Die frühneuhochdeutsche Übersetzung (1463) des Breslauer Stadtschreibers Peter Eschenloër 9783412329471, 3412156043, 3412154040, 9783412156046


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German Pages [384] Year 2005

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Die frühneuhochdeutsche Übersetzung (1463) des Breslauer Stadtschreibers Peter Eschenloër
 9783412329471, 3412156043, 3412154040, 9783412156046

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BAUSTEINE ZUR SLAVISCHEN UND

PHILOLOGIE

KULTURGESCHICHTE NEUE FOLGE Begründet von

HANS-BERND HARDER (f) und HANS ROTHE Herausgegeben von KARL GUTSCHMIDT, ROLAND MARTI, PETER THIERGEN, LUDGER UDOLPH und BODO ZELINSKY Reihe B: EDITIONEN Band 20, 2

Aeneas Silvius Piccolomini

Historia Bohémica Herausgegeben von Joseph Hejnic und Hans Rothe

Band 2: Die frühneuhochdeutsche Übersetzung (1463) des Breslauer Stadtschreibers Peter Eschenloër Herausgegeben von Václav Bok

§ 2005 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Die „Weltkarte" (Ausschnitt). Aus: Hartmann Schedel, Liber cronicarum 1493. © 2005 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Telefon (0221) 91 39 00, Fax (0221) 91 39 011 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Gedruckt auf säurefreiem Papier Satz: Euroslavica, Prag Druck und Bindung: Druckerei Runge GmbH, Cloppenburg Printed in Germany ISBN 3-412-15604-3 (Band 2) ISBN 3-412-15404-0 (Gesamtwerk)

Inhalt Vorwort

5

1. Zielsetzung

7

2. Peter Eschenloer - Person und Werk

9

2.1. Zur Datierung von Eschenloers Übertragungen

14

2.2. Zur Vorlage von Eschenloers Ubersetzung der Historia Bohémica

17

3. Die Uberlieferung von Eschenloers Ubersetzung der Historia Bohémica des Aeneas Silvius Piccolomini . . . . 23 3.1. Die Textzeugen

23

3.1.1. Beschreibung der Handschriften

23

3.1.1.1. Die Prager Handschrift (Sigle Ρ)

23

3.1.1.2. Die Handschrift von Wroclaw (Sigle W)

27

3.1.2. Das Verhältnis der Handschriften

30

3.2. Der sprachliche Charakter der Handschriften

41

4. Zu Eschenloers Ubersetzungsmethode

44

4.0. Allgemeines

44

4.1. Erzählperson

44

4.2. Erzählzeit

46

4.3. Direkte Rede

46

4.4. Mechanische Wiedergabe von Silvius' Text

47

4.5. Zum Satzbau

48

4.6. Behandlung von Eigennamen

50

4.7. Unterdrückung der humanistischen Ausdrucksweise von Silvius bei Eschenloer

54

4.8. Tendenz zur Verdeutlichung

58

4.9. Eschenloers Gebrauch von Synonymen

60

4.10. Auslassungen

61

4.11. Eschenloers Ergänzungen und Veränderungen

63

4.12. Zur politischen Tendenz von Eschenloers Ubersetzung

72

4

Eschenloers Historia Bohémica

4.13. Fehler in der Übersetzung 4.14. Beschluß 5. Edition von Eschenloers Ubersetzung der Historia Bohémica 5.1. Editionsgrundsätze 5.1.0. Allgemeines 5.1.1. Einrichtung des Textteiles 5.1.2. Auflösung von Kürzeln 5.1.3. Vereinheitlichung der Graphematik 5.1.4. Supraskripta 5.1.5. Getrennt- und Zusammenschreibung 5.1.6. Groß- und Kleinschreibung 5.1.7. Interpunktion 5.2. Zum Apparat 5.3. Text v o n E s c h e n l o e r s U b e r s e t z u n g der H I S T O R I A B O H E M I C A VORREDE ERSTES BUCH ZWEITES BUCH DRITTES BUCH VIERTES BUCH FÜNFTES BUCH 5.4. Namenregister 5.5. Glossar 6. Quellen und Literatur 6.1. Quellen 6.2. Literatur

75 79 81 81 81 82 82 87 88 89 90 90 91 93 95 99 135 173 215 267 295 327 373 373 373

Vorwort Die vorliegende Edition soll die Übersetzung der Historia Bohémica des Aeneas Silvius Piccolomini erschließen, die Peter Eschenloer, Stadtschreiber von Breslau, wahrscheinlich in den Jahren 1463-1464 im Auftrag des Breslauer Stadtrates erstellt hat. Während die lateinische Schrift von Aeneas Silvius lange Zeit Europa über die böhmischen Ereignisse, insbesondere die der ersten Hälfte des 15. Jh., in zahlreichen Handschriften und Frühdrucken informierte, im 15. und 16. Jahrhundert ins Tschechische übersetzt wurde und im 19. und 20. Jh. je eine moderne tschechische Ubersetzung erlebte, blieb Eschenloers Übersetzung bis heute die einzige Übertragung dieses Textes ins Deutsche. Dank der Initiative von Prof. Dr. Hans Rothe (Bonn) können nun die kritische Edition von Silvius' lateinischem Werk zugleich mit dessen moderner Übertragung ins Deutsche sowie die Edition der alttschechischen Übersetzungen und die der Übersetzung Eschenloers der Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Der Editor von Eschenloers Übersetzung ist Herrn Professor Hans Rothe zu aufrichtigem Dank verpflichtet, weil Herr Rothe die vorliegende Edition von Anfang an unterstützte. Der Herausgeber bedankt sich bei den beiden wissenschaftlichen Institutionen, in deren Besitz sich die Handschriften von Eschenloers Werk befinden. Frau Dr. Helga Turková, Leiterin der Bibliothek des Nationalmuseums in Prag, sowie Herr Dr. Andrzej Ladomirski, Direktor der Universitätsbibliothek in Wroclaw, gaben freundlicherweise ihre Erlaubnis zur Publikation der in ihren Bibliotheken aufbewahrten Textzeugen und halfen dem Herausgeber mit Rat und Tat. Ein besonders herzlicher Dank gebührt den germanistischen Kollegen, Frau Dr. Gunhild Roth und Herrn Prof. Dr. Volker Honemann (beide Münster), die sich mit anderen Werken Peter Eschenloers beschäftigen und die dem Editor dank ihren reichen Erfahrungen viele wertvolle Hinweise gaben. Ich danke auch dem Germanisten Herrn Dr. Frank Fürbeth (Frankfurt a. M.), der einige andere Übertragungen von Silvius untersuchte und dem Editor

6

Eschenloers Historia Bohémica

behilflich war. Für große Hilfe bei der philologischen

Charakteri-

sierung des Denkmals und für gründliche Beratung bei der Erstellung des Glossars danke ich meiner Frau, Dr. phil. habil. Hildegard Boková. Herrn

PhDr. Vladimir

Kfiz (Praha) danke ich

herzlich

für

die

umsichtige und geduldige redaktionelle Betreuung der vorliegenden Edition. Ôeské Budêjovice, Mai 1999

1. Zielsetzung Das Ziel des Herausgebers ist es, Eschenloers Übersetzung von Silvius' Historia Bohémica als ein literarisches Werk zu edieren und in seinen Hauptzügen zu charakterisieren. Die Historiker, die die lateinische Schrift von Aeneas Silvius über die böhmische Geschichte untersucht haben, haben ihr kritisches Urteil über das Werk als historische Quelle längst gefallt. Es ist ihnen zuzustimmen, daß es sich um eine einseitige Darstellung mit politischen Zielsetzungen handelt, das die ungewöhnliche

hussitische Zeit sowie ihre sich noch

zu

Silvius'

Lebzeiten daraus ergebenden politischen und religiösen Folgen in Böhmen dem entsetzten und staunenden Europa näherbringen wollte, und zwar mit allen Vor- und Nachteilen der Arbeitsmethode eines humanistischen Historikers und Politikers. In seiner (tschechischen und englischen) Einleitung zur Edition des lateinischen Werkes und dessen moderner tschechischer Übertragung schreibt 1998 Frantisek Smahel: "What FrantiSek Palacky insinuated 170 years ago remains true today: a commentary on Historia Bohémica would be longer than the work itself. Today, o f course, it would be several times longer, on account o f the specialist apparatus." 1 Dies betrifft die von Silvius vorgenommene Auswahl von historischen Fakten aus seinen schriftlichen und mündlichen Quellen und insbesondere deren Verwendung und Darstellung. Unser Augenmerk gilt der zeitgenössischen deutschen Übersetzung von Silvius' Historia Bohémica durch den Breslauer Stadtschreiber Peter Eschenloer, und wir untersuchen seine Leistung vorwiegend unter philologischen Gesichtspunkten. In der Einleitung zur Edition werden die wichtigsten Fakten über Eschenloers Leben und Werk nach der bisherigen

Forschungsliteratur

gebracht; vor allem aber wird

auf

Eschenloers Übersetzungsmethode, auf seine Sprache sowie auf seine 1 Aeneae Silvii Historia Bohémica. Ediderunt et in linguam Bohemicam verterunt Dana M a r t í n k o v á , Alena H a d r a v o v á , Jifí M a t l . Praefatus est Franticele S m a h e l , Fontes rerum Regni Bohemiae I, Pragae 1998, S. XCVI.

8

Eschenloers Historia Bohémica

Abweichungen von der Vorlage eingegangen. Die Feststellung einer Handschriftengruppe oder gar einer konkreten Handschrift, nach der Eschenloer übersetzt hat, m u ß späterer Forschung vorbehalten bleiben, denn die vorliegende Ausgabe entsteht vor dem Abschluß der kritischen Edition des lateinischen Textes, die erst eine sichere Grundlage zur Lösung dieser Frage bieten wird. Unsere Zitate aus Silvius' Werk beruhen deshalb auf der erwähnten Ausgabe aus dem Jahre 1998, die sich zwar dezidiert als keine kritische Edition bezeichnet 2 , aber für unsere Zwecke ausreichend und am leichtesten zugänglich ist.

Vgl. Anm. 1, S. XCVIII bzw. CIV; die Edition bringt allerdings Lesarten aus mehreren Handschriften und Frühdrucken.

2

2. Peter Eschenloer - Person und Werk Peter Eschenloer stammte aus einer Nürnberger Familie. 3

Sein

Geburtsjahr ist nicht bekannt, weiteren Tatsachen aus seinem Leben zufolge kann er um die Mitte der 20er Jahre des 15. J h . geboren sein. 4 Seine Eltern übersiedelten in unbekannter Zeit nach Görlitz. Peter hat seine Schulbildung höchstwahrscheinlich noch in Nürnberg erhalten, denn in den Matrikeln der Universität Leipzig wird er nach Nürnberg genannt. Er wurde im Sommersemester 1442 an der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig immatrikuliert 5 , im Herbst 1444 legte er die Bakkalaureatsprüfungen 6 , im Oktober 1448 die Magisterprüfung 7 ab. Das Studium in Leipzig hatte er alledings für kurze Zeit unterbrochen und war zur Universität Erfurt gegangen, wo er im Sommersemestr 1447 imatrikuliert war. 8 U m das J a h r 1450 wurde er Rektor der Stadtschule in Görlitz. 1455 wurde er zum Breslauer Stadtschreiber erwählt, die Stelle trat er am 17. Mai 1455 an. Eschenloer verwitwete wohl bald nach seiner Ubersiedlung nach Breslau, und durch seine zweite Ehe kam er in verwandtschaftliche Beziehungen zu reicheren Bürgersfamilien Breslaus. Auch dank seiner wichtigen öffentlichen Tätigkeit erwarb er sich bald in der Stadt großes Ansehen und war finanziell gut situiert. Er starb in Breslau am 12. Mai 1481. Die Fakten über Eschenloers Leben sind der Studie Markgraf, Hermann: Magister Peter Eschenloer, Verfasser der Geschichten der Stadt Breslau vom Jahre 1440-1479, In: Saecularprogramm des Königlichen Friedrichs-Gymnasiums zu Breslau, Breslau 1865, S. 1-28, entnommen und teilweise ergänzt. 4 Menzel, Josef Joachim: Peter Eschenloer, In: Kurt Ruh et al.: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 2, Berlin-New York 1983, Sp. 630 meint „um 1420". 3

Er 1er, Georg: Die Matrikel der Universität Leipzig, 1. Die Immatrikulationen von 1409-1559, Leipzig 1895, S. 138: Petrus Eschenloer de Noremberga. ^ Erler, Georg: Die Matrikel der Universität Leipzig 2. Die Promotionen von 14091559, Leipzig 1897, S. 134: Petrus Heschenlaer de Nûremberga. 7 Erler, Georg: Die Matrikel der Universität Leipzig 2. Die Promotionen von 14091559, Leipzig 1897, S. 145: Petrus EschenI6r de Nurenberga. 8 Bauch, Gustav: Die Universität Erfurt im Zeitalter des Humanismus, Breslau 1904, S. 40. 5

10

Eschenloers Historia Bohémica

Breslau gehörte zu Eschenloers Zeiten seit mehr als hundert Jahren zur Böhmischen Krone und war die zweitgrößte Stadt des böhmischen Staates. Die Stadt hatte damals etwa 20 000 Einwohner. 9 Während der Hussitenkriege war Breslau - bis auf eine kurze Episode zu Beginn der Hussitenbewegung - dem Katholizismus und König Sigismund treu geblieben. Zu Eschenloers Zeiten stand es in der Opposition zum böhmischen „Hussitenkönig" Georg von Podëbrady (1458-1471) und spielte in den politischen Plänen der römischen Kurie eine wichtige Rolle. Breslau weigerte sich lange, König Georg zu huldigen, führte wegen dieser Frage komplizierte Verhandlungen mit der römischen Kurie, drängte sie immer wieder zu einem energischeren Vorgehen gegen den böhmischen König, mußte sich aber meistens den höheren politischen Absichten Roms beugen. Deswegen mußte die Politik des Stadtrates bis zum endgültigen Bruch der päpstlichen Kurie mit dem böhmischen König im Jahre 1464 bzw. 1466 verschiedentlich lavieren und manchmal sogar die allzu eifrigen antihussitischen Prediger in der Stadt und die durch sie angestachelte Bevölkerung dämpfen. Eschenloer stand seinem Stadtrat immer loyal zur Seite und wurde sogar wegen seiner gemäßigten Haltung von der Bevölkerung angefeindet. Eschenloer war ein bedeutender Stadtbeamter in einer bedeutenden Stadt in einer bewegten Zeit, wodurch er große Lebenserfahrungen erworben hat, die sich in seiner schriftstellerischen Tätigkeit widerspiegeln. Eschenloer beteiligte sich maßgeblich am umfangreichen Schriftverkehr Breslaus in Latein und Deutsch. 10 Das Latein seiner politischen Korrespondenz fand in Rom Anerkennung, angeblich gehörte es zu dem besten Latein der aus Deutschland eingesandten Briefe. 11 Eschenloer war ein Mann von immensem Fleiß, der neben der 9 H o n e m a n n , Volker: Lateinische und volkssprachliche Geschichtsschreibung im Spätmittelalter Zur Arbeitsweise des Chronisten Peter Eschenloer aus Breslau, In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 52, 1996, S. 617-627, hier S. 618. 10

Honemann, S. 619, charakterisiert zutreffend die umfangreiche und vielgestaltige Tätigkeit von Eschenloer: „Es ist Eschenloer, der (natürlich im Auftrag des Rates) eine Vielzahl auswärtiger Gesandtschaftsreisen unternimmt... Und es ist Eschenloer, der für die Stadt mit dem Bischof von Breslau, dem Böhmen Jost von Rosenberg, ... verhandelt. Und es ist wiederum Eschenloer, der ... die Protokolle der Ratssitzungen, Verträge, Testamente und alle offiziellen Dokumente, die benötigt wurden, abfaßt." Im Laufe der Zeit hat die Stadt zwei weitere Schreiber angestellt vgl. Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 7. 11

Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 11 und dort Anm. 5.

2. Peter Eschenloer - Person und Werk

11

ausgedehnten schriftlichen Agenda seines Amtes auch von der Stadt mit mehreren Botschaftsreisen betraut wurde (mehrere Male war er in Prag, aber auch in Ansbach, Wien, Iglau und BeneSov)12 und dabei noch Zeit fand für das Abfassen von Ubersetzungen und eigenen Schriften. Eschenloers schriftstellerische Produktion umfaßt sowohl Ubersetzungen von aktuellen Schriften aus dem Lateinischen als auch eigene historische Werke. Zwischen den Jahren 1464 (1463) - 1466 übersetzte er aus dem Lateinischen zwei damals aktuelle Werke - die Historia Bohémica des Aeneas Silvius Piccolomini und die Schilderung des ersten Kreuzzugs, Historia Hierosolymitana, des Robertus monachus. Zu Beginn der 60er Jahre des 15. Jh., wahrscheinlich 146313, begann Eschenloer mit der Abfassung eines eigenen chronikalischen Werkes, der lateinischen Historia Wratislaviensis. Es knüpft an die Historia Bohémica des Aeneas Silvius an, indem Eschenloer mit dem Tod König Albrechts (f 1438) beginnt und zuerst die meisten Nachrichten über die Regierungszeit von Ladislaus Posthumus aus Silvius' Schrift übernimmt und sie um einige Ereignisse aus der Geschichte Breslaus bzw. Schlesiens bereichert. Das Buch 2 von Eschenloers Historia Wratislaviensis beginnt mit der Wahl Georgs von Podëbrady zum böhmischen König (1458). Auch hier kann der Verfasser zu Beginn noch einige Formulierungen von Silvius verwenden. Er ergänzt jedoch dessen Schilderung der Wahl des böhmischen Königs beträchtlich, wobei er sogleich seine negative Einstellung zu Georg von Podëbrady deutlich kundgibt. Silvius, der seine Historia 1458 eben zu Beginn der Regierungszeit Georgs abschloß, hatte als Diplomat manches neutraler formuliert, weil er die weiteren Geschehnisse abwarten wollte und ein mögliches künftiges Arrangement mit dem böhmischen König nicht ausschloß. Eschenloers Historia Wratislaviensis schildert die historischen Ereignisse bis zum Beginn des Jahres 1472, wobei sie eine große

Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 12-15. ^ Menzel, Sp. 630 nimmt an „nach 1460"; Honemann, S. 618, legt Eschenloers Arbeit an der Historia Wratislaviensis in die Jahre 1460-1472. Uns scheint den Tatsachen am besten das Jahr 1463 zu entsprechen, das Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. XII, anfuhrt. Die frühere Existenz eines für Eschenloer in Breslau zur Verfügung stehenden Exemplars der Historia Bohémica scheint uns kaum wahrscheinlich.

12

Eschenloers Historia Bohémica

Anzahl von Urkunden, Briefen und anderen Dokumenten enthält. 14 Später schuf Eschenloer eine deutsche Fassung dieses Werkes. Hier hat er den Anfang der lateinischen Historia ins Deutsche übertragen, die Schilderung der historischen Entwicklung weitergeführt, die Zahl der inserierten Dokumente reduziert und sie mit der Erzählung verknüpft sowie seine Darstellung um manche Episoden ergänzt. Der Editor der lateinischen Fassung, Hermann Markgraf, charakterisiert die deutsche Fassung folgendermaßen: „Der deutsche Text ist nun keineswegs eine blosse Ubersetzung und Fortsetzung des lateinischen, sondern ein selbständiges Werk mit erweitertem Gesichtskreis und mit bestimmter Tendenz." 15 Eschenloer beschreibt und kommentiert die außer- und innerstädtischen Ereignisse im Einklang mit der politischen Einstellung des Breslauer Stadtrates. 16 H. Markgraf charakterisiert die Grundeinstellung Eschenloers: „Er ist ein Gegner des Königs Georg, aber kein gehässiger; er hätte ihn anerkannt, wenn derselbe sich mit Rom versöhnt hätte. Die leidenschaftliche Stimmung des großen Haufens in Breslau theilt er durchaus nicht; im Gegentheil erscheint ihm der Widerstand gegen den König mehr eine bedenkliche und kostspielige Sache. Nicht bloss an der Breslauer Geistlichkeit, auch an der Curie missfallt ihm so Manches, dass er mit der Zeit kein starrer Anhänger des Papstes bleibt, sondern mit Bischof Jost einen friedlichen Vertrag mit dem Könige am liebsten gesehen hätte." 17 Weil im Werk die Geschichte Breslaus dabei stellenweise in den schlesischen, böhmischen oder gar mitteleuropäischen Kontext gestellt wird, wird es zu einer umfangreichen, historisch und kulturhistorisch bedeutsamen Darstellung eines wichtigen Teiles der mitteleuropäischen Geschichte im dritten Viertel des 15. Jahrhunderts. Eschenloer gehört zu den bedeutenden ältesten deutschsprachigen Prosaautoren Schlesiens.18 Man kann der 14

M a r k g r a f , Hermann (Hg.): Historia Wratishviensis et que post mortem regis Ladislai sub electo Georgio de Podiebrat Bobemorum rege illi acciderant prospera et adversa von Mag. Peter Eschenloer, Scriptores rerum Silesiacarum 7, Breslau 1872, S. XVIII. 15 Markgraf, Historia, S. XX. 16 Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 21, nennt die Chronik „gleichsam eine Rechtfertigungsschrift" fur die Politik des Stadtrates von Breslau. 17 Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 22. 18 Die Behauptung von Peter W ö r s t e r in seiner Studie Breslau und Olmütz als humanistische Zentren vor der Reformation, In: Humanismus und Renaissance in Ostmitteleuropa vor der Reformation (Hg. Winfried Eberhard und Alfred

13

2. Peter Eschenloer - Person und Werk

Ansicht von J. J. Menzel zustimmen: „Trotz seiner Mängel und Begrenztheit handelt es sich um eine beachtliche historiographische Leistung, die bedeutendste, die Schlesien in deutscher Sprache für das Mittelalter vorzuweisen hat." 1 9 Die Zeit der Abfassung der deutschen Version ist noch nicht mit Sicherheit ermittelt. H. Markgraf, der insgesamt drei Möglichkeiten diskutiert, neigt zur Annahme, Eschenloer habe die Arbeit an der deutschen Fassung erst am Ende seines Lebens begonnen, denn seine Darstellung bricht ohne äußeren Abschluß am Ende des Jahres 1479 ab (Eschenloer ist im Mai 1481 gestorben) 20 , V. Honemann setzt die Arbeit an dieser Fassung in die Jahre 1472-1481. 2 1 Honemann hat sich auch mit dem Verhältnis zwischen der lateinischen und deutschen

Fassung der Chronik

gründlich

unter

mehreren

Aspekten beschäftigt. Abschließend charakterisiert er die beiden Fassungen unter dem Gesichtspunkt ihrer Anlage und ihrer Bestimmung wie folgt: Die lateinische Fassung ist „eine Chronik 'in statu nascendo, ein Text, dem eine abschließende Ausarbeitung, eine 'Schlußredaktion' fehlt.... (sie).. war wohl eine Privatarbeit, welche er anfertigte, ohne dafür einen Auftrag erhalten zu haben und ohne eine Veröffentlichung' anzustreben; denkbar ist dabei, daß er sie auch als 'Aide-mémoire' für seine Tätigkeit als Stadtschreiber zusammenstellte. Die deutsche Chronik hingegen war wohl ein 'öffentliches' Unternehmen, welches sich an die Bürgerschaft Breslaus und vor allem an den Stadtrat richtete." 2 2 Eschenloers lateinische bzw. deutsche Chronik ist in mehreren Abschriften Breslauer Provenienz erhalten. Einige Handschriften stammen noch aus dem 15. Jh., andere sind jünger, die jüngsten stammen aus dem Jahre 1680. 2 3 Es überrascht, daß Eschenloers Chronik nicht zur Drucklegung gelangte. Ihre handschriftliche Verbreitung zeigt ja, daß Eschenloers Darstellung der Schicksale seiner Stadt in einer A. Strnad), Köln-Weimar-Wien 1996, S. 215-227, hier S. 225, Eschenloer wäre der erste gewesen, der in Schlesien deutsche Prosatexte geschrieben hätte, ist wenig wahrscheinlich und müßte gründlich überprüft werden. 19

Menzel, Sp. 631.

2 0

Markgraf, Historia, S. XVIII - XX.

21

Honemann, S. 618.

22

Honeman, S. 627.

Wroclaw, Universitätsbibliothek, Kodex IV F 151b. Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 24, spricht sogar von zwei Handschriften aus dem Jahre 1680.

2 3

14

Eschenloers Historia Bohémica

bewegten Zeit auch für weitere Generationen der Breslauer von Interesse und Bedeutung blieb. Dagegen ging die Aktualität seiner Übertragung der Historia Bohémica des Aeneas Silvius bald verloren, weil man sich über die Geschichte des Königreichs Böhmen, zu dem Breslau bis 1741 gehörte, auch aus anderen gedruckten Werken in Latein (u. a. auch aus Silvius) oder Deutsch informieren konnte. Deshalb überrascht nicht, daß Eschenloers Übertragung von Silvius' Schrift nur in zwei Handschriften vorliegt. Die lateinische Fassung von Eschenloers Chronik wurde 1872 von Hermann Markgraf unter dem Titel „Historia Wratislaviensis et que post mortem regis Ladislai sub electo Georgio de Podiebrat Bohemorum rege illi acciderant prospera et adversa von Mag. Peter Eschenloer" herausgegeben; die deutsche Fassung war bereits 1827-1828 von J . G. Kunisch unter dem Titel „Peter Eschenloers, Stadtschreibers zu Breslau Geschichten der Stadt Breslau, oder Denkwürdigkeiten seiner Zeit vom Jahre 1440-1479" ediert worden. Die unzulängliche Edition der deutschen Fassung wird in Bälde durch eine moderne Edition durch Gunhild Roth (Münster) ersetzt werden.

2.1. Zur Datierung von Eschenloers Übertragungen Die im Sommer 1458 in Viterbo von Aeneas Silvius Piccolomini verfaßte Historia Bohémica, die vom katholischen Standpunkt aus die jüngste böhmische Geschichte schilderte, fand bald einen großen Widerhall, wie ihre zahlreichen lateinischen Handschriften und Drucke beweisen. 24 1478 wurde sie zum ersten Mal ins Tschechische übertragen 25 , allerdings hat die erste Übersetzung in eine Volkssprache, ins Deutsche, bereits etwa 15 Jahre früher Peter Eschenloer in Breslau angefertigt. Vgl. Rothe, Hans: Über die kritische Ausgabe der Historia Bohémica des Enea Silvio de' Piccolomini, In: Studien zum Humanismus in den böhmischen Ländern, Ergänzungsheft, Vorträge und Studien einer Arbeitstagung Marburg a. d. Lahn, September 1987, Köln-Wien 1991, S. 2948, insbesondere S. 29-32. 2 5 Aus dem Jahre 1487 stammt die Übersetzung von Jan Hüska, katholischer Pfarrer in der südmährischen Stadt Uhersky Brod; 1510 wurde die Ubersetzung des tschechischen Humanisten Mikulás Konác von HodíJkov gedruckt, eine dritte Übersetzung hat Daniel Adam von Veleslavin 1585 angefertigt, die 1817 nachgedruckt wurde. Vgl. K o l á r , Jaroslav: Poznámky k nejstariímu éeskému pfekladu Historie íeskéEnedïe Silvia (Bemerkungen zur ältesten tschechischen Übertragung der Historia Bohémica des Aeneas Silvius), In: Husitstvi - Reformace Renesance. Sborník k 60. narozeninäm Frantiäka Smahela (Hg. Jaroslav Pánek 24

2. Peter Eschenloer - Person und Werk

15

Die Schrift von Aeneas Silvius war im katholischen, zu Böhmen gehörenden Breslau bald auf ein reges Interesse gestoßen. Im Besitz einer Abschrift des Werkes war der Breslauer Bischof Jost von Rosenberg (1456-1467), der sie möglicherweise während seines Aufenthaltes in R o m im Winter 1458-1459 erworben hatte. Der Breslauer Stadtrat, der in regen Kontakten mit der römischen Kurie und Papst Pius II. selbst stand, beauftragte seinen seit Sommer 1461 in R o m als ständigen Prokurator der Stadt weilenden Domherrn Mag. Johannes Kitzing mit der Abschrift von Silvius' Werk, das er für die Lebensgeschichte des Königs Ladislaus Posthumus hielt. Kitzing starb jedoch bereits am 15. 9. 1462, und sein Nachfolger Nicolaus Merboth stellte fest, daß Kitzing mit seiner Abschrift nicht allzu weit fortgeschritten war. Merboth sollte diese Arbeit fortsetzen; ob er dies tat, ist nicht eindeutig klar. 2 6 Ein Exemplar der Historia

Bohémica

besaß in

Breslau der

Prediger

Nikolaus Tempelfeld, einer der eifrigsten Gegner des böhmischen Königs. 2 7 Weil der Breslauer Stadtrat das Werk als sehr wichtig erachtete und es einem breiteren Publikum zugänglich machen wollte, beauftragte er den Stadtschreiber Peter Eschenloer mit der Ubersetzung von Silvius' Schrift ins Deutsche. Wie die Notiz in der Breslauer Handschrift ausweist, erfüllte Eschenloer diesen Auftrag im Jahre 1464 2 8 Man kann

Miloslav Polivka - Noemi Rejchrtová), Praha 1994, S. 807-813, hier S. 809, sowie Aeneae Silvii Historia Bohémica (wie Anm. 1), S. XLIII-XLIV bzw. LXXXVIILXXXIX. 2 6 Zu Kitzing und Merboth siehe Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. XI und Anm. 1 auf S. XI und XII sowie die gründliche Darstellung der komplizierten Beziehungen zwischen dem Papst, dem Kaiser und den Breslauern in der Frage der Einstellung zum böhmischen König bei Strnad, Alfred Α.: Die Breslauer Bürgerschaft und das Königtum Georg Podiebrads, Zeitschrift für Ostforschung 14,1965, S. 401435, 601-640, hier bes. S. 415, 433 und die Anmerkung Nr. 92 auf Seite 602. Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. XI. Die Notiz lautet: Dise historia hat beschribenyhn latein Eneas Siluius darnach babist Pius erwekt ist worden, vndgeheissen babist Pius der ander, meliche Historia vordeutscht hat Petrus Eschenloer der siben freien kunst magister vnd stat Schreiber der stat Breslaw ym jar tausent vierhundert vndyhn vienmdsecbtzigisten jar. W 81r. In der Handschrift Ρ befindet sich kein Kolophon zur Ubersetzung der Historia Bohémica. Möglicherweise handelt es sich um Textverlust, weil der untere Teil des Folios 121 abgeschnitten und durch ein anderes Papier unterklebt ist. Hinter dem Text der Historia Hierosolymitana befindet sich in der Prager Handschrift auf f. 67v eine Notiz, die sich auf beide Werke bezieht. Vgl. Anm. 32. 27

28

16

Eschenloers Historia Bohémica

damit rechnen, daß er für die Übertragung des umfangreichen Werkes mehrere Monate brauchte, zumal er gleichzeitig zeitaufwendige Tagesgeschäfte seines Amtes ausüben mußte. Deshalb kann der Anfang von Eschenloers Arbeit an dieser Ubersetzung mit großer Sicherheit in das Jahr 1463 gesetzt werden. Wahrscheinlich bald nach Beendigung der Übertragung von Silvius' Werk nahm Eschenloer eine weitere Übersetzung in Angriff. Diesmal übersetzte er - ebenfalls im Auftrag des Breslauer Stadtrates - eine Schrift aus dem frühen 12. Jahrhundert, die sog. Historia Hierosolymitana, eine Schilderung des ersten Kreuzzugs, dessen Autor ein nicht näher bekannter französischer Mönch Robert ist. 29 Roberts Werk gewann plötzlich an Aktualität, als 1453 Konstantinopel von den Türken erobert wurde und man nun einen Kreuzzug gegen die Türken erwog. 30 In der Angelegenheit des Kreuzzugs engagierte sich Pius II. sehr eifrig, und auch Breslau war eines der Zentren, von wo aus die päpstliche Propaganda Verbündete für den Türkenzug suchte. 31 Laut der Notiz in Ρ beendete Eschenloer seine Übersetzungen nach Ostern 1466 (d. h. nach dem 6. April 1466).32 Die Formulierung könnte sich allerdings schon auf die konkrete Prager Handschrift beziehen, weil die brennendste Aktualität von Roberts Werk durch den jähen Tod von Pius II. (14.8.1464) und den organisatorischen Mißerfolg des Kreuzzugs inzwischen verloren gegangen war. Obwohl das Werk von Robertus monachus auch in anderen Ländern weiterhin gelesen wurde, wie u.a. einige Druckausgaben des 15. und 16. Jh. nachweisen 33 , erlangte es gerade in Breslau eine neue Aktualität. In den Jahren 1464-1466 steigerte sich der seit jeher von Breslau unterstützte scharfe Kurs der päpstlichen 29

Vgl. H a u p t , Barbara: Robertus Monachus, In: Kurt Ruh et al.: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, 2. Aufl., Bd. 8, Berlin-New York 1992, Sp. 115-117. 30 Vgl. S c h m u g g e , Ludwig: Die Kreuzzüge aus der Sicht humanistischer Geschichtsschreiber. Vorträge der Aeneas-Silvius-Stiftung an der Universität Basel 21, Basel-Frankfurt/M. 1987, S. 15-16. 31 Vgl. ζ. B. Strnad, S. 621 und 627. 32 Vgl. die Notiz in der Hs. Ρ f. 67v: Ad honorem et mandatum honestissimorum dominorum Wratislauiensium translate sunt in theutonicum predicte Historie Bohémica et Jerosolomitana per me Petrum Eschenloer de Nureberga aräum magistrum et prothonotarium ciuitatis Wratislauiensis Anno domini M° CCCCLX sexto post festa paschalia. 33 Schmugge, S. 15, erwähnt folgende Veröffentlichungen des Werkes: 1472 Köln, 1533 und 1584 Basel.

2. Peter Eschenloer - Person und Werk

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Kurie gegen den böhmischen König. Am 8. 12. 1465 entband der Papst Paul II. alle Untertanen Georgs von ihrem Eid gegenüber dem König, ein Jahr später, am 23. 12. 1466, aberkannte der Papst Georg seine königliche, markgräfliche und fürstliche Würde, und man begann, sich auf einen Kreuzzug gegen das ketzerische Böhmen vorzubereiten. 34 Im Jahre 1467 kam es zu den ersten Kämpfen, in die auch Breslau bald verwickelt wurde.

2.2. Zur Vorlage von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica Wie gezeigt, waren zu Eschenloers Zeiten in Breslau mehrere lateinische Handschriften von Silvius' Historia Bohémica im Umlauf. Die Vorlage zur Ubersetzung für Eschenloer verschaffte höchstwahrscheinlich der Auftraggeber, der Breslauer Stadtrat, aber die genauere Herkunft dieser Handschrift bleibt unbekannt. Markgraf meint, daß 1464 Silvius' Historia Bohémica wahrscheinlich „von einem der Breslauer Agenten von Rom mitgebracht" wurde. 35 Dies ist zwar nicht ausgeschlossen, man kann sich allerdings auch andere Möglichkeiten vorstellen, wie Eschenloer die Vorlage zu seiner Ubersetzung erhalten hat. Aus dem oben Gesagten wird deutlich, daß das lateinische Werk in Breslau schon früher bekannt gewesen sein kann. Eschenloers Historia Wratislaviensis zeigt, daß er schon 1463 eine Handschrift von Silvius' Historia Bohémica benutzen konnte. Bereits zu Beginn des ersten Buches seiner lateinischen Historia Wratislaviensis, an der er 1463 zu arbeiten begann, übernahm Eschenloer ausgedehnte Passagen aus Silvius' Historia Bohémica, in die er einige Breslau betreffende Nachrichten und Urkunden eingeschoben hat. So sind in Eschenloers Chronik große Abschnitte aus dem 4. und 5. Buch von Silvius' Werk enthalten, sicher aus der Handschrift, nach der Eschenloer seine Übersetzung der Historia Bohémica anfertigte. H. Markgraf hat in der Edition von Eschenloers Historia Wratislaviensis nicht den ganzen von Silvius' stammenden Text wiedergegeben, weil ihm einige die Geschichte Breslaus nicht direkt betreffende Passagen unwichtig erschienen. Trotzdem stellt Markgrafs Edition 34 35

Strnad, S. 635. Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 16.

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Eschenloers Historia Bohémica

genügend Text zu Verfügung, mit dessen Hilfe man nach der Erstellung einer kritischen Ausgabe von Silvius' Werk die von Eschenloer benutzte Vorlage in das Stemma der lateinischen Textzeugen wird einfügen oder im optimalen Falle gar mit einer der erhaltenen Handschriften identifizieren können. Ein guter Hinweis auf die Gruppe von lateinischen Handschriften, die Eschenloers Ubersetzung nahe stehen, ist die Tatsache, daß bei Eschenloer einige der ersten Kapitel des Buchs 1 eigene Uberschriften haben, wie es auch in einigen lateinischen Handschriften von Silvius' Werk der Fall ist. Auch Eschenloers Text selbst bietet mehrere Anhaltspunkte für die nähere Charakterisierung seiner Vorlage. 36 Eine Einreihung in das Stemma wird deshalb nach dem Publizieren der kritischen Ausgabe des lateinischen Werkes wahrscheinlich keine größeren Schwierigkeiten bereiten. Zur Zeit kann der Abdruck bei Markgraf wenigstens für einige Beobachtungen über Eschenloers Arbeitsweise genutzt werden. Ein Vergleich zeigt, daß Eschenloer Silvius' Werk für seine Historia Wratislaviensis nicht mechanisch abgeschrieben, sondern dabei zahlreiche Veränderungen vorgenommen hat. Es zeigt sich hier die gleiche Tendenz, die auch bei Eschenloers Übertragung von Silvius' Werk ins Deutsche festgestellt werden kann, daß Eschenloer vor allem einen möglichst verständlichen Text bieten wollte. Er ließ einige wenige Sätze von Silvius aus, ab und zu nahm er stilistische oder grammatische Vereinfachungen vor, allerdings nicht immer konsequent. Häufig ersetzte er mehrere Ausdrücke durch ihre geläufigeren Synonyme. Den Satzbau verdeutlichte er manchmal durch das Hinzufügen von Konjunktionen, Adverbien usw. Solche kleinen Veränderungen finden sich fast in jedem Satz. Ein Beispiel für Änderungen solcher Art: Dux itaque Albertus ea virtute usus est, que, postquam reges esse apere, rarissima fuit. Nam venientibus ad se Bohemorum legatis amplum et nobile regnum offerentibus egit gradas, qui se unum ex omnibus elegissent, cui obedire vellent, dignumque tanto imperio judicassent, multa se ideoque debere Bohemis ñeque id unquam beneficii W e n n ζ. Β. Eschenloer bei dem Gang von H u s u n d Hieronymus zum Scheiterhaufen formuliert: Z a dem fewr haben sie eilende und frölich gegangen, an alle stymme StilL· sweigende, doruß man ire arme düifftige sele hette mögen gerichten E 2,568-570, dann weist die Verwendung von gerichten auf eine Vorlage, wo in dem Satz: Pertulerunt ambo constanti animo necem et quasi ad epulas invitati ad incendium properarunt nullam emitientes vocem, quae miseri animi facere posset indicium. S 1522-1524 statt indicium das W o r t iudicium gestanden hat.

2. Peter Eschenloer - Person und Werk

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oblivioni daturum; sed cum regis Alberti filias supersit, indecorum esse cum alterìus injuria regnum petere ...37. Die entsprechende Stelle lautet bei Silvius: Albertus ea virtute atque animi moderatione usus est, quaepostquam reges esse coepere, rarissima semper fuit. Nam venientibus ad se Bohemorum legatis amplum et nobile regnum offerentibus grattas egit, qui se unum ex omnibus elegissent, cui parere vellent, dignumque tanto impeño iudicassent. Multa se idcirco debere Bohemis ñeque id unquam beneftcii oblivioni daturum. At cum regis Alberti soboles extet, indecorum esse cum alterìus iniuria regnum quaerere ... (S 2911-2917)38 Während sich Eschenloer bei der Übertragung von Silvius' Historia Bohémica relativ eng an den Vorlagetext hielt, hat er bei der Aufnahme des lateinischen Textes in seine Historia Wratislaviensis mehrere sachliche Veränderungen vorgenommen, die zugleich seinen Standpunkt zu den dargestellten Ereignissen zum Ausdruck bringen. Als Beispiel soll die Stelle über die Eroberung Prags durch Georg von Podëbrady im September 1448 dienen. Bei Silvius wird berichtet: Georgius, qui suapte natura magna cuperet, collaudatis suasoribus nonnullos in urbem ire iubet, qui pertentatis civium animis, quaecumque invenerint, ad se référant. Postquam multi aures adhibent, coniuratione facta dies invadendae urbis constituitur. Coniurati incendium in parte urbis admodum remota excitant. Concurrìtur ad restinguendum ignem. Interea Georgius ex adversa parte cum copiis muros invadit, nec mora, proditores inì9 instanti portam aperiunt. Extollitur clamor, ut in capta urbe solet. Hinc tremor suprema timentium, inde exultatio victorum exaudiri. Trucidantur passim resistentes. Maynardus in eo tumultu captus in arcem coniectus est ibique tandem obiit, sive taedio diutini carceris, sive, ut plerique putaverunt, exhausto veneno. (S 2965-2975). Eschenloer bietet die gleiche Stelle folgendermaßen: Georgius collaudatis persuasorìbus nonnullos Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. 2. Ich belasse die Schreibungen und Interpunktion dieser Ausgabe, die manchmal von denen der Edition von 1998 abweichen. Ich zitiere die Quellen folgendermaßen: In den Passagen, wo die Handschriften herangezogen werden, werden die betreffenden Stellen mit Angabe des Folios in den Hss. Ρ (Prag) und W (Breslau) zitiert, bei den Hinweisen auf den Text unserer Edition wird die Sigle E verwendet, die Nummer des Buches (wobei die Vorrede als 0 bezeichnet wird) und die betreffende Zeile. Der lateinische Text wird nach der in Anm. 1 angeführten Edition zitiert, die die Schrift von Silvius ohne Beachtung der Bücher zeilenweise als Ganzes durchzählt. in ist laut der Edition von 1998, S. 194, in den Handschriften A (= Hohenfurt), O (= Olmütz), R (= Rom, Druck von 1475), Τ (= Tiebon) nicht vorhanden.

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Eschenloers Historia Bohémica

in Pragam mittit, qui temptatis avium animis cuncta ad se référant, que audierint; postquam multi aures inclinant, facta conjuradone dies invadendi urbem statuitur. Conjurati incendium in parte urbis admodum remota excitant; concurritur ad restinguendum aut restringendum ignem. Interea Georgius ex adversa parte cum copiis muros invadit, nec mora, proditores instanti portam aperiunt; extollitur clamor, ut in capta urbe solet; hinc timorfidelibtis, inde exultado hereticis; trucidantur passim resistentes. Maynhardus in eo tumultu captus in arcem Karlstein conjectus est; ibi tandem obiit vel tedio diutini carceris vel, ut plerique asserunt, hausto veneno.40 Eschenloer läßt also die Charakteristik Georgs aus, weil sie eventuell als positiv gedeutet werden könnte; wenn Silvius über das Geschrei der Besiegten und der Sieger im allgemeinen spricht, sind es bei Eschenloer die „Getreuen" und die „Ketzer". Die Annahme über die Vergiftung Menharts wird bei Eschenloer ein wenig wahrscheinlicher gemacht, indem er Silvius' ut pleñque putaverunt durch ut plerique asserunt ersetzt. Aus eigener Kenntnis fugt Eschenloer den Todesort von Menhart hinzu. 4 1 Man könnte sich fragen, ob Eschenloer bei seiner Übertragung der Historia Wratislaviensis ins Deutsche die Textstellen, die er direkt aus Silvius übernommen hatte, erneut übersetzte oder ob er hier seine bereits vorhandene Übertragung benutzt hat. Zu der Feststellung, daß „Eschenloer in der deutschen Redaction seiner Geschichte nicht seine frühere Übersetzung des Aeneas Sylvius zu Grunde legt, sondern sein lateinisches Manuscript" gelangte bereits Markgraf, der einen Teil von Silvius' Rede auf dem Landtag von BeneJov (S 3077-3092) aus vier Fassungen abgedruckt hat - aus Silvius nach dem Druck Köln 1524, aus Eschenloers Übersetzung nach der Handschrift W, aus der Ausgabe von Kunisch sowie aus der Handschrift IV f. 151a.42 Dank der freundlichen Hilfe von Frau G. Roth konnte ich das von ihr für die moderne

4

® Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. 3-4. Menhart von Neuhaus ist allerdings nicht in Karlstein gestorben. Nach Georgs Eroberung von Prag Anfang September 1448 wurde Menhart in Georgs Burg in Podèbrady gefangengehalten; zu Beginn des Jahres 1449 wurde Menhart krank und starb nach seiner Entlassung Anfang Februar unterwegs nach der Burg Karlstein (westlich von Prag) in ÈJ£any (südlich von Prag) - vgl. U r b á n e k , Rudolf: Vlk podibradsky (Das Zeitalter des Georg von Podèbrady), Teil 2 (üskedéjiny III, 2), Praha 1918, S. 348-349. 41

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Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 26-28. Auf die Unterschiede der von ihm abgedruckten Texte geht Markgraf allerdings nicht ein.

2. Peter Eschenloer - Person und Werk

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Edition der deutschen Fassung gesammelte und ausgewertete Material benutzen. Auch aufgrund dieser Handschriften bestätigt sich, daß Eschenloer seine vorherige Übertragung nicht benutzte, sondern daß er die in sein Werk integrierten Passagen aus Silvius, einschließlich der eigenen Veränderungen, erneut ins Deutsche übertrug und dabei manchmal weitere Veränderungen vorgenommen hat. Das kann wiederum an der Stelle über die Eroberung Prags durch Georg von Podëbrady gezeigt werden. In der deutschen Fassung der Historia Wratislaviensis heißt es: Vil bürgere, die iaunder cristliche czucht libeten, wurden durch dise boten Girsiks vorgifft, vnd sagten jm hulffe zu, vnd gaben jm anweisunge, Präge zu obirfallen. Vff einen tag als Girsik mit seinem beere sulde kommen, worden etliche fewer zu Präge angeczündt v f f dem teile, do Girsik nicht sulde zu stürmen. Die bürgere liffen zum fewr, die weil was Girsik v f feyme andiren ende mit seinem beere vnd stürmete zu der statmawr. Ane sewmen quomen die vonetere, die sich in der stat mit Girsiken vorlobit hatten, vnd offenten jm ein thore. Das geschrey als in eynir gewonnen stat erhub sich, grosse forchte entstunden den fromen cristen, vnd frewde den keczeren. Alle, die sich zu were saczten, worden nidergeslagen, doiynne auch der frome hem Meinhart gefangen v f f das slos Karlstein gefurt vnd hungers gesterbet wart, allen cristlichen lernten ewiglich zu beweynen. Man sieht, daß die Ubersetzung der Historia Bohémica anders formuliert war: Georgius, von natur grossir dinge begerlich, als her dise rede horte, do lobete her iren rate und sante etliche ken Präge, zu vorsuchen und zu frogen der burger gemüte, und was sie würden vornemen, sulden sie zubrengen. Und als vil bürger eyde zu im gesworen hatten und in ein tag gelegt wart, die stat zu stürmen. Do woren dieselben burger und machten ein fewer fern in der stat, sere grosse, dorczu die leute vtl louffen und lescheten. Bynnen des Georgius quome mit vil leuten an eyme andern teyle an die statmaur, und die voneter taten im von statan uff das thore. Do wart das geschray gros, als is pfligt zu sein in eyner stat, so sie gewonnen wirt, von den, die sich furchten, und von den, die obirwinden. Die sich wolden weren, wurden erslagen, dorunder Meinhardus gefangen wart und uff das slos gefurt, doselbist her starb aus langem siezen adir, als vil sagen, von eynen tranck mit giffte usgetruncken. (E 4,692-707). In der deutschen Übertragung der Historia Wratislaviensis sind alle vorherigen Veränderungen aus Eschenloers lateinischem Text beibehalten: die Streichung der einleitenden Charakteristik Georgs, die Einfuhrung von fidelibus (hier noch verstärkt: fromen cristen) und hereticis, die Erwähnung Karlsteins; schärfer ist

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Eschenloers Historia Bohémica

die Formulierung: Vil bürgere .... wurden durch dise boten Girsiks vorgifft. Aus allen diesen Tatsachen wird deutlich, daß Eschenloer die von ihm übersetzten bzw. aufgenommenen Texte nicht als unantastbar angesehen, sondern seinen aktuellen Absichten und seinem Stilgeschmack immer wieder angepaßt hat.

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica des Aeneas Silvius Piccolomini 3.1. Die Textzeugen Die von Peter Eschenloer 1464 beendete deutsche Ubersetzung von Silvius' Historia Bohémica ist heute aus zwei Handschriften bekannt. Die in der Nostitz-Bibliothek in Prag 4 3 aufbewahrte Handschrift stammt aus dem letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, die Handschrift der Universitätsbibliothek Wroclaw aus dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts. 4 4 Im Weiteren verwende ich für diese Handschriften die Siglen Ρ und W . «

3.1.1. Beschreibung der Handschriften 3.1.1.1. Die Prager Handschrift (Sigle Ρ) Eine kurze Beschreibung der Prager Handschrift lieferte 1910 der tschechische Historiker J . V. Simák in seinem Katalog der Prager Bibliothek der aus Schlesien stammenden Familie Nostitz. 4 6 Unter der Signatur Ms d 6 befindet sich in der heute v o m Nationalmuseum Prag Die Bibliothek des Palais Nostitz auf der Prager Kleinseite wird von der Bibliothek des Prager Nationalmuseums verwaltet.

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Über die Problematik der Datierung der Breslauer Handschrift siehe weiter unten. 44

In meinem ersten Bericht über die Prager Handschrift: B o k , Václav: Zu Eschenloers deutscher Übertragung der Historia Bohémica des Eneas Silvius Piccolomini, In: Brücken, Germanistisches Jahrbuch Tschechien-Slowakei 1994, S. 141-151, habe ich die Siglen Ρ fur die Prager und Β fur die Breslauer Handschrift eingeführt. Es scheint mir jedoch ratsamer, die Breslauer Hs. mit W zu bezeichnen einmal, um der polnischen Namenform der Stadt Rechnung zu tragen, zum anderen, um diese Sigle von der der anderen Handschrift auch optisch besser abzuheben. Rukopisy majorátní knihovny hrabat ζ Nostitz a Rhienecka (Handschriften der Majoratsbibliothek der Grafen von Nostitz und Rhieneck), Praha 1910, S. 67.

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Eschenloers Historia Bohémica

verwalteten Bibliothek der Herren von Nostitz und Rhieneck die Handschrift mit Eschenloers beiden Übertragungen - Historia Hierosolymitana des Robertus monachus und Historia Bohémica des Aeneas Silvius Piccolomini - die letztere allerdings erst ab Beginn des Buches 2. Simák setzt die Handschrift ins 15. Jh. und ist der Meinung, daß die Handschrift in zeitlicher Nähe zu Eschenloers Original entstanden ist. Die Papierhandschrift Ms d 6 befindet sich in einem mit rotbraunem Leder bezogenen Pappeinband aus dem 17. oder 18. Jh., wobei der Deckel mit einem einfachen Blinddruckornament versehen ist. Der Einband der Handschrift ist leicht beschädigt und wurmstichig; die zwei grünen Bänder zum Zuschnüren der Handschrift sind stark zersplissen. Auf dem Buchrücken befindet sich ein Schildchen mit der Signatur MS d 6. Die Handschrift hat insgesamt 123 Blätter, die nur eine mit Bleistift vorgenommene Foliierung haben. Die Höhe der Blätter variiert zwischen 265-266 mm, die Breite zwischen 204-207 mm. Die Breite war ursprünglich etwa um 11 mm größer, die Blätter wurden später seitlich beschnitten, wobei der Text mit kleinen roten lateinischen Marginalien belassen und über die verminderte Blattbreite umgeknickt wurde. Die Folios l-3r sind leer, auf f. 3v befindet sich etwa in der Mitte die Unterschrift Otto Nostitz mp. Auf dem vorderen Vorsatzblatt befindet sich ein Exlibris der Nostitzschen Bibliothek mit dem Wappen der Familie und der Inschrift: Ex Bibliothecae Maioratus Familiae Nostitzianae 1774 MS. d 6. Auf f. 4r-67v ist der Text der Historia Hierosolymitana des Robertus monachus eingetragen, auf f. 68r-121r der Historia Bohémica des Aeneas Silvius. Vom ursprünglichen Blatt 121 sind etwa die vier oberen Fünftel (bis zum Ende des Textes) erhalten, der Rest ist abgeschnitten und das ganze Blatt mit einem anderen Papier unterklebt. Die Seite 12 lv sowie die Folios 122123 sind leer, ebenso das hintere Vorsatzblatt. Der Schriftspiegel hat die Maße 210 mm χ 136 mm. Der Text ist einspaltig geschrieben, es gibt keine Liniierung, die Zeilenzahl variiert zwischen 35-36. Die Initialen zu Beginn der einzelnen Bücher sowie am Beginn der Darstellung über die Hussitenbewegung innerhalb des Buches 2 sind rot und gehen über 2-3 Zeilen. Die ein- bis zweizeiligen Buchüberschriften sind rot. Ihre Schrift unterscheidet sich weder in der Größe noch im Charakter von der Schrift des normalen Textes. Die Majuskeln sowie einige weitere Anfangsbuchstaben von Wörtern im Text sind rot gestrichelt, die

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 25 Interpunktionszeichen - Kommas bzw. eher Virgeln - sind rot. Korrigierte Buchstaben bzw. Wörter sind oft schwarz und dann noch rot gestrichen. Die relativ selten erscheinenden Unterstreichungen sind zu Beginn des Textes rot, später schwarz. Außer dem erwähnten Besitzervermerk Otto Nostitz auf f. 3v enthält die Handschrift einige kurze lateinische Marginalnotizen, die wohl vom Schreiber der Handschrift stammen. 4 7 Darüber hinaus befinden sich in der Handschrift zahlreiche große, flüchtig mit einer Hand des 17. oder 18. Jh. geschriebene lateinische Marginalien, die auf wichtige Passagen der beiden Texte hinweisen. Es ist nicht eindeutig festzustellen, ob der Autor dieser Notizen der gebildete Geistliche, Jurist und Schriftsteller Johannes Thomas Adalbert Berghauer (1684 - 1760) ist, der u. a. seit 1741 den jungen Grafen Franz Anton Nostitz auf den nördlich von Prag gelegenen Gütern der Herren von Nostitz in Philosophie unterrichtete. Berghauer hat sich nämlich in der Handschrift zweimal mit einer zierlicher Schrift unterschrieben - auf f. 67v steht geschrieben: Legi An. 1741 Thomas Berghauer I.V.D. Can. Wissehrad·, auf f. 121r: Legi A. 1742 Thomas Berghauer I.V.D. Can. Wissehrad,48 Bereits zu Berghauers Zeiten hatte die Handschrift Ρ ihren Anfangsteil verloren. Berghauer vermerkt nämlich auf f. 68r über dem Beginn von Eschenloers Ubersetzung der böhmischen Chronik: Historia Regni Bohemiae translata ex latino Aeneae Sylvii inchoans a Cap. 22. usque ad finem. Man kann vermuten, daß die beschädigte Handschrift im 17. oder im frühen 18. Jh. neu gebunden wurde, wobei die Folge der beiden Übertragungen Eschenloers umgestellt wurde und die Lagen mit dem Vorwort und dem Buch 1 der Böhmischen Geschichte verlorengingen bzw. bereits verlorengegangen waren. Auf die Umstellung der beiden Texte weist die Formulierung der auf f. 67v befindlichen Notiz: Ad honorem et mandatum honestissimorum dominorum Wratislaviensium translate sunt in theutonicum predicte historiae Bohémica et Jeroslomitana per me Petrum Eschenloer de Nureberga arcium magistrum et 47

Diese Marginalien werden im Apparat unserer Edition ausgewiesen. Über Berghauer vgl. die Monographie von Valentin U r f u s : Jan Tomài Vojtich Berghauer (1684-1760), díkan královske kolegiátní kapituly u sv. Petra a Pavia na Vykhradi (J.T.V.B., Dekan des königlichen Kollegiatkapitels zu St. Peter und Paul in Prag-Vyiehrad), Kosteini Vydfi 1997. 48

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Eschenloers Historia Bohémica

prothonotarium civitatis Wratislaviensis Anno domini M°CCCC LX sexto postferia paschalia hin, wo über predicte historiae gesprochen wird und die Notiz nicht am Ende der Handschrift, sondern gleich nach ihrem ersten Stück steht. Eine andere, wohl ursprüngliche Reihenfolge, d. h. zuerst die Historia Bohémica, dann die Hierosolymitana, zeigt die Breslauer Handschrift. Die Handschrift Ρ läßt sich ihrer Schrift zufolge in das letzte Drittel des 15. Jh. datieren. Bei der Beschaffenheit des Papiers und seiner dichten Beschreibung sind die Filigrane sehr undeutlich. Das Filigran stellt den Buchstaben W mit einer Krone dar, in deren Reif sich zwei kleine Ringe befinden und die in den Ecken verzierte Spitzen hat, deren äußere Ränder die verlängerten äußeren Linien des Buchstabens W bilden; über der Mitte ist wohl eine Kugel aufgesetzt. Die Form des Filigrans steht am nächsten dem Wasserzeichen Nr. 9160 bei Briquet, das allerdings frühestens 1546 bezeugt ist. Der älteste Beleg des einigermaßen ähnlichen Wasserzeichens Nr. 9158 stammt aus dem Jahre 1494 aus Breslau 49 . Dies steht in gewissem Widerspruch zur Datierung nach der Schrift, die man in das letzte Drittel des 15. Jh. setzen kann, sowie zu unserer Vorstellung, daß manche der Korrekturen von Eschenloer (f 1481) durchgeführt wurden. Vielleicht könnten spätere Funde des gleichen Wasserzeichens diese Probleme erhellen. Der tschechische Historiker J. V. Simák gibt in der Einleitung zu seinem Katalog eine kurze Geschichte der Bibliothek der Herren von Nostitz, wodurch u. a. deutlich wird, wie die Handschrift mit den Texten Eschenloers nach Prag gelangt sein kann. Simáks Angaben können anhand weiterer Literatur vervollständigt und präzisiert werden. Die Grundlage der Bibliothek der schlesischen Adelsfamilie von Nostitz bildet die Sammlung Ottos von Nostitz (f 1630), der ab 1606 Appellationsrat war, ab 1610 deutscher Vizekanzler in der Böhmischen Kanzlei und der eine bedeutende Rolle am habsburgischen Hof spielte. 1623 wurde er in den Herrenstand erhoben und beteiligte sich dann maßgeblich an der Ausarbeitung der Verneuerten Landesordnung. Bei Konfiskationen der Güter des böhmischen Adels nach dem niederC. M. B r i q u e t , Les filigranes. Dictionnaire historique des marques du papier dès leur apparition vers 1282 jusqu'en 1600. A facsimile of the 1907 edition with supplementary material contributed by a number of scholars. Edited by Allan Stevenson 2, Amsterdam 1968, S. 486, Abbildungen unter den entsprechenden Nummern in Bd. 4.

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica

TI

geschlagenen Aufstand gegen die Habsburger bereicherte sich Otto beträchtlich. Er erwarb u. a. die westböhmische Herrschaft Falkenau sowie einige Häuser in der Prager Kleinstadt, an deren Stelle seine Nachkommen 1664 ein prunkvolles Barockpalais errichteten. Die Familienbibliothek wurde durch seinen Neffen, den gelehrten Juristen Otto (1608-1664), wesentlich erweitert, der nach dem Universitätsstudium in Leipzig und Straßburg bedeutende politische Amter in Schlesien bekleidete. Er war u.a. 1642 Hauptmann von Breslau, 1650 Hauptmann von Schweidnitz und Jauer. Es ist anzunehmen, daß er die Handschrift während seiner Tätigkeit in Breslau erworben hat und daß die Unterschrift auf f. 3v sich auf ihn bezieht. Nach Ottos Tod erbte sein Neffe Johann Hartwig von Nostitz ("j" 1683) seine Sammlungen und brachte sie in das Prager Nostitzpalais, wo sich die Bibliothek samt der behandelten Handschrift bis heute befindet. 50

3.1.1.2. Die Handschrift von Wroclaw (Sigle W) Die Handschrift IV F 105 der Universitätsbibliothek Wroclaw enthält 336 Blätter in Folioformat mit den Maßen 300 χ 200 mm. Der mit Leder bezogene Holzeinband hat Buckel und Schließen. Auf dem Einband befindet sich vorn oben der Aufdruck Behemische Chronick, vorn unten Anno Domini 1545. Die Handschrift 51 beginnt mit Eschenloers Ubersetzung von Silvius' Historia Bohémica f. 1 - 8Ir, die auf f. 81r mit einem deutschen Kolophon 52 endet. Danach folgen 3 leere Blätter. Die nachfolgenden Folios haben zwei alte Blattzählungen, wobei die in der oberen Ecke des Blattes befindliche die 3 leeren Blätter mitzählt, die Zählung in der unteren Ecke sie nicht berücksichtigt. Diese Differenz von 3 Blättern bleibt dann in der weiteren Zählung der Handschrift erhalten. Ich führe beide Zählungen an, die in der unteren Ecke befindliche setze ich in Klammern. Auf f. 85r (82r) beginnt Bearbeitet nach Simák, J. V. und S. 435. 50

Ottäv slovník nauény

(Ottos Enzyklopädie) 18,

Die Beschreibung der Hs. gebe ich nach einer anonymen handschriftlichen Beschreibung von der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert, die sich in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek in Wroclaw befindet, sowie nach dem Mikrofilm der beiden in der Hs. enthaltenen Werke Eschenloers und einer kurzen Autopsie der Handschrift. 51

52

Vgl. Anm. 28.

28

Eschenloers Historia Bohémica

Eschenloers Übersetzung der Historia Hierosolymitana des Robertus Monachus, die auf f. 154r (15Ir) mit einer deutschen Notiz abgeschlossen wird: Czu ere viti auss befeie der ersamen hernn der stat Breslaw sein dise vorgeschrìebenn zwo Historia, nämlich, dy Behemisch vnd Jherosolimitanisch auss Latein yhn Deutsch brockt worden, durch mich Petrum Eschenloer von Nürnnbergk, der 7 freien kunst Magister vnd statschreiber der stat Breslaw Anno 1466. Die Seiten 154v (151v) und 155r (152r) sind leer, auf f. 155v (152v) befinden sich in einer querliegenden Tabelle Angaben über Geburtsdaten und -orte der Kinder von Maximilian II. und seiner Frau Maria zwischen den Jahren 1549-1568, f. 156r (153r) ist leer, auf f. 156v (153v) befinden sich in einer ähnlich eingerichteten Tabelle die Sterbedaten und -orte der habsburgischen Kinder zwischen den Jahren 1526-1547. Diese Tabellen sind von einer anderen Hand als die beiden vorhergehenden Stücke geschrieben. Auf f. 157r-184r (154r18 lr) folgt mit der gleichen Hand, die die Werke von Eschenloer eingetragen hat, ein historischer Text mit dem Incipit Hie hebt sich an die Chronicken der fürstenthümber der Schlesien, der Ereignisse zwischen 9651536 verzeichnet, f. 184v (181v) ist leer, f. 182r-183v hat einen von einer anderen Hand geschriebenen Text mit dem Anfang Ursprungk der Stadt Breßlow, auf f. 184r-330v befindet sich ein historischer Text, der mit den Worten beginnt: Folgen hernoch Chronick der geschickten so sich im landt Schlesien sonderlich der Stadt Bresla begebenn (Geschehnisse der Jahre 10521555; von 3 Händen geschrieben, bis f. 326 geht die Hand, die auf f. 154 erschienen war), dann folgen verschiedene Notizen, die Breslauer Ereignisse betreffen, auf f. 336r beginnt ein Verzeichnis der Breslauer Teuerungen mit dem Jahre 1527. Die Handschrift hat verschiedene Besitzervermerke - auf der Innenseite des Vorsatzblattes rot FD, darunter schwarz: Georgias Sittner est possessor harum Chronicarum 1554, auf der Innenseite des Rückendeckels befindet sich die Eintragung 1574 ad 19 apprilis ist Fridericus Fritzsch Sturm genant gestorben die geschribene Cronica geweszen Gott Inn ewickait gnade. Amen. Auf. f. lr ist der Besitzervermerk Bibliothecae Hospitalis S. Matthiae Wratislaviae Reposito. 13. Litt. D. Num. 31, unten rot Bressela. Die Handschrift W hat zahlreiche deutsche Marginalien aus den verschiedensten Zeiten, die auf langes Interesse an dem Text hinweisen. 53

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Hier erwähne ich lediglich zwei interessante Marginalien. Im Buch 1, wo die Sage

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 29 Die Enstehung der Breslauer Handschrift läßt sich in die 30er oder 40er Jahre des 16. Jh. legen. Der Aufdruck 1545 auf dem Einband des Manuskipts stellt den terminus ante quem dar. In die 30er oder 40er Jahre des 16. Jh. weisen auch die Filigrane. Das Filigran - Kopf des Evangelisten Johannes - wurde für in Breslau hergestelltes Papier benuzt. Die Form des Filigrans entspricht am ehesten der Nummer 2259 bei Briquet (Breslau 1533-1537, Variante 1545), gewisse Ähnlichkeiten gibt es auch mit der Nr. 2260 (Breslau 1549).54 Zu der Datierung gemäß der Nr. 2259 in die Mitte der 30er Jahre des 16. Jh. würde auch der Umstand passen, daß die in der Handschrift von gleicher Hand wie Eschenloers Werke geschriebenen schlesischen Chroniken die Ereignisse bis zum Jahre 1536 verzeichnen. Die beiden Kodizes haben eine ähnliche Zusammensetzung, indem sie jeweils die beiden Ubersetzungswerke Eschenloers - Historia Bohémica des Aeneas Silvias Piccolomini und Historia Hierosolymitana des Robertus Monachus - bringen, wobei die Hs. W noch weitere Werke zur schlesischen Geschichte enthält. Laut Eintragungen in den beiden Handschriften hat Eschenloer die beiden Übertragungen im Auftrag des Breslauer Stadtrates verfaßt. 55 Das Papier der beiden Kodizes wurde nach Ausweis der Filigrane in Breslau hergestellt. Auch die Uberlieferungsart sowie die Sprache der beiden Handschriften weisen darauf hin, daß sie in Breslau aufgeschrieben wurden. Die Kenntnis von Eschenloers Ubersetzungen hat deshalb wohl kaum den Rahmen von Breslau überschritten. Eschenloers Texte sind in den beiden Handschriften jeweils von einer Hand aufgezeichnet. Sie sind sorgfältig geschrieben, auch über den kampflustigen nordwestböhmischen Fürsten dargeboten wird, spricht Silvius über sein Herrschaftszentrum, entgegen den böhmischen Quellen, wo es Vlastislav heißt: quam de suo nomine Vratislaviam nuncupavit S 507-508, was Eschenloer genauso übersetzt : nante 51 noch seinem namen Wratislauiam - E 1,635. In der Breslauer Handschrift erscheint dazu eine spätere Marginalie Vratislauia, die bezeugt, daß ein Leser diesen Ort als Breslau auffaßte. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch Silvius und Eschenloer die beiden Orte für identisch hielten. Eine zweite interessante Marginalie in W befindet sich auf f. 15r, die die Erlaubnis der slawischen Sprache im Gottesdienst positiv kommentiert und auf das Deutsche überträgt: Theutsch mag man singenn vnd Gott loben. Wahrscheinlich stammt dieser Eintrag aus der Zeit nach 1531, wo in Breslau die Reformation durchgeführt wurde. 54 Briquet 1, S. 167.

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ungeachtet des an und für sich flüchtig wirkenden Schriftbildes der Hs. W. In keiner der beiden Handschriften finden sich durch Augensprung ausgelassene Zeilen und ähnliche gröbere Versehen. Beide Handschriften haben auch eine relativ einheitliche (natürlich jeweils andere) graphematische Gestalt und weisen auf geübte und erfahrene Schreiber hin. In keiner der beiden Handschriften befindet sich ein näherer Hinweis darauf, von wem und wo in Breslau die Handschrift geschrieben wurde. Man kann besonders im Falle von Ρ an die nahe Umgebung Eschenloers denken, an einen der Breslauer Ratsschreiber, schon aus dem Grund, daß im letzten Drittel des 15. Jh. eine so stabile graphematische Wiedergabe von Lauten und Lautverbindungen am ehesten in einer städtischen Kanzlei mit reichem Schriftverkehr denkbar ist. 56 Beide Handschriften weisen mehrere Korrekturen auf, die meistens von der gleichen Hand wie der Haupttext stammen. Wie die Art von Korrekturen zeigt, wurden sie sowohl im Verlauf des Aufschreibeprozesses als auch während der nachfolgenden Kontrolle vorgenommen. Die Häufigkeit dieser nur Kleinigkeiten betreffenden Korrekturen übersteigt nicht das gewohnte Maß.

3.1.2. Das Verhältnis der Handschriften Die Beziehungen der Textzeugen Ρ und W lassen sich ohne größere Probleme charakterisieren. Die Handschrift Ρ kann aus chronologischen Gründen nicht von der Hs. W abhängig sein. Mehrere Lesarten von W gegenüber Ρ (bzw. gegenüber dem Archetypus der Ubersetzung) lassen sich durch den Vergleich mit dem lateinischen Vorlagewerk als sekundär erweisen. Weitere Varianten sind durch das jüngere Alter der Handschrift W bedingt, die etwa 50-70 Jahre nach der Entstehung von Eschenloers Uber55

Handschrift Ρ f. 67v, Hs. W f. 81r, die entsprechenden Texte vgl. Anm. 32 bzw. 28. Diese Stabilität, die besonders in W bemerkenswert ist, äußert sich u.a. in der relativ einheitlichen Niederschrift von Eigennamen. Dies zeigt sich ζ. B. beim Namen des noch zu Lebzeiten Eschenloers lebenden fuhrenden Präger hussitischen Geistlichen Jan Rokycana ("("1471), dessen Name Anlaß zu den unterschiedlichsten Schreibungen hätte geben können, doch in der Handschrift Ρ wird der Name 30x einheitlich als Rockiczan und nur lx als Rockiczana geschrieben; die Stadt Rokycany, aus der dieser hussitische Geistliche stammte, wird Rocbkiaana (1 Beleg) geschrieben. Der Name der Stadt Wien kommt in der Hs. W in allen 25 Fällen als

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 31 setzung geschrieben wurde. Im zweiten Viertel des 16. Jh. entsprachen manche sprachlichen Züge, die in Ρ vorkommen und die höchstwahrscheinlich auch die Vorlage von W hatte, nicht mehr dem Usus der Zeit, so daß der Schreiber von W hier nach seinem sprachlichen und stilistischen Geschmack mehrere Änderungen vornahm. Einige Ausdrücke ersetzte er durch modernere Synonyme, er behob einige wenig übliche Formulierungen bzw. syntaktische Fügungen, in denen sich Eschenloer nach Ausweis der Hs. Ρ manchmal zu eng an seine lateinische Vorlage hielt. In einigen Fällen bemühte sich der Schreiber von W um Verdeutlichung der Aussage durch Hinzufugung von Adverbien, Konjunktionen usw. Die Unterschiede im Wortschatz zwischen den Handschriften W und Ρ beruhen einmal auf der Vorliebe des Schreibers von W für gewisse lexikalische Varianten, zum anderen auf seinem Bemühen, veraltete bzw. veraltende Wörter zu ersetzen. Dieser Ersatz geschieht bis auf wenige Ausnahmen konsequent im ganzen Text. Ich bringe im Folgenden einige Beispiele mit konkreten Stellenangaben. So entspricht dem Pronomen der selbe in Ρ (76v; 77r) der selbige in W (30v; 31v); dem Temporaladverb von statari in Ρ (77r; 116r; 120r) von stundan in W (31v; 74v; 79v); bynne/bynnen des in Ρ (68v; 80v; 83r) bey des in W (22r; 34v, 37r); dem Substantiv stat in Ρ (77v; 78r; 120r) steht stelle in W (32r; 32r; 79r) gegenüber. Altere Ausdrücke werden durch neuere ersetzt: sam in Ρ (68r; 75r; l l l v ) durch als in W (21v; 29v; 68v - ausnahmsweise in W auch erhalten: sam nichtz newes geschehen werW 38v); das irniss (76v - 2x; l l l r ) wird ersetzt durch deryrthum (30v; 31r; 68r); mochten sie undirenander unkeuschen (P 82v) - mochten sy miteinander unkeyscheyt treyben (W 36v); das ältere angetan wird manchmal anders ausgedrückt: angetan hatte (P l l l r ) χ ahngezogen hatte (W 68r); gar wol angetan in harnasch (Ρ 112v) χ gar wol gerüstetyhn harnasch (W 70r); von den andern gefangen wart das gerichte uffgeslagen (Ρ 117v) χ von den anderen gefangen wardt das gerichte uffgeschoben (W 76r) - De ceteris captivis suspensum iudicium (S 37193720) usw. Weitere Beispiele betreffen die Beseitigung von ungewöhnlichen Formulierungen, von denen die meisten durch Eschenloers Anlehnung an die lateinische Vorlage verursacht waren: do hisse her sich füren aus Behem, doiynne derglöube czwifilig was, in Merhern (Ρ 97v) χ do hyeß ehr sich füren aus Behem, daiynnen der glaube zwyspeldig was, yhn Merhern (W 53r)

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- ex Bohemia, cuius dubia fides erat, in Moraviam se vehi iussit (S 26592660); Der kaiser was swere, im antwort zu geben und sagete (P 112r) χ Der keyset was schwermutigyhm antwort zweben (W 69r) - Caesar, cui verba dare diffiàllimum esset (S 3399); Ladislaus Huniad in dem XXIIII jar seinergeburt (P 117r) χ Ladislaus Huniad yhn dem XXIIII. jar seines alders (W 76r) Ladislaus quatuor et XX natus annos (S 3704); mit matronen und juncfrawen (P 118v) χ mit frawen und jungkfrawen (W 77v) - matronae ac virgines (S 3780); goben im die hiligen sacramenta noch ordenunge der hiligen cristenheit (P 119v) χ gaben ym dy heyligen saaamenta noch ordenung der heiligen christlichen kyrchen (W 79r) - Christiane more sacramenta, exhibita (S 3845). Einige dieser ungewöhnlichen Wendungen, die in Ρ beseitigt wurden, haben jedoch kein Vorbild bei Silvius: dorczu geldis man not ist (P 108v) χ dartzu man geldes bedorfft (W 65r) χ qua pecunia sit opus (S 3223-3224); der seer allis gifftis was (P 121r) χ der voll alles giffts was (W 80v) χ venenorum sator (S 3917). Daß der Schreiber von W die ältere Konstruktion von werden + Partizip I. nicht mehr verstand oder sie für veraltet hielt, zeigt sein mißglückter Ersatz dieser Fügung, die in der Hs. Ρ in ursprünglicher Form noch erhalten ist: Die hartikeit der keaer wart obirwindende, die begerlicher woren zu reuben denn zu der andacht desglouben. (P 83r) χ Dy hartihyt der ketzer ward uberwunden, dy begerlicher waren zu rauben den zu der andacht des glauben. (W 37v). Durch diesen Ersatz wurde der Sinn der Aussage gestört, ja unlogisch in sein Gegenteil verkehrt, wie auch der Vergleich mit der lateinischen Vorlage zeigt: Vicit tarnen obstinatio eorum, quos rapinarum cupido magis quam fidei zelus pellexerat. (S 1827-1828). In zahlreichen Fällen versucht der Schreiber von W, die Zusammenhänge deutlicher herauszuarbeiten und den Text klarer zu gestalten. Dafür benutzt er kleine Ergänzungen wie Temporaladverbien, Konjunktionen, er verwendet Substantive bzw. Eigennamen statt der Pronomina u. dgl. Ein Beispiel für die Einsetzung von Temporaladverbien: Als Fridericus Procopium hatte vorhort (Ρ 102v) χ Als nuhe Fridericus Procopiüm hatte vorhoertt (W 58v) - Fridericus audito Procopio (S 29042905). Die Handschrift W setzt Konjunktionen ein, wo Ρ asyndetische Fügungen hat: Der burggraff von Magdeburg herre derselben stat, wart gefangen, ken Präge gefurt und starb in gefencknis (Ρ 88v) χ Der burgkgraff von Magdeburg herr der selben statt, warde gefangen und ken Präge gefurt und starb ym gefencknuß. (W 43r) - Burgraphius Magdeburgensis, loci dominus,

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 33 aiplus et Pragam ductus in carcere diem obiit. (S 2137-2138); als ein unobirwintlicher furste, küne, unerschrocken (P 91r) χ als ein unuberwintlicher furste, kune und unerschrocken (W 46r) - invictum ducem, audacem, intrepidum (S 2285); Die konigynne Elisabeth (P 102r) xAherdy kônigin Elisabet (W 57v) - Regina Elisabeth (S 2866); wenn anders czemet den herolden, anders geboret eynem edilen manne (Ρ 11 lv) χ wen anders zymet den herolden und anders geburet einem edelmann (W 69r) - Aliud histrioni, aliud vero nobili convenit. (S 3387-3388); Als sie wider heym quomen (Ρ 103v) χ Und als sy wider heim quomen (W 59v) - Dornum reversis (S 2946); als her ausgeben hatte (P 119r) χ und als ehr ausgebette hatte (W 78v) - orationem de more ad superos habuit, qua finita gravatum se dixit (S 3818-3819); Eynczinger (Ρ 112v) χ Aber Eyntzinger (W 70r) - Eyzingherus (S 3440). Ein aussagekräftiges Beispiel befindet sich im Buch 4, wo W die Sätze deutlicher durch das Hinzufugen von aber und ßo verbindet: die czeit sey kurcz, ire werber zu senden, wenn nicht mer denn XV tag noch zu dem tag woren. So die czeit des tages erlenget wurde, weide sie ire werber senden, die des kindes gerechtifait sulden furbrengen. (P 102r) χ dy zeyt sey kurtz, ire werber zu senden, wenn nicht mer dan XV taege noch zu dem tage woren. Aberßo dy zeyt des tages erlengt wurde, ßo wolde sy yre werber senden, dye des kyndes gerechtikeyt sulden furbrengen. (W 58r) - Tempus mittendi legatos arctum esse. Neque enim amplius quam dies quindecim supererant. Si prorogetur terminus, missuram, qui pueri iura edisserant. (S 2871-2873). Zur Verdeutlichung der inhaltlichen oder syntaktischen Beziehungen dient ebenfalls die Ergänzung von konkreten Namen bzw. Substantiven im Unterschied zu den in der Hs. Ρ und bei Silvius verwendeten Pronomina: Compositis insidiis Iohannes ad regem vocatur. (S 3483-3484) - Heimliche wegelogunge wurden geschickt, Johannes wart besant (Ρ 113v) χ Heymliche wegelogunge wurden geschickt, Johannes Huniad warde besant (W 71r); Vicerunt lohannem communes amia (S 3499) - Dornoch obinedten Johannem seine friinde (P 113v) χ Darnach uberredeten Johannem Huniad seine frunde (W 71v); ob mortem mariti lugubri veste induta (S 3654) - in eynem betrübten cleide umb des todis willen ires mannes (Ρ 116v) myhn einem betruebten kleyde umb des todes wilen yhrs mannes Huniad (W 75r); Frater eius in vinculis retentus est. (S 3716) sein bruder wart in gefencknis beholden (Ρ 117v) χ Mathias seyn bruder ward yn gefencknuss behalden (W 76r). Mit Hilfe des lateinischen Textes erweisen sich auch einige weitere Lesarten von W gegenüber dem in Ρ erhaltenen Text als sekundär, wie

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ζ. Β.: infestis copiis (S 3021-3022) - mit grossen scharen (Ρ 105r) χ mit grossem fallu (W 6 Ir); Albertum, ... qui Polonium saepe infesto exercitu petens longe hteque praedas egit. (S 2815-2817) - Diser Albrecht mit den Breslern czog offte in Polen mit feintlichem beere (P lOlr) χ Dyser Albrecht mit den Breslern zog offtyhn Polen mit großem heere (W 57r); nullos census, nulla vectigalia publica (S 3053-3054) - keine czinsse, keyne czolle offenbar (Ρ 105v) χ kein zynss, keinen zoll offenwar (W 61v); per amicos reconciliari Ladislao quaerit (S 3423) - do suchete her durch fründe, wie her mit Ladislao wider vorrichtet werden und zu seinen gnaden komen mochte (Ρ 112v) χ do sucht ehr durch frunde, wy ehr mit Ladislao dem kânig wider vorricht werden, und zu seinen gnaden kümmen möchte (W 69v). Eine direkte Verkehrung des Sinnes gegenüber Silvius und der Handschrift Ρ entsteht durch die folgende Umformulierung der Handschrift W: des meyste teyl waren sy dewtsche, denew dy Hungern gantz gram seyn (W 73v) χ des meiste teiles woren sie Tewtsche, die den Hungern gancz gram sein (P 115r) - quorum magna pars Theutonica fuit, Hungarico infensissima generi. (S 3583-3584). Diese sowie zahlreiche weitere Fälle weisen deutlich darauf hin, daß Ρ einen der Übertragung Eschenloers viel näheren Text als W bietet. Umgekehrte Fälle, wo W eine größere Nähe zum Archetypus zeigt, sind äußerst selten. Ich konnte nur eine, allerdings kaum beweiskräftige Variante finden: Sachssen, Francken, Beyern (Ρ 118v) χ Sachsen, Beyrn, Francken (W 77v) - Saxoniae, Baioariae, Franconiae (S 3789). Eine Lesart aus dem Buch 3 beweist deutlich, daß die Handschrift Ρ nicht Vorlage fur W gewesen sein kann. Die Stelle lautet in der Hs. W folgendermaßen: Dyser Briticho Clenouensis, als vil ehr under den ketzern gelarter was, als vili was ehr uhnderyne grawssamer und arger. Darumb das ehr zu rate ward, dyse stat Misa wider Zugewinnen, ehe sy fürbas zogenn. (W 43v), in Ρ (89r) dagegen: Diser Priticho Clenouensis, als vil her undir den keczern gelarter was, als vil was her undir in grawsammer und erger. Dorumme das heere zu rate wart, dise stat Misa wider zu gewynnen, eh sie furbas czögen. Bei Silvius (2165-2169) heißt es: Hanc urbem Pricicho Clenouensis, inter haereticos quantum doctior ac facundior, tantum crudelitate ac perfidia nequior, praecedenti nocte exfidelium manibus eripuerat. Erat igitur consilium exercitus hanc urbem prim recuperare, quam ultra procederent. In Ρ steht im zweiten Satz das richtige Wort heere, während W an dieser Stelle ehr hat. Der Fehler in W ist so erklärbar, daß für den Schreiber von Ρ die ältere

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 35 ostmitteldeutsche Form des Personalpronomens der 3. Person Sg. her nicht mehr akzeptabel war - er verwendet überall ehr. Die in seiner Vorlage vorkommenden Formen her verwandelte er mechanisch in ehr. Dies tat er auch hier, ohne Berücksichtigung des Kontexts, und hat so aus dem richtigen Substantiv heere (exercitus) das Pronomen ehr geschaffen. Deswegen muß der Schreiber von W eine Vorlage benutzt haben, wo das deutsche Äquivalent für exercitus in der Form her stand. Es muß eine andere Handschrift als die Prager gewesen sein, denn aus ihrer Schreibung heere läßt sich das an entsprechender Stelle stehende ehr nicht ableiten. Dies belegt die Existenz einer weiteren, heute unbekannten Handschrift, die ich mit X bezeichne. In der Hs. Ρ gibt es mehrere Korrekturen üblicher Art - gestrichene Buchstabengruppen, die das nachfolgende Wort nicht ergeben hätten, zu früh gesetzte Wörter, Nachtragen von vergessenen Wörtern. Manche dieser falschen Schreibungen wurden rechtzeitig bemerkt und gleich korrigiert, andere Korrekturen - Wörter oder Wortgruppen, die der Schreiber wohl beim nochmaligen Lesen als fehlend bemerkte - wurden oberhalb der Zeile oder am Seitenrand ergänzt. Beim Rubrizieren des Textes hat er dann diese ursprünglich schwarz gestrichenen Wörter bzw. Buchstaben meistens noch rot durchgestrichen. Fehler, die erst beim Rubrizieren entdeckt wurden, sind rot gestrichen und häufig am Blattrand korrekt geschrieben, weil es für sie meistens nicht mehr Platz genug zwischen den Zeilen gab. Die Art der Korrekturen zeigt einmal die Sorgfältigkeit des Schreibers, zum anderen, daß er das Geschriebene mit einer Vorlage verglichen hat. An einigen Stellen setzte der Schreiber von Ρ ein Wort zu früh, bemerkte aber rechtzeitig seinen Irrtum, strich das Falsche durch und plazierte das Wort beim weiteren Schreiben an richtiger Stelle. Das zeigt ein Beispiel im Buch 5: Vil grosse menner sein, die eh konigreich vorlossen denn und teylen denn die ere. (Ρ 115v = E 5,261-263). W hat den Wortlaut: Vitt grosße menner seyn, dy ehe kânigreich vorlassen und teylen, dan dy ehre (W 74r). Die zu früh geschriebenen Wörter bezeugen, daß Ρ eine Abschrift ist. In Ρ finden sich jedoch auch einige wenige Korrekturen anderer Art, die gewisse Fragen zum Ubersetzungs- bzw. Abschreibeprozeß und zum Stellenwert dieser Handschrift aufwerfen. In diesen Fällen unterscheiden sich der durchgestrichene und der korrigierte Text manchmal sach-

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lieh, manchmal nur sprachlich, und der endgültige Text schließt sich enger als der ursprüngliche an Silvius an. An einigen Stellen wurden die als unrichtig empfundenen Ausdrücke im Laufe des Schreibprozesses gestrichen und gleich danach durch eine andere Formulierung ersetzt; anderswo geschah die Korrektur nachträglich, wie ihre Plazierung über dem gestrichenen Text zeigt; manchmal sind sogar diese beiden Möglichkeiten kombiniert. Die Erklärung dieser Korrekturen bereitet gewisse Schwierigkeiten. In einigen dieser Fälle kann es sich vielleicht darum handeln, daß sich der Abschreiber die abzuschreibende Stelle nicht ganz richtig merkte und sie anders zu schreiben begann, bald aber die richtige Formulierung doch wahrgenommen hat, den falschen Ansatz gestrichen, und gleich weiter den richtigen Text geschrieben hat. Zu Stellen dieser Art könnten gehören: Die dritte botschafft wart auch awsgesant zu Calisto dem bobiste zu senden furgenomen (P 118v = E 5,510511) oder eine Stelle in der Erzählung über den geizigen Prager Erzbischof Albicus: Die slussil zu seinem wein vortrawete her nymands denn cynir mayt im selbis (P 77r = E 2,682-683) - qui claves cellae vinariae nulli alteri quam sibi aedidit (S 1467-1468), wobei der Grund der ursprünglichen falschen Vorstellung der Einfluß der kurz danach folgenden Erzählung von Silvius (S 1469) sein kann, Albicus hätte einen zu verschwenderischen Koch verjagt und durch eine alte Frau (vorworffen und vorsmehtis weip (E 2,687) ersetzt. Wahrscheinlich gehört hierher auch die Stelle aus dem Buch 3: Von disen gingen XL manne (E 3,119) Ex his XL viri insulam exiere (S 1778), wo allerdings das zuerst unrichtig geschriebene und gestrichene vir und ezwenezig durch XL oberhalb der Zeile ersetzt ist. Ein weiterer Fall sind die Korrekturen auf f. 113r, wo in einer Zeile zuerst 2 Wörter gestrichen sind und der eventuelle Ersatz (bzw. ein stehengelassener, zu verwendender Rest eines Synonympaares) gleich dahinter steht und die folgenden 3 Wörter wiederum gestrichen, aber nun durch darübergeschriebene 2 Wörter ersetzt sind. Es handelt sich um eine Stelle aus dem Anfang des Buches 5, wo der Graf von Cilli nach der bösen Erfahrung seiner Verjagung vom königlichen Hof nach seiner ehrenvollen Wiederaufnahme den Hof freiwillig verlassen will, aber dies schließlich nicht tut: Non tarn fortiter ea fecit, quam dixit sapienter. (S 3454-3455). Bei Eschenloer sieht die Stelle so aus: Dis sagte her weisiglich und volbmeht und hilde is mecbtiglieh (?? - schwer lesbar) und ster ñker nicht stetiglich. (E 5,37-38). Hier geht es wohl um eine stilistische

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 37 Veränderung, bei der sich der Ubersetzer von einer allzu mechanischen Ubersetzung lösen wollte. Bei weiteren Fällen ist die Ursache anders: Auf f. 72v = (E 2,337-338) stand ursprünglich Heinrich der sibende herczog zu Luaemburg. Das Wort heraßg wurde durchgestrichen und statt dessen von der gleichen Hand durch grafe noch am Ende der Zeile hinter dem Wort Luaemburg gesetzt. Zu Eschenloers Zeiten war Luxemburg bereits Herzogtum (seit 1354), unter Heinrich VII. nur eine Grafschaft. Die den Tatsachen entsprechende Bezeichnung comes (S 1199) hatte wohl Eschenloer zuerst seiner eigenen Zeit angepaßt, dann aber wieder zurückkorrigiert. An einer weiteren Stelle kann nicht eindeutig entschieden werden, ob durch die Korrektur eine nicht ganz gemäße Wiedergabe von Silvius' Text wenigstens teilweise verbessert werden sollte oder ob die ursprüngliche deutsche Formulierung richtigere sachliche Informationen als Silvius bieten wollte, die schließlich aber doch einer größeren Anlehnung an den Text von Silvius geopfert wurden. Silvius sagt im Buch 2: Post baec Egra a Iohanne recepta est et Vratislaviensium civitas, quam dux Sclesiae occupami Henricus, Legnitium quoque et complures aliae Sclesiae civitates Iohanni subiiuciuntur. (S 12331234). In der Handschrift Ρ (73r) sieht die Stelle so aus: Dornoch nome Johannes eyn die stat Eger und die stat Breslow, die kereaoge Meinrieh von Legniee mit seinen hdffem und vil andern belegt hatten ein herauge in Slesia ynnehatte zu unrecht. Auch vil andir stete in Siesien und herczuge Heinrich von Legnici quomen undir Johannis gehorsam. (E 2,384-388). Eine Wiederherstellung des Textes von Silvius durch Streichungen in der Übersetzung findet sich auch im Buch 4, wo über den Versuch gesprochen wird, den polnischen König Kasimir zum böhmischen König zu wählen. Auch hier steht die korrigierte Fassung unmittelbar im Text hinter der gestrichenen, nur das Wort etlicher wird durch das übergeschriebene der ersetzt. Bei Silvius lautet diese Stelle: Albertum et Sigismundi testamento et provincialium decreto regem esse. Non potuisse paucos, qui Casimirum vocavere, ius regni in alterum transfene. (S 2740-2742). Es ist schwer feststellbar, ob hier Eschenloer - (P 99v = E 4,372-376) - zuerst die sachlichen Akzente ein wenig anders setzen oder einfach seine ursprünglich zu freie Ubertragung enger an Silvius anschließen wollte: sundir wie Albrecht, aus befelhunge Sigismundi und erkentnis etlicher der (darüber geschrieben) herrn vom Behem konig erwelet sey und doch nieht an .... (1 Wort unleserlich) grosse macht das reieh Casimirs, den sie gcrttffen heften, subenemen sey, und das

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Eschenloers Historia Bohémica

wenige leute, die do Casimirum geruffen hetten, eyns andern gerechtikeit nicht könden benemen und die gerechtikeit des reichs in eynen andern nicht brengen mochten. Aussagekräftig fìir die Bewertung der Handschrift sind insbesondere folgende zwei Korrekturen. Im Buch 3 spricht Silvius darüber, wie die Hussiten ihr Land bezeichneten: Bohemiam tenam promissionis esse dicebant (S 2117). In Ρ (88r = E 3,552-553) sieht die entsprechende Stelle folgendermaßen aus: das ertrckk lant zu Behemen hissen sie das globit lant. Das falsche ertreich ist gleich dahinter korrigiert, so daß man hier wohl direkt den Ubersetzer bei der Arbeit beobachten kann, indem er das mögliche, aber im Kontext falsche Äquivalent für tena durch das richtige ersetzt. Weiter sind das Verbesserungen bei der Schilderung der Belagerung der Burg Sion. Hier wird auf f. 97v zweimal der Ausdruck das tal zu den parchen korrigiert - im ersten Fall nachträglich (über dem gestrichenen Wort), zum zweiten Mal aber gleich hinter dem gestrichenen Wort, am Zeilenende. Den Stellen zu verfechten den parchan (E 4,221) und gewonnen den parchen (E 4,224-225) entspricht bei Silvius ad defendendum vallum (S 2628) bzw. vallum superat (S 2631). Hier wurde sich Eschenloer wohl dessen bewußt, daß er zuerst die lateinischen Wörter vallis = Tal und vallum = Wall, Verschanzung verwechselt hat, und er korrigierte die unrichtige Ubersetzung. Weil im zweiten Fall die Korrektur noch so plaziert ist, daß sie am Zeilenrand steht, der ohne sie zu früh enden würde, zeigt sich, daß die falsche Ubersetzung in diesem Fall schnell bemerkt wurde, was auf den Eingriff von Eschenloer hinweist. Diese korrigierten Stellen beweisen, daß die Prager Handschrift ein bedeutender Textzeuge ist, eine möglicherweise von Eschenloer selbst geschriebene oder wenigstens durch ihn schon beim Aufschreibeprozeß überwachte Handschrift, wobei eine weitere Kontrolle beim Rubrizieren auch mit Silvius' Vorlagetext vorgenommen wurde. Anhand von einigen wenigen Textstellen (vgl. S. 42, S. 44) konnte gezeigt werden, daß Ρ selbst eine Abschrift und kein Autograph ist. Man kann deshalb die Prager Handschrift als ein gewisses Endstadium der unter Kontrolle von Eschenloer entstandenen Textfassung bezeichnen, vielleicht eine Reinschrift. Bei Eschenloers bedeutender Stellung in der Breslauer Kanzlei wird mit der Abschrift seiner Übersetzung von Silvius' Werk wahrscheinlich einer von Eschenloers Untergebenen

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 39 beauftragt worden sein, und Eschenloer kontrollierte dessen Arbeit. Meine Annahme in einem Artikel aus dem Jahre 1994 ,,... daß wir doch eine Handschrift aus der Hand des Autors vor uns haben oder zumindest eine solche, die unter seiner Aufsicht entstanden ist" 57 , ist zugunsten der zweiten Eventualität zu korrigieren. Der Vermerk über die Ubersetzungsarbeit Eschenloers... translate sunt... per me Petmrn Eschenloer de Nurëberga .. (Ρ 67v) sagt ja nichts über den Schreiber der konkreten Handschrift aus, bezeichnet eher den Verfasser des Werkes und wird aus einer Vorlage abgeschrieben sein. Die zweideutige Art solcher Formulierungen zeigt eine ähnliche Notiz in der Handschrift IV F 151a der Universitätsbibliothek Wroclaw (deutsche Fassung der Historia Wratislaviensis). Aus ihrem Wortlaut: „Diss buch geschreben hot magister Petrus der Stat Schreiber zu Breslaw gewest ist, Das denne heintze domnige kamen ist von Barbara seyner elichenn hawszfrawenn. Anno Domini M CCCC LXXXprimo " wurde geschlossen, daß es sich u m ein Autograph handelt, das Eschenloers Witwe einem Heinz Domnig überlassen hat. 58 Frau G. Roth hat mich freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht, daß es sich nach ihrer Erkenntnis, die sie durch gründliche Beschäftigung mit der Handschrift gewonnen hat, um kein Autograph handeln kann, da es hier mehrere für eine Abschrift typische Schreiberversehen gibt. Die Beobachtungen zum Verhältnis der Handschriften von Eschenloers Übersetzung können folgendermaßen zusammengefaßt werden: Die Prager Handschrift (P) ist ein unter der Kontrolle von Eschenloer angefertigtes Endstadium seines Textes. Sie selbst ist eine Abschrift, steht aber sicher dem Archetypus sehr nahe. Die Breslauer Handschrift (W) hat zwar an allen untersuchten Stellen die endgültigen Formulierungen der Handschrift P, sie ist von ihr jedoch nicht unmittelbar abhängig, wie die wichtige Lesart ehr auf f. 43v zeigt. Die Handschrift Ρ geht deshalb auf eine nicht erhaltene Handschrift X zurück, die der Handschrift Ρ zeitlich nahestand, weil sie noch das Personalpronomen für die 3. Person Sg. in der Form her verwendete. Die Handschrift X hatte die in Ρ vorkommenden endgültigen Formulierungen der oben erwähnten Stellen übernommen. Diese Beobachtungen führen zu folWienn vor. 57 58

Bok, S. 143. Markgraf, Magister Peter Eschenloer, S. 22. Von ihm übernehme ich auch den

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Eschenloers Historia Bohémica

gendem Stemma der Handschriften von Eschenloers Übertragung: Archetypus

Die Frage, warum es gerade in diesen Fällen zu Korrekturen gekommen ist, kann ich nicht befriedigend beantworten. Bei der Untersuchung des Textes finden sich nämlich zahlreiche problematische Stellen oder gar direkte Ubersetzungsfehler, die bei einer konsequenten Kontrolle hätten ins Auge springen müssen (s. Beispiele in Punkt 4.13). Daneben sind an zwei Stellen unbeseitigte Reste des Entscheidungsprozesses beim Übersetzen erhalten. Gleich im Vorwort von Silvius' Werk blieb in der Übersetzung Eschenloers eine doppelt übersetzte Stelle stehen. Eschenloer wollte offensichtlich zuerst die ihm nicht liegende Formulierung anders ausdrücken, er tat es auch, aber dann hat er die Stelle doch auch nach der Vorlage wiedergegeben. Bei Silvius heißt es: Contra vero infelices dicas ac superis odiosos fuisse, qui pro lege patrum custodienda ... (S 37-38), bei Eschenloer: ydoch widerumbßo sein sy gantz uhnsaelig und dem hoechstem gott hessig leute gewest. Und ob man dy menschenn weide uhnselig und den Sbersten hessig weide achten, dy umb des gesetzes willen der vdter... (E 0,60-0,63). Im Buch 5 blieb die Bezeichnung der gleichen Stadt (Esztergom) sowohl in der lateinischen als auch in der deutschen Form hintereinander stehen - dem ertzbischoff zu Strigon Grane (E 5,413-414), während an anderen Stellen Silvius' Strigonium immer nur mit Gran wiedergegeben wird. Ich stelle eine gewisse Diskrepanz fest zwischen den Fällen von sorgfaltiger Korrektur der erwähnten Stellen und einer Menge von nicht berichtigten Fehlern (siehe auch unter 4.13.). Es läßt sich also annehmen, daß Eschenloer nur an einigen Stellen eine Kontrolle mit dem lateinischen Text durchführte.

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 41

3.2. Der sprachliche Charakter der Handschriften Beide Textzeugen weisen deutliche Merkmale der ostmitteldeutschen, schlesischen Schreibsprache auf. Sie differieren allerdings in mehreren Zügen, die auf die unterschiedlichen Schreibergewohnheiten und den zeitlichen Abstand zwischen der Niederschrift der beiden Handschriften zurückzuführen sind. Als typisch ostmitteldeutsch kann der ausschließliche Gebrauch der Verbalpräfixe vor- für ver- sowie zu- für ztr- in beiden Handschriften gelten. In beiden Handschriften erscheinen noch manche undiphthongierten Formen - in der Hs. Ρ ζ. Β. usgesaczt 2,435; uslossen, 2,701; uszurichten 5,514\ glich 2,589; 2,684; 3,268; 4,292 usw. (aber gleich 4,291;4,816 usw.), in der jüngeren Hs. W uffnemen 0,130; ujfbrocht 1,145; uffgang 1,7; uffgangk 1,182; uffgewachßen 1,298 usw. Die jüngeren, diphthongierten Formen überwiegen in beiden Handschriften, viel häufiger vertreten sind sie in der Hs. W. (ζ. B. mit seyner husfrawen Ρ 98v χ mit seiner hawsfrawen W 54v), in der Hs. W auch schon bei der Präposition auf statt des typisch ostmitteldeutschen u f f . In der Handschrift Ρ ist auch ein weiteres schlesisches Merkmal vertreten, nämlich -i- in unbetonten Silben (ζ. B. capitil 2,302; in fremdin stetin 4,1312; ein grossis beere 5,153; entkegin 5,329), das in der jüngeren Hs. W nicht mehr vorkommt. Für die Hs. W ist dagegen die weitergehende Diphthongierung i > ei in der Präposition in charakteristisch: ein dem alden gesetze undyhn der heyligen schrifft 0,33-34; kompt ein das mere 1,22 usw. Die jüngere Handschrift W ist auf dem Wege zum neuhochdeutschen Schreibusus weiter fortgeschritten, was sich im Rückgang von mundartlichen Merkmalen sowie in manchen seit dem Beginn des 16. Jh. erscheinenden charakteristischen modischen Schreibungen wie der Verwendung von Dehnungs-A - ihrer 0,44 (oft auch unberechtigt ahnder 0,35; uhnseren 0,41, ehr 1,316), Konsonantenhäufung - wegenn 0,19; kyrchenn 0,43; auss 0,34 usw. äußert. Von ostmitteldeutschen lexikalischen Charakteristika erscheint in beiden Handschriften z. B. oder auch in der Bedeutung aber, allerdings kommt abir in Bedeutung von oder nur in der älteren Handschrift Ρ vor. Während in Ρ das Personalpronomen der 3. Person Sg. noch her lautet, wird in W nur noch die Form ehr verwendet. Außer in graphematischen und lexikalischen Erscheinungen unterscheiden sich die beiden Handschriften in einigen anderen Zügen, die

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Eschenloers Historia Bohémica

besonders die Form von Eigennamen Zahlenangaben betreffen.

und die Verwendung der

Es scheint, daß Eschenloer nach Ausweis der Hs. Ρ die lateinischen Namenformen seiner Vorlage nach Möglichkeit eindeutschte, besonders dann, wenn sie im Nominativ oder Akkusativ standen, manchmal auch im Dativ. Die im Genitiv stehenden Namen beließ Eschenloer meistens in der lateinischen Form, wie ζ. B.: die macht Rudolffi (E 2,148)

- Rodulfi potentiam (S 1046); Meinhardi macht (E 4,676-677) - Maynardi potestas (S 2953), in einigen Fällen hat er sie sogar selber gebildet - papil-

laris aetas (S 2986) - kintheit Ladislai (E 4,721). In der jüngeren Handschrift W erscheinen lateinische Formen von Eigennamen viel häufiger als in P, wobei sie nicht direkt aus Silvius' lateinischem Text übernommen, sondern aus Eschenloers deutschen Formen latinisiert werden. Der Grund für das häufigere Auftreten von lateinischen Namenformen in der Hs. W wird die im ersten Drittel des 16. Jh. fortgeschrittene Durchsetzung von humanistischen Tendenzen sein, die mit der erneuerten Aufwertung des Lateinischen gegenüber der Volkssprache verbunden war. Einige Belege: Wenczil (P 69r), Wenczlow

(Ρ 73v) χ Wenceslaus (W 22v, W 28r); stete in Siesien (P 73r) χ stettyn der Silesia (W 27r); Karolus (Ρ 73v) χ Carolus (W 27v); Albrecht (P lOOv - 2x) χ Albertus (W 56v), Alberto (W 56v) usw. Die Handschrift W hat sogar lateinische Namenformen manchmal selbständig gebildet, indem sie sie den anderen syntaktischen Erfordernissen der deutschen Ubersetzung entsprechend in einen anderen Kasus setzte. So entspricht ζ. B. der

Formulierung von Silvius: Verum Ptasco et qui Alberti recusarunt Imperium (S 2879) in Ρ (102r = E 4,574-575): Ptasco und die, die wider Albrecht gewest woren, während W die lateinische Form des Namens hat: Ptasko und dy,

dy wider Albertum gewest waren (W 58r). Die Tendenz, daß die Handschrift W lateinische Formen einsetzt, ist jedoch nicht eindeutig; es gibt auch einige wenige Fälle, wo Ρ Formen der lateinischen Vorlage behält, während sie in W in eingedeutschter Gestalt erscheinen, ζ. B.: kaiser

Heinrici (Ρ 68v) χ keyser Heinrichs (W 22r); die kirche sancti Viti (Ρ 69r) χ dy kyrchen sanct Veit (W 22v). Das Appellativum articulus erscheint bis auf eine Ausnahme in Ρ in der eingedeutschten Form artikil, in W wird das Wort auch an dieser Stelle eingedeutscht: quatuor artículos proposuere

(S 2320-2321) - doruff vorczalten sie vir artículos (Ρ 92r) χ darauff vortzaelten sy vier artikel (W 46v). Möglicherweise achtete der Schreiber von Ρ

3. Die Überlieferung von Eschenloers Übersetzung der Historia Bohémica 43 bei diesem Appellativum mehr auf dessen bessere Einfügung in den deutschen Satz. Auch bei dem Ausdruck von Mengenangaben durch Wort bzw. Ziffern lassen sich gewisse Differenzen zwischen den beiden Handschriften feststellen. In manchen Fällen verwenden beide Handschriften Ziffern, aber sonst zeigt sich, daß Ρ ein wenig häufiger Wörter benutzt, ζ. B.: am ailfften buch (Ρ 72v) χ ahm XI. buch (W 26r); undir achczehen tagen (Ρ 79v) χ under XVIII tagen (W 34r); czwenczig gulden (Ρ 80r) χ XXgulden (W 34v) usw. Auch der folgende Fall bestätigt, daß Eschenloer die Zahlenangaben eher mit Wörtern ausdrückte und daß die jüngere Breslauer Hs. sie in Ziffern umwandelte: virundawenczig tausent gulden dem konig, und dem graffen czwelff tausent (P 109v=E 4,11321133) χ dem koenige virundzweintzig tausent gulden, und dem graffen XII tausent (W 66T).).

4. Zu Eschenloers Übersetzungsmethode 4.0. Allgemeines Im Folgenden soll auf einige Merkmale von Eschenloers Ubersetzungsmethode hingewiesen werden. Eschenloer hält sich relativ eng an seine Vorlage, was bei einem historischen Werk notwendig und verständlich ist. Wahrscheinlich spielte daneben die Autorität des Verfassers der Schrift, der zur Zeit der Übertragung Papst war, auch eine Rolle. Eschenloer machte trotzdem einige sachliche Veränderungen, auf die später eingegangen wird. Unter sprachlichem Gesichtspunkt ist Eschenloers Ubersetzung sehr getreu, jedoch nur stellenweise wortgetreu. Aus objektiven und subjektiven Gründen konnte Eschenloer die Gestalt und stilistische Qualität seiner Vorlage nicht erreichen - manche der eleganten syntaktischen Wendungen des humanistischen Latein von Aeneas Silvius haben keine Entsprechung im Deutschen, aber auch Eschenloers stilistische Gewandtheit kann sich bei aller Wertschätzung mit Silvius nicht messen. In den eigenen Werken zeigt sich Eschenloer als guter Erzähler, zugleich aber auch als Mann mit solider herkömmlicher Bildung, die von den zu seiner Ausbildungszeit (in den 30er bis 40er Jahren des 15. Jh.) in Mitteleuropa erst einsetzenden humanistischen Tendenzen noch nicht beeinflußt wurde. 59

4.1. Erzählperson Eschenloer tritt in seiner Übertragung in keiner Weise direkt auf, durch etwaige Kommentare u.ä., die er als seine markieren oder wo er über Silvius in der dritten Person sprechen würde. Er behält die von Wuillaul dei beli effemini Nu Liz. 59 Auch Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. 11, ist der Meinung, daß Eschenloers Stil „keinen Anflug von Humanismus" zeige. Andererseits meint Markgraf bei der Schilderung von Eschenloers Bildungsweg: „ist er dabei nicht ohne Kenntnis von den eben auflebenden humanistischen Studien geblieben" und weist darauf hin, „Nürnberg ... hatte schon in den vierziger Jahren mehrere angesehene Humanisten in seinen Mauern" (S. 6). Es ist jedoch nicht einmal sicher, ob Eschenloer seinen Schulbesuch in Nürnberg absolvierte, und wenn ja, dann eher bereits an der Wende der 30er zu den 40er Jahren, vgl. oben S. 9.

4. Zu Eschenloers Übersetzungsmethode

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Silvius verwendete Form der Ich-Erzählung überall bei, d.h. unter dem ich bzw. wir der Ubersetzung ist immer Silvius zu verstehen. Eschenloer folgt Silvius mechanisch, auch dann, wenn dieser in einem kurzen Abstand von der 1. Person Sg. in die 1. Person PI. wechselt: Dum haec scribo, Alfonsi, regis Aragonum, cuipraesentem Historiam dedicaveram... mihi quidem acerbissimus nuntiatus est obitus.... Utinam successori par cura virtutis sit minorque saeculo nostro calamitas ingruat, quam timemus. Nos operi, quod iam finem requirit, summam admoveamus manum. (S 3890-3897) - Als ich diese historia hie am ende schreibe, do wart mir gesagt der tode Alfonsi des konigs Arogonie, der mir gar bitterlich leyt was, ..., got helffe, das sein nochfolger sulcher tugent glich sey mit Alfonso, und das suiches betrübnis in der werlt nicht entstee, als wir furchten. Und domit geben wir diser historia ende. (E 5,659-669). Eschenloer verwendet das Pronomen der ersten Person überall dort, wo Silvius es tut. Dies geschieht nicht nur bei allgemeinen rhetorischen Floskeln, z. B. prius a nepote, ut ante diximus, occisus (S 1196-1197) - wart von seinem vetter bey Reyne, als wir vorgesagt haben, zuvorgetöttet (E 2,335336); de quo paulo ante mentionem ferímus (S 1198-1199) - von dem wir auch vorgesagt haben (E 2,338-339), sondern auch dort, wo Silvius über seine Anwesenheit bei einem Ereignis spricht oder eigene persönliche Gefühle zum Ausdruck bringt: quo in loco tunc aderamus, astantibus plurimis (S 2993-2994) - dobey wir auch selbis personlich mit vil andern stunden (E 4,731-732); Nos huius amicitia in curia Friderici caesaris usi si quid profecimus, quod sumus, quam tenue est, adiumento suo consecuti sumus. Episcopatum certe Tergestinum, unde reliquae dignitates provenere, ipse nobis primus commini curavit. (S 2682-2685) - Wir haben dis Casperfrundtschaffi am hof Friderici gebraucht, also das wir unsir lere und kunst, als vil wir der wissen, von im haben und durch seine hulffe das bisthume zu Tergeste und andir wirdikeit haben erfolget. (E 4,292-296). Dies geht so weit, daß auch die Nachricht über den Tod des aragonesischen Königs Alfons, die Silvius mit den Worten Dum haec scribo, Alfonsi, regis Aragonum, cui praesentem Historiam dedicaveram, multis formidatus, pluribus expectatus, mihi quidem acerbissimus nuntiatus est obitus. (S 3890-3892) einleitet, bei Eschenloer wörtlich wiedergegeben wird, als ob der Tod des Königs gerade während seiner Ubersetzungsarbeit eingetreten wäre und die geäußerte Trauer darüber seine eigene wäre: Als ich diese historia hie am ende schreibe, do wart mir gesagt der tode Alfonsi des konigs Arogonie, der mir

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gar bitterlich leyt was, wenn derselb konig von vil geßirchtet, von vil gelibet wart, und vil hoffeten durch in ire erhohunge. (E 5,659-663).

4.2. Erzählzeit Silvius benutzt in seiner Erzählung häufig das Präsens historicum. Diese für das Deutsche unübliche Erzählzeit ersetzt Eschenloer meist durch das Präteritum. Einige Beispiele: Spitigneus, ut primurn rerum potitus, omnes Theutonici generis Bohemia exadere iubet nec matri potestatem manendi facit. (S 876-877) χ Und als balde dyser Spitigneus zu dem regiment quome, gebot ehr, das alle Dewtsche auss Behem solden tziehen, auch seine eygne mutter daraus weichen muest. (E 1,1179-1181); Sigismundus his cognitis Norimbergam profedus ησυα principum auxilia comparai (S 2182-2183) χ Als dis kaiser Sigmundus erkante, do czog her ken Nurenberg und sammelte newe hulffe von den fursten. (E 3,645-647).

4.3. Direkte Rede Die bei vielen Historikern des Altertums und des Mittelalters gern verwendete und besonders in der humanistischen Geschichtsschreibung stilistisch schmuckvoll ausgestaltete direkte Rede war auch für Aeneas Silvius Piccolomini eine willkommene Gelegenheit, seine rhetorischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Eschenloer ist hier natürlich nur der Ubersetzer, der an entsprechenden Stellen die direkte Rede benutzt. In einigen wenigen Fällen verwendet er die direkte Rede, wohl durch Silvius' Vorbild angeregt, auch über die lateinische Vorlage hinaus, ζ. B. Petrus aggressus miran se ait doctum et sanctum virum, qui divina eloquia plebibus exponeret, enorem illum non animadvertisse communionis eucharistiae, qui iam pridem ealesiam pessumdasset, in qua sub una tantum specie Dominicum corpus populo ministratur, cum apud lohannem, Euangelistam et apostolum Christo dilectissimum, sub duplici specie panis vinique sumi iubeatur ... (S 1442-1448) χ Zu disem ging Petrus und sprach: 'Mich wundert, das ir als ein gelarter hiliger man seit geachtet und saget und lernet das folk, die heilige schrifft in auslegende und doch das imisse nicht habit zu herczen genomen der berichtung des hiligen sacraments Jhesu Christi, das vor etlichen cuiten die kirche undirgedruckt hat, und dem folke den lichnam Christi alleyne undir eyner gestalt gibt, und doch Johannes der ewangelista, Cristo der allirlibste, undir beider gestalt zu geben und zu nemen gebeutet... (E 2,649-

4. Zu Eschenloers Übersetzungsmethode

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657). In die direkte Rede überführt Eschenloer auch die Antwort der Böhmen an Aeneas Silvius auf dem Landtag in Benesov - (S 3096-3101 - E 4,869-875). Manchmal bereitet Eschenloer die Umformulierung in die direkte Rede Schwierigkeiten, z. B. im Buch 4, wo der bayerische Herzog Albrecht auf die Bitte der böhmischen Gesandten, König von Böhmen zu werden, antwortet. Eschenloer formt Albrechts längere Antwort aus Silvius' indirekter Rede (S 2911-2923) in die direkte um, allerdings beendet er sie wieder als indirekte Rede, vielleicht weil ihm die Umformulierung auf die Dauer doch Schwierigkeiten machte: Albrecht ... antwertet den Behem, die im ein edil konigreich zutrugen, und sprach: 'Ich dancke euch, das ir mich aus allen erwelet habit, dem ir gehorsam sein wellet und den ir zu sulchem regiment wirdig erkant habit, (brumme ich alleczeit den Behemen gutis pflichtig sein sal und wil auch das in gut nicht vorgessen. Adir so konig Albrechtis erbe vor ougen ist, so were is nicht erlich, das ich mit empfremdung eyns andern sein reich suchen und uffnemen sulde, wenn nymandis were sein vetterlich erbe zu benemen, auch were witwen und waisen ire gerechtikeit benömen, die würden von got nymmer ungestrofft bliben und von den menschen voruneret. ' Her wöste auch wol die aide vorschreibunge czwischen den Behemen und dem haus Ostenich, so kein menlich gesiechte do were, keinen fremden andern fursten zu kisen. Es stunde wol, das man glubde hilde, das man auch frevelich nymandis seine gerechtikeit sulde nemen. Gar sünde und unmenschlich sey die stymme sulchir, die umb herschunge willen andir leute gerechtikeit zubrechen. (E 4,621-639).

4.4. Mechanische Wiedergabe von Silvius' Text Obwohl sich Eschenloer mehrere Veränderungen gegenüber dem Original erlaubt, übersetzt er an vielen Stellen wörtlich, was so weit gehen kann, daß einige seiner Formulierungen ohne Heranziehung von Silvius' Text schwer verständlich sind. Einige Beispiele: An czwifil dem konige weren ferlikeit und wegelogunge dorumme in sein houpte gemacht (E 5,72-74) entspricht dem lateinischen: Insidiasprocul dubio in caput regis paratas esse. (S 3478-3479). Die wörtliche Übertragung führt zu im Deutschen unüblichen oder gar falschen Formulierungen, deren Herkunft erst durch Vergleich mit der lateinischen Vorlage deutlich wird. Zwei solcher Fälle bietet der folgende Satz: Ladislaus Huniad in dem XXIIII jare seiner geburt, schönes leibes und gerade, mit schönem höre uff

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die schulder hangende, mit gebunden henden uffm rücke, in purpurem cleide, eyner gulden schauben angeczogen und die, die im der konig nebst dovor geschanckt hat, wart öffentlich ßirbrocht und gefurt. (E 5,396-400). Es handelt sich um die unübliche Wendung in dem XXIIII jare seiner geburt sowie um das und. Silvius als Vorlage erhellt die beiden Stellen: Ladislaus quatuor et XX natus annos, egregio corpore adolescens, flavis de more crinibus super humeros passis, revinctis post tergum manibus, talari atque aurea veste indutus et eadem fortasse, quam sibipaulo ante rex donaverat... (S 37043707). In manchen Fällen gibt Eschenloer das lateinische Wort in seiner Grundbedeutung wieder, obwohl es bei Silvius in einer übertragenen Bedeutung verwendet wurde, die das deutsche Äquivalent nicht hat. Dies gilt z. B. für das lateinische fortuna, das Silvius auch in der Bedeutung Lebensstellung, Umstände benutzt - qui ex humilifortuna solium ascenderit (S 319-320). Eschenloer übersetzt es mechanisch durch Glück: der do auss demutigem gelucke zu dem konigklichen sale erhaben wirt (E 1,332334), was in dem deutschen Satz unpassend wirkt.

4.5. Zum Satzbau Bei seiner Ubertragungsarbeit vereinfacht Eschenloer den Text von Silvius durch häufige Umformulierungen. Dies m u ß er schon aus Rücksicht auf die unterschiedlichen Elemente des lateinischen und des deutschen Satzbaus tun. Er kann Silvius' Fügungen mit Ablativus absolutus, den Akkusativ mit Infinitiv u. ä. nicht wiedergeben und versucht dies auch nicht. Dagegen bildet Eschenloer mehrere Partizipialkonstruktionen der lateinischen Vorlage nach, z. B. qui orienti calamitati obviam ire cupiens (S 1424) - Diser begerende sulchir ferlikeit furzukomen (E 2,623-624); Idoneus profecto pontifex, qui surgenti fomentum haeresi daret. (S 1471-1472) - Her was vorware ein bequemer bischoff, der do sulchir uffsteender keaerey merung gab. (E 2,689-691). Eschenloer verwendet Partizipialkonstruktionen manchmal auch selbständig Petrus aggressus mirari se ait doctum et sanctum virum, qui divina eloquia plebibus exponeret, enorem illum non animadvertisse communionis eucharistiae ... (S 1442-1444) χ Mich wundert, das ir als ein gelarter hiliger man seit geachtet und saget und lernet das folk, die heilige schrifft in auslegende und doch das irnisse nicht habit zu herczen genomen ... (E 2,650-653). Andererseits gibt er die bei Silvius

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allzuhäufig vorkommenden Partizipialkonstruktionen durch andere Mittel wieder: At haeretici pridie Kalendas Iulii apud ecclesiam Carmelitarum convenientes ad aedem sancii Stephani eucharistiam perplurimas plateas atque ecclesias armati circumtulere ibique domum sacerdotis suis ineptiis non consentientis dirìpuere et sublato clamore ingenti furentes praetorium petiere. (S 1602 -1605) χ Adir die keczer in dem julio hatten sich gesammelt bey den carmeliten und trugen das saaament durch vil gössen zu sand Steffan mit harnasch. Und als sie vor eyns pristen haus gingen, der irer torheit nicht anhinge, loffen sie dorein und zubrechen is und loffen dornoch mit grossem geschrey und czorn uff das rathaus ... (E 2,856-861). Auch einige Genitivfugungen Eschenloers scheinen durch die lateinische Vorlage beeinflußt, z. B. Bohemi regis sui vecordiam atque ignaviam exrípiebant (S 1059-1060) - die Behem sohen ires konigs schände und vordeynunge (E 2,165). Manchmal erzählt Eschenloer etwas breiter, ein anderes Mal kürzt er die Formulierungen seiner Vorlage. Er tendiert zu einfacher Erzählweise mit übersichtlichem Satzbau. Dies zeigt schon die Übertragung der ersten Sätze des Vorwortes zu Silvius' Werk: Interitura esse, quaeque nascuntur, atque homines imprimis, quos ea de causa mortales appellant, omnes norunt, plurimi damnant. Nam cur hominem natura finxit, cui negata immortalitate spatium vitae brevissimum induisit, cornicibus et cervis, quorum nihil intererat, longissimum largita est aevum? (S 6-10) χ Offenbar ist, das alle ding dy do geboren werden, vorgencklich und vorzugklich sein, und zu fâderst dy menschen, darümb sy tödlich sein gehgissen. Vili seyn, den es nicht behaget, und sprechen: "Warumb hat dy natura den menschen bracht und gemacht und ym nicht vorlihen dy ewikeyt alhye zu leben, ßunder kurtze tzeyt zugegeben hatt, und hat doch den croen und hyrschen, dy nicht vili zu achten sein, langes leben vorlihen?' (E 0,9-0,16). Bei längeren Einheiten verwendet Eschenloer vorwiegend die geläufigsten Typen von Satzgefügen und Satzverbindungen. Von den Nebensätzen kommen am häufigsten Objekt-, Attributund Temporalsätze vor. Viele neue Sätze bzw. höhere Einheiten leitet er - entsprechend dem Usus in ähnlichen Textsorten der deutschen Prosa des 15. Jh. - mit der Konjunktion Und ein. Häufig zergliedert Eschenloer Silvius' längere syntaktische Komplexe in mehrere Sätze, manchmal tut er dies auch bei kürzeren Einheiten, wie z. B. Interea loci Primislaus virginem sibi per quietem sanguineum ministrare potum videt. (S 350-351) χ Bynnen des lag Prizimislaus ein nacht und schliff. Do träumte ym, wy eyn jungkfraw zuym quome und brochtym blutzu trinchen. (E 1,381-383).

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Eschenloers Historia Bohémica

Ganz vereinzelt erscheint bei Eschenloer Parallelismus im Satzaufbau, der bei Silvius zwar ein gewisses Vorbild hat, bei Eschenloer aber noch dazu auf einer Anapher beruht: In bilden die fründe, in bilde die begerlikeit der ere, in bilde die forcbte seynir feinde. (E 5,39-41) - Retinent amici, implicai glorine cupido, obstat inimiœrum metus. (S 3456-3457). Obwohl also Eschenloer hie und da durch die Syntax der lateinischen Vorlage beeinflußt ist, formuliert er vieles selbständig und im Geist der deutschen Sprache. So gewinnt seine Erzählung einen ziemlich flüssigen und gewandten Charakter, wozu sicher Eschenloers ausgedehnte schriftliche Tätigkeit beigetragen hat.

4.6. Behandlung von Eigennamen In Eschenloers Übertragung finden sich mehrere Namen von Orten und Personen, die ohne Kenntnis der böhmischen historischen und geographischen Realien schwer zu deuten wären. Die meisten dieser für einen Tschechen abenteuerlich wirkenden Formen von Eigennamen fallen allerdings schon Silvius zur Last. Die tschechischen Ubersetzer, die im 15. und 16. Jh. Silvius' Historia Bohémica übertrugen, konnten anhand ihrer Kenntnisse von Personen und Orten mehrere falsche Schreibungen berichtigen. Diese Möglichkeit hatten Peter Eschenloer bzw. die Abschreiber seiner Ubersetzung kaum. So erscheint bei Eschenloer ¿izkas Sterbeort Pfibyslav, eine kleine Stadt im südlichen Teil des Böhmisch-Mährischen Höhenzuges, die bei Silvius Prisrovia mit der Variante Priscovia (S 2078) genannt wird, als Prifronia (E 3,497). Mit manchen Personennamen konnte Eschenloer nichts anfangen - so konnte er Silvius' Booslaum regulum, cui Cygneo cognomen fuit (S 18591860) nicht anders wiedergeben als Booslaum, den banirberrn aus Bebem, Cigneus genant (E 3,210) bzw. Boboslaus Cygneus (S 2135) als Boboslaus Cigneus (E 3,576). In Wirklichkeit handelt es sich um Bohuslav von Svamberk, Mitglied einer bedeutenden böhmischen Adelsfamilie mit einem Schwan im Wappen. Ahnlich war es bei Silvius' Namen Pricicbo Clenonensis mit einigen weiteren Varianten (S 2166) - hier hat Eschenloer (E 3,622) Priticbo (Briticho W 43v) Clenouensis. Er konnte nicht ahnen, daß der richtige Name dieses westböhmischen Adligen Pïibik von Klenová lautet.

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Eschenloer und sein Breslauer Publikum hatten einen anderen geographischen Gesichtskreis als Silvius, der sein Werk dem aragonesischen König widmete und vor allem wohl mit Lesern in Italien rechnete. Silvius hatte aus eigener Erfahrung Osterreich und auch weitere Donaugebiete sowie den südlichen Teil Böhmens kennengelernt. Die Breslauer Kaufmannschaft kannte Böhmen, zu dem Breslau gehörte, gut, vor allem Prag und Ostböhmen, sie stand auch mit bedeutenden Handelsorten in Deutschland, Osterreich und Ungarn im Kontakt. Der Süden und Westen Böhmens lagen für Eschenloer und die Breslauer ein wenig abseits und waren ihnen kaum bekannt. 60 Ein besonders aussagekräftiges Beispiel, wo Eschenloer seine Unkenntnis des ihm fernen Westböhmen verrät, zeigt die Stelle, wo Silvius den ersten Angriff der Hussiten auf ein Kloster erwähnt. Silvius nennt als das erste Opfer das Dominikanerkloster im westbömischen Klatovy (Klattau): Neque hoc modo contenti apud Glatoviam nobile monasterium fratrum Praedicatorum extra moenia oppidi situm a fundamentis deiiciunt. (S 15401541). Eschenloer kannte den Namen der Stadt nicht, und weil Silvius' Erzählung unmittelbar an die Zugeständnisse des Königs an die Hussiten hinsichtlich der Benutzung von (Prager) Kirchen anknüpft, lokalisiert Eschenloer das zerstörte Kloster fälschlich nach Prag: Doran sie sich nicht lissen gnägen, sunder hüben an zubrechen die kirchen und zum ersten das schöne closter prediger orden uswennig der stat mawr zu Präge gelegen (E 2,784-787). Aus den unterschiedlichen geographischen Kenntnissen von Silvius und Eschenloer ergeben sich gewisse Unterschiede bei der näheren Bestimmung von geographischen Gegebenheiten. Eschenloer kann z. B. Silvius' Erläuterung zu Bratislava (Preßburg) völlig auslassen: ... usque ad Posonium profecti sunt. Id est oppidum Hungariae in finibus Austriae atque in ripa Danubii situm. Neque ingressi moenia ... Darauf weist u.a. die ziemlich weit differierende Schreibung des Namens von Pilsen bei Eschenloer hin: Pelsina, Pebina, Pilsen, Pilsna, Pilzen, Plsna - vgl. Namenregister. Vgl. auch: R o t h , Gunhild: Breslauer Kaufleute unterwegs in Europa. Handelsbeziehungen, Waren und Risiken im Spiegel von Rechtstexten des 15. und 16. Jahrhunderts, In: Reisen und Welterfahrung in der deutschen Literatur des Mittelalters (hg. Dietrich Huschenbett - John Margetts), Würzburg 1991, S. 228-239, S. 230, sowie die dort angegebene weiterfuhrende Literatur. Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. XVI, bemerkt, daß der Briefwechsel zwischen Breslau und Rom über Sachsen, Franken, Salzburg, Kärnten und Venedig ging, während die Straße über Wien durch Böhmen und Mähren den Breslauern als den Feinden des Königs von Böhmen nicht offen stand.

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(S 2139-2141) χ die zu im ken Presburg quomen. Adir sie gingen nicht in die stat (E 3,582-583). Preßburg, wo sich Kaiser Sigismund des öfteren aufhielt und von wo er auch nach Breslau zog, mußte Eschenloer seinen Mitbürgern nicht vorstellen wie Silvius seinem intendierten Leserkreis. Dagegen kannte Eschenloer die kleinere südmährische Stadt Stráznice kaum, nach der sich ein Hussitenfuhrer nannte - während Silvius diese Person völlig richtig bezeichnet: Bedricus, presbyter Strasmicensis (in anderen Hss. Strasnitensis, Stramicensis), natione Moravus (S 2121), übertrug Eschenloer die Stelle einfach mit Bedrzik der prister, der gepurt ein Merher (E 3,558). Eschenloer läßt manchmal einige Personennamen aus, die er für unwichtig hält oder die er nicht versteht. So fehlt bei ihm der Name eines Ratgebers König Wenzels II.: Carissimus apud Venceshum Alexius quidam, pontificio iure consultus, habitus est. (S 1121-1122) χ Bey disem Wenceslao was ein bischoff, den her líbete und sere macht hatte bey im. (E 2,241-242 - mit Ubersetzungsfehler bischoff % oder der Name des Künstlers, der das Grabdenkmal Wenzels II. geschaffen hat: Statua postmodum in sacrano erecta est et alia aenea loœ eius reposita, Iohannis Brabantini, egregii statuarii, nobile opus. (S 1171-1172) χ Der selbe stein dornoch zu eynem heiligtum in der heiligen stat wart erhaben und eyne erene an die stat gelegt. (E 2,305-306). Ahnlich läßt Eschenloer den Namen des Ritters aus, der sich 1452 bei der Verteidigung von Wiener Neustadt auszeichnete: Unius militis Andreae Poumkircher, postea a caesare ad baronatum subvecti, audacia dvitatem tutata est. (S 3148-3150) xAlleyne eyns ritters kunheit behilde die stat. (E 4,932-933). Eschenloer übernimmt auch solche Namen nicht, die er nicht versteht. Wohl aus diesem Grund fehlt bei ihm in der Aufzählung der Gegner der Hussiten der Name der in Südböhmen lebenden, ursprünglich aus Osterreich stammenden Adelsfamilie Kreiger von Kreig: Medio tempore reguli Rosenses et Crageri Thaboritae castra tenentes a Nicolao Hus, quem Zischa cum parte copiarum eo miserai, proelio vieti castris exuuntur. (S 1812-1814) χ Bynne des die von Rosemberg von Nicolao Hus, den Ziska gesaezt hatte, mit streite wurden obirwunden. (E 3,162-164). Eine andere Ursache wird die Auslassung des Namens eines Hofnarren haben, der in Eschenloers Breslau laut Silvius den böhmischen König Georg beim Besuch der Stadt nach dessen Glauben gefragt haben soll. Vielleicht weiß der Breslauer Eschenloer, daß der Hofnarr

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anders hieß oder - obwohl er die Geschichte wiedergibt - hält er sie nicht fur wahr: ... Pogiebratius quoque proximus regi astaret, fama est (eaque pervulgata) Chilianum quendam parasitastrum ex his, qui stultitiam simulantes alios stultosfaciant, Pogiebratium his verbis compellasse.. (S 3371-3374) χ ... Jorge Pogiebrat zunehste des konigi seyten stunde, do was ein herolt und sam eyn nane, eyner, der sich törheit undirczoge und doch nicht ein nane was, sunder andir zu narren machte. Diser redte mit Jorgen Podiebrat und sprach zu im ... (E 4,1273-1277). Es fallt auf, daß in Eschenloers Historia Wratislaviensis die gleiche aus Silvius übernommene Stelle auch keinen Namen der Person bringt, sondern ähnlich wie in Eschenloers Ubertragung der Historia Bohémica lautet: Pogiebracius quoque proximus regt astaret, quidam heroldus eum sie allocutus est ...61. Erst die vollständige Kenntnis der lateinischen Handschrift von Silvius' Werk wird zeigen, ob Eschenloer eine solche Formulierung in der Vorlage finden konnte oder ob er auch in seiner Historia Wratislaviensis den Text von Silvius änderte, weil er das in Breslau spielende Ereignis anders kannte. Die bei Silvius in lateinischer Form erscheinenden Eigennamen behandelt Eschenloer nicht einheitlich. Bei seltenen Namen und besonders bei denjenigen, die er nicht kennt, gibt er die Form seiner Vorlage möglichst getreu wieder, wie z. B.: Caput regni civitas Volegradensis (S 590591) - Dy hauptstadt yn Merhern hat geheyssen Volegradensis. (E 1,749). Dagegen verwendet er bei den ihm ganz vertrauten Namen die gebräuchliche deutsche Form, wie Behemen, Breslow, Tunaw. Lateinische Formen dieser Namen kommen entweder überhaupt nicht vor oder nur ganz vereinzelt. So findet sich bei ihm ein einziges Mal Morauia (E 2,19) gegenüber unzähligen Bezeichnungen Merhern. Bei in vielen Sprachen verwendeten Personennamen wie Rudolf, Ulrich u. dgl. ist bei Eschenloer das Vorkommen von lateinischen und deutschen Formen ungefähr ausgeglichen. Der fuhrende böhmische Politiker der 40er Jahre des 15. Jh. Menhart von Neuhaus (Menhart ζ Hradce) wird bei Eschenloer 13x als Meinhardus, 8x als Meinhart bezeichnet, während Silvius ständig die lateinische Form Maynardus benutzt. Manchmal erscheint bei Eschenloer bei Erwähnungen der gleichen Person ihr Name sowohl in der deutschen als auch in der lateinischen Form, und zwar in unmittelbarer Nähe voneinander. Eschenloer hat in dieser Hinsicht keine redaktionelle Arbeit seiner Ubersetzung geleistet und Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. 8.

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das Vorkommen unterschiedlicher, zu seiner Zeit üblicher Varianten hat ihn nicht gestört.

4.7. Unterdrückung der humanistischen Ausdrucksweise Silvius' bei Eschenloer Dem Stil Eschenloers müßte in der Zukunft eine spezielle Studie gewidmet werden, die u. a. untersuchen sollte, ob und wie sich Peter Eschenloer in seinen Ubersetzungen und in seinen eigenen Werken von humanistischen Tendenzen beeinflussen ließ. Aufgrund meiner ersten Beobachtungen bin ich der Ansicht, daß ein solcher Einfluß auf sprachlichem, insbesondere stilistischem Gebiet kaum oder gar nicht vorhanden ist. 62 Ich möchte mich hier einer auffälligeren Erscheinung widmen, und zwar Eschenloers Behandlung einiger konkreter Ausdrücke, die der Humanist Aeneas Silvius in seinem Werk verwendet. Es zeigt sich, daß Eschenloer solche den humanistischen Gepflogenheiten und Vorstellungen verpflichteten Formulierungen von Silvius an mehreren Stellen in die traditionelle christliche Ausdrucksweise umändert. Dies betrifft die von Silvius häufig benutzte Umschreibung für Gott als Ursache des Weltgeschehens durch die Begriffe dii, superi, fortuna, fatum. In den meisten Fällen ersetzt Eschenloer solche Ausdrücke durch got oder läßt sie unübersetzt. Einige Beispiele: Qui pupillos suo iure disponent, diis atque homintbus invisos, poenas aliquando patrati sceleris dare. (S 2917-2919) χ auch were witwen und waisen ire gerechtikeit benömen, die würden von got nymmer ungestrofft bliben und von den menschen voruneret (E 4,631-633); superisgratiam (S 3238) xgot sullen wir dancken (E 4,1068); orationem de more ad superos habuit, qua finita gravatum se dixit (S 38183819) χ tat her sein gebet zu got noch seynir gewonheit (E 5,559);... missuros ex nobilitate sua primarios iuvenes, qui caesarem Italiam petentem sequantur eique ministrent. Expectaturos quiete reditum, quem felicem faustumque supeIn der ungefähr zur gleichen Zeit abgefaßten Historia Wratislaviensis äußert übrigens Eschenloer seine Ansicht über Inhalt und Form seiner historischen Arbeit: Scribam itaque earn non, ut legentes poetica licencia fabulas vel hic stili flores odorent, sed simplicitate veritatem cognoscant, cum non sit opusfingere,ubi assit copia veri, acfidem satis prestare levitas posicionis. Sermo enim accuratus intellectui semper est ingratus, et quod difficili intelleau peràpitur, aure surdiore hauritur. Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. 2. Diese Stelle könnte eventuell sogar als eine leise Polemik gegen den humanistischen Stil aufgefaßt werden.

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rum benignitene futurum exoptent. (S 3098-3101) χ wellen unsir edle kinder senden, die mit dem kaiser in walische lant sullen czihen und im dienen und weiden gutiglich und in frid seine zukunffi harren, die der almechtig got seliglichen fuge. (E 4,872-875). Drahomitiam paucis post diebus suis fatis trahentibus ultionemque parricidii exigentibus hiatu terrae apud arcem Pragensem absorptam. (S 700-702) χ Darnach nicht lange [nach] dem todt Wenceslai wardt Drahomitia umb solicher vorreterey willen von gott gestrafft, das sich das erdrich ujfthat und vorschlank sy lebendig zu Prag bey der burgk. (E 1,902-905). Die Unterdrückung dieser Ausdrucksweise geht bei Eschenloer so weit, daß er derartige Formulierungen von Silvius auch dort beseitigt, wo sie völlig berechtigt sind. Bei der Wiedergabe der Sage über den Mädchenkrieg aus der heidnischen Vorzeit Böhmens spricht Silvius von Göttern: Primislaus se a diis admonitum ait (S 375-376), aber Eschenloer verwendet auch hier die Einzahl: Do antwort yn Przimislaus und sprach, das ehr von gott vormanet were (E 1,425-426). Dagegen überträgt Eschenloer einige wenige Formulierungen von Silvius wörtlich: Contra vero infelices dicas ac superis odiosos fuisse... (S 3738) - Und ob man dy menschenn weide uhnselig und den óbersten hessig weide achten (E 0,61-62); nemo tarn superis amicus est (S 3619) - nymandis ist der obirsten göte frunt (E 5,276). Diese mangelnde Konsequenz ist möglicherweise durch die mechanische und eilige Art von Eschenloers Ubersetzungsarbeit beeinflußt. Auch einige Namen von Gestalten aus der antiken Mythologie läßt Eschenloer aus. Silvius verwendet zweimal den Namen des Gottes Mars als Umschreibung für Krieg Kriegsglück. Eschenloer versteht diese Bezeichnung, meidet sie aber. Den Satz: Ubi res gladio geri coepit ac vir virum manu prehendit, equus equum impulit, pugnatum est aliquandiu aequo Marte. (S 3145-3146) gibt er wieder mit:... bis is zum swerte quome und mit den pferden anenander Hessen louffen. Domit etliche stunde also glich gestritten wart (4,928-930); die Formulierung Mars dubius casum respicit (S 805-806) bleibt völlig unübersetzt. Die mit einem antiken Bild geäußerte Klage Silvius' über den Tod des aragonesischen Königs Alfons V.: Lugendum Camoenis fatum et ingens disertis iactura viris. (S 3893-3894) gibt Eschenloer mit einfachen Worten wieder: dorumme her zu clagen ist mit deglichen gesengen (E 5,665-666). Die antiken Quellennymphen läßt er wohl im Hinblick auf sein Publikum aus, bei dem er keine tiefere Kenntnis der antiken Mythologie voraussetzen konnte. Eschenloer

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streicht in dieser Passage auch die Erwähnung von Silvius, daß der Tod von Alfons V. einen Verlust für gebildete Männer bedeutet - fur Eschenloer und seine Breslauer Auftraggeber war dies bei weitem nicht so wichtig wie für den Humanisten Aeneas Silvius Piccolomini. Allgemein bekannte Gestalten und Begriffe der antiken Mythologie und Geschichte bleiben bei Eschenloer bewahrt, wie z. B. die Erwähnung des Gordischen Knotens (S 3457 - E 5,42). In der altböhmischen Sage über den Mädchenkrieg übernimmt Eschenloer den Vergleich der kampflustigen tschechischen Mädchen mit den Amazonen aus Silvius' Werk und verbindet ihn darüber hinaus mit der Gestalt Alexanders des Großen, wie es im Mittelalter üblich war 6 3 : Neque novum viros mulieribus oboedisse: Amazones Asiam sibi vectigalem ferisse, pugnasse ad Troiam, Thesei atque Herculis arma contempsisse. (S 383384) χ Es ist nicht newe, das dy menner underteniggewest sein den frawen, wen offenbar ist, das dy Amazones dy gantzAsiayhne zolhafftig gemacht haben und haben zu Troya ritterlich gestriten. Sy haben Thesei und Herculis harnasch vorschmecht, der gross kónig Alexander hatt yre gnade muessen suchen. (E 1,437-442). Die gleichzeitige Erwähnung der Amazonen und Alexanders findet sich in alten böhmischen Chroniken - bei Cosmas (12. Jh.), Dalimil (Beginn des 14. Jh.) und bei Pulkava von Radenin (2. Hälfte des 14. Jh.). Eschenloers Verbindung der Amazonen und Alexanders stammt wahrscheinlich aus dieser böhmischen chronikalischen Tradition. 6 4 Weniger bekannte Namen der antiken Welt hält Eschenloer für überflüssig und läßt sie aus, etwa die Erwähnung über die antike Bezeichnung von Belgrad: Verum parva urbs et alioquin ignobilis tantos eius conatus retinuit. Thaurinum appellavere maiores, nostra aetas aliam vocat Albam ad confluentes Danubii Savique sitam. (S 3542-3545) χ Adir eyne deine stat und unedil hilde uff sulchen seinen willen und macht. Die selbe stat Krickisch Weissenburg genant ist, an der Tunaw und Saw gelegen. (E 5,165167). Aus Silvius' geographischer Angabe über den deutschen Krönungsort apud Beigas in Civitate Aquensi (S 1313) bleibt nur zu Ache (E 2,486) übrig; ähnlich wird Silvius' Formulierung In Prussia, quam veteres Ulmerigiam vocavere (S 1025-1026) zu In Prewssen (E 2,119) reduziert 63

Die Verbindung der Amazonen und Alexanders erscheint u. a. in der mittelhochdeutschen Alexander-Epik, z. B. bei Ulrich von Etzenbach. 64 In der lateinischen Fassung der Pulkava-Chronik fangt Vlasta die Rede an ihre Gefährtinnen folgendermaßen an: Consortes karissime, scio, quod olim Amasones antra drum et Alexandrum victrica bella moverunt. Fontes rerum bohemicarum V, S. 10.

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usw. Eine antike Bezeichnung bringt Eschenloer seinem Publikum durch die Etymologie näher: quam veteres Hercyniam vocavere (S 98) χ von den aldett geheissen ist Hercinia, das ist ein waldt der teylung manicher landt (E 1,15-16). Silvius' Berufungen auf die Gelehrten der Antike bleiben zwar bei Eschenloer erhalten, aber teilweise in reduzierter Form. Silvius erwähnt Plato (S 192 - E 1,137) und Strabo. Das Zitat aus Strabo, das Silvius zur Unterstützung seiner Vermutung über die ursprünglich deutsche Besiedlung Böhmens verwendete: Quod Strabonis testimonio confirmare liât, cuius haec verba séptimo commentariorum inventes: „Sennones, Suevorum natio, ut superius dixi, partim intra, partim extra silvam habitat, Getarum contermina genti. Suevorum quidem gens amplissima a Rheno siquidem usque ad Albim pervenitfluvium, eorum portio etiam trans Albim loca depascitur, quemadmodum Eumondori et Lancosargi. " Haec Strabo. (S 149-154), schrumpft bei Eschenloer auf einen Satz zusammen, wobei auch die kausale Verbindung zu dem Vorhergesagten verloren geht: Dy schwebische gebürt ist eins teils ym landt und ein teil heraussen, hie von schreibet Strabo der màsterferrer. (E 1,77-79). Diese Veränderungen der vom Humanisten Silvius verwendeten Ausdrücke in traditionelle sind sowohl auf Eschenloers eigenes Empfinden zurückzufuhren als auch auf seine Rücksicht auf das Breslauer Publikum. Die wörtliche Wiedergabe von Silvius' Wörtern wie dii, superi usw. widersprach wohl Eschenloers eigenem christlichen Empfinden und wäre auch bei seinem Publikum nicht erwünscht gewesen. Eschenloer verstand den Text und seine antiken Namen, obwohl seine Schulbildung noch in der vorhumanistischen Epoche stattgefunden hatte. Schon die mittelalterliche Schule vermittelte ja manche Kenntnisse über Geschichte und Mythologie des Altertums, allerdings in einer anderen Qualität und Quantität als die jüngeren humanistisch geführten Bildungsanstalten. Eschenloer als Magister artium hatte eine gute Bildung genossen. Einige Realien der Antike hat er eher mit Rücksicht auf den Bildungsstand der Breslauer Bürger ausgelassen, andere dagegen konnte er beibehalten, weil er ihre Kenntnis dank der Tätigkeit von Stadtschulen bei seinem Publikum voraussetzen konnte. 65 In seiner selbständigen Einleitung zur Historia Wratislaviensis bringt Eschenloer als Beispiele für Breslau die antiken Städte Troja und Rom, die durch Eintracht zum Aufschwung gelangten, aber durch Uneinigkeit und Selbstsucht zu Fall gekommen wären - vgl. Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. 1.

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4.8. Tendenz zur Verdeutlichung Ein charakteristischer Zug der Ubersetzung ist Eschenloers Bestreben nach deutlicherer Herausarbeitung der Sachverhalte. Dies zeigt sich insbesondere durch die Verwendung von Eigennamen an solchen Stellen, wo das Original entweder nur ein Pronomen hat oder dank dem Charakter des Lateinischen ohne Subjekt auskommt. Eschenloers Tendenz nach Verdeutlichung kommt manchmal auch durch eine etwas breitere Formulierung gegenüber der Vorlage zum Ausdruck. Die häufigere Verwendung von Personennamen bei Eschenloer als bei Silvius ist aus dem Vergleich des Namenregisters der vorliegenden Edition mit dem der Ausgabe des lateinischen Textes ersichtlich. Bei einzelnen Namen ist allerdings der Grad des Häufigkeitsunterschiedes ihres Aufkommens bei Silvius und bei Eschenloer unterschiedlich. Die Differenz zwischen Eschenloer und Silvius ist dann größer, wenn über die betreffende Person an wenigen Stellen des Werkes länger erzählt wird, als wenn diese in mehreren auseinanderliegenden Passagen des Textes erwähnt wird. Einige Beispiele (zuerst die Häufigkeit bei Silvius, dann die bei Eschenloer): böhmischer Fürst Jaromir (von Silvius und Eschenloer Januris genannt) 4x - 9x; Johannes Hus 14x - 14x; Karl IV. 17x - 21x; Jan ¿izka 42x - 68x, der österreichische Adlige Ulrich Eyczinger 16x -19x. Wenn Silvius über die Rückkehr der deutschen Ärzte nach Wien berichtet, die bei den letzten Stunden des Ladislaus Posthumus anwesend waren und erst in Wien ihren Verdacht über die Vergiftung des Königs zu äußern wagten, spricht er über Böhmen nur indirekt:... neque ausos in aliena tena manifestare (S 3865), weil der Sachverhalt aus der vorherigen Erzählung klar ist. Eschenloer nennt hier dagegen das Land direkt, weil im Text dessen Name längere Zeit nicht ausdrücklich genannt worden war: das sie in Behem nicht torsten sagen (E 5,623-624). Ein ähnlicher Fall liegt bei der Erwähnung der Verwüstung Schlesiens vor: Rex Poloniae nondum cognitis, quae in Bohemia suis acciderant, cum duobus magnis exercitibus Sclesiam ingressus in Bohemiam properabat. Sed intellecta suorum fortunapopulatis hostium agris domum rediit. (S 2810-2812) χ Der konig von Polen, als her noch nicht woste, wie is sich in Behem hatte begeben, do czog her mit czweien grossen beeren in die Slesia und meynete fort in Behem zu czihen. Adir do her hatte vomomen, wie is den seinen zu Behem

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hatte zugestanden, do beroubete und vorbrant her etliche guter in der Siesien und czog hinheyme. (E 4,478-483). Ein weiteres Beispiel von Verdeutlichung findet sich bei: Exodus ex Bohemia legatus Basileam se contulit ibique concilium celebravit. (S 2245-2246) χ Julianus, der cardinal und legat, czog ken Basil und hilde doselbist an stat des bobistis das concilium. (E 3,735-736). Während Eschenloer dank dem Ersatz eines Pronomens durch einen Personennamen oft die Zusammenhänge verdeutlicht, gibt es auch einige umgekehrte Fälle. Beim Bericht über das Sterben von Kaiser Sigismund, der sich als seinen Nachfolger den Herzog Albrecht von Osterreich gewünscht hatte, und bei Schilderung der nachfolgenden Ereignisse benutzt Eschenloer statt des Namens von Albrecht nur ein Pronomen, so daß man fast meinen könnte, es werde hier über Sigismund gesprochen: Sigismundus, als her alle seine sache und seinen leczten willen geordent hatte, starb her in den henden seynir frunde. Die Hungern und Behem, die keginwertig woren, grüsten in als iren konige, und sandte in Behemen seine boten und czoge mit den legaten Sigismundi ken Hungern ken Presburg. (E 4,297-302). Bei Silvius ist der Sachverhalt klar und deutlich ausgedrückt: Sigismundus supremis suis ordinatis inter amicorum manus defecit. Albertum barones, qui aderant ex Hungaria et Bohemia, concordibus animis regem salutavere. Ipse missis in Bohemiam suis a Sigismundi legatis versus Posonium iter flexit. (S 2686-2691). Eschenloers Tendenz zur Verdeutlichung zeigt sich manchmal durch das Hinzufügen von Einzelwörtern, zumeist von Adverbien: Multae virgines offerebantur tantum coniugium expetentes. (S 3729-3730) χ Vil juncfrawen worden fiirgelegt, die zu der königlichen ee wol tochten. (E 5,429-430) u. ä. In anderen Fällen gibt Eschenloer den Sachverhalt umständlicher wieder, wie ζ. B.: Scripsit et ipsa Basiliensis synodus Bohemis, ut legatos mitterent, quifidei suae rationem ostenderent, securitatem itineris et dicendi, quae vellent, libertatem promittens. (S 2258-2260) χ Auch das heilig condlium von Basil schraib den Behemen, das sie sulden ire sendeboten zu in schicken, die ires glauben bewerunge und Ursache möchten beweisen, vormittilst sicherem gnüglichem gleite, ab und zu zukomen undfrey zu reden, was und wie sie wolten. (E 3,757-762). Als ein weiteres Beispiel für die breitere Formulierung sei die Schilderung der Flucht der Kreuzfahrer vor den Hussiten bei Taus im Jahre 1431 angeführt: Adir unniicz was dises cardinaln bete und vormanunge, wenn die forchte hatte die schände obirwunden. Eylende wurden die hereczeichen uffgehaben und glich sam kein heifiirer were,

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nicht angesehen keynirley gebot, unbegrüsset den herefiirer, vil auch ir harnasch wegwoiffen und nicht andirs denn sam derfeynde uff iren rucke slug undjagete, also wart geflohen schericht eylende. (E 3,711-717). Bei Silvius lautet die entsprechende Passage: Sedfrustra apud eos cohortatio fuit, quorum pudorem metus evicerat. Sublata sunt raptim signa et tanquam nullus esset in exercitu ductor, tumultuose quisque non expectato imperio, non salutato comité, multi etiam proiectis armis non aliter, quam si hostis a tergo instant, rapido cursu fugam maturavere. (S 2228-2232). Eschenloer verdoppelt hier an zwei Stellen den Ausdruck: dises cardinaln bete und vormanungc, sam derfeynde uff iren rucke slug und jagete·, hinzugefugt wird gegenüber dem Original noch das Wort schericht (scharenweise), das zur Steigerung des Bildes der Flucht beiträgt. In einigen Fällen dieser Art verrät die durch das Streben nach Deutlichkeit erfolgte Umformulierung zugleich sachliche Kenntnisse Eschenloers, so daß sich nicht immer eine klare Grenze zwischen seiner Absicht, die Zusammenhänge zu verdeutlichen, und zwischen seinen kleinen Ergänzungen ziehen läßt.

4.9. Eschenloers Gebrauch von Synonymen Im Einklang mit der allgemeinen stilistischen Tendenz seiner Zeit verwendet Eschenloer gern Synonymenpaare anstelle eines Wortes seiner Vorlage. Dieser Ersatz, der u. a. auch als eine Art von Verdeutlichung angesehen werden kann, kommt in Eschenloers Ubersetzung sehr häufig vor. Einige Beispiele: villas aliquot, quas iusseris, inter equitandum diripiet (S 816-817) χ mag ehr etliche déiffer under wegen, dy du benennen und erlauben wirst, vorbrennen oder berauben (E 1,1088-1090); cuius sceleris auctores securi percussit (S 1710) χ Die selben anrichter und teter Sigismundos lisse enthoüpten. (E 3,32-33); ... si modo rex principesque nominati suis litteris securitatem facerent. (S 3500-3501) χ ... so der konig und die fürsten, die her benennen sulde, Sicherheit und gleite mit iren briffen und sigiln würden im geben (E 5,107-109); intra sex et XXX horas, postquam aegrotare coepit, extinctus est. (S 3859-3860) χ bynnen sechs und dreissig stunden, als her cranck wart, ist gestorben und ausgeloschen. (E 5,616-617). An einigen Stellen wird sogar ein einziges Wort von Silvius durch drei Ausdrücke Eschenloers wiedergegeben: nunquam ea incendia, quae postea vidimus, Germaniam exussissent (S 1664-1665) χ so hetten wir sulchen

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mort, brant und vorwiistenunge, als gescheen ist in allen tewtscben landen, nicht gesehen (E 2,932-934); Erant et in civitate et in exercitu plurimi qui hoc dissidium detestabantur et aliiZischam, alii Pragenses accusabant. (S 2023-2024) χ Do woren vil in seinem beere und auch in der stat, den do ser leet und wider was suiche belegunge, die sie schulden, lesterten und schanten. (E 3,415-418); Uli se armis ab eo sine causa impetitos dicere... (S 2145-2146) χ das her sie an sache mit harnasch, heren und streiten obirczogen hette (E 3,591-592) oder Mihi persuasa est meorum sacerdotum religio. (S 3385) χ Mich düncket gut meynirpristergloübe, ordenunge und andacht. (E 4,1298-1299). Diese Triade wird durch Eschenloer auch auf Kosten der inhaltlichen Richtigkeit bevorzugt, wie die Übertragung des folgenden Satzes zeigt: Vita functus non filium, sicut optaverat, sed Conradum fratrem habuit successorem ... (S 965-966), die bei Eschenloer folgendermaßen lautet: Als Wratislaus starb, nicht als her wolt, wart sein son, sunder Conradus, sein bruder, sein nochfolger, konig und regirer. (E 2,47-48), wobei die Bezeichnung konig falsch ist. Konrad war kein König, wie kurz darauf sowohl Silvius (S 974977) als auch Eschenloer ausdrücklich sagen: Man findet in der historia Bohemorum, das noch Wratislai des ersten konigs tode lange czeit der königlich nomen uffhorte, wenn Conrad, sein bruder, und dornoch die söne Wratislai haben nicht konig geheissen, sunder undir dem nomen eyns herczugen haben sie geherschet, wenn die königliche wirdikeit und nomen, als sie meyneten, were aligne gegeben dem menschen, ais Wratislao, und nicht dem reich. (E 2,57-64).

4.10. Auslassungen Es scheint, daß Eschenloer keinen Satz von Silvius vollständig ausläßt. Wohl die einzige Ausnahme bildet der letzte Satz über die Folterung der von den Hussiten gefangenen Priester: Quos parvi momenti existimarunt, desectis virilibus abire iusserunt. (S 1847-1848). Der Grund der Auslassung ist kaum Eschenloers Absicht, das ungünstige Bild der Hussiten zu mildern, sondern eher die „Unanständigkeit" der Entmannung der katholischen Priester; denn eine ähnliche Geschichte über den französischen Dauphin im Buch 2 erzählt Eschenloer genauso ausführlich wie Silvius (S 1255-1264 - E 2,418420). Häufig läßt Eschenloer einige Wörter von Silvius unübersetzt; meistens handelt es sich um die Begleitumstände der Geschehnisse. Dies ist oft unter inhaltlichem Aspekt berechtigt, wie z. B. bei der Schilderung der Hinrichtung von Ladislaus Hunyadi: Praeco, cui damnatorum crimi-

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na publicare mos est, impetrato silentio nihil aliud dixit, nisi eo modo corrìgi, qui domino suo infideles essent. (S 3710-3712), die folgendermaßen gekürzt wird: Do was der buttil und hatte ausgeruffen, nicht anders denn also sein die zu stroffen, die irem herrn sein ungetrewe. (E 5,405-407). Hier gehen keine wichtigen Informationen verloren. Manchmal können jedoch ähnliche Auslassungen den Sinn des Satzes verdunkeln, die Logik der Aussage abschwächen oder gar zur deren unbeabsichtigten Veränderung fuhren. Einige Beispiele mögen die Folgen verdeutlichen. Den Satz über die absichtliche Verzögerung der Königswahl nach dem Tod König Albrechts (1439) durch eine Partei: Uli diem ex die consulto profene, morae causas nectere (S 2881-2882) gibt Eschenloer mit der kurzen Formulierung\ydoch worden tag zu tage vorczogen (E 4,578) wieder, wodurch eine wichtige Information von Silvius verloren geht. Ahnlich ist dies bei Silvius' Darstellung der Freilassung von Königin Barbara (März 1438). Die wegen Intrigen um die Nachfolge des sterbenden Sigismund gefangene Königin kam nach langen Verhandlungen frei, nachdem sie sich verpflichtet hatte, Albrecht, dem Nachfolger Sigismunds, ihre Stützpunkte in Ungarn zu übergeben. 66 Diese Tatsache gibt Silvius trotz seiner allgemein gehaltenen Schilderung im wesentlichen richtig wieder: Interea Barbara dimissis, quae possidebat in Hungaria, inexpugnabilibus castellis libertati reddita est. Duodecim milia auri nummum locis patentibus, quoad viveret, ei singulis annis constituía. (S 2720-2723). Aus Eschenloers Text könnte es jedoch scheinen, Barbara hätte sich befreit und ihren ungarischen Besitz freiwillig abgetreten: Bynnen des wart Barbara die kaiserynne in Hungern ledig und obirgab die allirfesten slos, dovor ir jerlichen czweljf tausent gulden alle jore, die weile sie lebete, Vorschüben und gegeben worden. (E 4,345-348).67 Aus diesen und ähnlichen Beispielen geht hervor, daß man bei der Deutung von Eschenloers Absichten sehr vorsichtig sein muß, denn manche seiner Veränderungen gegenüber Silvius müssen nicht absichtlich sein, sondern können auf seiner Ubersetzungsweise beruhen. 66

Vgl. Urbánek 1, S. 257 und 280-281. Eine ähnliche Vorgangsweise zeigt sich bei Eschenloer in seiner Umsetzung der lateinischen Fassung der Historia Wratislaviensis ins Deutsche. V. Honemann, S. 626, stellt fest, die deutsche Fassung enthalte manche Veränderungen und Zusätze, andererseits aber „bietet der deutsche Text nicht die Genauigkeit der historischen Berichterstattung wie der lateinische. Von Zeit zu Zeit vereinfacht Eschenloer hier ...". 67

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4.11. Eschenloers Ergänzungen und Veränderungen In Eschenloers Ubersetzung kommen trotz seiner engen Anlehnung an die Vorlage doch auch mehrere sachliche Ergänzungen und Veränderungen vor, wobei Eschenloer einige seiner Kenntnisse über den historischen bzw. aktuellen Zustand mit einfließen läßt. Die meisten diesbezüglichen Fakten kennt er als gebildeter Breslauer Bürger vom Hörensagen, dank seinem Amt hatte er auch die Möglichkeit, eventuell weitere schriftliche Quellen heranzuziehen. Die Ergänzungen, die Eschenloer gegenüber Silvius bringt, können in zwei Gruppen eingeteilt werden - in solche, die sich aus der Logik der Erzählung ergeben, und in solche, wo Eschenloer anhand eigener Kenntnisse die Darstellung von Silvius erweitert. Mehrere kleine Ergänzungen Eschenloers gegenüber Silvius ergeben sich aus den Zusammenhängen bzw. aus der Logik des Textes. Es handelt sich um Tatsachen, die zwar bei Silvius im betreffenden Satz nicht vorkommen, aber vorher oder kurz nachher in seinem Text erwähnt werden. So spricht Eschenloer bei der Namengebung Prags gleich über einen Zimmermann: Und als man gedacht, wy man dy Stadt sSlde heyssen und nennen, do gebot Libüssa, das man den ersten czimmerman, der do entkegen queme, frogen séide, was ehr machet, und das das erste warte, das ehr würde sprechen, also solde dy stat heyssen. Also wart ein czimmerman, dene man zum ersten fände, gefroget, was ehr machete (E 1,343-349), während Silvius zuerst nur über einen Handwerker im allgemeinen redet: De ciuius nomine cum disceptaretur, iussit Libussa ex artificibus, qui prior accurreret, rogari, quid ageret, ac ex primo eius verbo vocari oppidum. Interrogate faber lignarius ... (S 325-327). Hier könnte es sich allerdings auch um einen Abschreibefehler handeln. Die Aufzählung der dem böhmischen König Otakar II. unterstellten Völker - Sclesitae Moravique (S 1084) - ergänzt Eschenloer um die Lausitzer - die Slesia, Merhern, Lusacia (E 2,197198), was er wohl eher aus der Logik der geographischen Nachbarschaft der Länder und Kenntnis des zeitgenössischen Standes tut denn aus der Kenntnis von historischen Quellen. 68

Von der Lausitz gehörte Otakar allerdings nur das Zittauer Gebiet, weitere Teile kamen an den böhmischen Staat erst unter Johann von Luxemburg. Vgl. Ottúv slovník nauíny (Ottos Enzyklopädie) 16, S. 491.

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Aus der Logik der Erzählung läßt sich auch die zweite Nennung des eisernen „Tisches" in der Schilderung der Berufung Pfemysls vom Acker zur Herrschaft erklären. In beiden Texten wird der eiserne Tisch in der Rede von Libuäe erwähnt und dann beim Weggang Pfemysls von seinem Acker: ... Cimet equus aliquandiu, denique ante virum subsistet in mensa fenea comedentem. Ille mihi coniunx erit, vobisprincepsGratus sermo contioni fuit. Emissus equus decern milia passuum percurrit, postremo ad flumen Bieli ante aratorem constitit nomine Primislaum. Secuti proceres popularesque, postquam stantem equum et aratori blandientem adulantemque viderunt, accedentes propius ,¿alve", inquiunt .. (S 278-284); bzw. Ea res Bohemorum ánimos confirmavit, mensam feneam, de qua Libussa vaticinata fuerat, in vomere cognoscentes. (S 307-309) - '.... Es wirt ein etzliche zeyt umblauffen und wirt zuletzte bleiben stille sthehen vor einem manne, der do essende ist uff einem eyseren tische. Der selbe wirt sein mein elicher man und ewr fiirste. ' Dyße rede was der sampnunge gantz beheglich. Also ward das phert aüsgelossenn, und das loff bey zehen taüsent schriten zu einem flyße Biele und blibe stehn vor einem manne, der do ackerte, Przimislaus genant. Do folgeten noch dy edlingen und das folke und finden das pherde vor ym stehn, und ehr hatte geackert und ass sein kese brott uff der eyseren schare, dy ahn dem phlug was, und das pherde lochete oder thatt schön und gunstiget dem selben Przimislao. Do dis dy edlingen und das folke sahen, gingen sy neben hintzu zu Przimislao und sprachen: 'Gott grusse dich ... (E 1,259-272) bzw. Darauss das hertz der Behem wardt gesterket, das xy erkanten den eyseren tisch ahn der schar, do von Libussa geweissaget hatte .... (E 1,312-314). Eschenloer dagegen spricht über den eisernen Tisch (Pflugschar) noch in der Mitte der Erzählung: ass sein kese brott uff der eyseren schare, dy ahn dem phlug was (E 1,268-269), was bei Silvius nicht vorkommt. Eschenloers Ergänzungen und Veränderungen bringen manchmal kaum etwas Neues und haben wohl die Funktion, zur Intensivierung der Aussage beizutragen. Dies ist bei der Schilderung der Trauer der Hussiten über den Tod von 2izka zu beobachten. Während Silvius sagt: Zischa mortuo ingens maeror invasit exercitum. Trepidare, lamentali milites, accusare fortunam, quae ducem invictum morti vincendum dederit. (S 20902092), erweitert Eschenloer neben stilistischer Ausfuhrung der Vorlage auch die Äußerungen der Furcht bei den Hussiten: Als Ziska nii was gestorben, do wurden die Thaboriten ser betrübet, und ir grossis beere begunde sich zu betrüben und zu fürchten, zu czweifiln, zu weynen und schreien,

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worumme der tod eynen unobirwintlichenfönten bette obirwunden. (E 3,511514). Wie an anderen Stellen weicht Eschenloer auch hier Silvius' Begrifffortuna aus. Zur Intensivierung der Darstellung dient wohl auch das Attribut purpuren bei der Beschreibung der prachtvollen Kleider des zur Hinrichtung schreitenden Ladislaus Hunyadi: revinctis post tergum manibus, talari atque aurea veste indutus (S 3705-3706) χ mit gebunden henden uffin rücke, in purpurem deide, eyner gulden schauben angeczogen (E 5,398-399). Einige der Ergänzungen betreffen Breslau bzw. seine Nachbarschaft (Schlesien, Lausitz), aber sie sind viel geringfügiger, als man erwarten würde. Bereits Silvius hatte für Breslau lobende Worte gefunden, er bezeichnet es als Vratislaviam, nobilem urbem (S 3369). Während Silvius die Stadt bzw. ihre Einwohner insgesamt 6x erwähnt, sind es bei Eschenloer 8 Nennungen. Es geht dabei um keine wesentliche Bereicherung des Textes - zu Beginn des Buches 5 wird nur die Rückkehr des Königs Ladislaus präzisiert - als der konig von Breslow ken Wienn czoge (E 5,5-6) - Silvius hat nur reversumque (S 3434). Die zweite Erwähnung ist nur eine Verdeutlichung: Vratislaviensibus vero (ea est civitas nobilis ac praepotens et Sclesitarum caput) Albertum, marchionem Brandeburgensem, petentibus belli ducem dedit, qui Poloniam saepe infesto exercitu petens longe lateque praedas egit. (S 2814-2817) - Dieselben Bresler, als sie Albrecht baten, gab her in marggraffAlbrecht zu eynem houptman ires streitis wider die Polen. Diser Albrecht mit den Breslern czog offie in Polen mit feintlichem beere und brochte doruß vil grossen roub. (E 4,486-490). Man sieht, daß Eschenloer auch bei Silvius' Erwähnungen von Breslau nahe am vorgegebenen Text blieb. Er fühlte sich hier als Ubersetzer; Ergänzungen behielt er sich für seine parallel laufende Arbeit an der Historia Wratislaviensis vor. Bei der Schilderung der katastrophalen Niederlage der sächsischen Heere in der Schlacht bei Aussig 6 9 weicht Eschenloer von seiner Vorlage ab. Die Niederlage der Kreuzfahrer entschuldigt er durch Verrat in ihrem Heer. Möglicherweise tut er das im Einklang mit mündlichen bzw. schriftlichen Berichten, die ihm vorlagen. 70 Silvius hatte 69

Die Schlacht fand am 16. 6. 1426 statt. Silvius (S 1995) spricht falschlich über die Beteiligung ¿izkas (f 1424) an dieser Schlacht. Laut B a r t o ä , FrantiJek Michálek: Husitská revoluce (Die Hussitenrevolution) 2, Praha 1966, S. 11, wurde der sächsische Heerführer Boso von Fictum noch lange Jahre nach der Schlacht von der deutschen öffentlichen Meinung als Verräter angesehen.

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dagegen den wechselnden Verlauf der schweren Schlacht betont und für die Entscheidung das Kriegsglück verantwortlich gemacht: Ad extremum caeca caecum secuta penes haereticos fuit. Burgraphii Misnenses et Chirporgenses et comités Glicenses multique nobiles in eo proelio ceciderunt, ex quibus plerique proiectis armis flexis genibus frustra vitam supplices petierunt. (S 2000-2003). Auch Eschenloer spricht über das wechselnde Glück, dann aber entschuldigt er die Niederlage durch den Verrat im sächsischen Heer, wobei er die Personen als Verräter bezeichnet, die laut Silvius in der Schlacht gefallen sind: Uff das leczte hider der plinde mit den blinden obirwinder bleb, wenn voneterey geschach, das mit den keczern stunden der burggraff von Meissen und die grafen von Gleichen. Gar vil edils folk wurden in disem streite erslagen, vil woiffen ir harnasch von in und niderknyeten mit uffgehaben benden, mochten sie nicht ir leben erwerben. (E 3,385-391). Zu Beginn des Buches 5, wo über die geplante Ankunft von König Ladislaus in Ungarn und die ihm laut Ulrich von Cilli drohenden Gefahren seitens Johannes Hunyadi gesprochen wird (S 3466-3479), schiebt Eschenloer eine zusätzliche und verändernde Passage über die Absichten Hunyadis ein: Si pergat in Hungariam Ladislaus, in eius manu aut vi aut veneno periturum. Id solum quaeri, dum regis in Hungariam transitus petitur. Qui provincias ex arbitrio suo regunt, eos sine fraude dolisve superioris praesentiam non expetere. Insidias procul dubio in caput regis paratas esse. (S 3475-3479) χ so konig Ladislaus in Hungern würde komen, so würde her in Huniad henden mit gewalde, adir mit gifft getöttet werden. Alleyne begerte her dorumme des konigs eingank in Hungern, uff das, das her durch hulffe Ladislai andir stete auch follent mochte eynnemen, die iczunder noch undir Ladislai hüte stünden. An czwifil dem konige weren ferlikeit und wegelogunge dorumme in sein houpte gemacht. (E 5,67-74). Hier können wieder Kenntnisse Eschenloers über die damaligen Gerüchte eingeflossen sein. Ein wenig anders schildert Eschenloer auch den Anfang der entscheidenden Schlacht bei Lipany (1434). Während Silvius gleich über das Eindringen des Herrenheeres in die Wagenburg der Hussiten spricht, entwickelt sich laut Eschenloer die Schlacht vorher zugunsten der Hussiten. Erat ei animus recta via Pragam petere, ubi non dubitabat Novam Civitatem sibi portas aperturam. At equitatus nobilium munitiones eius praetergressus, dum forte ultimam partem apertam videt, raptim ingreditur caedemque magnam facit. Höstes improviso malo praeventi, quid agant, nesciunt. Trepidatur totis castris, insolita res terrorem äuget. Neque enim intra

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munitiones curruum intrasse prius équités aliquando viderant. Caeduntur passim pedites, fit fuga aperta ex altera parte mole quadrigarum, instant nobiles, sternuntur ubiqueJugientes. (S 2430-2437) χ Her hatte willen, den rechten weg ken Präge zu czihen, do her nicht czwifilte, her wurde in die Newestat eingelassen. Adir die edilen herrn quomen seinem willen vor und lissen ire wagenpurg u f f , und snelle was Procop uff dieselben und erslug ir vil Dorumme die herrn erschrocken und westen nicht, wie sie tun sulden,ydoch quomen die herrn zu rossen in die wagenpurg Procopii und slugen die fusgeenden. Dis erschrack Procop, wenn her nicht vormols gesehen hatte, das die geraisingen in die wagen komen weren. Dorumme sein beere uff der andern Seiten sich öffentlich zu flucht gab, den die ediln nochfolgeten und sie erslugen. (E 3,997-1007). Hier kann sich Eschenloer wieder auf mündliche Berichte über die Schlacht stützen, die zwar 30 Jahre vor seiner Ubersetzung stattgefunden hat, die aber als die entscheidende Niederlage der Hussiten im Gedächtnis geblieben ist und vielleicht auch durch einige Episoden ausgeschmückt wurde, die die Schwierigkeit der Uberwindung des hussitischen Heeres betonen sollten. An einer Stelle, wo Silvius eine religiöse Vision anzweifelt, tilgt Eschenloer die Formulierung si vera est fama und stellt das Gesicht als geschehen hin: Mortem eius Bohemos magno maerore prosecutes. Fuerat enim mansuetus et clementissimus princeps et admirandus opinione sanctitatis, quae postea vel miraculis confirmata traditur. Iohanni, Brixinonensi episcopo, si vera est fama, per quietem apparens, cum eum tristemflentemquerepperisset.... (S 1154-1158) χ Die Behemen betrübeten sich sere umb in, wenn her was gar ein tugentlicherfurste und sie bilden in als hiligs leben, als her auch noch seinem tod wunderwerk tat. Wenn her entschein eyns dem bischoff von Brixen im sloff, der sich auch seyns todis betrübet (E 2,286-290). O b man daraus einen Kontrast zwischen einem mehr mittelalterlich gesinnten Eschenloer und dem Humanisten Silvius konstruieren dürfte, bleibt fraglich. Bei einigen sachlichen Veränderungen gegenüber dem Text von Silvius läßt sich ihr Grund nicht ermitteln, hinter anderen mag sich eine Absicht der Ubersetzers verbergen. Es scheint, daß solche Veränderungen wiederum zur Intensivierung der Darstellungsweise dienen sollen. Dies betrifft z. B. den Grad der Verehrung von Hus und Hieronymus bei den Tschechen. Obwohl Eschenloer zuerst wie Silvius sagt, daß sie ebenso sehr geehrt werden wie Petrus und Paulus bei den Römern, behauptet er kurz darauf, daß sie mehr als andere Heilige

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verehrt werden. Bei Silvius heißt es: Iohannes ac Hieronymus apud Bohemos martyrum honores meruere nec minores quam Petrus et Paulus apud Romanos habiti. Nuntiatis enim in Bohemia, quae Constantiae gesta fuerunt de Iohanne ac Hieronymo, discipuli eorum sequacesque omnes in unum convenientes memoriam imprimis defunctorum consecrant celebrandamque quotannis decernunt. (S 1532-1538). Eschenloer formuliert die entsprechende Passage folgendermaßen: Johannes und Jeronimus haben bey den Behem vordinet die ere der merterer, die sie auch nicht weniger eren und wirdigen, denn die Römer sand Petir und sand Paul eren. Wenn als in Behem offembar wart, was sich zu Costenicz ergangen hatte von Johanne und Jeronimo, von iren jungern und nochfolgern, do beslossen die Behem eyntrechtiglich, ire gedechtnis und feyer vor allen andern hiligen zu halden ewiglich. (E 2,776-782). Wenn Eschenloer Silvius' Behauptung über die angeblichen Verhandlungen über den Ubertritt ¿izkas auf die Seite des Kaisers Sigismund wiedergibt, verwendet er Formulierungen, denen zufolge Sigismund nach Pfibyslav hätte ziehen wollen, während in Wirklichkeit diese ostböhmische Stadt eine Station beim Heereszug ¿izkas nach Mähren war. Silvius sagt ja: Nam Zischa condicionibus annuens, dum conventa completurus Sigismundum petit inter eundum apud castellum Prisroviam divinitus, ut par est credere, peste tactus expiravit. (S 2077-2079), Eschenloer verändert hier den Text gegenüber allen historischen Kenntnissen: wenn Ziska der globite dem kaiser ein sulchis zu tun uff sulchen undirscheit vorgeschriben, und als dorumme sampnunge wurden gehalden, das Sigismundus in das castelle Prifroniam quome, do geschach is, als got wolde an awifil, das Ziska mit der pestilencia wart gestagen und starb. (E 3,494-499). Falls sich hier Eschenloer nicht auf eine unbekannte Quelle (vielleicht ein mündliches Gerücht) stützt, soll seine Änderung zur weiteren Steigerung des ungünstigen Bildes von Sigismund beitragen, das in dieser Passage bereits Silvius gezeichnet hatte. Verändert ist auch die Stelle, wo Silvius Johannes Hus und Hieronymus von Prag voneinander differenziert: Iohannes aetate et auctoritate maior habitus, doctrina ac facundia superior Hieronymus. (S 1498-1499). Eschenloer schreibt das höhere Maß an allen Eigenschaften Hus zu: Johannes, am aider und in der macht der förderst gehalden, in der lere und gesprechikeit der vornemste vor Jeronimo. (E 2,723-725). Es ist nicht ganz klar, ob die folgende Passage, die in der Ubersetzung einen anderen Sinn ergibt, durch eine absichtliche Veränderung

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oder durch die Unaufmerksamkeit des Übersetzers entstanden ist. In der Verhandlung des Kaisers Sigismund mit den Tschechen unterscheiden sich die beiden Texte dadurch, daß bei Silvius der Herrscher den Tschechen die Möglichkeit anbietet, ihre Wahrheit vor dem Basler Konzil zu beweisen, während es aus Eschenloers Formulierung eher so aussieht, daß Sigismund seine Schuld an der Verbrennung von Hus ablehnt und sich auf das Konzil ausredet. Möglicherweise liegt hier ein Fehler bei der Übersetzung des Pronomens suus vor, wobei Eschenloer allerdings auch das Wort Bohemi ausläßt : Itti se arrnis ab eo sine causa impetitos dicere, cives suos in Constantia contra publicam fidem exustos, inauditos Bohemiae primores tanquam haereticos a Romana ecclesia damnatos, regno sacris contumeliose interdictum. Non esse tarn exiguam Bohemorum potentiam, quae suo nequeat honori consulere. Responsum a Sigismundo benigne datum ad obiecta oblatumque generale concilium, in quo suam innocentiam estendere Bohemi possent, si se universalis ecclesiae iudicio submittere vellent. (S 2145-2152) χ Doruff im antworten die Behem und sprachen, das her sie an sache mit harnasch, heren und streiten obirczogen hette, und ire bürger und eynwoner zu Costerna obir allis gleite und gemeynen glouben hette lossen vorbornen, unvorhort weren sie von der kirchen als keczer vordampt, dem reich weren die sacramenta frevelichen benomen, dorumme der Behem macht nicht also geringe were seinen eren billichen zu raten. Doruff kaiser Sigmund gutiglich antwortet uff alle ire rede und sprach, das her sich dorumme allenthalben die heilige kirche mit in weide lossen erkennen, und czog sich an das concilium, das do seine unschult würde geczeugen. (E 3,590-601). Im Buch 4 verändert Eschenloer die Information Silvius' über die Umstände der Absetzung Ulrichs von Cilli als Landesverweser in Böhmen. Es ist möglich, daß Eschenloer über dieses Ereignis vom Mai 1439, seit dem zur Zeit seiner Übersetzung etwa 24 Jahre vergangen waren, eigene Kenntnisse oder Informationen seiner Freunde benutzte. Interea comes Ulricus, qui Bohemiae praeerat, ínter barones de vindicando sibi regno agere coepit. Albertus cognito eius studio properatim stipendia subtraxit, gubernationem dimisit. Ille materia adempta, qua Bohemorum ánimos sibi conäliabat, ex provincia decessit nec ultra remissus est. Regni cura Maynardo et Ulrico Rosensi commissa. (S 2824-2828) χ Bynnen des Ulrich von Cili, den her zu Behem zu regirer gesaczt hatte, gedochte bey den herrn von Behem, wie her konig möchte werden. Do dis Albrecht erkante, von statan enczog her im den solt, domit her die Behem an sich brochte, und lisse im glichwol die

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regirunge. Adir so her des soldes nymmer hatte, do czog her weg von Behem und im wart dornoch die sorge des reichs nicht mer hefolhen, sunder sie wart befolhen Ulrich von Rosenberg und heim Meinhart. (E 4,499-506). Laut modernen Historikern waren die Umstände der Absetzung anders, als Silvius und Eschenloer es schildern. 71 Unklar ist der Grund der Veränderung des folgenden Satzes, der die böhmische Geschichte des 10. Jahrhunderts betrifft: Boleslaus imperio potitus patrui magis quam patris aemulator extitit. (S 706). Eschenloer verändert den Satz zu: Stratiqwas herschet noch des vatern todt und folget ahm leben mehr nach seinem vetter Wenceslao, den seinem vater. (E 1,908909). Es könnte sich zwar um einen Fehler unter dem Einfluß der unmittelbar davor erscheinenden Erwähnung von Stratiqwas (Strachkvas) handeln, aber es fallt auf, daß Eschenloer kurz danach wiederum die Formulierung von Silvius ändert und Strachkvas die Regierung an seinen Bruder Boleslaus übergeben läßt, wodurch die Konsequenz in Eschenloers Erzählung aufrechterhalten wird: Stratiquas, Boleslai frater, relicto saeculo apud Ratisponam, Baioariae civitatem, in coenobio sancti Emerammi monasticam vitam elegerat. (S 715-717) χ Stratiqwas ubergab Boleslao dy weit und gingk bey Regenspurgk yn ein kloster sanct Emmeranni. (E 1,923-924). Die Darstellung Eschenloers, daß Strachkvas ein weltlicher Fürst gewesen wäre, findet sich in keiner altböhmischen Chronik. Der Zweck der Änderung von so weit zurückliegenden Ereignissen bleibt unklar. Unterschiede gibt es in der Angabe über die Belagerung der hussitischen Burg Sion im Jahre 1437. Während Silvius von 4 Monaten spricht: Obsidio IUI duäa mensibus (S 2614), spricht Eschenloer über 4 Wochen: diser lag vir wochen vor dem slos Syon (E 4,198). Den Tatsachen entspricht die Angabe von Silvius, die Burg wurde von Mai bis Anfang September 1437 belagert. 72 Vielleicht geht es hier um ein Versehen Eschenloers. Daß Eschenloer einige Details, die er gegenüber Silvius veränderte oder ergänzte, aus anderen Quellen kannte, zeigt die Schilderung der Ermordung des letzten Premyslidenkönigs Wenzel III. (1306) in 71 72

Urbánek 1, S. 432434. Die Belagerung begann Anfang Mai und endete mit der Eroberung der Burg am

6. 9. 1437 - vgl. S m a h e l , Franticele: Husitskd revoluce (Die Hussitenrevohition) 3, Praha 1993, S. 318.

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Olmütz. Während Silvius, ähnlich wie manche böhmischen Chroniken, den Mord in domo decani pontificate aedis (S 1177-1178) lokalisiert, plaziert ihn Eschenloer a n d e r s w o h i n : ^ herzu Olomuncz uff seinem haus und pallas umbging, wart her dirstochen (E 2,311-312). Eschenloer stimmt darin mit der Fassung Β der Pulkava-Chronik überein, die über den Ort des Mordes sagt: in camera sua73, während die Fassung A dieser Chronik mit Silvius übereinstimmt: in domo decani Olomucensis74. Die im Auftrag Karls IV. geschaffene lateinische PulkavaChronik aus der 2. Hälfte des 14. Jh., erfuhr eine große Verbreitung und wurde sowohl ins Tschechische als auch ins Deutsche übersetzt. Sie gehörte auch zu den Quellen der Historia Bohémica des Aeneas Silvius. 75 Es ist gut möglich, daß die deutsche Ubersetzung dieser Chronik gerade in Breslau entstand; sicher ist, daß diese Chronik zu Eschenloers Zeiten in Breslau vorhanden war. Die Breslauer Handschrift der deutschen Übersetzung (Codex R 304 der Stadtbibliothek von Breslau) ist jedoch im 2. Weltkrieg verbrannt. 76 Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Verbindung der Gestalt Alexanders mit den Amazonen, die bei Silvius nicht vorkommt, Eschenloers literarischen Kenntnissen entstammt, möglicherweise auch der böhmischen chronikalischen Tradition.

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Fontes rerum bohemicarum V, S. 187, Spalte B.

ebenda, S. 187, Spalte A. 75 Vgl. B l á h o v á , Marie (Hg.): Kroniky dohy Karla IV. (Chroniken aus der Zeit Karls IV.), Praha 1987, S. 580. 76 Über die einstige Breslauer Handschrift R 304 berichtet eine anonyme handschriftliche Beschreibung von der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert, die sich in der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek in Wroclaw befindet. Laut dieser Beschreibung stammt die Handschrift aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Weitere vereinzelte Informationen über diese Übersetzung der Pulkava-Chronik bringt die Einleitung in Fontes rerum bohemicarum V, S. XII-XIII und XIX. Die Handschrift enthielt auf f. 160r-258v die Übersetzung des ersten Buches der Pulkava-Chronik (d.h. bis zum Aussterben der Pfemysliden im Jahre 1306); dann folgte (f. 259r-283r) die deutsche Übersetzung der Autobiographie Karls IV. Es wäre nötig zu wissen, nach welcher lateinischen Fassung die in der Breslauer Hs. enthaltene Übersetzung angefertigt wurde und in welcher Beziehung Eschenloer zu dieser Handschrift gestanden haben mag. Die wenigen publizierten Textproben in Fontes rerum bohemicarum V, S. XII, Anm. 11 sowie die von Anton Blaschka in seinem Buch Die St. Wenzelskgende Kaiser Karls IV., Prag 1934, S. 64-80, abgedruckte Wenzelslegende stammen leider aus den Teilen der Chronik, wo sich ihre Fassungen noch nicht unterscheiden.

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4.12. Zur politischen Tendenz von Eschenloers Übersetzung Seine eigene Sicht der böhmischen Ereignisse, die sich mit der von Silvius im wesentlichen deckt, braucht Eschenloer nicht prononciert zu bekunden. Eventuelle Nuancen seiner eigenen Meinung kommen durch kleine Streichungen, Ergänzungen oder Hervorhebungen gegenüber der lateinischen Vorlage zum Ausdruck, auch wenn man nicht immer mit letzter Sicherheit feststellen kann, ob die jeweilige Veränderung aus sachlichen oder lediglich aus stilistischen Gründen geschehen ist. Es ist nicht immer zu entscheiden, ob dies manchmal aus der negativen Einstellung Breslaus und Eschenloers zu der böhmischen Herrschaft entspringt oder nur aus Eschenloers allgemeiner Absicht, zu verdeutlichen und grellere Farben aufzutragen: Non sunt regibus scriptae leges necquicquam in Bohemia non permissum. (S 3118-3119) χ Den konigen sint nicht recht beschrihen, so ist auch nichtis argis, das in Behem nicht were zugelassen (E 4,892-894). Es scheint, daß Eschenloer Ladislaus Posthumus in ein etwas günstigeres Licht als Silvius stellen will und manchmal Silvius' Beschreibung von Ladislaus' Taten umformuliert. So schwächt er ζ. B. Silvius' Darstellung des trügerischen Verhaltens von Ladislaus Posthumus gegenüber den Söhnen Hunyadis nach dem Mord am Grafen von Cilli ab. Der Formulierung Silvius': His blandimentis alleai Huniadis filii nihil iamdudum ex caede comitis in caput suum verti posse confidebant. (S 36833684) entspricht bei Eschenloer nur: Hiruß meyneten die söne Huniadis, das der konig des grafen tode vorgesen bette und kegin in in arg nicht würde gedencken. (E 5,371-372). Die Argumente, mit denen die Edelleute Ladislaus Posthumus bedrängen, den jungen Ladislaus Hunyadi mit dem Tode zu bestrafen, werden bei Eschenloer erweitert - sie sollen auf Ladislaus glaubwürdiger wirken, wodurch er ein wenig mehr exkulpiert wird: Inultum tarn atrox scelus relinquendum non esse, corrigendum audacem iuvenem ac temerarium. Audadam, nisi mature coerceatur, in furorem vertu Nullum inveniri dementem virum, qui iuventutem crudelitate insigniverit. Arma in manus nefarii adolescentis periculosa esse. (S 3688-3691) χ Sulch schentlich missetat nicht sty ungerochen zu lossen, sunder der küne Huniad sey zu stroffen. Wenn so suiche kunheit nicht gestrqfft würde, mochte sie zu grossirm czorne komen. Es wer auch nymandes aus allen weisen leuten, die do schriben

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adir sageten, das derjunglinge grawsamkeit nicht were zu stroffen. Das swert in eyns bösen junglingis hant were ferlichen. (E 5,379-385). Möglicherweise kann man in diesem Sinne auch die Intensivierung in der Rede Ladislaus' an den von ihm aus der Haft entlassenen Bischof von Waradin verstehen: das du nicht geliden hast, sunder gefreiet bist, das hastu von mir. (E 5,424-425) χ Quod te supplicio culpaque libero, meum est. (S 3725-3726). Gemildert werden auch Ladislaus' Drohungen an die Adresse eines hussitischen Priesters:^ ubi haereticum id muneris occupasse nec velie alteri locum faare didicit, misso magistro militum profanum sacerdotem, nisi abiret, rapi extra sacellum et de próxima rupe praeàpitari iussit (S 3349-3352) zu: Und als her vorstunde, das sich ein keczer derselben messe undirwunden hatte, do sante Ladislaus zu im seinen hofmeister und geböte im, würde der ungetraw vorbante pfaff nicht aus der kirchen geen, das man in sulde von dem slos werffen. (E 4,1243-1247). Eschenloer gibt - wohl um den Respekt vor dem König zu wahren - gegenüber Silvius eine andere Stelle an, wo sich bei Ladislaus Posthumus die Geschwüre zeigten. Während Silvius über die Leistengegend spricht: Sunt, qui ulcere pestifero percussum inguen dicunt (S 3806), ist es bei Eschenloer der Hals: Etliche sprechen, das her befallen was mit der pestilencia am hals (E 5,541-542). Die Einstellung Eschenloers gegenüber Georg von Podèbrady ist negativ. Ganz scharf zeigt sich das zwar in Eschenloers eigener Chronik Historia Wratislaviensis, aber schon bei der Ubersetzung von Silvius' Werk ist dies zu merken. Eine wesentliche und eindeutige Änderung Eschenloers ist die Einsetzung der Negation in Silvius' Nachricht über die Wahl des böhmischen Königs. Die Deutlichkeit dieser Änderung kommt durch die Negationen adir nicht und sunder klar zutage Eschenloer teilt hier den Standpunkt seiner Auftraggeber, des Breslauer Stadtrates, während Silvius in der Zeit der Abfassung seiner Historia Bohémica noch glaubte, sich mit dem böhmischen König arrangieren zu können. Deshalb folgt der positiven Einstellung zur Wahl durch Silvius auch seine positive Einschätzung des neuen Königs, die auch Eschenloer (ein wenig abschwächend) übersetzt. Bei Silvius lautet die Stelle: Ubi dies constituía illuxit, auditis legationibus in conventu procerum reque pro regni utilitate discussa Georgius Pogiebratius rex pronuntiatur, militiae domique apprime clarus, cui ad res gerendas nec consilium nec aetas deest. (S 3920-3923), bei Eschenloer: Und als der tag der köre quame, worden die sendeboten vorhört in der sampnunge der edlingen, sie worden adir nicht

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berichtet noch fromen des reichs, sunder Georgias von Podiebrat wart konige benant. DiserJörge ist in harnasch und doheyme gar mechtig und wissende, und im gebricht nicht rate noch alder. (E 5,700-705). In der lateinischen und deutschen Fassung seiner Breslauer Chronik berichtet Eschenloer über die bedeutendsten Geschehnisse der Jahre 1457-1458, den Tod von Ladislaus Posthumus und die Wahl Georgs von Podëbrady, teilweise auch unter Benutzung von Silvius' Formulierungen, aber doch viel ausführlicher und feindseliger gegenüber Georg von Podébrady. Eine weitere negative Gestalt in Silvius' Chronik ist der höchste kirchliche Würdenträger der Utraquisten, Jan Rokycana. In seiner Bewertung stimmt Eschenloer mit Silvius überein, erweitert sie jedoch in der Übertragung durch keine weiteren Fakten oder Formulierungen. Eine einzige, unbedeutende Verschiebung gegenüber Silvius' ironischem Rochezana, pseudo Pragensium apostolus (S 2273) zeigt sich nur in Eschenloers: Johannes Rockiczana, ir keczermeister von Präge (E 3,781-782). Obwohl, wie oben gezeigt, Eschenloer die Erwähnungen Breslaus in seiner Ubersetzung kaum erweitert, berücksichtigt er an einer Stelle deutlich sein Breslauer Publikum. Dem katholischen Breslau wollte er die religiösen Zustände in Böhmen klarer darstellen und erweiterte deswegen einige Passagen über die zwischen den Tschechen und der Kurie abgeschlossenen Kompaktaten über den Laienkelch. In der Schilderung von Sigismunds Rückkehr ins Land, bei der diese Abmachungen in Iglau bestätigt werden, benutzt Eschenloer die damals geläufige (und heute als historischer Terminus benutzte) Bezeichnung Kompaktaten, und zwar insgesamt dreimal, während bei Silvius dieser Terminus kein einziges Mal steht. Weiter ist auffällig, wie Eschenloer gegenüber seiner Vorlage noch mehr den Umstand betont, daß die Kommunion unter beiderlei Gestalt nur den Tschechen zugestanden wurde und auch nur denjenigen, die es schon gewohnt sind (vgl. das zweimalige alleyne sowie die Ausdrücke iczunder und alleaeit)·. Als her auch kurczlich dornoch ken der Yglow quome, doselbiste her mit den herrn ratis wart und bestetigte abir die compattata, die do die sendeboten des concilii gemacht hatten. Dieselben compactaten sulchis vornemen woren, das den Behemen und Merhern .... (E 4,29-33) χ ... Iglaviam venit, ubi Consilio cum Bohemis habito conventa legatorum synodalium iterum comprobavit firmavitque. Ea huiusmodi fuere: Bohemis acMoravis .. (S 2496-2498);.. undir beider gestalt des brotis und des weynis sey erhübet zu berichten, und alleyne den,

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die iczunder in gewonheit haben suiche berichtunge, (E 4,38-40) χ ... sub duplici specie, pants scilicet ac vini, iis, qui consuessent, divinae eucharistiae communicare Habit. (S 2502-2503);... alleczeit dise uniirscheit zugesaczt, das die prister, so sie also berichten würden, offembar sulden undirweisen das folk, das undir dergestalt des brotis nicht alleyne das fleisch Christi, noch undir der gestalt des weyns alleyne das plut Christi sey, sunder undir iczlicher gestalt besundem der gancze lebende Christus sey. Dis ist diser compactaten und eyntracht kurczer syn. Alleyne den Behemen also wart newkeit vorlihen in der berichtunge, und sust in allen andern sachen sulden sich vorgleichen der gemeynen cristlichen romischen kirchen etc. Dornoch worden czwischen kaiser Sigmund und den Behemen andir vorrichtungefurgenomen .... (E 4,50-60) χ ... ea conditone adiecta, ut inter communicandum plebem publice instruant non sub speäe pañis carnem Christi tantum nec sub specie vini solum sanguinem, sed sub qualibet speàe totum et integrum contineri Christum. Brevis concordiae notula, verum tot sententiae, quot verba, quibus peregrinai de fide sententiae diversique de religionerituseliminali iubentur et, quod ecclesia universalis credit, quodservat, Bohemorum genti aedendum servandumque praecipitur. Circa communionem tantum permissa novitas. Ceterum inter Bohemos et imperatorem aliae pactiones intewenere ... (S 2510-2518). Vielleicht will Eschenloer durch diese Hervorhebungen verhindern, daß ein Interesse am Laienkelch auch außerhalb von Böhmen entstünde.

4.13. Fehler in der Übersetzung Eschenloer war ein Mann von ungewöhnlichem Fleiß, wie es seine ausgedehnte schriftstellerische Tätigkeit beweist, die er neben seinen anderen zeitaufwendigen Diensten für die Stadt Breslau ausübte. Bei so hoher Auslastung verwundert es nicht, daß er seiner Ubersetzung von Silvius' Historia nicht den letzten Schliff gegeben hat. Das zeigen neben der bereits erwähnten uneinheitlichen Form von Eigennamen auch mehrere Flüchtigkeitsfehler, die ihm an einigen Stellen seiner Übersetzung unterlaufen sind. An den sehr guten Lateinkenntnissen Eschenloers besteht kein Zweifel, die Fehler sind in den meisten Fällen der Eile beim Ubersetzen zuzuschreiben. Der gravierendste Ubersetzungsfehler befindet sich im Buch 2, in einer die 90er Jahre des 13. Jahrhunderts betreffenden Nachricht über

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König Wenzel II. und seine Tochter. 77 Bei Eschenloer heißt es: Bey diserri Wenceslao was ein bischoff, den her líbete und sere macht hatte bey im. Der sagete Wenceslao vil von dem adii der Römer und brocht in dorczu, das her seine junge tochter Jutham eyme Römer, der noch ein heide was, von dem haus der Ursinorum, zu eyme weibe [...]78. Hir auß ist die fruntschafft entstanden (zwischen den konigen von Behem und den Ursinern. Dise junçfraw wart von dem cardinalen Matheo, desselben geslechtis, sere gelibet. (E 2,241248). Diese Stelle hat Eschenloer völlig verpfuscht. Als Heiden bezeichnet er hier einen Angehörigen aus einem noch zu seinen Zeiten bekannten römischen Geschlecht! Die Fehlerquelle ist leicht zu entdecken - sie liegt in der unaufmerksamen Ubersetzung des Wortes gentilis. Dabei beging der Ubersetzer in dieser Passage noch einen weiteren Fehler - es geht ja um gar keinen Bischof, der hier der Eheanbahner gewesen sein soll. Der lateinische Text lautet nämlich: Carissimus apud Venceslaum Alexius quidam, pontificio iure consultas, habitus est. Qui multa de Romanorum nobilitate cum eo locutus usque adeo animum regis illexit, ut Iutham, ftliam admodum parvulam, in clara Ursinorum familia gentili cuidam matrimonio spoponderit. Hinc secuta inter Ursinos et Bohemiae reges amicitia, quae apud Matthaeum, eiusdem familiae cardinalem, plurimi fuit. (S 1121-1124). Unrichtig übersetzte Eschenloer auch: Relido deinde campo Senaar ex Asia in Europam profectos eos agros occupasse... (S 174-175), und zwar durch: Und als sy doselbest von Babilonia auss dem feldt abschiden, fürt sy Sennaar, yrfürste, auss Asta yn Europam (E 1,107-109), wo Eschenloer einen seltenen geographischen Begriff aus der Bibel offensichtlich nicht kannte und daraus eine Person gemacht hat. Auf die Flüchtigkeit von Eschenloers Arbeit weist seine Altersangabe des gestorbenen Königs Ladislaus Posthumus: Ladislaus, der allir edilste jungling von czweyundczwenczig jaren ... (E 5,612-613). Im lateinischen Original heißt es: Ladislaus, nobilissimus adolescens, duodeviginti natus annos.. (S 3857). Daß der Fehler Eschenloer zuzuschreiben ist, zeigt die Ubereinstimmung dieser Angabe in den beiden Textzeugen (P 120r, 77 Guta, die Tochter Wenzels II., ist 1294 anderthalbjährig gestorben. Die Gestalt von Alexius läßt sich nicht näher identifizieren. Die Endquelle für diese Nachricht bei Silvius ist die Chronik von Königsaal, Buch I, Kap. 49, vgl.: Fontes rerum bohemicarum IV, S. 59. 78 Das Verb fehlt in den deutschen Texten.

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W 79r). Dabei handelt es sich um eine Begebenheit, deren Zeuge Eschenloer selbst war - als Mitglied der Breslauer Botschaft hielt er sich im November 1457 in Prag auf, wo er den König noch lebend gesehen hat und dann einige Tage später sein Begräbnis miterlebte. 79 Auf eine Flüchtigkeit bei der Ubersetzung ist wohl die ungewöhnliche Bezeichnung Rudolfs von Habsburg in der Rede von Ottokars Gemahlin zurückzufuhren: der dein sattilknecht gewest ist (E 2,188). Eschenloer ließ sich wohl durch die ähnliche Lautgestalt des lateinischen Wortes verleiten - bei Silvius heißt es: qui quondam satelles tum fuerat (S 1078). Schon auf den ersten Blick scheint der Satz Eschenloers: Czweierley voneterey tat Czenko und czog namhafftig und scheimbarlich mit cren haim. (E 3,140-142) verderbt zu sein. In der Tat hat hier Eschenloer die Ausdrucksweise von Silvius nicht verstanden Cencho, bina proditione insignis, domum revertitur. (S 1796-1797), indem er dem Wort insignis nur die positive Bedeutung beigemessen hat und dies noch durch eigene Zusätze steigerte. Wahrscheinlich verstand Eschenloer die Wendung aura popularis (= Volksgunst) nicht, wie die Ubersetzung des Satzes: Potentiam deinde et regis amicitiam et populares auras malle se dimittere quam perdere. (S 3453-3454) durch Eschenloers schwer verständliche Formulierung: Dornoch weide her des konigs fründtschafft und den dinste des folkis adir das uffhören und die oren des folkis liber obirgeben und lassen denn vorlisen. (E 5,35-37) zeigt Ahnlich ist es bei der Schilderung der Flucht der Kreuzfahrer Eschenloer übersetzt Sublata sunt raptim signa (S 2229) wörtlich mit Eylende wurden die hereaeichen uffgehaben (E 3,712-713), und kennt wohl nicht die lateinische Wendung signa tollo in der Bedeutung auflrechen. Wahrscheinlich unrichtig übersetzt ist auch die Stelle über die Reaktion der österreichischen Adligen auf die Vertreibung des Grafen von dilli. Eschenloer hat hier wohl das Wort insultare nur in der wörtlichen Bedeutung, nicht aber in der übertragenen (iverspotten, verhöhnen) verwendet. Im Original heißt es: Vidisses erectas Austrialium mentes et iam corniti tanquam victo eiectoque insultantes. (S 3322-3323), 79

Über diese aufgeregten Tage berichtet Eschenloer in der Historia Wratislaviensis, S. 13-15. Die Altersangabe in Eschenloers Vorlage war richtig - er übernimmt in der Historia Wratislaviensis richtig den Text von Silvius: duo de XX1' natus annos, vgl. Markgraf, Historia Wratislaviensis, S. 14.

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Eschenloer übersetzt: Do hettistu gesehen der Osteneicher uffgerackte herczen, die iczunder wider den grafen, der algereit obirwunden was, uffsprungen. (E 4,1207-1209). Eine übertragene Bedeutung von uffspringen belegt kein Wörterbuch. An einer anderen Stelle kann kaum entschieden werden, ob Eschenloer hier unsicher war oder mit den Bedeutungen von zwei ähnlichen Wörtern (arx, arcus) spielte, wenn er die Formulierung Silvius' Vicegradum in arcis modum exaedificatum (S 125) folgendermaßen wiedergibt: Viagrad oder Wyscherade als ein bogen oder als ein slos befestet (E 1,47-48). Bei der Wiedergabe der lateinischen Vorlage ecclesiam, Christi Salvatore sponsam, omnium fidelium matrem esse dictitans, claves ligandi atque solvendi habere, candidam sine ruga, sine macula ... (S 2291-2293) durch: der cristlichen kirchen, die eine praute ist Christi unsirs seligmechers, eine muter aller gloubigen, habende die slussile zu binden und ufjzulösen, schöne, rote, an alle mackil (E 3,806-808) ist am ehesten an einen Flüchtigkeitsfehler zu denken, der durch die Verlesung des Wortes ruga und durch seine Verwechslung mit dem Wort rubeus oder einem ähnlichen entstanden sein kann. Unrichtig und ohne den lateinischen Text unverständlich übersetzt ist die Stelle: ... und ob der römische keyser mehr von ym weide begeren und weide yhn von gleich und recht dingen, ßo muest ehr ßein folk fr