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German Pages 76 Year 1836
Die
gerichtlich - chemischen
Untersuchungen.
Eine
praktische
Anleitung
entwor
für
Aerztej
f e n
vom
D r . C. G u s s e r o w, prakt. Arzte zu Berlin.
Aus dem Archiv für medizinische
Berlin, B e i
G.
Erfahrung
besonders
1836. R e i m e r .
abgedruckt.
D i e Auffindung der Gifte, namentlich in organischen Substanzen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben der analytischen Chemie, und erfordert demnach neben einer allgemeinen Uebersicht in der gesammten Chemie nicht nur die genaue Kenntniss der meisten in der Chemie als Reagentien gebräuchlichen Körper, sondern auch eine nur durch praktische Uebung oder wenigstens durch öftere Anschauung zu erlangende Fertigkeit in der Anwendung der chemischen R e a gentien selbst. — W i e wenig hier die ausgebreitet« sten theoretischen Kenntnisse in der Chemie ohne jene technische Fertigkeit nutzen können, ist allgemein bekannt. B e i dem Zeitaufwande aber, w e l c h e n ein umfassendes Studium der Chemie erheischt, haben selten junge Aerzte m e h r als eine Uebersicht, am wenigsten jene technische Fertigkeit in der Chemie lieh erwerben können, und es w a r daher um so n ö thiger, dass der Herr Geh. - Rath Or. Wagner bei der Errichtung der praktischen Unterrichtsanstalt für die Staatsarzneikunde an der Berliner Universität auch besonders hierauf stine Aufmerksamkeit richtete, und
ausser der sanitats-polizeilichen C h e m i e auch die gerichtliche Chemie in i h r e m weiteren Umfange als ein Prakticum (möglichst f ü r alle v o r k o m m e n d e n Fälle genügend) in den Bereich eben gedachter Anstalt mit aufnahm. Ueberdies sind die meisten der diesen Gegenstand behandelnden Schriften nicht geeignet, dem Anfänger und Ungeübten in d e r Chemie gerade darin Anleitung zu g e b e n , in w e l c h e m die Mehrzahl der Selbstbelehrung S u c h e n d e n einer Nachhülfe bedürfen. E n t w e d e r sind es Compilationen, w e l c h e den Gegenstand zu erschöpfen streben und d e s w e g e n n u r für den g e w a n d t e n C h e m i k e r von Nutzen w e r d e n , aber den Ungeübten leicht v e r w i r r e n , oder e» sind nur kurze theoretische Andeutungen. W e n n einerseits auch von einem Arzte aus mehrfachen Gründen nicht verlangt w e r d e n kann ( dass er gleich einem g e ü b t e n Chemiker mit voil.slrindigem chemischen Apparat die hier in R e d e stehenden chemischen Untersuchungen selbst u n t e m e l t f n e n soll, so sollten aber d o c h andererseits d e m Arzte und besonders jedem Physicus diejenigen Kenntnisse und technischen Fertigkeiten nicht fehlen, mit w e l c h e n es ihm jederzeit möglich w e r d e n kann, durch vorläufige P r ü f u n g e n den e t w a geschöpften V e r d a c h t auf V e r gütung noch m e h r zu b e g r ü n d e n und hiernach sogleich das W e i t e r e s i c h e r e r veranlassen zu können. Diese vorläufigen Prüfungen, w e l c h e bei d e m heutigen Stande der Chemie sehr leicht und mit d e m klein.«ter} chemischen Apparate ausgeführt w e r d e n k ö n n e n , haben oft sowohl f ü r die E r h e b u n g , als b e s o n d e r s lür die Entscheidung solcher gerichtlich-medizinischen Untersuchungen schon den wichtigsten E i n H u s s , u n d beugen v o r , dass n i c h t , w i e es noch z u w e i l e n geschieht, gerichtlich medizinische Untersuchungen, w e i l
dergleichen Prüfungen nicht zur rechten Zeit unternommen w o r d e n waren, sehr verwickelt w e r d e n , ja sogar unentschieden bleiben müssen. Das zweijährige Bestehen der praktischen Unterrichtsanstalt für die Staatsarzeneikunde hat es besonders gezeigt, mit w e l c h e m Eifer die Theilnehmer an demselben vorzugsweise diesen ihnen meist unbekanntrrn Zweig auffassen und sich darin belehren wollen. Ebenso ist auch das ßedi'irfniss einer fasslichen und dem Standpunkte der Theilnehmer entsprechenden Anleitung zu solchen gerichtlich chemischen Untersfrehungen fühlbar gewesen. Nicht e t w a , um hieraus alles hierher Gehörig? zu schöpfen, sondern man entbehrte vielmehr eben so w o h l für das Gesehene und zum Nachexperimentiren, als auch für den Gebrauch grösserer W e r k e einen Leitfaden. — S o entstanden nun, zunächst für die Theilnehmer der \nstalt, nachstehende Biälter, deren Brauchbarkeit sich schon bew ä h r t hat, und w e l c h e ich, dazu aufgefordert, w e i l sie auch Anderen in vorkommenden Fällen Nutzen g e w ä h r e n könnten, hiermit dem ärztlichen Publicum übergebe. W e l c h e Zwecke nun mit dieser kleinen Zusammenstellung erfüllt w e r d e n sollen, geht aus dem Vorstehenden hinlänglich hervor. Es konnten d e m nach auch nur die am häufigsten in der gerichtlichen Chemie als Gifte vorkommenden Körper abgehandelt und w i e d e r u m nur die gebräuchlichen Methoden ihrer Auffindung angegeben werden. Indessen w e i d e n auch diese meist für alle Fälle ausreichen oder doch den Uebergang zu anderen oft complirirten, aber darum nicht sicherern Methoden sehr erleichtern. Die a m häufigsten vorkommenden Gifte sind ihr e r Natur nach in«tallische, und das hier vorzugsw e i s e in Betracht kommende Reagenz ist das S c h w e -
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fe! wasserst off^a», welches mit den meisten Metallen u n t e r g e w i s s e n B e d i n g u n g e n farbige Niederschläge (Schwefelmetalle) erzeugt. Die verschiedenen Farben, vorzüglich das Verhalten der erhaltenen Schwefelmetalle zu massig verdünnten Säuren und Schwefel-Alkalien, dient zur näheren Erkenntnis» und Unterscheidung eines oder mehrerer in einer Flüssigkeit enthaltenen Metalle. So untrüglich und unentbehrlich einerseits auch die Anwendung des Schwefelwasserstoffes ist, so ist doch andererseits diese LJritrüglichkeit nur in der r i c h t i g e n Anwendung desselben begründet, und die Nichtbeachtung der von Theorie und Praxis dabei vorgeschriebenen Regeln wird, wie man es nicht selten findet, jederzeit den erhaltenen Resultaten, w e l che doch die fernere W a h l anderer Reagentien bestimmen sollen, höchstens nur einen bedingten, oft gar keinen W e r t h beilegen. Die mit der Anwendung des Schwefelwasserstoff-Gases und des Schwefelwasserstoff-Ammoniaks verbundenen Kaulelen, welche ihres Einflusses wegen leicht Verwirrung veranlassen, finden in folgenden Sätzen ihre Erklärung. Alle Metalle, vorzugsweise die hier in Betracht kommenden, lassen sich für den Gebrauch des Schwefelwasserstoff - Gases und des Schwefelwasserstoff - Ammoniaks unter 3 A b t e i l u n g e n bringen, und z w a r : 1. M e t a l l e , w e l c h e in i h r e r V e r b i n d u n g mit S c h w e f e l von v e r d ü n n t e n Säuren aufgelöst, aber von S c h w e f e l - Alkalien n i c h t aufgelöst werden. Hieraus fol^t, dass die Oxyde dieser Metalle aus ihren sauer gemachten Auflösungen durch Schwefelwasserstoffgas n i c h t gefällt w e r d e n können. Selbst die n e u t r a l e n Auflösungen dieser Metalloxyde blei-
7 beti fast durchgängig von dem SchwefelwasserstoffGas unverändert, weil hier die Säure überwiegender als Schwefelwasserstoff - Gas wirkt. Daher können diese Metalloxyde nur aus n e u t r a l e n Auflösungen durch S c h w e f e l a l k a l i e n (z. B. Schwefelwasserstoll-Ammoniak) als Schwefelmetalle gefällt werden, wie z. B. die Auflösungen des Zinkoxyds, Kobaltoxyds, des Eisenoxyduls und Eisenoxyds. Die grössere Zahl der zu dieser Abiheilung gehörenden Metalloxyde sind die Alkalien und Erden, deren S c h w e felverbindungen aber mehr oder wfeniger vom W a s ser aufgelöst werden, und welche ohnehin höchst seilen zu gerichtlich-chcmischcn Untersuchungen Ver-> anlassung geben. 2. M e t a l l e , w e l c h e in V e r b i n d u n g m i t S c h w e f e l von verdünnten S ä u r e n nicht aufg e l ö s t , w o h l a b e r von Schwefelalkalien Aufgelöst w e r d e n . Dem zulolge können die Oxyde dieser Metalte nur aus ihren s a u e r gemachten Auflösungen mit S c h w e f e l w a s s e r s t o f f - G a s gefällt werden. Die so gefällten Schwefelmetalle sind ab^r in S c h w e f e l Alkalien ( z . B . Schwefelwasserstoff-Ammoniak) und Alkalien auflöslich; daher wird auch die Fällung der hierher gehörenden Metalloxyde dureh Schwefel wasserstoffgas, wenn Schwefelalkalien und Alkalien gegenwärtig sind, verhindert. Vornehmlich gehören hierher die Oxyde des Arsenikmetalls, des Antimons u. s. w . 3. E n d l i c h M e t a l l e , w e l c h e , m i t S c h w e fel verbunden, w e d e r von S ä u r e n , noch von Schwefelalkalien aufgelöst werden. Die Oxyde dieser Metalle können daher auch unter allen Verhältnissen, gleich v i e l , ob mit Schwefelwasserstofigas, oder mit Schwefelwasserstoff-Ammoniak
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aus ihren Auflösungen als Schwefelmetalle gefällt wer-* den. Es sind hier besonders zu e r w ä h n e n : Bleioxyd« die Kupferoxyde, die Quecksilberoxyde, Silberoxyd, Kadmiumoxyd etc. Aus diesem Verhalten der Schwefelmetalle ergiebt sich dann auch leicht die regelrechte Anwendung des Schwefelwasserstoffgases bei der Prüfung jeder Flüssigkeit, gleich viel, ob sie ein Metall, oder zugleich mehrere Metalle enthält. u. Zunächst niuss die Flüssigkeit mit einigen Tropfen einer Säure (am besten Salzsäure, falls sie nicht schon selbst einen Miederschlag bewirkt, oder verdünnter Salpetersäure) sauer gemacht werden, und dann liitet man so lange einen massigen Strom von Schwefelwasserstoffgas *), oder setzt so lange Schwefelwasserstoffwasser hinzu, als noch ein Niederschlag erfolgt. Hierbei müssen nun alle diejenigen Metalloxyde als Schwefelmetalle gefällt werden, welche zur zweiten und dritten Abthrilung gehören. Es konnten aber die zur ersten Abtheilung gehörenden Metalle nicht gefällt werden. b. Dieser bei a. erhaltene Niederschlag wird nun durch Filtriren von der überstehenden angesäuerten Flüssigkeit gesondert, und diese klar abfiltrirte Flüs-
*) Die A n w e n d u n g des Gates ist jedenfalls v o r z u z i e h e n , e i n e s t e i l s , weil die Aqua l i y d r o t h i o n i c a l e i c h t verdirbt u n d olt u n n o t h i g das V o l u m e n der Flüssigkeit sehr v e r g r ö s s e r t , a n d e r e n t e i l s aus einer sehr kleinen E n t w i c k l u n g s f l a s c h e , z. B. O p o d e l d o c glas mit S< h w e l e l e i s e n ( j ^ — ^ j ) u n d reiner, massig verdünnter Sal/saure(^j
^j)
jederzeit das
Schwefelwasserstoffgas
sehr
l e i c h t e n t w i c k e l t w e r d e n k a n n . A l l e zu g e r i c h t l i c h - c h e m i s c h e n U n t e i s u c h u n g e n n ö t h i g e n k l e i n e n V o r r i c h t u n g e n , hebst k l e i n e n u n d giosteren Reagentienapparaten, sind hier in Berlin bei Luhme et Comp, vorrathjg u n d billig z u h a b e n .
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sigkcit mit einigen T r o p f e n v e r d ü n n t e r Kalilauge neutrali.sirt. W a r nun in dieser Flüssigkeit noch ein M e talloxyd aus der ersten Abtheilung enthalten, so w i r d s