Die Haftungsbeschränkung bei nicht rechtzeitiger Leistung als Regelungsgegenstand Allgemeiner Geschäftsbedingungen [1 ed.] 9783428469499, 9783428069491


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German Pages 179 Year 1990

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Die Haftungsbeschränkung bei nicht rechtzeitiger Leistung als Regelungsgegenstand Allgemeiner Geschäftsbedingungen [1 ed.]
 9783428469499, 9783428069491

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CHRISTOPHER KEIM

Die Haftungsbeschränkung bei nicht rechtzeitiger Leistung als Regelungsgegenstand Allgemeiner Geschäftsbedingungen

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 130

Die Haftungsbeschränkung bei nicht rechtzeitiger Leistung als Regelungsgegenstand Allgemeiner Geschäftsbedingungen

Von Christopher Keim

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Keim, Christopher:

Die Haftungsbeschränkung bei nicht rechtzeitiger Leistung als Regelungsgegenstand allgemeiner Geschäftsbedingungen I von Christopher Keim.- Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 130) Zugl.: Mainz, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06949-8 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-06949-8

Vorwort "Zeit ist Geld", sagt der Volksmund. Es verwundert daher nicht, daß uns allen als Verbraucher im sogenannten "Kleingedruckten" mannigfaltige Vertragsklauseln begegnen, mit denen uns unsere Vertragspartner die finanziellen Risiken seiner verzögerten Leistung aufbürden möchte. Die vorliegende Arbeit behandelt die rechtliche Zulässigkeil solcher Freizeichnungen nach dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Arbeit lag dem Fachbereich Recht und Wirtschaft der Jobarmes GutenbergUniversität Mainz im Herbst 1989 als Dissertation vor. Nach diesem Zeitpunkt erschienene Literatur und Rechtsprechung Ronnte nur noch teilweise in den Fußnoten berücksichtigt werden. Ich danke an dieser Stelle meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Klaus Müller, für seine Unterstützung und wertvollen Anregungen während der Entstehungszeit der Arbeit. Gleichfalls danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Gunter Gudian, an dessen Lehrstuhl ich in dieser Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war und der auch das Zeitgutachten erstellt hat. Schließlich gebührt mein Dank Frau Waltraud Stroh für die sorgfältige Erstellung und Betreuung des Manuskripts.

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung ... . .............. . .. . .. ...................... . .. . ........ . ....... . , . . . . .

17

B. Die gesetzliche Regelung des Schuldnerverzuges und ihre Verdrängung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Dispositive Risikoordnung des Gesetzes und Freizeichnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Vorrang der vertraglichen Risikoverteilung vor dem Recht der Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

2. Gefahren bei der Ersetzung gesetzlicher Regelungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

3. Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch Rückbesinnung auf die Wertungen des dispositiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

II. Die Struktur der Regelungen über den Schuldnerverzug und dadurch

bedingte Ansatzpunkte für Freizeichnungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

1. Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

2. Verzugsherbeiführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

3. Verzugsfolgen . . . . . . . . . . . ... . . . . . . ... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . .

26

a) Unmittelbare Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

b) Gegenseitige Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

4. Systematik des Gesetzes und Formen der Freizeichnung . . . . . . . . . . . . .

27

III. Einschränkungen der Verzugshaftung in der Wirtschaftspraxis . . . . . . . . . .

27

C. Die Einschränkbarkeit der Verzugsfolgen im nichtkaufmännischen Bereich .. . ....... ... ........... . .. ............. . .. . .. . .... . ................. . .....

29

I. Erscheinungsformen in der Wirtschaftspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Klauseln zum Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens . .. . ..

29

2. Klauseln zu den Rechten des Gläubigers nach § 326 BGB . . . . . . . . . . .

30

II. Haftungsfreizeichnungen und Vorrang der Individualabrede gemäß § 4 AGBG ... ............... . .. .. .... . . . .. ........... .. . . .. . . . ........ ... . ... . . ..

31

1. Sicherung vertraglicher Hauptleistungspflichten durch das Vorrangprinzip . . . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . ... .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . .

31

2. Verhältnis zur Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

8

Inhaltsverzeichnis III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen . . . . . . . . . . . .

34

1. Die in Betracht kommenden Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

2. Der Schutz des Vertragslösungsrechts durch§ 11 Nr. 8 a AGBG . ..

35

a) Der Begriff des Vertragslösungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

b) Verbotene Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

c) Erfordernis der Schriftform .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

3. Der Schutz des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung durch § 1l Nr. 8 b AGBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

a) Vorsätzlich und grob fahrlässig herbeigeführter Leistungsverzug . . .

38

b) Leicht fahrlässig herbeigeführter Leistungsverzug . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

aa) Restriktive Interpretation des § 11 Nr. 8 b AGBG durch einen Teil des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

bb) Die Auffassung Manfred Wolfs . . . . . .. . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

39

cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

(1) Gesetzesauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

(2) Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion auf Fälle groben Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

(3) Bedürfnis für eine teleologische Reduktion im Sinne Wolfs

43

(4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

c) Die Haftung des Gattungsschuldners nach § 279 BGB . . . . . . . . . . .

44

aa) Die Anwendung des § 279 BGB auf den Schuldnerverzug . .

44

bb) Inhaltskontrolle abweichender Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

4. Mit § 11 Nr. 8 AGBG in Einklang stehende Einschränkungen der Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

a) Die Abgrenzung zwischen Ausschluß und Einschränkung der Schadensersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

b) Kontrollflihigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

c) Kriterien bei der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG . . . . . . . . . . . . . . . .

50

5. Die Beschränkbarkeit der Gläubigerrechte beim Verzug mit Teilleistungen .. .. .... . . .. .... . .... . : . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

a) Die Bedeutung der Regelung des § 11 Nr. 9 AGBG . . . . . . . . . . . . . .

52

b) Der Ausschluß und die Einschränkung des Rücktrittsrechtes . . . . .

54

c) Der Ausschluß und die Einschränkung des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

d) Verzug mit einzelnen Raten beim echten Sukzessivlieferungsvertrag . . ... . . . ....... . .. . . . . .. .. . . .. .. . .... . . . . .. . . .. . .. .. .. . ..... .. .. . . ..

57

aa) Besonderheiten der Verzugshaftung bei Sukzessivlieferungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

bb) Inhaltskontrolle abweichender AGB . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .

58

Inhaltsverzeichnis

9

6. Einschränkungen der Verzugsfolgen durch Nachfristvorbehalte . . . . . .

59

a) Die Länge der gemäß § 326 BGB zu setzenden Nachfrist . . . . . . . .

59

b) Die Verbotsvorschrift des § 10 Nr. 2 AGBG .. .. .. .. .. .. .... .. .. ..

60

aa) Vorbehalt einer unangemessen langen Nachfrist .. .. .. .. .. .. ..

60

bb) Der Vorbehalt einer nicht hinreichend bestimmten Nachfrist

62

c) Das Verhältnis zwischen § 10 Nr. 2 und § 11 Nr. 8 AGBG .. .. .

63

IV. Inhaltskontrolle § 286 Abs. 1 BGB einschränkender Bestimmungen . . .

65

1. Anwendbarkeit von § 11 Nr. 8 AGBG .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

65

a) Die Auffassung Hensens und Reuters .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

65

b) Stellungnahme . . . . . . . .. . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . .. .. . ..

66

2. Inhaltskontrolle mit§ 11 Nr. 8 b AGBG in Einklang stehender Klauseln

68

V. Einschränkung der Verzugshaftung durch Verweisung auf Dritte . . . . . . .

70

VI. Inhaltskontrolle sonstige Verzugsfolgen einschränkender Bestimmungen

73

1. Die Haftungsverschärfung gemäß § 287 BGB .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..

73

a) Geringe Bedeutung des § 287 S. 1 BGB .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

74

b) Die Regelung des § 287 S. 2 BGB .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

74

2. Verzinsung von Geldschulden .. .... .. .. .. .. .. .. .... .... .. .. .. .... .. .. ..

76

3. Ansprüche bei verzögerter Mängelbeseitigung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .

77

D. Indirekte Freizeichnung durch Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . .

79

I. Erscheinungsformen in der Wirtschaftspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

1. Modifizierung einzelner Verzugsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Relativierung verbindlicher Leistungszeitangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Unverbindlichkeitsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

b) Zusätzliche Leistungsfristen . .. .. .. . . . .. . . . . . .. .. . .. . . .. . . . . . . . . . . . . .

80

3. Vertragslösungsvorbehalte . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . . . . .. . .. .. . . .. . . . . . ..

81

4. Die formularmäßige Bestimmung der Leistungszeit .. .. .. .. .. .. ......

81

II. Die Subsumtion indirekter Freizeichnungen unter § 11 Nr. 8 AGBG . . .

82

1. Problemstellung .............. ....... . .. .. ........ .. ..... ........ ; . . . . . . ..

82

2. Indirekte Freizeichnungen als "Umgehungstatbestände" . . . . . . . . . . . . . .

83

10

Inhaltsverzeichnis a) Die dogmatische Einordnung der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . .

83

b) Teleologische Auslegung und analoge Anwendung der speziellen Klauselverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

aa) Die teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

86

bb) Die analoge Anwendung von Einzelverboten . .. . .. . . . . . . . . . . .

87

3. Erfassung indirekter Freizeichnungen durch teleologische Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Verzug des Schuldners" . . . .. . . . . . . . . . . . . .

90

a) Meinungsstand in Rechtsprechung und LiteratuJ: . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

b) Stellungnahme: Auslegung nach der materiellen Wirkung der Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

III. Subsumtion einzelner Klauseltypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

1. Modifizierung einzelner Verzugsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

a) Die Festlegung des Verschuldensmaßstabs . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .

93

b) Änderung der Beweislast des § 285 BGB . . . .... . . .. . ............ . .

94

c) Erhöhung der Anforderungen an die verzugsbegründende Mahnung ... ..... . .. . . ...... ......... .... . . . . ... .... .... . .. . ..... . . ...

95

2. Die Relativierung verbindlicher Leistungszeitangaben . . . . . . . . . . . . . . . .

96

a) Bestimmung einer zusätzlichen Leistungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

aa) Die materielle Rechtswirkung dieses Klauseltyps . . . . . . . . . . . .

96

bb) Abgrenzung gegenüber den in § 10 Nr. 1, 2 und 4 AGBG geregelten Klauseltypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

b) Unverbindlichkeit des LiefeTtermins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

aa) Die Bedeutung von Unverbindlichkeitsklauseln . . . . . . . . . . . . . .

98

bb) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

100

3. Vertragslösungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .

101

a) Der Einfluß von Vertragslösungsvorbehalten auf die Verzugshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

b) Konkurrenzverhältnis zwischen§ 11 Nr. 8 und§ 10 Nr. 3 AGBG

102

4. Die formularmäßige Bestimmung der Lieferzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105

E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Die Übertragbarkeit der in den§§ 10 und 11 AGBG enthaltenen Wertungen auf die Inhaltskontrolle kaufmännischer Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106

1. Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106

2. Unterschiedliche Indizwirkung der einzelnen Klauselverbote . . . . . . . .

107

II. Übertragbarkeit der dem§ 11 Nr. 8 AGBG zugrunde liegenden Wertungen auf den kaufmännischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109

'1. Die Erhaltung des Vertragslösungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109

2. Beschränkbarkeil der Schadensersatzansprüche gemäß §§ 286 und 326 BGB bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit . . . . ........ .. . . .. . . . . . . . . .

110

Inhaltsverzeichnis

11

a) Eigenes grobes Verschulden und grobes Verschulden leitender Angestellter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110

b) Grobes Verschulden einfacher Erfüllungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . .

111

3. Beschränkbarkeit der Schadensersatzansprüche bei leichter Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

113

a) Der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB ................ . .................... . ..... . ................ .... ..

113

b) Der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens gemäß § 286 Abs. 1 BGB .. ......... .. ....................... . . . .................... . ....

114

4. Die Beschränkbarkeit der erweiterten Einstandspflicht des Gattungsschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116

III. Beschränkbarkeit der Gläubigerrechte bei Verzug mit Teilleistungen . . .

117

IV. Nachfristvorbehalte in kaufmännischen Klauseln .. .. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .

U'8

[ ,

F. Die Einschränkbarkeit der Folgen nicht zu vertretender Leistungsverzögerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Die Folgen nicht zu vertretender Leistungsverzögerungen nach dispositivem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

1. Regelungen aus dem besonderen Schuldrecht . . .. .. .. . . .. .. . . . . . . . . . . .

121

2. Das Rücktrittsrecht bei relativen Fixgeschäften gemäߧ 361 BGB und § 376 Abs. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

3. Die übrigen Fälle objektiver Leistungsverzögerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

122

II. Erscheinungsformen der Freizeichnung in der Wirtschaftspraxis . . . . . . . .

123

m. Inhaltskontrolle abweichender Klauseln .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 125 1. Die Abdingbarkeit der Regelungen der§§ 542, 636 BGB durch Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . .. . . . .. . . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125

a) Das Kündigungsrecht gemäß § 542 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125

b) Das Rücktrittsrecht gemäß § 636 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .

126

2. Die Ausschließbarkeit des sofortigen Rücktrittsrechtes bei relativen Fixgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127

a) Vorrang der Individualabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

127

b) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128

aa) Die Leitbildfunktion von Auslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128

bb) Das verschuldeosunabhängige sofortige Rücktrittsrecht als wesentlicher Grundgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

130

3. Die Abdingbarkeit der allgemeinen Folgen objektiver Leistungsverzögerungen . . . . . . . . . . . . .. ... . . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

131

G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse . . . . . . 133 I. Die Folgen vorübergehender Leistungshindernisse nach dispositivem Recht und nach den Vertragsbestimmungen der Wirtschaft . . . .. . . . . . . . . .

133

1. Gesetzliche Folgen vorübergehender Leistungshindernisse . . . . . . . . . . .

133

12

Inhaltsverzeichnis a) Verzug und Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133

b) Vertretenmüssen bei vorübergehenden Leistungshindernissen . . . .

134

2. Die Regelung spezieller Verzögerungsursachen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Wirtschaftspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135

II. Inhaltskontrolle auf spezielle Störungsursachen abstellender Klauseln . .

136

1. Besonderheiten gegenüber allgemeinen Haftungsfreizeichnungen . . . . 136 2. Die betroffenen Leistungsstörungen und ihre formularmäßige Abdingbarkeil in Verbrauchergeschäften .............. . .......... , . . . . . . . . . . . . .

136

a) Einschränkung der Verzugshaftung . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .

136

aa) Abweichung vom dispositiven Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

136

bb) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

137

b) Einschränkung sonstiger gesetzlicher Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

139

aa) Haftung wegen zu vertretender Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . .

139

bb) Folgen zufalliger Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .

140

Leistungsverzögerungen . . . . . . . .

140

c) Besonderheiten bei der Inhaltskontrolle von Vertragslösungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

aa) § 10 Nr. 3 AGBG als ausschließlicher Maßstab . . . . . . . . . . . . . .

141

cc) Folgen nicht zu

v~rtretender

bb) Leitbild der Unmöglichkeitsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142

3. Besonderheiten bei der Kontrolle kaufmännischer Klauseln . . . . . . . . . .

143

a) Auslegung und Inhaltskontrolle kaufmännischer Kurzklauseln . . .

143

b) Größere Aexibilität der Generalklausel gegenüber den speziellen Klauselverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

III. Konkrete Prüfung einiger gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln . . . . . . .

145

1. Lieferfähigkeitsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

145

a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

145

b) Haftungslage nach dispositivem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

c) Inhaltskontrolle im nichtkaufmännischen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

d) Inhaltskontrolle im kaufmännischen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

2. SelbstbelieferungsvorbehaUe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

148

b) Haftungslage nach dispositivem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149

c) Inhaltskontrolle im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr . . . . . . .

150

d) Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . .

152

Inhaltsverzeichnis

13

3. Höhere-Gewalt-Klauseln . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .

153

a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153

b) Begriff und Rechtsfolgen höherer Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .

154

c) Inhaltskontrolle im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr . . . . . . .

155

d) Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . .

156

4. Arbeitskampfklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157

a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157

b) Arbeitskampfbedingte Leistungsstörungen und ihre Haftungsfolgen ..•.... . .... .. .. . ....... ..... . ...... .. . .. . ...... ........ . . ... . .. .

157

c) Inhaltskontrolle im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr . . . . . . .

159

d) Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . .

160

IV. Nutzen spezieller Freizeichnungen für den Verwender . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

1. Verwendung gegenüber Verbrauchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

163

2. Verwendung gegenüber Kaufleuten . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . . . .. .. . . . . . . .. .

164

a) Risikominderung . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . . . . . . . .

164

b) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

H. Ergebnisse und Schlußbetrachtung . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. .

167

I. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167

II. Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

169

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AbzG AcP ADSp AGB AGBE AGBG

AHB

Anm. AO AT Aufl. AuR

BB

Bd. Begr. BGB BGH BGHZ BR BTDS bzw. CIC DB ders. d.h. DIN EKG e. V. EWiR f. (ff.) F.N. FS GRUR Halbb.

= = = = = = = =

anderer Ansicht Absatz Abzahlungsgesetz Archiv für civilistische Praxis Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen Entscheidungssammlung zum AGB-Gesetz Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen = Allgemeine Versicherungsbedingungen für Haftpflichtversicherung =Anmerkung = Abgabenordnung = Allgemeiner Teil :: Auflage = Arbeit und Recht = Der Betriebs-Berater =Band = Begründer = Bürgerliches Gesetzbuch = Bundesgerichtshof = Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen = Bürgerliches Recht = Bundestagsdrucksache = beziehungsweise = culpa in contrahendo :: Der Betrieb = derselbe = das heißt = Norm des Deutschen Instituts für Normung e.V. = Einheitliches Gesetz über den Abschluß von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen = eingetragener Verein = Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht = folgende (fortfolgende) = Fußnote = Festschrift = Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht = Halbband

Abkürzungsverzeichnis Halbs. HGB h.M. Hrsg. i. V. m. JA JhJB

= = ·= = = = = = = = = = = = =

15

Halbsatz Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau JR Juristische Analysen JurA Juristische Ausbildung Jura Juristische Schulung JuS Juristische Wochenschrift JW Juristenzeitung JZ Landgericht LG LM Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen LZ = Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht MDR = Monatsschrift für Deutsches Recht MünchKomm Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch = mit weiteren Nachweisen m.w.N. = Neue Juristische Wochenschrift NJW = NJW Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NJW-RR Nr. =Nummer OLG = Oberlandesgericht PVV = positive Vertragsverletzung = Randnummer Rdn. = Reichsgericht RG = Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RGZ = Seite, Satz s. SR = Schuldrecht = unter anderem u. a. = Versicherungsrecht VersR vgl. = vergleiche = Verdingungsordnung für Bauleistungen VOB = Wertpapiermitteilungen WM = Wettbewerb in Recht und Praxis WRP = zum Beispiel z.B. = Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZHR = Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; bis 1982 Zeitschrift für WirtschaftsZIP recht und Insolvenzpraxis = zitiert zit. ZRP = Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Einleitung Im gesamtwirtschaftlichen Leistungszusammenhang mit seinen aufeinander abgestimmten Zahlungen und arbeitsteiligen Zulieferungen besteht ein erhebliches Interesse an der fristgemäßen Erbringung von Leistungen 1• Es sind daher fühlbare Sanktionen nötig, die dem Schuldner den Anreiz nehmen, seinen Gläubiger warten zu lassen, um auf dessen Kosten mit dem Leistungspotential anderweitig Gewinne zu erzielen 2 • Den Vorschriften über den Schuldnerverzug kommt die wichtige Funktion zu, den notwendigen Erfüllungsdruck zu garantieren, damit der Gläubiger vor Schäden durch verzögerte Leistungen geschützt wird 3 • Andererseits ist es aber auch Aufgabe der gesetzlichen Haftungsregelung, durch eine klare und erkennbare Ausgestaltung von Haftungsvoraussetzungen und Folgen den Schuldner vor überraschenden und deshalb unbilligen Leistungsverlangen sowie vor überproportionalen Sanktionen einer Leistungsverzögerung zu bewahren4. In der gerichtlichen Praxis spielt der Leistungsverzug schon deshalb eine gewichtige Rolle, weil der Schuldner gemäߧ 284 Abs. 1 S. 2 BGB mit Erhebung der Leistungsklage automatisch in Verzug gerät 5• Eine zentrale Bedeutung kommt insbesondere der Vorschrift des § 326 BGB zu. Sie stellt dem Gläubiger mit Mahnung und Nachfristsetzung ein einfaches Mittel zur Verfügung, um den durch die Verzögerung hervorgerufenen Schwebezustand durch Vertragsliquidation zu beenden 6 • Gleichzeitig gibt die Regelung dem Schuldner aber noch die Gelegenheit zu verspäteter Leistung und schützt ihn so vor plötzlichen Schadenersatzansprüchen des Gläubigers 7 • Die Vorschrift enthält damit einen sinnvollen Ausgleich der widerstreitenden Parteiinteressen im Falle einer verzögerten Leistungserbringung 8. Dagegen sind die Folgen nicht zu vertretender Verzögerungen gesetzlich nur rudimentär geregelt. Immerhin sehen aber einige in der Praxis bedeutsame SpeAlternativkommentar I Dubischar, vor §§ 284 ff., Rdn. 5. Alternativkommentar I Dubischar, vor §§ 284 ff., Rdn. 5. 3 Soergel I Wiedemann, vor § 284, Rdn. 4. 4 Alternativkommentar I Dubischar, vor §§ 284 ff., Rdn. 6. 5 MünchKommiWalchshöfer, § 284, Rdn. 2; Rasehorn, NJW 1960, 661. 6 Soergel! Wiedemann, § 326, Rdn. 2; Peters, NJW 1979, 688. 7 Soergel I Wiedemann, § 326, Rdn. 2. 8 Wiedemann hält § 326 BGB für die gelungenste Vorschrift im allgemeinen Recht der Leistungsstörungen, Soergel ! Wiedemann, § 326, Rdn. 2; einschränkend dagegen Peters, NJW 1979, 688. 1

2

2 Keim

18

A. Einleitung

zialvorschriften wie § 361 und § 636 BGB und § 376 HGB für diesen Fall ein Rücktrittsrecht vor, das es dem auf Erfüllung wartenden Gläubiger ermöglicht, den für ihn unangenehmen Schwebezustand zu beenden. Währendangesichts der Relevanzall dieser Bestimmungen wirtschaftlich starke Gläubiger die Haftung bei Nichteinhaltung der Leistungszeit durch die Vereinbarung von Schadenspauschalen und Vertragsstrafen verstärken können, ist der Verbraucher als schwächster Gläubiger auf die gesetzlichen Sanktionen angewiesen. Es ist daher verständlich, wenn das AGB-Gesetz enge Grenzen für Klauseln vorsieht, mit denen der Schuldner diese Haftung formularmäßig beschränken möchte. Die restriktiven Regelungen der §§ 11 Nr. 8 und Nr. 9 sowie 10 Nr. 2 AGBG bewirkten insbesondere in der ersten Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes, daß kaum einer der in der Praxis gebräuchlichen Haftungsbegrenzungen der Inhaltskontrolle standhielt, zumal die diesen Vorschriften zugrunde liegenden Wertungen mehr und mehr auch die Kontrolle kaufmännischer Klauseln nach § 9 AGBG beeinflußten. Aus der Reihe der wirtschaftsberatenden Anwaltschaft kommt daher in jüngerer Zeit Kritik, vor allem an der AGB-Kontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr 9• So beklagt Schmidt-Salzer eine ,,Feindeinstellung der Gerichte gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen" 10• Stumpf spricht im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen vom "Sand im Getriebe Unternehmerischen Handelns" 11 • Um den Vertragspartner vor unbilligen AGB zu schützen, aber auch, um es dem Aufsteller von AGB zu ermöglichen, den enger gewordenen Spielraum für Freizeichnungen besser zu nutzen, ist es nötig, die Wirksamkeitsschranken Allgemeiner Geschäftsbedingungen genau zu kennen. Diese Arbeit soll daher dazu dienen, in einem wichtigen, wissenschaftlich bisher jedoch kaum bearbeiteten Teilbereich des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu einer Erhöhung der Rechtssicherheit beizutragen.

9 Schmidt-Salzer, Produkthaftung II, S. 31 ff.; von Westphalen, ZIP 1984, 970; Stumpf, BB 1985, 963; Rabe, NJW 1987, 1978. 10 Schmidt-Salzer, Produkthaftung li, S. 31 ff., S. 314. II Stumpf, BB 1985, 963.

B. Die gesetzliche Regelung des Schuldnerverzuges und ihre Verdrängung durch Allgerneine Geschäftsbedingungen I. Dispositive Risikoordnung des Gesetzes und Freizeichnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen 1. Vorrang der vertraglichen Risikoverteilung vor dem Recht der Leistungsstörungen Da die Parteien eines Vertrages normalerweise nicht alle mit dessen Durchführung zusammenhängende Fragen selbst regeln, sind ergänzende Bestimmungen erforderlich, die, besonders wenn es zu Störungen bei der Durchführung des Geschäftes kommt, bestimmen, welche Rechtsfolgen eintreten sollen 1 • Die Haftungsnormen des Schuldrechts erfüllen diese Funktion, indem sie in diesem Fall typischerweise einer Vertragspartei gewisse Rechte zubilligen, um die durch eine Störung eintretenden Nachteile auszugleichen. Die Frage, wie sich vertraglich vereinbarte Haftungsfreizeichnungen auf diese Rechte - und insbesondere auf Schadensersatzansprüche - auswirken, wurde in der Vergangenheit meist im Zusammenhang mit der Problematik diskutiert, ob eine Freizeichnung auch Dritten zugute kommen kann, die als Erfüllungsgehilfen den anderen Vertragsteil delik:tisch geschädigt haben und dafür einstehen sollen 2 • So kann eine Drittwirkung beispielsweise erreicht werden, indem man die Freizeichnung als pactum de non petendo ansieht, das auch dem Nichtvertragspartner eine Einrede gegen den Schadensersatzanspruch gewährt\ oder der Haftungsausschluß als antizipierter Erlaß einer künftigen Schadensersatzforderung betrachtet wird 4 • Andere Autoren vertraten früher die Auffassung, durch die Freizeichnung willige der Gläubiger in die Verletzung seiner Rechtsgüter ein, so daß auch deliktische Ansprüche gegen Dritte nicht entstündens. Solange es nur um die Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspartnern geht, verstellen diese dogmatischen Hilfskonstruktionen jedoch den Blick für Larenz, BGB AT,§ 1 V. Überblick über den Meinungsstand bei Blaurock, ZHR 146, 238, 240 ff. 3 So z. B. BGH, JZ 1956, 119; BGH, VersR 1960, 727, 729. 4 Hildebrandt, AcP 143,326, 341 ; Raiser, S. 218; Hans Stall, Das Handeln auf eigene Gefahr, S. 341 ff. 5 z. B. Krückmann, AcP 52, 428. 1

2

2*

20

B. Gesetzliche Regelung und Verdrängung durch AGBs

das richtige Verhältnis zwischen dispositivem Recht und vertraglicher Haftungsfreizeichnung. Denn die Modifizierung des gesetzlichen Modells bedarf gerade keiner rechtfertigenden Erklärung 6 • Aufgrund der Privatautonomie ersetzen die Vertragsparteien vielmehr durch die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses die vom Gesetz für Störungen des Vertragsverhältnisses aufgestellte dispositive Haftungsordnung durch eine andere, gewissermaßen für dieses Geschäft maßgeschneiderte Risikoordnung 7 • Soweit diese Ordnung parteiautonom geschaffen worden ist und die Grenze zwingenden Rechts nicht überschreitet, ist für das dispositivrechtliche Haftungsmodell von vomeherein kein Raum. Es ist irrelevant, so daß eventuelle Schadensersatzansprüche überhaupt nicht entstehen können, solange sich der Gläubiger innerhalb dieses durch die vertragliche Abrede erweiterten Freiraums bewegt 8 •

2. Gefahren bei der Ersetzung gesetzlicher Regelungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen Verträge sind nicht deshalb unwirksam, weil sie durch eine unausgewogene Verteilung der Risiken eine Partei stärker belasten als die andere 9• Solange Abschluß und Inhalt des Vertrages auf der freien und eigenverantwortlichen Entscheidung der Beteiligten beruhen, gebietet der Grundsatz der Vertragsfreiheit, daß eine Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit des Vertrages nicht stattfinden darf 10• Es bleibt in diesem Fall völlig zu Recht bei der Nachrangigkeit der gesetzlichen Regelung einer Leistungsstörung gegenüber der vertraglichen Risikoverteilung. In der Rechtspraxis werden Freizeichnungen jedoch meist nicht einzelvertraglich ausgehandelt, sondern sie sind Inhalt vorformulierter Vertragsbedingungen, die eine Partei unverändert für eine Vielzahl von Geschäften verwendet 11 • Denn in der modernen Industriegesellschaft ist eine gewisse Normierung der Vertragsinhalte für einen Unternehmer unentbehrlich, um den Umfang der Haftung im voraus einigermaßen kalkulieren zu können und sich beim massenhaften Abschluß von Verträgen lange Verhandlungen zu ersparen 12• Außerdem kommt den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Funktion zu, das sehr generell gefaßte Gesetzesrecht den Bedürfnissen spezieller Berufsgruppen anzupassen und Unsicherheiten über die Auslegung von Gesetzen oder Handelsbräuchen zu beheben 13• 6 Blaurock, ZHR 146, 238, 243; Esser I Schmidt, SR I, § 7 II 3; ähnlich Kümmel, S. 24 und Gernhuber, JZ 1962, 553, 554. 7 Blaurock, ZHR 146, 238, 243. s Esser I Schmidt, SR I, § 7 II 3; Kümmel, S. 20. 9 Kötz, Gutachten, S. A 29. 10 Kötz, Gutachten, S. A 30. 11 Pflug, S. 4. 12 Raiser, S. 20. 13 Raiser, S. 20.

I. Dispositive Regelung und Freizeichnung

21

Die Möglichkeit, den Vertragsinhalt einseitig zu gestalten, birgt jedoch auch Gefahren für die Position des Vertragspartners. Derjenige, der von vornherein nur bereit ist, Verträge nach seinen AGB abzuschließen, ersetzt das dispositive Recht durch eine von ihm allein geschaffene Regelung und schließt damit die Möglichkeit seines Vertragspartners aus, auf den Inhalt des Vertrages Einfluß zu nehmen. Diesem bleibt nur noch die Abschluß- nicht aber die Gestaltungsfreiheit14. Diese Position kann der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ausnutzen, um durch eine möglichst einseitige Ausgestaltung seiner AGB die Geschäftsrisiken dem anderen Teil aufzubürden. Selbst wenn der Aufsteller der Bedingungen wirtschaftlich nicht so überlegen ist, daß er seinen Geschäftspartnern die unbilligen Konditionen aufzwingen kann, ist von seiten der jeweiligen Vertragspartner kein nennenswerter Widerstand zu erwarten. Der juristisch nicht geschulte Kunde wird nur selten alle Beeinträchtigungen seiner Rechtsstellung durchschauen oder aber aus Gleichgültigkeit gedruckte juristische Bestimmungen unbesehen hinnehmen 15 . Durch eine umfangreiche und abstrakte Fassung der AGB, durch ihre sprachliche Unverständlichkeit und die Undurchschaubarkeit des Zusammenspiels der Paragraphen wird schließlich auch die Aufmerksamkeit solcher Kunden ermüdet, die sich um ihre gedankliche Erfassung bemühen 16. Auf diese Machtverstärkungstendenz Allgemeiner Geschäftsbedingungen hat Raiser bereits im Jahre 1935 hingewiesen 17 . Da die Verlockung der Risikoverlagerung durch AGB groß ist, kann die weite Verbreitung gerade solcher Klauseln, die die Rechtsfolgen von Leistungsstörungen zuungunsten der anderen Partei abändern, nicht verwundern. Dadurch wird aber die mit dem Ziel gerechter Risikoverteilung geschaffene Ordnung des Gesetzes immer mehr durch Regelungen verdrängt, die eine Seite eindeutig benachteiligen 18.

3. Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch Rückbesinnung auf die Wertungen des dispositiven Rechts Diesem wirtschaftlichen Sachverhalt trägt das AGB-Gesetz Rechnung, indem es zum Schutz des Vertragspartners den Spielraum des Aufstellers Allgemeiner 14 Fischer, BB 1957, 481, 483; BGH, NJW 1976, 2345, 2346 zum Schutzbedürfnis auch von Kaufleuten gegenüber AGB. Die Frage, ob es sich bei AGB überhaupt noch um Vertragsregelungen oder aber um Rechtsnormen handelt, hat in jüngerer Zeit vor allem Pflug, Kontrakt und Status im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, aufgeworfen. 15 Raiser, S. 21. 16 HGB-Großkommentar I Ratz, § 346, Anm. 168. 11

Raiser, S. 18 ff.

18 Zur Verbreitung von AGB in den verschiedenen Branchen vgl. Rehbinder, S. 11 ff. sowie Bericht des Rechtsausschusses, BTDS 7 I 5422, S. 2. Pflug, der der Vertragsqualität Allgemeiner Geschäftsbedingungen kritisch gegenübersteht, spricht ihnen daher konsequent die Legitimationsgrundlage ab, vgl. Pflug, S. 248 ff.

22

B. Gesetzliche Regelung und Verdrängung durch AGBs

Geschäftsbedingungen einschränkt, um dem Prinzip des angemessenen Ausgleichs der Interessen Geltung zu verschaffen, das nach den Grundvorstellungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Vertragsfreiheit legitimiert 19. Daß bei der Erreichung dieses Zieles den dispositiven Normen des Schuldrechts eine besondere Bedeutung zukommt, hat Raiser ebenfalls bereits aufgezeigt 20. Denn das nachgiebige Gesetzesrecht spricht sich selbst zwar nur subsidiäre Geltung hinter den Vertragsordnungen zu, aber es ist doch keine beliebige Ordnung, sondern "Recht" in dem besonderen Sinn einer Objektivierung der Rechtsidee durch die Gesamtgemeinschaft21. Die Regelungen dürfen daher im allgemeinen als der angemessene und natürliche Ausgleich der widerstrebenden Partei- und der übergeordneten Gemeinschaftsinteressen angesehen werden 22. Diese Qualität des dispositiven Rechts erhebt es daher zum Maßstab für die Grenze der Abweichungen, auch wenn es vom Gesetz selbst nicht als solche angesprochen wird 23. Auch der Bundesgerichtshof betonte bei seiner vor lokrafttreten des AGB-Gesetzes auf § 242 BGB gestützten Inhaltskontrolle die Ordnungsfunktion des nachgiebigen Rechts. Er forderte, soweit Vorschriften ihre Entstehung einem aus der Natur der Sache sich ergebenden Gerechtigkeitsgehalt verdankten, für abweichende AGB rechtfertigende Gründe, die für die zu regelnden Fälle das dem dispositiven Recht zugrunde liegende Gerechtigkeitsgebot in Frage stellen und die abweichende Gestaltung als mit Recht und Billigkeit vereinbar erscheinen lassen 24 • Das AGB-Gesetz bedient sich verschiedener Instrumente, um den Wertungen des dispositiven Rechtes gegenüber unbilligen AGB zur Durchsetzung zu verhelfen. Die allgemeinen Vorschriften der §§ I bis 7 AGBG verfolgen zwar primär das Ziel, eine Aushöhlung der einzelvertraglich vereinbarten Rechte und Pflichten durch formularmäßige Bestimmungen zu verhindern, doch kommt auch hier das Ziel der Durchsetzung der gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck. So liegt eine überraschende Klausel im Sinne des § 3 AGBG u. a. dann vor, wenn die Regelung inhaltlich deutlich vom Maßstab des dispositiven Rechts abweicht 25. § 3 AGBG ist jedoch für Freizeichnungsklauseln nur von geringer Relevanz, da derartige überraschende Schlechterstellungen gleichzeitig unangemessene Benachteiligungen im Sinne des § 9 AGBG darstellen, so daß sie mit Hilfe der Inhaltskontrolle einfacher zu erfassen sind. Gemäß § 6 Abs. 2 AGBG tritt an die Stelle nicht in 19 Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 13. Pflug spricht im Zusammenhang mit AGB von "Korruption des Vertragsdenkens", u. a. S. 32 ff. 20 Raiser, S. 293; Pflug, S. 14. 21 Raiser, S. 293. 22 Raiser, S. 293. 23 Raiser, S. 293. 24 Vgl. die Leitentscheidung des BGH, BGHZ 41, 151, 154. 25 BGH, NJW 1981, 117, 118; Ulmer, § 3, Rdn. 16; Staudinger I Schlosser, § 3, Rdn. 11; Löwe I Trinkner, § 3, Rdn. 10, 12; Palandt I Heinrichs, § 3 AGBG, Anm. 2 a.

I. Dispositive Regelung und Freizeichnung

23

den Vertrag einbezogener oder unwirksamer AGB das von ihnen verdrängte dispositive Recht. Damit erteilt das AGB-Gesetz eine Absage an die Möglichkeit, zu weitgehende Klauseln auf einen mit den Schranken des Gesetzes in Einklang stehenden Inhalt zu reduzieren 26 • Das wichtigste Instrument zur Geltungsverschaffung der dispositiven Regelungen gegenüber abweichenden Klauseln stellt jedoch die Inhaltskontrolle dar 27 • Die speziellen Klauselverbote des § 11 AGBG sind strikter Natur, da sie die Nichtigkeit bestimmter AGB vorsehen, ohne daß die Feststellung einer konkreten Benachteiligung im Einzelfall erforderlich ist. Dadurch bewirkt die Vorschrift, daß einzelne schuldrechtliche Normen gegenüber AGB nicht mehr disponibel sind. Andere Klauselverbote untersagen den Gebrauch ansonsten zulässiger Rechtsinstitute - wie beispielsweise Vertragsstrafen - in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Obwohl die Vorschrift des§ 10 AGBG nach ihrer Überschrift Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit zum Inhalt hat, handelt es sich ebenfalls um eine strikte Verbotsvorschrift, die im Falle ihres Eingreifens stets die Nichtigkeit der entsprechenden Klauseln zur Folge hat 28 • Im Unterschied zu§ 11 AGBG enthalten aber die jeweiligen Einzeltatbestände unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Auslegung Raum für eine eigenständige richterliche Wertung läßt 29 • Daher können sie auch kein absolut AGB-festes Gesetzesrecht erzeugen, sondern lassen immer eine Interessenahwägung im Einzelfall zu. Die zusammengefaßten Verbote sollen lediglich vor Klauseln warnen, bei denen die Gefahr eines gestörten Interessenausgleichs besonders naheliegt, so daß eine Angemessenheilsprüfung geboten ist 30• Da bei AGB, die dispositive Regelungen im Falle von Leistungsstörungen einschränken, die Rechtsbeeinträchtigung meist auf der Hand liegt, ist eine solche Warnfunktion hier nicht erforderlich. So hat auch die Mehrzahl der in § 10 enthaltenen Verbote andere Klauselgestaltungen, wie Leistungsänderungsvorbehalte, Zugangsfiktionen oder fingierte Erklärungen, zum Inhalt 31 • Zentrale Bedeutung kommt der dispositiven gesetzlichen Regelung dagegen im Rahmen der Inhaltskontrolle nach der Generalklausel des § 9 AGBG zu. Ist eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren, so liegt gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners vor und die entsprechende Klausel ist nichtig. Durch die Abweichung von einer

26 21 28

4.

29 30 31

Harry Schmidt, S. 142. Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 13. Ulmer I Brandner, § 9, Rdn. 11; Becker, S. 45. Becker, S. 45; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, vor§§ 10 und 11, Rdn. 3,

Löwe, § 6, Rdn. 7;

Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 24. Zur besonderen Problematik des § 10 Nr. 2 AGBG vgl. unten C VIII.

B. Gesetzliche Regelung und Verdrängung durch AGBs

24

Norm darf danach die Ausgewogenheit der Gesamtregelung nicht deutlich beeinträchtigt werden 32• Nach der Rechtsprechung kann der Gerechtigkeitsgehalt dispositiver Normen verschieden groß sein. Je stärker er ist, desto strenger muß der Maßstab bei der Prüfung der Vereinbarkeil von Abweichungen angelegt werden 33 • Ein wesentlicher Gerechtigkeitsgehalt kommt aber besonders denjenigen Regelungen zu, die dazu dienen, durch Verteilung der Vertragsrisiken die Interessen beider Parteien möglichst gleichmäßig zu berücksichtigen 34 • Selbst wenn sich also Allgemeine Geschäftsbedingungen innerhalb des bereits durch die speziellen Klauselverbote verengten Freiraums bewegen, dürfen sie keine gegenüber dem dispositiven Recht wesentlich andere Risikoverteilung vornehmen. Bestimmungen, die dies nicht beachten, bedürfen einer besonderen Rechtfertigung, damit die indizielle Wirkung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 widerlegt ist. Während also im Verhältnis zu Individualvereinbarungen den gesetzlichen Haftungsregelungen lediglich Ersatzfunktion zukommt, stellen sie für Allgemeine Geschäftsbedingungen den zentralen Orientierungsmaßstab dar. Da sowohl nach der Intention des Gesetzgebers 35 als auch in der gerichtlichen Praxis 36 der Schutz gegen unbillige Risikoverlagerungen in AGB vorrangig durch das Instrument der Inhaltskontrolle gewährleistet wird, liegt hier auch der Schwerpunkt der weiteren Untersuchung.

II. Die Struktur der Regelungen über den Schuldnerverzug und dadurch bedingte Ansatzpunkte für Freizeichnungsklauseln 1. Regelungstechnik Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er in Verzug, es sei denn, er hat das Unterbleiben der Leistung nicht zu vertreten. Die gesetzlichen Regelungen über den Schuldnerverzug finden sich zunächst in den§§ 284 bis 290 und 326 BGB. Diese werden ergänzt durch Vorschriften im Besonderen Teil für die einzelnen Schuldverhältnisse, wie z. B. für den Kauf die §§ 454, 455, für die Miete die §§ 554 und 557 Abs. 2 sowie für den Werkvertrag§ 636 BGB 37• Sonderregelungen für Handelsgeschäfte enthalten außerdem die §§ 352 und 376 HGB 38 •

32 33 34 35

36 37 38

Larenz, BGB AT, § 29 a III c. BGHZ 41, 151, 154. Larenz, BGB AT, § 29 a III c. Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 13. Vgl. die Rechtsprechungsanalyse bei Schlosser, ZIP 1985, 449, 456 f. Emmerich, Leistungsstörungen, S. 134. § 352 gilt dabei nur für beiderseitige Handelsgeschäfte.

II. Struktur der Verzugsregelungen

25

Der Verzug wird manchmal auch als Schlechterfüllung in zeitlicher Hinsicht bezeichnet 39• Diese Beschreibung ist indessen irreführend, da nicht die zeitliche Verzögerung der Leistung, sondern jede zu vertretende Nichtleistung, welche nicht auf Unmögichkeit beruht, Verzug begründen kann. Die Regelung des§ 326 BGB ermöglicht es dem Gläubiger, den Vertrag mit dem in Verzug geratenen Schuldner zu liquidieren, ohne daß dieser überhaupt jemals geleistet hat. Außerdem trägt die Bezeichnung als Schlechterfüllung in zeitlicher Hinsicht nicht zur Verdeutlichung der Struktur der Regelungen über den Leistungsverzug bei, denn der Gesetzgeber verwendet gerade keine Generalklausel, sondern knüpft die Haftung an genau typisierte und formalisierte Voraussetzungen, die der Gläubiger teilweise durch eigene Handlungen selbst herbeiführen muß 40 • Da diese Regelungstechnik auch die Form der sich an ihr orientierenden Freizeichnungsklauseln beeinflußt, muß bei der Untersuchung der Verzugsklauseln von dieser Struktur der gesetzlichen Regelung ausgegangen werden.

2. Verzugsherbeiführung In den§§ 284, 285 BGB fehlt die direkte Gegenüberstellung von Vertragsverletzung und Sanktion. Statt dessen werden die Voraussetzungen des Verzuges genannt, wobei das Vorliegen der Leistungsstörung "Verzug" in diesen Vorschriften nicht Tatbestandsmerkmal, sondern Rechtsfolge ist, die eintritt, wenn der Schuldner eines fälligen Anspruchs trotz Mahnung nicht leistet. Der Zeitpunkt, wann die Leistung fällig wird, ergibt sich in der Regel aus den vertraglichen Abreden; ist die Leistungszeit weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger sofortige Erfüllung verlangen, § 271 BGB. Weiterhin dürfen nach überwiegender Meinung dem Anspruch keine Einreden entgegenstehen 41 • Mit der Mahnung richtet der Gläubiger an den Schuldner eine ernsthafte Aufforderung, nunmehr die geschuldete Leistung zu erbringen 42 • Klageerhebung und Zustellung eines Mahnbescheids stehen ihr in der Wirkung gleich. Außer in diesen in § 284 Abs. 2 BGB genannten Fällen kann die Mahnung nach Treu und Glauben entbehrlich sein, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, er selbst die Leistung für einen bestimmten Zeitpunkt ankündigt oder bereits nach dem Vertragsinhalt besondere Dringlichkeit gegeben ist 43 • Fikentscher, § 45 I. Esser I Schmidt, SR I, § 28 vor I. 41 Streitig ist, ob das bloße Vorliegen einer Einrede bereits den Verzugseintritt verhindert, oder ob die Einrede geltend gemacht werden muß. Zum Teil wird auch nach der Art der Einrede differenziert. Darstellung des Meinungsstandes bei Larenz, SR I, § 23 I c. 42 Palandt I Heinrichs, § 284, Anm. 3 a. 43 Palandt I Heinrichs, § 284, Anm. 4 d; Soergel I Wiedemann, § 284, Rdn. 40 ff. 39

40

B. Gesetzliche Regelung und Verdrängung durch AGBs

26

Die Frage, was der Schuldner zu vertreten hat, ist nicht in den Vorschriften des Leistungsverzugs selbst geregelt, sondern richtet sich nach §§ 276 bis 279 BGB. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, daß für den Gattungsschuldner § 279 BGB trotzdes scheinbar entgegenstehenden Wortlauts auch auf den Verzug angewendet werden muß 44•

3. Verzugsfolgen a) Unmittelbare Folgen

In den nachfolgenden Vorschriften ist das Vorliegen des Leistungsverzuges nun seinerseits Voraussetzung für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen. Der Schuldner muß dem Gläubiger gemäߧ 286 Abs. l den durch den Verzug verursachten Schaden ersetzen, Geldschulden sind nach Maßgabe der Vorschriften der§§ 288, 289 BGB bzw. § 352 HGB zu verzinsen. Dabei ist der Gesetzgeber von dem Vorrang der Naturalerfüllung vor der Liquidierung des Schuldverhältnisses ausgegangen, da der Erfüllungsanspruch des Gläubigers nach wie vor bestehen bleibt 45 • Es ist ihm auch nicht möglich, außer im Falle des § 286 Abs. 2 BGB, ohne weiteres selbst zum Schadensersatzverlangen wegen Nichterfüllung überzugehen. Der Verzug bewirkt schließlich noch eine Haftungsverschärfung. Gemäߧ 287 BGB hat der Schuldner nunmehr jede Fahrlässigkeit und durch Zufall eintretende Unmöglichkeit zu vertreten. b) Gegenseitige Verträge

Die mit Abstand wichtigste Verzugsfolge regelt § 326 BGB 46, macht diese aber von weiteren, zusätzlichen Vorausetzungen abhängig: Der Gläubiger einer im Synallagma stehenden Hauptpflicht ist berechtigt, dem Schuldner eine Frist mit Ablehnungsandrohung zu setzen und nach deren fruchtlosem Ablauf vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Wenn der Gläubiger infolge des Verzuges kein Interesse mehr an der Erfüllung des Vertrages hat, bedarf es der Bestimmung der Frist gemäߧ 326 Abs. 2 BGB nicht. Nach Treu und Glauben ist die Fristsetzung außerdem bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner entbehrlich 47 • Emmerich, S. 149; Coester-Waltjen, AcP 183, 279 ff.; vgl. auch unten C Ill 2 a. Emmerich, S. 134. 46 Soergel I Wiedemann, § 326, Rdn. 2; Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 2; Emmerich, s. 134. 47 Palandt I Heinrichs, § 326, Anm. 6 b. 44

45

III. Einschränkungen der Verzugshaftung in der Wirtschaftspraxis

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4. Systematik des Gesetzes und Formen der Freizeichnung Dieser gesetzliche Aufbau der Verzugsregelungen hat zur Folge, daß die Rechte des Gläubigers aus § 326 BGB, also seine in der Praxis wichtigsten Druckmittel, immer dann beeinträchtigt werden, wenn auf einer vorhergehenden Stufe in AGB zu seinen Ungunsten von der gesetzlichen Regelung abgewichen wird. Klauseln, die den Verzugseintritt an zusätzliche Voraussetzungen knüpfen oder die Länge der nach § 326 BGB zu setzenden Nachfrist bestimmen, beeinflussen daher genauso die Rechtsposition des Gläubigers wie AGB, die ausdrücklich die Rechtsfolgen des § 326 BGB einschränken. Da sich das Vorliegen einzelner Verzugsvoraussetzungen, wie Verschulden oder Fälligkeit nach außerhalb der §§ 284 ff. BGB liegenden allgemeinen Vorschriften richtet, wirken sich selbst AGB, die die Verzugsregelung des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht unmittelbar abändern, faktisch einschränkend auf die Haftung des Schuldners aus: Eine unangemessen lange Lieferzeit hindert den Kunden daran, seinen Schuldner frühzeitig zu mahnen, um den Verzug herbeizuführen. Enthalten die AGB des Schuldners eine Bestimmung, nach der Lieferzeiten nur annähernd und unverbindlich sind, so ist es für den Gläubiger zumindest zweifelhaft, wann er den Vertragspartner verzugsbegründend mahnen darf. Und wenn der Verwender aufgrund seiner allgemeinen Freizeichnungsklausel nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, so gerät er bei einer leicht fahrlässig verursachten Verzögerung gar nicht in Verzug.

111. Einschränkungen der Verzugshaftung in der Wirtschaftspraxis In der Vertragspraxis wird dem Kunden die Geltendmachung seiner gesetzlichen Rechte im Falle einer verspäteten Leistung durch eine Vielzahl unterschiedlicher AGB-Klauseln erschwert. Wegen der großen Zahl der im Umlauf befindlichen Klauselwerke ist eine vollständige Erfassung der formularmäßigen Einschränkungen der Verzugshaftung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht möglich 48 • Da eine AGB-Registrierung nicht besteht, herrscht über die tatäsebliche Anzahl der in der Bundesrepublik existierenden Bedingungswerke keine Klarheit 49 • Es kann jedoch als Indiz für eine große Verbreitung den Verzug betreffender Klauseln gewertet werden, daß in den für diese Arbeit recherchierten Formularverträgen und Konditionenempfehlungen überwiegend entsprechende

48

Rehbinder, S. 1; vgl. auch Zoller, S. 21.

Nach dem Regierungsentwurf zum AGB-Gesetz, BTDS 7/3919, S. 10, existieren über 100.000 im Umlauf befindliche Klauselwerke. Aus Kreisen der Wirtschaft wurde bei Entstehung des AGB-Gesetzes eine Zahl von 20.000 bis 30.000 genannt, Ulmer, Einleitung, Rdn. 5; Rehbinder, S. 1. 49

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B. Gesetzliche Regelung und Verdrängung durch AGBs

Bestimmungen zu finden waren. Gebräuchlich sind Verzugshaftungsbeschränkungen besonders in Kaufverträgen über wertvolle Konsumgüter, wie Kraftfahrzeuge, Möbel oder Elektrogeräte 50• Auch die verarbeitenden Gewerbe bedienen sich in starkem Umfang derartiger Freizeichnungen 51 • Und Schmidt-Salzer, der aus der Sicht des AGBG-Aufstellers kritisch den Wert formularmäßiger Haftungsbeschränkungen als Instrument der Risikominderung untersucht, räumt Verzugsklausein dabei nach wie vor einen hohen Stellenwert ein 52 • Allgemeine Geschäftsbedingungen, die die Haftung für die Nichteinhaltung der Leistungszeit gegenüber der gesetzlichen Regelung modifizieren, lassen sich zunächst nach formalen Kriterien ordnen, indem man sie nach den jeweiligen Ansatzpunkten im dispositiven Recht einteilt. Entsprechend dem gesetzlichen Aufbau kann man bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Klauseln unterscheiden, die die einzelnen Rechtsfolgen des Verzuges einschränken und solchen, die seine Herbeiführung verhindern. Diese Techniken der Freizeichnungen werden jedoch nicht nur angewandt, um die Haftung generell abzubedingen. Die Wirtschaftspraxis ist vielmehr auch von Klauseln geprägt, die einzelne Risiken zum Gegenstand haben und alle Haftungsfolgen beim Eintritt dieser ganz bestimmten Störungen auf den Vertragspartner abwälzen. Häufig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen genannte Ereignisse sind Arbeitskämpfe, der Ausfall von Zulieferungen, Betriebsstörungen, Materialmangel und höhere Gewalt 53 •

5o Vgl. die Entscheidungen bei Bunte, AGBE I - VI und die Übersicht bei Bunte, Handbuch, S. 96 ff. 51 Vgl. Siepmann, Klauseln über den Schuldnerverzug in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unter besonderer Berücksichtigung der sog. verarbeitenden Gewerbe, 1964, s. 2. 52 Schnmidt-Salzer, Produkthaftung II, S. 323. 53 Weitere Beispiele bei Bunte, Handbuch, S. 104 sowie bei Siepmann, S. 29 ff. Zur Auslegung der früher üblichen Kriegsklausel und ihrer Bedeutung im Zusammenhang mit durch den Ersten Weltkrieg verursachten Lieferstörungen, Oßwald, JW 1915, 202 und 229; Staadecker, JW 1914, 848.

C. Die Einschränkbarkeit der Verzugsfolgen im nichtkaufmännischen Bereich I. Erscheinungsformen in der Wirtschaftspraxis Die in der Praxis verwendeten Klauselwerke konzentrieren sich fast ausschließlich auf die Einschränkung der Rechte des Gläubigers gemäß § 286 Abs. 1 und gemäß § 326 BGB. Einige AGB sehen noch spezielle Regelungen für Leistungsstörungen während des Verzuges vor und tangieren damit die Regelung des§ 287 BGB 1• Alle anderen Verzugsfolgen werden in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehr selten angesprochen 2•

1. Klauseln zum Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens Vor lokrafttreten des AGB-Gesetzes fanden sich in fast allen Industriezweigen AGB-Klauseln, die den Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens generell ausschlossen3. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hat derartige AGB dahingehend einschränkend ausgelegt, daß damit nur der Ausschluß von Schadensersatzansprüchen im nach§ 276 Abs. 2 BGB erlaubten Umfang gemeint sei 4 • Seit dem lokrafttreten des AGB-Gesetzes wird jedoch insbesondere in den Konditionenempfehlungen der Wirtschaftsverbände meist nur noch der Schadensersatzanspruch für den Fall leichter Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder der Höhe nach begrenzt. Als Orientierungsmaßstab für Schadenshöchstgrenzen dient dabei häufig der Wert der Gesamtlieferung oder desjenigen Teiles, dessen Lieferung nicht 1 Vgl. z. B. Nr. IV 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Lieferung von Maschinen für Inlandsgeschäfte, BAZ 1986, 8654: "Die vorbezeichneten Umstände (Streik, Aussperrung etc.) sind auch dann vom Lieferer nicht zu vertreten, wenn sie während eines bereits vorliegenden Verzugs entstehen." 2 Für den Anspruch gemäß § 286 Abs. 2 BGB entspricht die geringe Relevanz in AGB auch der ansonsten geringen Bedeutung der Vorschrift, die für den Fall des Verzuges mit einer im Synallagma stehenden Hauptpflicht hinter§ 326 BGB zurücktritt. Soergell Wiedemann, § 286, Rdn. 34; Palandt I Heinrichs, § 286, Anm. 3. Die Verzinsung gemäß § 288 Abs. 1 BGB wird in Einkaufsbedingungen offenbar ebenfalls nicht ausgeschlossen. Vgl. die bei Hanisch, S. 86 ff. abgedruckten Allgemeinen Einkaufsbedingungen der metallverarbeitenden Industrie sowie die bei Rehbinder, S. 100, 118, 155, 157 und 174 abgedruckten Einkaufsbedingungen großer deutscher Firmen. 3 So Siepmann, S. 73 für das verarbeitende Gewerbe; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8,

Rdn.5. 4

RGZ 168, 321, 329.

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

rechtzeitig erfolgt ist. Eine typische Beschränkung der Pflicht zum Ersatz des Verzögerungsschadens sieht Nr. VI 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Lieferung von Maschinen für Inlandsgeschäfte vor: "Wenn dem Besteller wegen einer Verzögerung, die infolge eigenen Verschuldens des Lieferers entstanden ist, Schaden erwächst, so ist er unter Ausschluß weiterer Ansprüche berechtigt, eine Verzugsentschädigung zu fordern. Sie beträgt für jede volle Woche der Verspätung 1/2 von Hundert im ganzen aber höchstens 5 von Hundert vom Werte desjenigen Teiles der Gesamtlieferung, der infolge der Verspätung nicht rechtzeitig oder nicht vertragsgemäß benutzt werden kann."5 Ebenfalls Beschränkungen des Anspruchs auf Ersatz des Verzugsschadens beinhalten Klauseln der Kreditinstitute, die die Haftung für Verzögerungen bei der Ausführung von Aufträgen regeln. Auch wenn die Fälligkeit nicht kalendermäßig bestimmt ist, tritt Verzug bei bankgeschäftliehen Aufträgen wegen der besonderen Natur derartiger Rechtsgeschäfte ohne Mahnung ein 6• Dogmatische Grundlage der Haftung bleibt jedoch § 286 Abs. I BGB, da die Leistungsstörung in der bloßen Nichteinhaltung der Leistungszeit liegt, so daß für eine positive Vertragsverletzung kein Raum ist 7 •

2. Klauseln zu den Rechten des Gläubigers nach § 326 BGB Sehr häufig wurde vor Entstehung des AGB-Gesetzes auch die Schadensersatzpflicht nach § 326 BGB völlig ausgeschlossen 8 • Üblicherweise enthielten Allgemeine Geschäftsbedingungen Klauseln, nach denen im Falle der Überschreitung eines vereinbarten Liefettermins um eine bestimmte Zeit und nach fruchtlosem Ablauf einer vom Kunden zu setzenden weiteren Nachfrist der Rücktritt vom Vertrag erklärt werden konnte, während Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung regelmäßig ausgeschlossen waren 9 • Heute findet man hingegen insbesondere in den Konditionenempfehlungen der Wirtschaftsverbände überwiegend Klauseln, die lediglich bei leichter Fahrlässigkeit eine summenmäßige Be-

s AGB für die Lieferung von Maschinen für Inlandsgeschäfte, BAZ 1986, 8654; weiteres Beispiel, vgl. Allgemeine Lieferbedingungen für Erzeugnisse und Leistungen der Elektroindustrie, BAZ 1986, 2098. 6 Canaris, Bankvertragsrecht, Rdn. 326; Palandt I Heinrichs, § 284, Anm. A 4 c. 7 Canaris, Bankvertragsrecht, Rdn. 2568; Hoppe, S. 102; Schlenke, S. 50; von Westphalen, WM 1980, 1406, 1410 gehen jeweils von Verzug aus; a.A. offenbar für eine ähnliche Klausel BGH, ZIP 1988, 360, der von PVV spricht. 8 Nottbeck, S. 36: 25% der seiner Untersuchung aus dem Jahre 1960 zugrunde liegenden Klauseln schlossen diesen Schadensersatzanspruch aus. 9 Teilbericht I, S. 72; so beispielsweise die Klauseln in den Allgemeinen Verkaufsbedingungen für die Möbelindustrie, Rehbinder, S. 147, 150; in den Allgemeinen Verkaufsbedingungen der Thyssen Handelsunion, Rehbinder, S. 165, 169 sowie der Allgemeinen Bedingungen für die Lieferung von Werkzeugmaschinen für Inlandsgeschäfte, Rehbinder, S. 105, 107, jeweils auf dem Stand von 1977.

II. Haftungsfreizeichnungen und Vorrang der Individualabrede

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schränkung der Schadensersatzpflicht wegen Nichterfüllung vorsehen. Bekanntestes Beispiel für diese Form sind die Allgemeinen Bedingungen für den Verkauf fabrikneuer Fahrzeuge, in denen die Höhe des Schadensersatzanspruches nach § 326 BGB auf höchstens 10% des Kaufpreises beschränkt wird 10• Maßstab für die Begrenzung der Ersatzansprüche ist auch häufig der Wert der zu liefernden Ware, während andere Unternehmer Klauseln gebrauchen, nach denen nur der vorhersehbare oder nur der unmittelbare Schaden zu ersetzen ist 11 • Andere AGB nehmen bestimmte Schäden von der Ersatzpflicht aus, wie beispielsweise entgangenen Gewinn oder Aufwendungen für einen Deckungskauf. Die Rechte aus § 326 BGB werden vielfach auch dadurch eingeschränkt, daß sich der Schuldner in seinen AGB eine unangemessen lange Nachfrist vorbehält. Die Tendenz Allgemeiner Geschäftsbedingungen geht dahin, dem Verwender noch im Stadium des Lieferverzugs einen möglichst weitgehenden Spielraum zu verschaffen, um seine Leistung noch nachholen zu können. Daher zögern sie häufig den Zeitpunkt der Vertragsliquidation hinaus 12•

II. Haftungsfreizeichnungen und Vorrang der Individualabrede gemäß § 4 AGBG 1. Sicherung vertraglicher Hauptleistungspflichten durch das Vorrangprinzip Da bezüglich der Leistungszeit in Verträgen oftmals individuelle Absprachen getroffen werden, erlangt das Problem des Verhältnisses von AGB zu einzelvertraglichen Regelungen in diesem Bereich Bedeutung 13 • Es stellt sich die Frage, ob sich aufgrund von § 4 AGBG ein Vorrang der individuell ausgehandelten Leistungszeitabrede gegenüber Klauseln ergeben kann, die jegliche Sanktion im Falle ihrer Nichteinhaltung ausschließen. Da die Leistungszeit auch Bestandteil der Leistungspflicht selbst ist, schränkt eine formularmäßige Freizeichnung von der Verzugshaftung diese Verpflichtung des Schuldners zur Leistung ein, indem sie dem Gläubiger jegliches Druckmittel nimmt, die Erfüllung zu erzwingen. Es wird daher die Auffassung vertreten, daß Klauseln, welche die Erfüllung der Zitiert nach Reinking I Eggert, S. 231. z. B. Allgemeine Lieferbedingungen des Elektrogroßhandels, BAZ 1986, 2098 = Bunte, Handbuch, S. 258: "Hat er danach Schadensersatz zu leisten, so beschränkt sich ein dem Käufer zustehender Schadensersatzanspruch auf den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses voraussehbaren Schaden, höchstens aber 10% vom Werte desjenigen Teils der Gesamtlieferung, der infolge der Verspätung bzw. Nichtlieferung nicht rechtzeitig oder nicht vertragsgemäß benutzt werden kann. Diese Einschränkung gilt nicht, soweit der Verkäufer in Fällen des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit zwingend haftet." 12 Teilbericht I, S. 59. 13 Schmidt-Salzer, Produkthaftung II, S. 291. 10 11

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden kardinalen Pflichten gefährden, indem sie die Haftung im Falle ihrer Verletzung ausschließen, gemäß § 4 AGBG am Vorrang der Individualabrede scheitern 14• Danach können sich Haftungsausschlüsse und Freizeichnungsklauseln im Ergebnis als Modifizierung der Hauptleistungspflicht auswirken, weil sie ihrer Durchsetzbarkeit entgegenstehen 15 • Das Vorrangprinzip sei beispielsweise in der Kleber-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.5.1968 zum Audruck gekommen, in der einer Klausel die rechtliche Wirkung versagt wurde, mit der sich ein Verkäufer für die Haftung für Mangelfolgeschäden freizeichnen wollte, da er gleichzeitig eine Eigenschaftszusicherung abgegeben hatte, deren Sinn gerade darin bestand, den Käufer gegen Mangelfolgeschäden abzusichern 16 • Der Klauselverwender dürfe seinem Vertragspartner nicht die Rechte, die sich aus der Zusicherung ergeben, durch die Freizeichnung wieder nehmen. Sie sei sonst ihres Inhalts entleert und hätte jede praktische Bedeutung verloren 17 • Mit einer ähnlichen Argumentation hat das OLG Köln einen Haftungsausschluß für leicht fahrlässigen Schuldnerverzug beanstandet, da der Verwender den vereinbarten Liefertermin ausdrücklich für verbindlich erklärt hatte 18 • Beim Vorliegen eines mit einer Eigenschaftszusicherung vergleichbaren besonderen Vertrauenstatbestandes könne das Ziel, die Erfüllung der vertragsgemäßen Leistung zu sichern, hinsichtlich der Verzugsfolgen nur durch ein umfassendes, auch leichte Fahrlässigkeit einschließendes Freizeichnungsverbot erreicht werden 19 •

2. Verhältnis zur Inhaltskontrolle In beiden Urteilen wurde allerdings die Unwirksamkeit der fraglichen Klauseln nicht ausdrücklich mit dem Vorrang der lndividualabrede, sondern mit ihrer nach den Maßstäben der Inhaltskontrolle unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners begründet 20 • In der Regel dürfte es eine Überdehnung des Anwendungsbereiches des § 4 AGBG darstellen, wenn man Haftungsbeschränkungen am Vorrang der Individualabrede scheitern lassen würde, weil ein Widerspruch zu den zugrunde liegenden Leistungspflichten gegeben sei. Für eine enge Auslegung des Vorrangprinzips im Hinblick auf derartige mittelbare Widersprüche spricht die Systematik des AGB-Gesetzes, nach der der Schutz der wesentlichen 14 Löwe I Trinkner, § 4, Rdn. 16; Soergel l Stein, § 4 AGBG, Rdn. 11; Trinkner, FS Cohn, S. 191, 193; Schmidt-Salzer, Produkthaftung II, S. 291. 15 Soergel l Stein, § 4 AGBG, Rdn. 11.

16 BGHZ 50, 200, 207; ähnlich BGH, NJW 1971, 1706, 1708 (in BGHZ 59, 158 nicht mit abgedruckt). 11 BGHZ 50, 200, 207. 18 OLG Köln, ZIP 1982, 1094. 19 OLG Köln, AGBE III, § 11, Rdn. 32. 2o BGHZ 50, 200, 207; OLG Köln, AGBE III, § 11 , Rdn. 32.

II. Haftungsfreizeichnungen und Vorrang der Individualabrede

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Hauptpflichten vor diese aushöhlenden formularmäßigen Nebenabreden vordringlich durch das Instrumentarium der Inhaltskontrolle gewährleistet werden soll. Diese Intention des Gesetzes kommt insbesondere in§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG zum Ausdruck, wo festgelegt wird, bis zu welcher Grenze wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, eingeschränkt werden dürfen. Überschneidungen zwischen Inhaltskontrolle und Vorrangprinzip ergeben sich deshalb, weil beide Instrumente letztlich auf dem gemeinsamen Grundgedanken beruhen, die berechtigten Erwartungen, die der Vertragspartner aufgrund der individuellen Absprachen hegt, vor aushöhlenden AGB zu schützen 21• Daß bei der Erfüllung dieser Funktion dem Vorrangprinzip eine eher untergeordnete Rolle zukommen soll, läßt sich aber aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes herleiten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Erhaltung der Kardinalpflichten sollte in § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG kodifiziert werden, während § 4 AGBG zur Anwendung kommen sollte, wenn zu bestimmten Punkten abweichend vom Schema besondere Einzelabsprachen getroffen wurden 22 • In diesen Fällen hat die Vorschrift die wichtige Funktion, diese teilweise mündlichen Vereinbarungen gegenüber Klauseln abzusichern, mit denen der Verwender das Ziel verfolgt, die Wirksamkeit der Abreden zu vereiteln 23 • Die Hauptpflicht verliert jedoch nur dann ihren Charakter als Verbindlichkeit, wenn ihre Verletzung völlig sanktionslos ist, so daß der Schuldner sie sogar bewußt verletzen darf. Allein ein Haftungsausschluß für Fahrlässigkeit steht damit aber noch nicht in Widerspruch zu der zugrunde liegenden Verpflichtung 24 • Die Eigenschaftszusicherung stellt in dieser Beziehung eine Besonderheit dar, da sie bereits per definitionem das unbedingte Einstehenwollen für den Bestand der betreffenden Eigenschaft beinhaltet 25 • Denn gerade hierin liegt der Unterschied zur bloßen Beschaffenheitsvereinbarung. Mit einer Eigenschaftszusicherung sind aber verbindliche Lieferzeitabsprachen im Normalfall nicht vergleichbar, da auch eine verbindliche Leistungszeitangabe nicht notwendig beinhaltet, daß für ihre Nichteinhaltung unbedingt gehaftet werden soll. Dies kann zwar im Einzelfall auch einmal anders sein. Die Vereinbarung eines Termins als verbindlich hat jedoch normalerweise nur im Hinblick auf § 284 Abs. 2 BGB die Konsequenz, daß, sofern eine kalendermäßige Bestimmung gegeben ist, keine Mahnung erforderlich ist, um den Verzug herbeizuführen. Trotz der Änderung des Verschuldensmaßstabes behält die Abrede aber ihren Sinn, da der Schuldner in einem Schadensersatzprozeß darlegen und beweisen muß, daß ihn für die Überschreitung des Termines weder grobe Fahrlässigkeit noch Vorsatz trifft. Daher ist die Unterscheidung zwischen zugrunde liegender Vgl. Begründung zu § 4 AGBG, Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 20. Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 23. 23 Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 20, S. 23. 24 Bunte I Heinrichs, S. 29. 2s Palandt I Putzo, § 459, Anm. 4 a. 21

22

3 Keim

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Pflicht und Haftungsfolge zu beachten und § 4 AGBG im Hinblick auf die Systematik des Gesetzes eng auszulegen. Abgesehen vom Sonderfall der Zusicherung scheitern Haftungsfreizeichnungen nur dann am Vorrang der lndividualabrede, wenn dadurch die zugrunde liegende Verpflichtung jeglichen Verbindlichkeitsgehalt verliert 26•

111. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen 1. Die in Betracht kommenden Verbote Die zentrale Vorschrift zur Erhaltung des Rücktrittsrechts und des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung bei Verzug und Unmöglichkeit ist § 11 Nr. 8 AGBG. Danach ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unmwirksam, durch die für den Fall des Leistungsverzuges des Verwenders oder der von ihm zu vertretenden Unmöglichkeit der Leistung a) das Recht des anderen Vertragsteils, sich vom Vertrag zu lösen, ausgeschlossen oder eingeschränkt oder b) das Recht des anderen Vertragsteils, Schadensersatz zu verlangen, ausgeschlossen oder entgegen Nr. 7 eingeschränkt wird. Trotz des auf den ersten Blick klar und eindeutig scheinenden Wortlauts der Vorschrift wird keine andere Bestimmung innerhalb des Klauselkataloges der §§ 10 und 11 AGBG in der Kommentarliteratur so unterschiedlich interpretiert wie § 11 Nr. 8 AGBG 27 • Die Vorschrift knüpft in ihrem Aufbau deutlich an die §§ 325, 326 BGB an. Ausweislich ihrer Entstehungsgeschichte ist die Sicherung dieser Rechte das primäre Ziel der Regelung gewesen 28 • Der praktische Schwerpunkt liegt dabei auf § 326 BGB als der in der Rechtswirklichkeit gegenüber § 325 BGB weitaus bedeutenderen Vorschrift 29 • Der Gesetzgeber hielt es daneben für nötig, den Schutz der Rechte aus § 326 BGB noch durch zwei weitere Spezialvorschriften zu verstärken 30 : So verbietet § 11 Nr. 9 AGBG für den Fall des teilweisen Leistungsverzuges oder bei vom Verwender zu vertretender teilweiser Unmöglichkeit der Leistung, das Recht der anderen Vertragspartei auszuschließen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit zu verlangen oder von dem ganzen Vertrag zurückzutreten, wenn die teilweise Erfüllung für ihn kein Interesse hat. Auf einen weiteren Teilaspekt des § 326 BGB stellt die Vorschrift des § 10 Nr. 2 AGBG ab, die es

26 27 28 29

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So auch Bunte I Heinrichs, S. 30; Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 16. So Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 1. Teilbericht I, S. 72; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 32. Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 27. Vgl. Teilbericht I, S. 72.

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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dem Schuldner untersagt, sich für die von ihm zu bewirkende Leistung entgegen § 326 Abs. 1 BGB eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorzubehalten.

2. Der Schutz des Vertragslösungsrechts durch§ 11 Nr. 8 a AGBG a) Der BegritT des Vertragslösungsrechts § 11 Nr. 8 a AGBG spricht nicht vom Rücktrittsrecht, sondern vom Recht des anderen Teils, sich vom Vertrag zu lösen. Dadurch sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß auch das außerordentliche Kündigungsrecht, das bei einem Dauerschuldverhältnis im Falle des Verzuges mit einzelnen Raten an die Stelle des Rücktrittsrechts tritt, miterlaßt werde 31 • Diese Erweiterung hat allerdings keine nennenswerten praktischen Konsequenzen, da das Recht zur außerordentlichen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen selbst durch Individualvereinbarung nicht ausgeschlossen werden darf 32• Immerhin stellt § 11 Nr. 8 a AGBG klar, daß auch vertragliche Einschränkungen, die ansonsten in gewissem Rahmen zulässig sind 33 , für den Kündigungsgrund des Leistungsverzuges jedenfalls nicht in AGB vorgenommen werden können.

b) Verbotene Beeinträchtigungen § 11 Nr. 8 a AGBG verbietet nicht nur den völligen Ausschluß, sondern auch jede Einschränkung des Vertragslösungsrechts nach § 326 BGB. Das beinhaltet auch, daß das Rücktrittsrecht des Vertragspartners nicht von weiteren, im Gesetz nicht vorgesehenen Voraussetzungen abhängig gemacht werden darf. Danach widerspricht beispielsweise eine Regelung § 11 Nr. 8 a AGBG, nach der eine bestimmte Verzugsdauer erforderlich ist, um die Nachfrist wirksam setzen zu können 34• Ebenfalls wäre eine Klausel unzulässig, die die Entscheidungsfreiheit des Kunden dadurch einschränkt, daß von ihm verlangt wird, sich schon bei Setzung der Nachfrist schlüssig zu werden, ob er vom Vertrag zurücktrete 35 •

31 Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 7; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 15; MünchKomm I Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 73; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 12; Palandt I Heinrichs, § 11 AGBG, Anm. 8 a; Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 10; Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 8, Rdn. 15. 32 Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 12; Staudinger I Jürgen Schmidt, § 242, Rdn. 1164; Soergell Kraft, § 626, Rdn. 10. 33 V gl. die Beispiele bei Staudinger I Jürgen Schmidt, § 242, Rdn. 1164. 34 LG München, AGBE I, § 11 Nr. 76. 35 Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 8, Rdn. 15; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 17; Kamm, S. 296.

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Das Rücktrittsrecht darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Kunde eine Abstandszahlung, ein Reuegeld oder eine Vertragsstrafe entrichtet 36• Zweifelhaft ist dagegen, ob der Schuldner in seinen ABG für die Ausübung des Rücktrittsrechtes eine Ausschlußfrist vorsehen darf. Bei isolierter Betrachtung von § 326 BGB liegt zwar eindeutig eine Beschränkung des dem Gläubiger ansonsten unbefristet zustehenden Vertragslösungsrechtes vor. Die Anwendung von§ 11 Nr. 8 a AGBG istjedoch wegen der Vorschrift des§ 355 BGB problematisch. Dananch darf der Schuldner eine angemessene Frist zur Ausübung des Rücktrittsrechts bestimmen, wenn eine Frist vertraglich nicht vereinbart ist. Nach § 327 BGB gilt diese Regelung auch für gesetzliche Rücktrittsrechte 37• Eine Schlechterstellung des Gläubigers enthält eine AGB-Klausel daher zunächst nur dann, wenn sie eine unangemessen kurze Ausschlußfrist vorsieht 38 • Orientiert sich die Bestimmung dagegen am Maßstab des § 355 BGB, so liegt anscheinend keine Benachteiligung des Vertragspartners vor, da dem Schuldner die Befugnis zur Setzung einer entsprechenden Frist bereits aufgrunddes Gesetzes zustünde 39 • Trotzdem führt auch ein angemessener Fristvorbehalt zu einer Einschränkung des Rücktrittsrechtes aus § 326 BGB. Denn nach § 355 BGB ist die Fristsetzung erst möglich, wenn der Gläubiger sein Rücktrittsrecht ausüben kann 40 • Die entsprechende AGB-Regelung bewirkt dagegen von vomeherein eine zeitliche Begrenzung. Dadurch wird die Rechtsposition des Gläubigers aber verschlechtert, da ihm nach Ablauf der Nachfrist des § 326 BGB keine weitere Erklärung mehr zugeht, die ihn auf die Ausschlußfrist aufmerksam macht. Der Kunde, der in der Regel den genauen Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verwenders nicht kennt, läuft damit viel eher Gefahr, die Frist zu versäumen, als wenn er zur Ausübung eigens aufgefordert wird. Eine solche Klauselgestaltung verstößt daher gegen § 11 Nr. 8 a AGBG 41 • c) Erfordernis der Schriftform

Klauseln, die für die Ausübung des Rücktrittsrechtes Schriftform verlangen, werden hingegen nicht von § 11 Nr. 8 a AGBG erfaßt. Sie schränken zwar eben-

36 Bunte, Handbuch, S. 105; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 18; Palandt I Heinrichs, § 11 AGBG, Anm. 8 a; Kamm, S. 297. 37 MünchKomm I Janßen, § 355, Rdn. I. 38 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 17; Kamm, S. 297. 39 So Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 17; Harry Schmidt, EWiR, § 9 AGBG, 20/88. 40 MünchKomm/Janßen, § 355, Rdn. I; BGH, ZIP 1989,311,312. 41 So im Ergebnis wohl auch BGH, ZIP 1989, 3ll, 312; OLG Frankfurt, BB 1988, 1488, 1489 stützt die Nichtigkeit auf§ 9 AGBG, ohne auf die Frage der Vereinbarkeit mit § 11 Nr. 8 a AGBG einzugehen.

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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falls das Vertragslösungsrecht des Kunden ein, da die Rücktrittserklärung nach dem Gesetz formfrei ist. Einer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Klauselverbotes steht jedoch die Wertung des § 11 Nr. 16 AGBG entgegen 42 • Mit dieser Vorschrift, nach der nur die Bindung an eine strengere Form als Schriftform unwirksam ist, hat der Gesetzgeber bewußt auf einseitige Erklärungen des Kunden abgezielt 43 • Aus der Vereinbarkeil mit § 11 Nr. 16 AGBG läßt sich zwar nicht ohne weiteres die Wirksamkeit der Klauseln herleiten, da auch die nach den speziellen Verboten zulässigen AGB der Inhaltskontrolle nach der Generalklausel unterliegen 44 • Bestimmungen, die für den Rücktritt Schriftform fordern, enthalten jedoch über die mit§ 11 Nr. 16 AGBG in Einklang stehende geringfügige Erschwerung hinaus keine weitergehende Beeinträchtigung des Vertragslösungsrechts. Diese allein sollte aber nach der in § 11 Nr. 16 AGBG zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht zur unwiderlegbaren Nichtigkeit der Klausel führen. Daher kann jedenfalls in diesem Fall kein striktes Verbot des § 11 AGBG eingreifen. Eine andere Frage ist jedoch die Vereinbarkeil mit § 9 AGBG. Wegen des nicht abschließenden Charakters der speziellen Klauselverbote kann allein die Zulässigkeil nach § 11 Nr. 16 AGBG noch nicht die Wirksamkeit rechtfertigen 45 • Ob Schriftformklauseln mit den wesentlichen Grundgedanken des § 326 BGB noch zu vereinbaren sind, richtet nach den Besonderheiten des Einzelfalls. Von Bedeutung kann dabei sein, ob es in der betreffenden Branche üblich ist, Erklärungen auch mündlich abzugeben, oder ob normalerweise alle maßgeblichen Rechtshandlungen schriftlich vorgenommen werden. Widerspricht die Klausel danach § 9 Abs. 2 AGBG, dann läßt sie sich allerdings nur schwerlich durch berechtigte Verwenderinteressen rechtfertigen. Denn die Beweislast für die Rücktrittserklärung liegt ohnehin beim Kunden. Demzufolge hat auch nur er ein Interesse daran, diese Erklärung in schriftlicher Form abzugeben, während für den Schuldner kein Bedürfnis für eine Beweiserleichterung durch eine derartige Klausel erkennbar ist 46 •

42 BGH, ZIP 1989, 311, 312; Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 12; Soergel I Stein, § 11 AGBG, Rdn. 79, Fn 38. 43 Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 39; BGH, ZIP 1989,311,312. 44 Fast einhellige Meinung: BGHZ 90, 280, 284; Ulmer I Brandner, § 9, Rdn. 67; Schlosser I Graba, § 9, Rdn. 3; Koch I Stübing, § 9, Rdn. 6; MünchKomm I Kötz, § 9, Rdn. 1; Erman I Hefermehl, § 9 AGBG, Rdn. 2; a. A. nur Schmidt-Salzer, AGB, Rdn. F 14. 45 So Harry Schmidt, EWiR, § 9 AGBG, 20/88; a. A. offenbar BGH, ZIP 1989, 311, 312. 46 Harry Schmidt, EWiR, § 9 AGBG, 20/88.

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

3. Der Schutz des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung durch§ 11 Nr. 8 b AGBG a) Vorsätzlich und grob fahrlässig herbeigeführter Leistungsverzug

§ 11 Nr. 8 b i. V. m. § 11 Nr. 7 AGBG untersagt bei grob fahrlässig und vorsätzlich herbeigeführtem Verzug jede Einschränkung des Schadensersatzanspruches. Dies ergibt sich unstreitig aus dem Verweis auf die Grundnorm des § 11 Nr. 7 AGBG. Danach darf der Verwender weder für eigenes grobes Verschulden noch für das seiner Erfüllungsgehilfen die Schadensersatzpflicht ausschließen oder einschränken. Der Hinweis auf§ 11 Nr. 7 ist jedoch nur deklaratorischer Natur. Ohne ihn würde die Vorschrift direkt eingreifen, da sie generell für alle grob fahrlässigen Vertragsverletzungen, also auch für den Leistungsverzug, gilt 47 • b) Leicht fahrlässig herbeigeführter Leistungsverzug

aa) Restriktive Interpretation des § 11 Nr. 8 b AGBG durch einen Teil des Schrifttums

Umstritten ist indessen die Frage, ob§ 11 Nr. 8 b AGBG auch ein Verbot des Ausschlusses der Schadensersatzpflicht bei einfacher Fahrlässigkeit enthält. Eine verbreitete Auffassung geht davon aus, der Verschuldeosmaßstab für Haftungsfreizeichnungen in AGB ergäbe sich allein aus § 11 Nr. 7 AGBG, so daß der Verwender auch für Verzug oder Unmöglichkeit seine Haftung bei leichter Fahrlässigkeit voll ausschließen dürfe 48 • Die sprachliche Logik der Bestimmung des § 11 Nr. 8 b AGBG gestatte die Interpretation, eine Klausel, die Schadensersatzansprüche auf Fälle groben Verschuldeos begrenzt, nicht als verbotenen Ausschluß, sondern als grundsätzlich zulässige Einschränkung des Rechts, Schadensersatz zu verlangen, aufzufassen, da bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit die Sanktion ja erhalten bleibe 49 • Diese restriktive Auslegung der Vorschrift sei notwendig, um Wertungswidersprüche zwischen der Behandlung der Positiven Vertragsverletzung einerseits, für die gemäߧ 11 Nr. 7 AGBG ein Haftungsausschluß bei leichter Fahrlässigkeit zulässig sei, und Verzug und Unmöglichkeit andererseits zu verhindern. Mit den Rechtsgrundsätzen zur PVV werde nicht nur die Vernachlässigung unselbständiger Nebenpflichten sanktioniert. Vielmehr erLöwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11, Nr. 7, Rdn. 11. Schlosser, WM 1978, 562, 567; Staudinger I Schlosser,§ 11 Nr. 8, Rdn. 6; Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 8, Rdn. 13, 19; Dittmann I Stahl, Rdn. 444; Stein, Rdn. 66; Erman I Battes, § 325, Rdn. 38; Schmidt-Salzer, Produkthaftung II, S. 116 ff.; Canaris, Bankvertragsrecht, Rdn. 2568; Roussos, S. 19 ff.; Kamm, S. 286; Schlenke, S. 52; wohl auch Koch I Stübing, § 11 Nr. 8, Rdn. 14. 49 Schlosser, WM 1978, 562, 566; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 6. 47 48

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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fasse der Schadensersatzanspruch wegen Schlechtleistung genauso das Erfüllungsinteresse wie Ansprüche bei Verzug und Unmöglichkeit nach §§ 325, 326 BGB. Es sei kein Grund ersichtlich, warum beispielsweise Anwälte, Auskunfteien oder Architekten, die Vertragsverletzungen typischwerweise in der Form von Schlechterfüllung begehen, ihre Haftung stärker einschränken dürften als derjenige, dessen Vertragsverletzungen häufig Schadensersatzansprüche wegen Verzug und Unmöglichkeit auslösen 50• Zu besonders uneinsichtigen Differenzierungen müsse die Gegenmeinung für diejenigen Haftungsfälle kommen, die bei Abwicklung eines Werkvertrages entstehen können. Die Verantwortlichkeit für leichte Fahrlässigkeit wäre nicht ausschließbar für den Fall, daß die Herstellung des Werkes unmöglich wird oder sich verzögert. Das gleiche gelte für Ansprüche aus§ 633 Abs. 3 BGB beim Verzug mit der Mangelbeseitigungspflicht 51 • Wenn der Besteller die Mangelhaftigkeit des Werkes zum Anlaß nehme, nach § 635 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, müßte demgegenüber eine auf leichte Fahrlässigkeit beschränkte Freizeichnung zulässig sein, obwohl doch die Rechte aus dieser Vorschrift nach Abnahme des Werkes an die Stelle der zuvor bestehenden Unmöglichkeits- und Verzugshaftung treten 52 • Schließlich würden durch eine eigenständige Freizeichnungsgrenze für Verzug und Unmöglichkeit komplizierte Abgrenzungsfragen gegenüber der positiven Vertragsverletzung relevant, die bisher nur von theoretischer Bedeutung seien. Dies könne aber nicht die Absicht des Gesetzgebers des AGB-Gesetzes gewesen sein 53 • bb) Die Auffassung Manfred Wolfs

Ebenfalls für eine, allerdings weniger einschneidende Restriktion des Anwendungsbereiches von § 11 Nr. 8 b tritt Manfred Wolf ein, der im Interesse einer Harmonisierung der AGB-festen Freizeichnungsgrenze zwischen Verzug und Unmöglichkeit und den übrigen Formen der Vertragsverletzung lediglich in bestimmten Fällen den Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit gestatten möchte 54 • Er stellt bei der Frage, nach welchen Kriterien die Zulässigkeil einer Haftungsfreizeichnung für leichte Fahrlässigkeit für alle Leistungsstörungen einheitlich beurteilt werden kann, maßgeblich darauf ab, ob der AGB-Verwender mit der Übernahme einer Verflichtung einen besonderen Vertrauenstatbestand schaffe. 50

Schlosser, WM 1978, 562, 567; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 6; Roussos,

s. 22.

Schlosser, WM 1978, 562, 567; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 6. Schlosser, WM 1978, 562, 567; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 6. 53 Schlosser, WM 1978,562, 567; Staudinger I Schlosser,§ 11 Nr. 8, Rdn. 6; Roussos, s. 20. 54 Wolf, NJW 1980, 2433; ders., § 11 Nr. 8, Rdn. 8. 51

52

40

C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Dieses Prinzip des besonderen Vertrauensschutzes komme in§ 11 Nr. 11 AGBG zum Ausdruck, der die Einhaltung einer Zusicherung durch ein umfassendes Freizeichnungsverbot gewährleistet. Der Verwender müsse bei der Erfüllung eines Leistungsversprechens, auf das der andere Vertragsteil einer Zusicherung vergleichbar vertrauen dürfe, jede Sorgfalt beachten und dürfe daher seine Haftung bei leichter Fahrlässigkeit nicht ausschließen 55 • Diese Wertung beeinflußt nach Wolf aber andererseits die Auslegung des§ 11 Nr. 8 b AGBG, denn beim Fehlen eines solchen besonderen Vertrauenstatbestandes bedürfe der zu weit gefaßte Wortlaut einer teleologischen Reduktion. Dann gelte nurdie Freizeichnungsgrenze des§ 11 Nr. 7 AGBG, so daß ein Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit ausnahmsweise auch bei Verzug und Unmöglichkeit zulässig sei 56. cc) Stellungnahme (l) Gesetzesauslegung

Die von den Vertretern beider Auffassungen gewünschten Ergebnisse ließen sich jedoch nicht durch eine Auslegung, sondern nur durch eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches des § 11 Nr. 8 b gewinnen. Denn eine an Wortsinn und Systematik orientierte Interpretation der Regelung kann nur zu dem Ergebnis gelangen, daß auch der Ausschluß des Schadensersatzanspruchs von ihr erfaßt sein muß. Betrachtet man die völlige Freizeichnung für einfache Fahrlässigkeit als zulässige Einschränkung der Schadensersatzpflicht, dann bliebe für die Regelung des § 11 Nr. 8 b AGBG kein eigener Anwendungsbereich mehr, da sich sowohl das Verbot des völligen Ausschlusses als auch das der Beschränkung der Haftung bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz bereits aus § 11 Nr. 7 AGBG ergibt 57 • Eine eigenständige Bedeutung kann § 11 Nr. 8 b AGBG aber nur in dem nicht bereits von § 11 Nr. 7 AGBG geschützten Bereich, also bei einfacher Fahrlässigkeit, zukommen. Daß § 11 Nr. 8 b AGBG nicht bloße deklaratorische Verweisungsvorschrift auf§ 11 Nr. 7 ist, sondern einen eigenen Regelungsgehalt hat, ergibt sich jedoch eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift. Es heißt dort nicht, eine Bestimmung sei unwirksam, durch die das Recht des anderen Vertragsteils, Schadensersatz zu verlangen, entgegen Nr. 7 ausgeschlossen oder eingeschränkt werde, sondern die Verweisung auf § 11 Nr. 7 AGBG bezieht sich nach der Wortstellung ausschließlich auf das Verbot der Einschränkung, nicht aber auf das des Ausschlusses des Schadensersatzanspruches. Dies kann jedoch nur bedeuten, daß zwar die Beschränkung des Anspruches nur im Regelungsbereich des§ 11 Nr. 7 AGBG, also bei Vorsatz oder grober Fahrlässig55

56 57

Wolf, NJW 1980, 2433, 2435; ders., § 11 Nr. 8, Rdn. 8. Wolf, NJW 1980, 2433, 2436. Bunte I Heinrichs, S. 66; siehe auch oben 2 a).

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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keit, unzulässig sein soll, der völlige Ausschluß aber darüber hinaus auch für einfache Fahrlässigkeit untersagt ist. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gestützt. Nach dem Entwurf der Arbeitsgruppe beim Bundesminister der Justiz sollten sowohl der Ausschluß als auch die Einschränkung des Rechts auf Schadensersatz in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verboten werden 58 . Eine entsprechende Fassung enthielt auch der Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion59, während der II. Referentenentwurf lediglich die Untersagung des völligen Ausschlusses des Schadensersatzanspruches vorsah. Insofern enthält der Regierungsentwurf, dessen Wortlaut dann Gesetz wurde, einen Kompromiß 60• Dahinter stand aber die Überlegung, daß die Sanktion der Schadensersatzpflicht grundsätzlich unerläßlich sei, um den Klauselverwender zur vertragsmäßigen Leistung anzuhalten. Denn drohe ihm lediglich der Rücktritt des Kunden, so laufe dies nahezu auf dasselbe hinaus wie ein einseitiges Vertragslösungsrecht des Lieferanten. Damit sei nicht gewährleistet, daß der Klauselverwender sich mit der gebotenen Sorgfalt um die Erbringung der ihm obliegenden Leistung bemühe 61 . Das Bestreben des Gesetzgebers ging also ersichtlich dahin, mit§ 11 Nr. 8 b AGBG einen gegenüber der allgemeinen Regelung des § 11 Nr. 7 AGBG strengeren Maßstab für Schadensersatzansprüche bei Verzug und Unmöglichkeit zu schaffen. (2) Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion

auf Fälle groben Verschuldens

Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut fehlt es jedoch an einem zwingenden Bedürfnis, da die wortgetreue Interpretation nicht zu den insbesondere von Schlosser befürchteten Wertungswidersprüchen zwischen Nicht- und Schlechterfüllung führt. Die Rechtfertigung der teleologischen Reduktion liegt in dem Gebot der Gerechtigkeit, Ungleiches ungleich zu behandeln, d.h. die von der Wertung der geforderten Differenzierungen vorzunehmen62. Sie können entweder durch den Sinn und Zweck der einzuschränkenden Norm selbst, durch den insoweit vorrangigen Zweck einer anderen Norm, der andernfalls nicht erreicht würde, durch die Natur der Sache oder durch ein für eine bestimmte Fallgruppe vorrangiges, dem Gesetz immanentes Prinzip geboten sein 63 . Eine Rechtfertigung kann sich hier nur daraus ergeben, daß durch eine wortlautgetreue Auslegung des § 11 Nr. 8 b AGBG der vorrangige Zweck des ss Teilbericht I, S. 72. 59 Entwurf der CDU I CSU-Fraktion, BTDS 7/3200, S. 4. 60 Ulmer I Brandner, § 11 Nr. 8, Rdn. 2. 61 Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 15. 62 Larenz, Methodenlehre, S. 376. 63 Larenz, Methodenlehre, S. 376.

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

§ 11 Nr. 7 AGBG vereitelt würde, für alle Formen von Vertragsverletzungen einen einheitlichen AGB-festen Verschuldensmaßstab zu schaffen und daß die Art der Leistungsstörung keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung böte. Schlosser geht davon aus, derjenige Klauselverwender, der typischerweise Vertragsverletzungen durch Schlechterfüllung begehe, könne seine Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausschließen und werde daher gegenüber anderen, deren Verletzungen häufig die Form des Verzuges oder der Unmöglichkeit annehmen, unzulässig bevorteilt 64 • Für die genannten Beispiele des Rechtsanwaltes und der Auskunftei ist dieser Ansatzpunkt aber gerade unzutreffend. Denn Haftungsfreizeichnungen sind gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG unwirksam, wenn sie wesentliche Pflichten des Verwenders, die sich aus der Natur des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages ergeben, so einschränken, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. In jüngster Zeit hat der Bundesgerichtshof wiederholt deutlich gemacht, daß Haftungsausschlüsse auch für leichte Fahrlässigkeit keine Gültigkeit haben, soweit damit kardinale Pflichten des Klauselverwenders ausgehöhlt werden 65 • Für einen Rechtsanwalt und eine Auskunftei gehört es aber zu den vertragswesentlichen Pflichten, den Klienten richtig zu beraten, bzw. den Kunden mit zutreffenden Informationen zu versorgen, so daß ein vollständiger Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG verstoßen würde 66 • Soweit also der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Haftung auch für Pflichten ausschließt, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht, auf deren Erfüllung der Vertragspartner daher vertraut und vertrauen darf, wird diese Freizeichnung sowohl für Nicht- wie auch für Schlechterfüllung von der Rechtsprechung nicht anerkannt 67 • Wenn also die teleologische Reduktion des § 11 Nr. 8 b AGBG dazu führen soll, daß die Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit grundsätzlich wirksam sein soll, so entstehen damit neue Ungereimtheiten gegenüber der dann strengeren Inhaltskontrolle bei Kardinalpflichten nach§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG. Ist die Auffassung der Literatur aber - was wohl eher naheliegt - so zu verstehen, daß auch im Bereich von Verzug und Unmöglichkeit Freizeichnungen für einfache Fahrlässigkeit differenziert nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG zu beurteilen sein sollen, so muß das Bedürfnis für eine Reduktion erst recht bezweifelt werden. Denn ein Großteil der Freizeichnungen, die auf diese Weise dem Anwendungsbereich des § 11 Nr. 8 b AGBG entzogen würden, wären dann ohnehin gemäß § 9 AGBG nichtig. Schlosser, WM 1978, 562, 567; Staudinger I Schlosser, § ll Nr. 8, Rdn. 6. BGHZ 89, 363 (Kaltlagerung); BGHZ 93, 29, 48 (Vertragshändler); BGH, NJW 1985, 914, 916 (Tankscheck); BGH, NJW 1985, 1165 (Reiseveranstalter); BGH, NJW 1985, 3016 (Textilveredelung); BGH, ZIP 1985, 623 (Klimaanlagen). 66 So ausdrücklich für eine Auskunftei OLG Frankfurt, ZIP 1984, 976. 67 BGHZ 89, 363 BGH, NJW 1985, 3016, 3018; jeweils für Mangelfolgeschäden. 64

65

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

43

Die Abgrenzungsprobleme, die durch die wortlautgetreue Interpretation von § 11 Nr. 8 b AGBG im Einzelfall zwischen Unmöglichkeit und Schlechterfüllung auftauchen können, sind ebenfalls hinnehmbar, da das Schwergewicht des Regelungsbereiches der Vorschrift in der Praxis ohnehin beim Leistungsverzug liegt 68 • Die Voraussetzungen sind tatbestandlieh so klar umrissen, daß die Abgrenzung zu PVV und CIC hier keine größeren Probleme verursacht. (3) Bedürfnis für eine teleologische Reduktion im Sinne Wolfs Wolf ist zwar zuzugeben, daß im Bereich des Leistungsverzuges die Vorschrift des § 11 Nr. 8 b AGBG im Einzelfall sicher auch einmal Klauseln erfaßt, die einer Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG durchaus standhalten würden. Eine teleologische Reduktion mit der Folge, daß der Schadensersatzanspruch bei leichter Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden kann, wenn es an einem der Zusicherung vergleichbaren besonderen Vertrauenstatbestand fehlt, ist aber dennoch abzulehnen. Denn die eventuell größere Einzelfallgerechtigkeit würde nur um den Preis erreicht, daß der klare und voraussehbare Maßstab des § 11 Nr. 8 b AGBG zugunsten des allzu unbestimmten Kriteriums des besonderen Vertrauens geopfert würde. Dies widerspricht jedoch der gesetzgebensehen Intention der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit des§ 11 AGBG, durch klare und konkrete Normen einerseits Rechtssicherheit für den Aufsteller Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu schaffen und andererseits dem Kunden bereits im vorprozessualen Bereich die eindeutigen Grenzen belastender AGB aufzuzeigen, die ihm seine Rechte verwehren 69 • Die fehlende Wertungsmöglichkeit dieser Verbote führt zwangsläufig dazu, daß auch Klauseln erlaßt werden, die im Einzelfall, beispielsweise wegen der kompensierenden Wirkung eines ansonsten kundenfreundlichen Gesamtklauselwerkes, keine unangemessene Benachteiligung des Kunden bewirken 70 • Reduziert man aber die Klauselverbote des § 11 AGBG durch Herausnahme derartiger Fallgruppen auf ihren teleologischen Kembereich, dann wird durch die schleichende Einführung einer Wertungsmöglichkeit die beabsichtigte Präventivwirkungder Vorschrift ausgehöhlt. (4) Ergebnis § 11 Nr. 8 b AGBG enthält damit das strikte Verbot, den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB im Fall leichter Fahrlässigkeit auszuschließen 71 • Die Regelung des Verschuldensmaßstabes beinhaltet auch, daß 68 69

Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11, Nr. 8, Rdn. 27.

Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 14.

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Löwe I von Westphalen, § 7 Rdn. 2; Zoller, S. 61 für den Anwendungsbereich des

11

So im Ergebnis auch BGHZ 92, 24, 29; BGH, ZIP 1989, 311, 312; Ulmer I Hensen,

§ 11 Nr. 2 a AGBG.

§ 11 Nr. 8, Rdn. 1; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 26; Soer-

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

der AGB-Verwender seine Verantwortlichkeit für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen nach§ 278 BGB nur innerhalb der Grenzen des § 11 Nr. 8 b AGBG einschränken darf: Gemäß § 11 Nr. 8 b i. V. m. § ll Nr. 7 AGBG ist damit für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit jegliche Beschränkung der Haftung unwirksam. Bei leicht fahrlässigem Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen kann er Schadensersatzansprüche ebenfalls nicht vollständig ausschließen 72 • c) Die Haftung des Gattungsschuldners nach § 279 BGB aa) Die Anwendung des § 279 BGB auf den Schuldnerverzug

Der Schuldner einer nur der Gattung nach bestimmten Sache hat gemäß § 279 BGB Unvermögen auch ohne Verschulden zu vertreten, solange die Leistung aus der Gattung noch möglich ist. Sowohl die Voraussetzungen als auch die Rechtsfolgen dieser Vorschrift sind im einzelnen umstritten. Nach heute fast einhelliger Meinung ist der Wortlaut von § 279 BGB zu weit gefaßt, da man den Gattungsschuldner nicht für sämtliche Leistungshindernisse einstehen lassen kann. Er soll nur solche Hindernisse zu vertreten haben, die mit dem Charakter der Verbindlichkeit als Gattungsschuld zusammenhängen 73 • Dieses typische Dispositionsrisiko ist beispielsweise dann nicht betroffen, wenn der Schuldner durch persönliche Schicksalsschläge oder sonstige seinem Einfluß völlig entzogene Umstände, wie Krieg oder Einführung einer Zwangsbewirtschaftung, an der Erbringung der Leistung gehindert wird 74 • Nach einer Auffassung folgt diese Einengung der Haftung aus einer teleologischen Reduktion der Vorschrift 75 ; andere leiten den Umfang der Einstandspflicht aus einer Auslegung des Vertrages selbst und der darin enthaltenen Risikoübernahme her und sehen § 279 BGB daher im Prinzip als überflüssig an 76 • Nach der Rechtsprechung kommt in§ 279 BGB auch die Einstandspflicht des Schuldners für seine finanzielle Leistungsfähigkeit zum Ausdruck 77 , während die Literatur diesen Grundsatz überwiegend auf das im Zwangsvollstreckungsgell Stein, § 11 AGBG, Rdn. 81; MünchKomm/ Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 71; Palandt I Heinrichs, § 11 AGBG, Anm. 8 c; Hoppe, S. 73 ff.; Bunte I Heinrichs, S. 66 ff. n Anders ohne Begründung die Interpretation der h. M. durch Roussos, S. 24. 73 Soergel l Wiedemann, § 279, Rdn. 3; Staudinger I Löwisch, § 279, Rdn. 13; Palandt I Heinrichs, § 279, Anm. 2 b bb; MünchKomm I Emmerich, § 279, Rdn. ?;Teichmann, Leistungsstörungen, S. 16. 74 Soergell Wiedemann, § 279, Rdn. 13; Teichmann, Leistungsstörungen, S. 16. 75 Larenz, SR I, § 21 I d; Teichmann, Leistungsstörungen, S. 16. 76 Ballerstedt, FS Nipperdey, S. 261 ff.; Lemppenau, S. 96; Soergell Wiedemann, § 279, Rdn. 13; Staudinger I Löwisch, § 279, Rdn. 15; Medicus, BR, Rdn. 266. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts leitete diese Einschränkungen noch aus § 242 BGB her; vgl. RGZ 99, 1, 2. n z. B. BGHZ 28, 123, 128; 83, 293, 300.

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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und Konkursrecht niedergelegte Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung zurückführt 78. Auch die Rechtsfolgenseite der Vorschrift ist nicht unstreitig. Trotz des entgegenstehenden Wortlauts nimmt die überwiegende Meinung an, die primäre Leistungspflicht des Schuldners bestehe im Falle des Unvermögens weiter fort, so daß der Gläubiger Schadensersatz oder Rücktritt nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des Verzuges fordern könne 79 • Eine andere Meinung geht davon aus, der Gläubiger dürfe bei persönlicher Leistungsunfähigkeit des Gattungsschuldners sofort Schadensersatz verlangen, büße dafür aber seinen Erfüllungsanspruch ein 80• Heinrichs schließlich vertritt die Auffassung, die Primärleistungspflicht bleibe zwar bestehen, der Gläubiger dürfe aber trotzdem stattdessen auch Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 325 BGB fordern, falls sich sein Schuldner auf Unvermögen berufe8 1• Obwohl Wortlaut und systematische Stellung von§ 279 BGB dafür sprechen, daß die Vorschrift ausschließlich die Schadensersatzverpflichtung regelt, ist der herrschenden Meinung zu folgen. Denn die Norm sollte den im gemeinen Recht gültigen Grundsatz in das Bürgerliche Gesetzbuch einbringen, wonach der Schuldner eines nur der Gattung nach bestimmten Gegenstandes nicht durch subjektive Leistungsunfähigkeit von seiner Verpflichtung frei werden konnte 82 . Daß die Leistung so lange möglich ist, wie die Sache noch beschafft werden kann, ergibt sich bereits aus der Natur der Gattungsschuld. Normzweck des§ 279 BGB ist es aber nicht, den Schuldner frühzeitig von seiner Sachleistungspflicht zu befreien 83 . Gerade wenn man auch die unbedingte Einstandspflicht für die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit aus § 279 BGB herleitet, ist die Mindermeinung unpraktikabel: Denn ob der Gläubiger die ursprüngliche Leistung fordern kann oder Schadensersatz verlangen muß, hinge danach von der Liquidität des Schuldners ab. Die Auffassung Heinrichs unterscheidet sich demgegenüber in ihren Auswirkungen nicht wesentlich von der herrschenden Meinung. Behauptet der Schuldner, er sei leistungsunfahig, so steht dies einer Verweigerung der Erfüllung gleich 84. Der Gläubiger muß daher auch nach der herrschenden Meinung keine 78 z. B. Palandt I Heinrichs, § 279, Anm. 1 b cc; Staudinger I Löwisch, § 279, Rdn. 2; MünchKomm I Emmerich, § 279, Rdn. 2; Soergel I Wiedemann, § 279, Rdn. 4; Larenz, SR I,§ 21 I d. 79 Soergel! Wiedemann, § 279, Rdn. 6; Staudinger I Löwisch, § 279, Rdn. 3; Fikentscher, § 28 III 3 a; Teichmann , Leistungsstörungen, S. 15; Roth, JuS 1968, 101, 106. 80 Weber-Will I Kern, JZ 1981, 257, 259; Larenz, SR I, § 21 I d. 81 Palandt I Heinrichs, § 279, Rdn. 3 a. 82 Motive II, S. 45 = Mugdan II, S. 25; Teichmann, Leistungsstörungen, S. 15. 83 Soergel I Wiedemann, § 279, Rdn. 6. 84 BGHZ 72, 1702; Palandt I Heinrichs, § 284, Anm. 4 c; ders., § 326, Anm. 6 d.

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Nachfrist gemäß § 326 BGB setzen und kann ebenfalls sofort Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Geht man nun von dieser überwiegenden Meinung aus, so folgt daraus, daß die dogmatische Grundlage für Schadensersatzansprüche im Falle des nach § 279 BOB zu vertretenden Unvermögens ausschließlich Verzug und nie Unmöglichkeit sein kann. Denn im Unterschied zur Stückschuld steht das Unvermögen gerade nicht gemäß § 275 Abs. 2 der objektiven Unmöglichkeit gleich, so daß die Unmöglichkeitsfolgen auch nicht eintreten können 85 . Da die Primärleistungspflicht aber sowieso bestehen bleibt, ist es nur folgerichtig, § 279 BGB auch auf das lediglich vorübergehende Unvermögen zur Leistung anzuwenden. Das Beschaffungsrisiko des Gattungsschuldners kann sich entweder in einer völligen Unfähigkeit zur Leistung oder aber in einer bloßen Lieferverzögerung verwirklichen; beideMaleist die Interessenlage aber gleich. Daher wird nach fast einhelliger Meinung § 279 BGB auch im Rahmen des Vertretenmüssens gemäß § 285 BGB für den Verzug angewendet86 • bb) Inhaltskontrolle abweichender Klauseln

Auch soweit Leistungsverzug aufgrund der verschärften Haftung des § 279 BGB eintritt, fallen abbedingende Klauseln in den Anwendungsbereich des § 11 Nr. 8 AGBG. Da die Vorschrift ihrem Wortlaut nach ganz allgemein auf den Leistungsverzug abstellt, werden auch Fälle erlaßt, in denen der Verzug kein Verschulden voraussetzt 87. Gemäߧ 285 BOB setzt der Verzugseintritt lediglich voraus, daß der Schuldner die Nichtleistung zu vertreten hat. Nach der Systematik des Rechts der Leistungsstörungen ist der Begriff des Vertretenmüssens aber nicht a priori an ein Verschulden gebunden, sondern ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 276 bis 279 BGB. Auch für den Parallelfall der Unmöglichkeit stellt § 11 Nr. 8 AGBG auf Vertretenmüssen und nicht auf Verschulden ab, so daß für den Verzug auch nichts anderes gelten kann. Da die den Gattungsschuldner treffende Haftung sehr weitgehend ist, hat dies zwar zur Folge, daß damit auch Klauseln untersagt sein können, die an sich auf einem berechtigten Interesse des Verwenders an einer Risikominderung beruhen. Dies istjedoch ebenfalls eine Konsequenz der fehlenden Wertungsmöglichkeit der in§ 11 AGBG enthaltenen Verbote und daher die notwendige Kehrseite der 85 Teichmann, Leistungsstörungen, S. 15.

86 So die ganz h. M.: Medicus, FS Felgentraeger, S. 309, 316; ders., BR, Rdn. 267; Palandt I Heinrichs, § 285, Anm. 1; Staudinger I Löwisch, § 285, Rdn. 2; Larenz, SR I, § 23 I b; Fikentscher, § 45 II 4; Teichmann, Leistungsstörungen (2. Aufl.), S. 30; einschränkend Coester-Waltjen, AcP 183, 279, 292; grundsätzlich ablehnend Roth, JuS 1968, 101, 106. 87 So auch Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 7; Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 8, Rdn. 11; wohl auchKoch I Stübing, § 11 Nr. 8,Rdn. 4; unklar Ulmer I Hensen; § 11 Nr. 8, Rdn. 16.

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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so erzielten höheren Rechtssicherheit Das Ergebnis istjedoch hinnehrnbar, zumal der nichtkaufmännische Kunde hier besonders schutzwürdig ist. Der Kunde wird nämlich meist gezwungen sein, dem Händler, der sich auf Beschaffungsstörungen beruft, dies einfach zu glauben, da der Verbraucher zu einer Nachprüfung weder fahig ist, noch den entsprechenden Aufwand auf sich nehmen möchte. Damit wäre er gezwungen, auf Vertröstungen des AGB-Verwenders hin, der sich auf seine Freizeichnungsklausel beruft, auf die Leistung zu warten, ohne ihn durch Mahnung und Rücktritts- bzw. Schadensersatzdrohungen unter Druck setzen zu können. Allerdings muß auch für den Bereich der Gattungsschuld zwischen Primärleistungspflicht und Verzugshaftung unterschieden werden. Klauseln, die lediglich die Gattung eingrenzen, aus der der Schuldner den Leistungsgegenstand zu beschaffen hat, fallen nicht unter§ 11 Nr. 8 AGBG, da sie nicht die Einstandspflicht für die Leistungsstörung regeln. Derartige AGB werden jedoch, wenn sich aus der Vertragsauslegung im übrigen ergibt, daß eine unbeschränkte Gattungsschuld vorliegt, am Vorrang der Individualabrede gemäߧ 4 AGBG scheitern. Solche Klauseln können auch den Gläubiger gemäߧ 9 AGBG unangemessen benachteiligen, wenn sie durch eine zu starke Begrenzung des Vorrats die Beschaffungspflicht des Schuldners aushöhlen 88 •

4. Mit§ 11 Nr. 8 AGBG in Einklang stehende Einschränkungen der Schadensersatzpnicht a) Die Abgrenzung zwischen Ausschluß und Einschränkung der Schadensersatzpflicht

Da gemäߧ 11 Nr. 8 b i. V. m. § 11 Nr. 7 AGBG im Bereich grob fahrlässigen und vorsätzlichen Leistungsverzuges jede Beschränkung der Schadensersatzpflicht untersagt ist und nach der zutreffenden Meinung auch der völlige Ausschluß der Schadensersatzpflicht bei leichter Fahrlässigkeit gegen § 11 Nr. 8 b AGBG verstößt, bleibt für den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nur noch die Möglichkeit, für einfache Fahrlässigkeit die Schadensersatzansprüche zu beschränken. Damit gewinnt die Frage Bedeutung, nach welchen Kriterien Haftungsausschlüsse von Haftungseinschränkungen abzugrenzen sind. Problematisch ist dabei die Einordnung solcher Klauseln, die die Schadensersatzsanktion zwar nicht völlig ausschließen, sie aber von zusätzlichen Erschwerungen abhängig machen oder aber zeitlich hinausschieben. Dieses Problem stellt sich nicht, soweit es um die Erhaltung des Rücktrittsrechtes geht, da § 11 Nr. 8 a AGBG hier auch jede 88 In Betracht kommt insbesondere Nichtigkeit nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, wenn vertragswesentliche Pflichten ausgehöhlt werden.

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Beschränkung verbietet. Beim Schadensersatzanspruch wird es jedoch relevant, wenn die betreffenden Klauseln das Rücktrittsrecht unberührt lassen und daher ausschließlich nach § 11 Nr. 8 b AGBG zu beurteilen sind. Für die Abgrenzung ist mit Bunte an die Unterscheidung zwischen Grund und Höhe der Haftung anzuknüpfen 89 • Eine bloße Begrenzung des Schadensersatzanspruches ist danach nur gegeben, wenn die Freizeichnung den Haftungsgrund unberührt läßt und lediglich den Haftungsumfang regelt 90 • Wendet man diese Formel auf die problematischen Klauseltypen an, so gelangt man zu dem Ergebnis, daß es sich um Ausschlüsse des Schadensersatzanspruches handelt 91 • Denn die Veränderung der Haftungsvoraussetzungen führt zwangsläufig dazu, daß bei Nichtvorliegen dieser zusätzlichen Anforderungen der Ersatzanspruch vollständig wegfällt. Auch das zeitliche Hinauszögern der Haftung hat zur Konsequenz, daß bestimmte, nach dispositivem Recht eine Schadensersatzsanktion auslösende Verhaltensweisen völlig folgenlos bleiben. Die Haftung wird dadurch dem Grunde nach und nicht nur in ihrem Umfang tangiert. Gegen dieses Ergebnis ließe sich allerdings einwenden, daß auch der Ausschluß einzelner Schadensarten im Einzelfall de facto zu einer Sanktionslosigkeit führen kann, und zwar, wenn in dem betreffenden Fall nur die von der Klausel ausgeschlossenen Schadensarten entstanden sind, während andererseits die geringfügige zeitliche Verschiebung der Schadensersatzhaftung die Rechtsposition des Kunden erheblich weniger beeinträchtigt. Die Begriffe der Einschränkung und des Ausschlusses von Schadensersatzansprüchen müssen jedoch in Beziehung zur gesetzlichen Regelung gesehen werden. Nach dem dispositiven Recht besteht die Rechtsfolge des Verzuges u.a. in Schadensersatzansprüchen, deren Umfang sich nach den §§ 249 ff. BGB bemißt. Dem Wortsinn nach bedeutet Einschränkung des Schadensersatzanspruches daher die Beschränkung dieser Folgen. Wenn man aber auf der Tatbestandsseite erhöhte Anforderungen an den Eintritt dieser Rechtsfolgen stellt, hat das die Konsequenz, daß zwangsläufig bestimmte Fallgruppen gänzlich aus dem Anwendungsbereich der Haftungsnorm herausfallen. Mit derartigen Klauseln kann deshalb nie die Wirkung erzielt werden, daß die Rechtsfolge Schadensersatz für alle Fälle dem Grunde nach erhalten bleibt und lediglich dem Umfang nach beschränkt wird. Damit liegt eine mit § 11 Nr. 8 b AGBG in Einklang stehende Einschränkung des Schadensersatzanspruches nur vor, wenn die Rechtsfolge nach Art oder Umfang begrenzt, die Entstehungsvoraussetzungen aber nicht tangiert werden 92 • Diese Formel bedarf lediglich dann der Korrektur, wenn der Verwender seine Haftung so weit einschränkt, daß alle typischen Schäden nicht mehr ersetzt Bunte I Heinrichs, S. 4; Schmidt-Salzer, Produkthaftung II, S. 2. Bunte I Heinrichs, S. 4. 91 So auch Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 18. 92 So auch Bunte I Heinrichs, S. 4; Schmidt-Salzer, Produkthaftung li, S. 2; Wolf,§ 11 Nr. 8, Rdn. 18. 89

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werden. Denn bei einer Aushöhlung der Rechtsfolgen bis zur Bedeutungslosigkeit, liegt vom materiellen Gehalt her ein verbotener Ausschluß der Haftung vor. Auch Klauseln, die den Vertragspartner vermögensmäßig nicht besser stellen als im Falle eines Rücktritts vom Vertrag, beinhalten in Wahrheit einen Ausschluß der Schadensersatzpflicht, weil sie dem Kunden materiell nur die bereits durch § 11 Nr. 8 a AGBG gesicherte Position erhalten 93 • b) Kontrollfähigkeit

Die Tatsache, daß § 11 Nr. 8 b AGBG die Einschränkung des Schadensersatzanspruches bei leicht fahrlässigem Leistungsverzug zuläßt, bedeutet nicht, daß derartige Klauseln per se zulässig sind. Sie unterliegen vielmehr der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG 94 • Nach Meinung Schlossers lassen sich jedoch aus § 11 AGBG positiv Indizien für den gesetzgebensehen Willen entnehmen, bestimmte Klauseln im allgemeinen als wirksam zu akzeptieren, wenn sie zwar in den Anwendungsbereich eines Verbotes fallen, aber nicht mit ihm kollidieren 95 • Danach wären mit § 11 Nr. 8 AGBG in Einklang stehende Verzugshaftungsbeschränkungen also in aller Regel wirksam. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Im Verhältnis zu den §§ 10 und 11 AGBG hat die Generalklausel die Funktion einer Auffangvorschrift, da der Inhalt der Klauselkataloge naturgemäß nur exemplarisch sein kann und daher keine Vollständigkeit beansprucht 96• Deshalb darf aus der gesetzlichen Wertung, daß eine Bestimmung nicht nach § 11 AGBG strikt untersagt ist, nicht der Schluß gezogen werden, sie enthalte einen angemessenen lnteressenausgleich. Der Gesetzgeber will vielmehr für diese Fälle lediglich kein generelles Unwerturteil aussprechen, sondern die Prüfung der Klausel im Einzelfall ermöglichen, bei der auch die Auswirkungen im Rahmen des konkreten Geschäftstyps mit berücksichtigt werden können. Gegen die Auffassung Schlossers spricht aber insbesondere auch die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG. Danach soll dispositiven Normen, die Ausdruck eines allgemeinen Gerechtigkeitsgebotes sind, Leitbildfunktion zukommen, so daß Abweichungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Rechtfertigung So auch Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 10. Fast einhellige Meinung: BGHZ 90, 280, 284; Ulmer I Brandner, § 9, Rdn. 67; Schlosser I Graba, § 9, Rdn. 3; Koch I Stübing, § 9, Rdn. 6; MünchKomm I Kötz, § 9 AGBG, Rdn. 1; Erman I Hefermehl, § 9 AGBG, Rdn. 2; speziell für mit § 11 Nr. 8 b AGBG in Einklang stehende Klauseln: Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 10; Soergell Stein, § 11 AGBG, Rdn. 82; Dietlein I Rebmann, § 11 Nr. 8, Rdn. 4; a. A. ohne nähere Begründung nur Schmidt-Salzer, AGB, Rdn. F 14, der§ 11 AGBG für die dort geregelten Fragen für abschließend hält. 95 Staudinger I Schlosser,§ 9, Rdn. 3; so wohl auch andeutungsweise BGH, ZIP 1989, 311, 312. 96 Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 23. 93

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

bedürfen. Die in § 11 AGBG zusammengefaßten Klauseln stellen überwiegend Konkretisierungen dieses Prinzips dar, wobei hier der Mißbrauch so evident ist, daß sich jede weitere inhaltliche Prüfung erübrigt 97 • Spräche jedoch eine Wirksamkeitsvermutung für AGB, die sich im Rahmen des § 11 AGBG bewegen, so wäre für die dort geregelten Fragen ein Freiraum eröffnet, innerhalb dessen der Verwender Abweichungen von Grundgedanken des dispositiven Rechts nicht zu rechtfertigen brauchte. Damit würden die speziellen Klauselverbote des § 11 AGBG im Ergebnis zu einer Abschwächung der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG in bestimmten Teilbereichen führen. Eine solche Einschränkung hatte der Gesetzgeber aber mit der Schaffung des § 11 AGBG sicher nicht bezwecken wollen. Das Ergebnis der Inhaltskontrolle ist daher auch dann offen, wenn eine Verzugsklausei mit § 11 Nr. 8 AGBG vereinbar ist98 •

c) Kriterien bei der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Haftungsbegrenzungsklauseln für den Bereich leichter Fahrlässigkeit vor allem unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG kontrollbedürftig 99 • Danach darf sich der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht von der Haftung für solche Pflichten freizeichnen, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages erst ermöglicht und auf deren Erfüllung der Vertragspartner daher berechtigterweise vertraut 100• Dies schließt zwar Haftungsbegrenzungen nicht prinzipiell aus. Summenmäßige Beschränkungen sind aber nur dann nicht zu beanstanden, wenn für alle Fälle dadurch umfassende Schadensvorsorge getroffen wird, daß der Verwender seinem Kunden für weitergehende Schäden Versicherungsschutz anbietet. Tut er dies nicht, so kann er sich nur für atypische, unvorhersehbare Schäden freizeichnen 101 • In der Literatur ist dagegen streitig, ob die Festlegung kardinaler Pflichten ein geeignetes und praktisch handhabbares Kriterium für die Inhaltskontrolle von Haftungsfreizeichnungen sein kann 102 • Unabhängig von der Entscheidung dieser Frage läßt sich jedoch anband der Vorschrift des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG nicht einheitlich beurteilen, inwieweit Teilbericht I, S. 57. So ausdrücklich BGHZ 90, 280, 284 für eine mit§ 11 Nr. 12 a AGBG in Einklang stehende Laufzeitklausel eines Direktschuldvertrages. 99 BGHZ 89, 363, 367; 93, 29, 48; BGH, ZIP 1984, 971, 975; BGH, NJW 1985, 914, 916; 1985, 1165. 100 BGHZ 89, 363, 367; BGH, NJW 1985, 914, 916. 101 BGHZ 77, 126, 132; 89, 363, 369; BGH, NJW 1985, 3016, 3018. 102 Kritisch zur Kardinalpflichtlehre z. B. Roussos, S. 90 ff.; Wolf, NJW 1980, 2433; Schlosser, WM 1978, 562, 563; ders., in: Zehn Jahre AGB-Gesetz, S. 121 ff.; Becker, S. 145; Kötz, NJW 1984, 2447. 97

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die Erhaltung der Schadensersatzsanktion gemäß § 326 BGB erforderlich ist, um eine Aushöhlung vertragswesentlicher Pflichten im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG zu verhindern. Zwar gilt § 326 BGB nur für im Synallagma stehende Hauptpflichten, die als vertragswesentliche Pflichten im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG qualifiziert werden können. Es läßt sichjedoch nur anband einzelner Vertragstypen beurteilen, ob durch eine Abbedingung der Haftung für leichte Fahrlässigkeit der Vertragszweck gefährdet würde. Denn die Pflichtverletzung besteht beim Leistungsverzug in der zu vertretenden Nichtleistung. Für die durch die Verspätung entstehenden Schäden haftet der Schuldner aber bereits nach § 286 Abs. 1 BGB und bleibt daneben weiter zur Leistung verpflichtet. Hat der Gläubiger kein elementares Interesse an der Vertragsleistung, so genügt ihm das Rücktrittsrecht. Die Frage, ob eine Beschränkung des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung die Hauptleistungspflicht so einschränkt, daß der Vertragszweck gefährdet ist, kann also angesichts der sonstigen Rechtsbehelfe, die noch zur Verfügung stehen, nicht generell bejaht werden, sondern hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Der Maßstab des § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG ist nötig, um allgemeine Freizeichnungen zu kontrollieren. Da die unter den Rechtsinstituten der PVV und der CIC zusammengefaßten Pflichtverletzungen so mannigfaltig sind, daß ein gesetzliches oder gewohnheitsrechtliches Leitbild nur schwer herausgestellt werden kann, besteht ein Bedürfnis, die Zulassung der Freizeichnung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Vertragspflicht und ihrer Bedeutung im Vertragsverhältnis zu beurteilen. Für den Leistungsverzug ist das gesetzliche Leitbild jedoch klarer abgrenzbar, so daß eine Aussage über freizeichnende AGB gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB gewonnen werden kann. Dabei ist vom hohen Gerechtigkeitsgehalt der Regelung des § 326 BGB auszugehen. Der Zweck der Norm liegt darin, dem Schuldner eine letzte Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung zu geben, indem er vom Gläubiger vor die Frage gestellt wird, ob er als Konsequenz seines Verzuges die schwerwiegenden Folgen derVorschriftauf sich nehmen möchte, oder aber bereit ist, sie durch die nachträgliche Leistung abzuwenden 103 • Dies setzt aber eine gewisse Härte der Sanktion voraus, um auf den Schuldner den nötigen Druck ausüben zu können. Da der Schuldner die Liquidation des Vertrages nach der Wertung der §§ 276 ff. zu vertreten hat, muß er auch die dadurch verursachten Nachteile tragen. Der Gläubiger hat daher grundsätzlich Anspruch auf vollen Schadensersatz, so daß es mit dem Grundgedanken des § 326 BGB unvereinbar wäre, wenn sich eine Schadensbegrenzungsklausel nicht am typischerweise zu erwartenden Schaden orientiert, sondern von vomeherein darauf angelegt ist, nur einen Bruchteil zu ersetzen. Andererseits besteht ein Bedürfnis des Klauselverwenders für einen Ausschluß atypisch hoher Schadensersatzansprüche, wenn er angesichts des massenhaften 103

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BGH, NJW 1983, 1731 , 1732; MünchKomm I Emmerich, § 326, Rdn. 1.

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Abschlusses von Geschäften einerseits Verzögerungen nicht immer ausschließen kann und andererseits sein Kundenkreis so inhomogen ist, daß er die Schäden, die bei den einzelnen Vertragspartnern entstehen, nicht im einzelnen vorhersehen kann. Außerdem spricht für sein Freizeichnungsinteresse, daß gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 AHB die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung ist 104• Der Verwender kann sich daher regelmäßig nicht gegen entsprechende Ansprüche seiner Vertragspartner versichern. Daraus ergibt sich für eine summenmäßige Haftungsbeschränkung, daß sie sich an dem erfahrungsgemäß bei dieser Art von Geschäften zu erwartenden Schaden zu orientieren hat 105 • Der Nichterfüllungsschaden wird bei den meisten Geschäften mit Verbrauchern darin liegen, daß diese sich ein entsprechendes Produkt nunmehr anderweitig teurer beschaffen müssen. Eine am Kaufpreis orientierte Höchstgrenze ist daher zulässig, wenn der Prozentsatz in etwa die auf dem Markt tatsächlich bestehenden Preisdifferenzen berücksichtigt. Auch einzelne Schadensarten können ausgeschlossen werden. So braucht der Verwender beispielsweise im nichtkaufmännischen Bereich in aller Regel nicht mit entgangenem Gewinn bei seinen Kunden zu rechnen, so daß er diese Position ausschließen kann.

5. Die Beschränkbarkeil der Gläubigerrechte beim Verzug mit Teilleistungen a) Die Bedeutung der Regelung des § 11 Nr. 9 AGBG

Liegt eine unteilbare Leistung vor und erfüllt der Schuldner unvollständig, so gerät er hinsichtlich der gesamten Schuld in Verzug. Daher ist das Recht des Gläubigers, hinsichtlich des ganzen Vertrages nach § 326 BGB vorzugehen, bereits durch § 11 Nr. 8 AGBG gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschützt 106 • Unteilbar ist eine Leistung dann, wenn sie nicht ohne Verminderung ihres Wertes in gleichartige Teilleistungen zerlegt werden kann 107 • So können beispielsweise Werkleistungen kaum je teilbar sein, so daß die unvollständige Erfüllung jeweils Verzug mit der gesamten Verbindlichkeit auslöst 108 • Nimmt der Gläubiger dagegen bei einer teilbaren Leistung einen Teil entweder vor Setzung der Nachfrist des § 326 BGB oder während des Laufes der Nachfrist entgegen, dann begrenzt das Gesetz grundsätzlich die Rechtsbehelfe auf den 104 Wussow, AHB, § I, Anm. 68; Wagner, S. 157; Soergel I Wiedemann, § 286, Rdn. 32; Staudinger I Löwisch, § 286, Rdn. 3. 105 So auch Wolf,§ 11, Nr. 8, Rdn. 17. 106 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 9, Rdn. 3; Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 12; Wolf, § 11 Nr. 9, Rdn. 6; Staudinger I Otto, § 325, Rdn. 73. 107 Palandt I Heinrichs, § 266, Anm. 2 b; Staudinger I Selb, § 266, Rdn. 3. 108 Staudinger I Selb, § 266, Rdn. 3.

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nichterfüllten Vertragsteil 109• Das Recht, hinsichtlich dieses Teiles der Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder zurückzutreten, ist ebenfalls bereits durch§ 11 Nr. 8 AGBG geschütztllo. Die Regelung des§ 11 Nr. 9 AGBG wurde für nötig gehalten, um dem Vertragspartner für den Fall des teilweisen Leistungsverzuges des AGB-Verwenders wie auch bei teilweiser Unmöglichkeit das Recht zu erhalten, gemäß § 326 Abs. 1 S. 3 bzw. § 325 Abs. 1 S. 2 und§ 280 Abs. 2 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung der gesamten Verbindlichkeit zu verlangen oder vom ganzen Vertrag zurückzutreten, wenn die teilweise Erfüllung für ihn kein Interesse mehr hat 111 • Der Gläubiger soll nicht dazu gezwungen werden können, eine für ihn wertlose Teilleistung behalten zu müssen 112• Dagegen war mit der Schaffung des § 11 Nr. 9 AGBG nicht beabsichtigt, Klauseln, durch die sich der Verwender vorbehält, entgegen § 266 BGB Teilleistungen erbringen zu dürfen, generell zu untersagen. Denn der Gläubiger kann nach Treu und Glauben ohnehin verpflichtet sein, Teilleistungen anzunehmen, wenn ihm dies bei verständiger Würdigung der Lage des Schuldners und seiner eigenen schutzwürdigen Belange zuzumuten ist 113 • Um unangem~ssen belastende Teillieferungsrechte einzudämmen, sollte die Generalklausel genügen 114. Der selbständige Anwendungsbereich von § 11 Nr. 9 AGBG im Hinblick auf die Erhaltung der Rechte aus §§ 326 Abs. 1 S. 2, 325 Abs. 1 S. 3 und 280 Abs. 2 BGB ist jedoch recht gering. Bei der Sicherung des Rücktrittsrechts kommt der Bestimmung nur deklaratorische Bedeutung zu, weil das Vertragslösungsrecht im Falle von Verzug und Unmöglichkeit bereits durch§ 11 Nr. 8 a AGBG gegen jede Einschränkung geschützt ist. Da zu den dem Gläubiger nach dispositivem Recht zustehenden Rechtsbehelfen auch gehört, im Falle des Teilverzuges bei Interessenverlust vom ganzen Vertrag zurücktreten zu können, beinhaltet bereits § 11 Nr. 8 a AGBG das Verbot, dem Kunden dieses Recht zu nehmen. Daher wäre die Sonderregelung für diesen Fall nicht notwendig gewesen. Lediglich für den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung kommt der Vorschrift ein eigenständiger Regelungsgehalt zu, da gemäß § 11 Nr. 8 b AGBG nur der völlige Ausschluß untersagt ist. Billigt eine Klausel Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur hinsichtlich des Teiles der Leistung zu, mit der sich der 109 110

Soergell Wiedemann, § 326, Rdn. 81. Wolf,§ 11 Nr. 9, Rdn. 11; Dietleinl Rebmann, § 11 Nr. 9, Rdn. 1.

Teilbericht I, S. 74. Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 9, Rdn. 3; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 9, Rdn. 1; Teilbericht I, S. 74. 113 MünchKomrn I Keller, § 266, Rdn. 14 ff. 114 Teilbericht I, S. 73; allgemeine Meinung: Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 9, Rdn. 3; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 9, Rdn. 2; Wolf, § 11 Nr. 9, Rdn. 2; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 9, Rdn. 14; Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 3; Soerge/1 Stein, § 11 AGBG, Rdn. 85; MünchKomm I Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 77; Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 9, Rdn. 3. 111

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Verwender in Verzug befindet, so liegt eine mit§ 11 Nr. 8 b AGBG in Einklang stehende bloße Einschränkung dieses Rechtes vor. Für den Fall des Interessenverlustes hinsichtlich der Teilleistung verbietet § 11 Nr. 9 AGBG dagegen eindeutig solche Klauseln. Die sprachliche Fassung des § 11 Nr. 9 AGBG ist im übrigen verunglückt, da sich der letzte Halbsatz mit der Wendung "für ihn kein Interesse mehr hat" danach auf den Verwender beziehen würde 115 • Der Fehler beruht auf einem Redaktionsversehen, das darauf zurückzuführen ist, daß noch im Regierungsentwurf nicht von der "anderen Vertragspartei" sondern vom "anderen Vertragsteil" die Rede war 116• Später wurde versäumt, das Pronomen im letzten Halbsatz entsprechend anzupassen 117 • Die Erwähnung des Interesseverlustes des Gläubigers ist im Grunde genommen auch überflüssig, da es keine Vorschrift des dispositiven Rechts gibt, die im Falle teilweisen Verzuges oder teilweiser Unmöglichkeit Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktritt hinsichtlich der gesamten Verbindlichkeit ermöglicht, obwohl die Erfüllung des Vertrages für den Gläubiger noch von Interesse ist 118 • Von Westphalen ist der Auffassung, der letzte Halbsatz diene der Klarstellung. Es sei danach dem AGB-Verwender verwehrt, für den Interessewegfall des Kunden weitere erschwerende Tatbestandsvoraussetzungen zu fordern 119• Dazu bedarf es allerdings nicht der Wendung in§ 11 Nr. 9letzter Halbsatz, denn solche Klauseln wären von dem Verbot ohnehin erfaßt: Eine Bestimmung, die den Rücktritt vom Gesamtvertrag von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig macht, stellt nämlich ohne weiteres eine Beeinträchtigung dieses Rechtes des Vertragspartners dar, ohne daß es einer zusätzlichen Erwähnung dieses Falles bedarf. b) Der Ausschluß und die Einschränkung des Rücktrittsrechtes

§ 11 Nr. 9 AGBG spricht im Gegensatz zu § 11 Nr. 8 a AGBG nicht vom Recht des anderen Teiles, sich vom Vertrag zu lösen, sondern vom Rücktrittsrecht, so daß zweifelhaft ist, ob auch das Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen mit erfaßt sein soll 120• Wolf vertritt den Standpunkt, Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen in den jeweiligen Leistungsabschnitten erbracht 115 Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 9, Rdn. 3; Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 10; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 9, Rdn 8. 116 Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 6. 111 Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 10. 118 Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 9, Rdn. 3. 119 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 9, Rdn. 8. 120 Für die Erfassung des Kündigungsrechtes Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 9, Rdn. 5; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 9, Rdn. 5; dagegen Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 14; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 9, Rdn 5.

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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werden, seien keine Teilleistungen, so daß bei Verzug mit einzelnen Raten kein Fall von § 326 Abs. 1 S. 3 BGB vorliegen könne 121 • Vom natürlichen Sprachgebrauch her liegen jedoch Teile einer Gesamtleistung vor, die im Rahmen eines Schuldverhältnisses erbracht werden soll. Man kann auch bei Dauerschuldverhältnissen zwischen einem erfüllten und einem nicht erfüllten Teil der Verbindlichkeit im Sinne von§ 326 Abs. 1 S. 3 BGB unterscheiden. Schlosser sieht einen Anwendungsbereich für § 11 Nr. 9 AGBG darin, daß danach das Recht, ein Dauerschuldverhältnis ingesamt zu kündigen, nicht ausgeschlossen werden dürfe, wenn sich der wichtige Grund auf Teile des Vertragsobjektes beziehe, die Fortsetzung des Verhältnisses mit dem Rest aber ohne Interesse sei 122• Meines Erachtens paßt § 11 Nr. 9 AGBG deshalb nicht für das Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnisse, weil dieses ohnehin nur für die Zukunft wirken kann und den abgewickelten Teil unberührt läßt 12 3 . Außerdem stellen sowohl § 11 Nr. 9 AGBG als auch § 326 Abs. 1 S. 3 BGB auf den Interesseverlust ab, während bei Dauerschuldverhältnissen das entscheidende Kriterium für die Kündigung die Unzumutbarkeit der weiteren Fortsetzung des Vertrages ist 124 • Es ist daher folgerichtig, wenn § 11 Nr. 9 AGBG nur auf das Rücktrittsrecht abstellt. Nach dem Wortlaut von§ 11 Nr. 9 AGBG wird nur der Ausschluß, nicht aber die bloße Beschränkung des Rücktrittsrechts vom Gesamtvertrag erlaßt. Eine verbreitete Meinung in der Literatur geht daher davon aus, es sei eine extensive Auslegung dahingehend geboten, daß Beschränkungen der Rechte des Kunden bei Teilverzug im gleichen Maße unwirksam seien, wie dies gemäß § 11 Nr. 8 AGBG bei Verzug mit der gesamten Leistung der Fall sei 125 • Zur Erhaltung des Rücktrittsrechtes bedarf es jedoch einer solchen erweiternden Auslegung nicht, da insofern alle dieses Recht beeinschränkenden AGB schon nach § 11 Nr. 8 a AGBG unzulässig sind. Auch hier kommt die von den Verfassern des Gesetzes unterschätzte Reichweite der Vorschrift zum Tragen, neben der die Schaffung einer Sonderregelung überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Der Rückgriff auf die allgemeine Norm des § 11 Nr. 8 AGBG wäre nur dann versperrt, wenn § 11 Nr. 9 AGBG als lex specialis eine abschließende Regelung für die Frage der Abbedingung des Rechtes aus § 326 Abs. 1 S. 3 BGB darstellen würde, so daß alle nicht erfaßten Klauseln lediglich nach der Generalklausel zu beurteilen wären. § 11 Nr. 9 AGBG war jedoch als Ergänzung zu § 11 Wolf, § 11 Nr. 9, Rdn. 3. Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 9, Rdn. 5. 123 Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 9, Rdn. 5. 124 Soergel I Wiedemann, vor§ 323, Rdn. 67. 125 Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 9, Rdn. 5; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 9, Rdn. 6; Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 9, Rdn. 7; Stein, § 11, Rdn. 72; Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 16; a. A. Wolf, § 11 Nr. 9, Rdn. 13; Dietlein I Rebmann, § 11 Nr. 9, Rdn. 3; Soergel I Stein, § 11 AGBG, Rdn. 88. 12 1

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Nr. 8 AGBG gedacht und sollte nicht die Wirkung haben, den Schutz des § 11 Nr. 8 AGBG einzuschränken. Daher sind Klauseln, die das Rücktrittsrecht im Falle des Teilverzuges beschränken, zwar nicht nach § 11 Nr. 9 jedoch nach § 11 Nr. 8 a AGBG unwirksam 126.

c) Der Ausschluß und die Einschränkung des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung

Für den Fall grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Teilverzuges ergibt sich bereits aus § 11 Nr. 8 b i. V. m. § 11 Nr. 7 AGBG, daß jegliche Einschränkung des Schadensersatzanspruches unzulässig ist. Auch hier ist der Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift zulässig, da§ 11 Nr. 9 AGBG den AGB-Verwender nicht privilegieren wollte. Einer extensiven Auslegung oder Analogie bedarf es daher nicht 127 • Bei der Haftung für leichte Fahrlässigkeit hängt die Frage der Einschränkbarkeit für Teilverzug davon ab, ob man § 11 Nr. 8 b AGBG auch als Regelung des Verschuldeosmaßstabes ansieht 128 oder der Auffassung folgt, die eine teleologische Reduktion befürwortet 129 • Nach der hier vertretenen Meinung stellt eine Begrenzung der Haftung auf grobes Verschulden begrifflich keine Einschränkung sondern einen partiellen Ausschluß des Schadensersatzanspruches dar. Dies hat zur Folge, daß eine solche Regelung hinsichtlich des Rechtes aus § 326 Abs. 1 S. 3 BGB ebenfalls als gemäß § 11 Nr. 9 AGBG unzulässiger Ausschluß des Anspruches einzustufen ist. Für leicht fahrlässig herbeigeführten Teilverzug läßt sich der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages auf am typischerweise auftretenden Schaden orientierte Höchstsummen begrenzen. Hier liegt insofern ein eigenständiger Regelungsgehalt der Vorschrift des§ 11 Nr. 9 AGBG, als es nicht möglich ist, den Schadensersatzanspruch auf diejenigen Teilleistungen zu beschränken, welche vom Leistungsverzug unmittelbar betroffen sind. Denn dadurch bliebe der Interesseverlust unberücksichtigt, so daß eine solche Gestaltung der Sache nach als ein gegen § 11 Nr. 9 AGBG verstoßender Ausschluß des Schadensersatzanspruches hinsichtlich der gesamten Verbindlichkeit zu bewerten wäre13o.

Ist damit die untere Grenze der zu erhaltenden Haftung festgelegt, so ergibt sich für die Inhaltskontrolle sonstiger die Schadensersatzpflicht einschränkender So im Ergebnis auch Palandt I Heinrichs, § 11 AGBG, Anm. 9 a. Löwe I von Westphalen, § 11 Nr. 9, Rdn. 9; MünchKomm I Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 78; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 9, Rdn. 6. 128 s. o. 3. b) aa). 129 S. o. 3. b) cc). 130 BGH, BB 1983, 524, 526;Jagenburg, NJW 1985,2563, 2566; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 9, Rdn. 9; Dietlein I Rebmann, § 11 Nr. 9, Rdn. 2; Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 17. 126

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III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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Bestimmungen anband der Generalklausel, daß sich Haftungshöchstgrenzen am zu erwartenden Schaden hinsichtlich der Gesamtverbindlichkeit zu orientieren haben, da sie auch für Teilverzug den möglichen Interesseverlust mitberücksichtigen müssen. Daraus folgt aber auch, daß sich eine spezielle Klausel für den Fall des Teilverzuges kaum je empfiehlt, weil die Schadenshöchstgrenzen ohnehin denen bei Totalverzug entsprechen müssen, um § 11 Nr. 9 AGBG nicht zu verletzen. d) Verzug mit einzelnen Raten beim echten Sukzessivlieferungsvertrag aa) Besonderheiten der Verzugshaftung bei Sukzessivlieferungsverträgen

Als Sukzessivlieferungsvertrag bezeichnet man einen einheitlichen Kauf- oder Werkvertrag, der auf die Erbringung von Leistungen in zeitlich aufeinanderfolgenden Raten gerichtet ist 13 1• Die Terminologie ist zwar nicht ganz einheitlich, die Bezeichnung wird jedoch überwiegend als Oberbegriff für zwei verschiedene Vertragsgestaltungen gebraucht 132 • Es muß unterschieden werden zwischen Ratenlieferungsverträgen, bei denen von vomeherein eine bestimmte Menge geschuldet wird, die in Teilmengen zu liefern ist, und den Bezugs- oder Dauerlieferungsverträgen, die über einen längeren Zeitraum abgeschlossen werden und bei denen die Leistungsmenge bei Vertragsschluß noch nicht feststeht 133 • Während der letztgenannte Vertragstyp als Dauerschuldverhältnis klassifiziert wird und die Liquidation bei Leistungsstörungen daher durch außerordentliche Kündigung erfolgt, kommt beim Ratenlieferungsvertrag, dem sogenannten echten Sukzessivlieferungsvertrag, grundsätzlich § 326 BGB zur Anwendung 134• Dabei sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten. Kommt der Schuldner mit einer oder mehreren Raten in Verzug, hat der Gläubiger nach seiner Wahl folgende Rechte: Zum einen hat er entweder den Anspruch auf Erfüllung des Vertrages und kann daneben Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen oder nach Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung hinsichtlich der verzögerten Teilleistung gemäß § 326 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordern bzw. insoweit zurücktreten 135 • Wenn die Pflichtverletzung derart schwerwiegend ist, daß dem Gläubiger die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zuzumuten ist, kann er aber auch wegen 131 BGH, NJW 1977, 35; Musielak, JuS 1979, 96, 97; Soergel I Wolf, § 305, Rdn. 22; Palandt I Heinrichs, Einf. vor § 305, Anm. 6 a. 132 Palandt I Heinrichs, Einf. vor§ 305, Anm. 6 a; Musielak, JuS 1979, 96, 97; Erman I Hefermehl, Vorbem. § 145, Rdn. 44; BGH, NJW 1977, 35; a. A. MünchKomm/ Emmerich, vor§ 275, Rdn. 165, der nur den Ratenlieferungsvertrag als Sukzessivlieferungsvertrag bezeichnet und Fikentscher, § 8 Nr. 7 c, für den nur Dauerlieferungsverträge Sukzessivlieferungsverträge sind. 133 Palandt I Heinrichs, Einf. vor§ 305, Anm. 6 a. 134 Musielak, JuS 1979, 96, 97. 135 Palandtl Heinrichs, Einf. vor§ 305, Anm. 6 c aa.

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

der gesamten noch ausstehenden Raten sofort nach § 326 BGB vorgehen, wobei nach herrschender Meinung nicht erforderlich ist, daß die Erfüllung der später fälligen Teilleistungen für ihn kein Interesse mehr hat l36. Will der Gläubiger die Nachfrist auch mit Wirkung für die künftigen noch nicht fälligen Teilleistungen setzen, muß er allerdings klar zum Ausdruck bringen, daß er nach fruchtlosem Fristablauf die Abnahme der ganzen Leistung und nicht nur die des fälligen Teiles ablehnen werde 137 • Hat der Schuldner bereits Teilleistungen erbracht, so kann der Gläubiger seine Rechte allerdings regelmäßig nur wegen der noch ausstehenden Raten ausüben, da es bei Sukzessivlieferungsverträgen kaum vorkommen wird, daß die bereits bewirkte Teilleistung für ihn kein Interesse mehr hat 138 • bb) Inhaltskontrolle abweichender AGB

Aus diesen Besonderheiten ergeben sich auch Konsequenzen für die Grenzen bei der Gestaltung abweichender Allgerneiner Geschäftsbedingungen durch den Schuldner. Da der Rücktritt nur Wirkung für die Zukunft entfaltet, braucht eine Klausel auf den Interessewegfall und die Regelung des § 11 Nr. 9 AGBG keine Rücksicht zu nehmen 139 • Schließt sie die Rücktrittsmöglichkeit mit ex-tuncWirkung aus, so handelt es sich nur um eine deklaratorische Bestimmung, weil sie die Rechtslage wiedergibt, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ohnehin gelten würde. Andererseits ist die Beschränkung des Rücktrittsrechts auf die Teilleistung, mit der der Verwender in Verzug gerät, auch dann nicht möglich, wenn die Klausel entsprechend öer Regelung des § 326 Abs. 1 S. 3 BGB bei Interesseverlust ein volles Rücktrittsrecht zugesteht. Denn damit würde das für die zukünftigen Raten bestehende Vertragslösungsrecht entgegen § 11 Nr. 8 a BGB eingeschränkt, das dem Gläubiger auch ohne Interesseverlust zusteht, wellll die weitere Fortsetzung des Vertrages unzurnutbar geworden ist 140• Da der Verlust des Interesses unberücksichtigt bleiben kann, ist es dem Verwender auch nicht durch § 11 Nr. 9 AGBG verwehrt, den Schadensersatzanspruch 136 RGZ 58, 419, 420; 97, 133, 136; BGH, WM 1976, 75; BGH, MDR 1977, 390; BGH, NJW 1977, 35; BGH, NJW 1981, 678, 680; BGH, WM 1985, 61, 63; RGRKI Bai/haus, § 326, Rdn. 24; Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 173; a. A. Palandt I Heinrichs, Einf. vor§ 305, Anm. 6 c aa; MünchKomm I Emmerich, vor§ 275, Rdn. 168; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 187; Musielak, JuS 1979, 96, 100, die auf Interesseverlust abstellen. 137 Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 174; RGRK I Bai/haus, § 326, Rdn. 24. 138 RGZ 104, 39, 42; Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 174. 139 Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 14, der allerdings mißverständlich von einem Dauerschuldverhältnis spricht. 140 Es handelt sich dann auch nicht um eine nach § 8 AGBG nicht kontrollfähige Klausel, da sie eine auf diesen Fall gerade nicht anwendbare gesetzliche Bestimmung wiedergibt und damit deren Anwendungsbereich erweitert; vgl. Ulmer I Brandner, § 8, Rdn. 25.

III. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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wegen Nichterfüllung auf die Raten zu begrenzen, mit denen er sich in Verzug befindet. Auch die restlichen noch nicht fälligen Teilleistungen braucht er bei der Festlegung einer Schadenshöchstgrenze nicht mit einzubeziehen, denn dieser Anspruch folgt nach der Rechtsprechung nicht aus § 326 Abs. 1 S. 3 BGB 141 , so daß er nicht nach§ 11 Nr. 9 AGBG geschützt ist. Eine derartige Vertragsgestaltung unterliegt allerdings der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 2 S. 1 AGBG, da zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechtes auch von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze gehören können 142• Die Erweiterung der Rechte des Vertragspartners beim Sukzessivlieferungsvertrag erfolgt jedoch deshalb, weil die weitere Vertragsdurchführung durch eine Leistungsstörung nachhaltig erschüttert wird. Diesem Interesse des vertragstreuen Partners wird dadurch gebührend Rechnung getragen, daß ihm ein erweitertes Vertragslösungsrecht zusteht. Eine Gestaltung, die den Schadensersatzanspruch auf den fälligen Teil der Leistung begrenzt, widerspricht daher diesem Grundgedanken nicht. Denn es ist zu berücksichtigen, daß eine zu sanktionierende Vertragspflichtverletzung nur hinsichtlich der einzelnen Rate vorliegt. Eine schadensersatzbeschränkende Klausel ist daher insoweit mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG vereinbar.

6. Einschränkungen der Verzugsfolgen durch Nachfristvorbehalte a) Die Länge der gemäߧ 326 BGB zu setzenden Nachfrist

Gemäߧ 326 Abs. 1 BGB muß der Gläubiger seinem in Verzug befindlichen Vertragspartner eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, daß er die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Die Frage, ob die Länge der Frist angemessen ist, beurteilt sich nach dem Sinn der Nachfristsetzung und den Umständen des konkreten Vertrages, wobei die Interessen beider Vertragspartner zu berücksichtigen sind 143 • Einerseits wird dem Gläubiger an einer möglichst kurzen Nachfrist gelegen sein, zumalsich der Schuldner in der Regel bereits in Verzug befindet. Andererseits soll die Frist aber auch ausreichend bemessen sein, um dem Schuldner bei Anspannung aller Kräfte und Mittel noch die Erbringung der Leistung zu ermöglichen 144• Die Nachfrist ist daher angemessen, wenn sie den Vertragspartner in die Lage versetzt, eine bereits begonnene Erfüllung zu vollenden 145 • Sie braucht vom Gläubiger dagegen nicht so bemessen zu werden, daß innerhalb der Nachfrist die Leistung insgesamt hergestellt oder

BGH, NJW 1971, 679, 680. BGH, NJW 1983, 671; Wolf, § 9, Rdn. 66. 143 Soergel I Wiedemann, § 326, Rdn. 37. 144 Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 92. 145 Palandt I Heinrichs, § 326, Anm. 5 b aa; Soergel I Wiedemann, § 326, Rdn. 37; Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 97; MünchKomm I Emmerich, § 326, Rdn. 40. 141

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

bewirkt werden kann 146• Die Umstände des Einzelfalls spielen eine gewichtige Rolle, wobei beispielsweise die Dauer des bereits eingetretenen Verzuges, die Länge der bereits verstrichenen Lieferfrist und das sonstige bisherige Verhalten beider Vertragsparteien zu berücksichtigen sind 147 • Treffen die Parteien über die Dauer der Nachfrist eine vertragliche Abrede, dann ist jedoch ausschließlich diese maßgeblich und für eine Kontrolle der Angemessenheil durch das Gericht kein Raum mehr 148 • Bei der einseitigen Setzung der Frist durch den Gläubiger besteht dagegen immer das Problem, daß er keinen Einblick in die Verhältnisse des Schuldners hat und folglich die angemessene Länge nicht exakt beurteilen kann 149• Um den vertragstreuen Gläubiger von dem Risiko zu entlasten, daß eine zu kurz bemessene Frist völlig wirkungslos bleibt, geht die herrschende Meinung davon aus, auch eine zu kurze Nachfrist setze die angemessene Frist in Lauf 150•

b) Die Verbotsvorschrift des§ 10 Nr. 2 AGBG

aa) Vorbehalt einer unangemessen langen Nachfrist

Aus dem Wortlaut des § 10 Nr. 2 AGBG ist nicht unmittelbar zu ersehen, warum die Vorschrift zu den in§ 10 AGBG zusammengefaßten Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit gehört. Denn indem sie jede unangemessene Nachfrist verbietet, schließt sie scheinbar apodiktischjegliche Abweichung von der dispositiven Regelung des § 326 Abs. 1 BGB aus. Um das Interesse des Verwenders an einer einheitlichen Nachfristsetzung zu berücksichtigen, wird daher von Teilen der Literatur vorgeschlagen, eine Klausel auch dann als wirksam anzusehen, wenn sie zwar der überwiegenden Zahl der Geschäfte gerecht wird, im Einzelfall aber aufgrundbesonderer Umstände eine kürzere Nachfrist angemessen wäre 151 • Ähnlich dürften auch die Ausführungen des BGH zu interpretieren sein, nach denen formularmäßige Nachfristen die angemessene Nachfrist im Sinne von § 326 Abs. 1 BGB geringfügig überschreiten dürfen 152 • Diese Auffassung beschreibt jedoch nicht exakt den von § 10 Nr. 2, 1. Alt. eröffneten Wertungsspielraum. Denn dabei wird übersehen, daß der Begriff der Angemessenheil in § 326 Abs. 1 BGB eine andere Funktion und damit auch eine andere Bedeutung hat als in§ 10 Nr. 2 AGBG. Nach § 326 Abs. 1 BGB ist es der Gläubiger, der die Frist setzt und ihre Dauer bestimmt. Da er nur daran RGZ 89, 123, 125. Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 99. 148 RG, Recht 1910, Nr. 2501; Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 99. 149 Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 92. 150 Grundlegend RGZ 56, 231, 234 f.; MünchKomm/ Emmerich, § 326, Rdn. 43. 151 Koch I Stübing, § 10 Nr. 2, Rdn. 6; Schlosser I Coester-Waltjen, § 10 Nr. 2, Rdn. 10; Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 6. 152 BGH, NJW 1985, 853, 857. 146 147

111. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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interessiert ist, die Nachfrist möglichst kurz zu bemessen, kann die gesetzliche Regelung, die ihn dazu anhält, diese Frist angemessen zu gestalten, nur den Zweck haben, die Mindestlänge zu gewährleisten. Angemessenheil im Sinne von § 326 Abs. I BGB bedeutet daher, daß eine bestimmte Länge vom Gläubiger nicht unterschritten werden darf. Wenn in Rechtsprechung oder Literatur von einer zu lang bemessenen Nachfrist gesprochen wird 153 , so ist damit nur eine Überschreitung des Minimums gemeint, die aber folgenlos bleibt 154, da die Länge weiterhin angemessen im Sinne des Gesetzes ist. Nach der Regelung des BGB steht dem Gläubiger also nach oben hin ein weiter Beurteilungsspielraum zu 155 , denn eine zu lange Nachfrist tangiert grundsätzlich nicht die Belange des Schuldners. Dieser hat keinen Anspruch darauf, daß der Gläubiger die Rechtsfolge des § 326 Abs. 1 BGB herbeiführt und erst recht nicht darauf, daß dies in angemessener Zeit geschieht 156. Demgegenüber bewirkt der Vorbehalt einer Nachfrist in den AGB des Schuldners, daß die Bestimmung der Länge nunmehr quasi einseitig von ihm selbst vorgenommen wird. § 10 Nr. 2 AGBG kann damit aber nur die Funktion zukommen, unangemessen lange Nachfristen zu untersagen. Der Begriff der Angemessenheil soll hier daher die maximale Dauer festlegen. Implizit enthält die Vorschrift jedoch auch die Erlaubnis für den Schuldner, die Bestimmung der Länge der Nachfrist in seinen AGB vornehmen zu dürfen, womit ihm nun der Beurteilungsspielraum zusteht. Mit der Formulierung "entgegen § 326 Abs. I" kann daher nicht gemeint sein, diese Höchstgrenze müsse exakt der in § 326 BGB angesprochenen Mindestfrist entsprechen 157• Andererseits kann aber auch der ansonsten dem Gläubiger zustehende weite Spielraum nicht der Maßstab in§ 10 Nr. 2 AGBG sein. Um den Schutz des Kunden vor derartigen Klauseln in den Schuldner-AGB zu gewährleisten, muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß der vom Zweck der Nachfrist bestimmten Mindestlänge nach § 326 Abs. 1. BGB Leitbildfunktion im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 AGBG zukommen soll. Nach dieser Auslegung hat die Angemessenheilsprüfung im Rahmen des§ 10 Nr. 2 AGBG in zwei Schritten zu erfolgen: Zuerst ist die Mindestfrist im Sinne von § 326 BGB zu bestimmen, die der Schuldner unbedingt benötigt. Danach muß unter Einbeziehung der Interessen des Gläubigers untersucht werden, inwieweit eine Überschreitung noch mit dem wesentlichen Grundgedanken der Vorschrift des § 326 Abs. I BGB vereinbar ist und den Gläubiger nicht entgegen Treu und Glauben benachteiligtl58 • 153 RGZ 89, 123, 125; Thamm , BB 1982, 2018, 2020; Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 96; MünchKomm I Emmerich, § 326, Rdn. 39. 154 MünchKomm I Emmerich, § 326, Rdn. 39; Staudinger I Otto, § 326, Rdn. 36. t55 Soergel I Wiedemann, § 326, Rdn. 36. 156 Thamm, BB 1982, 2018, 2020 gibt daher aus der Sicht des wirtschaftsberatenden Juristen für die Bemessung der angemessenen Nachfrist einen breiten Rahmen an, nämlich 20 % bis 100 % der ursprünglich vereinbarten Lieferfrist. 157 So auch im ErgebnisLöwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 2, Rdn. 15.

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Klauseln, die nicht darauf abzielen, dem Verwendet eine letzte Gelegenheit zu geben, die bereits vorbereitete Erfüllung zu vollenden, sondern so gestaltet sind, daß sie auf eine Ersatzlieferungsfrist hinauslaufen, sind danach unwirksam 159• Hat sich ein Lieferant in seinen AGB bereits großzügige Lieferfristen vorbehalten, so ist ihm beispielsweise nur noch eine entsprechend kurze Nachfrist erlaubt 160• Bei der Frage, inwieweit das Pauschalierungsinteresse des Verwenders hierbei berücksichtigt werden darf, ist folgendes zu unterscheiden: Es kann nicht zulässig sein, für eine Vielzahl unterschiedlichster Vertragsgestaltungen geltende AGB zu verfassen und Nachfristen so zu bemessen, daß für einen Teil der Verträge die vorbehaltene Frist zu lange ist. Diese Forderung ist nicht unzumutbar für den Verwender, weil durch die hier vertretene Auslegung des Begriffes der Angemessenheil das Minimum im Sinne des § 326 BGB ohnehin nicht starr eingehalten werden muß, sondern nur Leitbildfunktion nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG hat. Wünscht der Verwender für den Teil seiner Geschäfte, die in ihrer zeitlichen Abfolge besonders risikovoll sind, eine erheblich längere Nachfrist, so muß er eben auf die Einheitlichkeit verzichten 161 • Andererseits ist es ihm aber nicht zuzumuten, die Frist so kurz zu bemessen, daß alle nur erdenklichen Faktoren, die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses Einfluß auf die Länge der Nachfrist nehmen können, mit einbezogen sind. Der Verfasser Allgemeiner Geschäftsbedingungen kann Umstände, die erst während der Vertragsabwicklung die Nachfristlänge beeinflussen, wie beispielsweise das Verhalten des Gläubigers oder die Verzugsdauer, nicht vorhersehen. Er darf daher die Nachfristdauer nach dem typischen Ablauf des Geschäftes pauschal bemessen.

bb) Der Vorbehalt einer nicht hinreichend bestimmten Nachfrist Nicht hinreichend bestimmte Nachfristklauseln kommen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehr selten vor 162• Allgemein für zulässig wird der Vorbehalt einer "angemessenen Nachfrist" gehalten, da dies der gesetzlichen Regelung des 1ss Vgl. Teilbericht I, S. 57, wonach die Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit nur Hinweise auf typische Einzelklauseln geben sollen, bei denen die Gefahr eines gestörten Interessenausgleiches besonders naheliegt Übersicht über die Rechtsprechung zur Länge der Nachfrist in einzelnen Branchen bei Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 2, Rdn. 16. 159 OLG Stuttgart, NJW-RR 1988, 786, 788; Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 6; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 2, Rdn. 13. 160 Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 6; Wolf, § 10, Nr. 2, Rdn. 9; Koch I Stübing, § 10 Nr. 2, Rdn. 7. 161 So auch BGH, NJW 1985, 320, 323. 162 Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 7; in der Entscheidungssammlung von Bunte, Band I - VI findet sich kein Fall, in dem eine Klausel aus diesem Grund beanstandet wurde.

111. Inhaltskontrolle § 326 BGB einschränkender Bestimmungen

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§ 326 Abs. I BGB entspricht 163 • Allerdings liegt hier in Wahrheit überhaupt kein Vorbehalt einer Nachfrist vor, weil das Bestimmungsrecht beim Vertragspartner verbleibt: Die Klausel ist dann nur eine deklaratorische Wiedergabe von § 326 Abs. I BGB und gemäß § 8 AGBG der Inhaltskontrolle entzogen. Im übrigen führt nicht jede vage Formulierung bezüglich der Länge der Nachfrist dazu, daß die Klausel als nicht hinreichend bestimmt angesehen werden müßte. V erlangt der Verwender in seinen AGB beispielsweise, der Vertragspartner müsse eine "ausreichende Nachfristsetzung" vornehmen 164, so beläßt er diesem ebenfalls den Beurteilungsspielraum wie in § 326 Abs. I BGB, so daß auch diese Regelung nicht zu beanstanden ist. Unzulässig sind jedoch Bestimmungen, die den Ablauf der Frist von Ereignissen abhängig machen, die in der Sphäre des Schuldners liegen und daher für den Kunden ka~m zu kontrollieren sind. Der Vorbehalt der Nachfrist bis zur Selbstbelieferung ist daher zum Beispiel unwirksam 165 •

c) Das Verhältnis zwischen § 10 Nr. 2 und § 11 Nr. 8 AGBG AGB, die eine unangemessen lange oder zu unbestimmte Nachfrist vorsehen, lassen sich auch unproblematisch unter § li Nr. 8 AGBG subsumieren. Die in § 326 BGB statuierte Möglichkeit der Nachfristsetzung stellt eine Verzugsfolge dar 166• Weil sie andererseits auch eine Voraussetzung für die Geltendmachung der in § II Nr. 8 AGBG geschützten Rechte ist, werden diese durch eine zu lange Nachfrist in den AGB des Schuldners eingeschränkt. Da§ II Nr. 8 a AGBG aber jegliche Beeinträchtigung des Rücktrittsrechtes im Falle des Verzuges verbietet, wären durch die Vorschrift alle den Vertragspartner benachteiligenden Nachfristvorbehalte unwirksam. Dies würde auch für solche Klauseln gelten, die den Rahmen des§ 10 Nr. 2 AGBG einhalten. Denn allein schon die Entziehung des Rechtes des Gläubigers, die Länge der Nachfrist selbst einseitig zu bestimmen, stellt gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 326 BGB eine Einschränkung dar. Die Anwendung des § Il Nr. 8 AGBG auf Nachfristvorbehalte würde damit die in § I 0 Nr. 2 AGBG vorgesehene Wertungsmöglichkeit bei der Inhaltskontrolle unterlaufen. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, muß § IO Nr. 2 AGBG als ausschließlich anwendbare Spezialregelung gegenüber § li Nr. 8 AGBG angesehen werden, die sich damit im Ergebnis als Privilegierung des Klauselverwenders auswirkt. 163 Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 7; Schlosser I Coester-Waltjen, § 10 Nr. 2, Rdn. 12; Löwe/von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 2, Rdn. 17; vgl. auch§ 5 Nr. 4 der VOB Teil B, der allerdings auch die sonstigen Rechtsfolgen des Verzuges teilweise verändert, lngenstau I Korbion, VOB, B § 5 Nr. 4, Rdn. 21. 164 z. B. Klausel eines Möbelhandeluntemehmens, vgl. OLG Bamberg, Bunte, AGBE III, § 10, Rdn. 9. 165 Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 7. 166 Palandt I Heinrichs, § 326, Anm. 5 a: Die Nachfristsetzung kann erst nach Verzugsbeginn erfolgen, es ist jedoch zulässig, sie mit der Mahnung zu verbinden.

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Gemäß § 326 Abs. 2 BGB bedarf es der Bestimmung einer Nachfrist aber nicht, wenn die Erfüllung des Vertrages infolge des Verzuges für den Gläubiger kein Interesse mehr hat. Das OLG Stuttgart hat daher eine Klausel, in der sich der Verwender eine an sich angemessen lange Nachfrist vorbehalten hatte, für unzulässig erklärt, weil der Fall des § 326 Abs. 2 BGB darin nicht berücksichtigt worden war 167 • Durch die Generalisierung werde dem Kunden das sofortige Rücktrittsrecht genommen, wenn er durch den Verzug das Interesse an der Leistung verloren habe 168 • Da der Ausschluß der Regelung des § 326 Abs. 2 gegen § 11 Nr. 8 a verstößt und eine geltungserhaltende Reduktion teilweise unwirksamer AGB untersagt ist, hat diese Betrachtungsweise zur Folge, daß die gesamte Nachfristklausel der Inhaltskontrolle nicht standhält. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Problem der Inhaltskontrolle, denn die Unabdingbarkeil des § 326 Abs. 2 BGB durch Allgemeine Geschäftsbedingungen steht wegen § 11 Nr. 8 a AGBG außer Frage: Auch § 10 Nr. 2 AGBG setzt im Fall des§ 326 Abs. 2 BGB nicht die Zulässigkeit eines Nachfristvorbehaltes voraus 169• § 10 Nr. 2 AGBG stellt bereits nach seinem Wortlaut nur auf§ 326 Abs. 1 BGB ab, so daß er von § 326 Abs. 2 BGB abweichende Klauseln gar nicht behandelt. Die Vorschrift bestimmt nur die Schranken für die Länge und die Bestimmtheit einer an sich notwendigen Frist. Die Erlaubnis, durch AGB konstitutiv eine Nachfrist für erforderlich zu erklären, enthält sie jedoch nicht 170• Zweifelhaft ist lediglich, ob die jeweilige Klausel dahin interpretiert werden kann, daß der Ausnahmefall des Interes severlustes von der formularmäßigen Nachfristregelung überhaupt nicht erlaßt sein soll. Bei der Beantwortung dieser Frage kann nur auf den Typ des Rechtsgeschäftes abgestellt werden, für den die Bestimmung verwendet werden soll. Führt im Anwendungsbereich der Klausel der Verzug nur in seltenen Ausnahmefällen zum Interesseverlust, dann muß eine objektive Auslegung unter Berücksichtigung des Massencharakters Allgemeiner Geschäftsbedingungen 171 zu dem Ergebnis gelangen, daß dieser Fall nicht mitgeregelt sein soll. Ist der Interessefortfall allerdings bei dem fraglichen Geschäftstyp so wahrscheinlich, daß diese Situation bei Schaffung des Klauselwerks vorhersehbar war, so muß eine kundenfeindliche Auslegung im Verbandsprozeß 172 dahingehen, auch § 326 Abs. 2 BGB sei abbedungen. 167 OLG Stuttgart, BB 1979, 1468; genauso LG Ravensburg, Bunte, AGBE I, § 11, Rdn. 71; im Ergebnis gleich Soergel l Stein,§ 10 AGBG, Rdn. 20, der dieses jedoch auf § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG stützt. 168 OLG Stuttgart, BB 1979, 1468. 169 Staudinger I Schlosser, § 10 Nr. 2, Rdn. 6; Koch I Stübing, § 10 Nr. 2, Rdn. 5. 110 So auch Soergel I Stein, § lO AGBG, Rdn. 20, aber mit der unzutreffenden Folgerung, der Nachfristvorbehalt sei dann nach § 9 AGBG zu beurteilen. 111 Zur objektiven Auslegung von AGB Ulmer, § 5, Rdn. 15; Wolf/ Lindacher, § 5, Rdn. 7. 172 Zur kundenfeindlichen Auslegung im Verbandsprozeß Knütel, JR 1981, 221, 225; Wacke, JA 1981, 668; Ulmer, § 5, Rdn. 33; Wolf, § 5, Rdn. 41; Löwe, Großkommentar,

IV. Inhaltskontrolle § 286 BGB einschränkender Bestimmungen

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IV. Inhaltskontrolle § 286 Abs.l BGB einschränkender Bestimmungen 1. Anwendbarkeit von § 11 Nr. 8 AGBG a) Die Auffassung Hensens und Reuters

Obwohl § 11 Nr. 8 b AGBG ganz generell vom Ausschluß des Rechts spricht, im Falle des Leistungsverzuges Schadensersatz zu verlangen, vertreten Reuter und Hensen die Auffassung, die Vorschrift erfasse nicht den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens gemäß § 286 Abs. 1 BGB 173 • Sie stützen ihre Meinung vor allem auf die Entstehungsgeschichte der Norm, aus der hervorgehe, daß lediglich die Rechte des Vertragspartners nach den§§ 325 und 326 BGB geschützt werden sollten 174 • Die Begrundung der Arbeitsgruppe beim Bundesminister der Justiz sehe die Schadensersatzpflicht nur als Alternative zum Rücktrittsrecht vor. Da bei der bloßen Erhaltung des Vertragslösungsrechts die Pflichtverletzung sanktionslos bliebe, hielt die Arbeitsgruppe die Drohung mit Schadensersatzverlangen für notwendig, um den Verwender zur Leistung zu bewegen 175 • Daß damit aber nur die Ansprüche nach §§ 325 und 326 BGB gemeint seien, gehe- so Hensen undReuter-daraus hervor, daß der Bericht bei der Darstellung der entsprechenden dispositiven Regelungen lediglich die §§ 440 i. V. m. 320 bis 327 BGB beim Kaufvertrag und die §§ 636, 651 i. V. m. 320 bis 327 BGB beim Werkvertrag erwähnt, obwohl auch bei gegenseitigen Verträgen nach allgemeiner Meinung § 286 Abs. 1 BGB anwendbar ist 176 • § 11 Nr. 8 AGBG sei im Aufbau eindeutig an §§ 325, 326 BGB angelehnt und beziehe sich daher auf das gesetzliche Wahlrecht zwischen Rücktrittsrecht und Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung 177 • Das klassische Mittel, um den säumigen Verkäufer auf die drohenden Folgen seines Verzuges hinzuweisen und so zu vertragsgemäßer Leistung anzuhaltne, stelle die Nachfristsetzung gemäß § 326 BGB dar. Diesen vom Gesetzgeber des AGB-Gesetzes intendierten Erfolg könne der Anspruch aus § 286 Abs. 1 BGB überhaupt nicht erfüllen, da diese Rechtsfolge bereits mit der bloßen Mahnung eintrete 178 •

§ 13, Rdn. 28; Palandt I Heinrichs I Koch I Stübing, § 13, Rdn. 7; § 5 AGBG, Anm. 4 a; a. A. Sambuc, NJW 1981, 313, 314. m Reuter, DB 1978, 193; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 12; ihnen folgend Creutzig, DB 1979, 151, 152. 174 Reuter, DB 1978, 193; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 13. 11s Teilbericht I , S. 72 f. 176 Teilbericht I, S. 72; siehe auch Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 32; CDU I CSU-Entwurf, BTDS 7/3200, S. 16. m Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 12. 178 Reuter, DB 1978, 193, 194. 5 Keim

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich b) Stellungnahme

Aus der Begründung der Arbeitsgruppe geht zwar durch die Aufzählung der §§ 320 ff. BGB nur hervor, daß der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung erhalten bleiben soll 179 • Auch wenn im Zusammenhang mit§ 280 BGB die parallele Problematik nicht diskutiert wird, spricht dies nicht gegen eine gesonderte Behandlung des Verzugsschadens. Denn die Besonderheit des Anspruches auf Ersatz des reinen Verzögerungsschadens liegt, auch gegenüber dem Anspruch nach § 280 BGB, darin, daß es sich um eine eigenständige, neben die Erfüllungspflicht tretende Haftungsfolge handelt. Sie soll die Vermögenseinbußen ausgleichen, die allein durch die verspätete Leistung entstanden sind 180• Dochtrotz dieser Argumente besteht für die geforderte teleologische Reduktion kein Bedürfnis. Da der Wortlaut des § 11 Nr. 8 AGBG eindeutig den Verzugsschaden miterfaßt, ließe sich die Meinung Reuters und Hensens nur rechtfertigen, wenn die Miteinbeziehung des Anspruches nach § 286 Abs. 1 BGB dem Zweck der Norm widersprechen würde 181 • Das ist indessen nicht der Fall: Denn die Schadensersatzpflicht sollte klauselfest sein, damit eine Verletzung der Leistungspflicht nicht ohne Sanktion bleibe und so der Klauselverwender zu vertragsgemäßer Leistung angespornt werde. Diesem Ziel dient aber neben dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung auch der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens 182• Setzt nämlich der Vertragspartner den Schuldner in Verzug, hat dies bei einem Ausschluß der Haftung für leicht fahrlässig verursachte Verzögerungsschäden zunächst keine Folgen, da der Schuldner zuerst die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung abwarten kann. Leistet er noch innerhalb der Nachrist, dann ist seine Vertragsverletzung sanktionslos geblieben, denn der Nachweis, nicht grob fahrlässig gehandelt zu haben, dürfte ihm meist gelingen. Dem Gläubiger bleibt nur die Alternative, die Mahnung sofort mit der Ablehnungsandrohung zu verbinden, was für ihn aber, wenn er ein starkes Interesse an der Erfüllung hat, nicht zu empfehlen ist. Aber auch dann, wenn der Gläubiger nach Fristablauf Schadensersatz wegen Nichterfüllung fordert, ist ihm die Geltendmachung der 179 A. A. Löwe I von Westphalen , Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 22. Allerdings ergibt sich entgegen von Westphalen aus der Anführung der dispositiven Normen, daß die Arbeitsgruppe mit dem Schadensersatzanspruch als Sanktion lediglich die Ansprüche nach §§ 325, 326 BGB gemeint hat. 180 Vgl. RGZ 94, 203, wo die Verschiedenheit von Nichterfüllungsschaden und Verzugsschaden betont wird. Danach kann für den gleichen Zeitraum nicht sowohl Schadensersatz wegen Nichterfüllung als auch wegen verzögerter Leistung gefordert werden. Lediglich der bereits vor dem Schadensersatzverlangen nach § 326 BGB angefallene Verzugsschaden ist zu ersetzen. Vgl. auch RGZ 105, 281, wo der Gläubiger die Mehraufwendungen für ein getätigtes Deckungsgeschäft als Verzugsschaden forderte, da Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung vertraglich ausgeschlossen waren. Das RG lehnte den Anspruch ab, da es sich begrifflich um Nichterfüllungsschaden handle. 181 Larenz, Methodenlehre, S. 376; BGHZ 59, 236, 240 zur teleologischen Reduktion von § 181 BGB. 182 MünchKomm/Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 74; Rebe, WM 1979, 683.

IV. Inhaltskontrolle § 286 BGB einschränkender Bestimmungen

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vorher entstandenen Verzugsschäden durch die Freizeichnungsklausel versperrt: Er kann zwar bei der Bemessung seines Nichterfüllungsschadens normalerweise als maßgeblichen Zeitpunkt den Verzugseintritt wählen, so daß der Verzögerungsschaden dann als Rechnungsfaktor in den Anspruch nach § 326 BGB mit einbezogen wird 183. Diese Möglichkeit ist dem Gläubiger nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes aber verschlossen, wenn der Anspruch nach § 286 Abs. 1 BGB bereits verjährt ist 184• Erst recht gilt dies, wenn dem Anspruch nicht nur eine Einrede entgegensteht, sondern er vertraglich abbedungen worden ist. Berücksichtigt werden muß auch, daß dem Klauselverwender seitens des nichtkaufmännischen Vertragspartners meist nur Ansprüche wegen des bloßen Verzögerungsschadens, selten aber weitere Schadensersatzforderungen wegen Nichterfüllung drohen werden. Beim Kaufteurer Konsumgüter oder der Inanspruchnahme handwerklicher Leistungen durch den privaten Verbraucher kommen typischerweise Nichterfüllungsschäden, wie entgangener Gewinn, Verluste durch ein ungünstigeres Deckungsgeschäft oder die Belastung mit Verbindlichkeiten durch die Nichteinhaltung eigener Verpflichtungen gegenüber Dritten 185 selten in Betracht. Daher ist die Sanktion des § 326 BGB gegenüber dem Klauselverwender innerhalb des Anwendungsbereiches des § 11 Nr. 8 AGBG meist nicht sehr wirkungsvoll, um ihn zu rechtzeitiger Leistung anzuhalten. Demgegenüber können dem Konsumenten jedoch durchaus nennenswerte ersatzfähige Verzugsschäden entstehen: Nachneuerer Rechtsprechung wird der Verlust der privaten Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes als ersatzfähiger Schaden anerkannt, wenn die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung auf die Verfügbarkeit solcher Gegenstände typischerweise angewiesen ist 186. Da der Bundesgerichtshof diesen ursprünglich für Fälle deliktischer Haftung entwickelten Grundsatz auch auf vertragliche Schadensersatzansprüche anwendet, wird dem Ersatz des Verzögerungsschadens gemäß § 286 Abs. 1 BGB im Privatkundenbereich eine erhöhte Relevanz zukommen, wenn der Verbraucher die zeitweilige Vorenthaltung elementarer Konsumgüter als Schadensposten in Rechnung stellen kann 187. Auch Hensen gesteht zu, daß die in § 286 Abs. 1 BGB niedergelegte Haftungsfolge für Schuldnerverzug zu den wesentlichen Grundgedanken des BGB zu zählen ist, so daß der Haftungsausschluß für leicht fahrlässig verursachten Verzug in Wirtschaftsbereichen, deren Kunden typischerweise erhebliche VerzugsschäRGZ 94, 203, 206; 96, 159, 160; BGH, NJW 1953, 337. BGH, MDR 1959, 910; so auch Eisenhardt, JuS 1970, 489. 185 Wiedemann, FS Hübner, S. 719, 727; Soergel I Wiedemann, § 325, Rdn. 50; MünchKomm I Emmerich, § 325, Rdn. 56 ff. 186 BGHZ 98, 212. 187 So für die bereits seit längerer Zeit von der Rechtsprechung anerkannte KfzNutzungsentschädigung BGHZ 88, 15; jetzt ausdrücklich auch für ein Ferienhaus BGHZ 101, 325, 330; Palandt I Heinrichs, Vorbem. vor§ 249, Anm. 3 c bb. 183

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s•

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

den erleiden, nach§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam wäre 188 • Da aber die im Katalog des § 11 AGBG zusammengefaßten absolut unzulässigen Klauselgestaltungen Konkretisierungen der im§ 9 Abs. 2 AGBG enthaltenen Regelung darstellen 189 , relativiert er mit dieser Aussage bereits seine These der Zweckwidrigkeit der Einbeziehung des § 286 Abs. 1 BGB in den Anwendungsbereich des § 11 Nr. 8 AGBG. Die Tatsache, daß aus den Materialien zum AGB-Gesetz nichts für eine Einbeziehung des Anspruches nach § 286 Abs. 1 BGB zu ersehen ist, kann daher allein keine ausreichende Rechtfertigung für eine teleologische Reduktion sein 190• Für den Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens gelten damit die gleichen Schranken wie für den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. § 11 Nr. 8 b AGBG erlaubt nur Einschränkungen der Schadensersatzpflicht bei leichter Fahrlässigkeit.

2. Inhaltskontrolle mit§ 11 Nr. 8 b AGBG in Einklang stehender Klauseln In der Praxis sind häufig Klauseln anzutreffen, die eine Begrenzung des Verzugsschadens vorsehen, wobei zum Beispiel oft ein bestimmter Prozentsatz des Rechnungswertes als Höchstgrenze festgesetzt wird 191 • Inwieweit eine Einschränkung des Schadensersatzanspruches gemäß § 286 Abs. 1 BGB mit § 9 AGBG vereinbar ist, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt 192 • Einige Autoren vertreten die Auffassung, es sei ausreichend, ein Mindestmaß an Rechten zu sichern, damit die Haftung nicht nur auf dem Papier stehe 193 • Nach anderer Meinung dürfen lediglich atypische Schadensposten ausgeschlossen werden. Summenmäßige Begrenzungen ohne Rücksicht auf den Vertragsgegenstand seien dagegen unzulässig 194. Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 14. Teilbericht I, S. 57. 190 So im Ergebnis auch BGHZ 86, 284, 293; OLG Stuttgart, BB 1979, 1468; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 22; Schlosser I Coester-Waltjen , § 11 Nr. 8, Rdn. 18; Koch I Stübing, § 11 Nr. 8, Rdn. 11; MünchKomm I Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 74; Palandt I Heinrichs, § 11 AGBG, Anm. 8 a bb; Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 10, 14; Soerge/ 1 Stein, § 11 AGBG, Rdn. 80; Locher, S. 86; Rebe, WM 1979, 683. 191 Von Westphalen, Einkaufsbedingungen, S. 48; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 30. 192 In der veröffentlichten Rechtsprechung wurde zu dieser Frage noch nicht Stellung genommen. 193 Von Westphalen, Einkaufsbedingungen, S. 48; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 10; ähnlich Dietlein I Rebmann, § 11 Nr. 8, Rdn. 4. 194 Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 17; im Ergebnis auch Soerge/1 Stein, § 11 Nr. 8 AGBG, Rdn. 8, Rdn. 82, wo auf die Grundsätze zur Haftungsbeschränkung bei Kardinalpflichten verwiesen wird. 188

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IV. Inhaltskontrolle § 286 BGB einschränkender Bestimmungen

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Um Kriterien für die Zulässigkeit der Beschränkbarkeit des Verzugsschadens zu gewinnen, muß man zwischen dem Maßstab, den bereits § 11 Nr. 8 b setzt, und der weitergehenden Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG unterscheiden. Die Auffassung, die lediglich ein Minimum an Schadensersatzsanktionen fordert, läuft letztlich darauf hinaus, alle mit § 11 Nr. 8 b zu vereinbarenden Klauseln auch nach § 9 AGBG für zulässig zu erachten. Denn eine nur symbolische Schadensersatzpflicht stellt in Wahrheit einen Haftungsausschluß dar 19S, so daß zur Inhaltskontrolle ein Rückgriff auf § 9 AGBG in diesem Fall gar nicht nötig ist. Anband von§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG läßt sich auch für den Verzugsschaden keine allgemeingültige Aussage über den zulässigen Grad der Einschränkbarkeit gewinnen, weil§ 286 Abs. 1 BGB ganz allgemein den Verzug mit allen Hauptund Nebenpflichten regelt. Eine generelle These, daß durch eine Haftungsbeschränkung wesentliche Vertragspflichten ausgehöhlt werden, kann daher nicht aufgestellt werden, ohne nach der Bedeutung der Pflicht und ihrer rechtzeitigen Erfüllung im Rahmen ihres jeweiligen Schuldverhältnisses zu differenzieren. Die Haftungsbegrenzung muß jedoch mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, zu vereinbaren sein. Mit der Einschränkung der Schadensersatzpflicht für leichte Fahrlässigkeit weicht der AGB-Verwender zunächst von § 285 i. V. m. § 276 BGB ab, wonach der Verschuldensmaßstab für die Verzugshaftung bestimmt wird. Gleichzeitig enthält die Klausel eine teilweise Abbedingung der Rechtsfolgen des § 286 BGB, die sich im einzelnen wiederum aus §§ 249 bis 255 BGB ergeben. Da das Ergebnis dieses Zusammenwirkens mehrerer dispositiver Nonnen aber eine einzige Rechtsfolge ist, läßt sich auch ein einheitlicher Grundgedanke bestimmen, der schwerpunktmäßig § 286 Abs. 1 BGB entnommen werden kann. Danach folgt aus dem Wesen des Verzuges unmittelbar die Verpflichtung des Schuldners zum Ersatz des dem Gläubiger durch die zu vertretende Verzögerung entstandenen Schadens, also des vollen Verzugsinteresses 196• Bei der Schaffung der Bestimmung des § 285 BGB wurde sogar eine Zufallshaftung des Schuldners bei Leistungsverzögerung diskutiert, die Schadensersatzpflicht bei leichter Fahrlässigkeit stand aber außer Zweifel 197 • Eine Unvereinbarkeit mit dem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ist dann gegeben, wenn die Abweichung nicht nur geringfügig ist, sondern eine deutliche Verschiebung des Gleichgewichts innerhalb des gesetzlich fixierten Interessenausgleichs verursacht 198 • Haftungsbeschränkende Klauseln, die von vomeherein die Wirkung haben, daß der Gläubiger lediglich einen Bruchteil seines Verzugsschadens ersetzt bekommt, verteilen das

195 196 197 198

Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 10; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 10. Motive II, S. 61 = Mugdan II, S. 33. Motive li, S. 60 = Mugdan II, S. 33. Ulmer I Brandner, § 9, Rdn. 129; Becker, S. 130; Zoller, S. 80.

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C. Einschränkbarkeil der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Risiko der Verzögerung aber grundlegend anders als die dispositive Regelung und entziehen dem Vertragspartner seine Rechte in nicht unerheblichem Umfang. Sie widersprechen damit diesem wesentlichen Grundgedanken. Trotz der Unvereinbarkeit sind Abweichungen allerdings zulässig, wenn sie durch überwiegende Interessen des Verwenders gerechtfertigt sind, so daß die Unwirksamkeilsvermutung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG widerlegt ist 199• Gegenüber dem Anspruch gemäß § 326 BGB besteht hier ein gewichtiger Unterschied, der dazu führen muß, daß eine Pauschalierung eher gerechtfertigt ist: Die bloße Verzögerung der Leistung stellt gegenüber der Nichtleistung eine nur minder schwere Vertragsverletzung dar. § 286 Abs. 1 BGB soll nur die Verluste ausgleichen, die durch den Zeitverlust entstehen, während die Nachteile, die durch die Liquidation des Geschäftes als ganzes entstehen, von § 326 BGB ausgeglichen werden. Erst das Verstreichenlassen der Nachfrist führt zu einer wertmäßigen Gleichstellung zwischen vorübergehender und endgültiger Nichtleistung. Drohen dem Vertragspartner aber bereits durch die bloße Verspätung ausnahmsweise sehr hohe Schäden, so ist der Verwender schon aufgrundvon § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG zu umfassender Schadensvorsorge verpflichtet, so daß ein Rekurrieren auf § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG nicht nötig ist. Da auch in zeitlicher Hinsicht eine Begrenzung der Verzugshaftung legitim sein kann, bieten sich gestaffelte Höchstgrenzen an, die einmal einen Maximalbetrag pro Tag oder Woche Verzug vorsehen und außerdem unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Verzugsdauer ein absolutes Höchstlimit festsetzen. Bei Kaufverträgen über Kraftfahrzeuge kommt als Orientierungsmaßstab auch die Höhe der abstrakten Nutzungsentschädigung in Betracht, die die Rechtsprechung für die unfallbedingte Nichtbenutzbarkeit bei den einzelnen Fahrzeugtypen festgesetzt hat.

V. Einschränkung der Verzugshaftung durch Verweisung auf Dritte In Vertragsbeziehungen, an denen drei Parteien beteiligt sind, besteht für den Schuldner die Möglichkeit, seine eigene Verzugshaftung auszuschließen, dem Gläubiger dafür aber seine ihm gegen einen Dritten zustehenden Ersatzansprüche abzutreten: Typisches Beispiel für ein derartiges Dreipersonenverhältnis ist der Leasingvertrag. Nach der Rechtsprechung hat der Leasinggeber Sorge dafür zu tragen, daß es zur Gebrauchsüberlassung der Mietsache an den Leasingnehmer kommt. Folglich ist der Lieferant der Sache bei der Erfüllung dieser Pflicht als Erfüllungsgehilfe 199 Wolf, § 9, Rdn. 80, für den die Abweichung bei einer Rechtfertigung durch überwiegende Interessen allerdings mit dem wesentlichen Grundgedanken noch vereinbar ist; Ulmer I Brandner, § 9, Rdn. 129; Soergel I Stein, § 9 AGBG, Rdn. 38; Becker, S. 131; Zo/ler, S. 80.

V. Einschränkung der Haftung durch Verweisung auf Dritte

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des Leasinggebers anzusehen 200 • Wird der Gegenstand nicht an den Kunden geleistet, haftet der Leasinggeber daher gemäߧ 278 BGB für das Verschulden des Lieferanten. Das schließt auch den Ersatz des Verzugsschadens nach § 286 Abs. 1 BGB und des Nichterfüllungsschadens nach § 326 BGB mit ein 201 . Eine Klausel, die die Haftung für nicht rechtzeitige Leistung durch den Lieferanten ausschließt, verstößt daher gegen § 11 Nr. 8 AGBG2o2_ Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Leasinggeber parallel zur typischen Gewährleistungsregelung für Sachmängel im Finanzierungsleasingvertrag berechtigt ist, sich gegenüber dem Leasingnehmer von der eigenen Verzugshaftung freizuzeichnen, um ihm statt dessen seine eigenen Ansprüche gegen den Lieferanten des Leasinggutes abzutreten. Von Westphalen vertritt den Standpunkt, eine solche Abtretungskonstruktion sei nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG nicht zu beanstanden 203 . Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürfe sich der Leasinggeber von seiner mietvertragliehen Eigenhaftung gemäß § 538 BGB mit der Maßgabe befreien, daß er dem Leasingnehmer die Gewährleistungsansprüche abtrete, die ihm gegenüber dem Lieferanten des Leasinggutes zustehen 204. Vollziehe der Leasingnehmer die Wandlung, so fehle dem Leasingvertrag die Geschäftsgrundlage, so daß diesbildlich gesprochen- der Katastrophenfall sei. Dann müsse die gleiche Vertragsgestaltung aber erst recht für den minderschweren Fall des Lieferverzuges ausreichen 205 . Die Abtretungskonstruktion gestatte es, daß der Leasingnehmer seinen eigenen Schaden geltend machen könne, da sich Inhalt und Umfang eines Schadensersatzanspruches nach herrschender Meinung aus der Person des Zessionars und nicht der des Zedenten ergäben 206. Somit bleibe der Leasinggeber auf seinem eigenen Schaden sitzen, womit sich gerechterweise sein typisches Geschäftsrisiko realisiere 207. Ohne die Freizeichnung müsse jedoch allein der Lieferant sowohl den Schaden des Leasingnehmers als auch den des Leasinggebers ersetzen 208. Entgegen der Auffassung von Westphalens kann jedoch auch die Abtretungskonstruktion nicht als mit dem AGBG vereinbar angesehen werden. Soweit sich 2oo BGHZ 95, 170, 179; 96, 103; ebenso Ebenroth, JuS 1985, 425, 428; Palandt I Putzo, Einf. vor§ 535, Anm. 4 f cc; Lindacher, JR 1986, 193; MünchKomm I Voelskow, vor § 535, Rdn. 54; Ulmer I Brandner, Anhang §§ 9 - 11 , Rdn. 463; von Westphalen, ZIP 1985, 1436, 1439; a. A. Canaris, NJW 1982, 305; Coester-Waltjen, Jura 1980, 186, 187. 201 BGHZ 95, 170, 179; von Westphalen, ZIP 1985, 1436, 1439. 2o2 OLG Hamm, BB 1980, 441 , 442. 203 Von Westphalen, ZIP 1985, 1436 ff.; ders. in: Der Leasingvertrag, S. 136. 204 BGHZ 94, 180. 205 Von Westphalen, ZIP 1985, 1436, 1439. 206 Von Westphalen, ZIP 1985, 1436, 1439. 201 Von Westphalen, ZIP 1985, 1436, 1439. 208 Von Westphalen, ZIP 1985, 1436, 1439; im Ergebnis auch Coester-Waltjen, Jura 1980, 186, 187.

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

der Leasinggeber von Schadensersatzansprüchen aufgrund grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Nichtlieferung freizeichnet, scheitert die Klausel gegenüber Nichtkaufleuten schon an§ 11 Nr. 8 b i. V. m. § 11 Nr. 7 AGBG, da auch die Verweisung auf Dritte, wie bereits § 11 Nr. 10 a AGBG zeigt, als Einschränkung des Schadensersatzanspruches anzusehen ist. Denn durch diese Konstruktion verlagert der Leasinggeber das Risiko der Insolvenz des Lieferanten auf seinen Vertragspartner 209 • Für den Fallleichter Fahrlässigkeit ist diese Einschränkung des Schadensersatzanspruches an § 9 AGBG zu messen. § 11 Nr. 8 AGBG stünde der Konstruktion insoweit nicht entgegen, da die Haftung dem Grunde nach erhalten bleibt. Es wird lediglich der Umfang insofern eingeschränkt, als anstau vollen Ausgleichs der Gläubiger als Surrogat den Schadensersatzanspruch des Leasinggebers bekommt. Die Beurteilung nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG hängt davon ab, ob der Leasingnehmer damit in etwa ein vollwertiges Äquivalent für den gegen den Leasinggeber gerichteten Schadensersatzanspruch erhält 210 • Dies ist jedoch aus mehreren Gründen zu verneinen. Zunächst kann der Leasingnehmer aufgrund der Zession nicht seinen Eigenschaden geltend machen. Denn von Westphalen stützt seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechungsmeinung, die für den Fall der Abtretung der Hauptverbindlichkeit, mit der sich der Schuldner in Verzug befindet, dem Zessionar gestattet, seinen nach der Abtretung entstandenen Verzugsschaden zu liquidieren211. Dabei stellt der BGH nämlich maßgeblich darauf ab, daß sich mit dem Übergang des Anspruches der Schuldner nunmehr gegenüber dem Zessionar in Verzug befindet 212 • Hier ist die Konstellation jedoch eine andere: Dem Leasingnehmer sollen nur die Schadensersatzansprüche selbst übertragen werden, die dem Leasinggeber gegen den Lieferanten aus dem zwischen beiden geschlossenen Kaufvertrag zustehen. Da sich der Lieferant aber nur gegenüber dem Leasinggeber - mit dem Leasingnehmer unterhält er keine vertraglichen Beziehungen - in Verzug befindet, kann auch nur dessen Schaden Gegenstand des Anspruchs sein. Der dem Leasingnehmer entstehende Schaden kann auch nicht dadurch mit einbezogen werden, daß der Leasinggeber die Ansprüche, denen er infolge seines Verzuges ausgesetzt ist, seinerseits als eigene Schadensposten gegenüber dem Lieferanten geltend macht. Denn diese Konstruktion versagt hier gerade deshalb, weil wegen der Freizeichnungsklausel dem Leasinggeber gar keine Inanspruchnahme durch den Leasingnehmer droht. Die in der Freizeichnungsklausel enthal-

209 So für die entsprechende Klausel bei der Gewährleistung Ulmer I Brandner, Anhang §§ 9- 11, Rdn. 463. 210 S. o. 1II 4 c; IV 2. 211 BGHZ 72, 147, 150; so auch Staudinger I Medicus, § 249, Rdn. 184; Gernhuber, FS Raiser, S. 57, 86 ff.; Palandt I Heinrichs, § 398, Anm. 5; a. A. Peters, JZ 1977, 119 ff. 212 BGHZ 72, 147, 150.

VI. Sonstige Verzugsfolgen

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tene Abtretung selbst darf aber an diesem Inhalt des Anspruchs nichts ändern, da ihr andernfalls § 399 BGB entgegenstünde. Ein zweiter Gesichtspunkt spricht ebenfalls gegen die Angemessenheit der in Frage stehenden Gestaltung: Daß sich der Leasinggeber in Verzug befindet, bedeutet nämlich nicht zwangsläufig, daß gleichzeitig auch der Lieferant gegenüber dem Leasinggeber in Verzug geraten sein muß 2 13 • Zwar schuldet der Lieferant aus dem Kaufvertrag gegenüber seinem Vertragspartner Leistung an den Leasingkunden, so daß normalerweise durch schuldhafte Nichtbelieferung parallel Schuldnerverzug sowohl im Verhältnis zwischen Leasinggeber und Leasingnehrner als auch zwischen Lieferant und Leasinggeber eintritt. Diese Deckungsgleichheit ist jedoch nicht zwingend. Mahnt beispielsweise der Leasingnehmer nur seinen Vertragspartner, gerät dieser dadurch in Verzug, während der Lieferant erst dann in Leistungsverzug kommt, wenn er seinerseits vom Leasinggeber gemahnt wird. Auch der Haftungsmaßstab kann in beiden Vertragsbeziehungen unterschiedlich sein. Hat sich beispeilsweise der Lieferant für leichte Fahrlässigkeit freigezeichnet 21 4, so ist er selbst gegenüber dem Leasinggeber nicht verantwortlich. Gemäß § 278 BGB haftet letzterer aber dennoch gegenüber dem Leasingnehrner für dieses Verschulden des Lieferanten und befindet sich daher in Verzug. Da der Leasinggeber dann aber keine eigenen Schadensersatzansprüche gegen den Lieferanten hat, geht die Abtretung ins Leere. Die Abtretung der eigenen Schadensersatzansprüche gegen den Lieferanten des Leasinggutes stellt daher im Ergebnis kein angemessenes Äquivalent für die ausgeschossene Eigenhaftung des Leasinggebers dar 215 •

VI. Inhaltskontrolle sonstige Verzugsfolgen einschränkender Bestimmungen 1. Die Haftungsverschärfung gemäߧ 287 BGB a) Geringe Bedeutung des § 287 S. 1 BGB

Nach§ 287 S. I BGB hat der Schuldner während des Verzuges jede Fahrlässigkeit zu vertreten, auch wenn er ansonsten nur für grobe Fahrlässigkeit oder die Verletzung der eigenüblichen Sorgfalt im Sinne von § 277 BGB haften würde. Hat die Bestimmung wegen der Seltenheit derartiger Haftungsbeschränkungen im BGB 216 ohnehin schon wenig praktische Bedeutung, so wird ihr AnwendungsUlmer I Brandner, Anhang §§ 9 - 11, Rdn. 464. Da der Leasinggeber regelmäßig Kaufmann ist, wäre dies unter Umständen sogar durch AGB möglich. 21s So auch im Ergebnis Ulmer I Brandner, Anhang §§ 9 - 11, Rdn. 464. 216 Beispielsweise §§ 300 Abs. 1, 521, 599, 680 und 968 BGB. 213 214

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

hereich noch dadurch geschmälert, daß für Unmöglichkeit des Leistungsgegenstandes die Zufallshaftung des§ 287 S. 2 BGB eingreift 217 • Da die vorübergehende Unmöglichkeit als Hauptfall des leicht fahrlässigen Leistungsverzuges nach der Rechtsprechung ebenfalls von Satz 2 erlaßt wird 218 , bleiben als Anwendungsfälle für Satz 1 nur während des Verzuges begangene positive Vertragsverletzungen219. Die Vorschrift des§ 287 S. 1 BGB betrifft nach überwiegender Meinung auch vertragliche Haftungsmilderungen, sofern eine Auslegung der Vereinbarung nicht ergibt, daß auch § 287 S. 1 BGB selbst mit abbedungen sein soll 220. Dadurch besteht immerhin ein gewisses Interesse des AGB-Verwenders, sich durch eine gesonderte Klausel auch während des Verzuges das Privileg der beschränkten Einstandspflicht zu erhalten. Haftungsgrund für während des Leistungsverzuges begangene positive Vertragsverletzungen ist allerdings nicht§ 287 BGB selbst, sondern das Rechtsinstitut der PVV, da § 287 nur den Haftungsmaßstab regelt. Folglich stellt nicht § 11 Nr. 8 b sondern § 11 Nr. 7 AGBG die Freizeichnungsgrenze für entsprechende Klauseln dar. Wenn man von der Verletzung kardinaler Pflichten absieht, kann der Verwender daher die Haftung für leichte Fahrlässigkeit gemäߧ 287 S. 1 BGB auch während des Verzuges ausschließen. b) Die Regelung des§ 287 S. 2 BGB

Gemäß § 287 S. 2 BGB ist der Schuldner für eine während des Verzuges durch Zufall eintretende Unmöglichkeit der Leistung verantwortlich, es sei denn, der Schaden wäre auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten. Die Vorschrift gilt nach einhelliger Auffassung auch bei teilweiser 221 und vorübergehender Unmöglichkeit222 sowie bei bloßer Verschlechterung der Leistung 223 • Trotzdem ist auch der Anwendungsbereich von § 287 S. 2 BGB kleiner als dies zunächst den Anschein hat. Denn wenn zwischen dem vom Schuldner zu vertretenden Leistungsverzug und der während des Verzuges eingetretenen Unmöglichkeit ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, haftet der Schuldner nach herrschender Meinung alleine schon aufgrund der §§ 280, 285, 286 BGB auch wenn er außer der 217 Soergel I Wiedemann, § 287, Rdn. 3; Staudinger I Löwisch, § 287, Rdn. 3; MünchKomm/ Walchshöfer, § 287, Rdn. 2. 218 BGH, LM, § 286 Nr. 3; Soergel I Wiedemann, § 287, Rdn. 5; Palandt I Heinrichs, § 287, Anm. 2 a. 219 Auch dies ist allerdings streitig; a. A. Staudinger I Löwisch, § 287, Rdn. 3; wie hier Soergel I Wiedemann, § 287, Rdn. 3; Erman I Battes, § 287, Rdn. 1. 220 Soergel I Wiedemann, § 287, Rdn. 3; Staudinger I Löwisch, § 287, Rdn. 2; a. A. MünchKomm I Walchshöfer, § 287, Rdn. 1 allerdings ohne nähere Begründung. 221 Palandt I Heinrichs, § 287, Anm. 2 a; Soergel I Wiedemann, § 287, Anm. 5. 222 RGZ 108, 419, 421; BGH, LM, § 286, Nr. 3. 223 Palandt I Heinrichs, § 287, Anm. 2 a; Soergel I Wiedemann, § 287, Rdn. 5; Staudinger I Löwisch, § 287, Rdn. 6.

VI. Sonstige Verzugsfolgen

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Verzögerung der Leistung keine weitere Pfichtverletzung begangen hat. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verzug und der Unmöglichkeit gehört zum Bereich der schadensausfüllenden Kausalität, auf die sich das Verschulden nicht zu erstrecken braucht 224 • Die Zufallshaftung ist damit nur beim Fehlen eines adäquaten Ursächlichkeitszusammenhanges zwischen der Verzögerung und der späteren Unmöglichkeit der Leistung von Bedeutung 225 • Andererseits entfällt die Verantwortlichkeit gemäߧ 287 S. 2letzter Halbsatz aber dann, wenn der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre. Daher verbleiben nur die Fälle, in denen die Unmöglichkeit entweder inadäquate, nicht vorhersehbare Folge der Verspätung ist226 oder der Schuldner bei Fehlen auch der Äquivalenzkausalität das Vorliegen der Voraussetzungen des § 287 S. 2 letzter Halbsatz nicht beweisen kann. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Adäquanztheorie in der Praxis kaum haftungsbegrenzende Wirkung entfaltet, weil die Rechtsprechung auch minimale Gefahrerhöhungen genügen läßt 227 , ist der selbständige Anwendungsbereich von § 287 S. 2 BGB ebenfalls relativ unbedeutend. Die Frage der Freizeichnungsmöglichkeit von der erweiterten Haftung des § 287 S. 2 BGB ist in der Kommentarliteratur umstritten. Diejenigen Autoren, die § 11 Nr. 8 b AGBG nicht als Regelung des Haftungsmaßstabes für Schadensersatzansprüche ansehen, vertreten konsequenterweise auch die Auffassung, § 11 Nr. 8 b AGBG stehe der Abbedingung der verschuldeosunabhängigen Haftung nicht entgegen 228 • Nach der hier vertretenen Meinung darf aber auch§ 287 S. 2 BGB nicht abbedungen werden 229 • Es gilt hier das gleiche wie bei der Einbeziehung der Haftung des Gattungsschuldners gemäß § 279 BGB. Da § 11 Nr. 8 AGBG an die Begrifflichkeil des BGB anknüpft, bedeutet Vertretenmüssen nicht unbedingt Verschulden 230 • § 11 Nr. 8 AGBG hat den Zweck, die Rechte des Vertragspartners bei zu vertretenden Leistungsstörungen zu sichern. Durch den bestehenden Verzug hat der Schuldner nunmehr auch die zufällige Unmöglichkeit zu vertreten. Die Abbedingung stellt damit eine § 11 Nr. 8 a widersprechende unzulässige Erschwerung des Vertragslösungsrechtes im Falle zu vertretender Unmöglichkeit dar, und der Ausschluß des Schadensersatzanspruches ist als Verstoß gegen § 11 Nr. 8 b AGBG anzusehen. Im Falle vorübergehender Unmöglichkeit läßt sich eine Freizeichnung ebenfalls nicht mit § 11 Nr. 8 AGBG vereinbaren, da eine solche Bestimmung das 224 MünchKomm /Walchshöfer, § 287, Rdn. 3; Palandt I Heinrichs,§ 287, Anm. 2 a; Soergel I Wiedemann, § 287, Rdn. 5; Staudinger I Löwisch, § 287, Rdn. 10; Nastelski, JuS 1962, 289, 292; Larenz, SR 11, § 23 11 a. 22s Walchshöfer, JuS 1983, 598, 602; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 165. 226 Emmerich, Leistungsstörungen, S. 165. 227 Soergel I Mertens, vor § 249, Rdn. 121. 22s So ausdrücklich Kamm, S. 297; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 11. 229 So auch Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 18. 230

Siehe oben C III 3 c.

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

durch § 287 S. 2 BGB bewirkte weitere Andauern des Schuldnerverzuges verhindert. Aber auch, wenn man § 287 S. 2 BGB nicht als mitgeschützt ansieht, sind die meisten Klauseln, die die Haftung für während des Verzuges auftauchende unverschuldete Leistungshindernisse ausschließen, unwirksam. Erfolgt beispielsweise eine Freizeichnung für während des Verzuges auftretende arbeitskampfbedingte weitere Lieferverzögerungen 231 , so verstößt eine solche Klausel auch ohne Berücksichtigung von § 287 S. 2 BGB gegen§ 11 Nr. 8 AGBG. Denn der Verwender hätte bereits nach § 286 BGB alleine für dieses vorübergehende Leistungsunvermögen einzustehen, da arbeitskampfbedingte Verzögerungen adäquat-kausale Folgen des bereits eingetretenen Verzuges sind. Nach der Rechtsprechung ist Adäquanz dann gegeben, wenn das Ereignis die Möglichkeit eines Erfolges der eingetretenen Art nicht unerheblich erhöht hat 232 • Je länger aber infolge des andauernden Verzuges die Leistung noch nicht erbracht ist, desto eher besteht die Wahrscheinlichkeit, daß in diese Zeitspanne ein Arbeitskampf fallt, der die Auslieferung noch einmal verzögert oder die Leistung ganz verhindert. Das zeitweise arbeitskampfbedingte Leistungsunvermögen hätte daher auch ohne die Regelung des § 287 S. 2 BGB den andauernden Verzug nicht beendet. Eine solche Klausel verstößt damit gegen§ 11 Nr. 8 AGBG, da sie die Verzugssanktionen für die Zeit der arbeitskampfbedingten Verzögerung ausschließt. 2. Verzinsung von Geldschulden Obwohl Großabnehmer in ihren Einkaufsbedingungen ansonsten die vom dispositiven Recht getroffene Interessenahwägung oft nicht unerheblich zu ihren Gunsten verändern 233 , wird die Verzinsungspflicht gemäߧ 288 BGB regelmäßig nicht abbedungen. Ein Ausschluß dieses Mindestzinses wäre aber auch mit § 11 Nr. 8 b AGBG nicht vereinbar: Denn die Zinsen in Höhe von 4 % sind als gesetzliche Pauschalierung eines ohne weitere Nachweise einklagbaren Mindestschadens des Gläubigers anzusehen 234• Daß es sich begrifflich um einen Schadensersatzanspruch im Sinne von § 11 Nr. 8 b AGBG handelt, zeigt insbesondere die Formulierung des § 288 Abs. 2 BGB, wo auf die Geltendmachung eines weiteren Schadens verwiesen wird. Die Geltung des § 11 Nr. 8 b AGBG bewirkt, daß jedenfalls eine generelle Minderung des Verzugszinses unzulässig ist. Denn damit wären auch Fälle groben Verschuldeos miterfaßt, so daß ein Verstoß gegen§ 11 Nr. 8 b i. V. m. § 11 Nr. 7 AGBG immer gegeben wäre. 231 Vgl. z. B. eine entsprechende Klausel in den Allgemeinen Bedingungen für die Lieferung von Maschinen, Bunte, Handbuch, S. 167. 232 RGZ 69, 57, 59; BGHZ 3, 261, 266; 57, 245, 255. 233 Heinze, NJW 1973, 2182, 2184, siehe auch oben I. 234 MünchKomm /Walchshöfer, § 288, Rdn. 1, 3; Palandt I Heinrichs,§ 288, Anm. 1 a.

VI. Sonstige Verzugsfolgen

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Aber auch bei leichter Fahrlässigkeit muß eine Senkung dieses Zinssatzes als unangemessen im Sinne von§ 9 AGBG angesehen werden. Die Höhe der Verzugszinsen wird heute überwiegend ohnehin für zu niedrig gehalten 235 , so daß eine weitere Minderung im Regelfall nicht zugelassen werden kann.

3. Ansprüche bei verzögerter Mängelbeseitigung Sofern Vermieter oder Werkunternehmer mit der Beseitigung von Mängeln in Verzug geraten, geben die§§ 535 Abs. 2 und 633 Abs. 3 BGB dem Vertragspartner das Recht, den Fehler selbst zu beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen zu verlangen. Diese Bestimmungen enthalten jedoch keine Schadensersatzansprüche im Sinne der § 249 ff. BGB sondern Aufwendungsersatzansprüche, auf die die §§ 256, 257 BGB Anwendung finden. Für diese Rechte kann § 11 Nr. 8 b AGBG nach seinem Wortlaut nicht gelten 236. Fraglich ist jedoch, ob und inwieweit der Schadensersatzanspruch, der dem Kunden bei schuldhafter Verletzung der Mängelbeseitigungspflicht zusteht, von § 11 Nr. 8 b AGBG mit umfaßt wird. Der Ersatz des reinen Verzugsschadens, der durch die schuldhafte Verzögerung der Mängelbeseitigung entsteht, leitet sich dogmatisch aus § 286 Abs. 1 BGB her 237 und ist folglich nach der oben vertretenen Auffassung von § 11 Nr. 8 b AGBG mit geschützt. Die Rechtsprechung gesteht jedoch dem Besteller einer Werkleistung darüber hinaus einen Anspruch zu, bei unzumutbar langer Verzögerung oder Verweigerung der Nachbesserung eines Fehlers weitergehenden Schadensersatz zu verlangen, der darauf gerichtet ist, ihn so zu stellen, als ob er den nunmehr unnützen Vertrag nie geschlossen hätte 238 • Dieses Recht leitet die Praxis aber genauso wie im Falle des Fehlschiagens der Nachbesserung dogmatisch aus den Grundsätzen zur Positiven Vertragsverletzung her, so daß es von § 11 Nr. 8 b AGBG nicht erlaßt wird 239 • Durch dieses Ergebnis wird auch die Schutzfunktion des AGB-Gesetzes gegenüber formularmäßigen Einschränkungen der Sachmängelhaftung nicht beeinträchtigt. Denn aufgrund der Geltung von § 11 Nr. 10 b AGBG müssen heute Allgemeine Geschäftsbedingungen, die Gewährleistungsrechte beim Werkvertrag auf Nachbesserung beschränken, bei deren Fehlschlagen die Möglichkeit der Herabsetzung der Vergütung oder der Rückgängigmachung des Vertrages vorsehen. Die BGH-Rechtsprechung, die dem Kunden Schadensersatzansprüche wegen

z. B. Peters, ZRP 1980, 90 Gelhaar, NJW 1980, 1372. Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 12; a. A. ohne Begründung, Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 6. 237 BGH, MDR 1954, 345, 346; 1959, 750. 238 BGHZ 48, 264, 267; BGH, NJW 1970, 383, 384; BGHZ 83, 87. 239 Löwe I von Westphalen, § 11 Nr. 8, Rdn. 12. 235

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C. Einschränkbarkeit der Haftung im nichtkaufmännischen Bereich

Verletzung der Nachbesserungspflicht gewährte, diente vor lnkrafttreten des AGB-Gesetzes dazu, im Falle des formularmäßigen Ausschlusses des Wandlungs- oder Minderungsrechts eine Rechtlosstellung des Kunden bei Fehlschlagen der Nachbesserung zu vermeiden 240 • Die Bedeutung dieses Rechtsbehelfes ist daher heute weggefallen 241 • Der Nachlieferungsanspruch, der dem Käufer einer Gattungssache gemäß § 480 BGB im Falle der Mangelhaftigkeit zusteht, wird demgegenüber von der überwiegenden Meinung als modifizierter Erfüllungsanspruch angesehen, da durch die Lieferung der fehlerhaften Sache gemäß § 243 Abs. 1 BGB noch keine Konkretisierung eingetreten sei 242 • Somit findet§ 326 BGB auf diesen Anspruch Anwendung, so daß eine Haftungsbeschränkung für den Fall verzögerter Nachlieferung nur in den Grenzen des § 11 Nr. 8 b AGBG zulässig ist.

BGH, NJW 1963, 1148; BGHZ 48, 264, 267. Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 10 b, Rdn. 26, 39; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 10, Rdn. 56; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 10, Rdn. 56. 242 BGH, NJW 1958, 418; 61, 117; Staudinger i Honsell, §480, Rdn. 8; MünchKomm I Westermann, § 480, Rdn. 6; a. A. Palandt I Putzo, § 480, Anm. 2 a. 240 241

D. Indirekte Freizeichnung durch Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung I. Erscheinungsformen in der Wirtschaftspraxis Die dispositiven Regelungen des Bürgerlichen Rechts über den Leistungsverzug können auch dadurch abbedungen werden, daß bereits der Eintritt des Verzuges durcherhöhte Anforderungen an die Verzugsherbeiführung erschwert wird.

1. Modiflzierung einzelner Verzugsvoraussetzungen Der Eintritt des Verzugs kann an grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz geknüpft werden. So wäre beispielsweise eine an die Struktur des § 285 BGB angelehnte Klausel mit folgendem Wortlaut denkbar: "Verzug tritt nur ein, wenn die Leistungsverzögerung auf grober Fahrlässigkeit beruht." In der Praxis orientieren sich die Freizeichnungen hier allerdings nicht am Aufbau des Gesetzes. Der Verschuldensmaßstab wird vielmehr entweder nur bezüglich der Verzugsfolgen geregelt, oder es findet sich eine generelle für alle Leistungsstörungen geltende Haftungsfreizeichnung für leichte Fahrlässigkeit 1• Um der strengeren Regelung des § 11 Nr. 8 AGBG Rechnung zu tragen, enthalten einige neuere Bedingungswerke in ihrer allgemeinen Haftungsregelung einen Hinweis, daß diese für den Verzug keine Geltung beanspruche 2• Weiterhin existieren in der Praxis aber auch Klauseln, nach denen der Verwender nur bei nachgewiesenem Verschulden haftet. Da gemäߧ 285 BGB der Schuldner beweisen muß, daß ihn an der Verzögerung kein Verschulden trifft, erschweren diese Bestimmungen die Herbeiführung des Verzuges 3• Einige Formularverträge enthalten auch Regelungen, die für die verzugsbegründende Mahnung Schriftform vorsehen 4 • 1 Vgl. z. B. Verkaufsbedingungen der Bayerischen Motorenwerke, Rehbinder, S. 63: "Der Verkäufer haftet nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen - gleich aus welchem Rechtsgrund- wenn . . ." 2 So z. B. Nr. VIII 3 der AGB für den Verkauf von fabrikneuen Fahrzeugen und Anhängern, Reinking!Eggert, S. 233: "Die Ansprüche wegen Lieferverzug sind in Abschnitt IV abschließend geregelt." Nr. 9 der Allgemeinen Lieferbedingungen des Elektrogroßhandels, Bunte, Handbuch, S. 257: "Die Haftung des Verkäufers richtet sich ausschließlich nach den im vorstehenden Abschnitt getroffenen Vereinbarungen." 3 V gl. u. a. Klausel einer Fluggesellschaft: ,,Bei der Beförderung von Personen sowie von aufgegebenem Gepäck ist der Luftfrachtführer zum Schadensersatz nur dann verpflichtet, wenn ihm nachweislich Fahrlässigkeit zur Last fällt." Bunte, Handbuch, S. 139; OLG Köln, ZIP 1981, 390.

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D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

2. Relativierung verbindlicher Leistungszeitangaben a) Unverbindlichkeitsklauseln Der Schuldner kann sich der Einstandspflicht für die Nichteinhaltungvon Lieferfristen auch dadurch entziehen, daß er diesen Angaben, seien sie individualvertraglich vereinbart oder aber ebenfalls in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten, von vorneherein jede bindende Wirkung nimmt oder ihre Verbindlichkeit zumindest einschränkt: So enthielten die AGB der Lufthansa bis zu ihrer Beanstandung durch den BGH beispielsweise folgende Bestimmung: "Die im Flugschein, Flugplan oder andernorts angegebenen Verkehrszeiten werden nicht garantiert und sind nicht Bestandteil des Beförderungsvertrages." 5 In Verbindung mit der Unverbindlichkeit des LiefeTtermines wird häufig auch eine "Bemühensklausel" verwendet: "Ist eine bestimmte Ausführungszeit vereinbart, so bemühen wir uns, diese einzuhalten." 6 "Liefertermine werden nach Möglichkeit eingehalten, sind aber nur annähernd und unverbindlich." 7 Teilweise wird die Verbindlichkeit eines LiefeTtermines auch von einer besonderen schriftlichen Vereinbarung abhängig gemacht 8 •

b) Zusätzliche Leistungsfristen In der Wirtschaftspraxis werden häufig Regelungen verwandt, die die Geltendmachung der Rechte wegen Leistungsverzuges an das Verstreichen einer zusätzlichen Frist knüpfen, vor deren Ablauf eine Mahnung nicht erfolgen darf. Ein Beispiel für diese Technik bietet folgende Klausel aus dem Automobilhandel: "Der Käufer kann 6 Wochen nach der Überschreitung eines unverbindlichen Liefertermins oder einer unverbindlichen Lieferfrist den Verkäufer schriftlich auffordern, binnen angemessener Frist zu liefern. Mit dieser Mahnung kommt der Verkäufer in Verzug." 9 Bei dieser zusätzlichen Leistungsfrist handelt es sich nicht um die Nachfrist im Sinne von§ 326 Abs. 1 BGB, da bereits der Verzugsein4 z. B. Klausel aus dem Automobilhandel, Bunte, Handbuch, S. 107: "Der Käufer kann 6 Wochen nach der Überschreitung eines unverbindlichen Lieferterrnins den Verkäufer schriftlich auffordern, binnen angemessener Frist zu liefern." 5 BGHZ 86, 284 ff. = AGBE IV; § 1, Rdn. 58. 6 LG Stuttgart, AGBE IV, § 10 Nr. 1, Rdn. 11 (Vertrag über die Erbringung von Bauleistungen"). 1 OLG Celle, AGBE I, § 10 Nr. I (Holz- und Baustoffgroßhandel). s z. B. Klausel aus dem Automobilhandel: "Liefertermine oder Lieferfristen, die verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden können, sind schriftlich anzugeben." Vgl. BGH, NJW 1982, 331. 9 BGH, NJW 1982, 331; weitere Beispiele: OLG Stuttgart, BB 1979, 1468; OLG Stuttgart, ZIP 1981, 875; LG München, AGBE I,§ 11, Rdn. 76; LG Düsseldorf, AGBE I, § 11, Rdn. 26.

I. Erscheinungsformen in der Wirtschaftspraxis

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tritt und nicht nur die in § 326 Abs. 1 BGB genannten Rechte hinausgezögert werden. Einige AGB enthalten Bestimmungen über beide Fristen: "Wird der vereinbarte Liefertermin um mehr als vier Wochen überschritten, hat der Auftraggeber das Recht, dem Auftragnehmer eine Nachfrist von mindestens vier Wochen zu setzen. Wird auch bis zum Ablauf der Nachfrist nicht geliefert, kann der Auftraggeber vom Vertrag zurücktreten." 10

3. Vertragslösungsvorbehalte Erkennt der Schuldner, daß er die zugesagte Leistungszeit nicht einhalten kann, so kann er der Verzugshaftung auch entgehen, wenn er die Möglichkeit hat, sich von dem nunmehr lästig gewordenen Vertrag zu lösen. Dementsprechend enthalten einige gebräuchliche AGB Vertragslösungsrechte für den Fall vorübergehender Lieferstörungen. Eine typische Klausel eines Herstellers elektrischer Haushaltsgeräte lautet beispielsweise: "Materialmangel und Fälle höherer Gewalt oder Betriebsstörungen entbinden uns von der Einhaltung der Lieferfristen sowie nach unserer Wahl auch von unserer Lieferverpflichtung." 11 Neben AGB, die eine automatische Leistungsbefreiung vorsehen, existieren andere Klauseln, die dem Verwender ein Rücktrittsrecht einräumen. Am weitesten ging die heute kaum noch gebräuchliche Bestimmung "Lieferung freibleibend", die dem Verwender ein freies Vertragslösungsrecht bis zur Erfüllung ermöglichte.

4. Die formularmäßige Bestimmung der Leistungszeit Das Risiko, vom Vertragspartner in Verzug gesetzt zu werden, kann der Schuldner auch dadurch mindern, daß er in seinen AGB die Länge der Leistungsfrist großzügig bestimmt. Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen sind immer wieder Klauseln, die den Liefertermin zu lang oder zu ungenau angeben: "Gewerbeübliche Lieferfristen werden eingehalten" 12, "Lieferung innerhalb angemessener Frist" 13, "Lieferzeit 8 Wochen nach Aufmaß" 14 •

10

II

Klausel eines Fassadenbauuntemehmers, Bunte, Handbuch, S. 107.

Bunte, Handbuch, S. 104.

12 Klausel aus den Lieferbedingungen des deutschen Textilreinigungsgewerbes, BAZ Nr. 124 vom 8.7.1977, inzwischen neu gefaßt, BAZ Nr. 61 vom 30.3.1982. 13 Vgl. Wolf, § 10 Nr. 1, Rdn. 46. 14 Klausel in Lieferbedingungen eines Fensterherstellers, OLG Stuttgart, NJW 1981,

1105.

6 Keim

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D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

II. Die Subsumtion indirekter Freizeichnungen unter § 11 Nr. 8 AGBG 1. Problemstellung

Das absolute Klauselverbot des § 11 Nr. 8 AGBG setzt voraus, daß Verzug vorliegt und möchte in diesem Fall den Vertragspartner vor dem Verlust seiner Rechte schützen. Eine eng am Wortlaut haftende Auslegung des Gesetzes könnte zu dem Ergebnis gelangen, daß lediglich Klauseln erlaßt sein sollen, die bei Vorliegen aller Merkmale des Schuldnerverzuges, die daraus resultierenden Rechtsfolgen beschränken oder ausschließen. Danach ließen sich Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nicht an den Rechtsfolgen der §§ 286 ff. und 326 BGB ansetzen, sondern die Verzugsherbeiführung verhindern, nicht unter § 11 Nr. 8 AGBG subsumieren. Bestimmungen, welchetrotzdes Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 284 und 285 BGB den Leistungsverzug selbst ausschließen oder ihn sonst abweichend vom Gesetz definieren, wären schon nicht mehr ohne weiteres erlaßt, obwohl sie die gleiche Wirkung haben wie direkte Abbedingungen der in § 11 Nr. 8 AGBG genannten Rechte. Änderungen des Verschuldeosmaßstabes fielen nur dann unter das Klauselverbot des § 11 Nr. 8 AGBG, wenn sie die Verzugsfolgen für den Fall leichter oder grober Fahrlässigkeit abänderten. Eine Klausel mit dem Wortlaut: "Der Verwender hat nur Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu vertreten" enthält dagegen keine direkte Abbedingung der Verzugsfolgen, da sie lediglich die Verzugsvoraussetzung des Vertretenmüssens abweichend vom Gesetz definiert. Regelungen, die die Pflicht zur Einhaltung einer bestimmten Leistungszeit so abschwächen, daß eine Inverzugsetzung unmöglich gemacht wird, könnten ebenfalls nicht unter § 11 Nr. 8 AGBG subsumiert werden, da es durch die Klausel gerade nicht zu einer Leistungsstörung kommt. Auch AGB, die originär ohne Bezugnahme zu einem anderweitig genannten Liefettermin die Leistungszeit großzügig festlegen, beinhalten keine unmittelbare Abbedingung der Verzugshaftung, obwohl sie de facto eine ähnlich benachteiligende Wirkung haben können. Bei der Untersuchung der Frage, inwieweit § 11 Nr. 8 AGBG auf solche Klauseltypen Anwendung finden kann, sind außerdem noch Konkurrenzprobleme zu anderen speziellen Klauselverboten des AGB-Gesetzes mit zu berücksichtigen. So regelt beispielsweise § 11 Nr. 7 AGBG den allgemeinen Haftungsmaßstab für Freizeichnungen in AGB, so daß zu untersuchen ist, ob dieser vielleicht einheitlich für alle Leistungsstörungen gelten soll 15• Für Vertragslösungsvorbehalte enthält § 10 Nr. 3 AGBG eine spezielle Bestimmung, während Leistungszeitklauseln der Inhaltskontrolle gemäß § 10 Nr. I AGBG unterliegen. Es ist daher zu fragen, ob diese Vorschriften im Rahmen ihres Geltungsbereiches noch 15 V gl. auch die Argumentation bei der Frage, ob § 11 Nr. 8 b AGBG die Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit regelt, siehe oben C III 2 a.

Il. Die Subsumtion indirekter Freizeichnungen unter § 11 Nr. 8 AGBG

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den Rückgriff auf§ 11 Nr. 8 AGBG zulassen oder aber- ähnlich wie§ 10 Nr. 2 AGBG für Nachfristklauseln - dessen Anwendbarkeit ausschließen.

2. Indirekte Freizeichnungen als "Umgehungstatbestände" Gemäß § 7 findet das AGB-Gesetz auch Anwendung, wenn seine Vorschriften durch anderweitige Vertragsgestaltungen umgangen werden. Welche Kriterien den Begriff der Gesetzesumgehung kennzeichnen und ob er überhaupt ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal darstellen kann, dessen Vorliegen gesonderte Rechtsfolgen herbeiführt, ist jedoch umstritten. Angewandt auf den Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sollen die so bezeichneten Klauseln gemeinsam haben, daß ihre Gestaltung bewußt darauf hinauslaufe, den wirtschaftlichen Erfolg, den eine Verbotsvorschrift zu verhindem sucht, zu erreichen, ohne zumindest ohne weiteres von deren Wortlauterfaßt zu werden 16• Da die oben genannten AGB-Bestimmungen zwar die von § 11 Nr. 8 AGBG geschützten Rechte des Vertragspartners beeinträchtigen, aber so gefaßt sind, daß sie diese Rechtsfolgen des Verzuges oft nicht einmal erwähnen, weil sie bereits den Verzugseintritt verhindern, könnte man hier an einen Umgehungsfall denken und muß § 7 AGBG in die Untersuchung mit einbeziehen. a) Die dogmatische Einordnung der Gesetzesumgehung

Da die Vorschrift des§ 7 AGBG den Begriff der Umgehung gebraucht, ohne ihn zu definieren, bleibt die Frage der dogmatischen Einordnung der Gesetzesumgehung relevant. Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Umgehung einer Verbotsvorschrift stelle ein eigenständiges Rechtsinstitut dar und sei deshalb als selbständiger potentieller Grund für die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften anzusehen. Umgehungsgeschäfte werfen danach eine spezifische Problematik auf, da sie ohne Verwirklichung des Verbotstatbestandes dessen gesetzgebensehe Intention deutlich durchkreuzen 17 • Nach überwiegender Meinung bedürfen Gesetzesumgehungen dagegen keiner besonderen rechtlichen Behandlung; aus dem Begriff selbst folge keinerlei rechtliche Bewertung 18 • Für die einen reduziert sich die Umgehungsproblematik auf 16 Löwe, § 7, Rdn. 7; von Gamm, WRP 1961, 259, 260 zu Umgehungsvorschriften aus anderen Gesetzen. Relevant ist hier nur die Frage der Vermeidung einer Verbotsvorschrift Teilweise wird im Zusammenhang mit der Gesetzesumgehung noch das Problem der Erschleichung einer begünstigenden Norm diskutiert, z. B. Soergel!Hefermehl, § 134, Rdn. 53. 17 MünchKomm/Mayer-Maly, § 134, Rdn. 11 ff.; Wollenschläger, AuR 1975, 222, 223. 18 Teichmann, Gesetzesumgehung, insbesondere S. 67 ff., 78; ders., JZ 1985, 314, 316; Flume, § 17.5; Medicus, AT, Rdn. 660; Müller-Graf!, JZ 1977, 245, 248; Zoller,

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D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

die Frage einer sachgerechten und zweckorientierten Auslegung des jeweiligen Verbotsgesetzes 19• Nur wenn die teleologische Interpretation des Verbotes ergebe, daß es sich auch auf das Verbotsgeschäft erstrecke, sei dieses unwirksam. Da eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der Verbotsvorschrift zur Erfassung der Umgehungen ausreiche, könne auf ein selbständiges Rechtsinstitut der Gesetzesumgehung verzichtet werden 20 • Nach der Auffassung anderer Autoren lassen sich nicht alle Fallgestaltungen, die als Umgehungen bezeichnet werden, durch direkte Subsumtion lösen. Einige dieser Tatbestände könnten vielmehr nur durch eine analoge Anwendung der Verbotsvorschriften erlaßt werden 21 • Dieser letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Für die Qualifizierung der Gesetzesumgehung als eigenes Rechtsinstitut spricht zwar, daß der Begriff in einigen Vorschriften, wie z.B. § 6 AbzG, § 42 AO, § 75 d Abs. 2 S. 2 HGB sowie dem hier in Frage stehenden § 7 AGBG ausdrücklich genannt wird und dort auch Rechtsfolgen an ihn geknüpft sind. Er hat jedoch gegenüber den Instituten der Gesetzesauslegung und der Analogie keine eigenständigen Konturen. Als meistverwandtes Kriterium zur Abgrenzung der Gesetzesumgehung von anderen Erscheinungen dient der sogenannte Umgehungsvorsatz. Nur wenn dieses Merkmal vorliege, solle das betreffende Rechtsgeschäft unter die umgangene Verbotsnorm fallen, während es andernfalls gültig sei 22 • Durch die Annahme, der Vorsatz, die Anwendbarkeit einer Norm zu vermeiden, sei das entscheidende Abgrenzungskriterium, würde das Problem der Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts jedoch in das Gebiet der Ahndung eines subjektiv vorwerfbaren Verhaltens verlagert 23 • Die Gesetzesumgehung ist aber eine Frage der Rechtsgeltung, und zwar der Durchsetzung einer Norm aus eigener Kraft 24• Ob eine bestimmte Vorschrift auf einen bestimmten Sachverhalt anwendbar ist, kann nur nach objektiven Merkmalen entschieden werden und nicht Gegenstand der Privatautonomie sein 25 • Schließen zwei Parteien ein Rechtsgeschäft ab, handelt aber nur eine mit Umgehungsabsicht, da nur sie das Verbotsgesetz kennt, so wäre es ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wenn man die Frage der Wirksamkeit des Vertrages S. 65; Soergel!Hefermehl, § 134, Rdn. 37; Huber, JurA 1970, 784, 796 ff.; Jauernig, § 134, Anm. 5; Ulmer, § 7, Rdn. 4; Schröder, S. 10, 127. 19 Flume, § 17.5; Medicus, AT, Rdn. 660; Jauernig, § 134, Anm. 5. 2o Flume, § 17.5; Medicus, AT, Rdn. 660. 21 Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 78 ff.; ders., JZ 1985, 314, 316; Soergel/Hefermehl, § 134, Rdn. 37; Huber, JurA 1970, 784, 796 ff.; Müller-Graf!, JZ 1977, 245, 248; ähnlich Ulmer, § 7, Rdn. 4, der aber den Begriff überhaupt nur dann anwendet, wenn eine Analogie nötig ist. 22 MünchKomm/Mayer-Maly, § 134, Rdn. 18; vgl. auch die Darstellung dieser Auffassung bei Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 67 ff. 23 Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 69. 24 Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 69. Zu den Versuchen, den Begriff durch die Kriterien der Sittenwidrigkeit und des Rechtsmißbrauchs zu kennzeichnen, Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 71 ff.; so z. B. Wollenschläger, AuR 1975, 222, 223. 2s Huber, JurA 1970, 784, 797.

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deshalb für die Beteiligten unterschiedlich beurteilen würde 26. Der Wille, die Anwendung der Norm zu vermeiden, ist damit kein geeignetes Kriterium, um die Gesetzesumgehung als eigenes Rechtsinstitut zu kennzeichnen. Es muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß die Parteien alle Rechtsnormen zu allen mit ihnen erreichbaren wirtschaftlichen Zwecken verwenden können. Dabei kann es ihnen auch grundsätzlich nicht verwehrt werden, den Folgen einer für sie ungünstigen Norm durch die Wahl einer anderen Vertragsgestaltung auszuweichen27. Für die Frage, ob ein Umgehungsgeschäft erlaubt oder nicht erlaubt ist, kommt es vielmehr darauf an, ob das Verbotsgesetz nach seinem durch Auslegung zu ermittelnden Sinn und Zweck den mit dem Geschäft angestrebten Erfolg oder aber nur eine bestimmte Gestaltungsform untersagen will 28 . Gelangt man zu dem Ergebnis, daß der Zweck der Norm ihre Anwendung rechtfertigt, ist jedoch die Subsumtion des Umgehungssachverhaltes unter die Verbotsvorschrift mit deren Wortlaut nicht mehr vereinbar, so stellt sich die weitere Frage, ob eine Analogie geboten ist 29. Eine selbständige juristische Kategorie verkörpert der Begriff der Gesetzesumgehung dagegen nicht. Es bleibt die Frage nach der Bedeutung des § 7 AGBG, der an den Begriff der Gesetzesumgehung ja ausdrücklich bestimmte Rechtsfolgen knüpft. Ausweislich der Materialien war es die Absicht des Gesetzgebers, durch Schaffung einer gesonderten Umgehungsvorschrift die Durchsetzung der Ziele des AGB-Gesetzes auch gegenüber solchen Gestaltungen zu sichern, die zwar in ihrer äußeren Form abweichen, in der Sache aber dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Denkbar sei, daß die Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen versuchten, die Kataloge unzulässiger Klauseln dadurch zu umgehen, daß für Sachverhalte aus dem Bereich des Schuldrechts beispielsweise Gestaltungen des Vereins- oder Gesellschaftsrechts verwendet würden3o. Nach ganz herrschender Meinung in der Kommentarliteratur hat die Vorschrift allerdings nur deklaratorischen, die Gerichte auf die zwingende Bedeutung des AGB-Gesetzes hinweisenden und zu teleologischer Rechtsanwendung ermutigenden Charakter 31 . Der Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsentwurf des AGB-Gesetzes hebt hervor, bei der Mehrzahl der Vorschriften werde eine sachgerechte Interpretation ausreichen, um Umgehungsversuche zu verteiteln. Nur für 26 27 2s 29

Teichmann, Gesetzesumgehung, S. 70. Soergel!Hefermehl, § 134, Rdn. 37. Soergel!Hefermehl, § 134, Rdn. 37. Huber, JurA 1970, 784, 797. 30 Stellungnahme des Bundesrates, BTDS 7/3919, S. 48; Bericht des Rechtsausschusses, BTDS 7/5422, S. 6. 31 Müller-Graf!, JZ 1977, 245, 248; Ulmer, § 7, Rdn. 4; Wolf!Lindacher, § 7, Rdn. 1; Staudinger!Schlosser, § 7; Soergel/Stein, § 7 AGBG, Rdn. 1; a. A. Löwe, § 7, Rdn. 2; Zoller, S. 65.

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die auf diese Weise nicht erlaßbaren Fälle müsse eine spezielle Umgehungsvorschrift geschaffen werden 32• § 7 AGBG sollte damit dem Ziel dienen, diejenigen Tatbestände zu regeln, bei denen vom Zweck her die Anwendung von Vorschriften des AGB-Gesetzes geboten ist, die aber nicht vom Wortlaut der Norm durch Auslegung erlaßbar sind. Daher sieht die wohl überwiegende Meinung den Sinn des § 7 AGBG darin, die Gerichte zur Lückenausfüllung durch Analogiebildung zu ermutigen 33 • Ob man daneben die Vorschrift auch als Appell zu teleologischer Auslegung auffaßt 34 oder auf Fälle der Analogie beschränkt, bleibt sich letztlich gleich. Die Beantwortung beider Fragen hängt in erster Linie von Sinn und Zweck der jeweiligen Verbote und nicht von der Heranziehung des § 7 AGBG ab. In der bisherigen Praxis ist die Relevanz der Vorschrift daher auch sehr gering, und ihre Notwendigkeit wird mit Recht häufig bezweifelt 35 • b) Teleologische Auslegung und analoge Anwendung der speziellen Klauselverbote aa) Die teleologische Auslegung

Die Frage, ob die speziellen Klauselverbote der §§ 10 und 11 AGBG Gegenstand von "Umgehungen" sein können, wird überwiegend verneint, da alle nicht unter den Katalog subsumierbaren aber dennoch unangemessenen Klauseln jedenfalls von§ 9 AGBG zu erfassen seien 36• Die Vertreter dieser Ansicht verstehen aber unter Umgehung im Sinne des § 7 AGBG nur die echte Normvermeidung, die durch direkte Auslegung nicht mehr erlaßbar ist und verneinen dann das Bedürfnis für eine Analogiebildung 37• Die Auffangfunktion des§ 9 AGBG kann jedoch auch nach dieser Auffassung nicht dazu dienen, eine restriktive Interpretation der speziellen Klauselverbote zu begründen. Eine enge Auslegung in der Weise, daß nur ganz bestimmte Klauselformulierungen in §§ 10, 11 AGBG untersagt sein sollten, die denen der einzelnen Verbote entsprechen, wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber mit der Schaffung der Vorschriften allein das Ziel verfolgt hätte, den Verbraucher auf typische häufig verwandte Bericht des Rechtsausschusses, BTDS 7/5422, S. 6. Vor allem Ulmer, § 7, Rdn. 4; Soergel!Stein, § 7 AGBG, Rdn. 3; Teichmann, JZ 1985,314, 316; wohl auch Wolf!Lindacher, § 7, Rdn. 2; Dietlein!Rebmann, § 7, Rdn. 1; Erman!Hefermehl, § 7 AGBG, Rdn. 1; Koch!Stübing, § 7, Rdn. 2, 4, die jeweils eine Lücke als Voraussetzung für das Vorliegen eines Umgehungstatbestandes fordern. 34 So Müller-Graff, JZ 1977, 245 und Staudinger!Schlosser, § 7. 35 Vor allem von Staudinger!Schlosser, § 7; Ulmer, § 7, Rdn. 1; Koch!Stübing, § 7, Rdn. 2, 4. 36 Ulmer, § 7, Rdn. 7; Koch!Stübing, § 7, Rdn. 4; Staudinger!Schlosser, § 7; MünchKomm/Kötz, § 7 AGBG, Rdn. 2; Soergel!Stein, § 7 AGBG, Rdn. 5; Erman!Hefermehl, § 7 AGBG, Rdn. 2; ähnlich Dietlein!Rebmann, § 7, Rdn. 2. 37 Am deutlichsten Ulmer, § 7, Rdn. 4. 32 33

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mißbräuchliche Klauseln aufmerksam zu machen. Diese Betrachtungsweise hätte aber zur Folge, daß die so vorübergehend gewonnene partielle Rechtssicherheit bei der AGB-Kontrolle nur von kurzer Dauer wäre. Denn durch schlichte Umformulierung der AGB als Reaktion auf das Gesetz könnten die Verwender den Klauselkatalog zu völliger Funktionslosigkeit erstarren lassen. Wenn man die Rechtssicherheit bei der Beurteilung bestimmter unangemessener Klauseln durch Schaffung eines Kataloges erhöhen wollte, so kann dies nur zu dem Zweck geschehen sein, die darin aufgeführten Rechtspositionen des Vertragspartners gegen beeinträchtigende AGB unabhängig von deren sprachlicher Fassung auch für die Zukunft abzusichern. Eine teleologische Auslegung des Gesetzes muß daher das Ziel verfolgen, möglichst alle Klauseln zu erfassen, die dem Kunden die in dem Einzelverbot aufgeführten Rechtspositionen entziehen wollen. Aus diesem Schutzzweck folgt, daß bei den zu prüfenden Bestimmungen weniger auf ihren Wortlaut als auf ihre materielle rechtsentziehende Wirkung abzustellen ist und diese an den jeweiligen Verboten der §§ 10 und 11 AGBG gemessen werden muß 38 • Soweit also die Verwender durch Umformulierung ihrer AGB die Anwendbarkeit dieser Vorschriften zu vermeiden suchen und man hierfür auf den Begriff der Gesetzesumgehung zurückgreifen möchte, so ist die teleologische Interpretation geeignet, diese "Umgehungen" zu erfassen, solange dabei der Wortlaut des Gesetzes als Auslegungsgrenze beachtet wird. bb) Die analoge Anwendung von Einzelverboten

Streitig ist, ob ein Bedürfnis für die analoge Anwendung der in §§ 10, 11 AGBG enthaltenen Verbote auf solche Klauseln besteht, die unter Verwendung einer anderen rechtlichen Konstruktion den Vertragspartner wirtschaftlich ebenso benachteiligen wie die untersagten Bestimmungen. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur bewirkt die Auffangvorschrift des § 9 AGBG, daß das Umgehungsverbot des § 7 AGBG, soweit es als Aufforderung zur Analogiebildung verstanden wird, im Rahmen der speziellen Klauselverbote ohne Belang ist 39 • Die Generalklausel ermögliche es, auch in den Fällen zur Unwirksamkeit unangemessener AGB zu gelangen, in denen diese wegen der abweichenden rechtlichen Gestaltung nicht unter den Klauselkatalog der §§ 10 und 11 AGBG subsumierbar seien. Es fehle daher an einer Regelungslücke als Voraussetzung für das Eingreifen von§ 7 AGBG. Soweit verschiedentIich geprüft werde, ob bestimmte Klauselgestaltungen auf eine Umgehung absolu38 Für die Berücksichtigung der materiellen Rechtswirkung im Zusammenhang mit Umgehungsfallen von Gamm, WRP 1961, 259, 260. 39 Ulmer, § 7, Rdn. 7; Koch!Stübing, § 7, Rdn. 4; Staudinger!Schlosser, § 7; MünchKomm/Kötz, § 7 AGBG, Rdn. 2; Soergel/Stein, § 7 AGBG, Rdn. 5; Erman!Hefermehl, § 7 AGBG, Rdn. 2; ähnlich Dietlein!Rebmann, § 7, Rdn. 2.

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ter Klauselverbote hinausliefen, beruhe dies auf einer Unterschätzung der Auffangfunktion des § 9 AGBG 40 • Löwe vertritt dagegen die Auffassung, das Eingreifen der Generalklausel genüge nicht immer, um den gewollten Schutz der anderen Vertragspartei zu gewährleisten, weil im Rahmen des§ 9 AGBG unter Umständen erst Wertungen vorgenommen werden müßten, deren Ergebnis nicht immer vorhersehbar sei. Für die Anwendung von § 7 AGBG bestehe daher ein Bedürfnis 41. Selbst bei den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit seien Umgehungsfälle denkbar. § 9 AGBG biete nämlich auch hier nur geringeren Schutz, da der in§ 10 AGBG enthaltene klare Hinweis auf die Gefährlichkeit bestimmter Klauseltypen dadurch verlorengehe42. Zoller bejaht dagegen ein Bedürfnis für das Eingreifen des AGB nur im Bereich der Verbotsvorschrift des § 11 AGBG 43 . Ausgehend von der These, § 7 AGBG verpflichte konstitutiv zu einer modifizierten Subsumtion unter die speziellen Klauselverbote 44 , sieht er die fehlende Wertungsmöglichkeit im Rahmen des § 11 AGBG als den entscheidenden Grund für eine Umgehungsgefahr an. Sie führe dazu, daß § 11 AGBG zumindest tatbestandstheoretisch auch Fälle erfasse, welche durch das Auffangnetz des § 9 AGBG hindurchfallen würden. Daher sei das Argument, jede Umgehung werde durch die Generalklausel erlaßt, in dieser Absolutheit nicht haltbar 45 . Die Rechtsprechung schließlich geht auf dieses Problem nicht näher ein, zitiert aber§ 7 AGBG, um Klauseln nach§§ 10 und 11 AGBG bewerten zu können, deren Subsumtion unter den Wortlaut des jeweiligen Klauselverbotes sie für nicht möglich hält 46 • Die Auffassungen, die für eine Anwendung des § 7 AGBG im Sinne einer Aufforderung zur Analogiebildung eintreten, sind jedoch nicht überzeugend. Der Gesetzgeber war sich bei der Schaffung der Verbotskataloge darüber im klaren, daß diese wegen der großen Zahl der vorhandenen Klauselwerke naturgemäß niemals vollständig sein können und hat daher bewußt eine Generalklausel vorgesehen 47 • Die§§ 10 und 11 AGBG sollten lediglich dem Interesse des Verbrauchers und des AGB verwendenden Unternehmers nach einer eindeutigen Regelung wichtiger Einzelfragen Rechnung tragen 48 • Es wäre deshalb methodisch unrichtig, in den Einzelverboten nicht angesprochene Klauseltypen, die aber vergleichbar unangemessene Benachteiligungen enthalten, durch Analogiebildung erfassen zu Ulmer, § 7, Rdn. 7. 41 Löwe, § 7, Rdn. 2. 42 Löwe, § 7, Rdn. 3. 43 Zoller, S. 60 ff. 40

44

A. A. die h. M. siehe oben FN 27.

45 Zoller, S. 61.

46 BGH, NJW 1985, 850, 851; BGH ZIP 1986, 831, 833; OLG Stuttgart, NJW 1981, 1105; LG Freiburg, AGBE ll, § 7, Rdn. 2; die beiden letzten Entscheidungen zu "Umgehungen" des § 11 Nr. 8 AGBG durch zusätzliche Leistungsfristen. 47 Teilbericht I, S. 52; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 23. 48 Teilbericht I, S. 52.

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wollen. Denn es fehlt an einer planwidrigen Gesetzeslücke, da der Gesetzgeber für die nicht in §§ 10 und 11 AGBG angesprochenen Einzelfragen § 9 AGBG als Auffangtatbestand zur Verfügung gestellt hat. So steht dem Gläubiger beispielsweise ein Rücktrittsrecht über den in § 326 BGB geregelten Fall hinaus auch dann zu, wenn bei einer positiven Vertragsverletzung die Fortsetzung eines Vertragsverhältnisses nicht mehr zurnutbar ist 49 • Ihm dieses Recht durch AGB zu entziehen, wäre sicher ebenso unangemessen wie der Ausschluß des Rücktrittsrechtes bei Verzug. Es besteht aber dennoch kein Bedürfnis, die Frage durch analoge Anwendung des§ 11 Nr. 8 AGBG zu lösen 5°, da§ 9 AGBG unproblematisch eingreift. Regelungen, die dem Vertragspartner materiell gerade die in einem Einzelverbot aufgeführten Rechtspositionen entziehen, lassen sich aber meist durch teleologische Auslegung erfassen. Sollte dies ausnahmsweise nicht möglich sein, so kann theoretisch sicherlich der Fall eintreten, daß die Klausel auch § 9 AGBG nicht widerspricht. Denn im Unterschied zu den strikten Klauselverboten ist es im Rahmen der Prüfung anband der Generalklausel durchaus denkbar, daß sich beispielsweise aufgrund der kompensierenden Wirkung eines kundenfreundlichen Gesamtklauselwerkes die Einzelbestimmung mit § 9 AGBG vereinbaren läßt 5 1• Dieses Ergebnis kann dannjedoch hingenommen werden. Denn die Bewertung als mit § 9 AGBG in Einklang stehend besagt ja gerade, daß die Klausel den Vertragspartner nicht entgegen Treu und Glauben benachteiligt. Es besteht aber kein Interesse, an sich angemessenen AGB die Gültigkeit zu versagen, nur weil sie in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen Ähnlichkeit mit von § 11 AGBG verbotenen Gestaltungen aufweisen. Die analoge Anwendung von Einzelverboten würde auch gegenüber der Verwendung der Generalklausel keine erhöhte Rechtssicherheit schaffen. Denn daß eine Klausel aufgrund entsprechender Anwendung von § 11 AGBG unwirksam ist, läßt sich vom Verbraucher allein anband des Gesetzestextes ebensowenig feststellen wie ihre Unvereinbarkeit mit§ 9 AGBG. Dagegen entstünde dadurch die Gefahr unsauberer Subsumtion derartiger Regelungen unter die Bestimmungen des AGB-Gesetzes. Die Gerichte könnten dazu neigen, anstau die Tatbestandsmerkmale des § 9 AGBG zu prüfen, zunehmend Klauseln allein deshalb die Wirksamkeit zu versagen, weil sie in ihren Wirkungen einem in § 11 AGBG geregelten Sachverhalt nahekommen. Die Einzelverbote sind zwar Konkretisierungen insbesondere der in § 9 Abs. 2 AGBG enthaltenen Wertungen 52, damit würde dem Verwender aber die Chance genommen, die Regelwirkung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 AGBG durch Besonderheiten des konkreten Geschäftstyps

51

Palandt!Heinrichs, § 276, Anm. 7 Rn. So aber Ulmer/Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 11. Vgl. Soergel!Stein, § 9 AGBG, Rdn. 29 zu den Voraussetzungen einer Kompensa-

52

Ulmer/Brandner, § 9, Rdn. 8.

49

50

tion durch günstige Klauseln.

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D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

zu widerlegen. Die Gestaltungsfreiheit würde so aber insbesondere bei atypischen Verträgen, in denen es für die Inhaltskontrolle stärker auf die Gesamtbetrachtung des Klauselwerkes ankommt, mehr eingeschränkt als vom Gesetzgeber intendiert. Eine Analogiebildung im Bereich der speziellen Klauselverbote ist daher abzulehnen. Die Anwendbarkeit muß vielmehr durch eine am Schutzzweck orientierte Auslegung festgestellt werden, wobei der materielle Gehalt der jeweiligen Klauseln von besonderer Bedeutung ist. 3. Erfassung indirekter Freizeichnungen durch teleologische Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Verzug des Schuldners" a) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur

Es wird die Auffassung vertreten, § 11 Nr. 8 AGBG betreffe ausschließlich Klauseln, die ausdrücklich die dort genannten Rechtsfolgen des Verzuges und der zu vertretenden Unmöglichkeit beschränken. Nicht erlaßt würden dagegen solche Regelungen, die den Zugang zu diesen Rechtsbehelfen erschwerten. Die Vorschrift enthalte insbesondere keine Aussage über den generellen Verschuldensmaßstab, dies sei eine außerhalb des Anwendungsbereiches der Norm liegende Vorfrage 53 • Andere Autoren schränken diese Aussage dahingehend ein, daß jedenfalls Klauseln, die den Haftungsmaßstab festlegen, auch als Einschränkungen oder Ausschlüsse der in § 11 Nr. 8 AGBG aufgeführten Rechte zu betrachten seien, da andernfalls materiell ein eigenständiger Anwendungsbereich gegenüber § 11 Nr. 7 AGBG nicht vorhanden sei. Sonstige Klauseln, die den Zugang zu den Rechten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Rücktritt erschweren, indem sie beispielsweise zusätzliche Verzugsvoraussetzungen aufstellen, seien dagegen lediglich nach § 10 Nr. 1 bis 3 bzw. § 9 AGBG kontrollfähig 54 • Eine dritte Meinung geht dahin, auch AGB-Bestimmungen, die für die Leistungserbringung unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen vorsehen, als mittelbare Beschränkungen der Verzugshaftung im Sinne des § 11 Nr. 8 AGBG aufzufassen. Für derartige Klauseln seien jedoch die §§ 10 Nr. 1 bis 3 AGBG als vorrangige Regelungen ausschließlich anwendbar 55 • Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erfassen die Bestimmungen des § 10 Nr. 1 und des § 11 Nr. 8 AGBG zwar im Kern unterschiedliche Rege53 Schlosser, WM 1978, 562, 567; Schlosser!Coester-Waltjen, § 11 Nr. 8, Rdn. 13, 19; Roussos, S . 19 ff.; Kamm, S. 286 ff. 54 Ulmer!Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 6; Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 2; Koch!Stübing, § 11 Nr. 8, Rdn. 8; MünchKomrn/Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 72. 55 Löwe/von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 4 - 6.

li. Die Subsumtion indirekter Freizeichnungen unter § 11 Nr. 8 AGBG

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lungsbereiche 56• Während § 10 Nr. 1 AGBG nur die Angemessenheil der Leistungszeit, also eine Voraussetzung des Verzuges betreffe, habe§ 11 Nr. 8 AGBG allein die Verzugsfolgen zum Gegenstand. Beide Vorschriften entfalteten aber Wechselwirkung und ergänzten sich in ihrem gemeinsamen Ziel, sowohl mittelbaren als auch unmittelbaren Einschränkungen der Rechte des Verbrauchers im Falle des Leistungsverzugs seines Vertragspartners entgegenzuwirken. Eine AGB-Klausel, die den Verwender in die Lage versetze, durch einseitige Verlängerung der abgesprochenen Lieferfrist bereits den Eintritt des Verzugs zu verhindern und so die Risiken einer verschuldeten Fristüberschreitung von sich abzuwälzen, verstoße daher gegen § 10 Nr. 1 i.V.m. § 11 Nr. 8 AGBG 57 •

b) Stellungnahme: Auslegung nach der materiellen Wirkung der Klauseln

Die erstgenannten Auffassungen, die eine Anwendung auf AGB, welche den Zugang zu den Rechtsbehelfen bei Leistungsverzug erschweren, ablehnen, scheinen dem Wortlaut des § 11 Nr. 8 AGBG am ehesten gerecht zu werden. Danach müßten dann aber konsequenterweise auch Klauseln, die den Verschuldensmaßstab regeln, aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herausfallen. Denn nach § 285 BGB ist das Vertretenmüssen Voraussetzung für das Vorliegen des Leistungsverzugs. Hat der Schuldner aber nach der vertraglichen Haftungsregelung nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, fehlt es an dieser Verzugsvoraussetzung, wenn die Nichteinhaltung der Leistungszeit auf einfacher Fahrlässigkeit beruht. Nach dieser Interpretation müßten aber Klauseln mit gleicher Wirkung unterschiedlich behandelt werden. Eine Bestimmung, die vorsieht, daß Leistungsverzug nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz gegeben ist, fallt danach nicht unter§ 11 Nr. 8 AGBG, während eine Klausel, die Schadensersatz im Verzugsfall nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz gewährt, von§ 11 Nr. 8 AGBG erlaßt würde 58 • Jede Erhöhung der Anforderungen an eine bestimmte Haftungsfolge bedeutet, daß für die dadurch aus dem Anwendungsbereich ausgegrenzten Fallgruppen die nach der dispositiven Norm vorgesehene Rechtsfolge eben nicht eintreten kann 59 • Eine Sichtweise, die an die faktische Entrechtungswirkung der jeweiligen AGB anknüpft, muß daher auch die Verzugsherbeiführung beeinträchtigende Klauseln miterfassen. Dem scheint allerdings der Wortlaut des§ 11 Nr. 8 AGBG entgegenzustehen, der das Vorliegen von Leistungsverzug ausdrücklich voraussetzt. Der Verzug

56

BGHZ 92, 24, 29; so auch OLG Koblenz, ZIP 1981, 509, 510; Soergel/Stein,

§ 11 AGBG, Rdn. 77.

BGHZ 24, 29 f. Anders allerdings die Meinung, die § 11 Nr. 8 b AGBG ohnehin restriktiv auslegt, vgl. oben C III 2 b. 59 Sie oben C V 3 a. 57

58

D. Vereitelung oder

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Er~chwerung

der Verzugsherbeiführung

des Verwenders muß daher auch Voraussetzung für das Eingreifen der Klausel sein, wenn diese von § 11 Nr. 8 AGBG erfaßt sein soll. Damit ist aber nicht gesagt, daß die betreffende AGB-Bestimmung den Begriff des Leistungsverzuges ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal erwähnen muß. Es genügt vielmehr, wenn in der zu kontrollierenden Bestimmung von einer Situation ausgegangen wird, die nach dispositivem Recht die Verzugssanktionen gegenüber dem Verwender auslösen würde und die entsprechende Klausel für diesen Fall von den gesetzlichen Regelungen abweichende Rechtsfolgen vorsieht. Denn § 11 Nr. 8 AGBG verfolgt das Ziel, die Rechte des Gläubigers bei Verzug und Unmöglichkeit zu erhalten 60 • Gegenüber der Einschränkung einzelner Haftungsfolgen stellt aber die im Vorfeld liegende Erschwerung oder Vereitelung der Verzugsherbeiführung einen stärkeren Eingriff in die Haftungsordnung des Verzuges dar, da damit alle durch den Leistungsverzug bedingten Haftungsfolgen gleichzeitig betroffen werden. Gegen dieses Ergebnis läßt sich auch nicht einwenden, der strukturell ähnliche § 11 Nr. 6 AGBG gehe unbestrittenermaßen davon aus, daß in den beanstandeten AGB die in der Vorschrift genannten Umstände, also z. B. Zahlungsverzug, vorliegen müßten, so daß § 11 Nr. 8 AGBG parallel auszulegen sei 61 • Denn dabei wird übersehen, daß § 11 Nr. 6 AGBG nicht den Verzug des Verwenders sondern des Vertragspartner voraussetzt. Die Vorschrift dient auch nicht der Erhaltung einer gesetzlichen Haftungsfolge, sondern verbietet umgekehrt die Statuierung zusätzlicher vertraglicher Sanktionen im VerzugsfalL Durch eine Einschränkung oder Erweiterung der Verzugsvoraussetzungen kann daher der durch die Vorschrift des§ 11 Nr. 6 AGBG mißbilligte Erfolg, die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, gar nicht herbeigeführt werden, da diese erst konstitutiv durch das in der Klausel selbst enthaltene Versprechen in den Vertrag einbezogen wird. Eine Parallelität der Auslegung beider Vorschriften kommt deshalb nicht in Betracht. Die Frage, ob eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die in § 11 Nr. 8 AGBG geschützten Verzugsfolgen beeinträchtigt, ist daher nach ihrem materiellen Regelungsgehalt zu bestimmen. Sieht die Klausel eine vom dispositiven Recht abweichende Rechtsfolge für eine Fallkonstellation vor, bei der der Verwender ohne seine AGB in Leistungsverzug geriete, so ist diese Rechtsfolge mit derjenigen der gesetzlichen Regelung zu vergleichen. Überschreitet sie die durch § 11 Nr. 8 AGBG gesetzten Grenzen, so hat dies ihre Unwirksamkeit zur Folge.

60 61

Teilbericht I, S. 72; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 32. Ulmer!Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 6.

III. Subsumtion einzelner Klauseltypen

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111. Subsumtion einzelner Klauseltypen 1. Modifizierung einzelner Verzugsvoraussetzungen a) Die Festlegung des Verschuldeosmaßstabs

Da der Verzug ein Vertreternnüssen voraussetzt, könnte man bei rein formaler Betrachtungsweise zu dem Ergebnis gelangen, eine Klausel, nach der der Schuldner leicht fahrlässige Leistungsverzögerungen nicht zu vertreten hat, sei nicht unter § 11 Nr. 8 AGBG zu subsumieren. Denn wenn die Freizeichnung bewirkt, daß gerade keine zu vertretende Leistungsstörung vorliegt, kommt der Verwender nicht in Verzug, so daß für den Fall des Leistungsverzuges auch keine Rechte beschränkt werden. Danach hinge die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses lediglich von § 11 Nr. 7 und § 9 AGBG ab. Eine Prüfung gemäß § 11 Nr. 8 AGBG käme nur in Betracht, soweit der Verwenderaufgrund seiner allgemeinen Haftungsklausel für eine Verzögerung grundsätzlich einzustehen hat. Auf Bestimmungen dagegen, die den Verschuldensmaßstab selbst festlegen, wäre die Vorschrift nicht anwendbar 62 • Einige Vertreter der Literaturmeinung, die für eine Restriktion von § 11 Nr. 8 b AGBG bei leicht fahrlässigem Leistungsverzug eintritt, stützen sich auch auf diese formale Argumentation, um eine Harmonisierung des AGB-festen Haftungsmaßstabes für Verzug und Unmöglichkeit einerseits und sonstige Leistungsstörungen andererseits zu erreichen 63 • In der Tat hätte dies den Vorteil, daß ein AGB-Verwender seine allgemeine Freizeichnungsklausel, nach der er nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet, unter Umständen aufrechterhalten könnte, da er auf den verschärften Maßstab bei Verzug und Unmöglichkeit keine Rücksicht nehmen müßte. Selbst unter Zugrundelegung der oben abgelehnten Interpretation des § 11 Nr. 8 b AGBG, die den Ausschluß der Schadensersatzverpflichtung bei leichter Fahrlässigkeit gestattet, läßt sich aber diese Betrachtungsweise nicht halten. Denn damit hätte es der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen in der Hand, auch das Rücktrittsrecht des Gläubigers gemäß § 326 BGB an das Vorliegen grober Fahrlässigkeit zu koppeln. Schlosser und Roussos halten dieses Ergebnis für hinnehmbar 64 : Habe sich der Schuldner für leichte Fahrlässigkeit freigezeichnet, so trage er die Beweislast für das Eingreifen seiner Klausel. Auch wenn er beweisen könne, daß der Eintritt der Leistungsverzögerung nicht auf Umstände zurückzuführen sei, die er oder seine Leute grob verschuldet haben, so werde in aller Regel das weitere Unterbleiben der Leistung sehr rasch grob fahrlässig

Schlosser!Coester-Waltjen, § 11 Nr. 8, Rdn. 11. Schlosser!Coester-Waltjen , § 11 Nr. 8, Rdn. 11; Schlosser, WM 1978, 562, 567; Roussos, S. 19 ff.; Kamm, S. 286. 64 Schlosser, WM 1978, 562, 568; Roussos, S. 24. 62 63

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D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

werden. Das Entstehen des Rücktrittsrechts könne der Schuldner durch die Freizeichnung daher nur zeitlich etwas hinausschieben 65 • Es fragt sich jedoch, wieso das weitere Nichtleisten grob fahrlässig werden soll. Beruht das bisherige Unterbleiben der Leistung nicht auf Unkenntnis der rechtlichen Verpflichtung, sondern, wie meist, auf einem vorübergehenden Erfüllungshindemis, so ändert die Leistungsaufforderung des Gläubigers nichts an dem Verschuldeosgrad für die Verzögerung. Wenn beispielsweise eine vom Schuldner leicht fahrlässig herbeigeführte Betriebsstörung vorliegt, so hätte eine wirksame Freizeichnung zur Folge, daß der Gläubiger grundsätzlich bis zu deren Beendigung warten müßte, ohne seinen Schuldner in Verzug setzen zu können. Erst recht zu unbilligen Ergebnissen führt diese Auffassung aber, wenn man der herrschenden Meinung zu § 11 Nr. 8 b AGBG folgt, nach der auch bei einfacher Fahrlässigkeit der Schadensersatzanspruch nicht völlig ausgeschlossen werden darf 66 • Denn durch die allgemeine Festlegung des Verschuldeosmaßstabes könnte dieser erweiterte Schutz völlig unterlaufen werden. Führt man die Unterscheidung zwischen Haftungsmaßstab und Verzugsfolgen konsequent durch, dann gelangt man zu dem bereits aufgezeigten bizarren Ergebnis, daß eine Klausel, die den Verzugseintritt vom Vorliegen groben Verschuldeos abhängig macht, wirksam ist, eine Regelung, die im Verzugsfall das Rücktrittsrecht und Schadensersatzansprüche bei leichter Fahrlässigkeit ausschließt, aber gegen § 11 Nr. 8 AGBG verstößt, obwohl beide Bestimmungen den gleichen materiellen Regelungsgehalt haben. Eine Klausel, nach der Leistungsverzug nur bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz eintreten kann, schließt alle Sanktionen für leicht fahrlässigen Verzug aus. Wegen dieser offensichtlichen Wirkungskongruenz zu den direkt an den Verzugsfolgen ansetzenden AGB ist die Subsumtion solcher Regelungen unter § 11 Nr. 8 AGBG zwingend. b) Änderung der Beweislast des § 285 BGB

Eindeutig ist auch die Subsumtion solcher Bestimmungen, die die Beweislast für das Verschulden der Verzögerung auf den Vertragspartner verlagern. Sie beschränken die Verzugshaftung entgegen§ 11 Nr. 8 AGBG 67 • Denn§ 285 BOB enthält nicht nur die Bestimmung des Verschuldeosmaßstabes sondern auch eine Beweislastregelung. Eine Klausel, nach der der Verwender nur bei nachgewiesener leichter Fahrlässigkeit in Verzug gerät, bewirkt, daß im Fall eines non liquet die Haftung ausgeschlossen wird. Da das Rücktrittsrecht aber gemäß § 11 Nr. 8 a

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Schlosser, WM 1978, 562, 568. Siehe oben C III 2 b cc. So auch Baumgärtel/Hohmann, § 11 Nr. 8 AGBG, Rdn. 2; Wolf,§ ll Nr. 8, Rdn. 12.

III. Subsumtion einzelner Klauseltypen

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AGBG nicht beeinträchtigt werden darf, sind solche Klauseln unwirksam. Diese Art der Freizeichnung stellt den Kunden unter Umständen sogar schlechter als ein genereller Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit. Kann der Verwender nämlich nicht beweisen, daß ihn keine grobe Fahrlässigkeit trifft, ist der Kunde aber auch nicht in der Lage, den Nachweis zu erbringen, daß überhaupt ein Verschulden vorliegt, dann entlastet den Schuldner ein Haftungsausschluß für leichte Fahrlässigkeit nicht, da er die Beweislast für das Eingreifen seiner Freizeichnungsklausel trägt 68 • Durch eine Beweislaständerung würde der Verwender in diesem Fall dagegen frei. Der Gefährlichkeit derartiger Bestimmungen hat der Gesetzgeber jedoch durch die Schaffung von § 11 Nr. 15 AGBG Rechnung getragen, nach dem jegliche Beweislaständerungen zu Lasten des Kunden in AGB verboten sind. Daher ist die Frage der Anwendbarkeit des § 11 Nr. 8 AGBG in diesen Fällen nicht von praktischer Relevanz.

c) Erhöhung der Anforderungen an die verzugsbegründende Mahnung

Nach der hier vertretenen Auslegung des § 11 Nr. 8 AGBG fallen auch solche Klauseln in den Anwendungsbereich der Vorschrift, die die Verzugshaftung dadurch einschränken, daß sie die formalen Anforderungen an die Mahnung gegenüber § 284 Abs. 1 BGB erhöhen. Ist beispielsweise für die verzugsbegründende Mahnung nach den AGB des Schuldners ein eingeschriebener Brief nötig, führt die Nichteinhaltung dieser Form zum Rechtsverlust Der Zugang zu den Rechtsbehelfen wegen Leistungsverzuges wird daher durch solche Regelungen erschwert. Da in diesen Fällen aber bereits§ 11 Nr. 16 AGBG eingreift, ist auch diese Konstellation für § 11 Nr. 8 AGBG nicht von Bedeutung. Auf Vertragsbestimmungen, die für die verzugsbegründende Mahnung lediglich Schriftform fordern, kannjedoch § 11 Nr. 8 AGBG keine Anwendung finden. Hier gilt die gleiche Wertung wie bei entsprechenden die Ausübung des Rücktrittsrechtes regelnden Klauseln 69 • Denn bei der Schaffung des§ 11 Nr. 16 AGBG dachte man unter anderem an die verzugsbegründende Mahnung und wollte dafür nur eine strengere Form als Schriftform verbieten 70 • Eine Bestimmung, die für die Mahnung Schriftform fordert, enthält aber außer dieser mit § 11 Nr. 16 AGBG in Einklang stehenden Erschwerung keine weitere Beeinträchtigung der Verzugshaftung. Solche Klauseln sollten daher nach dem in der Vorschrift zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers nicht unwiderlegbar nichtig sein, sondern nur der Inhaltskontrolle gemäß § 9 AGBG unterliegen. 68 Baumgärtel!Hohmann, § 11 Nr. 7 AGBG, Rdn. 3; Staudinger/Schlosser, § 11 Nr. 7, Rdn. 30. 69 Siehe oben C III 2 c und BGH, ZIP, 1989, 311, 312. 1o Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 39.

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D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

2. Die Relativierung verbindlicher Leistungszeitangaben a) Bestimmung einer zusätzlichen Leistungsfrist

aa) Die materielle Rechtswirkung dteses Klauseltyps Soweit AGB-Klauseln für den Fall der Überschreitung der Lieferfrist eine zusätzliche Frist vorsehen, vor deren Ablauf keine Verzugsfolgen eintreten können, kommt es für die Anwendbarkeit von § 11 Nr. 8 AGBG darauf an, ob die Bestimmung für eine Situation, in der nach dispositivem Recht Leistungsverzug vorläge, abweichende Rechtsfolgen vorsieht. Ist der Liefettermin kalendermäßig bestimmt, tritt gemäß § 284 Abs. 2 BGB durch eine zu vertretende Überschreitung unmittelbar Lieferverzug ein, so daß der Kunde bereits Ersatz des Verzugsschadens und nach Setzung einer Nachfrist auch die Rechte nach § 326 BGB geltend machen köilllte. Bestimmt eine Klausel, daß dem Verwender noch eine weitere Frist zur Verfügung steht, so handelt es sich dabei um eine abweichende Regelung der Verzugsfolgen, da für eine Konstellation, bei der nach dispositivem Recht bereits Leistungsverzug vorläge, diese Folgen für eine gewisse Zeitspanne ausgeschlossen sind 7 1. Schwieriger ist die Subsumtion, wenn bei Lieferzeitüberschreitung noch eine Mahnung erforderlich ist, um den Schuldner in Verzug zu setzen, weil daiUl die zusätzliche Frist nicht die Rechtsfolge einer Verzugssituation, sondern der noch sanktionslosen bloßen Überschreitung des Fälligkeitstermins ist. Da es jedoch im Belieben des Gläubigers steht, nach Eintritt der Fälligkeit zu mahnen, liegt auch hier eine faktische Verschlechterung seiner Position bezüglich der Verzugsfolgen vor. Mahnt beispielsweise der Kunde, der diese Bestimmung seines Vertragspartners nicht kennt, sofort nach Ablauf der ersten Lieferfrist, dann läge bei schuldhafter Verzögerung Verzug vor. Aufgrund der Nachfristklausel sind aber die Verzugsfolgen noch hinausgeschoben, so daß insofern eine vom dispositiven Recht abweichende Verzugsfolgenregelung gegeben ist. Da derartige Regelungen bereits eine anderweitige entweder individualvertragliche oder formularmäßige Leistungszeitvereinbarung voraussetzen und nicht zwischen verschuldeter und unverschuldeter Überschreitung differenzieren, regeln sie den Fall des Leistungsverzuges abweichend vom dispositiven Recht. Auf das Fehlen der Mahnung kann es nicht ankommen, da es sich um eine allein vom Willen des Gläubigers abhängige Verzugsvoraussetzung handelt.

11 Ähnlich auch die Argumentation in BGHZ 92, 24, 29 und OLG Koblenz, ZIP 1981, 509, 510.

III. Subsumtion einzelner Klauseltypen

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bb) Abgrenzung gegenüber den in § 10 Nr. 1, 2 und 4 AGBG geregelten Klauseltypen

Allerdings wird in der Literatur die Anwendung von § 10 Nr. 2 auf derartige Klauseln in Erwägung gezogen 72 • Das hätte zur Konsequenz, daß der Vorbehalt einer angemessenen und hinreichend bestimmten zusätzlichen Leistungsfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig wäre. Dafür scheint die Entstehungsgeschichte des § 10 Nr. 2 AGBG zu sprechen. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe beim Bundesminister der Justiz und der Referentenentwurf enthielten neben dem Verbotstatbestand der heutigen Regelung das Verbot, eine zusätzliche Nachfrist zu verankern. Dieser Teil der Vorschrift war als striktes Klauselverbot gefaßt und nur aus Gründen des Sachzusammenhangs in den Klauselkatalog des heutigen § 10 AGBG aufgenommen worden 73 • Offenbar wurde dieser Zusatz später für überflüssig gehalten, da man auch die jetzige Fassung des § 10 Nr. 2 AGBG für ausreichend hielt, um derartige Klauseln zu erfassen. Daraus zieht Brandner den Schluß, die Angemessenheil der Nachfrist müsse nunmehr anhand der Summe von zusätzlicher Leistungsfrist und Nachfrist im Sinne von § 326 BGB beurteilt werden 74 • Diese Auffassung verkennt indessen, daß die Bestimmung einer zusätzlichen Leistungsfrist alle Verzugssanktionen hinausschiebt, so daß ein prinzipieller Unterschied zur Nachfrist gemäß § 326 BGB besteht. Außerdem erweist sich § 10 Nr. 2 ABGB als ungeeigneter Kontrollmaßstab, wenn lediglich eine zusätzliche Leistungsfrist, nicht aber auch die Länge der Nachfrist in AGB festgelegt wird. Die Summe aus Leistungsfrist und Nachfrist läßt sich dann nicht bilden. Trotzdem muß der Kunde, will er zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, noch eine Frist gemäß § 326 BGB setzen, so daß die Länge der zusätzlichen Leistungsfrist auch nicht isoliert nach § 10 Nr. 2 AGBG auf ihre Angemessenheil kontrolliert werden kann. Eher scheint es angebracht, ausschließlich § 10 Nr. 1 AGBG anzuwenden, da mit der Klausel die mit der Fälligkeit der Leistung verbundenen Wirkungen verschoben werden 75 • Auch dies hätte zur Folge, daß zusätzliche Leistungsfristen in AGB vorgesehen werden könnten, sofern sie nicht unangemessen lange oder zu unbestimmt wären. Dadurch, daß in solchen Klauseln aber eine anderweitig vereinbarte Leistungszeit vorausgesetzt wird, ist die Fälligkeit gerade die Voraussetzung für das Eingreifen der Regelung. Im Unterschied zu herkömmlichen Fristbestimmungen in AGB wird hier die Leistungszeit nicht originär bestimmt,

n Ulmer!Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 3, 5; Löwe/von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 2, Rdn. 8. 73 Teilbericht I, S. 60, Referentenentwurf, DB 1974, Beilage Nr. 18, S. 2. 74 Ulmer!Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 3, 5. 75 So BGH, NJW 1983, 1320; Wolf, § 10 Nr. 2, Rdn. 6; Walchshöfer, WM 1986, 1541; wohl auch Korbion!Locher, S. 169; OLG Stuttgart, BauR 1982, 581; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 311, 316 f. 7 Keim

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D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

sondern die ursprüngliche Schuld - Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt - eingeschränkt. Damit ist aber nicht die Verpflichtung selbst, sondern die Einstandspflicht des Schuldners für die Einhaltung seiner Verpflichtung betroffen. Wenn somit der Schuldner LiefeTtermine versprechen kann, um sich bei Nichteinhaltung aber eine "Hintertür" offenhalten zu können, ist das Vertrauen des Vertragspartners in die Verbindlichkeit vertraglicher Abreden stärker beeinträchtigt als durch bloße Leistungsfristklauseln. Zu erwägen bliebe schließlich noch die Anwendung von § 10 Nr. 4 AGBG. Da derartige Klauseln dem Verwender die Befugnis einräumen, von der ursprünglich vereinbarten Lieferzeit abzuweichen, könnte man sie als Leistungsänderungsvorbehalte ansehen. Es ist jedoch zwischen dem Leistungsgegenstand selbst und den Erfüllungsmodalitäten wie Ort und Zeit zu unterscheiden, die ihrerseits nicht zum Regelungsgegenstand von § 10 Nr. 4 AGBG gehören 76• Denn in der Regelung der Art der Leistungserbringung liegt ein legitimer Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen, so daß es zu sinnwidrigen Ergebnissen führen würde, alle diese Festlegungen an § 10 Nr. 4 AGBG scheitern zu lassen 77 • Umgekehrt würde hier aber ein Verbotstatbestand ohne Wertungsmöglichkeit, nämlich § 11 Nr. 8 AGBG, unterlaufen, wenn man die Zulässigkeil der Überschreitung der Leistungszeit von der Zumutbarkeit für den Vertragspartner im Sinne von § 10 Nr. 4 AGBG abhängig machen würde. Die Einräumung einer zusätzlichen Frist würde damit eine selbst vorsätzliche Überschreitung vereinbarter Termine ermöglichen. Sie verstößt daher gegen § 11 Nr. 8 AGBG, da sie die Herbeiführung der Verzugsfolgen für eine gewisse Zeit völlig ausschließt 78 • b) Unverbindlichkeit des Liefertermins

aa) Die Bedeutung von Unverbindlichkeitsklauseln Die Bedeutung von Vertragsbestimmungen, die LiefeTtermine für "unverbindlich", "freibleibend" oder "annähernd" erklären, kann je nach dem Kontext, innerhalb dessen sie verwendet werden, sehr unterschiedlich sein. Siepmann legt die Regelung ,,Lieferzeit freibleibend" dahin aus, der Vertrag werde entweder unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, daß der Schuldner die Erfüllung beliebt oder unter der auflösenden Bedingung, daß er sich vom Vertrag nach Belieben lossagen kann 79 • Die als Beleg herangezogenen Reichsgerichtsentschei76 Staudinger!Schlosser, § 10 Nr. 4, Rdn. 4; Löwe/von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 4, Rdn. 7; Koch!Stübing, § lO Nr. 4, Rdn. 9; a. A. nur Ulmer!Brandner, § lO Nr. 4, Rdn. 4. 77 Staudinger/Schlosser, § lO Nr. 4, Rdn. 4. 78 So wohl auch BGHZ 92, 24, 29; OLG Stuttgart, NJW 1981, 1105. 79 Siepmann, S. 39.

III. Subsumtion einzelner Klauseltypen

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dungenbetrafen jedoch Klauseln, nach denen die Lieferpflicht insgesamt freibleibend sein sollte, und nicht lediglich die Lieferzeit regelnde Bestimmungen 80. Selbst die formularmäßige Regelung "Lieferzeit freibleibend" dürfte nicht dahingehend zu interpretieren sein, daß die gesamte Vertragserfüllung ausschließlich von der Willkür des Verwenders abhängen soll. Da die Vorschrift des§ 315 BGB nach allgemeiner Meinung entsprechend auf die einseitige Bestimmung der Leistungszeit durch eine Vertragspartei anwendbar ist 81 , gibt die Klausel danach dem Verwender nur das Recht, den Liefertermin nach billigem Ermessen zu bestimmen 82. Eine Vertragsregelung, welche die Unverbindlichkeit eines anderweitig angegebenen Liefertermines vorsieht, kann dagegen auch lediglich die Bedeutung haben, die Rechtsfolge des § 284 Abs. 2 BGB für den Fall einer kalendermäßigen Fälligkeitsbestimmung auszuschließen. Dies ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Klausel einen Zusatz enthält, daß vom Zeitpunkt des für unverbindlich erklärten Leistungstermins an für den Gläubiger die Möglichkeit besteht, den Schuldner verzugsbegründend zu mahnen83. Meist hat die Unverbindlichkeitsklausel aber einen weiterreichenden Inhalt. Man könnte zunächst daran denken, der vertraglichen Leistungszeitangabe solle damit jegliche Bedeutung entzogen werden mit der Konsequenz, daß gemäß § 271 BGB die Leistung sofort fällig würde. Diese Deutung widerspricht jedoch dem in der Klausel zum Ausdruck kommenden Willen des AGB-Verwenders, jedenfalls nicht vor dem als unverbindlich bezeichneten Termin leisten zu müssen84. Bei fehlender verbindlicher Vereinbarung ist gemäß § 271 Abs. 1 BGB die Zeit der Leistung vielmehr vorrangig aus den Umständen zu entnehmen. Die Unverbindlichkeitsklausel soll daher bewirken, daß eine Terminangabe ihre vertragliche Bindungswirkung verliert und quasi zu einem von mehreren Umständen herabsinkt, aus denen sich die Fälligkeit ergibt. In der Bestimmung kommt zum Ausdruck, daß eine gewisse zeitliche Überschreitung dieses Termines jedenfalls sanktionslos möglich sein soll, da der Schuldner für die Einhaltung gerade nicht einstehen möchte. Wie lange er danach den Vertragspartner warten lassen darf, richtet sich wiederum nach den Einzelumständen des Vertrages.

80 RGZ 104, 98, 99: "Die Lieferung ist freibleibend bezüglich Lieferzeit und Lieferungsmöglichkeit; auch spätere Zusagen bezüglich der Lieferzeit sind unverbindlich aufzufassen. Eine Leistungsverpflichtung wird mit der Abgabe des Angebots und der Annahme des Auftrags nicht übernommen." RG, LZ 1923, 310: "Lieferung vorbehalten". 81 RGZ 99, 105, 106 f.; Nastelski, JuS 1962, 289, 290; MünchKomm/Keller, § 271, Rdn. 7; Soergel!Wolf, § 271, Rdn. 20; Palandt!Heinrichs, § 271, Anm. 2 c aa; Staudingerl Selb, § 271, Rdn. 4. 82 So RGZ 34, 15 für eine Klausel mit dem Wortlaut: "Though I do not bind myself to any specific time within which to make that payment." 83 z. B. LG Bückeburg, AGBE I, § 10, Rdn. 18. 84 So auch OLG Koblenz, ZIP 1981, 509, 510 sowie OLG Koblenz, WM 1983, 1274. 7*

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bb) Inhaltskontrolle

Wenn die Leistungszeit einzelvertraglich bestimmt ist, scheitern Unverbindlichkeitsklauseln gemäß § 4 AGBG bereits am Vorrang der lndividualvereinbarung. Denn der Schuldner kann individualvertraglichen Abreden nicht formularmäßig ihre Rechtsverbindlichkeit nehmen 85 . Das Problem der Inhaltskontrolle dieser Regelungen erledigt sich dadurch jedoch nicht, da nicht gesagt ist, daß die für unverbindlich erklärte Lieferzeitangabe immer individualvertraglich erfolgt. Diese kann vielmehr ebenfalls Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen sein. Im übrigen ist § 4 AGBG nur im Individualverfahren anwendbar, so daß man im Verbandsprozeß auf die Inhaltskontrolle der Unverbindlichkeitsklauseln angewiesen ist86. Auch diese Klauseln bewirken eine Beeinträchtigung der von § 11 Nr. 8 AGBG geschützten Rechtsposition des Gläubigers. Indem sie einen Leistungstermin für unverbindlich erklären, setzen sie einen anderweitig feststellbaren Fälligkeitszeitpunkt voraus. Durch die Relativierung seiner Rechtswirkung beschränken die Klauseln die Rechte des Vertragspartners im Falle des Überschreitens der Leistungszeit durch den AGB-Verwender. Die Leistungszeit selbst wird dagegen durch die Unverbindlichkeitsklausel nicht unmittelbar geregelt, da sich diesegerade wegen der Klausel-aufgrund von§ 271 Abs. 1 BGB aus den Umständen ergibt. Die Bestimmung soll vielmehr bewirken, daß der Schuldner für die Haftungsfotgen bei Überschreitung dieses Termines nicht einstehen muß. Selbst eine Regelung, die den Zusatz enthält, der Gläubiger könne nach Überschreitung des Termines verzugsbegründend mahnen, erschwert dessen Rechtsverfolgung gemäß §§ 284 ff. BGB. Denn wenn der als unverbindlich bezeichnete Lieferzeitpunkt kalendermäßig bestimmt ist, käme der Schuldner ohne die Freizeichnungsklausel unmittelbar durch die zu vertretende Nichteinhaltung des Termines in Leistungsverzug. Diese Folge wird durch die Unverbindlichkeitsklausel vereitelt. Erst recht beeinträchtigt werden die Rechte des Gläubigers gemäß § 284 BGB, wenn die Bestimmung dem Schuldner einen gewissen Spielraum bei der Überschreitung des Fälligkeitszeitpunktes verschaffen soll. Dadurch wird ihm eine sogar vorsätzliche Nichteinhaltung der Leistungszeit gestattet, ohne daß der Gläubiger ihn verzugsbegründend mahnen könnte. Derartige Klauseln verstoßen daher gegen § 11 Nr. 8 a und b AGBG 87. 85 OLG Koblenz, ZIP 1981, 509, 510. 86 Zu den Ausnahmefällen, in denen eine Klausel wegen Mißachtung des § 4 AGBG

auch nach§ 9 AGBG unwirksam ist, vgl. Ulmer!Hensen, § 13, Rdn. 9 sowie BGHZ 92, 24, 26. 87 So im Ergebnis auch BGHZ 86, 284, 293; 92, 24, 29; OLG Koblenz, ZIP 1981 , 509, 510; OLG Koblenz, WM 1983, 1272, 1274; Ulmer!Brandner, § 10 Nr. 1, Rdn. 13, die aber neben § 11 Nr. 8 auch§ 10 Nr. 1 anwenden. A. A. Wolf, § 10 Nr. 1, Rdn. 43, der ausschließlich auf § 10 Nr. 1 abstellt.

III. Subsumtion einzelner Klauseltypen

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3. Vertragslösungsvorbehalte Der zur Leistung verpflichtete AGB-Verwender kann seiner Haftung im Falle der Nichterfüllung vorbeugen, indem er sich beim Eintritt bestimmter Ereignisse ein Lösungsrecht vorbehält 88 • Damit wäre es ihm möglich, die AGB-festen Sanktionen des BGB für Nicht- und Schlechterfüllung bereits im Vorfeld leerlaufen zu lassen 89 • Durch den Wegfall der Verbindlichkeit wird dem Kunden die Möglichkeit genommen, seinen Schuldner in Verzug zu setzen, so daß die Gefahr besteht, daß die Wirksamkeit des Klauselverbotes des § 11 Nr. 8 AGBG auf diese Weise ausgehöhlt wird. Es ist daher zunächst zu klären, welche Arten von Rücktrittsvorbehalten als die Verzugshaftung ausschließende AGB klassifiziert werden können. Da§ 10 Nr. 3 AGBG die Inhaltskontrolle von Vertragslösungsvorbehalten eigens regelt, stellt sich sodann die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis dieser Vorschrift zu § II Nr. 8 AGBG.

a) Der Einfluß von Vertragslösungsvorbehalten aur die Verzugshartung

Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, alle Bestimmungen, die dem Schuldner das Recht verleihen, sich unter bestimmten Umständen vom Vertrag zu lösen, enthielten zwangsläufig eine Beschränkung der Verzugshaftung. Denn soweit der AGB-Verwender nicht schon kraft Gesetzes frei wird, weil zum Beispiel die Leistung unmöglich ist, geriete er nach der Lossagung vom Vertrag allein durch die Nichtleistung ohne die entsprechende Klausel irgendwann in Leistungsverzug. Diese Haftung wird durch das formularmäßige Lösungsrecht verhindert. Daß dieses Argument nicht ausreichend sein kann, um die Anwendung von § 11 Nr. 8 AGBG zu rechtfertigen, liegt allerdings auf der Hand. Denn die Anwendung der Vorschrift auf alle Rücktrittsvorbehalte würde zu einem völligen Verbot dieses Klauseltyps führen, da er immer als unzulässiger Haftungsausschluß im Sinne von § 11 Nr. 8 AGBG zu klassifizieren wäre. Dies widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, der ein Lösungsrecht auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § I 0 Nr. 3 AGBG dann zulassen wollte, wenn ein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt. Um die Schnittpunkte zwischen § 10 Nr. 3 und§ 11 Nr. 8 AGBG offenzulegen, muß daher nach den in den Klauseln vorgesehenen Rücktrittsgründen differenziert werden. Soweit eine Bestimmung an Ereignisse anknüpft, die aus der Sphäre 88 Da gemäß § 10 Nr. 3 AGBG alle Klauseln, die es dem Verwender ermöglichen, sich durch Rücktritt, Widerruf, Anfechtung oder auf sonstige Weise von seiner Leistungspflicht zu befreien, gleich zu behandeln sind, wird auch hier nicht zwischen den verschiedenen Arten von Lösungsrechten differenziert; vgl. Ulmer!Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 1. 89 Wolf, § 10 Nr. 1, Rdn. 1; Ulmer/Brandner, § 10 Nr. 1, Rdn. 1.

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D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

des Vertragspartners stammen, kommt eine Anwendung von § 11 Nr. 8 AGBG nicht in Betracht, da eine Beziehung zur eigenen Verzugshaftung des Verwenders nicht besteht. Der Leistungsverzug ist eine Störung aus der Sphäre des Leistenden und mit Hindernissen, die der Gläubiger verursacht, nicht vergleichbar 90 • Bei Lösungsrechten, welche auf Gründe aus dem Geschäftsbereich des Verwenders abstellen, kann der Einfluß auf die Verzugshaftung ebenfalls nicht einheitlich beurteilt werden. Da der Eintritt des Schuldnerverzuges voraussetzt, daß die Leistung noch möglich ist, können Rücktrittsvorbehalte, die nur bei endgültiger Unmöglichkeit der Erfüllung eingreifen, die Verzugshaftung überhaupt nicht tangieren9 1. Soweit Leistungshindernisse genannt sind, die den Schuldner nur vorübergehend an der Erbringung der Leistung hindern, ist der Schnittbereich zwischen § 10 Nr. 3 und § 11 Nr. 8 AGBG erreicht, wenn das in der Klausel aufgeführte Ereignis den zu vertretenden Umstand im Sinne von § 285 BGB darstellt, der den Leistungsverzug herbeiführt. Gesteht eine formularmäßige Bestimmung dem Gläubiger auch dann das Recht zu, sich vom Vertrag zu lösen, wenn ein von ihm zu vertretendes Ereignis ihn nach Fälligkeit an der Leistungserbringung hindert, so daß er in Verzug geriete, befreit ihn diese Klausel von der Verzugshaftung. Es handelt sich dann um eine tatbestandlieh sowohl von § 11 Nr. 8 als auch von § 10 Nr. 3 AGBG erfaßte Regelung. Daß dann durch einen Vertragslösungsvorbehalt tatsächlich die Verzugshaftung abbedungen wird, macht das Extrembeispiel 92 deutlich, daß eine AGB-Klausel ausdrücklich für den Fall des Verzugseintritts ein Rücktrittsrecht des Schuldners vorsieht: Die vom Gesetz für diesen Fall angeordnete Haftungsfolge wird durch eine andere Rechtsfolge, nämlich die Rücktrittsmöglichkeit des Schuldners, ersetzt.

b) Konkurrenzverhältnis zwischen§ 11 Nr. 8 und§ 10 Nr. 3 AGBG

Für diese Fallgruppe stellt sich nunmehr die Konkurrenzfrage. Während die ausschließliche Anwendung von§ 10 Nr. 3 AGBG durch die Wertungsmöglichkeit eine Angemessenheitskontrolle im Einzelfall ermöglichen würde, hätte das Eingreifen von § 11 Nr. 8 AGBG als ausschließlicher oder zusätzlicher Bewertungsmaßstab zwingend die Nichtigkeit dieser Klauseln zur Folge. Coester-Waltjen und Wolf vertreten die Auffassung, ein Rücktrittsvorbehalt müsse die Grenzen des § 11 Nr. 8 AGBG beachten, um wirksam in AGB vereinb-

90 Für den umgekehrten Fall, daß der AGB-Verwender den Verzug seines Vertragspartners zum Anlaß nimmt, sich ohne weiteres vom Vertrag lösen zu können, kann daher § 326 BGB als Vergleichsmaßstab dienen, der bei der Inhaltskontrolle nach § 10 Nr. 3 AGBG wertend mitzuberücksichtigen ist; vgl. auch § 11 Nr. 4 AGBG. 91 Da die Leistungspflicht gemäß § 275 BGB ohnehin wegfallt, hat ein derartiger Vorbehalt auch lediglich deklaratorische Bedeutung. 92 Wolf, § 10 Nr. 3, Rdn. 25.

III. Subsumtion einzelner Klauseltypen

103

art werden zu können 93 • Das würde bedeuten, daß der Schuldner einer der Gattung nach bestimmten Sache für den Fall von Verknappungen, Preissteigerungen, Lieferstörungen oder sonstiger Beschaffungshindernisse kein Rücktrittsrecht vereinbaren dürfte, da die Abbedingung von § 279 BGB die Nichtigkeitsfolge des § 11 Nr. 8 AGBG auslösen würde 94 • Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur beurteilen Rücktrittsvorbehalte dagegen ausschließlich nach § 10 Nr. 3 AGBG, meist aber ohne auf das Konkurrenzproblem zu § 11 Nr. 8 AGBG einzugehen. Es besteht jedoch Einigkeit, daß eine verschuldete Leistungsstörung keinen sachlichen Grund darstellt, der ein Vertragslösungsrecht des Schuldners rechtfertigen würde 95 • Bei der Entscheidung der Konkurrenzfrage muß zunächst von einem Wirkungsunterschied zwischen herkömmlichen wie Verzugshaftung ausschließenden Klauseln und Vertragslösungsvorbehalten ausgegangen werden, da die letzteren nicht nur die Haftungsfolgen, sondern auch die primären Leistungspflichten beseitigen. Aufgrund dieser Tatsache hat jedenfalls eine ausschließliche Anwendung des § 11 Nr. 8 AGBG auszuscheiden. Denn diese Vorschrift besagt nur, daß Sekundärrechte erhalten bleiben müssen, zusätzlich bedarf aber auch die Teilregelung der Inhaltskontrolle, die die Primärleistungspflicht beseitigt. Folglich kommt- und dahingehend sind wohl auch Wolfs und Coester-Waltjens Ausführungen zu interpretieren- nur eine kumulative Anwendung beider Verbote in Betracht. Zwingend geboten wäre dies, wenn zwischen Rücktrittsvorbehalten und reinen Verzugshaftungsausschlüssen ein Stufenverhältnis bestünde. Enthielte die Lossagung von der gesamten Leistungspflicht gegenüber der bloßen Abbedingung der Haftungsfolgen notwendigerweise eine stärkere Benachteiligung des Vertragspartners, dann wäre die zusätzliche Anwendung von § 11 Nr. 8 AGBG angebracht. Bei isolierter Betrachtung der Pflicht des AGB-Verwenders liegt es nahe, ein derartiges Stufenverhältnis zu bejahen, da der Vertragspartner durch den Rücktritt zusätzlich zu den Verzugssanktionen auch noch seinen Primäranspruch verliert. Diese Argumentation läßt aber außer acht, daß Allgemeine Geschäftsbedingungen fast ausschließlich in synallagmatischen Vertragsbeziehungen verwandt werden. Der AGB-Verwender verliert durch die Ausübung seines Rücktrittsrechtes seinerseits auch den Gegenanspruch, wohingegen ihm dieser bei einem reinen Haftungsausschluß erhalten bleibt. Ob der Kunde aber durch eine bloße Abbedingung der Verzugsfolgen unter Beibehaltung der sonstigen Vertragspflichten oder durch eine völlige Liquidation des Vertrages stärker belastet wird, läßt sich nur anband des Einzelfalles entscheiden. Die Aufrechterhaltung Schlosser!Coester-Waltjen, § 10 Nr. 3, Rdn. 30; Wolf, § 10 Nr. 3, Rdn. 21. Schlosser/Coester-Waltjen, § 10 Nr. 3, Rdn. 32. 95 BGH, NJW 1983, 1320, 1321; Löwe/von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 4 ff.; Ulmer!Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 12; Staudinger!Schlosser, § 10 Nr. 3, Rdn. 11; Koch/Stübing, § 10 Nr. 3, Rdn. 11; Dittmann!Stahl, Rdn. 299; Soergel/Stein, § 10 AGBG, Rdn. 31. 93

94

104

D. Vereitelung oder Erschwerung der Verzugsherbeiführung

des Schuldverhältnisses kann für den Gläubiger unter Umständen belastender sein als die Aufhebung, weil durch die Verzögerung der Leistung diese möglicherweise erheblich an Wert verloren hat, so daß das synallagmatische Verhältnis gestört ist. Daher stehen Rücktrittsvorbehalte und reine Verzugshaftungsausschlüsse nicht a priori in einem Stufenverhältnis zueinander. Durch die Befreiung von der Gegenleistungspflicht kann der Kunde im Einzelfall besser stehen als beim reinen Haftungsausschluß. Der Vertragslösungsvorbehalt muß damit als eine spezielle Form des Haftungsausschlusses angesehen werden, die in ihrem Benachteiligungsgrad aber nicht unbedingt höher einzustufen ist als der Ausschluß lediglich der Sekundärpflichten. Daher läßt sich die Konkurrenzfrage durch diesen wertenden Vergleich allein nicht entscheiden. Die historische Interpretation der fraglichen Vorschriften spricht dagegen für die ausschließliche Anwendung von§ 10 Nr. 3 AGBG. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung dieses Klauselverbotes verhindern, daß sich der Verwender den Folgen einer zu vertretenden Leistungsstörung durch die Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehaltes zu entziehen sucht 96 • Damit sollten gerade auch solche AGB-Bestimmungen erfaßt werden, die, wie beispielsweise Selbstbelieferungsvorbehalte, Rücktrittsgründe enthalten, bei denen eine Überschneidung mit der Verzugshaftung möglich ist 97 • Der Gesetzgeber war von der Notwendigkeit ausgegangen, durch die Schaffung des § 10 Nr. 3 AGBG zu verhindern, daß der Leistungsinhalt unbestimmt und unfaßbar ausgestaltet und so die Verzugshaftung im Vorfeld beeinträchtigt werden könnte 98 • Auf der anderen Seite wurde aber auch ein wirtschaftliches Bedürfnis für solche formularmäßigen Rücktrittsvorbehalte gesehen, bei denen - wie etwa im Falle von Gattungsschulden eine Tangierung der gesetzlichen Verzugshaftungsbestimmungen kaum je zu vermeiden sein würde 99 • Daher sollte das AGB-Gesetz eine Wertungsmöglichkeit vorsehen und entsprechende Vorbehalte beim Vorliegen eines sachlichen Grundes gestatten 100• Die Formulierung derartiger Klauseln wäre aber durch die Anwendung von § 11 Nr. 8 AGBG unzumutbar erschwert, soweit Gattungsschulden betroffen sind. Da die unbedingte Einstandspflicht für Beschaffungshindernisse nicht ausgeschlossen werden dürfte 101 , würde ein Zusatz, wonach verschuldete Leistungshindernisse nicht zum Rücktritt berechtigen, nicht genügen, um eine mit § 11 Nr. 8 AGBG zu vereinbarende Bestimmung aufzustellen.

Teilbericht I, S. 60; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 25. Teilbericht I, S. 61; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 25, wo u. a. auf die Leitentscheidung BGHZ 49, 388 zum Se1bstbelieferungsvorbehalt verwiesen wird. 98 Teilbericht I, S. 72; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 32. 99 Teilbericht I, S. 61; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 26. 100 Teilbericht I, S. 61; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 25. 101 Siehe oben C III 3 c. 96

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III. Subsumtion einzelner Klauseltypen

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Wenn man bedenkt, daß der Regelungsschwerpunkt derartiger Lösungsrechte ohnehin nicht auf der Einschränkung von Schadensersatzansprüchen liegt, sondern auf der völligen Liquidation des Schuldverhältnisses, ist die Anwendung des § 10 Nr. 3 AGBG sachgerechter. Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht dem Zweck des§ 11 Nr. 8 AGBG, die gesetzlichen Verzugssanktionen gegenüber Beeinträchtigungen durch AGB umfassend zu schützen. Denn vom Verwender oder seinen Erfüllungsgehilfen selbst verschuldete Leistungshindernisse können in der Regel keinen sachlichen Grund für eine Vertragslösung darstellen, so daß eine entsprechende Klausel auch der Inhaltskontrolle gemäß § 10 Nr. 3 AGBG nicht standhalten würde 102•

4. Die formularmäßige Bestimmung der Lieferzeit Soweit die Leistungszeit selbst in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmt wird, unterliegt eine solche Klausel ausschließlich der Inhaltskontrolle gemäß § 10 Nr. 1 AGBG und kann nicht an § 11 Nr. 8 AGBG gemessen werden 103 • Denn jede Pflichtverletzung, also auch der Schuldnerverzug, setzt die Feststellung der zugrundeliegenden Leistungspflicht voraus. § 11 Nr. 8 AGBG verfolgt aber nur das Ziel, die Sanktionen für die Einhaltung der Pflicht AGBfest zu machen. Ob eine Pflichtverletzung vorliegt, kann nur beurteilt werden, wenn die Modalitäten der zugrunde liegenden Leistungspflicht feststehen. AGB, die die Leistungszeit selbst zum Inhalt haben, können daher nicht gleichzeitig die Einstandspflicht für deren Nichteinhaltung betreffen. Denn diese Bestimmungen regeln nicht wie die vorher beschriebenen Klauseltypen spezifisch das Verspätungsrisiko. Eine Regelung, die eine zusätzliche Frist statuiert, knüpft unmittelbar an die Nichteinhaltung der eigentlichen Leistungspflicht an. Auch eine Unverbindlichkeitsklausel bezieht sich auf eine anderweitig festgelegte Terminvereinbarung und enthält eine Beschränkung der Einstandspflicht für deren Einhaltung. Demgegenüber fehlt es reinen Leistungsfristbestimmungen an einem derartigen Bezug zu einer zugrunde liegenden Verpflichtung. Durch sie regelt der Schuldner vielmehr die Leistungsmodalität Zeit selbst und nicht die Folgen ihrer Nichteinhaltung. Der Klauselverwender kann zwar durch großzügige Fristen das Haftungsrisiko für zu späte Erfüllung verringern, für die Anwendung des § 11 Nr. 8 AGBG besteht jedoch kein Anlaß und kein Bedürfnis, da die Vorschrift des § 10 Nr. 1 AGBG ausreichenden Schutz gegen Mißbräuche bietet.

102 BGH, NJW 1983, 1320, 1321; Ulmer!Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 4; Koch!Stübing, § 10 Nr. 3, Rdn. 9; einschränkend Staudinger!Schlosser, § 10 Nr. 3, Rdn. 11. 103 Ulmer!Brandner, § 11 Nr. 8, Rdn. 6; Soergel!Stein, § 11 AGBG, Rdn. 77; Löwe! von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 4.

E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr I. Die Übertragbarkeit der in den §§ 10 und 11 AGBG enthaltenen Wertungen auf die Inhaltskontrolle kaufmännischer Klauseln 1. Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung Gemäߧ 24 S. I AGBG finden die§§ 2, 10, 11 und 12 AGBG keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Kaufmann verwendet werden, wenn der Vertrag zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört, oder die gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. Wegen der Unanwendbarkeit der §§ 10 und 11 AGBG gegenüber diesen Personengruppen hat die Inhaltskontrolle ausschließlich nach der Generalklausel zu erfolgen. Hingegen stellt § 24 S. 2 AGBG ausdrücklich klar, daß daraus nicht der Umkehrschluß gezogen werden darf, die von§§ 10 und 11 AGBG untersagten Klauseln seien im kaufmännischen Bereich prinzipiell zulässig 1• Es fragt sich vielmehr, ob und gegebenenfalls wie weit die den Verbotskatalogen zugrunde liegenden Wertungen bei der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG mit herangezogen werden können. In einigen Entscheidungen geht der Bundesgerichtshof davon aus, eine Klausel, die bei Verwendung gegenüber Nichtkaufleuten unter eine Verbotsnorm des§ 11 AGBG falle, enthalte auch beim Gebrauch gegenüber Kaufleuten in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, es sei denn, sie könne wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des kaufmännischen Geschäftsverkehrs ausnahmsweise als angemessen angesehen werden 2 • In einem anderen Urteil hat es das Gericht allerdings offengelassen, ob den Klauselverboten stets eine indizielle Wirkung zukommt 3• In eine ähnliche Richtung wie die Rechtsprechung geht eine verbreitete Literaturmeinung, nach der die speziellen Verbote der§§ 10 und 11 AGBG im kaufmännischen Verkehr wesentliche Anhaltspunkte Staudinger I Schlosser, § 24, Rdn. 8; Soergell Stein, § 24 AGBG, Rdn. 10. BGHZ 90, 273, 278; BGH, WM 1986, 461, 463; BGH, ZIP 1988, 515, 519; so auch Ulmer I Brandner, § 24, Rdn. 19; Palandt I Heinrichs,§ 9 AGBG, Anm. 5 c; ähnlich Hensen, NJW 1987, 1986, 1987. 3 BGH, NJW 1985, 2328. 1

2

I. Übertragbarkeit der Wertungen der §§ 10 und 11 AGBG

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bei der Angemessenheitskontrolle gemäß § 9 AGBG liefern 4 .Andere Autoren betonen dagegen die Eigenständigkeit der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im kaufmännischen Geschäftsverkehr und ihre grundsätzliche Unabhängigkeit von den den §§ 10 und 11 AGBG zugrunde liegenden Wertungen 5 • Wenn der eindeutige Wortlaut des§ 24 S. 1 AGBG die Anwendung dieser Vorschriften ausschließe, so sei damit vom Gesetzgeber bewußt die Möglichkeit eröffnet worden, bei den §§ 10 AGBG unterfallenden Klauseln eine größeren Wertungsspielraum greifen zu lassen und bei den ansonsten von § 11 AGBG erfaßten Bestimmungen den Umständen des Einzelfalles stärker Rechnung zu tragen 6. 2. Unterschiedliche Indizwirkung der einzelnen Klauselverbote Die verschiedenen Auffassungen unterscheiden sich im Ergebnis allerdings weniger als dies zunächst den Anschein hat. Denn auch diejenigen Autoren, die sich gegen die indizielle Wirkung der speziellen Klauselverbote wenden, erkennen teilweise an, daß die Unanwendbarkeit der §§ 10 und 11 AGBG nicht zu einer Aufspaltung des allen Inhaltskontrollnormen der§§ 9 bis 11 AGBG gemeinsamen Maßstabes zwischen dem kaufmännischen und dem nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr führen dürfe. Die Entwicklung eines Sonderkontrollrechts für den Gebrauch Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Kaufleuten müsse vermieden werden 7• Denn die in den Verbotskatalogen zusammengefaSten Klauseltypen stellen überwiegend Konkretisierungen der in der Generalklausel in § 9 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken dar, d. h. es handelt sich um solche Vertragsbestimmungen, die mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht zu vereinbaren sind oder auf einer Aushöhlung vertragswesentlicher Pflichten hinauslaufen 8 • Die vor lokrafttreten des AGBG von der Rechtsprechung nach§ 242 BGB vorgenommene Inhaltskontrolle war in gleicher Weise auf Kaufleute wie auf Endverbraucher anwendbar 9 und betraf sogar überwiegend AGB des kaufmännischen Geschäftsverkehrs 10• 4

Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 24, Rdn. 14; Staudinger I Schlosser,

§ 24, Rdn. 8; Helm, BB 1977, 1109.

s Schlechtriem, FS Duden, S. 571 , 577; Pauly, BB 1976, 534 ff.,jeweils zur rechtspolitischen Diskussion um die Einbeziehung kaufmännischer Klauseln in das AGB-Gesetz; Soergel I Stein,§ 24 AGBG, Rdn. 10 ff.; Bunte, NJW 1987, 921, 925; Rabe, NJW 1987, 1978, 1982. 6 Schlechtriem, FS Duden, S. 571, 577; Rabe, NJW 1987, 1978, 1982. 7 So Soergel I Stein, § 24 AGBG, Rdn. 10. s Teilbericht I, S. 57; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 24; Soergel I Stein, § 24 AGBG, Rdn. 10; Schlechtriem, FS Duden, S. 571, 579. 9 So ausdrücklich BGH, WM 1979, 69; Ulmer I Brandner, § 24, Rdn. 12. 10 Vgl. die zahlenmäßige Gegenüberstellung bei Eith, NJW 1974, 16, 17 und die Analyse der Rechtsprechung bie Bastian I Böhm, BB 1974, 110 f.

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E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

In diesen Entscheidungen hat der BGH ausgeführt, der entscheidende Grund für die verstärkte Inhaltskontrolle von Verträgen mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen liege in der einseitigen Inanspruchnahme des Rechts, den Inhalt der Verträge zu gestalten. Derjenige, der Verträge nur nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen abschließe, verkürze die Möglichkeit des Vertragspartners, auf den Inhalt des Vertrages Einfluß zu nehmen und seine Interessen wahrzunehmen. Die Aufstellung einseitiger und unbilliger Geschäftsbedingungen habe ihren Grund häufig in der wirtschaftlichen Überlegenheit und größeren Geschäftserfahrung einer Vertragspartei. Diese Ungleichheit sei aber auch zwischen Kaufleuten anzutreffen, so daß es nicht sachgerecht sei, zwischen den Beteiligten zu differenzieren 11 • Die Aufnahme einer Reihe von Klauseln in die Kataloge der §§ 10 und 11 AGBG beruht auf Entscheidungen, die zum rein kaufmännischen Verkehr ergangen sind 12 • Es spricht daher nichts dagegen, diese vom Gesetzgeber kodifizierten Bewertungen nunmehr auch bei der Inhaltskontrolle der gegenüber Kaufleuten gebrauchten AGB nach § 9 AGBG mit heranzuziehen. Die Gefahr der Annahme einer generellen Indizwirkung besteht jedoch darin, daß durch eine pauschale Übernahme aller in den§§ 10 und 11 AGBG enthaltenen Wertungen der Blick für die Besonderheiten des Geschäftsverkehrs unter Kaufleuten verlorengeht 13 • Die Formulierung der Rechtsprechung, bei einem Verstoß gegen ein Klauselverbot der §§ 10 und 11 AGBG sei die Wirksamkeit nur ausnahmsweise zu bejahen, ist daher zu weitgehend. Denn es besteht zwar grundsätzlich auch ein Schutzbedürfnis des kaufmännischen Kunden gegen unbillige AGB, doch enthält der Katalog unwirksamer Klauseln teilweise auch Verbote, die besonders der intellektuellen Unterlegenheit des Konsumenten Rechnung tragen. So hat der BGH beispielsweise angedeutet, die Laufzeitbegrenzung des § 11 Nr. 12 a AGBG sei eher auf Verbraucherverträge zugeschnitten 14 • Man darf sich bei der Klauselprüfung deshalb nicht mit einem Hinweis auf die §§ 10, 11 AGBG begnügen, sondern muß zunächst untersuchen, ob demjeweiligen Klauselverbot eine nicht ausschließlich oder überwiegend an Konsumentengeschäften orientierte Wertung zugrunde liegt. Bei der Beurteilung der einzelnen Klauseln muß dann noch einmal geprüft werden, ob sich aufgrund der branchenüblichen Besonderheiten oder der Ausgewogenheit des Gesamtklauselwerkes eine Rechtfertigung der §§ 10 oder 11 AGBG widersprechenden Bestimmung ergibt 15 • Dabei ist insbesondere gemäß § 24 S. 2 AGBG auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen.

u So BGH, WM 1976, 960. Soergel l Stein, § 24 AGBG, Rdn. 10; CDU I CSU-Entwurf, BTDS 7/3200, S. 20. 13 Rabe, NJW 1987, 1978, 1982. 14 BGH, NJW 1984, 2328. 12

15

Schlechtriem, FS Duden, S. 571, 579.

II. Übertragbarkeit der Wertungen des § 11 Nr. 8 AGBG

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Schließlich besteht auch noch ein wichtiger Unterschied zwischen § 10 und § 11 AGBG: Die in§ 10 AGBG verwandten· unbestimmten Rechtsbegriffe würden es ermöglichen, den besonderen Bedürfnissen des kaufmännischen Verkehrs auch durch eine modifizierte Auslegung der einzelnen Vorschrift Rechnung zu tragen. Die Klauselprüfung erfolgt daher in diesem Bereich nach § 9 AGBG quasi parallel. Demgegenüber muß bei den Verboten des § 11 AGBG selbst bei grundsätzlicher Übertragbarkeit ihrer Wertungen auf den kaufmännischen Verkehr die Möglichkeit offenbleiben, eine nicht konforme Bestimmung aufgrund branchentypischer Besonderheiten als nicht unangemessen aufrechtzuerhalten. Denn den differenzierten Vertragsbeziehungen unter Gewerbetreibenden wird eine isolierte, schematische Detailprüfung der einzelnen Klauseln nicht gerecht 16•

II. Übertragbarkeit der dem§ 11 Nr. 8 AGBG zugrunde liegenden Wertungen auf den kaufmännischen Geschäftsverkehr 1. Die Erhaltung des Vertragslösungsrechts Einigkeit besteht darüber, daß das Gebot des § 11 Nr. 8 a AGBG auch für kaufmännische Klauseln zu gelten hat. Das Vertragslösungsrecht ist für die Rechtsposition des Gläubigers derart wesentlich, daß durch eine ·Abbedingung zwangsläufig eine unangemessene Benachteiligung eintreten würde. § 326 als zentrale Vorschrift des BGB aus dem Recht der Leistungsstörungen eröffnet dem Gläubiger einen klaren und einfachen Weg zur Vertragsliquidierung 17• Da es ihm auch bei vollem Ersatz des Verzögerungsschadens nicht zurnutbar ist, seine Gegenleistung unbegrenzt lange bereitzuhalten 18, widerspräche der Ausschluß oder die Einschränkung des Vertragslösungsrechtes wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des§ 326 BGB. Weil gerade der kaufmännische Kunde wegen eigener von der Erfüllung des Vertrages abhängiger Verbindlichkeiten darauf angewiesen ist, sich schnell anderweitig einzudecken, falls ihn der Schuldner im Stich läßt, spielt eine rasche Vertragsliquidation für ihn eine noch größere Rolle als für den Verbraucher. Nicht zu beanstanden wäre jedoch eine Gestaltung, nach der nur Schadensersatz wegen Nichterfüllung gewährt wird. Folgt man der herrschenden eingeschränkten Differenztheorie zu § 326 BGB 19 , dann handelt es sich beim Rücktrittsrecht praktisch nur noch um ein minus gegenüber dem Schadensersatzverlangen, da So Palandt I Heinrichs, § 9 AGBG, Anm. 6 c. MünchKomm I Emmerich, § 326, Rdn. 1. 18 Larenz, SR I, § 23 II b. 19 Vgl. u.a. RGZ 50, 255, 262; 149, 135, 136; BGHZ 20, 338, 343; Staudinger I Otto, § 325, Rdn. 35; Palandt I Heinrichs, § 325, Anm. 3 b; Larenz, SR I, § 22 li b. 16

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E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

ein Leistungsaustausch ohnehin nicht mehr stattfindet. Bei der Berechnung nach der Differenzmethode kann der Gläubiger nur dann schlechter stehen als beim Rücktritt, wenn sich ausnahmsweise ein Überschuß des Schuldners ergibt, den dieser dann seinerseits zurückfordern darf 20. Dies könnte der Gläubiger nur durch die Wahl des Rücktritts vermeiden. Hat er seine Gegenleistung schon erbracht, kommt allerdings die Surrogationstheorie zur Anwendung 21 . Aber auch das ist gegenüber der Geltendmachung des Rücktrittsrechts nur dann nachteiliger, wenn sich die Leistung noch im Schuldnervermögen befindet und seine Zahlungsfahigkeit im Hinblick auf das Schadensersatzverlangen zweifelhaft ist 22. Diese beiden Ausnahmefälle, in denen der Rücktritt für den Vertragspartner vorteilhafter wäre, rechtfertigen es jedoch nicht, bei dieser Vertragsgestaltung von einer unangemessenen Benachteiligung des Gläubigers zu sprechen. Im Normalfall stellt sich gerade der Kaufmann, der mit dem Geschäft einen Gewinn erzielt, mit dem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung erheblich besser als mit dem Rücktritt. 2. Beschränkbarkeit der Schadensersatzansprüche gemäß §§ 286 und 326 BGB bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit a) Eigenes grobes Verschulden und grobes Verschulden leitender Angestellter Auch die § 11 Nr. 8 b i. V. m. § 11 Nr. 7 AGBG zugrunde liegende Wertung, daß Ansprüche auf Ersatz des Verzugsschadens sowie auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung bei eigener grober Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz des Verwenders oder seiner leitenden Angestellten AGB-fest sein sollen, läßt sich uneingeschränkt auf den Geschäftsverkehr unter Kaufleuten übertragen. Nach allgemeiner Meinung darf sich der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch gegenüber dem in § 24 S. 1 genannten Kundenkreis in diesem Fall nicht freizeichnen 23 . Diesen Grundsatz hatte die Rechtsprechung bereits vor lokrafttreten des AGB-Gesetzes für allgemeine Haftungsausschlüsse entwikkelt24. Schon in seiner Leitentscheidung vom 6.3.1956 hatte der Bundesgerichtshof ausgeführt, es widerspreche den Anforderungen eines billigen Ausgleichs 20 Staudinger I Otto, § 325, Rdn. 41; MünchKomm I Emmerich, § 325, Rdn. 41. 21 Palandt I Heinrichs, § 325, Anm. 3 b bb. 22 Soergel I Wiedemann, § 325, Rdn. 35, der dies allerdings als Schwäche der h. M. betrachtet und daher auch in diesem Fall die Differenztheorie anwenden möchte. 23 Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 7, Rdn. 30; Wolf,§ 11 Nr. 7, Rdn. 43; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 7, Rdn. 38 m.w.N. insbesondere aus der Rechtsprechung. 24 BGHZ 20, 164, 167; 38, 183, 184; BGH, WM 1973, 1238; BGH, BB 1978, 322.

II. Übertragbarkeit der Wertungen des § 11 Nr. 8 AGBG

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zwischen den beiderseitigen Belangen der Parteien im Geschäftsverkehr, wenn sich ein Vertragspartner auch in den Fällen auf eine Haftungsfreizeichnung berufen könne, in denen die nach den Umständen des Falles gebotenen Sorgfaltspflichten in gröblichsterWeise seitens eines leitenden Angestellten oder durch ihn selbst verletzt worden seien 25 • Zu dem gleichen Ergebnis gelangt die allgemeine Meinung heute bei der Inhaltskontrolle allgemeiner Haftungsfreizeichnungen nach § 9 AGBG, so daß diese absolute Grenze auch für den Leistungsverzug gelten muß 26 • b) Grobes Verschulden einfacher Erfüllungsgehilfen

Streitig ist jedoch, ob das in§ 11 Nr. 7 AGBG enthaltene Verbot des Haftungsausschlusses und der Haftungsbegrenzung für grob fahrlässiges Verhalten einfacher Erfüllungsgehilfen uneingeschränkt auf den kaufmännischen Geschäftsverkehr Anwendung findet. Gegenüber diesem Kundenkreis ließ die Rechtsprechung vor lokrafttreten des AGB-Gesetzes solche Freizeichnungen zu 27 • Unter der Geltung des AGB-Gesetzes hat der Bundesgerichtshof diese Frage bisher ausdrücklich offengelassen, meist scheiterte die entsprechende Klausel an § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, da durch sie vertragswesentliche Pflichten so ausgehöhlt wurden, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet war 28 • In einigen Entscheidungen hat der BGH jedoch aufgrund branchentypischer Besonderheiten auch Freizeichnungen für grobe Fahrlässigkeit einfacher Erfüllungsgehilfen anerkannt 29 . Ein Teil der Literatur möchte an der vor lokrafttreten des AGB-Gesetzes herrschenden Rechtsprechung auch unter Geltung von § 9 AGBG festhalten 30. Insbesondere Helm befürchtet bei einer Übertragung der Wertung des§ 11 Nr. 7 AGBG auf den kaufmännischen Verkehr erhebliche Störungen im Vertragsrecht, da die meisten gebräuchlichen Klauseln den Verschuldeosgrad nicht erwähnten und bestenfalls Ausnahmen für grobes Verschulden leitender Angestellten vorsähen31. Weil aber diese, die Grenze des§ 11 Nr. 7 AGBG überschreitenden Bedingungen, wegen § 6 Abs. 2 AGBG nicht mehr teilweise aufrechterhalten werden könnten, sondern insgesamt nichtig würden, führe die Übertragung dieser Wertung zu einer vorübergehenden Stillegung des Haftungs- und Risikosystems der Wirtschaft 32. BGHZ 20, 164, 167; vgl. auch BGHZ 38, 183, 184. So ausdrücklich auch Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 36. 27 BGHZ 20, 164; 38, 183; 70, 364. 2s So beispielsweise BGHZ 89, 363, 367; BGH, ZIP 1984, 971, 975. 29 BGH, NJW 1986, 1435; BGH, DB 1989, 39, jeweils zu§ 41 a ADSp; BGH, ZIP 1988, 515, 519 zur Freizeichnung in der Werftbranche. 30 Wronka, BB 1976, 1580, 1582; Helm, BB 1977, 1109, 1110; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 7, Rdn. 32; Dittmann I Stahl, Rdn. 435; Schmidt I Salz er, AGBG, Rdn. 201. 31 Helm, BB 1977, 1109, 1110. 32 Helm, BB 1977, 1109, 1110. 25

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E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

Diese Bedenken Helms richten sich jedoch nicht gegen die Übernahme der Wertung gerade des Klauselverbotes des § 11 Nr. 7 AGBG, sondern hauptsächlich gegen die Verlagerung des Schwergewichts bei der AGB-Kontrolle von der Reduktion hin zur Kassation unangemessener Klauseln. Es ist aber ein Hauptzweck des AGB-Gesetzes, insbesondere durch den auch im kaufmännischen Verkehr geltenden § 6 Abs. 2 AGBG die Aufsteller Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu einer Anpassung ihrer zu weitgehenden Klauselwerke zu bewegen. Offen läßt Helm die Frage, warum die Haftungsahbedingung für grobes Verschulden von Erfüllungsgehilfen gegenüber Kaufleuten weniger unangemessen sein soll als gegenüber Verbrauchern. Die Meinung in der Literatur, die von einer Übertragung der Wertung des§ 11 Nr. 7 AGBG auf den kaufmännischen Bereich ausgeht, verdient daher den Vorzug 33 • Der Vorschrift des § 278 BGB liegt der Gedanke zugrunde, daß derjenige, der den Nutzen aus der Tätigkeit seiner Erfüllungsgehilfen ziehen kann, auch die damit verbundenen Risiken tragen soll 34• Die Haftung für das schwere Verschulden hat aber bei der Vertragspartei zu bleiben, in deren Gefahrenbereich die grobe Pflichtverletzung begangen wurde 35 , so daß AGB hieran nichts ändern dürfen. Diese dem§ 11 Nr. 7 AGBG immanente Gerechtigkeitserwägung beruht nicht speziell auf dem Gedanken des Verbraucherschutzes, sondern ist eine Ausprägung von§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG. Mit der Schaffung von § 11 Nr. 7 AGBG wollte der Gesetzgeber über die bisherige, ebenfalls nicht nach dem Kreis der Vertragspartner differenzierende Rechtsprechung hinausgehen, ohne nunmehr eine prinzipielle Andersbehandlung kaufmännischer Kunden zu beabsichtigen 36• Dabei darf jedoch nicht außer acht gelassen werden, daß branchenspezifische Besonderheiten aufgrund von § 24 S. 2 AGBG eine Einschränkung oder einen Ausschluß der Haftung insbesondere in traditionell gebilligten und anerkannten Klauselwerken rechtfertigen können. Da die Entscheidungen des BGH zu den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen 37 und zu den Freizeichnungen in der Werftbranche 38 ersichtlich auf diesem Gedanken beruhen, widersprechen sie der herrschenden Literaturmeinung nicht 39•

33 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 7, Rdn. 39; Koch I Stübing, § 11 Nr. 7, Rdn. 20; Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 7, Rdn. 84; Soergel! Stein, § 11 AGBG, Rdn. 61; Palandt I Heinrichs, § 11 AGBG, Anrn. 7 e; Bunte I Heinrichs, S. 157; von Westphalen, NJW 1979, 838, 841 sowie Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 7, Rdn. 52, der allerdings haftungsbegrenzende Klauseln für zulässig hält. 34 Palandt I Heinrichs, § II AGBG, Anm. 7 e; Wolf, § 11 Nr. 7, Rdn. 45. 35 So auch CDU I CSU-Entwurf, BTDS 7/3200, S. 15. 36 Koch I Stübing, § 11 Nr. 7, Rdn. 20. 37 BGH, NJW 1986, 1435; BGH, DB 1989, 39. 38 BGH, ZIP 1988, 515, 519. 39 So auch Ulmer I Brandner, § 24, Rdn. 20.

II. Übertragbarkeit der Wertungen des § 11 Nr. 8 AGBG

113

3. Beschränkbarkeit der Schadensersatzansprüche bei leichter Fahrlässigkeit a) Der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB

Ohne die Sanktion des Schadensersatzanspruchs nach § 326 BGB wäre nicht gewährleistet, daß der Verkäufer oder der Werkunternehmer 40 sich mit der gebotenen Sorgfalt um die Erbringung der ihnen obliegenden Leistung bemühen, da der bloße Rücktritt im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft wie eine einseitige Vertragslösung durch den Lieferanten selbst 41 • Die Vorschrift des § 11 Nr. 8 b AGBG, die gegenüber der allgemeinen Freizeichnungsgrenze des § 11 Nr. 7 AGBG eine Verschärfung erreichen möchte, stellt eine Ausprägung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG dar. Der Gerechtigkeitsgedanke, daß derjenige, der die Vertragsliquidation durch seine Pflichtverletzung verschuldet hat, auch die Folgen tragen muß, gilt gleichermaßen für den Geschäftsverkehr unter Kaufleuten wie gegenüber Endverbrauchern. Der Stellenwert des Schadensersatzanspruches wegen Nichterfüllung ist dabei im kaufmännischen Verkehr noch höher als bei Verträgen mit Konsumenten. Denn letztere können sich in einer weitgehend von Versorgungsengpässen freien und relativ preisstabilen Wirtschaftsordnung im Zweifel adäquat anderweitig eindecken, so daß ihnen oft mit dem Rücktrittsrecht gedient ist. Der kaufmännische Kunde verfolgt als Zwischenhändler oder Endverkäufer dagegen ausschließlich das Ziel, durch günstigen Einkauf eine entsprechende Gewinnspanne zu erzielen. Diese geht ihm verloren, wenn er infolge der Auflösung des Vertrages nun seinerseits seine Kunden nicht mehr bedienen kann, oder sich teurer eindecken muß, so daß der Weiterverkauf bei einer knapp kalkulierten Gewinnspanne nicht mehr lohnt. Der Ausschluß der Haftung für diese Schäden trifft ihn daher härter als den Verbraucher 42 • Bei einer Abbedingung der Ansprüche aus §§ 286 Abs. 2 bzw. 326 BGB ist daher im kaufmännischen Verkehr eine Indizwirkung im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Klausel gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG anzunehmen 43 • Bei der weiteren Prüfung, ob sich aufgrund des speziellen Geschäftstyps oder sonstiger Besonderheiten Gründe für eine Rechtfertigung der Freizeichnung ergeben, ist auch das Ausmaß der Schadensersatzansprüche zu berücksichtigen, die dem Gläubiger von seinen Abnehmern drohen, falls er durch die verspätete Diese Vertragsarten spielen in der AGB-Praxis die größte Rolle. Teilbericht I, S. 73. 42 Koch I Stübing, § 11 Nr. 8, Rdn. 17. 43 So auch Koch I Stübing, § 11 Nr. 8, Rdn. 17; wohl auch Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 19; Bunte, Handbuch, S. 106; MünchKomm I Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 76; a. A. Palandt I Heinrichs, § 11 AGBG, Anm. 8 d; Stein, § 11, Rdn. 61, die den Ausschluß nur bei Verletzung von Kardinalpflichten für unwirksam halten; anders auch Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 8, Rdn. 15 und Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 22, die bereits von einer anderen Interpretation von § 11 Nr. 8 b ausgehen; siehe oben C III 2 b. 40 41

8 Keim

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E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

Belieferung seinerseits in Verzug kommt. Einige Autoren möchten dabei u.a. darauf abstellen, in welchem Umfang sich der kaufmännische Kunde gegenüber seinen Abnehmern durch AGB freizeichnen kann 44 • Sei ihm dies, weil diese keine Kaufleute sind, nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang möglich, so müßten auch entsprechende Freizeic.hnungsklauseln auf der vorgelagerten Absatzstufe besonders kritisch beurteilt werden 45 • Es ist jedoch zweifelhaft, ob dieses Kriterium als Ansatzpunkt für eine Differenzierung herangezogen werden kann. Untersagt man nämlich dem Zwischenhändler die Freizeichnung, weil der Endverkäufer durch § 11 Nr. 8 b AGBG daran gehindert ist, das Risiko an den Verbraucher weiterzugeben, so ließe sich mit dem gleichen Argument auch ein Verbot des Haftungsausschlusses auf der jeweils nächsten Stufe begründen. Denn dadurch, daß dem Zwischenhändler nunmehr die Freizeichnung untersagt wird, wäre es auch für dessen Lieferanten, also beispielsweise den Hersteller der Rohstoffe, unangemessen, ihn durch eine entsprechende Klausel mit dem Verzögerungsrisiko zu belasten. Verfolgt man diese Argumentation konsequent, gelangt man zu dem Ergebnis, daß sich letztendlich niemand mehr freizeichnen darf. Es handelt sich daher nur um ein Argument zur Begründung der generellen Schutzwürdigkeit kaufmännischer Kunden vor Haftungsfreizeichnungen, damit derjenige, in dessen Verantwortungsbereich die Schadensursache fallt, auch mit den Folgen belastet wird 46 • Eine Differenzierung nach den jeweiligen Absatzstufen läßt sich aber daraus nicht ableiten. b) Der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens gemäß § 286 Abs. 1 BGB

Das in § 11 Nr. 8 b AGBG enthaltene Verbot, den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens auch bei leichter Fahrlässigkeit auszuschließen, läßt sich dagegen nicht auf die Inhaltskontrolle kaufmännischer Klauseln übertragen. Die von einem Teil der Literatur geforderte teleologische Reduktion der Vorschrift des § 11 Nr. 8 b AGBG, soweit er auch den Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens erfaßt, ist nur deshalb abzulehnen, weil für den Verbraucher dieser Rechtsbehelf ein wirksames Druckmittel darstellt, um den Vertragspartner zu pünktlicher Leistung anzuhalten, so daß für eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereiches gegen den Wortlaut kein Bedürfnis besteht 47 • Das maßgebliche Argument für die Notwendigkeit der Erhaltung des Anspruches, daß nämlich der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 326 BGB dem Konsumenten in der Regel wenig einbringt, kann dagegen aufkaufmännische Kunden nicht übertragen 44 So MünchKomm I Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 76; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 24, Rdn. 18. 45 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 24, Rdn. 18. 46 So Eith, NJW 1974, 16, 19. 47 Siehe oben C IV.

li. Übertragbarkeit der Wertungen des § 11 Nr. 8 AGBG

115

werden. Da sie den Vertrag zur Gewinnerzielung abschließen und zur Erfüllung ihrer eigenen Verbindlichkeiten auf die Lieferung angewiesen sind, entstehen ihnen häufig erhebliche Nichterfüllungsschäden, so daß die Drohung mit der Sanktion des§ 326 BGB hier durchaus eine scharfe Waffe darstellt. Damit besteht im Prinzip keine Notwendigkeit, dem Anspruch nach § 286 Abs. I BGB gegenüber Schadensersatzansprüchen aus PVV und CIC eine Sonderstellung zukommen zu lassen. Ihnen allen gemeinsam ist, daß sie auf das bloße Wiederherstellungsinteresse gerichtet sind, wobei die Nichteinhaltung der Leistungszeit lediglich eine besondere Form der Pflichtverletzung darstellt. Bei der Frage der Zulässigkeil der Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit differenziert die Rechtsprechung aber nach den jeweiligen Pflichten. Ein Ausschluß der Haftung verstößt gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG, wenn dadurch eine wesentliche Vertragspflicht so eingeschränkt wird, daß der Zweck des Vertrages gefährdet ist. Dies hängt davon ab, wie wichtig pünktliche Erfüllung bei den Geschäften, für die die Klausel verwendet wird, ist. Im Normalfall dürfte aber ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 danach zu verneinen sein 48 • Bei der Frage der Vereinbarkeit mit§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG muß zwar von der Leitbildfunktion des § 286 BGB ausgegangen werden, da die Norm Ausdruck eines wesentlichen Grundgedankens des dispositiven Rechts ist. Abweichungen sind hier jedoch eher zu rechtfertigen als beispielsweise beim Anspruch gemäߧ 326 BGB. Bei der größeren Komplexität kaufmännischer Geschäfte läßt sich leicht fahrlässiges Verhalten einfacher Erfüllungsgehilfen nie ganz ausschließen. Im übrigen wird nicht selten ein Bedürfnis für einen Haftungsausschluß vorliegen: Wenn der Verwender beispielsweise mit einem derart inhomogenen Kundenkreis kontrahiert, daß der den Vertragspartnern im Falle einer Verspätung drohende Verzögerungsschaden im voraus kaum zu überblicken ist, so wird man - sofern der Kunde die Eilbedürftigkeit nicht so deutlich gemacht hat, daß die Einhaltung der Leistungszeit eine vertragswesentliche Pflicht darstellt - ein Bedürfnis des Verwenders nach einem Haftungsausschluß nicht verneinen können. Der Widerspruch zu § 11 Nr. 8 b AGBG indiziert daher noch nicht die Unwirksamkeit einer Klausel, die den Verzugsschaden im kaufmännischen Bereich ausschließt. Es ist vielmehr nach der Bedeutung der Einhaltung der Lieferzeit im Rahmen des jeweiligen Geschäftstyps zu differenzieren. Dieser flexiblen Betrachtungsweise entspricht es auch, daß umgekehrt, sofern es auf schnelle Leistung unbedingt ankommt, die Haftung auch durch die AGB des Gläubigers verschärft werden darf. Die ganz herrschende Meinung hält daher zu Recht trotz § 11 Nr. 6 AGBG im kaufmännischen Bereich die formularmäßige Vereinbarung einer Vertragsstrafe für zulässig 49. 48 Siehe oben zur Einschränkbarkeit des Anspruchs im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr C IV 2. 49 BGH, NJW 1976, 1886, 1887; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 6, Rdn. 41; Koch I Stübing, § 11 Nr. 6, Rdn. 22; MünchKomm/ Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 53.

8•

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E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

4. Die Beschränkbarkeil der erweiterten Einstandspflicht des Gattungsschuldners § 279 BGB liegt der Gedanke zugrunde, daß der Schuldner, der die Verpflichtung zur Lieferung einer Gattungssache übernimmt, damit regelmäßig auch dafür einstehen will, daß er über die persönlichen Fähigkeiten, den Apparat und die Geschäftsverbindung verfügt, die nötig sind, um die Ware zu beschaffen 5°. Für die Inhaltskontrolle abweichender Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist- sowohl beim Verzugsschaden wie auch beim Nichterfüllungsschaden -die Frage von maßgeblicher Bedeutung, inwieweit die Vorschrift einen wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung über die Verzugshaftung enthält. Es kommt dabei darauf an, ob durch die Abbedingung dieser Norm die Ausgewogenheit der Haftung des Schuldners für die Nichteinhaltung der Leistungszeit deutlich beeinträchtigt und die Risikoverteilung unangemessen zum Nachteil des anderen Vertragspartners verschoben würdes 1•

Soweit § 279 BGB die Funktion zukommt, die Einstandspflicht des Schuldners für seine finanzielle Leistungsfahigkeit abzusichern, handelt es sich um einen wesentlichen Grundgedanken. Denn diese Prinzip ist in unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung derart elementar 52, daß eine Abbedingung durch AGB kaum je zu rechtfertigen sein dürfte. Die Belastung des Gattungsschuldners mit dem vollen Beschaffungsrisiko kann nicht als so wesentlicher Gedanke angesehen werden, daß widersprechende AGB in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners darstellen würden. Im Kern geht das Recht der Leistungsstörungen im Bürgerlichen Gesetzbuch von der verschuldeosabhängigen Haftung aus, so daß § 279 BGB insofern Ausnahmecharakter besitzt. Im Gegensatz zu den §§ 276 - 278 BGB regelt die Vorschrift auch nicht die Haftung für Vertragsverletzungen, sondern primär das Ausmaß der Leistungspflicht, was jedoch im Falle der Nichterfüllung auch eine Erweiterung der Schadensersatzpflicht bewirkt 53 • Daß diese unbedingte Einstandspflicht nach dem Wortlaut des Gesetzes zu weit geht, hat bereits das Reichsgericht gesehen und zu einschränkender Auslegung veranlaßt. Danach werden Leistungshindernisse, die mit der Beschaffungspflicht nicht in Zusammenhang stehen, nicht erfaßt 54• Außerdem ist der Begriff der Gattung nach heutigem Verständnis auf die am Markt zur Verfügung stehende Ware begrenzt55 • Eine in der Literatur stark vertretene Auffassung hält § 279 BGB sogar für obsolet, da sich das Maß der Haftung für Beschaffungshindernisse so Staudinger I Löwisch, § 279, Rdn. 1. 51 Larenz, AT, § 29 a III; Schlosser I Graba, § 9, Rdn. 25. 52 Coester-Waltjen, AcP 185, 279, 285. 53 So jedenfalls die h. M.; siehe oben C III 3 c. 54 RGZ 57, 116; 99, 1. 55 Soergel I Wiedemann, § 279, Rdn. 3.

III. Beschränkbarkeit bei Verzug mit Teilleistungen

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ausschließlich nach der Auslegung der übernommenen Verpflichtung richte 56. Auch wenn man dieser Meinung nicht folgt, gilt es festzuhalten, daß heute in der Praxis häufig die unbedingte Haftung bereits konkludent eingeschränkt ist. So muß im Zweifel eine beschränkte Gattungsschuld angenommen werden, wenn ein Selbsthersteller Erzeugnisse aus seiner eigenen Produktion zu liefern verspricht57. Die unbedingte Einstandspflicht des § 279 BGB kann daher in Anbetracht der Verschiedenheit in der Praxis vorkommender Rechtsgeschäfte nicht als einziges Leitbild für die Reichweite der Haftung dienen. Das Gesetz bietet mit der Vorschrift nur eine von mehreren gerechten Lösungsmöglichkeiten für die Frage der Einstandspflicht des Gattungsschuldners an, um Rechtssicherheit für den Fall zu schaffen, daß ausdrücklich nichts vereinbart ist. Maßstab für die Reichweite der Beschaffungspflicht regelnde AGB ist vielmehr die Verteilung des Beschaffungsrisikos, wie sie sich aus der Auslegung des konkreten Vertragstyps ohne die entsprechende Klausel ergeben würde. Ein Verstoß gegen § 9 AGBG liegt vor, wenn die AGB-Bestimmung diese Risikoverteilung unangemessen zum Nachteil des Vertragspartners verschieben würde.

III. Beschränkbarkeit der Gläubigerrechte bei Verzug mit Teilleistungen Nach fast einhelliger Meinung gilt die dem Verbotstatbestand des § 11 Nr. 9 AGBG zugrunde liegende Wertung auch für die Inhaltskontrolle kaufmännischer Klauseln 58 • Das Recht auf Rücktritt oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung hinsichtlich des ganzen Vertrages bei fehlendem Interesse an der Teilleistung ist Ausdruck eines wesentlichen Grundgedankens der gesetzlichen Verzugshaftung, der nach § 9 Abs. 2 Nr. I AGBG auch unter Kaufleuten zu beachten ist 59 • Die vom Schuldner zu vertretende Pflichtverletzung darf nicht dazu führen, daß der Gläubiger eine für ihn uninteressante Teilleistung erhält, dafür aber den entsprechenden Teil der Gegenleistung weiterhin an den Schuldner entrichten muß. Für das Vertragslösungsrecht ergibt sich die AGB-Festigkeit aus§ 11 Nr. 8 AGBG, da § 11 Nr. 9 AGBG insoweit ohnehin nur deklaratorische Bedeutung hat. Unterschiede zwischen dem kaufmännischen Geschäftsverkehr und Verbrauchergeschäften bestehen lediglich bei der vorgelagerten Frage, wann ein Interesse56 Bal/erstedt, FS Nipperdey, S. 261 ff.; Soergel I Wiedemann, § 279, Rdn. 13; Staudinger I Löwisch, § 279, Rdn. 15; Lemppenau, S. 96; Medicus, BR, Rdn. 266. 57 Palandt I Heinrichs, § 243, Anm. 1 c. 58 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 9, Rdn. 14; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 9, Rdn. 7; Wolf, § 11 Nr. 9, Rdn. 15; Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 9, Rdn. 8; Koch I Stübing, § 11 Nr. 9, Rdn. 19; Stein, § 11, Rdn. 73; MünchKomm I Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 79; Soergel I Stein, § 11 AGBG, Rdn. 89; Palandt I Heinrichs, § 11 AGBG, Anm. 9 b; Erman I Battes, § 325, Rdn. 45; a. A. lediglich Staudinger I Schlosser, § 11

Nr. 9, Rdn. 9. 59

Wolf, § 11 Nr. 9, Rdn. 15.

118

E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

wegfall vorliegt. Denn namentlich beim Handel mit Gattungswaren wird der kaufmännische Kunde nur in den seltensten Fällen kein Interesse an der Teilleistung haben60. Weitaus größere Bedeutung als die Anwendungsfalle des § 11 Nr. 9 AGBG hat gerade bei Geschäften unter Kaufleuten der Verzug mit einzelnen Raten beim Sukzessivlieferungsvertrag: Das Rücktrittsrecht im Hinblick auf die noch ausstehenden Teillieferungen kann auch hier nicht eingeschränkt werden. Auch Rechtssätzen, die von der Judikatur durch Rechtsfortbildung aus den gesetzlichen Regelungen hergeleitet werden, kann Leitbildfunktion im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG zukommen 61 • Die Erweiterung des Rücktrittsrechts beim Sukzessivlieferungsvertrag beruht auf der Erwägung, daß eine längere Geschäftsverbindung ein gewisses Maß an gegenseitigem Vertrauen voraussetzt. Ist diese Basis durch wiederholte Lieferverzögerungen nachhaltig erschüttert, und dadurch eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den anderen Vertragspartner unzumutbar geworden, so muß es diesem gestattet sein, sich auch ohne Interesseverlust an der Leistung vom Vertrag zu lösen. Diesen gerade für den kaufmännischen Verkehr entwickelten Grundsätzen 62 kommt ein hoher Gerechtigkeitsgehalt zu. Eine Abbedingung des erweiterten Rücktrittsrechts würde den anderen Teil dazu zwingen, eine für ihn untragbar gewordene Geschäftsbeziehung mit einem unzuverlässigen Vertragspartner fortzusetzen. Es ist daher offensichtlich, daß dies eine unangemessene Benachteiligung wäre. Zum Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gelten die gleichen Grundsätze wie im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr, so daß der Klauselverwender den Anspruch auf die fällige Teilrate begrenzen darf63 •

IV. Nachfristvorbehalte in kaufmännischen Klauseln Nach der hier vertretenen Meinung enthält § lO Nr. 2 AGBG das Gebot, daß eine vom Schuldner in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorbehaltene Nachfrist die nach § 326 BGB angemessene Mindestlänge nicht wesentlich überschreiten darf 64 • Der angemessenen Dauer der nach § 326 BGB normalerweise vom Gläubiger zu bestimmenden Frist soll damit Leitbildfunktion im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG auch für vom Schuldner im voraus pauschal festgelegte Nachfristen zukommen 65 • Da den besonderen Bedürfnissen des kaufmännischen Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 9, Rdn. 7; MünchKomm I Kötz, § 11 AGBG, Rdn. 79. BGH, NJW 1983, 1671; U/mer I Brandner, § 9, Rdn. 127; teilweise anders Becker, s. 79 ff. 62 Vgl. z. B. BGH, NJW 1977, 75, 76; BGH, MDR 1977, 390 BGH, NJW 1977, 35 und BGH, WM 1985, 61. Alle diese Entscheidungen betreffen beiderseitige Handelsgeschäfte. 63 Siehe oben C III 5 d bb. 64 Siehe oben C III 6 b aa. 65 Siehe oben C III 6 b aa. 60 61

IV. Nichtfristvorbehalte in kaufmännischen Klauseln

119

Geschäftsverkehrs auch im Rahmen dieser Angemessenheilsprüfung des § 10 Nr. 2 AGBG Rechnung getragen werden könnte, verläuft die Bewertung im kaufmännischen Bereich nach der Generalklausel im Prinzip synchron zur Inhaltskontrolle nach dem speziellen Klauselverbot 66 • Der Gesetzgeber wollte jedoch auch § 10 AGBG nicht auf den kaufmännischen Geschäftsverkehr anwenden, weil seiner Ansicht nach die komplexen Fragen bei der Inhaltskontrolle kaufmännischer Vertragswerke nicht durch eine isolierte Behandlung einzelner Klauseln geklärt werden könnten 67 • Denn rein theoretisch wäre es möglich, daß die Ergebnisse der Klauselprüfung nach § 10 Nr. 2 AGBG und nach § 9 AGBG einmal voneinander abweichen. Orientiert sich nämlich die Dauer der in den AGB des Schuldners vorgesehenen Frist nicht am Leitbild des§ 326 BGB, liegt ein Verstoß gegen§ 10 Nr. 2 AGBG zwingend vor, während nach§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG die Nichtvereinbarkeil mit wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts nur im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung zur Folge hat. Die Unwirksamkeit wird in diesem Fall also nur indiziert 68 • Daher wäre es denkbar, daß der Vorbehalt einer Nachfrist, deren Dauer nicht an § 326 BGB orientiert ist, den Vertragspartner trotzdem nicht unangemessen benachteiligt, da zum Beispiel eine ansonsten für den Gläubiger günstig ausgestaltete Verzugsregelung die Rechtsbeeinträchtigung wieder kompensiert. Dieser Unterschied ist jedoch nur theoretischerNaturund wird sich im Ergebnis kaum jemals auswirken. Denn die besonderen Umstände des jeweiligen Vertrages, die zur Widerlegung der indiziellen Wirkung des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG führen, beeinflussen auch schon die Länge der ohne die AGB-Bestimmung durch den Gläubiger zu setzenden Nachfrist nach § 326 BGB, die den Maßstab gern. § 10 Nr. 2 AGBG bildet. Hat der in einem gegenseitigen Vertrag in Verzug geratene Schuldner beispielsweise in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen seinerseits die dem Vertragspartner für dessen Verbindlichkeit zu setzende Nachfrist großzügig geregelt, so ist dieser Gesichtspunkt nicht nur bei der Frage, ob der Vorbehalt hinsichtlich der eigenen Leistung die andere Seite gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unangemessen benachteiligt, zu berücksichtigen. Der Umstand spielt auch schon bei der Prüfung eine Rolle, wie lange die vom Gläubiger zu setzende angemessene Mindestfrist anzusetzen wäre, an deren Dauer sich gemäß § 10 Nr. 2 AGBG eine pauschal vorbehaltene Frist zu orientieren hat. Der Fall, daß sich eine die angemessene Nachfrist des§ 326 BGB wesentlich überschreitende formularmäßige Fristbestimmung dennoch mit § 9 AGBG vereinbaren läßt, ist damit praktisch nicht denkbar. 66 So die allgemeine Meinung: Vlmer I Brandner, § 10 Nr. 2, Rdn. 10; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 2, Rdn. 20 f.; Wolf,§ 10 Nr. 2, Rdn. 16; Staudinger I Schlosser; § 10 Nr. 2, Rdn. 10; Koch I Stübing, § 10 Nr. 2, Rdn. 10; Stein, § 10, Rdn. 19; Palandt I Heinrichs, § 10 AGBG, Anm. 2 d. 67 Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 43. 68 Aufgrund einer Durchsicht der Rechtsprechung gelangt Becker allerdings zu dem Ergebnis, daß der "im Zweifel-Satz" in der Praxis kaum noch eine entscheidungserhebliche Rolle spielt, Becker, S. 35.

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E. Die Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

Auch beim beiderseitigen Handelskauf hat sich der Gläubiger bei der von ihm zu setzenden Nachfrist am Maßstab des§ 326 BOB zu orientieren, wobei lediglich bei der Frage der angemessenen Dauer die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten zu berücksichtigen sind. Da hier oft ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis des Vertragspartners an pünktlicher und schneller Lieferung besteht, ist die Nachfrist regelmäßig deutlich kürzer anzusetzen als bei Geschäften mit Verbrauchern69. Diese so ermittelte Mindestfrist dient dann als Leitbild für eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Schuldner pauschal festgelegte Nachfrist. Es bleibt sich daher im Ergebnis gleich, ob die Prüfung nach § lO Nr. 2 oder nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG erfolgt. Die zweite Funktion von§ 10 Nr. 2 AGBG, dem Klauselverwender entgegen § 11 Nr. 8 a AGBG die Möglichkeit zu verschaffen, das Rücktrittsrecht geringfügig durch den Nachfristvorbehalt zu beeinträchtigen, fallt im kaufmännischen Geschäftsverkehr allerdings weg. Da § 11 Nr. 8 a AGBG hier nur indizielle Wirkung hat, wäre eine nur geringfügige Beschränkung des Vertraglösungsrecht durch den Vorbehalt einer noch angemessenen Nachfrist nach§ 9 AGBG ohnehin wirksam, da der Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligt würde. Aus dem letztgenannten Gesichtspunkt folgt auch eine andere Bewertung zusätzlicher Leistungsfristen in AGB. Während sie bei der Verwendung gegenüber Endverbrauchern ausnahmslos dem strikten Maßstab des § 11 Nr. 8 AGBG zum Opfer fallen 70 , ist im kaufmännischen Geschäftsverkehr durchaus eine flexible Inhaltskontrolle möglich. Ob eine solche Regelung noch mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 326 BOB zu vereinbaren ist, hängt dabei von der Länge der vorbehaltenen Frist ab. Hat der Schuldner neben der zusätzlichen Leistungsfrist auch die Länge der gemäß § 326 BOB zu setzenden Nachfrist festgelegt, so kann eine kurze Nachfrist die Wirkung haben, daß die Gesamtregelung noch mit dem Leitbild des § 326 Abs. 1 BOB zu vereinbaren ist. Auch der in einer solchen Vertragsklausel enthaltene teilweise Ausschluß des Anspruchs auf Ersatz des Verzögerungsschadens muß nicht die Unwirksamkeit der Bestimmung zur Folge haben. Denn selbst dem strikten Verbot des § 11 Nr. 8 b i. V. m. § 11 Nr. 7 AGBG kommt nur indizielle Bedeutung zu. Ein nur zeitlich begrenzter Ausschluß der Einstandspflicht für die Überschreitung des LiefeTtermines braucht - je nachdem, wie wichtig pünktliche Lieferung im Einzelfall ist - unter Umständen die Interessen des Vertragspartners nicht unangemessen zu beeinträchtigen.

69 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 2, Rdn. 22; Koch I Stübing, § 10 Nr. 2, Rdn. 10; Staudinger I Schlosser, § 10 Nr. 2, Rdn. 10. 10 Siehe oben D III 2 a.

F. Die Einschränkbarkeit der Folgen nicht zu vertretender Leistungsverzögerungen I. Die Folgen nicht zu vertretender Leistungsverzögerungen nach dispositivem Recht 1. Regelungen aus dem besonderen Schuldrecht Gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 326 BGB enthalten die §§ 542 und 636 BGB ein erweitertes Vertragslösungsrecht für den Fall der nicht rechtzeitigen Erbringung der Leistung. Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der gemieteten Sache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen, so kann er gemäß § 542 Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Mietverhältnis kündigen. Damit berechtigen den Mieter nicht nur Sach- und Rechtsmängel zur Kündigung, sondern schon der Umstand, daß der Vermieter den Gebrauch nicht rechtzeitig gewähren kann oder will, wobei es auf ein Verschulden nicht ankommt 1• Der Mieter muß vorher lediglich gemäß § 542 Abs. 1 S. 2 BGB eine Nachfrist zur Abhilfe setzen. § 636 BGB gibt dem Besteller ein Rücktrittsrecht, wenn die Herstellung des Werkes nicht rechtzeitig erfolgt und die zusätzlichen Voraussetzungen für die Wandlung nach § 634 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB vorliegen. Gemäß § 634 Abs. 1 BGB muß daher der Besteller dem Unternehmer auch eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzen, nach deren Verstreichen er den Rechtsbehelf ausüben darf. Gemäß § 636 Abs. 1 S. 2 bleibt die allgemeine Verzugshaftung neben der verschuldeosunabhängigen Sonderregelung anwendbar.

2. Das Rücktrittsrecht bei relativen Fixgeschäften gemäß § 361 BGB und § 376 Abs. 1 HGB Bei Fixgeschäften ist gemäߧ 361 BGB Rücktritt auch ohne Verschulden und die sonstigen Verzugsvoraussetzungen möglich, wenn der Schuldner die rechtzeitige Leistung versäumt 2 • Insbesondere muß der Gläubiger keine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung setzen. Ein relatives Fixgeschäft ist gegeben, wenn die Leistung an einem bestimmten Datum erbracht werden soll, wobei die genaue I 2

MünchKomm I Voelskow, § 542, Rdn. 5. Fikentscher, § 45 IV 1.

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F. Nicht zu vertretende Leistungsverzögerungen

Einhaltung des Termins von entscheidender Bedeutung ist3. Hiervon unterschieden werden muß das absolute Fixgeschäft, bei dem die Leistung überhaupt nur zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich ist 4 • So ist beispielsweise bei einer termingebundenen Pauschalreise der Leistungszeitpunkt regelmäßig so in den Pflichteninhalt integriert, daß eine Verzögerung der Leistung über den sehr kurz bemessenen Erfüllungszeitraum hinaus Unmöglichkeit herbeiführen würde 5 • Soll andererseits die Leistung lediglich an einem bestimmten Datum erbracht werden, so wird damit nur die Fälligkeit bestimmt, so daß allein dadurch noch nicht die Anwendbarkeit von§ 361 BGB begründet wird 6• Welche dieser drei Möglichkeiten jeweils vorliegt, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Eine Sonderregelung für ein- und zweiseitige Handelsgeschäfte enthält § 376 Abs. 1 HGB. Im Gegensatz zu§ 361 BGB berechtigt die Vorschrift den Gläubiger nicht nur im Zweifel sondern schlechthin zum Rücktritt. Außerdem bleibt ihm der Erfüllungsanspruch bei Fixhandelsgeschäften gemäߧ 376 Abs. 1 S. 2 HGB im Falle der Verzögerung nur erhalten, wenn der Gläubiger sofort anzeigt, daß er auf Erfüllung besteht?. Befindet sich der Schuldner in Verzug, so kann der Gläubiger statt dessen auch ohne die Setzung einer Nachfrist Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, § 376 Abs. 1 S. 1 2. Halbs. HGB.

3. Die übrigen Fälle objektiver Leistungsverzögerung Welche Folgen die vom Schuldner nicht zu vertretende Leistungsverzögerung außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Sonderregelungen hat, ist im BGB nicht ausdrücklich geregelt. Beruht die Nichtleistung ausnahmsweise auf einem unverschuldeten Irrtum des Schuldners über das Bestehen seiner Leistungspflicht, dann bleibt diese nach allgemeiner Auffassung bestehen und der Gläubiger kann die Leistung sofort verlangen 8 • Liegt der Grund der Verzögerung dagegen in einem vorübergehenden unverschuldeten Leistungshindemis, kann der Schuldner nach überwiegender Meinung die Erfüllung bis zu dessen Erhebung verweigem 9 • Einige Autoren Palandt I Heinrichs, § 361, Anm. 1 a. Fikentscher, § 45 IV 2 a. s So beispielsweise BGHZ 60, 14, 16; 77, 320, 323. 6 Fikentscher, § 45 IV 2 b. 7 Baumbach I Duden I Hopt, § 376, Anm. 1 A; HGB-Großkommentar I Würdinger I Röhricht, § 376, Anm. 1. 8 Jakobs, S. 82 ff.; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 189. 9 Nastelski, JuS 1962, 289, 293; Emmerich, Leistungsstörungen, S. 135, 189; Fikentscher, § 45 IV 3; Huber, JZ 1974, 433, 434; a. A. Larenz, SR I, § 23 III, der dem Gläubiger die Möglichkeit geben will, einen Leistungstitel zu erstreiten, um nach § 283 BGB vorgehen zu können; nach Coester-Waltjen, AcP 183, 279, 283 soll die Leistungspflicht zwar auch nicht entfallen. Da die für den Schuldner günstigere - weil verschul3 4

II. Erscheinungsformen in der Wirtschaftspraxis

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vertreten die Auffassung, der Gläubiger habe aufgrund des Rechtsgedankens der §§ 361, 636 BGB die Möglichkeit, zur Beendigung dieses Schwebezustandes nach der Setzung einer Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten 10• Die Rechtsprechung löst das Problem durch die Anwendung der Unmöglichkeitsregelungen, indem sie die vorübergehende Unmöglichkeit einem endgültigen Leistungshindernis gleichstellt, wenn dadurch der Vertragszweck in Frage gestellt wird und dem anderen Teil ein weiteres Zuwarten nach Treu und Glauben nicht mehr zurnutbar ist. In allen übrigen Fällen soll der Vertrag dagegen aufrechterhalten bleiben 11 • Eine dritte Auffassung tritt für die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ein. Werde die bei Vertragsschluß bestehende Wertrelation zwischen Leistung und Gegenleistung durch die Verzögerung erheblich verändert, so sei die Gegenleistung des Gläubigers zu mindern; gegebenenfalls müsse ihm auch das Recht zugestanden werden, sich vom Vertrag zu lösen 12• Da das BGB im Gegensatz beispielsweise zum einheitlichen Kaufgesetz kein allgemeines verschuldensunabhängiges Rücktrittsrecht des Gläubigers im Falle der Nichtleistung kennt 13 , dürfte die erste Meinung zu weitgehend sein. Andererseits muß der Gläubiger aber auch dann einen für ihn unzumutbaren Schwebezustand beenden können, wenn keine endgültige Unmöglichkeit vorliegt. Um zu vermeiden, daß der Begriff der Unmöglichkeit zu weit ausgedehnt und seine Konturen durch Zumutbarkeitserwägungen verwischt werden, erscheint es dogmatisch am klarsten, diese Fälle gemäß § 242 BGB durch die Anwendung der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage zu lösen 14•

II. Erscheinungsformen der Freizeichnung in der Wirtschaftspraxis Vertragsbestimmungen, die das Kündigungsrecht des Mieters gemäß § 542 BGB, soweit die Vorschrift die nicht rechtzeitige Gebrauchsüberlassung zum Inhalt hat, ausschließen, haben in der Praxis keine große Bedeutung. Da für die densabhängige- Haftungsordnung des Verzuges aber nicht umgangen werden dürfe, sei der Weg über § 283 BGB versperrt. lO Coester-Waltjen, AcP 183,279, 283; Huber, JZ 1974,433, 435; ähnlich Emmerich, Leistungsstörungen, S. 135 und 189, der dieses Recht aber wohl nur zubilligen will, wenn für den Gläubiger ein weiteres Abwarten unzumutbar geworden ist. 11 RGZ 105, 388 BGH, MDR 1954, 733; 1959, 462; ähnlich, aber nicht explizit auf Unmöglichkeit abstellend BGHZ 83, 197, 200 für den Fall der Verhinderung der Leistung durch den Ausbruch der politischen Wirren im Iran. 12 Nastelski, JuS 1962, 289, 293; Fikentscher, § 45 IV 3. 13 Gemäß Art. 26, 27 EKG kann der Käufer dem Verkäufer eine Nachfrist setzen. Verstreicht sie erfolglos, so kann er die Abstandnahme vom Vertrag erklären, auch wenn sich der Verkäufer gemäß Art. 74 EKG entlasten kann. Huber, JZ 1974, 433, 435. 14 Nastelski, JuS 1962, 289, 293.

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F. Nicht zu vertretende Leistungsverzögerungen

Wohnraummiete die Regelung gemäߧ 543 S. 2 BGB zwingendes Recht enthält, ist eine Einschränkung des Kündigungsrechtes in diesem Bereich ohnehin von vomeherein nicht möglich. Dagegen kommt die Bestimmung des § 636 BGB in einem ihrer wichtigsten Anwendungsgebiete, nämlich dem Bauvertragsrecht, regelmäßig nicht zur Geltung. Denn gemäß § 5 Nr. 4 i. V. m. § 8 Nr. 3 VOB/ Teil B kann der Auftraggeber nach fruchtloser N achfristsetzung zur Vertragserfüllung und Androhung der Auftragsentziehung den Vertrag nur kündigen und den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen lassen, wenn der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung verzögert oder mit der Vollendung in Verzug gerät 15 • Diese Klausel weicht von der gesetzlichen Regelung des § 636 BGB insofern ab, als nach Beginn der Ausführung das Rücktrittsrecht vom Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen, also auch vom Vertretenmüssen des Unternehmers, abhängig gemacht wird 16 • Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Fixschuldcharakter einer Verbindlichkeit ausschließen, kommen in der Vertragspraxis relativ häufig vor. Für die Beantwortung der Frage, ob der Leistungszeit nach dem Vertragsinhalt eine solche Bedeutung zukommt, daß ein Fixgeschäft gegeben ist, kommt es maßgeblich auf die Ermittlung des beiderseitigen Parteiwillens an 17• Vor allem im rein kaufmännischen Geschäftsverkehr spielen formularmäßige Vertragsklauseln bei diesem Auslegungsvorgang eine gewichtige Rolle. Folgende Formulierungen können Indizien für eine Fixschuld sein: "Lieferung fix", "Lieferung genau am .. .","Lieferung präzise am ..." 18 • Es liegt daher nahe, daß der Schuldner, der genau das gegensätzliche Ziel verfolgt, die Rechtsfolgen von § 361 BGB bzw. § 376 HGB zu vermeiden, sich ebenfalls formularmäßiger Klauseln bedient. Bestimmungen wie ,,Lieferzeit unverbindlich", "Lieferzeit annähernd" oder "Lieferzeit freibleibend", sind nicht nur relevant im Hinblick auf die Verzugshaftung, sondern dienen auch dem Zweck, zunächst einmal den Fixschuldcharakter auszuschließen 19 • In anderen Vertragsklauseln wird der Bezug zu §§ 361 BGB und 376 HGB noch deutlicher. So finden sich beispielsweise auch folgende Formulierungen: "Fixtermine gelten als nicht vereinbart" 20 oder "nach Möglichkeit werden die vereinbarten Lieferfristen eingehalten, ohne daß sie den Charakter eines Fixgeschäftes nach § 361 BGB erhalten." 21 Allgemeine Geschäftsbedingungen, die ausdrücklich vorsehen, daß der Gläubiger bei unverschuldeter Nichteinhaltung eines Liefertermines durch den Schuldner unbegrenzt auf die Leistung warten muß, kommen in der Praxis nicht vor. 15 16

11 18 19

20 21

Soerge/ I Müht, § 636, Rdn. 22; Palandt I Thomas, § 636, Anm. 3. Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Fn 7. Pa/andt I Heinrichs, § 361, Anrn. 2 a. Palandt I Heinrichs, § 361, Anm. 2 a; Baumbach I Duden I Hopt, § 376, Anm. 1 c. Eberstein, S. 45. Klausel aus dem Möbelhandel, Bunte, Handbuch, S. 98. Klausel eines Herstellers elektrischer Haushaltsgeräte, Bunte, Handbuch, S. 98.

III. Inhaltskontrolle abweichender Klauseln

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Die Problematik der zu langen Bindung des Vertragspartners im Falle nicht zu vertretender Verzögerungen spielt jedoch im Zusammenhang mit Klauseln eine Rolle, die für den Fall des Eintritts bestimmter unverschuldeter Leistungshindernisse Fristverlängerungen vorsehen 22 • Je nach Art des Geschäftes ist es möglich, daß schon nach einer relativ kurzen Zeitspanne für den Gläubiger das weitere Festhalten an den gegenseitigen Leistungspflichten unzumutbar wird, so daß durch mangelnde Selbstbelieferung oder Arbeitskämpfe ausgelöste unverschuldete Verzögerungen die Geschäftsgrundlage des Vertrages beeinträchtigt werden kann.

111. Inhaltskontrolle abweichender Klauseln 1. Die Abdingbarkeil der Regelungen der §§ 542, 636 BGB durch Allgemeine Geschäftsbedingungen a) Das Kündigungsrecht gemäß § 542 BGB

Da die Regelung für die Wohnraummiete zwingendes Recht enthält, stellt sich die Frage der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nur für sonstige Mietverträge. Durch einen Ausschluß des § 542 BGB würde das Kündigungsrecht des Mieters im Falle der nicht rechtzeitigen Gebrauchsüberlassung vom Verschulden des Vermieters abhängig gemacht. Bei der Inhaltskontrolle derartiger Klauseln gemäß § 9 AGBG stellt sich daher die Frage, ob die Verschuldensunabhängigkeit des Kündigungsrechtes zum wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 542 BGB gehört. Mit der Einräumung der Befugnis zur fristlosen Kündigung bezweckte der Gesetzgeber, die Rechte des Mieters über die ihm nach den allgemeinen Vorschriften zustehenden Möglichkeiten hinaus zu erweitern, weil er davon ausging, das Rücktrittsrecht gemäß §§ 325, 326 BGB genüge den Bedürfnissen des Mieters nicht 23 • Gleichzeitig enthält§ 542 BGB aber auch eine Einschränkung der Wirkungen einer Vertragslösung, da das Mietverhältnis nur für die Zukunft gekündigt werden kann. § 542 BGB ist eine spezialgesetzliche Ausprägung des inzwischen für alle Dauerschuldverhältnisse anerkannten außerordentlichen Kündigungsrechtes, das jedem Vertragspartner zusteht, wenn ihm die Fortsetzung des Vertrages bis zur vereinbarten Beendigung nicht mehr zurnutbar ist 24 • Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch nicht rechtzeitig gewährt und hat der Vermieter auch die Nachfrist verstreichen lassen, ohne Abhilfe zu schaffen, so kommt dieser Leistungsstörung ein solches Gewicht zu, daß die Grundlage für eine 22 23 24

Vgl. oben B III. Motive II, S. 419 = Mugdan Il, S. 233. Soergell Wiedemann, vor § 323, Rdn. 68.

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F. Nicht zu vertretende Leistungsverzögerungen

weitere Vertragsdurchführung erschüttert ist. Das Recht der Dauerschuldverhältnisse ist nicht kausal sondern final orientiert, d. h. nicht die Herkunft sondern die Wirkung der jeweiligen Vertragsstörung ist entscheidend 25 . Daher tritt die Frage des Vertretenmüssens als Kriterium für ein Vertragslösungsrecht in ihrer Bedeutung zurück 26. Diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze haben Leitbildfunktion im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG für Allgemeine Geschäftsbedingungen. Für das außerordentliche Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen ist anerkannt, daß es jedenfalls formularmäßig nicht ausgeschlossen werden kann. Derjenige, dem das Kündigungsrecht zusteht, würde andernfalls an einem für ihn unzumutbaren Vertrag festgehalten. Was unzumutbar ist, ist notwendigerweise auch unangemessen im Sinne von § 9 AGBG. Die gleiche Bewertung muß dann aber auch für das Recht aus § 542 BGB als spezialgesetzlicher Ausprägung dieses Grundsatzes gelten. b) Das Rücktrittsrecht gemäß § 636 BGB

Ähnlich wie bei der Miete ist auch beim Werkvertrag parallel zur Sachmängelhaftung für den Fall der nicht rechtzeitigen Herstellung des Werkes ein verschuldensunabhängiges Rücktrittsrecht vorgesehen. Diese Gleichstellung beruht auf der Erwägung des Gesetzgebers, daß die Fälle, in denen der Unternehmer nicht rechtzeitig erfüllt, wegen Gleichheit des Grundes nicht anders behandelt werden können als die Fälle, in denen er mangelhaft erfüllt 27 . Da ein Werkvertrag im Zweifel auch kein Fixgeschäft sei, bestehe ein praktisches Bedürfnis für die Erweiterung der Rechte des Bestellers gegenüber der allgemeinen Verzugsregelung28. Die verschuldensunabhängige Rücktrittsmöglichkeit des § 636 ist damit ein Teilaspekt der allgemeinen Einstandspflicht des Werkunternehmers für die Herbeiführung des geschuldeten Erfolges. Es stellt sicher ein wesentliches Grundprinzip des Werkvertragsrechts dar, daß der Unternehmer die mangelfreie Erreichung des Werkerfolges schuldet. Zu dieser Risikoverteilung gehört auch- in gewissen Grenzen - seine Haftung, wenn dieses Ziel ohne Schuld verfehlt wird 29. Eine AGB-Regelung, die dem Schuldner entgegen § 636 BGB für die nicht rechtzeitige Herstellung eine Exkulpationsmöglichkeit einräumt, wäre jedoch noch mit diesem wesentlichen Grundgedanken zu vereinbaren. Denn nicht jede Abweichung vom dispositiven Recht hat die Vermutung der Unwirksamkeit gemäߧ 9 Abs. 2 Nr. 1 zur Folge 30• Die gesetzliche Leitbildregelung ist lediglich

2s

Soergel I Wiedemann, vor § 323, Rdn. 53.

30

Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 23.

26 Soergel I Wiedemann, vor § 323, Rdn. 53. 27 Motive Il, S. 438 = Mugdan II, S. 269. 28 Motive II, S. 483 = Mugdan II, S. 269. 29 RGRK/Glanzmann, vor§ 631 , Rdn. 1.

III. Inhaltskontrolle abweichender Klauseln

127

in ihrem Kernbereich unantastbar 31 • Zur charakteristischen Risikoverteilung im Werkvertragsrecht gehört die Gewährleistung für Schlechterfüllung, deren grundsätzliche Verschuldensurrabhängigkeit gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch § 11 Nr. 10 AGBG gesichert wird. Die in den Motiven geforderte Gleichstellung von mangelhafter und nicht rechtzeitiger Leistung ist jedoch durchaus nicht zwingend. Bietet der Unternehmer eine mangelhafte Werkleistung an, so bestehen unabhängig davon, ob er diesen Umstand zu vertreten hat, für den Besteller Zweifel an dessen grundsätzlicher Fähigkeit, den Werkerfolg herbeizuführen. Dem entspricht es, daß der Besteller ihm gemäß § 634 Abs. 1 BGB noch einmal eine Frist zu setzen hat, um ihm die Chance zu geben, den Fehler zu beseitigen. Dieser Gesichtspunkt trifft für den schuldlos vorübergehend an der Erbringung der Leistung gehinderten Unternehmer nicht zu. Kann er sich für die Verzögerung exkulpieren und handelt es sich um ein vorübergehendes und nicht um ein endgültiges Leistungshindernis, dann bestehen für den Vertragspartner keine Zweifel an der Fähigkeit und dem Willen des Unternehmers zur Herstellung des Werkes. Spielt dagegen für das konkrete Schuldverhältnis die pünktliche Fertigstellung des Werkes eine derart wichtige Rolle, daß die Einhaltung der Leistungszeit ein wesentlicher Inhalt der Leistungspflicht ist, liegt ein Fixgeschäft vor. Der Besteller muß dann gemäß § 361 BGB oder § 376 HGB nicht einmal mehr eine Nachfrist setzen, so daß er auch ohne§ 636 BGB ausreichend geschützt ist. Eine verschuldensahhängige Gestaltung des Rücktrittsrechtes bei verzögerter Werkherstellung ist daher mit dem wesentlichen Grundgedanken der werkvertragliehen Erfolgshaftung vereinbar 32 • Die Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die eine derartige Regelung vorsehen, wird damit nicht gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG indiziert.

2. Die Ausschließbarkeil des sofortigen Rücktrittsrechtes bei relativen Fixgeschäften a) Vorrang der Individualabrede

Nach der Systematik des AGB-Gesetzes scheitern zwar Haftungsfreizeichnungen regelmäßig nicht schon deshalb gemäߧ 4 AGBG am Vorrang der Individualabrede, weil sie in gewisser Weise eine Einschränkung der individualvertraglich vereinbarten Primärleistungspflicht bewirken 33 • Da jedoch die in der Praxis gebräuchlichen Klauseln nicht explizit das Rücktrittsrecht ausschließen, sondern bereits den Fixschuldcharakter der Verbindlichkeit leugnen, hat hier das VorrangSchlosser I Graba, § 9, Rdn. 49; Dietlein I Rebmann, § 9, Rdn. 17. So im Ergebnis auch OLG Karlsruhe, WRP 1981, 477, allerdings nur auf die Vereinbarkeit mit § 11 Nr. 8 AGBG abstellend; so wohl auch Korbion I lngenstau, § 5 VOB/B, Rdn. 21. 33 Siehe oben C II. 31

32

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F. Nicht zu vertretende Leistungsverzögerungen

prinzip des § 4 AGBG eine gewisse Bedeutung. Ist unter Berücksichtigung aller Einzelumstände davon auszugehen, daß die Parteien der vereinbarten Lieferzeit die Bedeutung zumessen wollten, der Vertrag solle mit ihrer Einhaltung oder Nichteinhaltung stehen oder fallen, dann verdrängt diese einzelvertragliche Vereinbarung die AGB-Klausel, nach der Fixgeschäfte nicht getätigt werden 34 • Denn auch konkludente Individualabreden genießen gemäß § 4 AGBG Vorrang vor formularmäßigen Vertragsbestimmungen 35 • Die Anwendung der Vorschrift führt daher dazu, daß im lndividualprozeß die Abbedingung meist wirkungslos bleibt. Eine Klausel, die ausdrücklich auch bei relativen Fixgeschäften eine Nachfrist vorschreibt, würde dagegen nicht am Vorrangprinzip scheitern. § 361 BGB enthält lediglich eine Auslegungsregel, die besagt, daß bei Fixgeschäften im Zweifel ein sofortiges Rücktrittsrecht des Gläubigers besteht. Abweichende Vereinbarungen sind danach aber möglich, auch wenn nach der Vertragsauslegung ein relatives Fixgeschäft gegeben ist. Gleiches gilt auch für den Anwendungsbereich von § 376 Abs. 1 HGB. Die Vorschrift enthält eine dispositive Regelung für Fixhandelskäufe, die durch anderslautende vertragliche Regelungen jederzeit abdingbar ist. Ob Einschränkungen auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen erfolgen dürfen, ist dann eine Frage der Inhaltskontrolle. b) Inhaltskontrolle

Da § 11 Nr. 8 AGBG nur die Verzugshaftung sichert, ist die Vorschrift auch auf das bei objektiver Leistungsverzögerung entstehende sofortige Rücktrittsrecht gemäߧ 361 BGB und§ 376 Abs. 1 HGB nicht anwendbar 36• Für eine Einbeziehung dieser Regelung in den Anwendungsbereich besteht auch kein Bedürfnis, denn Fixgeschäfte spielen in der Praxis fast ausschließlich im kaufmännischen Geschäftsverkehr eine Rolle 37• Die Inhaltskontrolle würde sich daher olmehin nur nach § 9 AGBG richten. aa) Die Leitbildfunktion von Auslegungsregeln

Die Rechtsfolge des§ 361 BGB tritt nur im Zweifel ein. Es handelt sich daher nicht um eine die Parteiabreden ergänzende, ex lege geltende Vorschrift des dispositiven Rechts, sondern um eine sogenannte materiale Auslegungsregel 38 , Schmidt-Salzer, Produkthaftung II, S. 295. Wolf/ Lindacher, § 4, Rdn. 5. 36 Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 8. 37 Vgl. die bei Soergel I Wiedemann, § 361, Rdn. 2 und Staudinger I Kaduk, § 361, Rdn. 1 ff. aufgeführten Beispiele aus der Rechtsprechung, die fast ausschließlich zu § 376 HGB ergangen sind und beiderseitige Handelsgeschäfte betreffen. 38 Staudinger I Kaduk, § 361, Rdn. 29; MünchKomm I Jw!ßen , § 361, Rdn. 4; Soergell Wiedemann, § 361, Rdn. 1. 34

35

III. Inhaltskontrolle abweichender Klauseln

129

also eine Bestimmung, die angibt, welcher Sinn einer Erklärung oder Vereinbarung "im Zweifel" beizumessen ist 39• Wo das Gesetz eine solche Regelung getroffen hat, ist die Rechtsfolge nicht auf die gesetzliche Anordnung, sondern immer noch auf die der Regel entsprechend ausgelegte Willenserklärung zurückzuführen40. Auslegungsregeln haben allerdings nur Ersatzfunktion, d. h. sie greifen nicht ein, wenn der betreffende Umstand in dem konkreten Vertrag eine eindeutige Regelung erfahren hat 41• In einer zu Honorarbedingungen für freie Mitarbeiter einer Rundfunkanstalt ergangenen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof aus diesem Grund eine Leitbildfunktion von Auslegungsregeln nach§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG abgelehnt 42 • Soweit die Vertragspartner- auch durch AGB- eine eindeutige Vereinbarung über den Punkt getroffen hätten, komme die gesetzliche Regelung nicht zur Anwendung. Es liege in der Natur derartiger Auslegungsregeln, daß sie den Parteien Spielraum für eine andere Vertragsgestaltung ließen. Daher könnten sie durch AGB weder geändert noch ergänzt werden und kämen als Maßstab für deren Inhaltskontrolle nach§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG nicht in Betracht 43 • Schließlich würden durch Auslegungsregeln auch keine eigenen Leistungsrechte begründet, so daß ihr schon deshalb keine Leitbildfunktion beizumessen seien 44 • Die Ersatzfunktion ist indessen kein Charakteristikum materialer Auslegungsregeln, sondern genauso eine Eigenschaft dispositiver Normen 45 • Auch sie kommen nur zur Anwendung, wenn die Parteien keine abweichenden Abreden getroffen haben. Gerade ihre weitgehende Verdrängung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen hat es nötig gemacht, durch die Schaffung von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG ihre Leitbild- und Ordnungsfunktion bei der Inhaltskontrolle zu betonen 46 • Die dogmatischen Unterschiede zwischen Auslegungsregeln und dispositiven Normen wirken sich im praktischen Ergebnis kaum aus 47• Das Gesetz hätte den gleichen Erfolg, den es durch eine Auslegungsregel erzielt, oft auch durch eine dispositive Norm erreichen können und umgekehrt 48 • Die Regelungen über Fixgeschäfte im BGB einerseits und im HGB andererseits bieten dafür ein eingängiges Beispiel: Während § 361 BGB dem Gläubiger in diesem Fall nur "im Zweifel" 39 40

41 42

43 44 45

46 47 48

Becker, S. 99. Larenz, AT, § 19 II e. Larenz, AT,§ 19 II e; Becker, S. 100. BGH, GRUR 1984, 45; dazu Hertin, Film und Recht 1983, 151. BGH, GRUR 1984, 45, 48. BGH, GRUR 1984, 45, 49. Becker, S. 101. Becker, S. 101. Larenz, AT, § 19 II e; Palandt I Heinrichs, § 133, Anm. V e. Larenz, AT, § 19 II e; Hertin, Film und Recht 1983, 151, 154. Teilweise werden

daher auch Auslegungsregeln zu den Bestimmungen des dispositiven Rechts gezählt; so z. B. MünchKomm I Mayer-Maly, § 133, Rdn. 51. Unterschiede bestehen jedoch bei der Anfechtbarkeit; vgl. dazu Larenz, AT, § 19 II e. 9 Keim

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F. Nicht zu vertretende Leistungsverzögerungen

ein Rücktrittsrecht gewährt, ordnet § 376 Abs. 1 HGB für den Fixhandelskauf die gleiche Rechtsfolge ex lege an. Ob eine Norm so oder so strukturiert ist, dürfte häufig des Produkt eines legislatorischen Zufalls gewesen sein 49 • Zwar wird der Gesetzgeber eher eine dispositive Norm wählen, wenn die von den Parteien getroffene Abrede um eine selbständige Regelung ergänzt werden soll, die den Erklärungen der Beteiligten unmittelbar nicht entnommen werden kann, während Auslegungsregeln lediglich die von den Parteien gewollte Rechtsfolge näher präzisieren 5°. Daß auch hier die Übergänge fließend sind und auch Auslegungsregeln dem Vertragspartner selbständige Rechte verschaffen können, zeigt wiederum § 361 BGB, der für den Gläubiger mit der Befugnis zum Rücktritt ein eigenständiges Recht vorsieht. Daher ist Becker zu folgen, der davon ausgeht, daß sich wesentliche Grundgedanken im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG auch aus gesetzlichen Auslegungsregeln ergeben können 51 •

bb) Das verschuldensunabhängige sofortige Rücktrittsrecht als wesentlicher Grundgedanke Im Falle eines formularmäßigen Ausschlusses des dem Gläubiger gemäߧ 361 BGB bzw. § 376 Abs. 1 HGB zustehenden sofortigen Rücktrittsrechtes verbleiben ihm immer noch die Rechte wegen Leistungsverzuges. Das bedeutet, daß er sich grundsätzlich nur bei zu vertretenden Leistungsverzögerungen vom Vertrag lösen kann, wobei der Schuldner jedoch die Beweislast trägt und sich exkulpieren muß. Da die Leistungszeit bei Fixgeschäften meist kalendermäßig bestimmt sein wird, wäre eine Mahnung nach § 284 Abs. 2 BGB nicht erforderlich 52• Sofern durch den Verzug Interesseverlust eintritt, könnte sich der Gläubiger gemäß § 326 Abs. 2 BGB sogar sofort vom Vertrag lösen, so daß -bei kalendermäßiger Fälligkeit - die gleichen Rechtsfolgen eintreten würden wie gemäß § 361 BGB bzw. § 376 Abs. 1 HGB. Trotzdem würde ein Ausschluß dieser Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, widersprechen. Denn die Risikoverteilung bei Geschäften mit Fixschuldcharakter würde ohne die speziellen Rechtsfolgen der §§ 361 BGB und 376 Abs. l HGB nachhaltig zu Lasten des Gläubigers verändert. Im Gegensatz zum französischen Recht, wo der Gläubiger gemäß Art. 1184 CC bei Nichterfüllung im gegenseitigen Vertrag ohne weiteres zurücktreten kann 53, hat Staudinger I Schlosser, § 8, Rdn. 2; Becker, S. 101. Larenz, AT,§ 19 II e. 51 Becker, S. 99 ff. 52 Selbst wenn kein Fall des § 284 Abs. 2 BGB vorliegt, kann nach Treu und Glauben bei besonderer Dringlichkeit eine Mahnung entbehrlich sein, Palandt I Heinrichs, § 284, Anm. 4 c cc. 53 Ferid, Bd. 1, 2 C 9. 49

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III. Inhaltskontrolle abweichender Klauseln

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der deutsche Gesetzgeber ein solches Recht nach § 360 BGB nur vorgesehen, wenn eine entsprechende Vereinbarung vorliegt 54 • Daher hat er ein Bedürfnis gesehen, von diesem Prinzip zum Schutz des Gläubigers nach § 361 BGB eine Ausnahme zu machen, wenn der pünktlichen Leistung nach dem Vertragsinhalt eine besondere Bedeutung zukommt 55 • Ein relatives Fixgeschäft zeichnet sich dadurch aus, daß die Leistungszeit zwar von ausschlaggebender Bedeutung ist, die verspätete Leistung aber nicht wie beim absoluten Fixgeschäft als gänzliche, sondern nur als teilweise Nichterfüllung angesehen wird 56• Dieser Interessenlage entspricht es, die Entscheidung, ob der Vertrag noch durchgeführt werden soll, in die Hand des Gläubigers zu legen, der selbst beurteilen soll, wieviel Wert diese "Schlechtleistung" für ihn noch hat 57 • Es handelt sich also vielfach um Fälle, in denen zwar eine Minderung aber gerade kein völliger Verlust des Leistungsinteresses eintritt, so daß die Regelung des § 326 Abs. 2 BGB kein adäquater Ersatz für das abbedungene Rücktrittsrecht aus § 361 BGB darstellt. Im übrigen wird der Schuldner, besonders wenn die Leistungszeit ein elementarer Bestandteil der Schuld ist, seine Spätleistung zu entschuldigen versuchen. Demgegenüber ermöglicht es die Regelung des§ 361 BGB dem Gläubiger, vom Vertrag loszukommen, ohne die vorgebrachten Entschuldigungsgründe seines Vertragspartners vorher auf ihre Stichhaltigkeit und Beweisbarkeit im Prozeß überprüfen zu müssen.

3. Die Abdingbarkeil der allgemeinen Folgen objektiver Leistungsverzögerungen Daß eine Klausel, die im Falle der Nichtleistung den Vertragspartner so lange an den Vertrag bindet, daß das weitere Zuwarten für ihn unzumutbar wird, eine unangemessene Benachteiligung bewirkt, ist offensichtlich. Ein Verstoß gegen § 9 AGBG liegt daher eindeutig vor. Mehr Schwierigkeiten als die Inhaltskontrolle bereitet die vorausgehende Klauselauslegung. Es stellt sich dabei die Frage, ob eine Bestimmung, die beim Eintritt unverschuldeter Störungen Fristverlängerungen vorsieht, ohne eine Höchstgrenze festzulegen, auch dann eingreifen soll, wenn das Leistungshindernis so lange dauert, daß ein Zuwarten für den Gläubiger nicht mehr zurnutbar ist. Das hätte die Gesamtnichtigkeit derartiger Klauseln zur Folge. Auch hier kommt es - wie bei der ähnlichen Problematik des § 326 Abs. 2 BGB 58 - darauf an, ob es bei dem Vertragstyp, für den die Klausel gelten soll, wahrscheinlich ist, daß das genannte Ereignis die Geschäftsgrundlage wegfallen läßt. Stellt dieser Fall eine kaum vorkommende Ausnahme dar, muß Motive II, S. 198 = Mugdan II, S. 109. Motive II, S. 199 = Mugdan II, S. 110. 56 Motive II, S. 199 f. = Mugdan II, S. 110. 57 Nastelski, JuS 1962, 289, 295. ss Siehe oben C III 6 c. 54

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F. Nicht zu vertretende Leistungsverzögerungen

eine objektive Auslegung der Bestimmung zu dem Ergebnis gelangen, daß der Aufsteller der AGB diesen Fall nicht erfassen wollte. Muß dagegen damit gerechnet werden, daß die Leistungshindernisse einen wegen ihrer Dauer unzumutbaren Schwebezustand herbeiführen, so )st der Aufsteller auch gezwungen, dies zu berücksichtigen, indem er die Fristverlängerung zeitlich begrenzt und dem Partner bei längeren Störungen ein Lösungsrecht gewährt. Um die gesamte Problematik zu vermeiden, ist dem Kautelarjuristen bei der Formulierung einer entsprechenden Klausel jedoch immer zu empfehlen, eine sinnvolle zeitliche Beschränkung vorzunehmen.

G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse I. Die Folgen vorübergehender Leistungshindernisse nach dispositivem Recht und nach den Vertragsbestimmungen der Wirtschaft 1. Gesetzliche Folgen vorübergehender Leistungshindernisse a) Verzug und Unmöglichkeit

Beruht die Nichtleistung auf anfänglicher oder nachträglicher objektiver Unmöglichkeit oder auf dauerndem Unvermögen des Schuldners, dann greifen die Vorschriften über den Leistungsverzug nicht ein; die Rechtsfolgen richten sich in diesen Fällen vielmehr ausschließlich nach den Vorschriften über Unmöglichkeit und Unvermögen, §§ 275, 280, 306, 323 ff. 1• Die Verzugsregelungen können daher nicht zur Anwendung kommen, wenn die Leistung vor der verzugsbegründenden Mahnung endgültig unmöglich wird. Tritt die Unmöglichkeit später ein, so beendet sie einen bestehenden Leistungsverzug. Wegen der Vorschrift des § 287 S. 2 haftet der Schuldner in diesem Fall allerdings auch dann gemäß § 280 BGB auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, wenn er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Die Verpflichtung zum Ersatz des bis zum Unmöglichwerden angefallenen Verzugsschadens nach§ 286 Abs. 1 BGB bleibt daneben bestehen 2 • Ist die geschuldete Leistung dagegen im Zeitpunkt der Fälligkeit nur vorübergehend unmöglich, kann sie also nach geraumer Zeit wieder erbracht werden und hat der Schuldner diesen Umstand zu vertreten, so liegt Leistungsverzug und nicht Unmöglichkeit vor 3• Befindet er sich bei Eintritt der vorübergehenden Unmöglichkeit bereits in Verzug, so dauert dieser unverändert an. Das gilt selbst dann, wenn ihn kein Verschulden trifft, da der Rechtsgedanke des § 287 S. 2 BGB auch auf die vorübergehende Unmöglichkeit anzuwenden ist 4 • Genauso wie die nicht zu vertretende schlägt auch die zu vertretende Verzögerung in ein endgültiges Leistungshindernis um, wenn die Erreichung des Vertragszwecks durch sie in Frage gestellt wird und deshalb dem Vertragspartner nach dem Grundsatz von t MünchKomm/Walchshöfer, § 284, Rdn. 21. z Nastelski, JuS 1962, 289, 292. 3 MünchKomm/Walchshöfer, § 284, Rdn. 23. 4 BGH, LM Nr. 3 zu § 286 BGB; Palandt I Heinrichs, § 287, Rdn. 2 a; Soergell Wiedemann, § 287, Rdn. 5.

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

Treu und Glauben unter billiger Abwägung der Belange beider Vertragsteile die Einhaltung der Verpflichtungen nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei ist die Frage, ob ein Leistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorobergehenden Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses zu beurteilen 5 • Diese Grundsätze sind von der Rechtsprechung meist angewandt worden, wenn Kriege oder außergewöhnliche Krisen die Erbringung der Leistung auf unabsehbare Zeit zu verzögern drohten 6 • Obwohl solche Konstellationen auch in normalen Zeiten vorkommen können 7 , werden danach im Regelfall Leistungshindernisse nur Verzug und nicht Unmöglichkeit auslösen. Dementsprechend ist die praktische Bedeutung der Verzugsregelungen in der gerichtlichen Praxis auch weitaus höher als die der Unmöglichkeitsvorschriften. Klauseln, die für den Fall des Eintritts bestimmter störender Ereignisse die Haftung ausschließen, sind daher in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Einschränkung der Verzugshaftung zu beurteilen. b) Vertretenmüssen bei vorübergehenden Leistungshindernissen Wird der Schuldner durch tatsächlich vorhandene Umstände an der Leistungserbringung gehindert, so ist er entschuldigt. Er gerät daher beispielsweise nicht in Verzug, wenn er aufgrundbehördlicher Maßnahmen, wegen einer Unterbrechung der Verkehrswege, einer schweren Erkrankung oder sonst höherer Gewalt nicht leisten kann 8 • Etwas anderes gilt aber, sobald es sich um bereits bei Vertragsschluß vorliegende für den Schuldner bekannte und erkennbare Ereignisse handelt. Nimmt er den Auftrag gleichwohl an, trifft ihn bei Nichtleistung ein typisches Übernahmeverschulden 9 • Ein sogenanntes Vorsorgeverschulden liegt vor, wenn es der Schuldner unterlassen hat, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um den Vertrag trotz eines bevorstehenden Leistungshindernisses erfüllen zu können 10• Besonderheiten ergeben sich schließlich aufgrund von § 279 BGB bei Gattungsschulden. Genauso wie die endgültige Nichterfüllung kann auch die zeitliche Verzögerung ihren Grund sowohl in Umständen haben, die nur den Schuldner betreffen, wie in solchen, die die Erbringung für alle zeitweilig verhindert hätten 11 • Löst ein Ereignis nur vorübergehendes Unvermögen aus und realisiert sich in ihm das typische Beschaffungsrisiko, so gerät der Schuldner auch dann in Verzug, wenn ihn kein Verschulden trifft 12 • BGH, LM Nr. 3 zu§ 275 BGB; BGHZ 83, 197, 200; Nastelski, JuS 1962, 289, 293. Zuletzt BGHZ 1983, 197, 200. 7 Medicus, BR, Rdn. 291. 8 Soergell Wiedemann, § 285, Rdn. 6. 9 Staudinger I Löwisch, § 285, Rdn. 5; Soergel l Wiedemann, § 285, Rdn. 6; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, A 8.3., Rdn. 4. 10 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, A 8.3., Rdn. 4. 11 Lemppenau, S. 45, Fn. 89. 5

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I. Folgen vorübergehender Leistungshindernisse

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2. Die Regelung spezieller Verzögerungsursachen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Wirtschaftspraxis Der Verfasser Allgemeiner Geschäftsbedingungen, der die Haftungsfolgen bei Nichteinhaltung der Leistungszeit fürchtet, braucht nicht unbedingt eine umfassende Risikoumverteilung gegenüber dem dispositiven Recht vorzunehmen. Wenn er weiß, daß Verzögerungen in seinem Geschäftsbereich typischerweise auf ganz bestimmten Ursachen beruhen, bietet sich für ihn die Möglichkeit an, für diese speziellen Risiken gesonderte Bestimmungen vorzusehen. Denn während das Gesetz eine möglichst abstrakte Regelung anstrebt und daher auch keine Differenzierung nach einzelnen Verzugsursachen vornimmt, kann der Aufsteller Allgemeiner Geschäftsbedingungen, der in der Lage ist, den Anwendungsbereich seiner Haftungsordnung leichter zu übersehen, einen geringeren Abstraktionsgrad wählen. Dabei bieten sich ihm die gleichen formalen Gestaltungsmöglichkeiten wie bei umfassenden Haftungsbeschränkungen an. Für den Fall des Eintritts des genannten Leistungshindernisses kann er beispielsweise eine Verlängerung der Leistungszeit vorsehen, den Verschuldensmaßstab anheben oder aber Schadensersatzansprüche ausschließen oder beschränken. Da in den einzelnen Branchen die unterschiedlichsten Verzögerungsursachen auftreten, existiert in der Vertragspraxis auch eine Vielzahl verschiedener Klauseln. Sehr gebräuchlich sind aber vier Typen, die im einzelnen allerdings oft inhaltlich abgewandelt und auch miteinander kombiniert werden 13 : -

Liefermöglichkeitsvorbehalte, Selbstbelieferungsvorbehalte, Arbeitskampfklauseln, Höhere-Gewalt-Klauseln.

Weitere häufig genannte Störungsursachen sind Betriebsstörungen, behördliche Eingriffe, Verkehrsstörungen und Materialmangel 14• Vor allem im kaufmännischen Verkehr werden Kurzklauseln wie "höhere Gewalt vorbehalten" oder "richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten" gebraucht. In vielen Bestimmungen sind aber auch die unterschiedlichsten Störungsursachen nebeneinander aufgezählt 1s. 12 Lemppenau, S. 45, Fn. 89; Medicus, FS Felgentraeger, S. 309, 316; ders., BR, Rdn.267; Palandt/Heinrichs, §285, Anm. 1; MünchKomm/Walchshöfer, §285, Rdn. 2; Staudinger I Löwisch, § 285, Rdn. 19; Larenz, SR I, § 23 I b; Fikentscher, § 45 II 4. 13 Vgl. die bei Bunte, Handbuch, S. 101 f. und S. 103 f. aufgeführten Beispiele. 14 Siehe auch die Klauselempfehlung von Eberstein, S. 91; die Beispiele bei Bunte, Handbuch, S. 103 f. und die Untersuchung einzelner Klauseln bei Siepmann, S. 29 ff. 1s So beispielsweise in folgender Klausel aus der Baubranche: "Bei längerer Unterbrechung der Arbeiten durch höhere Gewalt, behördliche Maßnahmen, Baustoffmangel, Schlechtwetter oder andere Behinderungen (gleichgültig durch wessen Verschulden) hat der Auftragnehmer keinen Anspruch auf entgangenen Gewinn oder Schadensersatz."

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

Diese Art der Freizeichnung stammt ursprünglich aus dem kaufmännischen Bereich, sie wird jedoch heute auch gegenüber Verbrauchern verwendet 16•

II. Inhaltskontrolle auf spezielle Störungsursachen abstellender Klauseln 1. Besonderheiten gegenüber allgemeinen Haftungsfreizeichnungen Schließt eine Klausel für den Fall des Eintritts eines bestimmten Ereignisses jede Haftung aus, so läßt sich nicht ohne weiteres erkennen, inwieweit sie die im Gesetz geregelten Folgen von Leistungsstörungen tangiert. Um feststellen zu können, ob die jeweilige Vertragsbestimmung überhaupt eine Freizeichnung enthält, muß zunächst geklärt werden, welche Folgen das genannte Leistungshindernis nach den dispositiven Regelungen auslösen würde. Erst danach läßt sich beurteilen, ob es sich bei der Klausel überhaupt um einen Haftungsausschluß handelt oder ob nur die Rechtsfolgen vorgesehen werden, die nach dem Gesetz ohnehin eintreten würden. Im letzteren Fall läge nur eine deklaratorische Regelung vor, die gemäß § 8 AGBG der Inhaltskontrolle nicht zugänglich wäre 17 • Die Inhaltskontrolle bereitet bei dieser Form der Freizeichnung aber noch aus einem weiteren Grund Probleme: Das Recht der Leistungsstörungen stellt nicht auf die Ursache der Nichtleistung, sondern auf ihre Wirkung ab. Nur wenn die Störung die Erfüllung endgültig undurchführbar macht, liegt Unmöglichkeit, andernfalls höchstens Verzug vor. Schließt eine Klausel jede Einstandspflicht bei Einritt einer bestimmten Störung aus, werden daher oft gleichzeitig mehrere gestzliche Haftungsgründe berührt. Das Ereignis kann objektive Unmöglichkeit oder Unvermögen bewirken, kann aber auch nur zu einer Erschwerung oder Verzögerung der Leistung führen. Schließlich ist es sogar möglich, daß das genannte Ereignis, das eine Fristverlängerung rechtfertigen soll, gar keinen Einfluß auf die Fähigkeit des Schuldners hat, die Erfüllung rechtzeitig zu bewirken.

2. Die betroffenen Leistungsstörungen und ihre formularmäßige Abdingbarkeit in Verbrauchergeschäften a) Einschränkung der Verzugshaftung

aa) Abweichung vom dispositiven Recht Eine AGB-Bestimmung, die das allgemeine Verzögerungsrisiko regelt, enthält eine Einschränkung oder einen Ausschluß der Verzugshaftung, wenn sie für den 16 11

Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 12. Wolf, § 8, Rdn. 19.

li. Auf spezielle Störungsursachen abstellende Klauseln

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Fall einer zu vertretenden Überschreitung der Leistungszeit den Eintritt der Rechtsfolgen der §§ 284 ff. BGB zum Teil oder ganz verhindert. Nach dieser Formel muß auch der materielle Regelungsgehalt solcher Klauseln bestimmt werden, die die Haftung für den Fall des Eintritts ganz bestimmter Ereignisse zum Inhalt haben. Eine Beeinträchtigung der Verzugshaftung kann nur durch Bestimmungen erfolgen, die die Einstandspflicht auch für den Fall regeln, daß die genannte Störung nur vorübergehender Natur ist und nicht etwa zwingend zu endgültiger Leistungsunmöglichkeit führt. In Betracht kommen Klauseln, die beim Eintritt bestimmter Leistungshindernisse eine Verlängerung der Lieferfrist oder ein Rücktrittsrecht des Verwenders vorsehen, den Eintritt des Verzuges in Abrede stellen oder Schadensersatzansprüche ausschließen 18 • Aufgrund von § 8 AGBG sind Allgemeine Geschäftsbedingungen jedoch nur dann der Inhaltskontrolle unterworfen, wenn sie eine von Rechtsvorschriften abweichende bzw. Rechtsvorschriften ergänzende Regelung enthalten. Eine Klausel, die für den Fall des Eintritts eines Ereignisses, durch das die Leistung für den AGB-Verwender vorübergehend unmöglich wird und dessen Eintritt er nicht zu vertreten hat, alle Sanktionen ausschließt, wäre nur eine Deklaration der Rechtslage des BGB und daher nicht der Inhaltskontrolle zugänglich 19• Daraus ergibt sich, daß spezielle Freizeichnungsklauseln, die folgende Kriterien erfüllen, die Verzugshaftung nicht beschränken können: (1) Die Klausel schließt die Haftung nur aus, wenn das Ereignis selbst nicht vom Verwender oder seinen Erfüllungsgehilfen verschuldet ist. (2) Trifft den Verwender ein Vorsorge- oder Abwendungsverschulden, so darf die Freizeichnung ebenfalls nicht eingreifen. (3) Das Ereignis muß außerdem tatsächlich dazu führen, daß die Leistungserbringung vorübergehend verhindert wird. (4) Bei Gattungsschulden darf es sich nicht um ein typisches Beschaffungshindernis im Sinne von § 279 BGB handeln. Aus dieser Aufzählung ist jedoch bereits zu ersehen, daß Klauseln, die undifferenziert alle Haftungsfolgen eines bestimmten Hindernisses ausschließen, fast immer in irgendeiner Weise die Verzugshaftung tangieren. bb) I nhaltskontrol/e

Ergibt die Auslegung der AGB-Klausel, daß sie auch gelten soll, wenn der Verwender die durch das Hindernis ausgelöste Verzögerung zu vertreten hat, so liegt eine Beeinträchtigung der Verzugshaftung vor. Die Inhaltskontrolle richtet sich dann nach § 11 Nr. 8 AGBG. Wenn die Klausel dann die Möglichkeit des 18 19

Siehe oben D. Ulmer I Brandner, § 8, Rdn. 23.

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

anderen Teils einschränkt, vom Vertrag zurückzutreten, scheitert sie ohne weiteres an § 11 Nr. 8 a AGBG, der jegliche Beeinträchtigung dieses Rechts untersagt20. Schwieriger ist die Inhaltskontrolle solcher AGB, die das Vertragslösungsrecht unberührt lassen und lediglich die Schadensersatzansprüche ausschließen. Behandelt man diese Bestimmungen als bloße Einschränkungen der Schadensersatzpflicht, so stehen sie mit § 11 Nr. 8 b AGBG in Einklang, wenn sie bei grobem Verschulden nicht eingreifen. In der Tat ähneln diese Freizeichnungen Klauseln, die nur bestimmte Schäden ausschließen, da auch sie die Verzugssanktionen nicht generell abbedingen, sondern nur bei bestimmten Verzugsursachen eingreifen, während sie die Haftung ansonsten unangetastet lassen. Rein formal gesehen handelt es sich nach den oben festgelegten Kriterien jedoch um Haftungsausschlüsse, da sie nicht lediglich die Folgen sondern auch den Haftungsgrund betreffen 21 . Schadensersatzbeschränkungen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie die Rechtsfolge Schadensersatz nur im Umfang limitieren. Schließt der Schuldner aber seine Schadensersatzpflicht für den Fall des Eintritts bestimmter Ereignisse völlig aus, so fällt die Haftung bereits dem Grunde nach weg und wird nicht lediglich im Umfang beschränkt 22 . Die Zulassung derartiger Freizeichnungsklauseln würde auch der Intention des§ 11 Nr. 8 b AGBG zuwiderlaufen, den Verwender dazu anzuhalten, sich mit der gebotenen Sorgfalt um die Erbringung der Leistung zu bemühen 23 . Denn der Schuldner dürfte dazu neigen, sich von den Folgen gerade solcher Störungsursachen freizuzeichnen, die in seinem Geschäftsbereich am häufigsten Verzögerungen hervorrufen. Kann er sich auf die Wirkung seiner Klausel verlassen, droht ihm keinerlei Haftung und er wird seine Vorsorgemaßnahmen gegen derartige Störungen vernachlässigen. Gerade dies wollte der Gesetzeber aber mit der Schaffung von§ 11 Nr. 8 b AGBG, wonach ein gewisses Mindestmaß an Sanktionen erhalten bleiben muß, verhindem 24 . Damit bewirkt § 11 Nr. 8 AGBG, daß diese Art der Freizeichnung für zu vertretende Verzögerungen nicht geeignet ist. Denn sobald die Verzugshaftung tangiert wird, führt dies automatisch zur Unwirksatnkeit der Klausel: Sowohl der völlige Ausschluß der Schadensersatzpflicht als auch die Verhinderung der Verzugsherbeiführung verstoßen gegen § 11 Nr. 8 AGBG. Dem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen bleibt auch bei Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse nur die Beschränkung der Schadensersatzpflicht nach Art oder Umfang.

20 Siehe oben C 11 3. 21 Zur Abgrenzung, Bunte I Heinrichs, S. 4; Schmidt-Salzer, Produkthaftung li, S. 2. 22 Siehe oben C III 4 a. 23 Teilbericht I, S. 73; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 32. 24 Teilbericht I, S. 73; Regierungsentwurf, BTDS 7/3919, S. 32.

li. Auf spezielle Störungsursachen abstellende Klauseln

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b) Einschränkung sonstiger gesetzlicher Regelungen aa) Haftung wegen zu vertretender Unmöglichkeit

Eine Bestimmung, die beispielsweise bei Betriebsstörungen ein Fristverlängerungsrecht vorsieht, kann dahingehend ausgelegt werden, daß sie bei endgültiger Unmöglichkeit nicht eingreift. Denn dem Verwender nützt eine zusätzliche Frist nur etwas, wenn eine vorübergehende Störung vorliegt. Die Unmöglichkeitshaftung wird daher durch Fristverlängerung in der Regel nicht tangiert. Enthält eine Vertragsbestimmung dagegen einen Ausschluß von Schadensersatzansprüchen beispielsweise für den Fall einer Betriebsstörung, so kann darin neben einer Freizeichnung von der Verzugshaftung auch ein Ausschluß der Haftung für vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit liegen. Denn einer Klausel mit dem Wortlaut: "Für unvorhergesehene LiefeThindernisse- wie Streik und Betriebsstörungen -haftet der Unternehmer nicht" ist es nicht anzusehen, ob sie nur für vorübergehende oder auch für endgültige Störungen gelten soll. Falls die genannten Leistungshindernisse objektive Unmöglichkeit oder Unvermögen zur Folge haben kann, richtet sich die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rücktrittsrecht oder Schadensersatzansprüche ausschließen, ebenfalls nach § 11 Nr. 8 AGBG. Es gelten die gleichen engen Schranken wie für die Verzugshaftung 2!i. Daher kommt auch hier nur eine Einschränkung der Schadensersatzpflicht bei leichter Fahrlässigkeit in Betracht. Besonderheiten bestehen jedoch bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit und anfänglichem Unvermögen. Da im Falle anfänglicher Unmöglichkeit der Vertrag gemäߧ 306 BGB nichtig ist, kann§ 11 Nr. 8 AGBG nicht angewendet werden 26 • Denn die Unwirksamkeit des Vertrages erfaßt auch eine entsprechene Klausel, so daß diese niemals Wirkung entfalten kann. Ebenfalls nicht einschlägig ist die Vorschrift nach überwiegender Meinung bei anfänglichem Unvermögen 27 , wenn man der Auffassung der Rechtsprechung folgt, die in diesem Fall eine unabhängig vom Vertretenmüssen entstehende Haftung befürwortet 28 • Die Inhaltskontrolle richtet sich daher nach § 9 AGBG. Der Ausschluß der Haftung für anfängliches Unvermögen verstößt nach fast einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur gegen die Generalklausel29 • Von Westphalen zieht zur Fristverlängerungsklauseln sind hier nicht relevant, siehe oben. Allgemeine Meinung: Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 8, Rdn. 14; Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 5; Schlosser I Coester-Waltjen, § 11 Nr. 8, Rdn. 14. 27 Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 16; Löwe I von Westphalen, § 11 Nr. 8, Rdn. 14; Staudinger I Schlosser,§ 11 Nr. 7, Rdn. 46; von Westphalen, WM 1983, 974, 978; a. A. Wolf, § 11 Nr. 8, Rdn. 5; Koch I Stübing, § 11 Nr. 8, Rdn. 4. 2s BGHZ 62, 120; BGH, NJW 1972, 1702. 29 OLG Frankfurt, BB 1984, 300; Staudinger I Schlosser, § 11 Nr. 7, Rdn. 46; Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 16; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 11 Nr. 7, Rdn. 51. 25

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

Begründung § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG heran: Die subjektive Leistungsfahigkeit des Verwenders schaffe überhaupt erst die Voraussetzung für die Erfüllung des Vertrages. Daher schränke der Schuldner durch die Freizeichnung vertragswesentliche Pflichten so ein, daß er Vertragszweck gefährdet werde 30• Teilweise wird die Unwirksamkeit auch auf§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG gestützt: Der Garantiehaftung für die eigene Leistungsfahigkeit komme Leitbildcharakter zu 31 • Jedenfalls kann sich der Verwender damit auch nicht von den Haftungsfolgen freizeichnen, die aus bei Vertragsschluß schon bestehenden endgültigen Leistungshindernissen resultieren. Soweit danach eine Klausel die Haftung wegen zu vertretender Unmöglichkeit ausschließt, verstößt sie gegen§ 11 Nr. 8 oder gegen§ 9 AGBG. Auch hier erweist sich diese Form der Freizeichnung daher als unpraktikabel.

bb) Folgen zufälliger Unmöglichkeit Wird durch das genannte Ereignis die Leistung unmöglich, ohne daß eine Partei dies zu vertreten hat, so verliert der Verwender seinen Anspruch auf die Gegenleistung, § 323 Abs. 1 BGB. Wenn der Gläubiger vorgeleistet hat, steht ihm gemäß § 323 Abs. 3 ein Anspruch auf Rückforderung seiner Gegenleistung zu. Eine Klausel, die in diesem Fall jegliche Ansprüche des Vertragspartners ausschließt, beinhaltet daher möglicherweise auch, daß dieser Rückforderungsanspruch ausgeschlossen sein soll. Eine derartige Freizeichnung enthalten insbesondere entsprechende Klauseln in Zeitungsbezugsverträgen, die eine Gebührenrükkerstattung infolge arbeitskampfbedingter Störungen der Verlegerleistung ausschließen 32• Eine solche Vertragsgestaltung verstößt gegen § 9 AGBG, da die Rückzahlungspflicht im Falle zufälliger Unmöglichkeit ein wesentlicher Grundgedanke des BGB für die Rückabwicklung gestörter Vertragsverhältnisse ist. Durch eine solche Klausel würden dem Vertragspartner Leistungspflichten auferlegt, für die er kein Äquivalent erhielte 33 • Der Verwender könnte dadurch an einer Leistungsstörung sogar noch verdienen 34• Die Rückzahlungspflicht des§ 323 Abs. 3 BGB muß damit auf jeden Fall erhalten bleiben 35 •

cc) Folgen nicht zu vertretender Leistungsverzögerungen AGB-Klauseln, die nicht nur die Schadensersatzpflicht regeln, sondern den Vertragspartner im Falle einer nicht zu vertretenden vorübergehenden LieferstöLöwe I von Westphalen, § 11 Nr. 7, Rdn. 51. Ulmer I Hensen, § 11 Nr. 8, Rdn. 16; OLG Frankfurt, BB 1984, 300 läßt offen, ob Nr. 1 oder Nr. 2 eingreift. 32 Schmid, NJW 1979, 15, 17. 33 Schmid, NJW 1979, 15, 20. 34 Koch I Stübing, § 9, Rdn. 22. 35 So auch Schmid, NJW 1979, 15, 20; Wolf, § 9, Rdn. A 131. 30 31

II. Auf spezielle Störungsursachen abstellende Klauseln

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rung an der Verbindlichkeit festhalten, sind auch daraufhin zu überprüfen, ob sie diesem damit eventuell zustehende verschuldensunabhängige Rücktrittsrechte beeinträchtigen. Auch wenn spezielle Regelungen wie § 376 HGB oder § 361 BGB nicht einschlägig sind, darf der Schuldner seinen Gläubiger nicht ad calendas graecas warten lassen. Ein unbegrenztes Aufschubrecht schränkt das aus Treu und Glauben hergeleitete Lösungsrecht des Gläubigers ein 36• Regeln die Freizeichnungen auch die Folgen nicht zu vertretender nachträglicher Leistungshindernisse, richtet sich die Inhaltskontrolle ebenfalls nach § 9 AGBG, wobei die Leitbildfunktion der §§ 361 BGB, 376 Abs. 1 HGB sowie § 542 BGB zu beachten ist, wenn der Vertragspartner für die Dauer einer vorübergehenden Leistungsstörung an den Vertrag gebunden werden soll 37 • Da das dem Gläubiger zustehende Recht, sich vom Vertrag zu lösen, wenn durch die Verzögerung der Leistungszweck so gefährdet wird, daß ihm ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann, AGB-fest ist, darf es durch die Klausel ebenfalls nicht berührt werden. Daher muß bei der Inhaltskontrolle untersucht werden, ob die in der Bestimmung genannten Leistungshindernisse typischerweise - und nicht nur in extremen Ausnahmefällen - zu vertragszweckgefährdenden Verzögerungen führen können. Liegt diese Möglichkeit nahe, muß die Klausel dem Vertragspartner das Recht zubilligen, sich nach Ablauf einer bestimmten Höchstfrist vom Vertrag lösen zu dürfen.

c) Besonderheiten bei der Inhaltskontrolle von Vertragslösungsvorbehalten

aa) § 10 Nr. 3 AGBG als ausschließlicher Maßstab

Werden in einer Klausel vorübergehende Leistungshindernisse als Gründe für ein Vertragslösungsrecht des Verwenders angeführt, so kann § 11 Nr. 8 AGBG dennoch nicht als Maßstab der Inhaltskontrolle dienen, da der Gesetzgeber solche Bestimmungen ausschließlich der flexibleren Inhaltskontrolle des § 10 Nr. 3 AGBG unterstellen wollte 38 • Mit einer ähnlichen Begründung muß aber auch eine Anwendung von § 11 Nr. 8 AGBG abgelehnt werden, wenn endgültige Leistungshindernisse Gegenstand der Klausel sind und dadurch die Unmöglichkeitshaftung tangiert wird. Auf den ersten Blick scheinen jedoch Überschneidungen zwischen § 10 Nr. 3 und § 11 Nr. 8 AGBG unter diesem Aspekt nicht denkbar zu sein. Denn § 11 Nr. 8 AGBG kann dem Lösungsrecht selbst nicht entgegenstehen, sondern erhält lediglich die Sekundärrechte im Falle nachträglicher Unmöglichkeit. Wird die Leistung unmöglich, wird der Schuldner auch dann frei, wenn er dies zu vertreten 36 37 38

Siehe oben F I 3 sowie Nastelski, JuS 1962, 289, 293. Siehe oben F III 1 a; F III 2. Siehe oben G III 3.

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

hat 39. Wenn sich der Verwender das Recht vorbehält, von der Leistungspflicht lossagen zu dürfen, stimmt dies mit der gesetzlichen Lage überein. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Schuldner mit einem Lösungsvorbehalt stets auch die Vermeidung von Sekundäransprüchen bezweckt, andernfalls wäre die Bestimmung wirtschaftlich sinnlos. Eine Klausel mit dem Wortlaut "Materialmangel und Fälle höherer Gewalt oder Betriebsstörungen entbinden von unserer Lieferverpflichtung" ist bei verschuldeten Lieferstörungen dahingehend zu verstehen, daß auch Sekundärrechte entfallen sollen, wenn die Leistung durch einen dieser Umstände unmöglich wird. Da die Primärleistungspflicht ohnehin entfällt, bezweckt die Klausel in diesem Fall sogar ausschließlich die Abbedingung von Schadensersatzansprüchen. Trotzdem sollte die Inhaltskontrolle auch dann nur nach § 10 Nr. 3 AGBG erfolgen. Die Konkurrenzfrage ist hier zwar weniger bedeutend als bei der Verzugshaftung, da verschuldete Ereignisse ohnehin kaum jemals ein Rücktrittsrecht rechtfertigen dürften und nach der hier vertretenen Auffassung die Vorschrift des § 279 BGB nicht die Sekundärrechte im Falle der Unmöglichkeit sondern den Umfang der Leistungspflicht betrifft 40. Würde man § 11 Nr. 8 AGBG jedoch unter dem Aspekt der Unmöglichkeit auf Vertragslösungsrechte anwenden, hinge im problematischen Bereich der Gattungsschulden damit die Inhaltskontrolle von der dogmatischen Einordnung des § 279 BGB ab. Gibt man dem Gläubiger beim Unvermögen des Vertragspartners einen Anspruch nach § 325 BGB, so wäre § 11 Nr. 8 AGBG anwendbar, hält man ein Vorgehen nach§ 326 BGB für nötig, würde§ 10 Nr. 3 AGBG in gewissen Grenzen Freizeichnungen zulassen. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sollte im Interesse der Rechtsklarheit § 10 Nr. 3 AGBG ausschließliche Anwendung finden. bb) Leitbild der Unmöglichkeitsregelung

Bei der Bewertung formularmäßiger Rücktrittsrechte nach § 10 Nr. 3 AGBG ist von dem Grundsatz auszugehen, daß der Schuldner die versprochene Leistung zu erbringen hat. Eine Befreiungsklausel muß daher die Ausnahme bleiben 41 . Bei Rücktrittsvorbehalten aus Gründen, die in der Sphäre des Verwenders liegen, hängt die sachliche Rechtfertigung davon ab, wie weit die Bestimmung eine vom dispositiven Recht abweichende Risikoverteilung zugunsten des Verwenders vorsieht42. Als Maßstab dienen diejenigen Regelungen, die bereits nach dem Gesetz ein Vertragslösungsrecht begründen, also insbesondere die Vorschriften über die Unmöglichkeit sowie die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage 43 . 39 Palandt I Heinrichs, § 280, Anm. 1 a; Staudinger I Löwisch, § 280, Rdn. 2; Soergel I Wiedemann, § 280, Rdn. 30. 40 Siehe oben C II 3 c aa. Der Gattungsschuldner kann auch bei endgültigen subjektiven

Beschaffungshindernissen nur in Verzug geraten. 41 Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 11. 42 Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 12; Wolf, § 10 Nr. 3, Rdn. 18. 43 Staudinger I Schlosser, § 10 Nr. 3, Rdn. 11 ; Wolf, § 10 Nr. 3, Rdn. 17.

II. Auf spezielle Störungsursachen abstellende Klauseln

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§ 323 BGB kommt dabei in doppelter Hinsicht Leitbildfunktion zu. Zum einen müssen die genannten Leistungshindernisse zwar nicht unbedingt zur Unmöglichkeit der Leistung, jedoch zu einer vergleichbaren Erfüllungserschwerung führen. Da durch den Rücktrittsvorbehalt auch die Sekundärrechte bei Unmöglichkeit mit abbedungen werden, dient § 323 BGB auch insoweit als Leitbild, als sich der Verwender bei verschuldeter Unmöglichkeit nicht durch den Vorbehalt seiner Haftung entziehen darf. Der Unterschied gegenüber der Anwendung des § 11 Nr. 8 AGBG liegt aber darin, daß Abweichungen insbesondere von der Einstandspflicht des § 279 BGB durchaus zu rechtfertigen sind 44: Es kann statthaft sein, aufgrundeines Befreiungsvorbehalteshinter der vom Gesetz geforderten Beschaffungspflicht zurückzubleiben.

3. Besonderheiten bei der Kontrolle kaufmännischer Klauseln a) Auslegung und Inhaltskontrolle kaufmännischer Kurzklauseln

Obwohl die in§§ 11 Nr. 8 und 9 sowie 10 Nr. 2 AGBG enthaltenen Wertungen weitgehend auch im rein kaufmännischen Geschäftsverkehr Geltung beanspruchen können, ist der Spielraum gerade für auf spezielle Störungsursachen abstellende Freizeichnungen gegenüber dem in § 24 AGBG genannten Personenkreis größer als gegenüber Verbrauchern. Der Handelsverkehr ist auf knappe, stereotype Klauseln angewiesen, deren genaue Reichweite sich aus den branchenüblichen Gepflogenheiten ergibt. Der Umfang der Haftungsbefreiung solcher Bestimmungen ist aber durch eine langjährige Praxis auch unter dem Einfluß der Rechtsprechung schon so weit eingeschränkt, daß der Verwender in den Fällen, in denen die Klausel zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners führen würde, von der Freizeichnung keinen Gebrauch machen darf. Er kann daher bei der Formulierung seiner AGB von einem potentiellen Vertragspartner ausgehen, der die Bedeutung und die Reichweite dieser handelsüblichen Bestimmung kennt 45 • Eine objektive Auslegung der Klausel aus der Sicht der beteiligten Verkehrskreise muß daher zu dem Ergebnis gelangen, daß die Bestimmung die Fälle unangemessener Benachteiligung auch dann nicht mit einschließt, wenn sich diese Restriktionen für den branchenunkundigen Betrachter aus dem Wortlaut nicht ersehen lassen. Daraus ergibt sich gegenüber kaufmännischen Kurzklauseln eine größere Toleranz, was die Genauigkeit der Formulierung angeht 46 • Es braucht nicht ausdrücklich jeder Fall aufgeführt zu werden, in dem die Klausel zu unangemessenen Ergebnissen führen würde und damit nicht eingreifen darf. 44 So auch Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 16; Staudinger I Schlosser, § 10 Nr. 3, Rdn. 39; a. A. Schlosser I Coester-Waltjen, § 10 Nr. 3, Rdn. 35; Wolf, § 10 Nr. 3, Rdn. 23. 45 Saiger, WM 1985, 625; Schlosser, ZIP 1985, 449, 459. 46 Schlosser, ZIP 1985, 449,459.

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

Es besteht auch bei der Verwendung unter Kaufleuten ein geringeres Präventionsbedürfnis gegenüber ungenau formulierten AGB, da die Gefahr weniger groß ist, daß sich der Vertragspartner im vorprozessualen Bereich vom "eindeutigen Wortlaut" 47 einer zu weit gefaßten Klausel von der Durchsetzung seiner Recht abhalten läßt. Zum einen wird der kaufmännische Kunde eher den wahren Bedeutungsgehalt der Freizeichnung erkennen können, zum anderen dürfte er im Zweifel wegen des höheren finanziellen Einsatzes in stärkerem Maße bereit sein, zumindest anwaltliehen Rat einzuholen, bevor er sich entschließen wird, auf die gerichtliche Durchsetzung zu verzichten. Diesem Gedanken hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, daß er den Anwendungsbereich des der Präventivkontrolle dienenden abstrakten Verfahrens 48 gemäߧ 13 Abs. 3 AGBG auf den nichtkaufmännischen Bereich beschränkt hat. Soweit es aber nur darum geht, die Rechte des einzelnen im Individualverfahren zu sichern, wird der Schutz des Kunden vor unangemessener Benachteiligung auch durch die restriktive Interpretation von Freizeichnungsklauseln gewährleistet. Damit kann im kaufmännischen Verkehr die Auslegung teilweise die Funktion der Inhaltskontrolle übernehmen. Dies ist jedoch eine Besonderheit bei der Interpretation branchenüblicher Freizeichnungen. Keinesfalls darf dies dazu führen, daß nunmehr sämtliche zu weitgehenden Klauseln auf einen zulässigen Inhalt reduziert werden können. Eine teilweise Aufrechterhaltung der gegen das AGB-Gesetz verstoßenden Bestimmungen würde auch im kaufmännischen Verkehr§ 6 Abs. 1 und§ 9 AGBG widersprechen. Das AGBG sieht eindeutig die Unwirksamkeit unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen vor 49 • b) Größere Flexibilität der Generalklausel gegenüber den spezieneo Klauselverboten

§ 11 Nr. 8 b AGBG ist an der Systematik des Rechtes der Leistungsstörungen orientiert und ermöglichst daher keine unterschiedliche Bewertung allgemeiner und nur auf spezielle Störungsursachen abstellender Freizeichnungen. Sobald Schnittpunkte zwischen dem Wirkungsbereich der Klausel und der Reichweite des Verbots festgestellt werden können, hat dies unweigerlich die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folgen. Die Prüfung kaufmännischer Klauseln nach § 9 AGBG ermöglicht dagegen eine umfassende Interessenabwägung, wodurch eine differenziertere Bewertung dieser speziellen Freizeichnungen vorgenommen werden kann. Für die Prüfung der Vereinbarkeil mit§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG spielt es nämlich durchaus eine Rolle, ob sich der Verwender von jeglicher Verzugshaftung befreit oder nur die Folgen einiger eng umschriebener potentieller OLG Stuttgart, NJW 1981, 1105. Ulmer I Hensen, § 13, Rdn. 1. 49 Grundlegend BGHZ 84, 109, 116; Ulmer I Harry Schmidt, § 6, Rdn. 14.; teilweise abweichend neuerdings Boemke-Albrecht, S. 79 ff. 47 48

III. Konkrete Prüfung gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln

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Leistungshindernisse ausschließt. Eine auf einen kleinen Teilbereich begrenzte Abbedingung des dispositiven Rechts steht unter Umständen noch in Einklang mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, kann die Indizwirkung des § 9 Abs. 2 AGBG durch Besonderheiten des konkreten Geschäftstyps widerlegt sein 50• Hier können die Bedürfnisse des Verwenders berücksichtigt werden, für seinen Geschäftsbereich gerade das genannte Risiko auszuschließen. Zeichnet sich beispielsweise eine Partei für die Folgen einer arbeitskampfbedingten Störung frei, so kann speziell die Interessenlage beider Teile im Falle von Streik oder Aussperrung bei der Beurteilung der Klausel mit herangezogen werden, wobei zu untersuchen sein wird, ob ein legitimes Bedürfnis des Schuldners besteht, gerade dieses Risiko zu beschränken.

111. Konkrete Prüfung einiger gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln 1. Lieferfähigkeitsvorbehalte a) Bedeutung

Eine gebräuchliche Form der Freizeichnung im Handelsverkehr ist die Kurzformel "Lieferungsmöglichkeit vorbehalten" 51 • Die Klausel bedeutet nicht, daß damit jede Gebundenheit des Verkäufers ausgeschlossen sein soll, sondern befreit ihn von seiner Lieferpflicht nur nach erfolgloser zurnutbarer Anstrengung zur Beschaffung der Ware 52 • Die Vertragsbestimmung hat vor allem die Funktion, den Lieferanten gegen die Folgen des § 279 BGB abzuschirmen, wenn die Leistung lediglich subjektiv unmöglich wird 53 • Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts schützt die Bestimmung ganz allgemein gegen zukünftige und noch ungewisse Gefahren, nicht jedoch gegen Ereignisse, die dem Verkäufer bereits bei Vertragsschluß bekannt waren oder von ihm erwartet wurden 54• Es ist dem Lieferanten auch zumutbar, seinen die Erfüllung ungerechtfertigt ablehnenden Unterlieferanten auf Leistung zu verklagen 55 oder sich anderweitig teurer mit Waren einzudecken, soweit er dazu ohne ungewöhnliche Schwierigkeiten imstanBecker, S. 51 ff. Die gleiche Bedeutung haben auch die Klauseln "Erfüllungsmöglichkeit vorbehalten" und "Lieferung freibleibend", vgl. HGB-Großkommentar I Ratz,§ 346, Anm. 145. 52 HGB-Großkommentar I Ratz, § 346, Anm. 195; Düringer I Nachenburg I Werner, § 346, Anm. 15; Schlegelherger I Hefermehl, § 346, Rdn. 80; Baumbach I Duden I Hopt, § 346, Anm. 5; Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 8. 53 HGB-Großkommentar I Ratz, § 346, Anm. 145. 54 RGZ 97, 325; 132,305, 311; so auch OLG München, WM 1985, 362. 55 RGZ 103, 180, 183. 50 51

10 Keim

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

de ist 56• Obwohl die Klausel nicht nur bei endgültigen Hindernissen eingreift, wird sie allgernein als Lösungsvorbehalt und nicht als Fristverlängerungsvorbehalt interpretiert 57 • Dieser Auslegung ist zuzustimmen. Eine zusätzliche Leistungsfrist nützt nur dann etwas, wenn der Schuldner die Hindernisse überwinden möchte. Die Lieferfähigkeitsklausel dient aber gerade dazu, ihn von diesen Anstrengungen freizustellen, so daß ihm nur eine Lösung von der Verbindlichkeit hilft. Im Verbraucherbereich ist diese Art der Freizeichnung kaum anzutreffen. Es herrschen Klauseln vor, die die möglichen Störungen im einzelnen aufzählen und meist sowohl Fristverlängerungs als auch Rücktrittsvorbehalte enthalten 58 • b) Haftungslage nach dispositivem Recht

Der Stückschuldner wird zwar im Falle des Unvermögens von seiner Leistungspflicht frei, bei einer bloßen Leistungserschwerung bleibt sie jedoch grundsätzlich bestehen. Ausnahmsweise kann ihm nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ein Rücktrittsrecht zustehen, wenn ein Festhalten an dem Vertrag nach Treu und Glauben unzumutbar wäre 59 • Im Regelfall ist dies jedoch auch bei erheblichen Leistungserschwerungen nicht anzunehmen, da diese nach der vertraglichen Risikoverteilung normalerweise zu Lasten des Schuldners gehen60. Er wird erst frei, wenn durch eine unerwartete Änderung der Verhältnisse die beiderseitigen Verpflichtungen der Partner eines gegenseitigen Vertrages in ein so grobes Mißverhältnis geraten sind, daß der Vertrag seinen Sinn als Austauschvertrag verloren hat 61• Bei unbeschränkten Gattungsschulden befreit gemäß § 279 BGB auch persönliches Unvermögen nicht von der Leistungspflicht, wenn sich in der Störung das typische Beschaffungsrisiko realisiert hat 62 • c) Inhaltskontrolle im nichtkaufmännischen Verkehr

Der Lieferfähigkeitsvorbehalt weicht von der gesetzlichen Risikoverteilung in mehrfacher Hinsicht ab. Die Einstandspflicht des Gattungsschuldners gemäß § 279 BGB für das Beschaffungsrisiko wird ausgeschlossen, da er sich im Falle des Leistungsunvermögens unter Berufung auf die Klausel vorn Vertrag lösen BGH, NJW 1958, 1628; BGH, WM 1968, 400. OLG München, WM 1985, 362, 363; HGB-Großkommentar I Ratz, § 346, Anm. 145; Schlegelherger I Hefermehl, § 346, Rdn. 80; Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 8; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 45. 58 Beispiele siehe Bunte, Handbuch, S. 103 ff. 59 Palandt I Heinrichs, § 242, Anm. 6 Ca. 60 Palandt I Heinrichs, § 242, Anrn. 6 C a bb. 61 Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, S. 79. 62 Siehe oben C III 3 c. 56

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III. Konkrete Prüfung gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln

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kann 63 • Außerdem wird der Schuldner auch dann frei, wenn die Leistungserbringung nur erheblich erschwert ist, ohne daß Unvermögen vorliegt 64 • Nach dem Klauselinhalt bleibt der Verkäufer nur verpflichtet, soweit er zur Lieferung in ordnungsgemäßem Geschäftsgang ohne ungewöhnliche Schwierigkeiten und Opfer imstande ist 65 • Eine Befreiung tritt damit aber auch dann ein, wenn die Störung nicht den Grad erreicht, daß ein Wegfall der Geschäftsgrundlage gegeben wäre. Soweit im nichtkaufmännischen Bereich nicht lediglich ein Befreiungsvorbehalt, sondern auch eine Fristverlängerung vorgesehen ist, scheitert dieser Klauseltyp an § 11 Nr. 8 AGBG, da er die Haftung des § 279 BOB ausschließt. Auch eine Übernahme der kaufmännischen Kurzklausel "Lieferungsmöglichkeit vorbehalten" wäre mit§ 10 Nr. 3 AGBG unvereinbar. Denn in der Bestimmung kommt nicht klar zum Ausdruck, daß der Vorbehalt nur bei unverschuldeten Hindernissen eingreift. Außerdem sind die Rechtsfolgen nicht hirneichend konkretisiert 66 • Um den Anforderungen des § 10 Nr. 3 AGBG zu genügen, müßte die Klausel eindeutig als Rücktrittsvorbehalt ausgestaltet sein. Außerdem darf sie nur eingreifen, wenn die Liefermöglichkeit durch unverschuldete bei Vertragsschluß nicht vorhersehbare Ereignisse unzumutbar erschwert wird. Unter diesen Voraussetzungen jedoch ist ein entsprechender Vorbehalt wirksam 67 • Der Schuldner hat ein legitimes Interesse daran, die sehr weite Haftung des § 279 einzuschränken. Nach dem BOB muß er jede Anstrengung unternehmen, um die Leistung zu erbringen. Eine Senkung dieser Opfergrenze auf die im Rahmen des jeweiligen Geschäfts üblichen Anforderungen kann nicht als unangemessen angesehen werden. Denn die Klausel enthält mit dem Zumutbarkeitselement ein Kriterium, bei dessen Auslegung auch die berechtigten Erwartungen des Kunden gebührend berücksichtigt werden können. Brandner ist allerdings der Auffassung, derjenige, der bei Abschluß des Vertrages Lieferschwierigkeiten nicht kenntlich gemacht habe, könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Befreiungsklausel berufen. Die Bestimmung sei daher grundsätzlich als überraschend im Sinne von § 3 AGBG einzustufen 68 • Dieses Argument spricht jedoch nicht gegen einen Liefermöglichkeitsvorbehalt, der auf unvorhergesehene Störungen beschränkt ist. Denn die Liefermöglichkeitsklausel bietet keine Handhabe, tönende Versprechungen zu machen, die man später nicht einhalten kann 69 • Sind Lieferstörungen zu erwarten, muß sie der Verkäufer sicher kenntlich machen. Die Klausel regelt diesen Fall aber gerade nicht, sondern greift

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HGB-Großkommentar I Ratz, § 346, Anm. 145. Siepmann, S. 59.

HGB-Großkommenter I Ratz, § 346, Anm. 145. Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 12. 67 So auch Siepmann, S. 58. 68 Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 12; ilun folgend Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 46. 69 Vgl. RGZ 132, 305, 311. 65

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

nur bei unvorhergesehenen Zwischenfällen ein. Daher muß ein Rücktrittsvorbehalt mit den entsprechenden Einschränkungen als zulässig angesehen werden. d) Inhaltskontrolle im kaufmännischen Verkehr

Die Kurzklausel "Lieferungsmöglichkeit vorbehalten" ist im kaufmännischen Verkehr zulässig 70 • Die Einschränkungen auf Fälle unverschuldeter und unvorhergesehener Leistungshindernisse ergibt sich bereits aus der handelsüblichen Auslegung der Klausel 71 • Damit steht der Vorbehalt nicht in Widerspruch zu wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts. Da die unbeschränkte Einstandspflicht des Gattungsschuldners gemäß § 279 BGB durch AGB abdingbar ist 72 , kann die Abbedingung dieses Grundsatzes allein nicht die Unwirksarnkeitsvermutung des § 9 Abs. 2 Nr. I AGBG begründen. Auch die sonstige Herabsetzung der Opfergrenze für den Schuldner widerspricht nicht dem Grundgedanken der Unmöglichkeitsregelungen des BGB. Das zu § 10 Nr. 3 AGBG Gesagte hat hier entsprechend zu gelten.

2. Selbstbelieferungsvorbehalte a) Bedeutung

In der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft ist jede Produktions- und Absatzstufe zu einem gewissen Grade in ihrer eigenen LiefeTfähigkeit von der Belieferung durch die vorgelagerten Stufen abhängig 73 • Daher möchte der AGB-Verwender mit der Selbstbelieferungsklausel seine Lieferbereitschaft unmittelbar an die seines Vorlieferanten koppeln und sich gegen Schadensersatzansprüche seines Abnehmers für den Fall sichern, daß ihn sein Vorlieferant völlig versetzt oder daß durch dessen Verschulden eine Leistungsverzögerung eintritt 74 • Die vor allem im Verkehr unter Kaufleuten verwandte Kurzklausel ,,richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten" ist in der Regel dahin auszulegen, daß der Verkäufer von seiner Lieferpflicht und von Schadensersatzansprüchen frei werden soll, falls er selbst von seiner Lieferquelle im Stich gelassen worden ist75 • 10 So ausdrücklich auch unter der Geltung des AGBG OLG München, WM 1985, 326; Uimer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 18; Löwe I von Westphaien, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 79. 11 Löwe I von Westphaien, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 79; HGB-Großkommentar I Ratz, § 346, Anm. 145; Baumbach I Duden I Hopt, § 346, Anm. 5. n Siehe oben E II 4. 73 Saiger, WM 1985, 625. 74 Bunte, Handbuch, S. 99. 75 Saiger, WM 1985, 625; Liesecke, WM Sonderbeilage 3/1978, S. 46.

III. Konkrete Prüfung gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln

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Es existieren aber auch Bestimmungen, die ausschließlich die Lieferzeit regeln 76 • Entweder sehen diese Klauseln für die Dauer einer vorübergehenden Lieferstörung eine Verlängerung der Leistungszeit vor, oder aber der Bezug zur Lieferzeit ergibt sich aus der systematischen Stellung im Gesamtklauselwerk. Der Bundesgerichtshof hat eine Regelung, die zwar als Selbstbelieferungsvorbehalt im üblichen Sinn formuliert war, in den Lieferbedingungen aber unter der Überschrift "Leistungszeit" stand, dahingehend ausgelegt, daß sie im Fall einer vorübergehenden Lieferung zwar von den Haftungsfolgen für Verzögerungen befreien, die Verbindlichkeit der Leistungsverpflichtung als solche jedoch nicht berühren sollte 77. b) Haftungslage nach dispositivem Recht

Ob der Schuldner für das Risiko, von einem Lieferanten nicht beliefert zu werden, einstehen muß, hängt maßgeblich vom Charakter des jeweiligen Schuldverhältnisses ab. Bereits der Einfluß auf die primäre Leistungspflicht kann sehr unterschiedlich sein. So wird eine Stückschuld bei Nichtbelieferung unter Umständen zeitweilig oder auch endgültig unmöglich. Dabei muß jedoch berücksichtigt werden, daß selbst die endgültige Weigerung des Vorlieferanten meist nicht zu einer Unmöglichkeit der Leistung führt, da dem Gläubiger im Falle einer unberechtigten Leistungsverweigerung der Klageweg bleibt, um den Schuldner zur Belieferung zu zwingen 78 • Bei Gattungsschulden hat die mangelnde Selbstbelieferung keinen Einfluß auf die primäre Leistungspflicht, denn der Ausfall eines Lieferanten ist gerade Ausdruck des typischen Beschaffungsrisikos 79 • Solange eine Ersatzbeschaffung auf dem Markt möglich ist, bleibt der Gattungsschuldner verpflichtet. Auch die Frage der Schadensersatzpflicht richtet sich nach der Art der Schuld. Bei einer Stückschuld wird, wenn durch die Nichtbelieferung eine Verzögerung eintritt, regelmäßig keine Haftung ausgelöst, falls die Nichtbelieferung weder vom Schuldner selbst noch von seinem Lieferanten verschuldet worden ist. In Betracht kommt allerdings die Verzugshaftung bei eigenen Sorgfaltspflichtverletzungen des Klauselverwenders. Denkbar ist, daß der Zulieferer aus Gründen, die der Schuldner zu vertreten hat, zur Verweigerung berechtigt ist, beispielsweise, weil sich letzterer ihm gegenüber in Zahlungsrückstand befindet 80• Aber auch für eine unberechtigte Leistungsverweigerung der Lieferfirma wird der Schuldner gegenüber seinem Vertragspartner in der Regel haften müssen. Zwar kann der Schlegelherger I Hefermehl, § 346, Rdn. 88. n BGHZ 24, 29, 41.

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8o

RGZ 103, 180, 182. Coester-Waltjen, AcP 183, 279, 290. BGH, NJW 1983, 1320, 1321.

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

Vorlieferant nach ganz überwiegender Meinung nicht als Erfüllungsgehilfe des Schuldners angesehen werden, so daß eine Anwendung von § 278 BOB ausscheidet 81 . Die Verantwortlichkeit des Verkäufers für die rechtzeitige Belieferung durch den Unterlieferanten kann sich aber nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts aus dem Gesichtspunkt stillschweigender Gewährübernahme ergeben, wenn er sich zur Leistung zu einem festen Termin verpflichtet und die Haftung für seinen Unterlieferanten nicht ausgeschlossen hat 82 . In der Regel sind danach Lieferverträge, bei denen sich der Verkäufer eines Unterlieferanten bedient, dahin auszulegen, daß der Verkäufer für dessen Vertragstreue einzustehen hat 83 . c) Inhaltskontrolle im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr

Selbstbelieferungsklauseln halten der Inhaltskontrolle nach § 11 Nr. 8 AGBG nur Stand, falls sie dem Verwender nicht auch dann eine Überschreitung der Leistungszeit gestatten, wenn er ohne die AGB-Bestimmung in Verzug geriete. Überwiegend wird dabei allein darauf abgestellt, ob der Verwender die Nichtbelieferung selbst verschuldet hat 84 . Da der Schuldner nach der vom Reichsgericht begründeten noch heute geltenden Rechtsprechung regelmäßig auch für die Vertragstreue seines Lieferanten einzustehen hat, kommt er aber auch dann in Verzug, wenn ihn selbst kein Verschulden trifft85 • Also müßte eine Freizeichnungsklausel diesen Fall ebenfalls gesondert behandeln, um nicht mit § 11 Nr. 8 AGBG zu kollidieren. Für Gattungsschulden läßt sich eine zuässige Selbstbelieferungsklausel nicht formulieren, da der Schuldner ohne Rücksicht auf ein Verschulden für die rechtzeitige Leistung einzustehen hat. Diese Haftung darf wegen § 11 Nr. 8 AGBG jedoch nicht abbedungen werden. Alle Selbstbelieferungsvorbehalte, die in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen, sind damit unzulässig. Der Verwender darf also weder die Verzugsfolgen ausschließen noch die Verzugsherbeiführung verhindern. Demgegenüber scheinen Rücktrittsvorbehalte mit § 10 Nr. 3 AGBG in Einklang zu stehen. Eine restriktiv gefaßte Selbstbelieferungsklausel kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung angemessen sein, wenn sie die Haftung nur für den Fall ausschließt, daß der Verwender unverschuldet nicht rechtzeitig mit der richtigen für den Kunden bestellten Ware beliefert wird, sofern er diesen unverzüglich davon benachrichtigt 86. Sowohl die darin enthaltene Einschränkung von§ 279 BOB bei Gattungsschulden als auch die Abbedingung der Verantwortlichkeit für die Zuverlässigkeit des Vorlieferanten stehen danach der Angemes81 BGH, NJW 1967, 1903; MünchKomm/ Hanau, § 278, Rdn. 18. 82 RGZ 103, 180, 182; OLG Frankfurt, BB 1977, 13; Bunte, Handbuch, S. 99. 83 RGZ 103, 180, 182. 84 BGH, NJW 1983, 1320, 1321; 1985, 855; Saiger, WM 1985, 625, 626. ss OLG Frankfurt, BB 1977, 13. 86 BGH, NJW 1983, 1320; 1985, 855.

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senheit des Rücktrittsvorbehaltes gemäߧ 10 Nr. 3 AGBG nicht entgegen.Dagegen wandte sich bereits vor lokrafttreten des AGB-Gestzes Siepmann, der die Selbstbelieferungsklausel generell für unangemessen hielt 87. Dem AGB-Aufsteller gehe es mit der Selbstbelieferungsabrede nicht so sehr um die Ersparnis von Mühen bei der Suche nach anderen Einkaufsmöglichkeiten, sondern darum, nicht verpflichtet zu sein, bei Firmen Deckungskäufe vorzunehmen, die ihm höhere Einkaufskosten verursachen könnten 88 . Die durch den Vorbehalt hervorgerufene Benachteiligung des Kunden sei aber mit der meist nur geringfügigen Mehrbelastung des Verkäufers, die er durch die andererweitige Belieferung erleide, nicht zu rechtfertigen 89. Diese Kritik ist für den Verbraucherbereich berechtigt. Die Selbstbelieferungsklausel weicht erheblich stärker von der gesetzlichen Risikoverteilung ab als bloße Liefermöglichkeitsvorbehalte. Die Leistungsbefreiung tritt bereits ein, wenn der Lieferant den Verkäufer im Stich läßt, ohne daß sich letzterer bemühen muß, den Artikel anderweitig zu besorgen 90 • Dies widerspricht dem Leitbild des § 323 BGB, wonach der Schuldner nur bei Unmöglichkeit der Leistung frei wird. Der Selbstbelieferungsvorbehalt schließt nicht nur die Einstandspflicht nach§ 279 BGB aus. Er befreit den Schuldner schon dann, wenn weder objektive Unmöglichkeit noch Unvermögen vorliegt, sondern eine anderweitige Eindeckung problemlos, wenn auch vielleicht nur zu einem höheren Preis, möglich wäre 91 . Zwar wird das Interesse des Verbrauchers oft ohnehin dahin gehen, angesichts der weitgehenden Austauschbarkeil von Konsumgütern selbst die Vertragslösung herbeizuführen und sich ein gleichwertiges Produkt bei einem anderen Händler zu beschaffen. Bei Sachen, auf die der Konsument in seiner privaten Lebensführung angewiesen ist, kann das Erfüllungsinteresse allerdings auch einmal größer sein: Üblich sind Selbstbelieferungsvorbehalte beispielsweise in der Möbelbranche92. Bestellt der Kunde eine im einzelnen zusammengestellte komplette Einrichtung und kann der Verkäufer wegen des Ausfalls eines Lieferanten nicht leisten, so ist es ihm zumindest zuzumuten, sich um anderweitige Eindeckung zu bemühen. Es muß der Entscheidung des Verbrauchers überlassen werden, ob er auf Erfüllung besteht und vom Verkäufer weitere Anstrengungen fordert oder zurücktreten möchte. Die Abweichung von dem wesentlichen Grundgedanken des § 323 BOB läßt sich auch nicht mit berechtigten Verwenderinteressen rechtfertigen. Da Verbrau87 Siepmann, S. 54 ff. 88 Siepmann, S. 54. 89 Siepmann, S. 55.

BGH, WM 1968, 510, 511; Saiger, WM 1985, 625, 627. Saiger, WM 1985, 625, 627. 92 Vgl. die Rechtsprechung zu Selbstbelieferungsvorbehalten im Möbelhandel: BGH, NJW 1983, 1320; OLG Stuttgart, AGBE II, § 10, Rdn. 40; OLG Karlsruhe, AGBE I, § 11, Rdn. 69; LG Düsseldorf, AGBE II, § 10, Rdn. 38; LG Frankfurt, Bunte, Handbuch, S. 101; LG München, Bunte, Handbuch, S. 101. 90 9t

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chergeschäfte Massencharakter haben, ist das mit der Vomahme eines einzelnen Vertrages verbundene finanzielle Risiko für den Händler nicht so hoch, daß ihn eine kostenungünstige anderweitige Eindeckung stark belasten würde. Gegen unzumutbare Mühen bei der Ersatzbeschaffung schützt ihn aber bereits eine Liefermöglichkeitsklausel in ausreichendem Maße. Hinzu kommt, daß der Verbraucher besonders schutzwürdig ist. Im kaufmännischen Bereich kann sich der Kunde den Einkaufskontrakt seines Vertragspartners vorlegen lassen 93 • Damit ist es ihm zum einen möglich nachzuprüfen, ob der Vertragspartner wirklich einen kongruenten Deckungsvertrag abgeschlossen hat; außerdem kann er sich notfalls die Ansprüche des Verkäufers gegen den Lieferanten auf Schadensersatz abtreten lassen, wenn letzterer unberechtigt die Lieferung unterlassen hat. Der geschäftsunkundige Verbraucher wird dagegen nicht in der Lage sein, die Kongruenz des Deckungsgeschäftes nachzuprüfen. Es bleibt ihm damit im vorprozessualen Bereich nichts anderes übrig, als dem Verkäufer, der sich auf den Vorbehalt beruft, zu glauben. Der Selbstbelieferungsvorbehalt ist daher als typisch handelsrechtliche Klausel nicht auf Geschäfte mit Endverbrauchern zugeschnitten 94 • d) Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

Anders sieht die Beurteilung im kaufmännischen Verkehr aus. Die typischerweise gebrauchte Kurzformel ,,richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten" wird von der Rechtsprechung und der überwiegenden Meinung in der Literatur zu Recht für zulässig gehalten 95 • Dies gilt unabhängig davon, ob die Klausel dem Verwender ein Vertragslösungsrecht gewährt oder nur die Einhaltung der Leistungszeit regelt. Allerdings wird der Schuldner durch einen Selbstbelieferungsvorbehalt nur von seiner Leistungspflicht frei, wenn er vor Vertragsschluß ein bestimmtes kongruentes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat, aus dem er die Ware zur Erfüllung seiner Verpflichtung erwartet und von dem Partner dieses Einkaufskontraktes im Stich gelassen wird 96• Hat der Verkäufer bei der Auswahl seines Lieferanten die handelsübliche Sorgfalt unterlassen oder trifft ihn an der Nichterfüllung sonst ein Verschulden, so kann er sich auf die Klausel ebenfalls nicht berufen 97 • Liesecke, WM Sonderbeilage 3/1978, S. 47. So auch Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 12; Schlosser I Coester-Waltjen, § 10 Nr. 3, Rdn. 35; a. A. Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 42; Staudinger I Schlosser, § 10 Nr. 3, Rdn. 16; Saiger, WM 1985, 625. 95 BGHZ 92, 396; Saiger, WM 1985, 625; Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 18; Löwe I von Westphalen, § 10 Nr. 3, Rdn. 79; Koch I Stübing, § 10 Nr. 3, Rdn. 19; MünchKomm/Kötz, § 10 AGBG, Rdn.16; Liesecke, WM Sonderbeilage 3/1978, S.47; für die Zeit vor lokrafttreten des AGB-Gesetzes grundlegend BGHZ 49, 388; a. A. nur Siepmann, S. 52 ff. 96 BGHZ 92, 396, 400 f. 97 BGHZ 92, 396, 402. 93

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Trotz des Widerspruches zum Grundgedanken der§§ 279, 323 BGB ist die Klausel nicht unangemessen. Denn im kaufmännischen Verkehr besteht eine stärkere Verzahnung der verschiedenen Absatzstufen. Der Händler, der Gattungsware wegen einer momentan günstigen Preissituation verkauft, hat das Gut oft noch nicht, sondern erwartet es erst aufgrundeines Einkaufskontraktes 98 • Er muß sich daher gegen das Risiko, daß ihn sein ansonsten zuverlässiger Lieferant im Stich läßt, schützen können. Die finanziellen Einbußen, die dem Verkäufer drohen, wenn er gezwungen ist, sich entsprechende Ware aus einer anderen Quelle zu besorgen, können beträchtlich sein. Insbesondere beim Import von Massengütern schließt der Verkäufer den Vertrag mit seinem Abnehmer oft nur deshalb ab, weil er sich aufgrund eines vorteilhaften Einkaufsvertrages günstig eindecken kann. Er hat damit ein legitimes Interesse, bei unverschuldeter Nichtbelieferung vom Vertrag Abstand zu nehmen. Hat der Lieferant des Verkäufers die Nichtleistung zu vertreten, so bleibt dem Abnehmer schließlich die Möglichkeit, sich eventuelle Schadensersatzansprüche vom Verkäufer abtreten zu lassen. Teilweise besteht ein Handelsbrauch, nach dem die Befreiung nur eintritt, wenn der Verkäufer den Einkaufskontrakt vorlegt und die Ansprüche auf Verlangen abtritt 99 • Zumindest ergibt sich aus dem Kaufvertrag aber eine entsprechende Nebenpflicht, deren Nichterfüllung ihrerseits Schadensersatzansprüche auslöst 100• Da die Klausel handelsüblich ist, brauchen auch die Beschränkungen im Anwendungsbereich nicht mit aufgeführt zu werden 101 • Man kann erwarten, daß ein Kaufmann die Besonderheiten kennt, die sich bei Vereinbarung eines Selbstbelieferungsvorbehalts nach den Grundsätzen der Rechtsprechung ergeben; zumindest besteht für ihn jedoch die Möglichkeit, sich ohne größere Schwierigkeiten im Konfliktfall bereits vorprozessual entsprechend zu informieren 102•

3. Höhere-Gewalt-Klauseln a) Bedeutung

Die einfache Klausel "Höhere Gewalt vorbehalten" kann dreierlei Bedeutung haben: Einmal ist als Rechtsfolge eine Leistungsbefreiung des Verwenders denkbar, zweitens kommt eine Verlängerung der Leistungszeit in Frage und drittens 98 Vgl. insbesondere den Sachverhalt bei BGH, WM 1985, 91; in BGHZ 92, 396 nicht vollständig abgedruckt. 99 Schlegelherger I Hefermehl, § 346, Rdn. 87; Sieveking, § 38, Rdn. 13; Liesecke, WM Sonderbeilage 3/1978, S. 47; Gemeinschaftskommentar I Feddersen, § 346, Rdn. 29. 1oo So OLG Celle, DB 1974, 375. 101 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 79; Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 17; Saiger, WM 1985, 625. 102 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 79.

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kann die Klausel einen Ausschluß von Schadensersatzansprüchen wegen Verzuges oder Unmöglichkeit enthalten 103 . Die meisten in der Praxis vorkommenden Höhere-Gewalt-Klauseln konkretisieren daher die Rechtsfolge, indem sie eine oder mehrere dieser Wirkungen benennen. In vielen AGB, vor allem aber in Konditionenempfehlungen der Wirtschaftsverbände, sind für Fälle höherer Gewalt "angemessene Fristverlängerungen" vorgesehen 104. Ein Vertragslösungsrecht wird teilweise nur dem Verwender selbst 105, teilweise aber auch dem Vertragspartner106 zugebilligt. In anderen Klauseln findet sich der Vorbehalt einer automatischen Leistungsbefreiung des Verwenders, ohne daß die Ausübung eines Rücktrittsrechts nötig ist 107. Einige Bestimmungen erweitern den Begriff der höheren Gewalt, indem sie Betriebsstörungen oder Materialmangel in den Wirkungen der höheren Gewalt gleichstellen, oder sie beziehen auch Ereignisse mit ein, die bei Dritten, wie beispielsweise Zulieferern, eintreten 108 .

b) BegritT und Rechtsfolgen höherer Gewalt

Der Begriff der höheren Gewalt, der in formularmäßigen Freizeichnungen häufig zur Rechtfertigung der nicht rechtzeitigen Erfüllung oder der Nichterfüllung gebraucht wird, ist im BOB zwar an einigen Stellen genannt 109, jedoch nicht definiert. Nach Literatur und Rechtsprechung wird höhere Gewalt im haftungsrechtlichen Sinn durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Es muß sich um ein von außen auf den Betrieb einwirkendes außergewöhnliches Ereignis handeln, das trotz aller Sorgfalt unvorhersehbar ist und durch wirtschaftlich zurnutbare Vorkehrungen nicht abgewendet werden kann 110. Durch die Kriterien

103 Eberstein, S. 97; Bunte, Handbuch, S. 87. 104 So beispielsweise die Allgemeinen Bedingungen für die Lieferung von Maschinen, BAZ Nr. 75 vom 21.4.1977; die Allgemeinen Bedingungen für den Möbelhandel, BAZ Nr. 49 vom 11.3.1980 sowie die Allgemeinen Lieferbedingungen für Erzeugnisse der Elektroindustrie, BAZ Nr. 96 vom 27.5.1978. Eberstein, S. 45 und S. 97, empfiehlt die Verwendung einer Fristverlängerungsklausel für den kaufmännischen Verkehr. tos So beispielsweise die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das holz-und kunststoffverarbeitende Handwerk, BAZ Nr. 105 vom 20.12.1980; AGB einer Warenhauskette, OLG Koblenz, WM 1983, 1272. 106 Allgemeine Geschäftsbedingungen für das Elektroinstallateurhandwerk, BAZ Nr. 192 vom 11.10.1978. 101 Z.B. AGB eines Fabrikanten elektrischer Haushaltsgeräte, LG Dortmund, Bunte, Handbuch, S. 104: "Materialmange1 und Fälle höherer Gewalt oder Betriebsstörungen entbinden uns von der Einhaltung der Lieferfristen sowie nach unserer Wahl auch von unserer Lieferverpflichtung." 10s Löwe I von Westphalen, Großkommentar, A 8.3., Rdn. 15 sowie die Klausel unter Fn. 110. 109 Z. B. in §§ 203, 651 j und 701 BGB; vgl. auch § 454 HGB. 110 RGZ 9, 64; 101,94, 95; 158, 360; MünchKomm I Wolter, § 651 j, Rdn. 8; Palandt I Thomas, § 651 j, Anm. 2 b; Beitzke, DB 1967, 1751, 1752; zur teilweise abweichenden

III. Konkrete Prüfung gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln

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der Unvorhersehbarkeit und der Unvermeidbarkeit werden Ereignisse, die bei Vertragsschluß bereits vorliegen, und vom Schuldner selbst verschuldete Hindernisse ausgeschlossen. Da ein betriebsfremdes Ereignis Voraussetzung ist, liegt höhere Gewalt auch nicht vor, wenn der Schuldneraufgrund von Betriebsstörungen oder Arbeitskämpfen im eigenen Untemehmen nicht leisten kann 111 • Streitig ist allerdings, ob Streiks und Aussperrungen in einem Zulieferbetrieb als höhere Gewalt qualifiziert werden können, da es möglicherweise am Merkmal der Unvorhersehbarkeit fehlt 112• Bei einer Stückschuld muß der Schuldner im Falle höherer Gewalt niemals haften: Bei vorübergehender Unmöglichkeit der Leistung gerät er dann nicht in Verzug, endgültige Unmöglichkeit bewirkt nach§ 275 BGB Befreiung von der Schuld. Führt bei einer unbeschränkten Gattungsschuld ein unverschuldetes Leistungshindernis nur zu persönlichem Unvermögen, die Verbindlichkeit aus eigenen Beständen zu erfüllen, so bleibt der Schuldner weiterhin verpflichtet, sich andere Gegenstände aus der Gattung zu besorgen und haftet bei Nichterfüllung nach § 279 BGB. Da aber in einem solchen Fall die Leistung aus der Gattung möglich bleibt, liegt begrifflich keine höhere Gewalt hinsichtlich der Schuld vor 113 • Streitig ist, ob bei während des Verzuges eintretender höherer Gewalt § 287 S. 2 BGB eingreift: Während Fikentscher die Haftung vemeint 114 , wendet die herrschende Meinung§ 287 S. 2 BGB auch dann an, wenn die während des Verzuges eintretende Unmöglichkeit auf höherer Gewalt beruht 115 • Unstreitig auch bei höherer Gewalt greifen schießlieh die in § 361 BGB und anderen Sondervorschriften geregelten verschuldensunabhängigen Rücktrittsrechte ein.

c) Inhaltskontrolle im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr

Im Gegensatz zu den konkreten Störungsursachen, auf die sonstige AGBKlauseln abstellen, beinhaltet bereits der Begriff der höheren Gewalt, daß tatsächlich zumindest vorübergehend die Leistungserbringung verhindert wird. Daher weicht eine Klausel, die für diesen Fall die Verzugshaftung ausschließt, nicht von der gesetzlichen Regelung ab. Denn höhere Gewalt besagt nichts weiter, als Definition des Begriffs, wenn es um die Wahrnehmung von Rechtshandlungen innerhalb bestimmter Fristen geht, Staudinger I Dilcher, § 203, Rdn. 3. 111 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, A 8.3., Rdn. 7; Beitzke, DB 1976, 1751, 1753; OLG Schleswig, AGBE III, § 9, Rdn. 100. 112 Zum Streitstand im Reisevertragsrecht, MünchKomm I Wolter, § 651 j; Rdn. 11. 113 Zur Auslegung Höherer-Gewalt-Klauseln durch das Schiedsgericht des WarenVereins der Harnburger Börse e.V., vgl. Straatmann I Ulmer, BD. 2, E 4 d Nr. 8; E 4 dNr. 9. 114 Fikentscher, § 45 III 1 e. 115 Ausdrücklich Soergel I Wiedemann, § 287, Rdn. 5; wohl auch Staudinger I Löwisch, § 287, Rdn. 4; MünchKomm/Walchshöfer, § 287, Rdn. 3.

156

G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

daß der Schuldner durch ein auf jeden Fall unverschuldetes Ereignis an der Erbringung der Leistung gehindert ist. Da Verzug nicht eintreten kann, verstößt die Bestimmung nicht gegen § 11 Nr. 8 AGBG 116• Weil auch die Haftung nach § 279 BGB durch eine Höhere-Gewalt-Klausel unberührt bleibt, läge ihre einzige Freizeichnungswirkung im Ausschluß des § 287 S. 2 BGB. Ohne einen entsprechenden Zusatz ist jedoch die Geltung während eines bereits bestehenden Leistungsverzuges regelmäßig ohnehin zu verneinen 117• Im Hinblick auf§ 11 Nr. 8 AGBG sind derartige Klauseln daher unbedenklich aber hinsichtlich der Verzugshaftung auch ohne Wirkung. Sie könnten nur bei Werkverträgen dazu dienen, die Folgen des § 636 BGB abzubedingen. Ein Rücktrittsvorbehalt bei höherer Gewalt hat, sofern endgültige Unmöglichkeit vorliegt, ebenfalls nur deklaratorische Bedeutung. Der Begriff der höheren Gewalt schließt aber noch nicht mit ein, daß die Leistung auch wirklich endgültig unmöglich wird. Da bei der Inhaltskontrolle nach § lO Nr. 3 AGBG das Leitbild des § 323 BGB zu beachten ist, kann ein nur vorübergehendes Leistungshindernis grundsätzlich keine Befreiung rechtfertigen 118• Enthält die Klausel aber einen Zusatz, daß sie nur bei endgültiger Unmöglichkeit eingreift, dann gibt sie nur die gesetzliche Regelung wieder. Der einzige Anwendungsbereich einer entsprechend formulierten Höhere-Gewalt-Klausel kann darin bestehen, dem Verwender bei einer vorübergehenden Störung nach einer gewissen Dauer ein Lösungsrecht zu geben. Das Interesse, den Schwebezustand nach einer bestimmten Zeit zu beenden, begründet in diesem Fall die Angemessenheit im Sinne von § lO Nr. 3 AGBG. Ein Rücktrittsvorbehalt, der dem Verwender nach einer festgelegten Frist im Falle höherer Gewalt ein Vertragslösungsrecht gibt, ist daher zulässig.

d) Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

Diese Wertungen gelten auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr 119, wobei auch hier die Anforderungen an die Formulierungsgenauigkeit geringer sind als im Verbraucherbereich. Die einfache Kurzformel "Höhere Gewalt vorbehalten" ist danach unbedenklich. Daß ein Vertragslösungsrecht nur bei endgültigen oder 116 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, A 8.3.; OLG Karlsruhe, WRP 1981, 477; für Zulässigkeit nach Maßgabe richterlicher Inhaltskontrolle vor lokrafttreten des AGB-Gesetzes auch Siepmann, S. 51. 111 Beispiel für eine Klausel mit entsprechendem Zusatz: "Die Lieferfrist verlängert sich angemessen bei Eintritt unvorhergesehener Hindernisse, die außerhalb unseres Willens liegen, .. . und zwar auch dann, wenn sie während eines bereits eingetretenen Verzuges entstehen." Klausel aus dem Möbelhandel, LG München, BB 1979, 1789. 11s Ulmer I Brandner, § 10 Nr. 3, Rdn. 12 für Arbeitskampfklauseln. 119 Löwe I von Westphalen, Großkommentar, A 8.3., Rdn. 21.

III. Konkrete Prüfung gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln

157

doch relativ lang andauernden Hindernissen gegeben ist, braucht nicht gesondert kenntlich gemacht werden. 4. Arbeitskampfklauseln a) Bedeutung

In Höhere-Gewalt-Klauseln findet sich häufig auch ein Passus, mit dem das Risiko arbeitskampfbedingter Leistungsstörungen auf den Vertragspartner abgewälzt werden soll 120• Solche Bestimmungen enthalten neben höherer Gewalt, Streik und Aussperrung oft noch eine ganze Palette weiterer Gründe für Lieferverzögerungen, die eine Verlängerung der Leistungsfrist rechtfertigen sollen. Eine typische Klausel findet sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf fabrikneuer Kraftfahrzeuge: "Höhere Gewalt, Aufruhr, Streik, Aussperrung und unverschuldete erhebliche Betriebsstörungen verändern die . .. genannten Termine um die Dauer der durch diese Umstände bedingten Leistungsstörungen." 121 Solche Regelungen erfassen meist sowohl Streik als auch Aussperrung und schließen überwiegend auch Arbeitskämpfe in Drittbetrieben mit ein. Für diese Fälle sehen sie dann entweder Fristverlängerungen oder nach Wahl des Schuldners Vertragslösungsrechte vor 122• b) Arbeitskampfbedingte Leistungsstörungen und ihre Haftungsfolgen

Die Frage der Einstandspflicht des Schuldners für arbeitskampfbedingte Leistungsstörungen ist seit langem umstritten. Die Rechtsprechung hat sich dabei in jüngster Zeit vor allem mit der Problematik beschäftigt, ob ein Reiseveranstalter für streikbedingte Verzögerungen der Flugbeförderung haften muß 123 • Aber auch im Zusammenhang mit den Druckerstreiks im Zeitungsverlagswesen Ende der siebziger Jahre ist dieser Streit relevant geworden 124• Die vielen zu dem Problemkreis geäußerten Auffassungen lassen sich in drei große Gruppen aufteilen 125 : Vor allem zum Reisevertragsrecht wird die Meinung vertreten, kollektives Arbeitsrecht und ziviles Vertragsrecht seien strikt zu trennen, so daß die Rechtmäßigkeit des Arbeitskampfes das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und seinen Gläubigern nicht berühre. Die durch die vorsätzliche Arbeitsverweigerung seiner

120 121 122 123 124 125

Löwisch, BB 1974, 1493; Schmid, NJW 1979, 15. Reinking I Eggert, S. 230 ff. Vgl. die Klauselempfehlungen bei Hägele, S. 89 und Eberstein, S. 101. LG Frankfurt, NJW 1980, 1696; LG Frankfurt, NJW-RR 1987, 823. Dazu Schmid, NJW 1979, 15 ff. Ausführlicher Überblick über den Streitstand bei Adam, S. 14 ff.

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

Erfüllungsgehilfen verursachte Leistungsstörung habe der Schuldner daher gemäß § 278 BGB zu vertreten 126• Nach heute überwiegender Meinung muß allerdings der rechtmäßige Arbeitskampf als anerkanntes Mittel zur Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auch von den Vertragspartnern eines Betroffenen hingenommen werden 127 • Einige Autoren verneinen das Verschulden des Arbeitgebers, weil ihm ein Nachgeben im Tarifkonflikt nicht zurnutbar sei 128 • Da der Schuldner den Streik als legitimes Mittel des Arbeitskampfes hinnehmen müsse, könne ihm dieses Verhalten der Erfüllungsgehilfen auch nicht nach§ 278 BGB zugerechnet werden 129• Andere gehen von einem Vorrang des kollektiven Arbeitsrechts aus, das die zivilrechtliehen Pflichten überlagere. Verletzungen schuldrechtlicher Verträge könnten daher in den Fällen rechtmäßiger Arbeitskampfmaßnahmen auch aus haftungsrechtlicher Sicht nicht als rechtswidrig angesehen werden 130• Ist die Störung auf einen Arbeitskampf in einem Zulieferbetrieb zurückzuführen, muß der Schuldner weder für die Folgen rechtmäßiger noch rechtswidriger Streiks oder Aussperrungen haften, da die Lieferanten und deren Arbeitnehmer nicht als seine Erfüllungsgehilfen anzusehen sind 131 • Nach wie vor umstritten ist allerdings wieder die Frage, ob und gegebenenfalls wieweit der Arbeitgeber für einen rechtswidrigen Streik seiner Arbeitnehmer gegenüber den Gläubigem einstehen muß. Einige Autoren befürworten bei arbeitskampfrechtlicher Unzulässigkeil der Maßnahme eine Haftung des Schuldners aufgrund von § 278 BGB 132 • Eine andere Auffassung verneint grundsätzlich die Erfüllungsgehilfenschaft der Arbeitnehmer während eines Streiks. § 278 BGB soll danach nur dann ausnahmsweise anwendbar sein, wenn die Beteiligten in Zusammenhang mit dem Arbeits126 LG Frankfurt, NJW 1980, 1696; LG Frankfurt, NJW-RR 1987, 823; Löwe, BB 1979, 1357, 1364;8/aurock I Wagner, Jura 1985, 169, 173; ähnlich ältere Stellungnahmen von Bulla, DB 1963, 75 und Brendel, S. 34 ff. 121 Hueck I Nipperdey, S. 957; Hohn, DB 1965, 501; Lauschke, DB 1966, 137, 143; Löwisch, AcP 1974, 202; ders., BB 1974, 1493, 1495; Schmid, NJW 1979, 15 f.; Berger, S. 199 ff.; Pietras, S. 66 ff.; Richardi, JuS 1984, 825, 829; Brox I Rüthers I Schlüter, Rdn. 384;Däublerl Colneric,Rdn. 838;Adam,S. 510 ff.; Wolf,§ 9,Rdn. A 125; Ulmerl Brandner, Anhang§§ 9- 11, Rdn. 100; Palandt I Heinrichs,§ 278, Anm. 3 a; Teichmann, Leistungsstörungen, S. 114. 128 Hohn, DB 1965, 501; Lauschke, DB 1966, 137, 143; Pietras, S. 66 ff.; Richardi, JuS 1984, 825, 829; Däubler I Colneric, Rdn. 838; Teichmann, Leistungsstörungen,

s. 114 ff.

So insbesondere Lauschke, DB 1966, 137. Löwisch, AcP 174, 202, 233 ff.; Hueck I Nipperdey, S. 957; Schmid, NJW 1979, 15; Brox I Rüthers I Schlüter, Rdn. 384; Berger, S. 199 ff.; Adam, S. 510 ff. ; Ulmer I Brandner, Anhang §§ 9 - 11, Rdn. 100; Wolf, § 9, Rdn. A 125. 131 MünchKomm I Hanau, § 278, Rdn. 12, 18. m MünchKomm I Hanau, § 278, Rdn. 13; Berger, S. 193 ff.; Wolf, § 9, Rdn. A 126; Palandt I Heinrichs, § 278, Anm. 3 a. 129

130

III. Konkrete Prüfung gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln

159

kampf gewisse Sorgfaltspflichten verletzen und dem Vertragspartner dadurch zusätzliche Schäden entstehen 133 • Schadensersatzpflichtig macht sich der Arbeitgeber jedoch unstreitig bei Lieferstörungen, die durch seine Beteiligung an einer unzulässigen Aussperrung hervorgerufen werden 134• Den Schuldner trifft bei arbeitskampfbedingten Leistungsstörungen ein Übernahmeverschulden, falls er trotz der Erkennbarkeit einer bevorstehenden Auseinandersetzung Verpflichtungen eingegangen ist, die er nun nicht mehr einhalten kann. Hat er zurnutbare Maßnahmen im Vorfeld des Arbeitskampfes unterlassen, um Lieferstörungen zu verhindern, so ist ein sogenanntes Vorsorgeverschulden gegeben. Schließlich haftet der Arbeitgeber auch dann, wenn er nach Eintritt der Konfliktsituation eine Möglichkeit nicht wahrgenommen hat, drohenden Schaden anders als gerade durch Nachgeben im Arbeitskampf abzuwenden, sogenanntes Abwendungsverschulden 135 • Wieweit solche Vorsorge- oder Abwendungspflichten gehen, ist im einzelnen jedoch sehr umstritten 136• Eine besondere Situation ergibt sich außerdem auch hier aufgrund von § 279 BGB für den Gattungsschuldner. Ist der geschuldete Gegenstand nur der Gattung nach bestimmt, hat die Verbindlichkeit den Charakter einer Beschaffungsschuld, so daß der Arbeitgeber auch unverschuldete Störungen zu vertreten hat, solange die entsprechende Gattung noch auf dem Markt vorhanden ist 137 • Allerdings ist bei Lieferpflichten aus eigener Produktion im Zweifel eine Beschränkung der Schuld auf die Eigenerzeugnisse des Arbeitgebers anzunehmen 138 • Dieser muß sich daher als Eigenproduktion geschuldete Ware nicht anderweitig beschaffen, sondern lediglich seine wirtschaftliche und finanzielle Kraft einsetzen, um die Produktion aufrechtzuerhalten oder wieder in Gang zu setzen 139 • Kann der Unternehmer seinen Verpflichtungen aus dem Grunde nicht nachkommen, weil die Fabrikation infolge eines Streiks zum Stillstand gekommen und sein Vorrat erschöpft ist, besteht für die Anwendung von § 279 BGB daher kein Raum mehr 140• c) Inhaltskontrolle im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr

Eine Klausel, die für den Fall eines Arbeitskampfes eine Fristverlängerung vorsieht oder in sonstiger Weise das Rücktrittsrecht und die Schadenser133 Löwisch, AcP 174, 202, 251; Richardi, JuS 1984, 825, 832; Ulmer I Brandner, Anhang §§ 9- 11, Rdn. 100. 134 Ulmer I Brandner, Anhang §§ 9 - 11, Rdn. 100. 135 Zum Übernahme-, Vorsorge- und Abwendungsverschu1den vg1. Löwisch, AcP 174, 202, 241; Brox I Rüthers I Schlüter, Rdn. 381; Wolf, § 9, Rdn. A 127. 136 Gegen eine zu weitgehende Vorsorgepflicht Richardi, JuS 1984, 825, 828. 137 Löwisch, AcP 174, 202, 250; Richardi, JuS 1984, 825, 826. 138 Palandt I Heinrichs, § 243, Anm. 1 c. 139 Strempel, S. 99; Pietras, S. 120. 140 Strempel, S. 99.

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

Satzansprüche des Vertragsprtners einschränkt, muß § 11 Nr. 8 AGBG entsprechen. Ohne nähere Eingrenzungen ist eine generelle Freizeichnung für Arbeitskämpfe danach unwirksam. Bei der Auslegung einer solchen Klausel ist der objektive Inhalt maßgeblich, wobei von der Verständnismöglichkeit eines Durchschnittskunden auszugehen ist 141 • Da der Verbraucher aber keinerlei Hintergrundinformationen zu Arbeitskampfklauseln besitzt, muß er davon ausgehen, die Leistungsbefreiung solle auch dann eintreten, wenn trotzdes Streiks die Lieferung pünktlich erfolgen könnte oder den Verwender ein Verschulden an der arbeitskampfbedingten Störung trifft 142 • Bei einer Stück- oder Vorratsschuld ist eine Klausel dann nicht zu beanstanden, wenn sie die Verzugsfolgen für den Fall ausschließt, daß der Arbeitskampf zu einem unverschuldeten vorübergehenden Leistungshindernis führt 143 • Um§ 9 AGBG zu genügen, sollte jedoch auch eine Höchstfrist vorgesehen werden, nach deren Ablauf dem Kunden die Möglichkeit gegeben wird, sich von dem Vertrag zu lösen. Die Klausel ist dann zwar zulässig, unter Zugrundelegung der herrschenden Meinung kommt ihr jedoch nur deklaratorische Bedeutung zu 144• Eine Bestimmung, die für den Fall einer arbeitskampfbedingten Leistungsstörung ein Vertragslösungsrecht vorsieht, scheitert schon deshalb häufig an § 10 Nr. 3 AGBG, weil Streik und Aussperrung die Leistung regelmäßig nur vorübergehend unmöglich machen 145 • Etwas anderes gilt dann, wenn etwa bei einer absoluten Fixschuld durch die Verzögerung Unmöglichkeit eintritt1 46• Weniger strenge Anforderungen können dann zu stellen sein, wenn der Verwender in seiner Klausel auch für seinen Vertragspartner ein Rücktrittsrecht vorsieht. Da es diesem dann überlassen bleibt, den Schwebezustand zu beenden, wird die benachteiligende Wirkung des Vorbehalts abgemildert. Diese }\ompensation ist bei der Angemessenheitskontrolle nach§ 10 Nr. 3 AGBG mit zu berücksichtigen. Insgesamt muß jedoch auch für Arbeitskampfklauseln der Spielraum, den §§ 10 und 11 AGBG gewähren, als sehr eng angesehen werden. d) Inhaltskontrolle im kaufmännischen Geschäftsverkehr

Die Kommentarliteratur zum AGB-Gesetz nimmt bei der Bewertung von Arbeitskampfklauseln keine Differenzierung zwischen dem kaufmännischen und dem nichtkaufmännischen Bereich vor 147 • Ulmer, § 5, Rdn. 14. Wolf, § 9, Rdn. A 129; Ulmer I Brandner, Anhang §§ 9- 11, Rdn. 104. 143 Ulmer I Brandner, Anhang§§ 9- 11, Rdn. 103; Staudinger I Schlosser, § 10 Nr. 3, Rdn. 20. 144 Vgl. Brox I Rüthers I Schlüter, Rdn. 396; Adam, S. 559. 145 BGH, NJW 1985, 855; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, § 10 Nr. 3, Rdn. 56; Ulmer I Brandner, Anhang §§ 9 - 11, Rdn. 103; Staudinger I Schlosser, § 10 Nr. 3, Rdn. 20. 146 Nastelski, JuS 1962, 289, 295. 141

142

III. Konkrete Prüfung gebräuchlicher Freizeichnungsklauseln

161

Demgegenüber empfiehlt ein Teil des arbeitsrechtlichen Schrifttums weitgehende Freizeichnungen als geeignete Vorsorgemaßnahme, um der Inanspruchnahme durch Vertragspartner im Falle einer arbeitskampfbedingten Leistungsstörung zu begegnen 148 • Da die Klauseln diese Funktion aber nur erfüllen können, wenn die engen Maßstäbe der Inhaltskontrolle der §§ 10 und 11 AGBG nicht auf den kaufmännischen Verkehr übertragen werden, impliziert diese Auffassung eine großzügigere Bewertung. Ähnlich argumentiert Pietras, der allerdings zwischen Streik und Aussperrung unterscheidet 149• Während die Freizeichnung von den Folgen der Kampfmaßnahme der Arbeitnehmer durchaus legitim sei, beeinträchtige ein Haftungsausschluß für die Folgen eigener Maßnahmen die Arbeitskampfparität 150• Dadurch würden die Arbeitnehmer benachteiligt, weil ihnen für die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten eine adäquate Möglichkeit fehle Isi. Dieses Bedürfnis nach einer formularmäßigen Regelung ist bereits ein Indiz für eine sachliche Rechtfertigung von Arbeitskampfklauseln. Ausgangspunkt bei der Beurteilung müssen zwar die den §§ 11 Nr. 8 und 10 Nr. 3 AGBG zugrunde liegenden Wertungen sein, die, wie oben dargestellt, größtenteils auch im kaufmännischen Verkehr Geltung beanspruchen können. Sie entfalten hier jedoch nur indizielle Wirkung im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG, die widerlegbar ist 152• Gemäß § 24 S. 2 AGBG ist dabei auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen. Die Interessenlage bei streikbedingten Leistungsstörungen ist aber.im kaufmännischen Bereich nicht mit derjenigen in Verbrauchergeschäften vergleichbar. Arbeitskämpfe gehören heute zum selbstverständlichen Risiko eines jeden Unternehmens, so daß jeder Arbeitgeber betroffen sein kann 153 • Ist auch der Vertragspartner Kaufmann, wird auch er bei der Erfüllung seiner Vertragspflichten Arbeitnehmer einsetzen. Dem Arbeitskampfrisiko sind damit grundsätzlich beide Seiten gleichermaßen ausgesetzt. Beim Lieferanten treten Lieferverzögerungen auf, während der Gläubiger daran gehindert sein kann, Warenlieferungen oder Dienstleistungen abzunehmen, weil ihm die dazu erforderlichen Arbeitskräfte fehlen 154• Berücksichtigt der Aufsteller Allgemeiner Geschäftsbedingungen daher auch das Arbeitskampfrisiko seines Vertragspartners, so stellt eine Freizeichnung nicht a priori eine gegen Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung dar. 147 Ulmer I Brandner, Anhang§§ 9 - 11, Rdn. 104; Löwe I von Westphalen, Großkommentar, A 8.3., Rdn. 21; Wolf, § 9, Rdn. A 121 ff.; Bunte, Handbuch, S. 102 f. 148 Löwisch, AcP 174, 202, 252, 255; Richardi, JuS 1984, 825, 828; Strempel, S. 121; vgl. auch die Klauselempfehlung bei Eberstein, S. 101 f. 149 Pietras, S. 171 ff. ISO Pietras, S. 176. 151 Pietras, S. 176. 152 Becker, S. 51 ff. 153 Brox IRüthers I Schlüter, Rdn. 393. !54 Löwisch, AcP 174, 202, 253 ff.; ders., DB 1974, 1493.

II Keim

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

Außerdem sind die finanziellen Einbußen, die durch einen Arbeitskampf verursacht werden können, für die Beteiligten vorher schwer abschätzbar. Da sich eine Versicherung dieses Risikos im allgemeinen Versicherungsgeschäft in Deutschland bisher nicht durchsetzen konnte 155 , besteht ein erhebliches Bedürfnis nach einer Regelung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen. Denn solange der Umfang der Einstandspflicht für streik- und aussperrungsbedingte Leistungsstörungen nicht höchstrichterlich geklärt ist, bleiben Haftungsausschlüsse praktisch die einzig mögliche Vorsorgemaßnahme des Unternehmers. Schließlich ist auch die Frage, wann ein Verschulden im Zusammenhang mit Streiks und Aussperrungen gegeben ist, sehr umstritten. Für beide Teile kann daher eine eindeutige formularmäßige Regelung vorteilhafter sein als eine unklare Rechtslage, die möglicherweise in einen Prozeß mit ungewissem Ausgang mündet. So kommt wohl auch eine gewisse Akzeptanz gegenüber Freizeichnungen darin zum Ausdruck, daß die Zulässigkeil von Arbeitskampfklauseln im kaufmännischen Verkehrtrotz der großen Verbreitung 156 bisher kaum jemals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen ist 157 • Der Unternehmer kann mit ihnen ohnehin nur einen Teil seiner durch Streik und Aussperrung bedingten Schäden auf den Vertragspartner abwälzen, da die drohenden Ersatzansprüche nur eine von vielen Vermögenseinbußen darstellt, die durch einen Arbeitskampf entstehen. Danach ist ein Haftungsausschluß auch für leicht fahrlässiges Verschulden, der auch das Arbeitskampfrisiko des Abnehmers berücksichtigt, als mit § 9 AGBG vereinbar anzusehen 158• Entgegen der Auffassung von Pietras kann bei der Beurteilung auch nicht zwischen Streik und Aussperrung differenziert werden. Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen bezweckt ausschließlich den Schutz des anderen Vertragspartners, so daߧ 9 AGBG auch nur auf dessen unangemessene Benachteiligung abstellt. Das vorgebrachte Argument der Störung der Kampfparität durch entsprechende Klauseln betrifft aber das Verhältnis zwischen dem Schuldner und seinen Arbeitnehmern. Da diese nicht Vertragspartei sind, müssen ihre Interessen bei der AGB-Kontrolle außer Betracht bleiben. Vor allem im Bereich der strittigen Probleme des Übernahme-, Vorsorge- und Abwendungsverschuldens werden durch diese Freizeichnungen Konflikte vermieden. Aber auch die oft erst lange Zeit nach dem Tarifkonflikt von den Arbeitsgerichten entschiedenen Fragen nach der Zulässigkeil einzelner Kampfmaßnahmen müssen so nicht parallel auch von den Zivilgerichten in Schadensersatzprozessen geklärt werden. Denn ist der Streik arbeitskampfrechtlich unzuläsLöwisch, AcP 174, 202, 213; Pietras, S. 177 ff. Löwisch, DB 1974, 1493; für das Zeitungsgewerbe Schmid, NJW 1979, 15; für das Bankgewerbe vgl. Ziff. 25 II der AGB der privaten Banken, Berger, S. 210. 157 Vgl. Löwisch, AcP 174, 202, 223. 158 So auch im Ergebnis Löwisch, DB 1974, 1493, 1498, der allerdings nicht zwischen 155

156

kaufmännischen und nichtkaufmännischem Bereich differenziert.

IV. Nutzen spezieller Freizeichnungen für den Verwender

163

sig, dann kann den Arbeitnehmern, die in gutem Glauben dem Streikaufruf ihrer Gewerkschaft gefolgt sind, bestenfalls leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden. Selbst wenn man sie also auch während des Ausstands noch als Erfüllungsgehilfen qualifiziert, führt dies bei entsprechender Freizeichnung nicht zur Haftung des Unternehmers. Für den atypischen Fall rechtswidriger Arbeitskämpfe ist der Risikominderungswert allerdings nur begrenzt: Bei einer unzulässigen Aussperrung wird meist eigenes grobes Verschulden des Arbeitgebers vorliegen 159, und eine Freizeichnung von den Folgen wilder Streiks ist, sofern man die Anwendung des § 278 befürwortet, nicht möglich, da die beteiligten Arbeitnehmer vorsätzlich handeln. Eberstein schlägt für den kaufmännischen Bereich folgende Klausel vor: "Auch im Falle von Streik und Aussperrung verlängert sich, wenn die Lieferung oder Leistung nicht unmöglich wird, die Lieferfrist in angemessenem Umfang. Wenn die Lieferung oder Leistung unmöglich wird, wird der Lieferant von der Lieferverpflichtung frei. Verlängert sich in den oben genannten Fällen die Lieferzeit oder wird der Lieferant von der Lieferverpflichtung frei, so entfallen etwaige hieraus hergeleitete Schadensersatzansprüche und Rücktrittsrechte des Abnehmers. Treten die vorgenannten Umstände beim Abnehmer ein, so gelten die gleichen Rechtsfolgen auch für seine Abnahmeverpflichtung. Auf die hier genannten Umstände kann sich jedoch der Lieferant nur berufen, wenn er den Abnehmer unverzüglich benachrichtigt. Unterläßt er dies, so treten die ihn begünstigenden Rechtsfolgen nicht ein." 160 Diese Klausel ist angemessen. Sie sieht ein Lösungsrecht auch für den Gläubiger bei Abnahmestörungen vor und läßt die Befreiung nur eintreten, wenn der Schuldner seinen Vertragspartner unverzüglich von der Lieferstörung benachrichtigt. Da der Fall eines groben Streikverschuldens des Arbeitgebers die Ausnahme darstellt, ist eine ausdrückliche Beschränkung der Freizeichnungswirkung auf leichte Fahrlässigkeit nicht unbedingt nötig 16 1.

IV. Nutzen spezieller Freizeichnungen für den Verwender 1. Verwendung gegenüber Verbrauchern Die strikte Regelung des § 11 Nr. 8 AGBG hat zur Folge, daß alle Klauseln, die für den Fall einer vorübergehenden Leistungsstörung Fristverlängerungen 159 So auchLöwisch, DB 1974, 1493, 1499. Sofern Vorsatz des Unternehmers gegeben ist, scheitert eine Freizeichnung, selbst wenn sie durch Individualvereinbarung vorgenommen wird, da bereits § 276 Abs. 2 BGB entgegensteht. 160 Eberstein, S. 102. 161 Siehe oben II 1. Ein solcher Passus ist jedoch "sicherheitshalber" auf jeden Fall empfehlenswert.

11*

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

vorsehen oder Schadensersatzansprüche in sonstiger Weise ausschließen, sofern sie die Verzugshaftung tangieren, automatisch unwirksam sind. Eine echt risikobeschränkende Funktion kann ihnen daher nur bezüglich der Folgen nicht zu vertretender Leistungsverzögerungen zukommen, soweit diese formularmäßig abbedungen werden können. Der praktische Nutzen dieser Art von Freizeichnungen ist damit gering. Da im Verbandsverfahren nach§§ 13 ff. AGBG mehrdeutige Klauseln kundenfeindlich auszulegen sind, muß der Verwender seine AGB so formulieren, daß sie nach dem typischen Verständnis redlicher Vertragspartner im Falle zu vertretender Leistungsstörungen nicht eingreifen. Die hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Exaktheit derartiger Bestimmungen stellt, kommen darin zum Ausdruck, daß kaum eine Klausel bisher in einem Verbandsprozeß der Inhaltskontrolle standgehalten hat 162• Verglichen mit den sehr begrenzten Möglichkeiten einer echten Freizeichnung durch derartige Bestimmungen ist das Risiko einer Beanstandung sehr hoch. Es besteht sogar die Gefahr, daß eine ungenau formulierte Klausel in doppelter Weise für den Verwender nachteilig wirkt: Da gemäß § 5 AGBG im lndividualprozeß unklare AGB kundenfreundlich auszulegen sind 163 , kann das Gericht leicht zu dem Ergebnis kommen, es liege lediglich eine deklaratorische Regelung vor. Trotzdem ist es möglich, daß die gleiche Klausel im Verbandsverfahren beanstandet wird, wo im Zweifel von der kundenfeindlichsten Interpretation auszugehen ist 164 • Der Aufsteller Allgemeiner Geschäftsbedingungen sollte sich sehr genau überlegen, ob er diese Form der Freizeichnung, die an den Bedürfnissen des kaufmännischen Verkehrs orientiert ist, auch gegenüber Verbrauchern verwenden soll. Bestenfalls ein genau formulierter Rücktrittsvorbehalt kann wegen der Wertungsmöglichkeit des § 10 Nr. 3 AGBG von gewissem Nutzen sein. 2. Verwendung gegenüber Kaufleuten a) Risikominderung

Der flexiblere Maßstab der Generalklausel des § 9 AGBG und die größere Formulierungstoleranz im kaufmännischen Verkehr bewirken, daß die gängigen auf spezielle Störungen abstellenden Freizeichnungsklauseln auch unter Geltung des AGB-Gesetzes noch von Nutzen sind. Durch die Verwendung gebräuchlicher, typisierter Formeln ist es im kaufmännischen Verkehr leichter, den vorhandenen Vgl. z.B. die Übersicht bei Bunte, Handbuch, S. 101 f. und 103 ff. Ulmer, § 5, Rdn. 4. 164 H. M.: Ulmer, § 5, Rdn. 33; Wolf, § 5, Rdn. 32; Löwe, Großkommentar, § 13, Rdn. 28; Palandt I Heinrichs, § 5 AGBG, Anm. 4 a; Koch I Stübing, § 13, Rdn. 7; a. A. Sambuc, NJW 1981, 313, 314. 162 163

IV. Nutzen spezieller Freizeichnungen für den Verwender

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Spielraum auszunutzen, ohne Gefahr zu laufen, durch Nachlässigkeiten bei der Formulierung den zulässigen Rahmen unbeabsichtigt zu überschreiten. Schließlich kann selbst rein deklaratorischen Bestimmungen bei Verwendung gegenüber Kaufleuten ein eigener Regelungsgehalt zukommen. Gebraucht nämlich der Vertragspartner ebenfalls Allgemeine Geschäftsbedingungen, so kommt nach der neueren Rechtsprechung dispositives Recht zur Anwendung, wenn sich die jeweiligen Klauselwerke widersprechen 165 • Nach wie vor nicht genaugeklärt ist jedoch die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Widerspruch anzunehmen ist. Keine Einigkeit besteht insbesondere hinsichtlich der Konstellation, daß zu einem bestimmten Punkt nur die AGB des einen Teils eine Regelung enthalten, während die der anderen Seite dazu schweigen 166• Ob dann immer dispositives Recht zur Anwendung kommt oder im Einzelfall von einem stillschweigenden Einverständnis des anderen Teils mit der einseitig geregelten Klausel ausgegangen werden kann, hängt nach der Rechtsprechung von dessen durch Auslegung er ermittelnden Willen ab 167 • Nach einer verbreiteten Literaturmeinung sollenjedenfalls bandesübliche Bestimmungen auch Vertragsinhalt werden können, wenn sie für den schweigenden Teil belastend sind 168 • Um diese Konsequenz sicher zu vermeiden, ist es ratsam, den Widerspruch auch durch eine nur der gesetzlichen Regelung entsprechende AGB-Klausel zum Ausdruck zu bringen. So können beispielsweise die Einkaufsbedingungen des Vertragspartners eine Bestimmung enthalten, nach der streikbedingte Verzögerungen zu vollem Schadensersatz verpflichten. Besagt nun eine Klausel in den Lieferbedingungen des Schuldners, er habe für unverschuldete Folgen rechtmäßiger Arbeitskampfmaßnahmen nicht einzustehen, dann verhindert dies auf jeden Fall die Einbeziehung der widersprechenden Regelung aus den Käufer-AGB. b) Rechtssicherheit

Da die Rechtsbeziehungen unter Kaufleuten häufig erheblich komplexer sind als Geschäfte mit Verbrauchern, besteht hier ein erheblich größeres Bedürfnis nach Rechtssicherheit 169• Um diese zu gewährleisten, sind gegenüber den abstrakt 165 BGH, BB 1974, 1136, 1137; BGH, WM 1977, 451 , 452; 555, 556; BGH, NJW 1980, 449; 1985, 1838, 1839. 166 Die Geltung auch einseitiger Regelungen halten für möglich: Löwe I von Westphalen, § 2, Rdn. 47; Staudinger I Schlosser,§ 2, Rdn. 80; Wolf, § 2, Rdn. 79; Schlechtriem, FS Wahl, S. 67, 78; ders., FS von Caemmerer, S. 1, 13 ff.; von Westphalen, DB 1976, 1317, 1320; Medicus, BR, Rdn. 75; a. A. Ebel, NJW 1978, 1036; Striewe, JuS 1982, 732; gegen die Einbeziehung auch übereinstimmender Klauseln Emmerich, JuS 1972, 365 ff. 167 So BGH, NJW 1985, 1838, 1839. 168 Löwe I von Westphalen, § 2, Rdn. 47; Ulmer, § 2, Rdn. 104; Schlechtriem, FS von Caemmerer, S. 1, 15; a. A. Staudinger I Schlosser, § 2, Rdn. 85. 169 Raiser, S. 92.

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G. Freizeichnungen von den Folgen bestimmter Leistungshindernisse

gehaltenen dispositiven Normen spezielle Regelungen erforderlich. AGB-Klauseln, die die Rechtsfolgen ganz bestimmter Leistungshindernisse zum Inhalt haben, erfüllen dabei daher eine wichtige Funktion. Je detaillierter die einzelnen Störungen dabei in der Klausel angegeben sind, desto größer ist der Nutzen einer derartigen Bestimmung zur klaren Festlegung der vertraglichen Risikoverteilung. Eine allgemeine Höhere-Gewalt-Klausel hat beispielsweise den Nachteil, daß die gleichen Streitigkeiten, die bei der Interpretation gesetzlicher Bestimmungen entstehen, in denen der Begriff gebraucht wird, nun bei der Auslegung der Klausel auftauchen 170• Es empfiehlt sich daher, die einzelnen Störungsursachen möglichst präzise aufzuführen. Geeignet sind aber auch Bestimmungen, die zwar abstrakt und knapp formuliert sind, deren Bedeutung im Handelsverkehr jedoch durch höchstrichterliche Rechtsprechung oder Handelsbrauch so gefestigt ist, daß Streitigkeiten bei der Auslegung nicht mehr auftreten.

110 Zu den Auslegungsstreitigkeiten bei der Höheren-Gewalt-Klausel Liesecke, WM Sonderbeilage 3/1978, S. 46.

H. Ergebnisse und Schlußbetrachtung I. Ergebnisse 1. Bereits die Gesetzessystematik des Rechts der Leistungsstörungen bedingt, daß vielfältige Möglichkeiten bestehen, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen die eigene Haftung wegen Leistungsverzuges einzuschränken. Die in der Praxis verwandten Klauseln schließen entweder explizit die Verzugsfolgen aus, oder aber sie verhindern bzw. erschweren bereits die Verzugsherbeiführung. Neben AGB, die pauschal die Einstandspflicht für Verzögerung einschränken, sind auch Freizeichnungen für den Fall des Eintritts bestimmter Leistungshindernisse gebräuchlich. 2. Die Vorschrift des § 11 Nr. 8 a AGBG verbietet im nichtkaufmännischen Bereich jegliche Beeinträchtigung des dem Gläubiger gemäß § 326 BGB zustehenden Vertragslösungsrechts durch Allgemeine Geschäftsbedingungen. Eine Ausnahme ist lediglich aufgrundder Wertung des§ 11 Nr. 16 AGBG für Klauseln zu machen, die für die Ausübung des Rücktritts Schriftform verlangen. 3. Nach § 11 Nr. 8 b AGBG darf der Anspruch auf Schadensersatz ebenfalls nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Regelung trifft damit auch eine Aussage über den Verschuldensmaßstab, so daß Schadensersatzansprüche auch bei leichter Fahrlässigkeit nicht gänzlich abbedungen werden können. Erfaßt wird von der Vorschrift nicht nur der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung, sondern auch der Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens aus § 286 Abs. 1 BGB. Einschränkungen der Schadensersatzansprüche bei leichter Fahrlässigkeit unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG. Die in den Bestimmungen genannten Höchstgrenzen müssen sich am tatsächlich zu erwartenden Schadensumfang orientieren; beim Verzugsschaden besteht aber ein Freiraum für Pauschalierungen. 4. Die Regelung des § 11 Nr. 9 AGBG hat weitgehend nur deklaratorische Bedeutung, da die Rechte des Gläubigers beim Verzug mit Teilleistungen bereits durch § 11 Nr. 8 AGBG geschützt werden. Für den praktisch bedeutsamen Fall des Verzuges mit einzelnen Raten im Sukzessivlieferungsvertrag greift die Vorschrift ohnehin nicht ein. Wegen § 11 Nr. 8 a AGBG darf das erweiterte Rücktrittsrecht des Gläubigers in diesem Fall nicht beeinträchtigt werden, während der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung einschränkbar ist.

5. § 10 Nr. 2 AGBG erlaubt es dem Schuldner, in seinen AGB selbst die Länge der ihm im Verzugsfall nach§ 326 BGB zu setzenden Nachfrist zu bestim-

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H. Ergebnisse und Schlußbetrachtung

men. Da das Tatbestandsmerkmal der Angemessenheit in § 326 BGB nur die Funktion hat, zu kurze Nachfristbestimmungen zu verhindern, muß es dem Schuldner in AGB trotzdes Wortlauts des § 10 Nr. 2 AGBG erlaubt sein, diese Mindestfrist zu überschreiten. Er muß sich bei der Festlegung der Länge aber an Sinn und Zweck der Nachfrist orientieren. 6. Da eine analoge Anwendung der speziellen Klauselverbote nicht in Betracht kommt, ist bei der Inhaltskontrolle solcher Klauseln, die bereits den Verzugseintritt verhindern, von einer zweckorientierten, die Grenze des Wortlauts aber beachtenden, Auslegung des § 11 Nr. 8 AGBG auszugehen. Die Subsumtion dieser Bestimmungen unter das Verbot muß unter Berücksichtigung der materiellen Rechtswirkung der Klauseln erfolgen. Es ist dabei zu prüfen, ob und inwieweit sie dem Gläubiger bei zu vertretender Nichteinhaltung der Leistungszeit die ihm nach §§ 284 ff. BGB zustehenden Rechte entziehen. Die Inhaltskontrolle von Vertragslösungsvorbehalten richtet sich jedoch ausschließlich nach § 10 Nr. 3 AGBG, auch wenn sie die Verzugshaftung einschränken. 7. Die den §§ 11 Nr. 8 und 9 sowie 10 Nr. 2 AGBG zugrunde liegenden Wertungen sind weitgehend bei der Inhaltskontrolle kaufmännischer Klauseln nach § 9 AGBG zu übernehmen. Eine Ausnahme stellt allerdings § 279 BGB dar, dem im kaufmännischen Geschäftsverkehr keine Leitbildfunktion zukommt. Auch für den Fall leichter Fahrlässigkeit kann es zulässig sein, den Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens ganz auszuschließen, sofern dadurch nicht vertragswesentliche Pflichten so eingeschränkt werden, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefahrdet ist. 8. Die Rücktrittsrechte des Gläubigers bei relativen Fixgeschäften nach§ 361 BGB und § 376 Abs. 1 HGB sind Ausdruck wesentlicher Grundgedanken des dispositiven Rechts im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG. Während das Kündigungsrecht des Mieters nach § 542 Abs. 1 bei nicht rechtzeitiger Gebrauchsüberlassung durch AGB ebenfalls in der Regel nicht abbedungen werden darf, ist es dem Werkunternehmer erlaubt, entgegen§ 636 BGB das dem Besteller zustehende Rücktrittsrecht verschuldensahhängig zu machen. 9. Die vorgenannten Kriterien und Wertungen führen dazu, daß Vertragsklauseln, die für den Fall des Eintritts spezieller Leistungshindernisse Freizeichnungen vorsehen, im nichtkaufmännischen Bereich der Inhaltskontrolle kaum jemals standhalten. Für Rücktrittsvorbehalte besteht aufgrund der Vorschrift des § 10 Nr. 3 AGBG ein gewisser Freiraum. Die größere Toleranz bei der Formulierung der Klauseln und der flexible Kontrollmaßstab der Generalklausel des § 9 AGBG ermöglichen es dagegen, daß entsprechende kaufmännische Klauseln eher zulässig und sinnvoll sind. Insbesondere die gebräuchlichen Selbstbelieferungsvorbehalte und Arbeitskampfklauseln halten bei entsprechender Fassung und restriktiver Auslegung der Inhaltskontrolle stand.

li. Schlußbetrachtung

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II. Schlußbetrachtung Der Spielraum, den das AGB-Gesetz für Freizeichnungen von der Verzugshaftung beläßt, ist sehr eng. Im Verbraucherbereich bleibt dem Verwender im Prinzip nur die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche bei leicht fahrlässigen Verzögerungen sinnvoll nach Art und Höhe zu beschränken. Obwohl auch kaufmännische Klauseln der Inhaltskontrolle unterliegen, besteht hier noch ausreichend Raum für die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse des Handelsverkehrs. Die in diesem Bereich üblichen knapp formulierten Vorbehalte für spezielle Störungsursachen können durchaus zulässig sein, da Mißbräuche auch durch eine restriktive Auslegung zu verhindem sind. Aufgrund der Schwierigkeiten, die die Formulierung einwandfreier Klauseln bereitet, werden jedoch wohl in Zukunft gerade kleinere und mittlere Unternehmen noch mehr als bisher auf die Konditionenempfehlungen ihrer Wirtschaftsverbände zurückgreifen müssen. Wer diese sicher nicht unerhebliche Beschränkung der Vertragsfreiheit lediglich für eine unnötige staatliche Bevormundung der Wirtschaft hält, sollte jedoch folgendes bedenken: Der Wettbewerb und damit die Konkurrenz funktionieren nur, wenn die Anbieter für die Erbringung ihrer Leistungen haften. Alle Haftungsausschlüsse verhindern, daß der berechtigte Wettbewerbsvorteil des fehlerfrei arbeitenden Anbieters zur Wirkung kommt, führen also im Ergebnis zu einem Wettbewerbsvorteil der unzuverlässigen Unteniehmer 1• Es ist leicht, schnelle und pünktliche Leistung zu versprechen und damit auch zu werben, wenn bei Nichteinhaltung der Zusagen keine Sanktionen drohen, weil diese durch AGB ausgeschlossen sind. Die Haftung muß somit als unentbehrlich für die Produktions- und Lenkungsmechanik des Wettbewerbs angesehen werden 2 • Da sich die Mechanismen des Marktes allein als nicht ausreichend erwiesen haben, um durch Konkurrenzdruck unangemessene Freizeichnungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verhindem 3, ist es die Aufgabe des Staates, regulierend einzugreifen und Mißbräuchen entgegenzuwirken.

Kliege, S. 116 ff.; Eith, NJW 1974, 15, 19. Eucken, S. 280 ff.; Eith, NJW 1974, 15, 19. Eucken formuliert dies- etwas überspitzt- folgendermaßen: "Haftung ist nicht nur eine Voraussetzung für die Wirtschaftsordnung des Wettbewerbs, sondern überhaupt für eine Gesellschaftsordnung, in der Freiheit und Selbstverantwortung herrschen. Volle Klarheit muß vor allem über eines bestehen: Jede Beschränkung der Haftung löst eine Tendenz zur Zentralverwaltungswirtschaft aus." Eucken, S. 285. 3 Kliege, S. 27; Kötz, Gutachten, S. A 33 ff. 1

2

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