der gesamten musikalischen Veranstaltungen, ein erster und einziger Repräsentant moderner Musik des 20. Jahrhunderts. Unter den Komponisten, die nur einmal genannt werden, findet sich erstaunlicherweise G. Mahler, den man als jüdischen und österreichischen wesentlich früher erwartet hätte, wie der Operettenkomponist F. Lehar, die Opernkomponisten R. Leoncavallo, O. Respighi, B. Smetana, C. M. Weber und als einzigen moderner Komponist I. Strawinsky. Dagegen fehlt wenig erstaunlich R. Wagner, und möglicherweise ist aus demselben Grund auch R. Strauss nur einmal vertreten, kann aber auch sein, dass er als allzu modern galt.167

2.8.5 Vorträge Die Vorträge waren vor allem in den Jahren von 1939 bis 1949 ein überaus wichtiger Teil der kulturellen Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe, wie allein schon Zahlen erkennen lassen. Insgesamt wurden bis 1950 72 Vorträge in ihrer Regie durchgeführt und zusätzlich auf Vorträge anderer Organisationen hingewiesen, die der „E-S“ nahestanden. Diese Zahl ist aber erst dann aussagefähig ist, wenn man sie auf einzelne Perioden aufteilt. 1939 wurde ein absoluter Rekord mit elf Vorträgen aufgestellt, und 1940–1949 fanden 52 Vorträge statt, durchschnittlich knapp fünf Vorträge jährlich, statt, wobei durch Hinweise auf andere Vorträge die Zahlen noch kräftig anwachsen. Nach 1950 sind dagegen nur noch insgesamt neun zu verzeichnen, einige da-

167 Folgende Komponisten sind nur einmal vertreten: Al. Alabieff – A. Backer-Gröndahl – M. Bruch – E. Dohnany – A. Dvorak – J. Erikssen – R. Franz – Chr. W. Gluck – A. Järnfelt – A. Kinkulin – E. Lalo – L. Leo – R. Leoncavallo – F. Lehar – O. Merikanto – G. Pergolesi – I. Pizetti – J. Sibelius – Ch. Sinding – B. Smetana – W. Stenhammar – J. Strauss – N. Otteryd – O. Respighi – I. Strawinsky – A. Veracini – C. M. Weber – H. Wolf. Durch Unterstreichungen sind einige wenige nordische Komponisten hervorgehoben, deutschsprachige durch Kursivierungen. Die wenigen jüdischen Komponisten sind: J. F. Halevy – F. Kreisler – G. Mahler – B. Marcello – M. Moszkowski – M. Stempel

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von als Lockmittel zu gleichzeitig stattfindenden Generalversammlungen.168 Zudem wurde nach ihnen fast immer zu einer Teetafel oder einer Teestunde eingeladen, was den sozialen Neben- oder vielleicht auch für manchen Besucher Hauptzweck der Vorträge unterstreicht. Weitaus die meisten der Personen, die die Vorträgen hielten, stammten aus dem Kreis der „E-S“ oder ihnen nahestehender Organisationen, und unter den Themen dominierten weitgehend solche mit direktem oder gelegentlich auch indirektem Bezug zum Judentum. Die Vorträge wurden fast ausnahmslos auf Deutsch gehalten, lediglich drei auf Schwedisch. So spricht, wie bereits hervorgehoben, Marcus Ehrenpreis, der Oberrabbiner der Mosaischen Gemeinde in Stockholm, auf der ersten großen, quasi der offiziellen Gründungs-Veranstaltung der Emigranten-Selbsthilfe noch vor Kriegsanfang am 31. Januar 1939 programmatisch über „Die Judenaustreibung aus Spanien 1492“. Ihm folgen noch im gleichen Jahr Vorträge zu aktuellen Themen wie am 26. März über „Wissenschaft und Rassenlehre. (Mit Lichtbildern)“ durch den Anthropologen Dr. Paul Leser, und am 13. Mai „Jüdische Familienforschung“ durch den Genealogen Rudolf Simonis. Jüdische Persönlichkeiten werden ebenfalls in diesem Jahr gewürdigt. Am 1. April handelt der Vortrag des schwedischen Professors für Theoretische Physik Oskar Klein von „Albert Einstein“, und am 12. Dezember spricht der Musikwissenschaftler und Pianist Dr. Hans Eppstein unter dem Titel „Jüdische Musiker“ über die Werke von Mendelssohn und Mahler.169 Der Dichter Heinrich Heine wird bereits am 11. Januar gewürdigt, als der Redakteur Landsberg auf einer Veranstaltung des Arbeitskreises deutscher Flüchtlinge mit „Ich bin ein deutscher Dichter“ eine „Heineskizze“ zeichnet, wobei durch den Titel wohl gezeigt werden sollte, dass Judentum und Deutschtum sich nicht ausschließen, wie von nazistischer Seite damals postuliert wurde. Außerdem ist am 16. März von einem anderen, später weltberühmten Verfasser die Rede, als „Dr. Schöps“ [sic.], der Religionswissenschaftler und nationale Jude Hans-Joachim Schoeps170, anlässlich der Aufführung des Sprechchors aus Stephan [sic] Zweigs „Jeremias“, mit einem Vortrag über „Franz Kafka – ein jüdischer Dichter heutiger Zeit“ eine Diskussion einleitet. Dieser Verfasser dürfte auch den meisten deutschsprachigen Anwesenden unbekannt 168 Ein vollständiges Verzeichnis der Vorträge einschließlich derjenigen, die zusammen mit anderen Organisationen bzw. von diesen allein veranstaltet wurden, findet sich im Anhang. 169 Es gibt zu denken, dass Gustav Mahler in den folgenden Jahren bei allen musikalischen Veranstaltungen nur ein einziges Mal berücksichtigt wird und auch Felix Mendelssohn keine herausragende Rolle gegenüber den ‚arischen‘ Komponisten spielt. 170 Hans-Joachim Schoeps emigrierte 1938 nach Schweden, wo er in Uppsala von Unterstützung und einigen Stipendien lebte und forschte. 1946 kehrte er nach Deutschland (Marburg) zurück und wurde Professor für Religions- und Geistesgeschichte an der Universität Erlangen.

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gewesen sein und wurde wohl erstmalig überhaupt in Schweden öffentlich behandelt. Im Anschluss an den Lessing-Abend sprach dann am 1. Juni Ari Wohlgemuth, ein deutsch-jüdischer Emigrant, der 1933 nach Lettland emigriert und zu der Zeit Studienrat am Realgymnasium in Riga war, über „Uriel Acosta und das Toleranzproblem im Judentum“, einen jüdischen Religionskritiker und Freidenker portugiesischer Herkunft, der in den Niederlanden im 17. Jahrhundert nach einer rituellen Bestrafung in der Amsterdamer Gemeinde seinen Tod fand.171 Andere Vorträge im gleichen Jahr behandelten Philosophen und Denker, die der Nationalsozialismus einseitig für sich beanspruchte, eine Vereinnahmung, gegen die die Redner quasi protestierten. So sprachen Ernst Cassirer, PhilosophieProfessor an der Universität Hamburg, der 1937 nach einem Ruf der Hochschule in Göteborg dort eine Professur angetreten hatte, am 25. Februar über „Kant und Rousseau“ und der Rabbiner Dr. Emil Kronheim am 21. Oktober über „Friedrich Nietzsche über Juden und Judentum“.172 Alle diese 11 Vorträge und Veranstaltungen in nur einem Jahr scheinen zusammen mit dem Lessing- und Zweig-Abend im März noch eine deutsche, aber auch eine jüdische Identität der deutsch-jüdischen Emigranten und sicherlich auch der österreichischen, die vermutlich alle noch unter Schock standen, beschwören und gleichzeitig ihr Selbstbewusstsein stärken zu wollen. Sie sollen sich ihrer Wurzeln bewusst bleiben, eine Rückkehr wird noch nicht ausgeschlossen, der Verbleib in Schweden nicht diskutiert und die Alijah nach Palästina ist trotz des zionistischen Hintergrunds der meisten Unterzeichner des Aufrufs zur Gründung im November 1938 noch nicht der Erwähnung wert. Nur ein einziges Mal war in dieser Zeit ein Thema aktuell, das nicht direkt einen jüdischen Bezug hatte, wohl aber die deutsche Emigration thematisierte. Am 29. April sprach Professor Walter A. Berendsohn über das Brüderpaar „Thomas und Heinrich Mann“, eine Konstellation, die damals in der Emigration virulent war und bis in die Nachkriegszeit virulent bleiben sollte. Das Schicksal der deutsch-jüdischen Emigration wie das der österreichisch-jüdischen sollte in den folgenden Jahren weiterhin dominieren, wenn auch die jüdisch besetzte Thematik im Lauf der Zeit sich den Zeitläuften entsprechend ändern sollte.

171 Er wurde 1939 nach der Okkupation des Landes durch die Sowjetunion mit seiner Familie in Kasachstan interniert, kehrte 1952 zurück, zog nach Zürich und starb 1952. 172 An einem nicht benannten Datum gab Dr. Richard Mautner, Mitglied der „E-S“, einen „geschichtlich-kulturellen Überblick“ über die „Juden in Italien“, erstmalig ein ‚Blick nach Außen‘, der aber, wie sich zeigen sollte, nicht der einzige blieb.

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Übergreifende jüdische Themen tauchen mehrmals zu verschiedenen, aber jeweils aktuellen Zeitpunkten auf. So vermittelt Ende des Jahres am 12. Dezember 1942 „Dr. Hugo Vallentin“ [sic; Valentin], einer der führenden (Kultur-)Zionisten Schwedens und ein Freund der deutschsprachigen Emigration, einen Überblick über „Die großen Katastrophen in der jüdischen Geschichte“. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die größte Katastrophe, die Shoah, stattfand, die er selbst als erster in Schweden im Oktober des Jahres in der schwedischen Zeitung Göteborgs Sjöfarts- och Handelstidning“ geschildert hatte. Er spricht ferner am 17. Oktober 1945 über die „Probleme der jüdischen Wanderung“, während am 16. Januar 1947 der deutsch-schwedische Zionist und führende Geschäftsmann Direktor Hans Lehmann über das „Judentum in Ost und West“ referiert.173 Das Judentum selbst und seine Traditionen spielen dagegen in all den Vorträgen kaum eine Rolle. Sie tauchen unter den gesamten Vorträgen explizit insgesamt nur dreimal auf. So wenn Ari Wohlgemut bereits 1939 über Uriel Acosta spricht, Dr. Hans-Joachim Schoeps“ am 15. Februar 1944 das Thema „Vom göttlichen Auftrag und geschichtlichen Schicksal des Volkes Israel“, und Hugo Bergmann, Philosophie-Professor an der Hebräischen Universität und zu diesem Zeitpunkt Gastprofessor an der Hochschule Stockholm, am 11. März 1948, „Israels religiöse Aufgabe in dieser Stunde“, behandeln.174 Dabei ist erstmals die Rede von Israel als Staat. Jüdische Eigenarten kommen all die Jahre ebenfalls nur in drei Vorträgen zur Sprache. Am 9. Dezember 1941 spricht der „Genealog“, [sic; ein schwedischer ‚false friend‘] Rudolf Simonis, Mitglied der „E-S“ über „Jüdische Mütter. Markante Frauengestalten. Kulturbilder aus drei Jahrhunderten“, im Februar 1948 „Sanitätsrat Dr. Alfred Peyser“ über „Naturwissenschaftliche Betrachtungen über jüdische Eigenart“, ein auch aus heutiger Sicht hochinteressantes, aber ebenfalls strittiges Thema, und am 15. Februar 1951 der Oberrabbiner Dr. Kurt Wilhelm in einem der zu diesem Zeitpunkt bereits sehr selten gewordenen Vorträge zum Thema „Jüdischer Humor“. Große Aufmerksamkeit dürften auch die zahlreichen Vorträge gefunden haben, die zunächst noch die Thematik einer Weiterwanderung berührten, vor allem aber direkt oder indirekt über das Judentum in anderen Ländern orientierten. Am 6. Februar 1940, als noch ein Entkommen in die USA möglich schien, orientierte „Advokat Ernst Baburger“, der spätere Vorsitzende der Emigranten-Selbsthilfe, über „Amerika als Ziel der jüdischen Auswanderung“. Er sprach danach am 5. November 1941 erneut über das Ziel vieler gestrandeter Emigranten in Schweden

173 Hans Lehmann war ein deutsch-schwedisch-jüdischer Unternehmer und Zionist. 174 Hugo Bergmann war Philosoph, Schriftsteller und Zionist. Er emigrierte 1919 nach Palästina, wurde 1925 Professor an der Hebräischen Universität Jerusalem und wenig später ihr Präsident.

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„Die Vereinigten Staaten, eine Schöpfung von Emigranten“.175 Erstmalig brachte dann am 23. Januar 1943 der Geschäftsmann und Zionist Norbert Masur das Thema „Die jüdische Wanderung und Palästina“ zur Sprache. Aber der Vortrag über das Ziel des Zionismus blieb eine Ausnahme, während Schilderungen von Juden und Judentum in anderen Ländern häufig vorkamen. So sprachen Ernst Baburger am 23. Januar 1941 über „Jüdische Zentren in Übersee [mit Ausnahme der Vereinigen Staaten]“, der nationale Jude Dr. August Gallinger, Mediziner und Philosophie-Professor an der Universität München und Mitglied der „E-S“176 – er kehrte bereits 1946 nach München und auf seinen Lehrstuhl zurück – am 14. April 1942 über „Abessinien, das Land der Salomonischen Dynastie. (Persönliche Reiseeindrücke) [mit Lichtbildern]“ und Wolfgang Steinitz am 15. September 1943 über „Die Juden in Osteuropa. Geschichte und Gegenwart (bis 1940)“. „Eine Reise um die Welt im Auftrag des Joint“ war dann vor Kriegsende das Thema einer Plauderei von „Miss Margolies aus New York“, die die Reihe der Vorträge zu dieser Thematik vor Kriegsende beschloss.177 Der Vortrag von Wolfgang Steinitz im September 1943 ist der einzige Vortrag, über dessen Inhalt sowie Vor- und Nachher-Geschichte wenigstens Stichworte vorliegen. So notierte Wolfgang Steinitz als Einleitung, man sei sich wohl einig darin, dass Hitler den Krieg verloren habe. „Wir“, die Hörer, also die Mitglieder der „ES“, so Steinitz „können jetzt offener sprechen als früher, können unser Programm lebendiger und interessanter gestalten“.178 Er drückt damit einen Optimismus aus, der in den Kreisen der politischen, nicht zuletzt der kommunistischen Emigration weit verbreitet war und vor allem in der von ihr verantworteten Monatszeitung Politischen Information zum Ausdruck kam, die zu diesem Zeitpunkt zum ersten Mal erschien. Als Beispiel für eine „lebendige und interessantere“ Programmgestaltung möchte er dann anschließend auf einige „englisch-amerikanische Filme“ hinweisen, die „in nächster Zukunft“ den Mitgliedern in geschlossenen Veranstal175 In diesem Zusammenhang sind auch zwei weitere Vorträge, ohne direkt jüdische Beziehungen, zu nennen, die aber erkennen lassen, wie groß das Interesse an den USA waren. Am 14. Mai 1941 schildert Professor Dr. August Gallinger seine „Reiseeindrücke in USA“, und der sozialdemokratische schwedische Redakteur Viktor Vinde spricht am 8. April 1943 über „Aktuella synpunkter på USA“, der erste Vortrag, der auf den Abenden der „E-S“ in der Sprache des Aufnahmelandes, auf Schwedisch, gehalten wird, einer der wenigen in der Sprache des Gastlandes überhaupt. 176 Gallinger war im Ersten Weltkrieg Regimentsarzt und geriet in französische Gefangenschaft. 1921 veröffentlichte er die Schrift Gegenrechnung. Die Verbrechen an deutschen Kriegsgefangenen, die auch auf Englisch erschien. 177 JOINT, die Abkürzung für American Jewish Joint Distribution Committee, die wichtigste jüdische Hilfsorganisation. Miss Margolies hatte auf ihrer Reise u. a. auch Shanghai und die dortige deutsche Emigrantenkolonie besucht. 178 Diese Hoffnung sollte sich aber, wie die Themen der kommenden Jahre bis Kriegsende erkennen lassen, nicht erfüllen.

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tungen gezeigt werden sollen. Da bereits Vorträge über die Juden in anderen Bereichen wie den USA und Palästina gehalten wurden, wolle er nun auch über die „zahlenmäßig große Gruppe“ der Juden in der Sowjetunion sprechen. Dass er allerdings seinen Vortrag mit dem Titel „Die Juden in Osteuropa“ statt „Die Juden in Sowjetunion“ angekündigt habe, bitte er zu entschuldigen, denn er habe davon ausgehen müssen, dass bei dem Wort Sowjetunion einige der Hörer sofort ein Bekenntnis zu dieser erwarten würden; im Übrigen eine Bemerkung, die zur Genüge zeigen dürfte, wie Steinitz seinen Zuhörerkreis einschätzte, der keineswegs geneigt war, auf revolutionäre Barrikaden zu steigen. Er weist dabei auf den Palästina-Vortrag von Norbert Masur „Die jüdische Wanderung und Palästina“ von Januar 1943 hin, der nur eine zionistische Lösung sehe und wie alle Zionisten andere Lösungen ablehne, so das sowjetische Birodbidschan-Projekt im Fernen Osten. Es sei schon aus praktischen Gründen völlig unmöglich, dass nach Kriegsende alle osteuropäischen Juden nach Palästina auswandern könnten. Aber es gebe außer Palästina noch ein Land, seiner Meinung nach das einzige Land, in dem es keinen Antisemitismus gebe, nämlich die Sowjetunion. Leider sind nur diese Notizen zur Einleitung bekannt, der eine Beschreibung des Projektes gefolgt haben dürfte. Sie sind zwar nicht direkt antizionistisch, aber lassen zumindest erkennen, dass Steinitz selbst kein bekennender Zionist war, sondern eine Rettung des Judentums vor allem in einer Allianz mit der „bolschewistischen“ Sowjetunion sah. Indirekt lässt sich allerdings auf den Inhalt schließen. Denn bereits im Juli hatte Wolfgang Steinitz Fragen jüdischer Identität mit Hugo Valentin diskutiert. Er war vom Judisk Ungdomens Arbetskrets [Jüdischen Jugendarbeitskreis] zu einem Vortrag eingeladen worden und hatte von Valentin sonst schwer zugängliche Literatur zur Geschichte der Juden erhalten.179 Darunter befand sich auch dessen eigener Vortrag über die Zukunft der Judenheit in der Sowjetunion, der in Judisk Krönika im Mai 1937 erschienen war und ihre Lage nicht gerade positiv darstellte sowie sich unter Berufung auf eine Aufsatzsammlung von Salomon Goldelman „Löst der Kommunismus die Judenfrage?“ mit dem Untertitel „Rote Assimilation und Sowjet-Zionismus“ auch kritisch mit Birodbidschan auseinandergesetzt hatte.180 Dieser Jüdische Jugendarbeitskreis leitete dann auch am 1. September 1943 mit diesem Steinitz-Vortrag seine Vorlesungsreihe in den Räumen der MFST ein, wobei 179 „Judisk ungdom“, früher „Blau-Weiss“, den Vorsitz hatten hier u. a. Daniel Brick und Erwin Leiser. Dieser wurde 1966 Direktor der neu-, von ihm mitgegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. 180 Valentin an Steinitz, 19.7.1943 (deutsch), BBAW: NL Steinitz, Nr. 40 Bd. II; Valentin, Judenhetens framtid.

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ein Vortragsmanuskript mit allerdings einigen handschriftlichen Änderungen vorliegt. Im Zentrum stand dabei offensichtlich die Lage der Juden in der UdSSR. Schon hier schien er sich durchaus bewusst zu sein, wie „affektgeladen“ das Thema Juden in der Sowjetunion in diesem Kreis war. Er hob zunächst hervor, er sei sich durchaus bewusst, wie heikel das Thema Juden in der Sowjetunion in diesem Kreis war, und er wolle, wenn er nun über die Sowjetunion spreche, keineswegs die Chaluzim davon abhalte, nach Palästina zu reisen. Er sei fest davon überzeugt, dass man nach Palästina gehen und doch auch die Sowjetunion verstehen könne. Er sei bestrebt, niemandem vor den Kopf zu stoßen, sondern mit seinen Ausführungen zu Fragen der Nation und einer jüdischen Identität nur eine Diskussion einzuleiten. Er ging im Folgenden von der kommunistischen Definition der Nation aus und stellte fest, dass in Palästina eine jüdische Nation im Entstehen bzw. mit Blick auf Territorium, Wirtschaft, Kultur und Sprache, Hebräisch, „fast fertig“ sei, wobei die Tradition, also gerade das Hebräische, eine große Rolle spiele. Aber auch in der Sowjetunion, in Birodbidschan, sei eine jüdische Nation dabei, sich zu konsolidieren. Alle Voraussetzungen seien gegeben wie Sprache und Kultur sowie ein neues Territorium mit einem, die vierte Voraussetzung, Wirtschaftsleben. Gerade dieses Territorium sei in der kommunistischen Definition der Nation besonders wichtig; ohne dies sei keine Nation denkbar. Bei den „Westjuden“ sah Steinitz einzig die Kultur, die anderen drei Aspekte fehlten. Eine Assimilation der Westjuden war für Steinitz mit einer Angleichung ihrer Kultur als nächster Stufe verbunden. Künftig sei ein Nebeneinander hebräischer Juden und jiddischer Juden möglich. Gemeinsam wäre ihnen das Kulturerbe; in den anderen drei Punkten würden sie sich unterscheiden.181. Offenbar hatte die beiden Vorträge ein breites Interesse geweckt, denn im Dezember 1943 war er erneut eingeladen, um diesmal vor einem Kreis im Umfeld der „E-S“ bzw. von Baltiska Skinnkompaniet zu sprechen. Nun war das Thema deutlich politisch formuliert: „Die Juden und das NKFD“, das in der Sowjetunion im Juli 1943 gegründete, weitgehend kommunistisch geführte „Nationalkomitee Freies Deutschland“. Die Initiative zu diesem Vortrag war von Norbert Masur ausgegangen, der selbst zunächst seine Vorstellungen zum Thema Juden in der UdSSR präsentierte, wie er sie wohl im Januar des Jahres bereits in der „E-S“ vorgestellt hatte. Steinitz übernahm danach die Rolle eines Korreferenten. Angesichts der Schreckensmeldungen über die Ermordung der Juden in Europa sei eine Lösung der Judenfrage dringender denn je, führte er aus. Er argumentierte für die sowjetische Nationali181 Vortragsmanuskript über SU (Jüd. Jugendarbeitskreis, Sommer 1943), BBAW: NL Steinitz, Nachtrag 2020 (9).

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tätenpolitik und das Birodbidschan-Projekt als Alternative zu Palästina. Masur habe seinen Standpunkt sachlich, aber sehr scharf dargelegt, so Steinitz, deshalb müsste er als Korreferent ähnlich scharf antworten. Aber er wolle nicht das Trennende, sondern das Verbindende betonen. Der Kreis hier sei ein jüdischer Kreis. Im Augenblick sei die Rettung der nackten Existenz die wichtigste Frage, vor die sich die europäischen Juden gestellt sähen. Denn die Frage einer gesteigerten Einwanderung nach Palästina wäre zwecklos, wenn es keine jüdischen Einwanderer mehr geben werde. So sei das überragende Zentralproblem nun die Verkürzung des Krieges: jeder Tag eher rette 10.000 Juden vor der Vernichtung, was er in diesem Kreis wohl nicht ausführlich begründen müsse. Steinitz sprach hier zweifellos bereits im September 1943 Klartext zur Shoah, der Ausrottung der Juden in Osteuropa, der zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs in den Kreisen der Emigration, aber vor allem in der Öffentlichkeit nicht allgemein verbreitet war. Allem Anschein nach erweckte Steinitz keineswegs Erstaunen damit. Er sprach wohl über Bekanntes und nichts Neues. Die Verkürzung des Krieges sei nun die zentrale Parole zumindest der Sowjetunion, während England und Amerika sich bisher in dieser Frage ausweichend verhielten. Steinitz warb danach für die Ideen des NKFD und dessen aktive Unterstützung. Er erläuterte den Zuhörern dessen Ziele und Aufgaben und rief sie, also die anwesenden Juden und Mitglieder der „E-S“, ganz im Sinne der Politischen Information und des bald darauf gegründeten Freien Deutschen Kulturbundes, aber wohl weniger des „E-S“ dazu auf, sich mit anderen Hitlergegnern zusammen zu schließen und den antinazistischen Kampf zu unterstützen. Er verwies dabei auf bereits erzielte Erfolge in der Zusammenarbeit in Stockholm zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten, Intellektuellen, Pfarrern und Demokraten. Diese hätten engen Kontakt miteinander aufgenommen mit dem Hauptziel, „gemeinsame Zersetzung der deutschen Kolonie.“, ein Ziel, welches, dies am Rande bemerkt, nicht erreicht wurde. Einwände gegen diese Wortwahl sollten vom jüdischen Standpunkt aus nicht erhoben werden, denn zersetzen hieße verkürzen! Die zweite Aufgabe des Nationalkomitees sei es, als ein vorbereitendes Organ Programme für ein neues demokratisches Deutschland zu entwickeln. Hier gingen die Ansichten unter den Anwesenden begreiflicherweise auseinander; aber es sei ein Irrtum, so Steinitz, dass das Nationalkomitee Deutschland reinwaschen wolle. Was die Einigung der Hitlergegner mit dem Ziel der Zersetzung der deutschen Kolonie betraf, forderte Steinitz, dass sich Juden hier engagieren sollten – aus Sorge um die Zukunft und um Deutschlands Schicksal zu verbessern. Viele antifaschistische Juden in Deutschland fühlten sich nicht als Juden, oft betrachteten sie sich als Freidenker; doch von Hitler seien sie nun gezwungen, als Juden zu erscheinen. „Ich gehöre dieser Gruppe an“, so Steinitz, „mein Vater war Dissident“.

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Abb. 20: Einladung. 6. Juni 1945. (Sammlung Jakobowsky. Uppsala Universitätsbibliothek)

Steinitz agitierte hier wohl für eine Lösung der Judenfrage, aber eine individuelle. Er forderte, dass auch nicht religiöse Juden stärker hervortreten sollten. Sein

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Vortrag löste eine heftige Diskussion aus, an der sich vierzehn Personen beteiligten, darunter Fritz Hollander, Ruth Ettlinger, Moritz Pineas und Walter Berendsohn, aber darüber ist wenig bekannt.182 Bei dieser Zusammensetzung des Kreises ist durchaus möglich, dass sich einige Teilnehmer wie Baburger, Benzian, Jacobsohn und Pineas der Meinung des Redners nicht angeschlossen haben werden, aber das muss Spekulation bleiben. Eine abweichende Meinung würden mutmaßlich auch die Mehrheit der Mitglieder der „E-S“ vertreten haben. Bezeichnend ist dagegen, dass nach Kriegsende nur eine sehr geringe Anzahl der rassisch Verfolgten nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrten, einige wenige „nationale“ Juden wie August Gallinger und Hans-Joachim Schoeps nach der Trizone, politisch Verfolgte, fast ausschließlich kommunistische wie Wolfgang Steinitz selbst, das Ehepaar Cohn-Peters oder das Ehepaar Cohen in die SBZ. Eine kurze, aber höchst bedeutende Reise war dann kurz nach Kriegsende Gegenstand einer Veranstaltung am 6. Juni 1945. „Herr Norbert Masur“, der Reisende, sprach über „Meine Verhandlungen mit Himmler“ und „Herr Gilel Storch“,183 der Initiator der Reise als Vertreter des JWC, des World Jewish Congress, über „Die Rettungsaktion für die europäischen Juden von Schweden aus“, Themen und dessen Konsequenzen, die zu diesem Zeitpunkt brennend aktuell waren. Nach Kriegsende standen dann Europa und die westliche Welt offen. Die Neugier schien unermesslich zu sein, und immer wieder wurde in den folgenden Jahren, vor allem bis 1948, über Auslandsreisen berichtet, so anfänglich über die Reisen nach Deutschland und Europa, aber auch nach den USA. Am 8. Januar 1946 schilderte „Advokat Ragnar Gottfarb. Repräsentant des Joint für Schweden“184 unter dem Titel „Några intryck från en resa till Hamburg och Berlin“ [Einige Eindrücke von einer Reise nach Hamburg und Berlin] die Verhältnisse im besiegten Deutschland, und „Dr. Wilhelm Michaeli“ berichtet über seine Reise in die Schweiz zum Studium der Flüchtlingsprobleme“, gefolgt keinen Monat später von „Dr. Leo 182 Fritz Hollander kannte das Projekt wohl persönlich. Er unternahm von März bis Oktober 1940 mit seiner Frau Camilla eine Geschäftsreise in die USA, wo sein Bruder Hermann Hollander die Dependance in New York leitete. Auf der Rückreise durch die Sowjetunion besuchten sie Birodbidschan, für das sich Fritz Hollander nach Aussage seines Sohnes sehr interessierte und das er eventuell auch finanziell unterstützte. Weitere Diskussionsteilnehmer: Dr. Freund, Benzian, Baburger, Dr. Emsheimer, Münz, Cohen, Berendsohn, Letin, Notar Arnheim, Stempel, Pineas, Jacobson, Hollander, Stadtrat Mehring [sic, Meyring], Vortragsnotizen, Juden und Nationalkomitee (Dezember 1943, Masur, Berendsohn, Baltiska), BBAW, NL Steinitz, Nachtrag (9). 183 Gilel Storch war lettischer Geschäftsmann. Er floh 1940 aus Riga nach Stockholm, wo er sich schnell etablierte. Hier wurde hier Vertreter der Jewish Agency als auch des World Jewish Congress. 184 Ragnar Gottfarb war schwedisch-jüdischer Rechtsanwalt und wurde 1945 Vertreter des Jewish Joint Distribution Committee (JDC). Er war als solcher für Hilfssendungen an die Häftlinge in deutschen Konzentrationslagern verantwortlich.

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Löwenstein, Berlin, früher Vorsitzender des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, z. Z. Mitglied des Vorstandes der jüdischen Gemeinde zu Berlin“,185 der über „Erinnerung und Zukunftshoffnung eines mitteleuropäischen Juden“ sprach und kurz darauf über die USA nach Israel weiterwanderte. Ebenfalls 1946, am 16. Mai, referiert Inga Gottfarb, die Schwester Ragnar Gottfarbs, über ihren im Titel nicht näher benannten „Auftrag in Deutschland“ [På uppdrag i Tyskland].186 1947 spricht „Dr. Fritz Hollander“ über ein „Kurzes Wiedersehen mit Deutschland“, und damit schien der Bedarf an direkten Schilderungen des besiegten Deutschland, der früheren Heimat, gedeckt zu sein, zumal Rundfunk, Zeitungen und persönliche Kontakte sie völlig ersetzt haben dürften. Bereits im Vorjahr, am 21. Februar 1946, war erstmalig „Jüdisches Leben in New York“ durch „Dr. Wilhelm Nasiell“ behandelt worden, und 1948 schilderte „Berta Friedländer“, Mitglied der „E-S“, ihre „Eindrücke von New York“. Die Welt hatte sich in jeder Hinsicht erweitert. „Direktor M. Pineas“ schilderte am 14. November 1946 seine „Eindrücke von einer Reise nach Südafrika“, wohin er bald auswandern sollte, Professor Hugo Bergmann sprach über seine Erlebnisse „Als Palästina-Delegierter in Indien“ (6.11.1947), und im Mai des Jahres plauderten unter der Überschrift „Wenn einer eine Reise tut …“ die Mitglieder der „E-S“ „Käte Kiwi, Ella Masur, Käte Sundström, Hans Reich (…) über ihre Reisen nach Brüssel, New York, Paris, Amsterdam“.187 Palästina bzw. Israel spielen keineswegs die Rolle, die man erwartet hat. Erst am 4. April 1946 spricht Walter Berendsohn zum Thema: „‚Acht Jahre Palästina‘. Aus den Briefen eines jungen Mädchen“, seiner Tochter, die 1937 von Dänemark aus an der Alijah teilgenommen hatte und in Palästina geblieben war. Am 13. Oktober 1949 ist dann in den Vorträgen, als solche Veranstaltungen selten geworden waren, erstmalig von Israel aus eigenem Erleben die Rede. Die Geschwister Edith und Elisabeth Wiener188 sprechen über „Unsere Ferienreise nach Israel. Von Stockholm über Marseille mit dem Einwandererschiff nach Haifa“ bzw. über den „Aufenthalt in Israel“, und am 15. Oktober 1951 „plaudert Architekt Siegfried Pawel“ über sein Metier: „Ein Architekt erlebt Israel“.

185 Leo Löwenstein war promovierter Physiker und Chemiker. Er gründete 1919 den Reichsbund jüdischer Frontsoldaten. 1943 wurde seine Frau und er nach Theresienstadt deportiert. Er liess sich in der Schweiz nieder, wo er als Chemiker arbeitete. 186 Inga Gottfarb war Sozialfürsorgerin und in der Flüchtlingshilfe auch nach dem Krieg engagiert. 187 Berta Friedländer, Käte Kiwi und Ella Masur waren Mitglieder der „E-S“, Hans Reich war einer der führenden Personen in Keren Kajemet. Andere Angaben liegen nicht vor, Über Wilhelm Nasiell und Käthe Sundström ist nichts bekannt. 188 Über Edith und Elisabeth Wiener liegen keine Angaben vor.

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Vorträge, die über soziale Probleme der Emigranten im Aufnahmeland orientieren, stehen wider Erwarten selten im Programm. Zwar sprechen Dr. Wilhelm Michaeli am 17. März 1944 über die „Die rechtliche Stellung der Staatenlosen in Schweden“ und am 28. Oktober des gleichen Jahres über „Die Rechtstellung der Ausländer im schwedischen Wirtschaftsleben“ sowie der Arzt Dr. Hellmut Citron189 am 10. Februar 1955 über „Das neue schwedische Krankenkassengesetz und seine Anwendung“, aber sonst ist von schwedischen Themen nicht die Rede. Großen Platz nahmen auch die Vorträge über jüdische Schriftsteller ein, von denen teilweise schon die Rede war. „Wiener jüdische Dichter“ wurden am 20. Januar 1940 durch Dr. Walter Lindenthal vorgestellt, Heinrich Heine wurde zweimal gewürdigt, so am 20. Januar 1948 durch einen „Heinrich Heine-Abend. Zur Erinnerung an seinen hundertfünfzigsten Geburtstag“, auf dem Professor Walter A. Berendsohn über „Das Wort als geistige Waffe“ sprach, und am 23. Januar 1956, im letzten bekannten Vortrag überhaupt, als Rabbiner Emil Kronheim, über „Heinrich Heine. Sein Leben und seine jüdische Dichtung“ schilderte. Von Stefan Zweig war am 29. April 1942 durch Walter Lindenthal die Rede, und Franz Werfel wurde am 30. Oktober 1945 ein eigener Abend gewidmet, auf dem Dr. Otto Friedländer über „Franz Werfel, der Mann und sein Werk“ sprach.190 Am 28. September 1948 stellte Professor Walter Berendsohn auf einem „Alfred Neumann-Abend“ den „Dichter und sein Werk“ vor,191 und er würdigte auch am 14. September 1954 „Lion Feuchtwanger 70 Jahre“.192 Lediglich zwei Veranstaltungen hatten Beziehungen zum Aufnahmeland. Der aus Berlin stammende „Redakteur Erwin Löwe“, der mit seiner Frau noch 1941 nach Schweden entkommen konnte und Mitglied der „E-S“ war, stellte die Autobiographie „Mitt livets saldo [Der Saldo meines Lebens] von Josef Sachs, dem Gründer von NK [Nordiska Kompaniet]“ vor, des bekanntesten, bis heute existierenden Großkaufhauses in Stockholm, dessen Ruf in Schweden in etwa dem des KaDeWe in Berlin entsprach.193 Und schließlich ist noch „ein literari189 Hellmut Citron, Mitglied der „E.S“, lebte in Danzig und entkam 1939 nach Schweden. 190 Franz Werfel war ein österreichischer Schriftsteller. Er emigrierte 1938 nach Frankreich und 1940 nach den USA. Otto Friedländer war deutsch-jüdischer Politologe, Journalist, Schriftsteller und zeitweise sozialdemokratischer Funktionär. Er emigrierte 1933 nach Prag und kam über Norwegen (1938–1940) nach Schweden. 191 Alfred Neumann selbst hält auf der gleichen Veranstaltung den Vortrag „Dostojewski und die Fackel der Freiheit“. 192 Lion Feuchtwanger war Schriftsteller. 1933 kehrte er nicht von einer Vortragsreise nicht nach Deutschland zurück, sondern liess sich in Frankreich nieder. 1941 gelang ihm die Flucht nach den USA. 193 Erwin Löwe, Mitglied der „E-S“, Journalist und bis 1938 Verleger (Jüdische Buchvereinigung) in Berlin, gelang es noch 1941 nach Schweden zu entkommen, wo er als Journalist tätig war. Joseph Sachs war schwedisch-jüdischer Geschäftsmann und Gründer des Warenhauskonzernes NK.

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scher Abend“ am 16. November des gleichen Jahres zu nennen, auf dem „Fil. mag. Herbert Friedländer“ den jiddischen, in Schweden lebenden Schriftsteller Jascha Golowanjuk vorstellte, der aus eigenen Werken las. Nichtjüdische deutsche Dichter und Schriftsteller oder solche des Gastlandes spielten in den Vorträgen nur eine äußerst geringe Rolle. Der Studienrat [Läroverksadjunkt] und Verfasser Wulff Fürstenberg194 sprach am 26. Januar 1942 aus einer begrenzten Perspektive über „Strindberg und die Juden“ und hielt „anlässlich des 100. Geburtstags“ des Dichters am 17. Mai 1949 erneut einen Vortrag mit demselben Titel. Auch sonst kamen Vorträge ohne einen direkten Bezug zu jüdischen Fragen nur sehr selten vor. Dr. Ernst Baburger berührte am 17. Mai 1944 „Die Grundlagen des deutschen Nationalismus“, der linke jüdische Sozialdemokrat und Schriftsteller Dr. Otto Friedländer der einzige prominente politische, aber nicht kommunistische deutsch-jüdische Emigrant, der vor der „E-S“ auftrat, hielt nach der Rückkehr von einer Deutschlandreise einen Vortrag über das Thema „Ist der Nazismus tot?“ und die „E-S“ veranstaltete am 8. September 1949 eine „Goethe-Feier“, auf der Professor Walter Berendsohn schlicht und einfach über „Goethe“ sprach. Zu nennen sind ferner ein paar völlig unpolitische oder jüdische Fragen betreffende Reiseberichte und allgemeine Vorträge. Bereits am 21. November 1940 sprach Dr. Richard Mautner über „Dalmatien. Das Land, die Menschen, die Kunst“, der bekannte Fotograph Dr. Heinz Gordon195 hielt zusammen mit seiner Frau Ilse einen Vortrag am 11. April 1940 unter dem Titel „Ein Streifzug mit der Farbenkamera [sic] durch Stockholm“ und Fil. kand Renate Schäffer, Schwedens erste Meteorologin und Tochter Hans Schäffers, des vormaligen Staatssekretärs im Finanzministerium des Deutschen Reiches und Mitgliedes der „E-S“, der zusammen mit seiner Familie in Schweden Zuflucht gefunden hatte, berichtete am 21. September 1956 im letzten bekannten Vortrag überhaupt über eine Reise „Mit der Kamera kreuz und quer durch die USA“. Und über medizinische, für etliche Mitglieder der „E-S“ wohl aktuell gewordene oder werdende Fragen und Probleme referierten am 17. Februar 1949 Sanitätsrat Dr. Alfred Peyser unter dem Titel „Alter und Altsein im Lichte moderner Forschung und Fürsorge“, und am 26. Januar des folgenden Jahres Neuropsychologe Dr. Viktor Kafka den ausdrücklich als „gemeinverständlich“ angekündigten Vortrag „Nervös, neurotisch, gesund?“.196 194 Wulff Fürstenberg, Förderer der „E-S“, war ein schwedisch-jüdischer (Deutsch-)Lehrer, Übersetzer und Schriftsteller. 195 Heinz Gordon war schwedischer Fotograf und ist mit Werken im Modernen Museum Stockholm vertreten. Über ihn und seine Frau Ilsa konnte sonst nichts in Erfahrung gebracht werden. 196 Viktor Kafka, Mitglied der „E-S“, war Mediziner (Neuropsychologie, Bakteriologie) und seit den 1920er Jahren Oberarzt und Professor in Hamburg. Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde

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Die 72 Vorträge, die hier genannt wurden, hatten in nahezu 80 Prozent einen direkten Bezug zur jüdischen Thematik oder jüdischen Persönlichkeiten und waren in ihrer Mehrheit geeignet, eine jüdische Identität festzuschreiben, obwohl Religion und der Staat Israel nur am Rande behandelt und politische Fragen, auch nicht kontroverse, bis auf die Vorträge im Jahre 1943 von Masur und Steinitz, auch nach Kriegsende nicht erörtert wurden. Sie spielten nicht die geringste Rolle und scheinen eventuell vermieden worden zu sein. Das Angebot war bis auf einen Vortrag von Steinitz völlig einseitig nur auf den ‚Westen‘ ausgerichtet und die USAOrientierung auffallend. Walter Arthur Berendsohn Eine bedeutende Rolle in der Kulturarbeit der „E-S“ spielte durch seine zahlreichen Vorträge und wohl auch im Hintergrund Professor Walter A. Berendsohn. Sie wurde kurz vor und vor allem nach Kriegsende in den Mitteilungen durch Anzeigen und Vorlesungsankündigungen sichtbar. Bereits im Januar 1945 sucht er in den Mitteilungen antiquarische Bücher folgender Autoren: Martin-Andersen-Nexö – Schalom Asch – Vicki Baum – Martin Behaim-Schwarzbach – Pearl Buck – Lion Feuchtwanger – Bruno Frank – Maxim Gorki – Hugo von Hofmannsthal – Hermann Kesten – Joachim Maass – E. M. Remarque – Michael Scholochow – Arthur Schnitzler (nur Separatauflagen von Theaterstücken) – Franz Werfel – F. C. Weiskopf -Josef Wittlin – Carl Zuckmayer – Stefan Zweig.

Im Februar 1946 wollte er „ein vollständiges Exemplar „Aufbau“ (Rekonstruktion 1940–1945) – 6 Jahrgänge – für eine wissenschaftliche Arbeit über die deutsche Emigrantenliteratur (…) leihen oder (…) kaufen“, während es ihm im Dezember 1947 für den gleichen Zweck um „Einzelhefte der ‚Internationalen Literatur‘ Deutsche Blätter Jahrgang 1939–1946, geht. Diese Anzeigen lassen erkennen, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits an Band II seines Werkes über die deutsche Emigrantenliteratur arbeitete, dessen erster Band im Oktober 1947 in den Mitteilungen wie folgt angekündigt wurde: „Walter Arthur Berendsohn lässt wissen: ‚Die Humanistische Front‘. Einführung in die deutsche Emigrantenliteratur, I. Teil von 1933 bis zum Kriegsausbruch 1939 ist im Europa-Verlag, Zürich, erschienen und in jeder Buchhandlung erhältlich“.197

er entlassen und emigrierte 1939 nach Norwegen und entkam 1942 den Deportationen durch die Flucht nach Schweden. 197 Das Erscheinen des ersten Bandes war bereits für den Herbst 1939 angekündigt worden, konnte aber kriegsbedingt erst 1947 im Verlag Oprecht, Schweiz, erscheinen.

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Erstaunlich und eindrucksvoll waren aber die Vorlesungsreihen, die er ab Frühjahr 1946 im „Auditorium (großer Hörsaal der Stockholmer Hochschule)“ hält und die jeweils mit allen Einzelheiten in den Mitteilungen angekündigt werden. 198 Nach Vorträgen über Thomas Mann im Frühjahr 1946, die in den Mitteilungen sogar zweimal angezeigt wurden, gab er im Herbst 1946 eine „Einführung in die deutsche Emigranten-Literatur“, die er ab Herbst 1948 bis Frühjahr 1949 in der Reihe „Hauptgestalten und -Strömungen der deutschen Emigrantenliteratur 1933– 1948“ vertiefte, quasi ein Referat des zweiten Bandes der Humanistischen Front. Zuvor hatte er aber im Frühjahr 1947 noch einmal eine ganze Verlesungsreihe über „Thomas Mann“ gehalten, im Herbst eine weitere über die „Die Idee der Humanität (bei Wieland, Lessing, Kant, Herder, Goethe, Schiller und Wilhelm von Humboldt)“ und im Frühjahr 1948 „zehn Vorlesungen“ mit dem Titel „Der junge Goethe“. Danach wurden „Der alternde Goethe“ im Herbst 1949 behandelt und im Herbst 1950 „Faust und Faustdichtung“. 1951 standen „August Strindberg, Persönlichkeit und Werke“ auf dem Programm und Frühjahr 1951 bis Ende 1953 ging es dann ganze drei Jahre lang um die „Charakteristik ausgewählter deutscher Literaturwerke“, wobei wie für sämtlich Reihen jeweils eine genaue Inhaltsangabe in den Mitteilungen angezeigt wurde.199 Es ist nur zu bedauern, dass keine Angaben über den Hörerkreis vorliegen, aber er wird wohl nicht zuletzt aus Mitgliedern der „E-S“ bestanden haben. Vor allem lassen die Anzeigen, die Berendsohn in den Mitteilungen aufgibt, erkennen, wie sehr er sich für das Werk der späteren Nobelpreisträgerin Nelly Sachs bei den Beziehern der Mitteilungen einsetzt. Im März 1949 geht es zunächst darum, dass „die Herausgabe der dramatischen Dichtung „Eli, Mysterium vom Leiden Israels“ von N ELL Y S AC H S durch Subskription gesichert werden (soll). Näheres durch Professor Walter A. Berendsohn …“. Danach vergingen an die neun Monate, bis es im Januar 1950 heißt: Die Subskription auf die dramatische Dichtung von Nelly Sachs: „Eli, ein Mysterium vom Leiden Israels“ hat bereits ein so erfreuliches Resultat ergeben, dass die Drucklegung der bibliophilen Ausgabe nun in Angriff genommen wird. Bis zum 15. März 1950 können noch Bestellungen unter Einzahlung von Kr. 30: – … … aufgegeben werden, danach erhöht sich der Preis auf Kr. 45: – 198 Unklar ist, in wessen Verantwortung diese Vorlesungsreihen stattfanden, die alle auf Deutsch gehalten wurden und der Allgemeinheit zugänglich waren, an welches Publikum er sich wandte, welches Honorar gezahlt wurde und wie groß der Besuch war. 199 Für den Herbst 1952 wird beispielsweise folgender Inhalt angezeigt. Friedrich Hebbel: Maria Magdalena – Theodor Fontane: Effi Briest – Rainer Maria Rilke: Das Stundenbuch – Arnold Zweig: Der Streit um den Sergeanten Grischa – Bert Brecht: Die heilige Johanna der Schlachthöfe – Alfred Neumann: Es waren ihrer sechs. – Ernst Wiechert: Die Jerominkinder – Wolfgang Borchert: Draußen vor der Tür – De profundis. Anthologie innerdeutscher Lyrik 1933–1945

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Ende September 1950 kann Berendsohn zufrieden bekannt geben: „Betr. Nelly Sachs „Eli“. Die Subskriptionsausgabe wird nach einer uns zugegangenen Mitteilung im Laufe des Monats Oktober zum Versand kommen“. Es liegen keine Unterlagen vor, aus denen die Namen der Subskribenten der „dramatischen Dichtung“ hervorgehen, aber man darf davon ausgehen, dass der größte Teil der Bezieher aus den Kreisen der Emigranten-Selbsthilfe stammte

2.8.6 Sprachunterricht und Gymnastikkurse Der Kulturausschuss war auch für Arbeitsgemeinschaften, Gymnastikkurse und vor allem für den Sprachunterricht verantwortlich, dessen Bedeutung gerade in den ersten Jahren nicht überschätzt werden kann und der von Anfang an von den Emigranten angenommen wurde. So vermerkt der Tätigkeitsbericht für die ersten acht Monate bereits ausdrücklich einen „so großen Zuspruch, dass die uns von Mosaiska Församlingen freundlichst zur Verfügung gestellten Schulräume nicht ausreichten und der Unterricht in dem Sessionssaal abgehalten werden musste“. Dies galt für die Kurse in der Landessprache, die mit dem Bestreben eingerichtet wurden, um, wie es ausdrücklich heißt, „den Neulingen die Einordnung in die schwedischen Verhältnisse zu erleichtern“. Es wurde sogar ein besonderer Kurs für Ärzte angezeigt, der aber bald eingestellt wurde, da diese in ihrem Beruf in Schweden nicht tätig sein durften. Die „E-S“ war ab 1941 sehr bemüht, diese „Einordnung in die schwedischen Verhältnisse“ zu erleichtern. So fragte Ernst Baburger im Januar 1941 Herbert Friedländer, der mittlerweile sein Examen abgelegt hatte und südlich von Stockholm in einem Internat eine Stelle als Lehrer angetreten hatte, um Rat, auf welche Weise man „Emigranten, (…), die wünschen, für immer in Schweden zu bleiben (…) über Schwedens geschichtliche und kulturelle Entwicklung“ unterrichten könne, und bat um Name und Adresse einer „kompetenten Person, die jede zweite Woche eine Vorlesung über schwedische Literaturgeschichte hält“. Er setzte voraus, dass diese Person sich unentgeltlich zur Verfügung stellen werde. Aber da viele der „Neulinge“ Schweden zunächst keineswegs als Endstation der Wanderung betrachteten, legte die „E-S“ großes Gewicht auch auf die „Pflege anderer Sprachen“, um „besonders den Weiterwanderern behilflich zu sein“, d. h. vornehmlich auf Sprachen wie Englisch und Spanisch, aber auch auf Französisch – und sogar anfänglich auch auf Portugiesisch – für Anfänger-, aber auch für Fortgeschrittene. Iwrit/Hebräisch wurde zwar ebenfalls angeboten, aber verschwand mangels Nachfrage bald aus dem Angebot, um erst März 1943 durch den „Unterrichtsleiter Herrn Dr. Abraham Brody“ wieder angeboten zu werden. Wolfgang Steinitz selbst kündigte ab März 1942 Russisch-Kurse für Anfänger und bald auch

2.8 Die Kulturarbeit



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für Fortgeschrittene an. Hinzu kam 1939 noch der Unterricht in „Englischer Stenographie“ und ‚Buchhaltung‘ sowie Arbeitsgemeinschaften in „Rassenforschung“ (Leser), „Politische und nationale Entwicklung des Judentums“ (Baburger-Stillschweig; Oktober 1940) und „Schwedens öffentliches Leben“.200 Erwähnt wurde ferner, wie bereits genannt: Die Jugendgruppe der E-S mit 60 Teilnehmern hat 60 Vorträge, Arbeitsgemeinschaften und Wanderungen veranstaltet und Sport getrieben. Verschiedene Teeabende wurden kostenlos veranstaltet, um dadurch einsamen Emigranten die Möglichkeit zum Anschluss an andere zu geben.

Während man noch im Frühjahr 1939 der Not gehorchend, aber äußerst geschickt und erfolgreich hatte improvisieren müssen, so wurde ab Herbst des Jahres der Unterricht nach festen Regeln organisiert. Wolfgang Steinitz war von Seiten der Emigranten-Selbsthilfe und des Kulturausschusses der Verantwortliche und Spiritus Rektor für die gesamte Tätigkeit auf diesem Gebiet, während Herbert Friedländer, zu diesem Zeitpunkt noch im Studium und später Lehrer, Verlagslektor und Journalist den Sprachunterricht managte. Er stellte am 17. August in einem Brief an Wolfgang Steinitz – hier in deutscher Übersetzung – fest, der Sprachunterricht müsse „organisiert“ werden und daher sei es notwendig, „Komplikationen“ zu diskutieren und über „Lehrpläne und Lehrbücher“ zu entscheiden, was erkennen lässt, dass in den ersten Monaten eine schöpferische Anarchie geherrscht hatte. Vor allem müssten nun auch Kursgebühren und die Vergütung der Lehrer besprochen werden, denn bisher sei nur ein Lehrer, ein Emigrant, bezahlt worden. Man müsse nun aber damit rechnen, regelmäßig die meisten Lehrer zu entlohnen, „da sie Emigranten“ seien – von Einheimischen ist nie die Rede, sie dürften allesamt unentgeltlich gearbeitet haben – und man von ihnen „nicht erwarten könne“, „große Arbeit ohne irgendeine Anerkennung“ zu leisten, obwohl sie „von der Gemeinde oder einem der Hilfskomitees unterstützt werden“. Notfalls müsse man die Hilfe der MFST in Anspruch nehmen. Er werde hier selbst „vorfühlen“, aber könnte sich denken, „dass gerade der Sprachunterricht eine feste Summe pro Jahr aus dem Haushalt bekäme“.201 Er fordert ferner einen „rettenden Engel“ für die rein technische Organisation der Kurse an, da seine bereits früher knapp bemessene Zeit – seine Schlussexamen nahte, und er arbeitete wie die anderen schwedi200 Angaben über die Zahl der Teilnehmer, den Dauer und den Inhalt der Kurse und Arbeitsgemeinschaften fehlen völlig. In der Sammlung Friedländer findet sich ein undatierter Zettel, auf dem vier anonyme Emigranten einige wenige Wünsche und Verbesserungsvorschläge notiert haben. Einer/Eine von ihnen fragt auf Schwedisch (!), ob man nicht reichsdeutsche und österreichische im Englischunterricht in unterschiedlichen Gruppen aufteilen könne, da die „gute Aussprache“ der österreichischen sonst „verderben“ würde. 201 Ob dies der Fall war, geht aus den Unterlagen nicht hervor.

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schen Lehrkräfte ehrenamtlich – nicht länger ausreichte. Diese Forderung wurde bewilligt. Der Genealoge Simonis wurde unentgeltlich zum „rettenden Engel“. Ein regelrechter Schulbetrieb kam in Gang, Stundenpläne wurden in den Schulräumen der MFST, in Birkagården und im Internationalen Foyer ausgehängt, und jeder Kurs wählte einen „Vertrauensmann“, der „das Öffnen der Fenster, das Löschen des Lichts“, ein „Rauchverbot“ zu kontrollieren hatte und die erst noch freiwilligen Kursgebühren „einsammeln“ sollte. Was diese Aufgabe betraf, so scheint sie nicht erfolgreich gelöst worden zu sein. Denn im Februar 1940 wurde allen Schülern mitgeteilt, die Leitung, i. e. Wolfgang Steinitz, habe noch im Oktober geglaubt, „die Sprachkurse durch einen freiwilligen Beitrag finanzieren zu können, und erwartet, dass fast alle Teilnehmer diesen geringen Beitrag regelmäßig entrichten würden. Diese Erwartung habe sich leider nicht erfüllt“. Man sah sich leider nun dazu „gezwungen, einen Pflichtbeitrag“ von 15 Öre pro Stunde einzuführen“, der in der Folgezeit dann mehrfach leicht erhöht wurde. Die spärlichen Unterlagen lassen nur sporadisch erkennen, wie sich die Sprachkurse entwickelten bzw. abgewickelt wurden. Die Zahl der Kurse wird sich nach 1940 stetig verringert haben. Eine Weiterwanderung rückte in weite Ferne, und die Emigranten mussten sich immer mehr auf einen ständigen oder zumindest längeren Aufenthalt in Schweden einstellen. 1941 war jedenfalls von Kursen in Französisch und Portugiesisch keine Rede mehr, und in den Mitteilungen für September 1943 wurde deutlich, dass zumindest rudimentäre Schwedischkenntnisse bei allen Emigranten vorhanden waren. Dort heißt es, dass „ein Anfängerkurs (…) wegen unzureichender Anmeldungen nicht zustande (kommt)“, während für einen „Kurs für Fortgeschrittene: […] in Kürze nähere Mitteilungen“ ergehen werden. Aber bereits im November 1943 heißt es, es gäbe auch „keine Kurse mehr in Schwedisch für Fortgeschrittene, weil an anderen Stellen (‚Birkagården‘, ‚Borgarskolan‘, ‚Kursverksamheten vid Stockholms Högskolan‘) [Volkshochschulen] die Möglichkeit der Fortbildung gegeben ist“. Für Englischen ist die Situation die gleiche: Kein Kurs für Anfänger, wohl aber für Fortgeschrittene. Dagegen finden Kurse in Russisch und Spanisch weiterhin statt und werden bis 1946 angekündigt. Der Zehnjahresbericht fasst lapidar zusammen: „Die Sprachkurse in der Landessprache und verschiedenen Fremdsprachen konnten wir, nachdem der Zustrom von Emigranten nach Stockholm nachließ, schon vor Jahren einstellen“. Herbert Friedländer, der auf der Zehnjahresfeier anwesend war und geehrt wurde, während Wolfgang Steinitz bereits nach Berlin zurückgekehrt war, wird sich an den Brief erinnert haben, in dem ihm Siegfried Pawel am 17. Juli 1940, anderthalb Jahre nach Beginn des Sprachunterrichts der „E-S“, im Namen des Vorstandes zum bestandenen Examen gratuliert und gedankt hatte. Er habe seine

2.9 Schlussbetrachtung



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bewährte Arbeitskraft uns unvermindert zur Verfügung gestellt, nicht nur als Lehrer verschiedener Kurse, sondern auch als Leiter des gesamten Sprachunterrichtes. Die Erfolge, die wir anerkanntermaßen aufzuweisen haben, sind Ihrer Energie, Ihren Erkenntnissen und ihren pädagogischen Talenten sowie Ihrer Organisationsbegabung zuzuschreiben, sodass nicht nur der Vorstand der Emigranten-Selbsthilfe, sondern jeder Sprachschüler Ihnen tiefen Dank schuldet.

Pawel spricht von „Erfolgen, die wir anerkanntermaßen aufzuweisen haben“. Man kann Siegfried Pawel nur zustimmen. Der Sprachunterricht, der Anfang 1939 aus dem Stand heraus improvisiert werden musste, wurde neben der Sozialarbeit – und als Teil dieser Arbeit – zum großem Erfolg der Emigranten-Selbsthilfe. Er dürfte den „Neulingen“ die Einordnung in das Gastland, „in die schwedischen Verhältnisse“, wesentlich erleichtert und als ‚Beschäftigungstherapie‘ von Isolation und Lethargie zumindest teilweise befreit haben. Gymnastikkurse wurden bereits ab Frühjahr 1939 angeboten. Schon im ersten Rechenschaftsbericht von Ende August 1939 hieß es: „Mit der Veranstaltung von Gymnastikkursen wurde der Anfang zur Pflege sportlicher Betätigung gemacht“, eine Formulierung, die wortwörtlich im Zehnjahresbericht wiederholt wurde. Aber diese „sportliche Betätigung“ war letztlich sehr begrenzt auf einen „Gymnastikkurs für Damen“, der mit einiger Unterbrechung bis Ende 1950 stattfand und anfänglich jeder Teilnehmerin eine Krone kostete. Er wurde von Marion Sonnenthal geleitet. Sie war Schülerin und dann Mitarbeiterin Mary Wigmans, der Pionierin des „modernen Tanzes“, und kam 1937/1938 nach Schweden. Dort erhielt sie keine Arbeitserlaubnis als Tänzerin und musste von Unterstützung und kleineren Nebeneinkünften als Privatlehrerin und beispielsweise diesen Kursgebühren leben. Nach Kriegsende tournierte sie mit einer eigenen Truppe in Schweden. Ein solcher Kurs wurde gelegentlich auch für Herren angeboten, so „gratis“ bereits im April 1939, aber in den Mitteilungen ist nur gelegentlich davon die Rede. Im Herbst findet sich die Anzeige: „Frau Sonnenthal: Gymnastikkurs für Damen. Gymnastikkurs für Herren beabsichtigt“, aber es ist nicht bekannt, ob dieser Kurs stattgefunden hat Dies blieben aber die einzigen Hinweise auf „sportliche Betätigung“ im Rahmen der Emigranten-Selbsthilfe und unter Verantwortung ihres Kulturausschusses.

2.9 Schlussbetrachtung Dieses Kapitel schilderte umfassend und detailliert die Tätigkeit der EmigrantenSelbsthilfe vom Kriegsbeginn September 1939 bis zu ihrem Ende 1973. Anfänglich

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wurde nach einem kurzen Blick auf ihre Organisation das Fundament, die Finanzierung, als nervus rerum ihrer Tätigkeit behandelt. Im Mittelpunkt der gesamten Darstellung stand danach ihr Standbein, die Sozialarbeit im weitesten Sinne des Wortes, und dabei die mannigfaltigen, alltäglichen, internen, organisatorischen Aufgaben, die diese stellte und die die „E-S“ auch zufriedenstellend löste, eine alles in allem großartige Leistung. Dies gilt nicht zuletzt für das Fundament, die Finanzen. Der „E-S“ gelang es, regelmäßig einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, Einnahmen und Ausgaben zu balancieren und alle Ausgaben solide zu finanzieren.202 Die Einnahmen beruhten auf drei Säulen, von denen die erste der Mitgliedsbeitrag war. Er belief sich von 1939 bis 1973 monatlich auf die sehr geringe Summe von 15 Öre, im Jahr also nur auf sechs Kronen, die damals auch für einen Emigranten leicht erschwinglich gewesen sein sollten.203 Aber nach oben waren keine Grenzen gesetzt, und man konstatierte dann auch in einem Rechenschaftsbericht zufrieden: „ Von den 345 Mitgliedern haben sehr viele mehr als den Mindestbeitrag von 6,00 Kronen gezahlt“. Spenden waren die zweite, äußerst wichtige Einnahmequelle der „E-S“. Sie dürften im Allgemeinen von Angehörigen der Jüdischen Gemeinde, vor allem zionistisch gesinnten, erbracht worden sein. Bittbriefe wurden jedes Jahr zu den jüdischen Festtagen Pessach, Rosch ha-Schana und teilweise auch Chanukka versandt und trugen jährlich wesentlich dazu bei, die selbstgestellten Ziele zu erreichen. Die dritte Säule, die vorgestellt wird, war der Chanukka-Markt. Er wurde jährlich von 1949 bis 1952 veranstaltet und im Rechenschaftsbericht für 1951 als „unsere beste Einnahmequelle alljährlich“ bezeichnet. Der größte Teil dieses Kapitels wird aber der Sozialarbeit im wahrsten Sinn des Wortes gewidmet, der „Hauptaufgabe, die zur Gründung unserer Organisation führte“, wie es 1948 im Zehnjahresbericht heißt. Sie war ihr Standbein, dessen Finanzierung alljährlich mehr als zwei Drittel der Ausgaben ausmachte. Diese „Hauptaufgabe“ umfasste verschiedene Arbeitsgebiete, darunter zunächst und vor allem in erster Linie praktische Hilfeleistungen, so unter anderem die Arbeitsund Wohnungs-Vermittlung, die sozialen „Beihilfen“, wie es in den ersten Kassenberichten hieß, und die Gesundheitsfürsorge, Gebiete, die ausführlich vorgestellt werden. Eine besondere Rolle für den sozialen Zusammenhalt der Emigranten-Selbsthilfe spielen die zunächst unregelmäßig versandten Rundschreiben und Einladungen zu verschiedenen Veranstaltungen. Sie wurden allerdings ab Herbst 1942 202 Im Anhang finden sich, soweit vorhanden, vollständige Jahresübersichten über den Haushalt des Rechnungsjahres. 203 Die monatlichen Kosten hätten monatlich 2022 bei 16 bzw. jährlich bei 190 Kronen gelegen.

2.9 Schlussbetrachtung



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durch die Mitteilungen ersetzt. Sie erschienen bis auf die Sommermonate monatlich; außerdem versandte man gelegentlich einzelne Extra-Einladungen. Die Mitglieder wurden in ihnen regelmäßig über alle Veranstaltungen und Interna unterrichtet. Sie enthielten darüber hinaus überaus zahlreiche und vielseitige Kleinanzeigen. Die Mitteilungen ergaben ein detailreiches Kaleidoskop, das nicht zuletzt die unterschiedlichen Lebensumstände der Mitglieder in der Emigration sichtbar machte. Die Anzeigen wurden durch eine Reihe von Kostproben präsentiert. Deutlich wurde der Alltag der Emigranten, die Herkunft wohl der meisten von ihnen aus einem gutbürgerlichen Milieu und die Schwierigkeiten, sich in einem neuen zurecht zu finden; erkennbar werden auch erhebliche soziale Unterschiede unter den Emigranten. Sie mochten noch oder erneut wohlhabend sein oder eben auch starker Unterstützung bedürfen. Schicksale scheinen auf. Sie alle verbanden die Mitteilungen quasi als „geistiges Band“. In jeder Nummer wird auch auf die „Beratungsstelle“ hingewiesen, die an allen Werktagen Sprechstunden abhielt, aber auch telefonisch erreichbar war. Sie leistete wohl die wichtigste Arbeit in all den genannten Bereichen, für die von Anfang an ein besonders eingesetzter Ausschuss verantwortlich war und deren Dienste bis weit in die Nachkriegszeit hinein in Anspruch genommen wurden. Deutlich wird hier auch die Vernetzung der „E-S“, nicht zuletzt mit anderen Organisationen im zionistischen Stockholmer Milieu, mit denen man zusammenarbeitete. Gelegentlich wurde vor allem während der letzten Kriegs- und der ersten Nachkriegsjahre auch gewissermaßen in einem „Blick nach Draußen“ erkennbar, dass es eine Welt jenseits der Grenzen des Gastlandes gab, eine „Offizielle ‚Flüchtlingshilfe‘“ wird ebenso sichtbar wie eine direkte „Öffnung nach außen“, das heißt die Möglichkeit, wieder mit der Außenwelt in Verbindung zu kommen. Immer wieder tauchen in den Mitteilungen auch Anzeigen auf, in denen Arbeit gesucht und gelegentlich auch angeboten wird. Aber vor allem ist der direkte Versuch der „E-S“ bemerkenswert, Arbeit mit Hilfe von Listen unter Titeln wie „Helft Emigranten durch Aufträge“ zu vermitteln. Sie wenden sich wohl in erster Linie an wohlhabende zionistische Freunde und mutmaßliche Spender, aber auch an andere Juden und vielleicht auch an nichtjüdische Schweden. Vor allem aber wird in einem größeren Abschnitt dieses Kapitels die „karitative Arbeit“, der Dienst an und für die Schicksalsgenossen und Schicksalsgenossinnen, die eigentliche „Hauptaufgabe“ der Emigranten-Selbsthilfe deutlich. Sie nimmt eine Sonderstellung fern aller kontraproduktiven politischen Diskussionen ein. Ihr wichtigster Punkt sind zunächst die „Beihilfen“, die direkte Unterstützung der, wie es 1948 heißt, „erwerbsbeschränkten, erwerbsunfähigen und alten Emigranten“, die auch immer wieder in den Bittbriefen an die vorwiegend schwedischen Juden zu den Feiertagen berufen werden, aber für die auch der größte Teil

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der Mitgliedsbeiträge und Einkünfte durch den Chanukka-Markt bestimmt ist. Selbsthilfe von Emigrant zu Emigrant. Aber ab 1945 setzt sich die „E-S“ durch Spenden-Aufrufe an ihre Mitglieder auch für hilfsbedürftigen Juden auch außerhalb Schwedens ein. Es geht um „Paketaktionen“ für KZ-Häftlinge in Bergen-Belsen und anderen Konzentrationslager, an notleidende Juden in Berlin und sogar in Israel, es geht um den Aufenthalt jüdischer Kinder aus Berlin in Schweden. Emigranten, die der Hilfe bedurften, sind nun allem Anschein nach endgültig Emigranten geworden, die Hilfe leisten können. Vor allem ist der praktische Hilfseinsatz für „Das Lager der jüdischen Staatenlosen“, u. a. in Smålandstenar bemerkenswert, die durch die Aktion der Weißen Busse gegen und kurz nach Kriegsende nach Schweden gekommen waren. Es ging um ehemalige deutsche Staatsbürger, nunmehr Staatenlose, die nach Schweden transportiert worden waren und um die sich keine konsularische Vertretung irgendeines Heimatlandes kümmerte. Hier hielt es die „E-S“ für ihre selbstverständliche Pflicht, sich besonders um diese Flüchtlinge zu kümmern. Ihr Einsatz wird hier ausführlich dargestellt, wobei es der Organisation auch um die Aufgabe geht, einen „wichtigen moralische Halt durch die persönliche Anteilnahme“ zu geben, wie es in einem Aufruf heißt. In diesem Zusammenhang wird auch eine „lakonisch kurze und nur stichwortartigen Beschreibung das Schicksals einiger ‚Geretteten von 45‘“ gegeben. Dabei entsteht ein äußerst erschreckendes, aber repräsentatives und direktes Bild der alltäglichen Judenverfolgung und -ausrottung, an die in diesem Zusammenhang erinnert werden soll, ein Schicksal, dem die Mitglieder der „E-S“ durch die Emigration entkommen konnten. Im Anschluss daran folgt in diesem Kapitel die Arbeit der „E-S“ mit den nun aktuell gewordenen Fragen. Sie war bereits ab Februar 1945 von einem neu ernannten „Ausschuss für Nachkriegsfragen“ eingeleitet worden. Hier geht es ab 1946 ausschließlich um die „Wiedergutmachungsfrage“, deren verworrene Geschichte aus der Perspektive der Opfer geschildert wird. Es ging weiter darum, für alte und sieche Emigranten ein „Heim“ zu schaffen, in dem sie ihren Lebensamt verbringen konnten. Die wechselhafte Geschichte der Arbeit daran beginnt ebenfalls 1946 und endet 1953, als beschlossen wurde, zusammen mit der MFST ein solches Heim mit Mitteln der Wiedergutmachungsleistungen zu bauen, in denen die Hälfte der Plätze für Emigranten reserviert ist. Es dürfte deutlich geworden sein, dass und wie die „Sozialarbeit“ das Standbein der Emigranten-Selbsthilfe war. Sie trug die Hauptlast der gesamten Arbeit, beanspruchte jedes Jahr mehr als zwei Drittel des Haushalts, wirkte nach innen und trat dadurch bestenfalls mit den Mitteilungen und den Rechenschaftsberichten, die erst ab 1949 veröffentlich wurden, öffentlich in Erscheinung.

2.9 Schlussbetrachtung



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Dagegen war die Kulturarbeit das Schwungbein der „E-S“. Diese Arbeit folgte seit der Gründung 1939 expressis verbis dem Motto „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Sie war neben der Sozialarbeit die zweitwichtigste Aufgabe und galt der „seelischen und geistigen Betreuung der von Unterhaltung und Zerstreuung ausgeschlossenen Neulinge“. Sie wandte sich aber nicht nur an ihre Mitglieder selbst, sondern wollte und sollte auch nach außen ausstrahlen. Ihr Ziel war ferner seit ihrem Beginn 1939 nicht zuletzt eine jüdisch-schwedische Öffentlichkeit, insbesondere die zionistischen Freunde und Förderer, die auch von Anfang an tatkräftig an der Arbeit selbst teilnahmen, aber auch bereitwillig spendeten, sowie interessierte Mitglieder der Mosaischen Gemeinde Stockholms, vielleicht auch den ein oder anderen Nichtjuden. Die Veranstaltungen und nicht zuletzt die fast immer darauf folgenden Teeabende und Teetafeln, für die ein kleiner Obolus zu entrichten und der Tee mitzubringen war, aktivierten die Mitglieder und stärkten den internen Zusammenhalt. Sie bildeten ein Hindernis gegen jegliche Isolation und waren gemeinschaftsbildend, was besonders für die „Neulinge“ in den Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren größte Bedeutung hatte. Die Kulturarbeit trug ferner zum großen Teil nicht nur die eigenen Unkosten, da man, wenn auch geringe, Teilnehmergebühren und Eintrittsgelder verlangen konnte, sondern erzielte sogar in den ersten Jahren einen Gewinn, wie die Angaben zu den Einnahmen erkennen lassen. Man zahlte im Allgemeinen auch den Mitwirkenden, Künstlern wie Rednern und Sprachlehrern, die fast ausnahmslos aus dem Kreis der Betroffenen stammten, ein Honorar und befolgte auch dadurch die Parole Emigranten helfen Emigranten Der Aufgabenbereich des Kulturausschusses war groß und vielseitig. Er umfasste die Organisation von Chanukka- und Purimfesten, von musikalischen Veranstaltungen, Theateraufführungen und Filmabenden sowie vielen Vortragsabenden, Sprachunterricht und Gymnastikkursen. Im Anhang wird die gesamte Tätigkeit in einem Veranstaltungskalender summarisch aufgelistet und die einzelnen Bereiche vorgestellt. 1949 hebt der Rechenschaftsbericht als positives Kennzeichen der Kulturarbeit, der Veranstaltungen, mit einigen Wörter besonders hervor, dass sie ein wichtiger „Treffpunkt“ der Emigranten seien, es ginge nicht zuletzt um die „frühere Heimatsprache“ und eben auch um „Unterhaltungen altgewohnter Art“. Man benutze, so 1950, die „Gelegenheit, sich mit ‚Bekannten bei dieser Gelegenheit zu treffen‘“. Diese „Gelegenheiten“ erfüllten zusammen mit den Teetafeln eine bedeutende soziale Funktion, auch wenn ihre Bedeutung abnahm und man nicht mehr den Andrang der Besucher ertragen musste, als, wie es ebenfalls 1950 hieß, in „der ersten Zeit die Polizei den Eingang sperren musste und vielen Einlassbegehrenden wegen Überfüllung des Saales den Zutritt verweigerte“.

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Vor allem ist wohl neben der Chanukka-Feier die Macht der Musik zu nennen, der überaus wichtige, oft Ausschlag gebende Faktor bei „Geselligen“ und „Bunten Abenden“, bei einem „Musik- und Rezitationsabend“. Sie lockte die Mitglieder zu Vorträgen und Generalversammlungen und war ein sehr bedeutender Bestandteil der Kulturarbeit der „E-S“, der zumeist von „Emigranten für Emigranten“ gestaltet wurde. In erster Linie wurde ‚hohe‘, fast durchgehend „klassische“ Musik in allen Formen gespielt. Komponisten aus dem deutschsprachigen Raum bestimmten wie zu „alten Zeiten“ das Repertoire der Abende. „Neue Musik“ kam fast gar nicht zu Gehör, und Musik jüdischer Komponisten kam bis auf Mendelssohn nicht zur Geltung. Vorträge waren vor allem in den Jahren von 1939 bis 1949 ein überaus wichtiger Teil der kulturellen Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe, wobei auch hier am Schluss fast immer zu einer Teetafel oder einer Teestunde eingeladen wurde, was den sozialen Neben- oder vielleicht auch Hauptzweck der Vorträge erneut unterstreicht. Weitaus die meisten der Redner stammten aus dem Kreis der „E-S“. Unter ihren Themen dominierten vor allem solche mit direktem oder gelegentlich auch indirektem Bezug zum Judentum. Sie waren in ihrer Mehrheit wie die Arbeitsgemeinschaften vor allem in dem ersten Jahr dazu geeignet – eventuell sogar zu dem Zweck bestimmt –, eine jüdische Identität festzuschreiben oder erst zu schaffen. Religion und der Staat Israel werden nur am Rande behandelt, und politische oder gar kontroverse Fragen wurden selbst nach Kriegsende nicht erörtert, sieht man von dem Vortrag von Wolfgang Steinitz im September 1943 und Norbert Masur im Januar 1943 ab. Die Vorträge waren auf den ‚Westen‘ ausgerichtet und die USA-Orientierung auffallend. Bezeichnend dürfte auch sein, dass die Vorträge mit drei Ausnahmen auf Deutsch gehalten wurden. Fundament, Standbein und Sprungbein der „E-S“ sollten in diesem Kapitel zu ihrem Recht gekommen sein. Es ist nur bedauerlich, dass absolut nichts über den Inhalt oder auch die Resonanz der Arbeit bekannt ist und es bei dieser Präsentation des rein Äußeren bleiben musste. Inhalt und Resonanz hätten aber wohl eine zweite Publikation in Anspruch nehmen müssen. Sie wird leider nie geschrieben werden können. Es muss bei dieser Würdigung der Leistung bleiben. Das letzte schriftliche Dokument der Emigranten-Selbsthilfe ist eine undatierte Einladung wohl von Anfang 1973. Sie kündigt an: „Die Generalversammlung der Emigranten-Selbsthilfe wird am Dienstag, dem 27. März 1973 um 19.30 im Sessionssaal, Wahrendorffsgatan 3, Stockholm, stattfinden“.

2.9 Schlussbetrachtung

1. 2. 3. 4. 5.



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Die Tagesordnung ist denkbar einfach: Rechenschaftsbericht des Vorstandes Revisionsbericht. Entlastung des Vorstandes Der Vorstand wird der Generalversammlung einen Vorschlag zwecks Auflösung der Emigranten-Selbsthilfe vorlegen. Uebrige Angelegenheiten

Zum Abschluss wird „Kaffee und Gebäck“ versprochen. Die Tätigkeit der Emigranten-Selbsthilfe und damit ihre Geschichte haben das Ende erreicht. Man kann der Einladung entnehmen, dass auch ihre letzten Vertreterinnen und Vertreter endgültig in Schweden angekommen, von Emigranten zu Immigranten geworden sind. Das „Ü“ einer deutschen Schreibmaschine ist durch das „Ue“ einer schwedischen ersetzt worden, das deutsche Emigrantengetränk „Tee“ durch das schwedische Allzeitgetränk „Kaffee“.

3 Die Emigranten-Selbsthilfe aus der Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes 3.1 Personenakten und systematische Aktenvernichtungen Die Emigranten-Selbsthilfe ist in Schweden nie Gegenstand polizeilicher Aufklärung oder Verfolgung gewesen, jedenfalls soweit das die Quellenlage aussagt. Die Leitung der „E-S“ war auch stets bemüht, politische Fragen von der Hilfsgemeinschaft fern zu halten und in der Öffentlichkeit Zurückhaltung zu üben. Davon zeugte unter anderem die erwähnte ablehnende Haltung von Wolfgang Steinitz gegenüber Walter Berendsohns Bemühungen, Vorträge für die „E-S“ stärker tagespolitisch auszurichten. Auch führende schwedische Zionisten im Umfeld der „E-S“, wie der Anwalt Stig Bendixon oder der Journalist Daniel Brick, verzichteten darauf, ihnen am Herzen liegende politische Fragen, wie die britische Palästina-Politik oder konkrete Hilfs- und Rettungsmaßnahmen, im Rahmen der Hilfsgemeinschaft zu diskutieren. Jedenfalls bis zur Kriegswende 1943 sah sich die EmigrantenSelbsthilfe in ihrer Kulturarbeit einzig der Pflege eines humanistischen deutschen Kulturerbes verpflichtet. Erst nach Bekanntwerden des Massenmordes an den europäischen Juden sowie einer zunehmenden Attraktivität des Volksfrontgedankens kam es zu einer zeitlich begrenzten Politisierung der Kulturarbeit, die aber nicht die Aufmerksam der Polizei auf sich gezogen hatte. Einige aus dem Kreis der Aktiven bzw. Funktionäre der „E-S“ waren aber auch anderweitig engagiert; und das nicht nur humanitär, sondern auch politisch im Rahmen illegaler Widerstandsarbeit gegen das nationalsozialistische Regime in Deutschland und in den okkupierten Ländern. Bei der Aufklärung dieser Aktivitäten durch die schwedischen Polizei- und Sicherheitsdienste fielen auch Informationen zur EmigrantenSelbsthilfe an. Die folgende Untersuchung beschränkt sich auf den Zeitraum von 1938 bis 1945. Nach Kriegsende wurden die Polizei- und Sicherheitsdienste Schwedens abgewickelt; für die Arbeit der Hilfsorganisation „E-S“ änderten sich die Voraussetzungen grundlegend. Viele ihrer Mitglieder waren nun stärker in anderen Organisationen aktiv und auch mit anderen Problemen befasst, darunter der Hilfe für den jungen Staat Israel. Schließlich sind auch die Sperrfristen für personenbezogene Akten zu berücksichtigen. Während des Krieges, aber zum Teil auch schon zuvor, führte in Schweden jedes antinazistische Engagement zu einer Registrierung bei der Polizei. Das galt sozialdemokratischen, kommunistischen und links-zionistischen Aktivitäten, wie auch den Hilfs- und Rettungsaktionen für verfolgte Juden in Europa. Eine polizeilihttps://doi.org/10.1515/9783110729511-003

3.1 Personenakten und systematische Aktenvernichtungen



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che Registrierung konnte im weiteren Verlauf zur Anlage von personen- oder sachbezogenen Dossiers führen, bisweilen auch zu Überwachung, Brief- und Telefonkontrolle. Aus der Emigranten-Selbsthilfe und ihrem direkten Umfeld betraf das zum Beispiel Walter A. Berendsohn, Daniel Brick, Albert und Jenny Cohen, Hans-Jürgen Cohn-Peters, Ernst Emsheimer, Jeanette und Jakob Ettlinger, Herman Greid, Hans Holewa, Fritz und Camilla Hollander, Ludwig Lewy, Norbert Masur, Wilhelm Michaeli, Wolfgang Steinitz, Maxim Stempel, Curt Trepte und Hugo Valentin. Für sie alle sind mehr oder weniger umfangreiche Personendossiers in Form von sogenannten HD-Akten und P-Akten überliefert und im Stockholmer Reichsarchiv einzusehen.1 Die auf uns überkommenden Akten geben jedoch nur bedingt ein Bild der damaligen Wirklichkeit wieder. Viele Personenakten sind durch systematische Aktenvernichtungen nicht mehr erhalten (dies gilt vor allem für HD-Akten) bzw. stark ausgedünnt. Selten oder nie sind personenbezogene Akten im Originalzustand überliefert.2 In den Jahren nach der Abwicklung des zivilen schwedischen Sicherheitsdienstes im Juni 1946 wurden die Akten für den Nachfolgedienst über mehrere Jahre neu sortiert und paginiert, dabei auch ausgedünnt. Bei der in Schüben erfolgten Aktenvernichtung bzw. Ausdünnung spielten neben archivtechnischen Anforderungen politische Entscheidungen die entscheidende Rolle. Sachakten waren in der Regel von solcherart Aktionen nicht betroffen.3 Alles Material, das durch Abhören von Telefonen sowie durch Post- und Telegrammkontrolle gewonnen worden war, sollte aufgrund einer Regierungsanweisung vom 13. Mai 1949 vernichtet werden. Allerdings gab es eine Einschränkung. Akten, die weiter für die Aufdeckung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit als relevant galten, waren davon ausgenommen.4 Die Lückenhaftigkeit der Personendossiers wurde Ende der 1990er durch eine staatliche Historikerkommission konstatiert und öffentlich diskutiert.5 Gerade in Fällen, die prominente Personen betrafen, waren Personendossiers aus der Kriegszeit nicht nur stark ausgedünnt, sondern wohl in den 1950er Jahren vernichtet worden. Anfang des Jahrzehnts war im Zusammenhang mit der Umstellung auf 1 Ds (Departementsserien) 2001:8 Säkerhetspolisen, S. 28–36. In der Regel wurde für Ehepaare eine gemeinsame Akte geführt. Was sich hinter den Abkürzungen HD und P verbirgt, ist nicht klar. HD könnte für „Hemliga diariet“ stehen, P für Person; doch existieren P-Akten auch zu Organisationen. Antwort vom Reichsarchiv Stockholm (folgend: RA), RA-FF 2022/069949, 2022-09-22. 2 Ds (Departementsserien) 2001:8 Säkerhetspolisen, S. 28–36. 3 Konstitutionsutskottets memorial Nr. 24/1945, S. 3. 4 Ds (Departements Serien) 2001:8 Säkerhetspolisen, S. 32. Vom schwedischen Polizeichef war im September 1948 angewiesen worden, Personen mit Kontakten zu extremen Parteien in einem Zentralregister zu erfassen, SOU 2002:89, S. 40. 5 SOU 1999:20; zur Vorgeschichte siehe auch Riksdagens protokoll 1945 andra kammaren nr. 33 (30.6.1945).

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3 Die Emigranten-Selbsthilfe aus der Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes

ein neues Archivsuchsystem (Flexosystem) unter anderem das Material über die Organisationen Antifaschistische Sammlung (Antifascistisk Samling) und deren quasi Nachfolgeorganisation Kämpfende Demokratie (Förbundet Kämpande Demokrati) vernichtet worden. Ende des Jahrzehnts wurde weiteres Material vernichtet.6 Eine solch’ umfassende Bereinigung des Materials war damit begründet worden, dass die Archivierung bestimmter Informationen ein Eingriff in die Privatsphäre sei. Offenbar galt dies sowohl für Personen, die mit dem Nationalsozialismus sympathisierten, sogenannte Deutschlandfreunde, als auch für Anti-Nazis, sogenannte Englandfreunde. Von Sympathisanten für den Kommunismus oder die Sowjetunion war hier nicht die Rede. Man darf annehmen, dass es sich bei diesen um „Fälle“ handelte, die weiter „für die Aufdeckung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit relevant“ waren.7 Das hat zur Folge, dass Akten aus diesem Spektrum augenscheinlich umfangreicher überliefert sind, als für England- oder Deutschland-Freunde. Man kann heute nicht mit Sicherheit feststellen, wer alles registriert war; die vorliegenden Dossiers lassen auch nur begrenzte Aussagen über Anlass bzw. Motiv einer Registrierung sowie über den Inhalt der Dossiers zu. Ursprünglich bestanden neben der Hauptakte Nebenakten, in denen Zeitungsausschnitte, Überwachungsprotokolle, beschlagnahmte Briefe oder zensiertes Material gesammelt wurden.8 Von dieser Gliederung sind heute eher selten Spuren erhalten. Teile der Nebenakten sind nach 1945 in die Hauptakte überführt worden. Da die Personendossiers ab 1939 nach Tagebuchnummern (Diarienummer) angelegt wurden, geben diese zumindest über die Chronologie Auskunft und in etwa auch über den Zeitpunkt ihrer Anlage. Die personenbezogenen Akten waren seinerzeit in kleinere (HD-Akten) und größere Fälle (P-Akten) aufgeteilt; die kleineren wurden in Ordnern und die größeren in Hängemappen aufbewahrt. Wenn ein polizeiliches Interesse an einer Person bzw. Organisationen bestand, wurde eine „HD“ (oder „Hd.“) Akte angelegt (1939/40 auch „ÄD“). In den Jahren bis Kriegsende wurden über 20.000 solcher einfachen Personendossiers angelegt.9 In diesen Dossiers wurden von der Polizei Informationen gesammelt, nach denen eingeschätzt wurde, ob die jeweilige Person oder Organisation als Sicherheitsrisiko für Schweden zu betrachten wären. Wenn nicht, wurde die Untersuchung eingestellt und die 6 SOU 2002:89, S. 21 (Anm. 35) 7 Ds (Departementsserien) 2001:8 Säkerhetspolisen, S. 31–33. 8 A, B (bei Haussuchung beschlagnahmte Briefe), C = censurmaterialet (Zensurmaterialien), FA, R, T = Tidningsklipp (Zeitungsausschnitte), Ö = Övervakning (Überwachung). 9 Archivverzeichnis Stockholms Kriminalabteilung. 6:e Roteln. Registerkort till HD-handlingar D I. 1940: 1–8164; 1941: 1–5052; 1942: 1–2037; 1943: 1–1989; 1944: 1–1810. Archivverzeichnis Säkerhetspolisen. ÄD-ärenden 1940: 47–2327; Avställda HD-ärenden 1940: 16–8009; 1941: 79–5000; 1942: 111–2018; 1943: 23–1988; 1944: 1–1808. Ab 1944 HU-ärenden, 1944: 2–471; 1945: 5–96; HA-ärenden 1944: 8–2373; 1945: 3–1529.

3.2 Erste Informationen zur Emigranten-Selbsthilfe bei der Polizei



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HD-Akte archiviert (abgestellt); bei Bedarf konnte sie aber wieder geöffnet werden.10 Im Zweifelsfall folgten Brief- und Telefonüberwachung, Beschattung, Durchsuchung und Verhör. Wenn sich ein Verdacht bestätigte und die Materialsammlung sich ausweitete, wurde eine P-Akte angelegt. In offiziellen Auskünften der Polizei an Regierungsstellen wurden seinerzeit beide Aktentypen gleichberechtigt nebeneinander genannt. Offenbar sind nach 1945 HD-Akten bei Vorhandensein einer P-Akte in diese eingegangen. Bei der Löschung von personenbezogenen Daten nach 1945 war ein Erhaltungsinteresse nicht als wichtig erachtet worden. Erst in den 1990er Jahren setzte sich die Auffassung durch, dass die Akten auch einen historischen Wert hätten. Wenn den personenbezogenen Daten ein solcher Wert zuerkannt worden war, wurden sie aus dem Zentralregister in ein historisches Register überführt. Ein neues Archivgesetz, das im Juli 1991 in Kraft trat, regelt die Aktenvernichtung künftig so, dass die Bedeutung von Akten als Teil des Kulturerbes sowie Ansprüche der historischen Forschung berücksichtigt werden.11

3.2 Erste Informationen zur Emigranten-Selbsthilfe bei der Polizei Für die Ausländerkontrolle und die Registerführung war seit 1918 bei der Stockholmer Polizei eine eigenständige Einheit zuständig. Im Rahmen einer Um- und Neustrukturierung der schwedischen Armee im Jahr 1936/37 wurde beim neugeschaffenen Verteidigungsstab eine Nachrichten- und Sicherheitsabteilung gebildet, die ähnliche Aufgaben wahrnahm. Sie arbeitete mit der deutschen Abwehr zusammen, wobei beide Seiten Wert auf Geheimhaltung legten.12 Auf Initiative des Verteidigungstabes verabschiedete die Regierung im Juni 1938 eine geheime Proklamation zur Einrichtung eines polizeilichen zivilen Sicherheitsdienstes, der „im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr“ in Funktion treten sollte.13 Dieser würde dann die Aufgabe haben, „die Übermittlung von Kriegsmeldungen an Unbefugte im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr zu verhindern“. Dafür würde es ihm erlaubt sein, den Post-, Telegrafen-, Telefon- und Funkverkehr, die Schienenund Straßen-, See- und Luftverbindungen als auch „verdächtige Personen“ zu 10 Wie im Fall von Hugo Valentin – siehe weiter unten. 11 Ds (Departementsserien) 2001:8 Säkerhetspolisen, S. 31–33. 12 Björkman, Säkerhetstjänsten, S. 70–72; Carlgren, Svensk underrättelsetjänst, S. 87; McKay, From information to intrigue, S. 154; Wechselmann, De bruna förbindelserna, S. 64–69. 13 Hemlig: KM kungörelse med särskilda bestämmelser angående den allmänna säkerhetstjänsten vid krig eller krigsfara (allmän säkerhetskungörelse), 10.6.1938; Björkman, Säkerhetstjänsten, S. 7–73.

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überwachen. Der Dienst, dessen Existenz geheim bleiben sollte, würde direkt der Regierung unterstehen. Alle Maßnahmen sollten in Abstimmung mit der militärischen Führung des Landes und den betroffenen Behörden erfolgen.14 Für die polizeiliche Überwachung eines Ausländers/Flüchtlings reichte eine einfache Denunziation aus, anonym oder zum Beispiel durch die Concierge. Aufgrund loser Verdachtsmomente gelangte aus dem Personenkreis der „E-S“ noch vor deren Bildung der Komponist, Pianist und Musikpädagoge Hans Holewa in die Akten der Polizei.15 Holewa war Anfang August 1937 nach Schweden gekommen; seine Frau Alica folgte ihm etwa zwei Monate später. Bei der Einreise hatte er als Grund die schlechte wirtschaftliche Situation in seinem Heimatland angegeben; von politscher Verfolgung oder einem antifaschistischen Engagement war zu diesem Zeitpunkt keine Rede. In seiner ersten Zeit in Schweden arbeitete Holewa an der Viggbyholmsskolan, einem modernen Internat für Jungen und Mädchen. Dort kam er mit Kreisen der politischen Linken in Kontakt. Offenbar allein durch diesen Umgang verdächtig, geriet er ins Visier der Polizei.16 Zu seinem engstem Kreis gehörte der antinazistische Journalist Kurt Singer (Deutsch), der sich nach seiner Flucht nach Schweden dort weiter politisch engagierte.17 Singer war Mitte der 1930er Jahre auch für die von Daniel Brick herausgegebene Zeitschrift Judisk Krönika ein wichtiger politischer Autor. Doch Singer arbeitete auch als vertraulicher Informant der politischen Polizei. Nach Darstellung in seiner Autobiographie (1980) hatte besonders seine Tätigkeit im Intellektuellen-Komitee Mia Leche Löfgrens das Interesse von Thorsten Söderström von der politischen Polizei geweckt.18 Flüchtlingsorganisationen wurden von der Polizei nicht nur beobachtet, um sich Informationen über politische Emigranten und deren „Gefährlichkeit“ zu beschaffen, sondern auch um allgemeine Informationen über die Zustände im Ausland zu erhalten. Im Intellektuellen-Komitee, das sich an intellektuelle Flüchtlinge richtete, hauptsächlich Opfer der NS-Rassenpolitik, hatte Singer 1935 eine Beraterrolle übernommen.19 Flüchtlinge verfügten, wie es Singer ausdrückte, über „einen ungenutzten Reichtum an Geheimdienstinformationen“, und seine Aufgabe sei es gewe14 Zum geschichtlichen Hintergrund siehe das Findbuch Allmänna säkerhetstjänsten 1938–1946. SE/RA/420004, Riksarkivet, Einleitung (Tommy Eriksson, 1994); Björkman, Säkerhetstjänsten; 1914–2014: 100 år. 15 Rosengren, Från tysk höst till tysk vår; ders., Fünf Musiker im schwedischen Exil. 16 Holewa wurde 1948 schwedischer Staatsbürger und 1979 Mitglied der Königlichen Musikakademie (Kungliga Musikaliska Akademien), Rosengren, Från tysk höst, S. 258–260; ders., Hans Holewa. 17 Lehnert, „Kurt Singer“. 18 Singer, I Spied and Survived, S. 113. Siehe auch Erickson, Tillkomsten av en civil säkerhetstjänst S. 33. 19 Zum Komitee siehe Müssener, Exil in Schweden 1974, S. 81–83.

3.2 Erste Informationen zur Emigranten-Selbsthilfe bei der Polizei 

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sen, diese für Söderström „abzuschöpfen“.20 Dessen Angebot, als Informant der Polizei zu arbeiten, will Singer bereits 1936 angenommen haben. Im Gegenzug habe dieser geholfen, Singers in Deutschland verbliebene Frau nach Schweden zu holen.21 Wie Holewa fand offenbar auch der Musikforscher und Musikethnologe Ernst Emsheimer aufgrund seiner Kontakte mit linken Kreisen zeitig das Interesse des Sicherheitsdienstes, wie die niedrige Nummer seiner P-Akte zeigt. Der Anlass ist unklar.22 Von der Existenz der Emigranten-Selbsthilfe erfuhr die Polizei kurz nach deren Gründung von dem Musikhistoriker, Musiker, Autor und Sprachlehrer Maxim Stempel, als dieser zu seinem Antrag auf einen Fremdenpass am 2. Dezember 1938 gehört wurde. Stempel hatte sich bei seiner Ankunft in Schweden im April 1937 als österreichischer Offizier präsentiert und dazu auch in der Presse veröffentlicht.23 Vom Intellektuellen-Komitee als politischer Flüchtling anerkannt, war ihm anstandslos eine Aufenthaltsgenehmigung gewährt worden. Gegenüber der Polizei erklärte er, sich in Schweden nur mit Kunst und Musik zu befassen. Er verneinte, sich im Gastland irgendeiner politischen Organisation angeschlossen zu haben, oder politische Propaganda zu betreiben. Bei dieser Gelegenheit berichtete er, dass er vor einiger Zeit einen von Deutschen und Schweden unterzeichneten Brief erhalten habe, mit der Aufforderung, eine wohl gerade neugebildete politische Flüchtlingsorganisation mit dem Namen „Emigranternas Självhjälp“ (so im Original) zu unterstützen. Das Schreiben sei unter anderen von „Professor Grünewald, Anwalt Bendixon und einer Vielzahl von Juden“ unterzeichnet gewesen. Stempel erklärte sich bereit, dieses Schreiben der Kriminalpolizei zur Verfügung zu stellen.24

20 Singer, I Spied and Survived, S. 114. 21 Dazu mehr bei: Thunberg, Karin Lannby. 22 RA, Säpo, P 879 (Hd. 4114/1940); ein einleitendes Resümee vom 21.4.1949 sagt aus, dass über Emsheimer, außer, dass er nach eigener Angabe in Deutschland in der SPD aktiv gewesen war, aus der Sowjetunion nach Schweden kam, und 1943 zu Unterzeichnern des „Oktober-Aufrufs“ gehörte, „nichts von Gewicht“ bekannt sei. Emsheimer wurde 1949 schwedischer Staatsbürger. Doch noch im selben Jahr wurde er der sowjetischen Spionage verdächtigt; erst 1966 wurde die Verdächtigung fallen gelassen. Knickmann, Ernst Emsheimer; siehe auch Rosengren, Från tysk höst, S. 178–181; 23 In: Stockholmstidningen 1938-02-20. Zu Stempels Biographie siehe Rosengren, Maxim Stempel. Stempel wurde 1947 schwedischer Staatsbürger und trat der Schwedischen Kommunistischen Partei bei. 24 PM ang. f. d. österrikisk medb. Maxim Stempel (2.12.1938), RA, Säpo, P 813, A1. Das Schreiben der „E-S“ findet sich nicht in der Akte.

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3.3 Spitzel und Denunzianten über die Emigranten-Selbsthilfe Im Herbst 1939 wurde die „E-S“ verdächtigt, eine sogenannte Volksfrontorganisation zu sein. In ihr würden Informationen von Flüchtlingen abgeschöpft und der sowjetischen Seite zur Verfügung gestellt. Diese Verdächtigungen kamen sowohl von einem V-Mann der Gestapo als auch von einem Informanten der schwedischen politischen Polizei. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) verfügte in Skandinavien über eine stattliche Zahl von V-Leuten, bezahlten Spitzeln und durch Erpressung zur Kooperation gezwungenen Überläufer. Mit ihrer Hilfe wurden die Hitlerflüchtlinge von deutscher Seite seit 1933 überwacht und verfolgt.25 Zu den zu bekämpfenden politischen Gegnern des Nationalsozialismus zählte die Gestapo auch Pazifisten und „Angehörige der jüdischen Intelligenz“. Alle Staatspolizeileitstellen waren angewiesen, Emigrantenlisten zu erstellen, nach denen in Berlin eine zentrale Kartei angelegt wurde.26 Die Gestapo arbeitete dafür auch mit Polizeiorganen und Nachrichtendiensten der Emigrationsländer zusammen. In Schweden war man zunächst auch durchaus bereit, den deutschen Stellen entgegen zu kommen.27 Die Gestapo-Spitzel arbeiteten meist unter Zwang. Seit Juli 1935 galt die Weisung, dass Entlassungen von Kommunisten aus Konzentrationslagern und Gefängnissen nur noch statthaft wären, wenn sich die Betroffenen zur Spitzeltätigkeit verpflichteten oder auf andere Weise erkennen ließen, dass sie bereit wären, ihre politische Überzeugung aufzugeben.28 So gewonnene V-Männer konnten sich auch überaus engagiert zeigen, wie im Fall des ehemaligen Hamburger Kommunisten Hugo Willsch.29 Hugo Willsch war 1928 Mitglied der KPD geworden und hatte seit Januar 1933 illegal gegen das NS-Regime gearbeitet. Anfang November 1934 wurde er festgenommen und zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung wurde er als V-Mann verpflichtet. Da er durch seine Stiefmutter über schwedische Sprachkenntnisse verfügte, war er für einen Einsatz in Schweden vorgesehen.30 In Stockholm sollte Willsch zu „politischen Flüchtlingen“ und ausdrücklich auch zu „jüdischen Emigranten“ Kontakte suchen. Aus Sicht seiner Auftraggeber galt es, beide Gruppen aufzuklären und zu bekämpfen, da deren Wirken nicht nur innenpolitisch negative Auswirkungen auf Deutschland hätte, sondern 25 Roth, Hitlers Brückenkopf, S. 144–161. 26 Runderlass vom 4.5.1933, zitiert in: Tutas, Nationalsozialismus und Exil, S. 67. 27 Böhme, Svensk polis och Gestapo. Dt. Ges. Stockholm v. 26.10.1934 – PA Inland II A/B 83-60. Komm. u. marx. Zersetzungsarbeit, Bd.3, zit. in: Tutas, Nationalsozialismus und Exil S. 40–41. 28 Kaufmann (Red.), Der Nachrichtendienst der KPD, S. 406, Anm. 95. 29 BArch, ZA VI 3502 A3, S. 20; RA, Säpo, P 1178. 30 Suhling, Der unbekannte Widerstand, S. 129–131.

3.3 Spitzel und Denunzianten über die Emigranten-Selbsthilfe



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auch Deutschlands Ansehen im Ausland, in diesem Fall in Schweden, schaden würde. So jedenfalls erklärte Willsch es später bei der schwedischen Polizei. Seine Darstellung deckt sich mit der Aufgabenstellung anderer V-Leute in Skandinavien. So sollte sich ein V-Mann der Berliner Gestapo, der das Grenzsekretariat der SOPADE in Kopenhagen unterwandert hatte, in der dänischen Hauptstadt auch um Kontakte zu deutschen Juden bemühen.31 Zunächst sollte Willsch sich als politischer Flüchtling in Stockholm legalisieren, was aufgrund seiner früheren Kontakte im Hamburger KPD-Milieu aussichtsreich schien. Sein Stockholmer Einsatz war gut vorbereitet; zu seiner Legendierung hatte er im Hamburger jüdischen Viertel, Grindelhof 33, eine Wohnung bekommen. Zur Unterstützung seiner Glaubwürdigkeit sollte er sich eine Empfehlung von einer in Flüchtlingskreisen angesehenen Persönlichkeit besorgen. Da es der Gestapo bereits gelungen war, in der dänischen Hauptstadt über V-Personen bis an die Führungspositionen der Exilorganisationen heranzukommen, verfügte sie über entsprechende Personenkenntnisse.32 Die Wahl fiel auf Walter A. Berendsohn, der bereits im Herbst 1934 ausgebürgert worden war, weil er sich in Kopenhagen in Flüchtlingsfragen im linken Spektrum engagiert zeigte.33 In der dänischen Hauptstadt konnte Willsch ihn allerdings nicht antreffen. Gelegenheit bot sich im April 1939 in Stockholm anlässlich eines Vortrages von Berendsohn über Strindberg für die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit. Wie von seinen Auftraggebern erwartet, machte die kommunistische Vergangenheit ihres Spitzels in Stockholm Eindruck. Über Berendsohn konnte Willsch weitere politische Flüchtlinge kennenlernen, darunter Josef Wagner, den Berendsohn aus Hamburg kannte.34 Für die folgenden Wochen und Monate ahnte keiner von ihnen, dass Willsch sie als V-Mann der Gestapo auskundschaftete. Doch der schwedischen Polizei war Willsch als verdächtig aufgefallen, und sie hatte ihn unter Bewachung gestellt. Als Willsch das bemerkte, stellte er sich am 14. August bei der Polizei und gab freimütig an, Mitarbeiter der Agentur Weltdienst in Erfurt zu sein. Für diese hätte er im vergangenen Jahr Informationen zu „politischen Flüchtlingen“ und „jüdischen Emigranten“ in Stockholm bzw. in anderen nordischen Ländern aus ausländischen Zeitungen gesammelt und ausgewertet. Nun sollte er diese Personengruppen vor Ort auskundschaften. Über die Rolle des Weltdienst, Internationales Institut zur Aufklärung über die Judenfrage, hatte bereits Daniel Brick in Judisk Krönika im Zusammenhang mit der Auswertung des Berner

31 Eiber, Richard Hansen, S. 437, Anm. 44. 32 Eiber, Richard Hansen, passim. 33 Ausbürgerung Liste 6, PA AA, RZ 214, Blatt 98–123. 34 Göteborgs Handels- och Sjöfarts-Tidning, 23.8.1939; Socialdemokraten (Köpenhamn) 1939-08-23; Dagens Nyheter 1939-08-23.

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3 Die Emigranten-Selbsthilfe aus der Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes

Prozesses um die „Protokolle der Weisen von Zion“ 1935 ausführlich berichtet.35 Schon damals hatte sich der Weltdienst erfolgreich bemüht, in schwedische antisemitische Kreise einzudringen und neue Anhänger zu gewinnen.36 Willsch stellte der schwedischen Polizei seine frisch erworbenen umfangreichen und detaillierten Kenntnisse über das KPD-Exil in Stockholm bereitwillig zur Verfügung, und bot der schwedischen Polizei zudem an, seine Spitzelarbeit unter den politischen Flüchtlingen in Stockholm für sie fortzusetzen.37 Doch die war skeptisch, denn sie war sich über Willschs Rolle als V-Mann der Gestapo durchaus im Klaren. Sie machte den Fall öffentlich; Svenska Dagbladet in Stockholm, Socialdemokraten in Kopenhagen und weitere Zeitungen berichteten am 23. August 1939 ausführlich und groß aufgemacht über den Fall.38 Willschs Kontakte wurden namentlich genannt, darunter Berendsohn und Wagner. Da für die schwedische Polizei alle Kontaktpersonen als in eine „Spionagesache“ verwickelt galten, brachte das Schwierigkeiten für die Betroffenen. Berendsohn sollte zum Beispiel das Visum für die Einreise zum PEN-Kongress in Stockholm im September verweigert werden.39 Die schwedische Polizei wollte es sich mit den Deutschen aber nicht verderben. Da kein Zweifel an Willschs straffälliger Ausspionierung sowohl von politischen Flüchtlingen als auch schwedischen Staatsbürgern und politischen Organisationen bestand, und er die Ergebnisse seiner Nachforschungen einer fremden Macht übermittelt hatte, konnte man ihn nur verurteilen oder ausweisen. Am 1. September 1939 berichtete Svenska Dagbladet, dass Willsch unmittelbar ausgewiesen werden würde.40 Vor seiner Abschiebung hatte der V-Mann Willsch auch eine Einschätzung zur Emigranten-Selbsthilfe geliefert. Die Volksfront (Folkfronten)41 hätte einen cleveren Schachzug getan, so Willsch, indem sie sich entschied, die „E-S“ zu unterstützen. In dieser Organisation hätte Ludwig Lewy als Sekretär eine große Funktion gehabt. Alle neu angekommenen Emigranten hätte er betreut und die ihm alles erzählt, was sie wüssten, und ihm oft auch anderweitig geholfen. Die von Lewy auf breiter Front gesammelten Informationen seien dann der Volksfront zur Verfügung gestellt worden, d. h. der Komintern, wie Willsch vermutete. Er ließ nicht unerwähnt, 35 Das Pamphlet, das 1934 auch in Schweden erschienen war, wurde in Bern als Phantasieprodukt entlarvt. Brick, Rättegången. 36 Wärenstam, Fascismen och nazismen, S. 60–61; SOU 1946:86, S. 22. 37 Svenska Dagbladet, 1939-08-23/3. 38 Svenska Dagbladet, Socialdemokraten, 1939-08-23. 39 PM, 29.9.1939 (Söderström), in: Vogt, Hemmelig stemplet, S. 217. Verhör mit Wagner, 13.11.1941, RA, Säpo, P 534. 40 Svenska Dagbladet, 1939-09-01/4. 41 Zu Folkfronten, die aus dem Kern der Abstinenzbewegung der Arbeiterbewegung Verdandi in Göteborg entstanden war, siehe Drangel, Den kämpande demokratin, S. 18–20.

3.3 Spitzel und Denunzianten über die Emigranten-Selbsthilfe



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dass die Emigranten-Selbsthilfe zur Repräsentation gute schwedische Namen erhalten hätte.42 Zum Engagement von Ludwig Lewy in der „E-S“ kamen kurz darauf ähnliche Warnungen von Kurt Singer, der für den schwedischen Sicherheitsdienst mit der Abschöpfung von Emigranten befasst war. In einem Postskriptum zu einem Bericht vom 15. September 1939 – für den „sehr geehrten Herren Söderström“ – hieß es: „Wussten Sie, dass Lewy in der Emigrantenselbsthilfe sitzt und dort Interviews mit allen Flüchtlingen führt und sich dadurch einen Überblick über alle Emigranten, ihre Pläne, Verbindungen usw. verschafft? Ich denke, er ist tatsächlich eine Gefahr für alle Exilanten dort, gerade weil man damit rechnen muss, dass er den Kommunisten einiges mitteilt.“43

Der so verdächtigte Sekretär der „E-S“ war tatsächlich im antinazistischen Widerstand aktiv. Ludwig Lewy galt als ein vielseitiger und umtriebiger Mensch, als jemand der „an fünf Telefonen gleichzeitig telefoniert“, wie ihn ein ehemaliger Angestellter und Bankkollege aus Berliner Zeiten erinnerte.44 Unter anderem schickte Lewy dem Leiter der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) Edo Fimmen aktuelle politische Kommentare für die Gewerkschaftspresse.45 Beide kannten sich aus Amsterdam, und Lewy hatte diesen Kontakt von Schweden aus fortgesetzt. Seine Informationen erhielt Lewy von politischen Flüchtlingen, die in Schweden ankamen, oder auch von schwedischen und deutschen Geschäftsleuten, die nach Deutschland reisten. Solche Informationen wurden über Tarnadressen an Lewy geleitetet, wie er später bei der Polizei aussagte. Seine Aktivitäten hatten bereits zur Jahreswende 1937/38 das Interesse der Polizei geweckt.46 Als sich diese Ende 1938 ein Bild von der politischen Emigration in Stockholm machte, ordnetet sie Lewy innerhalb der sozialdemokratischen Emigration bereits der radikalen Gruppe zu, die für eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten eintrat.47 Ludwig Lewy schätzte seine gefährdete Lage als aktiver politischer Flüchtling zeitig richtig ein und übergab noch im Herbst 1939 die Funktion des Sekretärs der EmigrantenSelbsthilfe an den Architekten Siegfried Pawel. 42 PM, 3.3.1940, RA, Säpo, P 221 A1. 43 Bericht von A. J., 15.9. (1939), RA, Säpo, P 768. 44 Englich, Den osynliga fronten, S. 106. 45 Die ITF spielte ab 1933 auf internationaler Ebene eine wichtige Rolle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Fimmen war von 1912 bis 1942 ihr Generalsekretär. Er unterstützte verschiedene Widerstandsgruppen im Deutschen Reich und versorgte die Staaten der Anti-Hitler-Koalition mit militärisch relevanten Nachrichten. Im August 1939 hatte er die ITF-Leitung nach London verlegt. Nelles, Widerstand und internationale Solidarität. 46 P. M. till herr Polismästaren (Lundquist 18.2.1938), RA, Säpo, P 221 A1. 47 RA, Säpo, P 221 A1.

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3 Die Emigranten-Selbsthilfe aus der Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes

3.4 Sachliche Informationen prägen das Bild der „E-S“ Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 war Stockholm zu einem wichtigen Stützpunkt nachrichtendienstlicher Aktivitäten der kriegführenden Staaten geworden. Als nichtkriegführendes bzw. neutrales Land verschärfte Schweden zunächst die Strafgesetzgebung. Fortan war eine Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen strafbar, die den „freundschaftlichen Verbindungen“ des Landes mit dem Ausland Schaden zufügen könnten.48 Nun trat der zivile Allgemeine Sicherheitsdienst (Allmänna säkerhetstjänsten) in Aktion. Doch dessen Existenz sollte noch auf Jahre vor der Öffentlichkeit und dem Reichstag geheim gehalten werden. Chef des Dienstes wurde Eric Hallgren, ein in Polizeifragen auch international erfahrener politischer Beamter. Die Arbeit des neuen Sicherheitsdienstes war auf mehrere Bezirke verteilt und wurde in verschiedenen Strukturen verdeckt organisiert. Aufgrund der Notwendigkeit der Überwachung von Ausländern und der Kommunikation war der Leiter der Stockholmer Polizei Martin Lundqvist de facto operativer Chef des Sicherheitsdienstes. Stockholm verfügte über Abteilungen für die Überwachung/Beschattung, die Telefonüberwachung und die Postkontrolle.49 Ab April 1940 wurden die 6. Abteilung (Rotel) der Stockholmer Ortspolizeiorganisation, die 1923 zur Bekämpfung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit gegründet worden war, und die 3. Abteilung der Kriminalpolizei der Stockholmer Staatspolizei, die am 6. September 1939 zur Untersuchung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit eingesetzt worden war, unter dem Namen 6. Abteilung (Rotel) zusammengefasst und der Stockholmer Kriminalpolizei unterstellt. Zur ihr gehörten vier sogenannte Büros. Das erste Büro unter Leitung von Erik Lönn war für die Überwachung der sowjetischen und kommunistischen Aktivitäten zuständig,50 das zweite Büro unter der Leitung von Wilhelm Magnusson und Thorsten Söderström für die Überwachung der Aktivitäten Nazideutschlands und seiner Verbündeten, das dritte unter der Leitung von Nils Fahlander und später Otto Danielsson überwachte die Aktivitäten der Briten und anderer Alliierter einschließlich der Norweger und Dänen. Das vierte Büro verwaltete die Unterlagen des Sicherheitsdienstes für das gesamte Land.51 Dieser zivile Sicherheitsdienst arbeitete eng mit dem militärischen Sicherheitsdienst und 48 Flyghed, Rättsstat i kris, 283–285; SOU 1964:15. 49 Die Arbeit wurde auf drei Büros aufgeteilt. Das Zentralbüro (Centralbyrån) war für die Kontrolle der Kommunikation zuständig, das Überwachungsbüro (Spaningsbyrån) für das Aufspüren und Verfolgen von Aktivitäten und die Untersuchung von Verbrechen gegen die nationale Sicherheit und deren Täter, und das Verwaltungsbüro (Expeditionsbyrån) für die Überwachung von Finanzangelegenheiten sowie die Verwaltung. Flyghed, Rättsstat i kris, 283–284. 50 Die korrekte Bezeichnung des ersten Büros war: „2:a sektionen, 6:e rotelns 1:a byrå“. 51 Flyghed, Rättsstat i kris, S. 285; SOU 1964:15, S. 14.

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dem geheimen militärischen Nachrichtendienst zusammen, deren Abteilungsleiter sich regelmäßig trafen.52 Wolfgang Steinitz war aufgrund seiner Russland-Erfahrungen für den militärischen Nachrichtendienst bei Kriegsausbruch offenbar von Interesse. Jedenfalls bat Thorwald Lindquist von der innenpolitischen Abteilung beim Verteidigungsstab die zivile Polizei um Informationen zu dem „vermutlich russisch-deutschen Dr. Steinitz“, wohnhaft in Stocksund, da dieser dem Stab Informationen geben sollte.53 Von der Polizei in Stocksund wurde Steinitz am 20. September vorgeladen. Bei diesem Gespräch gab er über seine aktuellen Verhältnisse Auskunft, darunter über seine Vorlesungstätigkeit an der Stockholmer Hochschule und zu seiner Mitgliedschaft „in einem Intellektuellenkomitee“. Er informierte darüber, dass bei ihm sein Schwager Dr. Hans-Jürgen Cohn-Peters und dessen Frau Ruth, sowie zwei minderjährige Kinder wohnten. Cohn-Peters habe ein Visum für Frankreich beantragt, wo er eine Anstellung an der Hochschule in Paris als Physiker in Aussicht habe. Auf Vermittlung von Professor Siegbahn würde er zwischenzeitlich Studien am Forschungsinstitut für Physik an der Königlichen Wissenschaftsakademie betreiben. Bei diesem „Gespräch“ nahm Steinitz auch Gelegenheit, ausführlich die Emigranten-Selbsthilfe als unpolitische soziale Hilfsorganisation vorzustellen. Der Polizeibeamte notierte, dass sowohl Steinitz als auch Cohn-Peters in der sozial und kulturell tätigen sogenannten Emigranternas Självhjälp (!) in Stockholm aktiv sein. Deren soziale Tätigkeit umfasse Beratung und Hilfstätigkeit hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitsvermittlung, ärztliche Hilfe, Wohnungsvermittlung und Haushaltshilfe. Die Kulturarbeit bestehe vorwiegend aus Sprach- und allgemeinbildenden Kursen sowie Gymnastik und anderem Sport. Diese Tätigkeit würde in der Regel am Abend liegen, weshalb vor allem Cohn-Peters oft abends nach Stockholm fahren müsse; Cohn-Peters sei auch Mitglied im Chor von Birkagården. Steinitz übergab bei dieser Gelegenheit auch den schwedischen Rechenschaftsbericht von Ende August 1939. Aus diesem ging deutlich hervor, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit der „E-S“ im sozialen Bereich lag. Die hier genannten Vortragenden im Rahmen der Kulturarbeit fanden offenbar ein polizeiliches Interesse; jedenfalls sind ihre Namen hier rot unterstrichen worden.54 Die Polizei ließ sich alle Angaben durch den von Steinitz erwähnten Professor Manne Siegbahn vom neu eingerichteten Nobel-Institut für Physik bestätigen. Auch Professor Oskar Klein hatte bestätigt, Steinitz und Cohn-Peters gut zu kennen; keiner von ihnen sei 52 SOU 1964:15, S. 16. 53 PM, Stockholm, 2.9.1939 (V. Magnuson); RA, Säpo, P 1448 Serie A, 2 Bd., 1. Bd. 54 Unterstrichen sind Ehrenpreis, Cassirer, Klein, Berendsohn, Hertha Fischer, Greid, Holewa und Maria Spilga. Der Rechenschaftsbericht findet sich in der P-Akte von Cohn-Peters. RA, Säpo, P 1445.

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irgendwie politisch interessiert; sie beschäftigten sich ausschließlich mit wissenschaftlicher Arbeit.55 Die Polizei in Stocksund stellte noch am selben Tag die Informationen über Steinitz und Cohn-Peters dem militärischen Nachrichtendienst zur Verfügung. Die „E-S“ wurde hier ganz im Sinne der Darstellung von Steinitz ausführlich beschrieben; auch eine Kopie des Rechenschaftsberichts war beigelegt.56 Noch im selben Monat sollte die „E-S“ im Zusammenhang mit einer Beschwerde von Berendsohn erneut in den Polizeiakten auftauchen. Aufgrund seines heftigen Einspruchs gegen Verdächtigungen im Zusammenhang mit dem Gestapo-Spitzel Hugo Willsch und der daraus resultierenden Verweigerung eines Einreisevisums nach Schweden hatte das schwedische Außenministerium bei der Polizei Auskünfte zu Berendsohn angefordert. Ende September 1939 legte Thorsten Söderström die gesammelten Kenntnisse zu Berendsohn vor. Bekannt war, dass dieser seit 1932 aktiv die kommunistische Internationale Rote Hilfe unterstützte. Durch einen vertraulichen Informanten der Polizei hätte man auch erfahren, dass er in den letzten zwei Jahren an der kommunistischen, in Moskau erscheinenden Zeitschrift Das Wort mitgewirkt habe.57 Zwar sei Berendsohn selbst nicht Kommunist, würde von den Kommunisten aber fleißig ausgenutzt werden. Er gehörte zur sogenannten Volksfront (Folkfronten). Ohne Wertung wurde allgemein festgestellt, dass Berendsohn auch gute Verbindungen zu der hiesigen Emigranten-Selbsthilfe unterhalte.58 Weitere Nachforschungen zur „E-S“ waren offenbar nicht erfolgt. So fand bei einer Abklärung zu Fritz Hollander im Oktober 1939 die Hilfsorganisation keine Erwähnung. Hintergrund für das Interesse an Hollander waren lose, seine durchreisenden Verwandten betreffende Verdachtsmomente, die schnell zerstreut werden konnten. Die dabei über Hollander gesammelten Informationen enthielten auch nichts Nachteiliges, dies galt auch für eine Nachfrage beim Verteidigungsstab. Doch über seine zahlreichen In- und Auslandsreisen wurde eine Liste erstellt.59 Die „E-S“ spielte auch keine Rolle als Maxim Stempel Ende Oktober 1939 aufgrund einer offensichtlich ebenfalls unbegründeten Denunziation in den Verdacht geriet, Kontakt zum französischen Geheimdienst zu haben. Bei der Aufklä-

55 Verhör mit Steinitz, PM 20.9.1939, RA, Säpo, P 1448. Über einen späteren Kontakt zwischen dem Verteidigungsstab und Steinitz ist nichts bekannt. 56 Senander (Stocksund) an Lindquist, PM, 20.9.1939, RA, Säpo, P 1445. 57 Diese deutsche literarische Exilzeitschrift erschien ab Juli 1936 monatlich in Moskau. Herausgeber waren Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger und Willi Bredel, Chefredakteur Fritz Erpenbeck. 58 PM ang. professor W. A. Berendsohn (Söderström), 29.9.1939 – nach Vogt, Hemmelig Stemplet, S. 217. 59 Material in: RA, Säpo, P 1943; eine Hd.-Akte wurde mit seinem Antrag auf Aufenthalts- und Arbeitsvisum am 7. April 1941 angelegt.

3.4 Sachliche Informationen prägen das Bild der „E-S“



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rung seiner Person zeigte sich dann aber, dass er Sympathien für die Kommunisten hegte.60 Als Hans-Jürgen Cohn-Peters am 18. Dezember 1939 wegen eines Verkehrsdelikts zum Verhör bei der Kriminalpolizei vorgeladen war, ging es laut Protokoll zumeist um seine Tätigkeit in der Emigranten-Selbsthilfe. Das Interesse an der Selbsthilfeorganisation war vielleicht dadurch geweckt, dass die Polizei wenige Tage zuvor, am 12. Dezember, bei einer Hausdurchsuchung bei der Kommunistin Katja Walch-Lux über einige Drucksachen der „E-S“ gekommen war, darunter das Aufnahmeformular, der Tätigkeitsbericht vom September sowie die Mitteilungen des Kulturausschusses vom Oktober. Cohn-Peters bestätigte und vertiefte im Grunde die Aussagen von Steinitz zur „E-S“ vom September. Er machte Angaben zur Arbeit des Beratungsausschusses, in dem er selbst aktiv war, darüber hinaus auch zur Arbeitsweise sowie zur Zusammensetzung der Leitung. Namentlich zählte er als Leitungsmitglieder auf: Dr. Adler, Kaufmann Ullman, Advokat Baburger, Dr. Steinitz sowie den Direktor von Baltiska Skinnkompaniet, Hollander. Die Leitung treffe sich jeden Mittwoch, um aktuelle Fragen zu diskutieren. Dabei würde der Vorsitz zwischen den Leitungsmitgliedern von Monat zu Monat rotieren. Die Mitgliederzahl der Hilfsorganisation gab er mit ungefähr zweihundert an. Die Höhe der Mitgliedsbeträge richte sich nach den Möglichkeiten der Mitglieder. Kassierer sei Direktor Joseph, ein Taschenfabrikant. Der Hauptteil der Einnahmen käme aus den Mitgliedsbeiträgen und würde für die Kulturarbeit verwandt, darunter auch für den Sprachunterricht. Die „E-S“ würde eng mit der Jüdischen Gemeinde zusammenarbeiten. Im Vorgang Cohn-Peters wurden der von Steinitz im September übergebene Rechenschaftsbericht der „E-S“ sowie die an den Verteidigungsstab geschickte Einschätzung der Polizei zu Steinitz und Cohn-Peters zusammengeführt.61 Am 7. Februar 1940 wurde Ludwig Lewy verhaftet.62 Anfang 1940 waren Kopien seiner Berichte für Fimmen aufgetaucht. Im Verhör am 27. Februar bestätigte er deren Echtheit.63 In den folgenden Verhören im Laufe des Frühjahrs machte Lewy umfangreiche und wahrheitsgetreue Aussagen zu seinen Kontakten zur Volksfront, zur ITF und Edo Fimmen, sowie über die Quellen seiner journalistischen Arbeit; meist allerdings ohne Angabe von Namen. Zur Emigranten-Selbsthilfe teilte er mit, dass sich die Vereinigung im November 1938 in Stockholm gebildet habe, ihre Räumlichkeiten sich Kungsgatan 54, 3. Etage, befänden und sie Aufga60 Siehe Rosengren, Fünf Musiker. Zum Kriegsende war Stempel auch Mitglied der FÖB (Freie Österreichische Bewegung) in Schweden, die der KPÖ nahestand. Stempel, RA, Säpo, Hd 3824/40; P 813. 61 Cohn-Peters, RA, Säpo. P 1445; Walch-Lux, RA, Säpo, P 555 A 1. 62 Nach anderen Angaben am 9.2.1940 festgenommen; angeblich wegen Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Beweismaterial erst am 3.4.1940 verhaftet. 63 Verhör 27.2.1940, RA, Säpo, P 221 A1. McKay, From Information, S. 123–125.

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ben erfülle, wie sie in den Statuten beschrieben seien (Beilage 4, liegt der Akte nicht bei). Er selbst gehöre der Selbsthilfe nur als einfaches Mitglied an. Wenn die Zeit es ihm gestattete, arbeitete er unentgeltlich innerhalb des Vereins, insbesondere bei der Aufnahme von Flüchtlingen und deren Hilfestellung bei der Einbringung ihrer Wünsche gegenüber dem Vereinsvorstand sowie der Verteilung kleiner Geldsummen an bedürftige Flüchtlinge.64 Später gab er an, ab Mitte 1939 selbst monatlich 50 Kronen Unterstützung von der „E-S“ bekommen zu haben.65 Was seine Funktion in der Emigranten-Selbsthilfe betraf, bestätigte Lewys schwedische Frau Ingrid im Polizeiverhör, dass ihr Mann nach Neujahr 1939 in ihr eine wichtige Funktion innehatte. Die Organisation sei irgendwann nach Neujahr 1939 in Stockholm gegründet worden. Ihr Mann hätte für sie seither viel Arbeit geleistet, vor allem in der Expedition in der Kungsgatan, wo er in letzter Zeit an vier Abenden pro Woche Dienst getan hätte. Sie selbst habe dieses Büro nie besucht und könne dazu nicht mehr mitteilen. Die Verhaftung ihres Mannes traf sie schwer; noch während der Vernehmung erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Während ihres Krankenhausaufenthalt kümmerte sich die Familie von Gillis Hammar um die Lewy-Kinder.66 Ein umfangreiches Memorandum zu Lewy und dessen Kontakte im Emigrantenmilieu fertigte Kurt Singer an. In dem gab er eine Auseinandersetzung im Intellektuellenkomitee wieder, in der Lewy seinen Standpunkt verteidigt hätte, dass man für Russland auch Spionage betreiben müsste, denn nur mit Hilfe der Roten Armee sei Hitler zu besiegen. Daraufhin hätte Mia Leche-Löfgren mit Lewy gebrochen.67 Das Gericht sah es schließlich als erwiesen an, dass Lewy Informationen an eine fremde Macht übermittelt hätte, deren Inhalt den „freundschaftlichen Verbindungen des Reiches mit einer fremden Macht“ Schaden zufügen könnte. Lewy wurde am 10. April 1940 zu acht Monaten Zuchthaus verurteilt.68 Stig Bendixon beklagte Lewys Verurteilung als einen großen Verlust für die Flüchtlingsgemeinschaft.69 Nach verbüßter Haftstrafe sollte Ludwig Lewy nicht freikommen, sondern wurde im Februar 1941 ins Internierungslager Smedsbo überführt.70

64 PM Verhör 14.2.1940, RA, Säpo, P 221 A1. 65 PM Verhör, 5.4.1940, RA, Säpo, P 221 A2. 66 Hammar, T, Glöm inte vårt uppdrag!, S. 207–208. 67 PM zu Ludwig Lewy (von A. J.), 3.3.1940, RA, Säpo, P 221 A1. 68 Björkman, Säkerhetstjänstens egen berättelse, S. 93–94 (Fallet Lewy); Svenska Dagbladet, 194004-11. RA, Säpo, P 221 A2. 69 Bendixon an Fritz Schreiber, 1.1.1941, Abschrift in: RA, Säpo, HD 7466/40. 70 RA, Säpo, P 221.

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3.5 „E-S“-Aktive im Blickfeld des schwedischen Sicherheitsdienstes Im Frühjahr 1940 war die Arbeit des Sicherheitsdienstes voll in Gang gekommen.71 Sowohl das Budget als auch die Zahl der Agenten und Informanten stiegen während des Kriegs erheblich an, und deren Tätigkeit griff stark in das Alltagsleben der Menschen ein. Zehntausende Personen wurden überwacht, mehr als zehn Millionen Telefongespräche abgehört und 50 Millionen Postsendungen kontrolliert. Die Zensur war umfassend.72 Eine geheime Anweisung vom 12. April 1940 führte eine allgemeine Ausländerkontrolle ein und beauftragte die Polizei, jeden Ausländer, der sich im Lande aufhielt bzw. einreiste, „sorgfältig“ dahingehend zu überprüfen, ob er für eine ausländische Macht zum Nachteil der nationalen Sicherheit Schwedens tätig werden könnte.73 Viele Aktive der Emigranten-Selbsthilfe sollten in den folgenden Jahren von der Polizei und des zivilen schwedischen Sicherheitsdienstes aufgeklärt und überwacht werden. Dabei wurde offenbar nur selten ein Zusammenhang zur „E-S“ hergestellt. Im ersten Kriegsjahr standen der Emigranten-Selbsthilfe mit Fritz Hollander und Wolfgang Steinitz, die beide in Schweden als „Ausländer“ galten, zwei ihrer wichtigsten Aktiven nicht zur Verfügung. Fritz Hollander unternahm ab März 1940 mit seiner Frau Camilla eine geschäftliche Reise in die USA, wo sein Bruder Hermann Hollander, der seit August 1933 in Amerika lebte, die Hollander-Zweigstelle in New York führte. Die Rückreise stellte Fritz und Camilla Hollander vor einige Probleme, da sie gezwungen waren, den Weg über Russland zu nehmen. Das gab ihnen aber auch die Möglichkeit, das Projekt Birobidschan vor Ort in Augenschein nehmen zu können, an dem Fritz Hollander nach Aussagen seines Sohnes ein besonderes Interesse hatte. Erst am 10. Dezember 1940 waren beide wieder zurück in Stockholm.74 Wolfgang Steinitz hatte die neue Linie der KPD bzw. der Komintern nach dem Molotow-Ribbentrop-Pakt optimistisch gestimmt. Als Nachschrift eines Briefes seiner Schwester Ruth an den älteren Bruder Hans, der als Schüler der zionistischen Jugendorganisation Blau-Weiß angehört hatte und nach Hitlers Machtantritt mit seiner Familie nach Palästina ausgewandert war, schreibt Wolfgang im Februar 71 Böhme, Svensk polis, S. 57; Frick & Rosander, Bakom hemligstämpeln, S. 136. Forsberg, S. 59– 63. 72 SOU 2002:89, S. 13; Flyghed, Rättsstat i kris, S. 303, 307, 317. 73 Hemlig instruktion för polispersonal rörande vissa åligganden vid krig eller krigsfara (12.4.1940), Stockholm 1940 (RA, Socialdepartementets hemliga arkiv, F Handl ang säkerhetstjänst). 74 Hollander, P, The Cosmopolitans, S. 117–144.

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1940: „Wir sind sehr optimistisch, wenn auch die nähere Zukunft hier einige Komplikationen für uns persönlich bringen kann. Die Aussicht, in die Heimat zurück zu können, ist aber jetzt zum erstenmal seit unserer Emigration wirklich aktuell geworden.“75 In Absprache mit der KPD-Emileitung in Stockholm sowie der Kommunistischen Partei Schwedens reiste Steinitz nach Estland, wo er sich ab Juli 1940 in Tartu aufhielt und sich dort um eine Anstellung bemühte, wohl um das dortige deutsche Lektorat. Vergebens versuchte er über die KPD-Führung in Moskau, seine Parteimitgliedschaft bestätigt zu erhalten. Da deren Anerkennung ausblieb, musste er Estland am 11. September 1940 wieder Richtung Stockholm verlassen.76 Die Spionagegesetzgebung Schwedens war ab Mai 1940 weiter verschärft worden.77 Regelmäßig führte die Polizei umfassende Postkontrollen durch, womit bis zu dreihundert Angestellte beschäftigt waren.78 Zielgerichtet wurde hier unter anderem nach kommunistischen Vereinigungen gesucht. Wer etwa die in Stockholm seit 1939 erscheinende kommunistische Zeitung Die Welt abonnierte, erregte die Aufmerksamkeit der Polizei.79 Ab Herbst 1940 waren als Abonnenten auch Stig Bendixon, Daniel Brick, Jakob Ettlinger, Fritz Hollander, Norbert Masur und Maxim Stempel festgestellt worden. Stempel bezog dazu noch Världen av Idag.80 Diese Information wurde in einem besonderen Register festgehalten und nach Bedarf in die jeweiligen Personendossiers überführt. Kontakte über die Landesgrenzen hinweg standen unter besonderer Beobachtung. Am 30. Mai 1940 war bei der Briefkontrolle eine Korrespondenz der schwedischen Zionistenvereinigung mit England aufgefallen, in der auch Angaben zu jüdischen Flüchtlingen gemacht wurden. Nach Informationen der Polizei war Norbert Masur in dieser Organisation engagiert. Seine wiederholten Reisen in die Sowjetunion sowie der Bezug der Wochenzeitung Die Welt, der ab Oktober 1940 wiederholt festgestellt wurde, waren ausreichend, um eine Akte zu ihm anzulegen.81 Unangenehme strafrechtliche Folgen hätte die Briefkontrolle für Hugo Valentin haben können. Am 23. Juli 1940 wurde ein Brief von ihm an den Redakteur Gösta Sandström von der Polizei beschlagnahmt. Daraufhin wurde zu Valentin eine 75 Ruth an Hans, mit handschriftlicher Nachschrift von Wolfgang, später handschriftlich datiert auf Februar 1940, Kopie Sammlung Scholz/Steinitz. 76 Nach Komintern-Akte RCChIDNI, fond 495, opis’ 205, delo 320 Wolfgang Steinitz, Kopie in BAW, NL Steinitz. 77 Flyghed, Rättsstat i kris, S. 218–263 78 Björkman, Säkerhetstjänstens egen berättelse, S. 68. 79 Die Welt. Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung. Bulletin der Kommunistischen Internationale. Die Wochenzeitschrift der Komintern erschien von 1939 bis Mai 1943 in Stockholm. Sie war in erster Linie für Deutschland und die skandinavischen Länder konzipiert. 80 Världen i dag – von der Komintern in Stockholm 1937–1942 herausgegeben. Als deren deutsche Ausgabe fungierte Die Welt. 81 Masur, RA, Säpo, Hd. 958/40.

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„Hd.“-Akte angelegt.82 Sandström war, was aus der überlieferten Akte Valentins nicht (mehr?) hervorgeht, Herausgeber der britischen Wochenzeitung Nyheter från Storbritannien, die offen als britische Propaganda deklariert war. Valentins Briefsendung enthielt eine detaillierte Aufstellung über die Lieferung von Motoren der Firma Pentaverken in Skövde an die Firma Heinrich Remers in Hamburg, mit genauen Angaben zu Typ und Stückzahl. Pentaverken gehörte seit 1935 zu Volvo. Gegen Valentin wurde eine Untersuchung einschließlich Telefonkontrolle eingeleitet. Ende November 1940 fasste der Leiter der Stockholmer Polizei Lundqvist den Beschluss, den Brief einzubehalten, die Sache juristisch aber nicht zu verfolgen.83 Mitte August 1940 wurde Maxim Stempel festgenommen. Er hatte sich der Polizei als sowjetischer Agent verdächtig gemacht; die Ursache dafür ist nicht ganz klar. Vielleicht war es sein Kontakt zu Senta von Knorring, Leiterin einer Ballettschule in Stockholm, mit der er als Pianist zusammenarbeiten wollte.84 Sie galt unter Weißrussen und damit auch aus deutscher Sicht als Teil der Gesellschaftsspionage der sowjetischen Gesandtin Alexandra M. Kollontai, die bereits seit November 1930 in Stockholm akkreditiert war. Doch eher wird wohl Stempels direkter Kontakt in der sowjetischen Gesandtschaft zum Attaché Michail S. Onouchow, den Ausschlag gegeben haben.85 Nach seiner Festnahme gab Stempel an, mit Attaché Onouchow in Kontakt gekommen zu sein, weil er in die UdSSR reisen wollte; seit Juli spielte er auch Schach mit ihm. Stempel wollte nun wissen, was die Polizei davon hielte, dass er weiterhin diesen Kontakt pflegte, obwohl er sich inzwischen um eine Einreise in die USA bemühte. Inzwischen erteilte Stempel an der Gesandtschaft auch Sprachunterricht für Onouchow und Serafim Pinjugin, Gehilfe des Militärattachés.86 Kriminalkommissar Lönn, für die Überwachung der sowjetischen und kommunistischen Aktivitäten zuständig, war an einem solchen Kontakt natürlich interessiert. Stempel versprach, mehr Informationen über diese Personen zu

82 Valentin, RA, Säpo, Hd. 3421/40, P 2774 mit A Hauptakte, die Akten zur Post- och Telefonkontrolle (B und C) sind 1990-10-05 makuliert worden. 83 Valentin, RA, Säpo, Hd.-3421/40; P 2774. Noch im Mai 1943 war die Frage der Strafverfolgung Valentins wegen des Briefes aus Sicht des dritten Büros nicht abgeschlossen. Valentin war schon 1935 aufgefallen, als bei der Festnahme des Kommunisten Werner Sager seine Adresse gefunden worden war. 84 Knorring, RA, Säpo, Hd 4179/40. 85 Onouchov/Onuchow, RA, Säpo, Hd 1792/40) galt als Funkspezialist der Gesandtschaft und direkt Moskau unterstellt, wohl der GRU. 86 Lt. Col. Serafim Efimovich PINYuGIN, (Pinjugin, Pinougin, „Orne“), Assistent des Militärattachés und Luftattaché, 1945–1948 Militärattaché in Stockholm; RA, Säpo, Hd 3697/40. Später schloss sich auch der Militärattaché Nikolai I. Nikituschew („Akisto“) Stempels Sprachkurs an.

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beschaffen. Im Gegenzug stellte sich die Polizei positiv zu seinem Ersuchen nach einer Aufenthaltsgenehmigung.87 Eine Überwachung des Telefonverkehrs wurde in Schweden auf breiter Ebene durchgeführt. Wer viele Ferngespräche führte oder überhaupt viel telefonierte, machte sich verdächtig. So gründete sich 1940 aufgrund häufiger Ferngespräche innerhalb Schwedens auch gegen Jakob Ettlinger ein Verdacht auf illegale Aktivitäten. Verbunden mit dem Abonnement der Wochenzeitung Die Welt und häufigen Geschäftsreisen in die Sowjetunion, reichte nach Aktenlage eine einfache Denunziation aus, um ein Personendossier (H. d.) anzulegen. Vielmehr als die Feststellung, dass Ettlinger Vorsitzender der orthodoxen Synagoge Adat Jisrael war und auch Aufträge im Rahmen der Flüchtlingsarbeit der Jüdischen Gemeinde wahrnahm, ist in der Akte nicht überliefert.88 Regierungskritische Zusammenschlüsse wurden vom schwedischen Sicherheitsdienst kritisch beäugt, wie die Antifaschistische Sammlung (Antifascistisk Samling) und ihre quasi Nachfolgeorganisation Kämpfende Demokratie (Förbundet Kämpande Demokratie). Aus dem Umfeld der „E-S“ wurden von der Polizei Daniel Brick, Hugo Valentin und Herbert Friedländer als Aktive in diesem Verband ausgemacht. Die Antifaschistische Sammlung war im Geiste der Volksfront am 12. Dezember 1938 in Stockholm gebildet worden mit dem Ziel, aktiv gegen die Ausbreitung des Faschismus in der Welt zu wirken. Im September 1939 zählte der Verband rund 20.000 Mitglieder, darunter viele Kommunisten und Syndikalisten.89 Doch noch im Herbst 1939 zerbrach der Verband an der Einschätzung des deutsch-sowjetischen Pakts. Nachdem die Kommunisten den Verband verlassen hatten, kam es zu einer Neugründung unter dem Namen Kämpfende Demokratie. Vorsitzender wurde 1940 für einige Monate der Journalist Ture Nerman, der auch die Chefredaktion der der Vereinigung nahestehenden Wochenzeitung Trots Allt! übernahm.90 Söderström wusste von Nermans Kontakt zum britischen Geheimdienst durch seinen Vertrauensmann Kurt Singer, der sich auf sein „Anraten“ vom britischen Geheimdienst hatte anwerben lassen. Singer war auch einer der Initiatoren der Wochenzeitung Trots Allt! und mit der Leitung des täglichen Redaktionsgeschäftes betraut. Das ermöglichte ihm und damit Söderström einen guten Einblick in das Agenten- und Propagandaspiel in Stockholm.91 Nach dem deutschen Überfall auf Dänemark und Norwegen war ein Verbleiben Singers in Schweden jedoch politisch unhaltbar geworden. Mit Hilfe und durch Vermittlung Söderströms und 87 Stempel, RA, Säpo. P 813 (Hd 3824/40). Eine Einschätzung Stempels zu Pinjugin findet sich in Pinjugins Akte. Sveen, Spioner i krig, S. 56. 88 Jakob Ettlinger, RA, Säpo, HD 3767/40. 89 Brick, RA, Säpo, HD 4917/40. 90 Drangel, Den kämpande demokratin, S. 47–52. Nerman blieb bis November 1940 Vorsitzender. 91 Thunberg, Karin Lannby, S. 191–192.

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anderer erhielten Singer und seine Familie US-Visa und reisten mit einem Schiff von Finnland in die USA, wo er seine Tätigkeit als Journalist fortsetzen konnte.92 Mitte Februar 1940 war die schwedische Polizei als Ergebnis einer Hausdurchsuchung bei der Roten Hilfe in Besitz einer Mitgliederliste von Antifascistisk Samling gekommen. Die Namen der Leitungsmitglieder wurden beim dritten Büro der Sicherheitspolizei registriert. So gerieten im März 1940 auch Daniel Brick und seine Frau Anna Riwkin-Brick ins Blickfeld der Polizei. Der Bezug von Die Welt und beider wiederholte Reisen in die UdSSR verstärkten die polizeilichen Vorbehalte. Verdächtig erschienen auch Bricks Kontakte zu zionistischen Organisationen, zu denen bei der Polizei damals aber kaum Informationen vorlagen.93 Offenbar befand sich auch der Name von Stig Bendixon auf der Mitgliederliste von Antifascistisk Samling. Da er bei der Postkontrolle am 11. Oktober 1940 zudem als Empfänger der kommunistischen Die Welt aufgefallen war, wurde nun auch zu ihm eine HDAkte im Register der Sicherheitspolizei angelegt.94 Kurz darauf wurde auch zum Flüchtlingsbüro Internationella foajén eine Akte angelegt.95 Gegen Curt Trepte wurden zu Beginn des Jahres 1940 Verdächtigungen laut, er könnte Spionage betreiben. Eine polizeiliche Untersuchung wurde eingeleitet und eine P-Akte angelegt. Weitere Untersuchungen löste sein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung im März aus, darunter eine Postkontrolle. Die Verdächtigen bestätigten sich nicht, doch stellte sich heraus, dass Treptes Angabe, Sozialdemokrat zu sein, nicht der Wahrheit entsprach. Man vermutete, er sei Kommunist. Damit war er in Schweden „weniger erwünscht“, wie es das Amts-Schwedisch ausdrückte. Doch Ende April erkannte ihn das Intellektuellenkomitee als politischen Flüchtling an.96 Trepte übte in der politischen Arbeit die geforderte Zurückhaltung. Die von ihm unterstützten Kulturabende der Emigranten-Selbsthilfe galten als unpolitisch oder waren der Polizei nicht bekannt geworden. Trepte erhielt eine zunächst zeitlich begrenzte Arbeitserlaubnis als Instrukteur am Amateurtheater des Arbeiterbildungsvereins. Ende September 1940 erweckte Trepte die Aufmerksamkeit der Agentin der Gegenspionage des schwedischen Generalstabs Karin Lannby, Deckname „Annette“. Lannby gehörte zur mondänen Welt der schwedischen Hauptstadt und verkehrte in der linken Intelligenz sowie in diplomatischen Kreisen aller Couleur. 92 Atkin, Section D for destruction, S. 150, 159, 163; Atkin, Appendix 2, S. 67–68; Singer, I spied and survived, S. 155–160; Thunberg, Karin Lannby, S. 227. 93 RA, Säpo, HD 4917/40. 94 RA, Säpo, HD 7466/40. 95 RA, Säpo, HD 7658/40. Nicht auffindbar – Auskunft vom schwedischen Reichsarchiv, 2022-12-19 (RA-FF 2022/091051) sowie von Säkerhetspolisen (2022-12-20). 96 Thunberg, Karin Lannby; RA, Säpo XII 77, „Annettes lista“; MUST-arkivet, F x c „Anette“ (!) Bd. 1–7.

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Auch die kleinste aufgeschnappte Information berichtete sie an ihre Auftraggeber. Dabei lieferte sie zumeist sehr eingehende Studien zu wirklichen oder vermuteten Agenten der kriegführenden Staaten.97 Ihre Informationen sind in der Regel mit einer Woche Verzögerung an den zivilen Sicherheitsdienst weitergeleitet worden.98 Imponiert hatte Lannby wohl, dass Trepte ein Freund des Schriftstellers Friedrich Wolf war, den sie von dessen Skandinavien-Tournee 1935 gut kannte. Am 1. Oktober bat sie ihre Vorgesetzen um Instruktionen, ob Interesse an Trepte bestände, sonst würde sie den Kontakt einschlafen lassen. Interesse war dort offenbar vorhanden, denn nur drei Tage darauf beschrieb sie Trepte eingehender. Sie sah in ihm einen Sympathisanten der Kommunisten, dabei aber einen „absolut ungefährlichen deutschen Emigranten“, der sich offenbar nur für das Theater interessierte und für die Photographie lebte. Als Fotograf verdiente er auch Geld, so mit einer Fotoreportage für Vecko-Revyn. Doch nur eine Woche darauf, am 10. Oktober, war „Annette“ sicher, Trepte sei Kommunist. Er hätte Attaché Alexei D. Woina, 2. Sekretär an der sowjetischen Vertretung, getroffen.99 Da Woina beim Sicherheitsdienst als „in Spionageangelegenheiten verwickelt“ galt,100 wurde Trepte unmittelbar unter Telefonüberwachung gestellt und am 26. Oktober 1940 wegen Spionageverdachts festgenommen. Im Verhör erläuterte Trepte unter anderem ausführlich, mit welchen Theater- und Fotoaufträgen er sich ein Einkommen gesichert hätte. Er erklärte sich als linker, antinazistischer Flüchtling, der beabsichtigte, in Schweden zu bleiben, da ihm eine Rückkehr nach Deutschland nicht möglich sei. In Schweden würde er keinen Kontakt mit politisch aktiven Personen unterhalten, versicherte er. Immer hätte er versucht, sich von Politik fernzuhalten, allein schon, um in Schweden bleiben zu können. Ob Personen aus seinem Bekanntenkreis politisch aktiv sein, würde sich seiner Kenntnis entziehen. Auf Treffen hiesiger politischer Flüchtlinge, die vom Arbeiterbildungsverein und Birkagården organisiert würden, hätte er aber auch Bekanntschaften in diesen Kreisen gemacht. Auf solchen Veranstaltungen, namentlich nannte er den „Lessing-Abend im Konzerthaus“, sei er auch aufgetreten.101 Die Emigranten-Selbsthilfe wurde im Verhör nicht erwähnt. Da auch eine Haussuchung bei Trepte nichts ergeben hatte,

97 Thunberg, Karin Lannby; „Annettes lista“, RA, Säpo XII 77, 1. 98 Zum Beispiel wurde der Bericht vom 5.7.1941 beim Verteidigungsstab (Ed) am 9.7. und bei der Stockholmer Polizei (6 Roteln) am 18.7.1941 registriert. MUST-arkivet, F x c „Anette“ 1941, Bd. 3; RA, Säpo, P 952. 99 „Annette“, Berichtsauszüge vom 22.9.; 1.10; 4.10.; 10.10.1940. RA, Säpo, P 952. 100 Scholz, Michael F., Die sowjetische Spionage in Schweden, S. 145. 101 Protokoll Verhör vom 26.10.1940, RA, Säpo, P 952.

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wurde er noch am selben Tag entlassen. Im Dezember 1941 erhielt er einen schwedischen Fremdenpass.102 Fritz Hollander wurde am 7. April 1941 anlässlich seines Antrags für ein Aufenthalts- und Arbeitsvisum bei der Polizei vorgeladen und folgend ein Vorgang (Hd.) zu ihm angelegt. Das bestätigt, dass das Anlegen einer Hd-Akte nicht überbewertet werden darf. Im Verhör gab Hollander an, keiner politischen Partei anzugehören und sich überhaupt nicht für Politik zu interessieren. Er machte auf seine gute Position als Direktor der Baltiska Skinnkompaniet aufmerksam und legte seine gute ökonomische Situation offen. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft sehe er keine Möglichkeit nach Deutschland zurückkehren zu können und beabsichtige deshalb, seine Tätigkeit in Schweden fortzusetzen und später auch die schwedische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Die Emigranten-Selbsthilfe fand keine Erwähnung. Die Polizei hatte keine Einwände gegen Hollanders Antrag.103 Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 änderten sich die Voraussetzungen für die antinazistische Widerstandsarbeit grundlegend; die Frage der Rettung der europäischen Juden vor der Vernichtung erhielt eine neue Dimension. Der deutsche Druck auf Schweden nahm zunächst zu und ließ die schwedischen Polizei- und Sicherheitsdienste nun stärker gegen Deutschlands Feinde vorgehen. Ab Herbst 1941 fand der Verband Kämpfende Demokratie erhöhte Aufmerksamkeit des zivilen Sicherheitsdienstes. Anlass war ein an die Mitglieder verschickter Appell vom August 1941, der die schwedische Regierung stark angriff und zum passiven Widerstand aufrief. Unter anderem wurden die Mitglieder des Bundes aufgefordert, Nazi-Sympathisanten ausfindig zu machen und zu katalogisieren.104 Daraufhin bestimmte der Leiter des Sicherheitsdienstes Mitte März 1942, nicht nur ein Register über Kommunisten und Nazis zu führen, sondern nun auch über England-Sympathisanten. Zunächst galt dies der Verbandsleitung von Kämpfende Demokratie, ab Oktober dann dem gesamten Verband. Zum betroffenen Personenkreis dürfte auch Gillis Hammar gehört haben, der 1942 die Schrift „Vad vill Kämpande demokrati?“ (Was will Kämpfende Demokratie?) im Auftrag des Verbandes herausgebracht hatte.105 Gegen Wolfgang Steinitz war in Deutschland seit Februar 1940 ein Ausbürgerungsverfahren betrieben worden. Von seiner dann im November des Jahres erfolgten Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit, Frau und Kinder einge102 Trepte, RA, Säpo, P 952. Archiv der Deutschen Akademie der Künste, Rep. 017, IV 1, Diskussionsbeitrag Trepte, 15.1.1981. „Annette“ bestätigte Treptes „Ungefährlichkeit“ noch am 25.7.1941. In dessen offenen Umgang mit den deutschen kommunistischen Flüchtlingen sah sie dies bestätigt, denn ein Sowjetspion würde kaum Parteiverbindungen unterhalten. MUST, FxC 1941, Bd. 3. 103 Verhörprotokoll, 7.4.1941; PM 18.6.1941, RA, Säpo, P 1943/1. 104 SOU 1948:7, S. 271, 304–305. 105 Hammar, G., Vad vill Kämpande demokrati?.

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schlossen, erfuhr er von der Deutschen Gesandtschaft aber erst im Oktober 1941.106 Steinitz beantragte daraufhin einen schwedischen Fremdenpass, den er umstandslos erhielt. Im März 1942 suchte er um eine Arbeitserlaubnis als Sprachlehrer nach und gab dafür die „E-S“ als Arbeitgeber an. Auch dies wurde umstandslos gewährt.107 Doch seit Juni 1942 galt Steinitz aufgrund seiner Kontakte zu Max Seydewitz, einem ehemaligen Reichstagsabgeordneten und Mitbegründer der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), als verdächtig.108 Der seit April 1942 gegen Seydewitz bestehende Verdacht der illegalen politischen Tätigkeit wurde auf Steinitz ausgeweitet und eine Überwachung eingeleitet, bald ergänzt durch eine Telefonkontrolle. Festgestellt wurde dabei sehr wenig, etwa, dass Steinitz über einen Schlüssel für die Wohnung von Jakob Ettlinger verfügte.109 Bei der Polizei bestand aber kein Zweifel, dass Steinitz an verbotenen Aktivitäten beteiligt war. Doch aufgrund der schlechten Beweislage „wurde eine Verhaftung und Befragung von Steinitz in dieser Angelegenheit nicht für angebracht gehalten“.110 Im Winter 1942/1943 war Steinitz mit der Organisierung schwedischer Hilfe für die russischen Kriegsgefangenen in Finnland befasst.111 Entsprechende Aufrufe, unterzeichnet von schwedischen Kulturpersönlichkeiten, erschienen in der schwedische Presse von der kommunistischen Tageszeitung Ny Dag bis zu Svenska Dagbladet.112 Beide Male gehörte Hugo Valentin zu den Unterzeichnern, was nur im Falle von Ny Dag polizeilich registriert wurde.113 Im Arbeitsausschuss für diese Aktion war aus Kreisen der „E-S“ auch Herman Greid vertreten.114 Erste Nachrichten über den industriellen Massenmord an den europäischen Juden waren im September 1942 in der schwedischen Presse aufgetaucht. Hugo Valentin veröffentlichte dann am 13. Oktober in Göteborgs Handels och Sjöfartstidning einen großen Artikel zum „Ausrottungskrieg gegen die Juden“.115 Mitte De106 PA AA, RZ 214_09988_422–425. Liste 209. Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger Nr. 270 vom 16.11.1940. 107 Als Sprachlehrer erhielt er Arbeitsvisum (später Aufenthaltsvisum für Arbeitsanstellung). Steinitz hatte angegeben, 40 Kronen im Monat von der „E-S“ zu erhalten. 108 Steinitz, RA, Säpo, P 1448. 109 RA, Säpo, P 1448 Serie A, 2 Bd., 1. Bd. 110 RA, SUK, Geheimarchiv, Doss. ang. Wolfgang Steinitz, Zusammenfassung, 7.8.1943 (T. Sjöstedt) 111 Lebenslauf Wolfgang Steinitz n. d. (ca. 1946). Kopie in Sammlung Scholz/Steinitz. 112 Unterzeichnet hatten u.a. Gunnar Beskow, Natanael Beskow, Sonja Branting-Westerståhl, Gunnar Dahlberg, Ivar Harrie, Axel J. Höjer, Signe Höjer, Mia Leche-Löfgren, Arnold Ljungdal, Amelie Posse, Hugo Valentin und Victor Vinde. Nach: Westerlund, Prisoners of war, S. 319–320. 113 Svenska Dagbladet 1942-06-19; Ny Dag 1942-08-13. Valentin, RA, Säpo, P 2774. 114 BBWA, NL Steinitz, 120; Greid, RA, Säpo, Hd 859/41 115 Valentin, Utrotningskriget mot judarna.

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zember 1942 erhielt die Jüdische Gemeinde in Stockholm über Wilhelm Michaeli, Sekretär des Hilfskomitees der Gemeinde, vom polnischen Presseattaché Alf K. H. de Pomian Nachricht über die bevorstehende Liquidierung des Warschauer Ghettos. Nach Kenntnissen der polnischen Exilregierung in London seien von den dortigen 400.000 Juden bereits 260.000 ermordet worden; nun würde es die Übrigen treffen.116 Das eigentliche Erwachen zum Holocaust setzte in Schweden jedoch erst im Zusammenhang mit der Deportation der norwegischen Juden nach Auschwitz zur Jahreswende 1942/1943 ein. Am 15. Januar 1943 referierte Valentin über die Verfolgung der Juden in Europa auf einer von Gillis Hammar eingeleiteten Veranstaltung des Verbandes Kämpfende Demokratie im Stockholmer Medborgarhuset (Bürgerhaus). Daraufhin wurde er als vermeintliches Mitglied oder Sympathisant des Verbandes registriert. Bei der politischen Polizei hatte man auch den Artikel über den Ausrottungskrieg seiner Akte abgelegt. Die Überwachung von Valentins Telefon dokumentierte dessen Engagement für die jüdischen Flüchtlinge in Finnland und Dänemark, weckte bei der Polizei aber auch die Frage, ob hierbei alles legal zuginge, was aber nicht weiterverfolgt wurde. Aus dem Umfeld der Emigranten-Selbsthilfe unterstützten nicht nur Hugo Valentin und Daniel Brick den Verband Kämpfende Demokratie. Dessen Sache stand auch Herbert Friedländer, Vorsitzender des Skandinavischen Jüdischen Jugendverbandes (SJUF, Skandinaviska Judiska Ungdomsförbundet), positiv gegenüber. Ein Rundschreiben (Circulär Nr. 35, 15.4.1943) seines Verbandes warb für Daniels Bricks im Auftrag von Kämpfende Demokratie verfasste Schrift „Antisemitism – en folkfara“ (Antisemitismus – eine Volksgefahr); auch das wurde in den Akten der Polizei vermerkt.117 Am 2. Februar 1943 kapitulierte in Stalingrad die 6. Armee der Wehrmacht. Mit der veränderten Kriegslage stellte die KPD-Führung in Moskau im Einklang mit bzw. nach Aufforderung durch sowjetische Stellen die Parteiarbeit erneut um. Schon länger hatte sie sich um die Schaffung einer breiten Volksfront gegen Hitler bemüht. Im Sommer 1943 kulminierten diese Bemühungen in der Gründung des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) in Krasnogorsk bei Moskau. Dem Komitee gehörten kommunistische Funktionäre und Intellektuelle im sowjetischen Exil sowie Wehrmachtssoldaten an; die kommunistische Ausrichtung war unverkennbar.118 In Schweden löste die KPD ihren illegale Apparat weitgehend auf; die Funktionäre wurden in legale Parteiarbeit überführt, die nun auf der Linie des Nationalkomitees lag.

116 Telefonkontrolle (Pomian-Michaeli), 8.12.1942, RA, Säpo, Hd 1391/43. 117 Brick, Antisemitismen. 118 Bungert, Das Nationalkomitee und der Westen.

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Mit der Entwicklung der Kriegslage zu Gunsten der Anti-Hitler-Koalition änderte die schwedische Regierung ihre Politik gegenüber den politischen Flüchtlingen. Im Juni 1943 wurde beschlossen, viele der Internierten bis zum 15. August zu entlassen. Dabei galten sie jedoch weiter als Sicherheitsrisiko.119 Die Entlassenden waren von der Ausländerbehörde ins Arbeitsleben einzugliedern, wozu Empfehlungen oder Bürgen notwendig waren. Für Ludwig Lewy, der im am Institut für Kunstgeschichte der Universität Uppsala eine Anstellung fand, hatte sich Hugo Valentin eingesetzt; Josef Wagner wurde von Gunnar Dahlberg an das Rassenbiologische Institut der Universität Uppsala geholt.120 Im Herbst 1943 legte die Polizei zu Wilhelm Michaeli eine Akte an. Er war schon zuvor beim Sicherheitsdienst aufgefallen, darunter durch das oben erwähnte Telefongespräch mit dem polnischen Presseattaché Pomian über die Liquidierung des Warschauer Ghettos. Für die Anlage einer Akte am 28. September 1943 beim 3. Büro, zuständig für die Aktivitäten der Briten und anderer Alliierter, war ein Bericht aus der Telefonüberwachung der britischen Vertretung wenige Tage zuvor ausschlaggebend. Demnach bestand der Verdacht, dass Michaeli in Schweden unter Flüchtlingen für den Kriegsdienst in der britischen Armee warb. Daraufhin wurde Material über ihn zusammengetragen; auch das Telefonprotokoll vom Dezember des vergangenen Jahres fand nun Eingang in seine Akte.121 In dieser politisch neuen Situation konnte Wolfgang Steinitz sein Einflussgebiet weit über die Kreise der „E-S“ hinaus erweitern. Wie er später in Lebensläufen für seine Partei schrieb, arbeitete er ab September 1943 „auf der Linie des Nationalkomitees Freies Deutschland“. Steinitz gehörte zu dieser Zeit auch zu den Initiatoren eines Beratungsbüros für Flüchtlinge (Rådgivningsbyrå för flyktingar), das im Stockholmer Studienheim der Quäker allen Flüchtlingen offenstand.122 Besonders hob Steinitz später die Werbung der Nicht-Kommunisten unter dem „Aufruf zur Sammlung der Deutschen in Schweden“ vom Oktober 1943 hervor.123 Diesem sogenannten Oktober-Aufruf war eine Einladung des Schriftstellers Arnold Ljungdal vom 26. Oktober vorhergegangen. Daraufhin versammelten sich in Stockholm Interessierte an einer offenen Diskussion zu deutschen Fragen und die Zeit nach dem Krieg. Der Bibliothekar und Schriftsteller Ljungdal war als Gründungsmitglied der schwedischen Clarté zeitig zum Idol in linken Intellektuellenmilieus geworden. Vom schwedischen Sicherheitsdienst wurde er deshalb 119 Hallgren an Övervakningschefen i Stockholmsområdet, 16.7.1943. Abschrift in: Säpo, RA, P 221 A5. 120 RA, Säpo, P 221 A6; Komm 984, F 2:1, AD 21, RA. 121 Michaeli, RA, Säpo, Hd 1391/43. 122 Dagens Nyheter 1943-09-28. 123 Lebenslauf Wolfgang Steinitz n. d. (ca. 1946); Lebenslauf Wolfgang Steinitz n. d. (ca. 1952), eigenhändig korrigiert. Kopien in Sammlung Scholz/Steinitz.

3.5 „E-S“-Aktive im Blickfeld des schwedischen Sicherheitsdienstes



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schon länger beobachtet. Auch bei der Bücherspende für die russischen Kriegsgefangenen hatte er eine zentrale Rolle gespielt. Durch die Einladung im Oktober rückte Ljungdal nun stärker ins Blickfeld der Sicherheitspolizei.124 Im Ergebnis der Zusammenkunft in Stockholm war ein „Aufruf zur Sammlung der Deutschen in Schweden“ verabschiedet worden, der einschließlich der Unterschriften von 23 Personen am 1. November 1943 in der Zeitschrift Politische Information abgedruckt wurde. Die Politische Information gab sich parteipolitisch neutral, doch bis auf Walter Berendsohn, in der Redaktion für Rezensionen zuständig, gehörten alle Redaktionsmitglieder der KPD an. Unter den weiteren Mitarbeitern, die zunächst unter Pseudonym veröffentlichen mussten, finden wir Karl Mewis, Curt Trepte, Wolfgang Steinitz, Max Seydewitz sowie Albert und Jenny Cohen. In der Wohnung der Cohens, bei denen auch der nichtjüdische Kommunist und Mitglied der „E-S“ Rudi Wetzel wohnte, lief die redaktionelle Arbeit ab, und von dort aus erfolgte auch der Versand. Der KPD-Führer Mewis hatte bereits als Leiter der KPD-Abschnittsleitung Mitte zur ersten Reihe der KPD-Funktionäre im Ausland gehört, im Herbst 1943 galt er fast unbestritten als Führer der deutschen Kommunisten in Skandinavien.125 Auch aufgrund fehlender Konkurrenz wurde die Politische Information die führende deutschsprachige Exilzeitschrift in Schweden. Doch ihre Abonnenten wurden offenbar vom Sicherheitsdienst registriert. Jedenfalls wurde dem Dienst am 30. Oktober 1943 von der Postkontrolle gemeldet, dass Wilhelm Michaeli am Vortag postalisch 2,50 Kronen für ein Halbjahresabonnement angewiesen hatte.126 Der sogenannte Oktober-Aufruf, den einige Tage später auch die Zeitung der schwedischen Kommunisten Ny Dag abdruckte, war ein erster Erfolg der sich neu konstituierten Landesleitung der KPD in Schweden, der auch Steinitz angehörte.127 Die Unterzeichner bekundeten mit ihrer Unterschrift ihre Unterstützung für die Ziele des NKFD. Mehr als ein Drittel der Erstunterzeichner gehörte zum Umfeld der Emigranten-Selbsthilfe.128 Steinitz und Cohn-Peters hatten erfolgreich die Werbetrommel gerührt und auch Nicht-Kommunisten für diesen Aufruf gewonnen. Unter ihnen waren Professor Walter A. Berendsohn, der Dirigent Leo Blech sowie Ernst Emsheimer und Hermann Greid. Weitere Unterzeichner standen in irgendei124 Ljungdal, RA, Säpo, P 1650. Die Agentin „Annette“ (Karin Lannby) war eine Jugendliebe Ljungdals; sie hielt auch noch während Krieges Kontakt zu ihm– siehe Thunberg, Karin Lannby, S. 214. 125 Peters, Exilland Schweden, S. 157. 126 RA, Säpo, Hd 1391/43 (Michaeli). 127 Politische Information, 1. Jg. 1943 Nr. 8 (1.11.1943) Ny Dag 1943-11-11); auch Arbetartidningen 1943-11-11. Siehe: Müssener, Exil in Schweden, S. 198–199. 128 Peters, Exilland Schweden, S. 162. Joseph Wagner protestierte, seine Unterschrift sei ohne sein Wissen unter den Aufruf gekommen.

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ner Beziehung zur „E-S“, wie Sanitätsrat Dr. Alfred Peyser, Jenny Philipps (Cohen), Maxim Stempel und Curt Trepte sowie als Empfänger von Unterstützungen durch die „E-S“ auch die Mitglieder Max Seydewitz und Herbert Warnke. Der Sicherheitsdienst verfolgte diese Initiative sehr genau, denn aus seiner Sicht verstießen die Unterzeichner gegen die Auflage des Ausländergesetzes.129 Über alle Erstunterzeichner wurden die polizeilichen Erkenntnisse zusammengestellt und zu den meisten nun auch eine p-Akte geführt.130 Doch nur in zwei Fällen wurde die Emigranten-Selbsthilfe erwähnt. Zu Berendsohn hieß es, er unterhalte gute Verbindungen zu „Emigranternas självhjälp“ (!), und zu Steinitz, dass dieser seit Oktober 1942 die Hilfsorganisation als Arbeitgeber angeben würde.131 Durch die gute Vernetzung der Agentin „Annette“ konnten die schwedischen Dienste dieser Entwicklung zeitnah folgen.132 Auch Steinitz wurde von „Annette“ mehrfach erwähnt, darunter im November 1943 im Zusammenhang mit Jury Fränkel, auch Mitglied bzw. Unterstützer der„ES“. Der in Moskau in ein traditionsreiche Pelzhändlerfamilie geborene Fränkel war nicht nur eine herausragende Persönlichkeit der Pelzbranche, seit 1939 mit eigener Firma in Stockholm, sondern spielte auch Theater und führte Regie für das „Jüdische Amateur-Theater“. Unter dem Pseudonym Jura Tamkin trat er wiederholt auf Veranstaltungen der Emigranten-Selbsthilfe auf. „Annette“ konnte berichten, dass Fränkel/Tamkin mit Hugo Valentin verkehrte. Im November hätte sie von Fränkel über Steinitz erfahren, dass dieser Vorsitzender einer Emigrantenvereinigung sei, und, hier zitierte sie Fränkel, „behauptet, er sei Deutscher und deutscher Kommunist“.133 Steinitz trat immer offener als Kommunist auf, doch ohne sein Mitgliedschaft öffentlich zu machen. Zusammen mit seinem Schwager Cohn-Peters verantwortete er die Herausgabe der Materialien des Nationalkomitees Freies Deutschland, insgesamt sieben Broschüren. Cohn-Peters stellte die Druckvorlagen für die Broschüren her, „und beim Abziehen der Matrizen halfen sogar wir Kinder“, erinnerte sich die Tochter, Renate Steinitz.134 Aktiv in der Arbeit mit den deutschen Militärflüchtlingen engagierte sich Herbert Warnke, der auch die Schriftenreihe für Militärflüchtlinge Weg ins Leben herausgab. Für deren technische Ausführung hatte er Siegfried Pawel gewonnen, dem er über Steinitz seinen Dank für gute Arbeit ausrichten ließ.135

129 130 131 132 133 134 135

PM 10.12.1943 Hallgren Säpo, RA, P 813. Cohen, RA, Säpo, P 2161. PM Lönn/Lindroth, 10.12.1943, in: Doss. Berendsohn, SUK, Geheimarchiv, RA. Thunberg, Karin Lannby; „Annettes lista“, RA, Säpo XII 77, 1. „Annette“, 12.11.1943, RA, Säpo, Annettes Lista XII 77, Band 12. Steinitz, Renate, Eine deutsche Familie, S. 46. Müssener, Exil in Schweden, S.187–190. Warnke an Steinitz, 10.9.1944, Kopie in Sammlung Scholz/Steinitz.

3.5 „E-S“-Aktive im Blickfeld des schwedischen Sicherheitsdienstes 

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Zu den Parteiaufgaben von Steinitz und Cohn-Peters gehörte auch die „Bearbeitung der deutschen Kolonie in Stockholm“. Als Wilhelm Furtwängler im Dezember 1943 Konzerte in der schwedischen Hauptstadt gab, wurde in antinazistischen Kreisen ein Boykott der Konzerte diskutiert. Wolfgang Steinitz, Maxim Stempel, der Berliner Sozialarzt Dr. Max Hodann sowie der Nationalökonom und Statistiker Dr. Hans Paul Schwarz stellten dem Dirigenten in einem gemeinsamen Brief die Frage, wie er denn als Kulturrepräsentant Nazideutschlands die 9. Sinfonie Beethovens dirigieren könne.136 In Judisk Krönika weckte Hugo Valentin anlässlich des Furtwängler Auftritts die Frage, wie Schweden sich generell zur deutschen Kultur verhalten sollte, ob Deutschland gegenwärtig noch zur „Kultur des Westens“ gehörte.137 Am 15. Januar 1944 wurde in Stockholm der Freie Deutsche Kulturbund (FDKB) gegründet.138 Wie Berendsohn schrieb, „auf Anregung der Kommunisten, aber unter starker Beteiligung von Sozialisten und Bürgerlichen“.139 Der FDKB wurde für gut anderthalb Jahre zahlenmäßig ebenso bedeutsam wie die „E-S“. Sehr zum Verdruss der deutschfreundlichen schwedischen Presse wurde er anfangs tatsächlich von verschiedenen politischen Gruppen getragen. An der Stockholmer deutschen Vertretung bestanden sogar Zweifel, wer hinter dem FDKB stände, die Sowjets oder die Engländer. Man erkannte zwar die „kommunistische Färbung“ der auch an alle Reichsdeutschen verschickten Politischen Information, glaubte aber, das sei „Camouflage der Briten“.140 Der erste Vorstand des FDKB war nahezu paritätisch besetzt. Ihm gehörten als gleichberechtigte Vorsitzende Dr. Max Hodann und der sozialdemokratische Gewerkschaftsfunktionär Carl Polenske an. Im Arbeitsausschuss der Organisation waren allerdings mehrheitlich Angehörige der KPD vertreten, darunter Albert Cohen und Wolfgang Steinitz, dessen KPD-Mitgliedschaft jedoch noch immer nicht öffentlich bekannt war. Als Kassenwart wurde Steinitz bald von Emsheimer abgelöst, der im Juni 1945 auch in den Vorstand aufgenommen wurde und im Kulturbund bis zu dessen Auflösung die Rolle eines „Vertrauensmanns“ einnehmen soll-

136 RA, Säpo, P 1448 Serie A, 2 Bd., 1. Bd.; Rosengren, Från tysk höst, S. 114–116. 137 Valentin, Fallet Furtwängler. 138 Müssener, Exil in Schweden, S. 196–206. 139 Berendsohn, Die humanistische Front, S. 82. 140 So jedenfalls stellte es sich für die Agentin „Annette“ dar. „Annette“, 20.1.1944, RA, Säpo, Annettes Lista XII 77, Band 13. Quelle war Heinz Delbrück, seit Dezember 1941 bei der Informationsabteilung der Deutschen Gesandtschaft, seit Herbst 1942 deren Leiter, auch nachrichtendienstlich tätig; Referent für Judenfragen.

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3 Die Emigranten-Selbsthilfe aus der Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes

te.141 An die fünfzig Mitglieder der „E-S“ gehörten dem FDKB an.142 Von dem guten Kontakt zwischen beiden Organisationen zeugt auch das erste Rundschreiben des FDKB an seine Mitglieder und Freunde vom 12. März 1944. Es enthielt einen Hinweis auf die Veranstaltung der Emigranten-Selbsthilfe im selben Monat mit dem Vortrag „Die rechtliche Stellung der Staatenlosen in Schweden“ von Dr. Wilhelm Michaeli in den Räumlichkeiten der Jüdischen Gemeinde.143 Curt Trepte, Vorstandsmitglied des FDKB, gründete in Stockholm das Deutsche Emigrantentheater „Freie Bühne“, das eng mit dem FDKB zusammenarbeitete. Da die Mitwirkenden an diesen vom FDKB organisierten Theaterabenden kein Honorar erhielten, gingen erzielte Erlöse an die Emigranten-Selbsthilfe.144 Die Polizei verfolgte diese Entwicklung sehr genau. Kommissar Erik Lönn stellte seine Erkenntnisse der neugebildeten Staatlichen Ausländerkommission auf Anfrage zur Verfügung. Diese Kommission wachte über die politischen Emigranten und konnte durch Festlegung des Wohnortes deren Wirken stark einschränken. In einem Memorandum zum FDKB stellte der Sicherheitsdienst einen direkten Zusammenhang zwischen dessen Bildung und dem Oktober-Aufruf zur Sammlung der Deutschen in Schweden her. Dabei wurde auch auf das oben erwähnte Memorandum vom 10.12.1943 mit Erkenntnissen der Polizei zu allen Unterzeichnern verwiesen. Ein Zusammenhang zwischen FDKB und dem NKFD in Moskau stand für die Polizei nach den ersten Veröffentlichungen in der „Schriftenreihe des Freien Deutschen Kulturbundes“ außer Frage. Die Unterzeichner des Aufrufes zur Gründung des FDKB, der inhaltlich im Wesentlichen mit dem Oktober-Aufruf übereinstimmte, wurden nach der Veröffentlichung in der kommunistischen Tageszeitung Ny Dag vom 20.1.1944 vom Sicherheitsdienst registriert. Festgestellt wurde, dass fast alle Unterzeichner des Oktober-Aufrufs auch den im Januar unterzeichnet hatten. Ein Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in der EmigrantenSelbsthilfe wurde dabei nicht hergestellt. Beim Sicherheitsdienst wurden Zeitungsartikel zum FDKB aus einer großen Breite von Zeitungen zusammengestellt.145 Auch die Reaktionen auf die vom FDKB gemeinsam mit der „emigrantendeut141 Protokollnotizen (Vorstand, 11.6.1945). Sammlung Scholz/Steinitz. 142 Darunter: W. A. Berendsohn, Albert Cohen, H-J Cohn-Peters, Günter Dallmann, Ernst Emsheimer, Fred Forbat, Erika Friedländer, Heinz Goldstein, Hermann Greid, Simon Katzenstein, Elsa Meyring, Wilhelm Michaeli, Robert Peiper, Alfred Peyser, Max Seydewitz, Rudolf Simonis, Wolfgang Steinitz, Maxim Stempel, Curt Trepte, Herbert Warnke, Rudolf Wetzel, Irene Wetzel, Ludwig Zempelburg. Nach Kartothek des FDKB, Sammlung Scholz/Steinitz, und Liste: Mitglieder und Förderer der „E-S“, Mai 1945, The Central Zionist Archives, Jerusalem. WJC Swedish section. C4: 402. 143 An die Mitglieder und Freunde des FDKB! 12.3.1944, Sammlung Scholz/Steinitz. 144 Wie Steinitz vor der Aufführung des Zeitstücks „Die andere Seite“ in der Regie von Herman Greid in Stockholms Borgarskola erklärte. Steinitz, 3.10.1944, Sammlung Scholz/Steinitz. 145 Ny Dag, Morgon-Tidningen, Dagsposten, Den svenske Folksocialisten, Arbetaren, Trots Allt!, Aftonbladet.

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schen“ Theatergesellschaft „Freie Bühne“ im April durchgeführten Veranstaltungen fanden hier Aufmerksamkeit. Kommissar Lönn war aufgrund des Materials und der Aktiven im Kulturbund Anfang Juli 1944 davon überzeugt, dass der FDKB sich zu einer verdeckten kommunistischen Organisation unter einer „nur scheinbar unpolitischen und kulturellen Maske“ entwickelte.146 Doch in Schweden stand der innenpolitische Kurs auf Entspannung; Rücksichtnahme auf die Siegermächte über Hitlerdeutschland war angesagt. Restriktionen gegen Kritiker der schwedischen sogenannten Neutralitätspolitik wurden zurückgenommen, dies galt vor allem für die „Englandfreunde“. So wurde im Juli 1944 auch die Kommunikationskontrolle gegen Hugo Valentin aufgehoben. In diesem Zusammenhang kam man auf die ursprünglichen Gründe für diese Maßnahme zurück. Valentin, der jüdischer Abstammung sei, habe sich um die Angelegenheiten der in Uppsala und Umgebung lebenden jüdischen Flüchtlinge gekümmert. In seinen Briefen habe er Informationen über schwedische Verhältnisse mitgeteilt, die, wenn sie an die entsprechende Gesandtschaft, für die die Informationen bestimmt waren, weitergeleitet worden wären, den freundschaftlichen Beziehungen Schwedens zu ausländischen Mächten hätten schaden können. Deshalb sei eine Kommunikationskontrolle eingerichtet worden. Diese habe es dem Dienst ermöglicht, Informationen über die Aktivitäten der jüdischen Flüchtlinge im Bezirk Uppsala zu erhalten.147 Die Kommunisten stellten aus Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes dagegen weiter eine Bedrohung dar. Im September 1944 war es dem Dienst gelungen, mit einem eigenen Informanten in die kommunistische Emigration einzudringen. Auf diese Weise konnte unter anderem ein Bericht des von der KPD-Gruppe unter Karl Mewis nun isolierten Josef Wagner nach Moskau abgefangen werden. Die hier enthaltenden Angaben zur Emigranten-Selbsthilfe bestätigten das bisherige Bild der Hilfsorganisation beim Sicherheitsdienst. Wagner beschrieb die „E-S“ als eine jüdische Emigrantenorganisation, die kleinere Zuschüsse an jüdische Emigranten auszahlte und in Ausnahmefällen auch an andere Emigranten. Er benannte Fritz Hollander als einen ihrer Gründer. Hollander hätte über die Hilfsorganisation auch die aus der Sowjetunion kommenden Dr. Cohn-Peters (Physiker) und Dr. Wolfgang Steinitz (Ethnologe) kennengelernt.148 Zur Rolle Hollanders in der KPDExilgruppe schrieb Wagner, dass dieser deren Arbeit finanziell und logistisch unterstützt hätte. Beim Sicherheitsdienst waren ähnlich lautende Informationen

146 PM Tyskland/FDKB (Lönn, 6.7.1944), RA, SUK, Geheimarchiv, Doss. Herbert Warnke. 147 Valentin, RA, Säpo, P 2774. 148 Rapport „Wolfgang“, Betreffend Hollander, 18.9.1944 (Übersetzung 29.9.l944), RA, Säpo, P 534 (Bd. 5), auch in RA, Säpo, P 1943, Bd.1.

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3 Die Emigranten-Selbsthilfe aus der Sicht des schwedischen Sicherheitsdienstes

schon zuvor eingegangen, doch für den Zeitraum bis 1945 ist nur dieser WagnerBericht in Hollanders P-Akte erhalten. Im Schatten des kalten Krieges folgte auf Informationen dieser Art die Verdächtigung, für sowjetische Geheimdienste zu arbeiten. Im Falle Hollanders blieben Nachforschungen der schwedischen Polizei in dieser Richtung ergebnislos; soweit ersichtlich, brachten sie Hollander auch keine Nachteile.149 In seiner offenbar ausgedünnten Akte finden sich aber auch keine Spuren seiner anderweitigen Aktivitäten, nichts über seine Tätigkeit innerhalb der Stockholmer Jüdischen Gemeinde oder im Rahmen von Rettungsaktionen europäischer Juden. Dabei war Hollander zum Beispiel maßgeblich an der Rettung der dänischen Juden 1943 beteiligt. In seinem Büro hatte sich das Organisationskomitee konstituiert, in Malmö war er selbst vor Ort, und seine Firma Baltiska Skinnkompaniet sowie deren Mitarbeiter Norbert Masur und Semmy Samson, der Ehemann von Karo Salomon, spielten in der Aktion eine zentrale Rolle.150 Auch an der Beschaffung lateinamerikanischer Pässe als Schutzdokumente für gefährdete Juden war Fritz Hollander zusammen mit Jakob Ettlinger und Moritz Pinkus (Pineas) an zentraler Stelle beteiligt.151 Ab 1944 war Fritz Hollander Vorstandsmitglied bzw. Generalsekretär der schwedischen Sektion des Jüdischen Weltkongresses (World Jewish Congress, kurz: WJC). Nichts davon findet sich in seiner Akte. Nach Kriegsende stand der Sicherheitsdienst politisch stark unter Druck und agierte entsprechend vorsichtig. Als Kommissar Erik Lönn am 12. Juni 1945 das Material seines Dienstes über Steinitz an die Ausländerkommission schickte, betonte er eindringlich, die übermittelten Informationen „mit größter Sorgfalt zu behandeln, sodass sie unter keinen Umständen an Steinitz oder Außenstehende“ gelangten. Hierzu gehörte auch der Hinweis auf Steinitz’ Verbindung zu Hollander, die als bemerkenswert galt, da bei der Polizei bekannt sei, dass Hollander „die illegale Arbeit deutscher Kommunisten in Schweden finanziell unterstützt“ hatte und auch „auf andere Weise in geheime politische Aktivitäten verwickelt“ war. Die „ES“ fand in diesem Zusammenhang keine Erwähnung.152 Nach Kriegsende bildeten Mitglieder und Förderer der Emigranten-Selbsthilfe den Kern der Aktiven im Freien Deutschen Kulturbund. Davon zeugt auch das Protokoll der letzten Jahreshauptversammlung des FDKB vom 12. Mai 1946. Auf dieser musste Curt Trepte, nun Vorsitzender des Kulturbundes, „Auflösungstendenzen“ konstatieren. Viele der aktivsten Mitglieder des FDKB waren nach Deutschland zu-

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RA, Säpo, P 1943. Siehe auch: Hermele, Bernt, Judejävel, Kapitel 8. Yahil, The rescue of Danish Jewry, S. 335; Einhorn, Handelsresande, S. 155–156. Zadoff, The performance of Latin American diplomats, S. 328. Lönn an SUK (Engström), 12.6.1945, RA SUK Geheimarchiv, Doss. Steinitz.

3.5 „E-S“-Aktive im Blickfeld des schwedischen Sicherheitsdienstes



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rückgekehrt und die Mitgliederzahl allgemein „stark zusammengeschrumpft“.153 Dazu kamen „Inaktivität bei einem großen Teil der verbliebenden Mitglieder, Ausbleiben der Mitgliedsbeiträge, mangelhafter Besuch der letzten Veranstaltungen“. Nach eingehender Diskussion stellte Walter Berendsohn den Antrag, den Kulturbund aufzulösen. Dieser wurde einstimmig angenommen. Der von Ernst Emsheimer vorgetragene Kassenbericht zeigte, dass Schulden nicht vorhanden waren. Im Abschluss der Generalversammlung dankte Dr. Peyser „mit warmen Worten allen, die an der Arbeit des Kulturbundes von seiner Gründung bis zur Auflösung tatkräftig mitgeholfen“ hatten.154 Damit war die Emigranten-Selbsthilfe wieder die unbestritten größte Emigrantenorganisation in Schweden. Als die P-Akte von Hans-Jürgen Cohn-Peters nach dem Krieg neu geordnet wurde, stellte man ihr eine auf den 28.11.1950 datierte Zusammenfassung voran. Darin wurde festgestellt, dass seine Akte ausschließlich Informationen aus der Zeit von 1938 bis 1940 enthalte, hauptsächlich hinsichtlich seines Antrages auf einen Fremdenpass. Die Akte enthalte über Cohn-Peters „abgesehen von seiner Einreise aus Russland, nichts Nachteiliges“. Hervorgehoben wurde in der kurzen Zusammenfassung, dass sein Schwager Steinitz einer der Gründer einer Organisation mit dem Namen Emigranternas Självhjälp war. Zu der damals aktiven Hilfsvereinigung wurde hier angemerkt: „Allerdings scheint diese keinen politischen Hintergrund zu haben.“155 Die beim schwedischen Sicherheitsdienst während des Krieges wiederholt eingegangenen Informationen zur Emigranten-Selbsthilfe reichten von sachlich informativ (Steinitz, Cohn-Peters), über politisch zweifelhaft (Willsch), bis hin zu gefährlich für die Emigranten selbst (Singer). Trotzdem ist es nach Aktenlage nicht zur Anlage einer Sachakte (Hd.) zur „E-S“ gekommen, wie es für das Internationale Foyer der Fall war. Der unpolitische Charakter der Emigranten-Selbsthilfe stand beim schwedischen Sicherheitsdienst offenbar nie in Frage.

153 Einnahmen (Mitgliedsbeiträge, Spenden) Mai 1944–Mai 1945: SEK 5287; Mai–November 1945: 964; November 1945–Mai 1946: 614. Materialien zum Kassenbericht. Sammlung Scholz/Steinitz. 154 Protokoll der Jahreshauptversammlung des FDKB am 12.5.1946. Teilnehmer: Trepte, Emsheimer, Peyser, Rippner, Fricke, Friedländer, Greid, Berendsohn, Benner, Ullendorf. 155 PM ang. P 1445, 28.11.1950, Cohn-Peters, RA, Säpo, P 1445. Eine Hd. war bereits im Februar 1941 „ad acta“ gelegt worden; doch sehr bald folgte ein P-Akte, die drei Nummern vor der von Steinitz liegt.

4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten Dank eines neuerwachten Interesses an biografischer Forschung hat die Emigranten-Selbsthilfe im letzten Jahrzehnt in Schweden und Deutschland größere Aufmerksamkeit gefunden. Doch die bisherige geringe Beachtung durch Forschung und Öffentlichkeit erstaunt angesichts der Bedeutung dieser deutsch-jüdischen Selbsthilfeorganisation, die über Jahre zahlenmäßig die größte Emigrantenorganisation war und deren deutsche Kulturabende bis zur Gründung des FDKB auch die Hauptereignisse im geistigen Leben der deutschen Emigration in Stockholm waren. Gründe dafür sind in den herrschenden politischen Verhältnissen auszumachen. Mit dem Kriegsanfang im September 1939 hatte die „E-S“ politisch bedingt bewusst Zurückhaltung in der Öffentlichkeitsarbeit geübt. Später blieben die Zeitzeugen, was die Organisation als solche und die eigene Rolle in ihr betraf, aus unterschiedlichen Gründen zurückhaltend. Offenbar war dies wesentlich dem politischen Klima in der Zeit des kalten Krieges geschuldet, denn weder in Ost noch West wollte man an eine Organisation erinnern, die gemeinsam von Zionisten und politisch Linken initiiert und zumindest zeitweilig auch gemeinsam getragen worden war. Hinzu kommt, dass die „E-S“ nicht offizieller Bestandteil der Arbeit der Flüchtlings- bzw. Kulturarbeit der Stockholmer Jüdischen Gemeinde war und deshalb lange keinen Platz im Rahmen des jüdischen Selbstverständnisses fand.

4.1 Die zeitgenössische Publizistik der Emigranten-Selbsthilfe Die Emigranten-Selbsthilfe hatte nach ihrer Bildung im Herbst 1938 allzu große Publizität vermeiden wollen. Vorbehalte gegen eine befürchtete Aufsplitterung der Flüchtlingsarbeit der Jüdischen Gemeinde in Stockholm sollten nicht geschürt werden. Von Beginn an betonte man seitens der „E-S“ im Gegenteil die gute Zusammenarbeit mit der Gemeinde und übte sich außerhalb der eigenen Kreise in Zurückhaltung. Erst zwei Jahre nach dem Gründungsaufruf vom November 1938 suchte die „E-S“ erneut die Öffentlichkeit; auch diesmal begrenzt auf jüdisch-zionistische Kreise. Diese hatten sich 1940 ein kleines Mitteilungsblatt gegründet, MENORA.1 Den Namen hatte man nach dem Siebenarmigen Leuchter, Menora (hebräisch ‫רה‬ ָ ‫מנוֹ‬ ְ ), gewählt, einem der wichtigsten religiösen Symbole des Judentums. Im ersten Heft, das in der Jüdischen Gemeinde verteilt wurde, stellte sich MENORA als Mitteilungsblatt über das „jüdische Vereinsleben“ in der Stadt vor. Es kündigte 1 Das Blatt erschien bis 1946. https://doi.org/10.1515/9783110729511-004

4.1 Die zeitgenössische Publizistik der Emigranten-Selbsthilfe



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an, über wichtige schwedisch-jüdische Kulturveranstaltungen berichten zu wollen. Die Auflage wurde mit 2000 Exemplaren angegeben. Bald wurde der Journalist und brennende Zionist Daniel Brick, der auch Gründer und Chefredakteur von Judisk Krönika war, als verantwortlicher Redakteur für MENORA genannt. Tatsächlich erfüllte MENORA die Aufgabe eines Mitteilungsblattes für in erster Linie zionistische Kreise. Mit dieser Zeitschrift sah der Vorstand der „E-S“ nun eine Möglichkeit, sich erneut an eine interessierte Öffentlichkeit zu wenden und über die Tätigkeit der Hilfsorganisation zu informieren sowie für sie zu werben. Im November 1940 wandte sich der Sekretär der „E-S“ Siegfried Pawel im Namen des Vorstandes mit der Bitte an Daniel Brick, die MENORA in diesem Monat auf Kosten der „E-S“ herauszubringen, wobei er von einer Versendung von 1000 Stück ausging. Die Artikel für diese Nummer würde ihm Wolfgang Steinitz zustellen.2 Diese sechste Ausgabe des Mitteilungsblattes bot den Lesern Ende November 1940 eine umfängliche Präsentation der „E-S“. Neben einer indirekten Wiedergabe des Gründungsaufrufs gehörten dazu Informationen über die bisherige erfolgreiche Arbeit, vor allem was Sozialhilfe und Kulturarbeit betraf. Zum Beispiel habe man in den ersten Monaten des Jahres 1939 viele neu angekommene Emigranten bei ihrer Ankunft in Stockholm am Bahnhof abgeholt und mit den notwendigsten Informationen versorgt. Hervorgehoben wurden die Sprachkurse, die sowohl für den Aufenthalt in Schweden als zur Vorbereitung auf die Weiterwanderung in andere Länder von beträchtlicher Bedeutung wären. Zahlreiche Vorträge und künstlerische Abende hätten im Sitzungssaal der Jüdischen Gemeinde, im kleinen Saal des Stockholmer Konzerthauses oder im Viktoriasaal stattgefunden.3 Versichert wurde hier nochmals ausdrücklich, dass die „E-S“ in Fragen der sozialen Unterstützung weder in der Lage sei noch beabsichtige, mit den bereits bestehenden Hilfsorganisationen zu konkurrieren, schon gar nicht mit dem Hilfskomitee der Jüdischen Gemeinde. Mit dieser Vorstellung in MENORA sollte deutlich gemacht werden, dass die Gründung der „E-S“ nicht unnötig gewesen sei, sondern dass sie als Hilfsorganisation eine Aufgabe erfülle, die weder vom Hilfskomitee der Gemeinde noch von einem der jüdischen Vereine erfüllt werden könne.4 Zum dritten Jahrestag der „E-S“ 1941 erschien in MENORA neben Informationen über die laufende Arbeit sowie Einladungen zu den Veranstaltungen der Hilfsorganisation wieder ein längerer Artikel über sie. In ihm wurden die wachsenden Anforderungen an die Hilfsarbeit beschrieben. Stolz konnte berichtet werden, 2 Pawel an Brick, 17.11.1940. (Kopie in Sammlung Scholz/Steinitz). 3 Der Victoria-Saal befand sich im Godtemplarhuset (Guttempler) in der Tunnelgatan 19 in Stockholm. Eine prächtige Halle, in der viele bedeutende Treffen und Auftritte berühmter Persönlichkeiten stattgefunden haben. 4 MENORA, 25.11.1940 (Jg. 1, Nr. 6).

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

dass die „E-S“ nicht nur in Fragen der Beratung tätig war, sondern in bescheidenem Umfang auch ökonomische Unterstützung geben konnte. Vor allem die Vermittlung von Arztbesuchen hätte sich als wertvoll erwiesen und die Kulturarbeit sich gut entwickelt. Hunderte Emigranten hätten die Sprachkurse der „E-S“ besucht. Studienkreise zur schwedischen Kultur und Geschichte würden den Emigranten helfen, sich in schwedische Verhältnisse einzufinden. Auch auf die Frage der Beziehungen zu den bereits bestehenden Hilfsorganisationen wurde zurückgekommen und betont, dass sich die Zusammenarbeit sehr gut entwickelte habe. Nicht zuletzt gelte das für die Jüdische Gemeinde, die ihre Lokale für die Arbeit der Studienkreise und vor allem für Vorträge und Konzerte zur Verfügung gestellt hätte. Besonders hervorgehoben wurde der Selbsthilfecharakter der „E-S“. Durch sie würden auch diejenigen, die bisher nur Hilfsempfänger waren, nun die Möglichkeit erhalten, anderen zu helfen.5 In den folgenden Jahren übte man seitens der „E-S“ in der Öffentlichkeit weiter Zurückhaltung. Erst nach Kriegsende sollte sich das ändern. Zum Anlass des 10. Jahrestages der Bildung der Emigranten-Selbsthilfe im Jahr 1948 erschien eine von Ernst Baburger in deutscher Sprache verfasste hektographierte Jubiläumsschrift in einer Auflage von 700 Exemplaren.6 Wie Ernst Baburger hier erklärte, wurde es erst „nach dem Kriege […] möglich, auch Fragen, von denen wir uns bis dahin wegen ihrer Berührung mit der Politik fernhalten mussten, in den Kreis unserer Arbeit einzubeziehen“. In der Jubiläumsschrift gibt Baburger einen Überblick über die Geschichte der Hilfsorganisation. Er nennt hier auch die „großen Schwierigkeiten“, mit denen die „E-S“ anfangs zu kämpfen hatte, da man in Kreisen der Jüdischen Gemeinde, der damals die Hauptsorge für die Flüchtlinge oblag, eine „unnötige und unproduktive Splitterung der sozialen Hilfsarbeit“ fürchtete. Hinzu kamen nach Ausbruch des Krieges und späterhin mit der Okkupation Dänemarks und Norwegens Befürchtungen, „dass die Existenz einer besonderen Flüchtlingsorganisation zu unliebsamen Verwicklungen“ und „starken politischen Spannungen“ führen könnte. Alle diese Bedenken hätten sich glücklicherweise als unbegründet erwiesen, und die „E-S“ sei der Jüdischen Gemeinde dankbar, dass sie der Emigranten-Selbsthilfe trotz der erwähnten Befürchtungen „von Anfang an durch Zurverfügungstellung geeigneter Versammlungslokale zur Seite stand“.7 Regelmäßig hatte die „E-S“ in den vergangenen Jahren auch in ihren Rechenschaftsberichten der MFST dafür Dank ausgesprochen, auch für die kostenlose Nutzung ihrer Räumlichkeiten zum Chanukka-Bazar. Ohne diese „Bereitwilligkeit“, die „unbeschränkte Bereitstellung der Räume“, und vor allem ohne diese „Kostenlosigkeit“ 5 MENORA, 28.11.1941 (Jg. 2, Nr. 15 (22). 6 Zehnjahresbericht. 7 Ebenda.

4.2 Die Emigranten-Selbsthilfe in der Erinnerung ihrer Funktionäre



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wäre es der „E-S“ keineswegs möglich gewesen, all das zu leisten, was sie in all den Jahren tatsächlich leistete.8 Baburgers Bericht von 1948 führte namentlich alle Teilnehmer der Gründungssitzung vom 30. November 1938 auf, sowie die Vorstandsmitglieder und die Mitwirkenden an den Kulturveranstaltungen der vergangenen zehn Jahre. Gedankt wurde auch den nicht Anwesenden. Moritz Pineas (Pinkus) und seine Frau Karla lebten damals in Südafrika, Jakob Forchheimer war in Kanada verstorben, Wolfgang Steinitz sei „Professor in Berlin“ und Alfred Ullmann lebte in Los Angeles.9 Auch Judisk Krönika erinnerte in einem kleinen Artikel an den 10. Jahrestag der „E-S“ und nannte als deren aktuelle Hauptaufgabe die ökonomische Unterstützung der Alten, die sich selbst nicht versorgen könnten.10 Bis zu ihrer Auflösung ist die „E-S“ dann kaum noch an die Öffentlichkeit getreten. Immerhin nahm sie offiziell an der Landeskonferenz des Verbandes Jüdischer Nazi-Opfer in Schweden teil, die am 27. Marz 1955 in Stockholm stattfand. Unter den Konferenzteilnehmern waren mehrere ehemalige Aktive der „E-S“, die hier nun aber andere Organisationen vertraten, darunter Fritz Hollander als Vertreter für Zionistiska Federation. Als offizieller Vertreter der „E-S“ stellte Ernst Baburger in seinem Grußwort die Hilfsorganisation kurz vor. Diese sei in einer schwierigen Situation gegründet worden, Flüchtlingen sei damals meist mit Misstrauen begegnet worden und die staatlichen Institutionen seien nicht auf Flüchtlinge vorbereitet gewesen. Im Namen der Mitglieder der „E-S“ zog Baburger das Resümee: „Wir sind Nazi-Opfer wie Sie!“11

4.2 Die Emigranten-Selbsthilfe in der Erinnerung ihrer Funktionäre Als langjähriger Vorsitzender des „E-S“ hielt Ernst Baburger das Andenken an die Selbsthilfeorganisatin nicht ohne Stolz in Ehren. Dies gilt auch für Fritz Hollander, als er in einflussreiche Positionen in der Stockholmer Jüdischen Gemeinde kam. Andere, wie Wolfgang Steinitz in der DDR, hielten eine Erwähnung dieser Hilfsorganisation entweder für nicht wichtig genug oder auch für problematisch, was angesichts des politischen Zeitgeistes im Einflussbereich Moskaus wohl auch klug war.

8 Rechenschaftsbericht 1949. 9 Zehnjahresbericht. 10 Judisk Krönika 19 (1948) 17, S. 231. 11 Protokoll 1955, S. 3.

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

Für den Kommunisten Steinitz war die Sicht auf eine jüdische Hilfsorganisation und den eigenen Anteil an ihrer Tätigkeit schon immer zwiespältig gewesen. Im August 1940 hatte er in einem Bericht für die Moskauer KPD-Führung zu seiner Parteiarbeit in Schweden die „E-S“ als „überparteilich“ im Sinne der kommunistischen Volksfrontpolitik beschrieben: „Seit November 1937 bin ich in Stockholm gewesen, wo ich bis Juli 1940 aktiv in der Partei gearbeitet habe. Mein Hauptarbeitsgebiet waren überparteiliche Emigrationsorganisationen / Gründung des SDS-Skandinavien, des Heinrich-Mann-Kreises, der ‚Emigranten-Selbsthilfe‘ u. a.“.12

Die „E-S“ wurde damals von den Kommunisten offenbar als Teil kommunistischer Volksfrontarbeit gesehen. Als die von der KPD seit Ende Mai 1939 in Paris herausgegebene Deutsche Volkszeitung erstmalig „aus dem Stockholmer Raum über die „Kulturarbeit der deutschen Emigration in Schweden“ berichtete, würdigte sie die Kulturabende zu Heine, Lessing, Albert Einstein sowie Berendsohns Vortrag zu Thomas und Heinrich Mann. Obwohl alle ausschließlich von der EmigrantenSelbsthilfe verantwortet waren, fand diese doch im Artikel keine Erwähnung.13 Gegenüber schwedischen Kreisen stellte Steinitz seine Tätigkeit in der „E-S“ stärker heraus. Bei der Ausländerbehörde hatte er die „E-S“ ab Frühjahr 1941 sogar als seinen Arbeitgeber angegeben, wofür er ein Arbeitsvisum erhalten hatte. Nach Kriegsende berichtete seine Mutter ihren in Palästina lebenden Kindern über das Schicksal der Familien in Schweden. Zu Wolfgang Steinitz’ Engagement im gesellschaftlichen Leben Schwedens hob sie hervor, dass er „allgemein sehr geschätzt“ werde, „auch von solchen, die nicht seiner Lebensauffassung“ seien. In der „Emigrantenselbsthilfe, fast nur Juden“, habe er „viel mitgewirkt, aber nicht deshalb, weil er sich als ‚Jude‘ fühlte“; „seine Einstellung zum Judentum sei die gleiche geblieben“. Er habe sogar versucht, eine Gruppe junger Zionisten für seine Auffassung zu gewinnen, aber das sei ihm nicht gelungen.14 Wolfgang Steinitz’ Sicht auf die „E-S“ als überparteiliche Emigrantenorganisation im Sinne der KPD-Volksfrontpolitik schimmert auch in seinen Ausführungen vom Mai 1943 gegenüber Professor Eli Heckscher durch.15 Heckscher war im Frühjahr 1943 öffentlich dafür eingetreten, sich für die wahre deutsche Kultur einzusetzen, mit klarer Front gegen die nazistische Kulturbarbarei. Diese Initiative erhielt 12 Steinitz an „Werte Genossen“, Tartu, 27.8.1940 – Komintern-Akte, Wolfgang Steinitz. Kopie in: ABBAW: NL Steinitz 13 Deutsche Volkszeitung, 21.5.1939. In Form eines Leserbriefes gehalten. 14 Else Steinitz an ihre Kinder (in Palästina) 20.8.1945 (Kopie in: Sammlung Scholz/Steinitz). 15 Thor Tureby, Flüchtlinge und Pioniere, S. 342. Der als jüdischer Antizionist und Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Hochschule Stockholm bekannte Wirtschaftsjurist Heckscher unterstützte eine praktisch orientierte Flüchtlingshilfe.

4.2 Die Emigranten-Selbsthilfe in der Erinnerung ihrer Funktionäre



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ein breites Echo in der schwedischen Presse.16 Da sie der von Steinitz in der „E-S“ Kulturarbeit praktizierten Auffassung von der deutschen Kultur entsprach, nahm er Kontakt mit Heckscher auf. Ausführlich berichtete er ihm von seinen Aktivitäten in dieser Richtung. Er bedauerte, dass mit dem Kriegsausbruch eine erfolgreiche Fortsetzung der Arbeit zunichte gemacht worden war. Die Emigranten-Selbsthilfe beschrieb er gegenüber Heckscher nicht als jüdische Organisation, was mit Blick auf die Statuten der „E-S“ auch korrekt war; er stellte sie ihm als die „größte deutsche Emigrantenorganisation“ vor. „Auch die deutsche Emigration selber hat hier in Stockholm eine kulturelle Tätigkeit entwickelt, insbesondere die Emigranten-Selbsthilfe (die größte deutsche Emigrantenorganisation). Da es Sie sicher interessieren wird, erlaube ich mir (als Leiter der Kulturarbeit der Emigr. Selbsth.), einige unserer größeren Veranstaltungen zu nennen: zwei Lessingabende im kleinen Konzerthaussaal (Febr. 1939), Vortrag über Kant anlässlich seines 200jährigen Geburtstages von Prof. Cassirer (Febr. 39), zwei Mozartabende (anlässlich des Jubiläums 1941), Vortrag über Stefan Zweig von Dr. Lindenthal (April 42) und zahlreiche andere Vorträge über literarische und andere Themen. Wir hatten 1939 sehr weitgehende Pläne (Stefan Zweig und Thomas Mann sollten bei uns sprechen), der Krieg hat uns aber zu einer größeren Zurückhaltung gezwungen, und erst seit diesem Frühjahr beginnt unsere Kulturtätigkeit wieder einen größeren Maßstab anzunehmen. Im März hat eine Gruppe deutscher und schwedischer Schauspieler in Borgarskolan ein Tolstoi Stück von Stefan Zweig aufgeführt (zwei Abende), und diese Schauspielgruppe beabsichtigt, in der Saison 1943/44 vier Theaterstücke in deutscher Sprache aufzuführen.“17

Heckscher wusste zweifellos um den Briefeschreiber und den Charakter der „E-S“; er wimmelte Steinitz ab. Er habe keine Zeit, sich mit der praktischen Arbeit zu befassen, und glaube auch kaum, dass die Jahreszeit günstig sei, um Teilnehmer zu werben. Er vertröstete Steinitz auf den Herbst. „Sie dürfen mich aber nicht missverstehen, wenn ich hinzufüge, dass das Vorhaben unter schwedischer und vielleicht sogar nichtjüdischer Leitung stehen sollte.“ Für die Leitung hätte er bereits eine Person im Blick; wollte aber die Mitarbeit von „Immigranten“ (!) nicht ausschließen.18 Tatsächlich sollte die Situation im Sommer 1943 nach der Gründung des Nationalkomitees Freies Deutschland eine andere sein. Am 15. Januar 1944 wurde in Stockholm der Freie Deutsche Kulturbund (FDKB) gegründet, mit Berendsohn und Steinitz im Vorstand. Der FDKB wurde gut ein Jahr die einflussreichste Organisation der deutschen Emigranten in Schweden, die anfangs tatsächlich von verschiedenen politischen Gruppen getragen wurde. Nach Berendsohn hätte Steinitz hier 16 Svenska Dagbladet 1943-05-20,4. Müssener, Exil in Schweden, S. 207 17 Steinitz an Heckscher, 20.5.1943 (Durchschlag). ABBAW NL Steinitz, Nachtrag (2). 18 Heckscher an Steinitz, 23. Mai 1943 (Übersetzung des Verfassers). ABBAW NL Steinitz, Nachtrag (2). Heckscher lehnte später auch eine Zusammenarbeit mit dem FDKB ab.

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

als Kassierer anfangs mit die Hauptarbeit geleistet.19 Als Vertreter bzw. Mitglied der Leitung des Kulturbundes kam Steinitz nach Kriegsende auch in die Leitung der Zentralstelle der deutschen antifaschistischen Organisationen.20 Noch im Januar 1944 war er in den Vorstand der Gesellschaft zur Förderung der kulturellen und ökonomischen Verbindungen zwischen Schweden und der Sowjetunion gewählt worden. Es war ihm ein besonderes Anliegen, ein positives Bild über die Sowjetunion zu verbreiten. So lobte er in Sovjetnytt, der offiziellen Publikation der „Freunde der Sowjetunion“, Stalins Nationalitätenpolitik. Sie böte große Vorteile hinsichtlich der Lage der jüdischen Bevölkerung, meinte er.21 Zu diesem Thema referierte er nicht nur auf Veranstaltungen der „E-S“ und für Baltiska Skinnkompaniet, sondern auch in vielen anderen Zusammenhängen, so wiederholt bei den Quäkern oder im jüdischen Jugendkreis, später auch im Radio. Steinitz Engagement ging mit der Entwicklung des Krieges und der Verbesserung der Voraussetzungen und Möglichkeiten in Schweden für politische Aufklärungsarbeit einher. Seine immer deutlicher werdende politische Einstellung fand nicht bei allen Gefallen. Oskar Klein stellte ihn noch im Januar 1944 wegen seiner, wie es Klein ansah, fanatisch kommunistischen Einstellung zur Rede.22 Steinitz reagierte positiv, schließlich seien ihre Auffassungen im Grundsatz gar nicht so verschieden, meinte er; „die Ideale der Humanität, Freiheit, Gerechtigkeit, Entfaltung der Persönlichkeit“ seien ihnen gemeinsam. Man sollte nicht das Trennende, sondern das Verbindende suchen. Den Vorwurf des Fanatismus wollte er aber nicht auf sich sitzen lassen: […] ich bin der politischen Ansicht, die ich vertrete, sehr ergeben und habe dafür schon viel in meinem Leben geopfert – ich habe wiederholt meine ganze Existenz dafür eingesetzt. Das könnte man also als Fanatismus bezeichnen. Dazu gehört aber, nach dem üblichen Sprachgebrauch, auch ein unduldsames Verhalten gegenüber den Menschen anderer Ansicht, mit denen man zusammen zu arbeiten (nicht zu diskutieren!!!) hat. Eine derartige Zusammenarbeit habe ich in den letzten 6 Jahren in ausgedehntem Masse geleistet. Du kannst irgendeinen Menschen aus der deutschen Emigration oder den schwedischen Kreisen, die mit ihr Fühlung haben, fragen, ob sie mich als fanatischen, unduldsamen Menschen in dieser Arbeit kennengelernt haben – ich brauche um die Antwort nicht besorgt zu sein. Obwohl ich in allen diesen Kreisen aus meiner persönlichen politischen Einstellung kein Hehl gemacht habe (auch nicht während des Finnlandkrieges), bin ich doch gerade wegen meiner sachlichen, nicht parteipolitischen Tätigkeit und der versöhnlichen Zusammenarbeit mit den verschiedenen Richtungen und Gruppen als Mitarbeiter geschätzt und gehöre deshalb als einziger auch der Leitung der beiden überparteilichen Emigrantenorganisationen (Emigrantenselbsthilfe und Freier Deutscher Kulturbund) an. In diesen Emigranten-Organisationen 19 20 21 22

Berendsohn, Die humanistische Front, S. 82. Lebenslauf, 6.7.1951; Zur Zentralstelle siehe Müssener, Exilland, S. 217. Steinitz, Stalins nationalitetspolitik. Sovjetnytt erschien von 1933 bis 1945. Klein an Steinitz, 31.1.1944. ABBAW, NL Steinitz, Bd. 40/2.

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stellen wir die politische Diskussion vor der praktischen Arbeit zurück; und das wird auch in Deutschland nach dem Kriege die Hauptaufgabe sein. […], Dass man dem andern jedoch die subjektive Ehrlichkeit der Überzeugung zubilligt, ist die Grundvoraussetzung für jede sachliche Diskussion. […]23

Nach dem Zusammenbruch des Hitlerstaates wollte Steinitz sofort nach Deutschland zurückkehren und dort am Wiederaufbau teilnehmen. Noch im Juli 1945 schrieb er an den gerade aus dem sowjetischen Exil nach Berlin zurückgekehrten prominenten Schriftsteller Johannes R. Becher, dem in Moskau die Aufgabe zugefallen war, in Deutschland den kulturellen Neubeginn zu organisieren. Steinitz wollte Bechers Unterstützung für eine schnelle Rückkehr nach Deutschland erhalten. Dafür beschrieb er ausführlich seine „gesellschaftliche Tätigkeit hier in Schweden“. Interessanterweise ließ er die „E-S“ dabei außen vor.24 Als Steinitz mit der zweiten Gruppe, zu der auch sein Schwager und Albert Cohen gehören, Anfang 1946 in Berlin ankam, gehörte es zu den ersten Pflichten aller Rückkehrer, der Partei genauestens über ihre Emigrationszeit Bericht zu erstatten. Die „E-S“ erwähnte Steinitz in seinem ausführlichen Lebenslauf nur kurz und als Parteiauftrag. Das Adjektiv „jüdisch“ vermied er, indem er den in der Sowjetunion üblichen Begriff „Wirtschaftsemigrant“ benutzte. Darüber hinaus stellte er einen direkten Nutzen der „E-S“ für die eigenen Genossen heraus: „Herbst 1938 Gründung der Emigranten-Selbsthilfe, Organisation hauptsächlich der Wirtschaftsemigranten; Mitglied des Vorstandes und Leiter der Kulturarbeit 1938–45 (die Emigr.S. gab während des Krieges die Möglichkeit zu legaler Kulturarbeit u. a., z. B. wurden über 14.000 Kronen Unterstützung und Arztgelder an unsere Genossen gezahlt.)“.25

Nachfragen durch die Partei hinsichtlich dieser Tätigkeit sind nicht bekannt. In seinem Lebenslauf vom Juli 1951, im sowjetischen Einflussbereich hatten die antisemitisch gefärbten Säuberungen unter den Westemigranten Hochkonjunktur, erwähnte Steinitz seine jüdischen Kontakte im schwedischen Exil nicht mehr. Er sei nach Schweden gefahren, weil er dort „entfernte Verwandte“ hatte. Im Laufe der Jahre sei es ihm gelungen, dort eine Existenz zu gründen. Zuerst hätte er „Unterstützung durch Emigrantenkomitees“ erhalten, dann Geld durch Stundengeben oder durch die Arbeit als Holzsäger verdient. Vom Herbst 1938 bis Ende 1945 hätte er eine Anstellung am Ungarischen Institut der Universität Stockholm gehabt und Gastvorlesungen gehalten. In die Emigrationsgruppe Schweden der KPD sei er im März 1938 aufgenommen worden.26 23 24 25 26

Steinitz an Klein, 3.2.1944. ABBAW, NL Steinitz, Bd. 40/2. Steinitz an Becher, 4.7.1945 (Kopie), ABBAW, NL Steinitz, 40 Bd. I. Wolfgang Steinitz, Lebenslauf n. d., BArch, SAPMO, DY 30/IV 2/11/v.644. Wolfgang Steinitz, Lebenslauf, 6.7.1951.

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

Auch schwedische Aktivisten der „E-S“, die als Hilfsorganisation in den 1960er Jahren noch immer aktiv war, schenkten ihr kaum Beachtung. So wurde sie von Wilhelm Michaeli, einer der Gründer der „E-S“, nicht erwähnt, als er 1959 aus Anlass seines 70. Geburtstages in Judisk Krönika über seine Flüchtlingsarbeit nach 1938 schrieb.27 In Michaelis nachgelassenen nichtpublizierten autobiographischen Aufzeichnungen wird die „E-S“ nur im Zusammenhang mit dem Schicksal von Elsa Meyring erwähnt. Meyring hätte in der Geschäftsleitung der Emigranten-Selbsthilfe kräftig und erfolgreich mitgewirkt.28 In diesem Zusammenhang nannte Michaeli die Hilfsorganisation „eine sehr segensreiche Vereinigung von Emigranten“, die mit eigenen Mitteln eigenen Schicksalsgenossen half.29 Auch bei Hugo Valentin, der die Arbeit der „E-S“ unterstützt hatte, findet die „E-S“ in seiner nach seinem Tode 1964 bei Bonniers erschienenen Geschichte der Juden in Schweden (Judarna i Sverige) keine Beachtung. Obwohl Valentin sich in mehreren Kapiteln den Jahren nach 1933 widmet und ausführlich die schwedische Flüchtlingspolitik behandelt, würdigt er hier ausschließlich die zentrale Rolle der Stockholmer Jüdischen Gemeinde.30 Erst Mitte der 1970er Jahre, anlässlich einer Ausstellung im Stockholmer Stadtmuseum zur 200jährigen Geschichte der Juden in Stockholm, sollte die Emigranten-Selbsthilfe eine Würdigung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Hilfsorganisation bereits aufgelöst.31 In einem die Ausstellung begleitenden Folder erinnerten Fritz Hollander und Ernst Baburger an die Hilfstätigkeit in Stockholm, wobei sie neben der Jüdischen Gemeinde auch andere Hilfsorganisationen würdigten. Hollander nannte das Internationale Foyer (Stig Bendixon), Birkagården (Gillis Hammar) und sogar die Rote Hilfe. Besonders ausführlich ging er auf die „ES“ ein: „Gegen Herbst 1938 wurde in Stockholm eine spezielle Organisation für die deutschen Flüchtlinge gegründet, die so genannte Emigranten-Selbsthilfe. Zu ihren Gründern gehörten Vertreter aller Flüchtlingstendenzen, sowohl derjenigen, die direkt aus Deutschland gekommen waren, als auch derjenigen, die über die Sowjetunion gekommen waren, Vertreter streng orthodoxer jüdischer Tendenzen, von Jugendorganisationen, jüdisch-zionistischen Organisationen, aber auch Sozialdemokraten und Kommunisten und sogar einige schwedische Juden. Die Organisation war in ihrer Art also in gewisser Weise einzigartig. Wie der 27 (Michaeli), Wilhelm Michaeli om sitt arbeite. 28 Zu Meyring siehe auch: Müssener & Wilhelmus, Stettin, Lublin, Stockholm. 29 Die nach seinem Tode aufgefundenen Aufzeichnungen hat sein Sohn, Hans Michaeli, 1998/99 zusammengestellt („Autobiographische Skizze“) – Manuskript bei Jan Winter, Enkel Michaelis in Uppsala. 30 Valentin, Judarna i Sverige, Kap 16–21, S. 164–208, besonders Kap. 21 Den svensk-judiska flyktinghjälpen (S. 198–208). 31 Judarna i Stockholm 200 år

4.3 Innerjüdische Auseinandersetzungen



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Name schon sagt, ging es darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu organisieren, und es kam auch ein gewisser Wunsch nach Eigenverantwortung sowie ein gewisser Protest gegen das Gefühl zum Ausdruck, dass die Jüdische Gemeinde sich zu sehr zum Beschützer der Flüchtlinge machen wollte. Mit den Ereignissen in Deutschland im November 1938, als die Synagogen brannten und sich die Verfolgung der Juden verschärfte, gewann die Organisation an Bedeutung.“32

Ernst Baburgers Beitrag für den Museumfolder gründete sich auf seine Darstellung von 1948; zudem konnte er sich nun auch auf neuere Forschungen stützen, wie auf Helmut Müsseners Lizentiatsarbeit von 1971 zum deutschsprachigen Exil in Schweden. Baburger schrieb im Folder, dass sich die „E-S“ unmittelbar nach der sogenannten Kristallnacht auf Initiative von Moritz Pineas (Pinkus) und seiner Frau Karla gegründet hatte. Ende November 1938 hätte sich ein größerer Personenkreis in einer Privatwohnung getroffen. Durchgängig sei die „E-S“ deutsch-jüdisch geprägt gewesen. In seiner Darstellung ordnet Baburger die Person des inzwischen verstorbenen Wolfgang Steinitz etwas eigenwillig ein. Er nennt ihn „Vorstandsvorsitzender der ersten Stunde und über mehrere Jahre hinweg“. Korrekt bezeichnete er ihn als Sprachwissenschaftler, der als Professor nach Deutschland zurückkehrte, dann wieder irrtümlich, dass Steinitz „von dort aber wieder in die Vereinigten Staaten auswanderte, wo er bis zu seinem Tod lebte“.33 Baburger hätte das besser wissen können. Vielleicht wollte er das Bild der „E-S“ aber nicht durch die aktive Rolle eines ostdeutschen Kommunisten belasten. Fritz Hollander, seit 1968 auch Präsident des Schwedischen Zionistischen Bundes, äußerte sich auch im internationalen Zusammenhang positiv zur Rolle der „ES“ in der Flüchtlingshilfe. Dabei stellte er den maßgeblichen Einfluss der Zionisten in dieser Hilfsorganisation heraus. In einem englischsprachigen Beitrag für den 1980 von Moshe Davis, Hebräische Universität Jerusalem, editierten Sammelband „Zionism in transition“ nannte er die Hilfsgemeinschaft abweichend von ihrem damaligen Namen, doch im Grunde mehr der Wirklichkeit entsprechend, „Immigranternas Självhjälp“, also Immigranten Selbsthilfe.34

4.3 Innerjüdische Auseinandersetzungen Die Tatsache, dass die Emigranten-Selbsthilfe in der Erinnerungskultur Schwedens offensichtlich Lücken hinterlassen hat, ist auch auf innerjüdische Auseinandersetzungen zurückführen. Die „E-S“ wurde nicht innerhalb oder als Teil der Stockhol32 Beitrag von F. Hollander in: Judarna i Stockholm 200 år (Übersetzung des Verfassers). 33 Beitrag von Baburger in: Judarna i Stockholm 200 år (Übersetzung des Verfassers). 34 Hollander, Sweden.

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mer Jüdischen Gemeinde gegründet, sondern bestenfalls in Zusammenarbeit mit ihr. Die Initiative war nicht von ihr gekommen, doch sie stand ihr wohlwollend gegenüber und hat die Arbeit der „E-S“ unterstützt. Die meisten Mitglieder der „ES“, darunter viele ihrer Funktionäre, gehörten der Gemeinde nicht an, denn eine Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde war an die schwedische Staatsbürgerschaft gekoppelt. Zumindest in den ersten Jahren war die Hilfsorganisation wesentlich von Kreisen außerhalb der Gemeinde getragen worden, unterstützt von orthodoxen und zionistischen Gemeindemitgliedern. Hinzu kommt, zumindest für die Anfangszeit, die aktive Rolle linker Kräfte, darunter Kommunisten, wie Wolfgang Steinitz, der das Kulturprogramm wesentlich geprägt hatte. Aus Sicht der Jüdischen Gemeinde Stockholms war die „E-S“ deshalb lange Jahre eben nicht Teil ihrer eigenen Geschichte. Das erklärt, warum weder Hugo Valentin in seinem Buch über die Juden in Schweden (1964) noch Svante Hansson in dem im Auftrag der Jüdischen Gemeinde verfassten Weißbuch über die Flüchtlingsarbeit der Gemeinde zwischen 1933 und 1950 (2004) die „E-S“ als Teil der Hilfsarbeit der Stockholmer Gemeinde benannten.35 Noch Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war die Jüdische Gemeinde in Stockholm von inneren Spannungen zwischen den (reformierten) Westjuden und (orthodoxen) Ostjuden geprägt. In der Forschung hat in den letzten Jahren die Auffassung Raum gefunden, dass diese angespannten Beziehungen von religiöser und sozialer Flexibilität geprägt gewesen sein. Das geht bis hin zur Lesart, dass es keine klare Grenze zwischen reformierten und orthodoxen Juden gegeben habe.36 So hätten orthodoxe Mitglieder der Gemeinde in Stockholm sehr gut mit der liberalen Mehrheit in der Flüchtlingshilfe zusammengearbeitet. Bekennende orthodoxe Juden seien in den Gremien adäquat vertreten gewesen, viele Aufrufe der Gemeindeleitung seien sowohl von Vertretern der liberalen Mehrheit wie von den Repräsentanten der orthodoxen oder säkularen Minderheitenfraktionen unterzeichnet worden. Vereint hätte sie das Ziel, Hilfe für flüchtende deutsche Juden zu leisten.37 Solche Schlüsse kann man durchaus aus den überlieferten Akten der Stockholmer Jüdischen Gemeinde ziehen. Die Gemeinde sah ihre Mitglieder als Handelnde und die jüdischen Flüchtlinge als passive Hilfsbedürftige, deren Auffassungen nicht unbedingt zur Debatte standen, also auch kaum Niederschlag in den überlieferten Dokumenten fanden. Aus der Sicht der Beteiligten, und besonders in den Gruppen der Minderheiten, mag sich das komplizierter dargestellt haben. Die Konflikte in der Gemeinde wurden von vielen durchaus als problematisch angesehen. So von Inga Gottfarb, die in den Jahren 1938–39 mit der Aufnahme von 35 Valentin, Judarna i Sverige; Hansson, Flykt och överlevnad. 36 Hultman, Between Marginality and Multiplicity, S. 41, 69. 37 Maier-Wolthausen, Im Spannungsfeld, S. 296–297.

4.3 Innerjüdische Auseinandersetzungen 

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Flüchtlingskindern aus Nazideutschland, 1943 mit der Aufnahme dänischer Juden und 1945–1946 mit Überlebenden aus den Konzentrationslagern gearbeitet hatte. Sie beschreibt die Stimmung im Land um 1938 und die Gesellschaft von damals, also sehr verschieden, von der heutigen: „Es war eine Gesellschaft der Behörden. […] Die Gräben zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten waren groß – auch innerhalb der Jüdischen Gemeinden, die man in drei Gruppen einteilen könnte. Da waren die alten schwedisch-jüdischen Familien. Sie fühlten keine natürliche Verbindung zu der anderen Gruppe, den osteuropäischen, oft orthodoxen Juden, Neuankömmlingen im Land, die in der schwedischen Umgebung nicht besonders zu Hause waren und auf der sozialen Leiter nicht so weit oben standen. […] Es gab auch eine Zwischengruppe, die schon Zeit hatte, ein Stück weit schwedisch zu werden und gesellschaftlichen Status zu erlangen.“38

Gottfarb meinte sogar, dass alle drei Gruppen die Ansicht teilten, dass viele jüdische Flüchtlinge zu einem verstärkten Antisemitismus führen würden und Schweden eine Judenfrage bekommen könnte.39 Hugo Valentin beschrieb 1947 in Judisk Tidskrift40 die damals noch anhaltenden Konflikte zwischen den „alten schwedischen Juden“ und den eingewanderten „Ostjuden“, die sich durch ein starkes jüdisches Bewusstsein auszeichneten. Diese Spannung zwischen beiden Gruppen hätte sich mit der Zeit zu einem „politischen Widerspruch“ entwickelt. Die Unterschiede im Charakter dieser Gruppen seien besonders in der Flüchtlingsarbeit in der Hitlerzeit deutlich geworden. Valentin schreibt, dass es natürlich am besten gewesen wäre, „eine Kombination“ zu haben aus „der Hartnäckigkeit und Fairness der schwedischen Juden und dem brennenden Wunsch der Ostjuden, zu helfen“. Die schwedischen Juden seien gewohnt gewesen, in bürokratischen Formen zu agieren und sich gegen das Ungewöhnliche zu stemmen; die späteren Einwanderer wären eher an verzweifelte Situationen gewöhnt, und deshalb bereit gewesen, große finanzielle Risiken einzugehen und das scheinbar Unmögliche zu versuchen. Valentin kannte beide Richtungen gut. Er urteilte nicht und sprach sich in dem Artikel ausdrücklich gegen wechselseitige Anklagen aus.41 Der tatsächliche Schwachpunkt in der Gemeindearbeit war, dass die jüdischen Flüchtlinge meist über Jahre nicht Mitglieder der Gemeinde werden konnten, denn eine Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde war an die schwedische 38 Gottfarb, Den livsfarliga glömskan, S. 93. 39 Ebenda. 40 Sie erschien von 1928 bis 1966. Herausgeber war bis 1951 Ehrenpreis, der sie begründet hatte. Ihn löste dann Valentin ab. 41 Valentin, Reflexioner kring ett församlingsval; Siehe auch Hansson, Flykt och överlevnad, S. 295–298.

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

Staatsbürgerschaft gekoppelt. Die Mehrzahl der deutsch-jüdischen Flüchtlinge stand deshalb lange außerhalb der Gemeinde. Fritz Hollander, der anders als Valentin zur Gruppe dieser Einwanderer gehörte, hatte erst am 6. November 1942, nach fast einem Jahrzehnt im Lande, die schwedische Staatsbürgerschaft erhalten. Rückblickend hat er wiederholt beklagt, dass jüdischen Zuwanderern und Flüchtlingen über lange Jahre Einfluss auf bzw. Mitgliedschaft in der Gemeinde versagt geblieben war. Seine Frustration fand in dem bereits erwähnten Beitrag zur Ausstellung 200 Jahre Juden in Stockholm im Jahr 1975 deutlich Ausdruck. Mitte der siebziger Jahre hatte sich das Kräfteverhältnis in der Stockholmer Gemeinde wesentlich zu Gunsten der orthodoxen und zionistischen Funktionäre verschoben. Dieser Prozess hatte im Oktober 1943 mit der Gründung einer neuen zionistischen Partei, Wahlvereinigung Lebendiges Judentum (Valmansföreningen Levande Judendom), Fahrt aufgenommen.42 Fritz Hollander war einer ihrer Gründer. Unter den Initiativnehmern finden wir mit Herbert Friedländer, Isak Jundell, Paul Kallós, Max Korngold und Hugo Valentin auch fünf Erstunterzeichner des Aufrufs zur Bildung der Emigranten-Selbsthilfe. Sie alle einte eine kritische Einschätzung der assimilierten Juden in Stockholm, sie waren unzufrieden mit den demokratischen Verhältnissen in der dortigen Jüdischen Gemeinde. Vor allem opponierten sie gegen die in ihr bestehenden Vorurteile gegenüber den armen, eingewanderten Ostjuden.43 Besonders dieser Personenkreis sollte sich auch aktiv an der Rettung jüdischen Lebens vor dem Holocaust beteiligen. Nachdem sich die zionistisch orientierte Gruppe (Levande Judendom) mit der orthodoxen Partei (Traditionell Judendom) zu Judisk samling zusammengeschlossen hatten, wurde Hollander 1962 als Präsident der Geschäftsführung der Jüdischen Gemeinde in Stockholm gewählt. Damit war die Vorherrschaft der „alten schwedischen Juden“ gebrochen; nun hielten Orthodoxe und Zionisten die Majorität in der Gemeinde.44 Diese Veränderungen sollte auch die Ausstellung im Museum der Stadt Stockholm aus Anlass des 200jährigen jüdischen Wirkens in Schweden beschreiben. Sie wollte das jüdische Leben an Wochen- und Feiertagen darstellen, dabei aber nicht nur das Leben der schwedischen Juden widerspiegeln, sondern deren Verbindung zur universellen jüdischen religiösen und kulturellen Tradition sichtbar machen. Ausdrücklich sollten die verschiedenen Auffassungen in der Judenheit zum Ausdruck kommen, dabei besonders, wie aufkommende Probleme von der Gemeinde gelöst würden.45 Die Ausstellungsmacher, darunter Camilla Hollander, waren zur 42 Hermle, Judejävel. 43 Weitere Unterzeichner waren Fritz Hollander und seine beiden Direktoren A. Freydman und N. Masur. 44 Carlsson, Judarnas historia i Sverige, S. 302–303. 45 Judarna i Stockholm 200 år.

4.3 Innerjüdische Auseinandersetzungen 

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Überzeugung gekommen, dass die jüdischen Einwanderungen seit Aaron Isaac wesentlicher für die Geschichte der Stockholmer Juden waren als vieles andere, eingeschlossen die bedeutenden kulturellen Leistungen jüdischer Mäzene. Die Einwanderer hätten das Jüdische am Leben gehalten und dem jüdischen Leben durch neue Impulse auch neue Kräfte verliehen.46 Die Ausstellung, die vom 13. Juni bis 15. September 1975 in Stockholm gezeigt wurde, sollte deshalb anders werden, als die meisten wohl erwartet hätten. Wie erwähnt, kamen in dem begleitenden Folder Zeitzeugen zu Wort. Schwerpunkt der durchgehend schwedisch verfassten Beiträge waren Verfolgung bzw. Rettung in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes. Kritik wurde nur leise geübt, das galt auch für Fritz Hollander und Ernst Baburger. Was die Widersprüche in der Gemeinde betraf, habe es eine Zeit gebraucht, so Hollander, bis diese ausgeglichen waren. Erst Mitte der 1950er Jahre sei es zu einer förmlichen Zusammenarbeit zwischen der jüdischen Gemeinde und den Einwanderergruppen gekommen. Bis dahin sei das sogenannte Dissenter Gesetz ein Problem gewesen, das die schwedische Staatsbürgerschaft an die Mitgliedschaft in der Gemeinde gebunden hatte. Das verhinderte, dass die Einwanderergruppen ihr Anliegen in der Gemeinde vorbringen konnten.47 Aus Baburgers ausführlichem Entwurf vom 10. Juni 1975 waren kritische Worte über die Uneinigkeit in der Gemeinde für die Veröffentlichung im Folder gestrichen worden.48 In dem bereits erwähnten Sammelband „Zionism in transition“ warf Hollander einen historischen Blick zurück auf die Situation in Schweden. Hier hätten die osteuropäischen Juden, die sich in Schweden niederließen, den Charakter der jüdischen Gemeinde verändert. Bis Anfang der 1950er Jahre wäre den Immigranten auch Jahre nach ihrer Ankunft in Schweden jeglicher Einfluss in der Gemeinde verwehrt geblieben. So hätten assimilatorische Tendenzen in der Gemeinde noch in den 1930er Jahren fortgelebt. Erst als schwedische Antisemiten Hitlerdeutschland unterstützen, wäre die Jüdische Gemeinde „zum Handeln aufgerüttelt“. Wohl nicht ohne Stolz nannte Hollander in seinem Beitrag die Gründung von Misrachi 1934 als erste genuin zionistische Jugendorganisation und hob hervor, dass sie sich sowohl aus nach 1933 nach Schweden gekommenen, als auch aus einheimischen Jugendlichen, meist Kinder oder Enkelkinder von Einwanderern, zusammensetzte.49

46 Judarna i Stockholm 200 år. 47 Hollander, o. T. 48 In der Sammlung Kahn, die Svante Hansson den Autoren dankenswerter Weise zur Verfügung stellte. 49 Hollander, Sweden.

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung Die Exilforschung hat sich erst Ende der 1960er Jahre etabliert. Ihr Schwerpunkt war die kulturelle und vor allem politische Emigration. Mit dem jüdischen Exil fremdelte sie lange Zeit. Zu den Pionieren, die auch von der Emigranten-Selbsthilfe und ihren Aktivitäten berichteten, gehörten Walter A. Berendsohn, Curt Trepte, Helmut Müssener und Jan Peters.

4.4.1 Walter A. Berendsohn (1884–1984)

Abb. 21: Walter A. Berendsohn, Die humanistische Front: Einführung in die deutsche Emigranten-Literatur. T. 2, Vom Kriegsausbruch 1939 bis Ende 1946. Worms 1976.

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung 

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Bereits Ende der 1940er Jahre nahm Walter A. Berendsohn, der heute als Nestor der deutschen Exilforschung gilt, die Emigranten-Selbsthilfe in seine Einführung in die deutsche Emigranten-Literatur auf. Das Manuskript war im Januar 1949 abgeschlossen, doch sollte es erst 1976 in der Schriftenreihe Deutsches Exil 1933–45 unter dem Titel „Die humanistische Front“ erscheinen. 50 „Durch eine Verkettung ungünstiger Umstände“ sei das Buch ungedruckt geblieben, wie Berendsohn im Vorwort schrieb. Als eine Ursache nannte er „den starken Widerstand gegen die Emigranten in der Bundesrepublik“. Immerhin sei das Manuskript in der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main zugänglich gewesen; Interessenten seien – zum Preis von 100 DM – auch mit Kopien versorgt worden. Bei Erscheinen 1976 war Berendsohns Buch wissenschaftlich in einigem überholt, doch zeichnet es sich durch persönliche Erlebnisse und Einschätzungen des Verfassers aus. Dazu gehört auch sein interessantes Bild der Emigranten-Selbsthilfe, ihrer sozialen Hilfstätigkeit und kulturellen Arbeit. Wie oben erwähnt, hatte Berendsohn mit der „E-S“ noch in seinem Kopenhagener Exil Kontakt gefunden und war in Stockholm auch als Gastreferent aufgetreten. 1943 hatte er dann in Schweden Zuflucht gefunden, aber die meiste Zeit bis 1945 außerhalb Stockholms in einen Sanatorium gelebt, um eine TBC-Erkrankung auszuheilen. In seinem Buch nannte er als zentrale Persönlichkeiten der „E-S“ deren erste Sekretäre, anfangs Redakteur Ludwig Lewy, dann Architekt Siegfried Pawel, und als „aktivste Mitarbeiter“ Elsa Meyring und Wolfgang Steinitz. Von Steinitz, mit dem er bereits vor Bildung der „E-S“ Kontakt gehabt hatte, wusste er Anfang 1949, dass dieser nach seiner Rückkehr nach Deutschland in die Sowjetische Besatzungszone eine Professur an der Humboldt-Universität in Berlin wahrnahm.51 Über Tätigkeit und Ziele der „E-S“ schrieb Berendsohn: „Sie bemühte sich vor allem, ihren Mitgliedern, meist älteren bürgerlichen Juden, die Assimilation in Schweden zu erleichtern. Sie gab ein vervielfältigtes Mitteilungsblatt heraus. Mit etwa 100.000 Kr. konnte sie in zehn Jahren in bescheidenem Umfang Hilfe leisten. Als durch die Aktion des Grafen Bernadotte 1945 die Insassen der deutschen Lager ins Land kamen, griff sie helfend mit ein. Außer Sprachkursen und Vorführungen von Filmen, die nur in geschlossenem Kreis gezeigt werden durften, veranstaltete sie regelmäßig kulturelle Abende in den Räumen der jüdischen Gemeinde, Konzerte, kleine Aufführungen, die im Allgemeinen gut besucht waren und vielen deutschen Emigranten Gelegenheit boten, zu zeigen, was sie konnten, wobei die deutsche Literatur und Kultur natürlich einen hervorragenden Platz einnahmen. Bis zur Gründung des Freien deutschen Kulturbundes waren diese deutschen Kulturabende die Hauptereignisse im geistigen Leben der deutschen Emigration in Stockholm.“52

50 Bereits 1946 war der erste Teil der im Exil erarbeiteten Studie „Die humanistische Front. Einführung in die deutsche Emigranten-Literatur“ erschienen, der zweite Teil erschien 1976. – Steffensen, Walter A. Berendsohn. 51 Berendsohn, Die humanistische Front. 52 Berendsohn, Die humanistische Front, S. 81.

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

4.4.2 Curt Trepte (1902–1990)

Abb. 22: Ludwig Hoffmann, Curt Trepte u. a. (Hg.), Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933– 1945. Bd 5, Exil in der Tschechoslowakei, in Grossbritannien, Skandinavien und in Palästina. Leipzig 1980.

Wie Berendsohn hatte auch der nichtjüdische Schauspieler Curt Trepte an vielen Kulturveranstaltungen der „E-S“ mitgewirkt. Nach seiner Rückkehr in die Sowjetische Besatzungszone im Mai 1946 blieb sein Engagement in dieser jüdischen Selbsthilfeorganisation weitgehend unerwähnt. Nach einer Theaterkarriere in der DDR nannte er sich ab 1963 „Theaterwissenschaftler“ und widmete sich ganz der Erforschung der Exilzeit des deutschen Theaters. Als Mitglied der DDR-Volkskammer verfügte er auch über Verbindungen, die er bei seinem offensiven Werben für eine Exiltheaterforschung nutzen konnte. Schon 1962 war es ihm in einer Pause einer Volkskammertagung gelungen, die einflussreichen DDR-Kulturpolitiker Alfred Kurella und Alexander Abusch, beides ehemalige Emigranten, von seinem Anliegen zu überzeugen. Sie beauftragten ihn mit der Ausarbeitung einer Konzeption für künftige Forschungen, doch die Arbeit kam nicht in Gang. Die Akademie

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung 

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der Künste, deren Leitung Trepte ab 1963 angehörte, hatte die Exil-Forschung an die Hochschulen verwiesen. Trepte ließ nicht locker. Schließlich konnte er mit Unterstützung Gleichgesinnter im Ministerium für Kultur eine auf zwei Jahre befristete Planstelle an der Theaterhochschule „Hans Otto“ bekommen. Sie ermöglichte ihm die Zusammenstellung einer umfangreichen Bibliographie zum Thema. Erst auf direkte Weisung von Alexander Abusch, stellvertretender Ministerpräsident, bzw. von Hans Rodenberg, stellvertretender Kulturminister, zeigte sich die Akademie 1966 bereit, Trepte – für ein relativ geringes Gehalt – für die Exiltheaterforschung einzustellen. Damit wurde Trepte zu einem der Initiatoren systematischer Exilforschung der DDR.53 Mit dem Ziel, „eine Geschichte des antifaschistischen Exils in Länderdarstellungen“ zu schreiben, hatte sich 1975 eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Zentralinstituts für Literaturgeschichte bei der Akademie der Wissenschaften der DDR und der Akademie der Künste gebildet. Ihr Leiter und Spiritus rector war der Theater- und Literaturwissenschaftler Werner Mittenzwei. Ab 1978 erschienen im Leipziger Reclam Verlag sieben Bände. Der fünfte Band aus dem Jahr 1980 thematisierte das Exil in der Tschechoslowakei, in Großbritannien, Skandinavien und in Palästina. Die Autoren dankten ausdrücklich allen ehemaligen Emigranten, die die Arbeit unterstützt hätten. Die Kapitel zum Exil in Skandinavien wurde von einer allgemeinen Darstellung der Exilverhältnisse eingeleitet, deren schwedischen Teil Jan Peters, Sohn von Ruth und Hans-Jürgen Cohn-Peters, übernommen hatte.54 Curt Trepte, der in diesem Band Ergebnisse seiner Forschungen zur Theaterarbeit im Exil veröffentlichte, stellte in seinem Beitrag zur Theatergeschichte auch die Emigranten-Selbsthilfe vor: „Mit dem Anwachsen des Flüchtlingsstroms nach Schweden erwies es sich als notwendig, zusätzlich eine eigene, von den Emigranten selbst geleitete Hilfsorganisation für Flüchtlinge zu schaffen, die Emigranten-Selbsthilfe, deren Aufgabe neben materieller Unterstützung einzelner Flüchtlinge auch die Finanzierung von kulturellen Veranstaltungen war. Die Gelder wurden durch Spenden aufgebracht.“55

Doch Trepte lässt der „E-S“ nicht die Bedeutung zukommen, die ihr im Stockholmer Kulturleben gebührt. So rühmte er eine Reihe von Kulturveranstaltungen der „E-S“, an denen er zum Teil selbst aktiv beteiligt war, ohne diese dabei als Träger der Veranstaltungen zu erwähnen. Er würdigte den Lessing-Zweig-Abend am 13. 53 Diskussionsbeitrag Trepte, 15.1.1981. Archiv der Deutschen Akademie der Künste, Rep. 017, IV 1. In der Repositur finden sich verschiedene Lebensläufe (Ia6) und Personalfragebögen (Ia5), die Auskunft über die Biographie Treptes geben. 54 Siehe Mittenzweis Vorwort in: Hoffmann u. a. (Hg.), Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil. 55 Hoffmann/Trepte, Kunst und Literatur, S. 401.

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und 14. Februar 1939 als „ersten Theaterabend der deutschen Emigration in Stockholm“, ohne den Veranstalter zu nennen. Immerhin ist dem Artikel eine Fotografie von der Aufführung der Ringparabel mit Trepte und Greid beigegeben.56 Als erste Veranstaltung Emigranten-Selbsthilfe nannte Trepte den Mozart-Abend im Februar 1942 zum 150. Todestag des Komponisten im an zwei Tagen ausverkauften Gemeindesaal der Jüdischen Gemeinde. Namentlich hob er als Mitwirkende Maxim Stempel hervor, „vordem in Wien und Düsseldorf als Musikdozent und Rezensent tätig“, der die Gedenkrede gehalten hätte, sowie den Wiener Pianisten Alfred Klein und den „ausgezeichneten Geiger“ Josef Grünfarb. Letzteren bezeichnete er hier irrtümlich als „ebenfalls Flüchtling“. Den zweiten Teil des Abends hätten die Schauspieler Curt Trepte und Peter Winner mit Puschkins kleiner Tragödie „Mozart und Salieri“ bestritten. Von Stockholmer Antiquitätengeschäfte seien stilechte Möbel und Requisiten beigesteuert worden. Kurz danach hätte die „E-S“ im selben Saal eine Purim-Revue mit dem aktuellen Titel „Alles schon dagewesen!“ von dem Wiener Schauspieler und Autoren Robert Peiper veranstaltet. Hermann Greid hätte die Revue einstudiert und Peiper den Morduchei gespielt.57 Mit der Bezeichnung des Mozart-Abends von 1942 als „erste Veranstaltung“ der Emigranten-Selbsthilfe unterschlägt Trepte glatt drei Jahre erfolgreicher Kulturarbeit dieser deutsch-jüdischen Hilfsorganisation.58

4.4.3 Helmut Müssener (* 1936) Ende der 1960er Jahre nahm die Exilforschung in der Bundesrepublik Deutschland und in den skandinavischen Staaten Fahrt auf.59 Ein erstes Überblickswerk zur Geschichte der Hitler-Flüchtlinge erschien in der Bundesrepublik noch 1969, herausgegeben von Kurt R. Grossmann.60 Grossmann gehörte zu den 33 Deutschen, die durch die erste Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933 ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren hatten. Von Beginn an war er in vielen Flüchtlingshilfeorganisationen engagiert. Als Vertreter des Jüdischen Weltkongresses (World Jewish Congress, WJC) hatte er in der Flüchtlingshilfe auch Kontakt mit Fritz Hollander unterhalten. Wichtige Impulse für die deutsche Exilforschung kamen aus Stockholm von Walter A. Berendsohn, auf dessen Initiative auch das erste Sympo-

56 Hoffmann/Trepte, Kunst und Literatur, Foto Teil (Bild Nr. 18) zwischen S. 368 und 369. 57 Dazu auch Müssener, Exil in Schweden, S. 211–212. 58 Hoffmann/Trepte, Kunst und Literatur, S. 400–402. 59 Vgl. Steinbach, Widerstandsforschung (1988); Petersen, Flygtninge fra Hitler-Tyskland (1985); Krohn, Die Entdeckung (1995). 60 Grossmann, Emigration.

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung 

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sium zur Exilforschung im September 1969 in Stockholm zurück ging. Mit den praktischen Aufgaben war der junge Wissenschaftler Helmut Müssener betraut.

Abb. 23: Helmut Müssener, Exil in Schweden. Politische und kulturelle Emigration nach 1933. München 1974.

Müssener, Jahrgang 1936 und aufgewachsen in Düsseldorf, hatte 1964 ein starkes Interesse für die skandinavischen Länder nach Schweden geführt. An der Stockholmer Universität erhielt er eine Anstellung als „ausländischer Lektor“. Von Berendsohn war er 1968 für die Erforschung der deutschsprachigen Emigration in Schweden nach 1933, ihre Geschichte und kulturelle Leistung gewonnen worden. Mehr als ein paar Namen von Zeitzeugen erhielt Müssener von ihm aber nicht. Im Ergebnis des erwähnten Symposiums 1969 richtete Müssener eine „Koordinationsstelle“ an der Universität ein. Über sie verschickte er Arbeitspapiere, die allgemein

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

über den Stand der Exilforschung informierten. Berendsohn und Müssener betonten in den sogenannten „Rundbriefen“, wie auch schon auf der ersten Tagung, die Notwendigkeit einer Grundforschung.61 Müssener formulierte klare Forschungsaufgaben, darunter zu den Hilfsorganisationen. Geklärt werden müsste, welche es gab, wie sie organisiert waren und wie sie funktionierten, wie die Bürokratie ihnen gegenüber Stellung nahm, wie die öffentliche Meinung war.62 Müsseners eigene Forschung kam schnell in Gang. Auch ein Kontakt mit Baburger war bald hergestellt. Von ihm erhielt Müssener den oben erwähnten Zehnjahresbericht von 1948. Gestützt auf diesen und Befragungen von Zeitzeugen konnte er 1971 in seiner Lizentiatsarbeit ein erstes historisches Porträt der „E-S“ zeichnen. Seine Arbeit fand sogar Aufmerksamkeit im Ausland. In der Zeitschrift der jüdischen Flüchtlinge in Großbritannien AJR-INFORMATION wurde sie von der Schriftstellerin und Journalistin Gabriele Tergit ausführlich besprochen. Tergit, geborene Elise Hirschmann, gehörte selbst zu den jüdischen Emigranten. Seit 1957 war sie bestellte Sekretärin vom P. E. N.-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland. In ihrer in deutsch verfassten Besprechung liegt der Schwerpunkt auf Müsseners Darstellung der Situation der jüdischen Flüchtlinge, besonders auch der „jüdischen Selbsthilfe“ und ihren „Klubabenden mit Vorträgen, Konzerten und kleinen Aufführungen“. Sie nennt die Vorträge von Marcus Ehrenpreis, den Lessing-Abend, die Aufführung von Zweigs „Jeremiahs“ und ist des Lobes voll für diese „hervorragende Geschichte“. „Kleine Kreise der verachteten, vertriebenen Juden hielten sich an die große klassische Tradition der Deutschen, als diese Tradition schon Jahrzehnte für die christlichen Deutschen nichts mehr bedeutete.“63 Mitte der 1960er Jahre war auf Initiative des Historischen Instituts der Universität Stockholm sehr hastig das Forschungsprojekt „Schweden im zweiten Weltkrieg“ (Sverige under andra världskriget, SUAV) initiiert worden. Mit insgesamt über sechs Millionen Kronen von der Stiftung der Schwedischen Reichsbank war es großzügig finanziert. Das Projekt sollte in der Tradition der modernen politischen historischen Forschung stehen und sich den Problemen der Außen- und Innenpolitik, der politischen Meinungsbildung sowie der humanitären Hilfe widmen. Zwar brachte das SUAV-Projekt bis 1978, dem Abschlussjahr, gut zwanzig Dissertationen hervor, doch ein Gesamtbild des Geschehens konnte nicht erreicht werden. Ein wichtiger Grund war, dass der erhoffte vollständige Zugang zu den Akten ausgeblieben war.64 Beklagt wurde in erster Linie der politisch beschränkte 61 Müssener & Berendsohn (Hg.), Deutsche Literatur; siehe auch Müssener, Stockholmer Koordinationsstelle. 62 Müssener, Die deutschsprachige Emigration nach 1933, S. 4–5. 63 Tergit, Exil in Schweden. 64 Ekman, Sverige under andra världskriget (1970); ders., Sverige under andra världskriget (1979); ders., Projektet: „Sverige under andra världskriget“.

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung



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Zugang zu den außenpolitischen Akten. Das Problem des Archivzugangs wurde damals allgemein als Folge der schwedischen Neutralitätspolitik erklärt, die das Land zwischen die politischen Blöcke platziere. Doch von der Projektleitung gab man später auch zu verstehen, dass Schweden nur über eine kleine politische Elite verfüge. Für viele Aktive während des zweiten Weltkriegs sei zur Zeit der Projektdurchführung dieser eben noch nicht Geschichte geworden. Deshalb wären lange Zeit bestimmte Enthüllungen verhindert worden, nicht zuletzt auch durch die Säuberung in Archiven. Das letzte Wort zur Geschichte Schwedens im zweiten Weltkrieg sei daher noch nicht gesprochen, hieß es 1980.65 Zwanzig Jahre später hob Stig Ekman, langjähriger Forschungsleiter des Projekts, zwei Archive hervor, die den Projektforschern verschlossen geblieben waren. Das bis in 1980er Jahre unter Verschluss gehaltene Archiv der Sandlerkommission, das er als „eine wichtige Quelle für Untersuchungen der Einschränkungen von Freiheiten und Rechten schwedischer Bürger“ durch die Regierung charakterisierte, sowie das damals noch lange weiter geheim gehaltene „gewaltige Archiv des Sicherheitsdienstes“.66 Im Rahmen des SUAV-Projektes war im Jahr 1973 eine Dissertation zur schwedischen Flüchtlingspolitik (Svensk flyktingpolitik under internationellt tryck 1936– 1941) erschienen. Ihr Autor Hans Lindberg diskutierte darin die Unterscheidung zwischen Flüchtlingen mit politischem Hintergrund und solchen jüdischer Abstammung. Politische Flüchtlinge konnten nicht ohne weiteres abgelehnt werden, Juden waren aber selten wegen politischer Aktivitäten verfolgt und galten deshalb für die schwedische Bürokratie nicht als politische Flüchtlinge.67 Schweden wollte zudem einen Zustrom von Flüchtlingen, insbesondere von Juden, vermeiden. Man befürchtete Probleme auf dem Arbeitsmarkt als auch antisemitische Stimmungen. Wesentlich basierend auf Akten des schwedischen Außenministeriums behandelte Lindberg für den Zeitraum von 1936 bis 1941 Schwedens Agieren in verschiedenen internationalen Flüchtlingsverhandlungen.68 Lindbergs kritische Studie wurde von den schwedischen Medien jedoch kaum zur Kenntnis genommen. Müssener erfüllte mit seiner 1974 im Carl Hanser Verlag in München publizierten Dissertation „Exil in Schweden, Politische und kulturelle Emigration nach 1933“ den mehrfach gestellten Anspruch auf Grundforschung. Nicht zuletzt aufgrund der großen Materialfülle gilt das Buch auch heute noch als Standardwerk. Zur „E-S“ nannte Müssener alle bei Baburger aufgeführte Namen, darunter auch Fritz und Camilla Hollander. Viele von den Aktiven der „E-S“ hätten später in der Jüdischen Gemeinde oder auch in der politischen Emigration eine Rolle gespielt. 65 66 67 68

Ekman, The Research project, S. 22. Ekman, SUAV i bakspegeln; ders., Schweden, S. 10. Dies betraf u. a. Albert Cohen. Lindberg, Svensk flyktingpolitik.

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

Hatte er 1971 Ludwig Lewy als „Linkssozialisten“ und Dr. Ernst Emsheimer und Dr. Wolfgang Steinitz als Kommunisten vorgestellt, wurden die drei dann in der Fassung von 1974 ohne politische Charakterisierung aufgeführt. Müssener sprach auch an, dass die Emigranten-Selbsthilfe „nicht in allen jüdischen Kreisen begrüßt wurde“, wobei er die oben bereits mehrfach genannten Bedenken der Gemeinde anführte.69 In Historisk Tidskrift, der Zeitschrift der schwedischen Historiker, wurde die Dissertation 1975 positiv besprochen. Anders als die Abhandlung von Lindberg wurde Müsseners deutschsprachiges Buch auch in sehr vielen schwedischen Zeitungen rezensiert. Darunter in Svenska Dagbladet durch Thede Palm, ehemaliger Chef des schwedischen militärischen Nachrichtendienstes, damals Forschungschef an der schwedischen Militärhochschule. Palm hatte während des Krieges mit nachrichtendienstlichen und sicherheitspolizeilichen Fragen gearbeitet. Er lobte Arbeitseinsatz, Professionalität und weitgehende Objektivität des Verfassers. Doch Müsseners Kritik an der schwedischen Flüchtlingspolitik schien ihm wenig gerechtfertigt. Auch an den von Müssener umfänglich beschriebenen kulturellen Leistungen der Emigration mahnte er Zweifel an. Die vielen Listen und Namen schienen ihm kaum gerechtfertigt. Das ging bis hin zur Frage, ob es überhaupt sinnvoll sei, eine schwedische Doktorarbeit über solch ein Thema zu schreiben. Müssener hätte den Berichten der Flüchtlinge über ihre Behandlung kritischer gegenüberstehen müssen und mehr Verständnis für die Arbeit polizeilicher bzw. staatlicher Stellen zeigen können. „Im Großen und Ganzen war die schwedische Polizei, in der normale Schweden Dienst leisteten, wahrscheinlich anständig“, so Palm als Vertreter genau dieser nun in der Kritik stehenden Gruppe. Was die Arbeitsbeschaffung für Flüchtlinge betraf, so dass viele Intellektuelle nicht nach ihrer Qualifizierung eingesetzt worden waren, sei das wohl korrekt dargestellt, doch hätte Müssener die komplizierte Situation auf dem schwedischen Arbeitsmarkt mehr beachten sollen. Zynisch meinte Palm, dass 40.000 norwegische Flüchtlinge in der Forstarbeit eingesetzt waren, und es stimme, „dass nur wenige von ihnen gut genug waren, um über Hölderlin Vorlesungen zu halten“.70 Das war sicher die negativste Besprechung des Buches, doch darf man annehmen, dass Thede Palms konservative Sicht in der Mitte der 1970er Jahre, wo noch viele der Verantwortlichen aus der Kriegszeit in Amt und Würden waren, nicht alleinstand. Müsseners Buch ist in Schweden in der Forschung insgesamt weniger rezipiert worden, als zu erwarten wäre. Das war sicher darin begründet, dass das Buch in deutscher Sprache erschienen war. Dem half Müssener 1975 mit einem Ar69 Müssener, Die deutschsprachige Emigration in Schweden, S. 202–205; Müssener, Exil in Schweden, S. 111–113. 70 Palm, Sverige som flyktingland (SvD, 1974-07-15).

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung



251

tikel in der Zeitschrift für Jüdische Studien in Skandinavien (Nordisk judaistik/Scandinavian Jewish Studies) etwas ab, in dem er zentrale Ergebnisse seiner Forschungen zur deutsch-jüdischen Emigration auf schwedisch vorstellte und einen Überblick über die deutschsprachige jüdische Auswanderung nach Schweden nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 gab. Unter seinen Quellen nannte er hier auch Baburgers Bericht von 1948 sowie weiteres Material aus dessen Sammlung. Abschließend empfahl Müssener die Emigranten-Selbsthilfe als „ein dankbares Thema für eine kleine Studie“.71 Auch in späteren Arbeiten hat Müssener immer wieder die „E-S“ erwähnt. Es ist auch sein Verdienst, dass die 1986/87 in Westberlin gezeigte Ausstellung der Akademie der Künste „Exil in Schweden“, für die Müssener als Berater fungierte, der „E-S“ einige Aufmerksamkeit schenkte. Ihr waren unter dem Thema Hilfsorganisationen zwölf Exponate gewidmet; in mehreren Teilen der Ausstellung wurden Spuren ihrer umfangreichen Kulturarbeit deutlich.72 Auch späterhin würdigte Müssener die „E-S“, so in einem Beitrag für das Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933–1945 (1999).73 Doch die Exilforschung tat sich über viele Jahre insgesamt schwer mit den jüdischen Flüchtlingen und dem Thema Holocaust. Was die deutschsprachigen Flüchtlinge in Nordeuropa anbetraf, fanden die politischen Flüchtlinge in der Forschung das stärkste Interesse. Im Oktober 1989 gab in Kopenhagen die nordische bzw. internationale Konferenz „Hitlerflüchtlinge im Norden, Asyl und politisches Exil. 1933–1945“ einen guten Auftakt.74 Sie war nicht nur Bestandsaufnahme, sondern beleuchtete auch die Möglichkeiten weiterführender Forschungen. Behandelt wurde neben dem zentralen Thema „Politisches Exil“ auch die Flüchtlingspolitik der nordischen Länder, darunter von Helmut Müssener die schwedische.75 Nur der im Sammelband zur Konferenz abgedruckte Beitrag von Wolfgang Wilhelmus, ein Geschichtsprofessor aus der DDR, nahm sich ausdrücklich dem Schicksal der jüdischen Flüchtlinge an.76 In der Präsentation der Archivsituation vermisst man jüdische Archive bzw. spezifische Sammlungen.77 An die Kopenhagener Konferenz schloss Anfang der 1990er Jahre ein Forschungsprojekt an, dass die „spezifische Zusammensetzung der deutschsprachigen

71 Müssener, Den tysk-judiska emigrationen, S. 40. 72 Exil in Schweden. 73 Müssener, Deutschsprachige Theater, S. 319–339. 74 Petersen (Hg.), Hitlerflüchtlinge 75 Müssener, Exil in Schweden. 76 Wilhelmus, Hitlerdeutschland 77 Auch nicht in der sehr informativen Präsentation von Martin Grass, Archivar im Archiv der Arbeiterbewegung in Stockholm (ARAB), Grass, Exil 1933–1945.

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Emigration in Skandinavien“ fachübergreifend und komparativ studieren wollte. Schwerpunkte bildeten das politische Exil und Nachexil sowie die Flüchtlingspolitik der nordischen Länder. Im Vorwort des abschließenden Sammelbandes von 1998 gestanden die Herausgeber, darunter auch Müssener, ein, dass die jüdische Emigration weiter ein Desiderat geblieben war.78 Tomas Hammer, Sohn des mehrfach erwähnten Gillis Hammar, zeigte in seiner Rezension sogar Verständnis dafür. Eine Abgrenzung sei schwer, da viele der politischen Flüchtlinge auch Juden waren. Doch auch Hammer beklagte, das jüdischen Flüchtlingen im Buch insgesamt zu wenig Beachtung geschenkt wurde.79

4.4.4 Jan Peters (1932–2011) In der DDR widmete sich Jan Peters bereits ab Oktober 1962 der Erforschung des schwedischen Exils. Peters war der Sohn von Hans-Jürgen und Ruth Cohn-Peters, geborene Steinitz. Jan Peters ist damit ein Vertreter der Holocaust-Nachfolgegeneration in der DDR. Als Sechsjähriger hatte er mit seinen Eltern in Schweden Zuflucht gefunden. Nach deren Rückkehr in die Sowjetische Besatzungszone sah sich der Vierzehnjährige auf sich allein gestellt. In dieser Zeit waren ihm Fritz und Camilla Hollander die wichtigsten Stützen. Nach Erhalt der Hochschulreife folgte er seinen Eltern im Juni 1948 nach Berlin. Von 1952 bis 1956 studierte er Geschichte an der Humboldt-Universität und war 1956 bis 1962 als Assistent am Historischen Institut der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald tätig. Doch nach seiner Promotion 1961 zum Dr. phil. mit dem Thema „Landarmut in Schwedisch-Pommern, ihre soziale Entwicklung und politische Bedeutung“ musste er aufgrund von Intrigen und Problemen mit der SED-Parteigruppe Greifswald verlassen. Er nahm von 1962 bis 1964 eine Stellung in der schwedischen Redaktion des DDR-Auslandssenders „Radio Berlin International“ an. „Aber auf dem Boden der Wissenschaft wollte ich wenigstens noch einen Fuß behalten“, heißt es später in seinen Erinnerungen. „So machte ich Interviews mit vielen ehemaligen Schweden-Emigranten“, was von Berlin aus leichter zu erledigen war. Peters betrachtete seine wissenschaftlichen Anstrengungen als „eine Hommage“ an seine Eltern und deren „Mühen im Exil“. Das schien ihm „ein Thema der Selbstverständlichkeit“ zu sein. Doch „ob der Parteiaufsicht über solche Themen“ geriet er bald in Zweifel.80

78 Lorenz, Misgeld, Müssener, Petersen, Ein sehr trübes Kapitel?, S. 10. 79 Rezension in: Invandrare & Minoriteter 1/99, S. 40–41. 80 Peters, Menschen und Möglichkeiten, S. 266, 427. Er konnte zum Beispiel Richard Stahlmann, Erich Glückauf und Paul Peschke zu ihrer Zeit in Schweden befragen.

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung



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Abb. 24: Jan Peters, Exilland Schweden. Deutsche und schwedische Antifaschisten 1933–1945. Berlin (DDR) 1984.

Wolfgang Steinitz, eine der zentralen Persönlichkeiten der „E-S“, war Peters Onkel. Aus Gesprächen mit ihm und dessen Frau Inge (mehrfach 1962 bis 1966)81 erfuhr Peters wohl erstmalig von der „E-S“. Aus den deutsch geführten Gesprächen notierte er die schwedische Bezeichnung der Hilfsorganisation, Emigranternas självhjälp. Steinitz erwähnte gegenüber dem Neffen zwar deren Kulturveranstaltungen, wie den Mozart-Abend mit Greid und Trepte, doch schien es ihm wichtiger, über andere Aktivitäten zu berichten, wie über seine Tätigkeit für den SDS. Zur „E-S“ ließ er nicht viel verlauten, obwohl er viele Dokumente in seinem Privat81 Siehe: Peters, Exilland Schweden, S. 227; diese Gesprächsprotokolle sind nicht datiert. Sammlung Scholz/Steinitz.

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archiv aufbewahrt hatte. Neben Baburgers Jubiläumsschrift und den Mitteilungen der Emigranten-Selbsthilfe fanden sich hier auch seine Vorträge und der Briefwechsel mit unter anderen Berendsohn, Cassirer, Heckscher, Schoeps, Schmidt/ Radványi und Valentin, und sogar kurze Dankschreiben von Gunnar Josephson für Sonderdrucke. Die vom Sekretär Pawel unterzeichneten Geburtstagsglückwünsche vom Vorstand, in denen Steinitz „für treue Mitarbeit und stete Hilfsbereitschaft“ gedankt wurde, zeugen von Steinitz’ großem Ansehen in der „E-S“; mit gleicher Post schickte ihm der Vorstand auch einen Geldbetrag „zur Erfüllung eines eigenen Wunsches“.82 Doch es ist nicht sicher, ob Steinitz seinem Neffen damals das Material zugänglich gemacht hat. Vieles von dem später bei seiner Witwe verbliebenen und dann auf die Tochter Renate Steinitz übergegangenen Material ist erst nach deren Ableben ins Archiv gekommen.83 Da Peters bisher keine Kenntnis von dieser Hilfsorganisation hatte, stellte er auch keine Folgefragen. Ganz im Sinne von Steinitz wollte er dagegen mehr über andere Organisationen der Hilfsarbeit und deren Aktivitäten erfahren wie über den sogenannten Rudling-Kreis, über das Hilfskomitee für Intellektuelle („Benedixon“ -Sic!), das Stockholmer Flüchtlingskomitee, das Komitee in Göteborg (Rut Adler), aber auch über „Mosaiska församlingen“. Nach dem Tod von Wolfgang Steinitz im April 1967 führte Peters diese Interviews mit Inge Steinitz fort. Aus einem solchen, nicht datierten Gespräch notierte er, dass Steinitz Geld von „Mosaiska“ und „E-S“ für Genossen organisierte, auch für Illegale. Ende der 1960er Jahre wurde Jan Peters erster Leiter des DDR-Kulturzentrums in Stockholm. Das bot ihm die Gelegenheit, schwedische Zeitzeugen und nicht zurückgekehrte Deutsche in Stockholm über einen längeren Zeitraum zu befragen. Im April 1968 traf er zweimal mit Ernst Baburger zusammen. Dieser schilderte ihm gegenüber die schwedische Flüchtlingspolitik sehr kritisch. Besonders hätte dies die jüdischen „Einwanderer“ getroffen. Aus den Gesprächen notierte Peters, dass Baburger „lange Mitglied des Vorstandes“ der Emigranten-Selbsthilfe gewesen sei, „jetzt Vorsitzender der kaum noch existierenden ES“. Baburger sprach mit Peters auch über die Schwierigkeiten der „E-S“ mit schwedischen Behörden, die sich vor allem daraus ergaben hätten, dass neben der „E-S“ andere, offizielle Hilfskomitees bestanden. Die „E-S“ konnte aber vielen Transmigranten helfen. Baburger hob die Vortragstätigkeit der „E-S“ hervor und betonte den „unpolitischen Charakter“ der Hilfsorganisation. Das Interesse an ihr sei vor allem während des Krieges groß gewesen, auch weil in der „E-S“ ein „Heimatgefühl“ vermittelt worden sei. 82 ABBAW: NL Steinitz, Nr. 120, Nr. 32, Nr. 40 Bd. I, Nachtrag 2020 (9); ES (i. A. Pawel) 7.2.1945 (Nr. 120). 83 ABBAW: NL Steinitz. Abgabe von Nachlassmaterialien von Wolfgang Steinitz aus dem Nachlass von Renate Steinitz 2020.

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Materiell sei dagegen nur wenig Hilfe möglich gewesen. Abschließend notierte Peters: „Material gibt es angeblich nicht mehr, oder nur sehr wenig.“84 Anders als Müssener hatte er von Baburger wohl auch nicht den Bericht von 1948 erhalten; nach Lage der Dinge wohl auch nicht von Steinitz. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt hatte er wohl auch noch keinen Zugang zum kompletten Steinitz-Nachlass erhalten. Das Steinitz-Material zur Emigranten-Selbsthilfe, darunter die Mitteilungen und die Baburger-Schrift, ist erst im Jahr 2000 nach dem Tod der Tochter Renate Steinitz an das Brandenburgische Archiv übergeben worden.85 Zwischen den Interviews mit Baburger traf Peters sich auch mit Herman Greid. In den Notizen aus diesem Gespräch findet sich nichts zur „E-S“.86 Das galt auch für sein Interview mit Berendsohn am 3. September 1968. Der berichtete von seinen persönlichen Schwierigkeiten im schwedischen Exil, nannte Aktivitäten im FDKB und dass er Steinitz gut gekannt habe. Doch in Peters Notizen zu diesem Gespräch wird die „E-S“ nicht erwähnt, auch nicht im Zusammenhang mit den Theaterabenden mit Greid und Trepte.87 Auch die Pianistin Hertha Fischer, die öfter auf Veranstaltungen der „E-S“ aufgetreten war und einen guten Kontakt mit Greid bestätigte, erwähnte gegenüber Peters die „E-S“ nicht. Doch sie äußerte sich kritisch zur Flüchtlingspolitik der Jüdischen Gemeinde. Namentlich nannte sie Ehrenpreis, der bis 1940 viele zurückgeschickt hätte, mit der Begründung, wenn wir zu viele Juden herbekommen, kriegen wir ein Judenproblem. Geholfen, so Fischer zu Peters, hätten dagegen Gillis Hammar und Einar Tegen.88 Am 22. April 1969 interviewte Peters dann Gillis Hammar. Hammar bestätigte seinen guten Kontakt zu Ludwig Lewy von der „E-S“, mit dem er auch zusammengearbeitet hätte. Mit der Emigranten-Selbsthilfe, die in Opposition zur Jüdischen Gemeinde gestanden hätte, sei es aber nicht zu einer direkten Zusammenarbeit gekommen; Birkagården hätte aber einmal Geld für die „E-S“ gegeben.89 Während seiner Zeit in Stockholm nahm Peters auch Kontakt mit Hans Lindberg und Helmut Müssener auf, um inhaltliche Fragen zu diskutieren.90 Nachdem Jan Peters, auf Betreiben der DDR-Staatssicherheit, aus Stockholm abgezogen worden war, begann er in der DDR eine zweite Interviewserie mit Zeitzeugen.91 Von seinem Vater hörte er im August 1970, dass „Juden, Wirtschaftsemi84 Interviews mit Baburger, (Peters) 5.4., 25.4.1968 (alle Gesprächsprotokolle, Sammlung Scholz/ Steinitz). 85 ABBAW NL Steinitz, Nachtrag 2020. Schweden 1938–45 (2). 86 Interview mit H. Greid (Peters), 16.4.1968. 87 Interview mit Berendsohn, 3.9.1968. 88 Interview mit Hertha Fischer, 8.8.1968. 89 Interview mit Gillis Hammar, 22.4.1969. 90 Besprechung mit Lindberg, 22.12.1969; Gespräch Müssener, 17.3.1970. 91 Insgesamt sind 130 Gesprächsprotolle erhalten.

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granten“ für die „Volksfront aufgeschlossen“ gewesen seien. Josef Wagner hätte ihn und Steinitz mit Fritz Hollander bekannt gemacht.92 Im März 1971 traf Peters Jenny Cohen, die ihm von ihrem Engagement im Chor der jüdischen Gemeinde berichtete. Geübt hätten sie unter Leitung von Holewa im Birkagården. Auch Brecht hätte mal vorbeigeschaut, wohl um zu schauen, wie man mit seinem Werk umginge. Solche Kulturabende seien auch genutzt worden, so Jenny Cohen, um Geld für Illegale zu sammeln. So konnte man am Eingang Eintrittsgelder erheben, die dann sofort an Steinitz weitergegeben wurden, der das Geld an Illegale vermittelte.93 Im April 1971 traf Peters mehrfach Karl Mewis, inzwischen Mitarbeiter am Institut für Marxismus-Leninismus in Berlin. Mewis veröffentlichte gerade seine Memoiren, „Im Auftrag der Partei“. Steinitz und Berendsohn fanden hier nur Erwähnung als Unterzeichner des Gründungsaufrufs des FDKB. Dagegen würdigte er Treptes und Greids Rolle für die „Freie Bühne“. Mewis schrieb dazu, dass sie schon Anfang 1939 begonnen hätten, „Kulturveranstaltungen der deutschen Emigration in Stockholm durchzuführen“, darunter „im Februar 1939 eine Aufführung der Ringparabel aus ‚Nathan der Weise‘“.94 Die „E-S“ wurde dabei von Mewis nicht genannt, wie jüdische Fragen generell bei ihm nicht thematisiert wurden. Gegenüber Peters schien Mewis sehr offenherzig, hielt sich dabei aber immer an die eigene Legende seiner Rolle als „Leiter des KPD-Exils in Skandinavien“. Konkret legte er teilweise sogar die Finanzierung der Parteiarbeit offen. Bis 1939 hätte er von Paris aus Geld erhalten, doch ab 1940 hätte er diese Frage allein regeln müssen. Hier sei er auf die Unterstützung schwedischer Sympathisanten angewiesen gewesen. Auch von der „E-S“, so berichtete er Peters, sei über Steinitz und anderen Geld geflossen. Als einen Unterstützer nannte er Fritz Hollander, den er erstmals 1936 in Kopenhagen getroffen hatte. Hollander sei Parteimitglied gewesen und habe die „E-S“ materiell und logistisch unterstützt.95 In einem Telefongespräch mit Hans Lindberg am 7. September 1971 kam dieser Peters gegenüber auch auf die Hilfsarbeit der Jüdischen Gemeinde zu sprechen. Gunnar Josephsson hatte ihn aufgefordert darüber zu schreiben. Doch Lindberg zögerte, denn deren Politik sei nur schwer zu beurteilen. Vom Material könne man sich verzaubern lassen, aber mit ihm auch Menschen an den Pranger stellen.96 Müsseners Dissertation wurde von Jan Peters 1975 in der im Auftrag der Akademie der Wissenschaften der DDR herausgegebenen Zeitschrift Deutsche Litera92 93 94 95 96

Interview mit Hans-Jürgen Peters („Vater“), 12.8.1970. Interview mit Jenny Cohen, 5.3.1971. Mewis, Im Auftrag, S. 297; 302. Interview mit Karl Mewis 2.4.1971, 28.4.1971. Linderg-Telefongespräch, 7.9.1971 (Peters).

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turzeitung durchaus freundlich rezensiert. Peters nannte sie eine „nützliche und wertvolle Bereicherung“ der Exilforschung.97 Zweifellos hatte Peters auch vor der Müssener-Lektüre bereits eine gute Einsicht in die Arbeit der „E-S“, die ihm gegenüber von Zeitzeugen ja nun auch mehrfach erwähnt worden war, und von denen er wohl auch Material zur Verfügung gestellt bekam. Doch in seiner Habilitationsschrift, die Peters im selben Jahr verteidigte, fand die „E-S“ keine Erwähnung.98 Überhaupt zeigte Peters gegenüber einer jüdischen Problematik eine bemerkenswerte Zurückhaltung. Man kann sagen, dass das „Jüdische“ in dem Buch fehlt. Er erwähnt weder Ehrenpreis noch Hollander, würdigt aber die Flüchtlingshilfe von Stig Bendixon, den er „Philanthrop im besten Sinne des Wortes […] Weltverbesserer und Menschenfreund ohne Vorbehalt“ nannte. Rut Adler stellte er als eine aus einer „reichen Göteborger Familie entstammende angesehene linke Sozialdemokratin“ vor. Die jüdische Flüchtlingsfrage wird von ihm nicht thematisiert, sieht man von einer Fußnote ab, die erwähnt, dass die Arbeit des sogenannten Internationalen Foyers gelegentlich Spenden, unter anderem „von einigen Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde in Stockholm“ erhalten habe.99 Hatte in der 1975 verteidigten Habilitationsschrift die „E-S“ also keine Erwähnung gefunden, so würdigte Peters sie doch im Jahr darauf in einem Überblicksartikel zum KPD-Exil in Schweden in der Zeitschrift Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Vielleicht angeregt durch Müsseners Buch stellte er hier nun auch die deutsch-jüdische Hilfsorganisation vor. Seit Kriegsausbruch hätte die Arbeit in „unpolitischen Zusammenschlüssen der Emigranten“ eine „besondere Rolle“ gespielt, wobei Peters hier die Emigranten-Selbsthilfe beispielhaft nannte. Verbindungen zu bürgerlich-demokratischen und zu jüdischen Kreisen des Gastlandes seien genutzt worden, so Peters, um den Illegalen im Lande besonders nach 1940 finanziell zu helfen.100 Peters nutzte hier also die Informationen, die ihm von Inge Steinitz, Karl Mewis und Jenny Cohen vermittelt worden waren. Es ist zu vermuten, dass er inzwischen auch vollständigen Zugang zum Archiv von Wolfgang Steinitz besaß. Aus Steinitz’ Briefwechsel mit Herbert Warnke und Max Seydewitz geht hervor, dass ihnen finanzielle Hilfe durch die „E-S“ gewährt worden war. Beider Namen finden sich auch auf der Liste „Mitglieder und Förderer“ der „E-S“ vom Mai 1945.101 Seydewitz hatte im März 1944 um Hilfe bei seinen Zahnarztrechnungen gebeten und das wohl nicht zum ersten Mal: „Ist es möglich, von

97 Peters, Rezension, S. 420. 98 Peters, Exilland Schweden. Dazu Scholz, Skandinavische Erfahrungen erwünscht, S. 314–319. 99 Peters, Exilland Schweden, S. 90, 98. 100 Peters, Die Landesorganisation der KPD, S. 1082. 101 Liste: Mitglieder und Förderer der „E-S“, Mai 1945, The Central Zionist Archives, Jerusalem. WJC Swedish section. C4: 402.

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der Selbsthilfe wieder einmal eine Beihilfe zu bekommen?“102 Auch für Herbert Warnkes wohl nichtjüdische Frau Helene hatte die „E-S“ „wiederholt“ etwas getan, wie Warnke im April 1944 dankbar bestätigte. Dies war ausdrücklich von Fritz Hollander unterstützt worden.103 Auch von anderer Seite hatte man sich an die „ES“ um Hilfe gewandt, wie die bewahrte Korrespondenz zeigt. Im Internierungslager Loka Brunn, wohin zweihundert deutsche Emigranten verbrachten waren, die aufgrund des deutschen Angriffs auf Norwegen aus Oslo nach Schweden geflüchtet waren, fehlte es im Frühjahr 1940 an Lektüre. Vor dem Krieg war Steinitz im Zusammenhang mit den Plänen der Emigranten-Selbsthilfe, ein Emigrantenheim in Stockholm zu errichten, vom Verleger Gottfried Bermann Fischer versprochen worden, für die dort geplante Leihbibliothek je ein Exemplar der Bücher des Bermann-Fischer-Verlages als Spende zu erhalten. Durch den Kriegsausbruch war dieser Plan nicht zur Ausführung gekommen. Mitte Mai 1940 kam Steinitz dann darauf zurück, und bat „im Namen der E.-S.“ darum, je ein Exemplar der Bücher des Verlages für das Emigrantenlager in Loka Brunn zur Verfügung zu stellen.104 Nach dem Tod von Wolfgang Steinitz, der in der DDR bei Partei und Regierung in Ungnade gefallen war, bemühte sich Inge Steinitz um eine Biographie über ihren verstorbenen Mann. Für dieses Projekt, das sie mit privaten Mitteln betrieb, gewann sie den „politisch unbequemen“ Dramaturgen und Brecht-Spezialisten Hans Bunge. Bunge brachte das Biographie-Projekt zwar nicht zu Ende, doch sind von ihm interessante Interviews mit Zeitzeugen überliefert. In einem solchen Interview aus dem Jahr 1979 mit Inge Steinitz ging es auch um die Emigranten-Selbsthilfe. Sie erzählte Bunge, dass die „E-S“ von der reichen jüdischen Gemeinde Stockholms finanziert gewesen sei. „Einer von ihnen, ein Millionär, war Genosse. Er hat uns sehr viel geholfen, mit Geld und allem. Auch seine Frau war Genossin, und sie nahmen beide an unseren Parteisitzungen teil.“105

Fraglos dürften hier Fritz und Camilla Hollander gemeint sein. Für den 1980 erschienenen Teilband der Reihe „Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933–1945“ hatte Jan Peters einen Überblick über die politischen Voraussetzungen des Exils in Skandinavien verfasst. Zum Thema überparteiliche Zusammenarbeit erwähnte er hier auch die „1938 von jüdischen Kreisen gegrün102 M. Seydewitz an Inge Steinitz, 15.3.1944, Kopie in: Sammlung Scholz/Steinitz. 103 H. Warnke an Steinitz, 19.4.1944, ABBAW Nachlass Steinitz, Ordner 40, Bd. I.; Hollander an Pawel, 29.2.1944, in: Sammlung Hollander. 104 Steinitz an den Bermann-Fischer Verlag, 14.5.1940, Kopien in Sammlung Scholz/Steinitz. 105 Auskünfte über Wolfgang Steinitz, erfragt von Hans Bunge, Gespräch mit Inge Steinitz, 6.5.1979, NL Steinitz ABBAW; Kopie Sammlung Scholz/Steinitz. Zu Bunge siehe auch Peters, Wolfgang Steinitz.

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dete stark kulturell orientierte Emigranten-Selbsthilfe“. Er bezeichnete sie als einen der Vorläufer des Freien Deutschen Kulturbundes.106 Ferner erwähnte Peters den Heinrich-Mann-Kreis, für den er eine Reihe von Persönlichkeiten aufführt, aber nicht erwähnt, dass diese auch in der Emigranten-Selbsthilfe aktiv waren. In Peters Darstellung fließen allgemeine Aktivitäten der Emigranten auf kulturellem Gebiet mit denen der Emigranten-Selbsthilfe zusammen.107 Als Peters Habilitationsschrift 1984 dann doch noch erscheinen durfte, fand die „E-S“ zwar weiter keine Erwähnung, doch – wohl eine List von Peters gegenüber den Zensoren (es gibt einen mehrbändigen Sondervorgang beim Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen zu dieser Habilitation) – werden im Abbildungsteil eine Einladung und eine Ensemble-Aufnahme zu einem Kulturabend der Emigranten-Selbsthilfe gezeigt.108 Außerdem enthielt das Buch ein Porträtfoto des im Textteil gewürdigten Stig Bendixon. Das Foto stammte von einer Sitzung für Anna Riwkin-Brick im Jahr 1940. Die Fotografin ist hier nicht genannt, was für alle Fotografien im Buch gilt, dafür dankte Peters aber für die Bereitstellung der Abbildungsvorlagen Institutionen und Personen, darunter Stig Bendixon und Curt Trepte.109 Kurz vor dem Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989 veröffentlichte Jan Peters im Reclam-Verlag die Korrespondenz seiner Eltern und des Paares Steinitz aus der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Arbeit an der Brief-Publikation hatte er nach dem Tod seiner Mutter 1984 begonnen und mit der Änderung der Einstellung der SED/DDR zum Judentum eine Chance zur Edition gesehen. Peters erwähnte hier die Emigranten-Selbsthilfe sowie das Engagement von Wolfgang Steinitz und Fritz Hollander in dieser Hilfsorganisation. Hollander, dessen Name bis dahin in der DDR nie gefallen war, wurde bei Peters als einer der Aktiven aus dem Kreis um Steinitz und als „führend in der Jüdischen Gemeinde Stockholm und aktiver Helfer antifaschistischer Emigranten“ vorgestellt.110 Nicht weiter kommentiert wird bei Peters der Holocaust bzw. die Verfolgung der Juden. Eine Ausnahme stellt die Bemerkung zu Wolfgang Steinitz’ Entlassung als Universitätsassistent dar: „Im April 1933 ‚aus rassischen Gründen‘ (seine jüdische Herkunft hatte ihn nie innerlich berührt).“111 106 Peters, Die politischen Voraussetzungen des Exils, S. 309–364, S. 359. 107 Peters, Die politischen Voraussetzungen des Exils, S. 351. Vgl. Peters, Exilland Schweden, S. 89, S. 115. 108 Kulturabend der Emigranten-Selbsthilfe. Ensemble-Aufnahme zu Lessings „Die Juden“, in: Peters, Exilland Schweden, Bildteil zwischen den Seiten 114–115. Dazu Scholz, Skandinavische Erfahrungen erwünscht? S. 314–319. 109 Peters, Exilland Schweden, S. 239. Zum Foto von Bendixon siehe auch Riwkin/Bendixon in Moderna Museet, Stockholm https://sis.modernamuseet.se/objects/53495/stig-bendixon (2022-12-11). 110 Peters, Zweimal Stockholm-Berlin, S. 165. 111 Peters, Zweimal Stockholm-Berlin, S. 101.

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Auf Steinitz’ „jüdische Herkunft“ ging Peters auch in einem Steinitz-Porträt im Jahr 2006 kurz ein. Er nennt sie hier „Strang einer Wissenskultur von exzellenter Historizität“. Für Steinitz sei sie aber „ohne Belang“ geblieben, ähnlich wie für die Eltern, die sich von diesem Hintergrund längst (1913 auch formell) gelöst hätten. Peters erwähnt aber auch, dass die Familie Steinitz in Schweden unter anderem von Hilfsgeldern, „vornehmlich von jüdischen und privaten Hilfskomitees“, gelebt hätte. Hier nennt er die Emigranten-Selbsthilfe und merkt an, dass Steinitz hier ebenfalls aktiv mitgewirkt hätte.112 Sein Porträt ist im Zusammenhang mit der Steinitz-Biographie von Annette Leo zu sehen, die im Jahr zuvor erschienen war. Auf sie nimmt Peters kritisch Bezug. Schon der Untertitel der Biographie „KommunistJude-Wissenschaftler“ schien ihm fragwürdig. Annette Leo wollte wohl „das Gleichgewicht unterstreichen zwischen dem politisch denkenden Wissenschaftler, der sich ja gerade nicht, wie auch nicht sein Elternhaus, dem Judentum innerlich verbunden fühlte, und dem Juden Steinitz!“ Dazu merkte er unter Verweis auf seine Brief-Edition „Zweimal Stockholm-Berlin“ in einer Fußnote an: „Gelegentlich hatte sich Steinitz in Schweden als jüdischer Emigrant bezeichnet, aber wohl eher im legitimierenden Sinne für seine Arbeit in der (zur Unterstützung der politischen Emigranten wichtigen, jüdisch geprägten) ‚Emigranten-Selbsthilfe‘…“113 Auch hier wieder die Betonung, dass die Hilfsorganisation wichtig für die politischen, sprich kommunistischen Emigranten gewesen sei, doch nun mit dem Zugeständnis, „jüdisch geprägt“. Eine Würdigung erfährt die „E-S“ bei Peters ein weiteres Jahrzehnt später, nun in seinen Memoiren, die wenige Wochen nach seinem Tod im Jahr 2011 erschienen. Peters nennt die „E-S“ hier „eine wichtige Hilfsorganisation vornehmlich für jüdische Flüchtlinge, faktisch aber auch für die illegal im Land sich aufhaltenden Linken“. Dies sei ausdrücklich ein Verdienst von Wolfgang Steinitz gewesen, der sich dabei „auf viele wohlhabende jüdische Einwanderer und auf die Jüdische Gemeinde stützen [konnte], vor allem auf Fritz und Camilla Hollander, aber auch auf manche andere schwedische Intellektuelle, etwa den Historiker Hugo Valentin“.114 Zumindest in Ansätzen ging Peters hier auch auf sein persönliches Verhältnis zu Hollanders ein: „Für mich selbst haben Camilla und Fritz Hollander viel bedeutet, nicht zuletzt in der Endphase meines Schweden-Lebens, als sie mir hilfreich mit allerlei organisatorischen Dingen zur Seite standen.“115 In einer bisher unveröffentlichten, für den schwedischen Leser angepassten Fassung der Erinne112 Peters, Wolfgang Steinitz’ Weg. 113 Peters, Wolfgang Steinitz’ Weg, S. 58. 114 Peters, Menschen und Möglichkeiten, S. 67. Valentin wird bei Peters schon früher erwähnt im Zusammenhang mit dem Intellektuellenkomitee 1933/34, Peters, Exilland Schweden, S. 80. 115 Peters, Menschen und Möglichkeiten, S. 67.

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rungen, „Mein ostdeutsches Leben in Schweden“, geht er auch auf sein letztes Jahr in Schweden ein. Von Mai 1947 bis Juni 1948 war er von den Eltern alleingelassen in Schweden verblieben. Ein „intensives Jahr“, schreibt er, wo er bei einer befreundeten Familie in Stocksund untergekommen sei. Eine große Hilfe in dieser unsicheren Zeit hätte er von Freunden seiner Eltern empfangen, „die darauf achteten, dass mit mir alles gut ging“. Hier nannte er an vorderster Stelle Camilla und Fritz Hollander. In diesem Zusammenhang zitiert er aus einem Brief, den er im August 1947 an seine Eltern geschrieben hatte: „Fritz ist ein Vertrauens- und finanzieller Reservevater, Camilla die Reservemutter für Talent und Zukunftsforschung.“116

4.4.5 Die Hintergründe für die stiefmütterliche Behandlung der „E-S“ in der Literatur Die Emigranten-Selbsthilfe ist bis in die Gegenwart von der Erinnerungskultur, einschließlich wissenschaftlicher Forschung und Literatur, stiefmütterlich behandelt worden. Neben der Zurückhaltung seitens der „E-S“ und ihrer Funktionäre sowie innerjüdischen Probleme ist das wohl auf den Einfluss des kalten Krieges auf die Erinnerungskultur zurückzuführen. Eine gute Zusammenarbeit zwischen orthodoxen-zionistischen Kreisen und Kommunisten mit jüdischen Wurzeln, war auf beiden Seiten etwas Unfassbares. In den sozialistischen Staaten wurden Anfang der 1950er solche Formen der Zusammenarbeit im Exil kriminalisiert. In der DDR, wie in allen anderen Staaten im sowjetischen Einflussbereich, war es in diesen Jahren zu sogenannten Säuberungsaktionen innerhalb der kommunistischen Partei gekommen. Diese richteten sich allgemein gegen Westemigranten, trugen dabei auch antisemitische Züge.117 Direkt nach Kriegsende waren „Rassisch Verfolgte“ zunächst von einer Bevorzugung bei Lebensmittel-, Wohnungs- und Kleiderzuteilung ausgeschlossen; diese wurde für „Opfer des Faschismus“ gewährt, und die Vergünstigungen galten allein den „aktiven Kämpfern gegen den Faschismus“. Ab Herbst 1945 wurden „Juden, die aus rassischen Gründen in Haft waren oder die emigrieren oder illegal leben mußten, um der Zwangsdeportation zu entgehen“, auch als Opfer anerkannt. Doch nun hatte man zwei Kategorien geschaffen, und den Juden blieb der Ehrentitel „Kämpfer“ versagt. Die galt auch allen jüdischen Kommunisten, die auf keine Parteikarriere vor 1933 verweisen konnten.118

116 Peters, Mitt östtyska liv. 117 Vgl. dazu Scholz, Skandinavische Erfahrungen erwünscht? S. 89–96, 104–168. 118 Scholz, Skandinavische Erfahrungen erwünscht? S. 82–83.

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Die Kampagnen gegen „Kosmopoliten“ und Westemigranten zu Beginn der 1950er Jahre forderten in der DDR bzw. unter den SED-Mitgliedern ihren Tribut von den sogenannten Westemigranten, wozu auch die Rückkehrer aus dem schwedischen Exil zählten. Wie gefährlich ein früheres Eintreten für jüdische Menschen in der Zeit ihrer grausamsten Verfolgung nun sein konnte, zeigte der Fall des Mexiko-Remigranten Paul Merker, der zum engsten Führungskreis von KPD und SED gehört hatte. Er wurde nach dem Budapester Schauprozess 1950 angeklagt, ein Agent des Imperialismus und ein Feind der Arbeiterklasse zu sein. Nach dem Prager Schauprozess 1952 wurde er in der DDR verhaftet, zionistischer Positionen beschuldigt und zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Merkers projüdische Haltung war als Interessenpolitik im Dienste des Zionismus ausgelegt worden.119 Beim Sammeln von Beweismaterial für die Anklage stellten bereits jüdische Herkunft oder Kontakte zu jüdischen Hilfsorganisationen bzw. gemeinsame Spendenveranstaltungen für bedürftige Emigranten einen Straftatbestand dar.120 Innerhalb der SED wurde zur Jahreswende 1952/53 nach Kontakten der Parteimitglieder zu Juden oder Kooperationspartnern jüdischer Organisationen, die als Zionisten galten, gefahndet. Zwar verhinderte Stalins Tod im März 1953 einen Schauprozess in der DDR, doch führende Parteifunktionäre waren der Kampagne zum Opfer gefallen und ihrer Ämter enthoben worden. Die Kaderabteilung der SED ging die Lebensläufe ihrer Funktionäre in den Kaderakten durch und leitete Befragungen dazu ein. Die Remigranten hatten in ihren Lebensläufen kaum oder keine Angaben zu ihrer jüdischen Herkunft oder über Kontakte zu jüdischen Organisationen gemacht, denn sie verstanden sich vorwiegend als deutsche Kommunisten, nicht als Juden. Das galt auch für die Schriftstellerin Anna Seghers, die 1947 bei ihrem Halt auf der Rückreise aus der Emigration in Stockholm bei Ruth Cohn-Peters in der Steinitz-Peters-Villa in Stocksund wohnte. In Stockholm war Seghers mit ihr auch einer Einladung zum Souper von Fritz Hollander gefolgt.121 Seghers war als Netty Reiling 1900 in Mainz als Tochter eines jüdischen Kunsthändlers geboren. Sie hatte nicht nur eine gute Schul- und Universitätsbildung erhalten, sondern war vom orthodoxen Judentum geprägt, „zu dem sich ihre Eltern bekannten und mit dessen Gebräuchen sie aufwuchs“. Erst nach ihrer Heirat im Jahre 1925 mit dem ungarischen Philosophen und kommunistischen Revolutionär László Radványi (Johann Lorenz Schmidt), dessen Korrespondenz mit Steinitz der Gründung der „E-S“ vorausgegangen war, sollte Seghers ihr jüdisch geprägtes Umfeld langsam verlas119 Kessler, Die SED und die Juden, S. 157–170, Dokument 6: Paul Merker an die Zentrale Parteikontrollkommission des ZK der SED, 1. Juni 1956; Herf, East German Communists, S. 638. 120 Hartewig, Zurückgekehrt S. 2–3. 121 Seghers an Kurt Stern, 11.2.1947 – Seghers, Briefe, S. 206; Ruth an Jürgen Peters, 16.2.1947, 17.3.1947 – Peters, Zweimal Stockholm-Berlin, S. 82 f., 86 f.

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sen. Den SED-Kontrollorganen erzählte sie von ihrer jüdischen Prägung nichts. Stattdessen gab sie an, in der Studienzeit von politischen Emigranten geprägt worden zu sein. Hatte sie in ihrem Fragebogen für die SED Ende Dezember 1949 noch angegeben „konf.los (Juedin)“, so blieb dieses Feld im Februar 1950 leer. Ihr Schweigen über die jüdische Herkunft ging einher mit einer Distanz zu potentiell unter Verdacht Stehenden.122 Wolfgang Steinitz war nicht jüdisch geprägt. Inge erinnerte sich Jahre später an ihre Reaktion auf die Ausbürgerung. „Für mich war er kein Jude. Er spricht weder Jiddisch, noch kennt er die Feiertage, noch hat er sonst eine Beziehung zur jüdischen Religion und Kultur.“123 Doch was Steinitz Beziehung zum „Jüdischen“ angeht, ist die Frage komplizierter. Seine jüdische Abstammung hatte durch die äußeren Umstände entscheidendes Gewicht bekommen. Mitglieder der Steinitz-Familie waren bis Kriegsende von der deutschen Vernichtungspolitik bedroht. Eine Erklärung für Steinitz’ Engagement für die jüdischen Flüchtlinge in der „E-S“ kann deshalb kaum auf einfache Parteiarbeit reduziert werden. Nach dem Krieg war die Steinitz-Familie nun auf die im kalten Krieg verfeindeten Lager verteilt. Sein ältester Bruder Hans war schon früh nach Palästina gegangen, Schwester Ulla ins Exil nach Italien und Schwester Marianne in die USA. Nur Schwester Ruth war ihm stets gefolgt. Steinitz hatte wohl immer einen gewissen Abstand zum Jüdischen gehalten. Camilla Hollander erinnerte ihn als „sehr deutsch“, sehr selbstbewusst. Es sei leichter gewesen, mit Peters umzugehen; auch mit den Kindern von Peters hätten sie mehr Umgang gehabt.124 Tatsächlich durften die Steinitz-Kinder nicht an den von der „E-S“ veranstalteten jüdischen „Weihnachtsfesten“ teilnehmen, wie sich Renate Steinitz erinnerte. Doch als Inge ihrem Mann Ende April 1946 von „Direktor Josephson“, also vom Vorsteher der Jüdischen Gemeinde in Stockholm Gunnar A. Josephson, Grüße übermittelte, reagierte Steinitz prompt. Josephson hatte nachfragen lassen, wie Inge es ausrichtete, ob Steinitz mal bei der Jüdischen Gemeinde in Berlin gewesen sei, dort wäre die Hilfsbedürftigkeit doch sehr groß. Und weiter schrieb Inge: „Ich sagte ihm, dass Du sicher gern mal einen größeren Betrag der Gemeinde gibst. Darüber freute er sich sehr.“125 Tatsächlich spendete Steinitz noch im Mai 1946 1.000 Mark (von einem Buchhonorar) an den damaligen Vorsteher der jüdischen Gemeinde in der Oranienburger Strasse. Er überwies auch später Geld an jüdische Hilfsorganisationen.

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Danzer, Zwischen Vertrauen und Verrat, S. 470–473 Auskünfte über Wolfgang Steinitz, erfragt von Bunge, Gespräch mit Inge Steinitz, 6.5.1979. Gespräch mit Camilla Hollander in Stockholm am 13.05.2000 (M. Scholz). Inge an Wolfgang Steinitz, 23.4.1946, in: Peters, Zweimal Stockholm-Berlin S. 137–139.

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Angesichts der Verfolgung und Reglementierung der Westemigranten und zeitweilig eines gefährlichen Antisemitismus ist es wohl erklärlich, dass bei Steinitz die jüdische Seite seiner Tätigkeit nur wenig Raum in seinen Lebensläufen erhielt. Eine Thematisierung der engen Zusammenarbeit bzw. freundschaftlicher Kontakte von kommunistischen Emigranten mit einer jüdischen Hilfsorganisation, deren Vertreter zudem aktive Zionisten waren und wie im Fall von Fritz Hollander ausgesprochene Israel-Freunde werden sollten, sollte in der DDR ein heikles Thema bleiben. Die sogenannten Parteisäuberungen Anfang der 1950er Jahren fielen für die ehemaligen Schweden-Emigranten sehr unterschiedlich aus. Der nichtjüdische KPD-Reichstagsabgeordnete Herbert Warnke, der auch eine Zeit Leiter der schwedischen KPD-Emigration war, konnte seine Karriere in der Gewerkschaftsbewegung und der SED-Führung ohne Unterbrechung fortsetzen. Nachdem seine Ehe mit Helene 1952 geschieden war, heiratete er eine bedeutend jüngere Frau; er wurde mit Orden und Auszeichnungen überhäuft, darunter mit dem Karl-Marx- Orden, dem Lenin-Friedenspreis und dem Lenin-Orden.126 Wolfgang Steinitz’ jüdische Herkunft und seine andauernden jüdischen familiärem Kontakte waren der SED-Führung bekannt. Auf Betreiben der sowjetischen Besatzungsmacht war er vom Vorsitz der Berliner Landesorganisation der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft verdrängt worden. Wohl weil er als Professor und Akademiemitglied im Grunde keine politische Nomenklatur-Funktion ausübte, blieb er von der Säuberungen sonst verschont. Es hätte auch schlimmer kommen können, wenn Stalin nicht im März 1953 verstorben wäre. Jedenfalls hatte die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK) der SED im Dezember 1952 erneut Steinitz’ Unterlagen für eine Überprüfung angefordert. Doch so konnte er seine wissenschaftliche und auch politische Karriere fortsetzen. 1954 wurde er sogar in das SED-Zentralkomitee gewählt. Doch nach den Enthüllungen über Stalins Verbrechen auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 sollte ihn sein kritischer Beitrag hinsichtlich mangelhafter Aufarbeitung in der SED auf einer folgenden ZK-Tagung den Platz im SED-Zentralkomitee kosten und ihm einen „Überprüfungsvorgang“ der Staatssicherheit einbringen. Seine angesehene Position unter den Wissenschaftlern war davon nicht betroffen, doch sein früher Tod 1967 kann als Folge dieser Entwicklungen gesehen werden.127 Etwas anders ging es seinem Schwager Hans-Jürgen Cohn-Peters. Er war im Ergebnis der ersten Welle der Überprüfungen im Sommer 1950 als Abteilungsleiter im Ministerium für Volksbildung abgesetzt worden. Doch im Oktober 1950 konnte er gegen den Willen der ZPKK die Leitung der Zentralstelle für Forschungsbedarf 126 BArch, SAPMO, DY 30/IV 2/11/v.2175. 127 Leo, Leben als Balance-Akt; Leo, Die Falle der Loyalität.

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beim Zentralamt für Forschung und Technik der Staatlichen Plankommission übernehmen; in diesem Amt verblieb er bis zu seiner Pensionierung. Scheinbar verfügte Cohn-Peters über „Sonderverbindungen“, die mächtiger waren als die Parteikontrollkommission. Seine Frau Ruth, die allerdings weniger im politischen Rampenlicht stand und keine Nomenklatur-Funktion innehatte, konnte dem Verlag Volk und Wissen von 1947 bis zum Rentenalter die Treue halten. Hier begründete sie die Buchabteilung „Vorschulerziehung“ und leitete die Zeitschrift Neue Erziehung im Kindergarten. Albert und Jenny Cohen hatten die erste Welle der sogenannten Parteiüberprüfungen glimpflich überstanden, auch wenn über sie kein abschließendes positives Urteil gefällt worden war. Albert hatte im Januar 1946 bei seiner Ankunft in Berlin im Fragebogen unter Religion „mosaisch“ angegeben. Er und Jenny, die ihm mit den Kindern im Mai 1947 nach Berlin gefolgt war, pflegten Kontakte zu den Überlebenden des Holocaust in ihrer Familie. Alberts Vater und Bruder lebten in Palästina.128 Im April 1951 ging die ZPKK eine erneute Untersuchung der Lebensläufe beider Cohens an. Jenny erklärte im Juni des Jahres nun ihren „Austritt aus dem Judentum“. Doch beider „bürgerliche Herkunft“ blieb in den Augen der ZPKK ein Makel. Für die „wichtige Aufgabe eines Leiters“ der neugeschaffenen Hauptabteilung „Wirtschaftliche Zusammenarbeit“ erschien Albert Cohen „im Hinblick auf seine Herkunft, Entwicklung und familiären Bindungen nicht geeignet“.129 Er musste die Staatliche Plankommission auf Drängen der ZPKK verlassen. Anfang 1952 bekam er eine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ostberliner Hochschule für Planökonomie. Jenny setzte ihre Arbeit im Ministerium für Gesundheitswesen fort, wenn auch nicht ohne Brüche.130 In ihren 1976 in der DDR veröffentlichten Erinnerungen spielte das Jüdische keine Rolle und auch die Säuberungen in der Sowjetunion wurden nicht erwähnt bzw. ihre Weiteremigration von der UdSSR nach Schweden nicht kommentiert.131 Das ist wohl kein Zufall. Die Erinnerungsliteratur unterlag in der DDR einer starken Zensur. Zwar war man sich in der SED-Führung auch des Nutzens von Memoiren bewusst, und entsprechende Beschlüsse waren gefasst, doch wollte man „Tabubrüche“ vermeiden. Die Texte sollten „wissenschaftlichen Ansprüchen“ gerecht werden, mussten aber dem aktuell angeordneten Geschichtsbild angeglichen werden. Für das Exil in Schweden war in den 1970er Jahren vieles noch nicht ge128 Albert Cohen, Personalfragebogen, 25.1.46, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/11/v.1686; Schilling u. a. (Hg.), Spuren der Erinnerung, passim. 129 Albert Cohen – Protokoll der Sonderkommission, Berlin, 10.5.1951, SAPMO BArch DY 30/ IV 2/ 11/171. 130 Scholz, Skandinavische Erfahrungen erwünscht, S. 147 f.; Leo, Leben als Balance-Akt, S. 271– 278; Cohen, Emigrationserlebnisse, S. 497–498. 131 Cohen, Emigrationserlebnisse.

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klärt. Im Falle der Erinnerungen von Max Seydewitz galt das zum Beispiel für eine Einschätzung zu Willy Brandt und Herbert Wehner sowie für Seydewitz’ Zusammenarbeit mit der sowjetischen Botschaft. Über diese Fragen könne man auch im Instituts für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED nicht selbständig entscheiden, informierte ihn der stellvertretende Institutsdirektor Ernst Diehl. Diehl war gleichzeitig Vorsitzender des 1969 eingerichteten Rates für Geschichtswissenschaft der DDR, der als „zentrale Leitinstitution“ die Geschichtswissenschaft der DDR koordinieren sollte.132 Nach längerem Hinundher, wurden problematische Fragen für die Veröffentlichung gestrichen.133 Dass Aktivitäten innerhalb oder Kontakte mit der Emigranten-Selbsthilfe von ehemaligen Emigranten in ihren Erinnerungen nicht genannt wurden, erklärt sich daher von selbst. Ab Mitte der 1980er Jahre bemühte sich die SED darum, die Beziehungen zum Judentum und zu Israel auszubauen. Hintergrund war der Wunsch, die internationale Reputation der DDR zu verbessern und wirtschaftliche Hilfe aus den USA zu erhalten. Nun sollten die jüdischen Gemeinden stärker unterstützt werden. Kurzfristig wurde beschlossen, den 50. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ am 9. November 1988 zu nutzen, um im Westen ein positives Bild über jüdisches Leben in der DDR zu vermitteln und natürlich die antifaschistische Haltung des Staates zu demonstrieren.134 Hier sind dann die erwähnten Veröffentlichungen von Jan Peters einzuordnen. Auch in Schweden war von der Emigranten-Selbsthilfe in der Öffentlichkeit lange Zeit kaum die Rede. Nach der Stockholmer Ausstellung von 1975 wurde sie erst wieder 1996 von Svante Hansson in einem Artikel in Judisk Krönika gewürdigt. Hanssons Thema war die Rettung deutscher Juden nach Schweden und deren folgendes Engagement „für das neue Vaterland“.135 Den Forschungsstand zu den deutsch-jüdischen Flüchtlingen in Schweden nannte Hansson lückenhaft, weiter grundlegend seien die nun schon zwei Jahrzehnte alten Dissertationen von Helmut Müssener und Hans Lindberg. Für sein Thema ging Svante Hansson auch ausführlich auf die „EMIGRANTENSELBSTHILFE, Emigranternas självhjälp“ ein und beschrieb deren Geschichte und Aktivitäten. Nicht wenige der in ihr aktiven deutsch-jüdischen Flüchtlinge hätten dazu beigetragen, das jüdische Leben in Schweden während und nach dem Krieg neuzugestalten. Beispielhaft nannte er Fritz Hollander, der eine wichtige Rolle im schwedischen und europäischen Judentum spielte. Von den Aktiven in der „E-S“ erwähnte Hansson namentlich den lang132 Aktennotiz 7.8.1974. BArch, DY 30/Vorl. SED 21998. 133 Korrespondenz Diehl-Hager, 1976/1977. BStU, Zentralarchiv, Sekretariat des Ministers 1868. 134 Muschick, Die SED und die Juden; siehe auch die Sammelrezension: Monteath, The German Democratic Republic. 135 Hansson, Livräddaren; ders., Vaterland Schweden.

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jährigen Vorsitzenden Baburger sowie Siegfried Pawel und Herbert Friedländer. Letzterer habe den sehr wichtigen Tätigkeitsbereich des Schwedisch-Unterrichts geleitet und hier Pionierarbeit geleistet. Hansson ließ hier nicht unerwähnt, dass Friedländer aus einer seit Generationen in Schweden ansässigen Familie stammte. Zur Rolle von Wolfgang Steinitz bemerkt er, dass es schon kurios sei, dass einer der Initiatoren der „E-S“ später ein hoher Funktionär in der DDR wurde.136 Die Beziehungen Fritz Hollanders zur KPD-Emigration und zu Wolfgang Steinitz werden erstmals in der Biographie „Herbert Wehner in Schweden 1941–1946“ (1995/1997) behandelt.137 Sie spielen auch eine Rolle in Annette Leos Steinitz- Biographie (2005).138 In der im Jahr darauf von Freunden und Kollegen publizierten Steinitz-Biographie fehlt allerdings jeder Hinweise auf die Emigranten-Selbsthilfe bzw. auf Hollander; das gilt auch für den Beitrag von Jan Peters in diesem Band.139 In Schweden wurde die wichtige Rolle Fritz Hollanders für die jüdische Emigration und die Rettung jüdischer Verfolgter erst spät entdeckt. Svante Hansson hatte im April 1995 in seinem Artikel in Judisk Krönika gemeint, Fritz Hollander sollte aufgefordert werden, seine Memoiren zu schreiben.140 Als Hansson im Jahr darauf in Judisk Krönika die Geschichte von Gilel Storch und dessen Rettungstätigkeit für die europäischen Juden erzählte, machte er deutlich, wie nahe Hollander am Geschehen gewesen war.141 Trotzdem wurde Fritz Hollander 1997 in einem Sammelband mit schwedischen Aufsätzen zum Thema Schweden und Holocaust nicht erwähnt.142 Erst drei Jahre nach Hansson und zehn Jahre nach der ersten Erwähnung bei Peters kommt Fritz Hollander in Schweden im Buch „Handelsresande i liv“ (Menschenhandel unterm Hakenkreuz) von Lena Einhorn zu Wort. Einhorns Fokus liegt hier auf dem Versuch, kurz vor Kriegsende mit deutschen Behörden, darunter mit SS-Chef Heinrich Himmler, über eine Rettung von Juden zu verhandeln. Hollander wird von Einhorn vorgestellt als „Geschäftskollege“ von Norbert Masur und „jüdischer Aktivist“.143 Die Konzentration des Buches auf Gilel Storch und Norbert Masur ließ ihr wohl wenig Raum für eine Würdigung Hollanders; dieser bleibt hier Beobachter des Geschehens.144

136 137 138 139 140 141 142 143 i liv, 144

Hansson, Vaterland Schweden. Scholz, Herbert Wehner in Schweden, passim. Leo, Leben als Balance-Akt, Kapitel: Die schwedischen Jahre (von Michael F. Scholz). Peters, Wolfgang Steinitz’ Weg. Hansson, Som på en ö, S. 47. Hansson, Livräddaren, S. 20. Svanberg & Tydén, Sverige och förintelsen. Zur Brief-Edition siehe den Abschnitt zum Herausgeber Jan Peters. Einhorn, Handelsresande S. 520. Einhorn, Handelsresande i liv, S. 520.

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

Als Fritz Hollander 2004 stirbt, wird er in Nachrufen für seine Einsätze für die europäische und schwedische Judenheit, für den Zionismus und Israel gewürdigt. Doch seine Aktivitäten vor seiner Zeit als Vorsitzender der Gemeinde werden nur selten erwähnt. Eine Ausnahme bildet Svante Hansson, der Hollander in Svenska Dagbladet mit einer ausführlichen Lebensdarstellung würdigte, die auch dessen „zeitweilige Verankerung im linken Milieu“ benennt, und erwähnt, dass Hollander „Hilfe für den deutschen Widerstand in der Arbeiterbewegung“ geleistet hätte. Besonders hob Hansson dessen aktive Hilfe für die jüdischen Flüchtlinge hervor, ohne dabei jedoch die Emigranten-Selbsthilfe zu erwähnen. Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Stockholm Lena Posner-Körösi lässt in ihrem Nachruf die Kriegszeit gänzlich unerwähnt.145 Für die Vereinigte Israel Aktion Keren Hayesod sprach Franz T Cohn, ihr Vorsitzender von 1984 bis 1994, Hollander großen Dank aus, „für alles, was er zum Wohle mehrerer Generationen von Juden in Schweden und Israel getan“ hätte; doch er erwähnt keine Aktivitäten Hollanders vor 1960.146

4.4.6 Das Bild der Emigrantenselbsthilfe in Schweden heute Erst langsam nimmt Fritz Hollanders umfangreiche Hilfsarbeit in der Hitlerzeit in historischen Darstellungen Gestalt an. Seine Rolle in den großen skandinavischen Hilfsaktionen wird inzwischen genannt und diskutiert. Das gilt sowohl für die Rettung der dänischen Juden 1943 als auch für die schwedischen Rettungsaktionen 1944/45 (Raoul Wallenberg, Folke Bernadotte). Im Jahr 2016 veröffentlichte Bernt Hermele ein biographisches Porträt Hollanders, in dem er Fritz Hollander einen „geduldigen Revolutionär“ nennt. Hollander sei es in Fragen der Solidarität nicht um Almosen gegangen, sondern immer um Hilfe zur Selbsthilfe. Diese Ideologie hätte er vom religiösen Zionismus übernommen, so vom deutschen Rabbiner Zvi Hirsch Kalischer, der erklärt hatte, dass die Rettung des jüdischen Volkes nur durch Selbsthilfe erreicht werden könne.147 Auf der Grundlage der Akten der schwedischen Sicherheitspolizei (SÄPO) diskutiert Hermele in dem Buch auch Verdächtigungen gegenüber Hollander hinsichtlich seiner politischen Verlässlichkeit. Er kommt zu dem Schluss, dass sich alle Verdächtigungen als unbegründet erwiesen hätten.

145 Svante Hansson (Svenska Dagbladet, 2004-06-06/33); Lena Posner-Körösi (Svenska Dagbladet, 2004-06-22 und Göteborgs-Posten, 2004-05-25). 146 Keren Hayesod (THE JEWISH WEEK, May 28, 2004). 147 Hermele, Judejävel. Der orthodoxe Rabbi Zwi Hirsch Kalischer (1795–1874) hatte sich aus religiöser Sicht als einer der ersten für die jüdische Wiederbesiedlung des Landes Israel ausgesprochen.

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung



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Tatsächlich wurden gegen beide Hauptakteure der Emigranten-Selbsthilfe, sowohl gegen den Zionisten Fritz Hollander als auch gegen den Kommunisten Wolfgang Steinitz, Verdächtigungen geäußert, Geheimdienstverbindungen unterhalten zu haben. Das wird vor allem von deren Familien und Anhängern bestritten. Fritz Hollanders Sohn Per Hollander, der 2018 eine Biographie über seine Eltern Fritz und Camilla Hollander vorgelegt hat, beschreibt den mutigen Einsatz seines Vaters in Hitlerdeutschland für antinazistische Kreise, hält aber eine Mitgliedschaft seines Vaters in der kommunistischen Partei für ausgeschlossen.148 Er erwähnt auch weitere Hilfsaktionen, die mit seinem Vater in Zusammenhang stehen, wie die Vermittlung lateinamerikanischer Pässe. Diese Pässe hätten zwar nicht die Möglichkeit der Auswanderung eröffnet, schützten aber ihre jüdischen Inhaber vor der Einlieferung in Vernichtungslager. Manuel Antonio Muñoz Borrero, Generalkonsul von Ecuador in Stockholm von 1931 bis 1942, wurde für seine Verdienste in diesem Zusammenhang 2011 posthum mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet. Als Initiativnehmer von schwedischer Seite wurden neben Abraham Israel Jacobson, nach seiner Flucht aus Norwegen 1941 Rabbi an der orthodoxen Synagoge Adat Jeschurun, auch Jacob Ettlinger, Fritz Hollander, Moritz Pineas (Pinkus) und John Benzian genannt.149 Als Reaktion auf auch in Schweden lauter werdende antisemitische Stimmen, bis hin zur Leugnung des Holocaust, bildete sich Anfang der 1990er Jahre die Gruppe der Holocaust-Überlebenden (Gruppen Förintelsens Överlevande). Sie entwickelte eine Vielzahl von Aktivitäten, darunter Zeitzeugenbefragungen, organisiert vom Vorsitzenden Jacob Ringart. Im Oktober 2000 fasste die Jüdische Gemeinde den Beschluss, die Flüchtlingsarbeit der Jüdischen Gemeinde zwischen 1933 und 1950 in einem Weißbuch aufzuarbeiten. Dieser Auftrag ging an Svante Hansson. Zu den Interviewten in den von Ringart organisierten Zeitzeugenbefragungen gehörten im Frühjahr 2001 Herbert und Liesel Kahn. Herbert Kahn, nach 1945 viele Jahre Kassierer in der „E-S“, berichtete ausführlich über deren Aktivitäten und was diese Organisation für die Flüchtlinge bedeutet hätte. Er und seine Frau stellten auch Material zur Verfügung.150 Teile des Interviews, allerdings anonymisiert, verwandte Hansson in seiner materialreichen und kritischen Studie, die 2004 erschien. Fritz Hollander wird in dieser aber nur erwähnt, weil er in den 1930er Jahren als „Flüchtling aus Deutschland“ nach Schweden gekommen, und 1961 zum Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde gewählt worden war.151 Die „E-S“ fand in Hanssons Untersuchung der Tätigkeit der Jüdischen Gemeinde keine Erwäh148 149 150 151

Hollander, P., Per, The cosmopolitans, S. 145–150. Zadoff, The performance of Latin American diplomats, S. 328. Herbert und Liesel Kahn, Interview 23.2.2001 (Svante Hansson). Hansson, Flykt och överlevnad, S. 51.

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nung.152 Er verlor allerdings die Zeitzeugenschaft von Liesel Kahn um die Rolle der „E-S“ nicht aus den Augen. Unter dem Motto „Emigrantenselbsthilfe – ein Beispiel für proaktive Flüchtlinge“ wurde die „E-S“ im März 2006 in einem Gespräch zwischen dem jüngsten Sohn von Fritz und Camilla Hollander, Ernst Hollander, dem Historiker Michael F. Scholz sowie Svante Hansson, der Öffentlichkeit ins Gedächtnis gerufen.153 In den folgenden Jahren wurde die „E-S“ nun öfter genannt. So in Ausstellungen zur Künstlerin Lotte Laserstein, beginnend in Berlin 2004 (mit umfangreichem Katalog) und im Bror Hjorths Hus in Uppsala 2006; weitere Ausstellungen über Laserstein sollten folgen. Alle zollten auch ihrem Engagement in der „E-S“ Respekt. Hans Holewa, Maxim Stempel und Ernst Emsheimer, die aktiv in der „E-S“ gewirkt hatten, würdigte der Historiker Henrik Rosengren in seiner kollektiv-biografischen Analyse zu deutschsprachigen Musikern im schwedischen Exil aus dem Jahr 2013, die 2016 auch auf deutsch erschien. Alle drei Musiker seien von den nationalen und transnationalen Brüchen des 20. Jahrhunderts geprägt worden. Rosengren diskutiert hier auch die Frage ihrer jüdischen Identität, die zum Beispiel von Stempel öffentlich und im familiären Umfeld lange verleugnet wurde. Rosengren wertet ihr Engagement in der „E-S“ als ein Bekenntnis zur jüdischen Identität; auch wenn sie sich nicht in erster Linie als Juden sahen, zwangen die Umstände sie, sich zum Jüdischsein zu verhalten.154 Im November 2014 spiegelte eine internationale Konferenz in Uppsala unter dem Thema „Deutsch-jüdische Emigration und Immigration nach Schweden“ den aktuellen Forschungsstand wider. Die Autoren dieser Schrift, Helmut Müssener und Michael F. Scholz, stellten auf dem Symposium erstmalig die „E-S“ und die Hauptakteure Fritz Hollander und Wolfgang Steinitz ausführlich vor. Auch in anderen Beiträgen fand die „E-S“ Erwähnung, so bei Henrik Rosengren und Pontus Rudberg.155 Rudberg verteidigte im Jahr darauf in Uppsala seine Dissertation, die unter dem Titel „The Swedish Jews and the Holocaust“ 2017 in London erschien. Unter Berufung auf die Uppsala-Konferenz beschrieb er hier auch, wie in Schweden die Flüchtlinge mit der Zeit ihre eigenen Organisationen gründeten. Als größte nannte er die Emigranten-Selbsthilfe, die Ende 1938 von deutsch-jüdischen Einwanderern und Flüchtlingen gegründet worden sei, um den jüdischen Flüchtlingen in 152 Hansson, Flykt och överlevnad. Sein Material stellte er den Verfassern dieses Buches großzügig zur Verfügung. 153 Dagens Nyheter, 2006-03-21. 154 Rosengren, Från tysk höst till tysk vår, S. 147; ders., Fünf Musiker im schwedischen Exil; ders., Ernst Emsheimer – uppbrottens och lojalitetens pris, S. 177–180, 191. 155 Die Ergebnisse der Konferenz erschienen 2017 bei De Gruyter in Berlin – Glöckner & Müssener (Hg.), Deutschsprachige jüdische Emigration. Eine bearbeitete schwedische Ausgabe erschien 2021 – Andersson, Müssener & Pedersen (Hg.), Heimat Sverige.

4.4 Die Emigrantenselbsthilfe in der Exilforschung 

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Schweden die Möglichkeit zur „Selbsthilfe“ zu geben. Von den Mitgliedern der Organisation nannte er Wilhelm Michaeli und Fritz Hollander, die beide auch in der Jüdischen Gemeinde aktiv gewesen wären.156 In einschlägigen Publikationen scheint es nun Normalität geworden zu sein, die „E-S“ und deren Aktive, wie Michaeli, Baburger oder Meyring, zu erwähnen.157 Eine ausführliche Vorstellung der Emigranten-Selbsthilfe gab 2017 auch Anne E. Dünzelmann in ihrem in deutscher Sprache als Book on Demand erschienenen Band „Stockholmer Spaziergänge auf den Spuren deutscher Exilierter 1933–1945“. Hier stellt sie auch viele ihrer Mitglieder näher vor, darunter Fritz Hollander.158 Im Zusammenhang mit der Gründung eines „Museums zur Bewahrung und Weitergabe der Erinnerung an den Holocaust in Schweden“ im Jahr 2022 wurde eine Archivübersicht erarbeitet, die auch Archivalien zu den Aktivitäten der „E-S“ erwähnt.159 Erneut auf die Rolle eines Zuschauers reduziert, wird Hollander dann in der 2021 erschienenen vielbeachteten Marcus Ehrenpreis Biographie von Göran Rosenberg.160 Mit ihr will Rosenberg einen Beitrag zur Ehrenrettung von Marcus Ehrenpreis und Gunnar Josephson leisten, denn er sieht deren Rolle im Rahmen der Flüchtlingshilfe im Weißbuch von Svante Hansson zu negativ dargestellt.161 Rosenberg schreibt Ehrenpreis eine mehr aktive Rolle bei den schwedischen Rettungsaktionen zum Kriegsende zu. Gilel Storch nennt er dabei als eine der zentralen Persönlichkeiten. Wohl nur Erkenntnisse von Lena Einhorn wiederholend, erwähnt er Fritz Hollander nur einmal, und das als Freund und Mitarbeiter von Storch.162 Mit dem Erscheinen der Monografie zur Geschichte der Juden in Schweden (Judarnas historia i Sverige, 2021), der ersten nach Hugo Valentins Darstellung aus dem Jahr 1964, gibt Carl Henrik Carlsson, Historiker am „Hugo Valentin-Centrum“ der Universität Uppsala, den aktuellen Forschungsstand wieder. Raum erhält hier auch die Emigranten-Selbsthilfe. Deren Einsatz im Bereich des Sprachunterrichts wird hervorgehoben, aber auch ihre Musik- und Literaturabende gewürdigt, deren hohes Niveau Carlsson hervorhebt, nicht zuletzt auch dank der „E-S“Mitglieder Maxim Stempel, Ernst Emsheimer und Hans Holewa. Mehrfach nennt Carlsson in seinem Buch Fritz Hollander; sogar Wolfgang Steinitz findet als einer der Gründer der „E-S“ Erwähnung.163 156 Rudberg, The Swedish Jews and the Holocaust, S. 34. 157 Heuman & Rudberg (Hg.), Early Holocaust memory in Sweden, S. 44, 99. 158 Dünzelmann, Stockholmer Spaziergänge. 159 SOU 2020:21, S. 271, 273. Die hier genannten Beispiele enthalten aber kaum einschlägiges Material. 160 Rosenberg, Rabbi Marcus Ehrenpreis. 161 Zu dieser Problematik allgemein siehe Rudberg, A Record of Infamy. 162 Rosenberg, Rabbi Marcus Ehrenpreis, S. 395, 390, 418–422. 163 Carlsson, Judarnas historia i Sverige, S. 241, 245, 250

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4 Bild und Selbstbild der Emigranten-Selbsthilfe im Wandel der Zeiten

Der Platz der Emigranten-Selbsthilfe in der Erinnerungskultur und Forschung war lange aufgrund des Charakters der Selbsthilfeorganisation hinsichtlich ihrer orthodoxen und zionistischen Ausrichtung als auch ihrer linken bzw. kommunistischen Mitglieder und Beiträgern problematisch. In der DDR, wie in den anderen osteuropäischen Ländern, war es Anfang der 1950er Jahre zu sogenannten Säuberungen mit deutlich antisemitischem Einschlag gegen „Westemigranten“ gekommen; antisemitische Einstellungen fanden als „antizionistische“ Politik eine Fortsetzung bis in die 1980er Jahre. Im Westen wurde jede Zusammenarbeit mit Kommunisten verdammt und mit politischer Unzuverlässigkeit gleichgesetzt, eine Sicht, die sich als nachhaltig erweisen sollte. Eine mögliche Zusammenarbeit von Zionisten mit politisch Linken oder Kommunisten war deshalb lange auch in Schweden nichts, was man öffentlich gern erinnerte. Auch heute ist eine solche Zusammenarbeit, dazu noch eine fruchtbare, für viele kaum vorstellbar. Die beiden Hauptakteure der Emigranten-Selbsthilfe, Fritz Hollander und Wolfgang Steinitz, ein Zionist und ein Kommunist, hatten erfolgreich zusammengearbeitet. Für beide hatte es lange gedauert, bis eine Biographie über sie erscheinen konnte. Der kalte Krieg hatte seine Schatten auf die Erinnerungskultur und Forschung geworfen haben, Schatten, die nur langsam verschwinden.

5 Anhang Mitglieder und Förderer der Emigranten-Selbsthilfe (Mai 1945) (Central Zionist Archives, Jerusalem; World Jewish Congress, Swedish section; C4 Vol.: 402)

https://doi.org/10.1515/9783110729511-005

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5 Anhang

Mitglieder und Förderer der Emigranten-Selbsthilfe (Mai 1945)



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5 Anhang

Mitglieder und Förderer der Emigranten-Selbsthilfe (Mai 1945) 

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5 Anhang

Finanzen Einnahmen und Ausgaben vom 3. Dezember 1938 – 31. Dezember 1947 Einnahmen 149.000 Kronen (2022: 2.944.000 Kronen) Ausgaben 148.200 Kronen (2022. 2.903.000 Kronen davon – Beihilfen 105.600 = 71,2 % der Ausgaben – Kulturausgaben 24.800 = 16,8 % – Unkosten 17.800 = 12,0 % (Zehnjahresbericht 1948) Einnahmen 1939 1940 1941 1942 1943

10.873 Kronen 11.684 12.027 16.298 20.247

(2022: 342.700) (2022: 323.500) (2022: 293.000) (2022: 372.300) (2022: 459.400)

Ausgaben Unterstützung Kultur 1939 6.731 = 63,5 % 2.233 % 1940 7.901 = 69,0 % 2.076 % 1941 8.876 = 70,9 % 2.020 % 1942 10.935 = 69,3 % 20,5 % 1943 20.247 = 72 %% 17,0 % (Angaben im Kassenbericht für 1943)

Unkosten 1.908 = 17,5 % 1.633 = 14,0 % 1.348 = 11,0 % 1.612 = 10,2 % 1.944 = 11,0 %

Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe für die Zeit vom 1. 1.– 31.12.1940 Einnahmen: 11.710 Kronen darunter – Konzertüberschuss 143,82 – Einzahlungen 9.968,75 – Spenden für Feiertage und Tombola 1.475,00 (Kassenbericht für 1940. Die Einzahlungen sind nur nach „Mitgliedsbeiträge und Spenden“ aufgeschlüsselt)

Finanzen 

Ausgaben 11.611,85 Kronen darunter – Unterstützungen – Kulturausschuss und Veranstaltungen – Arzt- und Zahnarztbeihilfen – Unkosten (Porto, Telefon, Drucksachen) – Gehalt (Kassenbericht für 1940)

4.276 2.076 1.550 1.191 720

Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe für die Zeit vom 1.1. – 31.12.1942 Einnahmen 17.908 Kronen davon – Beiträge 8.006 – Spenden und Veranstaltungen 7.914 – Gemeinde für kulturelle Zwecke 379 Ausgaben darunter – Spenden zu den Feiertagen – Kulturausschuss – Sprechstunde – Bürounkosten – Arztkosten (Kassenbericht für 1942)

15.791 Kronen 6.771 3.242 3.025 1.612 1.140

Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe für die Zeit vom 1.1. – 31.12.1943 Einnahmen = 20.247 Kronen Darunter – Beiträge 8.977 – Chanukka-Markt 5.177 – Spenden 2.658 – Gemeinde für kulturelle Zwecke 499 – Ferner Kino und Bridge 2.994 Kronen Ausgaben = 19.488 Kronen Darunter – Beihilfen und Spenden – Kulturausschuss

12.344 3.075

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5 Anhang

Unkosten – Chanukka-Markt – Kino und Bridge (Kassenbericht für 1943)

1.944 835 1.062

Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe im Jahre 1949 Einnahmen – Mitgliederbeiträge 6.083 – Spenden 4.079 – Chanukkabazar 5.418 – Veranstaltungen 559 – Emigranternas Skyddsförening 1.216 – Diverse 965 17.523 Kronen Ausgaben Beihilfen 10.802 72 % Veranstaltungen 1.659 11 % Unkosten Täby 188 4 % (für Täby und Diverse) Diverse 475 Allgemeine Unkosten 1.965 13 % 15.091 Kronen (Rechenschaftsbericht für 1949) Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe im Jahre 1950 Einnahmen: – Mitgliedsbeiträge und Spenden 7.809 – Chanukkahmarkt 6.440 – Veranstaltungen 281 – Rückzahlungen und dergl. 302 14.834 Kronen Ausgaben: – Beihilfen 12.923 = 77,8 % der Ausgaben – Veranstaltungen 609 = 9.7 % Allgemeine Unkosten 2.083 = 12,5 % 16.615 Kronen (Rechenschaftsbericht für 1950)

Finanzen 

Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe im Jahre 1951 Einnahmen – Mitgliederbeiträge 4.662 – Spenden 305 – Pessachspenden 1.085 – Neujahrsspenden 2.049 – Chanukkahmarkt 6.514 – Veranstaltungen 255 – Rückzahlungen 188 15.060 Kronen Ausgaben: – Beihilfen 11.086 = 74,5 % der Beihilfen – Veranstaltungen 1.859 = 12,5 % – Allgemeine Unkosten 1.960 = 13 % (Rechenschaftsbericht für 1951) 14.907 Kronen Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe im Jahre 1952 – Mitgliederbeiträge 4.872 – Spenden 282 – Pessachspenden 798 – Neujahrsspenden 1.960 – Chanukkahmarkt 1.940 – Veranstaltungen 350 – Rückzahlungen 202 10.405 Kronen Ausgaben: Beihilfen 7.413 = 74 % Veranstaltungen 319 = 13 % Allgemeine Unkosten 1.294 = 13 % 8.529 Krone (Rechenschaftsbericht für 1952) Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe im Jahre 1953 Einnahmen Mitgliederbeiträge 4.714 Spenden 3.199 Veranstaltungen 189 Rückzahlungen, Zinsen, Diverse 551 8.529 Kronen

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282 

5 Anhang

Ausgaben: – Beihilfen – Veranstaltungen – Allgemeine Unkosten

6.828 = 83 % der Ausgaben 1.149 = 13 % 551 = 6 % 8.529 Kronen

(Rechenschaftsbericht für 1953) Einnahmen und Ausgaben der Emigranten-Selbsthilfe im Jahre 1954 Einnahmen – Mitgliederbeiträge 3.407 – Spenden 1.185 – Veranstaltungen 214 – Rückzahlungen, Zinsen 69 4.875 Kronen Ausgaben: – Beihilfen 3.874 = 83 % – Veranstaltungen 1.126 = 13 % – Allgemeine Unkosten 407 = 6 % 5.408 Kronen (Rechenschaftsbericht für 1954) Rechenschaftsbericht für 1955 Einnahmen aus „Mitgliederbeiträgen, Bankzinsen und dergleichen“: 3.805 Kronen „Von den 345 Mitgliedern haben sehr viele mehr als den Mindestbeitrag von 6:– Kronen gezahlt“ [In dem Fall hätte sich die Summe der Mitgliedsbeiträge nur 2.070 Kronen betragen. Die 6 Kronen des Jahres 1940 entsprechen 1955 6 Kronen, 2022 166 Kronen) Ausgaben: Sozialarbeit 1.547 Veranstaltungen 1.109 Unkosten 386 1.142 Kronen

Veranstaltungskalender 

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Veranstaltungskalender Kursiviert: Veranstaltung zusammen mit anderen Organisationen bzw. Hinweis auf Veranstaltungen anderer Organisationen 1939 11. Januar 31. Januar 13/14. Februar 25. Februar ??? 16. März 17 März 18. März 26. März 1. April 17/18. April 24. April 1. Mai 15. Mai 16. Mai 17. Mai 1. Juni 21. Oktober 11. Dezember 12. Dezember Datum???

1940 14. Januar 20. Januar 22. Januar 6. Februar ??? 7. November 21. November

Theaterveranstaltung und Vortrag Vortrag Theaterveranstaltung und Vortrag Vortrag Generalversammlung Vortrag Museums-Führung Diskussionsabend Vortrag Vortrag Musikveranstaltung Museums-Führung Maifeier (ohne Nennung des Veranstalters) Museums-Führung Ausstellungseröffnung Vortrag Vortrag Vortrag Chanukka-Feier Vortrag Musikveranstaltung und Vortrag (zusammen mit dem Arbeitskreis jüdischer Flüchtlinge)

Musikveranstaltung Vortrag Musikveranstaltung Vortrag Generalversammlung Musikveranstaltung Teetisch mit zwei Vorträgen Vortrag

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5 Anhang

12. Dezember 28/30. Dezember

Vortrag Chanukka-Feier

1941 23. Januar Vortrag 15. Februar ??? 13/18. März 16. April 14. Mai 5. November 9. Dezember 30. November 17. Dezember

Kulturabend Generalversammlung Theaterveranstaltung: Purim-Revue Musikveranstaltung Vortrag Vortrag Vortrag Chanukka-Markt Chanukka-Feier

1942 21. Februar 24/25. Februar 10/ 11. März ??? 14. 19. April 29. April 26. Mai 21. Oktober 14. November 22. November 5. Dezember

Vortrag Musikveranstaltung mit Einführung Theaterveranstaltung: Purim-Revue Generalversammlung April Vortrag Veranstaltung Vortrag Vortrag Tee-Abend mit buntem Programm Musikveranstaltung mit Einführung Chanukka-Markt Chanukka-Feier

1943 17. Januar 23. Januar 4/6. März 17. März 21. März 6. April 8. April 17. April

Fest in Blå Hallen Vortrag mit „Palästinensische Lieder“. Theateraufführung Generalversammlung Purim-Feier Referate und Diskussion Vortrag Musikveranstaltung

Veranstaltungskalender 

19. Mai 3/4/5. August 2. September 15. September 26. September 26. September 7./8. Oktober 11. Oktober 7. November 13. November 18. November 21. November 2./3. Dezember 12. Dezember 21. Dezember

Musikveranstaltung Theaterveranstaltung Ausstellungseröffnung Vortrag Führung durch Atelier Filmveranstaltung Theaterveranstaltung Filmveranstaltung Wohltätigkeitsbridge Wohltätigkeitsveranstaltung Kulturabend Vortrag Filmveranstaltung Theaterveranstaltung Chanukka-Markt Chanukka-Feier

1944 15. Februar 20. Februar 9. März 17. März 1. April 17. Mai 21. Mai 30. September 5/6. Oktober 15. Oktober 22. Oktober 28. Oktober 18. November 3. Dezember 13. Dezember

Vortrag Filmveranstaltung Purim-Feier Generalversammlung mit Vortrag Musikveranstaltung mit Einleitung Vortrag Filmveranstaltung Geselliges Beisammensein Theaterveranstaltung Filmveranstaltung Filmveranstaltung Vortrag Vortrag Chanukka-Markt Chanukka-Feier

1945 27. Januar 20. Februar 28. Februar 11. April 23. Mai

Kulturabend mit Einführung Generalversammlung Purim-Feier Vortrag Musikveranstaltung

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286 

5 Anhang

30. Mai 6. Juni 4. September 26. September 17. Oktober 26. Oktober 30. Oktober 25. November 5. Dezember

Vortrag [IDE] Vortrag Diskussionsabend Kulturabend Vortrag [IDE] Kulturabend Vortrag Chanukka-Markt Chanukka-Feier

1946 8. Januar 7. Februar 21. Februar 19. März 4. April 19. April Ende April 16. Mai ?? ?? 18. September 22. Oktober 14. November 8. Dezember 18. Dezember

2 Vorträge Vortrag Generalversammlung und Vortrag Purim-Veranstaltung Kulturveranstaltung mit Vortrag Filmveranstaltung Filmveranstaltung Musikveranstaltung und Vortrag Plaudereien Musikveranstaltung Vortragszyklus [WAB] Musikveranstaltung Vortrag Chanukka-Markt Chanukka-Feier

1947 Frühjahr 16. Januar 20. Februar 13. März 29. April 2. Oktober Herbst 6. November 30. November 10. Dezember

Vortragszyklus [WAB] Kulturveranstaltung mit Vortrag Generalversammlung mit Vortrag Musikveranstaltung Geselliges Beisammensein Musikveranstaltung Vortragszyklus [WAB] Vortrag Chanukka-Markt Chanukka-Feier

Veranstaltungskalender 

1948 20. Januar ??? Februar Frühjahr ??? März 1. März 11. März 6. April 11. April 18. Mai 28. September 4. November ?? Dezember 30. Dezember 1949 20. Januar Frühjahr 17. Februar 17. März Frühjahr 26. April 8. September Herbst 13. Oktober 10. November 4. Dezember 21. Dezember 1950 Frühjahr 26. Januar 16. Februar 17. März

Vortrag Musikveranstaltung Vortrag 2 Vortragszyklen [WAB + Hugo Bergmann] Diskussionsabend [IDE] Generalversammlung Vortrag Vortrag Unterhaltung: Bunter Abend Filmveranstaltung [Keren Kajemet] Filmveranstaltung Alfred Neumann-Abend mit Vortrag und Theater Gründungsfeier [10 Jahre] Chanukka-Markt Chanukka-Feier

Vortrag Vortragzyklus [WAB] Generalversammlung Vortrag Musikveranstaltung Vortragzyklus [WAB] Bunter Abend Goethe-Abend der Emigranten-Selbsthilfe Vortragszyklus [WAB] Geselliger Abend der Emigranten-Selbsthilf 2 Vorträge Musikveranstaltung Chanukka-Markt Chanukka-Feier

Vortragszyklus [WAB] Vortrag Generalversammlung Vortrag Musikveranstaltung

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288 

5 Anhang

22. April 27. April Herbst 5. Oktober 16. November 26. November 7. Dezember ??? Dezember 1951 18. Januar Frühjahr 15. Februar 3. April 15. Oktober Vortrag 20. November 9. Dezember 27. Dezember 1952 31. Januar Frühjahr 5. März

Kaberetvorstellung [sic] Frühlingskavalkade Vortragszyklus [WAB] Geselliger Abend der Emigrantenselbsthilfe Literarischer Abend Chanukka-Markt Chanukkah-Feier Theaterveranstaltung

Musikveranstaltung Vortragszyklus [WAB] Generalversammlung Vortrag Musikveranstaltung Geselliger Abend. Musikveranstaltung Chanukka-Markt Chanukka-Feier

3. April 9. Oktober 18. Dezember

Konzert WAB Generalversammlung Musikveranstaltung Beethoven-Abend Musikveranstaltung Chanukka-Veranstaltung

1953 8. Februar 12. Februar Frühjahr 23. April Herbst 8. Oktober

Musikveranstaltung [zus. Jugend-Alijah] Generalversammlung Vortragszyklus [WAB] Musikveranstaltung Vortragszyklus [WAB] Theaterveranstaltung

Veranstaltungskalender 

25. November 2. Dezember 1954 Frühjahr

Vortrag Chanukka-Feier

11. Februar 14. Februar 27. Februar 14. September ??? September 21. Dezember

Vortragszyklus [WAB] Vortragszyklus Generalversammlung mit Musikveranstaltung Musikveranstaltung Kinder- und Jugendalija Musikveranstaltung Vortrag Vortrag Chanukka-Feier

1955 6. Februar 10. Februar 13. Oktober 15. Dezember

Musikveranstaltung [Jugend- und Kinder-Alijah] Generalversammlung mit Vortrag Musikveranstaltung Chanukka-Feier

1956 12. Februar 23. Februar 21. September 29. November

Musikveranstaltung [Kinder- und Jugend-Alijah] Generalversammlung Vortrag Vortrag Chanukka-Feier

1957 21. Februar

Generalversammlung

1959 11. Februar

Generalversammlung mit Musikveranstaltung

1966 13. März

Generalversammlung

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290 

5 Anhang

1967 17. Dezember

Chanukka-Feier mit Musikveranstaltung

1968 17. März

Generalversammlung

1969 14. Dezember

Chanukka-Feier mit Musikveranstaltung

1970 24. Mai

Generalversammlung mit Musikveranstaltung

1973 27. März

Generalversammlung

Chanukka-Feier Eine besondere Note wurde alljährlich den Zusammenkünften anlässlich des Pessach- und Chanukkafestes gegeben. 11. Dezember 1939 Chanukka-Feier – Sitzungssaal der Mosaiska Församlingen [Ort, auch in den folgenden Jahren, wenn nicht anders angegeben] – Ernste und heitere Darbietungen – Tee – Eintritt frei [auch in den folgenden Jahren] 28/30. Dezember 1940 Chanukka-Feier 17. Dezember 1941 Chanukkah-Feier – Entzünden der Chanukkahlichte durch Oberkantor Rosenblüth. Musikalischer Teil – Ausführende Judiska Musiksällskapet – Chor: Zwei Freitagsabendegesänge. Solistin Gerda Marcus – Max Kowalski: Drei Gesänge. Leo Rosenblüth – F. Mendelssohn: Zweiter Satz aus dem Klavierkonzert No. 1 Hans Holewa – Leo Rosenblüth – Otto Nicolai: Finale aus dem 1. Akt der Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ – Frau Fluth: Trude Magnus – Frau Reich: Ruth Kasdan – Herr

Chanukka-Feier 

291

Fluth: Leo Rosenblüth – Dr. Cajus: Martin Rosenthal – Junker Spärlich: Norbert Wohlgemut Chor: Bürger und Bürgerfrauen. 5. Dezember 1942 Channukah-Feier – Oberkantor Leo Rosenblüth: Anzünden der Lichte – Advokat Pineas: Ansprache – Künstlerische Darbietungen: Mitwirkende: Maria Spilga (Gesang), Dr. Hans Eppstein (Klavier), Hermann Greid (Schauspieler) 21. Dezember 1943 Chanukkah-Feier, Birkagårdens samlingssal Entzünden der Chanukkahlichter durch Oberkantor Leo Rosenblüth Rabbiner Wolf S Jacobson (Kopenhagen): Ansprache – Konzert: Komponisten: Grieg – Bloch – Kirman-Duschkin – de Falla-Kreisler – Mitwirkende: Ernst Glaser, Konzertmeister beim Philharmonischen Orchester in Oslo (Violine), Kaari Aarvold Glaser (Klavier) 13. Dezember 1944 Chanukkah-Feier – Entzünde der Chanukkahlichte – Es wird frdl. gebeten, beim Entzünden der Chanukkahlichte die Kopfbedeckung aufzusetzen – Rabbiner Wolf S. Jacobson, Kopenhagen: Ansprache: Was sagen die Chanukkahlichte dem Emigranten? Künstlerische Darbietungen: Mitwirkende: Maria Spilga singt jüdische Lieder. Am Flügel Professor Leo Demant – Jura Tamkin liest „Chanukkalichlach“ und andere Erzählungen des Stockholmer jiddischen Schriftstellers 5. Dezember 1945 Chanukkah-Feier – Advokat Moritz Pineas: Ansprache – Geselliges Beisammensein am Teetisch mit buntem Programm und Überraschungen 18. Dezember 1946 Chanukkah-Feier – Jan Bornstein entzündet die Chanukkah-Lichte – Moritz Pineas: Ansprache – Mitwirkende: Kinder der jüdischen Religionsschule 10. Dezember 1947 Chanukka-Feier – Jan Bornstein – Anzünden der Lichte – Professor Hugo Bergmann: Ansprache – Gemütliche Teestunde. Für heitere Unterhaltung sorgt Herr Kurt Bolz – Beim Entzünden der Chanukkalichte bitten wir die Kopfbedeckung aufzusetzen.

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5 Anhang

30. Dezember 1948 Chanukkah-Feier – Oberrabbiner Dr. Kurt Wilhelm: Ansprache – Gemütliche Teestunde: Thomas Birth auf der Durchreise in Schweden singt Volkslieder zur Guitarre. 21. Dezember 1949 Chanukka-Feier – Rabbiner Emil Kronheim: Ansprache – Geselliges Beisammensein am Teetisch – Frl. Ingrid Jacob wird uns mit Chansons erfreuen. Am Flügel Elsa Tarschys 7. Dezember 1950 Chanukkah-Veranstaltung – Oberrabbiner Dr. Kurt Wilhelm: Ansprache – Gastspiel des Zauberkünstlers Sir Henry. Master of Magic. 27. Dezember 1951 Chanukkah-Feier – Rabbiner Emil Kronheim: Ansprache – Las Guitarras. Eine musikalische Reise durch die ganze Welt 18. Dezember 1952 Chanukka-Feier – Oberrabbiner Dr. Kurt Wilhelm: Ansprache – Auf vielseitigen Wunsch. Gastspiel: Las Guitarras. 2. Dezember 1953 Chanukka-Feier – Rabbiner Emil Kronheim: Ansprache – Auf vielseitigen Wunsch. Gastspiel: Las Guitarras. 27. Dezember 1953 Chanukkah-Feier – Rabbiner Emil Kronheim: Ansprache – Auf vielseitigen Wunsch: Las Guitarras 21. Dezember 1954 Chanukka-Feier – Oberrabiner Dr. Kurt Wilhelm: Ansprache – Musikalische Unterhaltung 1955 Chanukka-Feier – Rabbiner Emil Kronheim: Ansprache 1956 Chanukka-Feier – Johnny Lachmann: Anzünden der Lichter – Oberrabbiner Dr. Kurt Wilhelm: Ansprache – Geselliges Beisammensein am Teetisch

Purim-Feier



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1967 Rabbiner Emil Kronheim: Ansprache – Musikalische Unterhaltung: Violinistin Lotte Bial und Ensemble – Geselliges Beisammensein am Teetisch 1969 Rabbiner Emil Kronheim: Ansprache – Musikalische Unterhaltung – Geselliges Beisammensein am Teetisch (es gibt auch Kaffee) – Kleine Chanukka-Geschenke Wir haben dieses Jahr auch eine Anzahl neu angekommener Emigranten [aus Polen] zu dieser Veranstaltung eingeladen und hoffen auf besonders zahlreiches Erscheinen unserer Mitglieder, auch mit jüngeren Angehörigen, um Kontakt aufzunehmen.

Purim-Feier 1941 13/18. März Purim-Revue – Mitwirkende: Frau Lola Abicht + Frau Olga Demetriescu – Herr Maxim Stempel – Herr Walter Taub. In den Klubräumen Klippgatan 19 Eintrittskarten 25 Öre. 1942 10/11. März Purim-Revue – Robert Peiper: Alles schon einmal dagewesen. Darum diesmal etwas Neues. – Regie: Hermann Greid – Am Flügel: Hans Holewa – Ahasverus: Bebbe – Ester: Dorrit – Haman: Alfred – Frau Haman: Camilla – Ihre Schwester: Susi – Fräulein Gollia: Irene – Mordechai: Robert – Hatschach: Artur – Immerda + Sitar + Dr. Spiegel: Martin – Auch dabei + Karsena: Heinz – Page: Alf – Musikanten: Heinz und Hai – Sessionssaal. Mosaiska Församlingen – 1. und 2. Reihe: 4 Kronen – 3. und 4. Reihe: 3 Kronen – 5. und 6. Reihe: 2 Kronen 7.-10. Reihe: 1 Krone – 11.-16. Reihe 50 Öre 1943 21. März Purim-Feier – Mit Unterhaltungsprogramm an der Teetafel – Conférence von Jura Tamkin – Es wird gebeten, einen Teelöffel Tee mitzubringen und sich mit Zucker zu versehen.

294 

5 Anhang

Telephonische Vorbestellungen für Eintrittskarten. An der Abendkasse nur Abholung der vorbestellten Eintrittskarten – Lokal: Sessionssaal. Mosaiska Församlingen Eintrittspreis 25 Öre. 1944 9. März Purim-Feier – Opernsängerin Margot Stahl – Fragesport unter Leitung von Jura Tamkin – Lokal: Sessionssaal. Mosaiska Församlingen – Eintrittspreis 25 Öre. 1945 28. Februar Purim-Feier – Ansprache: M. Pineas – Opernsänge Franz Rabinowitz: Lieder und Opernarien – Am Flügel: Leo Demant – Teepause – Fritz Berger, der bekannte Wiener Chansonier. Am Flügel: Leo Demant – Es wird höflich gebeten, einen Teelöffel Tee mitzubringen und sich mit Zucker zu versehen – Lokal: Sessionssaal. Mosaiska Församlingen – Eintrittspreis 25 Öre.

Filmveranstaltungen 1942 26. September The great dictator – Regie und Hauptdarsteller: Charlie Chaplin – 2–4 Vorstellungen Veranstalter: American Press Bureau – Lokal: Blå Salen, Västmannagatan 15. Freikirche. Eintrittspreis: 1,25 Kronen 11. Oktober Edge of Darkness – Regie: Lewis Milstone – Mit Errol Flynn und Ann Sheridan – 2– 4 Vorstellungen – Veranstalter: American Press Bureau – Lokal: Blå Salen, Västmannagatan 15. Freikirche – Eintrittspreis: 1,25 Kronen 21. November Min barndom – Ein Film nach der Autobiographie Maxim Gorki’s Meine Kindheit mit schwedischem Text – 2 Vorstellungen – Lokal: Blå Salen, Västmannagatan 15. Freikirche – Eintrittspreis: 1,25 Kronen 1944.

Theaterveranstaltungen und Theaterbeiträge 

295

20. Februar Pimpernell Smith – Mit Leslie Howard – 1 Vorstellung – Lokal: Läkarsällskapet, Klara Östra Kyrkogatan 10 – Eintrittspreis: 1,25 Kronen 21. Mai Silverfleet (Sabotage) – mit Ralph Richardson (Schwedischer Untertext) – 1 Vorstellung – Lokal: Blå Salen, Västmannagatan 15. Freikirche – Eintrittspreis: 1,25 Kronen 15. Oktober Den eviga melodin – Italienischer Film um Mozart. 22. Oktober Der Charkower Prozess – Ein dokumentarischer Film – Eintritt 90 Öre. 1946 19. April Där är vi hemma” (engl. Titel: The Great Promise) – Uraufführung für Schweden – mit schwedischem Text versehen Ende April EN SVENSK TIGER [Ein schwedischer Tiger/Ein Schwede schweigt] – Regie: Gustav Edgren – Mit: Edwin Adolphson und Margareta Fahlén sowie „die uns bekannten Schauspieler Werner Arpe, Robert Peiper, Hans Verder und Peter Winner“ – Nur stellenweise Deutsch gesprochen

Theaterveranstaltungen und Theaterbeiträge 1939 13/14. Februar Kulturafton till förmån för Emigranternas Självhjälp. [Kulturabend zu Gunsten von Emigranten-Selbsthilfe] – [Einladende] Emigranternas självhjälp; Judiska Klubben, Judiska Studentklubben; I. K. Makkabi; Zeire Misrachi – Föredrag: Redaktör Eric Landsberg: Lessing och Judarna – Theateraufführung: G. E. Lessing: Scen ur Nathan der Weise – G. E. Lessing: Die Juden – Stefan Zweig: Slutkör ur Jeremias – Musik: J. S. Bach – Mitwirkende: Joseph Ettlinger (Schauspieler) – Herta Fischer (Klavier) – Hermann Greid (künstlerischer Leiter, Schauspieler) – Camilla Hollander (Schauspielerin) – Gabriel Lehmann (Schauspieler) – Manfred Lehman (Schauspieler) – Alfred Tarschis (Schauspieler) – Dorit Tarschis (Schauspielerin) – Curt Trepte (Schau-

296 

5 Anhang

spieler) – Medlemmar i den judiska ungdomsföreningen Zeire Misrachi – Konserthusets Lilla sal. [Kleiner Saal des Konzerthauses] 1941 13/18. März Purim-Revue 1942 10/11. März Purim-Revue 1943 4/5. März Theateraufführung – Stefan Zweig: Die Flucht zu Gott. Drei Szenen über Leo Tolstois Flucht und Tod – Einleitende Worte: Maxim Stempel – Regie und Scenenbild [sic]: Curt Trepte – Musik: J. I. Tschaikowsky – Mitwirkende: Nils Henrik Ahmeen (Schauspieler) – Herman [sic] Greid (Schauspieler) – Hans Lindström (Schauspieler) – Segol Mann (Schauspieler) – Olga Raphael (Schauspielerin) – Gun Robertson (Schauspielerin) – Maxim Stempel (Pianist) – Alfred Tarschis (Schauspieler) – Curt Trepte (Regisseur, Schauspieler) – Peter Winner (Schauspieler) – Ort: Stockholms Borgarskola. Stora Hörsalen – Eintrittspreis: 4:-, 3.-, 2.- und 1,25 Kronen im öffentlichen Verkauf. Verbilligte Eintrittskarten für Emigranten 1.50 statt 2.- Kronen, 0,75 statt 1,25 Kronen 3/4/5. August 1943 Theateraufführung – Robert Peiper: „Varje dag är icke torsdag“ [Jeden Tag ist nicht Donnerstag] – Mitwirkende: Peter Winner (Regisseur] – Scala-Theater – Verbilligte Karten für Emigranten Kr. 1,40 statt 1,90, 1,70 statt 2,20, 2:00 statt 2:50 7/8. Oktober Theateraufführung [Freie Bühne] – Heinrich von Kleist: Der zerbrochene Krug. Mitwirkende: Werner Arpe (Schauspieler) – Harald Bernhardt (Schauspieler) – Herman Greid (Schauspieler) – Monika Schildt (Schauspielerin) – Curt Trepte (Regisseur) – Toni Weynert (Schauspielerin) – Peter Winner (Schauspieler) – Ort: Stockholms Borgarskola. Stora Hörsalen – Eintrittspreis: 1:50 bis 4:00 Kr, für Mitglieder der „E-S“ gegen Vorzeigen der Mitgliedskarte 0:50 Kr. Ermäßigung. 2/3. Dezember Die „Freie Bühne“ bittet um Aufnahme nachstehender Ankündigung – Arthur Schnitzler-Abend – „Literatur“. Lustspiel in einem Akt – „Der grüne Kakadu“. Eine

Theaterveranstaltungen und Theaterbeiträge



297

Episode aus der französischen Revolution – Mitwirkende: Werner Arpe (Schauspieler) – Harald Bernhardt (Schauspieler) – Carl Cramer (Schauspieler) – Herman Greid (Schauspieler) – Margareta Högfors (Schauspielerin) – Ingrid Luterkort (Schauspielerin) – Robert Peiper (Schauspieler) – Monika Schildt (Schauspielerin) – Georg Skarstedt (Schauspieler) – Curt Stein (Schauspieler) – Curt Trepte (Schauspieler) – Fränzi Üher (Schauspielerin) – Hanna Vogl (Schauspieler) – Folke Walder (Schauspieler) – Peter Winner (Regisseur) – Ort: Stockholms Borgarskola. Stora Hörsalen – Eintrittspreis: 1:50 bis 4:50 Kr, Mitglieder der „E-S“ erhalten im Vorverkauf auf allen Plätzen eine Ermäßigung von Kr. 0:50 Kr. 1944 5./6. Oktober „Der Freie Deutsche Kulturbund“ bringt am Donnerstag, d. 5. Oktober, Freitag 6. Oktober im grossen Saal der Borgarskola, Kungstensgata 2 die Urpremiäre [sic] der Freien Bühne „Die andere Seite“. Zeitstück in 5 Akten von Hans Dierk [i. e. Hermann Greid] – Regie: Hermann Greid. Bühnenbild Karl Helbig. – Ort: Stockholms Borgarskola. Stora Hörsalen. Preise der Plätze: Kr: 4:50, 3:50, 2:50 und 2:00 – Mitglieder der „E-S“ erhalten an der Abendkasse gegen Vorzeigung der Mitgliedskarte auf alle Plätze [sic] 50 Öre Ermäßigung 1948 28. September Anlässlich des Besuches von Alfred Neumann in Schweden und im Rahmen eines Alfred Neumann-Abend – Die Freie Bühne spielt Szenen aus Alfred Neumanns Drama „Der Patriot“ – Mitwirkende: Robert Peiper – Hans Verder – Peter Winner 4. November Theateraufführung anlässlich der Feier zum zehnjährigen Bestehen – Arthur Schnitzler: „Episode“. Lustspiel in 1 Akt von Arthur Schnitzler – Mitwirkende: Evy Everth – Robert Peiper – Peter Winner März 1949 Zu der Aufführung „Der Weibsteufel“ Schauspiel in 5 Akten von Karl Schönherr am Mittwoch, dem 6. April d. J. 20 Uhr, Medborgarhuset, Stora Salen, sind uns Eintrittskarten zu ermäßigten Preisen zur Verfügung gestellt worden – Mitwirkende: Der Mann … Robert Peiper – Die Frau … Irène Roland – Der Grenzjäger … Stig Roland vom Stadttheater Norrköping

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5 Anhang

Musikabende, Konzerte, Musik-Veranstaltungen 1939 17/18. April Konzertabend – Komponisten: J. S. Bach – L. van Beethoven – Cl. Debussy – E. Dohnany – H. Holewa – G. Mahler – W. A. Mozart – O. Respighi – Mitwirkende: Trude Adler (Gesang) – Jenny Cohen (Gesang) – Hede Köller (Gesang) – Maria Spilga (Alt)– Julius Tarschis (Bariton) – Lilli und Hans Eppstein (Klavier) – Herta Fischer (Klavier) – Hans Holewa (Klavier) – Walter Stein (Bratsche) – Johannes Velden (Violine) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintrittskarten 2:75, 1:65, 1:10, 0.55 – [Vor 350 Hörern] [Mai] 1939 Übungsstunde des Chores unter Leitung von H. Holewa Donnerstag 20.30 Uhr in den Schulräumen der Jüd. Gemeinde. Neue Teilnehmer willkommen. 1940 22. Januar Konzertabend – Konsert på två flyglar – Komponisten: J. Brahms – F. Chopin – C. Debussy – I. Strawinsky – Mitwirkende: Hans Holewa – Alfred Klein – Victoriasalen [Grosser Saal mit ca. 350 Plätzen, Eigentum der Absolutisten-Organisation Godtemplarorden] – Eintrittskarten: 2:20, 1:65, 1:10, 0:55 Kronen 7. November Musikabend – Mitwirkende: Olga Ekman Demetriescu (Gesang) – Professor Ernst Wasservogel (Klavier) – Am Teetisch: Zwei Vorträge von Dr. Ittmann und Taub Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintritt: 0:30 Kr 1941 15. Februar Musik- und Rezitationsabend – Komponisten: L. van Beethoven – J. Brahms – A. Veracini Schriftsteller: Jaroslav Hašek – Heinrich Heine – Christian Morgenstern – Mitwirkende: Dr. Hans Eppstein (Klavier) – Dr. Felix Printz (Violine) – Walter Taub: (Rezitation) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde. – Eintritt: 25 Öre

Musikabende, Konzerte, Musik-Veranstaltungen



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16. April Musikabend – Komponisten: H. Holewa – W. A. Mozart – A. Nicolai – J. Offenbach – F. Schubert – G. Verdi – Mitwirkende: – Ruth Kasdan (Gesang) – Trude Magnus (Gesang) – Alfred Rimberg (Gesang) – Oberkantor Leo Rosenblüth (Gesang) – Dr. Hans Eppstein (Klavier) – Hans Holewa (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintritt: 25 Öre 1942 24/25. März Mozart-Abend, u. a. mit: Einführung: Maxim Stempel – Aufführung: Mozart und Salieri. Tragödie von A. Puschkin – Mitwirkende: Cederholm (Schauspieler) – Curt Trepte (Schauspieler) – Peter Winner (Schauspieler) – Erich Adler (Gesang) – Trude Magnus (Gesang) – Ida Porres (Gesang) – Alfred Rimberg (Gesang) – Leo Rosenblüth (Gesang) – Josef Grünfarb (Klavier) – Hans Holewa (Klavier) – Alfred Klein (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintrittskarten zu Kr. 5:00 1. und 2. Reihe, 3. und 4. Reihe Kr 2:00, 5. und 6. Reihe Kr. 2:00, 7.-14. Reihe 0:50 Krone 14. November Kammermusikabend – Einführung: Maxim Stempel – Komponisten: J. Brahms – F. Schubert – M. Stempel – N. Otteryd – Mitwirkende: Lillemor Ahlmann (Gesang) – Nils Otteryd (Klarinette) – Alfred Klein (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde Eintritt: Reihe 1–5, Kr 1:00, Reihe 6–16, Kr. 0:25 1943 17. Januar Fest in Blå Hallen (Stadshuset Stockholm – Ertrag für Juden in Polen – Veranstaltet von Judisk Musiksällskap mit Judiska Klubben, Judiska Kvinnoklubben, Rodef Chassid, Wizo und Zionistföreningen – Eintrittskarten zu Kr. 5:–, Kr. 3:–, Kr. 2:– 17. April Kammermusikabend – Komponisten: J. Brahms – G. F. Händel – W. A. Mozart – F. Schubert – Mitwirkende: Dagny Lagerwall (Gesang) – Dr. Hans Eppstein (Klavier) – Dr. Felix Printz (Bratsche) – Erhard Skog (Violine) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintritt: 25 Öre 19. Mai Musikabend – Mitwirkende: Trude Magnus (Gesang) – Hans Holewa (Klavier) – Alfred Rimberg (Gesang) – Professor Ernst Wasservogel (Klavier) – Sessionssaal der

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Jüdischen Gemeinde – [Während der Teetafel wird der Tätigkeitsbericht für 1942 gegeben] 13. November Wohltätigkeitsveranstaltung zum Besten der Flüchtlinge aus Dänemark – HeineAbend – Einführende Worte: Walter Lindenthal – Komponisten: J. Brahms – R. Franz – F. Mendelson [sic] – F. Schubert – R. Schumann – Mitwirkende: Hans Holewa (Flügel) – Johannes Norrby (Gesang) – Iwa Voghera (Gesang) – Aula der Norra Kommunala Mellanskola – Eintrittskarte an der Abendkasse Kr. 1:50, im Vorverkauf Kr. 0:50 1944 1. April Mozartabend – Vortrag: Dr. Alfred Peyser: Das Märchen von der Weltfreimaurerei und vom Weltjudentum – Mitwirkende: Alfred Klein (Klavier) – Alfred Rimberg (Gesang) – Maria Ribbing (Gesang) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 1945 27. Januar Künstlerischer Abend – Programm: Komponisten: J. S. Bach – G. F. Händel – Chr. W. Gluck – Rezitation: Heinrich Heine – Negro Spirit Einführende Worte: Maxim Stempel – Mitwirkende: Olga Demetriescu (Gesang) – Maxim Stempel (Flügel) – Maxim Swertlin (Rezitation) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 23. Mai Musikalischer Abend – Komponisten: Al. Alabieff – K. Backe – E. Grieg – L. Gröndahl – J. Haydn – A. Järnfelt – O. Merikanto – G. Nordqvist – F. Schubert – R. Schumann – J. Sibelius – B. Smetana – W. Stenhammar – Mitwirkende: Ingrid Magnusson (Gesang) – Alfred Klein (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 26. September Künstlerischer Abend – Programm: Rezitation: Jüdisches Schicksal. Gedichte von Nelly Sachs – Komponisten: J. Achron – E. Lalo – P. I. Tschaikowsky – H. Wieniawski – Mitwirkende: H. Greid (Rezitation) – H. Holewa (Flügel) – I. Speiser (Violine) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Ausgabe der vorbestellten Karten zu 30 Öre und Kr. 1:00 für Nichtmitglieder nur am Saaleingang.

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1946 4. April Kulturveranstaltung – Vortrag: Walter A. Berendsohn: „Acht Jahre Palästina“. Aus den Briefen eines jungen Mädchens – Komponisten: G. Bizet – J. Brahms – A. Dvorak – G. Verdi – Mitwirkende: Walter A. Berendsohn (Vortrag) – Hans Holewa (Klavier) – Margot Stahl (Gesang) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 22. Oktober Komponisten: J. Achron – A. Corelli – W. A. Mozart – C. Saint-Saens – H. Wieniawski – Mitwirkende: Gertrud Rosengart (Flügel) – Ignace Speyer (Violine) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 1947 16. Januar Vortrag: Dr. Hans Lehmann: „Judentum in Ost und West“ – Komponisten: J. F. Halevy – F. Mendelssohn – W. A. Mozart – P. J. Tschaikowsky – Mitwirkende: Kantor Idy Bornstein (Gesang) – Professor Ernst Wasservogel (Flügel) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 13. März Opernarien-Abend – Komponisten: G. Bizet – G. F. Händel – L. Leo – R. Leoncavallo – B. Marcello – P. Mascagni – G. Puccini – C. Saint-Saens – G. Verdi – Mitwirkende: Hervor Bertrand-Goldstein (Gesang) – Leo Rosenblüth (Gesang) – Rosa Rosenblüth (Flügel) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 2. Oktober Mozart Abend – Mitwirkende: Sári Domány-Bergestam (Gesang) – Lotte Bial (Violine) – Gertrud Rosengart (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 1948: 6. April Bunter Abend der Emigranten-Selbsthilfe: „Vorwiegend heiter“ – Komponisten: W. A. Mozart – F. Schubert – Schriftsteller: Karl Capek – Friedrich Karinthy – Anton Kuh – Mitwirkende: Willi Alexander (Flügel) – Vera Salvotti [-Ström] (Gesang) – Ernst Wasservogel (Flügel) – Robert Peiper (Schauspieler) – Sir Henry (Zauberkünstler)

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1949 17. März Opern-Arien und Ensembles – Komponisten: G. Bizet – A. Lortzing– F. Flotow – O. Nicolai – J. Offenbach– G. Verdi – Mitwirkende: Sáry-Domány-Bergestam (Gesang) – Hans Holewa (Flügel) – Leo Rosenblüth (Gesang) – Margot Stahl (Gesang) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 13. Oktober Geselliger Abend der Emigrantenselbsthilfe – Komponisten: L. v. Beethoven – F. Chopin – G. Sammardini – Mitwirkende: Ernst Mannheimer (Klavier) – Iréne Mannheimer (Klavier) – Karin Mannheimer (Klavier) – Edith Wiener (Cello) – Renate Wiener (Cello) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 10. November Opernarien und Ensembles unter Leitung von Hans Holewa – Komponisten: Auber, Flotow, Gounod, Gluck, Mozart, Offenbach, Puccini, Saint-Saens, [J.]Strauss, Verdi – Mitwirkende: Sári Dománi-Bergestam (Gesang), Margot Stahl (Gesang), Leo Rosenblüth (Gesang) – Hans Holewa (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – An der Abendkasse nur Ausgabe der vorbestellten Karten zu 50 Öre an Mitglieder und Kr. 1:00 an Nichtmitglieder. 1950 17. März Konzert Komponisten: AS. Arenski – A. Corelli – A. Falcenieri – B. Marcello – M. Moskowski – G. Pergolesi – I. Pizetti – R. Schumann – R. Strauss – Mitwirkende: Professor Abrem Kinkulkin (Violoncello) – Jolande di Marie Petris (Gesang) – Kapellmeister Olav Roots (Flügel) – Ausgabe der vorbestellten Karten zu 30 Öre und Kr. 1:00 für Nichtmitglieder nur am Saaleingang. 27. April Frühlingskavalkade – Komponisten: C. Debussy – L. Gröndahl – J. Erikssen – E. Grieg – F. Kreisler – F. Mendelssohn – M. Moszkowski – G. Nordqvist – F. Schubert – Ch. Sinding – J. Strauss/A. Grünfeld – Mitwirkende: Eleonora Collin (Gesang) – Professor Ernst Wasservogel (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 5. Oktober Geselliger Abend der Emigrantenselbsthilfe – Plauderei: Peter Winner: Eine halbe Stunde Durcheinander – Komponisten: M. Bruch – A. Kinkulin – J. Haydn – Mitwir-

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kende: Professor Abram Kinkulin (Violoncello) – Kapellmeister Hans Holewa (Klavier) – Peter Winner (Schauspieler) 1951 18. Januar Musikalischer Abend – Komponisten: L. v. Beethoven – J. Brahms – R. Schumann – C. M. v. Weber – Mitwirkende: Eva Chiari (Gesang) – Frank Klinger (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 3. April Konzert – Komponisten: F. Chopin– C. Debussy – R. Schumann – G. Verdi – Mitwirkende: Jolanda di Maria Petris (Gesang) – Olav Roots (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 20. November Verdi-Abend zum Gedenken an den 50. Todestag von Guiseppe Verdi – Mitwirkende: Rolanda di Maria Petri (Gesang) – Leo Rosenblüth (Gesang) – Rosa Rosenblüth (Flügel) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 1952 31. Januar – Konzert – Komponisten: F. Schubert – R. Schumann – Mitwirkende: Ann Sofi Rosenberg (Gesang) – Wilhelm Freund (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 3. April Beethoven-Abend – Mitwirkende: Bruno Eichenholtz (Violine) – Antonio Milner (Klavier) – Margot Stahl (Gesang) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 9. Oktober Konzert – Komponisten: J. Brahms – C. Debussy – R. Schumann – Mitwirkende: Kapellmeister Wilhelm Freund (Klavier) – Thore Jansson (Klarinette) – Konzertmeister Gunnar Norrby (Cello) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 1953 8. Februar Synagogenkonzert zu Gunsten der Jugend-Alijah – Mitwirkende: Josef Grünfarb (Violine) – Arne Ohlsson (Gesang) – Eva Prytz (Gesang) – Leo Rosenblüth (Gesang) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde

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23. April Konzert – Komponisten: J. Brahm – F. Schubert – R. Schumann – Mitwirkende: Konzertsängerin Eleonora Collin (Gesang) – Dr. Hans Eppstein (Klavier) – W. Freund (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 1954 11. Februar Konzert auf der Generalversammlung – Komponisten: Max Bruch (Kol Nidre) + Felix Mendelssohn-Bartholdy – Mitwirkende: Manci Sándor (Violine) – Béla Beer (Cello) – Elsa Tarschys (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 27. Februar Konzert – Komponisten: J. Brahms – F. Schubert – R. Strauss – Hugo Wolff – Mitwirkende: Mr. John Carlson (Gesang) – Ann-Sofi Rosenberg-Gelli (Gesang) – W. Freud (Klavier) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 1955 6. Februar Hinweis auf Konzert „zum Besten der Kinder- und Jugend-Alija“ – Mitwirkende: Käbi Laretei (Klavier) – Kerstin Meyer (Gesang) – Folke Nilsson (Flügel) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 13. Oktober Konzert – Komponisten: F. Lehar – W. A. Mozart – Johann Strauss – G. Verdi – Mitwirkende: Sary Domány-Bergestam (Gesang) – Rosa Rosenblüth (Flügel) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde 1956 12. Februar Hinweis auf Konzert „zu Gunsten der Kinder- und Jugend-Alija“ – Ansprache: Gertrude Philipson – Mitwirkende: Hofsänger Sigurd Björling (Gesang) – Kapellmeister Bertil Bokstedt – Irene Mannheimer (Klavier) – Schauspielerin Maj-Britt Nilsson – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde

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Vorträge, Berichte und Diskussionsabende 1939 11. Januar Redakteur Landsberg – Ich bin ein deutscher Dichter. Eine Heineskizze – Begleitprogramm: Regisseur Greid (Rezitation) – Opernsänger Dr. Barczinski (Oberkantor Tarschis (Gesang) – Kapellmeister Holewa (Klavier) – (zusammen mit dem Arbeitskreis jüdischer Flüchtlinge) – Klublokal: Klippgatan 19 – Eintritt frei 31. Januar Oberrabbiner Professor Marcus Ehrenpreis – Die Judenaustreibung aus Spanien 1492 – Lokal: Sessionssaal. Mosaiska Församlingen 25. Februar Prof. Dr. Ernst Cassirer – Kant und Rousseau – Lokal: Sessionssaal. Mosaiska Församlingen – Eintritt frei 16. März Verband Deutscher Lehrer-Emigranten, Ortsgruppe Stockholm – Dr. Schöps [sic] – Franz Kafka – ein jüdischer Dichter heutiger Zeit – Eine Diskussion anlässlich der Aufführung des Sprechchors aus Stephan [sic] Zweigs Jeremias. 26. März Dr. Paul Leser – Wissenschaft und Rassenlehre. (Mit Lichtbildern) – Lokal: Birkagården – Eintritt frei 1. April Professor Oskar Klein – Albert Einstein – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintritt frei 29. April Professor W. A. Berendsohn – Thomas und Heinrich Mann – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintritt frei 13. Mai R. Simonis – Jüdische Familienforschung – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintritt frei

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1. Juni Ari Wohlgemut (Realgymnasium in Riga) – Uriel Acosta und das Toleranzproblem im Judentum – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Eintritt 0:50 21. Oktober Rabbiner Dr. Emil Kronheim – Friedrich Nietzsche über Juden und Judentum – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde – Unkostenbeitrag 0:20 Öre 12. Dezember Dr. Eppstein – Jüdische Musiker. Vortrag von Werken von Mendelssohn und Mahler (zusammen mit dem Arbeitskreis jüdischer Flüchtlinge) ?? ?? Dr. Mautner: Die Juden in Italien. Geschichtlich-kultureller Überblick 1940 20. Januar Dr. Walter Lindenthal – Wiener jüdische Dichter – Sessionssaal der Mosaiska Församlingen – Eintrittskarte 0:20 Öre 6. Februar Advokat Ernst Baburger – Amerika als Ziel der jüdischen Auswanderung – Sessionssaal der Mosaiska Församlingen – Eintrittskarte 0:15 Öre 7. November (Musikabend) – Anschließend Teetisch mit Vorträgen von Dr. Ittmann und Taub. [Die Themen der Vorträge werden nicht genannt] – Sessionssaal der Mosaiska Församlingen – Eintrittskarte 0:30 Öre 21. November Dr. Richard Mautner – Dalmatien. Das Land, die Menschen, die Kunst – Sessionssaal der Mosaiska Församlingen – Unkostenbeitrag 0:15 Öre 12. Dezember Dozent Hugo Vallentin [sic; Valentin]: Die großen Katastrophen in der jüdischen Geschichte – Sessionssaal der Mosaiska Församlingen – Eintrittskarte 0:15 Öre 1941 23. Januar Advokat Ernst Baburger: Jüdische Zentren in Übersee (mit Ausnahme der Vereinigten Staaten) – Sessionssaal der Jüdischen Gemeinde

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14. Mai Professor Dr. August Gallinger: Reiseeindrücke in USA – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 5. November Advokat Ernst Baburger: Die Vereinigten Staaten, eine Schöpfung von Emigranten – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 9. Dezember Genealog [sic] Rudolf Simonis: Jüdische Mütter. Markante Frauengestalten. Kulturbilder aus drei Jahrhunderten – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1942 21. Februar Sanitätsrat Dr. Peyser – Wanderstab und Marschallstab in Israels Schicksal – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 14. April Professor Dr. August Gallinger: Abessinien, das Land der Salomonischen Dynastie. (Persönliche Reiseeindrücke) [mit Lichtbildern] – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 29. April Dr. Walter Lindenthal: Stefan Zweig – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 26. Mai: Lärov. Adjunkt Wulff Fürstenberg: Strindberg und die Juden – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:25 Öre 1943 23. Januar Norbert Masur: Die jüdische Wanderung und Palästina (Palästinensische Lieder: Kantor Hermann Blonder (Gesang) – Hans Holewa (Klavier) – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 6. April Einladung zur Veranstaltung – När fredens nya värld planeras. An „die Damen der „E-S“ [durch] Wizo in Stockholm – Kurze Referate werden von fil. mag. Sara Aser-

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noj, Camilla Hollander, Ella Masur, Elsa Meyring, Carla Pineas, Ragnhild Strimling und Eva Warburg gehalten – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Für Teilnahme an der Teetafel 0:15 Öre 8. April Redakteur V. Vinde: Aktuella synpunkter på USA – (Veranstaltet von Judiska Klubbens Seniorgrupp und Emigrantenselbsthilfe) – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintritt 0:25 Öre 15. September Dr. Wolfgang Steinitz – Die Juden in Osteuropa. Geschichte und Gegenwart (bis 1940) – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 18. November 18. November Zionistföreningen, Wizo, Zeire Misrachi – Dr. Marcus Melchior, Kopenhagen: Schicksalsschwere Jahre. Lesung Jura Tamkin auf Jiddisch: Scholem Alechem u. a. Fenix Palatset [Freikirchliches Gottesdienstlokal] – Eintritt: 1:00 Kr 1944 15. Februar Dr. Hans-Joachim Schoeps: Vom göttlichen Auftrag und geschichtlichen Schicksal des Volkes Israel – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:25 Öre 17. März Dr. Wilhelm Michaeli: Die rechtliche Stellung der Staatenlosen in Schweden – Sessionssaal der Mosaiska Församlingen Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:30 Öre 17. Mai Dr. Ernst Baburger: Die Grundlagen des deutschen Nationalismus – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:30 Öre 28. Oktober Dr. Wilhelm Michaeli: Die Rechtstellung der Ausländer im schwedischen Wirtschaftsleben. (mit Diskussion) – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre

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18. November Miss Margolies aus New York: Eine Reise um die Welt im Auftrag des Joint. – Bei dem großen Interesse, das diesem in deutscher Sprache gehaltenen Bericht über jüdische Flüchtlingszentren in den verschiedensten Ländern entgegengebracht wird, ist eine Vorbestellung unbedingt erforderlich – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1945 11. April Ilse und Dr. Heinz Gordon: Ein Streifzug mit der Farbenkamera [sic] durch Stockholm – Anschliessend Teetisch mit Mitbringsel. – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 6. Juni Herr Norbert Masur: Meine Verhandlungen mit Himmler; Herr Gilel Storch: Die Rettungsaktion für die europäischen Juden von Schweden aus. – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintritt frei 4. September Diskussion in Tagesfragen: Unsere Lage in der Welt – Lesung Jura Tamkin auf Jiddisch Einleiter [sic]: Advokat Ernst Baburger : Wiedergutmachung [sic]und Schadensersatz. Rechtliche und tatsächliche Staatenlosigkeit. Rück- und Weiterwanderung. – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:30 Öre 30. Oktober Franz Werfel-Abend – Dr. Otto Friedländer: Franz Werfel, der Mann und sein Werk. – Regisseur Adolf Schütz: Lesung aus Jacobowsky und der Oberst – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:30 Öre 17. Oktober 1945 Mitteilungen Nr. 5 der IDE – Emigranternas skyddsförening Tagesordnung u. a. Herr Dozent Dr. Hugo Valentin: Probleme der jüdischen Wanderung 1946 8. Januar Advokat Ragnar Gottfarb. Repräsentant [sic] des Joint für Schweden: Några intryck frånen resa till Hamburg och Berlin. – Dr. Wilhelm Michaeli berichtet über seine Reise in die Schweiz zum Studium der Flüchtlingsprobleme

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7. Februar Dr. Leo Löwenstein, Berlin, früher Vorsitzender des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, z. Z. Mitglied des Vorstandes der jüdischen Gemeinde zu Berlin: Erinnerung und Zukunftshoffnung eines mitteleuropäischen Juden – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:30 Öre 21. Februar 1946 Dr. Wilhelm Nasiell, eben aus Amerika zurückgekehrt, berichtet über Jüdisches Leben in New York. – Es ist darüber geklagt worden, dass von Besuchern unserer Veranstaltungen viele Plätze belegt werden. Wir wollen deshalb versuchen, durch Nummerierung der Plätze Abhilfe zu leisten. Die Nummerierungen der Eintrittskarten sind für die Platzbenutzung maßgebend – Sessionssaal der Mosaiska Församlingen – Eintrittskarte 0:15 Öre 16. Mai Fil. mag. Inga Gottfarb: På uppdrag i Tyskland – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre ?? Mai Wenn einer eine Reise tut … – Käte Kiwi, Ella Masur, Käte Sundström, Hans Reich plaudern über ihre Reisen nach Brüssel, New York, Paris, Amsterdam – Margot Stahl singt Lieder der Völker im Volkston – Hans Holewa am Flügel – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 14. November Direktor M. Pineas: Eindrücke von einer Reise nach Südafrika. – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1947 16. Januar Direktor Hans Lehmann: Judentum in Ost und West – Komponisten: J. F. Halevy, F. Mendelssohn, J. W. Mozart, P. I. Tschaikowsky – Mitwirkende: Ida Bornstein (Gesang), Professor Ernst Wasservogel (Klavier) – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 20. Februar Dr. Fritz Hollander: Kurzes Wiedersehen mit Deutschland – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre

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6. November 1947 Professor Hugo Bergmann: Als Palästina-Delegierter in Indien. Geselliges Beisammen beim Teetisch und Mitzubringen [sic] – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1948 20. Januar Heinrich Heine-Abend. Zur Erinnerung an seinen hundertfünfzigsten Geburtstag – Professor Walter Berendsohn: Das Wort als geistige Waffe – Lieder von Mendelssohn, Schubert, Schumann – Mitwirkende: Margot Stahl (Opernsängerin), Hans Holewa (Kapellmeister) ?? Februar Sanitätsrat Dr. Alfred Peyser: Naturwissenschaftliche Betrachtungen über jüdische Eigenart; Frau Berta Friedländer: Eindrücke von New York – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1. März Dr. Wilhelm Michaeli: Einleitung – Dr. Julius Hepner: Die Anmeldung von Forderungen gegen deutsche Schuldner gemäß der schwedischen Bekanntmachung vom 16. Januar 1948 – Advokat Ernst Baburger: Die Wiedergutmachungsgesetzgebung in Deutschland – Aussprache – [zusammen mit IDE und dem Repräsentanten des Deutschen Sozialdemokratischen Parteivorstands in Schweden] – Sessionssaal der Mosaiska Församling 9. März Dr. Otto Friedländer: Ist der Nazismus tot? – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 11. März Professor Hugo Bergmann: Israels religiöse Aufgabe in dieser Stunde 28. September Alfred Neumann-Abend – Professor Walter Berendsohn: Der Dichter und sein Werk – Vortrag Alfred Neumann: Dostojewski und die Fackel der Freiheit – Die Freie Bühne. Szenen aus Alfred Neumanns Drama Der Patriot – Mitwirkende: Robert Peiper – Hans Verder – Peter Winner – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1949

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20. Januar Lärov. adj. Wulff Fürstenberg: Strindberg und die Juden. Anlässlich des 100. Geburtstages – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 17. Februar Sanitätsrat Dr. Alfred Peyser: Alter und Altsein im Lichte moderner Forschung und Fürsorge 8. September Goethe-Feier – Professor Walter Berendsohn: Goethe – Szenen, Gedichte; Vertonungen: Robert Schubert – Mitwirkende: Paula E. Fischer (Schauspielerin), Peter Winner Schauspieler), Walter Freund (Kapellmeister), Maria Spilga (Konzertsängerin) – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Teekarten 0.50 Öre 13. Oktober Edith Wiener: Unsere Ferienreise nach Israel. Von Stockholm über Marseille mit dem Einwandererschiff nach Haifa. – Renate Wiener: Aufenthalt in Israel. 1950 26. Januar Dr. Viktor Kafka: Nervös, neurotisch, gesund? – [Angekündigt als: Gemeinverständlicher Vortrag] – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 16. Februar Redakteur Erwin Löwe: Über das Buch Mitt livets saldo [Das Saldo meines Lebens] von Josef Sachs, dem Gründer von NK [Nordiska Kompaniet] – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 16. November Literarischer Abend – Fil. mag. Herbert Friedländer : Einleitende Worte – Lesung: Der Schriftsteller Jascha Golawanjuk liest aus eigenen Werken – Sessionssaal der Mosaiska Församling –Eintrittskarte 0:15 Öre 1951 15. Februar Dr. Kurt Wilhelm: Jüdischer Humor

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15. Oktober Geselliger Abend und Plauderei am Teetisch von Architekt Siegfried Pawel: Ein Architekt erlebt Israel – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1953 25. November Dr. Wilhelm Michaeli: Das Bundesentschädigungsgesetz und seine Bedeutung Sessionssaal der Mosaiska Församling 1954 14. September Walter Berendsohn, der am 10. September seinen 70. Geburtstag erlebt: Lion Feuchtwanger 70 Jahre – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1955 10. Februar Dr. Hellmut Citron Das neue schwedische Krankenkassengesetz und seine Anwendung – Sessionssaal der Mosaiska Församling – Eintrittskarte 0:15 Öre 1956 23. Februar Emil Kronheim: Heinrich Heine. Sein Leben und seine jüdische Dichtung – Sessionssaal der Mosaiska Församling 21. September Fil. kand Renate Schäffer Mit der Kamera kreuz und quer durch die USA.

6 Quellen- und Literaturverzeichnis 6.1 Ungedruckte Quellen Archiv der Akademie der Künste (Berlin) Rep 017 – Curt Trepte Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Berlin) (folgend ABBAW: NL Steinitz) Bundesarchiv BArch (Berlin) SAPMO – Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Berlin) (BStU) Central Zionist Archives, Jerusalem World Jewish Congress, Swedish section C4 Vol.: 402 Liste Mitglieder und Förderer der Emigranten-Selbsthilfe, Mai 1945 Archives of The American Jewish Joint Distribution Committee, Inc. NY55-64_CR_037_0797 Protokoll 1955: Protokoll der Landeskonferenz des Verbandes Jüdischer Nazi-Opfer in Schweden, welche am 27. Marz 1955 im Waffensaal des Grand Hotels in Stockholm stattgefunden hat. https://archives.jdc.org/our-collections/ MUST-arkivet (Stockholm) (Försvarsmakten. Högkvarteret. Militära underrättelse- och säkerhetstjänsten) Försvarsstaben. Säkerhetsavdelningen. (MUST) Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes PAAA Ausbürgerungsakten (PAAA) Riksarkivet (Stockholm) RA RA, Säpo RA, Allmänna säkerhetstjänsten RA, Statens utlänningskommissionen SUK, RA, SUK, hemliga arkivet = SUK, Geheimarchiv RA, Auswärtiges Amt m. fl. Kopior

https://doi.org/10.1515/9783110729511-006

6.1 Ungedruckte Quellen 

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Sammlungen Sammlung Friedländer, KB Herbert Friedländers Sammlung. Handskriftssamlingen – Kungliga biblioteket (Stockholm) SE S-HS Acc1981/55 Sammlung Hollander, RA Hollanderbolagen Allmän Korrespondens 1938–1944, Riksarkivet (Stockholm) 4 Bände, alphabetisch geordnet (E 1 a:1-4) Sammlung Jacobowsky, UUB. Carl Vilhelm Jacobowskys Judaicasammlung, Uppsala Universitätsbibliothek Bestand: Emigranternas självhjälp (Stockholm) 1938–1957 etwa 260 lose Blätter und Broschüren (2 Umschläge in 1 Kapsel) Sammlung Kahn Kopien, von Svante Hansson (Paris) dankenswerter Weise den Autoren zur Verfügung gestellt. Sammlung Müssener Arbetarrörelsens arkiv och bibliotek, ARAB (Stockholm) Sammlung Tegen Kopiensammlung von Einar Tegen Einar Tegens efterlämnade papper, Uppsala Universitätsbibliothek Sammlung Scholz/Steinitz (Visby) Private Sammlung zum Exil in Schweden; enthält u. a. Originalmaterial von Jan Peters; Kopien von Renate Steinitz Sammlung Steinitz Siehe Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Berlin) (ABBAW: NL Steinitz) Sammlung Hugo Valentin (Privat: Viveka Hellström, Stockholm) Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945 https://gedenkbuch.muenchen.de/ Deutsch-russisches wissenschaftliches Projekt zur Digitalisierung der in Russland aufbewahrten deutschen Dokumente germandocsinrussia https://germandocsinrussia.org/de/ Judisk Krönika https://www.nli.org.il/en/discover/newspapers Sonderfahndungsliste G. B., M92. https://de.wikipedia.org/wiki/Sonderfahndungsliste_G.B..

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6 Quellen- und Literaturverzeichnis

Stolpersteine in Hamburg https://www.stolpersteine-hamburg.de/ Das Virtuelle Zentrum der verfolgten Künste zur Förderung demokratischer Kultur www.exil-archiv.de Wikipedia https://sv.wikipedia.org/wiki/Portal:Huvudsida https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite https://en.wikipedia.org/wiki/Main_Page

Interviews Ernst Baburger, 5.4.1968; 25.4.1968 (Jan Peters) Walter A. Berendsohn, 3.9.1968 (Jan Peters) Jenny Cohen, 5.3.1971 (Jan Peters) Hertha Fischer, 8.8.1968 (Jan Peters) Herman Greid, 16.4.1968 (Jan Peters) Gillis Hammar, 22.4.1969 (Jan Peters) Camilla Hollander, 13.5.2000 (Michael F. Scholz) Ernst Hollander, mehrfach 2000–2023 (Michael F. Scholz) Fritz Hollander, 16.5.1994; 11.5.2000 (Michael F. Scholz) Per Hollander, 20.1.2015 (Michael F. Scholz) Herbert und Liesel Kahn, 23.2.2001 (Svante Hansson). Karl Mewis, 2.4.1971; 28.4.1971 (Jan Peters) Hans-Jürgen Peters („Vater“), 12.8.1970 (Jan Peters) Inge Steinitz, 6.5.1979 (Hans Bunge) Inge Steinitz n. d. (Jan Peters) Renate Steinitz, mehrfach 2000–2015 (Michael F. Scholz) Wolfgang Steinitz („Wogga“), 1962/1966 (Jan Peters) Die Gesprächsprotokolle von Jan Peters befinden sich in der Sammlung Scholz/Steinitz, Visby.

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324 

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7 Personenregister Für einige Personen, die im Folgenden genannt werden, konnten Geburts- und/oder Todesdaten nicht festgestellt werden. Alabieff (Aljabejew), Alexander (1787–1851) 171, 300 Abicht, Lola 156, 293 Abusch, Alexander (1902–1982) 244 f. Adler, Erich (1905–1985) 36–39, 43, 45, 57, 62, 69, 209, 299 Adler, Rut (1888–1969) 254, 257 Ahmeen, Nils Henrik 159, 296 Alechem, Scholem (1859–1916) 94, 308 Andersen-Nexö, Martin (1869–1954) 60, 184 „Annette“ – siehe Lannby, Karin Arnheim, Franz (1909–1971) 41, 64, 180 Arpe, Werner (1902–1979) 164, 295–297 Aschberg, Berta (1883–1968) 38 Aschberg, Olof (1877–1960) 38 Auber, Daniel (1782–1871) 170, 302 Aulin-Voghera, Iwa (1900–1984) 168, 300 Baburger, Ernst (1902–1981) 35 f., 42–44, 46, 48, 57, 66, 69 f., 82, 98, 117, 122 f., 140, 142, 144–146, 174 f., 180, 183, 186 f., 209, 230 f., 236 f., 241, 248 f., 251, 254 f., 267, 271, 306 f., 309, 311, 317 Bab, Leo (1904–1981) 12, 33, 42 Bach, Johann Sebastian (1685–1750) 49, 54, 168, 171, 296, 298, 300 Backer-Gröndahl, Agathe (1847–1907) 171 Barczinski, Leo (1893–1939) 42, 305 Baruch, Hans (* 1913) 112 Baruch, Jenny (1909–1993) 112 Becher, Johannes R. (1891–1958) 235 Beethoven, Ludvig van (1770–1827) 54, 56, 164, 166, 171, 223, 288, 298, 302 f., Behm, Ernst (1902–1990) 21 Benedikt, Ernst (1882–1973) 68 Benner, Fritz 227 Benzian, John (1890–1962) 180, 269 Benzian, Sylvia 69, 109 Berendsohn, Walter A. (1884–1984) 27 f., 40, 54 f., 60–62, 152, 173, 180–186, 196 f., 203 f.,

https://doi.org/10.1515/9783110729511-007

207 f., 221–224, 227, 232–234, 242–244, 246–248, 254–256, 301, 306, 311–313, 317 Berger, Fritz 158, 294 Bergmann, Hugo (1883–1975) 154, 174, 181, 287, 292, 311 f. Berliner, Siegfried (1908–1969) 22 Bermann-Fischer, Gottfried (1897–1995) 49, 60, 170, 258 Beskow, Elisabeth (1874–1901) 90 Beskow, Natanael (1865–1953) 4, 8, 218 Bendixon Stig (* 1888) 4–6, 8, 33, 67, 196, 201, 210, 212, 215, 236, 257, 259 Bizet Georges (1838–1875) 170 f., 301 f. Björkman, Carl (1901–1961) 61 Boheman, Erik (1895–1979) 3 f. Bonnier, Karl Otto (1856–1941) 40 Bornstein , Idy (Izak Idi) (1909–2000) 301, 311 Bornstein, Jan (* 1936) 154, 291 f. Borrero, Manuel (1891–1976) 269 Brahms, Johannes (1883–1897) 119, 166, 168, 170, 298–301, 303 f. Brandt, Willy (1913–1992) 266 Brann, Ludwig (?–1975) 68 Branting, Hjalmar (1860–1925) 6 Branting, Sonja (1890–1981) 6, 218 Brecht, Bertolt (1898–1956) 24, 28, 38, 56, 60 f., 185, 208, 256, 258 Brick, Daniel (1903–1987) 12, 17, 30, 82, 176, 196 f., 200, 203 f., 212, 214 f., 219, 229 Brick, Jenny (1902–1973) 82 Brick, Simon (1901–1998) 17, 36, 39 Brody, Abraham (1901–1995) 12, 18, 32, 37–39, 41, 186 Bruch, Max (1838–1920) 304 Buber, Martin (1878–1965) 26 Bunge, Hans (1919–1990) 258, 263, 316 Carlsson, Carl Henrik (* 1954) 271 Cassirer, Ernst (1874–1945) 40, 50, 59, 62, 173, 207, 233, 254, 305 Cederholm 159, 168, 299

326 

Personenregister

Chaplin, Charlie (1889–1977) 162, 294 Chopin, Frederic (1810–1845) 166, 171, 298, 302 f. Cohen, Albert (1908–1974) 180, 197, 221, 223 f., 235, 249, 265 Cohen, Jenny (1905–1976) 180, 197, 221 f., 256 f., 265, 298, 316 Cohn, Franz T. (* 1927) 265 Cohn-Peters, Hans-Jürgen – siehe Peters, HansJürgen Cohn-Peters, Ruth – siehe Peters, Ruth Corelli, Arcangelo (1653–1713) 171, 301 f. Croner, Lilli 102 f. Dahlberg, Gunnar (1893–1956) 7, 218, 220 Danielsson, Otto (1902–1985) 206 Dante, Gurli 82 Davis, Moshe (1916–1996) 237 Debussy, Claude (1862–1918) 54, 166, 171, 298, 302 f. Delbrück, Heinz (1900–1974) 223 Demetriescu, Olga (1909–1989) 156, 166, 169, 293, 298, 300 Dencik, Lars (*1941) V Deutsch, Kurt – siehe Singer, Kurt Dick, Sally 112 Diehl, Ernst (1928–2004) 266 Dimitroff, Georgi (1882–1949) 29 Dohnany, Ernst von (1877–1960) 54, 171, 298 Dománi-Bergestam, Sáry 170, 302 Dubnov, Simon (1869–1941) 97 Dünzelmann, Anne E. (* 1941) 271 Dvorak, Antonin (1871–1904) 171, 301 Ehrenpreis, Marcus (1869–1951) 5, 10, 41, 44, 47 f., 50, 57 f., 62, 67, 155, 172, 207, 239, 248, 255, 257, 271, 305 Einstein, Albert (1879–1955) 54, 172, 232, 305 Eisler, Hanns (1898–1962) 56 Emsheimer, Ernst (1904–1989) 23, 34 f., 37–39, 54, 67, 103, 180, 197, 201, 221, 223 f., 227, 250, 270, 271 Emsheimer, Mia (1908–1984) 103 Enderle, August (1887–1959) 21 Englich, Kurt (1907–1986) 205 Eppstein, Hans (1911–2008) 54, 62 f., 103, 155, 165 f., 172, 291, 298 f., 304, 306 Eppstein, Lilli (1909–2006) 54

Erikssen, J. 171, 303 Ettlinger, Camilla – siehe Hollander, Camilla Ettlinger, Jacob (1880–1952) 15 f., 33, 35, 44, 66, 197, 212, 214, 218, 226, 269 Ettlinger Jeanette (1881–1956) 15, 33, 42 f., 66, 69, 82, 109, 197 Ettlinger, Ruth (1920–2009) 16 f., 180 Ettlinger, Joseph (1923–1986) 16 f., 49, 296 Fabian, Hans Erich (1902–1974) 137 f. Fahlander, Nils (1902–1985) 206 Federbusch, Simon (1892–1969) 16 Feuchtbaum, Lotte 136 Feuchtwanger, Lion (1883–1954) 182, 184, 208, 313 Fimmen, Edo (1882–1942) 205, 209 Fischer, Hertha (1920–2019) 255, 296, 298, 317 Fischer-Winter, Edith 113 Fischler, Josef (* 1903) 66, 140, 146 Flotow, Friedrich von (1812–1883) 170, 302 Flynn, Errol (1909–1959) 162, 294 Forbat, Fred (1897–1972) 68, 224 Forchheimer, Jacob (1876–1944) 34–37, 42 Frankl, Heinrich (1920–2016) 156 Fränkel, Paul (1900–1993) 42 Fränkel, Jury (1899–1971) 94, 155, 222, 291, 293 f., 308 f. Franz, Robert (1815–1892) 168, 171, 300 Freund, Georg 69 f. Fricke, Fritz (1894–1961) 227 Friedländer, Berta 181, 311 Friedländer, Erika (1903–1967) 67, 224 Friedländer, Herbert (1913–1981) VII, 33, 37–39, 45 f., 51, 58 f., 86, 101, 112, 183, 186–188, 214, 219, 240, 267, 312, 315 Friedländer, Herman Philip (1842–1920) 33 Friedländer, Otto (1894–1954) 182 f., 309, 312 Frisch, Justinian (1879–1949) 68 Fürstenberg, Wulff (1891–1990) 183, 307, 312 Furtwängler, Wilhelm (1886–1954) 223 Gallinger, August (1871–1959) 175, 180, 307 Glaser, Ernst (1904–1979) 120, 155, 291 Glaser, Kari (1901–1972) 120, 155, 291 Glöckner, Olaf (* 1965) V Gluck, Christoph Willibald (1714–1787) 300, 302 Goebbels, Joseph (1897–1945) 30

Personenregister 

Goethe, Johann Wolfgang (1749–1832) 56, 183, 185, 287, 312 Goldschmidt, David (1883–1964) 68 Goldschmidt, Lazarus (1871–1950) 89 Goldstein, Heinz (1920–1997) 156, 224 Golowanjuk, Jascha (1905–1974) 155 f., 183 Gordon, Heinz (* 1872) 183, 309 Gordon, Ilse 183, 309 Gordon, Walter (1893–1939) 34 Gorki, Maxim (1868–1936) 163, 184, 295 Gottfarb, Inga (1903–2005) 181, 238 f., 310 Gottfarb, Ragnar (1907–1988) 180 f., 310 Gottfarb, Sara (1879–1966) 33 Gounod, Charles (1818–1893) 170, 302 Greid, Herman(n) (1892–1975) 37–39, 42 f. 49, 54, 56, 59 f. 54, 67, 155, 158–161, 166, 170, 197, 207, 218, 221, 224, 227, 246, 253, 255 f., 291, 293, 296 f., 301, 305, 317 Grieg, Edvard (1843–1907) 171, 291, 300, 303 Gröndahl, Launy (1886–1960) 171, 300, 303 Grossmann, Kurt R. (1897–1972) 246 Grünberger, Mauritz (1902–1987) 8, 9, 43, 57 Grünewald, Isaak (1889–1946) 33, 83, 201 Grünfarb, Josef (1920–2007) 168, 246, 299, 304 Grundherr, Werner von (1888–1962) 45 Guter, Hanna (1905–1976) 70 Ha’am, Ahad (1860–1927) 97 Händel, Georg Friedrich (1685–1759) 54, 299– 301 Hagberg, Hilding (1899–1993) 47 Halevy, Fromental (1795–1862) 171, 301, 311 Hallencreutz, Lotta – siehe Raphael, Lotta Hallgren, Eric (1880–1956) 206, 220, 222 Hammar, Gillis (1887–1981) 4, 8, 37, 56, 217 f., 235, 252, 254 f., 316 Hammar, Lisa 56 Hammar, Tomas (* 1928) 56 Hansson, Svante (1938–2023) VIII, 238, 241, 266–271, 315 f. Hasek, Jaroslav (1883–1923) 166, 299 Hauptmann, Gerhart (1862–1946) 40 Haydn, Joseph (1732–1809) 171, 300, 303 Heckscher, Eli (1879–1952) 60 f., 232 f., 254 Heckscher, Edvard (1831–1910) 11 Heckscher, Sophia (1841–1918) 11

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Heine, Heinrich (1797–1856) 42 f., 119, 165 f., 168, 172, 182, 232, 298, 300, 305, 311, 313 Heinig, Kurt (1886–1956) 144 Heinemann, Kurt 41, 97, 100 Heisenberg, Werner (1901–1976) 36 Hellner, Kerstin (1893–1978) 98 Henschel, Arthur (* 1910) 21 Hepner, Julius (1886–1973) 66, 144, 311 Hermele, Bernt (* 1953) 268 Herzl, Theodor (1860–1904) 10, 97 Himmler, Heinrich (1900–1945) 30, 130, 180, 267, 309 Hirsch, Frank (1871–1952) 4 f., 8, Hirsch, Samson Raphael (1808–1888) 35 Hirschmann, Elise – siehe Tergit, Gabriele Hirschmann, Walter 70 Hitler, Adolf (1889–1945) 3, 10, 21 f., 29 f., 161 f., 175, 178, 210 f., 219 Hodann, Max (1894–1946) 68, 223 Holewa, Hans (1905–1991) 38, 43, 49, 51, 54, 56, 64, 68, 93 f., 103, 155, 158, 165 f., 168, 170 f., 197, 200 f., 207, 256, 270 f., 290, 293, 298– 303, 305, 307, 310 f. Hollander, Arnold (1913–1918) 12 Hollander, Camilla (1918–2002) 16 f., 33, 35, 41, 49, 57, 197, 240, 249, 252, 258, 260, 263, 269 f., 295, 308, 316 Hollander, Ernst (* 1947) IX, 270, 317 Hollander, Friedrich „Fritz“ Salomon (1915– 2004) VI f., 12 f., 14 f., 17 f., 31, 33 f., 35–37, 42–45, 47, 57–60, 66, 69, 79, 94, 100, 180 f., 197, 208 f., 211 f., 217, 225 f., 231, 236 f., 240 f., 246, 249, 252, 256 f., 258–262, 264, 266–272, 310, 316 Hollander, Hermann (1911–1980) 12, 15 Hollander, Hilde – Nebenzahl, Hilde Hollander, Julius Jeshajahu (1879–1937) 12–15 Hollander, Paula, geb. Gutmann (1889–1918) 12 Hollander, Per (* 1941) 14, 269, 316 Howard, Leslie (1893–1943) 163, 295 Ibsen, Henrik (1828–1906) 59 Interstein, Anneliese (1911–2004) 113 Isaac, Aaron (1730–1816) 241 Isenstein, Harald (1898–1980) 69 Ittmann, Fritz 298, 306

328 

Personenregister

Jacobowsky, Carl Vilhelm (1896–1986) VII, 30, 315 Jacobowsky, Märta (* 1898–1982) 4, 8, 55 Jacobson, Abraham Israel (1891–1955) 67, 147, 269 Jacobson, Signe 8 Jacobson, Wolf S. (* 1896) 67, 119, 154, 180, 291 Jacoby, Wolfgang (1914–1986) 7 Jarozewsky Hilde 42 Jaspers, Karl (1883–1969) 26 Järnfelt, Armas (1869–1952) 171, 300 Johnson, Eyvind (1900–1976) 55 Joseph, L. M. (* 1886) 69, 209 Josephson, Gunnar (1889–1972) 3 f., 39, 57, 254, 263, 271 Jundell, Isak (1867–1945) 33, 240 Kafka, Franz (1882–1924) 51, 172, 305 Kafka, Viktor (1881–1955) 183, 312 Kahn, Herbert (?–2006) VIII, 69, 82, 241, 269, 316 f. Kahn, Liesel VIII, 269 f., 317 Kalischer, Zvi Hirsch (1795–1874) 268 Kallós, Lieselotte 34 Kallós, Paul (1902–1987) 34, 240 Kaphan, Johanna (1892–1969) 69, 82 Katz, David (1884–1953) 34, 37–40, 44, 48 Katzenstein, Simon (1868–1945) 21, 68, 95, 102, 224 Kaufmann, Irma 82 Kinkulin, A. 171, 303 Kiwi, Käte (?–1986) 181, 310 Klausner, Joseph (1874–1958) 97 Klein, Alfred 166, 246, 298–300 Klein, Ernst (1887–1937) 34 Klein, Gottlieb (1852–1914) 23 Klein, Oskar (1894–1977) 23, 34, 36, 40, 54, 62, 172, 207, 234, 305 Kleist, Heinrich (1777–1811) 160 f., 296 Knorring, zu Senta von (* 1904) 213 Kollontai, Alexandra M. (1872–1952) 213 Korngold, Else 41, 100 Korngold, Max (1898–1970) 36 f., 42, 57, 69, 82, 100, 109, 240 Kowalski, Max (1882–1956) 155, 290 Krebs, Martin (1892–1972) 122 f. Kreisky, Bruno (1911–1990) 68, 115

Kreisler, Friedrich (1865–1972) 171, 303 Kronheim, Emil (1890–1971) 32, 67, 154, 173, 182, 292 f., 306, 314 Kurella, Alfred (1895–1975) 244 Lachmann, Johnny (* 1946) 154, 293 Lagerlöf, Selma (1858–1940) 59 Lalo, Édouard (1823–1892) 170 f., 301 Lamm, Greta (1888–1968) 5, 39 f., 55 Lamm, Martin (1880–1950) 39 f., 55 Landi, Leo 158 Lange, Alfred (1908–1964) 20 f. Lannby, Karin (1916–2007) 201, 214–216, 221 f. Laserstein, Lotte (1898–1993) 58, 81, 83, 102, 270 Leche-Löfgren, Mia (1888–1967) 4, 8, 210, 218 Lehar, Franz (1814–1887) 171, 304 Lehmann, Gabriel (* 1918) 49, 296 Lehmann Hans (1885–1949) 49, 66, 174, 301, 310 Lehmann, Manfred (1922–1997) 49 Leiser, Erwin (1923–1996) 176 Leo, Annette (* 1948) 260, 267 Leoncavallo, Ruggero (1847–1919) 171, 301 Leser, Paul (1899–1984) 40 f., 51, 64, 172, 187, 305 Lessing, Ephraim Gotthold (1729–1781) 43, 48– 50, 159, 173, 185, 216, 232f., 245, 248, 259, 295 f. Levy, Ernst Baruch (1914–1944) 13 f., 18 Lewy, Ludwig (1894–1972) 7 f., 21, 37, 43, 57, 62, 68, 102, 197, 204 f., 209 f., 220, 243, 250, 255 Lichtenstein, Olga – siehe Demetriescu, Olga Lindberg, Hans (* 1933) 249 f., 255 f., 266 Lindenthal, Walter (1886–1975) 168, 182, 233, 300, 306 f. Lindenbaum 42 Lindström, Hans 159, 296 Lindquist, Thorwald (1899–1976) 207 f. Ljungdal, Arnold (1901–1968) 218, 220 f. Lönn, Erik (1902–1975) 206, 213, 224–226 Löwe, Erwin (1859–1974) 182, 313 Löwenstein, Leo (1879–1956) 180 f., 310 Lortzing, Albert (1801–1851) 170, 302 Lukács, Georg (1885–1971) 26 Lundqvist, Martin (1905–1967) 206, 213

Personenregister 

Mändl, Hans (1898–1972) 68 Magnusson, Ingrid 301 Magnusson, Wilhelm 206 Mahler, Gustav (1860–1911) 54, 63, 171 f., 298, 306 Mann, Heinrich (1871–1950) 232, 259 Mann Thomas (1875–1955) 233 Marcello, Benedetto (1668–1739) 171, 301 f. Marcus, Gerda (1880–1972) 155, 290 Margolies 175, 309 Masur, Ella (1900–1983) 16, 58, 181, 308, 310 Masur, Norbert (1901–1971) 12, 15 f., 42, 66, 130, 175–178, 180, 184, 194, 197, 212, 226, 240, 267, 307, 309 Mautner, Richard (* 1887) 62, 173, 183, 306 Meidner, Ludwig (1884–1966) 89 Melchior, Marcus (1897–1969) 94, 308 Mendelssohn-Bartholdy, Felix (1809–1847) 63, 119, 155, 171 f., 194, 290, 301 f., 304, 306, 310 f. Merker, Paul (1898–1969) 262 Merikanto, Oskar (1868–1924) 171, 300 Meth, Jacob (1885-?) 68 Mewis, Karl (1907–1987) 221, 225, 256 f., 316 Michaeli, Sophie (1895–1968) 70 Michaeli, Wilhelm (1889–1969) 35, 67, 70, 117, 144–146, 180, 182, 197, 219-221, 224, 236, 271, 308f., 311, 313 Mittenzwei, Werner (1927–2014) 245 Möller, Gustav (1884–1970) 6 Morgenstern, Christian (1871–1914) 186, 299 Moszkowski, Moritz (1854–1924) 171, 303 Mozart, Wolfgang Amadeus (1758–1961) 49, 54, 56, 159, 163 f., 165, 167 f., 170, 233, 246, 253, 295, 298–302, 304, 310 Müssener, Helmut (* 1936) VI f., IX, 237, 242, 246 f.., 251, 255, 266, 270 Myrdal, Alva (1902–1986) 122 Nasiell, Wilhelm (1888–1953) 181, 310 Nebenzahl, Carla (Karla) siehe Pineas, Carla Nebenzahl, Ernst (1907–1992) 15, 47 Nebenzahl, Hilde Schönchen (* 1910) 12, 15, 47 Neumann, Alfred (1892–1954) 161, 182, 185, 287, 297, 312 Nicolai, Otto (1810–1849) 155, 170, 290, 299, 302 Nikituschew, Nikolai I. („Akisto“, 1906–1971) 213

329

Noack, Arthur – siehe Henschel, Arthur Nordqvist, Gustav (1886–1945) 171, 301, 303 Norrby, Johannes (1904–1994) 166, 300, 303 Nussbaum, Julius (1874–1949) 69, 140 Öberg, Valerie 82 Offenbach, Jacques (1819–1880) 170 f., 299, 302 Olden, Rudolf (1885–1940) 61 Olsson, Knut (1907–1986) 8, 23 Onouchow, Michail S. (* 1912) 213 Otteryd, Nils (1906–1981) 171, 299 Palm, Thede (1907–1995) 250 Palmær, Wilhelm (1868–1942) 54 Pawel, Siegfried (1878–1968) 69, 72, 79, 82, 88 f., 95, 103, 107, 109 f., 147 f., 150, 181, 188 f., 205, 222, 229, 243, 254, 258, 267, 313 Peiper, Robert (1902–1966) 158, 161, 164, 224, 246, 293, 295–298, 302, 311 Pergament, Ilse Maria Kutzleb (1905–1960) 94 Pergament, Moses (1893–1977) 93 f. Pergolesi, Giovanni (1710–1736) 171, 302 Peters, Hans-Jürgen (1905–1982) 23, 51, 54, 57, 180, 197, 207–209, 221–225, 227, 245, 252, 264 f., 316 Peters, Jan (1932–2011) VII, 23, 242, 245, 252– 256, 258 f. 266 f., 316 f. Peters, Ruth (1903–1984) 180, 252, 262 Peyser, Alfred (1870–1955) 115, 168, 174, 183, 222, 224, 227, 300, 307, 311 f. Pilewski-Karlsson, Leonie (1897–1992) 93 Pineas, Carla (1908–1989) 15, 35, 308 Pineas, Mor (1900–1979) 15–18, 31, 33–37, 42, 57 f., 69, 79, 105, 154, 158, 180 f., 226, 231, 237, 269, 291, 294, 310 Pinjugin, Serafim (* 1908) 213 f. Pinkus, Moritz – siehe Pineas, Mor Pizetti, Ildebrando (1880–1968) 171, 302 Polenske, Carl (1876–1956) 223 Pomian, Alf K. H. de (1867–1972) 219 f. Posner-Körösi, Lena (* 1955) 268 Printz, Felix (1892–1967) 166, 298 f. Rabinowitz, Franz (1918–1948) 158, 294 Radványi, László – siehe Schmidt, Johann Lorenz Raphael, Lotta (1887–1967) 83, 159 Reich, Hans 181, 310

330  Personenregister

Respighi, Ottorino (1879–1936) 54, 171, 298 Regnell, Astrid 98 Ribbing, Maria (1911–2008) 166, 300 Richardson, Ralph (1902–1983) 163, 295 Rimberg, Alfred (1901–1973) 165, 299–300 Ringart, Jacob (1925–2014) 269 Riwkin-Brick Anna (1908–1970) 215, 259 Rippner, Thea (1898–1986) 227 Robertson, Gun (1917–2008) 159, 296 Robinsky Rudi (1913–1999) 21 Rodenberg, Alfred (1895–1978) 245 Roosevelt, Franklin D. (1882–1945) 5 Rosenberg, Göran (* 1948) 271 Rosenblüth, Leo (1904–2000) 67, 93 f., 154 f., 165, 170, 290 f., 299, 301–303 Rosenblüth, Rosa 301, 303 f. Rosengren, Henrik (* 1979) 270 Rózsa, Irén (Inke, Irene) (1909–1985) 67 f., 224 Rubinstein, Hilde (1904–1997) 102 Rudberg, Pontus (* 1977) IX, 66, 270 Rudling, Arvid (1899–1984) 20 f., 254 Sachs, Josef (1872–1944) 182, 313 Sachs, Nelly (1891–1970) 69, 94, 170, 185 f., 300 Saint-Saens, Camille (1875–1921) 170 f., 301 f. Salomon, Karo siehe Samson, Karo Samson, Abraham (1871–1949) 35 Samson, Karo (Karoline) (1914–1974) 35, 42 f., 49, 69, 226 Samson, Samuel Semmy (1914–2002) 35, 226 Sandler, Rickard (1884–1964) 45, 47, 249 Sandström, Gösta (* 1904) 212 f. Schäffer, Hans (1886–1967) 183 Schäffer, Renate (1917–2002) 183, 314 Scharpenberg, Helene (1876–1979) 134 Scharpenberg Wilhelm (* 1871) 134 Schmidt, Johann Lorenz (1900–1978) 26 f., 39 f., 254, 262 Schnebel 42 Schnitzler, Arthur (1862–1931) 160 f., 184, 297 Schönkopf, Aby (1897–1973) 42 Schoeps, Hans Joachim (1901–1980) 51, 172, 174, 180, 254, 308 Scholander, Fredrik Wilhelm (1816–1881) 10 Scholz, Michael f. (* 1958) VII, IX, 270, 316 Schreiber, Fritz (1894–1982) 21, 210

Schubert, Franz (1797–1828) 119, 168, 170, 299– 304 Schumann, Robert (1810–1856) 119, 168, 171, 300, 302–304, 311 Schwab, Sepp (1897–1977) 19, 21 Schwarz, Hans Paul (1909–2010) 223 Seghers, Anna (1900–1983) 26, 262 Seydewitz, Max (1892–1987) 67, 218, 221 f., 224, 257 f., 266 Sibelius, Jean (1865–1957) 171, 300 Siegbahn, Manne (1886–1978) 207 Silber, Boris (1905–1960) 68 Simonis, Rudolf (1893–1965) 63, 172, 174, 188, 224, 305, 307 Simson, Sylvia 68 Sinding, Christian (1856–1947) 171, 302 Singer, Kurt (1911–2005) 200 f., 205, 210, 214 f., 227 Sheridan, Ann (1915–1967) 162, 294 Smetana, Bedřich (1824–1884) 171, 300 Smulovitz, Willy 68 Söderström, Thorsten (1903–1971) 200 f., 204 f., 206, 208, 214 Sohlman, Rolf R:son (1900–1967) 6 Sonnenthal, Marion 189 Spilga, Maria (1904–1971) 54, 64, 102, 155, 166, 207, 291, 298, 312 Stahl, Margot 105, 112, 166, 170, 294, 301–303, 310 f. Stalin, Josef W. (1878–1953) 23, 234, 262, 264 Steckel, Fritz 54 Steinitz, Else, geb. Jacobsohn (1877–1950) 23, 232 Steinitz, Hans (1902–1986) 263 Steinitz, Inge (1904–1987) 254, 257 f., 263 Steinitz, Marianne (1910–2001) 263 Steinitz, Renate (1936–2019) VII, 24 f., 254 f., 263 Steinitz, Ruth – siehe Peters, Ruth Steinitz, Ulla (1916–2008) 263 Steinitz, Wolfgang (1905–1967) VI f., 23–29, 31, 34–43, 48, 50 f., 54 f., 57, 60 f., 67, 69, 82, 98, 103, 175–180, 184, 186–188, 194, 196 f., 207–212, 217 f., 220–227, 229, 231–235, 237 f., 243, 250, 253–260, 262–264, 267, 269–272, 308, 315 f.

Personenregister 

Stempel Maxim (1898–1972) 38, 68, 156, 159, 166, 168, 171, 180, 197, 201, 208 f., 212–214, 222–224, 246, 270 f., 293, 296, 299 f. Stenhammar, Wilhelm (1871–1927) 171, 300 Stern, Ellen (1931–1966) 132 Stern, Erna (1906–1995) 132 Stern, Harry (1931–1999) 132 f. Stern, Karl (1901–1996) 132 Stern, Marion (1935–1943) 133 Stiel, Günter 98 Stillschweig, Kurt (1905–1955) 67, 144, 187 Storch, Gilel (1902–1983) 66 f., 135, 180, 267, 271, 309 Strasser, Otto (1897–1974) 21 Strauss, Johann (1825–1899) 170 f., 302–304 Strauss, Richard (1864–1949) 171, 302, 304 Strindberg, August (1849–1912) 183, 185, 203, 307, 312 Sundström, Käte 181, 310 Szekely, Edith (1909–2011) 69 Szekely, Lajos (1904–1995) 69 Tamkin, Jura – siehe Fränkel, Jury Tarschis, Alfred 49, 159, 296 Tarschis, Dorit 49, 296 Tarschis, Julius (1887–1948) 43, 54, 64, 298, 305 Tarschis, Moritz (Mauritz) (1888–1949) 49 Taub, Walter (1907–1982) 156, 166, 293, 298, 306 Tegen, Einar (1884–1965) 4–8, 40, 255, 315 Tergit, Gabriele (1894–1982) 248 Tingsten, Herbert (1896–1973) 7 Toller, Ernst (1893–1939) 90 Tolstoi, Leo (1862–1910) 159, 233, 296 Trepte, Curt (1902–1990) 23 f., 38, 42 f., 48 f., 64, 67, 159 f., 168, 197, 215–217, 221 f., 224, 226 f., 242, 244–246, 253, 255 f., 259, 296 f., 299 Tuchmann, Walter (1902–1973) 36 Türk, Werner (1901–1947) 55 Ulbricht, Walter (1893–1973) 20 Ullendorf, Erich 227 Ullmann, Alfred (1894–1966) 36, 42 f., 69, 231 Valentin, Hugo (1888–1963) IX, 5, 12, 17, 27 f., 30–34, 40 f. 58, 60, 67, 174, 176, 197, 199, 212–214, 218–220, 222–225, 236, 238–240, 254, 260, 271, 306, 309, 315

331

Velden, Johannes 38, 54, 64, 298 Veracini, Francesco (1690–1768) 166, 171, 298 Verder, Hans 161, 164, 295, 297, 312 Verdi, Giuseppe (1813–1901) 169 f., 299, 301–304 Vinde, Viktor (1903–1979) 175, 218, 308 Voghera, Iwa – siehe Aulin-Voghera, Iwa Wachsmann, Ernst 136 Wagner, Josef „Willi“ (1898–1967) 7, 18 f., 21, 26, 34, 56, 203 f., 220 f., 225 f., 256 Wagner, Richard (1814–1883) 171 Walch-Lux, Katja (* 1896) 67, 209 Warnke, Herbert (1902–1975) 19, 21, 67, 222, 224, 257 f., 264 Wasservogel, Ernst (1899–1972) 103, 158, 165, 298 f., 301 f., 310 Weber, Carl Maria (1786–1826) 171, 303 Wehner, Herbert (1906–1990) 7, 266 f. Werfel, Franz (1890–1945) 182, 184, 309 Westman, Karl Gustaf (1876–1944) 4 Wetzel, Irene – siehe Rózsa, Irén Wetzel, Rudolf „Rudi“ (1909–1992) 67, 221, 224 Widegren, Matilda (1863–1938) 5 Wienawski, Henryk (1835–1880) 170 f. Wiener, Edith 181, 302, 312 Wiener, Elisabeth 181 Wiener, Renate 312 Wigman, Mary (1886–1973) 189 Wilhelm, Kurt (1900–1960) 147, 154, 174, 292 f., 312 Wilhelmus, Wolfgang (1931–2021) 251 Willsch, Hugo (1904–1973) 202–204, 208, 227 Winner, Peter (1910–1991) 159–161, 164, 166, 168, 246, 295–297, 299, 303, 311 f. Winter, Hilde (1923–2011) 128, 131, 134 Winter, Julius (1879–1958) 129, 131–133 Winter, Kurt (1912–1942) 129, 131 Woina, Alexei D. (* 1907) 216 Wolf, Friedrich (1888–1953) 216 Wolf, Hugo (1860–1903) 304 Wolff, Erik (1891–1970) 32, 57 Wohlgemuth, Ari (1903–1957) 173 Wohlgemuth, Norbert (1907–1968) 155 Zempelburg, Ludwig (Lutz) (1918–2003) 67 f., 95, 224 Zweig, Arnold (1887–1968) 197 Zweig, Stefan (1881–1942) 49, 51, 60, 159, 172 f., 182, 184, 233, 245, 248, 296, 305, 307

8 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22:

Abb. 23: Abb. 24:

Fritz Hollander.(Privat) Mor Pineas (Moritz Pinkus) mit Familie in Stockholm.(Privat) Wolfgang Steinitz (um 1946).(Privat) Gründungsaufruf (Ausschnitt).(Privat) Vortragsankündigung (Ehrenpreis, 31. Januar 1939).(Privat) Hinweise für Emigranten (Originalformat A 6).(Privat) Aus dem Programm des Kulturabends (13./14. Februar 1939).(Privat) Beitrittserklärung.(Privat) Mitteilungen des Kulturausschusses (April 1939).(Privat) Tätigkeitsbericht (September 1939).(Privat) Bitte um Spenden. September 1940. Der erste Bittbrief von September 1940, Vorbild für viele andere.(Privat) Einladung sowie Anzeigen. 15. Februar 1941. Eine von vielen Rundschreiben mit Anzeigen aller Art.(Privat) Helft Emigranten! (1941). Seite 1 einer vierseitigen Liste.(Privat) Ärzteverzeichnis. Anfang 1945. Ein erstes Ärzteverzeichnis als Beispiel einer restriktiven Einteilung.(Sammlung Jakobowsky. Uppsala Universitätsbibliothek) Mitteilungen, S. 2. Juni 1945 (u. a. eine Wunschliste).(Sammlung Jakobowsky. Uppsala Universitätsbibliothek) Mitteilungen. August 1948. Aufruf zur Hilfsaktion für Juden in Berlin.(Sammlung Jakobowsky. Uppsala Universitätsbibliothek) Purim-Revue. März 1942. Programm.(Privat) Mozart-Abend. 24/25. Februar 1942. Programm.(Privat) Einladung. September 1945.(Privat) Einladung. 6. Juni 1945.(Sammlung Jakobowsky. Uppsala Universitätsbibliothek) Walter A. Berendsohn, Die humanistische Front: Einführung in die deutsche Emigranten-Literatur. T. 2, Vom Kriegsausbruch 1939 bis Ende 1946. Worms 1976. Ludwig Hoffmann, Curt Trepte u. a. (Hg.), Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil 1933– 1945. Bd 5, Exil in der Tschechoslowakei, in Grossbritannien, Skandinavien und in Palästina. Leipzig 1980. Helmut Müssener, Exil in Schweden. Politische und kulturelle Emigration nach 1933. München 1974. Jan Peters, Exilland Schweden. Deutsche und schwedische Antifaschisten 1933–1945. Berlin (DDR) 1984.

https://doi.org/10.1515/9783110729511-008