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German Pages 271 Year 1990
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 66
Die Interessenabwägungsformel in der Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) Von
Andreas Meißner
Duncker & Humblot · Berlin
ANDREAS MEISSNER
Die Interessenabwägungsformel in der Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB)
Strafrechtliche Abhandlungen· Neue Folge Herausgegeben von Dr. Eberhard Schmidhäuser ord. Professor der Rechte an der Universität Hamburg
und Dr. Friedrich-Christian Schroeder ord. Professor der Rechte an der Universität Regensburg
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtsiehrem der deutschen Universitäten
Band 66
Die Inter~nabwägungsfonnel in der Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB)
Von
Andreas Meißner
DUßcker & Humblot . Berliß
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Eberhard Schmidhäuser, Hamburg
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Meissner, Andreas: Die Interessenabwägungsformel in der Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) / von Andreas Meissner. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Strafrechtliche Abhandlungen; N. F., Bd. 66) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06906-4 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41
Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin 49 Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-06906-4
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist meine im Juli 1988 abgeschlossene Dissertation, die der Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg angenommen hat. Neuere Literatur ist bis Juni 1989 berücksichtigt; wenn auch nur noch in den Anmerkungen. Besonderen Dank schulde ich Herrn Professor Eberhard Schmidhäuser. Die Arbeit baut grundlegend auf seine wissenschaftlichen Erkenntnisse; seinem Denken fühle ich mich verbunden. Professor Schmidhäuser hat durch seine fürsorgliche Betreuung das Entstehen der Schrift erst ermöglicht. Ihm verdanke ich nicht nur wissenschaftliche Einsichten. Herr Professor Seelmann hat in besonderer Weise - trotz Differenzen im Inhaltlichen - die Votierung der Arbeit vorangetrieben. Auch hierfür danke ich. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern. Von früher Kindheit an ermöglichten sie mir den Zugang zu allem Geistigen. Hamburg, im Juli 1989 Andreas Meißner
Inhalt Einleitung ................................................................................................................................................. 19 1. Kapitel Konzeption der Interessenabwägungsfonnel nach der heutigen Lehre
Der Stand der gegenwirtigen Meinungen ................................................................................ 22
A.
I.
Extensive Interpretation der Interessenabwägung dem Grunde nach: Das A1lumfassungsprinzip .................................................................................................... 22
11.
Restriktionen der Interessenabwägungsformel im Detail ............................................... 27 1. 2.
Restriktionen vor der Interessenabwägungsformel in der Notstandslage ........... 28 Restriktionen innerhalb der Interessenabwägungsformel ..................................... 30 a)
Restriktionen über bestimmte Abwägungskriterien ...................................... 30 aa)
Defensivnotstand ....................................................................................... 30
bb) Verschulden der Notstandslage .............................................................. 33 cc)
Die Gefahrtragungspflichten ................................................................... 34
dd) Allgemeine Rechtssätze ............................................................................ 36 b) 3. B.
Restriktionen über das Wesentlichkeitsmerkmal ........................................... 36
Restriktionen nach der Interessenabwägung in der Angemessenheitsklausel .... 38
Resümierendes Ergebnis zum Stand der Meinungen ............................................................ 40 I.
Konturlosigkeit im Detail bei verbaler Einigkeit im Grundsatz; einige Beispiele ...... 40
11.
Bedürfnis nach Klarheit ....................................................................................................... 44
c.
Kritik der heutigen Lehre zur Interessenabwägungsfonnel ................................................. 45 I.
Materiale Rechtswidrigkeit .................................................................................................. 46 1.
11.
Formales Verständnis der Rechtswidriglceit ............................................................ 46 a)
Verbreitete formale Konzeption ....................................................................... 46
b)
Pluralistische und monistische Theorien ......................................................... 49
2.
Materiales Verständnis der Rechtswidriglceit .......................................................... 51
3.
Der Zusammenhang von formaler Erfassung der Rechtfertigung und formaler Erfassung der Interessenabwägungsformel .............................................................. 52
4.
Ergebnis ......................................................................................................................... 54
Gesetzeskontext ..................................................................................................................... 54
10
Inhalt 1.
Fonnulierung des § 34 ................................................................................................. 55 a)
2.
Die Fonnulierung der Interessenabwägungsfonnel selbst .............•.............. 55
b)
Notstandslagej-handlung ................................................................................... 55
c)
Wesentlichkeitsmerkmal, Angemessenheit ...................................................... 56
d)
Ergebnis ................................................................................................................ 57
Differenzierung nach Rechtfertigung und Entschuldigung (§ 35) ........................ 57
Bestimmtheitsgrundsatz ....................................................................................................... 59
HI.
1.
2. IV.
Strafgesetzliche Bestimmtheit als Gebot relativer Bestimmtheit ......................... 59 a)
Allgemeine Bedeutung des Bestimmtheitsgebotes ........................................ 59
b)
Bestimmtheitsgebot und relative Bestimmtheit .............................................. 60
Relative Bestimmtheit in Fonnulierung und Auslegung des § 34 ........................ 62
Methodische Einwände ........................................................................................................ 63 1.
Fonnale Interessenabwägung und Abwägungsenthusiasmus ................................ 63
2.
Interessenabwägung als Methode .............................................................................. 6S a)
Besondere Methode ............................................................................................ 6S
b)
Einwände gegen die Interessenabwägungsfonnel als rein fonnales Prinzip ...................................................................................... 66 aa)
Freies Argumentieren als Folge begrifflicher Konturlosigkeit............ 66
bb) Werteordnung ............................................................................................. 68 3.
D.
Ausblick: Der Rechtsgedanke des Notstandes als Argumentationslast der Interessenabwägungsfonnel .................................................................................. 71
Resümee und Schlußfolgerungen für den weiteren Gang der Untersuchung .................... 71
2. Kapitel Die Vorgeschichte der Interessenabwägungsronnel Notstandskonzeptionen bis Hegei .............................................................................................. 72
A.
I.
H.
Notstand in der frühen Rechtsgeschichte ........................................................................... 72 1.
Römisches Recht ........................................................................................................... 72
2.
Kanonisches Recht ........................................................................................................ 73
3.
Altes deutsches Recht ................................................................................................... 75
Notstand in der Philosophie ................................................................................................. 75 1.
Aristoteles ....................................................................................................................... 75
2.
Christliche Ansätze ........................................................................................................ 78
3.
Naturrechtslehre ............................................................................................................ 79
4.
Kant ................................................................................................................................. 81
5.
Fichte und Feuerbach ................................................................................................... 8S
Inhalt
6.
11
a)
Exemtionstheorie .................................................................................................. 8S
b)
Entschuldigungstheorie..................................................................................•..... 86
Hege!............................................................................................................................... 87 a)
Gängige Interpretation ........................................................................................ 88
b)
Kritik ....................................................................................................................... 89 aa)
Notrecht als Verfolgen des eigenen Wohls ............................................ 90
bb) Das Notrecht innerhalb der Systematik von Hegels Rechtsphilosophie ...................................................... 91 cc)
Die verbleibende Funktion des § 127...................................................... 93
dd) Noteingrirr und Rechtrertigung ................................................................ 96 III. B.
Strarrechtswissenschart in der Nachrolge Hegels .............................................................. 98 Die eigentlic:he Etablierung des rec:htfertigenden Notstandes nac:h Maßgabe der Interessenabwägung ............................................................. 99
I.
Interessenabwägung und Sozialnützlichkeit ....................................................................... 99 1.
2. 11.
C.
a)
Hälschner ............................................................................................................... 99
b)
Stammler .............................................................................................................. 100
c)
Bemer, Wessely .................................................................................................. 101
d)
Janka ..................................................................................................................... 101
e)
MerkeI .................................................................................................................. 101
I)
Spätere Autoren .................................................................................................. 102
Rezeption in der Rechtsprechung des Reichsgerichts ........................................... 104
Interessenabwägung und Utilitarismus ............................................................................. 106 1.
Utilitarismus ................................................................................................................. 106
2.
Rezeption utilitaristischen Denkens ......................................................................... 110
Kritik an der Interessenabwägungstormel ............................................................................ 112 I.
Die traditionelle Zwecktheorie .......................................................................................... 112
11.
Schuldausschluß und Straflosigkeit; Dirferenzierungstheorie ....................................... 115
III. D.
Ansätze in der Strarrechtslehre ................................................................................... 99
1.
Schuldausschluß und Straflosigkeit........................................................................... 115
2.
Dirrerenzierungstheorie.............................................................................................. 116
Weitere prinzipielle Kritik an der Interessenabwägung in der historischen Diskussion ....................................................................................................... 117 Resümee zur Vorgesc:hic:hte der Interessenabwägungsformel ............................................ 118
12
Inhalt
3. Kapitel Der Rechtsgedanke der Interessenabwägungsfonnel im rechtfertigenden Notstand nach der heutigen Lehre DarsteUung der Ansichten ........................................................................................................ 121
A. I.
BegründungsdeflZit............................................................................................................... 121
11.
Solidarität als Begründung.................................................................................................. 123
111.
Vorrang des dringlicheren Wertanrufes ........................................................................... I2A
IV.
Sozialnützlichkeit als Begründung ..................................................................................... I2A
B.
Kritik der vorgesteUten Ansichten .......................................................................................... 127 I.
Zum BegründungsdefIZit ..................................................................................................... 127
11.
Zur Solidarität....................................................................................................................... 129
111.
Zum Vorrang des dringlicheren Wertanrufes .................................................................. 131
IV.
Zur Sozialnützlichkeit .......................................................................................................... 131
4. Kapitel Die Interessenabwägungsfonnel als utilitaristisches Argumentationsmuster Vorverständnis ............................................................................................................................ 134
A.
I.
Unrechtstatbestand und Rechtfertigung nach teleologischer Straftatsystematik; die Dringlichkeit als Moment der Aktualität des Rettungsbedürfnisses ..................... 134
11.
Die Begriffe Rechtsgut und Interesse und ihr Verhältnis ............................................. 138 1.
Der Rechtsgutsbegriff ................................................................................................. 138 a)
Der Rechtsgutsbegriff nach dem heutigen Verständnis ............................... 138 aa)
Materiale Aussagen .................................................................................. 138 (1)
Die Lehre vom grundsätzlich liberalvorpositiven Gehalt des Rechtsguts ........................................... 138
(2)
Der soziologisch verstandene Rechtsgutsbegriff .......................................................................... 139
(3)
Die Ansicht Schmidhäuscrs ........................................................ 142
bb) Funktionale Aussagen .............................................................................. 142 b)
Stellungnahme zum Rechtsgutsbegriff ............................................................ 144 aa)
Rechtsgutsgenese...................................................................................... 144
bb) Funktionale Rechtsgutskonzeption ....................................................... 149 2.
Der Interessebegriff .................................................................................................... 149
Inhalt
3. B.
13
a)
Begriffliches Vorverständnis ............................................................................. 149
b)
Der Interessebegriff unter Fruchtbannachung wissenschaftstheoretischer Ansätze ................................................................. 151
Rechtsgut und Interesse innerhalb des § 34 ............................................................ 154
Der Rechtsgedanke der Interessenabwägungsformel selbst als utilitaristisches Argumentationsmuster zur aktuellen Schadenminimierung .............................................. 158 I.
Die Notstandslage aus der Perspektive der einzelnen Interessenträger und der Rechtsordnung ....................................................................................................... 158
11.
1.
Perspektive der Interessenträger ............................................................................. 158
2.
Perspektive der Rechtsordnung ................................................................................ 161
Die Interessenabwägungsfonnel als utilitaristisches Argumentationsmuster aktueller Schadenminimierung ................................................. 164 1.
2.
Skizze utilitaristischer Philosophie und ihrer Grenzen ......................................... 164 a)
Darstellung unter Berücksichtiung auch neuerer utilitaristischer Philosophie ................................................................ 165
b)
Grenzen des Utilitarismus ................................................................................. 170
Parallelisierung des Utilitarismus und des Argumentationsmusters der Interessenabwägungsfonnel des § 34 ......................................... 173 a) b)
Teleologie als situativ aktuelles Lösungsprinzip ............................................ I73 Universalitätsprinzip .......................................................................................... 175 aa)
Die soziale Entscheidungsebene ............................................................ 176
bb) Universalität zur Rekonstruierbarkeit für das Opfer ......................... 178 cc) c)
c.
Notstandslage und Universalität............................................................ I79
Das aktuelle Sozialschadenminimierungsprinzip ........................................... l79
Zusammenfassung ...................................................................................................................... 181
5. Kapitel Beschränkungen der utilitaristischen Interessenabwägungsformel A.
Einleitung .................................................................................................................................... 182
B.
Achtung fremder Privatautonomie durch das Abwälzungsverbot ...................................... 184 I.
Fonnulierung der grundsätzlichen Bedenken .................................................................. 184
11.
Berücksichtigung des Mangels an Autonomieschutz ...................................................... 187 1.
Zusammenfassung der Gründe für ein sozialpragmatiSChes Schadenminimierungsprinzip........................................................... 187
2.
Die Autonomie des Opfers und die Geltung der Rechtsordnung in einzelnen Voraussetzungen des § 34 .................................................................... 189 a)
Die Not ................................................................................................................. 189
14
Inhalt b)
Die Wesentlichkeit ............................................................................................. 191
c)
Die Angemessenheit ........................................................................................... 192 aa)
Analyse der Falle ihrem materialen Gehalt nach ................................ 192 (1) Achtung des Lebens ......................................................................... 192 (a) Beispielsfalle ...................................................................................... 192 (b) Erörterung ......................................................................................... 194 (aa) Der Weichenstellerfall ................................................................... 194 «1)) Ansichten in der Lehre ................................................................. 194 «a)) Rechtswidrigkeit und Unverbotensein ....................................... 194 «b)) Rechtfertigung ............................................................................... 196 «2)) Stellungnahme ................................................................................ 196 (bb) Der Bergsteigerfall ......................................................................... 200 «1)) Ansichten der Lehre ...................................................................... 200 «a)) Rechtswidrigkeit und Unverbotensein ....................................... 200 «b)) Rechtfertigung ............................................................................... 201 «2)) Stellungnahme ................................................................................ 201 (cc) NS-Vemichtungslagerfalle ............................................................. 203 «1)) Ansichten in Literatur und Rechtsprechung ............................. 203 «a)) Rechtswidrigkeit und Unverbotensein ....................................... 203 «b)) Rechtfertigung ............................................................................... 204 «2)) Stellungnahme ................................................................................ 204 (c) Zusammenfassung............................................................................. 207 (2) Menschenwürde ................................................................................ 209 (a) Problemdarstellung........................................................................... 209 (b) Stellungnahme ................................................................................... 211
bb) Zusammenfassende Einordnung: Die Angemessenheit als deontologisches Prinzip ..................................................................... 212 C.
Zusammenfassung ...................................................................................................................... 216
6. Kapitel Die Interessenabwägungsfonnel im einzelnen A.
Das Abwägungsverfahren .......................................................................................................... 218
B.
Darstellung der Interessenabwägungsfonnelan ihren einzelnen Momenten .................. 221 I.
Beschränkung auf bestimmte "notstandsfahige" Interessen .......................................... 221 1.
Beschränkung auf Strafrechtsgüter........................................................................... 221
2.
Der Staatsnotstand ...................................................................................................... 222
Inhalt
H.
15
3.
Beschränkung auf schutzwürdigej-bedürftige Reehtsgüter .................................. 224
4.
Jedermannsgefahren ................................................................................................... 226
5.
Zusammenfassung ....................................................................................................... 228
Die Interessenabwägungskriterien ..................................................................................... 229 1.
Grade aktuell situativer Verwirkliehungsintensität ................................................ 229 a)
Qualität der betroffenen Rechtsgüter (Rangverhältnis) .............................. 229 aa)
Gesetzliche Wertungen ............................................................................ 230
bb) Überpositiver Maßstab ............................................................................ 231
ce) b)
(1)
Objektive Werteordnung ............................................................. 232
(2)
Naturrechtslehre ........................................................................... 234
(3)
Sozial gültige Normen .................................................................. 235
Zusammenfassung zum Merkmal der Rechtsgutsqualität (Rangverhältnis) ..................................................... 236
Quantität der Interessen .................................................................................... 237 aa)
Grundsatz .................................................................................................. 237
bb) Einschränkungen ...................................................................................... 238 ce)
Quantität und Rangordnung .................................................................. 239
dd) Schadensperspektive ................................................................................ 239 c)
Der Grad der Gefahr ......................................................................................... 240 aa)
Grundsatz .................................................................................................. 241
bb) Gefahrdungsdelikte .................................................................................. 241
2.
3.
C.
d)
Der Grad der Eignung des Rettungsmittels ................................................... 244
e)
Der Grad der Erforderlichkeit des Rettungsmittels ..................................... 244
Vorweggenommene Entscheidungen ....................................................................... 245 a)
Gefahrengemeinschaft ....................................................................................... 246
b)
Gefahrtragungspfliehten .................................................................................... 246
c)
Weitere Sonderpflichten .................................................................................... 247
d)
Geordnete Verfahren ......................................................................................... 248
Unbeachtliche Momente ............................................................................................ 250 a)
Defensivnotstand ................................................................................................ 250
b)
Verschulden der Notstandslage, GefahIVerursachung.................................. 252
c)
Die Rechtsordnung im Ganzen als Interessenabwägungsfaktor ................. 253
Zusammenfassung ........................................................................ :............................................. 255
Ergebnis der Arbeit .............................................................................................................................. 257 Literaturverzeichnis ............................................................................................................................. 258
Abkürzungsverzeichnis aA
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
Absehn.
Absehnitt
AcP
Archiv für die civilistisehe Praxis
AB
Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. Aufl.I969
allgA
allgemeine Ansicht
Anm.
Anmerkung
AöR
Archiv für öffentliches Recht
ARSP
Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie
Art.
Artikel
AT
Allgemeiner Teil
Aufl.
Auflage
BayGVGI
Bayrisches Gesetz- und Verordnungsblatt
BayOblG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
BayVerfGH
Bayerischer Verfassungsgerichtshof
Bd.
Band
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGH
Bundesgerichtshof
BGHGrZS
Bundesgerichtshof, Großer Senat in Zivilsachen
BGHSt
Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen
BGHSt (GS)
Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Entscheidung des Großen Senats)
BGHZ
Amtliche Entseheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
BT-Drucksache
Bundestagsdrucksache
BVerfGE
Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts
DAR
Deutsches Autorecht
ders.
derselbe
DVBI
Deutsches Verwaltungsblatt
E62, E 1962
Entwurf eines Strafgesetzbuches
etc.
et cetera
Fn.
Fußnote
PS
Festschrift
Abkürzungsverzeichnis GA
Goltdammer's Archiv für Strafrecht
gern.
gemäß
GG
Grundgesetz
GS
Der Gerichtssaal
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Hrsg.
Herausgeber
HRG
Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte
i.d.R.
in der Regel
IKV
Internationale Kriminalistische Vereinigung
insbes.
insbesondere
JA
Juristische Arbeitsblätter
JR
Juristische Rundschau
Jura
Juristische Ausbildung (Zeitschrift)
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
Kap.
Kapitel
KUG
Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
Lb
Lehrbuch
LK
Leipziger Kommentar
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
M.d.S.
Immanuel Kant, Mttaphysik der Sitten, zitierte Ausgabe
MSchrKrimPsych
Monatsschrift für Kriminologie und Psychologie
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NStZ
Neue Zeitschrift für Strafrecht
ÖJZ
Österreichische Juristenzeitung
17
Österreich. AGB
Österreichisches AIlgemeines Gesetzbuch
OGH
Entscheidungssammlung des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Köln
OLG
Oberlandesgericht
OWiG
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
Prot.
ProtokoIl über die Sitzungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode
RG
Reichsgericht
RGSt
Amtliche Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Strafsachen
RPh
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, zitierte Ausgabe
18 Rspr.
Abkünungsveneichnis Rechtsprechung
Rz.
Randzahl
SchwZStr
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht
SJZ
Süddeutsche Juristenzeitung
SK
Systematischer Kommentar
Sp.
Spalte
StOB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozeßordnung
StudB
Schmidhäuser, Studienbuch, Strafrecht, Allgemeiner Teil, zitierte Auflage
VRS
Verkehrsrechtssammlung
z.
Zeile
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZStW
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
Einleitung In § 34 des Strafgesetzbuchsl ist der rechtfertigende Notstand mit folgendem Text geregelt: Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden. Die hier enthaltene Interessenabwägungsformel ist seit dem Entwurf des Strafgesetzbuchs von 19622 in der gesetzgeberischen Diskussion und wurde wortgleich durch das 2. Strafrechtsänderungsgesetz v. 13.7.1973, in Kraft getreten am 1.1.1975, in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Bis zu dieser Kodifizierung erschien reichhaltige Literatur auch zum Rechtsgedanken des bis dahin als übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund anerkannten rechtfertigenden Notstandes. Nach der Einführung des § 34 standen in der wissenschaftlichen Diskussion Teilprobleme der Interessenabwägung im Vordergrund. In der vorliegenden Arbeit soll dargelegt werden, daß die Beschäftigung mit dem Rechtsgedanken des § 34 nach wie vor Sinn macht, auch wenn es nunmehr um eine kodifIzierte Regelung geht. Dabei soll die Frage gestellt werden, warum eigentlich die Verfolgung eines wesentlich überwiegenden Interesses einen an sich unerlaubten Eingriff in ein fremdes Rechtsgut erlaubt macht. Immerhin folgt darauf eine Duldungspflicht des - jedenfalls im klassischen Fall des aggressiven Notstandes - unbeteiligten Dritten. Seit der KodifIZierung des § 34 erkennt die verbreitete Ansicht zwar in der Interessenabwägungsformel des § 34 das K~rnstück des Entschei1 §§ ohne Oesetzesangabe sind im folgenden solche des StOB. 2 E 1962 § 39.
20
Einleitung
dungsprogramms, gleichwohl wird dieses - wegen seiner scheinbar offensichtlichen Plausibilität - nicht weiter befragt. Vorliegend soll versucht werden, über den Rechtsgedanken der Interessenabwägungsformel im rechtfertigenden Notstand die Vorschrift des § 34 ihrem gesamten materialen Gehalt nach zu erfassen. Die Frage, warum die Verfolgung des wesentlich überwiegenden Interesses Recht und Unrecht zu scheiden vermag, durchzieht damit die Abhandlung. Die Beantwortung dieser Frage soll zunächst ihrer Notwendigkeit nach hergeleitet werden, wobei die Probleme und Unklarheiten der verbreiteten Meinung zur Interessenabwägungsformel dargestellt werden. Danach beschäftigt sich die Arbeit mit historischen - rechtlichen wie philosophischen Antworten zum Rechtsgedanken des rechtfertigenden Notstandes sowie mit den zwar defIZitären aber doch im Ansatz vorhandenen Begründungen des Eingriffsrechts im Notstand nach der aktuellen Lehre. Aus der Kritik historischer und aktueller Normbegründungen sowie im Aufgreifen des als dominant vorgefundenen Entscheidungskonzeptes versucht die Arbeit, den Rechtsgedanken der Interessenabwägungsformel des § 34 ausführlich zu entwickeln. Das vorgefundene Entscheidungsprogramm wird dabei zunächst bewußt angenommen und dann für notwendig erachteten Restriktionen unterworfen. Schließlich gilt es, den gewonnenen Rechtsgedanken bei der Auslegung der Interessenabwägungsformel anzuwenden. Dabei werden die zu Beginn der Arbeit dargestellten Unklarheiten wieder aufgegriffen und unter Zugrundelegung des Rechtsgedankens ausgeräumt. Wenn sich die Untersuchung im folgenden mit dem materialen Gehalt der Regelung des rechtfertigenden Notstandes beschäftigt, entspricht dies einem grundsätzlich teleologischen Ansatz bei der Begriffsbildung im Strafrecht und bei der Auslegung strafrechtlicher Bestimmungen.3 Die vorliegende Untersuchung legt dabei die teleologische Straftatsystematik zugrunde.4 Diese ist nicht zwingende Voraussetzung der vorgeschlagenen Konzeption, sie erleichtert gleichwohl das Erfassen der wesentlichen Ergebnisse. Teleologisches Vorgehen ist im Strafrecht allgemein anerkannt, soweit es um die Auslegung der Bestimmungen des Besonderen Teils des StGB geht.S Hier ist die rechtsgutsorientierte Anwendung der Strafrechtssätze unbe3 Dazu zuletzt noch einmal zusammenfassend Schmidhäuser, JuS 87, 373 (374); ders. lb2, 6/2. 4 Diese wird nicht insgesamt ausgeführt, vgI. dazu das vorliegende Lehrbuch von Schmidhäuser sowie das Studienbuch zum AT; zum BT liegt ein Grundriß vor.
S Schmidhäuser, JuS 87, 373 (374), Nachweise ebenda Pn. 4.
Einleitung
21
stritten. Bezogen auf den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches gilt dies nicht im gleichen Maße. Die Lehre ist hier vielfach in Begriffsbildungen verhaftet, wie sie außerhalb des Strafrechts vorgefunden werden, anstatt die Begriffe in den jeweiligen strafrechtlichen Kontext einzubinden.6 Dies bedeutet in der Unrechtsbegründung i.S. einer formalen Strafwürdigkeit7 jeweils danach zu fragen, inwieweit bei Vorliegen bestimmter Handlungen gestraft werden sollte, und im Rahmen des Unrechtsausschlusses durch Rechtfertigung danach zu fragen, warum trotz Vorliegens dieser Handlungen nicht gestraft werden sollte.8 Das Telos von Auslegung und Begriffsbildung im strafrechtlichen Kontext ist also jeweils Verhängen von Strafe beziehungsweise Straffreiheit. Bei dieser Betrachtungsweise finden sich auch im Allgemeinen Teil in gewisser Weise Rechtsgüter, die die Begriffsbildung und Auslegung zu bestimmen haben. Insbesondere im Bereich der Rechtfertigung kann dies - in gewissem Vorgreifen - in einer Skizze schon jetzt dargelegt werden: Der wertnegierenden Gutsverletzung im Unrechtstatbestand steht die werterhaltende Gutsbeachtung im Unrechtsausschluß gegenüber. Ist die Gutsbeachtung im Unrechtsausschluß erlaubt, wird damit in der jeweils besonderen Konfliktsituation eines Rechtfertigungsgrundes dieses beachtete Gut mit strafrechtlichen Mitteln geschützt. Jeweils geht es, einmal negativ im Unrechtstatbestand, das andere Mal positiv im Unrechtsausschluß um die Anerkennung von AchtungsanspTÜchen, sei es als Nichtverletzungsanspruch oder als Erhaltungsanspruch im Konflikt. Diese IRechtsgüter"9 werden in den Rechtfertigungsgründen jeweils besonders situativ ausgestaltet, d.h. etwa: Nicht die Erhaltung eines Guts auf Kosten eines anderen ist per se erlaubt, sondern nur in einem bestimmten situativen Kontext mit nach den Rechtfertigungsgründen jeweils unterschiedlicher Kontur. In der Notwehr etwa geht es im so verstandenen Sinne um das Rechtsgut empirische Geltung der Rechtsordnung. Worum es im rechtfertigenden Notstand geht, soll das Folgende erweisen.
6 Schmidhäuser, JuS 87, 373 (374). 7 Zum Begriff der formalen Strafwürdigkeit instruktiv und ausfUhrlich Alwart, S. 30 ff., zusammenfassend S. 75 f. 8 Alwart, S. 75 f. 9 Zum Rechtsgutsbegriff genauer unter 4. Kap. A.II.1.
1. Kapitel
Konzeption der Interessenabwägungsformel nach der heutigen Lehre Seit die Interessenabwägungsformel in § 34 S.l kodifIziert wurde, ist man sich verbal bei der abstrakten Beschreibung des Prinzips des überwiegenden Interesses in der Lehre weitgehend einig. Dieses Prinzip wird im Rahmen der Notstandslage, des Wesentlichkeitsmerkmals, bei den Kriterien der Interessenabwägung und schließlich beim Angemessenheitserfordernis vielfältig eingeschränkt. So zeigt sich, daß die Einigkeit nur vordergründig ist. Tatsächlich besteht erhebliche Unklarheit über Umfang und Methode der Interessenabwägungsformel des § 34 S.l.
A. Der Stand der gegenwärtigen Meinungen 1. Extensive Interpretation der Interessenabwägung dem Grunde nach: Das Allumjassungsprinzip Im allgemeinen wird die Interessenabwägungsformel1 praktisch übereinstimmend in Betonung einer möglichst weiten Auslegung als ein "umfassendes Prinzip"2 verstanden, welches nicht bloß auf eine Abwägung von Gütern beschränkt sei. Es handele sich bei der Interessenabwägung um das "maß-
1 Soweit im folgenden von Interessenabwägungsformel im Rahmen der Auseinandersetzung mit der heutigen Lehre und Rechtsprechung gesprochen wird, umfaßt dies den Vorgang der Interessenabwägung als Methode und auch den Vorrang des wesentlich überwiegenden Interesses als Entscheidungsprinzip, Recht von Unrecht zu scheiden. Diese Begriffsverwendung folgt der Tendenz in der heutigen Lehre, diesbezüglich nicht zu trennen (vgl. etwa Lencker in Schönke/Schröder, § 34 Rz. 22; Hirsch in LK, § 34 Rz. 3, S. 62 ff.; Lackner, § 34 Anm. 2c; demgegenüber aber Otto, Jura 85, S. 198: •... Interessenvorrang als Prinzip ...•; Hruschka, JuS 79, S. 38S (388); Jakobs, 13. Abschnitt, Rz. 1, bei denen eine Differenzierung anklingt).
2 So ausdrücklich: Lenckner in Schönke/Schröder, § 34 Rz. 22; Samson in SK, § 34 Rz. 3; Grebing GA 79, S. 81 (89); Maurach/Zipf, § 27, Rz. 22; Küper, Notstand, S. 28; zur Rspr. vgi. nur, OLG Stuttgart VRS 54, 288 (290); BGH NJW 76, S. 680 (681); aA. nur Hruschka, Strafrecht, S. 82, ohne allerdings hier eine material andere Lösung vonulegen, da er sich insoweit auf die Unterschiede von Aggressiv- und Defensivnotstand beschränkt. Zu seiner weiteren materialen Begründung a.a.O., S. 112.
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A. Der Stand der gegenwärtigen Meinungen
gebliche Entscheidungsprinzip" innerhalb des § 34,3 bei dem es auf eine komplexe4 "Gesamtabwägung'.5 bzw. "Gesamtbewertung,,6 des konkreten Einzelfalles7 ankomme. Viele Autoren meinen, bei dieser generalklauselartigen Grundregel8 handele es sich um einen weitgehend inhaltlosen9 und daher inhaltlich ausfüllungsbedÜTftigen10 Wertungsrahmen,ll der keine gesetzgeberische Entscheidung enthalte,u In ihm gebe es keinen Maßstab, die Wertung sei dem Richter überlassen. Die Regelung enthalte einen "Blankoscheck" für den Richter,13 mit der Anweisung, überhaupt "Recht zu fmden".14 Teilweise wird die Intressenabwägung dementsprechend inhaltlich für voll identisch mit dem Basissatz der monistischen Rechtfertigungslehren15 gehalten. 16 Zusammenfassend kann man sagen, die Interessenabwägungsformel wird rein formal17 und allumfassend begriffen.
Als Kernfrage zur Entscheidungsfmdung im Rahmen der Interessenabwägung soll es nach verbreiteter Terminologie darauf ankommen, welches der widerstreitenden Interessen in der konkreten Situation "schutZWÜTdiger" 3 Lenckner in SchönkejSchröder, § 34 Rz. 22; ders., GA 85, S. 295 (302); MaurachjZipf, § 27 Rz. 20: "wichtigstes und schwierigstes Regulativ ... "; Jescheck, § 33 IV 3: ·tragendes Prinzip".
4 Eser, I, Fall 12, Rz. 25a; Blei, § 44, S. 161; Küper, JZ 80, S. 755 (756). 5 Lenckner in SchönkejSchröder, § 34 Rz. 34 Rz. 11; Jescheck, § 33 IV 3c.
22; Eser, I, Fall 12, Rz. 25a, 28; Samson in SK, §
6 Hirsch in LK, § 34 Rz. 62. 7 Lenckner in SchönkejSchröder, § 34
Rz. 22; Haft, S. 94.
Rz.
22;
Lackner, § 34 Anm. 2e; MaurachjZipf, §
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8 Roxin, JuS 76, S. 505 (507); Seelmann, S. 32 ff.; Haft, S. 94: "... keine griffige Formel ..."; Küper, JZ SO, S. 755 (756): "... flexible Interessenabwägung ... "; ders. GA 83, S. 289 (290): •... unbestimmt gefaBt und schwer zu handhaben ..... 9 Lenckner, GA 85, S. 295 (308). 10 Lenckner, GA 85, S. 295 (308). 11 Seelmann, S. 45 f.; Krit.: K.H. Peters, GA 81, S. 445
(466); Hruschka, Strafrecht, S. 81.
12 H.
Schröder, FS-Schmidt, S. 293: •... keine echte Entscheidung .... ; Dencker, JuS 79, S. 779 (779): "... zu wenig Substanz, um gesetzgeberische Entscheidung zu sein ....; auch Lenckner, GA 85, S. 295 (306); derselbe Notstand, S. 205; Küper, Notstand, S. 28 Fn. 71. 13 Lenckner, Notstand, S. 206.
14 Dencker, JuS 79, S. 779.
15 Zu der Unterscheidung in monistische und pluralistiSChe Rechtfertigungslehren vergleiche später 1. Kap. C. I. 1. b. 16
Seelmann, S. (466 f.).
32;
wohl auch Eser, I, Fall
12,
Rz. 23; aA. K.H. Peters, GA
17 So ausdrücklich f. viele Lenckner, GA 85, S. 295 ff. (308).
81,
S.
445
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1. Kapitel: Konzeption nach der heutigen Lehre
sei;18 gleichzeitig sollen nur überhau~t schutzwürdige Rechtsgüter in die Interessenabwägungsformel eingehen. 9 Die Schutzwürdigkeit der (not-) pflichtgebundenen Rechtsgüter sei nicht gänzlich aus~schlossen, sie sei aber ihrem Umfang und Wirkungsgrad nach reduziert. Lenckner21 etwa nimmt die Abwägung in drei Stufen vor: Er fragt zunächst nach dem Rangverhältnis der betroffenen Rechtsgüter, dann nach der "Schutzwürdigkeit in der konkreten Lebenssituation" und schließlich soll berücksichtigt werden, daß sich die Güter in einer unterschiedlichen Lage gegenüberständen. Küper unterscheidet ähnlich: Er geht von dem abstrakten Rang der Rechtsgüter in der Rechtsordnung als Kernstück aus,22 fragt dann nach der konkreten situationsbezogenen Schutzwürdigkeit,23 und will schließlich "Abwägungsanlaß, Material und Ziel" untersuchen. 24 Zwischen dem, was abgewogen werden soll, und dem, wonach diese Abwägung vollzogen wird, wird nicht getrennt. Zunächst wird vielfach eine möglichst umfassende Analyse und Aufklärung der im Widerstreit stehenden Interessen gefordert. 25 Es gelte, so die Struktur des Konfliktes und seiner Elemente prägnant herauszuarbeiten.26 Entsf,rechend dem Gesetzestext wird die Abwägung von "Interessen" gefordert, 7 wobei man hierunter in weiter Begriffsbestimmun~ etwa die "Anteilnahme des Willens an Etwas,,29 18 Lenckner in Schönke/Schröder, § 34 Rz. 25; ders., GA 85, S. 295 (305), demzufolge Übetwiegen vorliege, wenn ·das Interesse an dem Schutz des bedrohten Rechtsgutes das Interesse an der Unterlassung· aus der Sicht der Rechtsordnung übetwiege; Küper, JZ SO, S. 755 (756): .... individuelle Schutzwürdigkeit ..... 19 Küper, Nötigungsnotstand, S. 117; Hirsch in LI