Die Herrschaft der Athener im Ersten Attischen Seebund [Reprint 2012 ed.] 9783110839937, 9783110047257


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German Pages 246 [248] Year 1974

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Erster Teil: System der Herrschaft
I. Athen und seine Herrschaftsmittel
A. Direkte Herrschaftsmittel
1. Militärische Überlegenheit
2. Kolonien
3. Besatzungen
4. Beamte
5. Strafmaßnahmen
6. Organisatorische Maßnahmen
7. Wirtschaftliche Herrschaftsmittel
B. Indirekte Herrschaftsmittel
1. Interessenlagen der Bündner
2. Rechtliche Bindungen
3. Die Rechtsgrundlage für die einseitigen Akte
4. Koloniestatus
5. Religiöse Bindungen
6. Ideologische Bindungen
7. Geistige Bindungen
II. Die Städte
1. Die politische Individualität der Städte
2. Das Verhalten der Städte gegenüber Athen
Zweiter Teil: Entstehung der Herrschaft
I. Die beiden Schichten der Herrschaftsstruktur
1. Die zeitgenössische Beurteilung: die athenische Herrschaft als etwas Außergewöhnliches
2. Die ursprüngliche Organisationsform
3. Das Verhältnis der ursprünglichen zur späteren Organisation
II. Die Herausbildung der neuen Schicht
A. Die Entwicklung nach der zeitgenössischen Beurteilung
1. Subjektives
2. Objektives
B. Die Ursprünge der faktischen Herrschaftsmittel
1. Anwachsen der Flotte
2. Kolonien
3. Besatzungen
4. Beamte
5. Strafmaßnahmen
6. Ergebnis: Krieg und Widerstand
C. Die Ursprünge der Organisation
1. Kapitulationsverträge
2. Verfassungsgebung und Neugründungen
3. Äußerer Anstoß: Überspannung der Kräfte
4. Innerer Anstoß: radikale Demokratie
5. Ergebnis
D. Die Triebkräfte der Entwicklung
1. Auswirkungen des Seebundes auf die Herausbildung der Demokratie
2. Wirtschaftliche und soziale Triebkräfte
3. Subjektiver Herrschaftwille
E. Zusammenfassung
III. Ergebnis
Dritter Teil: Charakter der Herrschaft
I. Vorhandene Begriffe
1. Imperialismus
2. Staatsrechtliches
3. Hegemoniale Symmachie
II. Analyse
1. Die einzelnen Stadien
2. Widerspruch zwischen den einzelnen Herrschaftsschichten
3. Widerspruch zwischen Durchsetzungstendenz und -möglichkeit
4. Grad der Ausgebildetheit
5. Grad der Stabilität
III. Schluß
Chronologischer Anhang: Die Datierung des Münzgesetzes
Nachtrag
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis
Namen- und Sachregister
Stellenregister
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Die Herrschaft der Athener im Ersten Attischen Seebund [Reprint 2012 ed.]
 9783110839937, 9783110047257

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Wolfgang Schüller Die Herrschaft der Athener im Ersten Attischen Seebund

Wolfgang Schuller

Die Herrschaft der Athener im Ersten Attischen Seebund

W DE G 1974 Walter de Gruyter · Berlin

New York

ISBN 3 11004725 Χ Library of Congress Catalog Card Number 73-93166 © 1974 by Walter de Gruyter 8c Co., vormals G. J. Gösdien'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp., Berlin 30, Genthincr Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Obersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nidit gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanisdiem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Drude: Walter Pieper, Würzburg Einband: Lüderitz Sc Bauer, Berlin

Für Cordelia

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete und ergän2te Fassung meiner althistorischen Habilitationsschrift, die Ende 1971 vom Fachbereichsrat des Fachbereichs Geschichtswissenschaften der Freien Univeristät Berlin angenommen worden ist. Bei ihrem jetzigen Erscheinen habe ich vielerlei Dank zu sagen. Hans Rudolph und Jochen Bleicken danke ich für die wissenschaftliche Förderung, die sie mir während meiner ersten Studienzeit haben angedeihen lassen; Jochen Bleicken danke ich noch besonders dafür, daß er den Anstoß für die vorliegende Arbeit gegeben hat. Werner Dahlheim, Jürgen Deininger und Rudolf Kassel haben die Habilitationsschrift gelesen. Für ihre Kritik und ihre mir auch sonst gewährte Hilfe sage ich ihnen auch an dieser Stelle noch einmal meinen Dank. Herrn Professor Wenzel vom Verlag Walter de Gruyter danke ich für die geduldige Betreuung des Erscheinens der Arbeit. Für das mühevolle Mitlesen der Korrekturen trotz sonstiger nicht geringer Verpflichtungen danke ich schließlich Jürgen Deininger und Gerd Holtkotten. Berlin, Sommer 1974

Wolfgang Schuller

Inhaltsverzeichnis Vorwort

VII

Einleitung

1

Erster Teil: System der Herrschaft I.

Athen und seine Herrschaftsmittel

11

A. Direkte Herrschaftsmittel

11

1. Militärische Überlegenheit a) Die Flotte b) Entfestigung der Städte

11 11 12

2. Kolonien a) Militärische Verwendbarkeit b) Beseitigung der Vorbevölkerung c) Neben bestehende Städte gelegte Kolonien d) Kolonien an den Grenzen

13 14 16 21 25

.

.

.

.

3. Besatzungen a) Peloponnesischer Krieg b) Frühere Epochen

32 32 34

4. Beamte a) Hellenotamiai b) Strategen c) Phrourarchen d) Episkopoi e) Archonten

36 36 37 39 40 42

5. Strafmaßnahmen a) Verfolgung schwerer Straftaten b) Verhängung schwerer Straf arten c) Gerichtszwang in anderen Fällen

48 49 50 52

6. Organisatorische Maßnahmen a) Zwei Klassen von Bündnern b) Vereinzelung der Untertanen

54 54 56

X

Inhaltsverzeichnis c) Vereinheitlichung der Untertanen d) Verfügungsgewalt über den Tribut

61 70

7. Wirtschaftliche Herrschaftsmittel a) Wirtschaftlicher Machtzuwachs Athens b) Wirtschaftlicher Druck auf die Bündner? c) Zusammenfassung B. Indirekte

71 71 74 79

Herrschaftsmittel

1. Interessenlagen der Bündner a) Wirtschaftliches Interesse b) Außenpolitisch-militärisches Interesse c) Innenpolitisches Interesse: Demokratie d) Mit Athen zusammenarbeitende Personengruppen

80

.

.

80 81 82 82 99

.

2. Rechtliche Bindungen a) Verträge und Treueide b) Sonstige Einzelverfügungen c) Leges generales d) Vertretung der Städte durch Athen 3. Die Rechtsgrundlage für die einseitigen Akte . . a) Übertragung des Musters der Kapitulationsverträge? . b) Begriff der Autonomie c) Keine formelle Rechtsgrundlage

100 101 106 106 108 .

. .

109 109 109 111

4. Koloniestatus 5. Religiöse Bindungen 6. Ideologische Bindungen a) Autorität b) Herrschaftsideologie

112 117 118 119 120

7. Geistige Bindungen

122

I I . Die Städte

125

1. Die politische Individualität der Städte a) Das Prinzip b) Einschränkungen

125 125 126

2. Das Verhalten der Städte gegenüber Athen a) Allgemeines b) Zustimmung c) Ablehnung d) Zusammenfassung

129 129 130 133 135

Inhaltsverzeichnis

XI

Zweiter Teil: Entstehung der Herrschaft I. Die beiden Schichten der Herrschaftsstruktur

139

1. Die zeitgenössische Beurteilung: die athenische Herrschaft als etwas Außergewöhnliches

140

2. Die ursprüngliche Organisationsform a) Kampfbund gegen Persien b) Zeitlich unbegrenzte Einzelverträge mit Athen c) Hegemonie bei Athen d) Keine athenischen Befugnisse in Tributsachen . e) Die Bundesversammlung

141 142 143 144 144 146

. .

. .

. .

3. Das Verhältnis der ursprünglichen zur späteren Organisation . a) Unverändertes b) Neue Erscheinungsformen neben Unverändertem . . . c) Gemeingriediisches in neuem Kontext d) Neue Elemente II. Die Herausbildung der neuen Schicht

151

A. Die Entwicklung nach der zeitgenössischen Beurteilung

.

.

1. Subjektives 2. Objektives

151 151 152

B. Die Ursprünge der faktischen Herrschaftsmittel 1. Anwachsen der Flotte 2. Kolonien 3. Besatzungen 4. Beamte a) Archonten b) Phrourarchen c) Episkopoi d) Wiederaufleben früherer Funktionen e) Strategen

.

.

5. Strafmaßnahmen 6. Ergebnis: Krieg und Widerstand

153 153 155 156 156 156 158 159 160 161 164 164

C. Die Ursprünge der Organisation 1. Kapitulationsverträge 2. Verfassunggebung und Neugründungen 3. Äußerer Anstoß: Überspannung der Kräfte

148 148 149 149 150

165

.

.

.

166 167 169

XII

Inhaltsverzeichnis

a) Stand der Entwicklung 454/53 b) Außenpolitische Ereignisse 4. Innerer Anstoß: radikale Demokratie a) Die radikale Demokratie b) Ubergang von Seebundsangelegenheiten auf den Demos c) Eigengesetzlichkeit der Demosherrschaft

169 172

.

5. Ergebnis

177 178 179 180 182

D. Die Triebkräfte

der Entwicklung

183

1. Auswirkungen des Seebundes auf die Herausbildung der Demokratie

183

2. Wirtschaftliche und soziale Triebkräfte a) Wirtschaftliche Vorteile Athens b) Die Rolle der sozialen Motive bei der Kolonisation . c) Die Rolle der wirtschaftlichen Versorgung 3. Subjektiver Herrschaftwille a) Führungswille b) Herrschaftswille

184 185 186 187 189 189 190

.

E. Zusammenfassung

192

I I I . Ergebnis

193

Dritter Teil: Charakter der Herrschaft I.

Vorhandene Begriffe

197

1. Imperialismus 2. Staatsrechtliches 3. Hegemoniale Symmachie

197 198 198

I I . Analyse

200

1. Die einzelnen Stadien 2. Widerspruch zwischen den einzelnen Herrschaftsschichten a) Herausbildung eines Dritten? b) Beteiligung der Beherrschten? c) Legitimierung?

200 .

201 202 203 203

3. Widerspruch zwischen Durchsetzungstendenz und -möglichkeit a) Tendenz zur absoluten Durchsetzung . . . . . b) Unmöglichkeit der Verwirklichung

204 204 205

4. Grad der Ausgebildetheit

206

Inhaltsverzeichnis

XIII

5. Grad der Stabilität a) Aktualität der Gewalt b) Aktualität der anderen Herrschaftsmittel

207 208 209

III. Schluß Chronologischer Anhang: Die Datierung des Münzgesetzes .

210 .

211

Nachtrag

217

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis

218

Namen- und Sachregister

226

Stellenregister

234

Einleitung Die Fragestellungen, unter denen der Erste Attische Seebund 1 bisher erforscht wurde 2 , gehen in zweierlei Richtung. Breiten Raum nimmt nach wie vor die Detailforschung vor allem durch die minuziöse Aufbereitung und Erklärung des inschriftlichen Materials ein, die deshalb so unentbehrlich ist, weil erst sie durch die Erklärung und Ergänzung der literarischen Überlieferung eine Gesamtbetrachtung möglich macht. 1 Es wurde darauf verzichtet, für den Seebund eine einheitliche Bezeichnung zu wählen, die vielleicht präjudizierend wirken könnte. Man wird also, was beabsichtigt ist, auf verschiedene Bezeichnungen stoßen. 2 Der Erste Attische Seebund ist seit A. Böckhs Pioniertat der systematischen Erschließung der attischen Urkunden 1817 (vgl. zuletzt D. Lewis, Boedch, Staatshaushaltung der Athener, in: Acta of the Fifth International Congress of Greek and Latin Epigraphy Cambridge 1967, Oxford 1971, S. 35-39; im übrigen sei ein für alle Mal hierfür und für alle weitere Literatur auf die nahezu vollständigen Bibliographien bei ATL IV 235' ff. [wo seltsamerweise Wilamowitz, Kydathen fehlt] und bei Balcer, Restrictions 415 ff. verwiesen) häufig Gegenstand wissenschaftlicher Bearbeitung gewesen. Sie lebte von der wechselseitigen Befruchtung von Klassischer Philologie, Epigraphik und Alter Geschichte: die Thukydides-Erklärung bekam durch neu gefundene Urkunden immer neue Anstöße, und umgekehrt mußte das ständig anwachsende epigraphische Material fortlaufend neu verarbeitet und gedeutet werden, und das ging nicht ohne die Einbeziehung der literarischen Überlieferung. Für die Zeit nach Böckh sind hier vor allen zu nennen U. Köhler, A. Kirchhoff, U. v. Wilamowitz-Moellendorff, G. Busolt, Ed. Meyer und K. J. Belocii, die in der Aufbereitung und Ausdeutung des Materials Wesentliches geleistet haben. Im englischen Sprachraum lag das Gewicht eher auf synthetischen Darstellungen wie Ferguson, Imperialism; Zimmern, Commonwealth; CAH V, die oft die Zuriickführung der Entwicklung auf einen einzigen, den ökonomischen Faktor zum Ziel hatten, so Cornford, Thucydides und Grundy, Thucydides. Ein entscheidender Schritt vorwärts wurde dann durch A. B. West (nach seinem frühen Tode trat M. F. McGregor an seine Stelle), B. D. Meritt und H. T. WadeGery getan, die seit den zwanziger Jahren die Tributlisten des Seebundes (zu ihnen u. S. 61 ff.) und auf sie bezogene Inschriften gemeinsam bearbeiteten und so weit es irgend möglich war wiederhergestellt und im Zusammenhang gedeutet haben, eine Arbeit, die außer in einer Fülle von Einzelbeträgen in dem vierbändigen, 1953 abgeschlossenen Werk „The Athenian Tribute Lists" gipfelte, auf das sich alle späteren Forschungen gründen, auch wenn sie in Einzelfragen abweichen. Eigens hervorzuheben ist, außer H. Schaefers Aufsätzen über die innere Umgestaltung des Bundes (sein Buch „Staatsform und Politik" hat einen eher geistesgeschichtlichen An-

2

Einleitung

Diese Gesamtbetrachtung beschränkte sich bisher darauf, daß sich die Forschung immer wieder mit der Frage der Umgestaltung des ursprünglich lockeren Bündnisses zwischen Athen und seinen Bundesgenossen am Ende der Perserkriege zu einem athenischen Herrschaftsgebilde beschäftigte, die herkömmlicherweise als Übergang von der Symmachie zur Arche oder zum Reich bezeichnet wird. Dabei stand die Frage nach der Datierung dieses Prozesses im Vordergrund und weniger die, worin eigentlich die Herrschaft Athens bestand und wie sie aufgebaut und zustandegekommen ist. Man ging von der ursprünglichen Existenz unabhängiger Bundesstaaten aus und registrierte lediglich die anwachsende Macht Athens und seine mehr oder weniger intensive „Einmischung in die inneren Angelegenheiten" der Bündner 3 . Oder anders gesagt: der Herrschaftsbegriff beschränkte sich weitgehend unreflektiert auf ein unverbundenes Nebeneinander von Institutionell-Juristischem und der Konstatierung und Erklärung von tatsächlicher, oft nur militärisch verstandener Machtanwendung. Herrschaft ist aber mehr als das. Nach dem Herrschaftsbegriff Max Webers, über den man, soweit ich sehe, in der Substanz nicht hinausgekommen ist 4 , ist Herrschaft „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden . . . Der Tatbestand einer Herrschaft ist nur an das aktuelle Vorhandensein eines erfolgreichen anderen Befehlenden . . . geknüpft" 5. Mit anderen Worten: Herrschaft ist ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen einem (hier: politischen) Individuum und einem oder mehreren anderen, in welchem das eine, das herrsatz), noch H. Nesselhauf, Untersuchungen, ein vorwiegend die Tributlisten auswertendes Werk, das, 1933 in der ersten Phase der Arbeit der angelsächsischen Gelehrten erschienen, in Bezug auf die Umgestaltung des Bundes vieles anders sah als Schaefer und die Verfasser der ATL, und deren „Nesselhauf view" in manchen Fragen weiterhin Gültigkeit beanspruchen kann (vgl. etwa u. S. 174f.). Der historische Thukydides-Kommentar von A.W.Gomme, seit 1945 erscheinend und bis jetzt mit dem bis Buch 7 führenden Band 4 von A. Andrewes und K. J. Dover weitergeführt, ist durch die Zusammenfassung der bisherigen wissenschaftlichen Arbeit in gewisser Weise auf dem Gebiet der literarischen Überlieferung ein Gegenstück zu den ATL. Von den vielen Einzelbeiträgen der letzten Jahre, vornehmlich angelsächsischen Ursprungs, seien als besonders hilfreich noch die Arbeiten von G. E. M. de Ste. Croix und vor allem R. Meiggs hervorgehoben, die vorwiegend auf der weiteren Arbeit mit dem epigraphischen Material basieren. 3 Busolt/Swoboda etwa nennen 1348 „Eingriffe in ihre (seil, der Bündner) Verfassung und Verwaltung"; Gomme spricht 1,380 von „Athenian inference in the Allies' international affairs", und ATL III nennen 142 denselben Sachverhalt „external control". * Brunner, Bemerkungen 70. 5 Weber, Grundbegriffe 336.

Einleitung

3

sehende, seinen Willen gegenüber dem oder den anderen, den beherrschten, in hinreichend reibungsloser Weise durchsetzen kann. Unbeschadet einer wechselseitigen Einwirkung aufeinander ist Herrschaft also grundsätzlich stets Herrschaft eines Subjekts über ein Objekt, und zwar ist nur die bloße Existenz des letzteren für den Begriff erforderlich, nicht noch dessen etwa im Widerstand sich zeigendes Bewußtsein davon, beherrscht zu sein. Herrschaft ist nämlich ein Tatbestand, der nur auf das Faktum der Willensdurchsetzung zwischen den Beteiligten abstellt; sie kann also auch dann vorliegen, wenn der Beherrschte sich subjektiv frei fühlt, ja, der Herrschende achtet tunlichst darauf, daß das möglichst weitgehend der Fall ist. Bewußtsein des Beherrschtwerdens und Widerstand sind nur Indikatoren dafür, daß überhaupt Herrschaft über ein Herrschaftsobjekt gegeben ist 6 . Das soll nicht heißen, daß es auf die Einstellung des Beherrschten überhaupt nicht ankomme. Er ist ja keine tote Sache, sondern besitzt eine, gewissermaßen natürliche, Subjekthaftigkeit, die sich in der Reaktion auf die Herrschaft äußern und diese insofern beeinflussen kann, und die sich in seiner Stellung zur Herrschaft ausdrückt. Diese Einstellung ist für die Abgrenzung zur Nicht-mehr-Herrschaft zwar nicht relevant, wohl aber für die Abgrenzung vom anderen Extrem. Herrschaft kommt nämlich nicht ohne ein gewisses Entgegenkommen des zu Beherrschenden aus; dieser muß sich bis zu einem gewissen Grade auf das Beherrschtwerden einlassen, sonst ist nicht mehr von Herrschaft, sondern nur noch von Zwang zu sprechen. Die totale Verweigerung bedeutet für den Herrschenden den Einsatz ständiger Gewaltanwendung, wogegen Herrschaft denn doch ein gewisses Mindestmaß an Verfestigung 7 und Selbsttätigkeit der Willensdurchsetzung voraussetzt. Das heißt, daß zur Diagnostizierung von Herrschaft feinere Instrumente als der bloße Zwang vorliegen müssen. Diese dem Denken der Gegenwart entstammenden methodischen Prämissen sind für eine einigermaßen fruchtbare Bearbeitung des Themas erforderlich, mehr wäre jedoch schädlich. Wir haben unsere eigenen Fragen an 6 In diesem Punkt anders als Heuß, Herrschaft und Freiheit 72 f., der audi das Wissen des Beherrschten von seiner Beherrschung zur Herrschaft zählt; wie hier jetzt Bleicken, Staatliche Ordnung 91. Zum Herrschaftsbegrifi vgl. im übrigen noch Brunner, Land und Herrschaft 113; ders., Bemerkungen, passim; Heuß, Stadt und Herrscher 1; ders., Herrschaft und Freiheit 74; Gehlen, Macht 77. Triepel, Hegemonie 32 f. 139 faßt Herrschaft als „Fähigkeit eines Willens, andere Willen durch die Aussicht auf äußeren Zwang zu motivieren, aber auch nur diese Fähigkeit" (33) zu eng, da er damit ausschließlich auf Zwang als Herrschaftsmittel abstellt. 7 Vgl. Gehlen a. a. O.

4

Einleitung

uns fremde Phänomene, müssen sie aber doch, uns auf die Ermöglichung des Zugangs zu ihnen durch eine adäquate Fragestellung beschränkend8, locker und sparsam formulieren, um der Gefahr zu entgehen, das Verständnis von vorneherein in falsche Bahnen zu lenken und zu präjudizieren. Zu vermeiden sind ebensosehr die einfache und durchgehende Übernahme moderner Begriffe wie das aus Furcht vor deren anachronistischer Anwendung entstandene andere Extrem der Flucht in die Begriffe der Quellen, das auf Tautologie hinausläuft. Weder darf die Eigenart des Phänomens durch moderne Kategorien hinwegerklärt werden, noch darf durch Reproduzierung des Fremden die Antwort auf Fragen unterbleiben, die doch Fragen der Gegenwart sind 9 . Dem allem entsprechend ist die vorliegende Arbeit aufgebaut. Sie hält sich, außer für die Fragestellung zu Beginn, von Begriffen historischer und sozialwissenschaftlicher Forschung nach Möglichkeit fern, die auf Grund anderen historischen Materials herausgearbeitet sind und versucht, die Dinge selbst sprechen zu lassen - mit dem Ziel freilich, zur Erkenntnis von Herrschaftsformen überhaupt beizutragen. Ihr Herrschaftsbegriff geht vom Grundtatbestand des Verhältnisses Herrschender-Beherrschter aus und verlangt nur wenig Kriterien: Willensdurchsetzung in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen politischen Individuen sowie Entgegenkommen des Beherrschten jedenfalls so weit, daß über den bloßen Zwang hinausgehende Herrschaftsmittel angewandt werden können. Da aber auch das Herrschaftsobjekt zugleich natürliche Subjekthaftigkeit besitzt, ist diese eigens für sich und in ihrer Auswirkung auf die Herrschaft selbst zu betrachten. Um Zugang zu der komplizierten Materie zu gewinnen, geht die Arbeit in ihrem ersten Teil zunächst davon aus, daß der Zustand einer Herrschaft durch bestimmte Mittel herbeigeführt und aufrechterhalten wird. Es liegt daher nahe, mit der Betrachtung der Herrschaftsmittel zu beginnen, wobei gleich darauf zu achten ist, aus dem instrumentalen Charakter solcher Mittel nicht auch auf einen finalen zu schließen, d. h. sie a priori als Werkzeuge in den Händen von subjektiv zur Herrschaft Entschlossenen zu sehen. Da es der Herrschaftsmittel über die nackte Gewalt hinaus eine Fülle der verschiedensten Arten gibt, ist eine Systematik unerläßlich, die, um nicht vorgefaßte Vorstellungen einfließen zu lassen, hier am neutralsten dadurch vorgenommen wird, daß die Herrschaftsmittel nach Intensitätsgraden gestaffelt werden 10 . 8 Ähnlich Nörr, Imperium und Polis 6 f. 9 Zum Problem der Verwendung moderner Begriffe vgl. zuletzt Bleicken, Staatliche Ordnung 9-11. 10 Hinter der Formulierung von ATL III 142, die vom „paramount agent for the

Einleitung

5

Dabei werden, wie es dem zugrundegelegten Herrschaftsbegrifi entspricht, zwei Grundtypen unterschieden. Zum einen die Mittel, mit denen der Herrschende von außen an den zu Beherrschenden herantritt, ihn lediglich als Objekt behandelt und ihn zur Hinnahme der Herrschaft veranlaßt. Das sind die direkten Mittel der physischen Gewalt, in verschiedenen Ausprägungen, und die der organisatorischen Maßnahmen. Da Herrschaft aber auf die subjektive Bereitschaft im zu Beherrschenden angewiesen ist, dem Herrschenden entgegenzukommen und dessen Herrschaft womöglich zu bejahen, wenn anders diese nicht ständig auf Zwangsmaßnahmen rekurrieren soll, müssen Mittel anderer Art hinzutreten. Diese indirekten Herrschaftsmittel bestehen darin, daß sie auf ein Interesse des Beherrschten am Beherrschtwerden bauen bzw. dieses hervorrufen, sowie darin, daß sie ihn anderweitig innerlich an den Herrschenden binden. Solche Bindungen sind zunächst die des Rechts und der Religion bzw. die der rechtlichen und religiösen Vorstellungen - also nicht das Recht oder die Religion als aus sich heraus wirkende, objektive Herrschaftsmittel. Dazu eine Erläuterung. Juristen wie Nichtjuristen neigen aus jeweils anderen Beweggründen leicht dazu, die Bedeutung des Rechts in diesem Zusammenhang dergestalt überzubewerten, daß ihm eine objektive Wirkkraft zugemessen wird, und daß, oft unbewußt, das Vorhandensein von Recht im technischen Sinne als eines verwissenschaftlichten (Staats- oder Völker-) Rechts vorausgesetzt wird, das mit präzisen Rechtsbegriffen arbeitet und in dem sich die Herrschaftsverhältnisse nahezu rein ausdrücken. Bei der Untersuchung von Herrschaftsverhältnissen - natürlich weniger bei der von rechtlichen Beziehungen11 - und ihren Mitteln sind beide Gefahren besonders stark, da die Herrschaft selbst, sofern sie sich einigermaßen verfestigt hat,

11

enforcement of law and order" (der Flotte) und von „more intimate details" sprechen, steht womöglich eine ähnliche Vorstellung; ähnlich auch schon Ferguson, Imperialism 66-70 („physical means") sowie jetzt die Gliederung bei Will, Le monde grec, bei der Behandlung des Seebunds 171-218: Le phoros, L'emprise militaire et politique, Imperialisme et economie, L'imperialisme et les dieux. Da bisher das zwischenstaatliche Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten in der Antike vorwiegend unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet? wurde (vgl. etwa Heuß, Stadt und Herrscher; Nörr, Imperium und Polis; Dahlheim, Völkerrecht), sei in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich festgestellt, daß die vorliegende Arbeit sich mit Herrschaftsbeziehungen beschäftigt, von denen die Rechtsbeziehungen nur ein Teil sind. Der Erste Attische Seebund ist, anders als andere Herrschaftssysteme, und vor allem anders als die römische Herrschaft, für diese Betrachtung deshalb besonders geeignet, weil er von den Beteiligten selber weniger als Rechts- denn als Herrschaftsverhältnis aufgefaßt wurde und weil dementsprechend in den Quellen weniger auf Rechtsfragen eingegangen wird als anderswo.

6

Einleitung

dazu neigt, sich rechtlicher Ausdrucksformen zu bedienen 12 , und da zu ihren Mitteln das der rechdichen Verpflichtung des Beherrschten gehört. In beiden Fällen ist die Versuchung groß, den rechtlichen Ausdrude für die Sache selbst zu nehmen. Es ist aber vielmehr so zu verfahren, daß man den rechtlichen Ausdrude einmal zu Rückschlüssen auf die zugrundeliegende tatsächliche Lage und die durch ihn umschriebenen Organisationsformen heranzieht, und daß man ihn andererseits weniger objektiv als vielmehr subjektiv wirkend in dem Sinne begreift, daß seine Bindungen allein dadurch wirksam werden, daß der rechtlich Verpflichtete meint, seine Verpflichtungen wegen ihres rechtlichen Charakters erfüllen zu müssen. Verträge und Gesetze entfalten, wenn sie nicht mit Gewalt oder mit der Drohung mit dieser durchgesetzt werden, ihre Wirkung nur dann, wenn sie den Rechtsvorstellungen der Adressaten so entsprechen, daß diese sich subjektiv durch sie gebunden fühlen. Bindende Wirkung hat also insoweit nicht das Recht, sondern nur die Vorstellung davon, daß es verpflichte. Entsprechendes gilt von der Religion. Neben den rechtlichen und religiösen sind als indirekte Herrschaftsmittel dann noch die zu behandeln, die dem zu Beherrschenden in noch anderer Weise das Gefühl der Legitimität der Herrschaft vermitteln, sei es durch eine politische Ideologie oder durch die Betonung der Überlegenheit des Herrschenden auf geistigem und kulturellem Gebiet. Da nun die Herrschaftsobjekte ihrerseits wieder natürliche Subjekte mit eigenen Interessen und eigenen Vorstellungen sind und als solche auf die Herrschaft einwirken und diese bestimmen, muß neben der Betrachtung der Herrschaft vom Herrschenden aus die Darstellung der Rolle der Beherrschten stehen. Mit dieser Betonung der dynamischen Wechselwirkung zwischen Herrscher und Beherrschten wird der Gefahr entgangen, in der Herrschaft eine eindimensionale Subjekt-Objekt-Beziehung zu sehen. Der erste Teil geht nun vom Zustand der athenischen Herrschaft etwa seit der Zeit ihrer vollen Ausbildung in der perikleischen Ära aus, wobei auch der Peloponnesische Krieg mit einbezogen wird. Diese Hereinnahme erfolgt bei vielen deshalb nicht, weil gemeint wird, die dort getroffenen Maßnahmen seien atypisch, weil sie eben durch einen Krieg erzwungene Notmaßnahmen seien 13 . Das kann aber deshalb kein Kriterium sein, weil Athen mit 12 Aus diesem Grunde meint Nörr, Staat 368, daß ein „wirklicher Gegensatz zwischen juristischer und nichtjuristischer Betrachtungsweise" ihm nicht zu bestehen scheine; offenbar zustimmend Ch. Meier, Besprechung Ehrenberg 377. 13 So etwa Gomme 1, 382; 2, 81; ATL III 147; zuletzt Balcer, Restrictions S. III, dessen Untersuchung außer an diesem engeren Blickwinkel trotz mancher zutreffender Beobachtung auch daran leidet, daß er sich kaum mit der wissenschaftlichen Litera-

Einleitung

7

Ausnahme der auch nur bedingt als Friedenszeit zu bezeichnende Epodie von 446 bis 431 - man denke an den samischen Aufstand 440/39 - ständig Krieg geführt hat. Man sollte daher eher die Friedensjahre atypisch nennen. Diese eher querschnittartige Betrachtung kann aber die Wechselwirkung zwischen Herrscher und Beherrschten nur unzureichend erfassen; die historische Dimension muß hinzukommen, durch die allein der in der Zeit wirkende Zusammenhang zwischen Wirkung und Gegenwirkung erklärt werden kann. Daher versucht der zweite Teil der Arbeit, die historische Herausbildung des im ersten Teil aufgefächerten Herrschaftssystems zu beschreiben. Dabei wird gleichzeitig versucht, die bei dieser Entwicklung maßgeblichen Triebkräfte zu bezeichnen, eine Aufgabe, der bisher nur durch gelegentliche Bemerkungen nachgekommen worden ist. Der dritte Teil schließlich setzt sich zum Ziel, die Herrschaft Athens zusammenfassend zu beschreiben und Ansatzpunkte zur Lösung der Frage aufzuzeigen, um was für eine Herrschaft es sich dabei gehandelt hat. Er soll dadurch einen Beitrag zu der beginnenden Diskussion über die Möglichkeit der Typenbildung bei antiken Herrschaftssystemen leisten, daß er versucht, die in den ersten beiden Teilen erarbeiteten Komponenten der athenischen Herrschaft zueinander in Beziehung zu setzen. Dabei wird es sich freilich angesichts des Standes der Diskussion nur um das Aufzeigen von Fragen, Kriterien und Möglichkeiten handeln können. Über diese allgemeinen Fragestellungen hinaus werden dann hoffentlich auch historische Einzelfragen einer weiteren Klärung zugeführt werden können u .

tur auseinandersetzt — und zwar auch für angelsächsische Verhältnisse zu wenig, vgl. dazu Georg Christoph Lichtenberg: „Der deutsche Gelehrte hält die Bücher zu lange offen, und der Engländer macht sie zu früh zu. Beides hat indessen in der Welt seinen Nutzen." (Schriften und Briefe, herausgegeben von Wolfgang Promies, Bd. 2, München 1971, S. 168, G 205). 14 Was die im einzelnen umstrittene Chronologie, insbesondere der einschlägigen Inschriften, betrifft, so folge ich derjenigen, die die wichtigsten Reichsgesetze eher in die Mitte des Jahrhunderts und nicht in den Peloponnesischen Krieg verlegt. Dieser Standpunkt ist in dem Chronologischen Anhang mit der gebotenen Kürze begründet.

Erster Teil: System der Herrschaft

I. Athen und seine Herrschaftsmittel Α. Direkte Herrschaftsmittel 1. Militärische Überlegenheit a ) Die Flotte. - Das augenfälligste und ursprünglichste Herrsdhaftsmittel war das der militärischen Überlegenheit; sie bestand vornehmlich in der Übermacht der athenischen Kriegsflotte über die der Bündner. Diese konstitutive Rolle der Flotte für den Bestand der athenischen Herrschaft ist in der antiken 1 und in der modernen Literatur selbstverständlich nie verkannt bzw. mit Recht immer stillschweigend als gegeben angenommen worden 2 . Bei Ausbruch des Peloponnesischen Krieges hatten außer Athen nur noch Lesbos und Chios eine Flotte 3 , nachdem Samos 439 entwaffnet worden war 4 , und auch Lesbos sollte mit Ausnahme von Methymna nach seinem mißglückten Abfallversuch 427 seine Schiffe einbüßen 5 . Die Funktion der Flotte als Herrschaftsmittel zeigt sich darin, daß sie es war, die die vielen abgefallenen oder unabhängigen Städte in den Bund (zurück-)zwang. Eigens bezeugt ist es von Thasos, Aigina, Samos, Poteidaia, Mytilene und Melos 6 , und von Naxos und von noch vielen anderen, namentlich nicht genannten, impliziert es Thukydides 7 . Auf die Städte, die einen Abfallversuch nie gewagt hatten, dürfte die Flotte ihre prophylaktische Wirkung nicht verfehlt haben. Sie bekamen ihre Präsenz regelmäßig durch die den Tribut einsammelnden kleineren Geschwader demonstriert, die auch gelegentlich militärische Aktionen unternahmen 8 , und nicht umsonst ließ ι Vgl. nur, e.g., T h u k . 2 , 1 3 , 2 ; 6 , 1 7 , 7 ; Ps.-Xen. 2, 4 f . ; Xen. Vect. 5,5. 2 ATL III 142: „ . . . the duties of the navy . . . are sufficiently obvious and so well attested that they need no further documentation here." Zur numerischen Stärke der Flotte siehe Amit, Athens 21-24; Eddy, Navy, passim; Blackman, Navy, 210-214. 3 Thuk. 1 , 1 9 . 4 Thuk. 1 , 1 1 7 , 3 . 5 Thuk. 3, 5 0 , 1 . 6 Thuk. 1 , 1 0 0 , 2 ; 1 , 1 0 5 , 2 ; 1 , 1 1 5 0.; 1 , 5 9 f f . ; 3, 3 ff.; 5 , 8 4 , 1 . 7 Thuk. 1 , 9 8 , 4 ; 1 , 9 9 , 3 . 8 Thuk. 2 , 6 9 , 1 ; 3 , 1 9 ; 4, 5 0 , 1 ; 4, 75,1. - Auch ohne aktuelle kriegerische Maßnahmen

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System der Herrschaft

Perikles Jahr für Jahr sechzig Trieren für jeweils acht Monate des Jahres auslaufen 9. Die Flotte war infolgedessen schließlich so übermächtig, daß sie Athen die Möglichkeit gab, den gesamten Verkehr auf der Ägäis zu kontrollieren, d. h. je nach politischer und militärischer Situation zu unterbinden oder zu gestatten. So verbot das Megarische Psephisma den Megarern den Zutritt zu den Häfen des gesamten athenischen Herrschaftsbereichs10; ebenso wurden im Waffenstillstand von 423 den Spartanern Fahrtbeschränkungen auferlegt und 417/16 sperrte Athen dem König Perdikkas von Makedonien die Benutzung des Seeweges12. Umgekehrt kennen wir eine ganze Anzahl von inschriftlich überlieferten ausdrücklichen Erlaubnissen an verbündete Städte und Einzelpersonen, die Ägäis zu befahren 13 , und wenn Athen Bündnern solche Erlaubnisse erteilte, ist damit auch die Erlaubnispflichtigkeit, d. h. ein latentes Verbot impliziert14. Wenn sich auch der größte Teil der Quellen auf den Peloponnesischen Krieg bezieht, so ist darin doch nur eine Aktualisierung von in der Struktur der athenischen Herrschaft angelegten Möglichkeiten zu sehen. Diese schon vorher bestehende Aktualität ergibt sich vor allem daraus, daß wir im Megarischen Psephisma ja eine Maßnahme in Friedenszeiten vor uns haben, die klar macht, welches Ausmaß die auf die Flotte gegründete und auch gegen die Bündner einsetzbare athenische Macht zur See auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung schon im Frieden erreicht hatte. b) Entfestigung der Städte. - Vervollständigt wurde Athens Überlegenheit dadurch, daß es darauf sah, daß die Städte zur Seeseite hin 15 ihre Mauern niederlegten, also der Flotte ausgeliefert waren. Am handgreiflichsten kann man diesen Tatbestand an den Kapitulationsbedingungen ablesen, zu denen unwillige Städte in den Bund gezwungen wurden. So mußten Thasos, Aigina, wirkte das Erscheinen dieser Kriegsschiffe: „was trotzdem an tributen rüdeständig blieb, ward im laufe des sommers durch νήες άργυρολόγοι eingetrieben, was denn schon den minder freundlichen Charakter der execution trug." (Wilamowitz, Aristoteles und Athen 2,205). 9 Plut. Per. 11,4 (zur Anzahl vgl. jedoch Eddy, Navy und Meiggs, Empire 427). 10 Thuk. 1,67,4; 1,139,1; Plut. Per. 29,4. Vgl. weiter dazu u. S. 77 ff. 11 Thuk. 4,118,5. 12 Thuk. 5,83,4. 13 Methone-Dekrete (ML 65) 34-41; Aphytis-Poteidaia-Dekret (ATL II D 21) 1-6; Aphytis-Dekret (Hill Β 84) 10-19; Lykon-Dekret (IG 1293) 11-18. 14 Ähnlich etwa Nesselhauf, Untersuchungen 64, der die Verkehrsfreiheit einen „nur prekären Zustand" nennt. 15 Auf der Landseite, also gegenüber der äußeren Bedrohung, mußten Mauern da sein; so etwa bei Poteidaia (Thuk. 1, 56, 2) und Teos (Thuk. 8,16, 3); vgl. auch Gomme 1,18.200.

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Samos und Mytilene ihre Befestigungen einreißen16, ja, Athen verlangte audi vorbeugend von abfallverdächtigen Städten, daß sie ihre Mauern schleiften: Poteidaia 17 und Lesbos18 weigerten sich und wurden belagert, während Chios dem Befehl nachkam Über diese in akuten Konfliktsituationen aktuell gewordenen Einzelfälle hinaus scheint es dann überhaupt allgemeine Politik gewesen zu sein, daß den Städten möglichst generell keine Mauern zur Seeseite mehr belassen wurden. Thukydides sagt nicht nur, daß im Peloponnesischen Krieg ganz Ionien unbefestigt gewesen sei 20 , sondern berichtet diesen Tatbestand auch von einzelnen, auch nichtionischen Städten wie Klazomenai, Kos, Kamiros auf Rhodos, Lampsakos und Kyzikos21; sogar Mytilene war zur Zeit seines Abfalls bereits unbefestigt und mußte zum Zwecke des Abfalls erst Mauern errichten 22, die sofort nach der Niederlage wieder geschleift wurden 23 . Diese einheitliche Politik meint der Komödiendichter Telekleides, wenn er sagt, die Athener hätten dem Perikles die gesamte Entscheidungsgewalt über das Reich abgetreten, einschließlich der teils zu erbauenden, teils niederzureißenden steinernen Mauern 24. 2. Kolonien Die Flotte als Instrument der (Wieder-) Gewinnung der Macht mit ihrem spektakulären und schwerfälligen Einsatz war nicht das einzige Machtmittel. Zwar entfaltete sie ihre prophylaktische Wirkung; trotzdem sollte 16 Thasos: Thuk. 1,101, 3; Aigina: Thuk. 1,108, 4; Samos: Thuk. 1,117, 3; Mytilene: Thuk. 3,50,1. 17 Thuk. 1,56,2. 18 Thuk. 3, 3, 3. 19 Thuk. 4,51. 20 3 , 3 3 , 2 : άτειχίστου γάρ ο {ίσης της 'Ιωνίας μέγα τό δέος έγένετο μή παραπλέοντες ot Πελοποννήσιοι, ει και ς μή διενοοΰντο μένειν, πορΰώσιν αμα προσπίπτοντες τάς πόλεις. Die Stelle bezieht sich schon ihrem Wortlaut nach nur auf die zur Seeseite hin fehlenden Mauern und nicht auf die Landseite zu Persien hin, wie Gomme 2, 294 f. glaubt. Vgl. auch o. S. 12 Anm. 15. 21 Thuk. 8,31,3; 8 , 4 1 , 2 und 8,108,2; 8,44,2; 8,62,2; 8,107,1. 22 Thuk. 3, 2,2; 3 , 3 , 5 . 23 Thuk. 3, 50,1. 24 F 42 = Plut. Per. 16,2 (zu diesem Fragment vgl. Schwarze, Perikles 97 f.). Die zu errichtenden Mauern sind die, die Athen für seine eigene Strategie baute, so ζ. B. in Megara (Thuk. 1,103,4) oder in Teos (Thuk. 8,16, 3). - Mit Recht wenden sich Brunt, Athenian Settlements 84 mit Anm. 54 und Meiggs, Empire 149 gegen WadeGerys Ansicht (Essays 219 f.), das Niederreißen der Mauern sei eine Bedingung des Kalliasfriedens gewesen. Wäre dem so, dann wäre nicht nur das Telekleides-Fragment pointenlos, sondern dann wäre dieser Vorgang an anderem Ort und zu anderer Zeit als für den Kalliasfrieden einschlägig (ζ. B. Poteidaia) unerklärt.

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man spezifischere Mittel der Sicherung der Macht erwarten. Als kräftiges Instrument dafür wirkte 25 die Ansiedlung von Athenern oder ihnen eng verbundenen Griechen in Kolonien auf bundesgenössischem Gebiet 26 . Das ist im Großen und Ganzen unmittelbar einleuchtend und natürlich auch schon im Altertum so gesehen worden 27 , bedarf aber doch über diese pauschale Bedeutung hinaus einer die Unterschiedlichkeit der einzelnen Kolonien berücksichtigenden Beweisführung. a) Militärische Verwendbarkeit. - Ihr militärischer Charakter, eine der Voraussetzungen, um sie als Mittel zur Sicherung der Macht ansehen zu können, steht außer Frage 28 ; die Siedler waren Hopliten oder wurden es mit ihrer Aussiedlung. Eigens bezeugt ist das im Falle der Chersones, wo die Ansiedlung als Zufuhr von kräftiger Mannschaft charakterisiert und als Verteidigungsmaßnahme gegen die Thraker motiviert wird 29. Es wird auch deutlich durch das Faktum, daß im Jahre 411 die Vierhundert zur militärischen Sicherung ihrer Pläne athenische Ansiedler u. a. von Aigina nach Athen holten 30 . Dieser militärische Charakter hatte im Zusammenhang der athenischen Machtausübung natürlich nur dann einen Sinn, wenn er auch für Athen nutzbar gemacht werden konnte, d. h. also, wenn die Beziehungen zwischen Athen und seinen Kolonisten so eng waren, daß diese weiterhin für Athen verfügbar blieben und in Athens Interesse eingesetzt werden konnten. Die engste denkbare Verbindung wäre die gewesen, daß die Kolonisten weiterhin im athenischen Bürgerverband geblieben wären, also das gebildet hätten, was man im Gegensatz zu der eine neue eigenständige Polis bildenden Apoikie eine Kleruchie zu nennen gewohnt ist 31 . Diese Unterscheidung stammt jedoch erst aus dem 4. Jahrhundert 32 , und es ist sehr fraglich, ob daraus Rückschlüsse auf die Verhältnisse des 5. Jahr25 Ob auch von vorneherein und immer so intendiert, ist eine andere Frage, vgl. das Folgende sowie u. S. 155. 26 Nicht diese Funktion haben infolgedessen Kolonien außerhalb wie Amisos und Sinope am Schwarzen Meer, sowie das von Athen mit Messeniern besiedelte Naupaktos am Golf von Korinth. 27 So etwa Plut. Per. 11,6; Diod. 15,23,4. 28 Vgl. etwa Plut. a. a. O. oder Gomme 2, 34 Anm. 1: „Colonists could not have been in effect very different from a garrison." 29 Plut. Per. 19,1. 30 Thuk. 8,69,3. 31 Schulthess, Κληροΰχοι 815; Busolt/Swoboda 1264 ff.; 1271 ff.; ATL III 285; Jones, Athenian Democracy 168; Gschnitzer, Abhängige Orte 111; Graham, Colony 167; Gauthier, Clerouques 67 f.; Werner, Rechtsbeziehungen 21 f. und Anm. 6. 32 Gschnitzer, Abhängige Orte 99 ff.; Graham, Colony 167; Gauthier, Clerouques 67; Brunt, Athenian Settlements 73.

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hunderts gezogen werden können 33 . Es ist im Gegenteil sogar wenig wahrscheinlich, da der literarische Sprachgebrauch, d. h. vor allem der des Thukydides, diese Unterscheidung nicht kennt und pauschal von den athenischen Ansiedlungen als von Apoikien spricht34. Das ist ein Zeichen dafür, daß zu dieser Zeit noch keine zwei so grundverschiedene Typen der Kolonien existierten, daß der Unterschied auch sprachlich hätte deutlich gemacht werden müssen 35 . Das einzige direkte Zeugnis des 5. Jahrhunderts, das Apoikien und Kleruchien unterscheidet, ist eine Inschrift, aus deren Wortlaut lediglich hervorgeht, daß die athenische offizielle Sprache beide Typen kannte36; welcher Art dieser Unterschied war, ist für uns nicht zu entnehmen v . Da also zumindest unklar ist, ob der für das 4. Jahrhundert bestehende Unterschied schon für das 5. Jahrhundert nachzuweisen ist, empfiehlt es sich nicht, von dieser nicht beweisbaren Prämisse aus den einzelnen Ansiedlungen den einen oder den anderen Charakter zuzuschreiben; ein Unterfangen, das Zirkelschlüsse begünstigt und das erfahrungsgemäß zu keinem sicheren Ergebnis führt. Vielmehr ist es zweckmäßiger, wie Thukydides zu verfahren und lediglich von Kolonien zu sprechen und darunter sämtliche athenischen Ansiedlungen im Bundesgebiet zu verstehen, zumal Thukydides denselben Gesichtspunkt wie wir, den machtmäßigen, im Auge hat 38 . 33

Ähnlich Gomme2,256; Gschnitzer, Abhängige Orte l l l f . mit Anm. 24; Gauthier, Clerouques 68 mit Anm. 14; 69. 34 ATL I I I 284-297 hatten versucht, Thukydides' Sprachgebrauch als mit der strikten Unterscheidung des 4. Jahrhunderts übereinstimmend zu erweisen; es ist ihnen jedoch nicht gelungen: Ehrenberg, Colonization; Graham, Colony 189; Brunt, Athenian Settlements 73; Gauthier, Clerouques 69; Wever/Compernolle, „Colonisation" 475-477. 497; Werner, Rechtsbeziehungen Anm. 6 auf S. 22 f. 35 Ehrenberg, Kolonisation hatte schon 1939 gegen die strikte Trennung von Apoikie und Kleruchie im 6. und 5. Jahrhundert argumentiert und sehr mit Recht auf den politischen statt auf den damaligen Vorstellungen fremden juristischen Charakter der Ansiedlungen das Gewicht gelegt. Allerdings ging auch er noch, auf Grund von IG I 2 140 (davon sogleich), von dieser Unterscheidung aus und meinte nur, „daß man innerhalb der athenischen Kolonisation . . . beide Formen vermengte" (221) bzw. daß es „Zwischenstufen" zwischen „der reinen Kleruchie und der reinen Apoikie" gab (236). Die umgekehrte Lösung ist vorzuziehen: statt von einer „Vermengung" juristischer Begriffe des 4. Jahrhunderts auf der Wende vom 6. zum 5. Jahrhundert zu sprechen, sollte man sagen, daß es diese Begriffe damals eben noch nicht gab und daß sie sich erst später herausgebildet haben. 36 IG 12140, 8 f.: . . . ταί]ς άποικίαις και κληρουχία[ις . . . 37 Der Unterschied muß ein anderer als der des 4. Jahrhunderts gewesen sein; womöglich bestand er in dem Sinne, daß Kleruchen lediglich Inhaber eines Landloses waren (Brunt, Athenian Settlements 87), die sich zeitweilig als Besatzung an dem Ort aufhielten, wo sich das Landlos befand (Gauthier, Clerouques 66-74); vgl. auch Parschikow, Status 3-11, der ähnlich unterscheidet. 3 8 Gauthier, Clerouques 69 meint mit Recht von Thukydides und seinem Spradige-

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Das ist auch deshalb für unsere Zwecke umso ungefährlicher, als auch in den Einzeluntersuchungen, die von dem wesensmäßigen Unterschied zwischen Kleruchie und Apoikie schon im 6./5. Jahrhundert ausgehen, festgestellt worden ist, daß auch die als Apoikien klassifizierten, also eigene Poleis bildenden Siedlungen, in weitaus engerem Maße an die Mutterstadt Athen gebunden waren, als sonst bei Apoikien üblich39. Wir können also getrost davon ausgehen, daß alle athenischen Kolonien des 5. Jahrhunderts besonders eng an Athen gebunden waren und daher nicht nur insofern imperialen Charakter hatten, als sie mit Athen zusammen selbst ein Herrschaftsgebilde ausmachten, sondern weiter auch deshalb, weil sie die Möglichkeit boten, auf die anderen Griechenstädte im Bund im Interesse der athenischen Machtausübung einzuwirken. Es muß nun also geprüft werden, ob und auf welche Weise die athenischen Ansiedlungen tatsächlich als Herrschaftsmittel gegenüber den Bündnerstädten wirkten. Zunächst ist festzuhalten, daß Athen das Monopol der Koloniegründung hatte; der Ausschluß der anderen Städte zeigt schon einmal, daß es nur um die Durchsetzung athenischer Interessen ging. Jedoch müssen im einzelnen die konkreten Umstände betrachtet werden, unter denen jede Kolonie gegründet wurde, sowie die Folgen für die Bündner, die sich aus der jeweiligen Ansiedlung ergaben. b) Beseitigung der Vorbevölkerung. - Ins Auge springt die frühe Gruppe von Ansiedlungen auf Bundesgebiet, denen die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung vorausging. aa) Von den frühesten Ansiedlungen dieses Typs, den athenischen Kolonien auf Lemnos (und Imbros) noch vor den Perserkriegen40 sowie von

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brauch, daß „les ressemblances lui paraissaient sans doute plus importantes que les differences"; ähnlich Wever/Compernolle 476 - der Schluß daraus, daß substantielle Unterschiede eben nicht bestanden, wird jedoch nicht gezogen. Ehrenberg, Kolonisation 235; Graham, Colony 209 f.; Werner, Rechtsbeziehungen 67 f. 73. Der jüngere Miltiades hatte Lemnos und Imbros zwischen 510 und 506 erobert, worauf Athen auf Lemnos athenische Kolonisten ansiedelte (Hdt. 6,136,2; 6,140; Berve, Miltiades 54 ff.; ders., Tyrannis 1, 82 f.; 2,567 f.; Busolt/Swoboda 1273 Anm. 1; Hampl, Poleis 437-441; Meiggs, Empire 424). Miltiades hatte dabei nicht aus privatem Herrschafts- und Eroberungstrieb gehandelt, sondern für Athen (Hdt. a.a.O.; Berve, Tyrannis 1,83; vgl. auch Ehrenberg, Kolonisation 239), das auch offiziell durch die von Staats wegen erfolgende Entsendung von Kolonisten reagierte (vgl. die Inschrift auf einem von Athen nach Olympia gestifteten Helm 'Αθηναίοι [τ]δν έγ Λέμν[ο(υ), Ε. Kunze, Eine Wafienweihung der Athener in Olympia, Festschrift Carl Weickert, 1955, 18. 20). - Imbros betrachtete Miltiades angeblich als seinen privaten Besitz, was daraus geschlossen wird, daß er sich 493 auf der Flucht

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Eion und Skyros kurz nach der Gründung des Seebundes 4 1 ist es nun allerdings klar, daß jedenfalls sie sich nicht gegen Bundesmitglieder richten konnten: die vertriebene Bevölkerung war nicht griechisch 42 , der Bund war noch gar nicht bzw. eben erst gegründet, und die geographische Lage legt, im Zusammenhang mit der auch früher athenisch beherrschten Chersones 43 , eine rein nach außen, d. h. auf die Sicherung der Kornversorgung aus dem Schwarzmeergebiet gerichtete Zweckbestimmung nahe 44 . Gerade das zwingt aber zu einem weitergehenden Schluß. W e n n nämlich die Besiedelung v o n Lemnos und Imbros der Sicherung der Versorgung Athens gedient hat, so folgt daraus, daß mit dieser Besiedelung mitten in die Ägäis hinein rein athenische Machtschwerpunkte gelegt wurden, die das Meer deutlich in zwei Teile teilten. Hier galt es also, lebenswichtiges athenisches Interesse wahrzunehmen, gleich gegen wen, also auch, wenn sich die Notwendigkeit ergeben sollte, gegen in der Nähe gelegene griechische Städte. Es war dann folgerichtig, daß Athen sofort nach der Gründung des Bundes nichts eiligeres zu tun hatte, als im eroberten Eion eine rein athenische Kolonie zu gründen und anschließend die Lücke zwischen Lemnos und Attika durch die athenische Besiedelung von Skyros und die Eroberung von Karystos 4 5 zu schließen. dorthin zurückzog (Wade-Gery, Miltiades 163 mit Anm. 2; Berve, Tyrannis 2,568); jedoch ist dieser Schluß keineswegs zwingend, denn warum hätte Miltiades sich nur dann dorthin flüchten können und nicht auch, wenn es athenischer Besitz war? 41 Thuk. 1,98,1 f.; Plut. Kim. 7,3. 42 Hdt. 5,26; 6,136,2; 6,140,1 spricht von Pelasgern; Diod. 10,19,6 gar von Tyrrhenern. 43 Miltiades der Ältere war 561/60 von den ansässigen Dolonkern aus Athen auf die Chersones gerufen worden (Hdt. 6, 35 ff.; 6,140,1) und hatte dann auf der Halbinsel mehrere Griechenstädte gegründet (Berve, Tyrannis 1, 80; 2,565). Sein Nachkomme Miltiades d.J. folgte 516/15 (Hdt. 6,39). Berve (Miltiades 9 ff.; Tyrannis 1,80 f.; 2,564 f. mit Literatur) argumentiert hinsichtlich des Charakters der Herrschaft der beiden zwar insgesamt vielleicht zu Recht dahin, daß sie eher persönlichen als staatlichen Charakter hatte, wenngleich mit Ehrenberg, Kolonisation 223 gesagt werden muß, daß eine solche streng durchgeführte Trennung den politischen Charakter einer solchen Herrschaftsform unterbewertet. Berve unterbewertet aber jedenfalls die Intensität der bestehenden Bindungen der Philaiden auf der Chersones zu Athen. Der Tatsache, daß beiden von Peisistratos und von seinen Söhnen keine Hindernisse in den Weg gelegt wurden, bzw. sie bei ihrer Ausreise noch gefördert wurden (Hdt.), kann kaum mit dem Argument begegnet werden, daß Peisistratos und seine Söhne gefährliche Gegner hätten loswerden wollen. Gerade die Festsetzung der Peisistratiden in Sigeion unter Peisistratos' Sohn Hegesistratos läßt dieses Motiv als ausgeschlossen erscheinen, da auf diese Weise ausgerechnet die Peisistratiden selbst dafür gesorgt hätten, daß geschworene Gegner gegenüber auf der anderen Seite des Hellespont Fuß faßten. Die geographische Lage macht vielmehr eine andere Lösung wahrscheinlicher, nämlich die, daß die Philaiden natürlich nicht als subalterne Gehilfen, aber doch im engen Einvernehmen mit den Peisistratiden auf die Chersones gegan-

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Läßt sich aus diesem quer durch das Seebundsgebiet gelegten athenischen Riegel nur allgemein eine Machtstellung folgern, so kann man doch in einigen Einzelfällen nachweisen, daß von dieser Machtbasis aus gegen die Seebundstaaten Gebrauch gemacht wurde. Einmal können wir feststellen, daß im Jahre 450 die Kolonie auf Lemnos durch neue Siedler verstärkt wurde 46 , d. h. in einer für Athen besonders kritischen Zeit 47 . Zehn Jahre später diente das geographisch dafür keineswegs geeignete, aber besonders zuverlässige Lemnos dazu, Geiseln des samischen Aufstandes für Athen aufzunehmen4S, und spielte auch bei der abschließenden Regelung eine leider nicht näher zu bestimmende Rolle 49. Schließlich stellten die Lemnier und Imbrier eine besonders zuverlässige Truppe, die zusammen mit nur einigen wenigen Bundesgenossen gegen die aufständischen Lesbier 4 2 7 5 0 und auch sonst an hervorragender Stelle verwendet wurde 51 . Wir können also feststellen, daß ursprünglich strategisch nach außen angelegte Machtbasen sich später sehr konkret nach innen auswirkten. bb) Weitaus unmittelbarer der Sicherung der Macht Athens im Seebund dienten nun die Kolonien, die später und auf dem Boden griechischer Städte gen sind. Ähnlich hatte schon Ehrenberg, Kolonisation 224 f. argumentiert (vgl. jetzt auch H. W. Pieket, The Archaic Tyrannis, Talanta 1 [1969] S. 19-61 [56 f.]), wogegen Berve, Tyrannis 1, 80; 2,564 f. nur pauschale Ablehnung ins Feld führt. Eine solche Herrschaft im Sinne der heimischen Tyrannen mußte auch nicht, wie Berve meint, durch einen Angehörigen des Tyrannenhauses ausgeübt werden. Die Archontenliste ML 6 zeigt vielmehr, daß mit Kleisthenes (c 3) die Alkmeoniden und mit Miltiades d. J. (c 4) die Philaiden treue Stützen der Tyrannen waren. Als Ergebnis bleibt, daß die Philaidenherrschaft auf der Chersones in engem Zusammenhang mit Athen stand, was auch dadurch gestützt wird, daß Miltiades d. J. immerhin Lemnos für Athen erobert hat (vgl. o. S. 16 Anm. 40). Ähnlich Ehrenberg, Kolonisation 230 f.; vgl. u. S. 187 fi. 45 Thuk. 1, 98, 3 mit Gomme 1, 281 f. ad loc. 46 ATL III 46 f.; 290-293; Graham, Colony 178-180; Brunt, Athenian Settlements Anm. 38 auf S. 91; Meiggs, Empire 158.160. 424 f. (jeweils mit Literatur) wegen der für diese Zeit festzustellenden Tributherabsetzung, wegen zweier athenischer Gefallenenlisten, die auch Lemnier aufführen (IG 12947. 948) und wegen der Aufzählung der athenischen Kolonisten bei Thuk. 7,57, 2. Nesselhauf, der Untersuchungen 127 Anm. 3 die Neuzusiedlung verneinte, hatte die Gefallenenlisten nicht berücksichtigt. 47 Vgl. u. S. 175 ff. 48 Thuk. 1,115, 3. 49 Samos-Dekret (ML 56) 4. so Thuk. 3 , 5 , 1 . 51 Bei Thuk. 4 , 2 8 , 4 brüstet sich Kleon damit, nahezu nur mit den Lemniern und Imbriern werde er die Spartaner bei Pylos schlagen, und 5, 8, 2 begründet Thukydides die spartanische Unterlegenheit vor Amphipolis damit, daß Lemnier und Imbrier auf athenischer Seite mitkämpften. ATL III 293 sprechen davon, daß die Lemnier „appear again and again as a kind of mobile unit at the disposal of Athenian generals" (dagegen wohl irrig Gomme 2, 255 f.).

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errichtet wurden. Es sind nicht wenige: nach dem Aufstand von Euboia von 446 wurden die Einwohner von Hestiaia vertrieben und Athener angesiedelt 52 ; nach Ausbruch des Peloponnesischen Krieges vertrieben die Athener die Aigineten und besiedelten das Land etwas später mit eigenen Leuten 53 ; im Winter 430/29 wurde Poteidaia nach langer Belagerung den Athenern übergeben, wobei die Einwohner durch Vertrag die Stadt verlassen durften, in der bald darauf Athener angesiedelt wurden 54 ; im Sommer 423 fiel die südlich von Poteidaia gelegene Stadt Skione ab 55 und wurde zwei Jahre später zurückerobert: die Männer wurden getötet, Frauen und Kinder in die Sklaverei verkauft und an ihrer Stelle Plataier angesiedelt56, die das athenische Bürgerrecht hatten 57 und sich vor der Verfolgung durch Sparta wegen ihrer Freundschaft zu Athen hatten retten können58. Dasselbe Schicksal ereilte die Einwohner von Melos, die erst nach einer Belagerung 416/15 von Athen in den Bund gezwungen werden konnten - auch hier tötete Athen die Männer und versklavte die Frauen und Kinder, während es die Insel mit einer eigenen Kolonie besiedelte59. Obwohl es Athen oft vordergründig auf die Beseitigung der Bevölkerung ankam 60, verbietet es sich gleichwohl, die Vertreibung bzw. Ausrottung als Machtmittel für sich zu betrachten. Abgesehen davon, daß sicherlich auch das Vorbild der Kolonien auf Lemnos, Imbros und Skyros mitgewirkt hat, wo die Vertreibung der Vorbevölkerung und die Ansiedlung der Athener uno actu geschehen ist, haben wir es nur in einem einzigen Fall, dem von Torone 52 Thuk. 1 , 1 1 4 , 3 ; Theop. FGrHist 115 F 387 ( = Strab. 10,445); Diod. 1 2 , 7 . 2 2 , 2 ; Plut. Per. 23,4. 53 Thuk. 2,27; 7, 57,2; 8, 69, 3; Plut. Per. 34,2. 54 Thuk. 2,70, 3 f.; Diod. 1 2 , 4 6 , 7 ; ML 66; Aphytis-Poteidaia-Dekret (ATL II D 21). 55 Thuk. 4 , 1 2 0 - 1 2 3 . 56 Thuk. 5 , 3 2 , 1 ; Diod. 12,76, 3; 1 3 , 3 0 , 6 . 57 Thuk. 3 , 5 5 , 3 ; vgl. Gomme 2,339 f.; 4,30. 58 Zum Teil waren sie schon vor der Belagerung von Plataiai durch Sparta nach Athen geflüchtet (Thuk. 2 , 6 , 4 ; 2,78,3), zum Teil hatten sie sich durch einen Ausfall retten können (Thuk. 3,24,2). 59 Thuk. 5 , 1 1 6 , 4 ; Andok. 4, 22 f.; Diod. 12, 80,5; 13, 30, 6. 6 0 Das kann man in Einzelfällen noch deutlich erkennen. Von Aigina hören wir, daß es Athen überhaupt störte, ohne daß man an weiteres gleich gedacht haben muß (Plut. Per. 8, 7; Thuk. 2. 27,1). Im Fall Skione wird bei der Nachricht vom Abfall zunächst nur beschlossen, die Einwohner hinzurichten (Thuk. 4 , 1 2 2 , 6 ) , ohne daß man sich über das weitere Vorgehen klar wurde. Ebenso dachte man bei dem ersten Beschluß über Mytilene nur daran, die Männer zu töten und Frauen und Kinder zu versklaven, ohne eine Koloniegründung zu beschließen (Thuk. 3,36,2), und bei Poteidaia nahmen die Athener es ihren Feldherrn übel, daß sie die Einwohner hatten ziehen lassen (Thuk. 2, 70,4). Schließlich wurde 422 die Bevölkerung von Torone auf der Chalkidike gefangengenommen bzw. versklavt (Thuk. 5, 3, 4), eine Kolonie aber nicht angelegt.

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im Archidamischen Krieg 61 , mit der Vertreibung ohne nachfolgende Ansiedlung zu tun. Das Spezifische war gerade, daß man es bei der bloßen Vertreibung nicht bewenden ließ, sondern die anschließende athenische Besiedlung mindestens als notwendiges Korrelat, in Wirklichkeit aber doch als die Hauptsache empfand, nämlich als den für die dauernde Sicherung der Macht entscheidenden Schlußstein 62 . cc) Aus der Entstehung dieser Gruppe von Kolonien folgt ihre Funktion und Zielrichtung: sie richteten sich direkt gegen Städte, die von Athen abgefallen waren oder sonst für unzuverlässig gehalten wurden 63 . Entsprechend sind die Ansiedlungen während des Peloponnesischen Krieges nicht als spezifische Kriegsmaßnahmen gegen einen äußeren Feind zu werten. Zum einen hat diese Art der Koloniegründung ja schon 446 im Fall von Hestiaia stattgefunden, als es keinen äußeren Feind gab, und ist im übrigen auch von Xenophon in eine Linie mit den anderen Kolonien gestellt worden, wenn er berichtet, die Athener hätten nach ihrer endgültigen Niederlage im Peloponnesischen Krieg befürchtet, wie die Einwohner von Melos, Hestiaia, Torone und Aigina behandelt zu werden 64 . Zum anderen wandten sich alle diese Kolonien als Reaktion auf Aufstände nach innen und richteten sich so auf die Erhaltung des Bestandes des athenischen Herrschaftsgebietes. Vor allem ist zu beachten, daß die Abfallbewegungen im thrakischen Raum älter S. vorige Anmerkung a. E. Wäre es beim Ausrottungsbeschluß für Mytilene (dazu unten S. 25 Anm. 86) geblieben, hätte Athen die Stadt nicht als Machtvakuum bestehen lassen können, sondern hätte sich gezwungen gesehen, die Stadt wieder aufzufüllen. Diese Konsequenz mag bei der Änderung des ersten Beschlusses eine Rolle gespielt haben. - Dagegen sprechen auch nicht die die Behandlung der Bevölkerung in den Vordergrund stellenden Bemerkungen Xenophons und Isokrates' (s. u. S. 21 zu Anm. 68. 69): selbstverständlich beschäftigte vor allem die Brutalität dieser Maßnahme die öffentliche Meinung (vgl. dazu Kiechle, Humanität 557), weniger die Gesamtheit des Vorgangs. 63 So bei Aigina (Thuk. 2 , 2 7 , 1 ) . Von Hestiaia berichtet Plut. Per. 2 3 , 4 , daß die Vertreibung der Hestiaier und die Anlage der Kolonie deshalb stattgefunden habe, weil die Hestiaier athenische Gefangene getötet hätten; ein besonders sinnfälliges Zeichen von Unzuverlässigkeit. Melos halte ich gegen M. Treu, Historia 2 (1953/54) S. 253-273 und Historia 3 (1954/55) S. 58 f., sowie A. E. Raubitsdiek, Historia 12 (1963) S. 78-83 mit W. Eberhardt, Historia 8 (1959) S. 284-314 nicht für ein Mitglied des Seebundes (so audi zuletzt Gomme 4 , 1 5 6 . 1 8 9 f. mit Kritik an Raubitschek), sondern im Wege einer „Annexion auf dem Papier" im Jahre 425 auf die Veranlagungsliste des Thudippos (ML 69, 65) gesetzt. Nach dem thukydideischen Bericht im Melierdialog wurde es, da es sich weigerte, dem Bund beizutreten, wie ein abgefallenes Mitglied eingeschätzt und entsprechend behandelt. Es war Athen keineswegs fremd, Städte „for their propaganda value" zu veranlagen; siehe die Beispiele in ATL I I I 345. Gegen die Tributpflichtigkeit jetzt auch E. Buchner, Die AristophanesSdiolien und die Frage der Tributpflicht von Melos, Chiron 4 (1974) S. 91-99. 61

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Μ Xen. Hell. 2 , 2 , 3 .

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als der Peloponnesische Krieg sind; man denke an die Unruhen Anfang der vierziger J a h r e Z u d e m ist der Peloponnesische Krieg u. a. gerade auf Grund eines Abfalls, dem von Poteidaia, ausgebrochen, war also dessen Folge und nicht umgekehrt. Daß dann in diesem innergriechischen Krieg die Abfallbewegung sich intensivierte und mit ihr die athenische Reaktion darauf, ist eine andere Frage, die in anderem Zusammenhang interessiert 66 . Freilich stellt eine solche radikale Antwort auf die Frage der Sicherung der Macht zugleich die Aufhebung dieser Frage selbst dar: sie wird gegenstandslos, wenn der zu Beherrschende überhaupt beseitigt und durch den Herrschenden ersetzt wird. Gleichwohl war diese Art der Koloniegründung nicht nur für die unmittelbar Betroffenen relevant. Wie sich aus der Natur der Sache ergibt, dürfte sie ihre präventive Wirkung auf andere Bündner nicht verfehlt haben; auch war diese Wirkung intendiert, wie wir es ausdrücklich von Skione hören 67. Daß diese Praxis richtig verstanden worden ist - sich aber, wie es mit Präventivmaßnahmen oft zu gehen pflegt, auch zuungunsten des Anwendenden auswirkte - , können wir auch daran erkennen, daß sie Athen immer wieder vorgehalten wurde; die Athener selbst fürchteten bei ihrer Niederlage 404 im Gedanken an ihre Behandlung von Melos, Hestiaia, Skione, Torone und Aigina ein ähnliches Schicksal6S, und Isokrates hatte sich später gegen entsprechende Vorwürfe zur Wehr zu setzen69. Bei diesen Vorwürfen stand natürlich wegen ihrer spektakulären Scheußlichkeit die Behandlung der Bevölkerung im Vordergrund; daß aber auch an die Kolonien gedacht war, folgt aus einer auf Ephoros zurückgehenden Bemerkung Diodors, daß die Athener noch 380 wegen der Kolonien, die sie im 5. Jahrhundert bei ihren niedergeschlagenen Gegnern eingerichtet hatten, in schlechtem Rufe standen 70 . c) Neben bestehende Städte gelegte Kolonien. - Nicht so unmittelbar wie bei den eben abgehandelten Kolonien wirkten diejenigen, die innerhalb des Bundesgebietes mehr oder weniger dicht neben bestehende Siedlungen gelegt wurden, ohne die Bevölkerung zu vernichten oder zu vertreiben 71 . Bei « s. u. S. 175 ff. 66 s. u. S. 192. 67 Diod. 12, 76, 3. Wenn wir beim Ausrottungsbeschluß im Falle von Mytilene auch eine Koloniegründung impliziert denken (vgl. S. 25 Anm. 86), hat nach der KleonRede (Thuk. 3,37-40, insbesondere 40, 7) auch hier der Abschreckungsgedanke eine entscheidende Rolle gespielt. 68 Xen. Hell. 2,2, 3. 69 Isokr. 4,100 (Erwähnung von Melos und Skione); 12,63 (Erwähnung von Melos, Skione und Torone). 70 Diod. 15,23,4. 71 Die Tatsache, daß die Bevölkerung nicht vertrieben wurde, folgt aus den fehlenden

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diesen erst - wie allerdings schon bei den früheren Ansiedlungen auf Lemnos, Imbros und Skyros — stellt sich eigentlich die Frage, ob darin über den bloßen Druck der in ihnen angesammelten Macht hinaus eine Einflußnahme Athens auf die Seebundsangehörigen zu sehen ist, und wie sie konkret ausgesehen hat. Außer allgemeinen Feststellungen und Überlegungen haben wir kaum Nachrichten, die uns im Einzelfall darüber Auskunft gäben. Wir sind daher in besonderem Maße darauf angewiesen, nach der historischen Situation bei der jeweiligen Gründung zu fragen. Zweckmäßigerweise werden wir dabei sowohl die Situation vor wie nach der Ansiedlung ins Auge fassen, d. h., soweit es sich feststellen läßt, die Situation, aus der heraus eine Kolonie gegründet wird sowie deren praktische Auswirkung. Da ist zunächst eine Gruppe von Kolonien, die nach der literarischen Überlieferung unter Perikles' maßgeblicher Leitung von ihm selbst wie von Tolmides angelegt worden ist: Andros 72 , Naxos73, Euboia 74 und die Chersones 75. Die historische Situation dieser Gründungen präzise zu bestimmen, stößt auf die doppelte Schwierigkeit, daß die genaue Datierung der Kolonien selbst wie die der historischen Ereignisse, mit denen sie möglicherweise in Zusammenhang stehen, umstritten ist 76 . Aller Wahrscheinlichkeit nach fallen die Kolonien auf Andros, Naxos und Euboia in die Zeit zwischen der athenischen Katastrophe in Ägypten und dem Inkrafttreten des Kalliasfriedens mit Persien, zwischen zwei Ereignisse also, die geeignet waren, aus jeweils verschiedenen Gründen einen Abfall von Athen hervorzurufen: die Schwächung Athens durch die Niederlage in Ägypten einerseits als der willkommene Anlaß, sich von seiner drückenden Herrschaft loszusagen, und der Friede mit Persien andererseits, der ausgerechnet plötzlich nach Aufschwung der Perserkämpfe durch Kimons Rückkehr, die dem Bund seinen antipersischen Sinn wiederzugeben schien, eintrat und der durch diesen krassen Allgaben darüber sowie daraus, daß audi - im Falle des bloßen Unterlassens einer solchen Angabe - vom Verbleib der etwa Vertriebenen später nichts verlautet; es hätte sonst erwartet werden müssen, daß wir, wie bei Aigina und Melos (Xen. Hell. 2,2,9), von ihrer Rückführung durch Lysander hören. 72 Plut. Per. 11,5. 73 Diod. 11,88,3; Plut. Per. 11,5; Paus. 1,27,5. 74 Andok. 3,9; Diod. 11,88,3; Paus. 1,27,5; vgl. audi Plut. Per. 7,8. - Die auffällige Häufigkeit athenischer Grabbeigaben in Eretria, die in die zweite Hälfte des 5. Jahrhunderts datiert werden können (vgl. Green/Sinclair, Athenians 522-525), dürfte sich, da keine andere Kolonie auf Euboia nachzuweisen ist (vgl. u. S. 23 Anm. 79), aus dieser Ansiedlung und den audi sonst engen Beziehungen zu Attika erklären: nach Lys. 34, 3 bestand zwischen Euboia und Athen ein conubium, das mit ATL III 296 nur auf athenische Kolonisten zu beziehen kein Anlaß besteht. 75 Andok. 3,9; Diod. 11,88,3; Plut. Per. 11,5; Gefallenenliste ML 48. 76 Näheres u. S. 174 ff.

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Übergang das Verbleiben im Bund als sinnlos erscheinen ließ. Die Kolonien haben also hier den Sinn, diese Unruhe zu dämpfen und Abfallbewegungen vorzubeugen. Bezeichnend ist, daß die Ansiedlung auf Euboia sich auch auf Karystos erstredete, wenn nicht sogar mit ihm gleichgesetzt werden muß 7 7 , einem Ort, der ja wegen seiner strategischen Lage auf der die Ägäis beherrsdienden Linie von Athen zur Chersones schon zu Beginn des Seebundes gesichert worden war 7 8 . V o n Kolonien dieses Typs, also Ansiedlungen von Athen innerhalb des Gebietes einer Bundesstadt, begegnet uns nur noch eine einzige 79 , und zwar die auf Lesbos, die nach dem Aufstand Mytilenes 427 dorthin geschickt worden ist 8 0 . Entsprechend der Situation, aus der heraus sie eingerichtet wurde, hatte sie natürlich den Zweck, für das weitere Verbleiben der Insel bei Athen zu sorgen. Es fällt jedoch auf, daß schon einige Jahre später keine athenischen Kolonisten mehr auf Lesbos waren 8 1 . Das bedeutet zwar nicht, 77

Hampl, Poleis 419 Anm. 18; Jones, Athenian Democracy 170 f.; Meiggs, Crisis 8 f.; Baicer, Restrictions 141 f.; Meiggs, Empire 123. 78 Thuk.1,98,3; s. o. S. 17. 79 Auf Euboia nach dem Aufstand von 446 hat es außer in Hestiaia keine athenische Ansiedlung gegeben. Gegen vor allem ATL I I I 295 f. - s. aber 283 f. - , Ehrenberg, Solon 231 und Parschikow, Status 6-8 scheint mir insbesondere mit Nesselhauf, Untersuchungen 133-139, ML S. 142 f. und Meiggs, Empire 566 f. ausschlaggebend, daß bei Thuk. 1,114,3 und Plut. Per. 23,4 die athenische Ansiedlung ausdrücklich auf Hestiaia beschränkt wird, so daß starke Gegenbeweise geführt werden müssen, um weitere Kolonien annehmen zu können. Die Stelle Ael. v. h. 6,1 mit ihrem untechnischen Gebrauch des Wortes κατακληρουχέω sowie die Erwähnung von in Chalkis lebenden ξένοι im Chalkis-Dekret (ML 52, 52-57) - die, wenn Athener gemeint gewesen wären, in diesem attischen Volksbeschluß nicht ξένοι genannt worden wären (so schon Wilamowitz, Kydathen 88; ders., Demotika der Metoeken II, Hermes 22 [1887] 249 Anm. 1; Ed. Meyer, Forschungen 2, 146 f. und im Ergebnis auch Gauthier, ΞΕΝΟΙ 65-76) - können ihn schon mangels ihrer Schlüssigkeit nicht liefern. Man bedenke audi, daß Athen mit der φυλακή Εύβοιας (Chalkis-Dekret ML 52,76 f.) bereits anderweitig für die Sicherung seiner Macht auf Euboia gesorgt hatte. - Auch auf Samos hat es nach der Niederwerfung keine athenische Kolonie gegeben (Nesselhauf, Untersuchungen 138 f.; Gomme 1,355; Barron, Religious Propaganda 39. 40). Die Kolonien Notion und wahrscheinlich auch Kolophon waren zwar von Athen gegründet, aber nicht athenisch besiedelt und gehören deshalb in einen anderen Zusammenhang (u. S. 115 f.). so Thuk. 3,50, 2; IG 1260 = Tod 63 = SEG XIII 8 (danach zitiert). 81 Möglicherweise waren bereits keine athenischen Kolonisten mehr auf Lesbos, als 424 lesbische Verbannte vom Festland aus Rückkehrversuche machten (Thuk. 4,52. 75), da Thukydides sie bei der Erzählung der athenischen Gegenmaßnahmen nicht erwähnt. Da das jedoch kein zwingender Schluß ist, ist ihre Abwesenheit erst für 412 sicher erwiesen, wo es den Chiern leicht gelang, Lesbos zum Abfall zu bringen (Thuk. 8,22), was bei der Anwesenheit athenischer Siedler Schwierigkeiten gemacht hätte; auch werden bei der anschließenden Rüdegewinnung keine Kolonisten erwähnt (Thuk. 8,23). Ganz deutlich ist dann die Tatsache, daß 411 eine athenische Be-

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daß die athenischen Siedler nie auf Lesbos gewesen wären und ihre Einkünfte aus ihren dortigen Landlosen in Athen verzehrt hätten, aber doch, daß sie später wieder abgezogen sind 8 2 . Es hatte sich anscheinend erwiesen, daß der Zweck der Machtsicherung auf andere Weise als auf die massive der Koloniegründung erreicht werden konnte. Das war deshalb möglich, weil der Abfall als das Werk lesbischer Oligarchen bei dem Demos von Mytilene auf Widerstand gestoßen war 8 3 , und zwar war die Athenerfreundlichkeit des D e m o s 8 4 so stark, daß der Athener Diodotos sie in seiner Rede in der Debatte um die Behandlung der Insel nach der Rückgewinnung als durchsatzung auf der Insel existierte, fest stationiert in Mytilene (Thuk. 8,100,3; Xen. Hell. 1,6,13), die bei der Anwesenheit von Klerudien überflüssig gewesen wäre; vgl. Gomme 2, 329; Brunt, Athenian Settlements 83. Gauthier, Clerouques 82-88 meint, die Kolonie habe bis zur Eroberung von Methymna durch Kallikratidas 406 bestanden; er identifiziert dabei die Kolonie mit der später erwähnten Besatzung. Obwohl zwar Kolonien auch die Funktion einer Besatzung hatten (o. S. 14), sind sie doch etwas wesensmäßig anderes. Thukydides nennt auch die Siedler ausdrücklich κληροΰχοι (3,50,2) und die Besatzung φρουροί (8,100,3), spricht also von zwei verschiedenen Dingen. 82 Die im 19. Jahrhundert geäußerte und alsbald zurückgewiesene Ansicht, daß die Kolonisten nie auf Lesbos gewesen wären (vgl. Schulthess, Κληροΰχοι 826 f.), ist neuerdings wieder von Jones, Athenian Democracy 174-176 vertreten worden. Sie scheitert schlicht daran, daß Thukydides 3,50,2 berichtet, die Siedler seien auf Lesbos gewesen (Απέπεμψαν) - um diesen Fixpunkt der Überlieferung ist nicht herumzukommen (so auch zuletzt Parschikow, Status 4; Green/Sinclair, Athenians 515; Meiggs, Empire 261 f.). Der andere, ebenfalls nicht zu umgehende, ist die Tatsache, daß recht bald keine Kolonisten mehr auf Lesbos waren; diesen Gesichtspunkt vernachlässigt wiederum Meritt, Athenian Covenant. Der zwingende Schluß daraus ist, daß die Siedler wieder abgezogen sind (vgl. auch vorige Anm.); ein Ereignis, das wir zwar nicht genau in seinen Einzelheiten fassen können, von dem uns jedoch ein Reflex in der Inschrift IG I 2 60 in der letzten Herstellung durch Meritt SEG X I I I 8 gegenübertritt. In ihr ist von einer Landrückgabe die Rede (11 f. 26 ff., womöglich auch 13, wenn man das Erhaltene nicht auf die festländischen Besitzungen, sondern auf die auf der Insel bezieht, vgl. Tod S. 136; Gomme 2, 320; Brunt, Athenian Settlements 82), von der Wiederverleihung der Autonomie an die Mytilenaier (12 f.), sowie von der Wiederinkraftsetzung der früheren Verträge zwischen Athen und Mytilene bezüglich des Rechtsschutzverkehrs zwischen beiden Städten (17). Diese Angaben lassen sich am zwanglosesten mit dem Abzug der Athener in Verbindung bringen (Gomme 2, 329-331; Brunt, Athenian Settlements 82; Parschikow, Status 4 f.), der auf diese Weise also auch urkundlich dokumentiert werden kann. Allerdings bezieht sich das Dekret nur auf Mytilene, nicht auf die anderen lesbischen Städte, die eigene politische Einheiten waren, da erst zu Beginn des Aufstandes und als Mittel zu seiner tatkräftigen Durchführung ein Synoikismos der Städte außer Methymna stattgefunden hatte (Thuk. 3,2, 3; vgl. dazu Classen/Steup und Gomme ad loc.), den Athen nicht hatte bestehen lassen (zum Synoikismos überhaupt vgl. u. S. 61). Wir müssen daher annehmen, daß die Kolonisten nur auf dem Gebiet Mytilenes gesessen haben, oder daß für die anderen Städte ähnliche Dekrete verabschiedet worden sind. «3 Thuk. 3,27,2 f. 84 Dazu im einzelnen u. S. 83 f.

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schlagendes Argument verwenden konnte 85 . Es waren diese Sympathien des Demos für Athen, die die Kolonie alsbald entbehrlich und womöglich gefährlich erscheinen ließen. Umso deutlicher ergibt sich gerade aus ihrer Rücknahme ihre ursprüngliche Zielrichtung86. d) Kolonien an den Grenzen. - Schließlich finden wir Kolonien, die ohne Zuordnung zu einer bestimmten Stadt und am Rande der griechisch besiedelten Welt gegründet worden sind. Bei ihnen wird die repressive Wirkung auf die Bundesstädte deshalb oft bestritten, weil starke Indizien dafür vorliegen, daß sie eher mit strategischen Absichten nach außen, d. h. gegen Thraker und Makedonen angelegt worden sind. Diese schon fast nationalgriechische oder jedenfalls altruistische Interpretation des athenischen Verhaltens muß schon deshalb von vorneherein mit einem Fragezeichen versehen werden, weil Athen, wenn sein Interesse es erforderte, griechischen Städten nicht nur nicht gegen Angriffe von außen half, sondern sie sogar solchen Angriffen bewußt aussetzte: im Winter 429/28 veranlaßte es den Thrakerkönig Sitalkes, in das Gebiet der Griechenstädte der Bottiaier und Chalkidier im Norden der chalkidischen Halbinsel einzufallen und das Land zu verwüsten 87 . Jedoch auch bei einer Einzelbetrachtung erhellt, daß das athenische (Herrschafts-) Interesse im Vordergrund stand. Nach Plutarch 88 hat die Kolonie, die Perikles 4 4 7 8 9 auf die Chersones gesandt hatte, die ständig hereinbrechenden Thraker durch ihre militärisdie 85 Thuk. 3 , 4 7 , 3 . 86 Daß überhaupt die Aussendung der Kolonie für notwendig gehalten -wurde, erklärt sich aus dem Hergang des Entscheidungsprozesses über das eroberte Lesbos. Ursprünglich war ja in der ersten Aufwallung die Ausrottung der gesamten Bevölkerung beschlossen worden (Thuk. 3, 36, 2; vgl. auch Kleons Rede für die Aufrechterhaltung dieses Beschlusses 3, 37-40). Das Korrelat dazu wäre dann eine Kolonie des ersten Typus gewesen, schon um das Machtvakuum zu schließen. Nach der Aufhebung dieses Beschlusses (Thuk. 3 , 4 9 , 1 ; dazu Diodotos' Rede 3 , 4 2 - 4 8 ) blieb es jedoch bei der Aussendung der Kolonisten, sidierlidi noch als Nachwirkung der zuerst getroffenen Entscheidung; immerhin ist die mildere Lösung erst nach längerer Debatte mit nur knapper Mehrheit angenommen worden (Thuk. a. a. O.). Die Aussendung der Siedler erscheint somit als eine Kompromißlösung, um diejenigen zufriedenzustellen, die an die Friedfertigkeit des Demos von Mytilene nicht glaubten und die der Ansicht waren, die Insel müsse massiv gesichert werden. Als sich später die Inadäquatheit der Maßnahme herausstellte, konnte sie dann aufgehoben werden. Allerdings hatten die Lesbier den abgezogenen athenischen Kolonisten in Zukunft Pacht für das ihnen zurückgegebene Land zu zahlen; die finanzielle Seite der Sache änderte sich also nicht wesentlich. Thukydides hat den ganzen Vorgang in die knappe Bemerkung 3, 50, 2 zusammengezogen (vgl. Meritt, Athenian Covenant 303; Brunt, Athenian Settlements 83). 87 Thuk. 2, 9 5 , 2 ; 2 , 1 0 1 , 2 . 4 , 88 Plut. Per. 19,1.

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Kraft und durch eine über die Landenge gezogene Mauer wirksam bekämpft und die dortigen Griechenstädte dadurch von einer langdauernden Plage befreit; entsprechend sei diese Maßnahme von den ansässigen Griechen gewürdigt und begrüßt worden. Demgemäß herrscht in der Literatur ausschließlich die Ansicht, diese Kolonie habe keinerlei Beziehung auf die Beherrschung der Bündner gehabt und habe sich nur nach außen gerichtet90. So eindimensional kann das jedoch nicht gesehen werden. Schon Plutarch selbst stellt ja an anderer Stelle seiner Perikles-Biographie91 die ChersonesKolonie in eine Reihe mit den Ansiedlungen auf Naxos, Andros und im Bisaltenland, von denen allen er sagt, daß sie u. a. mit dem Zweck, die Bundesgenossen niederzuhalten, angelegt worden seien. Zweitens spricht gegen eine ausschließliche und rein altruistische Zielsetzung gegen die Barbaren die geographische Lage der Ansiedlung, ganz in der Tradition der athenischen Siedlungspolitik in Richtung Schwarzes Meer. Es ging bei der Ansiedlung also um spezifisch athenische Interessen gegenüber Bedrohungen jeglicher Art, von außen durch die Thraker, aber potentiell auch, falls vorhanden, gegen Bedrohungen von innen durch die ansässigen Griechen92. Anzeichen für eine solche innere Bedrohung bieten drittens über den Schluß aus Plutarch hinaus die Inschriften 93 . Auf der Tributliste für 447 das Jahr der Gründung der Kolonie - sind für den Hellespont ungewöhnlich viele Teilzahlungen registriert 94 ; bedenkt man, daß im Jahr vorher überhaupt keine Tribute eingegangen waren 95, so sieht es sehr danach aus, daß es sich hier nicht um Zahlungsunfähigkeit wegen der Thrakereinfälle handelt, sondern um eine willentliche Loslösung von Athen 96. Athens Reaktion auf die Zahlungsunregelmäßigkeiten verstärkt diesen Eindruck. Die Städte der Chersones, die bisher den Tribut gemeinsam an Athen entrichtet hatten, wurden 446 zum ersten Mal getrennt veranlagt 97 , standen auf diese Weise Athen einzeln, also schwächer als vorher im Verband gegenüber, ein Zeichen 89 ATL I I I 59.289 f.; Meiggs, Crisis 17. 90 Vgl. etwa Nesselhauf, Untersuchungen 30 Anm. 1; Meiggs, Growth 32; ATL I I I 286. 305; Brunt, Athenian Settlements 79. 91 11,5 f. 92 Um eine bloße Verstärkung des schon aus Miltiades* Zeiten ansässigen athenischen Elements hat es sich dabei nicht gehandelt, da die Gemeinden der Chersones immer als selbständige Städte eigenen Charakters angesehen worden sind, anders als Lemnos, wo daher dann eine bloße Zusiedlung stattfinden konnte (vgl. o. S. 18 Anm. 46). 93 Vgl. Meiggs, Crisis 15-18 und den Kommentar zu ML 48. In der Frage der Zielrichtung gehe ich über Meiggs hinaus. 94 ATL I I I 56.59 sowie u. S. 176 Anm. 118. 95 Vgl. u. S. 176 Anm. 118. 96 Meiggs, Crisis 16 f. 97 ATL I 449; I I I 59.

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dafür, daß Athen eine derartige Schwächung als geboten erachtete98. Es gibt sogar Anzeichen für kriegerische Auseinandersetzungen. Meiggs hat in zwingender Weise eine Gefallenenliste die bisher in den samischen Aufstand 440/39 datiert worden war, auf den hier vorliegenden Zeitpunkt verlegt 10°. Die Kämpfe, die dort verzeichnet sind, haben sich nicht nur gegen Barbaren, sondern auch gegen Griechen gerichtet: Kämpfe mit Byzantion werden erwähnt, einer Stadt also, die als megarische Kolonie einiges von der Unruhe ihrer im darauffolgenden Jahr abfallenden Mutterstadt 101 mitbekommen haben dürfte, und die dann ja selbst später mit Samos zusammen sich Athen zu entziehen suchte102. Im Fall der Chersoneskolonie103 haben wir also beides: Zielrichtung nach außen gegen die Thraker, aber auch deutliche Anzeichen, daß Athen auch mit Loslösungsbewegungen im Innern fertigzuwerden hatte. Das Verhältnis beider Zielrichtungen zueinander wird später im Zusammenhang geklärt werden 104 . Etwa um dieselbe Zeit entsandte Athen eine Kolonie nach Brea in Thrakien, in die Strymongegend105; wie die früheren, alsbald von Thrakern vernichteten Kolonien von Eion 106 und Ennea Hodoi 107 in derselben Region als athenischer Festsetzungsversuch in einem Gebiet anzusehen, an dem Athen ein vitales Interesse ähnlich dem an der Chersones hatte, wie etwa die Annexion des thasischen Festlandbesitzes mit seinen Bergwerken in den sechziger Jahren zeigt108. Somit richtete sich die Kolonie notwendigerweise nach außen gegen die auch jetzt wieder zu erwartenden thrakischen - defensiven - Überfälle109. Das wird in einer Bestimmung des Aussendungsdekrets 98 Zum Problem der Syntelie-Auflösung s. u. S. 58 ff. 99 ML 48. 100 Vor allem auf Grund des Arguments, daß Symos nicht erwähnt ist, und daß der Hauptakzent auf der Chersones und dem Hellespont liegt, vgl. Meiggs, Crisis 17 f.; ML, Kommentar zur Inschrift; Meiggs, Empire 161. Zustimmend Bradeen, Casualty Lists 152 Anm. 7. ιοί Meiggs, Crisis 18. i° 2 Thuk. 1,115,5; 1,117,3. 103 Wahrscheinlich eine dieser Chersones-Ansiedlungen war die zur selben Zeit gegründete Stadt Neapolis άπ' Αθηνών, deren Angehörige, soweit sie nicht Athener waren, zum Tribut veranlagt wurden: ATL I 525; III 205 mit Anm. 51; 289. 104 S. u. S. 155. 105 Brea-Dekret (ML 49); Plut. Per. 11,5. Zur Datierung, Lage und Identifizierung mit der bei Plutarch erwähnten Kolonie im Bisaltenland vgl. außer den Angaben und der Literatur bei ML S. 132 f. noch Nesselhauf, Untersuchungen 130-132; Graham, Colony 34 Anm. 2; Brunt, Athenian Settlements 77; Meiggs, Empire 158 f.; 602. 106 Plut. Kim. 7,3; Schol. Aisch. 2,31. Die Kolonie fehlt bei Gomme und ATL. 107 Thuk. 4,102,2; Diod. 11,70, 5; Schol. Aisch. 2,31. los Thuk. 1,101,3. 109 Zu den sozialen Gründen der Ansiedlung vgl. u. S. 186 f.

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deutlich, durch die die Städte Thrakiens verpflichtet werden, der Kolonie bei einem Angriff zur Hilfe zu kommen110. Diese Bestimmung zeigt aber noch etwas anderes: so sehr es im objektiven Interesse der Griechenstädte Thrakiens gelegen haben wird, daß Athen sich selbst an der Abwehr und Zurückdrängung der Thraker beteiligte, so verließ sich Athen dennoch nicht darauf, daß die Städte der athenischen Kolonie im Fall eines thrakischen Angriffs aus Eigeninteresse zur Hilfe kämen, sondern verpflichtete sie ausdrücklich dazu m . Das deutet darauf hin, daß mit einer solchen Hilfeleistung nicht ohne weiteres zu rechnen war. Auch darin kann also Widerstand gegen Athen und seine keineswegs altruistische Machtpolitik an der thrakischen Küste gesehen werden 112 . Immerhin kostete diese athenische Ansiedlung Argilos, den Vorort des Bisaltenlandes 113, einen Großteil seines Territoriums, wie aus der Tributherabsetzung von 1050 (454/53) auf 100 (446/45) Drachmen zu ersehen ist, ein ziemlicher Preis für die von Athen geleistete Hilfe. Erinnern wir uns noch, daß Plutarch auch die Bisaltenkolonie in die Reihe derer einreiht, die auch den Zweck hatten, Druck auf die Bundesgenossen auszuüben 11+, so sehen wir auch hier neben der deutlichen Zielrichtung nach außen auch den Unwillen im Innern, mit dem Athen rechnete115. Die wahrscheinliche Nachfolgerin von Brea, das in ihr aufging, ist die zehn Jahre später am Strymon gegründete Kolonie Amphipolis116. Zwar war sie nur zum kleineren Teil von Athenern besiedelt 1 1 7 -bei ihrer Größe von einer lio Brea-Dekret (ML 49) 13-17. Über die Annahme eines Strymon-Feldzuges vgl. ATL I I I 59 f. Hl Über den verpflichtenden Charakter athenischer Psephismen s. u. S. 102 f. 112 Graham, Colony 35. 61 hat darauf aufmerksam gemacht, daß die detaillierten Bestimmungen des Brea-Dekrets und die Einschränkung der Kompetenzen des Oikisten auf eine straffe Lenkung der Ansiedlungsoperationen durch Athen im Interesse seiner herrschafdichen Ziele hindeuten. 113 Hdt. 7 , 1 1 5 , 1 . 114 p e r . 11,5. Zwar nennt Plutarch hier auch Thurioi, in dessen Nähe ja nun keine einzuschüchternden Bundesgenossen saßen; diese Erwähnung kann aber nicht gegen die Einschüchterungswirkung der im Bundesgebiet angesiedelten Kolonien sprechen. 115 In der Zwischenzeit fehlt Argilos in den Tributlisten. ATL I I I 60 führen das eher auf die lückenhafte Überlieferung zurück; auf Grund der anschließenden Regelmäßigkeit wird man aber doch den Verdacht haben müssen, daß darin der Ausdruck einer Loslösungsbewegung zu erblicken ist. So auch Nesselhauf, Untersuchungen 132. 116 Thuk. 4,102. Von den Schicksalen Breas schweigt die Überlieferung. Das Aufgehen in Amphipolis ist vor allem wegen der mit der Gründung eng verbundenen neuerlichen Tributherabsetzung von Argilos wahrscheinlich, vgl. Nesselhauf, Untersuchungen 133; Gomme 1 , 3 2 . 3 7 4 ; ATL I I I 306.308. Zur Datierung von Amphipolis s. Gomme 1, 396; ATL I I I 308. " 7 Thuk. 4,102, 2; 4,103, 3 f.; 4 , 1 0 6 , 1 ; Diod. 12, 32, 3; Schol. Aisch. 2 , 3 1 . Zur Rechtsstellung dieser Athener siehe Hampl, Poleis 407 Anm. 2; Graham, Colony 245248; Brunt, Athenian Settlements 74 f.; Parschikow, Status 15 f.

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Einwohnerzahl von 10 000 Kolonisten118 war Athen gar nicht in der Lage, die Kolonie allein zu beschicken119 jedoch hatte Athen so gut es ging dafür gesorgt, daß die Stadt möglichst eng an Athen gebunden blieb. Athen stellte nämlich den Oikisten 12°, es gab der Kolonie eine demokratische Verfassung nach athenischem Muster 121 und es hatte wahrscheinlich auch die Kolonisten der Bündnerstädte selbst ausgewählt122. Athens Motiv für diese massive Ansiedlung war großenteils strategischer Art 123 , da die Stadt den Strymonübergang und so den Landweg durch Thrakien zum Hellespont beherrschte124 und auf diese Weise auch starken Einfluß auf Makedonien und Thrakien ausüben konnte 125 . Noch vor dieser strategischen Funktion betont aber Thukydides in seinem Bericht über die Auswirkungen des Abfalls 126 Athens wirtschaftliche Interessen, die durch die Existenz Amphipolis' befriedigt wurden: Bauholz für Schiffe127, ein direkter Zufluß von Einkünften und, wie wir hinzufügen dürfen, die Metallvorkommen der Gegend, die Athen sich nach der Niederwerfung von Thasos angeeignet hatte 128 und für die Thukydides eine Konzession besaß 129 . Als Kolonie Athens zahlte Amphipolis keinen Tribut, so daß unter den von Thukydides erwähnten Einkünften zum einen ein anderweitiger finanzieller Beitrag zu verstehen ist, der, in seinem speziellen Charakter unbestimmt 130 , in der Höhe von 70-75 Talenten 131 Amphipolis auferlegt worden ist; zum anderen bedeutet das auch, wenn auch nur in zweiter Linie132, einen indirekten finanziellen Zustrom in dem Sinne, daß mit der Gründung der Kolonie plötzlich eine große Zahl thrakischer Städte Tribut zahlte, die das bisher nicht getan hatte 133 . Das sind deutliche Wirkungen der Koloniegründung nach innen, auf den Bestand und den Umfang des Bundes, und daß es bei diesen Wirkungen der Kolonie u s Thuk. 4 , 1 0 2 , 2 . 119 Graham, Colony 199. 206; Brunt, Athenian Settlements 73. no Thuk. 4 , 1 0 2 , 3 . 121 Thuk. 4 , 1 0 6 , 1 - 3 . Zur Frage der Verfassung s. im einzelnen u. S. 82 ff. 122 Brunt, Athenian Settlements 73 f. 123 Amphipolis war im Gegensatz zu anderen Ansiedlungen ein militärisch günstig gelegener Platz, vgl. J. Papastavru, Amphipolis, 1936, Klio Beiheft 37, S. 12. 124 Thuk. 4 , 1 0 8 , 1 . 125 Gomme 1,222; ATL III 309 ff. 319; Graham, Colony 199 f.; Brunt, Athenian Settlements 72. 126 4 , 1 0 8 , 1 . 127 Vgl. auch Hdt. 5 , 2 3 , 2 . 128 Thuk. 1 , 1 0 1 , 3 . 129 Thuk. 4 , 1 0 5 , 1 . 130 ATL III 308 Anm.45; Gomme 2 , 1 8 ; 3,580; Graham, Colony 200 f. 131 ATL III 339 Anm. 58. 132 Gomme 2,581. 133 Nesselhauf, Untersuchungen 43. 56. 59; ATL I I I 61-63.

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trotz vieler objektiver Vorteile für die Griechenstädte - von denen noch zusammenhängend die Rede sein wird 134 - nicht ohne Widerstand abging, sollte bei einer derartig aus rein athenischem Interesse erfolgten Ansiedlung nicht verwundern. Dafür gibt es dann auch Anzeichen. Wahrscheinlich hat eine Gruppe der Städte, die nach der Koloniegründung zahlten, ein paar Jahre später am Abfall von 432/31 teilgenommen, der zum Peloponnesischen Krieg führte 135 ; Argilos, das schon durch die Kolonie von Brea hatte leiden müssen, wurde zusammen mit Galepsos ein weiteres Mal in seinem Territorium beschnitten136 und war dann die treibende Kraft bei dem Übertritt der Kolonie zu Brasidas, nachdem es selbst abgefallen war - eine Gelegenheit, auf die es schon lange gewartet hatte 137 . Nichts zeigt besser die Funktion der Kolonie im Hinblick auf den Zusammenhalt des Bundes als die berechtigte Furcht der Athener, daß nach dem Fall von Amphipolis die Städte freiwillig zu Sparta übergehen könnten. Das wollten sie in der Tat, da sie glaubten, nun könne Athen ihnen nichts mehr anhaben 138 . Ähnlich dürfte es mit der athenischen Kolonie Astakos im Osten der Propontis 139 gewesen sein. Sie wurde 435/34 von Athen auf dem Boden einer ehemals megarischen Kolonie gleichen Namens angelegt140, die als solche bis 444/43 Tribut gezahlt hatte, dann aber auf der vollständigen Liste von 443/42 nicht mehr verzeichnet ist (wohl weil sie inzwischen stark reduziert worden war 141 ), und die wegen ihres späteren Kolonieverhältnisses zu Athen audi nie mehr Tribut zahlte142. Die Datierung ergibt sich, in Übereinstimmung mit Diodors Datum 143 , aus der Tatsache, daß ab 434/33 Städte im Südosten der Propontis größtenteils zum ersten Male überhaupt zahlten. Man nimmt an, daß die Gründung anläßlich der Pontosexpedition des Perikles stattfand 144 . Auch hier wird in der Literatur großenteils wegen rein strategischer Ziele Athens und wegen des willkommenen Schutzes gegen die 134 Vgl. u. S. 80 ff. 135 ATL III 218 Anm. 110. 136 Gomme 1,277; ATL III 5. 308 und öfter. 137 Thuk. 4,103,4; 4,106. 138 Thuk. 4,108,1-6. Man beachte besonders die Formulierung, daß die Städte έθάρσουν καί έπίστευον μηδένα αν έπΐ σφδς βοηθήσαι (§ 5); sie meinten also, Athen könne sich gegen ihren Abfall nicht wehren, vgl. Classen/Steup ad loc. 139 Strab. 12,563; Diod. 12,34,5; Memnon FGrHist 434 F 12,2 f. ito Diod. a. a. O.; Nesselhauf, Untersuchungen 54 f.; ATL I 472; III 288 mit Anm. 68; Gomme 1, 368; Parschikow, Status 13 f. 141 Memnon a. a. O. 142 Nesselhauf, Untersuchungen 46. 55 Anm. 1; ATL I 238. 472; Gomme 1, 276. 143 Diod. a. a. O. 144 Nesselhauf, Untersuchungen 55 Anm. 1; ATL I 472; Gomme 1, 368. Zur Datierung der Pontosexpedition s. im übrigen ATL III 114-117,

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Barbaren eine Zielrichtung der Kolonie auf die griechischen Städte verneint bzw. gar nicht erst in Betracht gezogen 145. Aber auch hier sollte nicht übersehen werden, daß die Etablierung der athenischen Macht im eigenen strategischen und wirtschaftlichen Interesse zugleich die unausweichliche Konsequenz hatte, daß nicht nur barbarische Angriffe abgewehrt werden konnten, sondern daß die umliegenden Griechenstädte in den athenischen Machtbereich gerieten, ob sie wollten oder nicht K6 . Es ist sicherlich nicht nur eine nachträgliche Erklärung des Vorgangs, wenn Thukydides den Alkibiades 415 in Sparta erklären läßt, eines der Mittel, mit dem Athen seine Herrschaft errungen hätte, sei gewesen, daß es allen, die es um Hilfe angerufen hätten, diese Hilfe auch gewährt habe 147 . Wir können bei dieser dritten Gruppe athenischer Kolonien also zusammenfassend sagen, daß bei ihrer Gründung strategische Interessen Athens im Vordergrund standen: Sicherung der Schwarzmeerroute und Beherrschung Thrakiens. Das richtete sich sowohl gegen Bedrohungen aus dem Hinterland wie auch gegen UnZuverlässigkeiten unter den Griechenstädten. Dabei ist das Verhältnis beider Faktoren zueinander nicht fest zu bestimmen, ob nämlich die Loslösung im Einzelfall durch die Angriffe aus dem Hinterland verursacht wurde oder umgekehrt diese durch die Loslösung der Stadt von Athen provoziert oder verstärkt wurden. In jedem Fall bedeutete die Festsetzung Athens, daß die Griechenstädte der betreffenden Region fest an den Seebund angeschlossen wurden, z. T. unter erheblichen Verlusten an Territorium. Athens eigene Interessen bestimmten sein Verhalten, und diese forderten einen festen Zusammenhalt des Bundes zumal in Thrakien und am Hellespont, auch und gerade dann, wenn Athens Intention „nur strategisch" gewesen sein sollte. Wir sehen also: die Kolonien, auf die Athen das Monopol hatte, waren ein sehr handgreifliches Mittel, seine Macht zu sichern, sei es, daß Athen sich selbst an die Stelle von unzuverlässigen Städten setzte, sei es, daß es «5 ATL I 471 f.; Gomme 1, 368; Brunt, Athenian Settlements 72. 79 f.; Eddy, Έπιφορά 139. Nesselhauf nimmt Untersuchungen 54 f. eine Zielrichtung gegen die Griechenstädte an, ohne jedoch die andere Möglichkeit zu erörtern. 146 Warum sollten Bybiskos, Brylleion, Kallipolis und Daskyleion, die nachweislich vorher nie gezahlt hatten (letzteres seit 443/42 und wahrscheinlich seit dem Kalliasfrieden nicht), jetzt plötzlich nach der Bannung der Barbarengefahr an Athen zahlen, wo ein Schutz durch den Seebund doch gerade vorher nötig gewesen wäre? Welche Barbaren sollten das übrigens gewesen sein? Memnon schreibt nur von Nachbarn, so daß nicht auszuschließen ist, daß es sich vielmehr um Griechenstädte gehandelt hat, die allenfalls über die in ihnen sicherlich vorhandenen perserfreundlichen Parteien von Persien hätten benutzt worden sein können, Thuk. 6,18,2.

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sich neben diesen oder in auch von außen unruhigen Gebieten festsetzte immer bedeutete die Kolonie eine Festigung der Macht Athens gegenüber den Bündnern, unabhängig davon, ob diese in Einzelfällen froh darüber waren oder hätten sein sollen, und unabhängig davon, ob der primäre Zweck die Bekämpfung einer äußeren oder inneren Gefahr war. Sie hatten Athens Interessen durchzusetzen, wem gegenüber auch immer, und wem anders denn gegenüber als den Städten ihrer Umgebung.

3. Besatzungen Neben der Flotte und den Kolonien kennen wir als Machtmittel des weiteren athenische Besatzungen in den Städten, d. h. Truppenstationierungen nicht lediglich ephemeren Charakters. Auch das hat man schon im Altertum generalisierend hervorgehoben 148 . Ein starkes Indiz für die Zielrichtung gegen die Städte ist auch hier wiederum die Tatsache, daß Athen das Monopol auf Besatzungen hatte; wir kennen keine Besatzung, an der andere Seebundsangehörige beteiligt gewesen wären. Gleichwohl halten wir nach Einzelfällen Ausschau, die diese Vermutung bestätigen können. a) Peloponnesischer Krieg. - Nun sind Besatzungen per definitionem militärische Mittel, und es überrascht daher nicht, daß wir in Thukydides' Bericht über den Peloponnesischen Krieg von einer Fülle von Besatzungen hören, deren Funktion ausschließlich kriegsbedingt oder nicht deutlich zu bestimmen ist. Aus dieser Fülle heben sich aber einige heraus, deren Aufgabe nicht oder nicht nur der Schutz vor dem äußeren Feind war. Als Brasidas im Sommer 424 nach Thrakien zog, verstärkte Athen die Überwachung der dortigen Bündner 149 , deren es sich schon zu Zeiten des Abfalls von Poteidaia nicht mehr sicher gefühlt, und die es damals bereits unter verstärkte militärische Aufsicht gestellt hatte 150 . Das bedeutete nun nicht, daß überall Besatzungen hineingelegt wurden. Vielerorts gab es, obwohl es nötig gewesen wäre 151 , Theophrast F 129 Wimmer (— Harpokration s.v. επίσκοπος); Isokr.7,65; Suda ε 2584 s. ν. επίσκοπος. Wenn dann Plut. Per. 1 1 , 6 den Zweck der athenischen Kolonien u. a. darin sieht, daß sie wie eine Besatzung die Bundesgenossen am Abfall hindern sollen, so hat er damit auch deren Funktionen gekennzeichnet. Thuk. 4, 82: τ ω ν ταύτη ξυμμάχων φυλακήν πλέονα κατεστήσαντο. Ob nur in der Intensität oder auch numerisch ist unklar, « ο Thuk. 1 , 5 7 , 4 . 151 So in Akanthos (Thuk. 4, 84-88), Stagiros (Thuk. 4, 88, 2), Argilos (Thuk. 4,103,4), Galepsos (Thuk. 4 , 1 0 7 , 3 ) und Oisyme (ebd.). Vgl. Busolt/Swoboda 1355 mit Anm. 2; Gomme 2, 34; 3,577. 578. 148

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keine, schon allein mangels einer ausreichenden Zahl Soldaten 1 5 2 . Nach dem Fall von Amphipolis 1 5 3 hegte Athen dann erst recht berechtigte Befürchtungen, daß noch andere Städte abfallen wollten 1 5 4 , und schickte weitere Besatzungen in die Städte, um das zu verhindern, w i e Thukydides ausdrücklich bezeugt 1 5 S . Eine von diesen 1 5 6 sich gegen die Bundesstädte richtenden Besatzungen ist für uns noch identifizierbar. In Torone, gegen das Brasidas nach Einnahme von Amphipolis und der vergeblichen Belagerung von Sane und Dion zog, befanden sich fünfzig athenische Hopliten, die auf der Agora der Stadt kampierten 1 5 7 . Torone war dann auch in der Tat nicht zuverlässig, da es bald an Brasidas verraten wurde, der es in einem Handstreich nehmen konnte 1 5 8 . D i e athenische Besatzung konnte wegen der allgemeinen und ihrer eigenen Verwirrung ihre Funktion nicht erfüllen und flüchtete 1 5 9 . W e n n andere Städte Thrakiens nicht von Athen abfielen und z. T. sogar erfolgreich Widerstand gegen Brasidas leisteten 1 6 0 , wollen wir das dann auch den etwa dort stationierten athenischen Garnisonen wenigstens teilweise zugute halten 1 6 1 a . 152 Westlake, Amphipolis 627 weist mit Recht auf den Truppenbedarf gegen Boiotien hin. Auch sonst hat Athen nicht über unbegrenzte Mengen von Soldaten verfügt, vgl. z. B. Thuk. 4,7; Diod. 12,32,3. 153 Amphipolis hatte keine Besatzung in diesem Sinne. Mit Westlake, Amphipolis 627 f. (dort audi die Literatur) meine ich, daß der in Amphipolis als φύλαξ τοϋ χωρίου residierende athenische Stratege Eukles außer wenigen athenischen Hopliten nur Amphipoliten zur Verfügung hatte (vgl. auch Graham, Colony 199 f., der Amphipolis als das Hauptquartier des in Thrakien operierenden Strategen bezeichnet, der es als solcher in fester Kontrolle habe halten sollen). Thukydides erwähnt keine athenische Besatzung, Eukles selbst machte keine Anstalten, die Stadt anders als durch - fehlgeschlagene - Überredung zu halten (Thuk. 4,106, 2), und wenn überhaupt eine Stadt, dann wurde ja Amphipolis für treu gehalten, wodurch sich eine Besatzung erübrigte. 154 Thuk. 4,108,1 a. E.; 4,108, 3. 155 Thuk. 4,108, 6. Φυλακή heißt hier wegen der Präzisierung ές τάς πόλεις nicht nur, wie oft, allgemein Wache, sondern Wachtruppe. 156 Ob nun von der letzteren in Thuk. 4,108, 6 gemeldeten (so vermutungsweise Ste. Croix, Charakter 5; Gomme 3, 584) oder einer früheren Verstärkung, kann dahingestellt bleiben. 157 Thuk. 4,113,2. 158 Thuk. 4,110-114. Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Bevölkerung müssen hier außer Betracht bleiben: die Anhänger Spartas waren jedenfalls beträchtlich, so daß ein handfestes Sicherheitsrisiko für Athen bestand. 159 Thuk. 4,110, 2; 4,113,1 f. wo So auch Sane und Dion, Thuk. 4,109,5. 161a Die Funktion der athenischen Besatzung in Mekyberna (Thuk. 5, 39,1) ist nicht zu bestimmen; Thukydides berichtet nur, wie sie erfolgreich gegen die Olynthier kämpft. Ebensowenig unterrichtet sind wir über die Besatzungen auf Lesbos Cpiuk. 8,100, 3) und in Eretria (Thuk. 8, 95, 6). Wegen der Haltung der Bevölkerung käme am ehesten die letztere als eine auch nach innen gerichtete in Frage.

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b) Frühere Epochen.. - Wir hören aber von Besatzungen nicht nur aus dem Peloponnesischen Krieg; im Gegenteil sind unsere Kenntnisse über ihre Funktionen hinsichtlich der Einwirkung auf die Bündner weitaus aufschlußreicher aus früheren Epochen der Geschichte des Seebundes. Kurz vor Ausbruch des Krieges beschwerte sich Aigina in Sparta wegen vertragswidrigen Verhaltens Athens 161b ; damit mag eine athenische Besatzung gemeint sein, wie es aus der Erwähnung einer Wache in einem sich mit Aigina befassenden Dekret 162 gefolgert werden kann, auf wann immer man dieses Dekret auch ansetzt163. Sechs Jahre vorher legte Athen nach der Wiedereroberung des abgefallenen Samos 440 eine Besatzung in die Stadt 164 . Daß sie den Verbleib der Insel bei Athen zu gewährleisten hatte, folgt aus dem Anlaß ihrer Einrichtung und daraus, daß die samischen Oligarchen, die den Abfall verursacht hatten und sich sofort nach Abzug der athenischen Flotte wieder erhoben, die Besatzung gefangen nahmen und an Persien auslieferten165. Zusammen mit Samos fiel Byzantion ab und fügte sich auch gleichzeitig mit ihm 166 ; möglicherweise bezieht sich Aristophanes' Erwähnung einer Besatzung dort 167 auf diesen Vorgang. Diese Besatzung hätte dann analoge Funktionen gehabt 168 . Sechs Jahre vorher war Euboia abgefallen, und nach der Rückeroberung machte das athenische Dekret für Chalkis den athenischen Strategen zur Aufgabe, zum Besten Athens für die Bewachung Euboias zu sorgen m . Der auch dort benutzte Ausdruck φυλακή heißt nun zwar nicht Besatzung170, und wir können auch auf keine Besatzung im eigentlichen Sinne schließen; gemeint ist jedoch eine militärische Überwachung ähnlicher Funktion, die lediglich lockerer gehandhabt und nicht fest installiert wurde 171 . Während des Abfalls von Euboia trennte sich auch Megara von Athen und vernichtete athenische Besatzungen172, die dort seit dem Anschluß der Stadt an Athen 161b Thuk. 1, 67,2; 1,139,1. i " . . . φυλακέ[ν . . . : IG 1218,4 = StV 141,4. i « Gomme 1,319; ATL III 303 Anm. 10; 320; Nease, Garrisons 103 f.; Lewis, Notes 24 f.; Ste. Croix, Origins 66 Anm. 9. im Thuk. 1,115,3. 165 Thuk. 1,113,5. 166 Thuk. 1,115,5; 1,117,3. 167 Vesp. 235 f. 168 Die Erwähnung einer Besatzung in Kyzikos bei Eupolis F 233 Kock ( = Schol. Aristoph. Pax 1176) ist zu unpräzise, um feste Schlüsse daraus zu ziehen. Die Tributlisten geben keine Hinweise. 169 Chalkis-Dekret (ML 52) 76-79. 170 Lewis, Notes 24; vgl. jedoch Plut. Sol. 15, 2 (ο. S. 33 Anm. 155). 171 Vgl. Lewis a. a. O.; Gomme 1, 343. 172 Thuk. 1,114,1.

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452 stationiert waren 173 ; das heißt, daß sie von den Megarern als Hindernis für den außenpolitischen Stellungswechsel angesehen wurden und nicht gütlich abzogen, sondern versuchten, Megara am Abfall 2u hindern. Wir hören weiter von Besatzungen, die 450/49 in Milet 174 nach der Wiedergewinnung der abgefallenen Stadt installiert waren 175 und zu einem athenischen Fünfmännerkollegium in Beziehung standen, das die inneren Verhältnisse Milets zu organisieren hatte 176 . Die also audi hier festzustellende nach innen gerichtete Funktion der Besatzung wird dann in allen Einzelheiten deutlich am klassischen Fall einer athenischen Besatzung, die wir durch ein Erythrai in Ionien betreffendes Dekret von 453/52 kennen 177 . Dort wurde eine Besatzung in die Stadt gelegt, deren Kommandant, zunächst in Zusammenarbeit mit Episkopoi genannten athenischen Beamten, für die Zukunft aber selbständig, die Einsetzung des Rates von Erythrai zu vollziehen hatte 178 ; offenbar hatte er auch richterliche Funktionen179. Schon dieser tiefe Eingriff zeigt, daß die ErythraiRegelung im Zuge einer gewaltsamen Eingliederung der Stadt in den Seebund erfolgte - denn welche freiwillig dem Bund angehörende Stadt hätte sich solchen Bedingungen unterworfen180 - , und daß die Besatzung sich nicht 173 Thuk. 1 , 1 0 3 , 4 . 174 Milet-Dekret ( I G P 2 2 = S E G X 14 = StV 151) 77. 85. 87. Das Dekret ist durch die Nennung des Archons Euthymos (63. 88) sicher datiert (Oliver, Athenian Decree 182). 175 Daß es sich um einen Abfall handelte, folgt aus der Tributliste 1 des Jahres 454/ 53 V I 19-22, wo Milet selbst nicht zahlt, jedoch Milesier aus Leros und Teidiioussa, also geflüchtete, Athen treu gebliebene Milesier. In der Tributliste 3, von 452/51, I I 28 zahlt Milet wieder, der Abfall ist beendet (vgl. Barron, Milesian Politics 1; Meiggs, Empire 112.115). 176 Näheres bei der Besprechung dieses Gremiums, u. S. 42 ff. 177 M L 40 ( = I G 1210), zusammen mit I G P l l und I G 1212/13 a ( = A T L I I D 10). Vgl. Meritt, Greek Inscriptions, Hesperia 15 (1946) S. 169-263 (246-249). - Zur Datierung vgl. u. Anm. 180. 178 Erythrai-Dekret (ML 40) 13-15. 179 A T L I I D 10, 58. 60. 62; vgl. u. S. 40. 180 Highby, Erythrae Decree 1 1 - 1 6 . 2 2 - 2 7 . 3 3 , sowie Schaefer, Symmachie 140 und Kolbe, Anfänge 250 hatten die Ansicht vertreten, vor allem wegen der verhältnismäßigen Milde der Bestimmungen im Vergleich zu anderen (späteren!) Dekreten habe es sich nicht um die Wiedereroberung nach einem Abfall, sondern um einen Neubeitritt Erythrais in den Bund gehandelt; dazu wohl nur um eine innere Umwälzung in Erythrai, bei der Athen lediglich der siegreichen demokratischen Partei Unterstützung gewährt habe. A T L I I I 252-255 gehen zwar von einem Abfall aus, da sie das Erythrai-Dekret mit dem Fehlen der Stadt auf den Tributlisten, aus dem sich ein Abfall ergebe, zeitlich zusammenbringen, sehen aber auch in dem Dekret eher eine altruistische, gegen perserfreundliche Tyrannen gerichtete, als imperiale Maßnahme Athens (254 f.). Meiggs, Growth 23 und Gomme 1 , 2 9 3 - 2 9 5 betonen demgegenüber die unerachtet etwaiger noch schärferer Maßnahmen hinreichend scharfen Eingriffe in

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nur nach außen gegen eine Einmischung Persiens181, sondern auch nach innen richtete, um Athens Macht über die Stadt selbst zu sichern.

4. Beamte Das alles sind nun grobschlächtige Instrumente, die im Rahmen einer Herrschaftsausübung nur dazu geeignet sind, ein äußeres Verhalten zu gewährleisten und zu erzwingen. Um von einer intensiven Beherrschung sprechen zu können, müssen feinere Instrumente hinzutreten. Wir suchen sie zunächst im faktischen, institutionellen und organisatorischen Bereich, und wir finden sie reichlich. a) Hellenotamiai. - Direkte institutionelle Herrschaftsmittel sind Ämter. Wir haben also athenische Ämterträger auf ihre Funktion im auswärtigen Herrschaftssystem hin zu untersuchen. Zuerst denkt man dabei an die Behörde, die gleich zu Beginn des Seebunds geschaffen wurde, von Anfang an aus Athenern bestand und auf dem nahezu wichtigsten den Bund betreffenden Gebiet, der Finanzverwaltung, tätig war, an die Hellenotamiai m . Eine Durchmusterung der Quellen über ihre Tätigkeit ergibt jedoch überraschenderweise, daß sie nichts als „wesentlich Kassenbeamte" 183 waren, die keinerlei Entscheidungsbefugnisse hatten. Weder hatten sie Art und Höhe der Abgaben der Städte zu bestimmen, noch hatten sie Exekutivgewalt zu ihrer Eintreibung, noch konnten sie über die Gelder verfügen. Sie hatten nur die Eingänge in Empfang zu nehmen184 und diese dann mit den etwaigen Außenständen zu registrieren185 sowie aus der ihnen unterstellten Kasse dann auf das politische Leben der Stadt; Meiggs a. a. O. und ML S. 92 weisen zudem auch noch auf das Fehlen einer Allianzbestimmung hin, die bei einem Neueintritt zu erwarten gewesen wäre. - Nur im letzteren Sinne kann argumentiert werden. Der Vergleichspunkt können nicht schärfere Bestimmungen anderer Dekrete sein, sondern ausgehen muß man von der uneingeschränkten Freiheit und Unabhängigkeit einer freiwillig neu eintretenden Stadt und daran die Bestimmungen des Dekrets messen. Danach war Widerstand zu brechen gewesen, und danach ist Athens Herrschaft, die selbstverständlich von einem Teil der Bevölkerung begrüßt wurde (vgl. u. S. 88 f.), kräftig gesichert worden. 181 Vgl. u. S. 156. 182 Thuk. 1, 96, 2. Dazu, daß sie seit der Gründung des Seebunds und nur aus Athenern bestanden, vgl. statt vieler Gomme 1,86.272 f.; ATL III 230 mit Anm. 25 f.; Woodhead, Hellenotamiae; Meiggs, Empire 44. 183 Busolt/Swoboda 892. 184 So schon Thuk. 1,96,2; vgl. etwa das Dekret für Neapolis (ML 89) 32 f.; s. auch nächste Anmerkung. 185 So nach den Dekreten des Kleinias und des Kleonymos, die beide eine Straffung der

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Anweisung Gelder auszuzahlen, etwa an die Strategen oder, seit der Verlegung der Bundeskasse nach Athen, ein Sechzigstel des Tributs an den Schatz der Athena, was dann in den Tributlisten registriert wurde 186 . b) Strategen. - Von ganz anderem Gewicht gegenüber den Bündnern war das Amt der zehn Strategen - wohlgemerkt der athenischen Strategen, denn diese waren gleichzeitig auch die Feldherrn des Bundes. Diese Tatsache wird in der Literatur als selbstverständlich hingenommen und daher kaum einmal en passant erwähnt 187 , muß aber doch wegen ihrer Wichtigkeit kurz belegt werden. Dabei genügt der einfache Hinweis darauf, daß wir von keinem einzigen nichtathenischen Bundesfeldherrn Nachricht haben, sondern daß die Quellen nur Athener als Strategen erwähnen. Auch die Quellen verfahren nämlich wie die moderne Literatur, indem sie die Frage gar nicht sehen, ob etwa auch ein Angehöriger einer anderen Stadt als Bundesstratege in Frage gekommen wäre. Aus diesem Schweigen der Quellen müssen wir auf die Bundesfunktion der athenischen Feldherrn schließen; denn das Schweigen ist beredt, da es diese Tatsache als durchgängig praktizierte Selbstverständlichkeit nimmt. Wenn dann athenische Psephismen, wovon gleich gesprochen wird, „den Strategen" gewisse Aufgaben in der Administration des Bundes zuweisen, dann ist klar, daß das nur athenische Strategen sein können. Keines besonderen Nachweises bedarf es, daß ihre Funktionen militärischer Art waren, daß sie den Oberbefehl nach außen, aber auch bei der Niederschlagung von Aufständen führten, wie z. B. Perikles 440/39 vor Samos. Dazu gehörte auch, daß die Strategen die Kapitulationsbedingungen aushandelten und beschworen, wie etwa nach dem samischen Aufstand oder nach der Eroberung von Selymbria durch Alkibiades 407 188, und daß ihnen die Sorge dafür übertragen wurde, daß alle Parteien die in den Verträgen vorgesehenen Eide leisteten, so etwa nach der Niederwerfung von Euboia Tributablieferung bezweckten (ML 46,18-22. 43^46; ML 68,17-20); audi bei der Durchführung des Münzgesetzes haben sie nur registrierende Funktion, § 2 ML 45 = § 1 Elxleben. 186 Ihre diesbezügliche Arbeit beschreiben anschaulich ATL III 13 f., ML S. 84 sowie Meiggs, Empire 234 f.; 236-238. Einen Überblick über ihre sonstige Tätigkeit geben Busolt/ Swoboda 1133-1135. 187 Den meisten scheint sich das, ohne daß sie es ausdrucklich sagen, aus Athens Hegemonie zu ergeben; ausdrückliche Erwähnung ohne Begründung bei Walker, CAH V 41; ATL III 237 f. 188 Samos-Dekret (ML 56) 27-32; Selymbria-Dekret (ML 87) 28; vgl. audi den Vertrag mit den Klazomenaiern in Daphnus (ML 88).

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in den Chalkis und Eretria betreffenden Regelungen189. Eine besondere Bedeutung für den Bund hatte die Zuständigkeit der Strategen für den Schutz der Proxenoi 190 , Angehöriger anderer Städte, die den Ehrentitel eines athenischen Staatsgastfreundes erhalten hatten, da diese Proxenoi von Athen als Vertreter athenischer Herrschaftsinteressen eingesetzt wurden 191 und natürlich als solche auch besonders gefährdet waren. Ganz spezifisch auf die Bundesorganisation und das Verhältnis zu den Bündnern zugeschnitten war dann die Funktion der Strategen in besonders wichtigen Finanzfragen. Zunächst einmal waren sie es, die, wenn es sich als nötig erwies 192 , mit der Flotte den Tribut von den Städten einzutreiben hatten. Gleich nach der Schlacht von Salamis hatte Themistokles als Stratege gewaltsam von Andros, Paros und Karystos Geld eingetrieben bzw. es versucht 193, und u. a. dieses selbstherrliche Vorgehen war es, das die Bündner bei Abschluß des Bundesvertrages auf ein geregeltes System der Tributerhebung sehen ließ 194 . Entsprechend hören wir später von Strategen an der Spitze von Tributsammlungsunternehmungen195, die es auch schon vor dem Peloponnesischen Krieg gegeben haben mag 196 und die dann natürlich auch unter einem Strategen gestanden haben dürften. Konsequenterweise sind es auch die Strategen, die bei der großen Neuveranlagung von 425, der sogenannten Kleon-Schatzung, eigens darauf verpflichtet wurden, dafür zu sorgen, daß die neu veranlagten Städte den erhöhten Tribut abführten 197 . Ihre maßgebliche Rolle in allen Tributfragen wird schließlich darin sichtbar, daß sie nicht nur den Tribut einzutreiben hatten, sondern audi bei seiner Festsetzung beteiligt waren: bei der Neuregelung der Tributeinsammlung durch das Kleonymos-Dekret von 426 ist festgelegt, daß bei Prozessen gegen Städte, die die Tributsammlungsbestimmungen verletzen, ein Stratege Bei189 Chalkis: ML 52,19 f.; 43 f.; Eretria: ATL II D 16,5 f. 190 So in den folgenden Proxenie-Dekreten: SEG X 53,17-20 (ergänzt) (430); SEG X 54 = SEG XII 22,10 f. (stark ergänzt) (430); IG P59, 14-17 (427/26); ML 80, 23-26 (411); ML 90,16-20 (408/07). Vgl. audi das Dekret betreffend Neapolis ML 89,52-54 (407), wo sämtliche Einwohner wie Proxenoi durch die Strategen geschützt werden sollen, sowie audi das nicht näher zu bestimmende von Meritt, Hesperia 32 (1963) 39 veröffentlichte Ehrendekret. 191 S. dazu u. S. 99 f. 192 Es kann dahingestellt bleiben, ob das alljährlich, nur alle vier Jahre oder überhaupt nur bei besonderen Gelegenheiten geschah (zur Frage vgl. Gomme2, 202 f.; ATL III 69 f.). Wichtig ist hier, daß, wenn derartige Kommandos in Marsch gesetzt wurden, Strategen an ihrer Spitze standen. 193 Hdt. 8,111 f.; 121. 194 Vgl. ATL III 185. 195 So etwa Thuk. 2,69,1; 3 , 1 9 , 1 ; 4, 50,1; 4, 75,1; Aristoph. Eq. 1070 f.; Plut. Ale. 30,3. 196 Vgl. Busolt/Swoboda 1354; Beloch GG 2,1, 88. 197 Thudippos-Dekret (ML 69) 44-46.

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sitzer zu sein habe 198 , und die Kleon-Sdiatzung bringt die Regelung, daß die Strategen alljährlich ihren Bedarf einzuschätzen und beim Rat einzubringen hätten 199 . Eine wichtige Finanzfrage ist es dann auch, wenn nach dem Münzdekret von der Mitte des Jahrhunderts 200, das die Währungen aller Bundesstaaten auf die athenische umstellte, die Strategen dafür zuständig waren, Überschüsse, die sich aus der Geldumtauschaktion des Bündnergeldes gegen attische Münze ergaben, in Empfang zu nehmen 201 . Diese Bestimmung zeigt, daß die Strategen nicht etwa nur in Kriegszeiten Einfluß auf die Finanzverpflichtungen der Städte hatten, sondern generell dann herangezogen wurden, wenn übergreifende Fragen von höchster Wichtigkeit anstanden - selbstverständlich bei Tributfragen und im Kriege, aber eben auch in Fällen wie dem für die griechische Welt ungeheuren Ereignis der Vereinheitlichung der Währung im ägäischen Raum 202. c) Phrourarchen. - Die athenische Behörde der zehn Strategen war natürlich nicht geeignet, den politischen Willen Athens ständig und überall durchzusetzen. Um direkte und durchgreifende Herrschaft via Amt annehmen zu können, muß ein breiterer, speziell für Angelegenheiten des Bundes gedachter institutioneller Unterbau existieren. Nun gibt es eine Reihe von Beamtentypen, die derartige Funktionen ausgeübt haben. Ihr Verhältnis zueinander ist undeutlich; es soll daher mit den noch am klarsten zu bestimmenden Beamten begonnen werden. Der Phrourarchos begegnet uns nur auf zwei Inschriften, und davon auch nur einmal in der Weise, daß seine Funktionen erkennbar sind. Im ErythraiDekret 203 und in einer weiteren ihm zuzuordnenden Inschrift 204 wird er ausführlich erwähnt. Abgesehen davon, daß er der Kommandant einer Besatzung ist, wie aus seiner Amtsbezeichnung hervorgeht 205, hat er dafür zu 198 Kleonymos-Dekret (ML 68) 40-42. 199 Thudippos-Dekret (ML 69) 46-50; vgl. ATL III 76.78.89. 200 Zur Datierung vgl. den chronologischen Anhang. 201 Münzgesetz § 6 ML 45 = § 4 Erxleben. 202 Zu früher möglicherweise stärkeren Befugnissen in diesem Zusammenhang s. u. S. 161 ff. 203 ML 40. 204 IG 1211 = ATL II D 10; über die Zuordnung vgl. ML S. 92 f. und Meiggs, Empire 421 f. 205 Vgl. audi Erythrai-Dekret in der Fassung ATL II D 10, 52.55. Diese Funktion ist auch die einzige, die aus der im übrigen nicht mit Erythrai zusammenhängenden Inschrift Hesperia 14 (1945) 83 (vgl. Meritt ebd. und Hesperia 15 [1946] 246; Balcer, Restrictions 291) zu entnehmen ist. Womöglich enthielt sie Bestimmungen über weitere ihm untergebene Beamte.

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sorgen, daß der Rat von Erythrai durch Bohnenlos gewählt und konstituiert wird, und zwar beim ersten Mal zusammen mit den athenischen Episkopoi206, bei den folgenden Malen mit dem nunmehr als Institution existierenden Rat 207 . Wir haben hier neben der militärischen also auch eine politische Aufgabe par excellence des Besatzungskommandanten. Neben sie tritt dazu noch eine gerichtliche. Einmal ist es denkbar, daß er bei der Dokimasie der Kandidaten für den Rat 208 mitwirkte, da er ja schon seine Konstituierung zu überwachen hatte 209 . Weiter wird er auch in dem der großen Inschrift zuzuordnenden Bruchstück in allerdings nicht näher zu spezifizierender Weise im Zusammenhang mit durchzuführenden Gerichtsverfahren genannt 210 . d) Episkopoi. - Über den Episkopos, den zweiten athenischen Beamtentypus im Bund, den wir auf Grund seiner Bezeichnung als eigene Spezies herausheben können, haben wir reichlicheres Material. Auch er tritt uns zum ersten Mal im Erythrai-Dekret gegenüber, wo er neben dem Phrourarchos den ersten Rat der demokratischen Verfassung einzusetzen und womöglich auch die Dokimasie zu überwachen hat 211 . Seine Funktion bei der Neueinrichtung einer Verfassung tritt uns weiter in Aristophanes' „Vögeln" entgegen. Dort erscheint, noch bevor die aus Athen geflüchteten Hauptfiguren Euelpides und Pisthetairos den Gründungsakt für ihre neue Stadt durch Opfer vollzogen haben, ein Episkopos aus Athen, der zwei Urnen mitbringt und als erstes nach den athenischen Proxenoi fragt, der also in seiner Eigenschaft als politischer Vertreter Athens sich der Loyalität der Bewohner versichern und die ersten Wahlakte durchführen will 212 . Wahrscheinlich haben die von Thukydides Oikisten genannten Athener, die im Jahre 427 nach Notion geschickt wurden, um für die athenerfreundlichen Kolophonier dort eine neue Stadt nach athenischen Gesetzen zu gründen, dieselbe Funktion gehabt und wären daher auch als Episkopoi zu bezeichnen 213. 206 Von ihnen sogleich unter d). 207 Erythrai-Dekret (ML 40) 13-15; vgl. u. S. 88. 208 Erythrai-Dekret (ML 40) 11 f.; vgl. u. S. 88. 209 So Highby, Erythrae Decree 17; Balcer, Restrictions 262. 210 IG 1211,6.11.12.14.15.16 = ATL II D 10,52.57.58.60.61.62. Vgl. Balcer, Restrictions 285 f.; Meiggs, Empire 114. 211 Erythrai-Dekret (ML 40) 11 f. 13 f.; IG 1211,4 = ATL II D 10, 50. 212 Aristoph. Av. 1021 ff. Die Urnen, κάδω, stellen (gegen Ed. Meyer GdA IV21, 668 Anm. 1; Busolt/S woboda 1356 Anm. 4) keinen Hinweis auf richterliche Kompetenzen dar, sondern beziehen sich, da der Episkopos in eine Stadt mit erst zu bildender Verfassung geschickt wird, auf den konstituierenden Wahlvorgang (so Highby, Erythrae Decree 20; Balcer, Restrictions 267; Meiggs, Empire 213; auch wohl Gomme 1,380; ATL III 144). 213 Thuk. 3,34,4.

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Darüber hinaus hatten Episkopoi auch richterliche Kompetenzen, genau wie wir sie für den Phrourarchen in Erythrai festgestellt haben 214 und wie sie sich zunächst daraus schließen lassen, daß Aristophanes den Pisthetairos durch einen Episkopos vor Gericht laden läßt 215 . Aber ihre Aufgaben beschränkten sich nicht nur auf eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Neugründung von Städten. Antiphon erwähnt sie in der Funktion, überhaupt ein Auge auf die Geschehnisse in Bündnerstädten zu haben 216 , und Pollux scheint eine Quelle vorgelegen zu haben, in der den Episkopoi direkt die Aufsicht über die bestehenden Verfassungen der Städte zugeschrieben wurde2X1. Man braucht sich aber nicht nur auf solche allgemeinen Angaben zu stützen: das Dekret des Kleinias von 447, das eine Strafiung der Tributeintreibung zum Ziele hatte, bestimmte ausdrücklich, daß die Episkopoi neben anderen Beamten für die geregelte Einsammlung und Ablieferung des Tributs nach Athen zu sorgen hätten m . Aus derlei konkreten Fällen, deren es sicherlich noch mehrere gegeben hat, sind dann die späteren Generalisierungen abgezogen worden. In dem nichtmilitärischen219 Beamtentypus des Episkopos haben wir nun also den Ansatz zu einem verwaltungsmäßigen Unterbau, dessen Betätigungsfeld nicht in der Ausübung militärischer Macht bestand, sondern der sich, diese als durch andere gewährleistet voraussetzend, allein der Organisierung und Überwachung der athenischen Herrschaft in den Städten widmete. Anders als ein Phrourarch war er nicht fest stationiert und verließ die Stadt nach Erfüllung seiner jeweiligen Aufgabe 220 . Da das Kleinias-Dekret aber 214 Vgl. dazu o. S. 35. 215 Aristoph. Av. 1046.1052; vgl. Busolt/Swoboda 1355 Anm. 4; Balcer, Restrictions 270 f. 216 Harpokration, s. ν. επίσκοπος, daraus Suda s. v. (Wilamowitz, Kydathen 75; ATL III 144 Anm. 17) und Bekker, Anekdota 1, 254. 217 Für Wilamowitz, Kydathen 75 ist seine Angabe 8,114: και έλληνοταμίαι ol τοΰς φόρους εκλέγοντες, και επί νήσων ol τά παρά των νησιωτών είσπράττοντες καΐ τούς πολιτείας αυτών έφορώντες „das stumpfsinnige excerpt . .., wo die vorläge ersichtlich ganz ordentlich über έλληνοταιιίαι έκλογής έπίσκοποι berichtet hatte." 218 Kleinias-Dekret (ML 46) 5-11. 219 Zu schließen (außer aus dem Titel) aus dem Nebeneinander von Episkopoi und Phrourarch im Erythrai-Dekret; vgl. statt vieler Beloch, GG 2, 1,188; Highby, Erythrae-Decree 19; Balcer, Restrictions 274. Siehe jedoch u. S. 159 f. 220 So mit Recht etwa Highby, Erythrae Decree 18 f.; Balcer, Restrictions 267 f.; ML S. 91.119; Meiggs, Empire 213 gegen Busolt GG 3,1, 227 Anm. 2 und Busolt/Swoboda 1355 mit Anm. 4, da in Erythrai nur für den Phrourarchen weitere Aufgaben nach der ersten Etablierung des Rates bestimmt wurden, und da auf den Episkopos bei Aristophanes nach Erledigung seines Auftrags in Nephelokokkygia weitere Pflichten in Athen warten.

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die Anwesenheit von Episkopoi außerhalb Athens voraussetzte221, muß geschlossen werden, daß sie nicht nur von Fall zu Fall ernannt wurden, sondern sich in einer gewissen Anzahl ständig im Bundesgebiet aufhielten und je nach Geschäftsanfall herumreisten, möglicherweise sogar von den größeren Städten ausgehend222. Das entspricht ganz ihrer Funktion, die lediglich die Oberaufsicht über die allgemeinen Angelegenheiten betraf und nur in ganz grundlegenden Fällen zum direkten Eingreifen veranlassen konnte 223 . e) Archonten. - Die dritte Bezeichnung für im Bund amtierende athenische Beamte war die des Archon. Um Klarheit in die Zusammenhänge der verhältnismäßig reichhaltigen Zeugnisse zu bekommen, empfiehlt es sich, zunächst einmal die Funktionen derer, die als Archonten bezeichnet werden, darzulegen. Sie waren eine von den innerathenischen Beamten klar geschiedene Gruppe; das folgt aus generalisierenden Äußerungen Pseudo-Xenophons und Aristoteles' 224, die von den Ämtern in Übersee als von einer eigenen Kategorie sprechen, und vor allem aus einer Ehreninschrift von 430 für den Halikarnassier Leonidas 225. Ihre Aufgaben waren vielfältiger Art. Allgemein ausgedrückt hatten sie die Herrschaft für Athen auszuüben auch bei ihnen bedeutet der Name was er sagt, und ausdrücklich und an erster Stelle wird das Herrschen als die Hauptaufgabe der fünf 450/49 nach Milet gesandten Archonten genannt 226 . Im einzelnen gibt es Hinweise darauf, daß sie militärischen Charakter hatten. In dem eben erwähnten Milet-Dekret kommen athenische Besatzungen vor, über die die Archonten geboten227; 221 Sie werden (ML 46,7) erst im Anschluß an die in den Städten residierenden Archonten aufgeführt, und vor allem werden sie nicht wie Herolde (22 ff.) in das Bundesgebiet ausgesandt. Vgl. auch Balcer, Restrictions 264. 222 So mit Recht Balcer, Restrictions 267 f. ML drücken mit ihrer Formel „travelling commissioners" (S. 91.119) denselben Sachverhalt aus. 223 Balcer, Restrictions 293-295 (ebenso Meiggs, Empire 214 f.) hat recht daran getan, die Beamtenkategorie der κρυπτοί, die wir nur bei Bekker, Anekdota 1,273 s.v. κρυπτή finden (αρχή τις ΰπό των 'Αθηναίων πεμπομένη είς τους υπηκόους, ίνα κούφα έπιτελέσαχτι τά εξω γινόμενα, δια τοΰτο γαρ και κρυπτοί εκλήθησαν) als unhistorisch zu bezeichnen und sie allenfalls mit den Episkopoi zusammenzubringen, da sie sonst nirgendwo belegt ist und da anderweitige reichlich kryptische Anspielungen und Analogien zu unsicher sind, um auf ihnen fußen zu können. Tenekidfcs, Notion juridique war da gläubiger; er nennt 58 ohne weitere Nachprüfung die κρυπτοί eine „sorte de police secrete chargee d'espionner et de denoncer des manoeuvres des allies". 224 Ps.-Xen. 1,19: τάς αρχάς τάς έν τη ύπερορίί?. Aristot. Ath. Pol. 24,3: άρχαί ύπερόριοι. 225 IG 1256 ( = Hill Β 80) 5-7: Ιιοίτινες Άθεναίον αρχοσι έν τει Ιιυπερορίαι. 226 Milet-Dekret (StV 151) 6: αρ]χεν και συν[βολεύεν. Diese fünf Männer sind auch dem Titel nach Archonten: hol πέντε hoi άρχοντες (64). 227 Milet-Dekret (StV 151) 77.

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ebenso stationierte Athen auf Samos nach der ersten Rückgewinnung 440 Archonten zusammen mit einer Besatzung 228, und als Alkibiades 411 Kos befestigt hatte, ließ er einen Archon zurück 229. In Milet und auf Samos nahm Athen zugleich mit der Rückgewinnung audi Einfluß auf die Verfassung. In Milet hatten die Archonten die Aufgabe, nach der Beseitigung eines sezessionistischen Tyrannen-Regimes mit den oligarchischen milesischen Magistraten der Aisymneten und Proshetairoi zusammen die Staatsgeschäfte zu führen 230, und auf Samos wurden sie gleichzeitig mit der Errichtung der Demokratie eingesetzt231. Deutlich wird diese Funktion des Archon auch im Falle des die Verfassung konstituierenden Episkopos in Aristophanes' „Vögeln". Er wird wegen dieses seines Ansinnens von dem erbosten Pisthetairos verprügelt 232, für welches Delikt diesem dann ein Dekret vorgehalten wird, das die Vertreibung der Archonten unter Strafe stellt 233. Das bedeutet, daß hier der Episkopos als verfassunggebender Archon vorgestellt ist. Ebenso sind es die Archonten, die in Milet die Eide für Athen schwuren und anscheinend auch die Eide der Milesier entgegennahmen234. Eine direkte Ausübung der athenischen Herrschaft lag nun in den Fällen vor, in denen die Archonten in das Justizverfahren der Städte eingriffen. 228 Thuk. 1,115,3.5. 22? Thuk. 8,108,2. - Vgl. weiter die Ausführungen in Teil 2, u. S. 156 ff. 230 Milet-Dekret (StV 151) 6 f.; vgl. im einzelnen Barron, Milesian Politics. Vgl. auch die weiteren Aufschlüsse über die milesischen Verhältnisse in den fünfziger Jahren durch die neugefundenen Bruchstücke der Tributliste von 454/53 bei Meritt, List of 454/3. 231 Thuk. 1,115,3.5. Vgl. u. S. 85. 232 Aristoph. Av. 1029-1031.1049. 233 Aristoph. Av. 1050 f. 234 Milet-Dekret (StV 151) 73 f. - Mit einiger Vorsicht könnte man dann auch die fünf Männer, die 446 die Eide der wieder unterworfenen Chalkidier entgegennehmen (Chalkis-Dekret [ML 52] 45-47) und die δρκωταί, die dasselbe in Eretria tun (Eretria-Dekret [SEG X 35] 4), unter die Archonten rechnen, wie es Balcer, Restrictions 282 tut. Jedoch sind die όρκωταί ein derart übliches und festumgrenztes Amt und ist das Entgegennehmen und Schwören von Eiden ein völkerrechtlich so übliches Geschäft (vgl. nur e. g. den Vertrag mit Egesta [ML 37] 8), daß diese Funktion allein ohne Hinzutreten anderer Funktionen nicht dazu ausreicht, diese Männer als athenische Herrschaftsträger zu bezeichnen; solche weiteren Funktionen sind bei Chalkis und Eretria nicht zu erkennen. Man muß den Fall daher offenlassen und sollte nicht, wie Oliver, Athenian Decree 190 es tut, diese anderen Funktionen aus der bei der Eidabnahme ergänzen; dagegen spricht das allgemein Übliche des Verfahrens. Es ist also eine petitio principii, wie Oliver zu sagen, die Aufgaben der Archonten seien so bekannt gewesen, daß sie im Chalkis-Dekret nicht eigens aufgeführt zu werden brauchten - daß es Archonten sind, sollte ja erst bewiesen werden, und geradezu ein Gegenbeweis ist es, daß die fünf Männer ohne weitere Amtsbezeichnungen nur zur Eidabnahme abgesandt wurden.

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Das ist zum einen wiederum in Milet zu beobachten. So lückenhaft das MiletDekret auch erhalten ist, so sind doch Bestimmungen auszumachen, die eine gerichtliche Funktion der Archonten erkennen lassen 235. Berühmt ist weiter eine Stelle aus Antiphons Prozeßrede über den Mord an dem Athener Herodes auf Lesbos. Ein Sklave wurde als Belastungszeuge und angeblicher Mittäter von den mytilenäischen Behörden gefoltert und getötet, obwohl er nicht in deren Zuständigkeit fiel, sondern athenischen Archonten auf Lesbos hätte übergeben oder sonst für einen Prozeß in Gewahrsam gehalten werden müssen236. Athenische Hoheitsgewalt gegenüber den Städten übten die Archonten weiter dadurch aus, daß ihnen der Schutz von Proxenoi oder ganzen Gruppen von begünstigten Personen anvertraut wurde. So sollte 407/06 der athenische Proxenos Oiniades von Palaiskiathos von dem auf Skiathos residierenden Archon geschützt werden 237, so sollten um dieselbe Zeit die Archonten die Stadt Neapolis in Thrakien schützen m , und eine ähnliche Aufgabe dürften die in einem nicht genau einzuordnenden weiteren Ehrendekret erwähnten Archonten in Ionien gehabt haben 239. Das geschah wohlgemerkt nicht etwa im Rahmen der Rechtsordnung der jeweiligen Stadt, vergleichbar etwa mit konsularischen Hilfsmaßnahmen unserer Zeit, sondern kraft Athens Herrschaftsgewalt, wie es in dem Dekret für Leonidas aus Halikarnaß zum 235 Milet-Dekret (StV 151) 76-80; vgl. Oliver, Athenian Decree 188; Meiggs, Growth 26; ders., Empire 222. Balcer, Restrictions 280 stützt sich auch auf die Zeilen 44-48, die sich jedoch auf das Verfahren bezüglich der Tributfestsetzung in Athen beziehen, vgl. Oliver a. a. O. 190. 236 Antiph. 5,47: τοις αρχουσι τοις ΰμετέροις άηοδοΰναι. Ob die dort erwähnten άρχοντες athenische Beamte auf Lesbos oder die athenischen Behörden in Athen sind, ist nicht auf den ersten Blick deutlich. Meistens wird das erstere als selbstverständlich angesehen, nur Lipsius, Das attische Recht 973 Anm. 23 hielt sie für die athenischen Elfmänner, da ihm außer den Phrourarchen keine athenischen Beamten im Bund bekannt waren; Oliver, Athenian Decree votiert wegen der anderen δρχοντες έν τη ΰπερορία und der Gerichtsbarkeit der milesischen Archonten dagegen für Athener auf Lesbos, und Nease, Garrisons 109 meint, es seien deshalb athenische Beamte auf Lesbos, weil der Fall dort spiele. Wenn das auch ein nicht sehr tragfähiges Argument ist, so ist das Ergebnis richtig: Beamte in Athen schlechthin können damit nicht gemeint sein, da άρχοντες dort speziell die neun Archonten meint, die hier gewiß nicht in Frage kommen; wenn ein anderer städtischer Beamter gemeint wäre, wäre er mit seiner Amtsbezeichnung genannt worden. Die einzigen Beamten, die sonst άρχοντες heißen, sind unsere, und sie sind daher hier auch gemeint. 237 ML 90,15-20. 238 ML 89,54 f. 239 Meritt, Hesperia 32 (1963) 39,2-6: έπι]μέλεσθα[ι δέ αύτδ τέν τε βολέν] τέν Άθεναίον και τός στρατεγός] τός άεί στ[ρατεγδντας καΐ τός α]ρχοντας τ[ός έκ τον πόλεον τδν έν Ίονίαι . . .

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Ausdruck kommt. Dort heißt es, daß in den Bundesstaaten die dort „herrschenden" Athener ihn beschützen sollten 240. Diese Aufgabe konnten nun, im Gegensatz zu den Phrourarchen, nicht nur von Fall zu Fall übertragen werden, sondern sie wurden pauschal für das als existierend vorausgesetzte Amt des Archon verordnet; denn so, als fester Verwaltungskörper, dem man den ganzen Seebund betreffende Aufgaben zuweisen konnte, erscheinen die Archonten schließlich in den Fällen, wo es galt, finanzpolitische Maßnahmen den Städten gegenüber durchzusetzen. Zum einen in Tributangelegenheiten. Das Dekret des Kleinias von 447, das allgemein das Tributeinziehungsverfahren einer schärferen Kontrolle durch Athen unterwarf, verpflichtete die athenischen Archonten in den Städten zusammen mit dem Rat und den Episkopoi für seine Durchführung zu sorgen241, d. h. also, die Erfüllung der dort festgelegten Prozeduren bei den einzelnen Städten durchzusetzen. Diese Funktion hat auch eine lexikographisdhe Notiz im Auge, die davon spricht, daß die Archonten das von den einheimischen Eklogeis242 gesammelte Geld in Empfang genommen hätten 243 , und wahrscheinlich hat das Milet-Dekret für die dort eingesetzten fünf Archonten auch derartiges vorgesehen 244. Von den Tributlisten erfahren wir dann aus dem Jahre 429/28, daß direkt an Archonten gezahlt wurde 245. Die Archonten als im ganzen Reichsgebiet vorhandene Behörde, die Athen zur weiteren Durchsetzung seiner Herrschaft einsetzte, lernen wir hinsichtlich ihrer finanziellen Aufgaben schließlich durch das Münzgesetz 240 Dekret für Leonidas von Halikarnassos (Hill Β 80) 2-7: έάν άδικεν μέτ[ε Ά]θέ[νεσ]ι [μέτ]ε Ιιόσες Άθεναΐοι κρατοσι- έ[π]ιμέλεσθαι δέ αύτδ Άθένεσι μ[έ]ν τός πρυτάνες καΐ τέμ βολέν, έν δέ τεσι σλλεσι πόλεσι Ιιοίτινες Άθεναίον αρχοσι έν τξ'ι hwrepopiai . . . . 241 ML 46, 5-11. Daß es sich um Athener und nicht um lokale Magistrate handelt, folgt entgegen den allerdings nur zaghaft vorgebrachten Bedenken Gommes 1, 383 Anm. 1 aus folgendem. Zunächst ist es doch nicht ohne Gewicht, daß die hier im allgemeinen Vorspruch apostrophierten αρχ[οντας έν τεσι πόλεσι zwischen dem athenischen Rat und den athenischen Episkopoi aufgeführt werden; darüber hinaus spricht für ihre Eigenschaft als Athener, daß der ganze Vorspruch des Dekrets, in dem dessen allgemeines Ziel - der regelmäßigere Eingang des Tributs - proklamiert wird, sich natürlich an die athenischen Behörden als diejenigen wendet, die für die Durchführung des Gesetzes zu sorgen haben. Zudem ist die Bezeichnung άρχοντες έν ταϊς πόλεσι offenbar ein terminus technicus für eben die athenischen Archonten im Bund; vgl. zu Münzgesetz § 3 ML = § 2 Erxleben u. S. 46 Anm. 246 a. E. sowie Erziehen, Münzgesetz AfP 19 (1969) 104. 242 Zu ihnen siehe u. S. 56.100. 2« Bekker, Anekdota 1, 245. 244 Vgl. Meiggs, Growth 26. 245 ATL II Liste 26 I 11-14: [π]όλες αΐ[δ]ε άρχαϊς [εδ]οσαν τόιι φόρον; vgl. ATL I 449.

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kennen. Dort ist bestimmt, daß, wenn in der jeweiligen Stadt (seil, ausnahmsweise) keine athenischen Archonten amtierten, die einheimischen Magistrate das Gesetz ausführen sollten246, etwa in dem Sinne, daß sie die Einsammlung des Geldes nichtathenischer Währung zu garantieren und die Umtauschaktion zu überwachen 247 sowie dafür zu sorgen hatten, daß die Münzen geschlossen blieben 248. Diese Bestimmung besagte also, daß im Normalfall athenische Beamte für diese Aufgabe zur Verfügung standen, und sie macht besonders deutlich, wie deren Verhältnis zu den einheimischen Beamten war: diese hatten eine rein subsidiäre Funktion, nämlich die von Hilfsbeamten für den Fall des Fehlens von Athenern. Wir müssen uns daher die athenischen Archonten im Bund als ein ziemlich engmaschig verteiltes Korps vorstellen, das auf allen einigermaßen wichtigen Gebieten die einheimischen Magistrate zu kompetenzlosen oder bestenfalls Hilfsdienste leistenden Behörden degradierte. Wenn wir nun versuchen, in diese Beschreibung der Funktionen der als Archonten bezeichneten Beamten Ordnung zu bringen, so stellen wir zu unserer Verwirrung fest, daß der Begriff anscheinend in zweierlei Weise gebraucht worden ist: als Oberbegriff für die athenischen Seebundbeamten überhaupt und als Bezeichnung für eine Spezialbehörde. Letztere Bedeutung folgt aus dem Dekret des Kleinias, wo die Archonten neben den Episkopoi als eigene Behörde genannt sind 249; eben diese Episkopoi ordnet nun wieder Aristophanes in den „Vögeln" unter den Oberbegriff der Archonten ein 25°, und entsprechend ist natürlich der Oberbegriff gemeint, wenn Pseudo-Xenophon und Aristoteles von den überseeischen Beamten sprechen251. Bei allen 246 Münzgesetz § 4 ML 45 ( = § 3 Erxleben): και ε'ι μ]ή είσι[ν] άρχοντες 'Αθηναίων, έ[πιτελεσάντων οσα έν τφ ψ]ηφίσματι ot αρχοντε[ς ot έκάβτης της πόλεως. Die athenischen Archonten werden im Münzgesetz weiter erwähnt in § 1 ML 45, wo sie wieder den lokalen Archonten gegenübergestellt werden (vgl. dagegen Erxleben, Münzgesetz AfP 19 [1969] 98. 101. 136, der vorsichtiger ergänzt), und in § 3 ML 45 ( = § 2 Erxleben), wo ihnen, den άρχοντες έν ταΐς πόλεσιν, Strafen für die Verletzung des Gesetzes angedroht werden. Daß es sich bei § 3 ML um athenische und nicht um lokale Archonten handelt, folgt außer der Reihenfolge der mit Strafe Bedrohten (Archonten - Bürger [womit, da es ein athenisches Gesetz ist, nur athenische Bürger gemeint sein können] - Fremde) auch daraus, daß im folgenden Paragraphen die Ausnahmeregelung für den Fall getroffen wird, daß keine athenischen Archonten da sind; das Gesetz hatte also vorher athenische Archonten zum Gegenstand. 247 Robinson, Currency Decree 325; Erxleben, Münzgesetz AfP 19 (1969) 97 f. 248 Robinson a. a. O. 249 6 f.; siehe o. S.41. 250 Vgl. o. S. 43 Anm. 233. 251 Vgl. o. S. 42 Anm. 224; so auch Bekker, Anekdota 1,254.

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übrigen Erwähnungen von Archonten ist aus dem unmittelbaren Zusammenhang nicht zu ersehen, ob es sich jeweils um ein Spezialamt oder um die allgemeine Bezeichnung handelt. Nun könnte man versuchen, diejenigen Stellen, in denen die Bezeichnung Ardion als Oberbegriff verwendet wird, dadurch auszusondern, daß man aus dem Zusammenhang ihre spezifische Funktion erschließt und sie so womöglich als einen der beiden Beamtentypen (Phrourarchos oder Episkopos) erkennt. Die übrigbleibenden Stellen wären dann diejenigen, in denen der Archon eine besondere Behörde darstellt, die dann nach ihren Funktionen zu definieren wäre. Dieser Versuch scheitert nicht nur an dem dafür unzureichenden Quellenmaterial, sondern vor allem daran, daß sich schon Phrourarchen und Episkopoi auf Grund ihrer Funktionen nicht scharf genug voneinander abheben lassen. Beide können bei der Neueinrichtung einer Verfassung mitwirken und beide haben richterliche Befugnisse. Überschneiden sich also schon die Aufgabenbereiche von Phrourarch und Episkopos, so ist dasselbe unglücklicherweise ausgerechnet im Verhältnis der Episkopoi zu den einzigen als Spezialbehörde zu erkennenden Archonten festzustellen. Im Kleinias-Dekret wird beiden Ämtern ohne funktionalen Unterschied die Sorge für die Eintreibung und Abführung des Tributs aufgetragen. Ja, da sich bei näherem Hinsehen auch auf fast allen anderen Gebieten bis einschließlich zu den Strategen die Zuständigkeiten überschneiden 252 und da auch chronologisch kein klarer Ablauf zu erkennen ist, bleibt im gegenwärtigen, systematischen Stadium der Untersuchung nur die folgende zusammenfassende Feststellung zu machen: Athen hat im Lauf der Geschichte des Seebundes Ämter geschaffen, die es befähigten, über die bloße Machtausübung hinaus seine Herrschaft in den Städten auf den wichtigsten Gebieten unmittelbar auszuüben und zu organisieren. Von diesen Ämtern gehört das des Strategen noch dem Bereich der unmittelbaren und ungeteilten Machtausübung an, während die Phrourarchen einen eher militärischen, die Episkopoi einen eher zivilen Charakter haben, und wobei die Amtsbezeichnung der Archonten sich auf beide Bereiche erstreckt. Das genaue Verhältnis der Ämter zueinander muß im Zusammenhang mit der Frage ihrer Entstehung geklärt werden. Für die Episkopoi und Archonten kann jedoch schon festgestellt werden, daß beide Ämter ständige Einrichtungen waren, die nicht lediglich von Fall zu Fall geschaffen wurden 252 So schon Nease, Garrisons 109 und jetzt Will, Le monde grec 190 f.; Balcers Versuch, Restrictions 179 fi., zwischen genereller und spezifischer Bezeichnung für die Archonten zu unterscheiden, läßt keine klaren Kriterien erkennen und verharrt in der bloßen Behauptung.

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und die jeweils ein für dauernd eingerichtetes Korps darstellten 253, mit dessen Existenz man rechnete und dem man bestimmte Aufgaben übertragen konnte 254. Ihre Funktion war nicht bloß die Kontrolle örtlicher Behörden, sondern sie übten selber und für dauernd Hoheitsgewalt aus.

5. Strafmaßnahmen Der direkte Zugriff auf zu Beherrschende zeigt sich nicht nur in der Existenz und Tätigkeit von Ämtern, sondern audi darin, daß der herrschende Staat Einfluß nimmt auf das Schicksal einzelner, ihm politisch besonders wichtig erscheinender Personen; institutionell geschieht das im Rahmen der Rechtspflege 255. In unserem Zusammenhang kommt es dabei wieder nicht auf den juristischen, sondern auf den tatsächlichen Aspekt der Sache an, d. h. darauf, daß Athen in wichtigen Fällen auf die Verhängung von Übeln in Gestalt von Strafen 256 Einfluß nahm und dadurch Gegner ausschaltete oder Anhänger vor anderweitiger Verfolgung schützte 257. Pseudo-Xenophon258 ist es gewesen, der das bereits generalisierend und unmißverständlich festgestellt hatte 259 , wir können es aber auch im Detail nachweisen. 253 Das Amt war natürlich ein Ehrenamt, und der einzelne Beamte wechselte und wurde von Fall zu Fall eingesetzt, vgl. zum Allgemeinen Aristot. Ath. Pol. 24, 3, zum Episkopos Aristoph. Av. 1022 (Einsetzung durch Los), zu den Archonten MiletDekret (StV 151) 4 ff. 254 Vgl. o. S. 41 f. 255 Vgl. dazu Meiggs, Empire 220-233. 256 Das Wort Strafe ist hier nicht technisch gebraucht. Abgesehen davon, daß das attische Recht den Unterschied zwischen Zivil- und Strafprozeß nicht kannte (Lipsius, Das attische Recht 237-246), kommt es hier nicht darauf, sondern auf das Inhaltliche, d. h. das Übel an, das in einem Gerichtsverfahren über jemanden verhängt wird, sei es etwa als Schadensersatz aus Vertrag oder unerlaubter Handlung in einem Zivilprozeß, um mit unseren Begriffen zu sprechen. 257 Ste. Croix hat das Verdienst, die Quellen, die auf einen Gerichtsstand nicht nur in Strafprozessen in Athen hinweisen, übersichtlich nach klaren Kriterien zusammengestellt und untersucht zu haben (Ste. Croix, Notes). Er gliedert seine Untersuchung nach (I.) δίκαι από συμβολών, d. h. kontradiktorische Verfahren zivilrechtlicher Art, in denen die eine Partei ein Athener, die andere ein Bundesangehöriger ist, und lehnt hier mit Recht Besonderheiten ab (vgl. u. S. 52 ff.), nach (II.) Verfahren, deren Gerichtsstand der Natur der Sache nach Athen sei, da es sich um spezifische Angelegenheiten des Bundes handele, und nach (III.) Verfahren, in denen Athen Gerichtsstand auf Grund besonderer Zuweisung sei. Diese Einteilung wird sich als nützlicher Ausgangspunkt erweisen; im augenblicklichen Zusammenhang kommt es auf Kriterien an, die von der Frage der faktischen Herrschaftsausübung ausgehen. In Bezug auf den Nachweis des athenischen Gerichtsstandes in den im Text aufgeführten Fällen beziehe ich mich hier auf Ste. Croix. 258 i, 14.16-18. 259 Vgl. auch Isokr. 12, 63. 66.

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a) Verfolgung schwerer Straftaten. - Zum einen monopolisierte Athen die Verfolgung bestimmter Taten bei sich. Es waren dies einmal solche, die sich unmittelbar auf die Herrschaft bezogen, also politische Straftaten 26°. Nachweisbar ist die Strafandrohung bzw. Strafverhängung für Verrat 261 , wobei dieser Tatbestand auch in all den Fällen vorgelegen hat, in denen ein Athen geschworener Treueid verletzt wurde 262 , für Verweigerung des Treueides 263 , für Vergehen gegen die Ablieferung des geschuldeten Tributs und die Weihegaben 264 , für Vergehen gegen das Münzgesetz 265 , sowie anscheinend auch für Vergehen gegen athenische Beamte 266 . Aber auch Straftaten der normalen Kriminalität oder sonstiger Beeinträchtigungen, soweit sie an Proxenoi verübt wurden, wurden auf Grund jeweils besonderer Bestimmungen durch Athen abgeurteilt267. Tötung ist reichlich belegt 2 6 8 ; darüber hinaus wurden Proxenoi auch dagegen geschützt, daß ihre gerichtliche Verfolgung durch ihre einheimischen Behörden 269 , etwa die Verhaftung270, verboten wurde sowie eine sonstige unrechtmäßige Behandlung271. Außerdem gab es Fälle, in denen die strafrechtliche Verfolgung 272 und Bestrafung von bestimmten Athenerfreunden von der Zustimmung des athenischen Demos abhängig gemacht273, d. h. also aus der Geriditbarkeit der Heimatstadt des Betreffenden eximiert wurde und Athen vorbehalten blieb; ein Verstoß dagegen, also 260 Es s i n d hi e r politische Straftaten im engeren Sinne gemeint, also Taten, die sich unmittelbar gegen die Herrschaft Athens wenden; die genaue Abgrenzung ist natürlich ein dorniges Geschäft, da ja auch Taten der normalen Kriminalität politischen Charakter haben können; vgl. nur Ste. Croix, Notes 95 und u. S. 52. 261 Erythrai-Dekret (ML 40) 32 ff.; möglicherweise auch Milet-Dekret (StV 151) 65 ff.; Aristoph. Vesp. 287-289; Pax 639 f.; Av. 1421 ff. 1452 ff. 262 Treueide: siehe S. 103. 263 Chalkis-Dekret (ML 52) 33 f. Auch diese Strafandrohung dürfte sich nicht nur auf diesen einen nachweisbaren Fall beschränken. 264 Ste. Croix, Notes 269; Kleinias-Dekret (ML 46) 3 1 ^ 3 ; Chalkis-Dekret (ML 52) 25-27; Eretria-Dekret (StV 154) 11 ff.; Kleonymos-Dekret (ML 68) 42-51. 2 « §§ 3 f. ML 45 = §§ 2 f. Erxleben. 266 Aristoph. Av. 1050. 267 Bezüglich der politischen Bedeutung dieses Vorgangs siehe u. S. 99 f. sowie Meiggs, Note, passim und Ste. Croix, Notes 277-279; Ste. Croix betont 274 auch richtig, daß diese Vergünstigungen nicht generell für alle Proxenoi, sondern nur von Fall zu Fall verliehen wurden. 268 Erythrai-Dekret (ML 40) 29-32 sowie die Dekrete SEG X 19 = SEG X I I 9,13 f.; SEG X 23,7-13; 52,13 f.; 98,10 f.; 99,3-6; I G 11232,11-14; Hill Β 80 13-17. 269 Dekrete SEG X 98,11; 108,17; X I V 7,1; I G II232, 11. 270 Dekrete SEG X 98,11; 108,17 f.; X I V 7 , 1 ; I G II232,11. 271 Dekrete I G 12153,6; SEG X 23,2 f.; 108,20-24; Hill Β 80,1. 8 f. 272 Es wird das Wort τιμωρία verwendet, vgl. dazu Ste. Croix, Notes 273.

273 IG 1259,20-23; SEG X 76,4-6.

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die Bestrafung eines solchen Proxenos, wurde ebenfalls mit Strafe bedroht 274 . Schließlich bestimmte Athen von Fall zu Fall, daß bei der Verletzung eines Athenerfreundes die für den Fall der Verletzung eines Atheners angedrohte, nicht näher spezifizierte Strafe verhängt werden sollte 275, natürlich in Athen. Wenn allgemein auf derartige Konsequenzen verwiesen werden konnte, d. h. also die Verletzung eines Proxenos analog zu der eines Atheners behandelt werden sollte, muß es Vorschriften gegeben haben, die dessen Verletzung unter Strafe stellten und zwar generell gegenüber sämtlichen Bundesgenossen. Es muß sich um ein nicht erhaltenes allgemeines Dekret gehandelt haben, das die Verletzung von Athenern in Bundesstädten als besonderen Tatbestand mit Strafe bedrohte 276 ; und zwar müssen wir schon eine ausdrückliche Vorschrift und keine bloße Übung annehmen, da nur auf eine solche in anderen Vorschriften sinnvollerweise verwiesen werden kann. b) Verhängung schwerer Strafen. - Dieses allgemeine Dekret ist nicht das einzige, das bezüglich der Strafgewalt Athens über den überlieferten Bestand hinaus erschlossen werden kann. Schon Wilamowitz 277 hatte den Verweis des Chalkis-Dekrets, bezüglich der Todesstrafe und der Strafen der Verbannung und der Atimie solle die Berufung nach Athen „gemäß dem Psephisma des Demos" stattfinden27S, als Hinweis auf „die allgemeine gerichtsordnung für die bündner" gedeutet. Jetzt ist Balcer zu demselben Ergebnis gekommen279, er argumentiert allerdings nur aus allgemeinen Gründen dafür, daß es nämlich unwahrscheinlich sei, daß mit diesen Worten auf ein spezielles Dekret für Chalkis verwiesen sein könne. Dieser Schluß läßt sich jedoch dem Dekret selbst entnehmen. Er folgt einmal aus der sonst ungewöhnlichen Formulierung 28°, vor allem aber aus dem Inhalt. Die Bestimmung über die Berufung nach Athen bei bestimmten Strafarten als Einschärfung einer früher beschlossenen Einzelregelung wäre dann unsinnig, wenn mit dieser das kurz vorher beschlossene erste Psephisma über Chalkis gemeint wäre. Als Einschärfung eines allgemeinen und weiter zurückliegenden Dekrets über Aburteilung von Kapitalsachen durch Athen hat sie jedoch ihren Sinn. 274 IG 1259,23 f.; SEG X 76,6-8. 275 Hill Β 80,16; SEG X 23,11 f.; 52,13-16; 98,12; 99,3 (ergänzt); 108, 16; XII 9,15 (ergänzt); IG IP32,12. 276 Meiggs, Note 11. 277 Kydathen 59; ihm ohne weiteres folgend Ed. Meyer, Forschungen 2,148. 278 Chalkis-Dekret (ML 52) 76: κατά τό φσήφισμα τδ δέμο. 279 Restrictions 314 fi. Balcer erwähnt weder Wilamowitz nodi Ed. Meyer. 280 Vgl. Zeile 49, wo der dem erhaltenen Dekret zugrundeliegende Beschluß für Chalkis τά έφσεφισμένα heißt. Zögernd dazu Meiggs, Empire 225.

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Dieses Dekret dürfte dann Antiphon gemeint haben, als er sagte, es sei keiner Stadt erlaubt, jemanden ohne Zustimmung Athens mit dem Tode zu bestrafen 281 . Schon aus dem Erythrai-Dekret können wir schließen, daß Athen für sich in Anspruch nahm, Fälle von Tötungen jeglicher Art im Prinzip selbst zu verfolgen. Dort ist nämlich bestimmt, daß ein Erythräer, der einen Mord an einen anderen Erythräer begangen hat, hingerichtet werden solle, wenn er verurteilt worden sei 282 . Daraus folgt nicht etwa, daß Athen sich in diesem Punkt nicht eingemischt habe 283 , sondern im Gegenteil, daß Athen hier ausdrücklich auf etwas verzichtet, was ihm logischerweise an sich zugekommen wäre. Ebenso w i e Athen bestimmte schwere Straftaten selber aburteilte, so behielt es sich also auch die Verhängung bestimmter schwerer Strafarten vor und drohte sie ausschließlich selbst an. So die Todesstrafe 284 , die Strafen der Atimie 285 , des Vermögenseinzugs 286 und der Verbannung 287 ; selbstverständlich verhaftete Athen auch gefährlich erscheinende Untertanen 288 . Darüber281

5,47: νΰν δέ αύτοί καταγνόντες τόν θάνατον τοΰ άνδρός άιτεκτείνατε· δ ούδέ πόλε ι εξεστιν, δνευ 'Αθηναίων ούδένα θανάτω ζημιώσαι. 282 ML 40,29-32. 283 So etwa Highby, Erythrae Decree 26 f. 284 Erythrai-Dekret (ML 40) 29 f.; Chalkis-Dekret (ML 52) 8.73f. (ich sdiließe mich hinsichtlich der Bedeutung von εΰθυναι = Strafen und εφεσις = Berufung der herrschenden Meinung an [Ste. Croix, Notes 271 f.; ML S. 143; vgl. audi Ruschenbusch, ΕΦΕΣΙΣ], so daß also Athen das entscheidende Wort über die Todesstrafe belassen wird, so auch bei φυγή und ατιμία); Samos-Dekret von 412 (SEG XIV 9) 6-9; SEG X 76, 7 (ergänzt); Ps.-Xen. 1,14; Antiphon 5, 47; Isokr. 12, 66; möglicherweise auch Aristoph. Vesp. 287-289, wenn die Bedeutung „beseitigen" für έγχυτριεΐς diese weitere Auslegung verträgt. 285 Milet-Dekret (StV 151) 29 f.; Münzgesetz §§ 3 f. ML 45 = §§ 2 f. Erxleben; ChalkisDekret (ML 52) 6 f. 33 f. 74; Thudippos-Dekret (ML 69) 31-33; Samos-Dekret von 412 (SEG XIV 9) 6 f. (vgl. Ste. Croix, Notes 272); Ps.-Xen. 1,14. Das Dekret gegen Arthmios von Zelea, der im Auftrag des Perserkönigs Griechen des Mutterlandes bestechen wollte, muß wegen der mangelnden Sicherheit seines Wortlauts wie seiner Datierung außer Ansatz bleiben (vgl. Schaefer, Symmachie 143-146; Kolbe, Anfänge 259-261; Meiggs, Empire 508-512), was wegen der anderen Belege auch unschädlich ist. 286 Erythrai-Dekret (ML 40) 31 f.; Milet-Dekret (StV 151) 30.31.34; Münzgesetz § 3 ML 45 = § 2 Erxleben; Chalkis-Dekret (ML 52) 8 f. 34; Thudippos-Dekret (ML 69) 31-33; Samos-Dekret von 412 (SEG XIV 9) 6-9; SEG X 76,8; Ps.-Xen. 1,14; Aristoph. Pax 639 ff.; Av. 1422-1425.1452-1460. 287 Erythrai-Dekret (ML 40) 28 f. 30 f.; Chalkis-Dekret (ML 52) 7.73; Samos-Dekret von 412 (SEG XIV 9) 6-9; IG P59,20; Ps.-Xen. 1,14. 288 Das ist bereits Voraussetzung für die Verhängung von Strafen, denn auch die Athener richteten keinen hin, sie hätten ihn denn gehabt; ausdrücklich erwähnt wird die Verhaftung im Chalkis-Dekret (ML 52) 7 f., und zwar in dem Eid, in dem sich die athenischen Bouleuten und Richter verpflichteten, bestimmte Handlungen, darunter die Verhaftung, nicht vorzunehmen - die sie also sonst hätten vornehmen können.

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hinaus verhängte Athen Geldstrafen von fünf Talenten über einzelne Städte für den Fall der Tötung von Proxenoi und Athenern289. Schließlich übte Athen noch in solchen Fällen die Gerichtsbarkeit aus, in denen einzelnen Proxenoi das Privileg verliehen worden war, im Falle einer Verletzung in Athen zu klagen 290. Mit anderen Worten: Athen bestrafte, wenn es das für richtig hielt, gegen seine Herrschaft gerichtete Handlungen und behielt sich vor, schwerste Strafen selber zu verhängen. Es war also in der Lage, die gesamte Strafverfolgung in seinem Sinne zu handhaben. Selbstverständlich sorgte es auch für die Vollstreckung seiner Urteile 291 . c) Gerichtszwang in anderen Fällen. - In diesem Zusammenhang muß noch auf den angeblichen Gerichtszwang bei den δίκαι από συμβολών eingegangen werden, d. h. bei Verfahren in Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Athener und einem Angehörigen einer Bundesstadt, deren prozessuale Erledigung eigens vertraglich zwischen Athen und der betreffenden Stadt geregelt war, ja durch derartige Rechtshilfeverträge (συμβολαί) auch geregelt werden mußte, da das griechische zwischenstaatliche Recht keinen allgemeinen Rechtsverkehr zwischen den Staaten kannte292. Es ist oft behauptet worden, auch in solchen Fällen hätte Athen die Bündner entgegen der allgemeinen Übung gezwungen, stets in Athen zu prozessieren, d. h. den einheimischen Gerichts289 SEG X 23,9 f. (einleuchtend ergänzt audi SEG X 99,2 f.); Aristoph. Pax 164-172. Aus der Erwähnung von Chios bei Aristophanes (vgl. Meiggs, Note 10 f.) geht übrigens ausdrücklich hervor - wenn es nicht schon durch das Fehlen von Ausnahmeregelungen in den anderen Dekreten klar wäre (vgl. auch Ste. Croix, Notes 277) daß auch nicht tributzahlende Städte den athenischen Maßnahmen auf dem Gebiet der Strafverhängung unterlagen. Daß hier ein Wortspiel des Komikers vorliegt, das darin bestehe, durch das Wort Χίων nur die Assoziation τό χέσαι hervorzurufen, wie J. van Leeuwen, Aristophanis Pax, Leiden 1966 ad loc. annimmt, ist unwahrscheinlich, da die in 171 erwähnte Strafe von fünf Talenten genau die für die Bestrafung von Städten typische ist, so daß Aristophanes also unmißverständlich auf diese Stadtbestrafung anspielt, was schlecht möglich wäre, wenn Chios nicht tatsächlich einer solchen hätte unterliegen können - van Leeuwen hält (zu 171) die πέντε τάλαντα nur für eine grandis multa. Einen weiteren Eingriff in die Justizhoheit von Chios haben wir zudem noch in dem Beschluß SEG X 76, durch den ein Chier aus der Strafgewalt seiner Stadt eximiert und von Athen gegen Verfolgung geschützt wird. 290 IG 12153,5-9; SEG X 23,2-7; 108,20-24; XIV 7,2-4. 291 Das ist direkt durch die Bestimmung des Erythrai-Dekrets (ML 40) bezeugt, wo Z. 31 bestimmt ist, daß die Atimie eines Erythraiers für die ganze χσυμμαχ[ς Geltung habe, sowie durch Aristoph. Av. 1422-1425.1452-1460. Ste. Croix hat jedoch diesen sich fast von selbst verstehenden Tatbestand im einzelnen weiter aufgehellt (Notes 105.269 f. 276 f. 279 f.). 292 Zur Begriffsbestimmung vgl. Busolt/Swoboda 1094 Anm. 5 auf S. 1095; 1100.1243 f.

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stand aufzugeben. Diese Ansicht ist nach Vorarbeiten von Hopper 293 und Wade-Gery294 endgültig von Ste. Croix widerlegt worden 295; wir braudien daher nur kurz zu referieren. Ausgangspunkt für diese Ansicht war einmal, neben einer übertreibenden Bemerkung Pseudo-Xenophons296, eine vieldiskutierte Passage in der Athenerrede in Sparta vor Beginn des Peloponnesischen Krieges, in der die Athener sich über die allgemeine Abneigung ihnen gegenüber beklagten und meinten, obwohl sie sich sogar den (seil, allgemein üblichen und herrschaftsfreien) δίκαι άπό συμβολών unterwürfen, hänge man ihnen dann wenigstens an, sie seien prozeßsüchtig297. Diese Klage weist nicht auf einen besonderen Gerichtsstand Athen hin, sondern setzt die Existenz audi nichtathenischer Gerichtsstände und deren Einhaltung durch Athen voraus29S. Der andere Ausgangspunkt war ein erhaltener Rechtshilfevertrag zwischen Athen und der lykischen Bündnerstadt Phaseiis, der u. a. bestimmte, daß gewisse Fälle in Athen vor dem Polemarchen verhandelt werden sollten 299. Ste. Croix hat nachgewiesen, daß der Ton nicht darauf zu legen ist, daß das Verfahren in Athen (seil, anstatt normalerweise in Phaseiis) stattzufinden habe, sondern darauf, daß der Polemarch das zuständige athenische Gericht sei, wenn das strittige Rechtsverhältnis in Athen entstanden, Athen also ohnehin normalerweise Gerichtsstand sei. Es handelte sich dabei sogar um ein Privileg, da die Verfahren vor dem Polemarchen schneller abgewickelt wurden 300 . Es ergibt sich also, daß nach dem vorliegenden Material von 293

Hopper, Agreements. 294 Wade-Gery, Phaseiis. 295 Notes 95-112; danach ML S. 67 f. und Will, Le monde grec 195. 296 Er behauptet 1,17 f., die vielen in Athen stattfindenden Prozesse stellten einen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Faktor für den athenischen Demos dar, da die anreisenden Bündner für die Hafengebühren und die Dienstleistungen (Unterkunft, Transport u. a.) viel Geld in Athen lassen müßten. Das ist erstens übertrieben (Gomme, Old Oligarch 47 f. - es handelt sich auch hier um eine Übertreibung von der Sorte wie „tales of the unemployed in England motoring to Brighton for weekends on the dole", S. 41), und sagt zudem nichts über die Art der Prozesse aus. 297 Thuk. 1, 77,1. 298 Ste. Croix, Notes 96-100 (mit Literatur). 11 f. (Übersetzung S.99). 299 ML 31,6-10: ο τι αμ μέ[ν] Ά·9[ήνησι ξ]υ[μβ]όλαιον γένηται [προς Φ]ασηλιτ[ώ]ν τινα, Ά·9ή[ν]η[σι τάς δ]ίκας γίγνεσθαι παρ[ά τωι πο]λεμάρχων . . . 300 Notes 100-108; so audi ML S. 60. Im Anschluß an Hopper, Agreements 38-40 definiert Ste. Croix 101-104 ξυμβόλαιον richtig gegen die bisherige Deutung (Vertrag, insbesondere handelsrechtlicher Vertrag) als verpflichtendes Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, das sowohl aus Vertrag wie aus Delikt entstehen kann. Der deutsche zivilrechtliche Begriff wäre „Anspruch", so daß das PhaselisDekret also bestimmt, daß ein in Athen gegenüber einem Phaseliten entstandener Anspruch in Athen vor dem Polemarchen verhandelt werden solle.

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einem Gerichtszwang in anderen als Fällen der Strafjustiz nicht gesprochen werden kann.

6. Organisatorische Maßnahmen Die bisher betrachteten Herrschaftsmittel richteten sich unmittelbar gegen die einzelne Stadt oder das einzelne Individuum, das Athens Herrschaft gefährlich werden konnte oder wurde, bzw. brachten Athen unmittelbar Vorteile. Nun stand Athen aber nicht einzelnen isolierten Herrschaftsobjekten gegenüber, sondern es bestand ja immerhin das eigene organisatorische Gebilde des Seebundes, in dem Athen und die Städte zusammengefaßt waren. Es ist daher zu fragen, wie die innere Struktur des Bundes beschaffen war, und ob und inwiefern Athen vermöge dieser Struktur, also mittelbar Herrschaft über die Städte ausüben konnte. a) Zwei Klassen von Bündnern. - Die wichtigste organisatorische Klammer, in der der Bund sich manifestierte, waren die Leistungen, die die Städte in Form von Kriegsschiffen, Landtruppen und Geld erbrachten301. Durch diese Leistungen hoben sie sich faktisch als Angehörige des Bundes von den anderen Griechenstädten ab, und durch die Unterschiedlichkeit eben dieser Leistungen schieden sie sich ihrerseits in zwei Klassen, in die derjenigen, die Schiffe stellten und in die Tributzahlenden302. Oben 303 ist gezeigt worden, wie um die Mitte des Jahrhunderts nur noch Lesbos, Chios und Samos eigene Kriegsflotten hatten, und wie nach 439 nur noch Lesbos und Chios übrigblieben; alle übrigen zahlten. Dieser Vorgang nun hatte seine Bedeutung nicht nur in dem faktischen Ergebnis der Machtakkumulation bei Athen, sondern auch darin, daß er zwei Klassen von Bündnern schuf, benachteiligte und privilegierte, oder, wie Thukydides sie nennt, Untertanen mit Zahlungsverpflichtung und Autonome, die Schiffe stellten304. Es war ja so, daß es im 301 Vgl. dazu weiter u. S. 142. 302 Thuk. 2,9,5·. 303 S. 11. 304 Nennung der Privilegierten: 2 , 9 , 4 ; 3,10,5; 3,39,2; 6,85,2; 7,20,2; 7 , 5 7 , 4 . 5 ; Nennung der Untertanen: 1,19; 1,56,2; 2 , 9 , 4 ; 3,10,5; 7,20,2; 7,56,2; 7,57, 4.5; Nennung beider als zweier verschiedener Klassen: 5,18,5; 6,69,3; 6,84,3; 7,57,3. Vgl. Bickerman, Autonomia 328 f., der unbeschadet eines Urteils über seinen Autonomie-Begriff richtig bemerkt, daß für Thukydides' Sprachgebrauch vor allem die tatsächlichen Beziehungen, die Machtverhältnisse eine Rolle spielen, die sich in diesem Fall in dem Besitz einer Kriegsflotte manifestieren, wenn sie nur groß genug war. Von daher ist es auch konsequent, wenn Thukydides 7, 57,5 die Methymnaier υπήκοοι nennt, obwohl sie Schiffe stellten - ihre tatsächliche Macht war trotz dieses Faktums eben zu gering (so auch Gomme 4, 434 f.).

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Lauf der Entwicklung nicht mehr eine Frage des Beliebens der einzelnen Stadt war, ob sie lieber zahlen oder Schiffe stellen wollte 305, sondern die Leistung von Geld war, zumal da diese Verpflichtung irreversibel war, der eindeutig mindere Status geworden 306 . Das läßt sich leicht aus den Kapitulationsbedingungen der unterworfenen Städte schließen, in denen sämtlich Zahlungsverpflichtungen an die Stelle der Beteiligung mit eigenen Schiffen an der Kriegsflotte traten 307 . Wenn die Entwicklung auch dahin ging, den Status des wehrlosen und zahlenden Untertanen zum einzigen im Bund zu machen, so hatte doch auch die Zweiteilung der Bündnerschaft ihre Funktion im Herrschaftssystem. Zum einen spaltete sie die Bundesgenossen in zwei Lager, was schon ipso facto die Stellung Athens stärkte; zum anderen war es für den Privilegierten erstrebenswert, sich seinen Status zu erhalten und sich zu diesem Zweck auf die Seite Athens zu schlagen, wenn es galt, Athens Herrschaft gegenüber den anderen durchzusetzen. Aristoteles bezeichnet in diesem Sinne Chios, Lesbos und Samos richtig als die Wächter der Herrschaft Athens 308, und tatsächlich halfen bundesgenössische Schiffe bei der Unterwerfung Aiginas 309, wurden 440 Chios und Lesbos gegen den samischen Aufstand zu Hilfe gerufen 310 und halfen bei der Belagerung Poteidaias 430 mit 311 ; 423 schickte Chios zehn Schiffe gegen Mende und Skione312, und 416 half dasselbe Chios zusammen mit Methymna - das vom privilegierten Lesbos allein noch übriggeblieben war - bei der Unterjochung von Melos313. Möglicherweise hatten die so privilegierten Städte auch keine athenischen Beamten auf ihrem Territorium; von den athenischen Ardionten auf Lesbos jedenfalls hören wir erst 305 Vgl. u. S. 148. 306 Vgl. H. D. Meyer, Vorgeschichte 441-443. , 307 Vgl. zu den Kapitulationsbedingungen noch u. S. 101 f. - Unklar ist, wie die Verpflichtungen der ersten in den Bund gezwungenen Stadt Naxos aussahen (Thuk. 1, 98, 4); dazu u.S. 104 ff. Unbestritten ist es aber bei Thasos (Thuk. 1,101, 3) und Aigina (Thuk. 1,108,4). Daß es nicht immer der Phoros sein mußte, sondern daß audi andere finanzielle Leistungen erbracht werden konnten (bzw. mußten), zeigen Samos (Kriegsentschädigung, Thuk. 1,117,3; Diod. 12,28, 3; Plut. Per. 28,1) und Lesbos (Kolonisten, vgl. o. S. 23 ff.); vgl. im einzelnen French, Tribute. 308 Ath. Pol. 24,2: φύλακες της άρχης. 309 Thuk. 1,105,2. 310 Thuk. 1,116,1. 311 Thuk. 6,31,2. 312 Thuk. 4,129,2. 313 Thuk. 5, 84,1. - Es fällt dagegen auf, daß wir 427 bei der Eroberung Mytilenes nichts von chiischen oder methymnaiischen Schiffen hören. Immerhin hatte jedodi Mytilene sich gar nicht erst an die übrigbleibenden Besitzer von Kriegsflotten um Hilfe gewandt, wohl weil es deren ablehnende Haltung kannte, die wir dann auch annehmen müssen.

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nach der Eroberung von Mytilene, und die Entsendung von Archonten nach Samos nach der Niederringung zeigt, daß vorher keine dagewesen waren. b) Vereinzelung der Untertanen. - Wie sah aber nun das tatsächliche organisatorische Verhältnis der Masse der Bündner, der Untertanen, Athen gegenüber innerhalb des Rahmens der Tributleistung aus? Diese Frage wird beantwortet, wenn man sich die Hauptaspekte des Tributwesens, nämlich die Veranlagungs- und die Eintreibungspraxis sowie die Verfügungsgewalt über den Tribut ansieht, wobei es wieder nicht auf den rechtlichen Aspekt, sondern nur auf das tatsächliche Organisiertsein ankommen soll. aa) Um den Eintreibungsvorgang vorwegzunehmen: die Städte standen Athen einzeln, völlig auf sich gestellt gegenüber, wenn Athen die schon erwähnte Tributsammlungsflotte ausschickte, um den geschuldeten Tribut einzutreiben314, und 426 bestimmte das Kleonymos-Dekret, daß jede Stadt die einheimische Behörde der Eklogeis zwecks effektiverer Tributsammlung zu bestellen und sich bei Verletzungen der Tributabführung einzeln in Athen zu verantworten habe 315 . Einzeln führten die Städte die Epiphora ab, eine zusätzliche Zahlung, deren Deutung im einzelnen umstritten i s t n 6 . bb) Die ausführlichsten Angaben über den Tributveranlagungsvorgang haben wir in dem Veranlagungsdekret des Thudippos von 425/24 317 , dessen Ziel es war, die Tributsumme um ein beträchtliches zu erhöhen. Danach ging die Veranlagung so vor sich, daß eigens zu diesem Zweck bestellte athenische Beamte, die Taktai, Voreinschätzungen für die Tributfestsetzung zu machen hatten, die der Rat dann, vorbehaltlich einer anderen Entscheidung der Ekklesie, endgültig beschloß. Die Mitwirkung der veranlagten Städte bestand darin, daß jede Stadt, nach einer Benachrichtigung von der neuen Veranlagung durch die Entsendung von Herolden in die verschiedenen Bezirke des Reiches, Gesandte nach Athen schickte und ihre jeweilige Tributverpflichtung vor einem eigens dafür gebildeten athenischen Gericht von tausend Mitglie3" Vgl. etwa Thuk. 2,69,1; 3 , 1 9 , 1 f.; 4, 50,1; 4,75,1; Aristot. Ath. Pol. 24,3. 315 ML 68,5-9. Zu ihnen mehr u. S. 100. 316 Die έταφορά wird herkömmlicherweise als Strafgeld gedeutet (ATL I 450-453; ML S. 86; Meiggs, Empire 432 f.), wogegen sich Eddy, Έπιφορά mit starken Argumenten wendet. Seine Deutung, es habe sich um freiwillige Leistungen gehandelt, um seine Athenerfreundlichkeit unter Beweis zu stellen, stößt allerdings auf die Schwierigkeit, daß die Summen zum einen sehr gering waren, vor allem aber, daß sie jeweils genaue Bruchteile des Tributs waren. Diese Tatsache bedeutet doch eine gewisse Regelhaftigkeit, und da also die Epiphora in Relation zum Tribut stand, sieht es eher so aus, als ob die Initiative zur Zahlung des Betrages von Athen ausgegangen ist. 317 ML 69.

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dem verhandeln konnte. Die Tributverpflichtung jeder einzelnen Stadt ist dann nach Bezirken gegliedert in einer langen Liste zusammen mit dem Dekret veröffentlicht worden 318 . Dreierlei folgt hieraus. Aus der Existenz des Dekrets sehen wir schon, daß die Entscheidung über die gesamte Organisation der Tributveranlagung ohne Mitwirkung der Bündner allein in Athen, beim athenischen Demos lag. Zweitens ergibt der Inhalt des Dekrets, daß der Demos auch die Höhe des Tributs in eigener Machtvollkommenheit festsetzte 319 , wobei eine Mitwirkung der Städte zwar gewährt wurde, sie sich aber lediglich auf die Anhörung bzw. auf den Prozeß vor einem durch Athener besetzten Gericht beschränkte320. Drittens sehen wir, daß jede tributpflichtige Stadt des Reiches in bezug auf ihre finanziellen Verpflichtungen innerhalb der umfassenden Klammer der Seebundsorganisation Athen einzeln, ganz auf sich gestellt gegenüberstand - in dem engen Rahmen, in dem sie überhaupt gehört wurde. Wir haben Grund anzunehmen, daß dieses System und Verfahren nicht erst ein Produkt des Peloponnesischen Krieges ist, aus dem das ThudipposDekret stammt. Die wesentlichen Elemente des Verfahrens stellten, schon nach der Sprache des Dekrets, keine Neueinführung dar und treten uns, wenn auch nur bruchstückhaft, auch schon in früheren Zeiten entgegen. So kennen wir die Behörde der Taktai aus der Tributliste des Jahres 430/29 321 , wo sie auch, wie die von Anfang an bestehenden Hellenotamiai, als bekannte Behörde vorausgesetzt werden. Ebenso kennen wir Spezialgerichte, die über Veranlagungen zu entscheiden hatten, von den Tributlisten mindestens seit 430 322 , und es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß auch schon vorher die Bündner Einwendungen gegen die Tributhöhe vor athenischen Gerichten 323, mindestens aber vor dem Volk anmelden konnten; von Antiphon wissen wir, daß er Lindos und Samothrake in solchen Verfahren ver318 Für eingehendere Einzelheiten der Prozedur siehe Bannier, Tributeinnahmeordnung; ATL III 12 ff.; ML S. 192-199; Meiggs, Empire 234-254. Schwahn, Φόροι ist überholt und nicht immer zuverlässig. 319 Das muß natürlich nicht Willkür bedeuten, wie Schaefer, Beiträge 234 ff. richtig gesehen hat (vgl. dazu näher u. S.61). Die Ablehnung einer schrankenlosen und ausschließlich politischen Zweckerwägungen folgenden Willkür ändert jedoch nichts daran, daß trotzdem die Entscheidungen über die Tributhöhe bei Athen lag. 320 Es ist mit ATL III 79 und ML S. 197 f. anzunehmen, daß nicht jede Veranlagung automatisch vor das Gericht kam, sondern nur auf Verlangen der betroffenen Stadt. 321 ATL II Liste 25 III 54 f. 322 ATL II Liste 25 III 60-65; ebenso ATL II Liste 26 II 43-49. Lepper, Rubrics 33 f. datiert das hier erwähnte Gericht sogar auf 434. 323 ATL III 79; Lepper, Rubrics 34; ML S. 197 f.

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treten hat 324 . Die Tributbezirke, deren Wesen alsbald noch genauer betrachtet wird 325, sind seit der Mitte des Jahrhunderts bekannt: das Münzgesetz unterscheidet verschiedene Distrikte, in die die Herolde geschickt werden sollen 326 , und in den Veranlagungsdekreten erschien das Bundesgebiet spätestens seit 454 in Bezirke aufgeteilt 327, die ab 446 auch auf den Tributlisten erschienen. Da die Städte ab 454 einzeln auf den Tributlisten aufgeführt wurden, sind sie auch einzeln veranlagt worden, wie aus den Nachrichten über frühere Veranlagungslisten hervorgeht 328, und einzeln hatten sie Athen um die Herabsetzung oder den Erlaß des Tributs zu bitten, wie es (mit Erfolg) beispielsweise Methone und Aphytis getan hatten, die statt des vollen Tributs nur noch das Sechzigstel für Athena zahlen mußten 329. cc) Diese Vereinzelung der Städte innerhalb des Seebundes war nicht nur die Übernahme eines schon immer bestehenden Zustandes, sie war vielmehr ein Herrschaftsprinzip. Das zeigt sich darin, daß Athen des öfteren bestehende steuerliche Syntelien oder staatliche Zusammenschlüsse von Städten zerschlug und so die betreffenden Städte nicht mehr im Verband, sondern einzeln sich gegenübertreten ließ 33°. Daß der Sinn einer solchen Abtrennung, einer Apotaxis, nicht schlicht Strafe, Reaktion auf illoyales Ver324 Fragmente 25-33. 49-56 Thalheim. 325 Siehe unten S. 62 ff. 326 § 9 ML 45 = § 6 Erxleben. 327 ATL I I I 11 f. 32« ATL I I I 11 f. 329 Siehe die Methone-Dekrete (ML 65) 5 ff.; das Dekret betreffend Aphytis und Poteidaia (ATL I I D 21) 17 f.; weitere Städte ATL II Liste 25,31-35; Liste 26 II 51-56. 330 Es ist dies technisch der Vorgang der Syntelieauflösung oder Apotaxis, wie sie Antiphon in seiner Rede über den Phoros der Samothrakier definiert: τό χωρίς τετάχθαι τοΰς πρότερον άλλήλοις συντεταγμένους εΐ,ς τό ύποτελεϊν τόν ώρισμένον φόρον (F 55). Im Prinzip mit Recht hat diesbezüglich Nesselhauf, Untersuchungen 36 Anm. 1 gefordert, schärfer zwischen der Auflösung von bloßen Zahlungsgemeinschaften und der Zerschlagung politischer Zusammenschlüsse zu unterscheiden, wobei jene anders als diese keinen „Eingriff der Athener in die Verhältnisse anderer Staaten" bedeute. Nun ist aber einmal die Grenze zwischen politischen Zusammenschlüssen zu einem eigenen Staat (bzw. dem Verhältnis von Vorort und abhängigen Orten) einerseits und bloßen Zahlungsgemeinschaften andererseits fließend - wobei es natürlich ohnehin die Frage ist, ob es so etwas wie eine „bloße" Zahlungsgemeinschaft überhaupt gegeben hat und ob nicht auch sie einen politischen Hintergrund und politische Bedeutung hatte; zum anderen ist die Unterscheidung in unserem Fall von geringerer Bedeutung, da es hier nur darauf ankommt, die zunehmende Vereinzelung der Bundesstädte zu diagnostizieren, sei sie nun durch Auflösung festerer oder loserer Verbindungen herbeigeführt. Daß hinsichtlich letzterer für Athen eine Auflösung nicht immer dringlich war, zeigt die Tatsache, daß eine ganze Anzahl von ihnen ständig in Funktion war (vgl. die Aufstellung ATL I 446-449) und daß in drei Fällen sogar Neugründungen vorgekommen sind (Abdera und Dikaia, Keos und Koresia, Lindos; ATL ebd.).

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halten oder Mittel zur Tributerhöhung sein mußte, folgt daraus, daß der Tribut dadurch keineswegs i m m e r anstieg, sondern daß im Gegenteil in Einzelfällen Tributsenkungen festgestellt werden können, und daß sogar eine Synteliegründung nach einem Abfall möglich w a r 3 3 1 . E s kam auf die möglichst weitgehende Vereinzelung der Bundesstädte an, natürlich wieder ohne schematische Anwendung, sondern nur dann, w e n n v o n einer organisatorischen Zusammenfassung benachbarter Städte unliebsame Folgen für Athens Herrschaft zu gewärtigen w a r e n . V o r allem im N o r d e n der Ägäis, in Thrakien, ist dieses Vorgehen deutlich zu beobachten. D e r politische K o n t e x t w a r der, Machtgebilde zu verhindern, die zusammen m i t Makedonien sich gegen Athens Herrschaft hätten richten k ö n n e n 3 3 2 . S o zahlten drei Städte eines in der ersten Jahrhunderthälfte bestehenden staatsähnlichen Zusammenschlusses v o n chalkidisdien Städten

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noch 4 5 4 / 5 3 als Einheit, w e n n auch bereits unter namentlicher Aufführung der drei Städte Olynth, Skable und A s s e r a 3 3 3 b . I n der Folgezeit mußten dann alle Städte getrennt zahlen, fielen aber 4 3 2 / 3 1 nun wieder gemeinsam und zusammen mit anderen von A t h e n ab 3 3 4 . Ähnliche Bestrebungen scheint 331 Im einzelnen dargetan von Lepper, Rubrics 39 f. 332 Vgl. Adcock, CAH V, 172. 333a Zu ihm siehe Busolt/Swoboda 1501 f.; Hampl, Olynth; Gomme 1,203-208; Zahrnt, Olynth 31-48. Zahrnt versucht nachzuweisen, vor dem Anoikismos von 432 (Thuk. 1 , 5 8 , 2 ) habe es keinen chalkidischen Staat gegeben. Allerdings liegt hier manches im Dunkeln, insbesondere Einzelheiten über die Art des Zusammenschlusses; die Ablehnung von Zahrnt ist jedoch unberechtigt. Als Hauptquelle zieht er die Tributlisten heran, und da dort nach 454/53 die Städte in der Tat getrennt zahlen (davon sofort im Text), schließt er, „die Annahme . . . , in den Jahren vor 432 habe ein von Athen nicht anerkannter dialkidischer Staat existiert, wird durch das Zeugnis der ATL, die viele voneinander unabhängige chalkidische Poleis verzeichnen, widerlegt" (S. 46). Nun sind die A T L zwar „aus dieser Zeit stammende Primärquellen" (S. 33), aber nicht unbedingt unparteiische. Wenn man nämlich, wie es vorliegend und auch bei Zahrnt geschieht, fragt, ob ein bestimmtes politisches Verhältnis existierte oder nicht, kann man nicht Äußerungen heranziehen, die möglicherweise aus politischen Gründen dieses Verhältnis gerade leugnen oder beseitigen wollen. Die Frage der Existenz eines chalkidisdien Zusammenschlusses vor 432 muß also auf Grund von anderen Quellen beantwortet werden, und da sprechen die Indizien eher für einen solchen Zusammenschluß: die Zahlung als Syntelie noch 454/53, das gemeinsame Handeln beim Abfall 432 (siehe den Text) und die Tatsache, daß „die Chalkidier" noch vor ihrem durch Perdikkas veranlaßten Anoikismos (Thuk. 1 , 5 8 , 2 ) mit diesem einen Vertrag geschlossen haben (Thuk. 1, 58,1). Das hätten sie nicht tun können, wenn sie nur auf Grund „stammesmäßiger Zugehörigkeit" (Zahrnt S. 66) gehandelt hätten. Es muß mehr vorgelegen haben, nämlich eine Wiederaufnahme ihres alten, durch Athen zwischenzeitlich unterbundenen politischen Zusammenschlusses. 333b ATL I I Liste 1 V 6 - 8 . 334 Thuk. 1, 58, 2; vgl. dazu Zahrnt, Olynth 49-55.

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Athen hinsichtlich der benachbarten Bottiaier gehabt zu haben. Sie erscheinen nur einmal - 446/45 - unter diesem offiziellen Namen in den Tributlisten 335 , während sonst ihr Vorort Spartolos mit derselben Tributhöhe aufgeführt wird. Im Peloponnesischen Krieg dann schloß Athen mit den bottiaiischen Städten außer Spartolos, das abgefallen war, einen Vertrag, in dem es sich zur Anerkennung des von ihnen gebildeten Bundes genötigt sah 336. Aufgelöst wurde nach 447 auch die Syntelie, die die thrakische Chersones gebildet hatte, deutlich im Zusammenhang mit der intensiveren athenischen Aufsicht über die Halbinsel 337 . Weitere Syntelie-Auflösungen bzw. Apotaxeis in Thrakien betreifen Mekyberna, Stolos und Polichna, die nur 454/53 zusammen gezahlt haben 338 , Dion am Athos, Olophyxos und Sane, für die dasselbe zutrifft339, sowie Mende, Skione und Therambos, die ab 446/45 getrennt zahlten 34°. Sehr viel später wurden durch das ThudipposDekret 425/24 die thrakischen Städte Neapolis und Tyrodiza getrennt veranlagt341, und die nächste Veranlagung 422/21 führte schließlich zur Abtrennung und Einzelveranlagung des festländischen Besitzes von Samothrake 342. Dieselbe Maßnahme, außerhalb Thrakiens, war die Apotaxis und Einzelveranlagung der Aktaiai Poleis, des Festlandbesitzes von Mytilene, nachdem diese Stadt 427 wieder unterworfen war - eine eindeutig repressive Maßnahme zur Schwächung eines inneren Gegners343. 335 ATL I I Liste 9 I I 19: Βοττια[ίοι. 336 Der Vertrag bei Tod 68 und StV 187, jeweils mit Kommentar; vgl. dazu Busolt/ Swoboda 1501; Hampl, Bottiaioi und vor allem Gomme 1,207, dem ich hier folge. 337 Siehe die Aufstellung in ATL I 449 sowie Berve, Miltiades 14 Anm. 1; 19 f.; Gomme 1,374; ATL I I I 45 f. 59.206 Anm. 56. Siehe auch o. S. 25 ff. 338 ATL I I Liste 1 V 10-12. Gomme 1, 205 vermutet sogar, daß hier ehemals ein Staat wie der der Chalkidier oder Bottiaier existiert haben könne. 339 ATL I I Liste 1 I I 25 f. 340 Vgl. ATL I 447.448. 341 ATL I I A 9 I I I 115 f. 108; vgl. ATL I I I 205. 342 ATL I I A 10 VI 27-31; dazu ATL I I I 195 und Lepper, Rubrics 45; vgl. audi Antiphon F 55 (o. S.58 Anm. 324). 343 Thuk. 3,50,3; 4,52,3; ATL I I A 9 I I I 125-127; A 10 IV 14 ff.; dazu Nesselhauf, Untersuchungen 36 Anm. 1; ATL I I I 196; Lepper, Rubrics 45. - Weitere, weniger bedeutsame Fälle sind der Ubersicht ATL I 446-449 zu entnehmen. Die von Nesselhauf a. a. O. mit der Niederwerfung des Aufstandes von Euboia in Zusammenhang gebrachte Insel Skiathos war schon früher selbständiges Mitglied (ATL I I I 223 f. 268), so daß Apotaxis hier ausscheidet; und auch die Insel Amorgos, die bisweilen als durch Apotaxis von Samos nach dem Aufstand 439 abgetrenntes Gebiet bezeichnet wird, ist zum einen erst später veranlagt worden (Gomme 1, 356) und hat überdies wahrscheinlich nie zu Samos gehört (Lepper, Rubrics 41). Darüber hinaus hat Lepper, Rubrics, passim überzeugend nachgewiesen, daß die in der TributlistenRubrik πόλεις αύται φόρον ταξάμεναι genannten Poleis keinen Schluß auf Apotaxis zulassen, wie noch in ATL I I I (vor allem 83.193) angenommen wurde.

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dd) Der geplante Abfall Mytilenes von Athen wäre im übrigen Hand in Hand mit einer staatlichen Vereinigung der lesbischen Städte vor sich gegangen. So hatten es die Mytilenaier geplant 344, und auch wenn dadurch nicht unbedingt ein wie sonst bei Synoikismen übliches Zusammensiedeln in einer einzigen Stadt, sondern eher nur eine politische Machtkonzentration hätte erreicht werden sollen345, hatte Athens Sieg doch auch diese Absicht vereitelt. Gegen Ende des Peloponnesischen Krieges vereinigten sich die rhodischen Städte Ialysos, Lindos und Kamiros zu der einen Stadt Rhodos 346, und es ist eine ansprechende Vermutung, daß derartige Bestrebungen bis dahin von Athen verhindert worden waren 347. d) Vereinheitlichung der Untertanen. - Die festgestellte Vereinzelung der Städte, die es Athen leichter machte, seinen politischen Willen durchzusetzen, ermöglichte es nun des weiteren, als Korrelat dazu, die so aufgesplitterte Gesamtheit der Städte zu einem geregelten Organismus zusammenzufassen, der durch die vereinheitlichende Wirkung von für alle geltenden Regeln von Athen zentral gelenkt werden konnte. Von den vereinheitlichenden Elementen der Organisation ist am augenfälligsten schon die Existenz der Tributlisten selbst, d.h. die Tatsache, daß Jahr für Jahr ab 454 die tributzahlenden Städte mit ihrem der Athena gespendeten Betrag einzeln von Staats wegen mit durchgezählten 348 Listen aufgeführt und verewigt wurden. Bereits hierin drückt sich das Regelmäßige und Nivellierende der Organisation aus. aa) Stärker strukturiert erscheint dieser Charakter dann durch den normalerweise vierjährigen Turnus, innerhalb dessen die Städte neu veranlagt wurden 349, und durch das genau geregelte Verfahren, in dem das geschah35C. Die Organisation des Bundes wurde von Athen zudem immer weiter ausgebaut und intensiviert. So regelte das Dekret des Kleinias von 447 351 den Fall, daß eine offenbar ins Gewicht fallende Anzahl von Städten den Tribut 344 Thuk. 3 , 2 , 3 . 345 So Classen/Steup und Gomme 2, 253 zu Thuk. 3, 2, 3; anderer Ansicht wohl Meiggs, Empire 210. 346 Diod. 13,75, 1. 347 Meiggs, Empire 210. 348 Zur Zählung der Listen vgl. deren Präambeln. 349 Die entsprechende Feststellung Pseudo-Xenophons 3,5 τό δέ μέγιστον εϊρηται πλήν αί τάξεις τοΰ φόρου· τοΰτο δέ γίγνεται ώς τά πολλά δι' έτους πέμπτου wird durch die Tributlisten bestätigt, vgl. ATL III 67-92. 350 o. S. 57. Es gab Maßstäbe, nach denen die Höhe des Tributs festgelegt wurde, wenngleich Näheres als das, daß nach Maßgabe des Bodens, χώρα, und der Einkünfte, πρόσοδοι (Plut. Arist. 2 4 , 1 ) , veranlagt wurde (vgl. Schaefer, Beiträge 229 ff.), nicht auszumachen ist. Immerhin wissen wir, daß Antiphon in seiner Rede über den Phoros der Samothrakier auf die Größe, Bodenbeschaffenheit und Produktivität der Insel eingegangen ist (F 50). 351 ML 46.

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nicht zahlte, dadurch, daß Athen seinen Rat sowie seine Überseebeamten Archonten und Episkopoi - einschaltete, um die folgende Regelung zu gewährleisten: die Städte hatten die Höhe des abgeführten Tributs auf eine Tafel aufzuschreiben und diese versiegelt mit dem Tribut nach Athen zu schicken, wo sie vom Rat mit dem eingegangenen Tribut verglichen werden konnte. Nach der Berichterstattung der Hellenotamiai vor der Ekklesie hatten dann athenische Spezialbeamte in die Städte zu reisen, das Empfangene zu quittieren und Rückstände anzunehmen. Wir haben es hier also mit einer Lückenlosigkeit gewährleistenden Erfassung der Städte zu tun, die - sonst hätte keine Veranlassung für das Dekret bestanden - gegen den Willen vieler Städte erfolgte und die durch die athenischen Reichsbeamten durchgesetzt wurde. bb) Vier Jahre später ist dann das gesamte Reichsgebiet einer umfassenden Reorganisation unterzogen worden, deren Einzelheiten wir zwar nicht ausmachen können, auf die wir aber auf Grund des Befundes der Tributlisten schließen müssen. Zunächst einmal handelt es sich bei der Liste 12 von 443/42 um das Ergebnis einer außerhalb des normalen Turnus durchgeführten Neuveranlagung der Städte, bei der auch die Schreibweise der Städtenamen revidiert wurde 332. Dann fällt auf, daß hier zum ersten Mal - wie dann regelmäßig in der Folgezeit — ein Hellenotamias namentlich genannt wird, in diesem Falle der Dichter Sophokles 353, und daß weiter in der Liste neben dem einen sonst immer genannten Schreiber der Hellenotamiai, der die Liste aufteilte, noch ein weiterer aufgeführt ist, der sogar noch im nächsten Jahr weiteramtierte 354. Das deutet darauf hin, daß nicht nur der Arbeitsanfall erheblicher als sonst gewesen sein muß, sondern daß auch die persönliche Kontinuität für ungewöhnlich wichtig gehalten wurde, so daß man bei dem Syngrammateus auf die sonst übliche Annuität des Amtes verzichtete 355. Auch die Tatsache, daß Perikles' Vertrauter Sophokles, der nicht nur in Athen höchstes Ansehen genoß, zum verantwortlichen Hellenotamias bestellt wurde, und daß das, erstmalig, eigens auf der Liste vermerkt wurde, deutet auf Maßnahmen gegenüber den Städten hin, die über das Übliche hinausgingen und die den Einsatz besonderer Autorität verlangten. cc) Einen Begriff von der Art dieser Maßnahmen kann man nur dadurch 352 ATL I I I 68; ML S. 85. ATL I I , Liste 12, 36: Σ]οφοκλες Κολο[·νεθεν Ηελλενοτααί]ας εν. Die Identität des Hellenotamias Sophokles mit dem gleichnamigen Dichter wird nach dem Vorgang von D. M. Lewis, The Derne Kolonos, BSA 50 (1955) S. 12-17 in Frage gestellt von H . C . Avery, Sophokles' Political Career, Historia 22 (1973) S. 509-514 ( 509f.). 354 ATL II, Liste 12,36: Σάτυρος Λευκονοεύς χσυνεγραμ[μάτευε; Liste 13,2: Σάτ υ ρ ο ς ] Λευκονοιεύς συνε[γραμμάτευε. 355 Ed. Meyer, Forschungen 2, 84 f. 353

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bekommen, daß man versucht, die auffälligste Erscheinung der Liste 12 des Jahres 443/42 und der dann folgenden Listen zu erklären, nämlich die Tatsache, daß die Städte nicht mehr wie zu Anfang ungeregelt in der Reihenfolge des Eingangs ihres Tributs aufgeführt wurden, sondern in geographisch benannten Gruppen: Ionischer, Hellespontischer, Thrakischer, Karischer und Inselbezirk 356. Die bisherige Forschung hat diese Einteilung des Reichsgebietes auf zweierlei Weise gedeutet. Während früher darin die Einrichtung von einer Art Provinzen mit steuerlicher und verwaltungstechnischer Funktion erblickt wurde 357, wandte man sich später scharf gegen die Auffassung, es habe hier eine Provinzeinteilung in dem Sinne vorgelegen, daß damit verwaltungsmäßige Einheiten als Zwischenglieder zwischen den Städten und Athen, womöglich noch mit eigenen Beamten an der Spitze, geschaffen worden seien 358 - eine Auffassung, die in dieser Zuspitzung übrigens nie vertreten worden war - und meinte demgegenüber, die Bezirkseinteilung habe lediglich der größeren Übersichtlichkeit gedient 359, ja, habe bloß geographische360 oder gar nur buchhalterische Bedeutung gehabt 341 . Nun muß zunächst einmal gesagt werden, daß, selbst wenn die Bezirkseinteilung nur der Übersichtlichkeit für die athenischen Behörden gedient haben sollte, auch diese Funktion für unsere Fragestellung keineswegs gering zu veranschlagen wäre. Sie wäre dann immerhin ein Zeichen dafür, daß Athen die Städte seines Machtbereiches statt als ungegliederte Summe von Individuen nunmehr als eine Anzahl von Herrschaftsobjekten angesehen hätte, die nach rationalen Gesichtspunkten in Gruppen zusammengefaßt und eingeteilt werden konnten, wobei die so erzielte größere Übersichtlichkeit dann automatisch bessere Beherrschbarkeit zur Folge gehabt hätte 362. Aus den Umständen, unter denen uns diese Einteilung entgegentritt, ist jedoch zu folgern, daß sie noch mehr als das bedeutete und politisch-administrative Hintergründe hatte, wenngleich sofort gesagt werden muß,daß deren genaue Identifizierung auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Daß es sich aber 356

Zur Tatsache, daß sich diese Einteilung bereits in früheren Listen ohne ausdrückliche Benennung und nur durch die Anordnung der Städte ankündigt (Ed. Meyer, Forschungen 2,82 f.; Nesselhauf, Untersuchungen 36 f.; Meritt, Second Period 124) siehe u. S. 212. 357 Busolt GG 3,1, 74. 206; Busolt/Swoboda 1339 f.; Ed. Meyer, Forschungen 2, 82 ff.; GdA IV 2 1, 693. Ähnlich wieder Erxleben, Münzgesetz AfP 21 (1971) 149. 358 Nesselhauf, Untersuchungen 39 f.; Gomme 1,371 f. 359 Vgl. vorige Anm. sowie ATL III 11 f. 360 Schaefer, Beiträge 243-252. 361 ATL III 12; Meritt, Second Period 122. 362 Ähnliches dürfte Ehrenberg, Staat 139 meinen, wenn er sagt, die Einteilung in Tributbezirke habe „das Gebiet als solches schärfer erfaßt"; vgl. auch ders., Solon 233 f.

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um einen politischen Vorgang handelte, wird schon aus der allgemeinen Überlegung deutlich, daß die Tributlisten bei aller Holprigkeit und audi Nonchalance des früheren athenischen Urkundenwesens immerhin nicht irgendwelche Aufstellungen waren, sondern die offiziell veranstaltete namentliche Aufführung von Staatswesen, die der Stadt- und Reichsgöttin 363 Athena ihren Tribut darbrachten, und zwar in derjenigen rechtlichen und organisatorischen Form, in der diese Staaten sich nach athenischer Auffassung jeweils befanden. So reflektieren diese Listen nicht nur genau den Bestand der tributbringenden Städte, sondern auch deren jeweilige staatliche Existenz, und so ist es nur folgerichtig, daß auch die Gliederimg in namentlich benannte Tributbezirke auf mehr hindeutet als auf bloße buchhaltungstechnische oder geographische Gesichtspunkte. Dieser Gedanke allein wäre vielleicht noch nicht hinreichend, wenn wir nicht gleichzeitig mit dem Auftreten der Tributbezirke audi die weiteren Hinweise auf eine Umorganisation feststellen müßten: außerturnusmäßige Veranlagung, Nennung des Vorsitzenden Hellenotamias Sophokles, Bestellung und Nennung des zweiten Sekretärs der Hellenotamiai über zwei Jahre hinweg - es müßte schon ein seltsamer Zufall sein, wenn in diesem Zusammenhang ausgerechnet die Bezirkseinteilung andere als politische Gründe gehabt haben sollte. Eduard Meyers Argument ist noch gültig: „Handelte es sich um eine methodische Ordnung der tributpflichtigen Gemeinden zum Zweck bequemerer Uebersicht in der Registratur, so ließ sich dieselbe in wenigen Stunden erledigen." 364 Die politische Funktion der Tributbezirke ist ein so entscheidendes Moment in der Konstruktion des Bundes, daß es über diese Bemerkungen hinaus erforderlich ist, sich im Detail mit den wichtigsten Einwänden dagegen auseinanderzusetzen. Am intensivsten hat Schaefer365 dagegen argumentiert, und zwar vor allem zugunsten einer rein geographischen Deutung. Nun ist es selbstverständlich, daß die Bezirkseinteilung natürlich auch geographischer Natur war 366 , daß aber dieses geographische Element für politische Zwecke geradezu erforderlich war, wenn man bedenkt, daß Karien, Ionien, Hellespont, Thrakien und die Inseln ja keineswegs nur geographische, sondern schon von Haus aus politisch-strategische, voneinander stark differierende Regionen jeweils eigenen Gepräges waren, denen bei einer organisatorischen 363 Dazu u. S. 113.118. 364 Forschungen 2,85. 365 Beiträge 246 ff. 366 Meiggs, Empire 245: die Bezeichnungen der Tributbezirke „correspond to natural divisions".

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räumlichen Gliederung notwendigerweise Rechnung getragen werden mußte. Es würde ja auch niemandem einfallen, den politischen Charakter der meisten römischen Provinzen deshalb zu leugnen, weil, was ja nicht selten der Fall ist, ihre Namen gleichzeitig geographische Begriffe sind. Darüber hinaus haben wir mit den von Mytilene abgetrennten Aktaiai Poleis eine nur politisch zu verstehende Einteilung 367 , und auch gewisse, von Schaefer 368a richtig bemerkte, der natürlichen geographischen Einteilung widersprechende Grenzziehungen in Einzelfällen sprechen eher dafür, daß hier eben verwaltungsmäßige Gründe maßgebend gewesen waren. Daß diese Grenzziehungen einem Wechsel unterworfen waren, deren spezifisdh politischen Charakter Schaefer nicht bestimmen kann, darf bei unserem verhältnismäßig mangelhaften Wissensstand keineswegs zu der Behauptung führen, daß politische Gründe überhaupt nicht vorgelegen hätten 368b. Vor allem aber ist es unzulässig, mit Vorstellungen aus völlig anderen Epochen an diese Vorgänge heranzugehen und zu meinen, wenn Bezirkseinteilungen im attischen Seereich nicht der Präzision römischer oder gar preußischer Provinzen entsprächen, daß diese Einteilung dann überhaupt keinen politischen oder administrativen Charakter gehabt hätte. Das trifft auch auf Schaefers Argument zu, wenn er wegen des nur allmählichen Erscheinens der Bezirkseinteilung seit 446 in den Listen, die erst 443 durch die jeweiligen Überschriften ganz klar wird, gegen einen politischadministrativen Vorgang plädiert. Zum einen darf man gerade „bei der bekannten Schwerfälligkeit des attischen Urkundenwesens" 369 nicht einen einmaligen piäzisen Verwaltungsakt postulieren und bei dessen NichtVorliegen jegliche politische Relevanz eines Vorgangs leugnen, und zum anderen darf keinesfalls der Gesichtspunkt der historischen Entwicklung vernachlässigt werden, der gerade hier, wie im historischen Teil zu zeigen sein wird 370 , besonders einschlägig ist. Schließlich ist es irrig, die Aufzählung der Bestandteile des athenischen Machtbereichs bei Beginn des Peloponnesischen Krieges durch Thukydides 371 als Beweis für rein geographisches Denken heranzu367 Vgl. o. s. 60. 368» Beiträge 249 f. 368b Die Athener hatten Erfahrung in der politischen Relevanz solcher Grenzziehungen: man denke nur an die kleisthenischen Trittyen (vgl. D. M. Lewis, Historia 12 [1963] S. 22-40). 369 Beiträge 249. 370 Siehe u. S. 172 ff. 371 2 , 9 , 4 : πόλεις αί υποτελείς οδσαι έν εθνεσι τοσοϊσδε, Καρία ή έπί θαλασσή, Δωριής Καρσί πρόσοικοι, 'Ιωνία, Ελλήσποντος, τά έπί Θράκης, νήσοι δσαι έντός Πελοποννήσου χαΐ Κρήτης πρός ηλιον άνίσχοντα, πδσαι at Κυκλάδες πλήν Μήλου και Θήρας.

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ziehen372: gerade die dort vorgenommene separate Aufführung von Lesbos und Chios zusammen mit den nicht zum Bunde gehörenden Bundesgenossen zu Anfang zeigt, daß Thukydides hier keine geographische, sondern eine politische Einteilung vornahm, und die Tatsache, daß er bei der genau nach Tributbezirken vorgenommenen Aufzählung der Bündner von ,Völkern' (εθνη) spricht und zwischen Karien und Ionien die Dorer eigens erwähnt, spricht nur für seine bekannte Neigung, auch stammesmäßige Unterschiede zu berücksichtigen. Die rein geographische Deutung scheidet somit aus. Im Gegenteil weisen auf einen politischen Hintergrund der Einteilung als solcher gerade die Veränderungen in der Bezirkseinteilung, d. h. das Verschwinden alter und das Hinzukommen neuer Bezirke. Es verschwand der karische Bezirk, wohl ab 438, von den Listen, und seine Reste wurden mit dem ionischen zusammengelegt; ein Vorgang, der starke Abfallbewegungen in Karien reflektiert 373 . Dann haben wir die Tatsache, daß in den beiden für unsere Zwecke hinreichend erhaltenen Veranlagungslisten von 425/24 und 422/21 zwei Gebiete hinzukamen, deren Zugehörigkeit zum Seebund und deren Auftreten als eigene Einheiten ausschließlich politische Gründe haben: die Aktaiai Poleis auf dem Lesbos gegenüberliegenden Festland, die als Folge von Mytilenes Abfall durch Apotaxis von ihm getrennt worden waren 374, und die Städte am Schwarzen Meer 375 , die im Zuge der allgemeinen expansiven Tendenz des Thudippos-Dekrets von 425/24 zum ersten Mal veranlagt wurden 376. Dazu kommt noch, daß die Städte gemäß ihrer bezirklichen Einteilung auch veranlagt worden sind, wobei die Tributbezirke sogar so sehr als eigene Einheiten fungieren, daß über die bloße Gruppierung der Städte hinaus jeweils eine eigene Zwischensumme für das Tributaufkommen eines jeden Bezirks veranschlagt wurde 377, ein Verfahren, das man doch als Widerspiegelung politisch-administrativer Tatbestände deuten muß, wenn man es nicht als bloßes Rechenkunststück ansehen will. Wir sehen weiterhin, daß in den Fällen, in denen die Ekklesie Spezialbeamte für den gesamten Bund aussandte, sie diese bezeichnenderweise nicht pauschal bestellte, sondern daß von vorneherein bestimmte Zuständigkeiten für jeden einzelnen Bezirk festgelegt wurden. Die Herolde, die (wahrschein372 Schaefer, Beiträge 251 f. 373 Vgl. Nesselhauf, Untersuchungen 49-51; ATL I 494.496; III 31 Anm. 6; 212; ML S. 85. 374 ATL II A 9 III 124; A 10 IV 14. 375 ATL II A 9 IV 126. 376 ATL III 117. 377 ATL II A 9 am Ende eines jeden Phoros.

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lieh zur Verkündung des Gesetzes 378) im Zuge der Durchführung des Münzgesetzes ausgesandt wurden, wurden von der Ekklesie getrennt nach dem Inselbezirk, Ionien, dem Hellespont und Thrakien gewählt 37 ', ebenso die Herolde, die die Gesandtschaften der Städte für die Veranlagung gemäß dem Thudippos-Dekret nach Athen luden 38°; und nicht nur Boten hatten sich an diese Einteilung zu halten, sondern auch Beamte mit wichtigen Exekutivfunktionen. Das Kleinias-Dekret bestimmte, daß auch die Beamten, die geleistete Zahlungen an Ort und Stelle nachzuprüfen und Rüdestände anzumahnen hatten, getrennt nach Bezirken ausgeschickt wurden 381 . Audi hier scheidet eine geographische Erklärung aus, da die Umständlichkeit nicht einzusehen ist, mit der in einem Dekret ausführlich die vier geographischen Gegenden des Bundes bezeichnet sein sollten, die doch wohl jedem der in Frage kommenden Beamten einigermaßen deutlich gewesen waren. Es müssen sich also politische Vorstellungen damit verbunden haben. Da zudem die Abgesandten ohnehin ihre Reiseroute im einzelnen vorgeschrieben bekamen 382, hätte, wenn es sich nicht um politische Einheiten gehandelt hätte, eine pauschale Absendung in die Städte ohne nähere Spezifizierung genügt, so daß also keinerlei Veranlassung bestanden hätte, in dem Dekret geographische Ausführungen zu machen383. Diese Ansicht wird bestätigt, wenn man sich die entsprechenden Bestimmungen des Kleonymos-Dekrets ansieht. Danach wurden nun in der Tat jährlich fünf Männer in die Städte gesandt, ohne daß die einzelnen Bezirke angegeben wurden, und zwar hatten diese Gesandten die Aufgabe, in vorher von dem Demos namentlich festzustellenden Städten den rückständigen Tribut einzutreiben384. Da es sich bei diesem Vorgang nicht nur um einige wenige Städte handeln konnte - sonst wäre das gesamte detailliert festgelegte Verfahren des Dekrets gegenstandslos gewesen - , hätten hier ebenfalls 378 Münzgesetz § 6 Emleben. 379 Münzgesetz § 9 ML 45 = § 6 Erxleben. 380 Thudippos-Dekret (ML 69) 4-6. 381 Kleinias-Dekret (ML 46) 22-28. 382 I m Falle des Münzgesetzes durch die Strategen (§ 9 ML 45 = § 6 Erxleben), beim Thudippos-Dekret durch den Rat (ML 69, 40 f.). 383 Wenn ATL III 12 trotz der Bestimmungen über die genaue Anweisung der Reiseroute durch die Strategen oder den Rat meinen, die Aufführung der Bezirke und ihrer Städte sei „useful primarily in defining the routes of the heralds", bzw., wie Meritt, Second Period 122 schreibt, „as guides to which cities the heralds should visit", dann ist Pritdietts Mißverständnis, die Anordnung der Städte auf der Veranlagungsliste sei gleichzeitig die - nun in der Tat äußerst verschlungene - Reiseroute (Koan Fragment 432) nur konsequent und führt damit diese Ansicht überhaupt ad absurdum. 384 Kleonymos-Dekret (ML 68) 15-17.

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die Bezirke aufgeführt werden müssen, wenn diese nur geographisch-oiientierende Bedeutung gehabt hätten. Da sie hier aber nicht genannt sind 385, entfällt ihre Deutung als einer Art Wegweiser für die Gesandten. dd) Mit dem Wegfall der rein geographischen und der Deutung als Buchhaltungsgepflogenheit bleibt wegen der genannten Indizien also nur noch die politisch-organisatorische Deutung. Wie schon mehrfach gesagt, ist jedoch die politische Funktion nicht mehr deutlich zu erkennen. Wir haben nur einige Anhaltspunkte. Der eine ist die Tatsache, daß wir von Regelungen Kenntnis haben, die ausschließlich den thrakischen Bezirk betrafen. So heißt es im Brea-Dekret386, daß im Falle einer kriegerischen Verwicklung der Kolonie „die Städte" zu Hilfe zu kommen hätten, und zwar gemäß einem bereits existierenden Dekret über die Städte des thrakischen Bezirks 387. Weiterhin sind in einem der Methone betreifenden Dekrete allgemeine athenische Gesetze für Bündner in bezug auf militärische Hilfeleistungen erwähnt 388, die sich hier wahrscheinlich nur auf den thrakischen Bezirk beziehen 389. Schließlich ist möglicherweise auch der thrakische Bezirk als solcher 385

Die Gründe dafür mögen die gewesen sein, daß der Tatbestand, um den es sich handelte - die Höhe der jeweiligen Verschuldung in Athen bereits genau bekannt war und nidit mehr mit die einzelnen Bezirke betreffenden Besonderheiten gerechnet werden mußte, wälirend derartige Besonderheiten sowohl beim Münzgesetz wie beim Kleinias-Dekret, wo die Höhe der Zahlung an Ort und Stelle noch nachgeprüft werden mußte, wie auch beim Thudippos-Dekret, das eine zukünftige Veranlagung betraf, sehr wohl noch denkbar sind. 386 ML 49,13-17: έάν δέ τις έπιστρα[τεύει επί τέν γε]ν τέν τδν άποίκον, βοεθεν τά[ς πόλε ς hog άχσύ]τατα τάς χσυγγραφάς ha [I έττι . . . 8 . . ·] το γραμματεύοντος έγένον[το περί τδν πόλε[ον τδν επί Θράικες. 387 In diesem Sinne Nesselbauf, Untersuchungen 41 Anm. 1, und anscheinend auch ML S. 131 (die von „district" sprechen, womit [vgl. dort S. 85] der Tributbezirk gemeint ist); vgl. jetzt auch Werner, Rechtsbeziehungen 57 zu Anm. 133. Schaefer, Beiträge 246 f. (ihm schließen sich ATL I I I 147 Anm. 36 an) meint auch hier, at πόλεις at έπι Θράκης habe eine lediglich geographische Bedeutung, und ist weiter der Ansicht, es handele sich auch aus dem Grunde nicht um einen politischen Begriff, da in diesem Falle die Hilfeleistung nicht eigens erwähnt hätte werden müssen. Aber audi hier gilt, daß die unbezweifelbare geographische Bedeutung keineswegs die einzige sein muß, ja sich sogar als Bezeichnung auch eines politischen Bezirkes natürlicherweise anbietet (o. S. 64 f.); vor allem aber weist gerade die ausgesprochene Verpflichtung der Städte darauf hin, daß es sich notwendig um eine genau festgelegte und damit politische Einteilung handeln mußte, denn andernfalls wäre ja im Einzelfall unklar gewesen, wer nun eigentlich dazugehörte. Andererseits folgt aus der Einrichtung politisch-administrativer Bezirke noch nicht automatisch deren Hilfsverpflichtung gegenüber athenischen Kolonien, so daß auch der zweite Einwand Schaefers fehlgeht. Die Ausdrüddichkeit der Verpflichtung indiziert gerade den latenten Widerstand der Städte. 388 ML 65,41-44. 389 Mattingly, Methone Decrees 161 f.; ML S. 180.

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gemeint, wenn es im Dekret betreffend Aphytis und Poteidaia heißt, daß auch „die anderen Städte" die athenischen Archonten in Aphytis versorgen sollten390. Auch für die Funktion der Bezirke als Sprengel auf dem Gebiet der strafrechtlichen Maßnahmen gibt es Anhaltspunkte. Athenaios berichtet391, der Parodist Hegemon von Thasos sei in Athen angeklagt worden (und Alkibiades habe ihm geholfen), als die Athener die die Inseln betreffenden Prozesse nach Athen zur Verhandlung überwiesen hätten 392 . Wir können daraus folgern, daß Regelungen dieser Art für einzelne Bezirke getroffen wurden, und wenn der Sykophant in Aristophanes' „Vögeln" sich als staatlicher Gerichtsbote für die Inseln bezeichnet393, dann muß das bedeuten, daß auch auf dem Gebiet der durch Athen über Bündner ausgeübten Justiz bestimmte Beamtengruppen spezifisch für die einzelnen Bezirke bestellt wurden. Schließlich scheinen die Bezirke auch verwaltungsmäßige Funktionen gehabt zu haben. In einem kürzlich durch Meritt wiederhergestellten Dekret zum Schutze eines Ungenannten ist bestimmt, daß neben dem Rat und den Strategen sich auch die Archonten in Ionien um den Betreffenden zu kümmern hätten 394, so daß wir damit einen Hinweis dafür haben, daß möglicherweise das Beamtenkorps nach Bezirken zusammengefaßt wurde. Das Material ist jedoch zu knapp, um feststehende Aussagen über eine politische Funktion der Bezirke zu machen. Es läßt sich aber die sichere Vermutung aussprechen, daß über die allgemeine Funktion der größeren Übersichtlichkeit hinaus die Bezirke eine besondere Rolle in der Veranlagung zum Tribut, aber auch auf dem militärischen und rechtlichen Sektor spielten. 390 ATL II D 21, 7 ff. Meritt, Greek Inscriptions 2,217 nimmt hier eher einen geographisch enger umrissenen Bezirk an, wofür er starke Argumente anführt. Immerhin ist die allgemeine Bezeichnung αϊ αλλαι πόλεις nur dann als funktionsfähig vorstellbar, wenn genau bekannt ist, wer dazugehört, und das wiederum ist nur denkbar, wenn dieser Begriff politisch definiert ist. Bevor man nun nicht noch kleinere Einheiten als die Tributbezirke annehmen will, käme dafür nur der Thrakisdie Bezirk in Frage. 391 9,407 b. 392 Thasos gehörte zum thrakischen Bezirk, jedoch dürfte hier ein Versehen der Überlieferung vorliegen, die die Insel Thasos audi zum Inselbezirk sdilug, sich jedoch noch bewußt war, daß es Bezirke gab, und daß für diese Regelungen getroffen wurden. 393 Aristoph. Av. 1422: κλητήρ ε'ιμι νησιωτικός. 394 Hesperia 32 (1963) 39,2-6: έπι]μέλεσΦα[ι δέ αύτδ τέν τε βολέν] τέν Άθεναί[ον καΐ τός στρατεγός] τός άεΐ στ[ρατεγδντας και τός δ] ρχοντας τ[ός έκ τόν πόλεον τον έν] Ίονίαι. Daß damit die athenischen Reichsbeamten gemeint waren, folgt aus ihrer Funktion und aus der Tatsache, daß sie neben dem Rat und den Strategen genannt sind.

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Wir stellen also fest, daß innerhalb der Bundesorganisation in vielfältiger Beziehung das Prinzip der Vereinzelung galt, auf Grund dessen jede Stadt auf sich gestellt Athen gegenübertrat und ihm also von vorneherein unterlegen war. Daß das ein Herrschaftsprinzip und kein zufälliger, nur überkommener Tatbestand war, folgt daraus, daß Athen diesen Prozeß förderte. Das Prinzip der Vereinzelung war die Voraussetzung für das der Vereinheitlichung, das sich in der immer detaillierter geregelten und auf Athen hin organisierten Zusammenfassung der einzelnen Städte ausdrückte. Diese vereinheitlichende Reichsorganisation - zu der auch der Erlaß des attischen Münzfuß und attische Maße und Gewichte einführenden Münzgesetzes gehörte 395 - machte das Reich überschaubar, für athenische Eingriffe leichter disponibel und ermöglichte es Athen, die Herrschaft rationell und abgestuft auszuüben. d) Verfügungsgewalt über den Tribut. - Das ist besonders bedeutsam im Zusammenhang mit dem dritten und wichtigsten Aspekt des Tributwesens, nämlich der Frage der Verfügungsgewalt über den eingegangenen Phoros sie lag bei Athen. Das folgt schon daraus, daß die Bundesversammlung als das einzige sonst noch in Frage kommende Organ weggefallen war 396, und daß auch auf diesem Sektor Athen, d. h. die athenische Ekklesie, die alleinige Nachfolge angetreten hatte 397 . Wir hören zudem von Plutarch von dem innenpolitisdien Streit zwischen Perikles und dem Führer der konservativen Opposition, Thukydides, Sohn des Melesias, über die Verwendung des Geldes, dessen Ergebnis war, daß der Demos nun nicht nur über dessen Verwendung im Kriegsfall bestimmte, sondern es von nun an auch für die athenischen Bauvorhaben auf der Akropolis verwendete 398. Die Inschriften sprechen eine entwaffnend deutliche Sprache, so, wenn der Demos verfügt, daß die Hellenotamiai, die Schatzmeister der Bundeskasse, 443/42 für den Parthenon 399 und 434/33 für die Propyläen 400 Gelder beizusteuern sowie 395 ML 45. - Vgl. auch die verschiedenen Sonderrubriken, unter die die Bündner subsumiert wurden: ATL I 449-457. Zu den wichtigsten Lepper, Rubrics (vgl. u. S. 76 f.). 396 Siehe dazu u. S. 148. 397 ATL III 138-140 erwägen die Möglichkeit, daß noch nach der Verlegung der Bundeskasse nach Athen 454 eine Zeitlang eine Art Ersatz-Synhedrion in Athen zusammentrat. Die Anhaltspunkte sind jedoch zu vage, als daß man sich fest auf sie gründen könnte. Audi lokalisiert Thukydides (1,96,2) das Synhedrion ausdrücklich auf Delos. Die Frage ist zudem von sekundärer Bedeutung, da audi nach Ansicht von ATL III diese etwaigen Zusammenkünfte ebenfalls eingeschlafen sind. 398 Plut. Per. 12.14. Näheres u. S. 171. 399 IG 12342,35.

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im selben Jahr beträchtliche Rückzahlungen an die Schätze der „anderen Götter" (außer Athena und Hermes) zu leisten hätten 401 . Wie von etwas Selbstverständlichem spricht dann Perikles in der Rede, in der er die Ressourcen Athens für den Krieg Revue passieren läßt, von dem Tribut als von einer Summe, die „der Stadt" von den Bündnern gezahlt wird 402a ; es ist also Geld, das Athen geschuldet und ihm gezahlt wird, und über das es daher als über sein Eigentum verfügen kann. Kein Zweifel: in dem Moment, wo die Einkünfte des Bundes zu solchen Athens wurden, wurde dann auch die Währung athenisch 402b.

7. Wirtschaftliche Herrschaftsmittel Die Frage nach wirtschaftlichen Herrschaftsmitteln bedeutet, daß danach gefragt wird, ob Athen vermöge einer eventuellen wirtschaftlichen oder seiner politischen Übermacht die Wirtschaft der Bündner beeinflussen und damit seinen politischen Willen durchsetzen konnte und das auch tat; zu fragen ist also - noch - nicht nach wirtschaftlichen Antriebskräften für Athens Herrschaft, sondern lediglich nach der möglicherweise herrschaftsstabilisierenden oder -fördernden, intendierten oder auch nur objektiven Funktion wirtschaftlicher Faktoren. a) Wirtschaftlicher Machtzuwachs Athens. - Bestand also, erstens, eine wirtschaftliche Überlegenheit Athens gegenüber den Bündnern und womöglich auf deren Kosten 403 ? «o ML 60,11-13.16. « i Kallias-Dekrete (ML 58) 2-7; Meiggs, Empire 519-523. Die äußerst komplizierte Geschidite der attischen Finanzen, die sich mit diesen Dekreten, der gleich zu nennenden Thukydides-Stelle und einem sich mit athenischen Organisations- und Finanzfragen befassenden anonymen Straßburger Papyrus-Fragment (vgl. U. Wilcken, Der Anonymus Argentinensis, Hermes 42 [1907] S. 374-418; Meiggs, Empire 515-518) verknüpft, erstreckt sich nicht auf die uns hier interessierenden Fragen und braucht daher nicht weiter verfolgt zu werden. Vgl. zur ersten Orientierung ATL III 118132; A. W.Gomme, Thucydides II 13,3, Historia 2 (1953/54) S. 1-21; Gomme 2, 26-33; ML S. 157-161 sowie Meiggs a. a. O. 402a Thuk. 2,13, 3: από των ξυμμάχων τη πόλε ι. Vgl. auch seine Argumentation gegenüber der konservativen Opposition, daß das Geld Athen gehöre, und daß Athen daher die Verfügungsgewalt habe (Plut. Per. 12, 3). 402b Vgl. u. S. 216. 403

"Über Art und Umfang der athenischen Wirtschaft des 5. Jahrhunderts kann alles in allem nur sehr wenig Definitives im Detail gesagt werden (vgl. etwa Ehrenberg, Aristophanes 338; Meiggs, Empire 255), und wenn man über die wenigen direkten Zeugnisse hinauskommen will, ist man darauf angewiesen, sehr viel allgemeine Über-

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aa) Zunächst die Frage des Geldes. Es ist, seit es existiert, eine der Säulen jeglicher Herrschaft, und es überrascht daher nicht, daß bei Thukydides ständig betont wird, daß es das Geld sei, auf das sich Athens Herrschaft gründe 4 0 4 . Dieses Geld w a r großenteils der Phoros, es waren aber auch andere Einkünfte aus dem Bundesgebiet. Der Streit mit Thasos entzündete sich daran, daß Athen die thasischen Bergwerke des Festlands in die Hand bekommen wollte, und es gelang ihm 4 0 5 ; und als im Peloponnesischen Krieg Amphipolis abgefallen war, beklagt Thukydides in seiner Würdigung dieses Vorgangs zuerst die wirtschaftlichen Einbußen Athens, darunter die finanziellen 4 0 6 . Nicht zu vergessen ist die Beute aus Kriegen, von der Athen in seiner Eigenschaft als Hegemon 4 0 7 den Löwenanteil bekam, wozu man dann auch eventuelle Kriegsentschädigungen v o n niedergeworfenen Bündnern rechnen muß 408 . Schließlich fallen hierunter auch die nicht unbeträchtlichen Einkünfte aus Zoll- und Hafengebühren 4 0 9 . b b ) Athen hatte sich nämlich im Lauf der Seebundentwicklung zum Zentrum des Handels in der Ägäis entwickelt und baute diese Stellung weiter aus. Es w a r der nahezu einzige Absatzmarkt der Bündner f ü r Schifisbauholz, Eisen, K u p f e r , Flachs und Wachs 4 1 0 , es w a r der wichtigste und unentbehrlegungen einschießen zu lassen, woraus sich dann gerade hier besonders heftige Kontroversen ergeben (vgl. deren kurze Darstellung bei Ehrenberg, Aristophanes 7-11). Auf dieser Grundlage findet sich die beste Darstellung in dem gut durchdachten Buch French, Growth, insbesondere S. 97-134; vgl. auch Bonner, Commercial Policy; Hasebroek, Staat und Handel; Jones, Economic Basis; Finley, Trade; Meiggs, Athenian Empire 265-272. Römstedt, Wirtschaftliche Organisation ist veraltet, aber in Einzelheiten noch hilfreich. 404 Man denke nur, e. g., an die entsprechenden Bemerkungen der Korinther in Sparta (Thuk. 1,121,5; 1,122,1), des Perikles bei seiner Bilanz der athenischen Finanzen zu Beginn des Krieges (Thuk. 2,13, 2 f.), des Kleon (Thuk. 3, 39, 8) und des Diodotos bei der Debatte um Mytilene (Thuk. 3, 46, 3 f.). 405 Thuk. 1,100,2; 1,101, 3. 106 Thuk. 4,108,1. 407 Siehe u. S. 144. 408 Thuk. 1,117, 3; Diod. 12,28, 3; Plut. Per. 2 8 , 1 (von Samos). 409 Busolt, Staatskunde 184 Anm. 1; Busolt/Swoboda 1228; Hasebroek, Staat und Handel 106; Ehrenberg, Aristophanes 331; Meiggs, Empire 256 f. 410 Ps.-Xen. 2 , 1 1 (daß die Ausfuhr dieser Gegenstände nach § 12 Satz 1 an Gegner Athens verboten war, ist nur als Sicherungsmaßnahme anzusehen [vgl. u. S. 75 f.] und ändert nichts an der Absatzlage, nach der der natürliche und hauptsächliche Abnehmer Athen war); Perdikkas-Vertrag (StV 186) 22 f. In diesem Vertrag verpflichtete Athen den König Perdikkas von Makedonien, Ruderholz nur nach Athen zu liefern. Mit Nesselhauf, Untersuchungen 65; ATL III 313 Anm. 61; Meiggs, Besprechung ATL III, 99; Lepper, Rubrics 50; Amit, Athens 128 und ML S. 179 ist der Vertrag in die Mitte der dreißiger Jahre zu datieren; der Einwand von Bengtson, StV S. 113, daß diese Verpflichtung nur auf Kriegszeiten passe, überzeugt nicht, da Athen auch in Friedenszeiten ein Interesse daran hat, „strategische Güter" nicht in andere Hände

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liehe Umschlagplatz für die Güter der ganzen damaligen, z. T. sogar außergriechischen Welt 411 , so daß die Städte gezwungen waren, ihren Handel immer mehr auf Athen auszurichten412. Darüber hinaus gab es auch athenische Handelsniederlassungen, Emporia, im Seebundgebiet, auf die Athen ebenfalls den Handel zu lenken wußte 413. cc) Einen materiellen Gewinn Athens bedeuteten dann auch die Annexionen, die es zuungunsten von bundesgenössischen Städten vornahm. Die Annexion des thasischen Festlandes ist bereits erwähnt worden 414 , hinzu kommt nach dem Aufstand Euboias die Annexion des Landes der adligen Hippoboten und dessen Verpachtung415. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch das Land zu erwähnen, das Athener als Kolonisten zur Verfügung gestellt bekamen. dd) Bundesgenössisches Land kam aber nicht nur staatlicherseits durch Annexion in athenische Hände; das Privateigentum einzelner Athener an Grundbesitz in Bundesstädten war eher noch beträchtlicher. Von Demosthenes hören wir, daß Aristides' Sohn Lysimachos Land in Eretria hatte 416 , und die Listen, die die Enteignungen von an dem Hermokopidenfrevel Beteiligten aufführen, zeigen, daß es nicht unerheblichen athenischen Grundbesitz auf Thasos und auf Euboia gab, der nicht als Kolonistenland zu betrachten ist 417 . Die Rüdegewinnung dieses außerathenischen Grundbesitzes durch gelangen zu lassen. Nesselhauf, Untersuchungen 64 f. nimmt an, daß Perikles' Pontosexpedition ähnliche Ziele hatte. 411 Ps.-Xen. 2,7; Thuk. 2,38,2; Hermippos F 63 ( = Athen. 1,27, e - f; Xen. Vect. 1,6f.; 3, Iff.; Isokr.4,42. 412 Ps.-Xen. 2,3. 413 Der Streit mit Thasos ging auch um die έμΐΐόρια (Thuk. 1,100,2), und aus zwei Inschriften können wir Maßnahmen erkennen, die den Handel mit athenischen έμπόρια fördern sollten: IG I246, 7-9; Perdikkas-Vertrag (StV 186) 47 f. Vor einer zu extensiven Interpretation dieser Stellen warnt zu Recht Lepper, Rubrics 49 f.; ebenso vorsichtig über die Bedeutung des athenischen Handels, jedenfalls mit dem nördlichen Schwarzmeergebiet (wo eher Tauschhandel vorgelegen habe) SdiönertGeiß, Wirtschafts- und Handelsbeziehungen 116 f. 414 o . S. 72. 415 Plut. Per. 23, 4; Ael.v.h. 6,1; vgl. dazu Nesselhauf, Untersuchungen 137-140; Hampl, Poleis 410-414; Meiggs, Empire 566. - Das Schweigen Thukydides', der detailliert über die Friedensbedingungen für Samos nach dessen Aufstand berichtet (1, 117, 3; vgl. auch Diod. 12,28,2 f.; Plut. Per. 28,1), indiziert schon, daß dort nichts dergleichen stattfand, und die dort entdeckten τεμένη für Athena sind gegen Kahrstedt, Umfang 168-170 (und Nesselhauf, Untersuchungen 138 f., vgl. dazu Gomme 1,135) von Barron, Religious Propaganda zutreffend als das gedeutet worden, was der Titel seines Aufsatzes besagt; siehe auch u. S. 117 f. 416 Dem. 20,115. 417 SEG X I I I 13,90.177 f. 311-314; 17,150 f.; 15,17-21; ML 79 Β 54-56. Weitere Nachweise Meiggs, Empire 262 Anm. 2. - In Selymbria gab es neben bundesge-

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Athen konnte dann nach 404 wieder Kriegsziel sein418, jedoch verziditete Athen im zweiten attischen Seebund ausdrücklich darauf 419 . Dieser Landbesitz stellte also eine weitere wirtschaftliche Bevorzugung Athens auf Kosten der Bündner dar - zumal diesen das entsprechende Recht in Attika nicht gewährt wurde 420 und das nicht nur rechnerisch: athenische wirtschaftliche Machtpositionen an Ort und Stelle ließen logischerweise Angehörige von Bundesstaaten in direkte Abhängigkeit von Athenern treten und wirkten sich so auch politisch aus. Es war also kein Wunder, daß privater athenischer Landbesitz von den Bündnern bei der Begründung des zweiten Bundes als auszuschließendes athenisches Herrschaftsmittel den Kolonien an die Seite gestellt wurde 421 . b) Wirtschaftlicher Druck auf die Bündner? - Ist damit also festgestellt, daß Athen, großenteils auf Kosten der Bündner 422 , an Wirtschaftskraft zunahm, so ist zunächst einmal davor zu warnen, diese Überlegenheit allzu hoch zu veranschlagen. Die Annahme einer Ausbeutung der Bündner scheitert schon daran, daß die Veranlagung zum Tribut in einem geregelten und nachprüfbaren Verfahren erfolgte, das auf Wunsch der Bündner eingeführt 423 und nie geändert worden war; die Tributlisten kennen audi die Herabsetzung von Tributen bei verschlechterten Bedingungen. Im Gegenteil bot Athens wachsende Wirtschaft neue Arbeits- und Handelsmöglichkeiten für die Städte und breite Kreise ihrer Bewohner, die keineswegs verarmten, sondern mindestens so wohlhabend waren wie vor der athenischen Herrschaft, wie noch näher auszuführen ist 424 . Ein sehr gewichtiges Argument gegen die Ansicht, daß Athen auf Kosten der Bündner lebte und diese ausbeutete 425, ist dann die Existenz des Herrschaftsmittels der Demokratieeinführung, von dem auch noch ausführlich die Rede sein wird 426 . Wenn der nössischem auch athenischen Grundbesitz, der nach der Wiedereroberung 407 wiederhergestellt wurde (Selymbria-Dekret [ML 87] 18-22; vgl. dazu Brunt, Athenian Settlements 86). «8 And. 3,15. «9 Tod 123, 35-41; vgl. auch Diod. 15,29, 8. 420 Meiggs, Empire 262. 421 Vgl. zum Ganzen Jones, Athenian Democracy 167; Brunt, Athenian Settlements 86 f. 88 f.; Meiggs, Empire 262. 402. Siehe auch Ferguson, Imperialism. •422 Zu den wirtschaftlichen Vorteilen der Bündner siehe u. S. 81 f. «3 piut. Arist. 24,1. 424 French, Growth 97-134; Meiggs, Empire 265-272; Ste. Croix, Origins 43 f. 425 Anlaß für eine derartige Vorstellung ist Aristoteles' Bericht von den zwanzigtausend Athenern, die angeblich auf Kosten der Bündner lebten (vgl. dazu etwa Wilamowitz, Aristoteles und Athen 2,201-207; Levi, Commento 2,252) oder gar die gänzlich übertreibende Bemerkung Ps.-Xen. 1,15. «6 Siehe u. S. 82 g.

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attische Demos tatsächlich die Bündner so für sich hätte schuften lassen, daß man von Ausbeutung sprechen müßte, wäre der Demos in den Städten wohl kaum bereit gewesen, sich übermäßig zugunsten der athenischen Herrschaft einzusetzen. Es ist dann auch schon gesagt worden 427 , daß die attische Demokratie schon deshalb nicht auf einer wirtschaftlichen Ausbeutung der Bündner beruhen konnte, weil sie ja auch nach dem Zusammenbruch des Reiches weiterbestand. Vor allem fragt es sich aber, ob über den allgemeinen politischen Machtzuwachs hinaus, den wirtschaftliche Macht ohnehin immer mit sich bringt, Athen über die Wirtschaft auch politischen Druck auf die Bündner ausübte. Eines dieser eventuell festzustellenden Mittel hat, wie schon gesagt 428, Ste. Croix als unhistorisch erwiesen, nämlich einen Geriditszwang der Bündner, der diese gezwungen hätte, vornehmlich den Handel betreffende Prozesse in Athen und damit vor nicht unparteiischen Richtern zu führen. aa) Im einzelnen ist weiter daran zu denken, daß Athen von seiner Stellung als wichtigster Absatzmarkt und zentraler Umschlagplatz derart Gebrauch gemacht haben könnte, daß es politische Gegner daran hinderte, Handel zu treiben, d. h. ihre Waren in Athen ab- oder umzusetzen, um so politisches Wohlverhalten im Sinne einer Festigung seiner Herrschaft zu erreichen. Daß Athen Verkehrsbeschränkungen verhängte, ist schon festgestellt worden 429 , besagt aber für sich noch nichts über eventuelle wirtschaftliche Bedeutungen dieser Maßnahmen gegenüber den Bündnern. Nun spricht Pseudo-Xenophon davon, daß Athen es nicht zulasse, daß bestimmte Güter anderswohin als nach Athen auf dem Seewege ausgeführt würden 430, und aus einigen Inschriften scheint zu folgen, daß Athen durchaus Erlaubnisse in bezug auf den Handelsverkehr aussprach, jedoch verliert das Bild bei näherer Prüfung an Eindeutigkeit. Was die Inschriften betrifft, so ist weniger der Handel als die Sicherung der Versorgung der betreffenden Städte Gegenstand der Beschlüsse: im zweiten Dekret für Methone von 426 wird Methone erlaubt, Getreide durch den Hellespont einzuführen 431; ähnliches gilt für Aphytis 432, dem bald darauf in einem weiteren Beschluß außerdem, über eine Bekräftigung der Korn*27 Jones, Economic Basis 5. 6. Vgl. audi Will, Le monde grec 206 f., der mit Recht darauf verweist, daß die späteren Tributüberschüsse ja nicht als solche geplant waren, sondern sich aus dem Aufhören des Krieges ergaben.

•«28 s. 52 ff.

« 9 o. S. 12. «o Ps.-Xen. 2,11 f. Methone-Dekrete (ML 65) 34-41. «2 Aphytis-Poteidaia-Dekret (ATL II D 21) 3-6.

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Importgenehmigung hinaus, generell jeglicher Import sowie der Verkehr mit Athen garantiert wird 433 . Die ausdrückliche Gewähr des Rechtes, im attischen Reich Handel zu treiben, finden wir nur ein einziges Mal, und das nicht gegenüber einer Stadt des Seebundes, sondern gegenüber einem Privatmann aus Achaia, einen gewissen Lykon, dem 415 erlaubt wird, sein Schiff aus dem blockierten korinthischen Golf herauszuführen und im gesamten Reich Handel zu treiben 434 . Auch die eben angeführte Stelle aus Pseudo-Xenophon spricht nicht für die Existenz von Handelsbeschränkungen schlechthin. Sie beschäftigt sich ausschließlich mit Waren, die für den Bau von Schiffen nötig sind 435 und sagt nur von diesen, daß sie nicht anderswohin als nach Athen exportiert werden dürften. Dasselbe ist zu sagen von dem Vertrag Athens mit dem makedonischen König Perdikkas, durch den sich dieser verpflichtete, Ruderholz nur an Athen oder an dessen Bundesgenossen ausführen zu lassen, wenn diese es an Athen weiterlieferten 436 . Scheint also somit eine eigentliche Einflußnahme auf den Handel von Bündnern nicht vorzuliegen, so muß vor einer endgültigen Entscheidung doch noch etwas weiter ausgeholt werden dadurch, daß die Tributlisten und das sogenannte Megarische Psephisma in die Betrachtung einbezogen werden. bb) In den Tributlisten der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre erscheinen unvermittelt Städte unter fünf neuen Rubriken, deren Deutung die Forschung seit langem beschäftigt hat 437 . Es handelt sich dabei durchweg um Städte, deren Tributzahlung nicht auf Grund einer normalen regelmäßigen Veranlagung erfolgte, und die Frage ist nun die nach dem Grunde dieser eigenartigen Form des Beitritts. Die Diskussion geht im wesentlichen darüber, ob diese Städte aus athenischer oder aus eigener Initiative gezahlt haben. Die zweite Möglichkeit wird vor allem von Nesselhauf und Lepper «3 Aphytis-Dekret (Hill Β 84) 10-19. 434 I G 1293,11-18. 435 Ps.-Xen. 2,11: Schiffsbauholz, Eisen,Kupfer, Flachs und Wachs. Außer dem Bauholz sind diese Waren natürlich auch sonst verwendbar, aus dem Zusammenhang folgt jedoch, daß der Verfasser an dieser Stelle nur ihre Verwendung für den Bau von Schiffen im Auge hat. «6 Perdikkas-Vertrag (StV 186) 23. Zur Datierung vgl. außer S. 72 Anm. 410 noch Ste. Croix, Origins 317. 437 Es sind dies die Rubriken πόλεις ατακτοι, πόλεις αύται φόρον ταξάμεναι, πόλεις ας oi Ιδιώται ένέγραψαν φόρον φέρειν, πόλεις ταϊσδε έταξαν ot τάκται επί Κρ[. . .]ο γραμματεύοντος, πόλεις ταϊσδε ή βουλή και οί πεντακόσιοι καΐ χίλιοι έταξαν. Die letzte ausführliche Bearbeitung ist, nach den Ausführungen von Nesselhauf, Untersuchungen 58-62 die von Lepper, Rubrics, die in Anm. 1 die wichtigste vorhergegangene Literatur aufführt. Vgl. zuletzt noch ML S. 86; Meiggs, Empire 249-252.

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vertreten 438, jedoch mit der entscheidenden Modifizierung, daß dieser formal freiwillige Beitritt seine Ursachen in der immer stärkeren wirtschaftlichen Beherrschung der Ägäis durch Athen gehabt habe, die diese Städte als Nichtmitglieder vom Handel ausgeschlossen habe, und die nur durch einen Beitritt wieder Anschluß hätten gewinnen können 439 . Nesselhauf und Lepper nehmen also im Grunde audi eine Initiative Athens bei dem Beitritt der betreffenden Städte an, lassen sie freilich eher indirekt und generell, auf dem Umweg über wirtschaftliche Zwangs- und Ausschließungsmaßnahmen, und nicht individuell für jede einzelne Stadt wirken und sehen in diesen Maßnahmen der dreißiger Jahre einen Grund für den Ausbruch des Peloponnesisdhen Krieges440. Hier hätten wir also wirtschaftliche Herrschaftsmittel, mit denen Athen in einer bestimmten politischen Situation die Festigung und den Ausbau seiner Herrschaft betrieben hätte. Jedoch stößt die Verwendung dieser Auffassung für unsere Frage auf Schwierigkeiten. Diese liegen nicht in der unmittelbaren Deutung der Sonderrubriken selbst, die doch wohl im Sinne eines freiwilligen Anschlusses im wirtschaftlichen Eigeninteresse aufzufassen sind, sondern in der Erklärung der Motive für einen solchen Beitritt: Nesselhauf und Lepper setzen das voraus, was uns hier gerade fraglich ist, nämlich die Existenz einer ausgeprägten athenischen Handelspolitik, die, auf die absolute Beherrschung der Ägäis gestützt, eine Monopolisierung des Handels und damit den weiteren Ausbau, ja eine qualitativ höhere Stufe seiner Herrschaft anstrebte 441 . cc) Das Hauptargument in dieser Erklärung sind nun die Maßnahmen, die Athen kurz vor dem Ausbruch des Peloponnesischen Krieges gegen Megara getroffen hat, d. h. das im sogenannten Megarischen Psephisma angeblich über Megara verhängte Verbot, mit Athen und den Städten des Bundes Handel zu treiben. Die Bedeutung eben dieser Maßnahmen hat jüngst Ste. Croix einer genauen Prüfung unterzogen442. Nach einer mikroskopisch anmu438 a. a. O. (vorige Anmerkung). +39 So erledigt sich übrigens auch der bisweilen vorgebrachte Einwand, von Freiwilligkeit des Beitritts könne deshalb nicht die Rede sein, weil ein Großteil der Städte gleich nach Beginn des Peloponnesischen Krieges wieder abgefallen sei (ML S. 86; Meiggs, Empire 251 f.; Zahrnt, Olynth 44 f.)· Der Beitritt war insofern nicht freiwillig, als er auf Grund einer objektiven Notsituation erfolgte; jedoch ging die Initiative dazu von den Städten, nicht von Athen aus. 440 Nesselhauf, Untersuchungen 58 ff. spricht von Thalassokratie, und Lepper, Rubrics 54 f. ersdiließt sogar ein allgemeines Dekret (oder audi mehrere) über die Ausübung von Handelsrediten. 441 Insbesondere Lepper ist dabei sehr vorsichtig und betont mehrfach, daß es sich angesichts der Quellenlage um eine bloße Hypothese handele, die allerdings noch die größte Wahrscheinlichkeit für sich habe (Rubrics 51-55). 442 Origins 225-289.

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tenden Betrachtung der literarischen Quellen kommt er zu dem Ergebnis, daß der dort bezeugte Ausschluß der Megarer von der athenischen Agora und den Häfen des Reiches 443 wörtlich und nicht nach neuzeitlichem Sprachgebrauch im übertragenen Sinne zu nehmen sei: nicht Megara sei ausgeschlossen worden, sondern nur die Megarer, also nicht etwa megarische Metöken oder sonstige nichtmegarische, aber für Megara Handel treibende Kaufleute; der Ausschluß sei nicht für den attischen Markt im Sinne von Absatzmarkt, sondern für die athenische Agora im topographischen Sinne - also etwa von Marktplatz - erfolgt, es habe also überall in Attika und Athen Handelsverkehr stattfinden können, nur sei eben Megarern der Zutritt auf die Agora verwehrt gewesen; Entsprechendes gelte für die Bestimmung bezüglich der Häfen des Reiches. So viel für diese eindringlich vorgebrachte Auffassung zum Teil wirklich spricht - davon sogleich - , gibt es doch so gewichtige, auch methodische, Bedenken, daß das Urteil im Ergebnis nicht so wie bei Ste. Croix ausfallen kann, wenngleich seine Argumentation vorsichtiger stimmt als das bisher der Fall war. Zunächst ist es eine eigenartige Vernachlässigung, daß in der gesamten Argumentation nur von den literarischen Quellen ausgegangen wird, ohne daß die epigraphischen Zeugnisse, insbesondere die Tributlisten herangezogen werden. Im Zusammenhang mit dem Megarischen Psephisma hätten die Sonderrubriken mit deren Deutung durch Nesselhauf und Lepper erwähnt werden müssen. Immerhin hat diese Deutung, die, für sich allein betrachtet, nicht voll beweiskräftig ist, doch sehr viel für sich, wenn man sie im Zusammenhang mit dem etwa gleichzeitigen Megarischen Psephisma sieht; auf jeden Fall sind sie für dessen Interpretation heranzuziehen. Ist also hier schon das Vorgehen Ste. Croix' mit einem Fragezeichen zu versehen, so muß man sich weiter fragen, ob sein Ergebnis dasselbe gewesen wäre, wenn er statt der Frage des Ausschlusses der Megarer von der athenischen Agora die des Ausschlusses von den Häfen des Reiches als erste behandelt hätte. Hat nämlich die rigide Interpretation der literarischen Überlieferung bezüglich der Agora einiges für sich, und ergibt sich so die Möglichkeit, in sehr viel kürzerer Argumentation das dort erzielte Ergebnis auf die Häfen analog zu erstrecken 444, so sieht die Sache doch anders aus, wenn man den Ausschluß von den Häfen zunächst für sich betrachtet. Ein solcher Ausschluß heißt, darin ist Ste. Croix Recht zu geben, wörtlich natürlich nicht Ausschluß aus dem Reich und von seinen Städten überhaupt und beläßt die Möglichkeit, sonstwie an Land zu gehen. Bedenkt man jedoch, ·•« Thuk. 1,67,4; 1,139,1; Aristoph. Ach. 533 f.; Plut. Per. 29,4. 444 Origins 284-289.

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daß die Häfen - die Entwicklung des Piräus ist das beste Beispiel dafür eigens dafür gebaut waren, um Schiffen gefahrlose und sichere Landemöglichkeiten zu bieten - dafür zahlten die Benutzer schließlich gerne und ohne weiteres daß sie natürlich die verkehrstechnisch günstigste Lage hatten, und daß der gesamte Handel sich auf die Häfen ausgerichtet hatte, dann ist es eine doch recht gezwungene Interpretation zu sagen, der Ausschluß von den Häfen sei eine nur psychologische Maßnahme gewesen und habe sich nicht gegen den Handel gerichtet. Daß, worauf Ste. Croix besonderen Wert legt, nicht Megara, sondern die Megarer ausgeschlossen worden seien, kann schließlich auch nicht ohne weiteres als Argument gegen die herkömmliche Interpretation gelten. „Megara" gab es im griechischen politischen Sprachgebrauch ebensowenig wie es „Athen" gegeben hat; was wir „Megara" nennen, hieß im 5. Jahrhundert „die Megarer", und darunter sollte dann auch der megarische Handel und seine Vertreter verstanden werden können. Stehen also der Interpretation von Ste. Croix erhebliche Schwierigkeiten entgegen, und zwar auch aus Bereichen, die er nicht heranzieht, so ist die Situation doch nicht eindeutig. In der Tat spricht die literarische Überlieferung nur von der Agora, von der die Megarer in Athen ausgeschlossen wurden, und man muß sich in der Tat fragen, ob die Athener nicht fähig gewesen wären, eine Handelsperre, wenn sie eine solche gewollt hätten, auch beim Namen zu nennen. Das Ergebnis bleibt also zweideutig. Die Tributlisten indizieren einen wirtschaftlichen Druck auf Außenstehende, von dem fraglich bleiben muß, ob er intendiert oder bloß Ergebnis einer tatsädilichen Sachlage war; das Megarische Psephisma bewegt sich, äußerlich jedenfalls, lediglich im Rahmen von Verkehrsbeschränkungen, die aber doch auch zumindest handelspolitische Auswirkungen hatten. Es ist nicht auszuschließen, daß sich hier eine Politik ankündigte, die aber eben, wenn sie nicht überhaupt durch den Krieg abgebrochen worden wäre, eine neue Politik gewesen wäre. Aber audi von ihr ist fraglich, ob wir sie als Herrschaftsmittel im Bund rubrizieren dürfen. Sowohl Megara als auch die betreffenden thrakischen Städte waren nicht Bundesangehörige, und um solche niederzuringen und zu beherrschen, hatte Athen andere Mittel 445 . c) Zusammenfassung. - Zusammenfassend muß also gesagt werden, daß Athen durch den Bund zwar an Wirtschaftskraft zunahm, daß diese jedoch nicht übertrieben hoch zu veranschlagen ist, und vor allem, daß keine spe445

Ähnlich audi Lepper, Rubrics 38.

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ziellen wirtschaftlichen Druckmittel Athens auf die Bündner festzustellen sind. Eine den Handel der Bündner direkt schädigende Maßnahme ist nicht greifbar; was bekannt ist, betrifft die Verkehrsbeschränkungen auf dem Gebiet der Versorgung und wirtschaftlichen Stärkung Athens, und nur insofern mochten mittelbare Auswirkungen eingetreten sein4*6. Ob kurz vor dem Peloponnesischen Krieg Athen zu einer anderen Politik übergegangen ist, ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszumachen; so etwas deutet sich an, jedoch ist es jedenfalls noch keineswegs ausgeformt worden und hat sich auch durch den Ausbruch des Krieges nicht auswirken können. B. Indirekte

Herrschaftsmittel

Faktische, institutionelle und organisatorische Herrschaftsmittel sind zwar bloßer Gewalt insofern überlegen, als sie - diese vorausgesetzt - deren Grobstruktur verfeinern und näher und unmittelbarer an die zu Beherrschenden heranreichen. Trotzdem sind auch sie nur äußerliche Mittel, die nicht total durchzusetzen sind und die zudem aus eigener Kraft nur ein äußeres Verhalten bewirken können, das für eine durchgreifende Beherrschung unzulänglich ist. Herrschaft darf die zu Beherrschenden nicht nur als Objekte behandeln, sondern hat sie auch als Subjekte zu nehmen; sie hat im Interesse ihrer Effektivität darauf zu sehen, daß bei den zu Beherrschenden ein bestimmtes Maß an Bereitschaft, sich dem Herrschenden zu fügen oder mit ihm zusammenzuarbeiten, vorhanden ist. Dieses subjektive Entgegenkommen des als Subjekt genommenen Beherrschten dem Herrschenden gegenüber kann in den verschiedensten Bereichen auftreten und vom Herrschenden benutzt oder hervorgerufen werden.

1. Interessenlagen der Bündner Als erstes ist zu fragen, ob wir Interessenlagen der Städte ausmachen können, auf Grund derer sie bereit waren, sich der athenischen Herrschaft zu fügen oder sie sogar möglicherweise freiwillig herbeizuführen. 446 Das trifft sich mit der wohl herrschenden Meinung, daß ohnehin von einer staatlichen Handelspolitik jedenfalls in dem Sinne nicht gesprochen werden kann, daß der griechische Staat Maßnahmen zur Förderung des Handels getroffen habe, die über die Notwendigkeit der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern oder die Erzielung von staatlichen Einkünften aus Zoll- und Hafengebühren hinausging (vgl. Hasebroek, Staat und Handel, passim; Will, Trois quarts de siecle; Finley, Trade; Ehrenberg, Aristophanes 331; Ste. Croix, Origins 214-220).

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a) Wirtschaftliches Interesse. - So wäre daran zu denken, daß die Städte wirtschaftliche Vorteile genossen hätten, die ihnen Athens Herrschaft hätte nicht unerwünscht sein lassen. In der Tat dürfte es derartige Vorteile gegeben haben, obwohl auch hier, wie bei der Frage der wirtschaftlichen Rolle Athens, das Material beklagenswert gering i s t I m m e r h i n war festzustellen, daß von einer Ausbeutung der Bündner durch Athen nicht gesprochen werden kann 2 , und Meiggs hat wahrscheinlich gemacht, daß es den Städten im allgemeinen sogar gut gegangen sein dürfte 3 . Mag das womöglich auch an der Erschließung neuer Märkte wie des athenischen selbst 4 oder, zeitweise, des ägyptischen gelegen haben 5 , so dürfte der Hauptgrund der gewesen sein, daß Athen durch seine Flotte die Seeräuber der Ägäis offenbar recht erfolgreich bekämpfte 6 . In der Frühzeit des Bundes war die Piratengefahr noch beträchtlich7, vor allem betrieben die Doloper auf Skyros den Seeraub im großen Stil, bis Kimon sie bald nach der Gründung des Bundes von dort vertrieb 8 . Plutarchs Behauptung, Kimon habe bei der Gelegenheit die Ägäis überhaupt von Seeräubern befreit 9 , ist in ihrer Konzentrierung auf Kimon sicherlich übertrieben, gibt aber wohl richtig das Ergebnis eines längeren Prozesses wieder. Ganz gebannt war die Seeräubergefahr nämlich wohl nicht, denn nach Plutarchs Bericht hat Perikles auf dem von ihm vorgeschlagenen panhellenischen Kongreß die Bekämpfung der Seeräuber vorrangig behandeln wollen 10 , und in dem Dekret, das die Verhältnisse Hestiaias nach dessen Unterwerfung 446 regelt, ist von Piraten die Rede 11 ; in einem noch später anzusetzenden inschriftlich erhaltenen Vertrag verpflichtet sich Athen einem nicht sicher festzustellenden Vertragspartner gegenüber, gegen Seeräuber vorzugehen12 - in beiden Fällen muß es sich übrigens nicht um Piraten im athenischen Herrschaftsgebiet gehandelt haben. Im Peloponnesischen Krieg jedenfalls hatte Athen dann wieder gegen Seeräuber zu kämpfen, die nun auch eine ι Meiggs, Empire 257. 2 o. S. 75 f. 3 Empire 265 f. 269; vgl. aber Ste.Croix, Origins 312 f. « Ps. Xen. 2,3. 5 Meiggs, Crisis 2; Empire 95. 267-269. β Bonner, Commercial Policy 194; Ziebarth, Beiträge 9-19; Amit, Athens 119-121 (ohne die Inschriften zu zitieren); Meiggs, Empire 69. 267. 7 Vgl. ein teisches Gesetz von etwa 470, das Bestimmungen gegen Seeraub trifft: ML 30, B, 19-21. s Plut. Kim. 8,3-5. 9 ebd. S 5. 10 Plut. Per. 17,1. u SEG X 37,24; vgl. Ziebarth, Beiträge 11. 12 SEG X 46, 7 f.; vgl. auch Meritt, Athenian Covenant 359-361.

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militärische Gefahr darstellten 13 , und mit der Schwächung Athens nach der Sizilischen Expedition nahm auch das Piratenunwesen wieder zu 14 . Weiter können wir vermuten, daß in den dreißiger Jahren Städte, möglicherweise um wirtschaftlicher Vorteile willen, in wenn auch ungewöhnlicher Form sich aus eigenem Entschluß Athen anschlossen15, und aus dem Jahre 430 wissen wir sogar, daß Athen sich für die Handelsfreiheit einer Stadt eigens eingesetzt hat: es forderte den König Perdikkas von Makedonien auf, Methone Handel mit dem Inland treiben zu lassen16. Freilich ist das Ausmaß dieser Vorteile schwer abzumessen, und vor allem haben wir trotz der positiven Wirkungen, die der gefahrlose Anschluß an den ägäischen Wirtschaftsverkehr besonders für kleinere Städte haben mußte, keinerlei Hinweise darauf, daß das auch so gesehen und gewürdigt wurde in dem Sinne, daß man die athenische Herrschaft deshalb billigte. Es muß also mit der Feststellung sein Bewenden haben, daß die athenische Herrschaft sich wahrscheinlich wirtschaftlich günstig bemerkbar machte. b) Außenpolitisch-militärisches Interesse. - Deutlicher ist das Bild auf dem außenpolitisch-militärischen Feld. Hier gab es ein klares Interesse von Bündnern an Athens Macht, das sie das militärische Eingreifen Athens zum Schutz gegen barbarische Einfälle oder gegen die persische Großmacht entweder herbeirufen oder jedenfalls doch begrüßen ließ. Als Schutz gegen die Barbaren wurden z. T. die athenischen Kolonien in Thrakien und am Hellespont begrüßt 17 , und athenisches Eingreifen in Milet und Erythrai sowie 440/39 auf Samos verhinderte eine persische Einflußnahme dort 18 - ein sicherlich von vielen begrüßtes Faktum. Da nun ja festzustellen gewesen ist, daß diese Maßnahmen Athens jedenfalls auch, wenn nicht vor allem, die Stabilisierung seiner Herrschaft förderten I9 , bedeutet das, daß hier ein Eigeninteresse der betreffenden Städte dazu führte, sich der athenischen Herrschaft, wenn audi womöglich als dem kleineren Übel, zu unterwerfen. c) Innenpolitisches Interesse: Demokratie. - Am deutlidisten, am handfestesten und am häufigsten ist dieses Phänomen nun aber als Auswirkung eines innenpolitischen Interesses zu erkennen, d. h. am Interesse einer Viel13 Thuk. 2 , 3 2 . 6 9 , 1 . η Andok. 1,138. is o. S. 76 f. 16 Methone-Dekrete (ML 65) 18-21. 17 o. S. 25 ff. is o. S. 35 f. 43. 175 Anm. 116.

19 o. S. 13 ff.

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zahl von Städten an Athens Herrschaft über sie, insofern diese Städte demokratisch verfaßt waren und sich von Athen eine Garantie ihrer Verfassung erhofften. Wir kommen also auf das bekannte Problem zu sprechen, ob und warum die demokratische Staatsform eine Hinneigung zu Athen bedeutete und infolgedessen für Athen eine größere Zuverlässigkeit der so verfaßten Stadt darstellte. Daß die Einflußnahme auf die Verfassung einer Stadt überhaupt ein entscheidendes Herrschaftsmittel Athens war, zeigt schon einmal die Tatsache, daß es im Gründungsvertrag des zweiten Seebundes ausdrücklich ausgeschlossen wurde 20 . aa) Eine ganze Anzahl von Quellen sagt aber darüber hinaus, daß es speziell die demokratische Verfassung war, die Athen als Herrschaftsmittel benutzte. Am allgemeinsten drückt es Aristoteles aus, wenn er behauptet, Athen habe überall die Oligarchien beseitigt 21 . Isokrates ist eben dieser Ansicht22, und auch Xenophon, der Zeit des Seebundes noch nahe, hält es für eine Selbstverständlichkeit23. Ebenso sagt Aristophanes in seinen 425 aufgeführten Adiarnern von sich, er habe in seinem - heute verlorenen Stüde „Die Babylonier" gezeigt, wie die Demoi in den Städten demokratisch regiert würden 24 , und zwar habe er das zur Freude der Städte über seinen, Aristophanes', Gerechtigkeitssinn getan, wofür ihn Feinde in Athen beschuldigt hätten, Athen und den athenischen Demos beleidigt zu haben 25 . Er hatte also eine allgemeine Praxis im Auge. Dasselbe ist für Thukydides festzustellen. In der Debatte über die Behandlung von Lesbos nach der Rückeroberung will Kleon auch den Demos bestrafen, weil dieser den Abfall genauso wie die regierende Oligarchie zu verantworten habe, da er sich ja, wenn er gegen den Abfall gewesen sei, nur an die Athener hätte zu wenden brauchen, die ihn dann audi innenpolitisch 20 21

22 23

Tod 123,20 f.: πολιτ[ευομέν]ωι πολιτείαν ην αν βούληται. Aristot. Pol. 1307 b 22-24: ot μεν γαρ 'Αθηναίοι πανταχού τάς όλιγαρχίας, ol δέ Λάκωνες τούς δήμους κατέλυον. 4,104-107. § 106. Hell. 3,4,7: συντεταραγμένων έν ταΐς πόλεσι των πολιτειών, και ουτε δημοκρατίας ετι οΰσης, ωσπερ έπ' 'Αθηναίων, οϋτε δεκαρχίας, ώσπερ έπί Λυσάνδρου. Die Stelle behält audi dann ihren Wert, wenn sie sich (ATL III 152) nur auf die ionischen Städte beziehen sollte. Aristoph. Ach. 642: και τους δήμους έν ταϊς πόλεσιν δείξας ώς δημοκρατοϋνται. Die nur durch eine englische Übersetzung von 1910 gestützte Ansicht von ATL III 152, δημοκρατοϋνται beziehe sidi auf die athenische demokratische Verfassung, von der die Bündner beherrscht würden, überzeugt nicht, da δημοκρατέομαι sich immer nur auf die jeweils eigene Verfassung bezieht (vgl. Thuk. 5, 29,1; 5, 44,1; 6, 89, 4; 7,55,2; 8,48,1.5; 8,53,1; 8,73,6; 8,75,2; 8,76,1; Lys. 12,4; 34,3; Demosth. 24,99). ebd. 643-645. 631.

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an die Macht gebracht hätten 26. Kleon spielt hier also auf eine übliche Praxis an und wirft dem Demos von Mytilene nur vor, er habe nidit danach gehandelt; sein Gegenredner Diodotos ist im Prinzip derselben Ansicht, er wertet die Haltung des Demos von Mytilene allerdings anders, da er darauf verweist, daß dieser sich ja, als er Waffen bekommen hätte, schließlich gegen die Oligarchen stellte. Vor allem aber warnt Diodotos deshalb vor einer Bestrafung auch des Demos, weil man ihn gegen die Oligarchen ausspielen solle, und weil man sich andernfalls des sonst bewährten Hilfsmittels der Einführung der Demokratie begäbe27. Auch in anderen Passagen nennt Thukydides dieses Herrschaftsmittel. Er läßt 415 Nikias als eines der Hauptmittel Athens zur Gewinnung einer feindlichen Stadt den Umsturz der Verfassung im demokratischen Sinne anführen28 und nennt es später auch selber29; Perikles sagt ja schon vorher im Epitaphios von der athenischen Verfassung, sie sei ein Vorbild für andere30. Als im Jahre 411 Peisander und die mit ihm reisenden Gesandten nach Thasos und in andere Untertanenstädte fuhren, um die Demokratie zu stürzen und die Oligarchie einzurichten, weil sie glaubten, Athens wankende Herrschaft dadurch festigen zu können, so scheint Thukydides in seinem Bericht darüber zu meinen, daß zumindest keine nennenswerte Stadt oligarchisch verfaßt gewesen ist 31 . Ebenso 26 Thuk. 3,39,6. Thuk. 3,47,1-4, insbesondere in § 3. Daß die Interessen des mytilenaiischen Demos aber nicht identisch waren mit der Unterwerfung unter Athen, folgt daraus, daß der Demos selbst nach Erhalt von Waffen nicht automatisch die Oligarchie stürzte und die Stadt den Athenern auslieferte, sondern nur die politische Forderung nach Komverteilung stellte und mit der Auslieferung der Stadt nur für den Fall drohte, daß diese Forderung nicht erfüllt würde; erst dann ergaben sich Demos und Oligardien gemeinsam (Thuk. 3 , 2 7 , 3 - 2 8 , 1 ) . Kleon hatte schon recht, daß der Demos von Mytilene, wie ja auch schließlich anderswo geschehen, die Athener hätte rechtzeitig zu Hilfe rufen und die Oligarchen stürzen können (Thuk. 3, 39, 6), und auch Diodotos behauptete keine bedingungslose Athenerfreundlichkeit des Demos, sonst würde er in seine Argumentation nicht die Möglichkeit des Widerstandes des Demos von Mytilene mit einbeziehen (Thuk. 3,47,4: . . . καΐ εί ήδίκησαν ...). 28 Thuk. 6,20,2: έπι γάρ πόλεις . . . μέλλομεν ίέναι μεγάλας καΐ o W υπηκόους άλλήλων ου'τε δεομένας μεταβολής, fj αν έκ βιαίου τις δουλείας ασμενος ές φφω μετάστασιν χωροίη . . . Der Gegensatz εκ βιαίου δουλείας: ές φφω μετάστασιν dürfte in diesem Sinne zu interpretieren sein, vor allem angesichts der zur folgenden Anmerkung genannten Stelle. 29 Thuk. 7,55, 2: πόλεσι γάρ ταύταις μόναις ίίδη όμοιοτρόποις έπελθόντες, δημοκρατουμέναις τε, &σπερ και. αυτοί . . . ού δυνάμενοι έπενεγκεϊν οΰτ' έκ πολιτείας τι μεταβολής τό διάφορον αύτοϊς, φ προσήγοντο αν . . . 30 Thuk. 2, 37,1: χρώμεθα γάρ πολιτεία ού ζηλούση τους των πέλας νόμους, παράδειγμα δέ μάλλον αΰτοι δ ντε ς τισίν η μιμούμενοι έτέρους. 31 Thuk. 8, 64,1; 8,65,1. ATL I I I 152 wollen den Stellen diese Bedeutung nehmen, da Thukydides 8, 64,5 sage, daß diese Umwälzung nur in vielen anderen, also nicht 27

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wie Thukydides sieht schließlich auch Pseudo-Xenophon in der Demokratie ein, wenn nicht das Herrschaftsmittel des demokratischen Athen überhaupt und hält Athens Macht für nicht ausreichend gesichert, wenn in den Städten keine Demokratie herrsche32. bb) Entsprechend hat man oft gemeint, Athen habe generell darauf geachtet, daß überall Demokratien eingerichtet würden, und als Grund dafür glaubte man, die Gleichheit der Verfassungen habe dabei gewissermaßen als eine natürliche Klammer zwischen Athen und den Städten gedient 33 . Natürlich ist dann aber gesehen worden, daß - von der Begründung vorerst abgesehen - dieses Bild über weite Perioden der Geschichte des Seebundes hin mit den Tatsachen nicht übereinstimmt. Schon Aristoteles' Angabe ist von ihm selbst nicht absolut genommen worden, sonst hätte er nicht in derselben Schrift sagen können, daß Athen Chios, Lesbos und Samos ihre Verfassung gelassen hätte 34 . Vor allem haben die Verfasser von ATL I I I an Hand von konkreten Fällen nachgewiesen, daß dem Seebund oligarchisch und sogar dynastisch regierte Städte angehörten 35 . Es kann hier genügen, die eklatantesten Fälle anzuführen. Pseudo-Xenophon berichtet 36 , Athen habe sich in Milet auf die Oligarchen gestützt, sei damit aber übel gefahren. Dieser Notiz entspricht das schon erwähnte Dekret bezüglich der Regelung der Verhältnisse von Milet von 450/49 37 , aus dem sich ergibt, daß die athenischen Behörden mit den oligarchischen milesischen Ämtern der Proshetairoi und wohl auch der Aisymneten zusammenarbeiteten38. Weiter zeigt Thukydides' Bericht vom samischen Aufstand 440/39, während dessen Verlauf die Athener die Demokratie erst einrichteten, sowie die Interpretation der samischen Silberpräin allen Städten vor sich gegangen sei. Thukydides spricht dort jedoch nicht von der Anzahl der „oligarchisierten" Städte im Gegensatz zu den immer schon oligarchischen, sondern von der Wirkung der athenischen Oligarchisierungsmaßnahmen, die wie auf Thasos noch in vielen anderen Städten entgegen den athenischen Hoffnungen nicht herrschaftsstabilisierend gewirkt, sondern den Abfall beschleunigt hätten; der Gegensatz sind die - wenigen - Städte, wo Athen Erfolg hatte. 32 1,14; 3,10 f. 33 Vgl. u. S. 95 Anm. 103; zu Isokrates sei noch auf seine moralische Begründung hingewiesen, nach der es dem demokratischen Athen δεινόν geschienen habe, in den Städten die Wenigen über die Vielen herrschen zu lassen. 34 Aristot. Ath. Pol. 24,2. 35 ATL I I I 148-154; vgl. auch Gomme 1,380 S. 36 3,11. 37 StV 151. 38 6 f.: συν[βολεύεν . . . τ]οϊς προσε[ταίροις . . . ; oder in der Fassung von ATL II D i l : συν[βολεύεν τδι τε αίσυμνέτοι καί τ]οΐζ προσε[ταίροις. Vgl. zuletzt Barron, Milesian Politics 2. 5.

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gung, daß die Insel von 453 bis zum Aufstand oligarchisch regiert war 3 9 . Ebenso stand Mytilene bis zum Abfall von 427 unter oligarchischer Herrschaft 4t>. Schließlich führen die Tributlisten karische Dynasten als Angehörige des Seebundes auf 4 1 . Mit Recht stellen die Verfasser von ATL III also fest, daß Athen in seinem Herrschaftsgebiet nicht schematisch überall die Demokratie einführte 42 . Diese Feststellung allein kann aber nicht befriedigen. Sie läßt nicht nur die generalisierenden Quellenstellen über eine allgemeine Durchsetzung der Demokratie durch Athen unerklärt, sie erklärt auch nicht die audi von ihr nicht zu übersehenden einzelnen Fälle, in denen eine solche Durchsetzung stattgefunden hat. Schließlich, und vor allem, läßt sie den Eindruck einer gewissen Beliebigkeit der athenischen Politik gegenüber den Bündnern aufkommen und fragt nicht danach, wie Athen zu den oligarchischen Regierungen stand, ob bei allen Abweichungen in einzelnen Fällen nicht doch eine bestimmte Tendenz in der Behandlung der innenpolitischen Verhältnisse der Bündner im Zusammenhang mit Athens Herrschaft wirksam war, die ja keineswegs ein starres Schema sein müßte 43 . Der Widerspruch nun zwischen konkret festzustellenden nichtdemokratischen Verfassungen im athenischen Machtbereich und den Angaben, überall habe Athen die Demokratie eingeführt, löst sich zu einem Teil durch 39 Thuk. 1,115, 3-5 und Barron, Silver Coins 80-93. Ausgehend von einer Münzserie von Tetradrachmen (Serie VII), deren einzelne Münzen fortlaufend durch die Hinzufügung der Buchstaben Β - Ξ gezählt sind, weist Barron nach, daß diese Serie genau in die Zeit von der Verlegung der Bundeskasse auf Antrag des (demokratischen) Samos (vgl. dazu ATL III 262, abweichend Pritchett, Transfer) bis zum samischen Aufstand paßt. Sie rechnet die Jahre des oligarchischen Regimes nach dem Sturz der Demokratie 453 und bricht nach deren Wiedererrichtung durch Athen ab. In dieser Zeit prägte das oligarchische Samos trotz des athenischen Münzgesetzes (vgl. den chronologischen Anhang) eigene, ja überprägte athenische Münzen. Will, Notes 305-312 meint sogar, Samos sei die ganze Zeit bis 439 demokratisch regiert worden. Seine Ausführungen leiden aber daran, daß er die von Barron aufgezeigte Durchzählung der Münzen nicht hinreichend erklärt. Ebenfalls gegen Barron, aber ohne Kenntnis von Will und nicht ins Detail gehend Legon, Samos 147 f. to Thuk. 3 , 2 7 , 3 ; 3 , 3 9 , 6 ; 3,47, 2 f.; vgl. Busolt GG 3,2,1002 Anm.8; Beloch GG 2,1,125; Gomme 2,252; Bockisch, Lakedaimonier 67; Legon, Megara and Mytilene 200; Parschikow, Status 3; Ste. Croix, Origins 40 f.; Gillis, Revolt. 41 ATL III 153. « ATL III 154. 43 Das richtige Bestreben, die falsche Auffassung von einer pauschalen und schematischen Demokratisierung zu bekämpfen, führte bei ATL III also zum entgegengesetzten Extrem der Behauptung, Athen sei wahllos und zufällig verfahren. Daraus erklärt sich wohl auch die Tendenz, manchen Stellen ihre Bedeutung im Sinne der Demokratieeinführung zu nehmen (vgl. o. S. 84 Anm. 31). Vgl. das Urteil bei Meiggs, Besprechung ATL III.

Athen und seine Herrschaftsmittel

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einen Blick auf die Chronologie. Thukydides und Xenophon beziehen sich in den angeführten Stellen beide auf das letzte Stadium des Peloponnesischen Krieges, in dem nun wirklich kaum noch nennenswerte nichtdemokratische Verfassungsformen existiert haben dürften. Die in ATL III angeführten Beispiele für Oligarchien und Dynasten liegen alle früher 4+. Zudem datiert Thukydides selbst die ganz scharfe audi innenpolitische Trennung zwischen athenischem und spartanischem Machtbereich in diesen Zeitraum, wenn er sie erst nach den kerkyraiischen Wirren von 427 ansetzt45. cc) Zum anderen Teil wird der Widerspruch verständlich, wenn man die konkreten Fälle betrachtet, in denen die Frage der Staatsform für Athen relevant wurde, d. h. in denen Athen Einfluß auf die Städte im Sinne einer Änderung der Staatsform nahm. Es handelte sich immer darum, Athens Macht zu festigen oder (wieder-)herzustellen, und immer 46 war das poli44

Allerdings scheint noch 412 auf Samos eine Oligarchie bestanden zu haben, da Thukydides 8,21 von einem Aufstand des Demos gegen die δυνατοί spricht. Wie aus athenischer Mithilfe an diesem Aufstand (Thuk. a. a. O) hervorgeht, stand dieses Regime jedoch im Gegensatz zu Athen und dürfte erst kurz vorher an die Macht gekommen sein (Barron, Silver Coins 100; ML S. 286; Meiggs, Empire 348), möglicherweise unter Ausnutzung von Athens Schwäche nach der Sizilischen Expedition. Will meint Notes 312-318 demgegenüber, Samos sei nach der endgültigen Unterwerfung 439 bis 412 durchgehend oligarchisch regiert worden, da Thukydides nur für die erste Unterwerfungsphase die Einrichtung der Demokratie berichte (Thuk. 1,115, 3) und da so das Bestehen einer Oligarchie am zwanglosesten zu erklären sei. Es ist jedoch daran festzuhalten, daß diese Oligarchie nur sehr kurzlebig war, und daß Samos im übrigen seit 439 demokratisch verfaßt war. Das Schweigen Thukydides* (vgl. aber Diod. 12,28, 4) wiegt hier nicht viel, da er in seinem gedrängten Bericht die Demokratieeinführung anläßlich der ersten Eroberung ja kurz vorher berichtet hatte; im Gegenteil hätte eine etwaige Restaurierung der Oligarchie mit Athens Hilfe erwähnt werden müssen. Die Schwierigkeiten, die Will a . a . O . 312-314 für die Enteignung der Oligarchen sieht, bestehen angesichts der sonstigen durchgehenden athenischen Praxis nicht (siehe u. S. 96 f.), und das Stellen von Geiseln (Thuk. 1,117,3) kann deshalb nicht gegen eine Demokratie sprechen, weil sie bei deren erster Einführung, die Thukydides ausdrücklich erwähnt, ja auch gestellt werden mußten (Thuk. 1,115, 3). Entscheidend aber wird der Sturz der Oligarchen durch die Existenz von oligarchischen Exilierten auf dem Festland in den zwanziger Jahren bezeugt (Thuk. 3,19, 2; 3,32,2; 4,75,1), und diese oligarchische Emigration trotz eines angenommenen oligarchischen Regimes auf Samos zu erklären macht denn doch mehr Schwierigkeiten (Will, Notes 317 f.) als die Annahme, sie seien wegen einer von Athen auf Samos eingerichteten Demokratie geflüchtet oder verbannt. Demgegenüber rechnet Will überraschenderweise mit einer Art Oligarchie demokratischen Einschlags, da er, ohne zu sagen worauf er sich stützt, die Oligarchen „etroitement surveilles par le demos" sein läßt ( a . a . O . 314; ähnlich überraschende unnachgewiesene Hypothesen bei Legon, Samos 155f. [156]). « 3, 82,1. Mit der Ausnahme der Mission Peisanders, die charakteristischerweise fehlschlug; siehe o. S. 84.

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System der Herrschaft

tische Mittel dazu die Demokratie. Pseudo-Xenophon selbst gibt bereits den deutlichsten Hinweis, wenn er sagt, daß in den in Aufruhr befindlichen Städten Athen immer die Partei des Demos ergriff 47 . Doch gehen wir die Fälle einzeln durch. Wir hatten aus dem ErythraiDekret ersehen, daß in dieser Stadt athenische Besatzungskommandanten und Episkopoi durch Aufsichtsbefugnisse gegenüber dem einheimischen Rat die Stadt eng an Athen banden. Dieser Rat war nun als Abbild des athenischen Rates der 500 eingeführt worden, wie sich aus einzelnen Bestimmungen des Dekrets ergibt. Er wurde durch Los eingesetzt48, seine Kandidaten durften nicht unter 30 Jahre alt sein 49; zum Nachweis dessen hatten sie sich einer Dokimasie, d. h. einer vorherigen Befragung zu unterziehen 50 , wobei sie sich bei falschen Angaben der gerichtlichen Verfolgung aussetzten 51 . Das sind typische Bestandteile einer demokratischen Verfassung, und diese Verfassung ist neu eingeführt worden. Das ergibt sich daraus, daß den Besatzungskommandanten bei der erstmaligen Konstituierung des Rates die athenischen Episkopoi, bei allen folgenden Malen statt ihrer der nun erst als Institution vorhandene Rat zu unterstützen hatte. Obwohl eine Ekklesie in den erhaltenen Teilen des Dekrets nicht erwähnt wird, ist der demokratische Charakter der neuen erythraiischen Verfassung vor allem dadurch deutlich, daß die Ratsmitglieder auf das Volk von Erythrai, das von Athen und das der Bundesgenossen vereidigt wurden und dazu noch schwören mußten, nicht vom Volk der Athener und der Bundesgenossen abzufallen52. 47

Ps.-Xen. 3,10: τους χείρους αίροϋνται έν ταΐς πόλεσι ταΐς στασιαζούσαις. Da hier bei den gemeinten στάσεις von keiner Zielrichtung gegen Athen die Rede ist, könnte aus dem bloßen Wortlaut sogar geschlossen werden, Athen habe in jedem Fall innerer Wirren eingegriffen und den Demos an die Macht gebracht oder in der Macht bestätigt, auch wenn die Unruhen nur innere Ursachen hatten und sich nicht gegen Athen richteten. Damit wäre aber doch wohl zu viel in die Stelle hineininterpretiert. Angesichts der konkreten bekannten Fälle dürfte sie eher so zu verstehen sein, daß die jeweilige von Pseudo-Xenophon konkret gemeinte στάσις einen Bezug zur athenischen Herrschaft hatte, was freilich wiederum für die Mehrzahl der Fälle anzunehmen ist. « Z . 8 f . 13. «Z.lOf. 5° Z. 9-11. Die Lesung bezüglich der Dokimasie ist nicht klar. ML S. 91 verwerfen zwar sowohl Highbys Lesung τον δέ