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German Pages 520 Year 2003
CHRISTOPH M Ü L L E R
Die Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 97
Die Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934
Von
Christoph Müller
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428- 10577-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier
entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Diese Arbeit wurde i m Sommersemester 2001 von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater Prof. Dr. Werner Schubert. Er weckte mein Interesse an der Rechtsgeschichte und gab die Anregung zu dem Thema der Dissertation. Vor allem aber hat er das Entstehen der Arbeit auf hervorragende Weise betreut und durch wertvolle Gespräche und Hinweise gefördert. Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich meinen Eltern, die mich in der Anfangsphase der Arbeit finanziell unterstützten, sowie der Christian-Albrechts-Universität, die mir durch die Gewährung eines Stipendiums den erfolgreichen Abschluß der Arbeit ermöglichte. Weiterhin bedanke ich mich bei der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität, die diese Dissertation mit dem Fakultätspreis ausgezeichnet hat, und bei dem Verein Kieler Doctores juris e.V. für die Verleihung eines Förderpreises. Die Universitätsgesellschaft Schleswig Holstein hat mir durch die Gewährung eines Druckkostenzuschusses die Veröffentlichung der Arbeit erheblich erleichtert, wofür ich mich ebenfalls herzlich bedanke. Schließlich bedanke ich mich bei meiner Freundin Ute Willeke, die mir in Phasen der Stagnation stets ein motivierender Gesprächspartner war und mich vor allem in der Endphase mit viel Geduld und Verständnis unterstützte. Kiel, i m September 2002
Christoph Η. Müller
Inhaltsübersicht
Einleitung
23
Teil 1 Die wirtschaftliche und rechtliche Verfassung des deutschen Kreditwesens von der Vorkriegszeit bis 1933
26
A. Die Struktur des deutschen Kreditwesens
27
B. Die wirtschaftliche Entwicklung des deutschen Kreditwesens von der Jahrhundertwende bis 1933
43
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933
65
D. Resümee
103
Teil 2 Die Entstehungsgeschichte des Κ WG
104
Α. Das Kreditwesen von der „Machtergreifung" bis zum Erlaß des KWG
104
B. Das Bankwesen in der öffentlichen Meinung
111
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 und die Bankenenquete 1933 113 D. Die Ausarbeitung des KWG durch den Untersuchungsausschuß unter Mitwirkung von Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium 129 E. Verabschiedung des KWG und Überblick über den Gesetzesinhalt
141
Teil 3 Die Lösung grundsätzlicher Probleme im Zusammenhang mit der Schaffung des KWG
144
A. Verstaatlichung des Bankwesens
144
B. Schaffung von Regionalbanken
156
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
169
D. Zusammenfassung
193
8
Inhaltsübersicht Teil 4 Die Entstehung der einzelnen Vorschriften des KWG
194
A. Geltungsbereich, §§1,2 KWG
194
B. Einführung eines Konzessionssystems, §§ 3 bis 7 KWG
203
C. Anzeigepflicht, § 8 KWG
213
D. Evidenzzentrale, § 9 KWG
215
E. Schutz der Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse", § 10 KWG
222
R Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
225
G. Publizitätspflichten, §§ 20 f. KWG
300
H. Sparverkehr, §§ 22 bis 27 KWG
317
I.
360
Bargeldloser Zahlungsverkehr, §§28, 29 KWG
J. Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, §§30 bis 44 KWG
382
K. Zwangsmittel und Strafen, §§ 45 ff. KWG
430
L. Sondervorschriften, §§51, 52 KWG
432
M. Übergangs- und Schlußvorschriften, §§ 53 bis 59 KWG
434
Teil 5 Schlußbetrachtung
438
Α. Die Bewährung des KWG im ersten Jahr seines Bestehens
438
B. KWG und nationalsozialistische Ideologie
443
C. Die Entwicklung des KWG bis 1945
451
D. Die Weitergeltung des KWG nach dem Krieg und die Neufassung von 1961
453
E. Das KWG 1934 im Hinblick auf die gegenwärtige Rechtslage
456
E
459
Resümee
Anhang
462
Quellenverzeichnis
501
Literaturverzeichnis
505
Sachwortverzeichnis
515
Inhaltsverzeichnis Einleitung
23 Teil 1
Die wirtschaftliche und rechtliche Verfassung des deutschen Kreditwesens von der Vorkriegszeit bis 1933 A. Die Struktur des deutschen Kreditwesens I. Die Reichsbank II. Das private Bankwesen
26 27 27 28
1. Die Privatbankiers
28
2. Die privaten Aktienbanken
29
a) Die Provinzbanken
30
b) Die Großbanken
31
3. Die Hypothekenbanken
31
4. Der Centralverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes e.V.
32
III. Das öffentliche Bankwesen 1. Das Sparkassenwesen
33 33
a) Die Sparkassen
33
b) Das Verbandswesen der Sparkassenorganisation
35
c) Die Girozentralen
36
2. Das sonstige öffentliche Bankwesen IV. Die Kreditgenossenschaften
37 38
1. Die gewerblichen Kreditgenossenschaften
39
2. Die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften
39
3. Die genossenschaftlichen Zentralinstitute
40
4. Die genossenschaftlichen Interessenverbände
42
. Zusammenfassung
3
Inhaltsverzeichnis
10
Β. Die wirtschaftliche Entwicklung des deutschen Kreditwesens von der Jahrhundertwende bis 1933 I. Die Entwicklung bis zur Bankenkrise 1931
43 44
1. Das private Bankwesen
44
a) Die Privatbankiers
44
b) Die Aktienbanken
45
c) Die Hypothekenbanken
47
2. Das öffentliche Bankwesen
48
a) Die Sparkassen und Girozentralen
48
b) Das sonstige öffentliche Bankwesen
52
3. Die Kreditgenossenschaften
53
4. Gesamtlage
54
a) Verlust der Arbeitsteilung
55
b) Aufstieg der Großbanken
55
c) Übersetzung und Entstehung ruinösen Konkurrenzdrucks
56
II. Die Bankenkrise von 1931 und ihre Auswirkungen auf das deutsche Kreditwesen
57
1. Ursachen und Verlauf der Krise
57
2. Die Maßnahmen zur Überwindung der Krise
59
3. Die Auswirkungen der Krise auf das deutsche Kreditwesen
61
a) Das private Bankwesen
61
b) Das Sparkassenwesen
62
c) Die Kreditgenossenschaften
63
d) Gesamtlage
64
III. Zusammenfassung
64
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933 I. Begriff der Aufsicht II. Die Rechtslage bis 1931
65 65 66
1. Die Aufsicht über die Reichsbank
67
2. Die Aufsicht über die Sparkassen und das öffentliche Bankwesen
68
a) Die Aufsicht über die Sparkassen am Beispiel Preußens
69
b) Die Aufsicht über das sonstige öffentliche Bankwesen
70
Inhaltsverzeichnis
11
3. Die Aufsicht über die privaten Hypothekenbanken nach dem Hypothekenbankgesetz
72
4. Erster Ansatz einer allgemeinen Bankenaufsicht durch die Kapitalfluchtgesetzgebung und das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte
74
a) Die Kapitalfluchtgesetzgebung
74
b) Das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte
76
5. Zusammenfassung III. Reformbestrebungen bis 1931
79 79
1. Forderungen nach einer Regelung des Depositengeschäfts
80
2. Forderungen nach Einführung eines zentralen Aufsichtsamtes
81
3. Die Bankenenquete 1908/09
82
4. Die Bankenenquete 1928/30
83
IV. Die Notverordnungen von 1931
84
1. Die Notverordnung vom 19. September 1931
84
a) Die Entstehung der Notverordnung
85
b) Der Inhalt der Notverordnung
87
(1) Das Kuratorium und der Reichskommissar für das Bankgewerbe ..
87
(2) Die Aufgaben und Befugnisse der Bankenaufsicht
88
(3) Geltungsbereich
90
(4) Zusammenfassung
90
c) Durchführung und Bewährung der Notverordnung bis zum Erlaß des KWG
91
d) Zusammenfassung
93
2. Die Notverordnung vom 6. Oktober 1931
93
3. Die Notverordnung vom 8. Dezember 1931
94
a) Senkung der Kapitalmarktzinsen
96
b) Senkung der Geldmarktzinsen
97
c) Regelung der Geldmarktzinsen durch das Zinsabkommen vom 9. Januar 1932
98
d) Zusammenfassung 4. Zusammenfassung D. Resümee
100 102 103
12
Inhaltsverzeichnis Teil 2 Die Entstehungsgeschichte des KWG
A. Das Kreditwesen von der „Machtergreifung" bis zum Erlaß des KWG I. Gesetzgeberische Maßnahmen
104 104 104
1. Regelung der Aufsicht über die Kreditinstitute
104
2. Reform des Bankgesetzes
108
II. Tatsächliche Maßnahmen
109
1. „Arisierung" der Banken
109
2. Sonstige Maßnahmen
110
III. Zusammenfassung B. Das Bankwesen in der öffentlichen Meinung
111 111
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 und die Bankenenquete 1933 113 I. Einsetzung und Aufgaben des Untersuchungsausschusses II. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses
114 116
III. Die politische Ausrichtung des Untersuchungsausschusses
121
IV. Die Bankenenquete im November /Dezember 1933
124
1. Aufgabe und Arbeitsweise der Enquete
125
2. Der Stellenwert der Enquete im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ...
126
3. Die Enquete im Spiegel der Presse
128
D. Die Ausarbeitung des KWG durch den Untersuchungsausschuß unter Mitwirkung von Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium 129 I. Die Ausarbeitung des KWG
130
II. Die Mitwirkung von Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium am Gesetzgebungsverfahren 135 1. Der Einfluß der Reichsbank
136
2. Der Einfluß des Reichswirtschaftsministeriums
137
3. Die Abgrenzung der Einflußbereiche von Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium
138
III. Der Schlußbericht des Untersuchungsausschusses E. Verabschiedung des KWG und Überblick über den Gesetzesinhalt
140 141
Inhaltsverzeichnis
13
Teil 3 Die Lösung grundsätzlicher Probleme im Zusammenhang mit der Schaffung des KWG A. Verstaatlichung des Bankwesens I. Die Diskussion um die Verstaatlichung bis zur Bankenenquete 1933
144 144 145
1. Die Forderungen Deumers
145
2. Die Entwicklung der Debatte nach 1931
146
II. Die Frage der Banken Verstaatlichung in der Bankenenquete 1933
150
III. Die Entscheidung des Untersuchungsausschusses
153
IV. Zusammenfassung
156
B. Schaffung von Regionalbanken I. Die Konzentration im deutschen Kreditwesen und ihre Folgen II. Der Regionalbankenplan v. Schröders
156 157 159
III. Die Gegner des Regionalbankenplans
160
IV. Die Regionalbankenfrage in der Bankenenquete 1933
163
V. Die Entscheidung des Untersuchungsausschusses VI. Resümee C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
166 168 169
I. Die Entwicklung der Sparkassenorganisation und der Konflikt mit den Privatbanken 169 II. Die Sparkassenfrage in der Bankenenquete 1933
172
1. Auseinandersetzungen im Vorfeld der Enquete
172
2. Die Sitzungen der Bankenenquete
178
III. Die Haltung der Reichsbank und die Entscheidung des Untersuchungsausschusses 182 1. Die Haltung der Reichsbank und ihre Entwürfe eines Reichssparkassengesetzes 183 2. Der Kieler Vortrag Schachts vom 26. Januar 1934 3. Die endgültige Entscheidung des Untersuchungsausschusses
187 191
IV. Resümee
192
D. Zusammenfassung
193
14
Inhaltsverzeichnis Teil 4 Die Entstehung der einzelnen Vorschriften des KWG
A. Geltungsbereich, §§ 1,2 KWG I. Kreis der erfaßten Institute, § 1 KWG
194 194 194
1. Das Erfordernis einer umfassenden Regelung
194
2. Die Entstehung des § 1 KWG
195
II. Ausnahmen, § 2 KWG III. Resümee B. Einführung eines Konzessionssystems, §§ 3 bis 7 KWG I. Erteilung der Erlaubnis, §§ 3, 4 KWG
198 202 203 205
1. Die Entstehung des § 3 KWG
205
2. Die Entstehung des § 4 KWG
206
II. Rücknahme der Erlaubnis und Untersagung des Geschäftsbetriebes, Verfahrensvorschriften, §§ 5 ff. KWG III. Resümee
209 212
C. Anzeigepflicht, § 8 KWG
213
D. Evidenzzentrale, § 9 KWG
215
I. Die Forderungen nach Errichtung einer Evidenzzentrale II. Die Entstehung des § 9 KWG
215 217
1. Die Besprechung des § 40 KWG-E 1 im Reichswirtschaftsministerium ... 218 2. Die weitere Entstehung des § 9 KWG III. Resümee
220 221
E. Schutz der Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse", § 10 KWG
222
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
225
I. Eigenkapitalquote, § 11 KWG
226
1. Funktion und Entwicklung des Eigenkapitals im deutschen Kreditwesen .. 226 2. Die Diskussion um die Einführung einer Eigenkapitalquote
228
3. § 11 KWG-E 1
230
a) Der Inhalt des Entwurfs
230
Inhaltsverzeichnis b) Die Beratung des Entwurfs im Untersuchungsausschuß
230
c) Die Beratung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium
231
4. § 10 KWG-E 2
233
5. § 10 KWG-E 3 und die weitere Entstehung des § 11 KWG
234
6. Resümee
236
II. Regelung der Höchstkredite, § 12 KWG
238
1. Die Problematik überhöhter Einzelkredite
238
2. Die Diskussion über die Einführung einer Höchstkreditgrenze
239
3. §§ 12, 13 KWG-E 1
241
a) Der Inhalt des Entwurfs
242
b) Die Beratung des Entwurfs im Untersuchungsausschuß
242
c) Die Beratung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium
244
4. § 11 KWG-E 2 und die weitere Entstehung des § 12 KWG
246
5. Resümee
248
III. Gewährung von Personalkrediten, § 13 KWG
249
1. Bedeutung und Entwicklung des Personalkredits
249
2. § 14 KWG-E 1
251
a) Der Inhalt des Entwurfs
251
b) Die Beratung des Entwurfs im Untersuchungsausschuß
252
c) Die Beratung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium
253
3. Die weitere Entstehung des § 13 KWG
254
a) Änderungen bis zur Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 254 b) Die Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 4. Resümee IV. Kredite
an Unternehmensangehörige
255 256
und nahestehende Unternehmen,
§ 14 KWG
257
1. Die Vorläufervorschrift des § 14 KWG
257
2. § 15 KWG-E 1 258 a) Der Inhalt des Entwurfs und seine Bedeutung im Vergleich zu § 240 a HGB 259 b) Die Besprechung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium
261
16
Inhaltsverzeichnis 3. § 13 KWG-E 2
264
4. § 13 KWG-E 3 und die weitere Entstehung des § 14 KWG
266
5. Resümee
268
V. Einbehaltung von Anteilen am Geschäftsergebnis, § 15 KWG
269
1. §47 KWG-E 1
270
2. § 14 KWG-E 2 und die weitere Entstehung des § 15 KWG
271
3. Resümee
273
VI. Vorschriften über die Liquidität, § 16 KWG
274
1. Die Liquiditätsentwicklung der Kreditinstitute
274
2. Die Diskussion über die Verbesserung der Bankenliquidität
277
3. § 16 KWG-E 1
280
a) Der Inhalt des Entwurfs
280
b) Die Beratung des Entwurfs im Untersuchungsausschuß
282
c) Die Beratung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium
283
4. § 15 KWG-E 2
287
5. § 15 KWG-E 3
288
6. Die weitere Entstehung des § 16 KWG
289
7. Resümee
291
VII Wertpapier-, Immobiliar- und Beteiligungsbesitz, § 17 KWG
294
1. Zweck und Inhalt des § 17 KWG
294
2. Die Entstehung des § 17 KWG
295
3. Resümee
297
VIII. Ausschüttung von Gewinnanteilen, § 18 KWG IX. Übergangs- und Ausnahmevorschriften
298 298
1. Übergangsvorschrift, § 55 S. 1 KWG
299
2. Ausnahmevorschrift, § 19 KWG
299
X. Zusammenfassung
299
Inhaltsverzeichnis G. Publizitätspflichten, §§ 20,21 KWG I. Publizitätsregeln bis zum Erlaß des KWG II. Die Diskussion um eine Verbesserung der Bankenpublizität III. Publizitätspflichten der Kreditinstitute, § 20 KWG 1. §§ 20, 21, 22, 23 KWG-E 1
17 300 301 304 306 306
a) Der Inhalt des Entwurfs
307
b) Die Beratung des Entwurfs
308
2. §§ 19, 20, 21, 22, 23 KWG-E 2
311
3. Die weitere Entstehung des § 20 KWG
313
IV. Teilweise oder vollständige Befreiung von den Publizitätspflichten, § 21 KWG 314 V. Resümee H. Sparverkehr, §§ 22 bis 27 KWG I. Der Zustand des deutschen Kapitalmarktes II. Das Ziel der gesetzlichen Regelung des Sparverkehrs III. Definition und Rechtsnatur der Spareinlagen, § 22 KWG 1. §25 KWG-E 1 a) Der Inhalt des Entwurfs
316 317 318 320 322 322 322
b) Die Besprechung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium am 14. März 1934 323 c) Die Besprechung der überarbeiteten Fassung des § 25 KWG-E 1 im Reichswirtschaftsministerium am 27. März 1934 324 2. § 25 KWG-E 2 und die weitere Entstehung des § 22 KWG
326
3. Resümee
328
IV. Verzinsung und Kündigungsfristen, § 23 KWG 1. §25 KWG-E 1-a
329
a) Der Inhalt des Entwurfs
329
b) Die Besprechung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium
331
2. Die weitere Entstehung des § 23 KWG
335
3. Resümee
337
V. Anlage der Spareinlagen, § 24 KWG 2 Müller
329
338
18
Inhaltsverzeichnis 1. § 27 a) KWG-E 1 i. V. m. § 19 RSpkG-E
338
a) Die Beratungen im Reichswirtschaftsministerium vom 14. März 1934 339 b) Die Beratungen im Reichswirtschaftsministerium vom 27. März 1934 341 2. Die weitere Entstehung des § 24 KWG
342
3. Resümee
343
VI. Getrennte Buchführung und Bilanzierung der Spareinlagen, § 25 KWG
345
1. § 27 b) KWG-E 1
346
2. Die weitere Entstehung des § 25 KWG
347
3. Resümee
347
VII. Auflösung der Werksparkassen, § 27 KWG
349
1. §29 KWG-E 1
350
2. Die weitere Entstehung des § 27 KWG
351
VIII. Das ursprünglich vorgesehene Konkursvorrecht
352
1. Die Beratung des Konkursprivilegs im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens 353 2. Die Streichung des Konkursprivilegs aus dem Gesetzentwurf IX. Ausnahme- und Übergangsvorschriften
355 356
1. Ausnahmebestimmungen, § 26 KWG
356
2. Übergangsvorschrift, § 55 S. 2 KWG
358
X. Zusammenfassung
I. Bargeldloser Zahlungsverkehr, §§ 28,29 KWG
358
360
I. Die Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und die damit verbundenen Probleme 360 II. Forderungen nach einer Reglementierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs 366 III. Die Haltung der Reichsbank
367
IV. Der bargeldlose Zahlungsverkehr in der Bankenenquete
369
Inhaltsverzeichnis V. Die Ausarbeitung der §§ 28, 29 KWG 1. § 31 KWG-E 1
19 374 374
a) Der Inhalt des Entwurfs
374
b) Die Besprechung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium
375
2. Die weitere Entstehung der §§ 28, 29 KWG VI. Resümee
J. Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, §§ 30 bis 44 KWG I. Das Aufsichtsamt für das Kreditwesen, §§ 30 bis 32 KWG
378 381
382 385
1. Die grundsätzliche Bedeutung und Stellung des Aufsichtsamtes
386
2. Errichtung und Zusammensetzung des Aufsichtsamtes, § 30 KWG
387
a) §§ 32, 33 KWG-E 1
387
(1) Der Inhalt des Entwurfs
387
(2) Die Besprechung des Entwurfs im Untersuchungsausschuß
388
(3) Die Besprechung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium .. 389 b) §§ 33, 34 KWG-E 2
390
c) Die weitere Entstehung des § 30 KWG
390
d) Resümee
393
3. Geschäftsführung des Aufsichtsamtes, § 31 KWG a) § 34 KWG-E 1 (1) Der Inhalt des Entwurfes
394 394 395
(2) Die Besprechung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium .. 395 b) Die weitere Entstehung des § 31 KWG
400
c) Resümee
401
4. Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsamtes, § 32 KWG a) § 35 KWG-E 1 (1) Der Inhalt des Entwurfs
402 402 402
(2) Die Besprechung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium .. 403 b) § 36 KWG-E 2
406
c) Die weitere Entstehung des § 32 KWG
407
5. Resümee 2*
408
20
Inhaltsverzeichnis II. Der Reichskommissar für das Kreditwesen, §§ 33 bis 35, 38 KWG
410
1. Die grundsätzliche Bedeutung des Reichskommissars
410
2. Ernennung und Aufgaben des Reichskommissars, § 33 KWG
411
a) §36 KWG-E 1
411
(1) Der Inhalt des Entwurfs
411
(2) Die Beratung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium
412
b) § 37 KWG-E 2 und die weitere Entstehung des § 33 KWG
414
c) Resümee
415
3. Allgemeine Befugnisse des Reichskommissars, § 34 KWG
416
4. Depotprüfung, § 35 KWG
418
5. Regelung der Geschäfts- und Wettbewerbsbedingungen, § 38 KWG
421
III. Sonstige Aufsichtsbestimmungen
424
IV. Zusammenfassung
427
K. Zwangsmittel und Strafen, §§ 45 ff. KWG
430
L. Sondervorschriften, §§ 51,52 KWG
432
M. Übergangs- und Schlußvorschriften, §§ 53 bis 59 KWG
434
I. Fortbestehen der Erlaubnis und Untersagung des Geschäftsbetriebes, §§ 53, 54 KWG 434 II. Übergangsbestimmungen und Anpassung an die bisherige Rechtslage, §§55 bis 57 KWG 436 III. Inkrafttreten des Gesetzes und Erlaß von Durchführungsbestimmungen, §§58, 59 KWG 437
Teil 5 Schlußbetrachtung
438
Α. Die Bewährung des KWG im ersten Jahr seines Bestehens
438
B. KWG und nationalsozialistische Ideologie
443
C. Die Entwicklung des KWG bis 1945
451
D. Die Weitergeltung des KWG nach dem Krieg und die Neufassung von 1961
453
Inhaltsverzeichnis E. Das KWG 1934 im Hinblick auf die gegenwärtige Rechtslage
456
F. Resümee
459
Anhang
462
Anhang 1 : Ubersicht über die Referate und die Sitzungen der Bankenenquete
462
Anhang 2: Erster dem Untersuchungsausschuß vorgelegter Gesetzentwurf (KWG-E 1) 466 Anhang 3: Das Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934
481
Quellenverzeichnis
501
A. Ungedruckte Quellen
501
B. Gedruckte Quellen
503
Literaturverzeichnis
505
Sachwortverzeichnis
515
Einleitung Gegenstand dieser Arbeit ist die Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen von 1934 1 (KWG). Das K W G begründete erstmals eine das ganze Reich umfassende, einheitliche Aufsicht über die Kreditinstitute. Damit war das Ende einer Rechtsentwicklung erreicht, die fast 100 Jahre zuvor mit dem Erlaß des preußischen Sparkassenreglements von 1838 ihren Anfang genommen hatte. M i t der allgemeinen Entstehung der Bankenaufsicht in Deutschland in der Zeit von ihren ersten Ansätzen bis zum Erlaß des K W G beschäftigen sich mehrere Arbeiten älteren und jüngeren Datums. 2 Eine in sich geschlossene Darstellung der Entstehung des K W G , die aus rechtshistorischer Sicht besonderes Augenmerk auf die Entstehung der einzelnen Vorschriften des Gesetzes legt, fehlt dagegen bislang. 3 Diese Lücke schließt die vorliegende Arbeit. Anhand von Quellen der Reichsbank und der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Reichsministerien, insbesondere den Protokollen der Gesetzesberatungen und den verschiedenen Gesetzentwürfen, wird die Entstehung der wichtigsten Normen des K W G detailliert erläutert und ihr Werdegang durch die verschiedenen Stadien des Gesetzgebungsverfahrens geschildert. Soweit angebracht, wird den einzelnen Vorschriften eine ausführliche Darstellung der öffentlichen Diskussion vorangestellt, die in den Erlaß der jeweiligen Normen mündete. Bei einer Beschränkung der Arbeit auf die bloße Darstellung der Entstehungsgeschichte einzelner Paragraphen des K W G wären der Stellenwert dieser Bestimmungen und die Bedeutung des Gesetzes insgesamt kaum verständlich. Deshalb wird das wirtschaftliche, rechtliche und politische Umfeld mit einbezogen, in dem sich das Kreditwesen von der Jahrhundertwende bis 1934 bewegte. Damit erst werden die Probleme und Interessenkonflikte deutlich, die bei der Erarbeitung des Gesetzes zu überwinden waren. ι RGBL I, S. 1203. Vgl. etwa die Arbeiten von v. Hantelmann, Die Aufsicht des Staates über die Banken nach deutschem Recht, Würzburg 1936; Tambert, Die Banken und der Staat in Deutschland, Köln 1938, und Ruland, Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts bis 1945, Münster 1988. Piorkokski, Die deutsche Sparkassenorganisation 1924 bis 1934, Stuttgart 1997, untersucht die Entwicklung der Sparkassen in der Weimarer Republik und bezieht dabei aufsichtsrechtliche Aspekte mit ein. 2
3 In groben Zügen beschäftigen sich mit der Entstehungsgeschichte des KWG Ruland und Piorkowski. Die - soweit ersichtlich - bislang ausführlichste Darstellung findet sich bei Kopper,; Zwischen Marktwirtschaft und Dirigismus, Bankenpolitik im „Dritten Reich" 19331939, Bonn 1995, S. 112 ff.
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Einleitung
Diese Rahmenbedingungen des Kreditwesens werden jedoch nur soweit behandelt, wie es für die Schaffung des K W G von Bedeutung war. Ausgeklammert bleibt daher insbesondere, inwieweit die Nationalsozialisten bis zum Erlaß des K W G und in der Folgezeit durch Eingriffe unterhalb der Gesetzesschwelle Einfluß auf das Bankwesen genommen und die Kreditinstitute dadurch für ihre Zwecke nutzbar gemacht haben. 4 Auch die Art und Weise, wie sich die deutschen Banken, insbesondere die Großbanken, in ihrer Geschäftspolitik nach 1933 auf die neuen nationalsozialistischen Machthaber eingestellt haben, ist nicht Thema dieser Untersuchung. 5 Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Im ersten Teil wird die Struktur des deutschen Kreditwesens und seine wirtschaftliche Entwicklung bis 1933 dargestellt. Erklärt wird, welche Umstände zu den Problemen geführt hatten, mit denen die Kreditinstitute Anfang der 30er Jahre zu kämpfen hatten. Zu bedenken ist zudem, daß das K W G nicht der erste Versuch in Deutschland war, daß Kreditwesen unter eine staatliche Aufsicht zu stellen. Daher wird zugleich nachgezeichnet, inwieweit für einzelne Gruppen von Kreditinstituten bereits vor dem Erlaß des K W G aufsichtsrechtliche Vorschriften bestanden. Denn diese Vorschriften boten vielfach Anknüpfungspunkte für das spätere K W G oder wurden mit dem Erlaß des Gesetzes verworfen. I m zweiten Teil der Arbeit wird der allgemeine Gang des Gesetzgebungsverfahrens von den ersten Plänen zur Erarbeitung eines Aufsichtsgesetzes bis zum Erlaß des K W G am 5. Dezember 1934 dargestellt. Der Ablauf der Gesetzesberatungen anhand der verschiedenen Gesetzentwürfe wird hier erläutert. Dabei wird vor allem das Augenmerk auf die Gremien des Gesetzgebungsverfahrens und den in ihnen vertretenen Personen gelegt. Es wird untersucht, inwieweit nationalsozialistische Einflüsse bei der Formulierung des K W G eine Rolle spielten und welchen Einfluß die Reichsbank und die Reichsregierung - in erster Linie vertreten durch das Reichswirtschaftsministerium - auf das Gesetz nahmen. Der zweite Teil schließt mit einem kurzen Überblick über den Aufbau und den Inhalt des Gesetzes. Der dritte Teil der Arbeit zeigt die Probleme auf, die vor der eigentlichen Formulierung des Gesetzes zu bewältigen waren. Gerade vor dem Hintergrund der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten waren eine Reihe teilweise sehr radikaler Forderungen aufgetaucht, deren Verwirklichung einen kompletten Umbau des Kreditwesens bedeutet hätte. Hier standen die Forderungen nach einer Verstaatlichung des Bankwesens und der Bildung sogenannter Regionalbanken i m Vordergrund. Zugleich war das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen zu klären, die sich seit den 20er Jahren in heftigem Streit befanden. Es wird erläutert, 4
Die Bankenpolitik der Nationalsozialisten von 1933 bis 1939 ist Thema der Arbeit von Kopper, Zwischen Marktwirtschaft und Dirigismus, Bankenpolitik im „Dritten Reich" 1933-1939, Bonn 1995. 5 Mit der Rolle der Deutschen Bank zwischen 1933 und 1945 beschäftigt sich James, in: Die Deutsche Bank 1870- 1995, S. 315 ff.
Einleitung in welcher Weise sich der Gesetzgeber dieser Probleme angenommen hat und inwieweit sie das spätere K W G geprägt haben. Den Hauptteil der Arbeit stellt der vierte Teil dar. Hier wird detailliert die Entstehung sämtlicher Vorschriften des K W G geschildert. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Normativbestimmungen gemäß §§ 11 ff. K W G , die den Kernbestand des neuen Gesetzes darstellten. Auch auf die Vorschriften über den Sparverkehr gemäß § § 2 2 ff. K W G wird angesichts ihrer gesamtwirtschaftlichen und teilweise auch politischen Bedeutung besonderes Gewicht gelegt. Den dritten Schwerpunkt bilden die Bestimmungen über die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden gemäß §§ 30 ff. K W G . Hier wird analysiert, inwieweit diesen Vorschriften nationalsozialistisches Gedankengut zugrunde liegt. Der fünfte Teil beschließt die Arbeit mit einer abschließenden Betrachtung der Entstehungsgeschichte des K W G . Dargestellt wird die Umsetzung des K W G i m ersten Jahr seines Bestehens, die Entwicklung des Gesetzes bis 1945 und seine Weitergeltung nach dem Zweiten Weltkrieg sowie in der Frühphase der Bundesrepublik bis zur erneuten Verabschiedung des K W G i m Jahr 1961. Vor allem aber wird ausführlich untersucht, ob und in welcher Weise das K W G von der nationalsozialistischen Diktatur geprägt war und inwieweit das K W G von 1934 die Aufsicht über die Kreditinstitute bis in die Gegenwart prägt.
Teil 1
Die wirtschaftliche und rechtliche Verfassung des deutschen Kreditwesens von der Vorkriegszeit bis 1933 Das K W G war das erste formelle Gesetz in Deutschland, das eine einheitliche staatliche Aufsicht über das Kreditwesen etablierte. Anders als die bis dahin bestehenden Aufsichtsgesetze, 1 die jeweils nur bestimmte Arten von Kreditinstituten erfaßten, galt das K W G - von wenigen Ausnahmen abgesehen2 - für das gesamte deutsche Kreditwesen mit all seinen verschiedenen Arten von Kreditinstituten. Die Verabschiedung dieses umfassenden Gesetzes war vor allem die Reaktion auf die kritische Lage des deutschen Finanzsektors, der nach dem Ersten Weltkrieg seine Stabilität und Funktionsfähigkeit zunehmend eingebüßt hatte. Wenn auch dieser fortlaufende Niedergang des Finanzwesens mit der Bankenkrise von 1931 3 seinen Höhepunkt hatte, so waren die Kreditinstitute 1933 immer noch in einer kritischen Lage. M i t Hilfe des K W G sollte das Kreditwesen aus dieser Lage befreit werden und wieder zu seiner ehemals vorhandenen Leistungsfähigkeit zurückfinden. Die Entstehungsgeschichte des K W G ist somit nur bei Kenntnis der Probleme verständlich, mit denen das deutsche Kreditwesen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zu kämpfen hatte. Zudem ist zu berücksichtigen, daß das Kreditwesen traditionell von einer Vielzahl von verschiedenen Institutsgruppen geprägt war, deren teilweise erheblich widerstreitenden Interessen bei einer gesetzlichen Regelung des Kreditwesens Rechnung zu tragen war. Diese Regelungen wiederum sind nur nachvollziehbar, wenn man sich die Gliederung des Kreditwesens in die verschiedenen Institutsgruppen und die zwischen diesen Gruppen nach dem Ersten Weltkrieg aufgetretenen Konflikte vor Augen führt. Schließlich knüpfte das K W G teilweise an bereits bestehende Normen an, so daß neben der wirtschaftlichen Situation auch die bis 1933 bestehende Rechtslage das K W G geprägt hat. I m Folgenden soll daher zunächst in groben Zügen die Struktur des deutschen Kreditwesens dargestellt werden, die durch die Gliederung des Finanzsektors in die verschiedenen Institutsgruppen geprägt war. Danach wird auf die wesentlichen wirtschaftlichen Entwicklungen dieser einzelnen Gruppen und die zwischen ihnen ι s.u., Teil 1,C.,II. Zum Geltungsbereich des KWG s. u., Teil 4, A. 3 Zu den Ursachen und dem Verlauf der Krise s. u., Teil 1, B., II., 1. 2
Α. Die Struktur des deutschen Kreditwesens aufgetretenen Verwerfungen lich werden die 1933 bereits dargestellt und erläutert, um zieren, die der Gesetzgeber 1933 vorfand.
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von der Vorkriegszeit bis 1933 eingegangen. Schließbestehenden wichtigsten aufsichtsrechtlichen Normen somit die wirtschaftliche und rechtliche Lage zu skizbei der Aufnahme der Arbeiten am K W G i m Herbst
A. Die Struktur des deutschen Kreditwesens Das deutsche Kreditwesen war traditionell durch drei große Gruppen von Kreditinstituten geprägt. Neben dem privaten Bankwesen setzte sich die Kreditwirtschaft aus dem öffentlichen Bankwesen und den Kreditgenossenschaften zusammen. Zusätzlich nahm die Deutsche Reichsbank eine Sonderstellung ein.
I. Die Reichsbank Die Reichsbank war die deutsche Zentralnotenbank mit dem praktisch ausschließlichen Recht, Banknoten in Deutschland auszugeben. 4 Sie nahm am 1. Januar 1876 ihren Geschäftsbetrieb auf. Ihre Gründung erfolgte als privates Institut mit privatem Kapital und unter vermögensrechtlicher Trennung vom Reichsfiskus. Gleichzeitig stand sie unter Aufsicht und Leitung des Reiches. Zudem behielt sich das Reich das Recht zur Verstaatlichung der Reichsbank vor. Die Reichsbank hatte somit nach ihrer Gründung halbstaatlichen Charakter. 5 Der Kreis der Geschäfte der Reichsbank war eng umgrenzt. Ihre wichtigste Aufgabe war die Aufrechterhaltung des Währungssystems durch die Regelung des Geldumlaufs, 6 so daß die besondere Bedeutung der Reichsbank auf dem Gebiet der Währungspolitik lag. Daneben erleichterte die Reichsbank durch die Unterhaltung eines eigenen Zahlungsverkehrsnetzes den bargeldlosen Zahlungsverkehr und fungierte als Hausbank des Reiches und anderer öffentlicher Stellen. 7 Neben diesen Aufgaben spielte die Reichsbank für die Funktionsfähigkeit des deutschen Kreditwesens eine ganz entscheidende Rolle: Sie stellte in erster Linie die letzte Kreditquelle des deutschen Kreditwesens dar 8 und versorgte als solche 4
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 471. Neben der Reichsbank waren 1933 noch vier in Deutschland bestehende sog. Privatnotenbanken zur Ausgabe von Banknoten berechtigt. Der Umfang ihrer Geschäftstätigkeit war jedoch gegenüber der Reichsbank so gering, daß auf sie nicht weiter eingegangen wird, vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 471 f. 5 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 472. 6 7 8
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 475. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 475. Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 131.
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
die deutschen Banken und Sparkassen mit flüssigen Mitteln und Bargeld. Dazu stellte sie Diskont- und Lombardkredite zur Verfügung. M i t diesen Krediten konnten sich die Kreditinstitute gegen Resdikontierung erstklassiger Handelswechsel 9 oder gegen Verpfändung lombardfähiger Wertpapiere bei der Reichsbank mit flüssigen Mitteln eindecken und damit ihre Liquidität sichern. 1 0 Die Geschäftstätigkeit der Reichsbank beschränkte sich in erster Linie auf den Umgang mit Kreditinstituten. Sie pflegte praktisch kein Geschäft mit Nichtbanken, 1 1 so daß die Reichsbank auch als „Bank der Banken" bezeichnet wurde. 1 2 Aufgrund ihrer Funktion als „Bank der Banken" und ihrer währungspolitischen Befugnisse nahm die Reichsbank eine Sonderstellung innerhalb des deutschen Kreditwesens ein. Während sie einerseits am eigentlichen Bankgeschäft mit den Kunden aus der Wirtschaft und den privaten Haushalten nicht teilnahm, so stand andererseits das gesamte deutsche Kreditwesen wirtschaftlich gesehen unter ihrer einheitlichen Führung.
II. Das private Bankwesen Der älteste Zweig des deutschen Kreditwesens war das private Bankwesen. Sein entscheidender Unterschied zu den anderen Gruppen der deutschen Kreditwirtschaft war die Tatsache, daß beim privaten Bankwesen das Gewinnstreben die Triebfeder der bankmäßigen Betätigung war. Das private Bankwesen setzte sich aus den Privatbankiers und den privaten Aktienbanken 1 3 zusammen, zu denen auch die Hypothekenbanken als Spezialinstitute zählten.
1. Die Privatbankiers Den ältesten Berufsstand i m deutschen Kreditwesen bildeten die Privatbankiers. Sie beherrschten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts das Kreditwesen und waren bis 9 Sog. reichsbankfähige Wechsel. Dies waren Wechsel von einwandfreier Bonität, die längstens binnen drei Monaten fällig waren. 10 U. a. durch Festsetzung der Zinssätze für diese Kredite (Diskont- und Lombardsatz) nahm die Reichsbank Einfluß auf den Geldumlauf. 11 Eine Ausnahme stellte das Diskontgeschäft der Reichsbank dar, das sie mit einigen Firmen unter Umgehung der Kreditinstitute direkt pflegte. Gemessen am Gesamtgeschäft des Kreditwesens war dieses Diskontgeschäft jedoch bedeutungslos. 12 Vgl. etwa Walb, Ubersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 131. 13 Die privaten Banken auf Aktienbasis wurden überwiegend in der Rechtsform der AG gefühlt. Die bis 1870 in Deutschland bestehende und restriktiv gehandhabte Konzessionspflicht für Aktiengesellschaften (vgl. Wandel, S. 10) führte aber dazu, daß vielfach zur Umgehung dieser Pflicht die Rechtsform der KGaA gewählt wurde. Die Rechtsform der GmbH war dagegen die Ausnahme.
Α. Die Struktur des deutschen Kreditwesens
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zur Entstehung der privaten Aktienbanken dessen wichtigste und mächtigste Träger. 1 4 Die Privatbankiers waren Einzelkaufleute oder geschäftsführende Gesellschafter einer Personengesellschaft. Kennzeichnend für ihren Berufsstand war, daß sie Bankgeschäfte unter Einsatz eigenen Kapitals bei unbeschränkter Haftung mit ihrem gesamten Vermögen und mit alleiniger Entscheidungsgewalt betrieben. 15 Als erste Repräsentanten des Kreditwesens überhaupt war der Geschäftsbereich der Privatbankiers unbeschränkt. Einen spezifischen, ausschließlich oder überwiegend von ihnen gepflegten Geschäftszweig kannten die Privatbankiers nicht. 1 6 Sie betrieben das gesamte Kredit- und Einlagengeschäft ebenso wie das Effektenkommissionsgeschäft. Dabei lag der Schwerpunkt des Kreditgeschäfts auf der Gewährung kurzfristigen Kredits. 1 7 Die Kunden der Privatbankiers kamen aus den Kreisen der Wirtschaft und des vermögenden Bürgertums. Dagegen führten sie grundsätzlich keine Geschäfte mit Kleinbürgern, Bauern, Handwerkern und Kleingewerbetreibenden. Überwiegend verfügten die Privatbankiers nur über einen relativ kleinen Kundenkreis und waren in ihrer Geschäftstätigkeit auf einen bestimmten Ort beschränkt, d. h. sie unterhielten üblicherweise keine Filialen an anderen Orten. 1 8 Daneben bestanden aber auch einige große Privatbankiersfirmen, die sich nur noch in der Rechtsform, nicht aber in ihrem Umfang und ihrer Geschäftstätigkeit von privaten Aktienbanken unterschieden. 19 Zu diesen großen Privatbankhäusern zählten etwa Mendelssohn in Berlin, Warburg in Hamburg und A . Levy in K ö l n . 2 0
2. Die privaten Aktienbanken In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten die Privatbankiers den gestiegenen Finanzbedarf der immer größer werdenden Industrie-, Handels-, und Verkehrsunternehmen nicht mehr aus eigener Kraft stillen. 2 1 Aus diesem Grund entstanden die ersten privaten Aktienbanken, die allein in der Lage waren, größere Mengen an Kapital aufzubringen und langfristig zur Verfügung zu stellen. 2 2 Die privaten Aktienbanken dienten somit zu Beginn in erster Linie der Industriefinanzierung, insbesondere bei langfristigen Investitionsvorhaben. Sie füllten damit eine von den Bankiers offen gelassene Lücke in der Kreditversorgung. 14 Bauer, S. 7; Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 103; Wandel, S. 2. !5 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 48. 16 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 329. 17 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 114. 18 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 38. 19 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 457. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 456. 2 1 Wandel, S. 114. 22 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 115. 20
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Seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts beschränkten sich die Aktienbanken nicht mehr nur auf die Industriefinanzierung, sondern entwickelten sich zu Universalbanken. Sie pflegten alle Zweige des Kreditgeschäfts, handelten mit Effekten und Übernahmen die Emission von Aktien, Obligationen und Anleihen. I m Kredit- und Einlagengeschäft nahm neben der langfristigen Industriefinanzierung das kurzfristige Geschäft breiten Raum ein, insbesondere die Gewährung von Betriebsmittelkrediten und die Pflege des Kontokorrent Verkehrs. Dabei zogen die Aktienbanken auch zunehmend Einlagen ihrer Kundschaft an sich. 2 3 Die Geschäftstätigkeit der Aktienbanken und der Bankiers war damit weitgehend gleich geworden. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich beim Kundenkreis der Aktienbanken: Neben den Industrieunternehmen, die weiterhin ihre Hauptkunden darstellten, tätigten die Aktienbanken nunmehr auch Geschäfte mit Handelsunternehmen und Angehörigen des Adels und des Großbürgertums 2 4 Die Entwicklung zu Universalbanken und die Ausdehnung des Kundenkreises erfaßte alle privaten Aktienbanken. Darüber hinaus war ihr Erscheinungsbild und ihr Auftreten am Markt keineswegs einheitlich. Anhand ihrer verschiedenen Größe und ihres verschiedenen Wirkungskreises bürgerte sich die Unterscheidung zweier Typen privater Aktienbanken ein: die Provinzbanken und die Großbanken.
a) Die Provinzbanken Die Geschäftstätigkeit der Provinzbanken erstreckte sich - wie ihre Bezeichnung vermuten läßt - nicht auf das gesamte Reichsgebiet, sondern beschränkte sich auf eine Provinz, eine Region oder sogar nur auf einen O r t 2 5 Innerhalb der Gruppe der Provinzbanken bestanden beträchtliche Größenunterschiede. Die größten drei dieser Institute 2 6 verfügten über ein Aktienkapital zwischen 90 und 100 Millionen Mark, während das Aktienkapital der Mehrzahl der Provinzbanken nur zwischen einer und drei Millionen Mark betrug. 2 7 Auch in ihrer Ausdehnung unterschieden sich die Provinzbanken erheblich. Die meisten von ihnen verfügten über keine Filialen und hatten einen dementsprechend begrenzten Aktionsradius. Dagegen hatte ein gutes Drittel der 1913 bestehenden 296 Provinzbanken ein eigenes Filialnetz und erreichte somit einen größeren Kundenkreis. 28 Vor dem Hintergrund der Konzentrationsbewegung i m deutschen Kre23 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 161. 24 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 208. 25 Neben der Bezeichnung „Provinzbank" waren auch die Bezeichnungen „Regionalbank" bzw. „Lokalbank" für die kleinsten Institute geläufig. 26 Diese waren: Der Barmer Bankverein in Barmen (100 Mio. Mark Aktienkapital), die Rheinische Creditbank in Mannheim (95 Mio. Mark Aktienkapital) und die Allgemeine Deutsche Creditanstalt (ADCA) in Leipzig (90 Mio. Mark Aktienkapital), s. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 326. 27 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 326.
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ditwesen und der Entstehung der Großbanken ging die Zahl der Provinzbanken bis 1933 kontinuierlich zurück. 2 9
b) Die Großbanken Neben den Provinzbanken bildete sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein weiterer Typus der privaten Aktienbank heraus: die Großbank. Als Großbank wurden die Banken bezeichnet, die i m gesamten oder überwiegenden Reichsgebiet tätig waren und zu den angesehensten Instituten Deutschlands zählten. Zu den deutschen Großbanken der ersten Stunde zählten die 1870 in Berlin gegründete Deutsche Bank, 30 die i m gleichen Jahr in Hamburg gegründete Commerzund Disconto Bank 31 und die 1872 durch Umwandlung eines privaten Bankhauses entstandene Dresdner Bank. Wie die anderen Großbanken, so galten auch diese drei Institute nicht von Anfang an als Großbank. Vielmehr erfolgte der Aufstieg zur Großbank in erster Linie durch den Aufbau eines großen, das ganze Land umfassenden Filialnetzes. Daneben entwickelte sich eine Bank auch durch Fusion mit anderen Banken oder deren Übernahme zu einer Großbank. 3 2 Bis 1914 waren acht der deutschen Aktienbanken zu Großbanken geworden. Als Großbanken galten die Deutsche Bank, die Disconto-Gesellschafi, die Berliner Handelsgesellschaft, die Nationalbank für Deutschland, die Dresdner Bank, die Commerz- und DiscontoBank, die Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) und der Schaajfhausensche Bankverein, 33 Aufgrund des Ausbaus ihres Filialnetzes und der Übernahme anderer Banken übernahmen die Großbanken eine zunehmend dominierende Rolle i m deutschen Kreditwesen, obwohl ihre Zahl immer sehr gering war. Unter ihrer fortwährenden Ausdehnung hatten insbesondere die Privatbankiers und die Provinzbanken zu leiden.
3. Die Hypothekenbanken Eine spezielle Gruppe innerhalb des privaten Bankwesens stellten schließlich die Hypothekenbanken dar. Anders als die privaten Aktienbanken waren sie keine 28
Zu den Zahlen vgl. Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 120 f. 29 Zur Entwicklung der Provinz- und Großbanken s. u., Teil 1, Β., I., 1., b). 30 Ausführlich zur Gründung der Deutschen Bank Gall, in: Die Deutsche Bank 18701995, S. 1 ff. 31 Beide Banken waren ursprünglich zur Förderung des deutschen Außenhandels gegründet worden, s. Wandel, S. 10. 32 So übernahm etwa die Dresdner Bank bis 1911 25 Banken in Deutschland, s. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 123. 33 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 167.
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Universalbanken, sondern hatten einen eng begrenzten Aufgabenkreis. Ihnen oblag die Pflege des langfristigen Hypothekarkredites. Die Funktionsweise einer Hypothekenbank war relativ einfach. Durch die Ausgabe von Pfandbriefen und Obligationen verschafften sich die Institute Gelder, die ihnen langfristig zur Verfügung standen. Diese Gelder wurde für die Gewährung langfristiger und hypothekarisch gesicherter Darlehen verwendet. 3 4 Somit war eine Hypothekenbank „eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien, bei der der Gegenstand des Unternehmens in der hypothekarischen Beleihung von Grundstücken und der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund der erworbenen Hypotheken besteht" (§ 1 Hypothekenbankgesetz 35 ). Die Hypothekenbanken entstanden als wichtigste Institute für den Realkredit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ursprünglich wurden sie zur Behebung der erheblichen Kreditnot in der Landwirtschaft gegründet. Die Pflege des ländlichen Kredites verlor jedoch sehr schnell an Bedeutung, vielmehr verlegten die privaten Hypothekenbanken sich auf die lukrativere Wohnraumfinanzierung in den Städten. 36 A u f diesem Gebiet haben die Hypothekenbanken wertvolle Dienste geleistet, und das enorme Wachstum der Städte bis zum Ersten Weltkrieg wäre ohne sie nicht zustande gekommen. 3 7
4. Der Centraiverband des deutschen Bankund Bankiergewerbes e.V. Trotz der großen Unterschiede zwischen den einzelnen Gliedern des privaten Bankwesens in Deutschland wiesen die Bankiers, die Provinz- und Großbanken sowie die Hypothekenbanken entscheidende Gemeinsamkeiten auf. Sie alle betrieben ihr Geschäft auf erwerbswirtschaftlicher Basis und mit privatem Kapital. Zudem tätigten sie - mit Ausnahme der Hypothekenbanken - alle Arten von Bankgeschäften und bedienten dabei in erster Linie die größeren Wirtschaftsbetriebe und die wohlhabende Privatkundschaft. Vor diesem Hintergrund lag die Bildung einer gemeinsamen Interessenvertretung nahe. Diese Interessenvertretung nahm seit dem 10. 3. 1901 der Centraiverband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes e.V. mit Sitz in Berlin war. Der Centraiverband war die Spitzenorganisation aller Bankiers und privaten Aktienbanken unter Einschluß der Hypothekenbanken. Zu seinen Aufgaben gehörte es unter anderem, das Bankgewerbe gegenüber dem Staat zu vertreten und zu den das Bankwesen betreffenden Gesetzen Stellung zu 34 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 193. 35 Hypothekenbankgesetz v. 13. Juli 1899 (RGBl. S. 375). Näheres zu diesem Gesetz s. u., Teil 1, C., II., 3. 36 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 197. Bereits um die Jahrhundertwende machten die ländlichen Hypotheken nur noch knapp 11% des Gesamtbetrages aller Hypothekarkredite der deutschen Hypothekenbanken aus, s. Born, ebda. 37 Wandel, S. 16.
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nehmen. 3 8 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, daß der Verband auch Einfluß auf die Gestaltung des K W G zu nehmen versuchte und maßgeblichen Anteil an der Bankenenquete von 1933 nahm.
I I I . Das öffentliche Bankwesen Neben dem privaten Bankwesen war das öffentliche Bankwesen bis 1933 zum mächtigsten Faktor i m deutschen Kreditwesen geworden. 3 9 Das öffentliche Bankwesen verfolgte anders als das private Bankwesen keine Erwerbsinteressen, sondern arbeitete grundsätzlich auf gemeinnütziger Basis. Die Organisationsformen der öffentlichen Banken waren vielfältig. Einige Institute waren unselbständige Anstalten des Verwaltungsträgers, bei dem sie eingerichtet waren, anderen waren selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und wieder andere öffentliche Banken bestanden in der privaten Rechtsform der AG. Letztere wurden aber aufgrund ihrer Beherrschung durch die öffentliche Hand ebenfalls dem öffentlichen Bankwesen zugeordnet. Als öffentliche Banken wurden somit ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform und ihre Geschäfte diejenigen Kreditinstitute bezeichnet, deren Inhaber öffentliche Körperschaften waren. 4 0 Innerhalb des öffentlichen Bankwesens wurde zwischen dem Sparkassenwesen und den sonstigen öffentlichen Banken unterschieden.
1. Das Sparkassen wesen Die wichtigsten Elemente des Sparkassenwesens waren die Sparkassen selbst, das Verbandswesen der Sparkassenorganisation und die Girozentralen.
a) Die Sparkassen Die ersten Sparkassen entstanden gegen Ende des 18. Jahrhundert aus sozialer Hilfsbereitschaft. 41 Ihr Grundgedanke war, den armen Bevölkerungsschichten Gelegenheit zu geben, ihre Ersparnisse sicher und zinsbringend anlegen und sich damit Rücklagen für eventuelle Notlagen schaffen zu können. Die Sparkassen 38 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 542. Zur Geschichte des Central Verbandes von 1932 bis 1945 ausführlich James, „Verbandspolitik im Nationalsozialismus", München 2001. 39 Bereits Ende 1929 entfielen bei einem gesamten bankgeschäftlichen Volumen von rund 54 Mrd. RM auf das öffentlich-rechtliche Bankwesen 25,5 Mrd. RM, s. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 414. 40 Walb, Ubersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 123. 41 Als älteste deutsche Sparkassen gelten die 1778 in Hamburg entstandene „Allgemeine Versorgungsanstalt", die 1786 in Oldenburg und 1796 in Kiel gegründeten Sparkassen.
3 Müller
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wurden nicht zur Gewinnerzielung betrieben, vielmehr waren sie wohltätige und gemeinnützige Anstalten. 4 2 Da sich die Sparkassen an die unteren Bevölkerungsschichten wandten, unterschied sich auch ihr Kundenkreis von dem der privaten Banken und Bankiers. Geschäftspartner waren keine Industriebetriebe und Angehörige des Großbürgertums, sondern kleine Betriebe und Bürger aus mittleren und unteren Schichten. 43 Damit füllten die Sparkassen eine bis dahin bestehende Lücke i m deutschen Kreditwesen. 4 4 In ihrer Organisation unterschieden sich die deutschen Sparkassen von den übrigen Banken ganz erheblich. Die Sparkassen waren ganz überwiegend kommunale Einrichtungen und wurden zunächst nur in den Städten, später auch in den Kreisen gegründet. 45 Sie waren größtenteils keine selbständigen juristischen Personen, sondern unselbständige Anstalten ihrer Gewährträger, also der Kreise oder Gemeinden. Somit hatten die Sparkassen öffentlich-rechtlichen Status. 46 Zudem wiesen sie kein haftendes Eigenkapital auf. A n dessen Stelle stand die Garantie ihrer Trägerverbände, die für etwaige Verluste aufzukommen hatten. Schließlich waren die Sparkassen aufgrund ihrer Befreiung von der Gewerbesteuer steuerlich begünstigt. 4 7 Der Wirkungskreis der einzelnen Sparkassen beschränkte sich auf das Gebiet ihrer Trägerverbände, so daß dem Wachstum einer einzelnen Sparkasse enge Grenzen gesetzt waren. Nur die wenigsten Sparkassen verfügten i m 19. Jahrhundert über eigene Filialen. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde innerhalb der Sparkassenorganisation mit dem Ausbau eines Filialnetzes begonnen 4 8 Der Umfang der getätigten Geschäfte war bei den Sparkassen am Anfang ihrer Entwicklung sehr begrenzt. Ihrer Grundidee entsprechend, stand in der Geschäftspolitik das Einsammeln und die Verzinsung kleiner und kleinster Beträge - das Passivgeschäft - i m Vordergrund, während die Verwendung der Gelder - das A k tivgeschäft - bei der Entstehung des Sparkassenwesens nur eine untergeordnete Rolle spielte. 4 9 Da die Sicherheit der ihnen anvertrauten Gelder oberstes Gebot war, führten die Sparkassen die Einlagen ihrer Kunden entsprechend sicheren Anlagen zu. Sie legten die Beträge ihrer Kundschaft in Hypothekarkrediten und mündelsicheren Papieren an und gewährten in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens keine Kredite an ihre Sparer. 50 Obwohl bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts 42 Neumann, S. 26. « Wandel, S. 12. 44 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 522. 45 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 205. 46 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 525 ff. Ihre rechtliche Verselbständigung setzte erst später ein, s. u., Teil 1, C., IV., 2. 47 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 209. 48 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 208. 49 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 523. 50 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 206.
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die ersten Kredite an Kunden der Sparkassen gewährt wurden, so blieb der Schwerpunkt des Aktivgeschäfts jedoch bis ins 20. Jahrhundert hinein die Pflege des Hypothekarkredites und die Anlage der Gelder in öffentlichen Titeln und Pfandbriefen. 51 Somit entwickelten sich die Sparkassen bis ins 20. Jahrhundert hinein nicht zu Universalbanken, wie es bei den privaten Aktienbanken zu beobachten war. Vielmehr beschränkten sie sich auf das Einsammeln der Spargroschen der ärmeren Bevölkerung und legten diese Gelder in sicheren Anlagen langfristig auf dem Kapitalmarkt an. Das Geschäft der Sparkassen war daher langfristiger Natur. Der zu Beginn ihrer Entwicklung enge Tätigkeitsbereich tat dem Erfolg der Sparkassenbewegung keinen Abbruch. Allein zwischen 1840 und 1860 wurden über 800 Sparkassen gegründet 5 2 und bis 1900 stieg die Zahl der Sparkassen auf 2.685 an. 5 3 Ähnlich positiv entwickelte sich der Einlagenbestand. Von 1,8 Mrd. Mark i m Jahre 1875 erhöhte er sich auf 8,8 Mrd. Mark i m Jahre 1900. 5 4
b) Das Verbandswesen der Sparkassenorganisation Ahnlich wie das private Bankgewerbe bildeten auch die Sparkassen und ihre kommunalen Gewährträger Interessenverbände. Die ersten Verbandsgründungen erfolgten durch die Sparkassen selbst. Seit dem Beginn der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts bildeten sie die ersten regionalen Sparkassenverbände. Bereits 1884 gründeten die einzelnen regionalen Verbände mit dem Deutschen Sparkassenverband den Spitzen verband aller deutscher Sparkassen. Eine zweite Welle von Verbandsgründungen erfaßte das Sparkassenwesen in den Jahren von 1908-1916. Anlaß war die Einführung des Scheck- und Überweisungsverkehrs bei den Sparkassen i m Jahre 1908. Damit wurde der Grundstein für die Entstehung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs innerhalb des Sparkassenwesens gelegt. Z u dessen Entwicklung und Förderung bildeten nunmehr die kommunalen Gewährträger der Sparkassen Verbände, die sogenannten Giroverbände. Aufgabe der Giroverbände war in erster Linie der Aufbau eines eigenen Netzes für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. 55 Bald waren in jeder preußischen Provinz und in jedem Bundesstaat des Deutschen Reiches Giro verbände entstanden. 1916 gründeten die regionalen Giroverbände als Spitzenverband den Deutschen ZentralGiroverband.
51 Wandel, S. 12. 52 Wandel, S. 3, 12. 53 Bente, S. 370. 54 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 524. 55 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 466. 3*
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Innerhalb des Sparkassenwesens hatte sich somit mit den Aufkommen der Giroverbände ein zweigliedriges Verbandswesen entwickelt. Aus Rationalisierungsgründen wurde in der folgenden Zeit die Verschmelzung der Verbände vorgenommen. Infolgedessen schlossen sich der Deutsche Sparkassenverband und der Deutsche Zentral-Giroverband 1924 zum Deutschen Sparkassen- und Giroverband zusammen. 5 6 Dieser Verband versuchte wie die anderen Verbände des Kreditwesens auch, i m Rahmen der Bankenenquete von 1933 in erheblichem Umfang auf die Entstehung des K W G Einfluß zu nehmen.
c) Die Girozentralen Bis ins 20. Jahrhundert hinein verfügten die Sparkassen über keine überregionalen Institute. Dies änderte sich mit der Gründung der Girozentralen seit 1908. Die Girozentralen waren die öffentlich-rechtlichen Zentralbanken der Sparkassen und Giroverbände. 57 Sie wurden von den einzelnen Giroverbänden errichtet und entstanden zeitgleich mit diesen, denn die Girozentralen und Giroverbände verfolgten einen gemeinsamen Zweck, den Aufbau eines bargeldlosen Zahlungsverkehrsnetzes der Sparkassen. Die Durchführung des Zahlungsverkehrs innerhalb des Sparkassenwesens war somit die wichtigste Aufgabe der Girozentralen. Als Zentralinstitute der Sparkassen nahmen sie jedoch auch weitere Funktionen war. Als Clearingstelle der Sparkassen besorgten sie den Geldausgleich der angeschlossenen Sparkassen und verwalteten deren Liquiditätsreserven. Ergänzend wurden sie für die Sparkassen bei der Erledigung von Kredit- und Kommissionsgeschäften tätig und berieten sie in allen Fragen des Bankgeschäftes. Neben diesem Geschäft mit den Sparkassen waren die Girozentralen zur Gewährung kurz- und langfristigen Kommunalkredits berufen. 58 Die Entwicklung der Girozentralen war rasant. Bis 1920 hatten alle Giro verbände ihre eigene Girozentrale errichtet. 1918 erfolgte die Bildung des Spitzeninstitutes der Sparkassen und Girozentralen mit der Errichtung der Deutschen Girozentrale in Berlin. Damit war das seit 1908 verfolgte Ziel erreicht: Die Sparkassen verfügten über ein das ganze Reich umfassendes ZahlungsVerkehrsnetz, 59 für das sich die Bezeichnung Spargironetz herausbildete. Spätestens mit dem Zusammenschluß aller Sparkassen über die Girozentralen und der Bildung eines das ganze Reich umfassenden Finanzverbundes waren die Sparkassen zu einem mächtigen Träger des deutschen Kreditwesens geworden. Zudem erhielten sie mit den Sparkassen- und Giroverbänden sowie den Girozentralen eine wirkungsvolle ideelle und wirtschaftliche Interessenvertretung. 60 56
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 525. 57 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 233. 58 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 233. 59 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 466. 60
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 233.
Α. Die Struktur des deutschen Kreditwesens
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2. Das sonstige öffentliche Bankwesen Das öffentliche Bankwesen außerhalb des Sparkassenwesens hatte in der Fürsorgetätigkeit des Staates für besonders hilfsbedürftige Wirtschaftszweige seinen Ursprung. 6 1 In dieser Verpflichtung für das Gemeinwohl erschöpften sich jedoch bereits die Gemeinsamkeiten der öffentlichen Kreditinstitute. Das öffentliche Bankwesen war extrem unübersichtlich. Dies lag an der Vielzahl der auf den verschiedenen Ebenen des Staates errichteten Institute, die sich zudem erheblich in Organisation und Aufgabenkreis unterschieden. 62 Öffentliche Institute wurde auf Reichs-, Länder- und kommunaler Ebene errichtet. 6 3 Sie waren zum Teil Universalbanken, 64 die sich dem gesamten Bankgeschäften widmeten, zu einem anderen Teil dagegen Spezialinstitute, die nur für einen bestimmten Z w e c k 6 5 , zur Unterstützung einer bestimmten Wirtschaftsgruppe 66 oder zur Pflege bestimmter Bankgeschäfte 67 gebildet wurden. Obwohl das öffentliche Bankwesen bis 1929 ein ähnliches Geschäftsvolumen wie das gesamte Sparkassenwesen erreicht hatte, 6 8 konnte es angesichts seiner Zersplitterung keine mit dem Sparkassenwesen vergleichbare Machtstellung einnehmen. Dennoch wurde an dem Eindringen des Staates in das Bankwesen durch die Gründung immer neuer Institute wiederholt Kritik geübt. 6 9 Trotz der Vielgestaltigkeit der öffentlichen Kreditinstitute gründeten diese mit dem Verband deutscher öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten e.V. in Berlin einen gemeinsamen Interessenverband.
61
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 414. Vgl. v. Bitten S. 9; Handwörterbuch des Bankwesens, S. 414 ff., auf denen ein guter Überblick über die verschiedenen Institute gegeben wird. 63 Gute Übersichten über die verschiedenen Arten öffentlicher Kreditinstitute finden sich im Anhang des Referats Beute, S. 407 ff. und im Handwörterbuch des Bankwesens, S. 414 ff. 64 So ζ. B. die sich nach dem Ersten Weltkrieg rasch ausbreitenden Staatsbanken, die ohne ausschließliche Spezialaufgabe im Interesse der Staats- und Volkswirtschaft ihres Staates arbeiteten (vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 536). 65 Derartige Institute wurden häufig von staatlicher Seite zur Bekämpfung akuter Krisen gebildet, ζ. B. die nach der Inflationskrise gegründete Rentenbank oder die Akzept- und Garantiebank (s. u., Teil 1, Β., II., 2.), die nach der Kreditkrise von 1931 gegründet wurde. 66 Ζ. B. die Zuckerkreditbank zur Förderung der Zuckerindustrie, vgl. v. Moller, S. 237. 62
67
Hier bildeten die öffentlich-rechtlichen Realkreditinstitute die wichtigste Gruppe. Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 414. 69 Vgl. etwas das Referat Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat. Zur Entwicklung des öffentlichen Bankwesens s. u., Teil 1, Β., I., 2. 68
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
IV. Die Kreditgenossenschaften Die dritte Säule des deutschen Kreditwesens stellten die genossenschaftlich organisierten Banken, die sogenannten Kreditgenossenschaften dar. Sie wurden zu den wichtigsten Kreditinstituten für Handwerker und Kleingewerbetreibende sowie für die Bauern. In diesen Kreisen bestand um die Mitte des 19. Jahrhunderts erhebliche Kreditnot, insbesondere bei den Landwirten. 7 0 Diese Lücke in der Kreditversorgung schlossen ab dieser Zeit die neu entstehenden Kreditgenossenschaften, deren Hauptaufgabe darin bestand, den Kreditbedarf ihrer Kunden zu decken. 71 Anders als bei den Sparkassen war bei den Kreditgenossenschaften somit das Aktiv- und nicht das Passivgeschäft für ihre Gründung ausschlaggebend. 72 Das Wesen der Kreditgenossenschaften bestand in der Betonung des Selbsthilfeprinzips, 7 3 das darin zum Ausdruck kam, daß die Kunden der Kreditgenossenschaften zugleich deren Mitglieder waren. 7 4 Das Eigenkapital der Kreditgenossenschaften wurde durch die Beiträge ihrer Mitglieder gebildet. Für etwaige Verluste hafteten die Mitglieder solidarisch. 75 Ihrer Selbsthilfefunktion entsprechend, lag der Zweck der Kreditgenossenschaften nicht in der Gewinnerzielung, sondern in der Förderung der Interessen ihrer Mitglieder. Die Mittel für die Kreditvergabe wurde durch die Beiträge und die Einlagen der Mitglieder aufgebracht. Daneben verschafften sich die Kreditgenossenschaften bei ihren Zentralinstituten 7 6 die erforderlichen Mittel zur Kreditversorgung ihrer Mitglieder. 7 7 Innerhalb des Kreditgenossenschaftswesens haben sich i m Wesentlichen zwei Arten von Kreditgenossenschaften herausgebildet, die gewerblichen Kreditgenossenschaften in den Städten und die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften des ländlichen Raumes. 7 8 Beide Arten von Kreditgenossenschaften entwickelten sich weitgehend parallel und unabhängig voneinander.
70 Vgl. Aschhoff/Henningsen, S. 19. 71 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 216; Handwörterbuch des Bankwesens, S. 330. 72 Vgl. Aschhoff/Henningsen, S. 20 f. 73 Wandel, S. 14. 74 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 330. 75 Wandel, S. 14. Bis zum preußischen Genossenschaftsgesetz von 1867 bzw. dem Reichsgenossenschaftsgesetz von 1887 hafteten die Mitglieder mit ihrem gesamten Vermögen. Mit Einführung der Gesetze wurde ihre Haftung auf die Höhe der angesammelten Mitgliedsbeiträge beschränkt, s. Wandel, S. 14. 76 s.u., Teil 1, A.,IV.,3. 77 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 330. 78 Daneben entstanden eine Reihe von speziellen Kreditgenossenschaften etwa für Beamten und Hausbesitzer, die jedoch im Vergleich zu den gewerblichen und landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften eine Randerscheinung bildeten. Eine ausführliche Darstellung dieser Kreditgenossenschaften findet sich bei Kluge, S. 369 ff.
Α. Die Struktur des deutschen Kreditwesens
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1. Die gewerblichen Kreditgenossenschaften Die gewerblichen Kreditgenossenschaften widmeten sich den Handwerkern und kleineren und mittleren Gewerbetreibenden. Sie entstanden ab 1850 durch die Gründung eines sogenannten „Vorschußvereins" durch Hermann SchulzeDelitzsch. 7 9 Diese Kreditgenossenschaften entstanden vorwiegend in den Städten. Ihr Mitgliederkreis bestand somit überwiegend aus Angehörigen des gewerblichen Mittelstandes, Handwerkern, Einzelkaufleuten und Kleinindustriellen. 8 0 Entsprechend den Kreditbedürfnissen ihrer Mitglieder gewährten diese Kreditgenossenschaften in erster Linie kurzfristige Betriebsmittelkredite mit einer Laufzeit bis zu drei Monaten. Die gewerblichen Kreditgenossenschaften entwickelten sich sehr erfolgreich. So bestanden bereits 1870 721 gewerbliche Kreditgenossenschaften in Deutschland, und bis zur Jahrhundertwende stieg ihre Zahl auf 1.136 an. 8 1
2. Die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften Die Entstehung der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften begann 1864 mit der Gründung des „Heddesdorfers Darlehnskassenvereins" und ging auf W i l helm Raiffeisen zurück. 8 2 Diese Kreditgenossenschaften entstanden ausschließlich i m ländlichen Bereich und waren speziell auf den ländlichen Mittelstand ausgerichtet, ihre Mitglieder setzten sich dementsprechend vorwiegend aus kleineren und mittleren Landwirten zusammen. 83 Die Mitgliederstruktur dieser Kreditgenossenschaften war somit wesentlich homogener als die der gewerblichen Kreditgenossenschaften. Die einfache Struktur der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften spiegelte sich in ihrer Geschäftstätigkeit wieder. Andere Geschäfte als das reine Einlagenund Darlehensgeschäft kamen bei ihnen praktisch nicht vor. 8 4 Den Kreditbedürfnissen ihrer Mitglieder entsprechend, pflegten die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften in erster Linie das mittel- und langfristige Kreditgeschäft. 85 Die Gewährung dieser Darlehen führte jedoch zu einem grundsätzlichen Problem der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften. Da ihnen die Gelder ihrer Kunden 79 Schulze-Delitzsch war der Begründer der gewerblichen Kreditgenossenschaftsbewegung, vgl. etwa Aschhoff /Henningsen, S. 19 ff. ; Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 216. 80 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 330. 81 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 329. 52 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 223. 53 Wandel, S. 14. 84
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 330. ss Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 226.
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überwiegend mit kürzeren Fristen zur Verfügung standen als die mittel- und langfristig angelegten Mittel, verstieß die Geschäftspolitik der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften gegen die „goldene Bankregel". 8 6 Infolgedessen war die Liquidität der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften häufig gefährdet. 87 Trotz dieser Schwierigkeiten war auch die landwirtschaftliche Kreditgenossenschaftsbewegung sehr erfolgreich, wenngleich ihr Aufschwung erst relativ spät erfolgte. 1890 bestanden bereits 1.729 landwirtschaftliche Kreditgenossenschaften, und bis 1900 stieg ihre Zahl sprunghaft auf 9.793 an. 8 8
3. Die genossenschaftlichen Zentralinstitute Schwerpunkt der kreditgenossenschaftlichen Betätigung war die Kreditgewährung. Jedoch reichten die Einlagen der Kreditgenossenschaften häufig nicht aus, um den Kreditbedarf ihrer Mitglieder zu decken. Daher entstanden bereits sehr bald nach der Entstehung der Kreditgenossenschaften genossenschaftliche Zentralbanken, die in erster Linie der Refinanzierung der Kreditgenossenschaften dienen sollten. 8 9 Dabei setzte sich die Trennung zwischen gewerblichen und landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften fort. Beide Gruppen bildeten ihr eigenes Zentralbankwesen. Vorreiter in dieser Entwicklung waren wiederum die gewerblichen Kreditgenossenschaften. Sie gründeten 1864 die Deutsche Genossenschaftsbank in Berlin. Sie wurde in der Rechtsform der KGaA gebildet. Dadurch bedurfte sie keiner staatlichen Lizenz, 9 0 hatte aber andererseits den erforderlichen Zugang zum Kapitalmarkt, um ihrer Refinanzierungsfunktion nachkommen zu können. 9 1 Ihre Aufgaben bestanden i m Wesentlichen in der Kreditgewährung an die ihr angeschlossenen Kreditgenossenschaften sowie im Geldausgleich zwischen diesen. 92 Daneben schuf die Deutsche Genossenschaftsbank bereits 1869 den genossenschaftlichen Giroverband als erster deutscher Einrichtung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, der zum Prototyp für alle weiteren Zahlungsverkehrssysteme wur86 Diese Regel besagt, daß ein Kreditinstitut seine fremden Mittel nicht länger ausleihen darf, als sie ihm selbst zur Verfügung stehen (vgl. etwa Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 226). Mit Geldern, die die Kunden bei ihrer Bank jederzeit oder nach Ablauf einer kurzen Kündigungsfrist abrufen können, dürfen daher nur kurzfristige Kredite, z. B. Betriebsmittel- oder Kontokorrentkredite gewährt werden, so daß die Bank sich jederzeit Geld beschaffen kann, um die Auszahlungsansprüche ihrer Kunden zu befriedigen. 8 ? Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 226. 88 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 329. 8 9 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 219. 90 Vgl. o., Fn. 13.
91 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 219. 92
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331.
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de. 9 3 Somit fiel den Kreditgenossenschaften eine wichtige Rolle bei der Etablierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Deutschland z u . 9 4 Die Deutsche Genossenschaftsbank geriet 1904 in Schwierigkeiten und wurde infolgedessen i m gleichen Jahr von der Dresdner Bank übernommen. 95 Seitdem war die Dresdner Bank die maßgebende Zentralbank für die gewerblichen Kreditgenossenschaften, zumal sie auch das Zahlungsverkehrssystem mit übernahm. 9 6 Nur wenig später als die gewerblichen gründeten die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften Zentralinstitute. Die erste dieser Zentralbanken war die 1872 von Raiffeisen gegründete Landwirtschaftliche Zentral-Darlehnskasse 97, die seit 1923 unter der Bezeichnung Raiffeisenbank AG firmierte. Neben der Refinanzierung der Kreditgenossenschaften sollte diese Bank den landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften vor allem die notwendige Liquidität verschaffen. 98 I m Übrigen waren ihre Aufgaben der der Deutschen Genossenschaftsbank ähnlich, allerdings lag der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit naturgemäß auf dem Gebiet der Landwirtschaft. 9 9 Die Zentral-Darlehnskasse schaffte es nicht, die Liquiditätsprobleme der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften zu bewältigen. Daher wurde als weiteres Zentralinstitut 1895 die Preußische Zentralgenossenschaftskasse (Preußenkasse) gegründet, die mit den einzelnen Genossenschaftsbanken indirekt über provinzielle Zentralkassen verkehrte. 1 0 0 Dieses Institut stand unter staatlichem Einfluß und sollte eine Verbindung zwischen den Kreditgenossenschaften und dem Geldmarkt herstellen, 1 0 1 um damit die bestehenden Liquiditätsschwierigkeiten zu beheben. Anders als die Zentral-Darlehnskasse verkehrte die Preußische Zentralgenossenschaftskasse auch mit gewerblichen Kreditgenossenschaften. Darüber hinaus schuf sie mit dem Genossenschaftsring ein eigenes Zahlungsverkehrsnetz für die ihr angeschlossenen Kreditgenossenschaften. 102 Die Arbeit der Preußenkasse war erfolgreicher und hatte größeren Einfluß auf die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften als die Zentral-Darlehnskasse bzw. die Raiffeisenbank. Letztere wurde 1928 liquidiert, so daß seitdem die Preußische Zentralgenossenschaftskasse das einzige Zentralinstitut für die ländlichen 93
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331. Näheres zur Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs s. u., Teil 4,1. 95 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331. 96 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331. 97 Diese wurde zunächst als Genossenschaft gegründet und später in eine AG umgewandelt, s. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331. 98 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 228. 99 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331. 100 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331. ιοί Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 229. 102 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331. 94
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
Genossenschaftsbanken darstellte. 1 0 3 Nachdem sich i m Jahr 1930 das Reich kapitalmäßig an der Preußenkasse beteiligt hatte, wurde die preußische Zentralgenossenschaftskasse durch Verordnung des Reichspräsidenten vom 21. Oktober 1 9 3 2 1 0 4 zu einer Anstalt des Reiches mit der Bezeichnung Deutsche Zentralgenossenschaftskasse (Deutschlandkasse). 105 Trotz ihres staatlichen Charakters behielt die Deutschlandkasse ebenso wie die Preußenkasse ihre Funktion als genossenschaftliches Zentralinstitut und wurde nur für die Genossenschaftsorganisation t ä t i g . 1 0 6 Somit bestanden 1933 innerhalb des Kreditgenossenschaftswesens zwei Zentralinstitute: Die Dresdner Bank als Zentralbank für die gewerblichen und die Deutsche Zentralgenossenschaftskasse sowohl für die landwirtschaftlichen als auch die gewerblichen Kreditgenossenschaften.
4. Die genossenschaftlichen Interessenverbände Schließlich bildeten die Kreditgenossenschaften bereits i m 19. Jahrhundert Verbände, die ihrer Beratung und Interessenvertretung dienen sollten. Daneben führten diese Verbände auch die Revision bei den ihnen angeschlossenen Kreditgenossenschaften d u r c h . 1 0 7 Der Spitzen verband der gewerblichen Kreditgenossenschaften war seit 1920 der Deutsche Genossenschaftsverband e. V i , 1 0 8 während für die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften seit 1930 der Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften - RAIFFEISEN - e.V. 109 diese Auf110 gabe wahrnahm. Betrachtet man den zahlenmäßigen Anteil der Kreditgenossenschaften am gesamten deutschen Kreditwesen, so erscheint ihre Bedeutung nur gering. So betrug 1930 der Anteil der insgesamt 20.079 Kreditgenossenschaften an der gesamten Bilanzsumme des deutschen Kreditwesens 1 1 1 lediglich 7,5%, während sich der Anteil der 2.583 Sparkassen auf 22% belief. 1 1 2 Diesen Zahlen werden der Bedeutung 103 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331. 104 RGBl. I, S. 503.
i° 5 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 275 ff. 106 Vgl. Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 278. 107 Die Revision führten nicht die Spitzen-, sondern Unterverbände durch, die als Revisionsverbände bezeichnet wurden, s. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 332. Näheres zum genossenschaftlichen Revisionswesen bei Kluge, S. 215 ff. los Er umfaßte bei seiner Gründung rund 1.400 Kreditgenossenschaften und knapp 2.000 Warengenossenschaften, s. Aschhoff/Henningsen, S. 33. 109 Ihm waren 1933 19.730 Genossenschaftsbanken angeschlossen, s. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 332. ι io Ein graphischer Überblick über die Entstehung der genossenschaftlichen Verbände findet sich bei Kluge, S. 259. in Ausgenommen Privatbankiers. i l 2 Walb, Ubersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 124.
Β. Die wirtschaftliche Entwicklung von der Jahrhundertwende bis 1933
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der Kreditgenossenschaften jedoch nicht gerecht. Das genossenschaftliche Kreditwesen war für Millionen von Bürgern meistens die einzige in Betracht kommende Kreditquelle. 1 1 3 Insbesondere die kleinere und mittlere Landwirtschaft hätte ohne die Kreditgenossenschaften nicht bestehen können. 1 1 4 Die Kreditgenossenschaften waren somit von enormer volkswirtschaftlicher Wichtigkeit.
V. Zusammenfassung Das deutsche Kreditwesen ruhte auf drei Säulen. Es setzte sich zusammen aus dem erwerbswirtschaftlich orientierten privaten Bankwesen, dem der Gemeinnützigkeit verpflichteten öffentlichen Bankwesen mit dem Sparkassenwesen als dem wichtigsten Faktor und den auf dem Prinzip der Selbsthilfe beruhenden Kreditgenossenschaften. A n dieser Struktur hat sich bis heute grundsätzlich nichts geändert. Anders als heute war das deutsche Kreditwesen jedenfalls bis Anfang des 20. Jahrhunderts weitgehend arbeitsteilig organisiert. Das private Bankwesen bediente die Großkunden aus der Wirtschaft und die vermögenden Privatkunden. Die Sparkassen dienten in erster Linie der Vermögensbildung der ärmeren Bevölkerungsschichten und beschränkten sich auf das Einsammeln von Spargeldern. Die Kreditgenossenschaften versorgten die Bauern und Kleingewerbetreibenden mit dem notwendigen Kredit. Übergriffe der einen Gruppe in den Geschäftsbereich einer anderen Gruppe waren um die Jahrhundertwende noch weitgehend unbekannt.
B. Die wirtschaftliche Entwicklung des deutschen Kreditwesens von der Jahrhundertwende bis 1933 Die kontinuierliche Entwicklung des deutschen Kreditwesens von der Jahrhundertwende bis 1933 wurde insbesondere durch zwei äußere Einflüsse unterbrochen und geprägt: durch den Ersten Weltkrieg und die nachfolgende Inflation von 1923 zum einen und durch die Bankenkrise von 1931 zum anderen. Vor allem die Bankenkrise stellte einen entscheidenden Bruch in der Entwicklung der deutschen Bankenlandschaft dar. Die Phase von 1931 bis 1933 war anders als die Zeit vor der Krise weniger von wirtschaftlich bedingten Strukturwandlungen als vielmehr von staatlichen Sanierungsmaßnahmen und Eingriffen in das deutsche Kreditwesen geprägt. Dieser veränderten Qualität der Entwicklung wird durch die besondere Darstellung der Bankenkrise von 1931 und ihrer Folgen Rechnung getragen.
114
Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 318. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 331.
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Teil 1 : Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
I . Die Entwicklung bis zur Bankenkrise 1931 1. Das private Bankwesen Die augenfälligste Entwicklung innerhalb des privaten Bankwesens war die Ausdehnung der Großbanken, die zu Lasten der Provinzbanken und der Privatbankiers stattfand. a) Die Privatbankiers Seit dem Aufkommen der ersten privaten Aktienbanken um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Bedeutung der Privatbankiers bis zur Jahrhundertwende kontinuierlich geringer. Diese Entwicklung setzte sich i m 20. Jahrhundert fort. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verdrängten die privaten Aktienbanken die Bankiers zunehmend aus ihrer dominierenden Rolle i m Kreditwesen. 1 1 5 Den stetig anschwellenden Eigenkapitalien und Bilanzsummen der Aktienbanken hatten die Privatbankiers, denen anders als den Aktienbanken eine Aufstockung ihrer Eigenmittel i m Wege der Kapitalerhöhung nicht möglich war, nur wenig entgegen zu setzen. 1 1 6 So haben allein die Großbanken von der Jahrhundertwende bis 1911 51 Privatbankiers übernommen, weitere 116 Bankiers übernahmen bis zum gleichen Jahr die Provinzbanken. 1 1 7 Bis 1913 hatte sich so die Zahl der Privatbankiers auf 1.221 reduziert, 1 1 8 jedoch war ihr Niedergang damit nicht gestoppt. Zwar erhöhte sich die Zahl der Bankiers zwischen 1913 und 1925 um insgesamt 185 auf 1.406, jedoch setzte danach das große Sterben der Privatbankiers ein. Zwischen 1925 und 1933 verringerte sich ihre Zahl um fast die Hälfte auf 7 0 9 . 1 1 9 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich der deutsche Privatbankiersstand seit der Jahrhundertwende in einem stetigen Niedergang befand und sein Anteil an der Kreditwirtschaft immer kleiner wurde. So tauchten Ende 1932 nur noch 4,2% aller Einlagen in den Bilanzen des ehemals mächtigsten Standes des deutschen Kreditwesens a u f . 1 2 0
us Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 327. 116 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 327. 117 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 328. 118
Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 183. Diese Zahl erfaßt nur die Privatbankiers, die das Einlagengeschäft betrieben. Insgesamt ist das Zahlenmaterial über die Privatbankiers nicht immer verläßlich. Dies dürfte daran liegen, daß der Begriff „Bankier" bis zum Erlaß des KWG nicht legal definiert war, so daß sich „Bankier" auch nennen durfte, wer keine Bankgeschäfte im engeren Sinne (vor allem Kredit- und Einlagen- sowie Effektengeschäfte) tätigte. Vgl. die entsprechende Einführung bei Untersuchung des Bankwesens, Teil II, ebda. 119 120
Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 183. Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 189.
Β. Die wirtschaftliche Entwicklung von der Jahrhundertwende bis 1933
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b) Die Aktienbanken Zwei wesentliche Faktoren bestimmten die Entwicklung der Aktienbanken von der Jahrhundertwende bis zur Bankenkrise 1931: die Tendenz zur Konzentration einerseits und der Ausbau eines immer dichteren Filialnetzes andererseits. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts führte die Bildung immer größerer Industrieunternehmen dazu, daß sich die bisher miteinander konkurrierenden großen Banken vermehrt zusammenschlossen. 121 Dieser Konzentrationsprozeß, der überwiegend von den Großbanken ausging, setzte nach 1900 besonders lebhaft e i n . 1 2 2 Die acht deutschen Großbanken 1 2 3 erweiterten ihren Einfluß durch die Übernahme von Privatbankiers und Provinzbanken. Zu Übernahmen oder Fusionen zwischen den Großbanken selbst kam es dagegen bis zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg nicht. Gleichzeitig betrieben die Großbanken den Ausbau ihres Filialnetzes und errichteten bis 1914 in den bedeutendsten Industrie- und Handelsstädten Zweigniederlassungen. Dennoch war ihr Filialnetz bis zum Ersten Weltkrieg vergleichsweise bescheiden. 1914 hatten die deutschen Filialgroßbanken insgesamt nur 362 Zweigstellen. 1 2 4 Wenngleich die Ausdehnung der Großbanken häufig durch Übernahme von Provinzbanken geschah, so konnten doch letztere ihre Position gegenüber den Großbanken bis zum Ersten Weltkrieg weitgehend behaupten. Die Kapitalkraft beider Institutsgruppen blieb i m Verhältnis zueinander zwischen 1883 und 1910 ungefähr g l e i c h . 1 2 5 Die bereits vor dem Ersten Weltkrieg bestehende Konzentrationsbewegung setzte sich nach 1918 besonders ausgeprägt fort. Die Großbanken verfolgten ihren Expansionskurs auf zwei Arten. Sie errichteten mit Ausnahme der Disconto-Gesellschaft und der Berliner Handels-Gesellschaft neue Filialen und übernahmen weitere Provinzbanken. 1 2 6 Erstmals griff dieser Prozeß auch auf die Großbanken selbst über. I m Zuge der einsetzenden Inflation kam es 1922 zur ersten Fusion zweier deutscher Großbanken. Die Nationalbank für Deutschland und die Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) fusionierten zur Darmstädter und Nationalbank (Danat-Bank). Die Inflation von 1923 führte zu erheblichen Verlusten unter den privaten A k tienbanken. Die ausgeliehenen Gelder der Schuldner wurden in völlig entwerteter Währung zurückgezahlt, wodurch die fremden Mittel der Institute und damit ihre Möglichkeiten zur Kreditgewährung wesentlich reduziert w u r d e . 1 2 7 U m ihren vor der Inflation vorhandenen Geschäftsumfang möglichst schnell wieder zu erlangen, 121 Wandel, S. 20. 122
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 231. 123 s.o., Teil 1, A.,II.,2.,b). 124 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 119. 125 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 440. 126 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 456. 127 Moller, S. 204.
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
setzten die Großbanken nach der Stabilisierung der Währung ihre Tendenz zur Konzentration weiter fort und bauten ihre Filialnetze weiter aus. I m Zuge dieser Entwicklung wurden wiederum viele Provinzbanken von den Großbanken übern o m m e n . 1 2 8 Die Großbanken gewannen somit immer größeren Einfluß, während die Provinzbanken zunehmend in die Defensive gerieten. Diese Entwicklung wurde durch ein weiteres Phänomen begünstigt. Nach der Überwindung der Inflation war Deutschland nicht zuletzt aufgrund seines hohen Zinsniveaus ein attraktiver Anlageplatz für ausländische Investoren. Aus diesem Grund strömten 1924 bis 1930 ausländische Kredite in großem Ausmaß nach Deutschland. 1 2 9 Nutznießer dieser Entwicklung waren wiederum fast ausschließlich die über Auslandsbeziehungen verfügenden Großbanken, die somit ihr Geschäft weiter ausdehnen konnten. Bis zur Bankenkrise von 1931 war das private Bankwesen als Ergebnis dieser Entwicklungen praktisch ausschließlich von den Großbanken beherrscht. Die Zahl der Provinzbanken hatte sich von 1913 bis 1931 um 126 verringert, so daß 1931 noch 170 dieser Institute bestanden. Ihre Bilanzsumme verringerte sich zwischen 1913 und 1928 von 8,3 Mrd. Mark auf 3,8 Mrd. R M bei den Provinzbanken mit Filialnetz und zwischen 1913 und 1929 von 1,5 Mrd. Mark auf 1,2 Mrd. R M bei den Provinzbanken ohne F i l i a l e n . 1 3 0 Dagegen hatten die Großbanken alleine von 1914 bis 1924 durch die Übernahme von Provinzbanken und durch Neugründungen die Zahl ihrer Zweigstellen von 362 auf 1.583 erhöht 1 3 1 und ihre Bilanzsumme wuchs von 1913 bis 1929 von 8,1 Mrd. Mark auf 13 Mrd. R M . 1 3 2 Der Konzentrationsprozeß der Großbanken und der Ausbau ihrer Vorrangstellung konnten jedoch nicht verhindern, daß sich ihre wirtschaftliche Lage gegenüber der Vorkriegszeit stark verschlechterte. Sowohl ihre Eigenkapitalquote als auch ihre Liquidität entwickelten sich in der Weimarer Republik besorgniserregend. Betrug 1913 das Verhältnis der eigenen zu den fremden Mitteln bei den Großbanken noch 1:3,5, so hatte es sich bis 1929 auf das Verhältnis von 1:13 um fast das vierfache verschlechtert. Zudem hätten sie angesichts des hohen Anteils an kurzfristigen Geldern in ihren Bilanzen für eine ausreichende Liquidität Vorsorge treffen müssen. Indessen war das genaue Gegenteil der Fall. Der Anteil der sofort verfügbaren und auszahlbaren Gelder der Großbanken an den gesamten fremden Mitteln sank zwischen 1913 und 1929 von 7,4% auf 3,5%. Zudem wurden die Großbanken zunehmend von ausländischen Einlagen abhängig. So wuchs die kurzfristige Auslandsverschuldung der deutschen Banken von Ende 1926 bis Mitte
128 Vgl. Wandel, S. 27. 129 Wandel, S. 23. 130 Wandel, S. 120 f. 131 Wandel, S. 119. 132 Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 228. Anders als dort wird hier die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt nicht zu den Groß-, sondern zu den Provinzbanken gezählt.
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1930 von 3,5 auf 9,2 Mrd. R M a n , 1 3 3 so daß 1929 40% der Gelder, die sofort oder nach längstens drei Monaten fällig waren, aus dem Ausland stammten. 1 3 4 Diese Gelder waren ein wichtiger Grund für die schlechten Liquiditätskennziffern der Großbanken, denn sie wurden trotz ihres kurzfristigen Charakters unter Verstoß gegen die „goldene Bankregel" überwiegend langfristig angelegt. 1 3 5 Schließlich wurden die Großbanken zunehmend unrentabel. Schließt man die Gewinne der übernommenen Banken in die Betrachtung mit ein, so verringerte sich das Ergebnis der Großbanken zwischen 1913 und 1930 von gut 138 Mio. Mark auf knapp 49 Mio. R M . A l l dies führte dazu, daß die Großbanken und damit das private Bankwesen insgesamt an Stabilität einbüßte. Spektakulärer Höhepunkt des Konzentrationsprozesses zwischen der Inflation und der Bankenkrise war die Fusion der Deutschen Bank mit der Disconto-Gesellschaft zur Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft (DD-Bank) i m Jahre 1929. 1 3 6 I m Zuge dieser Fusion verschwand als weitere Großbank der Schaaffhausensche Bankverein, eine Tochtergesellschaft der Disconto-Gesellschaft. Die Zahl der deutschen Großbanken reduzierte sich damit auf fünf. Da alle diese Banken ihre geschäftliche Zentrale in Berlin hatten, bezeichnete sie man inzwischen als die „Berliner Großbanken". Als solche bildeten sie auch in den Bankenstatistiken eine eigene Gruppe. 1 3 7 Insgesamt gesehen war die Entwicklung der Bankiers und der privaten Aktienbanken bis 1931 durch eine stetig sinkende Zahl an Bankiers und Provinzbanken geprägt. Sie wurden überwiegend von den Großbanken übernommen, die dadurch immer mächtiger wurden. Zugleich entstand ein immer engmaschigeres Netz an Filialen, mit dem die Großbanken ganz Deutschland überzogen. Jedoch mißlang der Versuch, durch diese Ausdehnung zu stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen zu gelangen. Vielmehr standen insbesondere die Großbanken angesichts ihrer ungünstigen Kapitalverhältnisse bereits bei Ausbruch der Bankenkrise auf schwachen Füßen.
c) Die Hypothekenbanken Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich das Geschäft der Hypothekenbanken sehr positiv. Sie widmeten sich in dieser Zeit vor allem der Finanzierung des Wohnungsbaus, der durch die öffentliche Hand, durch gemeinnützige Siedlungsgesellschaften oder durch Private getragen w u r d e . 1 3 8 133 Wegner, S. 1747. 134 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 462 ff. 135 Vgl. Wandel, S. 25. 136 1937 wurde wieder der Firmenname Deutsche Bank angenommen. Ausführlich zu dieser Fusion Feldman, in: Die Deutsche Bank 1870-1995, S. 258 ff. 137 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 461 f. 138 Wandel, S. 16.
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
Infolge der geringen Bautätigkeit während des Ersten Weltkrieges ging das Geschäft der Hypothekenbanken stark zurück. Zudem hatten sie in besonderer Weise unter der Inflation zu leiden, da die Kredite mit entwertetem Geld zurückgezahlt w u r d e n . 1 3 9 In Folge der regen Bautätigkeit ab 1925 verbesserte sich die Lage jedoch wieder. Allerdings verringerte sich bis 1929 ihr Marktanteil am Hypothekargeschäft von 40% vor dem Krieg auf 2 0 - 2 5 % zu Gunsten der Sparkassen, der öffentlich-rechtlichen Realkreditinstitute und der Versicherungen. 140
2. Das öffentliche Bankwesen a) Die Sparkassen und Girozentralen Von allen Zweigen des deutschen Kreditwesen hat sich das Auftreten der deutschen Sparkassen am Markt am meisten verändert. So änderte sich seit der Jahrhundertwende allmählich die Kundenstruktur der Sparkassen. M i t der Einführung der Sozialversicherung am Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Sparneigung der unteren Bevölkerungsschichten ab, so daß eine der ursprünglichen Aufgaben der Sparkassen, die Rücklagenbildung für Alter und Krankheit, an Bedeutung verlor. Die Sparkassen wandelten sich zu Instituten des mittleren Bürgertums. 1 4 1 Dennoch unterschied sich ihre Kundschaft weiterhin von der des privaten Bankwesens. Kunden der Sparkassen waren in erster Linie handwerkliche, kleingewerbliche und bäuerliche Betriebe und Angehörige des kleinen und mittleren Bürgertums. 1 4 2 Der erste entscheidende Impuls für die Entwicklung des Sparkassenwesens kam von dem Reichsscheckgesetz von 1908. Dieses Gesetz verlieh den Sparkassen die passive Scheckfähigkeit. Daraufhin wurde den Sparkassen 1909 von den Aufsichtsbehörden die Einführung des Depositen- 1 4 3 und Kontokorrentverkehrs gestattet. Dabei wurden den Sparkassen seitens der Behörden enge Grenzen gesetzt. So durfte der Bestand an kurzfristigen Geldern nicht mehr als 10% der Spareinlagen betragen. Die Begrenzung verdeutlichte, daß der Depositen- und Kontokorrentverkehr mit dem Grundcharakter der Sparkassen unvereinbar war, ihnen jedoch als Zugeständnis an das gewandelte soziale und gesamtwirtschaftliche Umfeld als 139 Vgl. Wandel S. 32. 140 Wandel, S. 32. 141 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 207. 142 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 208. 143 Eine allgemeingültige Definition für den Begriff „Depositen" existierte nicht. Als Depositen wurden üblicherweise Einlagen bezeichnet, die einem Kreditinstitut nur für verhältnismäßig kurze Zeit zur Verfügung standen (vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 138). In Abgrenzung dazu wurden langfristig zur Verfügung gestellte Einlagen als Spareinlagen und die sehr kurzfristigen, jederzeit fälligen Gelder als Kontokorrenteinlagen bezeichnet.
Β. Die wirtschaftliche Entwicklung von der Jahrhundertwende bis 1933
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Nebenbetrieb erlaubt sein sollte. 1 4 4 Dennoch wurde die strikte Beschränkung der Sparkassen auf das langfristige Geschäft aufgegeben. Vielmehr war ihnen nun erlaubt, kurzfristige Einlagen und Gelder in laufender Rechnung anzunehmen. Den Sparabteilungen durften besondere Depositen- und Kontokorrentabteilungen angegliedert werden, mit denen der Scheck- und Überweisungsverkehr durchgeführt werden konnte. 1 4 5 Die Gestattung dieser kurzfristigen Geschäfte war somit zugleich der Startschuß für den Aufbau des Zahlungsverkehrsnetzes der Sparkassen, der bis 1918 abgeschlossen w a r . 1 4 6 Dennoch bewirkten diese einschneidenden Veränderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bis zum Ersten Weltkrieg keine wesentlichen Änderungen in der Geschäftspolitik der Sparkassen. 147 Nach einer Schätzung des Statistischen Reichsamtes machten 1913 die Spareinlagen immer noch 94,7% der Gesamteinlagen der deutschen Sparkassen aus, während der Anteil der kurzfristigen Kontokorrenteinlagen nur 0,4% bet r u g . 1 4 8 Die Einführung des kurzfristigen Geschäfts hat demnach den Charakter der Sparkassen bis zum Ersten Weltkrieg nicht verändert. Jedoch war sie für die spätere Entwicklung der Sparkassen von entscheidender Bedeutung, legte sie doch den Grundstein für die Entwicklung der Sparkassen zu Universalbanken. 1 4 9 Unabhängig von diesen Entwicklungen setzte das Sparkassenwesen bis zum Ersten Weltkrieg seinen Aufschwung fort. Die Sparkassen konnten von 1900 bis 1913 ihre Einlagen mehr als verdoppeln, so daß sie 1913 über fremde Mittel in Höhe von 19,7 Mrd. Mark verfügten. 1 5 0 Auch die Zahl der Institute stieg beträchtlich. Von 2.685 Sparkassen i m Jahr 1900 erhöhte sich die Zahl auf 3.133. 1 5 1 M i t Ausbruch des Ersten Weltkrieges veränderte sich die Geschäftspolitik der Sparkassen stark. Sie beteiligten sich erstmals an der Unterbringung von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt, indem sie als Zeichnungsstellen für Kriegsanleihen tätig waren. I m Zuge dieser Tätigkeit entwickelte sich bei den Sparkassen auch das Wertpapierdepotgeschäft, das bis Kriegsbeginn praktisch bedeutungslos w a r . 1 5 2 Somit nahmen die Sparkassen erstmals Aufgaben war, die bis dahin in erster Linie dem privaten Bankwesen vorbehalten gewesen waren. Die entscheidende Wandlung des Charakters der Sparkassen brachte die Nachkriegs- und Inflationszeit mit sich. In dieser Zeit begannen sie, sich zu Universalbanken zu entwickeln und drangen allmählich in das allgemeine Bankgeschäft
144 145 146 147
Vgl. Neumann, S. 336, 338. Wandel, S. 13. Vgl. o., Teil 1, Α., III., l.,b). Piorkowski, S. 11.
148
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 524. 149 Neumann, S. 336. 150
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 524. is· Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 207. 152 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 524.
4 Müller
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Teil 1 : Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
v o r . 1 5 3 Jedoch beruhte diese Entwicklung nicht auf einem Expansionsbedürfnis der Sparkassen, vielmehr wurden sie in erster Linie durch die Inflation zur Aufnahme bankmäßiger Geschäfte gezwungen. 1 5 4 Die Inflation von 1923 machte das Spargeschäft der Sparkassen praktisch zunichte. Von den 50 Mrd. R M an Spareinlagen, die sie 1921 verwalteten, verblieben den Sparkassen nach der Inflation noch ganze 25 Mio. R M . 1 5 5 U m die damit einher gehenden Verluste zu decken, engagierten sie sich zunehmend i m kurzfristigen Aktiv- und Passivgeschäft und drangen damit in die Domäne der privaten Banken und Kreditgenossenschaften e i n . 1 5 6 Möglich war diese Änderung der Geschäftspolitik der Sparkassen nur, indem die Aufsichtsbehörden, der Not der Zeit gehorchend, alle geschäftsmäßigen Beschränkungen der Sparkassen nach und nach aufhoben. 1 5 7 Auch nach der Inflation setzten die Sparkassen ihr kurzfristiges Kreditgeschäft und ihre Entwicklung zu Universalbanken fort. Zum einen konnten sie in der Aufbauphase nach 1923 zunächst nicht beurteilen, ob die neu gewonnenen Einlagen ihnen langfristig zur Verfügung stehen würden und legten daher einen großen Teil dieser Einlagen wieder in Form von kurzfristigen Krediten a n . 1 5 8 Zum anderen hatte der Konzentrationsprozeß i m privaten Bankwesen, dem in erster Linie die Privatbankiers und Provinzbanken zum Opfer f i e l e n , 1 5 9 zu einer Lücke in der Kreditversorgung der mittelständischen Industrie geführt, die zuvor von diesen Instituten bedient w u r d e n . 1 6 0 Diese Lücke wurde unter anderem auch von den Sparkassen gefüllt, die damit ein klassisches Betätigungsfeld der privaten Kreditwirtschaft besetzten. 1 6 1 Dennoch begannen die Sparkassen nach der Inflation, ihr ursprüngliches langfristiges Spar- und Anlagegeschäft wieder aufzubauen. Es gelang ihnen, bis 1930 wieder einen Bestand an Spareinlagen in Höhe von 10,6 Mrd. R M zu erreichen. 1 6 2 Zugleich wurde auch das langfristige Anlagegeschäft wieder stärker betont, während das kurzfristige Geschäft zunehmend in den Hintergrund trat. Zwischen 1924 und 1930 stieg der Anteil der langfristigen Anlagen von 10% auf 61% der Bilanzsumme, während i m gleichen Zeitraum der Anteil der kurzfristigen Anlagen von 55% auf 19% zurückging. 1 6 3 Aber trotz dieser erstaunlichen Aufbauleistung betrugen die Spareinlagen der Sparkassen 1930 erst gut die Hälfte des Standes von 1913. 1 6 4 153 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 456. 154 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 467. 155 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 524. 156 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 467. 157 Vgl. Neumann, S. 338 f. 158 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 525. 159 s.o., Teil Ι , Β . , Ι . , l.,b). 160 Vgl. v. Bitter, S. 10. 161 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 231. 162 Piorkowski, S. 17. 163 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 525.
Β. Die wirtschaftliche Entwicklung von der Jahrhundertwende bis 1933
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Es überrascht somit nicht, daß sich das kurzfristige Geschäft der Sparkassen trotz der seit 1924 wachsenden Betonung der traditionellen Geschäftsfelder zu einem wichtigen Standbein entwickelte. Unter ihren Aktiva befanden sich daher 1930 2,5 Mrd. R M an kurzfristigen Forderungen, hinzu kamen 2 Mrd. R M an kurzfristigen Krediten der Girozentralen. M i t einem Gesamtvolumen von 4,5 Mrd. R M erreichte das kurzfristige Kreditgeschäft des Sparkassenwesens damit fast die Hälfte des entsprechenden Geschäfts der Großbanken. 1 6 5 Zudem erhöhten die Sparkassen die Zahl der Girokonten zwischen 1924 und 1930 von ca. 1 Mio. auf ca. 2,2 M i o . 1 6 6 Vor diesem Hintergrund erklärt sich, daß die Sparkassen erheblichen Anfeindungen durch das private Bankwesen ausgesetzt waren und es zwischen beiden Gruppen zu erheblichen Auseinandersetzungen und Konkurrenzkämpfen k a m . 1 6 7 Erstmals seit ihrem Bestehen konnte die Sparkassenorganisation ihren Wachstumskurs nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr fortsetzen. Die Zahl der Sparkassen sank unter den Vorkriegs wert von 3.122 (1914) und betrug 1930 nur noch 2 . 5 8 3 . 1 6 8 Jedoch gelang es den Sparkassen, ihr Filialnetz auszudehnen, so daß sich trotz der Schließung vieler Institute die Zahl der Geschäftsstellen des Sparkassenwesens zwischen 1913 und 1929 von 10.870 auf 11.454 leicht erhöhte. Weitaus stärker als der Rückgang der Zahl der Sparkassen war die Reduzierung ihrer gesamten Bilanzsumme. Sie schrumpfte von 20,1 Mrd. Mark i m Jahr 1913 auf 12,1 Mrd. R M i m Jahr 1929. 1 6 9 Dieser Rückgang i m Sparkassengeschäft bei gleichzeitiger Ausdehnung des kostenintensiven Filialnetzes mußte sich zwangsläufig negativ auf die Rentabilität der Sparkassen niederschlagen. Dementsprechend sank der Reingewinn der preußischen Sparkassen von 85,9 Mio. Mark i m Jahr 1913 auf 72,1 Mio. R M i m Jahr 1930. 1 7 0 Insgesamt gesehen war die Entwicklung der Sparkassen von der Jahrhundertwende bis zur Bankenkrise von 1931 durch eine grundlegende Änderung ihrer Geschäftspolitik und ihres Erscheinungsbildes geprägt. Von den geschäftsmäßig stark beschränkten Instituten zur Einsammlung der Spargelder der unteren Bevölkerungsschichten und deren langfristiger Anlage wandelten sie sich zu Universalbanken des kleinen und mittleren Bürgertums und der mittelständischen Wirtschaft. Sie betrieben fast alle Geschäfte des Kreditwesens und engagierten sich insbeson-
164 Wandel, S. 30. 165 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 467. 166 Piorkowski, S. 22. 167 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 467. Ausführlich zu den Konkurrenzverhältnissen s. u., Teil 3, C. 168 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, S. 63, 102. 169 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 126. In dieser Zahl sind die sächsischen Girokassen, eine auf Sachsen beschränkte Besonderheit innerhalb des Sparkassenwesens, nicht enthalten. 170 Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 278. 4*
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
dere i m kurzfristigen Einlagen- und Kreditgeschäft. Wenn dabei auch ihre traditionellen Aufgaben seit dem Ende der Inflation die beherrschende Rolle spielten und sie sich nach wie vor nicht den reicheren Bevölkerungsschichten und den großen Wirtschaftsunternehmen widmeten, so hatten sie sich dennoch den privaten Banken und den gewerblichen Kreditgenossenschaften stark angenähert. Die Entwicklung der noch sehr jungen Girozentralen war in der Weimarer Republik durch ein starkes Wachstum gekennzeichnet. Ihre Bilanzsumme wuchs von 1925 bis Ende 1930 von 1,1 Mrd. R M auf 4,9 Mrd. R M . 1 7 1 Dagegen war eine Änderung der Geschäftspolitik wie bei den Sparkassen bei den Girozentralen nicht zu verzeichnen.
b) Das sonstige öffentliche
Bankwesen
Das öffentliche Bankwesen außerhalb des Sparkassenwesens hatte bis zum Ende des Ersten Weltkrieges nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Erst nach 1918 dehnte es sich als Folge von Krieg und Inflation in ungeahntem Maße aus. So nahmen etwa die Staatsbanken 172 nach dem Ersten Weltkrieg einen starken Aufschwung. 1914 bestanden in Deutschland erst drei Staatsbanken. Durch die vielen Neugründungen der Nachkriegszeit erhöhte sich deren Zahl bis 1924 jedoch auf n e u n . 1 7 3 Daneben nahm das Reich eine Reihe von bedeutenden Neugründungen vor. Zu der wichtigsten zählte die Entstehung der Reichs-Kredit-Gesellschaft A G 1924. Sie stand zu 100% i m Besitz des Reiches und war die Hausbank der V I A G (Vereinigte Industrieunternehmen AG), einer Holding, in der die reichseigenen Gesellschaften zusammengefaßt waren. Die Reichs-Kredit-Gesellschaft wurde schnell zu einer einflußreichen Großbank, was sich in der Tatsache widerspiegelt, daß sie in den Bankenstatistiken zu den Berliner Großbanken zählte. Sie wurde eine wichtige Korrespondenzbank für die Provinzbanken, deren Geschäfte sie in Berlin erledigte. Für diese Aufgabe bevorzugten die Provinzbanken die Reichs-Kredit-Gesellschaft, da diese ihnen i m Gegensatz zu den anderen Großbanken keine Konkurrenz in der Provinz machte. 1 7 4 1924 entstand noch ein weiteres öffentlich-rechtliches Institut, das eine besondere Rolle i m deutschen Kreditwesen spielte: die Deutsche Golddiskontbank. Sie war eine 100%ige Tochter der Reichsbank und erledigte die Geschäfte, die der Reichsbank seit dem Abkommen über den Dawes-Plan von 1923 verboten waren, nämlich Kreditgeschäfte zur Förderung des deutschen Außenhandels, Verwaltung öffentlicher Gelder und Geldmarktoperationen. Eine wichtige Rolle kam der deut171
Handwörterbuch des Bankwesens, S. 233. 172 s.o., Teil l,Fn. 64. 173 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 536. 174 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 465.
Β. Die wirtschaftliche Entwicklung von der Jahrhundertwende bis 1933
53
sehen Golddiskontbank insbesondere bei der Sanierung der Großbanken nach der Bankenkrise von 1931 z u . 1 7 5 Das gewaltige Wachstum der öffentlichen Banken nach dem Ersten Weltkrieg wird an wenigen Zahlen deutlich: Von 1913 bis 1932 hatte sich die Zahl der öffentlichen Banken von 20 auf 103 und ihr Filialnetz von 70 auf 676 Haupt- und Zweigstellen erhöht. 1 7 6 I m Jahre 1930 erreichten 90 öffentliche Banken eine Bilanzsumme in Höhe von 14,8 Mrd. R M . 1 7 7 Damit hatte dieser Zweig des deutschen Kreditwesens in der Weimarer Republik einen ähnlichen Umfang erlangt wie die Sparkassen und die privaten Aktienbanken. Der Anteil des öffentlichen Bankwesens an der kurzfristigen Kreditgewährung betrug 1930 etwa beachtliche 3 0 % . 1 7 8 Die öffentlichen Banken haben somit aufgrund ihrer starken Ausdehnung zu den volkswirtschaftlich kritischen Konkurrenzverhältnissen auf dem deutschen Kreditmarkt beigetragen. 1 7 9
3. Die Kreditgenossenschaften Die Kreditgenossenschaften setzten ihren Aufschwung bis Ende des 19. Jahrhunderts auch nach 1900 fort. Die gewerblichen Kreditgenossenschaften erhöhten ihre Zahl zwischen 1900 und 1913 von 1.136 auf knapp 1.493 Institute. I m gleichen Zeitraum konnten sich auch die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften von 9.793 auf 15.830 vermehren. 1 8 0 Beinahe in jedem Dorf bestand damit bei Beginn des Ersten Weltkrieges eine Kreditgenossenschaft. 181 Ebenso wie bei den anderen Bankengruppen, so wurde auch das Kapital der Kreditgenossenschaften durch die Inflation fast restlos aufgezehrt, so daß ab 1924 das genossenschaftliche Bankwesen wieder neu aufgebaut werden mußte. Dieser Aufbau ist besonders den gewerblichen Kreditgenossenschaften relativ schnell gelungen, die bis zum Ende der Weimarer Republik die Kreditbedürfnisse ihrer Mitglieder wieder weitgehend aus eigener Kraft befriedigen konnten. Dagegen bereitete der Wiederaufbau den landwirtschaftlichen Instituten erhebliche Schwierigkeiten. Sie mußten bis 1933 in erheblichem Umfang Kredite bei der Preußischen bzw. Deutschen Zentralgenossenschaftskasse aufnehmen, um ihrerseits ihren M i t gliedern Kredite gewähren zu können. 1 8 2 Dennoch gelang es den landwirtschaft-
175 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 465. Vgl. u., Teil 1, Β., II., 2. 176 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 124. 177 Walb, ebda. 178 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 175. 179 Vgl. etwa Born, Deutsche Bankengeschichte, Band 3, S. 87. 180 Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 158. 181 Wandel, S. 15. 182 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 330.
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
liehen Kreditgenossenschaften, bis 1930 wieder 80% des Vorkriegsstandes an Einlagen zu erreichen. 1 8 3 Neben dem Wiederaufbau ihrer Organisation vollzog sich bei den gewerblichen Kreditgenossenschaften ähnlich wie bei den Sparkassen ebenfalls ein Wandel in der Geschäftstätigkeit. Bis zum Ende der Weimarer Republik nahmen sie neben ihrem ursprünglichen Kredit- und Einlagengeschäft alle bankmäßigen Aufgaben w a r . 1 8 4 Sie näherten sich damit den privaten Banken an. Dagegen blieben die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften ihrem ursprünglichen Geschäft weitgehend treu. Schließlich stand das Kreditgenossenschaftswesen seit dem Ende der Inflation verstärkt in Konkurrenz zu den Sparkassen, seit diese das Kreditgeschäft mit dem Mittelstand pflegten, 1 8 5 dem angestammten Hauptgeschäftsbereich insbesondere der gewerblichen Kreditgenossenschaften. Die zahlenmäßige Entwicklung der Kreditgenossenschaften stagnierte seit dem Ende der Inflation. Zwischen 1925 und 1930 schwankte ihre Zahl zwischen 18.883 und 20.082, 1 8 6 was eine geringe Steigerung gegenüber der Vorkriegszeit von durchschnittlich knapp 12% bedeutete. Trotz dieser Steigerung betrug die gesamte Bilanzsumme der Kreditgenossenschaften i m Jahre 1930 mit ca. 4,7 Mrd. R M nur knapp 92% des Standes von 1913. 1 8 7 Ebenso wie bei den privaten Banken und den Sparkassen sank auch die Rentabilität der Kreditgenossenschaften. Zwar legten die Gewinne der ertragreich wirtschaftenden Kreditgenossenschaften aufgrund von Zuwächsen bei den ländlichen Kreditgenossenschaften zwischen 1913 und 1930 von 41,6 Mio. Mark auf 43,1 Mio. R M leicht zu. Jedoch wurde dieser Zuwachs durch die vermehrten Verluste der übrigen Kreditgenossenschaften, die i m gleichen Zeitraum von 8,5 Mio. Mark auf 29,7 Mio. R M anwuchsen, mehr als aufgezehrt. 1 8 8 Das kompensierte Ergebnis der Kreditgenossenschaften sank demnach von 33,1 Mio. Mark auf 13,4 Mio. R M .
4. Gesamtlage Führt man sich die Entwicklung seit der Jahrhundertwende und die Gesamtlage der deutschen Kreditwirtschaft kurz vor Ausbruch der Bankenkrise i m Jahr 1931 vor Augen, so gelangt man zu folgenden Ergebnissen:
183
Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 274. Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 330. iss s.o., Teil l,B.,I.,2.,a). 184
186 187
•88
Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 158. Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 158. Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 278.
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a) Verlust der Arbeitsteilung Die zu Beginn des Jahrhunderts herrschende Arbeitsteilung zwischen privatem Bankwesen, Sparkassen und Kreditgenossenschaften war bis 1931 weitgehend verloren gegangen. 1 8 9 Diese Entwicklung setzte vor allem mit der Inflation nach dem Ersten Weltkrieg ein, als insbesondere die Sparkassen in das allgemeine Bankgeschäft vordrangen und das kurzfristige Kreditgeschäft sowie die Finanzierung der kleineren und mittelständischen Industrie wahrnahmen. Auch die Kundenstruktur der verschiedenen Sparten des deutschen Kreditwesens glich sich an. Zwar betreuten die Sparkassen und Kreditgenossenschaften weiterhin überwiegend den Mittelstand und die kleinen Leute, während die privaten Banken das Geschäft mit der Großkundschaft und dem gehobenen Bürgertum pflegte, die Grenzen verflossen jedoch zunehmend. 1 9 0 I m Ergebnis führte diese Entwicklung zur Entstehung eines Universalbankensystems in Deutschland, in dem sich die einzelnen Sparten der Kreditwirtschaft zwar hinsichtlich der Organisation noch unterschieden, die i m übrigen aber alle Bankgeschäfte tätigten, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung.191 b) Aufstieg der Großbanken Innerhalb des privaten Bankensektors hatten sich die Kräfteverhältnisse seit der Jahrhundertwende grundlegend verändert. Zu Beginn des Jahrhunderts waren Provinzbanken und Großbanken noch ebenbürtige Konkurrenten gewesen. 30 Jahre später waren die Großbanken zur weitaus mächtigsten Gruppe des privaten Bankwesens geworden. Sie hatten die Provinzbanken weitgehend verdrängt und den Stand der Privatbankiers praktisch bedeutungslos werden lassen. Da neben den privaten Banken noch das umfangreiche öffentliche und genossenschaftliche Bankwesen bestand, konnte von einer Monopolisierung des gesamten deutschen Kreditwesens jedoch nicht gesprochen werden. 1 9 2 Dennoch waren die Großbanken aufgrund ihrer gewaltigen Finanzmacht - nur fünf Institute hatten eine ähnlich große Bilanzsumme wie alle Sparkassen zusammen - von zentraler Bedeutung für das deutsche Kreditwesen. 1 9 3
189 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 322. 190 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 147. 191 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 322. 192 Vgl. Wandel, S. 28. 193 So wurden etwa zentrale Vorschriften des ersten KWG-Entwurfs unter Berücksichtigung der Bilanzkennziffern der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft formuliert.
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Teil 1 : Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933 c) Ubersetzung und Entstehung ruinösen Konkurrenzdrucks
Schließlich führten zwei gegenläufige Entwicklungen zu einem immer stärkeren Konkurrenzdruck innerhalb des deutschen Kreditwesens, der dessen Stabilität zunehmend gefährdete. Zum einen führte die Inflation zur weitgehenden Zerstörung des Kapitals der deutschen Kreditinstitute. Als Folge mußten das private Bankwesen, die Sparkassen und die Kreditgenossenschaften gegenüber der Vorkriegszeit zum Teil erhebliche Rückgänge ihrer Bilanzsummen hinnehmen. Zum anderen reagierte das deutsche Kreditwesen auf diese Schrumpfung des Finanzmarktes nicht mit einer Verkleinerung seines Apparates, sondern dehnte sich i m Gegenteil immer weiter a u s . 1 9 4 Sowohl die Großbanken als auch die Sparkassen erweiterten nach der Inflation ihr Filialnetz und auch die Zahl der Kreditgenossenschaften nahm zu. Hinzu kam das öffentliche Bankwesen, das sich besonders stark nach der Inflation ausdehnte und ebenfalls um Anteile in einem schrumpfenden Markt kämpfte. Bis 1929 war somit das deutsche Kreditwesen deutlich überbesetzt. 1 9 5 Zwangsläufige Folge dieser Ubersetzung war die Entstehung eines starken Konkurrenzkampfes zwischen den verschiedenen Bankengruppen. Dieser war am heftigsten zwischen den Sparkassen und den sonstigen öffentlichen Banken einerseits und den privaten Banken und den Kreditgenossenschaften andererseits. 196 Dabei war insbesondere der Kampf um die Kundschaft i m Einlagen- und kurzfristigen Kreditgeschäft stark ausgeprägt. 197 Trotz dieser Verhältnisse blieb jedoch eine Lücke in der Kreditversorgung der kleineren und mittleren Industrie bestehen. 1 9 8 Der Konkurrenzdruck führte schließlich dazu, daß die Rentabilität des deutschen Kreditwesens abnahm und sich entscheidende Bilanzkennziffern der Großbanken - ihre Eigenkapitalquote und ihre Liquidität - dramatisch verschlechterten. Bis 1931 war das deutsche Kreditwesen somit nicht nur überbesetzt, sondern hatte auch deutlich an Sicherheit und Stabilität eingebüßt.
194 Vgl. Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 146. 195 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 468, dessen Zahlen allerdings von den oben genannten Zahlen abweichen, ohne daß dies etwas an dem grundsätzlichen Problem der Übersetzung ändert. 196 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 167. 197 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 149. 198 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 176 f.
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II. Die Bankenkrise von 1931 und ihre Auswirkungen auf das deutsche Kreditwesen Befand sich das deutsche Kreditwesen bereits vor der Bankenkrise in einem kritischen Zustand, so machte die Krise die Mängel des deutschen Kreditsystems in erschreckender Weise deutlich. Die Krise führte einerseits zur Zerrüttung weiter Teile der deutschen Kreditwirtschaft und andererseits zu erheblichen staatlichen Eingriffen in die deutsche Bankenlandschaft i m Rahmen der Sanierungsbemühungen.
1. Ursachen und Verlauf der Krise Seit 1924 waren die deutschen Großbanken zunehmend von ausländischen Einlagen abhängig geworden, die ganz überwiegend kurzfristiger Natur w a r e n . 1 9 9 Dieser Zustand an sich wäre nicht bedrohlich gewesen, wenn die Großbanken i m Falle des Abzuges dieser Einlagen genügend flüssige Mittel gehabt hätten, um die Rückzahlungsansprüche ihrer Auslandsgläubiger befriedigen zu können. Tatsächlich hatten die Banken die kurzfristigen Auslandsgelder aber langfristig gebunden 2 0 0 und konnten somit i m Falle von massenhaften Kreditkündigungen des Auslandes ihren Zahlungsverpflichtungen nicht sofort nachkommen. Damit war die Zahlungsfähigkeit des deutschen Kreditwesens gegenüber dem Ausland gefährdet. Und tatsächlich sollten die massenhaften Kreditkündigungen des Auslandes in Verbindung mit der fehlerhaften Anlagepolitik insbesondere der Großbanken zu den wichtigsten Ursachen der Bankenkrise von 1931 werden. 2 0 1 Auftakt der Krise war die Reichstags wähl vom 14. September 1930. Hier konnten die Nationalsozialisten ihren Stimmenanteil von 2,6% auf 18,3% steigern. Ihr Wahlerfolg erschütterte das Vertrauen der ausländischen Gläubiger in die politische Stabilität und Kreditwürdigkeit der Weimarer Republik. Infolgedessen kam es in den ersten sechs Wochen nach der Wahl zur Kündigung ausländischer Kredite und Einlagen in Höhe von 700 Mio. R M . Auch wenn sich danach der Abzug ausländischer Gelder verlangsamte, so setzte er sich doch bis 1931 kontinuierlich f o r t . 2 0 2 Die Krise verschärfte sich, als am 11. Mai die Österreichische Creditanstalt, die größte Geschäftsbank des Landes, ihren Jahresabschluß veröffentlichte. Er ergab, daß das Institut riesige Verluste erlitten hatten, die fast ihr gesamtes Eigenkapital 199 s.o., Teil Ι , Β . , Ι . , l.,b). 200 Vgl. Sommer, S. 165; Wandel, S. 25. 201 Demgegenüber stuft Möschel, S. 205 ff., die Verursachungsbeiträge der Banken zur Bankenkrise als „relativ gering" ein. Er sieht die Bankenkrise in erster Linie in den „politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen" (S. 214) des Kreditwesens begründet, die zweifellos ebenfalls wesentlichen Anteil an Ausbruch und Verlauf der Krise hatten. 202 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 483.
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aufzehrten. Die Verhältnisse bei der Österreichischen Creditanstalt waren bei den deutschen Großbanken praktisch gleich. Die in Österreich eingetretenen Verluste führten somit zu erheblicher Nervosität bei den Auslandsgläubigern der Berliner Großbanken. Das Ausland reagierte mit dem weiteren Abzug kurzfristiger Kredite in Höhe von 288 Mio. R M allein in der zweiten Maihälfte. 2 0 3 Wirtschaftliche Schwierigkeiten der Konzerne Karstadt und Nordstern sowie die innenpolitische Ankündigung der Reichsregierung von Anfang Juni 1931, die deutsche Reparationslast mildern zu wollen, verstärkten die i m Ausland herrschende Nervosität und beschleunigten die Kreditabzüge erheblich. Da die ausländischen Kredite in ausländischer Währung rückzahlbar waren, verschafften sich die Großbanken die Devisen durch Diskontierung von Wechseln bei der Reichsbank, deren Devisenvorräte infolgedessen immer weiter zusammenschmolzen. Trotz des Versuchs der Reichsbank, dieser Entwicklung durch eine Erhöhung des Diskontsatzes von 5% auf 7% entgegen zu wirken, hatte die Reichsbank bis Mitte Juni die Hälfte ihrer Devisenbestände vom Dezember 1930 abgegeben. 204 Eine Besserung der Lage war nicht in Sicht. Vielmehr erschütterte der Zusammenbruch des völlig überschuldeten Nordwolle-Konzerns Ende Juni die deutsche Wirtschaft. Dadurch gerieten auch die Dresdner Bank und die Danat-Bank, die dem Konzern große Kredite eingeräumt hatten, in Schwierigkeiten. 2 0 5 Schließlich kam auf Initiative des amerikanischen Präsidenten Hoover ein Moratorium zustande, das Deutschland ein Jahr Aufschub bei der Bezahlung seiner politischen Schulden, in erster Linie also der Reparationen, gewährte. Nach Ankündigung der Initiative am 21. Juni 1931 hörten die Geldabzüge in der Tat fast auf. Indessen stellte die Ankündigung nur eine Atempause dar. Denn als Frankreich als Hauptgläubiger der Reparationen Widerstand gegen das Moratorium ankündigte und ein internationaler Kredit an die Reichsbank zur Auffüllung ihrer Devisenbestände viel geringer als erforderlich ausfiel, setzten die dramatischen Geldabzüge ab dem 27. Juni 1931 wieder ein. Da nunmehr bekannt war, daß Deutschland kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand, half auch das Inkrafttreten des Hoover-Moratoriums am 7. Juli 1931 nichts m e h r . 2 0 6 Während die Bankenkrise bislang lediglich die Zahlungsfähigkeit Deutschlands und der deutschen Großbanken gegenüber dem Ausland bedrohte, blieb der Inlandszahlungsverkehr zunächst noch weitgehend intakt. M i t dem Fortschreiten des Abzugs der ausländischen Gelder schwand aber auch der Bestand der Banken an liquiden Mitteln in Form von Kassenbeständen, Notenbankguthaben und erstklassigen Handelswechseln. Somit griff die Krise auf das Inland über und bedrohte die inländische Zahlungsfähigkeit. Diese Gefahr wuchs mit zunehmender Nervosität
203 204 205 206
Born, Born, Born, Born,
Geld und Banken im Geld und Banken im Geld und Banken im Geld und Banken im
19. und 20. Jahrhundert, 19. und 20. Jahrhundert, 19. und 20. Jahrhundert, 19. und 20. Jahrhundert,
S. 484 f. S. 486. S. 485 ff. S. 488 f.
Β. Die wirtschaftliche Entwicklung von der Jahrhundertwende bis 1933
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des inländischen Publikums, das in großem Umfang Einlagen bei den Banken und Sparkassen kündigte. Bedroht waren dadurch in erster Linie die Danat-Bank und die Dresdner B a n k . 2 0 7 Neben den Großbanken gerieten i m Juli auch die Sparkassen und Girozentralen in den Strudel der Krise. Zwar war bei ihnen die Auslandsverschuldung gering, dafür waren die Kommunen und Kommunalverbände bei ihnen hoch verschuldet. Da viele Kommunen zahlungsunfähig waren, war ein großer Teil der Kommunalkredite eingefroren. 2 0 8 Schließlich blieben die Versuche der Reichsregierung und der Reichsbank zur Bewältigung der Krise erfolglos. Zunächst scheiterte der Versuch von Reichskanzler Brüning und Reichsbankpräsident Luther, die Großbanken zur Abgabe einer Solidaritätserklärung zugunsten der Danat-Bank und der anderen gefährdeten Banken abzugeben, am Widerstand der Deutschen Bank 2 0 9 Zudem bemühte sich die Reichsbank vergeblich um einen neuen Kredit der Notenbanken Großbritanniens, Frankreichs und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. 2 1 0 Nachdem diese Maßnahmen gescheitert waren, war der Zusammenbruch der Danat-Bank unabwendbar. A m Montag, dem 13. Juli 1931, blieben die Schalter der Bank geschlossen. Damit setzte der große Run der inländischen Kundschaft auf alle Banken und Sparkassen ein. Nach wenigen Stunden zahlten die meisten Institute nur noch 20% der verlangten Beträge aus, was einer Zahlungseinstellung praktisch gleichkam. 2 1 1 Die deutsche Bankenkrise hatte ihren Höhepunkt erreicht.
2. Die Maßnahmen zur Überwindung der Krise Die Reichsregierung erklärte daraufhin die beiden folgenden Tage zu Bankfeiertagen, um die vollständige Zahlungseinstellung der Banken zu vermeiden. Und erst drei Wochen später, am 5. August 1931, wurde der Zahlungsverkehr wieder ohne Einschränkungen aufgenommen. 2 1 2 Während dieser Zeit ergriffen die Reichsregierung und die Reichsbank die ersten Maßnahmen zur Stabilisierung der Kreditwirtschaft und zur Abwehr des völligen Zusammenbruchs des deutschen Geld- und Kreditwesens. Dazu mußte zunächst die Zahlungsfähigkeit der Banken i m Inland wieder hergestellt und der Abzug der ausländischen Gelder gestoppt werden.
207 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 489. 208 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 490. 209 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 490. 210 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 492. 211 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 493. 212 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 493. Zur schrittweisen Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs s. Witte, S. 71.
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Die Banken selbst verfügten nicht über genügend liquide Mittel, um die Auszahlungswünsche ihrer Kundschaft zu befriedigen. Auch die Beschaffung flüssiger Gelder durch Rediskontierung von Wechseln bei der Reichsbank kam nicht in Betracht, da die Banken ihren Bestand an reichsbankfähigen Wechseln während des Ansturms ihrer Gläubiger aufgebraucht hatten. U m einen Ausweg aus dieser Lage zu finden, wurde unter wesentlicher Beteiligung des Reiches und der Golddiskontbank sowie von privaten und öffentlich-rechtlichen Banken ein neues Kreditinstitut errichtet: die Akzept- und Garantiebank. 213 Ihre Aufgabe war es, die Wechsel der Banken, die nicht zur Rediskontierung bei der Reichsbank zugelassen waren, durch ihre Unterschrift reichsbankfähig zu machen. 2 1 4 Somit konnten sich die Banken mit neuen flüssigen Mitteln versorgen. 2 1 5 Die Zahlungsfähigkeit i m Inland war damit wiederhergestellt. Die Akzept- und Garantiebank konnte jedoch nicht die Gefahr abwenden, daß das Ausland weiterhin Gelder aus Deutschland abziehen würde. Die Gold- und Devisenvorräte der Reichsbank reichten zur Tilgung der kurzfristigen Auslandsverschuldung nicht aus, und auch die Einführung der Devisenzwangswirtschaft am 1. August 1931 änderte an dieser Lage nichts. Hilfe kam wiederum vom amerikanischen Präsidenten Hoover. Er schlug Stillhalteverhandlungen über die deutschen Auslandsschulden vor. Schließlich kam i m August 1931 zwischen Vertretern der ausländischen Gläubiger-Banken und der deutschen Schuldner-Banken ein Stillhalteabkommen zustande. Das Abkommen stundete die Rückzahlung der deutschen kurzfristigen Auslandsschulden für sechs Monate, wobei diese Frist immer wieder verlängert wurde. M i t dem Abschluß dieses Abkommens war die unmittelbare Gefahr für das deutschen Bankensystem abgewendet und die Bankenkrise von 1931 überwunden. 2 1 6 Nunmehr konnte die Reichsregierung sich der Sanierung des deutschen Kreditwesens widmen. Eine der ersten Maßnahmen war die Einführung einer alle Kreditinstitute erfassenden Bankenaufsicht durch die Notverordnung vom 19. September 1931. 2 1 7 Daneben wurde speziell für die Sparkassen die Notverordnung vom 6. Oktober 1931 erlassen. 218 Sie sollte die Illiquidität der Sparkassen für die Zukunft verhindern. 2 1 9 M i t dieser Verordnung veränderte sich außerdem die Organisationsform der Sparkassen grundlegend. Waren sie bisher unselbständige Anstalten ihrer Gewährträger gewesen, so wurden sie durch die Verordnung zu selbständigen Anstalten des öffentlichen Rechts ausgebaut, wobei die Haftung der Gewährträger bestehen b l i e b . 2 2 0 2,3
Zur Gründung und Arbeitsweise der Akzeptbank s. Seidenzahl, S. 343 ff. Die Akzept- und Garantiebank bürgte gegenüber der Reichsbank für diese Wechsel. 215 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 494 f. 216 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 495 ff. 214
2
17 Ausführlich zu dieser NotVO s. u., Teil 1, C., IV., 1. 18 Ausführlich zu dieser NotVO s. u., Teil 1, C., IV., 2. 2 '9 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 498. 2
Β. Die wirtschaftliche Entwicklung von der Jahrhundertwende bis 1933
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Neben diesen rechtlichen Maßnahmen stellte die Reichsregierung insgesamt ca. 1,25 Mrd. R M zu Sanierung des deutschen Kreditwesens zur Verfügung. 223, 5 Mio. R M dieser Summe waren verlorene Zuschüsse, für 187 Mio. R M erwarb die Regierung Bankaktien und der Löwenanteil von 845 Mio. R M floß als Vorschüsse an die Banken. M i t weiteren 175 Mio. R M beteiligte sich die deutsche Golddiskontbank an der Bankensanierung. 221
3. Die Auswirkungen der Krise auf das deutsche Kreditwesen Unabhängig davon, ob sie auf ausländische Gelder angewiesen waren oder nicht, bekamen alle Zweige des deutschen Kreditwesens die Auswirkungen der Bankenkrise mehr oder weniger deutlich zu spüren.
a) Das private Bankwesen Die Bankenkrise war in erster Linie eine Krise der Großbanken gewesen, so daß das private Bankwesen von allen Zweigen der deutschen Kreditwirtschaft am stärksten betroffen war. Die Bilanzsummen und die Rentabilität der Großbanken brachen dramatisch ein. Hatte die Bilanzsumme der Berliner Großbanken i m letzten Jahr vor der Bankenkrise noch insgesamt 12,3 Mrd. R M betragen, so ging sie bis 1932 um ein Drittel auf 8,2 Mrd. R M z u r ü c k . 2 2 2 Dieser Entwicklung begegneten die Großbanken, indem sie ihr Filialnetz verkleinerten, wobei diese Verkleinerung allerdings hinter der Schrumpfung der Bilanzsummen zurückblieb. 2 2 3 Infolgedessen brachen auch die ohnehin schon rückläufigen Gewinne der Institute von 44,2 Mio. R M im Jahr 1930 auf 3 Mio. R M i m Jahr 1932 ein, wobei allein 2,1 Mio. R M auf die Berliner Handels-Gesellschaft entfielen. 2 2 4 Noch einschneidender als diese Entwicklungen war die Änderung der Beteiligungsverhältnisse bei den Berliner Filialgroßbanken. 1931 fusionierte die Dresdner Bank mit der Danat-Bank. Die Zahl der deutschen Großbanken hatte sich damit auf drei Filialgroßbanken 2 2 5 und eine filiallose Großbank 2 2 6 reduziert. Außerdem 220 s.u., Teil 1,C.,IV.,2. 221 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 499. 222 Vgl. Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 228. 223 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 119. 224 Vgl. Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 224. In dieser Statistik ist mit Ausnahme der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft und der Berliner Handels-Gesellschaft für alle Großbanken ein Gewinn von „0" ausgewiesen. Ob darüber hinaus auch Verluste entstanden sind, ist nicht ersichtlich. 225 Dies waren: Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft, Dresdner Bank und Commerzund Privatbank. 226 Dies war die Berliner Handels-Gesellschaft.
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wurden die drei Filialgroßbanken i m Zuge der Sanierungsbemühungen des Reiches praktisch verstaatlicht. Nach Abschluß des Wiederaufbaus der Großbanken waren das Reich und die Golddiskontbank an der Dresdner Bank zu 91 % beteiligt, an der Commerz- und Privatbank zu 70% und an der Deutschen Bank immer noch zu fast 35 % . 2 2 7 Allein eine Berliner Großbank hatte die Krise weitgehend unbeschadet überstanden und bedurfte keiner staatlichen Hilfen: die Berliner Handelsgesellschaft. Grund für das erfolgreiche Meistern der Krise war die vorsichtige Geschäftspolitik der Bank, deren oberstes Gebot Solidität war. Die Berliner Handels-Gesellschaft hatte als einzige Großbank die „goldene Bankregel" beachtet und keine kurzfristigen Auslandsdarlehen hereingenommen. 2 2 8 Das Erscheinungsbild des privaten Bankwesens hatte sich somit nach der Bankenkrise von 1931 dramatisch gewandelt. Seine wichtigsten Vertreter, die Großbanken, waren um ein Drittel geschrumpft und zu unrentablen Instituten geworden, die die Krise nur aufgrund staatlicher Hilfe überwinden konnten.
b) Das Sparkassenwesen Neben den Großbanken wurde vor allem den Sparkassen und Girozentralen die Bankenkrise zum Verhängnis, obgleich sie nicht wie die Großbanken von ausländischen Geldern abhängig waren. Ihr Grundproblem war indessen das gleiche: Es gelang dem Sparkassenwesen nicht, die angelegten Gelder ihrer Kundschaft flüssig zu machen. Der Grund für dieses Dilemma bestand vor allem in dem hohen Anteil der Kommunalkredite am Aktivgeschäft der Sparkassen und Girozentralen, die infolge der Zahlungsunfähigkeit der Kommunen eingefroren waren und daher nicht zu Rückzahlung von Kundengeldern zur Verfügung standen. 2 2 9 Die liquiden Mittel der Sparkassen waren damit sehr gering und auch ihre bei den Girozentralen verwalteten Liquiditätsreserven reichten nicht aus, um dem seit Juli 1931 i m Zuge der allgemeinen Nervosität einsetzenden Einlagenabzug dauerhaft standzuhalten. 230 Als der allgemeine Run vom 13. Juli 1931 auch bei den Sparkassen einsetzte, konnten diese somit den Auszahlungsansprüche ihrer Kunden nur noch teilweise nachkommen. 2 3 1 U m die Sparkassenorganisation vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren, gewährte die Reichsbank bis Ende Juli 1931 den Sparkassen und Girozentralen ins227 Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 396. Bis 1937 waren alle drei Institute wieder vollständig reprivatisiert. 228 Vgl. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 489 f. So nahm das Institut grundsätzlich keine Auslandsgelder mit einer Kündigungsfrist von weniger als sechs Monaten herein. 22 9 Vgl. Piorkowski, S. 80. 2 30 Vgl. Piorkowski, S. 82. 2
31 Vgl. Piorkowski,
S. 87.
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gesamt 175 Mio. R M an Überbrückungsdarlehen. 232 Hilfe von den überschuldeten Gewährträgern der Sparkassen war dagegen nicht zu erwarten. 2 3 3 Schließlich mußte das Sparkassenwesen auch nach der Überwindung der Bankenkrise die Akzept- und Garantiebank in erheblichem Umfang zur Sicherung seiner Zahlungsfähigkeit in Anspruch nehmen. Bis Dezember 1931 hatten sich die Sparkassen und Girozentralen mit über 1,1 Mrd. R M bei der Akzept- und Garantiebank verschuldet. Bei einem gesamten Wechselvolumen der Akzept- und Garantiebank von knapp 1,6 Mrd. R M zum 31. 12. 1931 war sie somit zu einem Institut geworden, das in erster Linie die Zahlungsfähigkeit des Sparkassenwesens sicherte. 2 3 4 Somit hatte sich das deutsche Sparkassenwesen trotz der Garantie der kommunalen Gewährträger in der Bankenkrise als instabil erwiesen und konnte die Krise nur Dank erheblicher staatlicher Hilfe meistern.
c) Die Kreditgenossenschaften Obwohl die Genossenschaftsbanken weder Geschäfte mit dem Ausland tätigten noch Kommunalkredite gewährten, gerieten sie dennoch in den Strudel der mit der Schließung der Danat-Bank am 13. Juli 1931 einsetzenden P a n i k . 2 3 5 Insbesondere die gewerblichen Kreditgenossenschaften sind von der Krise betroffen gewesen. So waren sie nach der Wiederaufnahme des Inlandszahlungsverkehrs erheblichem Einlagenabzug seitens ihrer Mitglieder ausgesetzt. 236 Aber auch die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften und ihre Zentralkassen verloren in der zweiten Hälfte des Jahres 1931 immerhin 10,5% ihrer Einlagen. 2 3 7 Bemerkenswert war jedoch, daß die Kreditgenossenschaften den Rückzahlungsansprüchen ihrer Mitglieder zum weitaus größten Teil genügen konnten. So benötigten die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften zur Bewältigung der unmittelbaren Folgen der Krise keine staatlichen oder sonstigen fremden H i l f e n . 2 3 8 Nur die gewerblichen Kreditgenossenschaften erhielten staatliche Unterstützung, um ihren RückZahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. 2 3 9 232 Piorkowski, S. 89. 233 Piorkowski, S. 91 f. 234 Piorkowski, S. 94. 235 Vgl. Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 279. 236 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 279. 237 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 279 f. 238 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 280. Sie erhielten erst gegen Ende des Jahres 1932 staatliche Zuwendungen, die jedoch eine Reaktion auf die allgemeine Wirtschaftskrise und die besondere Notlage der Landwirtschaft darstellten, s. Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 285. 239 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 284.
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Insgesamt gesehen hatten die Kreditgenossenschaften von Juli 1931 bis Dezember 1932 einen Einlagenverlust von knapp einer Milliarde R M zu verkraften. U m dies zu bewältigen, wurde ihnen staatliche Unterstützung in Höhe von lediglich 120 Mio. R M gewährt. Das Kreditgenossenschaftswesen hat sich damit i m Vergleich zu den anderen Zweigen des deutschen Kreditwesens als erstaunlich stabil 240
erwiesen. d) Gesamtlage Die grundsätzlichen, bereits vor der Bankenkrise bestehenden Probleme des deutschen Kreditwesen waren auch nach dem 13. Juli 1931 ungelöst und verschärften sich bis 1933. 2 4 1 Die Großbanken waren zusammengebrochen oder zu Sanierungsfällen geworden, die keine Gewinne mehr erwirtschafteten und von der Unterstützung des Staates abhängig w a r e n . 2 4 2 Die Sparkassen und Girozentralen waren durch die Bankenkrise praktisch zahlungsunfähig geworden und schafften es nur mit massiver staatlicher Hilfe, sich aus dieser Lage zu befreien. Die Bankenkrise hatte somit in erschreckendem Ausmaß die Instabilität des deutschen Kreditwesens offenbart. Das Problem der Ubersetzung bestand nach wie vor. Trotz des Filialabbaus der Großbanken nach der Krise von 1931 bestanden in Deutschland 1933 39.462 Banken oder Zweigstellen von Banken gegenüber einer Zahl von 34.331 i m Jahre 19 1 3 . 2 4 3 Die Sparkassen erhöhten sogar zwischen 1929 und 1932 die Zahl ihrer Geschäftsstellen von 11.454 auf 13.375. 2 4 4 Infolgedessen blieb auch nach der Bankenkrise der starke Konkurrenzdruck i m deutschen Kreditwesen bestehen.
I I I . Zusammenfassung Als der Gesetzgeber Mitte 1933 seine Arbeiten an einem Gesetz über das Kreditwesen aufnahm, sah er sich angesichts der Lage des deutschen Kreditwesens vor eine ungeheuer schwierige Aufgabe gestellt. Es galt, die ruinösen Wettbewerbsverhältnisse auf dem deutschen Kreditmarkt zu verbessern und die Rentabilität insbesondere der Großbanken wieder herzustellen. Die größte Herausforderung bestand jedoch in der Krisenanfälligkeit des deutschen Kreditwesens. Der Gesetzgeber mußte versuchen, ein vertrauenswürdiges und vor allem stabiles Bankensystem zu installieren, das in der Lage war, die Gelder seiner Kundschaft sicher zu 240 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 286 f.; Mellerowicz, schaftskontrolle und Bankenaufsicht, S. 514 f. 24 1 Vgl. Lansburgh, Die Bank 1933, S. 918. 242 Einzige Ausnahme bildete die Berliner Handels-Gesellschaft. 243 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 118. 244 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 126.
Wirt-
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933
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verwalten und Krisen wie die des Jahres 1931 auch ohne staatliche Hilfe überwinden zu können.
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933 Das K W G etablierte erstmals eine einheitliche Aufsicht über sämtliche deutsche Kreditinstitute. Gleichwohl wurde nicht erst durch dieses Gesetz die Staatsaufsicht über das Kreditwesen eingeführt, vielmehr bestanden in Deutschland schon vor seinem Erlaß die verschiedensten aufsichtsrechtlichen Bestimmungen. Somit konnte der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung des K W G teilweise bereits an bestehende Regelungen anknüpfen, teilweise schuf er jedoch auch Bestimmungen, die dem deutschen Kreditwesen bis dahin unbekannt waren.
I . Begriff der Aufsicht Insbesondere seit der Bankenkrise von 1931 setzte ein lebhafte Diskussion über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute ein. Dabei war der Begriff der „Aufsicht" jedoch nicht klar umrissen. „Aufsicht" wurde sowohl in einem weiten als auch in einem engen Sinn verstanden. Unter der Aufsicht über das Kreditwesen i m weiten Sinne wurden alle Rechtsnormen verstanden, die über die allgemeine Rechtsordnung 2 4 5 hinausgingen und speziell auf das Kreditwesen zugeschnitten w a r e n . 2 4 6 In diesem Sinne fielen unter den Aufsichtsbegriff sämtliche zivil-, straf- und öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die sich mit den Kreditinstituten befaßten. Somit erfaßte der Begriff der Aufsicht i m weiten Sinne z. B. auch das Depotgesetz vom 5. Juli 1896, 2 4 7 das die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Depotinhabern und den Banken bzw. Bankiers regelte. Ganz überwiegend wurde der Begriff der Aufsicht über das Kreditwesen dagegen in einem engen Sinne verwendet. 2 4 8 In diesem Sinne fielen unter den Begriff der Aufsicht nur öffentlich-rechtliche Vorschriften. Als Aufsicht i m engen Sinne wurden demnach alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur staatlichen Überwachung des Kreditwesens bezeichnet, 2 4 9 die es dem Staat erlaubten, in den Geschäftsbetrieb eines einzelnen Kreditinstitutes unmittelbar einzugreifen oder allge245 Dazu zählten in erster Linie die Vorschriften des BGB und des HGB sowie die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen. 246 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 67; v. Hantelmann, S. 6; Schulze, S. 14 24 ? RGBl. S. 183, 194. 24 « Vgl. v. Hantelmann, S. 7; Schulze, S. 14. 249 Vgl. etwa Bauer, S. 4; v. Hantelmann, S. 7.
5 Müller
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meingültige Bestimmungen für das Kreditwesen zu treffen. Kennzeichnend für die Aufsicht i m engen Sinne war es, daß sie einerseits das Verhältnis der Kreditinstitute zum Staat regelte, andererseits aber in die Rechtsverhältnisse der Kreditinstitute untereinander oder i m Verhältnis zu ihren Kunden nicht unmittelbar eingriff. Das K W G begründete eine Aufsicht i m engen Sinne, so daß sich auch die folgende Darstellung an den engen Aufsichtsbegriff anlehnt. Aufsicht i m Sinne dieser Arbeit meint daher Aufsicht i m engen S i n n e . 2 5 0 Innerhalb des Aufsichtsrechtes über das Kreditwesen existierten verschiedene Gruppen von Aufsichtsnormen. Zu den wichtigsten Vorschriften zählten die Bestimmungen über die Einrichtung und Organisation der Aufsichtsinstanzen und ihrer Befugnisse gegenüber den beaufsichtigten Kreditinstituten. Daneben bildeten die sogenannten Normativbestimmungen ein wesentliches Merkmal der Aufsicht über das Kreditwesen. Derartige Vorschriften regelten im einzelnen die Tätigkeit der Kreditinstitute, indem sie z. B. Vorschriften über das Eigenkapital oder die Mittelverwendung aufstellten bzw. die Aufsichtsinstanzen innerhalb eines bestimmten Rahmens zum Erlaß derartiger Vorschriften ermächtigten. Mehr noch als die Vorschriften über die Aufsichtsinstanzen und deren Befugnisse griffen somit diese Normativbestimmungen in die Geschäftsführung der Kreditinstitute ein. Aufgrund ihrer erheblichen praktischen Bedeutung spielten sie bei der Schaffung des K W G eine zentrale Rolle. Trotz der Vielgestaltigkeit der aufsichtsrechtlichen Vorschriften dienten sie einem gemeinsamen Zweck. Das Ziel einer jeden Aufsicht über das Kreditwesen war es in erster Linie, die Funktionsfähigkeit der Kredit- und Volkswirtschaft zu sichern sowie den Schutz der Gläubiger der Kreditinstitute zu gewährleisten. 251 Darüber hinaus verfolgte die Aufsicht häufig auch allgemeine wirtschaftspolitische Ziele.252
I I . Die Rechtslage bis 1931 Bis 1931 gab es keine Vorschriften, die das Kreditwesen in seiner Gesamtheit unter staatliche Aufsicht stellten. 2 5 3 Zwar galten für die Kreditinstitute die allgemeinen handels- und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, i m übrigen bestand in Deutschland jedoch - abgesehen von den Jahren 1920 bis 1 9 2 9 2 5 4 - grundsätzlich völlige Bankfreiheit, 2 5 5 so daß jedermann ohne staatliche Einschränkungen Bank250 Aus diesem Grund wird auf die Darstellung des Depotgesetzes von 1896 verzichtet. Vgl. dazu etwa Ruland, S. 22 ff. 251 An diesen Zielen hat sich bis heute nichts geändert. Vgl. Banklexikon, S. 141. 252 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 67. 2 53 Vgl. Sommer, S. 164. 2 54 s.u., Teil 1, C., II., 4. 255 „Bankfreiheit" war in der zeitgenössischen Literatur der gängige Begriff für die Gewerbefreiheit im Bankwesen. Vgl. etwa Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1934, S. 1200.
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933 geschäfte betreiben k o n n t e . 2 5 6 Dieses Prinzip der Bankfreiheit entsprach durch die Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 festgeschriebenen Grundsatz Gewerbefreiheit. 2 5 7 Dennoch war die Bankfreiheit in Deutschland nicht für Arten von Kreditinstituten unbeschränkt. Vielmehr unterstanden auch vor 1931 stimmte Gruppen von Kreditinstituten der staatlichen Aufsicht.
67 dem der alle be-
1. Die Aufsicht über die Reichsbank Die Reichsbank war in ihrer Eigenschaft als Zentralnotenbank des Deutschen Reiches seit ihrem Bestehen der staatlichen Aufsicht unterworfen. Bis 1931 wurde der staatliche Einfluß auf sie jedoch zunehmend geringer. Die stärkste Verknüpfung zwischen Staat und Reichsbank bestand aufgrund des Bankgesetzes vom 14. März 187 5 2 5 8 § 12 Bankgesetz 1875 ordnete an, daß die Reichsbank „unter Aufsicht und Leitung" des Reiches stand. Die Leitung der Reichsbank wurde gem. § 26 Bankgesetz 1875 „ v o m Reichskanzler, und unter diesem von dem Reichsbank-Direktorium ausgeübt". Daneben sah das Gesetz in § 25 als Aufsichtsinstanz die Errichtung eines Bank-Kuratoriums vor, dem wiederum der Reichskanzler vorstand und das aus vier weiteren Mitgliedern gebildet wurde. Die Aufsichtsbefugnisse dieses Gremiums waren jedoch gering. Es war lediglich vorgesehen, daß seitens der Reichsbank bei den viermal i m Jahr stattfindenden Versammlungen des Kuratoriums diesem „über den Zustand der Bank und alle darauf Bezug habenden Gegenstände Bericht erstattet und eine allgemeine Rechenschaft von allen Operationen und Geschäftseinrichtungen der Bank ertheilt" werde (§ 25 Bankgesetz 1875). Einer stärker ausgestalteten Aufsicht bedurfte es angesichts der Leitung der Reichsbank durch das Reich nicht. Stand die Reichsbank somit durch das Bankgesetz von 1875 unter der völligen Kontrolle des Reiches, so war ihre weitere Entwicklung von einer fortwährenden Verselbständigung gegenüber dem Reich geprägt. Den ersten Schritt in diese Richtung machte das sog. Autonomiegesetz vom 26. M a i 1922. 2 5 9 Es änderte das Bankgesetz von 1875 dahingehend, daß die Reichsbank fortan nicht mehr unter der Leitung, sondern nur noch unter der Aufsicht des Reiches stand. Zwar lag die Leitung der Reichsbank weiterhin beim Reichsbank-Direktorium, dieses war jedoch von nun an nicht mehr den Weisungen des Reichskanzlers oder einer anderen staatlichen Stelle unterworfen. Lediglich die Ernennung des Reichsbankpräsidenten und der übrigen Mitglieder des Direktoriums erfolgte durch den Reichspräsidenten 256 Bauer, S. 6; vgl. auch Ruland, S. 2. 257 Bauer, S. 7; Sommer, S. 164. 258 RGBl. II, S. 177. 259 RGBl. S. 135. Mit dem Gesetz wurde die Absicht verfolgt, die dauernde Erhöhung der Kredite an das Reich zum Stillstand zu bringen und die Inflation unter Kontrolle zu halten. s. Wandel, Die deutsche Bankengesetzgebung, S. 17 f. 5*
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auf Lebenszeit. Die Aufsicht des Reiches über die Reichsbank blieb dagegen unangetastet. Trotz dieser fortbestehenden Aufsicht war mit dem Autonomiegesetz der Grundstein für die Unabhängigkeit der Reichsbank gelegt. 2 6 0 Die völlige Unabhängigkeit gegenüber dem Staat erhielt die Reichsbank durch das neue Bankgesetz von 1924. 2 6 1 So bestimmte § 1 Bankgesetz 1924 ausdrücklich, daß „die Reichsbank ( . . . ) eine von der Reichsregierung unabhängige Bank" ist. Zudem entfielen die Aufsichtsbefugnisse des Reiches, und das Reich war nicht mehr zur Ernennung des Reichsbankdirektoriums berechtigt. 2 6 2 Diese Aufgabe oblag nunmehr dem neu gebildeten, 14köpfigen Generalrat (§§ 14 ff. Bankgesetz 1924), der bis 1930 zur Hälfte aus ausländischen Mitgliedern bestand. 2 6 3 Die neu gewonnene Unabhängigkeit der Reichsbank gegenüber der Reichsregierung zeigte sich unter anderem darin, daß es zwischen beiden in der Folgezeit zu Streitigkeiten über die richtige Wirtschafts- und Währungspolitik kam, da es dem Reich nun nicht mehr möglich war, eine Unterstützung ihrer Politik durch die Reichsbank zu 264
erzwingen. Die Entwicklung der Aufsicht über die Reichsbank lief somit seit ihrem Bestehen dem allgemeinen Trend entgegen, der auf eine zunehmende Beaufsichtigung des Kreditwesens durch den Staat hinauslief. Von einem Institut, das unter der vollständigen Kontrolle des Reiches stand und in die Umsetzung von dessen Finanz- und Wirtschaftspolitik einbezogen werden konnte, wandelte sich die Reichsbank bis 1931 zu einem Institut, das in der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben an keinerlei politische Vorgaben des Reiches gebunden war und zu einem selbständigen Träger der Finanz- und Währungspolitik neben dem Reich wurde.
2. Die Aufsicht über die Sparkassen und das öffentliche Bankwesen Die Sparkassen und das öffentliche Bankwesen waren aufgrund ihrer besonderen Nähe zum Staat neben der Reichsbank der erste Zweig des deutschen Kreditwesens, der der staatlichen Aufsicht unterstand. 2 6 5
260 Näheres zur rechtlichen Ausgestaltung dieser Unabhängigkeit durch das Autonomiegesetz bei Reinhardt, S. 92 ff. 261 RGBl. II, S. 235. 262 Näheres bei Reinhardt, S. 106 ff. 263 Die ausländische Beteiligung am Generalrat sollte die Einhaltung der Bestimmungen des Dawes-Plan durch die Reichsbank sicherstellen. Mit dem Young-Plan von 1930 entfiel die ausländische Beteiligung am Generalrat. Vgl. dazu Born, Deutsche Bankengeschichte, Band 3, S. 62 ff. 264 Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 18; ders., Deutsche Bankengeschichte, Band 3, S. 66. 265 Vgl. Ruland, S. 4.
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933
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a) Die Aufsicht über die Sparkassen am Beispiel Preußens Die kommunalen Sparkassen standen von jeher unter staatlicher Aufsicht. Diese Aufsicht war jedoch keine Reichsangelegenheit, vielmehr unterstanden die Sparkassen den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen ihrer jeweiligen Länder. Dabei waren die entsprechenden Regelungen i m Grundsatz in den verschiedenen Ländern gleich, zumal die preußischen Regelungen über die Beaufsichtigung der Sparkassen richtungweisend für die Regelung dieses Bereiches in den anderen deutschen Ländern w a r e n . 2 6 6 Da die Sparkassen traditionell unselbständige Anstalten ihrer Kommunen waren, 2 6 7 unterlagen sie der allgemeinen Kommunalaufsicht, so daß die Aufsicht über die Sparkassen zunächst rechtlich und inhaltlich der Kommunalaufsicht entsprach. 2 6 8 Eine spezielle, auf die Sparkassen zugeschnittene Aufsicht bestand somit zu Beginn ihrer Entwicklung nicht. Erst mit dem preußischen Sparkassenreglement vom 12. Dezember 1838 269 erfuhr die Aufsicht über die Sparkassen eine gewisse rechtliche Verselbständigung. 270 Dieses Reglement stellte die erste gesetzliche Regelung des Sparkassenwesens in Deutschland dar und war die Grundlage des preußischen Sparkassenwesens. 271 Es bestätigte, daß die Sparkassen der allgemeinen Kommunalaufsicht unterstanden, widmete ihnen aber besondere Aufmerksamkeit, indem es in Ziffer 19 bestimmte: „Was die Aufsicht des Staates über die Sparkassen anlangt, so soll es zwar im Allgemeinen bei demjenigen bewenden, was die Gesetzgebung hinsichtlich der Staatsaufsicht über andere kommunale Institute vorschreibt. Die Oberpräsidenten und Regierungen sollen aber verpflichtet sein, diesen Instituten eine fortwährende besondere Aufmerksamkeit zu widmen, sich von der Zweckmäßigkeit und Ordnung des Betriebes zu überzeugen, außerordentliche Revisionen vorzunehmen und anzuordnen und, wo sie Unordnungen und Mißbräuche bemerken, mit Ernst auf deren Abstellung zu dringen." Die Sparkassen wurden somit einer besonders strengen Kommunalaufsicht unterstellt. Diese besondere Sparkassenaufsicht wandelte sich in den folgenden Jahrzehnten mehr und mehr zu einer Aufsicht eigenen Art, indem sie zunehmend mit weiteren Befugnissen ausgestattet wurde. Dennoch stellte sie rechtlich einen Teil der Kommunalaufsicht dar und blieb in ihren Grundsätzen bis zur Bankenkrise von 1931 unverändert. 2 7 2
266 Ruland, S. 9. 267 s.o., Teil I.A., III., l.,a). 268 Vgl. Frick, S. 124; Ruland, S. 8. 269 GS 1839, S. 5. 270 Vgl. Frick, S. 124. 271 Kleiner, S. 404. 272 Frick, S. 127 f.
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
Neben der Regelung der Aufsichtsbehörden und ihren Befugnissen bestanden für die preußischen Sparkassen ein Vielzahl von Normativbestimmungen, die den Umfang der erlaubten Geschäfte und die Geschäftsführung der Sparkassen regelten. Dieses Bestimmungen entstammten verschiedenen Rechtsquellen und waren keineswegs einheitlich. So machte bereits das Sparkassenreglement von 1838 den Sparkassen Vorgaben für die Geschäftsführung, indem es etwa das Spargeschäft regelte. 2 7 3 Da das Reglement insoweit jedoch nur eine Rahmenregelung darstellte, wurden die Normativbestimmungen für die einzelnen Sparkassen zusätzlich in den Sparkassensatzungen geregelt. M i t den jeweiligen Satzungen bestand somit für jede Sparkasse eine eigene Rechtsgrundlage. Zudem ergingen eine Vielzahl von Anordnungen und Erlassen der Aufsichtsbehörden zur Regelung der Geschäftstätigkeit der Sparkassen, so daß das Recht der Sparkassen bald sehr zersplittert und uneinheitlich w u r d e . 2 7 4 Eine Änderung dieses Zustandes bewirkte erst die preußische Mustersatzung vom 26. Juli 1927. 2 7 5 Diese Mustersatzung regelte neben Zusammensetzung und Aufgaben der Organe der Sparkassen umfassend deren Geschäftstätigkeit. Dabei wurden das Spargeschäft und vor allem das Kreditgeschäft der Sparkassen genauen Bestimmungen unterworfen, indem die den Sparkassen erlaubten Anlagen in einem besonderen Abschnitt „Anlegung der Sparkassenbestände" zusammengefaßt und die einzelnen zulässigen Anlagearten erschöpfend und abschließend aufgezählt w u r d e n . 2 7 6 Obwohl die Mustersatzung kein unmittelbares Recht schuf, wurde sie dennoch von den meisten preußischen Sparkassen übernommen und führte damit zu einer Vereinheitlichung der Normativbestimmungen der Sparkassen und damit des Sparkassenrechts überhaupt. 2 7 7 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Sparkassen einer besonders strengen Kommunalaufsicht unterlagen, die für alle Sparkassen einheitlich ausgestaltet und i m preußischen Sparkassenreglement begründet war. Daneben bestanden für die Sparkassen umfangreiche Normativbestimmungen zur Regelung ihrer Geschäftstätigkeit, die i m Zuge der Umsetzung der Mustersatzung von 1927 eine einheitliche Fassung fanden.
b) Die Aufsicht über das sonstige öffentliche
Bankwesen
Ebenso wie die Sparkassen unterstanden auch die sonstigen öffentlichen Banken von Anfang an staatlicher Aufsicht. Eine geschlossene Darstellung der Aufsicht über diese Institute begegnet jedoch großen Schwierigkeiten, da die Aufsicht über 273
Vgl. Ziff. 9 ff. Sparkassenreglement. 274 Vgl. Pohl, Deutsche Bankengeschichte, Band 2, S. 322. 275 27
Abgedruckt und kommentiert bei: Simon, S. 8 ff. 6 Kleiner, S. 405.
277
Frick, S. 99. Näheres zur Mustersatzung ebda., S. 99 ff. sowie bei Piorkowski,
S. 42 f.
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933
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die öffentlichen Banken in vielen verschiedenen einzelnen Gesetzen und Satzungen ihre Grundlage hatte, denn öffentliche Banken wurden auf allen Ebenen des Staates und zu den verschiedensten Zwecken gegründet. 2 7 8 Die Aufsicht über die öffentlichen Kreditanstalten des Reiches oder der Länder lag bei der jeweiligen Regierung, wobei die Aufsichtsbefugnisse dem zuständigen Minister übertragen wurde, der sie seinerseits an nachgeordnete Behörden delegieren konnte. 2 7 9 Bei den meisten öffentlichen Banken wurde die Aufsicht jedoch durch einen eigens in der Satzung vorgesehenen Staatskommissar ausgeübt, der dem zuständigen Minister unterstand. 2 8 0 Die Aufsichtsbehörden hatten i m allgemeinen Neugründungen und Satzungsänderungen zu genehmigen und waren berechtigt, den Geschäftsbetrieb zu untersagen, Prüfungen vorzunehmen und die Einhaltung von Gesetzen und der Satzung zu überwachen. 2 8 1 Ihre Befugnisse entsprachen damit weitgehend denen der Aufsichtsbehörden nach dem Hypothekenbankgesetz. 2 8 2 Eine Besonderheit in der Aufsicht über die öffentlichen Banken bestand zudem darin, daß diese Institute in der Regel von Beamten des Reiches, der Länder oder von Kommunalbeamten geleitet wurden, die dementsprechend der Dienstaufsicht unterlagen. Somit konnte die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Anordnungen zusätzlich durch disziplinarische Maßnahmen gewährleistet werden. 2 8 3 Bestand somit für die Aufsichtsbehörden der öffentlichen Banken keine einheitliche Rechtsgrundlage, so galt das gleiche für die Normativbestimmungen für diese Institute. Allgemeingültige Grundsätze für die Geschäftsführung oder ein fest umrissener Aufgabenkreis für alle öffentlichen Banken existierten nicht, derartige Regelungen waren vielmehr wiederum den einzelnen Satzungen oder speziellen Gesetzen vorbehalten. Lediglich das dem Hypothekenbankgesetz 284 nachgebildete Gesetz über die Pfandbriefe und verwandten Schuldverschreibungen öffentlichrechtlicher Kreditinstitute vom 21. 12. 1 9 2 7 2 8 5 schuf in dieser Richtung eine gewisse Einheitlichkeit. Aber auch dieses Gesetz regelte nicht den gesamten Geschäftsbetrieb, sondern nur die Sicherung der von den öffentlichen Banken ausgegebenen Schuldverschreibungen und begründete somit kein einheitliches Aufsichtssystem über das öffentliche Bankwesen. Die Aufsicht über das öffentliche Bankwesen war somit recht umfassend geregelt, sie war aber weit uneinheitlicher und zersplitterter als die Aufsicht über die 278
v. Hantelmann, S. 60. 79 Dannenbaum, S. 78. 280 Vgl. Dannenbaum, S. 228 f. 2
281 v. Hantelmann, S. 60. 282 Dannenbaum, S. 230. 283 Dannenbaum, S. 230. 284 s. sogleich. 285 RGBl. I, S. 492.
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
Sparkassen. Eine einheitliche Beaufsichtigung aller öffentlichen Banken nach übergeordneten Gesichtspunkten war somit nicht möglich.
3. Die Aufsicht über die privaten Hypothekenbanken nach dem Hypothekenbankgesetz Das private Bankwesen unterstand bis zur Bankenkrise von 1931 grundsätzl i c h 2 8 6 keiner staatlichen Aufsicht. Eine Ausnahme hiervon bildeten die privaten Hypothekenbanken. Seit dem 1. Januar 1900 unterlagen sie den Bestimmungen des Hypothekenbankgesetzes vom 13. Juni 1899. 2 8 7 Der Erlaß des Gesetzes beruhte auf der Erkenntnis, daß die Hypothekenbanken für die Pflege des Realkredits und der Schaffung einer sicheren Anlagemöglichkeit von großer Bedeutung waren. Die Hypothekenbanken dienten damit in besonderer Weise einem öffentlichen Interesse, 288 so daß das Reich sich entschloß, sie der staatlichen Aufsicht zu unterwerfen. 2 8 9 Das Hypothekenbankgesetz regelte in detaillierter Weise die Aufsicht über die Hypothekenbanken und deren Geschäftsführung. Gemäß § 1 Hypothekenbankgesetz waren Hypothekenbanken nur in der Form der A G oder der KGaA zulässig und bedurften zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebes einer Genehmigung des Bundesrates. Darüber hinaus unterlag eine Hypothekenbank der Aufsicht des Bundesstaates, in dem sie ihren Sitz hatte. Die Aufsicht über die Hypothekenbanken führte somit nicht das Reich, obwohl eine reichseinheitliche Umsetzung des Hypothekenbankgesetzes allgemein als erforderlich angesehen wurde. Eine zentrale Reichsaufsicht scheiterte aber am Widerstand der Länder, die das Aufsichtsrecht als ein Hoheitsrecht ansahen, das sie nicht auf das Reich übertragen w o l l t e n . 2 9 0 Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörden waren in § 4 Hypothekenbankgesetz genau geregelt. Ihre Aufgabe war es, die Einhaltung der einschlägigen Gesetze, Satzungen und sonstigen Bestimmungen durch die Hypothekenbanken zu gewährleisten. Dazu waren die Aufsichtsbehörden befugt, alle erforderlichen Anordnungen gegenüber den Hypothekenbanken zu treffen. Zu diesem Zweck waren sie insbesondere berechtigt, 1. jederzeit die Bücher der Hypothekenbanken einzusehen, 2. Auskunft über alle Geschäftsangelegenheiten zu verlangen, 3. einen Vertreter in die Generalversammlung und in die Sitzungen der Verwaltungsorgane zu entsenden bzw. derartige Versammlungen selbst einzuberufen und die Ankündi-
286
Zu den Ausnahmen der Jahre 1920- 1929 s. sogleich. »7 RGBl. S. 375. 288 So förderten die Hypothekenbanken insbesondere den städtischen Wohnungsbau. 289 v. Hantelmann, S. 54; Ruland, S. 36. Eine umfangreiche Darstellung der Entstehungsgeschichte des Hypothekenbankgesetzes findet sich bei Ruland, S. 34 ff. 2 90 Vgl. Ruland, S. 61 ff. 2
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gung von Gegenständen zu Beschlußfassung zu verlangen und 4. die Ausführung von gesetzes- oder satzungswidrigen Beschlüssen oder Anordnungen zu untersagen. Neben diesen allgemeinen waren den Aufsichtsbehörden an verschiedenen Stellen des Gesetzes spezielle Befugnisse zugewiesen. 2 9 1 Den Schwerpunkt des Gesetzes bildete aber neben der Errichtung der Aufsichtsbehörden und der Bestimmung ihrer Befugnisse die eingehende Regelung des Aufgabenkreises und der Geschäftsführung der Hypothekenbanken. Das Kerngeschäft der Hypothekenbanken bestand in „der hypothekarischen Beleihung von Grundstücken und der Ausgabe von Schuldverschreibungen auf Grund der erworbenen Hypotheken" (§ 1 Hypothekenbankgesetz). Über dieses Geschäft hinaus waren den Hypothekenbanken nur wenige weitere Bankgeschäfte erlaubt, die in § 5 Hypothekenbankgesetz abschließend aufgeführt wurden. Das Hypothekengeschäft selbst unterlag umfangreichen Vorschriften, die die Ausgabe der Pfandbriefe und die Gewährung der Darlehen eingehend regelten. 2 9 2 Schließlich unterlagen die Hypothekenbanken umfangreichen Publizitätsvorschriften, die den Aufsichtsbehörden und der Öffentlichkeit Einblick in ihre Verhältnisse gewähren sollten. 2 9 3 M i t dem Hypothekenbankgesetz von 1899 wurde erstmals ein Ausschnitt des deutschen Kreditwesens einer umfassenden staatlichen Aufsicht aufgrund einer einheitlichen Rechtsgrundlage unterstellt. Dabei stellte das Gesetz einen erheblichen Eingriff in das vom Prinzip der Bankfreiheit geprägte private Bankwesen dar, indem nicht nur die Errichtung von Aufsichtsbehörden angeordnet wurde, sondern auch der Geschäftsbetrieb der Hypothekenbanken weitgehend geregelt und eingeschränkt wurde. Die Hypothekenbanken entwickelten sich unter der Geltung des Gesetzes sehr p o s i t i v 2 9 4 und blieben von größeren Krisen, insbesondere der Krise von 1931, weitgehend verschont. 2 9 5 Das Hypothekenbankgesetz von 1899 hatte sich somit bewährt.
291 So bedurften z. B. die von den Banken aufzustellenden Wertermittlungsgrundsätze der Genehmigung der Aufsichtsbehörden. 292 In diesem Zusammenhang war die Vorschrift über die Höhe des Pfandbriefumlaufes im Verhältnis zu den eigenen Mitteln der Bank (§ 7 Hypothekenbankgesetz) von besonderer Bedeutung. 29 3 Bauer, S. 17. 294 s.o., Teil Ι , Β . , Ι . , l.,c). 29 5 v. Hantelmann, S. 55.
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4. Erster Ansatz einer allgemeinen Bankenaufsicht durch die Kapitalfluchtgesetzgebung und das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte Bis 1920 unterlag nur ein Bruchteil des deutschen Kreditwesens der staatlichen Aufsicht. Zwar bestanden aufsichtsrechtliche Bestimmungen für das öffentliche Kreditwesen, aber weder für das private Bankwesen - mit Ausnahme der Hypothekenbanken - noch für die Kreditgenossenschaften bestanden entsprechende Regelungen, so daß zwei von drei Trägern des deutschen Kreditwesens nach wie vor ohne staatliche Beeinflussung Kreditgeschäfte tätigen konnten. Dieser Zustand änderte sich mit der Kapitalfluchtgesetzgebung und dem sich daran anschließenden Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte.
a) Die Kapitalfluchtgesetzgebung Unmittelbar nach Beendigung des Ersten Weltkrieges setzte eine Gesetzgebung des Reiches ein, die die Kapitalflucht aus Deutschland in das Ausland verhindern sollte und bis 1925 zu einer Vielzahl von entsprechenden Gesetzen und Verordnungen führte. 2 9 6 Dabei wurde erstmals das gesamte deutsche Kreditwesen Bestimmungen unterworfen, die die bis dahin grundsätzlich geltende Bankfreiheit aufhoben oder einschränkten. Es wurden Vorschriften erlassen, die den Betrieb von Bankgeschäften von bestimmten Voraussetzungen abhängig machten und i m übrigen untersagten. Den Auftakt zu dieser Entwicklung gab die Zweite Verordnung über Maßnahmen gegen die Kapitalflucht vom 14. Januar 1920. 2 9 7 Sie bestimmte in § 1 Abs. 1, daß Depot- und Depositengeschäfte nur den B a n k e n 2 9 8 erlaubt waren, die der Anzeigepflicht gemäß § 76 des Reichsstempelgesetzes 299 unterlagen und ihr bei Inkrafttreten des Gesetzes gegen die Kapitalflucht v. 8. September 19 1 9 3 0 0 genügt hatten. Da nahezu alle Banken Depot- und Depositengeschäfte 301 betrieben, be296 297 298 299 300
Überblick bei Ruland, S. 131 f. RGBl. S. 50. Die Sparkassen und Bankiers waren den Banken gleichgestellt. Ges. v. 3. Juli 1913 (RGBl. S. 639) i. d. F. v. 26. Juli 1918 (RGBl. S. 799). RGBl. S. 1540.
301 §§ 2 und 3 definierten den Begriff „Depot- und Depositengeschäfte". § 2 Abs. 1, 2 lautete: „Depotgeschäfte im Sinne dieser Verordnung sind die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren, die nach der Auffassung des Verkehrs als Effekten angesehen werden, für andere, die Überlassung von Schrankfächern an andere und die Verwahrung von verschlossenen Depots für andere. Dem Depotgeschäft wird gleichgestellt die Einräumung eines Anspruchs auf Lieferung von Wertpapieren, die der Gattung und Zahl nach bestimmt sind (Gutschrift auf Stückekonto), wenn der Anspruch nicht binnen 10 Tagen nach Fälligkeit erfüllt wird." § 3 Abs. 1 lautete: „Depositengeschäfte im Sinne dieser Verordnung sind die Verwahrung und Verwaltung von Geldbeträgen für andere, insbesondere die Annahme von Geldbeträgen zur Verzinsung."
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inhaltete die Verordnung somit praktisch ein Verbot der Neugründung von Banken. Sie begründete damit die Aufhebung der Gewerbefreiheit i m Bankwesen. Lediglich die Neugründung von Bankgeschäften als Einzelfirma oder in der Rechtsform der Personengesellschaft blieb weiterhin möglich. Diese Neugründungen wurden aber von der Voraussetzung abhängig gemacht, daß die Inhaber der neu zu gründenden Bankgeschäfte bereits fünf Jahre in leitender Funktion oder als kaufmännischer Angestellter in einer Bank gearbeitet hatten, die zum Betrieb von Depot- und Depositengeschäften gemäß § 1 Abs. 1 berechtigt waren. In diesem Bereich wurde also die Eröffnung neuer Bankgeschäfte wesentlich erschwert. Das Verbot bzw. die Beschränkung von Neugründungen galt jedoch nicht unbeschränkt, sondern war bis zum 31. Dezember 1924 befristet. Die Vorschriften dieser Verordnung wurden i m Grundsatz durch das Gesetz gegen die Kapitalflucht i. d. F. v. 26. Januar 1 9 2 3 3 0 2 übernommen und lediglich leicht verändert. Nunmehr waren gem. § 10 Abs. 1 Depot- und Depositengeschäfte 3 0 3 nur Banken erlaubt, die bereits am 16. Januar 1 9 2 0 3 0 4 „einen auf die Anschaffung und Darleihung von Geld gerichteten Gewerbebetrieb unterhalten haben." Aber auch von dieser Vorschrift, die das Verbot der Neugründung von Banken aufrecht erhielt, waren Ausnahmen vorgesehen. So war gem. § 10 Abs. 4 Nr. 1 die Neugründung von Bankgeschäften als Einzelfirma oder in der Rechtsform der Personengesellschaft weiterhin unter der Voraussetzung zulässig, daß deren Inhaber vor dem 16. Januar 1920 bereits fünf Jahre in leitender Funktion oder als kaufmännischer Angestellter in einer Bank i m Sinne des Abs. 1 gearbeitet hatten. Anders als die Verordnung vom 14. Januar 1920 erlaubte das Gesetz gem. § 10 Abs. 4 Nr. 2 überdies die Neugründung von Banken als Kapitalgesellschaften. Jedoch mußte es sich dabei um die Fortführung eines zulässigen Bankgeschäftes gem. § 10 Abs. 1 bzw. Abs. 4 Nr. 1 handeln. Somit konnte von Neugründungen streng genommen nicht die Rede sein, vielmehr handelte es sich in diesen Fällen um Umgründungen, da eine Bank in der Form der Kapitalgesellschaft nur unter Übernahme einer bereits bestehenden Bank gegründet werden konnte. Daher blieb auch durch dieses Gesetz die Gewerbefreiheit i m Kreditwesen weitgehend aufgehoben. Nach der Stabilisierung der Währung waren die Gründe, die zum Erlaß des Kapitalfluchtgesetzes von 1923 geführt hatten, entfallen. 3 0 5 Es lief daher wie vorgesehen zum 31. Dezember 1924 aus. Ausgenommen waren jedoch gerade die §§ 10 bis 13 Kapitalfluchtgesetz, die die Zulassung der Banken zum Geschäftsbetrieb regelten. Sie wurden bis zum Erlaß des Gesetzes über Depot- und Depositen302 RGBl. I, S. 91. Durch dieses Gesetz wurde die VO v. 19. Januar 1920 aufgehoben. 303 Diese waren in §§ 11-13 definiert, wobei die Definition der Verordnung vom 14. Januar 1920 entsprach. 304 Dies war der Tag des Inkrafttretens der zweiten VO gegen die Kapitalflucht v. 14. 1. 1920. 305 Tambert, S. 48.
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geschäfte von 1925 verlängert. 3 0 6 Dieses Vorgehen des Reiches verdeutlicht das gewandelte Verständnis von diesen Vorschriften. Zunächst waren sie als flankierende Maßnahmen i m Rahmen der Kapitalfluchtgesetzgebung gedacht gewesen und sollten nicht der Beaufsichtigung des Kreditwesens dienen. Mittlerweile hatte sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, daß Vorschriften über die Zulassung von Banken zum Geschäftsbetrieb über ihren ursprünglichen Zweck hinaus geeignet waren, die Bankenkundschaft vor unseriösen oder ungeeigneten Personen i m Kreditgewerbe zu schützen. 3 0 7 Die Reichsregierung fand damit in den §§ 1 0 - 1 3 Kapitalfluchtgesetz ein geeignetes Mittel zur Beaufsichtigung des Kreditwesens, auf das sie nicht mehr verzichten w o l l t e . 3 0 8 Somit war aus Vorschriften, die ursprünglich der Verhinderung der Kapitalflucht dienen sollten, der erste Ansatz zur Einführung einer allgemeinen Aufsicht über das Kreditwesen geworden. Diese Vorschriften hatten jedoch den Nachteil, daß es selbst seriösen und fachlich geeigneten Personen unmöglich war, eine neue Kapitalgesellschaft zu gründen, wenn sie keinen bereits bestehenden Bankbetrieb übernehmen k o n n t e . 3 0 9 Die bestehenden Regelungen waren daher zu starr, so daß sich das Reich zu einer Neuregelung entschloß.
b) Das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte Diese Neuregelung erfolgte in der Form des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte vom 26. Juni 1925. 3 1 0 Demnach war nur den sogenannten Depositenbanken das Betreiben von Depot- und Depositengeschäften erlaubt. § 4 Abs. 2 legte den Kreis der Depositenbanken fest. Zunächst zählten zu den Depositenbanken alle Institute, die bereits aufgrund der alten Rechtslage die Berechtigung zum Betreiben von Depot- und Depositengeschäften 311 inne hatten. Auch die Rechtslage bezüglich der Errichtung neuer Bankgeschäfte in der Form der Einzelunternehmung oder der Personengesellschaft blieb unverändert. Darüber hinaus wurden aber die Möglichkeiten zur Neugründung von Depositenbanken erheblich erweitert. Gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 waren Personen auch dann zum Betrieb von Depot- und Depositengeschäften in der Form der Einzelunternehmung oder der Personengesellschaft berechtigt, wenn sie „durch langjährige kaufmännische Tätigkeit die für die Leitung einer Depositenbank erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sich angeeignet haben und die erforderliche Zuverlässigkeit 306 Durch Verordnung vom 29. Dezember 1924 (RGBl. I, S. 967) und Gesetz vom 16. April 1925 (RGBl. I, S. 43). 307 Vgl. Ruland, S. 135; Tambert, S. 48. 308 Ruland, S. 135. 309 Vgl. Tambert, S. 48. 310 RGBl. I, S. 89. 311 Die Definition dieser Geschäfte fand sich in den § § 1 - 3 und wurde aus dem Kapitalfluchtgesetz von 1923 übernommen.
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besitzen." Jedoch mußte für die neu zu errichtende Depositenbank ein volkswirtschaftliches Bedürfnis bestehen und die Berechtigung durfte nicht versagt werden, wenn die Versagung ein unbillige Härte bedeutet hätte. 3 1 2 Durch das Gesetz wurden somit die Möglichkeiten zur Errichtung neuer Bankgeschäfte als Einzelunternehmen oder Personengesellschaften erheblich erweitert. Neben der erleichterten Zulassung von Bankgeschäften in der Form der Einzelunternehmung oder der Personengesellschaft erlaubte des Gesetz nunmehr auch die Neugründung von Banken in der Form der Kapitalgesellschaft unter einfacheren Voraussetzungen. Dazu führte das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte erstmals ein Konzessionssystem ein. Demnach durften Kapitalgesellschaften gem. § 5 nur zum Betrieb von Depot- und Depositengeschäften zugelassen 313 werden, wenn „1. dem Unternehmen die zum ordnungsmäßigen Betrieb erforderlichen Mittel im Inland zur Verfügung stehen; 2. die Vorstandsmitglieder der Bankunternehmung die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen und für den Betrieb fachlich genügend vorgebildet sind; 3. die Zulassung volkswirtschaftlich gerechtfertigt erscheint." Somit war in Deutschland erstmals seit 1920 wieder die Errichtung von Banken als Kapitalgesellschaften möglich, ohne daß es der Fortführung eines bestehenden Bankbetriebes bedurfte. Darüber hinaus verdeutlichte § 5 die aufsichtsrechtliche Zielsetzung des neuen Gesetzes, indem zum Schutze des Publikums eine angemessene Mittelausstattung und die erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkenntnis verlangt w u r d e . 3 1 4 Zudem sollte durch § 5 Nr. 3 die Möglichkeit eröffnet werden, der fortschreitenden Übersetzung i m deutschen Kreditwesen 3 1 5 entgegen zu steuern und damit die Stabilität der deutschen Kreditwirtschaft zu erhalten. 3 1 6 Eine Ergänzung fand dieses Konzessionssystem in § 7, der u. a. die Möglichkeit vorsah, die Zulassung wieder zu entziehen, „1. wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß Inhaber, persönlich haftende Gesellschafter oder Vorstandsmitglieder nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen; 2. wenn das Unternehmen keine Gewähr für die ordnungsgemäße Führung des Depotund Depositengeschäftes bietet; ( . . . ) 312
Die entsprechende Berechtigung wurde von der obersten Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister erteilt. 313 Die Zulassung wurde „von der obersten Landesbehörde nach Benehmen mit der Reichsbank und im Einvernehmen mit dem Reichswirtschaftsminister" erteilt (§ 4 Abs. 2 Nr. 3). 314 Vgl. die amtliche Begründung des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte, Verh. d. Rt., Bd. 401, Nr. 929, S. 4. Abgedruckt bei Ruland, S. 139. 3 *5 s.o., Teil l,B.,I.,4.,c). 316 Vgl. die amtliche Begründung des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte, Verh. d. Rt., Bd. 401, Nr. 929, S. 5. Abgedruckt bei Ruland, S. 137.
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Damit sollte die dauerhafte Einhaltung der Voraussetzungen zum Betrieb einer Depositenbank gewährleistet werden, ohne daß die Banken insoweit jedoch einer dauernden staatlichen Kontrolle unterlagen. Schließlich erlaubte das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Neugründung von Kreditgenossenschaften, ohne daß diese einer besonderen Zulassung bedurften (§ 4 Abs. 2 Nr. 4). Ebenso durften Sparkassen und öffentliche Banken neu errichtet werden. Diese bedurften zwar anders als die Kreditgenossenschaften der Zulassung ihrer obersten Landesbehörde, jedoch war diese Zulassung an keine Voraussetzungen gebunden ( § 4 Abs. 2 Nr. 5). M i t der Kapitalfluchtgesetzgebung und vor allem mit der Verabschiedung des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte fanden sich in Deutschland zum ersten M a l Ansätze einer allgemeinen, gleichmäßigen Aufsicht über alle Kreditinstitute. Diese Aufsicht war freilich keineswegs umfassend, da sie sich allein auf den Gründungsvorgang der Kreditinstitute beschränkte. Über diesen Gründungsvorgang hinaus war weder eine fortlaufende Beaufsichtigung der Geschäftsführung der Banken vorgesehen noch wurde eine eigene Aufsichtsbehörde für das Kreditwesen geschaffen. Überdies war mit der Verabschiedung des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte keine unbefristete Beaufsichtigung der Banken beabsichtigt. Vielmehr sollte das Gesetz nur bis zum 31. Dezember 1926 gelten. Der Grund für diese Befristung dürfte darin liegen, daß der Gesetzgeber davon ausging, das Gesetz sei entbehrlich, sobald sich die wirtschaftlichen Verhältnisse gebessert hätten. 3 1 7 Dennoch lief das Gesetz nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt aus, sondern wurde zweimal verlängert, 3 1 8 so daß es bis zum 31. Dezember 1929 in Kraft blieb. Zur Begründung wurde seitens der Reichsregierung angeführt, daß es weiterhin eines Schutzes der Bankenkundschaft vor unseriösen Personen i m Bankgewerbe bedürfe und die Zahl der Banken immer noch zu groß s e i . 3 1 9 Auch seitens der Banken wurde der Verlängerung kein nennenswerter Widerstand entgegengebracht. Dies ist vor dem Hintergrund verständlich, daß das Gesetz für die bereits zugelassenen Banken keine weiteren Einschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit beinhaltete und ihnen eine gewisse Monopolstellung verschaffte. 3 2 0 Überdies war es geeignet, das Ansehen der Banken ohne eigenes Zutun zu verbessern.
317 Vgl. die amtliche Begründung des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte, Verh. d. Rt., Bd. 401, Drucksache Nr. 929, S. 7. Abgedruckt bei Ruland, S. 139. 318 Durch das Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte vom 23. 12. 1926 (RGBl. I, S. 527) und das 2. Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte vom 12. 12. 1927 (RGBl. I, S. 512). 319 Vgl. Ruland, S. 141 f. 520 Tambert, S. 51.
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Schließlich kam jedoch eine Verlängerung des Gesetzes über den 31. Dezember 1929 hinaus nicht zustande. Weder die Reichsregierung noch die Banken waren an einer weiteren Verlängerung ernsthaft interessiert, denn in den Jahren seit dem Bestehen des Gesetzes hatte sich gezeigt, daß es seinen Zweck, einen besseren Schutz der Bankenkundschaft zu gewährleisten, offensichtlich nicht erfüllt hatte. 3 2 1 Somit bestand mit dem endgültigen Auslaufen des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte zum 31. Dezember 1929 für das private Bankwesen und die Kreditgenossenschaften wieder die gleiche Rechtslage wie vor 1920. In Deutschland bestand erneut grundsätzlich völlige Bankfreiheit. 3 2 2
5. Zusammenfassung Bei Betrachtung des Aufsichtsrechts über das Kreditwesen in Deutschland bis 1931 ergibt sich zusammenfassend das folgende Bild: Sowohl das öffentliche Bankwesen als auch die privaten Hypothekenbanken unterlagen der staatlichen Aufsicht. Während die Aufsicht über die Hypothekenbanken auf einer wohldurchdachten, einheitlichen Rechtsgrundlage beruhte, war die Aufsicht über die Sparkassen und insbesondere die öffentlichen Banken stark zersplittert und auf die verschiedensten Instanzen verteilt. Dagegen bestand für die privaten Banken und Bankiers sowie für die Kreditgenossenschaften - mit Ausnahme der Jahre von 1920 bis 1929 - keine staatliche Aufsicht. Das deutsche Kreditwesen war somit bis 1931 überwiegend vom Prinzip der Gewerbefreiheit geprägt. Ein deutsches Aufsichtsrecht über das Kreditwesen bestand daher nur in wenigen Grundzügen und war in erster Linie auf bestimmte Arten von Kreditinstituten abgestimmt. Eine an der gesamten Volks- oder Kreditwirtschaft orientierte, allgemeine Bankenaufsicht fehlte dagegen v ö l l i g . 3 2 4
I I I . Reformbestrebungen bis 1931 Die i m Grundsatz bestehende Bankfreiheit in Deutschland wurde seit dem späten 19. Jahrhundert immer wieder kritisiert. Seit dieser Zeit erhoben sich Forderungen nach einer stärkeren Reglementierung und Beaufsichtigung der Kreditinstitute. 321 Meilinger, Die Bank 1930, S. 586. So war es ζ. B. insbesondere im zweiten Halbjahr 1929 zum Zusammenbruch einer Vielzahl angesehener Bankiers, Provinzbanken und Kreditgenossenschaften gekommen, s. Mellingen Die Bank 1930, S. 721. 322 Tambert, S. 51. 323 Wandel, Die deutsche Bankengesetzgebung, S. 19. 324 Vgl. auch Müller, KWG-Erläuterung, S. 144.
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Dementsprechend wurde wiederholt der Versuch unternommen, die Aufsicht über das Kreditwesen i m Sinne einer Vereinheitlichung und Erweiterung zu reformieren.
1. Forderungen nach einer Regelung des Depositengeschäfts Bis zu den Gründerjahren zwischen 1870 und 1873 spielte das Depositengeschäft der Banken nur eine untergeordnete Rolle. Die Banken gewährten Kredite vielmehr aus ihren eigenen M i t t e l n , 3 2 5 so daß i m Falle eines Bankenzusammenbruchs die Verluste auf den Kreis der Aktionäre begrenzt blieben. Später gewannen die Depositengelder der Bankenkundschaft für die Banken eine zunehmend wichtige Bedeutung, und das Bankgeschäft baute mehr und mehr auf diesen fremden Geldern a u f . 3 2 6 I m Falle des Zusammenbruchs einer Bank waren nunmehr nicht allein deren Eigner, die Aktionäre, betroffen, sondern auch in zunehmendem Maße die Öffentlichkeit, die der Bank ihre Gelder zur Verwahrung anvertraut hatte. Zudem wurde eine ausreichende Liquidität der Banken angesichts des hohen Anteils fremder Gelder in ihren Bilanzen immer wichtiger. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts Rufe nach einer staatlichen Regelung des Depositenwesens erhoben. Bei den Beratungen des Bankgesetzes i m Reichstag 1874 tauchte erstmals der Gedanke einer gesetzlichen Regelung des Depositengeschäfts auf. Hintergrund dieser Überlegungen war die sogenannte Gründerkrise von 1873, die zum Zusammenbruch zahlreicher Banken führte. 3 2 7 Der Abgeordnete Sonnemann forderte ein Depositenbankgesetz mit der Einführung eines Konzessionssystems und speziellen Vorschriften zur Überwachung der Depositenbanken. 328 Der Vorschlag Sonnemanns stand jedoch i m Widerspruch zu dem Grundsatz der Gewerbefreiheit, der erst 1869 in der Gewerbeordnung in Deutschland festgeschrieben worden war, und konnte sich daher nicht durchsetzen. 3 2 9 I m Zusammenhang mit den Beratungen zum Depotgesetz und zum Börsenges e t z 3 3 0 tauchte i m Jahre 1896 die Frage nach der Regelung des Depositenwesens erneut auf. Der Reichstagsabgeordnete von Arnim legte dem Reichstag einen „Gesetzentwurf für die Regelung des Depositenbankwesens" v o r . 3 3 1 Der Entwurf sah neben besonders strengen Publizitätsvorschriften vor allem die Errichtung von 325 Tambert, S. 39. 326 Zwischen 1872 und 1900 stiegen die Depositen der Banken mit einem Kapital von mindestens einer Million Mark von 119,7 auf 997,3 Mio. Mark an. s. Tambert, S. 39. 327 Bauer, S. 17. 328 Bauer, S. 18. 329 Bauer, S. 18. 330 Börsengesetz v. 22. Juni 1896 (RGBl. S. 157). 331 Abgedruckt bei Ruland, S. 84 ff.
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reinen Depositenbanken vor, denen in erster Linie das Depositengeschäft erlaubt, dagegen aber Emissions-, Beteiligungs- und Spekulationsgeschäfte jeglicher Art untersagt sein sollten. Der Entwurf propagierte damit eine Abkehr vom deutschen Universalbankensystem und die Hinwendung zu einem arbeitsteilig organisiertem Kreditwesen nach englischem V o r b i l d . 3 3 2 Aber auch diesem Entwurf war kein Erfolg beschieden. Zwar führte er zu einer Resolution des Reichstages, mit der der Reichskanzler ersucht wurde, ein Gesetz auszuarbeiten, das einen besseren Schutz der Depositen gewährleistete. Zu gesetzgeberischen Maßnahmen seitens der Reichsregierung kam es jedoch n i c h t . 3 3 3 Somit blieben die Forderungen nach einer Regelung des Depositengeschäfts der Banken unerfüllt. Sie tauchten jedoch auch in den folgenden Jahren vereinzelt immer wieder auf und bereiteten den Weg zur Bankenenquete der Jahre 1 9 0 8 / 0 9 . 3 3 4
2. Forderungen nach Einführung eines zentralen Aufsichtsamtes Neben den Vorschlägen zur Regelung des Depositengeschäftes wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Forderung nach Einführung einer staatlichen Beaufsichtigung des Bankwesens erhoben. Wortführer in diesem Zusammenhang war der Wirtschaftswissenschaftler Wagner. 335 Vor dem Hintergrund des Zusammenbruches der Leipziger Bank i m Jahr 1901 unterbreitete er seine Vorschläge. Neben Liquiditätsvorschriften für die Banken und der schärferen Haftung ihrer Gesellschaftsorgane forderte er vor allem die Veröffentlichung der Jahres- und Monatsbilanzen der Banken nach einem amtlichen Schema und die Errichtung eines „Reichs-Bankkontrollamtes". 3 3 6 Diesem Kontrollamt sollten alle vorgeschriebenen Veröffentlichungen vorzulegen und es sollte jederzeit zur Überprüfung der Banken berechtigt s e i n . 3 3 7 Die Forderungen Wagners waren vor dem Hintergrund der bestehenden Bankfreiheit sehr weitgehend und zogen massive Kritik auf s i c h . 3 3 8 Wagner konnte sich mit ihnen nicht durchsetzen, so daß es zu keinen gesetzgeberischen Maßnahmen kam.
332 Zu den Unterschieden des englischen und deutschen Kreditwesens s. Ruland, S. 81 ff. 333 Ruland, S. 92. 334 Ruland, S. 103. 335 Paersch, S. 33. 336 Wagner, S. 255 ff. 337 Ähnliche, wenn auch weniger weit gehende Forderungen erhob bereits 1894 NeumannHof er. Er forderte die Veröffentlichung von Bilanzen der Banken im Abstand von höchstens vier Wochen und deren Kontrolle durch eine neu zu errichtende Behörde, s. Neumann-Hofer, S. 215 ff. 338 Zu dieser Kritik s. Ruland, S. 75 ff. 6 Müller
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3. Die Bankenenquete 1908/09 In den Jahren 1908/09 wurde in Deutschland eine Bankenenquete durchgeführt, in deren Rahmen eine Reform des deutschen Finanz- und Kreditwesens beraten w u r d e . 3 3 9 Grund für ihre Einberufung waren die Auswirkungen einer Geldkrise in Amerika, die ab 1908 auch in Deutschland spürbar waren und sich in einer Geldverknappung, einem zu hohen Diskontsatz und einer Goldabwanderung äußert e n . 3 4 0 Die Bankenenquete nahm am 1. M a i 1908 ihre Arbeit auf. Neben grundsätzlichen Notenbank- und Währungsfragen, die Hauptgegenstand der Enquete waren, wurden auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen beraten. Dabei wurden vor allem die früheren Forderungen nach einer Regelung des Depositengeschäfts und der Errichtung einer staatlichen Aufsicht über die Kreditinstitute wieder aufgegriffen. I m Vordergrund stand dabei die Regelung des Depositengeschäfts. Der Enquete lag ein Fragebogen vor, dessen Punkt sechs 3 4 1 sich mit der Frage beschäftigte, ob und inwieweit es i m öffentlichen Interesse geboten sei, gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz der Depositen und Spareinlagen der Bankenkundschaft zu ergreifen und wie diese Maßnahmen auszusehen hätten. Dabei war insbesondere an gesetzliche Liquiditätsbestimmungen und erweiterte Publizitätsvorschriften für die Banken gedacht, die das Einlagengeschäft betrieben. Zu einer Beratung über diese Fragen kam es jedoch im Jahre 1908 nicht mehr. Anlaß dafür war ein Vorstoß der Berliner Großbanken, durch den sie sich freiwillig verpflichteten, ab dem 1. Januar 1909 regelmäßig Zweimonatsbilanzen zu veröffentlichen. Daraufhin entschloß sich die Enquete, die Bewährung dieser Veröffentlichungen in der Praxis abzuwarten und vertagte die Beratungen. Schließlich wurde erst i m November 1909 über die Regelung des Depositen wesens verhandelt. 3 4 2 Diese Verhandlungen blieben ergebnislos. Eine Errichtung von speziellen Depositenbanken wurde ebenso abgelehnt wie sonstige gesetzliche Eingriffe zur Regelung des Depositengeschäfts. Damit war der Plan aufgegangen, den die Berliner Banken mit ihrer Initiative offensichtlich verfolgt hatten. Durch die freiwillige Publizierung ihrer Bilanzen hatten sie den Befürwortern einer gesetzlichen Regelung des Depositenwesens den Wind aus den Segeln genommen und konnten damit eine gesetzliche Regelung vermeiden. 3 4 3 Neben den Beratungen über das Depositengeschäft befaßte sich die Bankenenquete auch mit der Errichtung eines staatlichen Aufsichtsamtes für die Banken. 339 Die erste Bankenenquete auf deutschem Boden überhaupt war die preußische Bankenenquete von 1851/52. s. dazu Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 385. 340 Tambert, S. 44.
341 Abgedruckt bei: Ruland, S. 106 f. 3 42 Ruland, S. 108. 343
S. 14.
Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931),
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Grundlage der Beratungen war ein Gutachten von Obst für die Bankenenquete, in dem er die Vorschläge seines Lehrers Wagner aus dem Jahr 1901 aufgriff und modifizierte. 3 4 4 I m Mittelpunkt dieser Vorschläge stand die Gründung eines Aufsichtsamtes, dessen Aufgabe es sein sollte, die Bankenkundschaft vor unseriösen Banken und Bankiers zu schützen. Ebenso wie Wagner konnte sich auch Obst i m Rahmen der Enquete nicht durchsetzen. 345 Seine Forderungen wurden abgelehnt, zu gesetzgeberischen Maßnahmen kam es nicht. Dabei waren die Argumente, die inner- und außerhalb der Enquete gegen eine staatliche Beaufsichtigung vorgebracht wurden, stets die gleichen. Es wurde bezweifelt, daß eine Aufsichtsbehörde die an sie gestellten Aufgaben, insbesondere die Kontrolle der Banken, wirksam würde erfüllen können. Vor allem befürchteten die Kritiker einer gesetzlichen Regelung jedoch, die Öffentlichkeit werde durch die Existenz eines Aufsichtsamtes in eine Sicherheit gewiegt werden, die das A m t nicht bieten könne. Das A m t habe damit eine zu große Verantwortung zu tragen. 3 4 6 Die Bankenenquete der Jahre 1908/09 blieb damit abgesehen von den freiwilligen Bilanzveröffentlichungen der Berliner Großbanken ergebnislos. 3 4 7
4. Die Bankenenquete 1928/30 Angesichts der schwierigen Lage des deutschen Kreditwesens in der Weimarer Republik fand in den Jahren 1928/30 ein weitere Bankenenquete statt. Sie war Bestandteil einer die ganze deutsche Wirtschaft umfassenden Enquete zur Erforschung der Strukturwandlungen der deutschen Wirtschaft nach Krieg und Inflat i o n . 3 4 8 Diese Enquete wurde durch einen „Untersuchungsausschuß der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft" durchgeführt. Den Fragen des Kreditwesens widmete sich in den Jahren 1928 bis 1930 ein Unterausschuß für Geld-, Kredit- und Finanzwesen. 3 4 9 Dieser Unterausschuß lieferte wertvolle Ergebnisse über die Zusammensetzung und Leistungsfähigkeit des deutschen Kreditwesens, die dessen weitere krisenhafte Entwicklung bereits erkennen ließen. 3 5 0 So wies der Ausschuß auf die Übersetzung des deutschen Kreditwesens und die damit verbundenen unerwünschten Konkurrenzerscheinungen sowie die Abhängigkeit der deutschen Großbanken von ausländischen Geldern hin. Zu einer praktischen Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse kam es 344 Abgedruckt bei: Obst, Das Bankgeschäft, Bd. II, S. 543 ff., zum Aufsichtsamt S. 547 ff. 345 Ruland, S. 121. 346 Mellingen Die Bank 1930, S. 724. 347 Tambert, S. 45. 348 Bankwissenschaft 1933, S. 385. 349 Bauer, S. 21. 350 Bankwissenschaft 1933, S. 385 f. Einen Überblick über die Ergebnisse der Enquete enthält Der Deutsche Oekonomist 1930, S. 1745 ff. *
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jedoch n i c h t . 3 5 1 Die Bankenenquete 1928/30 blieb somit mehr noch als die Enquete von 1908/09 ergebnislos.
IV. Die Notverordnungen von 1931 Das Jahr 1931 stürzte das deutsche Kreditwesen in die schwerste Krise seiner Geschichte. 3 5 2 Das Reich mußte erhebliche finanzielle Opfer zur Sanierung der Kreditinstitute aufbringen. Vor diesem Hintergrund erhielten die - keineswegs neuen - Forderungen nach Einführung einer Bankenaufsicht neuen Vorschub. 3 5 3 Die Öffentlichkeit forderte, daß dem Staat auch Einfluß auf das Bankwesen eingeräumt werden müsse, wenn er sich i m Krisenfalle an den Verlusten der Banken finanziell beteilige. 3 5 4 Der Druck der Öffentlichkeit wurde schließlich so groß, daß die Reichsregierung gleichsam zur Einführung einer Bankenaufsicht gezwungen w u r d e . 3 5 5 Sie beugte sich diesem Druck, indem sie kurz nach dem Höhepunkt der Krise am 19. September und am 6. Oktober 1931 zwei Notverordnungen erließ, mit denen zum einen eine Bankenaufsicht in Deutschland eingefühlt und zum anderen das Sparkassenwesen reformiert wurde. Eine dritte Notverordnung vom 8. Dezember 1931 diente der Regulierung des Zinsniveaus am Geld- und Kapitalmarkt.
1. Die Notverordnung vom 19. September 1931 Die Notverordnung der Reichsregierung vom 19. September 1 9 3 1 3 5 6 war ein entscheidender Schritt in der Geschichte der deutschen Bankenaufsicht. Sie führte in ihrem zweiten Teil, Art. I 3 5 7 erstmals zentrale staatliche Instanzen auf Reichsebene zur Beaufsichtigung des Kreditwesens ein.
351
Banksystem im Umbau, S. 6. 52 s.o., Teil Ι , Β . , Ι Ι . , 1.
3
3 3
^
Vgl. Paersch, S. 164. Schulze, S. 25. Demgegenüber wurde in der Fachwelt die Einführung einer allgemeinen Bankenaufsicht auch angesichts der Krise überwiegend abgelehnt. So sprachen sich etwa Der Deutsche Oekonomist (1931, S. 1221 f.), Obst (Die Betriebswirtschaft 1930, S. 161 ff.), Schwanz (Wirtschaftsdienst 1931, S. 1498ff.) und Lansburgh (Die Bank 1931, S. 1099ff.) gegen eine Beaufsichtigung des Bankwesens durch staatliche Instanzen aus. Für die Einführung einer Bankenaufsicht plädierte dagegen Mellerowicz (Bankwissenschaft, Jg. 8, 1931/ 32, S. 505 ff. und 573 ff.). 355 Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 14. Ähnlich Probus, Der Deutsche Volkswirt 1931, S. 1750. 356 Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und Steueramnestie vom 19. September 1931 (RGBl. I, S. 493). 357 RGBl. I, S. 501-503. Im folgenden beziehen sich zitierte Paragraphen auf diesen Abschnitt der Verordnung. 354
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a) Die Entstehung der Notverordnung Die grundsätzliche Entscheidung über die Einführung einer Bankenaufsicht fiel in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Reichskabinetts vom 26. Juli 1931. In dieser Sitzung wies Reichsfinanzminister Dietrich darauf hin, daß staatliche Sanierungsmaßnahmen mit einer Bankenaufsicht verbunden werden müßten. 3 5 8 Diese Forderung Dietrichs stieß auf keinen Widerstand der anderen Sitzungsteilnehmer und wurde insbesondere von Reichskanzler Brüning und dem Reichsbankpräsidenten Luther begrüßt. 3 5 9 So wies Brüning vor allem darauf hin, „es gehe auf die Dauer nicht an, daß der Staat private Gewinne zuließe und bei Verlusten eintreten müsse". 3 6 0 Stand somit aufgrund dieser Sitzung die Einführung einer Bankenaufsicht fest, so mußten jedoch noch ihre organisatorische Ausgestaltung und ihre Kompetenzen ausgearbeitet werden. Zu diesem Zweck zog Brüning neun Sachverständige aus Banken, Industrie, Landwirtschaft, Genossenschaften, Reich und Wissenschaft heran. 3 6 1 Er erweiterte damit den Wirtschaftsausschuß, der zum entscheidenden Gremium für die Ausarbeitung der Notverordnung wurde. In der zweiten Augusthälfte beriet der erweiterte Wirtschaftsausschuß grundsätzliche Fragen der Bankenaufsicht. Bei diesen Beratungen standen vor allem zwei Fragen i m Raum, um die heftig gerungen wurde: Wer sollte die Aufsicht ausüben, die Reichsbank oder eine von ihr unabhängige Behörde? Welche Kompetenzen sollte die Bankenaufsicht haben? 3 6 2 Naturgemäß plädierten die Vertreter der Reichsbank, aber auch eine Reihe weiterer Mitglieder des erweiterten Wirtschaftsausschusses dafür, die Aufsicht durch die Reichsbank wahrnehmen zu lassen. Sie argumentierten, eine durch die Zentralbank ausgeübte Aufsicht sei dem privatwirtschaftlichen System am besten ange363
messen. Dagegen lehnten insbesondere die Vertreter des Reiches, die beiden ehemaligen Reichsfinanzminister Dernburg und Hilferding, eine Beaufsichtigung durch die Reichsbank ab. Dernburg wies darauf hin, daß die Politik der Reichsbank mit der des Reiches in der Vergangenheit häufiger nicht übereingestimmt hatte und es zu 358 Aufzeichnung über die Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Reichskabinetts, abgedruckt bei: Born, Die deutsche Bankenkrise 1931, S. 194. 359 Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 15. 360 Aufzeichnung über die Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Reichskabinetts, abgedruckt bei: Born, Die deutsche Bankenkrise 1931, S. 196. 361 Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 15 f. 362 Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 17 f. 3 3 ^ Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 17.
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Differenzen zwischen Reichsbank und Reichsregierung gekommen w a r . 3 6 4 In der Einrichtung der Aufsicht bei der Reichsbank sahen Dernburg und Hilferding somit offenbar eine Gefahr für die Politik des Reiches auf dem Gebiet des Bankwesens. Sie sprachen sich daher für die Errichtung eines Bankamtes aus, das zwar mit der Reichsbank zusammenarbeiten, von dieser aber völlig unabhängig sein sollte. 3 6 5 Diese Ansicht machte sich auch Brüning zu eigen, der aus innenpolitischen Gründen die Beteiligung der Reichsregierung an der Bankenaufsicht für notwendig hielt.366 Die Entscheidung über die Organisation der Aufsicht fiel nach Gesprächen zwischen Reichsbank und Regierung in der ersten Septemberwoche. 367 Sie lief auf einen Kompromiß zwischen den beiden vorgetragenen Vorschlägen hinaus. Aufgrund dieses Kompromisses wurde die Aufsicht dem sogenannten Kuratorium für das Bankgewerbe übertragen, einer kollegial von Vertretern der Reichsbank und der Reichsregierung besetzten Behörde. 3 6 8 Das Exekutivorgan dieses Kuratoriums war das neu geschaffene A m t des Reichskommissars für das Bankgewerbe. Die Organisation der Bankenaufsicht stand somit in ihren Grundzügen fest. Ebenso wie die Organisation der Bankenaufsicht waren auch deren Kompetenzen umstritten. Die Vorschläge reichten von der Einräumung weitreichender Vollmachten bis zur Ansicht des Vertreters der Banken Pferdemenges, der naturgemäß die Auffassung vertrat, die Aufsicht „brauche ( . . . ) nicht weit zu g e h e n " . 3 6 9 Die schließlich gefundene Lösung kann ebenfalls als ein Kompromiß zwischen den verschiedenen Ansichten angesehen werden. 3 7 0 A u f der Grundlage der getroffenen Vereinbarungen wurde ein entsprechender Entwurf erarbeitet, der von den beteiligten Ministern in Besprechungen am 14. und 16. September 1931 akzeptiert w u r d e . 3 7 1 Anschließend wurde der Entwurf am 17. September 1931 dem erweiterten Wirtschaftsausschuß vorgelegt. Die dabei vorgebrachten Bedenken führten zu geringfügigen Änderungen des Entwurfes, dem der erweiterte Wirtschaftsausschuß schließlich zustimmte. Nunmehr wurde der Entwurf am 18. September von der Reichsregierung verabschiedet und am 19. September mit der Unterschrift des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers als Notverordnung in Kraft gesetzt. 364 Vgl. di e Niederschrift über die Sitzung des erweiterten Wirtschaftsausschusses vom 29. 8. 1931, abgedruckt bei: Born, Die deutsche Bankenkrise 1931, S. 234; s. o., Teil 1, C., II, 1. 365 Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 18. 366 Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 19. 367 Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 18. 368 Näheres zu dem Kuratorium s. u., Teil 1, C., IV., 1., b), (1). 369 Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 18. 370 Zu den Kompetenzen der Bankenaufsicht s. u., Teil 1, C., IV., 1., b), (2). 371 Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 19.
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b) Der Inhalt der Notverordnung Eine Reihe von Bestimmungen der Notverordnung wurde i m Grundsatz in das spätere K W G übernommen. I m Folgenden wird daher ein Überblick über die wichtigsten Bestimmungen der neu geschaffenen Bankenaufsicht gegeben.
(1) Das Kuratorium und der Reichskommissar für das Bankgewerbe Die neu errichteten Behörden für die Beaufsichtigung der Banken waren das Kuratorium für das Bankgewerbe und der Reichskommissar für das Bankgewerbe. Das Kuratorium wurde gem. § 1 Abs. 1 N o t V O bei der Reichsbank bestellt und bestand aus fünf Mitgliedern. Ihm gehörten neben dem Reichsbankpräsidenten als Vorsitzendem die Staatssekretäre des Reichswirtschafts- und des Reichsfinanzministeriums, der Reichskommissar für das Bankgewerbe und ein Mitglied des Reichsbankdirektoriums an (§ 1 Abs. 2 NotVO). Diese enge Verzahnung von Vertretern der Reichsbank und der Regierung innerhalb des Kuratoriums gewährleistete, daß die Ausübung der Bankenaufsicht sowohl mit den Zielen der Reichsbank als auch mit denen der Regierung übereinstimmte und Unstimmigkeiten zwischen beiden vermieden w u r d e n . 3 7 2 Gegenüber den beaufsichtigten Banken trat das Kuratorium i m allgemeinen nicht unmittelbar in Erscheinung. 3 7 3 Hier stand der Bankenkommissar i m Vordergrund. Das Kuratorium stellte jedoch die Richtlinien für die Amtsführung des Bankenkommissars auf (§ 2 Abs. 1 NotVO) und konnte ihm aufgeben, bestimmte Grundsätze für die Geschäftsführung der Banken zu erlassen (§ 6 Abs. 2 S. 2 NotVO). Damit war das Kuratorium für die Ausgestaltung der Bankenaufsicht von entscheidender Bedeutung, denn durch die Ausübung seiner Befugnisse gab es der Bankenaufsicht erst den eigentlichen Inhalt.374 Das ausführende Organ der Bankenaufsicht war der Reichskommissar für das Bankgewerbe. 3 7 5 Er wurde vom Reichspräsidenten auf Vorschlag der Reichsregierung und im Benehmen mit dem Reichsbankpräsidenten bestellt (§ 1 Abs. 4 S. 1 NotVO), so daß auch hier die Übereinstimmung von Reichsbank und Reichsregierung hinsichtlich der Person des Bankenkommissars gesichert war. Sachlich unterstand er dem Kuratorium, disziplinarisch dem Reichswirtschaftsminister (§ 1 Abs. 3 S. 2 NotVO). Somit war der Bankenkommissar lediglich an die Anweisungen des Kuratoriums gebunden und nicht vom Reichswirtschaftsminister wei372 Vgl. Paersch, S. 38. 373 Eine Ausnahme stellte die Befugnis des Kuratoriums dar, im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Unternehmen als Bank zu gelten hatte (§ 2 Abs. 2 S. 1). 374 Mellerowicz, Bankwissenschaft, Jg. 8, 1931/32, S. 512. 375 Vgl. Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 19.
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sungsabhängig. 376 In der Praxis war das A m t des Bankenkommissars außerordentlich wichtig. Die in der Notverordnung vorgesehenen Aufgaben und Befugnisse gegenüber den Banken waren auf ihn übertragen. Er war es somit, der i m Einzelfall die Aufsicht über die Banken ausübte. Zudem konnte er i m Kuratorium aufgrund seiner in der Praxis gesammelten Erfahrungen erheblichen Einfluß auf die Ausgestaltung der Aufsicht nehmen. 3 7 7 Der Bankenkommissar war damit die wichtigste Einzelpersönlichkeit der Bankenaufsicht. 3 7 8 Zum ersten Bankenkommissar wurde der Ministerialdirektor des preußischen Handelsministeriums Dr. Friedrich Ernst bestimmt. Er war wiederholt als Staatskommissar an der Berliner Börse tätig gewesen, so daß er mit dem deutschen Bankwesen vertraut war. Darüber hinaus verfügte er über Beziehungen zur deutschen Kreditwirtschaft und war daher besonders für das A m t geeignet. Das Verhältnis zwischen Kuratorium und Bankenkommissar läßt sich folglich dahingehend charakterisieren, daß das Kuratorium als vorgesetzte Behörde des Bankenkommissars Art und Umfang der Bankenaufsicht grundsätzlich bestimmte, während die praktische Umsetzung dieser Aufsicht dem Bankenkommissar vorbehalten war. Die Mitgliedschaft des Bankenkommissars i m Kuratorium und seine Verpflichtung zur engen Zusammenarbeit mit diesem (§ 6 Abs. 1 NotVO) gewährleistete, daß diese Aufgabenteilung ohne Reibungsverluste funktionierte.
(2) Die Aufgaben und Befugnisse der Bankenaufsicht Die Aufgaben des Bankenkommissars waren in § 3 N o t V O niedergelegt. Dort hieß es, der Bankenkommissar habe „sich über die Lage des deutschen Bankgewerbes und der deutschen Kreditwirtschaft, insbesondere ihre Beziehungen zum Ausland, fortlaufend zu unterrichten und die allgemeine Bankenpolitik vom Standpunkt der deutschen Gesamtwirtschaft aus zu beeinflussen". Diese zentrale Vorschrift der Notverordnung übertrug dem Bankenkommissar somit zwei Aufgaben, zum einen die Beobachtung der deutschen Bankenlandschaft und zum anderen die Beeinflussung der allgemeinen Bankenpolitik. Damit verfolgte die Notverordnung eine doppelte Zielsetzung. Die Aufgabe, sich über die Lage des deutschen Kreditwesens zu informieren, war eine reine Aufsichtsmaßnahme, die eine Wiederholung der Ereignisse von 1931 vermeiden sollte. Denn die Reichsregierung wurde seinerzeit viel zu spät über die kritische Lage der Banken informiert und konnte auch während der Krise kaum zuverlässige Informationen erhalten, 3 7 9 so daß eine wirksame Bekämpfung der Kreditkrise durch das 376 Schulze, S. 26 f. 377 Vgl. Schulze, S. 27. 378 Mellerowicz (Bankwissenschaft, Jg. 8, 1931/32, S. 515) bezeichnete ihn als „Seele der Bankaufsicht". 379 Born, Die Auseinandersetzung um die Einführung der Bankenaufsicht (1931), S. 14.
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Reich außerordentlich erschwert wurde. Anders verhielt es sich mit der zweiten Aufgabe des Bankenkommissars, der Beeinflussung der Bankenpolitik. Hiermit sicherte sich das Reich über seine aufsichtsrechtlichen Befugnisse hinaus die Möglichkeit, unter Zuhilfenahme des Bankenkommissars Wirtschaftspolitik zu betreiben. Die Notverordnung stellte sich damit nicht nur als bloßes Aufsichtsrecht dar, sondern diente auch als Mittel der allgemeinen Wirtschaftspolitik. 3 8 0 Die Befugnisse des Bankenkommissars zählte § 6 Abs. 2 N o t V O auf. Sie enthielten ein umfassendes Recht, von den Banken Auskünfte in allen Geschäftsangelegenheiten zu verlangen und Einsicht in ihre Bücher zu nehmen, das Recht, an den Generalversammlungen, sonstigen Versammlungen und an den Sitzungen der Organe der Banken teilzunehmen und in ihnen das Wort zu ergreifen sowie das Recht, die Einberufung entsprechender Versammlungen und Sitzungen sowie die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung zu verlangen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 - 3 ) . Diese Befugnisse deckten sich weitgehend mit denen, die den Aufsichtsbehörden der Hypothekenbanken zustanden. 3 8 1 Anders als diese hatte der Bankenkommissar jedoch kein allgemeines Anordnungsrecht gegenüber den Banken und konnte ein bestimmtes Verhalten der Banken nicht erzwingen. 3 8 2 Die dem Bankenkommissar zugewiesenen Befugnisse verliehen ihm somit in erster Linie eine beobachtende Stellung, 3 8 3 während ihm ein aktives Eingreifen in das deutsche Kreditwesen zumindest mit rechtlichen Mitteln nicht möglich war. Da eine seiner Aufgaben jedoch gerade in der Beobachtung des deutschen Kreditwesens lag, waren diese Befugnisse insoweit vollkommen ausreichend. 384 Anders verhielt es sich dagegen mit seiner Aufgabe, die deutsche Bankpolitik zu beeinflussen. Hierzu standen dem Bankenkommissar lediglich Vorschlagsrechte zur Verfügung. So konnte er, falls er Mißstände i m deutschen Kreditwesen festgestellt hatte, gegenüber dem Kuratorium Vorschläge machen, wie diese zu beseitigen seien (§ 6 Abs. 1 NotVO) und war befugt, dem Kuratorium „Vorschläge für Grundsätze allgemeiner Art über die Geschäftsführung der Banken zu machen" (§ 6 Abs. 2 S. 1 NotVO). A u f die Umsetzung dieser Vorschläge hatte er allerdings keinen Einfluß. Die Möglichkeiten des Bankenkommissars, mit Hilfe der Notverordnung wirksame Wirtschaftspolitik zu betreiben, waren folglich sehr beschränkt. Waren die Befugnisse des Bankenkommissars abschließend in der Notverordnung niedergelegt, so enthielt sie andererseits zugunsten des Kuratoriums eine äußerst weitreichende Ermächtigung. Das Kuratorium konnte dem Bankenkommissar i m Zusammenhang mit dessen Vorschlagsrecht aufgeben, Grundsätze allgemeiner Art über die Geschäftsführung der Banken zu erlassen, ohne daß diese Ermächtigung in irgendeiner Hinsicht eingeschränkt war (§ 6 Abs. 2 S. 2 NotVO). 380 Vgl. Schulze, S. 27. 381 S.o., T e i l 1,C.,II., 3. 382 Schulze, S. 28. 383 Vgl. Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1933, S. 924. 384 Schulze, S. 28.
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Das Kuratorium war somit kraft dieser Ermächtigung in der Lage, Normativbestimmungen zu erlassen und damit in die Geschäftsführung der Banken einzugreifen. (3) Geltungsbereich § 10 Abs. 2 N o t V O bestimmte, welche Institute der neu geschaffenen Bankenaufsicht unterlagen. Demnach galt die Notverordnung grundsätzlich für das gesamte Kreditwesen, ausgenommen wurden jedoch die Privatnotenbanken, 385 die deutsche Golddiskontbank, 3 8 6 die Hypothekenbanken, die Bausparkassen 387 und die Sparkassen. Für all diese Institute bestand bereits eine staatliche Aufsicht, so daß es entbehrlich erschien, sie ebenfalls der Aufsicht des Kuratoriums und des Bankenkommissars zu unterstellen. Die Notverordnung erfaßte somit in erster Linie das private Bankwesen, die Kreditgenossenschaften und die öffentlichen B a n k e n 3 8 8 und führte dazu, daß mit ihrer Verabschiedung in Deutschland kein Kreditinstitut mehr existierte, das nicht einer staatlichen Aufsicht unterstand.
(4) Zusammenfassung Die Notverordnung regelte eingehend die Organe der neu installierten Bankenaufsicht und gewährleistete durch detaillierte Bestimmungen, daß der Bankenkommissar sich genaue Kenntnis vom Stand und der Entwicklung des deutschen Kreditwesens verschaffen konnte. Darüber hinaus enthielt die Notverordnung ebenso weitgehende wie unbestimmte Ermächtigungen zugunsten des Kuratoriums, so daß die Auswirkungen der Notverordnung auf das deutsche Kreditwesen bei ihrem Erlaß nicht abzusehen war. Dies ist vor dem Hintergrund verständlich, daß es zum einen in Deutschland an Erfahrungen mit einer derart umfassenden Bankenaufsicht fehlte und zum anderen die Notverordnung in großer Hast erlassen worden w a r . 3 8 9 M i t der weiten Fassung der Notverordnung war dem Reich die Möglichkeit gegeben worden, auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse schrittweise zu einer eingehenden Beaufsichtigung der deutschen Banken zu gelangen. 3 9 0
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Sie fielen gemeinsam mit der Reichsbank unter die Regeln des Bankgesetzes. Als 100%ige Tochter der Reichsbank war die Aufsicht nach der Verordnung über sie entbehrlich. 387 Diese unterlagen bereits der Aufsicht aufgrund des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 (RGBL I, S. 315). 388 Vgl. Mellerowicz, Bankwissenschaft, Jg. 8,1931/32, S. 513 f. Für die öffentlichen Banken bedeutete dies, daß sie einer doppelten Aufsicht unterlagen, vgl. o., Teil 1, C., II., 2., b). 38 9 Vgl. Möschel, S. 201. 590 Vgl. Mellerowicz, Bankwissenschaft, Jg. 8, 1931/32, S. 512. 386
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c) Durchführung und Bewährung der Notverordnung bis zum Erlaß des KWG Die Notverordnung vom 19. September 1931 war eine wichtige Weichenstellung für das spätere K W G . 3 9 1 Über die Erfahrungen mit der neuen Bankenaufsicht erstattete der Referent beim Reichskommissar für das Bankgewerbe Paersch i m Rahmen der Bankenenquete von 193 3 3 9 2 ein ausführliches Referat. 3 9 3 Damit wurde erstmals der Öffentlichkeit Einblick in die Arbeitsweise der Bankenaufsicht gegeben. 3 9 4 Paersch berichtete über die bisherige Arbeit der Bankenaufsicht und untersuchte, inwieweit die der Aufsicht gestellten Aufgaben mit Hilfe der in der Notverordnung vorgesehenen Befugnisse erfüllt werden konnten. Hinsichtlich der Aufgabe des Bankenkommissars, sich über die Lage der deutschen Kreditwirtschaft zu unterrichten, fiel die Bilanz positiv aus. Es gelang dem Bankenkommissar sehr bald, sich einen genauen Einblick in die Verhältnisse und Bedürfnisse der deutschen Kreditwirtschaft zu verschaffen. Dabei war er in erster Linie nicht auf die dafür vorgesehenen Befugnisse angewiesen, vielmehr gelang es ihm, enge Verbindungen zu den Spitzenverbänden des Kreditgewerbes zu knüpfen, wodurch ihm die erforderlichen Informationen aus freien Stücken zur Verfügung gestellt wurden. 3 9 5 Ein Ausbau der Befugnisse in dieser Richtung wurde daher nicht für erforderlich gehalten. 3 9 6 Kritischer fiel dagegen die Bewertung der Notverordnung hinsichtlich der Aufgabe des Bankenkommissars aus, die deutsche Bankenpolitik vom Standpunkt der Gesamtwirtschaft aus zu beeinflussen. Hier war der Reichskommissar, da ihm insoweit kaum Befugnisse zur Verfügung standen, auf eine informelle Einflußnahme i m Konsens mit den beteiligten Banken angewiesen. 3 9 7 Zwar gelang es ihm, auf diesem Weg eine Reihe von Maßnahmen zu erreichen, 3 9 8 dennoch wurden die Befugnisse des Bankenkommissars zur Beeinflussung der Bankenpolitik als nicht ausreichend angesehen. 399
391 392
Wandel, Die deutsche Bankengesetzgebung, S. 18. s. u., Teil 2, C., IV.
393 Paersch, „Maßnahmen des Staates hinsichtlich einer Beaufsichtigung und Reglementierung des Bankwesens", in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 31-66. 39 4 Tern, S. 1581. 39 5 Paersch, S. 39 f. 39 6 Paersch, S. 64. 39 7 Vgl. etwa Paersch, S. 55 f. 398 So wirkte Ernst beispielsweise bei der Sanierung der Großbanken nach der Krise (s. o., Teil 1, B., II., 3., a)) mit, widmete sich der Unterstützung zahlreicher Regionalbanken und Bankiers und warb bei den Banken um eine stärkere Pflege des Mittelstandskredits. Vgl. die Übersicht bei Stolper, Der Deutsche Volkswirt 1932, S. 72. Näher dazu Paersch, S. 38 ff. 399
Paersch, S. 65.
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
Besonders weitreichende Möglichkeiten waren der Bankenaufsicht durch die Ermächtigung zugunsten des Kuratoriums gegeben, Grundsätze für die Geschäftsführung der Banken zu erlassen. Insoweit waren von der Bankenaufsicht eine Reihe von Maßnahmen ins Auge gefaßt worden, wie sie später i m K W G gesetzlich fixiert w u r d e n . 4 0 0 Von der Umsetzung dieser Maßnahmen sahen das Kuratorium und der Bankenkommissar jedoch mit Rücksicht auf die schwierige wirtschaftliche Situation der Banken nach der Krise weitgehend a b . 4 0 1 Gleichwohl betonte Paersch, daß zukünftig derartige Grundsätze für die Banken aufgestellt werden müßten und hielt daher die entsprechende Ermächtigung der Notverordnung für unverzichtbar. 4 0 2 Schließlich lobte Paersch ausdrücklich die Organisation der Bankenaufsicht. Die Tatsache, daß der Bankenkommissar nur an die Weisungen des Kuratoriums gebunden war, in denen Vertreter der Reichsbank und der Regierung gleichermaßen vertreten waren, hatte ihm zu einer politisch weitgehend unabhängigen Stellung verholfen. Dadurch gelang es dem Bankenkommissar, sich gegenüber den Banken die erforderliche Autorität und das erforderliche Vertrauen zu verschaffen 4 0 3 Aus diesem Grund konnte er die von ihm angestrebten Maßnahmen i m Einvernehmen mit den Banken umsetzen, ohne auf rechtliche Anordnungen oder Zwangsmittel zurückgreifen zu müssen. Diese politische Unabhängigkeit der Bankenaufsicht und insbesondere des Bankenkommissars wurde als einer der größten Vorzüge der Notverordnung herausgestellt. 404 Insgesamt fiel die Bewertung der bisherigen Bankenaufsicht positiv aus. Sie ermöglichte es den Aufsichtsinstanzen, einen genauen Einblick in die Verhältnisse des deutschen Kreditwesens zu nehmen und schaffte damit die Voraussetzungen für eine wirksame Beaufsichtigung der Banken. Zudem gewährleistete die Organisation der Aufsicht ein fruchtbares und vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen Banken und Aufsichtsbehörden. Allerdings wies Paersch auch darauf hin, daß die Aufsicht aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 weiter ausgebaut werden müsse. Hier forderte er vor allem den Erlaß von Normativbestimmungen für die Banken sowie den Ausbau der Befugnisse der Bankenaufsicht bezüglich einer wirksamen Beeinflussung der Bankenpolitik 4 0 5
400
Z. B. Regelungen über Eigenkapitalausstattung, Höchstkredite und Liquidität. 01 Paersch, S. 57 f. 4 02 Paersch, S. 65. 4 03 Vgl. Stolper, Der Deutsche Volkswirt 1932, S. 72. 4
«w Paersch, S. 66. 05 Paersch, S. 64 ff.
4
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d) Zusammenfassung Der durch die Notverordnung vom 19. September 1931 neu geschaffenen Bankenaufsicht waren sehr weite Aufgaben zugewiesen, dem ausführenden Organ dieser Aufsicht, dem Bankenkommissar, standen jedoch nur beschränkte Befugnisse zu. Diese Tatsache sowie der Umstand, daß das Kuratorium für das Bankgewerbe von der Möglichkeit zum Erlaß von Normativbestimmungen für die Banken keinen Gebrauch machte, führten dazu, daß die Bankenaufsicht eher restriktiv und i m Einvernehmen mit den beteiligten Banken gehandhabt wurde. Die Bankenaufsicht nahm daher weniger eine regulierende als vielmehr eine beobachtende Stellung e i n . 4 0 6 Sie war damit für die beaufsichtigten Banken tragbar und leistete wertvolle Vorarbeiten für die Schaffung des späteren K W G . 4 0 7
2. Die Notverordnung vom 6. Oktober 1931 Neben den Großbanken waren die Sparkassen von der Krise des Jahres 1931 am härtesten betroffen 4 0 8 Dabei hatte sich die enge Verflechtung der rechtlich unselbständigen Sparkassen mit den Kommunen und Kommunalverbänden als verhängnisvoll erwiesen, so daß das Verhältnis zwischen Sparkassen und Kommunen reformbedürftig w a r 4 0 9 Diese Reform erfolgte durch die Notverordnung vom 6. Oktober 1931, 4 1 0 die die erste umfassende reichsrechtliche Regelung des Sparkassenwesens überhaupt darstellte. 4 1 1 § 2 Abs. 1 N o t V O vollzog die rechtliche Trennung von Sparkassen und Kommunen. Er verpflichtete die Länderregierungen, die Sparkassen zu Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit umzugestalten, wobei aber die Haftung der Kommunen oder Kommunalverbände für die Verbindlichkeiten der Sparkassen fortzubestehen hatten. 4 1 2 Ergänzt wurde diese Trennung durch die Regelung des § 3 NotVO, 406 Vgl. Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 23; Meilinger, Die Bank 1934, S. 313; Müller, KWG-Erläuterung, S. 156. 407 So ließen vor allem Bankenkommissar Ernst und Reichsbankpräsident Schacht ihre Erfahrungen mit der bisherigen Aufsicht in das KWG einfließen. Vgl. auch Bauer, S. 36; Meilinger, Die Bank 1934, S. 313. 408 s.o., Teil l,B.,II.,3.,b). 409 Born, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 133. Aus diesem Grund war den Sparkassen bereits aufgrund einer Verordnung vom 5. August 1931 (RGBl. I, S. 429) bis auf weiteres verboten worden, Kommunalkredite zu gewähren. 410 „Dritte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. Oktober 1931" (RGBl. I, S. 537). Zitierte Paragraphen beziehen sich auf den fünften Teil, Art. 1 der Verordnung (RGBl. I, S. 554). 4Π Vgl. Sommer, S. 169. 412 Die entsprechende Umsetzung durch die Länder erfolgte in Preußen durch Verordnung v. 20. Juli/4. August 1932 (GS S. 241, 275).
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wonach die Organe der Sparkassen nicht ausschließlich aus Personen bestehen durften, die gleichzeitig den Organen des Gewährträgers angehörten. Dadurch wurde zum einen die personelle Verflechtung zwischen Sparkassen und Kommunen gelockert, zum anderen konnten nunmehr aus dem Bankfach kommende kompetente Personen in den Sparkassenvorstand berufen werden. 4 1 3 Neben der Verselbständigung der Sparkassen stellte die Notverordnung eine Reihe von Normativbestimmungen zur Regelung der Geschäftsführung der Sparkassen auf, die über die Bestimmungen der Mustersatzung von 1927 hinausgingen. So wurde das Kommunaldarlehensgeschäft der Sparkassen stark beschränkt (§ 4 N o t V O ) . 4 1 4 Darüber hinaus waren die Sparkassen verpflichtet, die Spareinlagen von den sonstigen Einlagen getrennt zu bilanzieren und in einer bestimmten Weise anzulegen (§ 5 NotVO) 4 1 5 Schließlich wurden den Sparkassen genaue Vorschriften zur Liquiditätshaltung gegeben (§ 5 Abs. 2 - 4 , § 6 NotVO) und Höchstgrenzen für die Gewährung von Personalkrediten 416 aufgestellt (§ 8 NotVO). Durch diese Normativbestimmungen sollte eine erneute Illiquidität der Sparkassen vermieden werden 4 1 7 Die Notverordnung vom 6. Oktober 1931 begründete somit die Selbständigkeit der Sparkassen. Sie baute das auf der Mustersatzung von 1927 beruhende System der Normativbestimmungen für die Sparkassen aus, so daß die Sparkassen i m Vergleich zu den anderen Gruppen des deutschen Kreditwesens einer recht detaillierten Aufsicht unterlagen, die durch landesrechtliche Regelungen und neue Mustersatzungen weiter verfeinert wurde 4 1 8 Die bisher bestehende Organisation der Aufsichtsbehörden und ihrer Befugnisse blieb dagegen durch die Notverordnung unangetastet.
3. Die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 Die Notverordnungen vom 19. September und 6. Oktober 1931 waren die unmittelbare Reaktion auf die Bankenkrise und dienten der Sicherung und Stabilisierung des Kreditwesens. Neben der Krisenanfälligkeit der Kreditinstitute stand das Kreditwesen jedoch vor einem weiteren Problem. Dieses bestand in dem überhöhten Zinsniveau am Geld- und Kapitalmarkt. Es gefährdete zwar nicht den Bestand der 413 Piorkowski,
S. 102.
414
Das strikte Verbot aufgrund der Verordnung vom 5. August 1931 wurde damit wieder gelockert. 415
Vgl. dazu die ähnlichen Bestimmungen gem. §§ 24 f. KWG. 416 Zum Begriffs, u., Teil 4, F., III., 1. ™ Born, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 133. 4 i8 Vgl. etwa die preußische Verordnung v. 20. Juli/4. August 1932 (GS S. 241, 275) sowie die preußische Mustersatzung für Sparkassen v. 26. August 1932 (i. d. F. v. 27. Dezember 1934 abgedruckt bei Perdelwitz/Fabricius/Kleiner, S. 82), die die Aufsicht über die Sparkassen und deren Geschäftsführung sehr detailliert regelten.
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933
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einzelnen Kreditinstitute, stellte für die Gesamtwirtschaft jedoch eine zunehmend untragbare Belastung dar, da Deutschland gegen Ende 1931 das weltweit höchste Zinsniveau aller Industrieländer aufwies. 4 1 9 Die auf Kredit dringend angewiesene Wirtschaft war daher mit erheblichen Zinskosten belastet. Dadurch wurde die Sanierung der durch die allgemeine Wirtschaftskrise hart getroffenen Unternehmen stark erschwert und eine wirtschaftliche Belebung behindert. Das hohe Zinsniveau und die damit verbundenen hohen Kreditkosten verwundern angesichts der harten Konkurrenz, die seit dem Ersten Weltkrieg i m Kreditwesen bestand 4 2 0 Vielmehr war aufgrund der Vielzahl der Kreditinstitute, die sich in einem schrumpfenden Markt betätigten, an sich mit sinkenden Zinsen zu rechnen 4 2 1 Tatsächlich jedoch war seitens der Wirtschaft die Nachfrage nach Kredit sehr groß und konnte durch die Kreditinstitute, die über zu wenig Fremdkapital verfügten, nur unzureichend befriedigt werden. Denn das Problem der Banken und Sparkassen bestand nicht darin, die ihnen zufließenden fremden Gelder dem Kreditmarkt zuzuführen. Vielmehr waren sie heftig um die Hereinnahme fremder Gelder bemüht, um die an sie heran getragene Nachfrage nach Kredit befriedigen zu können. Der ungewöhnlich heftige Wettbewerb der Kreditinstitute wurde daher nicht i m Aktiv-, sondern i m Passivgeschäft ausgetragen. Vor diesem Hintergrund überboten sich die Kreditinstitute bei der Gewährung von Zinsen auf Einlagen der Kunden, um möglichst viel Gelder für die Kreditgewährung an sich zu ziehen, so daß das Niveau der Passivzinsen stetig in die Höhe stieg. Gleichzeitig waren die Institute gezwungen, die Kreditzinsen ebenfalls zu erhöhen, um die gestiegenen Kosten des Passivgeschäftes decken zu können 4 2 2 Als Ergebnis dieser Entwicklung war die deutsche Wirtschaft bereits vor der Bankenkrise von 1931 mit außerordentlich hohen Zinsen belastet. So betrug das Zinsniveau am deutschen Kapitalmarkt 1931 mit durchschnittlich 8, 82% annähernd das doppelte der ausländischen Sätze, während i m gleichen Jahr die Zinsen am deutschen Geldmarkt mit durchschnittlich 7, 48% die ausländischen Sätze 4 2 3 sogar um das dreieinhalbfache über424
stiegen. I m Zuge der Bankenkrise verschärfte sich die Situation abermals. So waren i m Vorfeld der Krise Milliarden ausländischer Kredite zurückgezahlt worden 4 2 5 und die Spartätigkeit der deutschen Bevölkerung sank auf ein Minimum. Das Angebot an fremden Geldern erfuhr damit eine weitere Verknappung, so daß der Wettbewerb um diese Gelder die Zinsen weiter steigen ließ. Gleichzeitig waren die 419 Juristische Wochenschrift 1931, S. 3621. 420 s.o., Teil l,B.,I.,4.,c). 421 Vgl. Wegner, S. 1746. 422 Wegner, S. 1746. 423 Die deutschen Kapital- und Geldmarktzinsen wurden mit denen der Kapital- und Geldmärkte von New York, London, Amsterdam, Zürich und Paris verglichen. 424 42
Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 19. 5 s.o., Teil 1,B., II., 1.
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Kreditinstitute angesichts der allgemeinen Wirtschaftskrise gezwungen, bei der Kreditgewährung ihre Risikoprämien zu erhöhen, was zu einer zusätzlichen Verteuerung der Kredite führte. Das Ergebnis dieser Entwicklungen war ein weiteres Ansteigen der ohnehin überhöhten Zinssätze. 4 2 6 Vor dem Hintergrund dieser Situation, die die Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Wiederbelebung praktisch zunichte machte, entschloß sich der Gesetzgeber, auf gesetzlichem Wege eine Senkung der Kreditzinsen zu erreichen. Zu diesem Zweck enthielt die Notverordnung vom 8. Dezember 193 1 4 2 7 die eine Vielzahl der verschiedensten Materien regelte, 4 2 8 unter anderem auch spezielle Vorschriften, die sich der Zinssenkung am Kapitalmarkt und am Geldmarkt widmeten 4 2 9
a) Senkung der Kapitalmarktzinsen Der Erste Abschnitt des Dritten Kapitals i m Ersten Teil der Notverordnung 4 3 0 ordnete die zwangsweise Senkung der Kapitalmarktzinsen an. Gemäß § 1 Abs. 1 N o t V O mußte der Zinssatz, wenn er bisher zwischen sechs und acht Prozent gelegen hatte, auf sechs Prozent gesenkt werden. Zinsen zwischen acht und zwölf Prozent mußten i m Verhältnis von vier zu drei herabgesetzt werden. Uberstieg der Zinssatz sogar zwölf Prozent, so mußte er gemäß § 1 Abs. 2 N o t V O für diesen Teil i m Verhältnis zwei zu eins ermäßigt werden. Diese Zinssenkung erfaßte praktisch alle Anlageformen des Kapitalmarktes. 4 3 1 Sie galt gemäß § 1 Abs. 1 N o t V O für alle „Anleihen, die in öffentlichen Schuldbüchern eingetragen sind oder über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind" 4 3 2 Darüber hinaus galten gemäß § 2 Abs. 1 N o t V O „die Vorschriften des § 1 ( . . . ) entsprechend für Zinsen von Forderungen, einschließlich der Hypotheken, sowie der Grundschulden, wenn die regelmäßige Fälligkeit nicht früher als ein Jahr nach ihrem Entstehen eintritt". M i t diesen Bestimmungen waren die Zinsen am Kapitalmarkt automatisch gesenkt worden, so daß es einer weiteren Umsetzung dieses Teils der Notverordnung nicht bedurfte. 426 Katona, Der deutsche Volkswirt 1932, S. 516. 427 „Vierte Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931" (RGBl. I, S. 699). 428 So führte die Verordnung unter anderem auch zu einer zwangsweisen Senkung der Wohnungsmieten und der Löhne und Gehälter. 429 Vgl. Ernst, Sparkasse 1935, S. 217. 430
Im folgenden beziehen sich zitierte Paragraphen auf diesen Abschnitt der Notverordnung (RGBl. I, S. 702). 43 1 Juristische Wochenschrift 1931, S. 3621. 432 Insoweit nannte § 1 Abs. 1 NotVO „Schuldverschreibungen des Reichs, der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, Pfandbriefe, Kommunal- und Kleinbahnobligationen, Schuldverschreibungen von Kreditanstalten oder Ablösungsanstalten des privaten oder öffentlichen Rechts, Obligationen von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, Einzelpersonen usw.".
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b) Senkung der Geldmarktzinsen Der Senkung der Geldmarktzinsen widmete sich der Zweite Abschnitt des Dritten Kapitels i m Ersten Teil der Notverordnung. 4 3 3 Hier wurde eine unmittelbare Senkung der Zinsen, wie für den Kapitalmarkt geschehen, nicht angeordnet, da der Geldmarkt zu komplex und seine Produkte zu vielfältig waren, um einfach geringere Zinssätze gesetzlich vorschreiben zu können 4 3 4 Vielmehr ordnete § 1 Abs. 1 N o t V O an, daß „der Reichskommissar für das Bankgewerbe ( . . . ) durch Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der Kreditinstitute sicherzustellen [hat], daß bis zum 31. Dezember 1931 zwischen den Spitzenverbänden Vereinbarungen über die Höhe der für die hereingenommenen Gelder zu gewährenden Zinsen und über die Berechnung der bei der Weitergabe der Gelder an Dritten maßgebenden Zinssätze und Provisionen getroffen werden". Diese Vereinbarungen bedurften der Zustimmung des Reichskommissars und sie galten „für alle Unternehmungen der betreffenden Art, auch falls diese den Spitzenverbänden nicht angeschlossen sind". Die Zustimmung des Reichskommissars wirkte somit ähnlich wie eine Allgemeinverbindlicherklärung. 4 3 5 Sie konnte aufgrund einer Durchführungsverordnung vom 9. Januar 1 9 3 2 4 3 6 jederzeit zurückgenommen werden. Darüber hinaus enthielt § 1 Abs. 2 N o t V O Bestimmungen für den Fall, daß die Vereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden über die Gestaltung der Geldmarktzinsen bis zum 31. Dezember 1931 nicht zustande kamen. In diesem Fall erließ der Reichskommissar selbst „nach Anhörung der Spitzenverbände der Kreditinstitute i m Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium die entsprechenden Bestimmungen." Entsprechendes galt, „wenn ohne seine Zustimmung die getroffenen Vereinbarungen entfallen oder durch andere ersetzt werden". M i t diesen Bestimmungen konnten die Geldmarktzinsen somit durch mittelbaren staatlichen Zwang festgeschrieben werden. Zwar sah § 1 Abs. 1 N o t V O vor, daß nicht der Staat, sondern die betroffenen Kreditinstitute selbst die Zinsen auf dem Geldmarkt festlegen sollten. Falls dies jedoch nicht geschehen sollte, konnte der Staat durch den Reichskommissar gemäß § 1 Abs. 2 N o t V O die Zinssätze unmittelbar selbst bestimmen. Damit waren die Kreditinstitute zum Abschluß einer „freiwilligen" Vereinbarung über die Zinssätze auf dem Geldmarkt praktisch gezwungen.
433 Im folgenden beziehen sich zitierte Paragraphen auf diesen Abschnitt der Notverordnung (RGBl. I, S. 704). 434 Vgl. Piorkowski, S. 106. 43
5 Vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 157; Paersch, S. 60.
436
„Durchführungsverordnung über Zinssenkung auf dem Geldmarkt", RA Nr. 8 vom 11. Januar 1932, S. 1. 7 Müller
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Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933 c) Regelung der Geldmarktzinsen durch das Zinsabkommen vom 9. Januar 1932
Nach der Verabschiedung der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 erreichte Reichskommissar Ernst nach intensiven Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der Kreditinstitute, daß diese sich mit dem sogenannten Zinsabkommen vom 9. Januar 1932437 auf eine Regelung der Zinssätze am Geldmarkt einigten. Dieses Abkommen setzte sich mit einem Mantelvertrag, dem sogenannten Habenzinsabkommen 438 dem sogenannten Sollzinsabkommen 439 sowie einem Wettbewerbsabkommen aus vier Teilen zusammen. Der Mantelvertrag schaffte den organisatorischen Rahmen für die übrigen Abkommen. Er führte zur Bildung eines Zentralen Kreditausschusses in Berlin sowie zur Bildung 26 weiterer regionaler Kreditausschüsse. Diese Ausschüsse setzten sich aus Vertretern der Spitzenverbände zusammen, die das Zinsabkommen geschlossen hatten. 4 4 0 Ihnen oblag die Umsetzung der einzelnen Abkommen, wobei der Zentrale Kreditausschuß die wichtigste Rolle spielte. Wichtigstes Anliegen der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 und des Zinsabkommens vom 9. Januar 1932 war die dringend erforderliche Senkung der Kreditzinsen 4 4 1 Gleichwohl beschränkten sich die Abmachungen des Zinsabkommens nicht nur auf die Kreditzinsen, vielmehr wurden mit dem Habenzinsabkommen auch die Zinssätze für die von den Banken herein genommenen Kundengelder genau geregelt. Der Grund für diese Regelung lag darin, daß es gerade die den Kunden auf ihre Einlagen gewährten Zinsen gewesen waren, die das allgemeine Zinsniveau und damit auch die Kreditzinsen in die Höhe getrieben hatten. 4 4 2 Dementsprechend sah das Habenzinsabkommen strikte Höchstsätze für die den Kunden gewährten Zinsen vor. Von besonderer Bedeutung war dabei der sogenannte Normalzinssatz, der gemäß § 2 des Habenzinsabkommens auf die Spareinlagen Anwendung f a n d . 4 4 3 Ausgehend von dem Normalzinssatz, der vom Zentralen 437 RA Nr. 8 vom 11. Januar 1932, S. 1. 438 „Abkommen über die Festsetzung von Höchstzinssätzen für hereingenommene Gelder". 439 „Abkommen über die Berechnung der Zins- und Provisionssätze bei der Weitergabe von Geldern an Dritte". 440 Diese Verbände waren: der Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes, der Deutsche Beamten-Genossenschaftsverband, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, die Freie Vereinigung der Arbeitnehmerbanken Deutschlands, der Reichsverband der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften - RAIFFEISEN - und der Verband deutscher öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten. 441 Paersch, S. 60. 442 Paersch, S. 60. 443 Angesichts ihres langfristigen Charakters waren die Spareinlagen an sich eher mit dem Kapital- als mit dem Geldmarkt verwandt. Da ihre Kündigungsfrist jedoch weniger als ein Jahr betrug, unterfielen sie nicht den Bestimmungen der Notverordnung über die Zinssenkung am Kapitalmarkt und wurden daher vom Zinsabkommen erfaßt. Ausführlich zu den Spareinlagen s. u., Teil 4, H.
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Kreditausschuß festgelegt w u r d e , 4 4 4 enthielt das Habenzinsabkommen Angaben, wieweit die Zinssätze für andere Arten von Kundeneinlagen sich nach oben oder unten von diesem Satz entfernen durften. Abweichend von dieser Regelung war der Zinssatz für Termingelder mit einer Laufzeit zwischen einem Monat und einem Jahr, die mindestens 25.000 R M betrugen, an den Reichsbankdiskontsatz gekoppelt. Die i m Habenzinsabkommen geregelten Zinssätze waren für alle Arten von Kreditinstituten verbindlich und durften nicht überschritten werden. Gemäß § 6 Abs. 1 durften lediglich „Kreditgenossenschaften, Privatbankfirmen sowie kleinere und mittlere Banken" die Zinssätze um 0,5 bis 0,75% überschreiten. Das Habenzinsabkommen machte somit ein weiteres unkontrolliertes Ansteigen der Passivzinsen unmöglich. Vielmehr konnte nun mit der Festsetzung des Normalzinssatzes durch den Zentralen Kreditausschuß eine Senkung der den Kunden gewährten Zinsen eingeleitet werden. Dem unmittelbaren Ziel der Notverordnung und des Zinsabkommens, eine Senkung der Kreditzinsen zu erreichen, diente das Sollzinsabkommen. Es sah i m § 1 zwei Arten für die Berechnung der Kreditkosten vor, indem „die Vergütungen für die Weitergabe von Krediten an Dritte ( . . . ) entweder in Gestalt eines Nettozinssatzes 4 4 5 oder getrennt nach Sollzinsen und Kreditprovision 4 4 6 berechnet" werden konnten. Anders als beim Habenzinsabkommen wurde hier jedoch auf die Festsetzung strikter Höchstsätze verzichtet. Denn in diesem Fall wäre es zur Sicherung einer ausreichenden Rentabilität der schwächeren Kreditinstitute erforderlich gewesen, die Zinssätze höher zu bemessen, „als es für den Durchschnitt der Kreditinstitute erforderlich und i m Interesse der Wirtschaft tragbar w a r " . 4 4 7 Daher sah das Sollzinsabkommen bei der Berechnung der Kreditzinsen und -provisionen keine Höchst-, sondern sogenannten Normalsätze vor. A n diesen sollten sich die Kreditinstitute i m Regelfall orientieren, sie konnten jedoch gemäß § 7 „ i n besonders begründeten Fällen" überschritten werden. Für die Festsetzung der jeweiligen Zinssätze waren gemäß § 6 Abs. 1 die regionalen Kreditausschüsse zuständig, während die Bestimmung des Normalsatzes für die Kreditprovision gemäß § 7 Abs. 1 dem Zentralen Kreditausschuß o b l a g . 4 4 8 Über die Kreditprovision hinaus durften gemäß § 4 noch eine Umsatzprovision, 4 4 9 i m übrigen aber „keine anderen
444
Der Zentrale Kreditausschuß setzte in seiner Sitzung vom 9. Januar 1932 den Normalzinssatz erstmals auf 4% fest (RA Nr. 8 vom 11. Januar 1932, S. 2). 445 Dieses Verfahren war relativ einfach und wurde in erster Linie von den Sparkassen und kleinen Kreditgenossenschaften angewandt, s. Paersch, S. 61. 446 Dieses Verfahren war überwiegend gebräuchlich und fand vor allem bei den Privatbanken Anwendung, s. Paersch, S. 61 f. 447 Paersch, S. 60. 448
Dieser setzte den Normalsatz in seiner Sitzung vom 9. Januar 1932 auf 1/6% pro Monat fest. 449 Die Höhe der Umsatzprovision war „mit Rücksicht auf die Rentabilitätslage der Kreditinstitute sowie die Notwendigkeit, diesen vorerst für ihre Einnahmen noch einen beweglichen Faktor zu lassen, absichtlich nicht festgelegt worden". Paersch, S. 62. τ
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Provisionen berechnet w e r d e n " . 4 5 0 Obwohl das Sollzinsabkommen somit keine Höchstsätze bei der Kreditgewährung vorsah, gab es dennoch einen Rahmen vor, an den sich die Kreditinstitute i m Regelfall zu halten hatten. Damit konnten der Zentrale Kreditausschuß und die regionalen Kreditausschüsse auch auf eine zwangsweise Senkung des Niveaus der Kreditzinsen hinarbeiten. Das in dem Zinsabkommen enthaltene Wettbewerbsabkommen schließlich stellte keine Neuheit dar. Vielmehr wurde lediglich ein zwischen Privatbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften i m Jahr 1928 geschlossenes Abkommen übernommen, mit dem seinerzeit der scharfe Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Institutsgruppen gemildert werden sollte 4 5 1 Insgesamt gesehen wurde mit dem Zinsabkommen vom 9. Januar 1932 die in der Notverordnung angestrebte Senkung der Geldmarktzinsen umgesetzt. Wie in der Verordnung in erster Linie vorgesehen, gelang es den Spitzen verbänden der Kreditinstitute unter Vermittlung des Reichskommissars selbst, sich auf einer Regelung der Zinssätze zu einigen. Eines unmittelbaren staatlichen Eingriffs in das Zinsgefüge durch den Reichskommissar bedurfte es daher nicht. Gleichwohl wäre dieses oder ein ähnliches Zinsabkommen nicht zustande gekommen, wenn anderenfalls nicht eine unmittelbare staatliche Regelung gedroht hätte. Zudem erfuhr das Zinsabkommen die in der Notverordnung vorgesehene ausdrückliche Zustimmung des Reichskommissars 4 5 2 Vor diesem Hintergrund stellte das Zinsabkommen nur in formeller Hinsicht eine autonome Regelung der Kreditwirtschaft dar, während es in materieller Hinsicht einer unmittelbaren staatlichen Regelung der Geldmarktzinsen gleichkam.
d) Zusammenfassung Bis zur Jahreswende 1931/32 konnten die Kreditinstitute ihre Konditionen bei der Annahme fremder Gelder und der Gewährung von Krediten frei von staatlichem Zwang selbst bestimmen, so daß die Institute in freiem Wettbewerb zueinander standen. M i t dem Erlaß der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 und des Zinsabkommens vom 9. Januar 1932 endete dieser Zustand. Nunmehr war die Konkurrenz zwischen den Kreditinstituten auf dem wichtigsten Gebiet, den Zinsen für Einlagen und Kredite, vollkommen ausgeschaltet, an ihre Stelle trat eine staatlich regulierte Zwangswirtschaft 4 5 3 Der Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten mußte sich daher auf andere Gebiete - etwa auf gesteigerte Sicherheit, größere Finanzkraft oder ähnliche Faktoren - verlagern 4 5 4 450 Gemäß § 5 war lediglich die Berechnung einer Überziehungsprovision zulässig, wenn ein Kunde den ihm zugebilligten Kreditrahmen überschritt. 451 s. u., Teil 3, C , I. 452 RA Nr. 8 vom 11. Januar 1932, S. 2. 453 Katona, Der deutsche Volkswirt 1932, S. 516. Vgl. auch Möschel, S. 203. 454 Vgl. Paersch, S. 60.
C. Die Aufsicht über das Kreditwesen bis 1933
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Die Notverordnung und das Zinsabkommen stellten damit einen äußerst massiven Eingriff in das nach wie vor überwiegend privatwirtschaftlich geprägte Kreditwesen dar. Dementsprechend heftig fielen die Reaktionen auf diese Maßnahmen aus. So beklagte der Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes, daß „das Vertrauen in den Bestand der Privatwirtschaft durch extreme Forderungen radikaler Parteien längst nicht so sehr untergraben werde wie durch gesetzliche Maßnahmen, mit denen eine auf dem Boden des Privateigentums stehende Regierung diesem Privateigentum die denkbar größte Mißachtung bekunde". 4 5 5 Die Kritik der marktwirtschaftlich gesinnten Fachpresse war ebenfalls vernichtend. Hier wurde behauptet, mit dem „staatlichen Diktat" der Zinsen habe „der deutsche Kapitalismus aufgehört zu existieren" 4 5 6 Die Regelungen seien kontraproduktiv, da die mit der Zinssenkung einhergehende Kostensenkung für die Wirtschaft „ m i t der Verschüttung ihrer Kreditquellen i m In- und Ausland" bezahlt w e r d e . 4 5 7 Auch könnten selbst die kompliziertesten Zinsvereinbarungen der i m Kreditwesen unentbehrlichen Differenzierung nicht gerecht werden 4 5 8 Schließlich zeigte sich selbst die nationalsozialistische Presse von der staatlich verordneten Zinssenkung wenig begeistert, obgleich die Nationalsozialisten die Lehre von der „Brechung der Zinsknechtschaft" zu ihrem wichtigsten wirtschaftspolitischem Programmpunkt erhoben hatten 4 5 9 Zwar wurde mit Befriedigung zu Kenntnis genommen, daß die Reichsregierung „ m i t der Zinssenkung wieder ein Stück des nationalsozialistischen Programmes übernommen" habe 4 6 0 Indessen hielten die Nationalsozialisten die mit der Notverordnung und dem Zinsabkommen ergriffenen Maßnahmen für nicht radikal genug, zumal durch sie die „Vorherrschaft des Großkapitals" unangetastet bliebe. 4 6 1 Ungeachtet dieser Kritik hielt die Reichsregierung an der Notverordnung fest, wurde das Zinsabkommen immer wieder den veränderten Bedingungen am Geldmarkt angepaßt. 4 6 2 Und tatsächlich wurde in den folgenden Jahren eine erhebliche Senkung der Geldmarktzinsen erreicht. Betrugen diese i m Jahr 1931 noch durchschnittlich 7,48%, so sanken sie i m Jahr 1932 auf 5,33% und i m ersten Halbjahr 1933 sogar auf 4,67% 4 6 3 Diese Senkung ist jedoch nur zum Teil auf die Notver455
Geschäftsbericht des Centraiverbandes 1932, abgedruckt in: Bank-Archiv 1932/33, S. 103. 4 56 Stolper, Der deutsche Volkswirt 1931, S. 339. 4 57 Stolper, Der deutsche Volkswirt 1931, S. 341. Ähnlich Lansburgh, Die Bank 1931, S. 1684. 4 58 Katona, Der deutsche Volkswirt 1932, S. 516. 459
Näheres zu dieser Lehre s. u., Teil 3, Α., I., 2. 60 Reichel, Volkswirtschaftliche Beilage zu „Deutsches Recht" Nr. 4/5 von 1932, S. 109.
4
4 61 Reichel, Volkswirtschaftliche Beilage zu „Deutsches Recht" Nr. 4/5 von 1932, S. 109. Ähnlich Splettstoesser, Volkswirtschaftliche Beilage zu „Deutsches Recht" Nr. 4/5 von 1932, S. 107 f. 4 62 Vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 158. 4 63 Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 19.
102
Teil 1: Wirtschaftliche und rechtliche Verfassung von der Vorkriegszeit bis 1933
Ordnung zurückzuführen, vielmehr bewirkte die Reichsbank ab 1932 mit einer raschen Folge von Diskontsenkungen von 8% auf 4% eine erhebliche Reduzierung des allgemeinen Zinsniveaus. 4 6 4 Gleichwohl ist davon auszugehen, daß die Notverordnung und das Zinsabkommen dazu beitrugen, den Trend zu immer höheren Zinsen umzukehren und die Wirtschaft durch die Festsetzung niedrigerer Kreditkosten zu entlasten 4 6 5
4. Zusammenfassung Aufgrund der Notverordnungen des Jahres 1931 erfuhr die Aufsicht über das Kreditwesen eine grundlegende Wandlung. Durch die Notverordnung vom 19. September 1931 wurde erstmals eine zentrale, reichseinheitliche Aufsicht für die meisten Kreditinstitute eingeführt, so daß i m Zusammenspiel mit den bereits bestehenden Aufsichtssystemen nunmehr jedes Institut durch eine staatliche Aufsicht erfaßt wurde. Wenn auch diese Aufsicht restriktiv gehandhabt und in erster Linie zur Beobachtung des Kreditwesens genutzt wurde, so bedeutete sie doch den endgültigen Abschied vom Prinzip der Bankfreiheit und den Beginn eines staatlich beaufsichtigten Kreditwesens in Deutschland. Daneben wurde durch die Notverordnung vom 6. Oktober 1931 das Sparkassenwesen auf eine neue Grundlage gestellt, indem die Sparkassen verselbständigt und reichseinheitlichen Normativbestimmungen unterworfen wurden. Die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 regelte nicht die Aufsicht über die Kreditinstitute, sondern diente der Senkung der Zinsen am Geld- und Kapitalmarkt. Sie führte zu einer unmittelbaren gesetzlichen Senkung der Kapitalmarktzinsen und zum Abschluß des Zinsabkommens vom 9. Januar 1932, in dem die Zinssätze am Geldmarkt genau geregelt wurden. Damit wurde der insoweit bisher bestehende freie Wettbewerb der Kreditinstitute aufgehoben und durch eine staatliche Regulierung der Anleihe-, Kredit- und Einlagenzinsen ersetzt.
464 Paersch, S. 62. Indessen blieb der Abstand der deutschen Geldmarktsätze zu den ausländischen annähernd konstant. Die deutschen Sätze überstiegen die ausländischen 1931 um 351%, 1932 nur um 293% und 1933 (1. Halbjahr) wiederum um 344%. S. Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 19. 465 Vor diesem Hintergrund entschloß sich der Gesetzgeber des späteren KWG, die Regelungen der Notverordnung, soweit sie die Zinssenkung am Geldmarkt betrafen, praktisch unverändert in das Gesetz zu übernehmen. Sie fanden sich in § 38 KWG wieder, s. u., Teil 4, J., II., 5.
D. Resümee
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D. Resümee Die wirtschaftliche und rechtliche Lage des deutschen Kreditwesens zeigte zu Beginn der Arbeiten am K W G zusammenfassend das folgende Bild: Das deutsche Kreditwesen war übersetzt und litt unter ruinösen Wettbewerbsverhältnissen. Insbesondere die Großbanken waren trotz der Sanierung durch das Reich infolge der Krise von 1931 nach wie vor sehr instabil. Die Krisenanfälligkeit stellte somit das größte Problem des deutschen Kreditwesens dar, das durch die Schaffung eines neuen Aufsichtsgesetzes gelöst werden mußte. Die bisher in Deutschland bestehende Aufsicht über die Kreditinstitute war zersplittert und lückenhaft. Erst die Notverordnung vom 19. September 1931 führte eine allgemeine Bankenaufsicht ein, die sich aber in erster Linie auf die Beobachtung des deutschen Kreditwesens beschränkte. Diese Aufsicht hatte sich jedoch grundsätzlich bewährt, so daß der Gesetzgeber an ihre Regelungen anknüpfen und sich zugleich die bisher mit ihr gemachten Erfahrungen nutzbar machen konnte.
Teil 2
Die Entstehungsgeschichte des K W G Bereits wenige Monate nach der „Machtergreifung" begannen die Nationalsozialisten mit den Arbeiten zu einer Reform des deutschen Kreditwesens. I m Zentrum dieser Bankenreform stand das am 5. Dezember 1934 verabschiedete K W G . I m folgenden wird zum einen untersucht, welche Gremien an der Ausarbeitung des K W G Anteil nahmen und welchen Einfluß sie auf die Ausgestaltung des Gesetzes hatten. Zum anderen wird das Gesetzgebungsverfahren nachgezeichnet und ein kurzer Überblick über den Inhalt des K W G gegeben.
A. Das Kreditwesen von der „Machtergreifung" bis zum Erlaß des KWG Angesichts der Tatsache, daß zwischen der nationalsozialistischen „Machtergreifung" am 30. Januar 1933 und der Verabschiedung des K W G am 5. Dezember 1934 fast zwei Jahre lagen, stellt sich die Frage, welche Maßnahmen die Nationalsozialisten während dieses Zeitraums zur Regelung des deutschen Kreditwesens ergriffen haben. Wenngleich die Reichsregierung dabei insgesamt Zurückhaltung an den Tag legte, hat sie dennoch in einigen Punkten bereits vor der Verabschiedung des K W G auf die deutsche Kreditwirtschaft Einfluß genommen. Dabei lassen sich gesetzgeberische und tatsächliche Maßnahmen unterscheiden.
I . Gesetzgeberische Maßnahmen 1. Regelung der Aufsicht über die Kreditinstitute Das bisherige Kernstück der Aufsicht über das deutsche Kreditwesen, die Notverordnung vom 19. September 1931, blieb bis zum Erlaß des K W G unverändert. Daneben erließ die Reichsregierung jedoch eine Reihe neuer aufsichtsrechtlicher Gesetze und Verordnungen. Während einige von diesen nur nebensächliche Detailfragen der Bankenaufsicht regelten, 1 so enthielten andere Bestimmungen, die das 1 Zu diesen Regelungen zählt die Verordnung zur Durchführung der Bankenaufsicht vom 21. April 1933 (RGBl. I, S. 228), durch die die Kosten der Prüfung eines Kreditinstitutes
Α. Das Kreditwesen von der „Machtergreifung" bis zum Erlaß des KWG
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bestehende Aufsichtssystem ausbauten, änderten oder erweiterten. Zu der letzen Gruppe zählen vor allem das Gesetz über Zwecksparunternehmungen vom 17. Mai 1933,2 das Gesetz gegen Mißbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs vom 3. Juli 1934,3 die Verordnung über eine Gründungssperre für Kreditinstitute vom 4. September 19344 und die Verordnung über die Börsen-, Hypothekenbank- und Schiffspfandbriefbankaufsieht vom 28. September 1934.5 Das erste Gesetz der Nationalsozialisten, das sich mit der Aufsicht des deutschen Kreditwesens befaßte, war das Gesetz über Zwecksparunternehmungen vom 17. Mai 1933. Angesichts seines Umfangs und dem frühen Zeitpunkt seines Erlasses ist es offenbar i m wesentlichen noch während der Endphase der Weimarer Republik ausgearbeitet worden. Die Zwecksparunternehmungen hatten sich als Randerscheinung seit der Inflation auf dem deutschen Kreditmarkt neben den Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften etabliert. Sie arbeiteten nach einem ähnlichen Prinzip wie die Bausparkassen, dienten aber nicht dem Grunderwerb, sondern der Anschaffung mobiler Vermögensgegenstände. Ihr besonderer Reiz für die geschäftlich häufig unerfahrene Kundschaft lag darin, daß sie die zur Anschaffung der Vermögensgegenstände benötigten Darlehen zinslos gewährten. I m übrigen wurden gegenüber den Zwecksparunternehmungen jedoch starke Vorbehalte geltend gemacht. So wurde ihnen vorgeworfen, daß die Zwecksparer an Stelle der Zinsen Beitrittsgelder, Verwaltungskostenbeiträge und ähnliche Gebühren zahlen mußten, so daß die finanziellen Belastungen letztlich höher waren als bei einem gewöhnlichen Bankkredit 6 und die Zwecksparunternehmungen mit dem Versprechen zinslosen Darlehens „Bauernfängerei" 7 betrieben. Überdies fehlte es bei vielen Instituten an der notwendigen Kapitaldecke, so daß viele Zwecksparunternehmungen auf unsolider Basis arbeiteten. 8 Schließlich wurde befürchtet, daß die Zwecksparunternehmungen den Sparwillen der Bevölkerung untergraben und damit die erforderliche Kapitalbildung beeinträchtigen würden. 9 U m diesen Mißständen abzuhelfen, wurde das Gesetz über Zwecksparunternehmungen erlassen. Es schuf für die Institute Normativbestimmungen 1 0 und diesem auferlegt wurden, und das Gesetz über Befugnisse des Reichskommissars für das Bankgewerbe vom 7. August 1933 (RGBl. I, S. 577), durch das der Erste Teil, Kapitel III, zweiter Abschnitt der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 (RGBl. I, S. 699, zu dieser Verordnung s. o., Teil 1, C., IV., 3.) durch Ordnungsstraf- und Strafvorschriften ergänzt wurde. Beide Regelungen wurden durch das KWG außer Kraft gesetzt. 2 RGBl. I, S. 269. 3 RGBl. I, S. 593. 4 RGBl. I,S. 815. 5 RGBl. I, S. 863. 6
Deumer, Deumer, 8 Sommer, 9 Deumer, 7
Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 305; Sommer, S. 184. Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 305. S. 184 f. Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 306; Sommer, S. 185.
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
unterstellte sie der staatlichen Aufsicht der neu geschaffenen Behörde des Reichsbeauftragten für Zwecksparunternehmen, der mit ähnlichen Befugnissen wie der Reichskommissar für das Bankwesen ausgestattet war. 1 1 Aufgrund des Gesetzes ging die Zahl der Zwecksparunternehmungen deutlich zurück. Ihre Neugründung wurde schließlich durch das Gesetz über die Auflösung von Zwecksparunternehmungen vom 13. Dezember 1935 1 2 untersagt, die bestehenden Institute wurden aufgelöst. Ähnlich wie das Gesetz über Zwecksparunternehmungen war auch das Gesetz gegen Mißbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs vom 3. Juli 1934 einer weiteren Randgruppe des deutschen Kreditwesens gewidmet, den sogenannten Ausgleichskassen. Das Prinzip dieser Ausgleichskassen bestand darin, Kredite zu gewähren, für deren Auszahlung die erforderlichen Barmittel nicht zur Verfügung standen. U m Zahlungsschwierigkeiten zu vermeiden, durften die Kreditnehmer der Ausgleichskassen über die ihnen zur Verfügung gestellten Kreditbeträge nicht durch Barabhebung, sondern nur bargeldlos mittels Scheck oder Uberweisung verfügen. Dadurch entstand ein vom Bargeldumlauf vollkommen losgelöster Zahlungs- und Kreditverkehr, der außerhalb der Kontrolle der Reichsbank stand. 1 3 Angesichts der damit verbundenen Befürchtung, die Ausgleichskassen würden ohne Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten der Reichsbank zuviel Buchgeld schaffen und damit den Inflationsdruck erhöhen, 14 wurde durch das Gesetz die Neugründung von Ausgleichskassen verboten und die Auflösung der bestehenden Institute ermöglicht. Anders als das Gesetz über Zwecksparunternehmungen ging dieses Gesetz bereits auf die unmittelbare Initiative des Mitte 1933 zur Ausarbeitung des K W G einberufenen Untersuchungsausschusses 1933 1 5 zurück. In einem Gutachten an die Reichsregierung beschrieb der Ausschuß die von den Ausgleichskassen ausgehenden Gefahren. Er wies insbesondere darauf hin, daß sich die Geldschöpfung der Ausgleichskassen außerhalb des Einflusses der Reichsbank vollziehe und daher inflationsfördernd wirke und das gesamte System der Ausgleichskassen früher oder später mit Verlusten für alle Beteiligten zusammenbrechen müßte, zumal diese Institute hoffnungslos illiquide seien. 1 6 Der Aus-
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So durften Zwecksparunternehmungen nur noch als Kapitalgesellschaften mit einem Grund- oder Stammkapital von mindestens 50.000 RM gegründet werden und wurden gewissen Publizitätsvorschriften unterworfen. » s.o., Teil 1,C.,IV., 1, b). 12 RGBl. I, S. 1457. 13 So die offizielle Begründung des Gesetzes, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/245, S. 22, abgedruckt bei: Hofmann, Handbuch des gesamten Kreditwesens, S. 264. 14 Das im Jahre 1933 erst teilweise durchdrungene Problem der Buch- oder Giralgeldschöpfung spielte auch bei der Schaffung des KWG eine wichtige Rolle. Näheres dazu s. u., Teil 4,1. »5 s. u., Teil 2, C. 16 Gutachten des Untersuchungsausschusses, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6919, S. 220 ff.
Α. Das Kreditwesen von der „Machtergreifung" bis zum Erlaß des KWG
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schuß empfahl der Reichsregierung daher dringend, die Ausgleichskassen gesetzlich zu verbieten. 17 Einen erheblichen Eingriff in das gesamte deutsche Kreditwesen brachte die Verordnung über eine Gründungssperre für Kreditinstitute vom 4. September 1934. Ausgelöst durch Filialgründungen der Braunschweigischen Staatsbank, verbot sie bis auf weiteres die Errichtung neuer Kreditinstitute oder Filialen von Kreditinstituten. Dieser drastische Einschnitt sollte einer weiteren Übersetzung des Kreditgewerbes vorbeugen und ist i m Zusammenhang mit dem nur kurze Zeit später erlassenen K W G zu sehen. 18 Denn die Verordnung sollte verhindern, daß kurz vor der beabsichtigten Einführung eines Konzessionssystems durch das K W G noch weitere Kreditinstitute gegründet werden. 1 9 M i t Erlaß des K W G wurde diese Verordnung außer Kraft gesetzt, so daß seitdem die Neugründung von Kreditinstituten unter bestimmten Voraussetzungen wieder möglich war. 2 0 Die Verordnung sollte somit keine dauerhafte Regelung des deutschen Kreditwesens begründen, sondern stellte eine bloße Übergangsmaßnahme i m Vorfeld des Erlasses des K W G dar. Schließlich wurde die Aufsicht über die privaten Hypothekenbanken durch die Verordnung über die Börsen-, Hypothekenbank- und Schiffspfandbriefbankaufsieht vom 28. September 1934 auf eine neue Grundlage gestellt. Durch diese Verordnung wurde die Aufsicht über die Hypothekenbanken, die bisher von den einzelnen Ländern wahrgenommen wurde, 2 1 dem Reichs wirtschaftsminister übertragen. M i t dieser Zentralisierung der Aufsicht über die Hypothekenbanken wurde eine Forderung erfüllt, die schon bei der Schaffung des Hypothekenbankgesetzes erhoben wurde, 2 2 um eine einheitliche Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten. Es ist jedoch davon auszugehen, daß bei Erlaß der Verordnung weniger kreditwirtschaftliche Erwägungen i m Vordergrund standen, sondern daß die Verordnung vielmehr der Umsetzung der Gleichschaltungspolitik der Nationalsozialisten diente. Insgesamt betrachtet ließen die Nationalsozialisten die Aufsicht über die Kreditinstitute bis zum Erlaß des K W G weitgehend unberührt. Die geschilderten Maßnahmen betrafen entweder nur bestimmte Gruppen des deutschen Kreditwesens oder trugen nur vorläufigen Charakter.
17
Gutachten des Untersuchungsausschusses, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6919, S. 223. 18 Sommer, S. 181. 19 Bauer, S. 40. 20
Näheres dazu s. u., Teil 4, B. 21 s.o., Teil 1, C., II., 3.. 22 v. Hantelmann, S. 55; vgl. auch Ruland, S. 60 ff.
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
2. Reform des Bankgesetzes Die wichtigste Reform der Nationalsozialisten auf dem Gebiet des Kreditwesens bestand in der Novellierung des Bankgesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Bankgesetzes vom 27. Oktober 1933.23 Es änderte die Notenbankverfassung in zwei Punkten. Zum einen führte das Gesetz die Offenmarkt-Politik als neues Mittel der Geldpolitik ein. Dadurch wurde der Reichsbank die Möglichkeit verliehen, zur Regelung des Geldmarktes nicht nur Handelswechsel, sondern auch festverzinsliche Wertpapiere zu kaufen und zu verkaufen. Neben dem damit geschaffenen neuen Mittel zur Steuerung der Geldmenge hatte die Einführung der Offenmarkt-Politik noch einen zusätzlichen Effekt. Sie schuf für die Banken einen erhöhter Anreiz zum Erwerb langfristiger festverzinslicher Wertpapiere, da sie diese Anlage nunmehr bei der Reichsbank liquide machen konnten. Die Einführung der Offenmarkt-Politik war somit geeignet, den Kapitalmarkt zu stützen und die Liquidität der Kreditinstitute zu verbessern. Allerdings hat die Reichsbank von der Offenmarkt-Politik nur zurückhaltend Gebrauch gemacht. 2 4 Zum anderen weichte das Gesetz zur Änderung des Bankgesetzes die bis dahin bestehende vollständige Unabhängigkeit der Reichsbank 25 von der Regierung auf. Zwar blieb der § 1 des Reichsbankgesetzes von 1924, wonach „die Reichsbank ( . . . ) eine von der Reichsregierung unabhängige Bank" war, unangetastet. Jedoch wurde der Generalrat aufgelöst, zu dessen Aufgaben die Ernennung des Reichsbankpräsidenten und des Reichsbankdirektoriums zählten. Die Führung der Reichsbank wurde nunmehr vom Reichspräsidenten ernannt, der überdies die Möglichkeit hatte, den Reichsbankpräsidenten oder das Reichsbankdirektorium aus wichtigen Gründen jederzeit abzuberufen. Das Reich konnte somit die personelle Besetzung der Reichsbank und auf diesem Weg indirekt auch die Reichsbankpolitik beeinflussen. Eine direkte Einflußnahme des Reiches und insbesondere der Reichsregierung auf die Geschäftsführung der Reichsbank - etwa i m Sinne eines Anordnungsrechtes - war jedoch weiterhin nicht möglich, so daß sich die Reichsbank ihre Selbständigkeit gegenüber der Reichsregierung in den ersten Jahren des Nationalsozialismus weitgehend bewahren konnte. 2 6 23 RGBl. II, S. 827. 24 Stucken, Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1924- 1963, S. 104f. 25 s.o., Teil 1,C.,II., 1. 26 Bis 1939 hatte die Reichsbank ihre Unabhängigkeit jedoch vollständig verloren. Den ersten Schritt in diese Richtung machte das Gesetz zur Neuregelung der Verhältnisse der Reichsbank und der Deutschen Reichsbahn vom 10. Februar 1937 (RGBl. II, S. 47), das in Art. 1 Nr. 1 die in § 1 des Bankgesetzes von 1924 festgeschriebene Unabhängigkeit von der Reichsregierung beseitigte. Darüber hinaus wurde durch das Gesetz das Reichsbankdirektorium „dem Führer und Reichskanzler unmittelbar" (Artikel 1 Nr. 2) unterstellt. Durch das Bankgesetz vom 15. Juni 1939 (RGBl. I, S. 1915) schließlich wurde gem. § 3 Abs. 1 die Reichsbank „nach den Weisungen und unter der Aufsicht des Führers und Reichskanzlers
Α. Das Kreditwesen von der „Machtergreifung" bis zum Erlaß des KWG
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I I . Tatsächliche Maßnahmen 1. „Arisierung 44 der Banken Die „Arisierungspolitik" der Nationalsozialisten mit dem Ziel der Entfernung der deutschen Juden aus dem Wirtschafts- und Berufsleben machte auch vor dem Bankwesen nicht Halt. Eine Vielzahl insbesondere von privaten Bankhäusern befand sich in jüdischer Hand. Seit der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten wurden diese jüdischen Bankiers ebenso wie jüdische Angestellte von Kreditinstituten zunehmend diskriminiert und aus dem Bankwesen verdrängt. 27 Bereits i m Frühjahr 1933 war es zu Entlassungen jüdischer leitender Angestellter bei Banken gekommen. Nach und nach wurden unter dem Druck der Reichsregierung alle jüdischen Vorstände und Aufsichtsräte der deutschen Banken ihrer Positionen enthoben. 28 Der erste sichtbare Ausdruck dieser Politik war der eintägige Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933. In der Folgezeit gerieten durch weitere Boykotte immer mehr jüdische Banken unter Druck und mußten ihr Bankgeschäft aufgeben. 29 So waren insbesondere in der Provinz durch die Abwanderung „arischer" Kunden viele jüdische Privatbanken zunehmend wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt, was dazu führte, daß seit 1935 häufiger jüdische Privatbanken liquidiert oder „arisiert" wurden. Diese „Arisierungen" erfolgten fast immer nach dem gleichen Muster auf Grund einer „freiwilligen Basis", d. h. zwar unter politischem und wirtschaftlichem Druck, aber ohne konkrete Bedrohung. 3 0 Die „freiwilligen Arisierungen" in gegenseitigem Einvernehmen gingen so vonstatten, daß in den meisten Fällen sich das jüdische Bankhaus an eine der Großbanken mit Bitte um „Arisierung" wandte. 3 1 Die „Arisierungen" begünstigten, daß die Zahl der Privatbanken zwischen 1933 und 1939 von 709 auf 501 zurückging. 3 2 Ebenso sank der Anteil jüdischer Bankiers und leitender Bankangestellter i m deutschen Kreditwesen von 12,7% i m Jahr 1933 auf verschwindende 0,72% i m Jahr 1939. 3 3 Die „Arisierungsvon dem Präsidenten der Deutschen Reichsbank und den übrigen Mitgliedern des Reichsbankdirektoriums geleitet und verwaltet". Damit war die totale Abhängigkeit der Reichsbank von der Reichsregierung gesetzlich festgelegt, s. Wandel, Deutsche Bankengeschichte, Band 3, S. 172. 27 In einem Vortrag vom 26. Januar 1934 stellte Reichsbankpräsident Schacht fest, daß „eine ganze Reihe der bisherigen Bankleiter ( . . . ) mit dem Einzug des Nationalsozialismus in die Macht von ihren Plätzen abgetreten" ist. Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 26. 28 Wandel, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 179. 29 Vgl. Wandel, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 178; Bank- und Versicherungslexikon, S. 319. 30 Genschel, S. 127.
31 Wandel, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 180. 32 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876- 1975, S. 118. 33 Genschel, S. 280 f.
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
politik" führte somit dazu, daß die Juden aus der deutschen Kreditwirtschaft praktisch vollständig entfernt wurden. 3 4 Vor dem Hintergrund der vollständigen Verdrängung der Juden aus dem deutschen Bankwesen drängt sich die Vermutung auf, daß den „Arisierungsbemühungen" der Nationalsozialisten auch i m Rahmen der Ausarbeitung des K W G Rechnung getragen worden ist. Indessen finden sich in den Besprechungsprotokollen der an der Schaffung des K W G beteiligten Gremien kein Hinweis darauf, daß mit dem K W G der „Arisierung" Vorschub geleistet werden sollte. Darüber hinaus war Reichsbankpräsident Schacht, der besonderen Einfluß auf das Gesetzgebungsverfahren hatte, 3 5 eher ein Gegner der „Arisierungen" und versuchte während seiner Amtszeit als Reichswirtschaftsminister, den Juden ihren wirtschaftlichen Betätigungsspielraum soweit wie möglich zu erhalten. 36 Die Bankenreform sowie das K W G selbst erhöhten somit nicht den Druck auf die jüdischen Vertreter des deutschen Kreditwesens. Die Bankenreform und die „Arisierungspolitik" waren daher nicht miteinander verknüpft, sondern stellten unabhängig voneinander ablaufende Prozesse dar.
2. Sonstige Maßnahmen Abgesehen von den bisher geschilderten Maßnahmen legten die Nationalsozialisten gegenüber dem Kreditwesen bis zum Erlaß des K W G große Zurückhaltung an den Tag. Sie beschränkten sich in erster Linie darauf, die Aufsicht über die Kreditinstitute aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 fortzuführen, ohne daß mit der Veränderung des politischen Systems eine veränderte Ausübung dieser Aufsicht einher ging. Ministerialdirektor Ernst, der nach Erlaß der Notverordnung zum ersten Reichskommissar für das Bankgewerbe ernannt worden war, behielt sein A m t nach der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten, so daß neben der sachlichen auch die personelle Kontinuität der Aufsichtsführung gewährleistet war. Spätestens seitdem bekannt geworden war, daß die Nationalsozialisten eine umfassende Bankenreform planten, stellte die Bankenaufsicht bestimmte Maßnahmen sogar zurück, um den Ergebnissen der Bankenreform nicht vorzugreifen. 37 34 Speziell und ausführlich zur „Arisierungspolitik" der Deutschen Bank: James, „Die Deutsche Bank und die ,Arisierung"\ München 2001. 3 5 s. u., Teil 2, C., 2. 36 Vgl. Genschel, S. 105 ff. Einen anderen Eindruck vermittelt freilich eine Rede Schachts (Schacht, Ansprache vor dem Central verband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes v. 22. Februar 1934, S. 4), in der er ausführte, daß die leitenden Bankiers ihre Aufgabe „nur erfüllen können, wenn sie sich mit vollem Herzen dem Geiste des neuen Staates hingeben. Sollte dies bei diesem oder jenem Einzelnen noch nicht der Fall sein, so haben wir die Gewißheit, daß jeder Bankleiter, dem diese innere Verschmelzung mit dem neuen Staat nicht Herzenssache ist, in kürzester Frist von der Bildfläche verschwunden sein wird." 37 So wurden die für 1933 vorgesehenen Maßnahmen zur Reduzierung des deutschen Filialnetzes mit Rücksicht auf die Bankenreform nicht umgesetzt, s. Paersch, S. 57.
Β. Das Bankwesen in der öffentlichen Meinung
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Schließlich wurde i m Zuge der Umsetzung des Gesetzes zum organischen Aufbau der deutschen Wirtschaft vom 27. Februar 19343S i m gleichen Jahr die „Reichsgruppe Banken" mit ihren verschiedene Unterorganisationen, den Wirtschaftsgruppen, gebildet. Dabei handelte es sich jedoch um keine speziell auf das Bankwesen zugeschnittene Maßnahme, vielmehr wurden entsprechende Strukturen für alle deutschen Wirtschaftszweige i m Rahmen des von den Nationalsozialisten proklamierten ständischen Aufbaus der Wirtschaft geschaffen.
I I I . Zusammenfassung Insgesamt gesehen ließen die Nationalsozialisten das deutsche Kreditwesen und die Aufsicht über die Kreditinstitute bis zum Erlaß des K W G praktisch unangetastet. 3 9 Diese Zurückhaltung verwundert angesichts der Tatsache, daß gerade aus nationalsozialistischen Kreisen bereits seit langem einschneidende Maßnahmen zur Reorganisation des deutschen Kreditwesens erhoben wurden 4 0 sowie angesichts der Ressentiments, die viele Nationalsozialisten gerade den Banken entgegenbrachten. Jedoch herrschte bei den für die Neugestaltung des Kreditwesens berufenen Persönlichkeiten die Auffassung vor, daß der Kreditwirtschaft mit übereilten Radikalmaßnahmen mehr Schaden als Nutzen zugefügt werde. Zudem war man überzeugt, daß eine Reform des deutschen Kreditwesens nicht innerhalb kurzer Zeit durchgefühlt werden könne, sondern daß nur eine allmähliche Veränderung der deutschen Kreditwirtschaft in der erwünschten Richtung möglich sei. 4 1 Der Gesetzgeber beabsichtigte somit, auf dem Gebiet des Kreditwesens nichts zu überstürzen, sondern erst nach gründlichen Vorarbeiten eine gut durchdachte Reform einzuleiten. Bis dahin aber sollte das deutsche Kreditwesens vor möglicherweise störenden staatlichen Einflüssen verschont bleiben.
B. Das Bankwesen in der öffentlichen Meinung Die deutschen Banken standen einer staatlichen Beaufsichtigung und den damit einher gehenden Beschränkungen naturgemäß grundsätzlich ablehnend gegenüber. Es war ihnen - mit Ausnahme der Notverordnungen von 1931 - bislang gelungen, gesetzliche Eingriffe in das Bankwesen weitgehend abzuwehren und dafür zu sorgen, daß die Bankenenqueten von 1908/09 und 1928/30 überwiegend folgenlos blieben. Indessen wurde es für das deutsche Kreditwesen immer schwieriger, sich 38 RGBl. I, S. 185. 39 Vgl. Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 386 sowie die Eröffnungsansprache Kepplers, Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 12. 40 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 386. 41
Eröffnungsansprache Kepplers, Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 12.
112
Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
einer staatliche Beaufsichtigung zu entziehen. Der Grund für diese Schwierigkeit lag nicht zuletzt an der Bewertung des Bankwesens durch die Öffentlichkeit und die Nationalsozialisten. Das Bild, das die Öffentlichkeit von den Banken hatte, war sehr negativ geprägt und die Banken, insbesondere die privaten Großbanken, waren vielfältigen Ressentiments und Anfeindungen ausgesetzt. Der Hauptgrund für diese Abneigung ist vor dem Hintergrund des seinerzeit hohen Zinsniveaus 4 2 in der Tatsache zu sehen, daß eine Bank in den Augen weiter Bevölkerungskreise „der reiche Geldwucherer [war], der arbeitsloses Einkommen bezieht". 4 3 Darüber hinaus hatte die Bankenkrise von 1931 zu einem dramatischen Vertrauensverlust der Banken gegenüber ihren Kunden geführt hatte, der bis 1933 nur teilweise ausgeglichen war. 4 4 Schließlich wurde den Banken vorgeworfen, durch eigenes Fehlverhalten sowie durch mangelnde gegenseitige Solidarität in den kritischen Tagen vor der Bankenkrise von 1931 zu deren Ausbruch entscheidend beigetragen zu haben 4 5 War das Erscheinungsbild des deutschen Kreditwesens somit schon vor 1933 sehr negativ geprägt, sahen sich die deutschen Banken mit der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten nochmals verstärkten Anfeindungen gegenüber. So war einer der zentralen Punkte des Parteiprogramms der NSDAP von 1920, 4 6 die „ A b schaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens" durch „Brechung der Zinsknechtschaftgegen die Banken gerichtet. Der führende Programmatiker aus der Frühphase der NSDAP, Gottfried Feder, warf den Banken „verderblichen, zerstörenden Einfluß auf Staat, Volk [und] Gesellschaft" v o r 4 7 Darüber hinaus wurde den Bankleitern vorgeworfen, sich nur ungenügend und zögerlich an der Umsetzung des Nationalsozialismus auf dem Gebiet des Kreditwesens zu beteiligen. 4 8 Einen Höhepunkt erreichte die bankenfeindliche Agitation der Nationalsozialisten mit einer Rede des bayerischen Innenministers und Gauleiters Wagner vom 17. Januar 1934, in der er die Bankleiter als „Natterngezücht" und „Halsabschneider" bezeichnete und den Banken kaum verhüllt mit Repressalien drohte. 4 9 Schacht persönlich nahm die Banken vor diesen Angriffen in Schutz und erklärte auf seiner Rede vom 22. Februar 1934 vor dem Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes die pauschalen Verurteilungen des Bankwesens für „unverantwortlich und gemeinschädlich". 5 0
42 s.o., Teil 1,C.,IV.,3. 43 Stolper, Der deutsche Volkswirt 1931, S. 339 f. Stolper selbst teilte diese Ansicht nicht. 44 Vgl. Stucken, Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914- 1963, S. 104. 4 5 Argentarius, Die Bank 1931, S. 978. 4 6 Abgedruckt u. a. bei Feder, Was will Adolf Hitler?, S. 3 ff. 47 Feder, Das Programm der NSDAP, S. 23. 4 8 Wirtschaftsdienst 1934, S. 147. 49
Kopper, S. 106 f. In seiner Rede führte Wagner aus, er habe „in den letzten Tagen auch schon einiges in den Gang gesetzt ( . . . ) , was den Herren [in den Banken, Verf.] nicht sehr angenehm sein wird".
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 / Bankenenquete 1933
113
Der Bankenverband selbst verwahrte sich schließlich in einer am 22. Februar 1934 verabschiedeten Resolution gegen die seitens der Nationalsozialisten vorgebrachten Angriffe und Vorwürfe, die das öffentliches Erscheinungsbild des Kreditwesens weiter verschlechterten. 51 Nachdem sich der Verband in seiner Resolution grundsätzlich zu den Zielen des Nationalsozialismus bekannt hatte, führte er aus, daß „die ständigen, fast immer auf haltlosen Behauptungen beruhenden Angriffe in Wort und Schrift ( . . . ) zu schweren Schädigungen führen [müssen], deren weit über das Bankgewerbe hinausgehenden schädlichen Wirkungen die Urheber dieser Angriffe sich unmöglich bewußt sein können. ( . . . ) Es kann nicht ausbleiben, daß durch diese unaufhörlichen Angriffe und Herabsetzungen das für die Finanzierung des internationalen Zahlungsverkehrs erforderliche internationale Ansehen der deutschen Banken auf das schwerste geschädigt w i r d . 4 ' 5 2 Aufgrund der massiven Kritik, der das deutsche Kreditwesen somit ausgesetzt war, befanden sich die Banken i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Schaffung des K W G von vornherein in der Defensive und hatten es schwer, ihre Forderungen durchzusetzen bzw. eine stärkere Beaufsichtigung ihres Berufsstandes abzuwehren. Dennoch genossen die Banken i m Rahmen der Bankenreform insgesamt gesehen eine faire und sachliche Behandlung, wobei die Schwierigkeiten, mit denen die Banken zu kämpfen hatten, erkannt und bei der Ausarbeitung des K W G gebührend berücksichtigt wurden. Denn die häufig unberechtigte und undifferenzierte Kritik, die den Banken entgegen schlug, stammte ganz überwiegend nicht aus Fachkreisen, und die Männer, die mit der Schaffung des K W G betraut waren, teilten als erfahrene Finanz- und Wirtschaftsexperten die Ressentiments gegenüber den Banken mehrheitlich nicht. 5 3
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 und die Bankenenquete 1933 Der sichtbarste Ausdruck der von den Nationalsozialisten durchgeführten Bankenreform war die Verabschiedung des K W G am 5. Dezember 1934. Dieser Verabschiedung gingen naturgemäß umfangreiche gesetzgeberische Arbeiten voraus, wobei sich an der Ausarbeitung des K W G neben der Reichsbank und der Reichsregierung Vertreter aus fast allen Kreisen der Wirtschaft sowie der Wissenschaft beteiligten. U m das Gesetzgebungsverfahren geregelt durchführen und zwischen den beteiligten Stellen vermitteln zu können, wurde mit der Durchführung der so Bank-Archiv 1933/34, S. 227. Der Deutsche Volkswirt 1934, S. 936, sprach von unberechtigten Vorwürfen gegen den Bankiersstand, die diesen „so ungefähr zum minderwertigsten Mitglied der Volksgemeinschaft stempeln wollten". 52 Bank-Archiv 1933/34, S. 245 f. 53 Vgl. u., Teil 2, C., III. 8 Müller
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
Bankenreform und der Schaffung des K W G ein eigener Ausschuß betreut, der sogenannte Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933. Dieser Ausschuß war das zentrale Gremium i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens und damit von besonderer Bedeutung für den Inhalt des K W G .
I . Einsetzung und Aufgaben des Untersuchungsausschusses Die Durchführung der Bankenreform und damit die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ging auf Reichsbankpräsident Schacht zurück. A u f der Sitzung des Reichsbankdirektoriums vom 7. April 1933 führte er aus, daß nunmehr die Zeit gekommen sei, um in aller Ruhe und ohne Störungen des Wirtschaftslebens die notwendigen Reformen auf dem Gebiet des Bankwesens durchzuführen. Zugleich wies Schacht darauf hin, daß die Reichsbank bei diesen Reformen die führende Rolle spielen müsse. 54 Daraufhin regte die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank die Einsetzung eines entsprechenden Untersuchungsausschusses an, dessen Mitglieder auf Vorschlag der Reichsbank bzw. auf gemeinsamen Vorschlag des Reichsfinanz-, des Reichswirtschaftsministeriums und des Reichsbankdirektoriums ernannt werden sollten. Zudem wurde vorgeschlagen, den Untersuchungsausschuß offiziell nicht durch die Reichsbank, sondern durch die Reichsregierung einzusetzen, um dem Ausschuß damit die größtmögliche Legitimation und Autorität zu verleihen. 5 5 Nachdem Schacht dieses Vorgehen mit Hitler abgestimmt und die Zustimmung des Reichsfinanz- und des Reichswirtschaftsministers herbeigeführt hatte, 5 6 bildete eine Pressenotiz der Reichsregierung vom 30. Juni 1933 5 7 den offiziellen Auftakt zur Bankenreform. Darin wurde die Durchführung einer umfassenden Bankenreform angekündigt, die das Ziel haben sollte, die nach wie vor bestehenden Schwierigkeiten aufgrund der Bankenkrise von 1931 endgültig zu überwinden. Die Arbeiten an dieser Reform sollten einem zu diesem Zweck zu bildenden Ausschuß übertragen werden. Angesichts der führenden Stellung der Reichsbank 54
Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank v. 9. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. Iff. Das Datum der Sitzung des Reichsbankdirektoriums ergibt sich aus dem Entwurf einer Pressenotiz vom 10. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 93. 55 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank v. 9. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 5. 56 Vgl. die Abschrift eines entsprechenden Schreibens an den Reichswirtschaftsminister und den Reichsfinanzminister vom 10. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6910, S. 92. 57 Abgedruckt in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 5. Einen früheren Entwurf der Pressenotiz, die dem Reichsfinanz- und dem Reichswirtschaftsminister mit Schreiben vom 10. Juni 1933 zugestellt wurde (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6910, S. 92), fand nicht die Zustimmung des Reichswirtschaftsministers, da der Entwurf die Beteiligung der Reichsregierung an der geplanten Reform nicht erwähnte, s. Kopper, S. 88.
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 / Bankenenquete 1933
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auf dem Gebiet des Kreditwesens war vorgesehen, den Ausschuß unter die Leitung des Reichsbankpräsidenten zu stellen und mit der Reichsbank und der Reichsregierung zusammenarbeiten zu lassen. Diese Zusammenarbeit sollte dadurch gewährleistet werden, daß neben Vertretern der Reichsbank auch Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums und des Reichsfinanzministeriums in den Untersuchungsausschuß zu berufen waren. Zudem sollte eine Anzahl anderer ausgewählter Mitglieder dem Untersuchungsausschuß angehören. Damit war die Errichtung und Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses in groben Zügen vorgezeichnet. Zugleich war es gelungen, den Anschein zu erwecken, als werde die Bankenreform auf Initiative der Reichsregierung durchgeführt. Tatsächlich jedoch gab die Reichsbank, und hier insbesondere Schacht, den Anstoß zur Neugestaltung des Kreditwesens. Nach Veröffentlichung dieser Pressenotiz wurde der Untersuchungsausschuß auf Vorschlag der Reichsbank und i m Einverständnis mit der Reichsregierung bei der Reichsbank gebildet und mit 15 Mitgliedern besetzt. 58 Die Errichtung des Untersuchungsausschusses bei der Reichsbank hatte den Vorteil, daß der Ausschuß jederzeit auf deren erfahrenen Mitarbeiterstab zurückgreifen konnte und insbesondere von der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank maßgebliche Unterstützung erhielt. In einer konstituierenden Sitzung vom 6. September 1933 nahm er seine Arbeit auf. Der Untersuchungsausschuß war mit der Durchführung der Bankenreform betraut, seine Aufgaben waren daher sehr vielfältig und umfassend. Sie lassen sich in zwei Abschnitte gliedern. In einem ersten Schritt sollte der Ausschuß möglichst vollständiges Tatsachenmaterial über das Kreditwesen sammeln, um somit die Mängel des deutschen Kreditwesens i m einzelnen herausarbeiten zu können. In einem zweiten Schritt sollte der Ausschuß auf der Grundlage dieses Tatsachenmaterials der Reichsregierung Vorschläge für eine Neuregelung des deutschen Kreditwesens unterbreiten. Ziel war es, zu einer Reform zu kommen, durch die eine erneute Bankenkrise wie die des Jahres 1931 zukünftig vermieden würde. 5 9 Dabei war nicht nur der Erlaß gesetzlicher Regelungen ins Auge gefaßt. Vielmehr sollte sich der Untersuchungsausschuß auch Fragen widmen, die sich einer gesetzlichen Regelung entzogen, wobei insbesondere die Erziehung der zukünftigen Bankleiter i m nationalsozialistischen Sinne i m Vordergrund stand. 6 0 Tatsächlich beschränkten sich die Arbeiten des Untersuchungsausschusses nach Abschluß der Bankenenquete vom November/Dezember 1933 6 1 jedoch ausschließlich auf die Ausarbeitung des K W G und der Ausschuß hat in seinem Schlußbericht 62 der Reichsregie58
Zu den einzelnen Mitgliedern s. sogleich. Wandel, Deutsche Bankengeschichte, Band 3, S. 150. 60 Vgl. Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6919, S. 118ff. 61 s. u., Teil 2, C., IV., 1. 62 s. u., Teil 2, D., 3. 59
8'
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
rung keine über eine gesetzliche Regelung des Kreditwesens hinausgehenden Vorschläge unterbreitet. Die Untersuchung der Mängel der deutschen Kreditwirtschaft und deren Behebung durch die Ausarbeitung eines entsprechenden Aufsichtsgesetzes, das dem Reichskabinett zur Verabschiedung empfohlen wurde, waren somit die wichtigsten Aufgaben des Untersuchungsausschusses.
I I . Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses Getreu der Vorgabe der Reichsregierung wurde der Untersuchungsausschuß alsbald nach der Bekanntgabe der Reformpläne aus Vertretern der Reichsbank, der Reichsregierung sowie außerhalb des Reiches stehender Personen zusammengesetzt. Dem Ausschuß gehörten an: - Reichsbankpräsident Dr. Hjalmar Schacht als Vorsitzender des Ausschusses, - Vizepräsident des Reichsbankdirektoriums Friedrich vertretender Ausschußvorsitzender,
Wilhelm Dreyse als stell-
- Mitglied des Reichsbankdirektoriums Geheimrat Friedrich Ausschußvorsitzender, - Staatssekretär i m Reichsernährungsministerium Herbert
als stellvertretender
Backe, 63
- Staatssekretär i m Reichswirtschaftsministerium und Reichskommissar für das Siedlungswesen Gottfried Feder, - 2. Staatssekretär i m Reichswirtschaftsministerium und Staatssekretär i m Preußischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit Dr. Hans Ernst Posse, - Staatssekretär i m Reichsfinanzministerium Fritz Reinhardt, - Beauftragter des Führers für Wirtschaftsfragen in der Reichskanzlei Wilhelm Keppler, - Direktor des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel Prof. Dr. Dr. Jens Jessen, 64 - Präsident des Statistischen Reichsamtes Ministerialdirektor Dr. Wolfgang Reichardt, 63 Die Entsendung eines Vertreters des Reichsernährungsministeriums in den Untersuchungsausschuß erklärt sich vor dem Hintergrund, daß Backe in erster Linie die Interessen der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften vertrat. 64 Jessen repräsentierte innerhalb des Untersuchungsausschusses die Wirtschaftswissenschaft. Er stand seit 1932 in Verbindung mit dem Keppler-Kreis und galt als einer der führenden nationalsozialistischen Experten für eine expansive Geld- und Kreditpolitik, ohne sich jedoch mit den radikalen Thesen Feders zu identifizieren. Er wurde nach dem 20. Juli 1944 zum Tode verurteilt und in Plötzensee hingerichtet, s. Kopper, S. 89 f.
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 / Bankenenquete 1933
117
- Ministerialdirektor im Sächsischen Wirtschaftsministerium Geheimrat Dr. Erich Klien, 65 - Reichskommissar für das Bankgewerbe Ministerialdirektor Dr. Friedrich Ernst, - Regierender Bürgermeister von Hamburg Dr. Carl Vincent Krogmann, - Handelskammerpräsident und Treuhänder der Arbeit Dr. Carl Liier, - Generaldirektor und Mitglied des Generalrats der Wirtschaft AIbert Vogler.
66
Auffallend ist, daß kein Vertreter der Kreditwirtschaft in den Untersuchungsausschuß berufen wurde, obgleich dies ursprünglich vorgesehen war. 6 7 Die Repräsentanten der deutschen Kreditinstitute fanden vielmehr nur i m Rahmen der Bankenenquete Berücksichtigung. Dadurch sollte der Eindruck vermieden werden, der Ausschuß werde zum Spielball der Interessen der Kreditwirtschaft. 6 8 Gleichwohl bot die Berufung von erfahrenen Experten auf dem Gebiet des Kreditwesens die Gewähr dafür, daß die berechtigten Belange der Kreditinstitute durch den Untersuchungsausschuß gebührend berücksichtigt wurden. Die Arbeit des Untersuchungsausschusses und damit das K W G wurden besonders von Reichsbankpräsident Schacht sowie von dem Reichskommissar für das Bankgewerbe Ernst geprägt. Sie können als die wichtigsten Mitglieder des Ausschusses gelten. Daneben waren mit Feder und Keppler zwei ausgewiesene und führende Nationalsozialisten i m Untersuchungsausschuß vertreten, die offenbar den Einfluß der Partei auf die Arbeit des Ausschusses sichern sollten.
Reichsbankpräsident
Dr. Hjalmar
Schacht
Schacht wurde am 22. Januar 1877 in Tingleff (Schleswig) geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in München, Leipzig, Berlin und Kiel von 1895 bis 1899 machte er eine steile Karriere in der Wirtschaft. Nach einer Tätigkeit in der Dresdner Bank wurde er 1916 Direktor der Nationalbank für Deutschland und 1920 deren Geschäftsinhaber. 1918 hatte Schacht die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) mitgegründet, bot sich dann jedoch Stresemann für den Staatsdienst an, dessen ebenfalls 1918 von ihm gegründete Deutsche Volkspartei (DVP) sich deutlich von der DDP abgrenzte. 1923 wurde Schacht als Währungskommissar mit der Bekämpfung
65
Klien vertrat innerhalb des Ausschusses die Interessen der Länder, s. Kopper, S. 89. Neben Vogler waren außerdem Krogmann, Lüer und Backe Mitglieder des Generalrats der Wirtschaft, s. Kopper, S. 90. 67 In einem „Vorschlag für die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses" der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 9. Juni 1933 (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 10 f.) waren noch Vertreter aller Zweige des deutschen Kreditwesens vorgesehen. 68 Vgl. Kopper, S. 89. 66
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
der Inflation betraut. I m gleichen Jahr wurde er gegen den Widerstand der rechten Parteien, Teilen der Wirtschaft und der Banken und gegen das einstimmige Votum des Reichsbankdirektoriums Reichsbankdirektor. 1926 trat Schacht aus der D D P aus und orientierte sich in den Folgejahren politisch immer weiter rechts. Aus Protest gegen den Young-Plan trat Schacht 1930 vom A m t des Reichsbankpräsidenten zurück. Er näherte sich der NSDAP an, war Mitglied der Harzburger Front und half entscheidend mit, die Vorbehalte der Wirtschaft gegen die Nationalsozialisten abzubauen. Seit 1930 galt Schacht als der finanzpolitische Vertrauensmann der Rechten. Er hoffte auf ein hohes A m t in einer nationalsozialistischen Regierung und glaubte, diese aufgrund seiner hohen Kompetenz instrumentalisieren zu können. A m 20. März 1933 wurde Schacht, der sich während der Weimarer Republik auch international einen Ruf als hervorragender Finanzpolitiker erworben hatte, auf persönlichen Wunsch Hitlers erneut zum Reichsbankpräsidenten ernannt. Damit profitierte Hitler, der kaum Kenntnisse auf dem Gebiet des Kreditwesens besaß, von den Kenntnissen und Erfahrungen Schachts und erhoffte sich eine Steigerung des wirtschaftspolitischen Renommees der Nationalsozialisten. A m 2. August 1934 wurde Schacht - zunächst kommissarischer - Reichs wirtschaftsminister und von 1935 bis 1937 Generalbevollmächtigter für die Wehrwirtschaft. Schacht unterstützte auf finanzpolitischem Gebiet die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Aufrüstung der Reichsregierung. Als er Hitler gegenüber für eine Konsolidierung der Finanzpolitik eintrat, wurde er 1937 als Reichswirtschaftsminister und 1939 als Reichsbankpräsident entlassen. Zwar blieb Schacht in der Folgezeit als Reichsminister ohne Geschäftsbereich i m Amt, besaß aber keinen Einfluß mehr. Schacht, der schon früher Kontakte zum Widerstand geknüpft und bereits 1938 vergeblich einen Staatsstreich zu organisieren versucht hatte, wurde nach dem Attentat des 20. Juli 1944 verhaftet und in einem Konzentrationslager interniert, obwohl er sich nicht beteiligt hatte. Vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal wurde er freigesprochen. Es gelang ihm nach dem Krieg nicht, erneut in der Politik Fuß zu fassen. Er betätigte sich bis zu seinem Tod in Düsseldorf als Privatbankier, Publizist und Berater ausländischer Regierungen. Schacht starb am 3. Juni 1970 in München. Schacht war zumindest bis 1939 der einflußreichste Finanzpolitiker des Dritten Reiches und gilt als eine der umstrittensten und schillerndsten Persönlichkeiten des Dritten Reiches. Seine wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz hingegen ist unbestritten. Seine Stellung innerhalb der Reichsregierung und gegenüber den Funktionären der N S D A P war jedenfalls bis zur Mitte der 30er Jahre außerordentlich stark. Denn obwohl Schacht nie Mitglied der NSDAP wurde und einer von den Nationalsozialisten bekämpften Freimaurerloge angehörte, genoß er die persönliche Rückendeckung Hitlers, der ihn vor Angriffen von Parteifunktionären in Schutz nahm. Zudem konnte er aufgrund seiner hervorragenden Kenntnisse und seiner Stellung als Reichsbankpräsident, Vorsitzender des Untersuchungsausschus-
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 / Bankenenquete 1933
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ses und seit 1934 als kommissarischer Reichswirtschaftsminister entscheidenden Einfluß auf den Inhalt des K W G nehmen. Damit hat Schacht, der überhaupt erst den Anstoß zur Bankenreform gegeben hatte, 6 9 wie keine zweite einzelne Persönlichkeit das K W G geprägt. 70
Reichskommissar für das Bankgewerbe Friedrich
Ernst
Ernst wurde am 9. Juni 1889 in Berlin geboren. Nach Jurastudium und Kriegsdienst trat er 1919 in das Preußische Handelsministerium ein, dem er bis 1931 angehörte. In dieser Zeit war er wiederholt als Staatskommissar an der Berliner Börse tätig gewesen und knüpfte Verbindungen zur deutschen Kreditwirtschaft. 1931 wurde er der erste Reichskommissar für das Bankgewerbe, wobei seine Ernennung allgemein begrüßt wurde. Unter der Geltung des K W G nahm er seit 1935 das A m t des Reichskommissars für das Kreditwesen wahr. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs beantragte er die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand, wurde statt dessen 1 9 3 9 - 4 1 Reichskommissar für die Verwaltung „feindlichen Vermögens", danach Mitinhaber des Bankhauses Delbrück, Schickler & Co. Ernst, der nie M i t glied der NSDAP war, wurde nach dem 20. Juli 1944 verhaftet. 1948 war Ernst als Leiter der Berliner Währungskommission maßgeblich an der Geldreform beteiligt, übernahm 1949 bis zur Gründung der Bundesbank den Vorsitz im Verwaltungsrat der Berliner Zentralbank und leitete 1 9 5 2 - 5 8 den Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Gesamtdeutschen Ministerium. Er war Aufsichtsratsvorsitzender u. a. bei der A E G Berlin. Ernst starb am 28. November 1960 in Berlin. 7 1 Die Bestellung Emsts zum Reichskommissar für das Bankgewerbe erwies sich als glückliche Wahl. Es gelang ihm nicht nur, die Zusammenarbeit zwischen Reichsbank und Reichsregierung erfolgreich zu vermitteln, er erwarb sich darüber hinaus auch das Vertrauen der von ihm beaufsichtigten Banken, was maßgeblich zum Erfolg seiner Arbeit beitrug. 7 2 Aufgrund seiner Tätigkeit verfügte Ernst naturgemäß über wertvolle Erfahrungen auf dem Gebiet der Bankenaufsicht. Diese Erfahrungen machte sich der Untersuchungsausschuß reichlich zunutze, so daß Ernst neben Schacht in besonderer Weise zur Ausgestaltung des K W G beigetragen hat.
69 s. o., Teil 2, C , I. 70
Quellen: Das Deutsche Führerlexikon, S. 404f.; Deutsche Biographische Enzyklopädie, Band 8, S. 539 f.; Hansmeyer/Caesar in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876 — 1975, S. 385; Kopper, S. 71 ff.; Stolper, Der Deutsche Volkswirt 1932, S. 71; Weitz, S. 238, 449. 71 Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 3, S. 163; Kopper, S. 89. 72 Stolper, Der Deutsche Volkswirt 1932, S. 72.
120 Staatssekretär
Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG und Reichskommissar für das Siedlungswesen Gottfried
Feder
Feder wurde am 27. Januar 1883 in Würzburg geboren. Nach dem Studium in München, Charlottenburg und Zürich legte er 1905 sein Diplomexamen als Bauingenieur in München ab. Er arbeitete als Konstrukteur in einer Eisenbetonfirma und seit 1908 als selbständiger Unternehmer im Flugzeughallen- und Eisenbetonschiffbau. Seit 1917 befaßte er sich autodidaktisch mit volkswirtschaftlichen Studien und veröffentlichte 1919 das „Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft", das zum zentralen Punkt i m Parteiprogramm der NSDAP werden sollte. Feder gründete einen „Kampfbund zur Brechung der Zinsknechtschaft", der 1919 in der NSDAP aufging. Als Wirtschaftsexperte und Mitglied der Reichsleitung der Partei sowie Mitglied des Reichstages ( 1 9 2 4 - 3 6 ) formulierte Feder die radikale antikapitalistische Programmatik der nationalsozialistischen Bewegung und veröffentlichte eine Vielzahl von Propagandaschriften. Seine wirtschaftlichen Studien machten ihn in der Frühphase des Nationalsozialismus zum führenden Wirtschaftsexperten und Programmatiker der NSDAP. I m gleichen Maße, wie mit der Annäherung Hitlers an die deutsche Wirtschaft und dem Sturz des Sozialrevolutionären Parteiflügels um Georg Straßer der Einfluß des linken Flügels der NSDAP schwand, sank jedoch auch die Bedeutung Feders innerhalb der Partei. Zwar wurde er noch 1933 Staatssekretär i m Wirtschaftsministerium und 1934 Reichskommissar für das Siedlungswesen. I m selben Jahr mußte er seine Amter jedoch aufgeben und las als Honorarprofessor an der T H Charlottenburg über Städtebau und Siedlungswesen. 73 Feder starb am 24. September 1941 in Murnach (Oberbayern). 74 Trotz seiner finanzpolitischen Veröffentlichungen war Feder aufgrund seiner Ausbildung und seines Berufsganges kein Kenner des deutschen Kreditwesens. Darüber hinaus standen seine radikalen wirtschaftspolitischen Forderungen i m krassen Gegensatz zu den eher liberalen wirtschaftspolitischen Anschauungen Schachts und der meisten anderen Ausschußmitglieder. Daher erfolgte die Berufung Feders in den Ausschuß offenbar in erster Linie aus politischem Kalkül, um die Akzeptanz des Ausschusses innerhalb des linken Flügels der NSDAP zu erhöhen. 7 5 Gleichwohl verstand Schacht es, Feder sehr bald aus dem Untersuchungsausschuß herauszudrängen. Feder hatte vertrauliches Material aus den Sitzungen der Bankenenquete dem Direktor des Deutschen Sparkassen- und Giro Verbandes Herrmann zugänglich gemacht, das dieser an die Presse weitergab. Diese Indiskretion nahm Schacht zum Anlaß, Feder bereits Anfang März aus dem Untersuchungsausschuß zu entfernen und dafür zu sorgen, ihn an keinen weiteren Gesetzesberatungen mehr teilnehmen zu lassen. 76 Damit war der einzige Nationalsozia-
73
Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 3, S. 240 f. Quellen: Das Deutsche Führerlexikon, S. 120; Deutsche Biographische Enzyklopädie, Band 3, S. 240 f.; Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 834. 7 5 Vgl. auch Kopper, S. 89. 74
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 / Bankenenquete 1933
121
list i m Untersuchungsausschuß, der auf eine konsequente Umsetzung der nationalsozialistischen Forderungen 77 i m Rahmen der Bankenreform hingearbeitet hatte, aus dem Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung des K W G ausgeschlossen.
Beauftragter des Führers für Wirtschaftsfragen in der Reichskanzlei Wilhelm Keppler Keppler wurde am 14. Dezember 1882 in Heidelberg geboren. Er studierte Maschinenbau an den Technischen Hochschulen Karlsruhe und Danzig. Nach dem Studium baute er die Chemischen Werke Odin in Eberbach (Baden) auf und war als Geschäftsführer in verschiedenen Werken der chemischen Industrie tätig. Keppler trat 1927 in die NSDAP ein und fungierte seit 1931 als persönlicher Berater Hitlers. Er organisierte 1932 den sogenannten Keppler-Kreis, ein zwölfköpfiges Beratungsgremium von führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Finanzwelt, das den Nationalsozialisten Wirtschaftskompetenz vermitteln sollte. 1933 wurde er Mitglied des Reichstags und Kommissar für Wirtschaftsangelegenheiten in der Reichskanzlei. I m November 1934 übernahm er die „Sonderaufgabe Deutsche Rohstoffe 4 ', die 1936 auf den Vierjahresplan überging. In dieser Zeit verlor Keppler rasch an Einfluß. 1938 wurde er Kontaktmann Hitlers zwischen Wien und Berlin. Seit Herbst 1938 war er nur noch Staatssekretär z. b. V. i m Auswärtigen Amt. Keppler wurde 1949 durch den Militärgerichtshof I V in Nürnberg zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, jedoch schon 1950 aus der Haft entlassen. Er starb am 13. Juni 1960 in Friedrichshafen. 78 Als persönlicher Vertrauter Hitlers versuchte Keppler, den Interessen der Reichsregierung gegenüber der Reichsbank i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Geltung zu verschaffen.
I I I . Die politische Ausrichtung des Untersuchungsausschusses Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen nahm sehr bald nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung" seine Arbeit mit dem Ziel auf, das deutsche Kreditwesen neu zu ordnen. Mindestens zwei seiner Mitglieder waren ausgewiesene Nationalsozialisten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der politischen und ideologischen Ausrichtung des Ausschusses. 76 Aktenvermerk der Reichskanzlei über den Ausschluß Feders vom 24. März 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 76. 77 Dazu zählte insbesondere die Forderung nach der Verstaatlichung des Bankwesens. S. dazu u., Teil 3, A. 78 Quellen: Das Deutsche Führerlexikon, S. 226; Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 5, S. 508; Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 543 f., 852; Schubert, Akademie für Deutsches Recht (Aktienrecht), S. LVI.
Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
122
Die Berufung Feders in den Untersuchungsausschuß läßt vermuten, die Arbeit des Ausschusses sei stark ideologisch geprägt gewesen. Schließlich hatte gerade Feder mit seinen radikalen wirtschafts- und finanzpolitischen Thesen, die überwiegend gegen das bestehenden Bankensystem gerichtet waren, dem Wirtschaftsprogramm der NSDAP Gestalt verliehen. Zudem wurde gegenüber der Öffentlichkeit immer wieder betont, daß der Untersuchungsausschuß seine Arbeit unter bewußter Anerkennung nationalsozialistischer Staatsauffassung wahrnehmen und dieser Auffassung in jeder Hinsicht Geltung verschaffen werde. 7 9 Auch der Ausschußvorsitzende Schacht und das Ausschußmitglied Keppler wiesen in ihrer Eröffnungsrede vor dem Untersuchungsausschuß wiederholt darauf hin, daß sich eine Reform des Bankwesens an nationalsozialistischen Grundsätzen zu orientieren habe. 8 0 Diese Betonung der politischen Bedeutung des Untersuchungsausschusses verwundert angesichts der kurz zuvor erfolgten „Machtergreifung" der Nationalsozialisten nicht. Es stellt sich jedoch die Frage, wie die fortwährenden Hinweise auf die beabsichtigte Umsetzung der NS-Ideologie zu bewerten sind. Entsprachen sie tatsächlich der inneren Überzeugung der Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses und war der Ausschuß somit in erster Linie ein politisch-ideologisches Gremium? Oder stellten diese Hinweise lediglich eine Verbeugung vor den neuen Machthabern dar, während es dem Untersuchungsausschuß in Wahrheit auf eine sachorientierte, pragmatische Lösung der Probleme des deutschen Kreditwesens ankam, ohne der NS-Ideologie dabei einen hohen Stellenwert einzuräumen? Bei näherer Betrachtung sprechen die überwiegenden Hinweise für eine Ausrichtung des Untersuchungsausschusses i m letzteren Sinne. So gab sich der Untersuchungsausschuß in seiner zweiten Sitzung am 14. November 1933 für seine Arbeit eine Reihe von Grundsätzen, die seinen pragmatischen Charakter unterstreichen. Diese Grundsätze wurden von Schacht vorgegeben und von den übrigen Mitgliedern des Ausschusses ohne Widerspruch angenommen. Sie lauteten folgendermaßen: „1. Die Grundlage der Volkswirtschaft beruht auf der Arbeit einzelner Menschen, d. h. der einzelne Staatsbürger ist Träger des ganzen Wirtschaftslebens und auf ihn muß Rücksicht genommen werden. 2. Kapitalgüter sind das Resultat menschlicher Arbeit. 3. Das aus Arbeit entstandene Kapital gehört dem, der es erarbeitet hat, das Privateigentum wird somit grundsätzlich anerkannt. 4. Leihkapital ist berechtigt und für den wirtschaftlichen Fortschritt sehr nützlich und wünschenswert. Die Vermittlung von Leihkapital und somit das Bankwesen ist ein nützliches Gewerbe.
79 Vgl. etwa Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 389. 80
Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 9 ff., 12 f.
C. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 / Bankenenquete 1933
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5. Leihkapital wird verzinst. Gegenstand der Debatten ist nur die Höhe des Leihkapitals und die Form des Zinses. Der Grundsatz des Zinses ist moralisch und wirtschaftlich in jeder Weise gerecht. 6. Der Umlauf des Geldes muß der staatlichen Kontrolle unterliegen, unkontrollierte oder unkontrollierbare private Geldschöpfung ist zu unterbinden. 7. Alle Möglichkeiten und Freiheiten, die die vorstehenden Grundsätze dem einzelnen eröffnen, finden ihre Grenze in dem Grundsatz:,Gemeinnutz geht vor Eigennutz' " . 8 1 Diese Grundsätze verdeutlichen die Scheu des Untersuchungsausschusses vor radikalen Eingriffen in das Bankwesen, indem sie dessen wesentliche Voraussetzungen - Privatinitiative und -eigentum, Berechtigung von Leihkapital und Zins vorbehaltlos anerkannten. Vor allem aber standen sie teilweise i m offenen Widerspruch zur NS-Ideologie. So bezeichnete die Lehre Feders von der „Brechung der Zinsknechtschaft", die Eingang in das Parteiprogramm der NSDAP gefunden hatte, den Leihzins als „durch und durch unsittlich" 8 2 und strebte die Abschaffung des Zinses bzw. dessen drastische und staatlich verordnete Senkung an, während der Untersuchungsausschuß den Leihzins ausdrücklich als moralisch und berechtigt bezeichnete. 83 Aufschlußreich ist auch das Zustandekommen dieser Grundsätze. Sie wurden nicht innerhalb des Untersuchungsausschusses entwickelt, sondern bereits während einer internen Reichsbankbesprechung am 18. Oktober 1933 festgelegt. 84 Während dieser Besprechung wurde die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank beauftragt, zur Untermalung der soeben beschlossenen Grundsätze Zitate maßgebender Nationalsozialisten zusammenzustellen. 8 5 Dies verdeutlicht, daß die Reichsbank die Arbeitsgrundsätze des Untersuchungsausschusses nicht aus der NS-Ideologie, sondern aus rein sachpolitischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen hergeleitet hat und sie dann offenbar zu propagandistischen Zwecken als ausgesprochen nationalsozialistisch ausgeben wollte. M i t der Übernahme dieser Grundsätze dokumentierte der Untersuchungs-
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Prot, der 2. Sitzung des Untersuchungsausschusses v. 14. 11. 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6916, S. 377ff. 82 Feder, Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft, S. 5. 83 Freilich behauptete Schacht in der Sitzung vom 14. November 1933, die Grundsätze des Ausschusses stünden nicht im Widerspruch zur Lehre von der Brechung der Zinsknechtschaft (Prot, der 2. Sitzung des Untersuchungsausschusses v. 14. 11. 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6916, S. 377ff.). Offenbar wollte er damit einen Gesichtsverlust des ebenfalls anwesenden Feder vermeiden. Jedenfalls war Feder gegen Ende 1933 schon weitgehend entmachtet, so daß seine Thesen kaum Beachtung fanden. 84 Vgl. das Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6912, S. 372ff. 85 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912, S. 373f. Diese Zitate sind abgedruckt in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6913, S. 187 ff. Offenbar hatte die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung Schwierigkeiten beim Auffinden entsprechender Zitate, da eine Reihe von ihnen nur schwer zu den Grundsätzen paßt, die sie untermalen sollen.
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
ausschuß, ideologischen Gesichtspunkten keine entscheidende Bedeutung zuzumessen. Dies spiegelt sich auch in den weiteren Beratungen des Untersuchungsausschusses wieder. Der Ausschuß ordnete seine Besprechungen der verschiedenen KWG-Entwürfe ausschließlich dem Ziel unter, das deutsche Kreditwesen zu stabilisieren und zu seiner ehemals vorhandenen Leistungsfähigkeit zurückzuführen. Er orientierte sich dabei stets an den realen Gegebenheiten und ging sehr ergebnisorientiert vor. Etwaige zu berücksichtigende ideologische Gesichtspunkte kamen dabei neben betriebs- und volkswirtschaftlichen Erwägungen praktisch nie zur Sprache. Schließlich bot die Stellung Schachts als Ausschußvorsitzendem die Gewähr dafür, daß der Ausschuß einen pragmatischen Arbeitsstil pflegte. Denn obwohl Schacht spätestens seit seiner Berufung zum Reichswirtschaftsminister der führende Wirtschaftspolitiker des Dritten Reiches war, fühlte er sich stets seinen eigenen finanzpolitischen und wirtschaftlichen Überzeugungen verpflichtet und maß demgegenüber der Programmatik der NSDAP keine Bedeutung bei. So ermahnte er nach seiner Berufung zum Reichswirtschaftsminister seinen Mitarbeiterstab, sachorientiert und gerecht zu handeln und jede Einmischung von Funktionären der NSDAP zu unterbinden. 86 Zudem verlor der Ausschuß mit der Entlassung Feders Anfang 1934 8 7 das einzige Mitglied, das stets die Umsetzung der radikalen wirtschaftspolitischen Forderungen der Nationalsozialisten i m Rahmen der Bankenreform gefordert hatte. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Untersuchungsausschuß entgegen seiner öffentlichen Darstellung kein politisch-ideologisches Gremium war. Vielmehr bot sein pragmatischer Charakter die Gewähr dafür, daß bei der Umsetzung der Bankenreform und insbesondere bei der Ausarbeitung des K W G umsichtig und sachorientiert vorgegangen wurde. Die Betreuung des Untersuchungsausschusses mit der Neugestaltung der Bankenaufsicht in Deutschland muß daher als Glücksfall für das Kreditwesen bezeichnet werden.
IV. Die Bankenenquete im November/Dezember 1933 Zur Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens, das zum K W G führte, organisierte der Untersuchungsausschuß i m November/Dezember 1933 die nunmehr dritte Bankenenquete in Deutschland seit der Jahrhundertwende.
86 Weitz, s. 238. «ν s. o., Teil 2, C., II.
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1. Aufgabe und Arbeitsweise der Enquete Die Bankenenquete hatte die Aufgabe, die Probleme des deutschen Kreditwesens aus den verschiedensten Blickwinkeln zu beleuchten und etwaige Lösungsvorschläge herauszuarbeiten. Die dabei gewonnenen Ergebnisse sollten die Basis für die weiteren Arbeiten des Untersuchungsausschusses darstellen. Zu diesem Zweck wurden zunächst von ausgewählten Sachverständigen 26 schriftliche Referate ausgearbeitet, die die wichtigsten Probleme des deutschen Kreditwesens behandelten und in drei Gruppen unterteilt waren. 8 8 Die erste Gruppe von Referaten analysierte den gegenwärtigen Zustand des deutschen Kreditwesens und dessen Ursachen. Eine weitere Gruppe schilderte die bisherigen Sanierungsversuche und die dritte Gruppe behandelte schließlich die Politik der Reichsbank gegenüber dem Bankwesen. Die Referate wurden kurz vor Beginn der Enquete veröffentlicht und nach deren Abschluß gesammelt herausgegeben. 89 Sie wurden durch umfangreiche, von der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank zusammengestellte Statistiken ergänzt. 90 Die Referate waren die Basis für die Bankenenquete. 91 Diese bildete sich aus einer Reihe von 28 Sitzungen, 9 2 in denen der Untersuchungsausschuß gemeinsam mit den von ihm berufenen Sachverständigen die Probleme des deutschen Kreditwesens erörterte. I m Laufe dieser Sitzungen wurden 123 Sachverständige aus den Kreisen der Wissenschaft, der Kreditwirtschaft, des Handels, der Industrie, der Landwirtschaft und des Handwerks gehört. 9 3 Die Erörterungen begannen mit der 1. Sitzung der Bankenenquete am 21. November 1933 und endeten nach 27 Vormittags- und Nachmittagssitzungen am 20. Dezember 1933. 9 4 Sie fanden i m Gebäude der Reichsbank statt und wurden überwiegend öffentlich vor geladenen Vertretern des Kreditwesens, der Wissenschaft und der Presse abgehalten. Die mündlichen Verhandlungen der Bankenenquete waren in sechs Abschnitte unterteilt. Je ein Abschnitt widmete sich dem privaten Bankwesen, den Staatsbanken, den Kreditgenossenschaften, den Sparkassen und Girozentralen, der Sanierung des Kapitalmarktes und den Problemen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Von diesen Abschnitten war der erste über das private Bankwesen aus heutiger Sicht der interessanteste. Hier standen gesetzliche Vorschriften zur Regelung der Mittelausstattung, der Liquidität, der Publizität und der Kreditpolitik der Banken zur Debatte. Diese Materien fanden schließlich als Normativbestimmungen für 88 89 90 91 92 93 94
Übersicht über die Referate s. Anhang 1. Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. und 2. Band (Ansprachen und Referate). Untersuchung des Bankwesens, Teil II (Statistiken). Zu den Themen der Referate s. Anhang 1. Übersicht über Ablauf und Themen der Sitzungen s. Anhang 1. v. Hantelmann, S. 19. Zu den Terminen und Inhalten der einzelnen Sitzungen s. Anhang 1.
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die Kreditinstitute Eingang ins K W G und spielten eine zentrale Rolle innerhalb des Gesetzes. Ähnlich wie die Arbeit des Untersuchungsausschusses pflegte auch die Bankenenquete einen sachlichen Stil. Dafür sorgte Schacht, der als Leiter der Enquete die Sachverständigen eingangs darauf hinwies, sich auf die Darstellung von Tatsachen zu beschränken und sich nach Möglichkeit weltanschaulicher Ausführungen jeder Art zu enthalten. 95 Die Bankenenquete von 1933 war somit nicht ideologisch geprägt, sondern zeigte vielmehr, aufbauend auf der gewachsenen Tradition des Kreditwesens, eine liberale Grundhaltung. 9 6 Für den zügigen Gang der Enquete sorgte die Geschäftsordnung, die der Untersuchungsausschuß der Enquete gab. Danach hatten sich die Ausschußmitglieder auf das Stellen von Fragen zu beschränken und nicht inhaltlich in die Debatten einzugreifen. Auch ausschweifende Debatten zwischen einzelnen Sachverständigen sollten soweit wie möglich vermieden werden. 9 7 Tatsächlich gelang es Schacht, der die meisten Sitzungen leitete, durch seine straffe Verhandlungsführung dafür zu sorgen, daß die Themen der Enquete konzentriert beraten und eine Ausuferung der Debatten vermieden wurde. Die gute Vorbereitung der Enquete durch die verschiedenen Referate und die zügige Beratung der Themen führte somit dazu, daß die Bankenenquete von 1933 innerhalb eines Monats und damit erheblich schneller als die Enqueten der Jahre 1908/09 und 1928/ 30 abgeschlossen war.
2. Der Stellenwert der Enquete im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Die Bankenenquete von 1933 sollte dem Untersuchungsausschuß das erforderliche Tatsachenmaterial für seine Arbeit sowie Anregungen für die Umsetzung der Bankenreform liefern. Sie hatte jedoch als beratendes Gremium keinerlei Entscheidungsbefugnisse und konnte daher weder auf die Beschlüsse des Untersuchungsausschusses noch auf die Gestalt des K W G direkten Einfluß nehmen. 9 8 Gleichwohl war die Enquete gegenüber der Öffentlichkeit der sichtbarste Ausdruck der Arbeiten an der Bankenreform und wurden von allen Vertretern des Kreditwesens ge95
Wortlautprot. der Vormittagssitzung der Bankenenquete vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6927, S. 5. Auf der Nachmittagssitzung der Bankenenquete vom 23. 11. 1933 (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 325) rief der Vorsitzende Schacht Staatssekretär Feder zur Ordnung, nachdem dieser breite Ausführungen politischer Art gemacht hatte. 96 So auch Wandel, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 151. Vgl. auch Jessen, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 417. 97 Prot, der 2. Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 14. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6916, S. 374f. 98 Auf diesen Umstand wies Schacht gegenüber den Pressevertretern wiederholt hin. Protokolle der Enquete Verhandlungen vom 23. November 1933 und 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 315, 341.
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nutzt, in ihrem Sinne auf die Gestalt der zukünftigen Bankenaufsicht Einfluß zu nehmen. Somit stellt sich die Frage, welchen Einfluß die Enquete auf den Inhalt des K W G genommen hat. Bereits mehrere Wochen vor der Bankenenquete hatte die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank für rein interne Zwecke zwei Vorentwürfe zu einem Bankenaufsichtsgesetz erarbeitet." Beide Entwürfe waren i m Hinblick auf das spätere K W G noch in vielen Bereichen unvollständig, sie enthielten jedoch schon die Vorschriften, die schließlich in ihren Grundsätzen Eingang in das K W G fanden und dessen Kern darstellten. Dazu zählten in erster Linie die Normativbestimmungen, die die Geschäftsführung der Banken regelten und insbesondere Vorgaben für die Eigenkapitalausstattung, die Liquidität und die Kreditpolitik der Banken enthielten. Da diese Bestimmungen einen erheblichen Eingriff in die Geschäftsführung der einzelnen Banken bedeuteten, wurde der Erlaß entsprechender Vorschriften i m ersten Abschnitt der Bankenenquete breit erörtert. 1 0 0 Dabei wandten sich insbesondere die Vertreter der Großbanken grundsätzlich gegen die Aufnahme von Normativbestimmungen in die Bankenaufsicht. Aufgrund dieser Einwände unterzog die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank ihren Vorentwurf vom November 1933 einer eingehenden Prüfung. Sie kam dabei zu dem Ergebnis, daß die Kritik der Bankenvertreter an den beabsichtigten Vorschriften überwiegend nicht stichhaltig sei und hielt an ihrem Entwurf weitgehend fest. 1 0 1 Der Bankenenquete gelang es daher nicht, in einem äußerst wichtigen Bereich Einfluß auf die Gestalt des K W G zu nehmen. Darüber hinaus erörterte die Bankenenquete eine Reihe von Fragen, die auf eine radikale Neuorganisation der deutschen Kreditwirtschaft hinausliefen. Dazu zählten die Debatten über die Verstaatlichung der Banken, die Umbildung der Großbanken in Regionalbanken und die gesetzliche Abgrenzung der Geschäftsbereiche von Banken und Sparkassen. 102 Keine dieser Maßnahmen, die extreme Eingriffe in die Ordnung des deutschen Kreditwesens erfordert hätten, wurde schließlich umgesetzt, obwohl insbesondere die Bildung von Regionalbanken und die Neuordnung des Verhältnisses zwischen Banken und Sparkassen teilweise vehement gefordert wurden. Auch insoweit konnte die Enquete somit keine entscheidenden Impulse für das K W G liefern. Schließlich verlieh Schacht in einer internen Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. November 1933 seiner Auffassung Ausdruck, daß er der Bankenenquete in erster Linie politische und nur in geringem Maße sachliche 99
Vorentwürfe der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom August 1933 (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 159ff.) und vom 10. November 1933 (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6913, S. 110 ff.). 100 s. o., Teil 2, C , IV., 1. 101 Untersuchung der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6919, S. 118 ff.
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Bedeutung beimesse. Er führte aus, die Enquete solle dazu dienen, die Öffentlichkeit auf die Reform des Bankwesens vorzubereiten. Er selbst sei zwar grundsätzlich gegen eine öffentliche Diskussion, sondern bevorzuge eine autoritäre Entscheidung. Jedoch sei es in wirtschaftlichen Angelegenheiten besser, gesetzgeberische Akte vorzubereiten anstatt plötzliche Entscheidungen zu treffen. Außerdem werde die Akzeptanz eines Gesetzes erhöht, wenn die betroffenen Kreise vorher gehört würden. Schließlich bestehe auch die Hoffnung auf Anregungen sachlicher Art.103 Die Grundzüge der mit dem K W G neu zu schaffenden Bankenaufsicht - das System der Normativbestimmungen - lagen spätestens seit Sommer 1933 fest und es wurde trotz der Kritik vieler Sachverständiger nie ernsthaft erwogen, von ihnen Abstand zu nehmen. 1 0 4 Schacht selbst stand der Enquete ablehnend gegenüber. Immerhin wurden die i m Rahmen der Enquete vorgebrachten Kritikpunkte und Argumente einer eingehenden Prüfung und Würdigung durch die Reichsbank unterzogen, ohne daß dies jedoch in wichtigen Punkten zu einer geänderten Haltung geführt hätte. Rückblickend betrachtet, ist der Einfluß der Bankenenquete auf den Inhalt des K W G daher als gering anzusehen.
3. Die Enquete im Spiegel der Presse Die Bankenenquete von 1933 war gegenüber der Öffentlichkeit der sichtbarste Ausdruck der umfangreichen Reformarbeiten des Untersuchungsausschusses. Dementsprechend aufmerksam wurde die Entwicklung der Enquete von der Fachpresse verfolgt. Die wichtigsten Fachzeitschriften berichteten regelmäßig über den Gang der öffentlichen Verhandlungen. 1 0 5 Dabei fand die Enquete in der etablierten und weitgehend bankenfreundlichen Fachpresse - etwa der „Bank", dem „Bank-Archiv" und der „Bankwissenschaft" - überwiegend ein positives Echo. Nach den schlechten Erfahrungen mit der viel zu langgezogenen Bankenenquete von 1928/30 wurden insbesondere der zügige Gang der Verhandlungen und die sachliche Gesprächsatmosphäre begrüßt. 1 0 6 Besondere Aufmerksamkeit widmete „Der Deut102
Zu diesen Fragen s. u., Teil 3. Prot, der internen Nachmittagssitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6914, S. 645. 104 Bereits in den ersten Jahren nach der Bankenkrise war seitens des Kuratoriums und des Reichskommissars für das Bankgewerbe an den Erlaß entsprechender Grundsätze für die Kreditinstitute gedacht worden. los Vgl. etwa Die Bank 1933, S. 1720ff., 1753 ff.; Bankwissenschaft 1933, Jg. 10., S. 551 ff.; Der Deutsche Oekonomist 1933, S. 1573 ff., 1581 ff., Deutsche Wirtschaftszeitung 1933, S. 1161 ff.; Die Deutsche Volkswirtschaft 1933, S. 528 ff. »06 Vgl. Argentarius, Die Bank 1933, S. 1696; Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 551; Der Deutsche Oekonomist, S. 1573. 103
D. Die Ausarbeitung des KWG durch den Untersuchungsausschuß
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sehe V o l k s w i r t " 1 0 7 der Bankenenquete. In der Hoffnung, Anregungen für die Enquete liefern zu können, veröffentlichte er parallel zu ihr unter dem Titel „BankEnquete des ,Deutschen Volkswirts"' eine eigene Serie von 16 Artikeln. Darin erörterten Vertreter aus Wissenschaft und Praxis die wichtigsten Probleme des deutschen Kreditwesen aus ihrem Blickwinkel. Anders als die meisten Zeitschriften beschränkte sich „Der Deutsche Volkswirt" somit nicht auf die bloße Berichterstattung, sondern leistete einen eigenen Beitrag zur Bankenenquete. Aus der nationalsozialistischen Fachpresse wurde dagegen starke Kritik an der Enquete geübt. „Die Deutsche Volkswirtschaft" verknüpfte mit dem Hinweis auf die liberale Tendenz der Enquete den Vorwurf, daß auf keinem Gebiet „die Grundsätze des alten Nationalsozialismus in der letzten Zeit so sehr bekämpft worden [sind] wie auf dem Gebiet des Bankwesens". 1 0 8 Zudem wurden die „liberalistischen Ausführungen der Banken Vertreter" sowie die Tatsache bemängelt, daß es am Willen fehle, das Bankwesen an den Maximen der neuen Staatsführung auszurichten. 1 0 9 Somit zeigte die Reaktion der Fachpresse ein genaues Bild von der Tendenz der Bankenenquete. Den Beteiligten kam es darauf an, sachliche Vorschläge zur Lösung der Probleme des Kreditwesens zu unterbreiten, bei gleichzeitiger Anerkennung seiner gewachsenen Strukturen. Demgegenüber fanden nationalsozialistische Forderungen in der Enquete praktisch keine Beachtung.
D. Die Ausarbeitung des K W G durch den Untersuchungsausschuß unter Mitwirkung von Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium Die Ausarbeitung eines KWG-Entwurfes, der dem Reichskabinett zur Verabschiedung vorgelegt werden konnte, fand seit Februar 1934 in einer Reihe von Besprechungen statt. Neben dem Untersuchungsausschuß haben sich auch die Reichsbank und das Reichswirtschaftsministerium an diesem Verfahren maßgeblich beteiligt.
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„Der Deutsche Volkswirt" war eine liberal geprägte Wirtschaftszeitung, die von 1926 bis 1933 erschien. Sie ist nicht zu verwechseln mit der nationalsozialistischen Wirtschaftszeitung „Die Deutsche Volkswirtschaft", die sehr stark ideologisch geprägt war. 1933 ging „Der Deutsche Volkswirt" in „Die Deutsche Volkswirtschaft" auf. >08 Hunke, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 3 f. 109 Die Deutsche Volkswirtschaft 1933, S. 558. 9 Müller
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I. Die Ausarbeitung des KWG Den Auftakt zu den Beratungen, die zur Ausformulierung des K W G führten, bildete eine Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934. 1 1 0 In dieser Sitzung lag dem Ausschuß erstmalig ein von der Reichsbank komplett ausgearbeiteter KWG-Entwurf vor (im folgenden: K W G - E l ) . 1 1 1 In einer kurzen allgemeinen Einführung wies Schacht darauf hin, daß der Gesetzesentwurf noch stilistisch unausgereift sei, aus Sicht der Reichsbank aber das Maximum dessen enthielte, was zur Durchführung der Bankenreform erforderlich s e i . 1 1 2 Daraufhin erörterte der Ausschuß einige Vorschriften, wobei der Schwerpunkt der Debatte bei den Normativbestimmungen lag, die i m 5. Teil des späteren K W G ihren Niederschlag fanden. Eine umfassende Diskussion des Entwurfs fand in dieser nur gut zweistündigen Sitzung jedoch nicht statt. Es war vielmehr vorgesehen, den Entwurf nach einer kurzen Erörterung den Vertretern der Banken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen zuzuleiten 1 1 3 und danach in die ausführlichen Gesetzesberatungen einzutreten. 1 1 4 Dementsprechend wurde er auch vor der nächsten Besprechungsrunde i m Reichswirtschaftsministerium nicht überarbeitet, obwohl seitens der Ausschußmitglieder diverse Änderungswünsche an Schacht herangetragen wurden. Die erste grundlegende Überarbeitung erfuhr der K W G - E 1 während einer umfassenden Besprechungsrunde i m Reichswirtschaftsministerium. 115 Bei diesen Besprechungen wurden in einer Reihe von zwölf einzelnen Sitzungen zwischen dem 3. und 27. März 1 9 3 4 1 1 6 jede einzelne Vorschrift beraten und eine Vielzahl von Änderungen des Entwurfs beschlossen. Anders als bei den Beratungen des Untersuchungsausschusses lag hier der Schwerpunkt der Debatten auf den Vorschriften über den Sparverkehr sowie vor allem auf den Regelungen über die Einrichtung und Organisation der Bankenaufsicht. Die Besprechungsrunde setzte sich überwiegend aus Vertretern des Wirtschafts-, Finanz-, Justiz- und Ernährungsministeriums sowie aus weiteren Vertretern der Reichsregierung zusammen. 1 1 7 U m eine bessere no BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6939, S. 274 ff. An dieser Sitzung nahm neben den Ausschußmitgliedern zusätzlich Bankier Martin teil. in BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 63 ff. 1 12 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 274. 113 Ob der KWG-E 1 den betroffenen Kreisen tatsächlich zugänglich gemacht wurde, ist nicht ersichtlich. Spätere Eingaben seitens der Banken im laufenden Gesetzgebungsverfahren (vgl. u., Teil 4, F., I., 5.) sprechen eher dagegen. 1,4 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 274. us BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 238 ff. 116 Die einzelnen Sitzungen fanden am 3., 6., 7., 8., 12., 13., 14., 16., 19., 21., 22. und 27. März 1934 statt. 117 An der Besprechung vom 3. März 1934 nahmen teil: Staatssekretär Feder, Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium), Geheimrat Kohler (Reichswirtschafts-
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Abstimmung zwischen Reichswirtschaftsministerium und Reichsbank zu gewährleisten, wurde auf der ersten Sitzung vom 3. März 1934 beschlossen, an den weiteren Beratungen auch Vertreter der Reichsbank zu beteiligen. 1 1 8 Dementsprechend waren i m weiteren Verlauf Reichsbankdirektor Müller und Reichsbankrat Eltester Teilnehmer der einzelnen Sitzungen, nicht jedoch der Reichsbankdirektor und Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Schacht. Die Besprechungsrunde vom März 1934 war die wichtigste i m gesamten Gesetzgebungsverfahren. Hier wurden wesentliche Änderungen des K W G - E 1 beschlossen, die schließlich in einer überarbeiteten Fassung des ersten Entwurfs (im folgenden: K W G - E 2 ) 1 1 9 mündeten, die dem endgültigen K W G bereits recht nahe kam. Demgegenüber dienten die weiteren Beratungen in weiten Teilen überwiegend der weiteren Verfeinerung und stilistischen Ausarbeitung des K W G - E 2 , 1 2 0 wenngleich einzelne Vorschriften bis kurz vor Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens stark umstritten waren und immer wieder geändert wurden. Nach Abschluß dieser Besprechungsrunde kam es zum Eklat mit dem Reichsernährungsministerium. In einem Schreiben an Hitler vom 27. April 1 9 3 4 1 2 1 teilte Reichsernährungsminister Darre mit, daß er „als Reichsleiter der NSDAP, der sich auch in seiner Stellung als Reichsminister als Nationalsozialist fühlt" den i m Reichswirtschaftsministerium beratenen Gesetzentwurf grundsätzlich ablehne. Die Gründe für seinen Standpunkt legte er in einer beigefügten Stellungnahme d a r . 1 2 2 Darin führte er aus, daß der Entwurf nicht die erforderliche starke Einflußnahme „des die Wirtschaft leitenden Staates" auf das Kreditwesen vorsehe, da die Reichsbank und nicht die Reichsregierung als entscheidende Stelle der Bankenaufsicht vorgesehen sei. Auch würden „die besonderen Funktionen, die die öffentlichen Kreditinstitute und die Genossenschaften i m Volks- und Wirtschaftsleben zu erfüllen haben, bei den zum großen Teil auf die privaten Banken zugeschnittenen Grundsätze nicht berücksichtigt". M i t der Begründung, daß der Entwurf somit nationalsozialistischen Wirtschaftsforderungen zuwiderlaufe, lehnte Darré ihn insgesamt ab. Sein Schreiben führte zum kompletten Rückzug des Reichsernährungsministerium), Ministerialdirigent Berger (Reichsfinanzministerium), Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium), Ministerialrat Prause (Reichsfinanzministerium), Bankenkommissar Ernst, Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) und Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) (Teilnehmerliste der Besprechung, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 31.01/15480, S. 68). Teilnehmerlisten der weiteren Besprechungen sind nicht überliefert, wie sich aus dem Besprechungsprotokoll ergibt, ist der Kreis der teilnehmenden Personen jedoch in etwa gleich geblieben. Feder schied jedoch nach der ersten Sitzung vom 3. März 1934 aus dem Gremium aus, nachdem Schacht ihn aus dem Untersuchungsausschuß entlassen hatte. us Prot, der Besprechung vom 3. März 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S. 240. 119 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 92ff. 120 Vgl. Akten der Reichskanzlei, S. 150. 121 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 77. 122 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 78 f. 9*
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
ministeriums aus dem Gesetzgebungsverfahren. Infolgedessen verließ auch Staatssekretär Backe als Vertreter des Ministeriums den Untersuchungsausschuß. Trotz dieser offenen Kritik an den bisherigen Arbeiten wurde die Ausarbeitung des K W G wie bisher fortgesetzt und blieb vom Ausscheiden des Reichsernährungsministeriums unbeeinflußt. Der K W G - E 2 bildete die Grundlage für zwei weitere Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium, die am 14. und 19. M a i 1934 stattfanden. 123 Wie schon der erste Entwurf, war auch der K W G - E 2 von der Reichsbank ausgearbeitet w o r d e n , 1 2 4 obgleich die Gesetzesberatungen überwiegend i m Reichswirtschaftsministerium stattgefunden hatten. Die Protokolle der Besprechungen am 14. und 19. M a i 1934 sind nicht überliefert, die Beratungen führten jedoch nur zu geringfügigen Änderungen des Entwurfs. Gleichwohl brachten sie einen weiteren Gesetzentwurf hervor (im folgenden: K W G - E 3 ) . 1 2 5 Der K W G - E 3 wurde in einer knappen abschließenden Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium am 24. M a i 1 9 3 4 1 2 6 einer Prüfung unterzogen und in einigen Punkten erneut geändert. Nach der Besprechung am 24. M a i 1934 ruhten die Arbeiten am K W G für längere Zeit. Dies lag zum einen wohl daran, daß die Arbeiten am „Neuen P l a n " 1 2 7 erhebliche Zeit in Anspruch nahmen und viel Personal banden. 1 2 8 Daneben dürften jedoch auch innerparteiliche Widerstände gegen den Gesetzesentwurf eine Rolle bei den Verzögerungen gespielt haben. 1 2 9 So war es nicht nur das Reichsernährungsministerium, das sich aus politischen Gründen gegen den Entwurf wandte. Bereits i m Januar 1934 hatte Swoboda, ehrenamtlicher Mitarbeiter i m Stab von Heß, gegenüber einem Mitarbeiter des Staatssekretärs i m Reichsfinanzministerium und Mitglied des Untersuchungsausschusses Reinhardt kritisiert, daß Schacht „sich völlig in liberalistisch-kapitalistischen Gedankengängen bewege", während sich Feder mit seinen Auffassungen nicht durchsetzen k ö n n e . 1 3 0 M i t Schreiben an Heß 123 Vgl. die Einladungsschreiben zu den Besprechungen, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 31.01 /15481, S. 37, 105. 124 Dies ergibt sich aus dem Einladungsschreiben zur zweiten Besprechung am 19. Mai 1934. ™ BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 232 ff. Dieser Entwurf war erstmals mit einer ausführlichen Begründung der einzelnen Paragraphen versehen. •26 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 114ff. 127 Der „Neue Plan" war ein 1934/35 geschaffenes System einschneidender staatlicher Regulierung des Außenhandels und der Devisenwirtschaft mit dem Ziel, die Rohstoff- und Lebensmitteleinfuhren zu sichern und die Ausfuhr zu fördern, s. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 612. 128 So Kopper, S. 121. Für diese Deutung spricht, daß Schacht bei der Wiederaufnahme der Arbeiten in der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 (BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 139) ausführte, daß das Gesetzgebungsverfahren „hinter dringlicheren Maßnahmen hätte zurücktreten müssen". IM So Akten der Reichskanzlei, S. 150. 130 s. den entsprechenden Gesprächsvermerk aus dem Reichsfinanzministerium vom 25. Januar 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 118 f.
D. Die Ausarbeitung des KWG durch den Untersuchungsausschuß
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vom 13. März 1934 übte auch der Reichsstatthalter in Braunschweig und Anhalt und Gauleiter in Magdeburg-Anhalt Loeper massive Kritik an der bisherigen Arbeit des Untersuchungsausschusses. 131 Loeper, der in groben Zügen über den Inhalt des ersten Gesetzesentwurfs informiert war, befürchtete, daß Schacht es darauf angelegt haben könnte, die öffentlichen Kreditinstitute zugunsten der privaten Großbanken zurückzudrängen. Zudem beanstandete er, daß mit der Entlassung Feders 132 der letzte Nationalsozialist aus dem Gesetzgebungsverfahren ausgeschlossen sei, der sich für das öffentliche Kreditwesen eingesetzt habe. Unter Hinweis auf das Programm der NSDAP forderte er die Verstaatlichung des Bankwesens und bat Heß, sich i m Rahmen der Bankenreform dafür einzusetzen, die öffentlichen Kreditinstitute unangetastet zu lassen, dagegen die privaten Banken unter die Hoheit und die Leitung des Reiches zu stellen. Diese Vorgänge sowie die Kritik der nationalsozialistischen Presse an der Bankenenquete 133 zeigen, daß die grundsätzlich liberale Einstellung des Untersuchungsausschusses und der M i t arbeiter im Reichswirtschaftsministerium der Parteilinie zuwider lief und daher seitens der Partei versucht wurde, das Gesetzgebungsverfahren zu stoppen. Diese Versuche blieben offenbar nicht folgenlos, denn der Reichskanzlei wurde im Juli 1934 von Ministerialrat Köhler aus dem Reichswirtschaftsministerium mitgeteilt, daß das Gesetzgebungsverfahren möglicherweise ganz aufgegeben w e r d e . 1 3 4 Letztlich konnten sich aber die innerparteilichen Gegner nicht gegen den Entwurf des K W G durchsetzen, und i m September teilte das Reichswirtschaftsministerium der Reichskanzlei mit, daß das Gesetz voraussichtlich noch im Laufe des Jahres fertiggestellt werde. 1 3 5 Schließlich nahm i m Herbst der Untersuchungsausschuß in seiner Sitzung vom 4. Oktober 1934 die Arbeit an der endgültigen Fassung des K W G wieder a u f . 1 3 6 Dem Ausschuß lag ein Gesetzesentwurf vor, in den die Änderungen eingearbeitet waren, die auf der Abschlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium am 24. Mai 1934 beschlossen wurden. Darüber hinaus hatte der Entwurf zwischen M a i und Oktober noch einige weitere Änderungen erfahren, die jedoch nur redaktioneller Art waren und keine rechtlichen Änderungen bewirkten (im folgenden: K W G - E 4 ) . 1 3 7 Ähnlich wie die Besprechung vom 27. Februar 1934 erreichte auch diese Besprechung bei weitem nicht die Intensität der Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium. Dennoch einigte sich der Untersuchungsausschuß auf einige 131 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 74. 132 s. o., Teil 2, C , II. 133 s. o., Teil 2, C , IV., 3. 134 Aktenvermerk der Reichskanzlei vom 10. Juli 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 81. 135 Aktenvermerk der Reichskanzlei vom 13. September 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 81. 136 Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6941,S. 139). 137 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 373 ff.
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
teilweise erhebliche Änderungen des vorliegenden Entwurfs. Nach dem 4. Oktober 1934 trat der Untersuchungsausschuß nicht mehr zusammen, so daß seine Mitwirkung an der Ausformulierung des K W G mit dieser Sitzung ihren Abschluß gefunden hatte. Gleichwohl war der Gesetzesentwurf noch nicht reif zur Verabschiedung. A m 8. Oktober 1934 fand beim Bankenkommissar Ernst eine Referentenbesprechung statt, in der weitere Änderungen des K W G - E 4 beschlossen w u r d e n . 1 3 8 Nachdem die Ergebnisse dieser Sitzung sowie der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 in den K W G - E 4 eingearbeitet waren, war die Zeit gekommen, den neu entstandenen Entwurf (im folgenden: K W G - E 5) Hitler zuzuleiten. M i t Schreiben vom 23. Oktober 1934 legte Schacht den mit einer ausführlichen Begründung versehenen K W G - E 5 sowie den Schlußbericht des Untersuchungsausschusses Hitler v o r . 1 3 9 Schacht teilte mit, daß der Entwurf die inoffizielle Zustimmung der meisten 1 4 0 Ressorts gefunden habe und bat um die Erlaubnis, ihn nunmehr zur offiziellen Beratung der beteiligten Ministerien zu stellen, um ihn als Gesetzesvorlage i m Reichskabinett einbringen zu können. Die Reaktion der Reichskanzlei auf Schachts Vorlage folgte mit Schreiben vom 27. November 1934. 1 4 1 Darin hieß es, daß Hitler den K W G - E 5 und den Schlußbericht zur Kenntnis genommen habe und Schacht ermächtige, das Gesetzgebungsverfahren zum Abschluß zu bringen. Daraufhin lud Schacht die beteiligten Reichsminister zu einer abschließenden Chefbesprechung des Gesetzesentwurfes, die am 30. November 1934 i m Reichswirtschaftsministerium stattfand. 1 4 2 Neben den beteiligten Reichsministern waren dabei auch weitere Vertreter der Reichsregierung und der Reichsbank anwesend. 1 4 3 In dieser Sitzung wurde der K W G - E 5 in wenigen Detailfragen ergänzt bzw. eindeutiger gefaßt. Vor allem aber wurde die Stel-
l e Vermerk über diese Besprechung und Auflistung der beschlossenen Änderungen in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2 /13683, S. 227 ff. 139 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 70 f. 140 Schacht wies auch darauf hin, daß sich Feder und Backe nicht mit dem Entwurf einverstanden erklärt hätten. 141 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 128. 142 Ein offizielles Prot, der Besprechung existiert nicht. Es ist jedoch ein Bericht des bayerischen Innenministers Wagner (er nahm als Vertreter Heß' an der Besprechung teil) über die Chefbesprechung überliefert, in: BA Berlin-Lichterfelde, NS 6, Nr. 395, S. 12. »43 Ausweislich der Teilnehmerliste (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 31.01 /15482, S. 32) nahmen 23 Personen an dieser Besprechung teil. Unter ihnen befanden sich Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsident Schacht, Reichsbankvizepräsident Dreyse, Geheimrat Kohler vom Reichswirtschaftsministerium, Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk, der Preußische Finanzminister Popitz, Ministerialrat Prause vom Reichsfinanzministerium, Reichsjustizminister Gärtner, Reichsminister ohne Geschäftsbereich Kerrl, der Wirtschaftsbeauftragte des Reichskanzlers Keppler, Reichsbankenkommissar Ernst, Referent beim Bankenkommissar Paersch, der Staatssekretär des Reichsinnenministeriums Graue rt, Ministerialdirektor Surén vom Preußischen Innenministerium und der bayerische Innenminister Wagner. Die Namen der übrigen Teilnehmer sind unleserlich.
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lung der Reichsbank und der Reichsregierung i m Rahmen der zukünftigen Bankenaufsicht erörtert. Dabei wurde deutlich, welches Mißtrauen insbesondere viele Partei- und Regierungsvertreter gegenüber einer regierungsunabhängigen Aufsicht bei der Reichsbank hegten, so daß der Entwurf gerade in dieser Hinsicht ergänzt wurd e . 1 4 4 Schließlich erklärte sich in der Sitzung das Reichsernährungsministerium, das sich Ende April unter Protest aus dem Gesetzgebungsverfahren zurückgezogen hatte, doch noch mit dem Gesetzentwurf einverstanden. 145 Nachdem diese Besprechung ihren Abschluß gefunden hatte und die beschlossenen Änderungen in den K W G - E 5 eingearbeitet wurden, erfuhr der Entwurf keine weiteren Änderungen mehr. Das Gesetzgebungsverfahren war bis auf die Verabschiedung des K W G E 5 durch das Reichskabinett abgeschlossen. Somit konnte Schacht mit Schreiben an den Chef der Reichskanzlei Lammers vom 30. November 1934 die Verabschiedung des Gesetzesentwurfs auf der nächsten Sitzung des Reichskabinetts am 4. Dezember 1934 beantragen. 146 Die vielen Gesetzesberatungen in den verschiedenen Gremien führten dazu, daß der erste KWG-Entwurf mehrfach überarbeitet wurde und somit i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine Reihe von KWG-Entwürfen entstand. Welche Stelle diese verschiedenen Entwürfe aufgrund der jeweiligen Verhandlungen erarbeitet hat, läßt sich aus den überlieferten Quellen nicht immer eindeutig entnehmen. Die ersten Vorentwürfe vom August und November 193 3 1 4 7 sowie die K W G - E 1 und K W G - E 2 wurden jedoch zweifelsfrei von der Reichsbank formuliert. Zudem findet sich die einzige Zusammenstellung aller KWG-Entwürfe des gesamten Gesetzgebungsverfahrens in den Akten der Reichsbank. Schließlich lag die Federführung des Gesetzgebungsverfahrens beim Untersuchungsausschuß, der wiederum bei der Reichsbank eingerichtet war. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, daß auch alle weiteren KWG-Entwürfe nach dem K W G - E 2 der Reichsbank entstammten.
II. Die Mitwirkung von Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium am Gesetzgebungsverfahren Dem Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933 oblag die Ausarbeitung des K W G . Er war es, der schließlich einen Gesetzesentwurf vorlegte, den das Reichskabinett praktisch unverändert verabschiedete. Trotz seiner zentralen Stellung i m Gesetzgebungsverfahren ist jedoch zu bedenken, daß der Ausschuß ohne 144 Die Auseinandersetzung um die Verteilung der Befugnisse der Bankenaufsicht zwischen der Reichsbank und Reichsregierung zog sich durch das gesamte Gesetzgebungsverfahren. Näheres dazu s. u., Teil 4, J. 145 Vermerk des Reichswirtschaftsministeriums über die Besprechung vom 28. November 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 31.01 /15482, S. 35. 146 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 129.
w s. o., Teil 2, C , IV., 3.
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
die Mitwirkung anderer staatlicher Stellen seine Aufgabe nicht erfüllen konnte. Denn der Ausschuß war kein dauernd tagendes Gremium. Seine Mitglieder waren über das ganze Reich verstreut, so daß der Ausschuß nach Abschluß der Enquete nur noch zu einzelnen Besprechungen zusammentrat. Zudem verfügte er über keinen eigenen Mitarbeiterstab, der zur Vorbereitung der Ausschußsitzungen Gesetzesentwürfe hätte ausarbeiten oder andere vorbereitende Arbeiten hätte erledigen können. Der Untersuchungsausschuß bedurfte somit der Unterstützung anderer Stellen, um den an ihn gestellten Anforderungen nachkommen zu können. So wurde der Ausschuß bei der Reichsbank eingerichtet und konnte dadurch die Mitarbeit ihrer Abteilungen in Anspruch nehmen. Darüber hinaus fand die detaillierte Ausformulierung der einzelnen KWG-Normen nicht i m Rahmen des Untersuchungsausschusses statt, sondern wurde unter überwiegender Beteiligung von Regierungsbeamten unter Führung des Reichswirtschaftsministeriums vorgenommen. 1 4 8 Neben dem Untersuchungsausschuß waren somit die Reichsbank und das Reichswirtschaftsministerium entscheidend an der Ausarbeitung des K W G beteiligt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen Einfluß Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium jeweils auf den Inhalt des Gesetzes genommen haben.
1. Der Einfluß der Reichsbank Der Untersuchungsausschuß stand unter der Leitung des Reichsbankpräsidenten Schacht sowie der Reichsbankangehörigen Dreyse und Friedrich, so daß der Reichsbank allein aufgrund der Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses ein erheblicher Einfluß auf die Gestalt des K W G eingeräumt war. Zudem wurden die Grundsätze, die sich der Untersuchungsausschuß für seine Arbeit gab, bereits in einer internen Reichsbanksitzung festgelegt. 1 4 9 Die Reichsbank prägte demnach die Tendenz der Arbeit des Ausschusses. Von entscheidender Bedeutung war jedoch, daß der Untersuchungsausschuß bei der Reichsbank selbst errichtet wurde. Dadurch konnte der Ausschuß jederzeit auf deren erfahrene Mitarbeiter zurückgreifen, wodurch die Reichsbank das Gesetzgebungsverfahren stark beeinflussen konnte. Dementsprechend leistete insbesondere die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank wertvolle Arbeiten. Diese Abteilung bereitete die Durchführung der Bankenenquete vor und erstellte eine Vielzahl von Untersuchungen über verschiedene Aspekte des Kreditwesens, die dem Untersuchungsausschuß als Entscheidungsgrundlage dienen konnten. 1 5 0 Vor allem aber erarbeitete die Reichsbank während des gesamten Ge-
148 s. o., Teil 2, D., I. 149 s. o., Teil 2, C., III. 150 Beispielhaft seien genannt Darstellungen der Staatsaufsicht über die Sparkassen (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6920, S. 76 f.) und die privaten und öffentlichen Hypothekenbanken (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6920, S. 82 ff.), eine Übersicht über die
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setzgebungsverfahrens die verschiedenen KWG-Entwürfe, deren letzter schließlich als Grundlage für die Chefbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 30. November 1934 diente und praktisch unverändert vom Reichskabinett verabschiedet wurde. Die enge organisatorische Verknüpfung des Untersuchungsausschusses mit der Reichsbank sowie die Arbeit der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank führten somit dazu, daß die Reichsbank in besonders intensiver Form Einfluß auf den Inhalt des K W G genommen und dieses geprägt hat.
2. Der Einfluß des Reichswirtschaftsministeriums Die Einrichtung des Untersuchungsausschusses bei der Reichsbank sowie deren Ausarbeitung sämtlicher KWG-Entwürfe legen den Schluß nahe, daß neben dem Ausschuß vor allem die Reichsbank Einfluß auf den Inhalt des K W G genommen hat. Dabei würde aber der Einfluß vor allem des Reichswirtschaftsministeriums sowie der anderen beteiligten Reichsministerien auf das Gesetzgebungsverfahren unterschätzt. Denn die detaillierte Ausarbeitung des K W G fand nicht unter Federführung des Untersuchungsausschusses, sondern unter der des Reichswirtschaftsministeriums statt. 1 5 1 Der weit überwiegende Teil der Gesetzesberatungen wurde somit i m Kreise von Regierungsvertretern i m Reichswirtschaftsministerium geführt. Daher konnten sich neben der Reichsbank auch das Reichswirtschaftsministerium sowie die übrigen beteiligten Reichsressorts erheblichen Einfluß auf das Gesetzgebungsverfahren sichern. Die starke Einflußnahme des Reichswirtschaftsministeriums stand an sich i m Widerspruch zu den Absichten der Reichsbank, die für sich die Führung bei der Bankenreform beanspruchte, 152 und zur Pressenotiz vom 30. Juni 1933, 1 5 3 mit der die Arbeiten am K W G offiziell eingeleitet wurden. Danach war die Ausarbeitung des K W G Sache des unter der Führung der Reichsbank zu errichtenden Untersuchungsausschusses, während sich die Mitwirkung des Reichswirtschaftsministerium und der übrigen Ministerien in der Entsendung von Mitgliedern in diesen Ausschuß erschöpfen sollte. Dementsprechend gingen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses auf ihrer ersten Besprechung des K W G - E 1 vom 27. Februar 1934 davon aus, die detaillierte Ausarbeitung des K W G selbst vorzunehmen. 1 5 4
Literatur zur Banken Verstaatlichung (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6910, S. 402 ff.) sowie Zusammenfassungen über die Ergebnisse der Bankenenquete (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6919, S. 107 ff.). 151 s. o., Teil 2, D. I. 152 s. o., Teil 2, C., I. 153 s. o., Teil 2, C , I. 154 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 274.
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
Indessen war die Pressenotiz recht unscharf formuliert, so daß die Stellung des Untersuchungsausschusses gegenüber der Reichsregierung und insbesondere gegenüber dem Reichswirtschaftsministerium nicht eindeutig bestimmt und die Kompetenzen nicht klar verteilt waren. Der Ausschuß wurde ohne gesetzliche Anordnung tätig, er konnte sich bezüglich seiner konkreten Einsetzung und seiner Aufgaben lediglich auf einen mündlichen Auftrag Hitlers berufen. 1 5 5 Überdies war er zur Zusammenarbeit mit der Reichsregierung, der Reichsbank und dem Bankenkuratorium verpflichtet. 1 5 6 Durch diese unscharf formulierte Zuständigkeitsbestimmung blieb unklar, ob die Ausarbeitung eines Aufsichtsgesetzes allein dem Untersuchungsausschuß vorbehalten bleiben sollte, oder ob und inwieweit auch die zuständigen Reichsministerien über die Entsendung von Vertretern in den Ausschuß hinaus an der Schaffung des K W G zu beteiligen waren. In Regierungskreisen wurde der Aufgabenkreis des Ausschusses dahingehend ausgelegt, daß der Ausschuß lediglich zur Ermittlung des Tatsachenmaterials als Grundlage der Bankenreform berechtigt sei und dieses Material der Reichsregierung für etwaige gesetzgeberische Maßnahmen zuzuleiten habe. 1 5 7 A u f dieser Grundlage nahm das Reichswirtschaftsministerium für sich in Anspruch, dem Untersuchungsausschuß die Ausarbeitung des K W G nicht alleine zu überlassen. Es gelang dem Ministerium, ab März 1934 einen Großteil der Gesetzesberatungen an sich zu ziehen und somit seinerseits neben dem Untersuchungsausschuß und der Reichsbank starken Einfluß auf das Gesetzgebungsverfahren zu nehmen.
3. Die Abgrenzung der Einflußbereiche von Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium Sowohl die Reichsbank als auch das Reichswirtschaftsministerium haben ihren Einfluß auf das K W G geltend gemacht: die Reichsbank, indem sie ihren Mitarbeiterstab in den Dienst des Untersuchungsausschusses stellte und die einzelnen Gesetzesentwürfe ausarbeitete und das Reichswirtschaftsministerium, indem es die überwiegenden Gesetzesberatungen an sich zog. Bei dieser Vorgehensweise waren Konflikte zwischen Reichsbank und dem Reichs wirtschaftsmini sterium sowie den übrigen beteiligten Ministerien vorprogrammiert. Denn obwohl bei der Verabschiedung des K W G die nationalsozialistische Diktatur mit ihrer Unterordnung aller staatlicher Stellen unter den Einfluß der Reichsregierung bereits seit fast zwei Jahren bestand, konnte die Reichsbank ihre Unabhängigkeit gegenüber der Reichs155 Prot, der Besprechung im RWM vom 3. März 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6943, S. 239 f. 156 Pressenotiz vom 30. Juni 1933, abgedruckt in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 5. 157 Prot, der Besprechung im RWM vom 3. März 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 239 f.
D. Die Ausarbeitung des KWG durch den Untersuchungsausschuß
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regierung und ihren Ministerien, die bis 1937 gesetzlich festgeschrieben war, auch tatsächlich weitgehend behaupten. Dies führte i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des öfteren zu Interessengegensätzen zwischen den beteiligten Reichsressorts und der Reichsbank. 1 5 8 Somit stellt sich die Frage, in welchem Maß beide Seiten ihre Vorstellung von der Gestalt der zukünftigen Bankenaufsicht in Deutschland i m K W G verwirklichen konnten. Insoweit läßt sich feststellen, daß sich der Einfluß von Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium auf das K W G in etwa die Waage halten. Die materiellen Vorschriften des K W G , zu denen insbesondere die Normativbestimmungen des fünften T e i l s 1 5 9 des Gesetzes gehören, tragen eindeutig die Züge der Reichsbank. Derartige Vorschriften fanden sich bereits in den ersten Entwürfen der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank, und sie wurden i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nur i m Detail, nicht aber in ihren Grundsätzen verändert. Offenbar vertraute das Reichswirtschaftsministerium insoweit der Kompetenz und den Erfahrungen der Reichsbank mit der bisherigen Bankenaufsicht und machte daher vergleichsweise wenig Einwände gegen den ursprünglichen Gesetzesentwurf geltend. Etwas anderes ergibt sich hingegen bei Betrachtung der Vorschriften über die Organisation und Befugnisse der Bankenaufsicht i m neunten Teil des Gesetzes. 160 Hier kam es i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens öfter zu Auseinandersetzungen zwischen der Reichsbank und dem Reichswirtschaftsministerium sowie weiteren Regierungsvertretern, da beide Stellen danach trachteten, sich den beherrschenden Einfluß auf die Aufsichtsorgane zu sichern. 1 6 1 A u f diesem Gebiet gelang es dem Reichswirtschaftsministerium weitgehend, Ansprüche der Reichsbank zurückzuweisen und der Reichsregierung - und innerhalb der Reichsregierung dem Reichswirtschaftsministerium - die führende Rolle bei der Ausübung der Bankenaufsicht zu verschaffen. 162 Insgesamt gesehen ergibt sich bei der Frage, inwieweit Reichsbank und Reichswirtschaftsministerium ihre jeweiligen Vorstellungen i m K W G umsetzen konnten, 158 Vergleichbare Konflikte zwischen Reichsbank und Reichsregierung hatte es schon bei der Entstehung der Notverordnung vom 19. September 1931 gegeben. 159 s. u., Teil 4, F. 160 s. u., Teil 4, J. 161 So war die Reichsbank der Auffassung, daß ihr „angesichts ihrer zentralen und verantwortungsvollen Stellung innerhalb des deutschen Bankwesens und der deutschen Wirtschaft die Führung bei der Ausübung der Bankenaufsicht" zustehe (Begründung zum Vorentwurf vom August 1933 der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6939, S. 172). Demgegenüber wiesen die Regierungsvertreter Feder und Quassowski (Reichsjustizministerium) in der Besprechung vom 3. März 1934 im Reichswirtschaftsministerium darauf hin, daß der vorliegende Entwurf die Interessen der Reichsregierung nicht ausreichend berücksichtige (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943,S. 238). 162 Näheres zu der Entstehung der Vorschriften des 9. Teils s. u., Teil 4, J.
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Teil 2: Die Entstehungsgeschichte des KWG
das folgende Bild: die Normativbestimmungen des K W G , die die Geschäftsführung der Kreditinstitute regelten und damit den äußeren Rahmen für die Geschäftstätigkeit des deutschen Kreditwesens vorgaben, trugen den Stempel der Reichsbank. Demgegenüber waren die Vorschriften über die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsorgane durch den Einfluß des Reichswirtschaftsministeriums geprägt.
III. Der Schlußbericht des Untersuchungsausschusses M i t der Vorlage eines komplett ausgearbeiteten KWG-Entwurfes endete die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses. Die Ergebnisse seiner Arbeiten faßte er einem Bericht zusammen, 1 6 3 der der Reichsregierung vorgelegt und im November 1934 veröffentlicht w u r d e . 1 6 4 Der Bericht legte zuerst die Ursachen dar, die aus Sicht des Untersuchungsausschusses zu der Krise von 1931 und der maroden Verfassung des deutschen Kreditwesens gefühlt hatten. Hier nannte der Bericht die zu starke Aufnahme kurzfristiger Auslandsgelder durch die deutschen Banken, die Gewährung zu hoher Einzelkredite, die ungenügende Liquidität und die allgemeine Ubersetzung des Kreditgewerbes. 1 6 5 Nach dieser Analyse der Verfassung des deutschen Kreditwesens forderte der Schlußbericht die folgenden Maßnahmen, die gegenüber dem Kreditwesen zu ergreifen seien: „1. Beaufsichtigung aller Kreditinstitute, 2. Unterwerfung aller Kreditinstitute unter einen Genehmigungszwang, 3. Sicherstellung einer ausreichenden Liquidität, 4. Trennung von Geldmarkt und Kapitalmarkt und damit Besicherung des Spargeschäfts, 5. Sicherstellung eines geordneten Zahlungsverkehrs, 6. Überwachung des Kreditgeschäfts und weitgehende Publizität, 7. zweckmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsamts.' 4 1 6 6 Jede einzelne dieser Forderungen griff der Bericht auf und schilderte ihre Notwendigkeit und konkrete Umsetzung. Dem Schlußbericht des Untersuchungsausschusses war der KWG-Entwurf beigefügt, den der Ausschuß seit seinem Zusammentreten erarbeitet hatte und den er dem Reichskabinett zur Verabschiedung empfahl. Naturgemäß setzte der Entwurf alle i m Schlußbericht enthaltenen Empfehlungen um. Er wurde mit nur wenigen und unwesentlichen Änderungen verabschiedet. 167 Der auf den Entwurf zuge163
Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 11 ff. •64 Fischer, KWG-Kommentar, S. 10. 165 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 13 ff. 166 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 21. 167 Lediglich die §§ 30, 31 und 51 KWG wurden geringfügig geändert.
E. Verabschiedung des KWG und Überblick über den Gesetzesinhalt
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schnittene Schlußbericht kann somit gleichsam als amtliche Begründung des K W G angesehen werden. 1 6 8
E. Verabschiedung des K W G und Überblick über den Gesetzesinhalt In der Sitzung des Reichskabinetts vom 4. Dezember 1934 stand die Verabschiedung des K W G unter Punkt 18 der Tagesordnung. 169 Nachdem Schacht die Gesetzesvorlage vorgetragen hatte, äußerte Reichsinnenminister Frick, der das Gesetz grundsätzlich als notwendig bezeichnete, Einwände gegen eine Bestimmung des Sparverkehrs. 170 Schacht, der die kritisierte Vorschrift als „Rückgrat des ganzen Gesetzes" bezeichnete, wies die Einwände zurück und begründete seinen Standpunkt. Daraufhin stimmte das Kabinett der Vorlage ohne weitere Erörterungen zu. Das Gesetz wurde am 7. Dezember 1934 i m Reichsgesetzblatt veröffentlicht und trat am 1. Januar 1935 in Kraft. Das K W G vom 5. Dezember 1934 war in 12 Abschnitte unterteilt und regelte in 59 Paragraphen die Aufsicht über das gesamte deutsche Kreditwesen. Der erste Abschnitt (§§ 1 f.) des K W G beschränkte sich darauf, den Geltungsbereich des Gesetzes festzulegen. Der zweite Abschnitt ( § § 3 bis 7) beseitigte die seit dem Auslaufen des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte wieder bestehende Gewerbefreiheit i m deutschen Kreditwesen, 1 7 1 indem er für die deutschen Kreditinstitute wieder die Konzessionspflicht einführte. Zusätzlich sahen die §§ 5 f. K W G die Möglichkeit vor, unter bestimmten Voraussetzungen eine einmal erteilte Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften wieder zurückzunehmen bzw. die Fortführung eines Geschäftsbetriebes zu untersagen. Der dritte Abschnitt des K W G (§§ 8 f.) regelte bestimmte Anzeigepflichten und führte in § 9 K W G die Errichtung einer Evidenzzentrale ein, während der vierte Abschnitt (§ 10) die Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse" unter umfassenden Schutz stellte. Den wichtigsten Teil des K W G stellte der fünfte Abschnitt des Gesetzes ( § § 1 1 bis 19) dar. Hier wurden mit den Regeln über das Kreditgeschäft und die Liquiditätsbestimmungen erstmals in Deutschland Normativbestimmungen für das gesamte Kreditwesen geschaffen, um durch die Einwirkung auf die Geschäftsführung der Kreditinstitute die Sicherheit des deutschen Kreditwesens zu erhöhen. So verpflichtete § 11 K W G die Kreditinstitute zur Wahrung einer bestimmten Eigenkapi168 Vgl. Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 1067. '69 Auszug aus dem Prot, der Sitzung des Reichskabinetts in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 174. 170 Frick wandte sich gegen § 23 Abs. 3 KWG, zu dieser Vorschrift s. u., Teil 4, Η., IV. 171 s.o., Teil 1, C., II., 5.
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talquote, während § 12 K W G die Gewährung von Großkrediten regelte. §§13 und 14 K W G enthielten Bestimmung über die Kreditgewährung an Kunden und M i t arbeiter eines Kreditinstitutes, § 15 K W G regelte die Einrichtung eines Haftungsfonds für leitende Mitarbeiter. § 16 K W G verpflichtete die Kreditinstitute, jederzeit für eine ausreichende Liquidität zu sorgen. Da die mangelnde Liquidität der Kreditinstitute ein wesentlicher Grund für die Bankenkrise von 1931 war, wurde diesem Aspekt besondere Aufmerksamkeit gewidmet, so daß § 16 K W G zu den wichtigsten Einzelvorschriften des K W G gehörte. § 17 K W G enthielt weitere Vorschriften für die Anlagepolitik der Kreditinstitute, während die §§ 18 f. K W G schließlich den Reichskommissar für das Kreditgewerbe zum Erlaß von Ausnahmeregeln ermächtigten. Der sechste Abschnitt des K W G (§§ 20 f.) regelte die Publizität der Banken gegenüber der Öffentlichkeit und der Reichsbank und führte zur Erweiterung der bei Erlaß des K W G bereits bestehenden Bestimmungen. Einen ähnlichen bedeutenden Stellenwert wie der fünfte Abschnitt nahm der siebte Abschnitt des K W G (§§ 22 bis 27) über die Regelung des Sparverkehrs ein. Hier standen weniger aufsichtsrechtliche, als vielmehr kapitalmarktpolitische Erwägungen und Vordergrund, die erstmals zu einer Legaldefinition des Begriffs „Spareinlagen" führten. Die Spareinlagen wurden umfangreichen Regelungen unterworfen, die in erster Linie der Stärkung des Kapitalmarktes dienen sollten. Dem bargeldlosen Zahlungsverkehr widmete sich der achte Abschnitt des K W G (§§ 28 f.). Die mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr verknüpften Probleme und Risiken waren seinerzeit noch nicht voll erkannt, so daß der Gesetzgeber von einer detaillierten Regelung i m Gesetz selbst absah. Statt dessen wurde für die Aufsichtsorgane eine sehr weitgehende Ermächtigung zur Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs geschaffen. Von entscheidender Bedeutung für die praktische Umsetzung war der neunte Abschnitt des K W G (§§ 30 bis 44), der die Organisation und Befugnisse der Aufsichtsorgane regelte. Dabei wurde die grundsätzliche Struktur der Notverordnung vom 19. September 1931 übernommen, 1 7 2 die Verteilung des Einflusses von Reichsbank und Reichsregierung bei der Durchführung der Bankenaufsicht jedoch neu vorgenommen. A n die Stelle des bisherigen Kuratoriums für das Bankgewerbe trat das neu gebildete „Aufsichtsamt für das Kreditwesen", das A m t des Reichskommissars für das Bankgewerbe wurde i m K W G als „Reichskommissar für das Kreditwesen" 1 7 3 bezeichnet. Der zehnte Abschnitt des K W G (§§ 45 bis 50) flankierte die Befugnisse der Bankenaufsicht durch die Normierung von Zwangsmitteln und Strafen. Dabei unterschied das Gesetz zwischen Zwangsmaßnahmen für den Fall, daß Verfügungen des Reichskommissars nicht befolgt werden, Ordnungsstrafen für den Fall von Ver172 s.o., Teil 1,C.,IV, l.,b). 4 S. 1 KWG.
173 § 1 A b s .
E. Verabschiedung des KWG und Überblick über den Gesetzesinhalt
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Stößen gegen KWG-Normen und der Aufstellung spezieller, auf das Kreditwesen zugeschnittener Straftatbestände. Der elfte (§§ 51 f.) und zwölfte Abschnitt (§§ 53 bis 59) des K W G schließlich enthielten Sonder-, Übergangs- und Schlußvorschriften. Hier wurde u. a. die Abgrenzung zu den bereits bestehenden Aufsichtsinstanzen vorgenommen und dem Aufsichtsorganen des K W G für begrenzte Zeit sehr weitgehende Vollmachten zur Umorganisation des deutschen Kreditwesens eingeräumt. Zudem wurde die Reichsregierung zum Erlaß von Durchführungsvorschriften ermächtigt. Zwei Grundentscheidungen des Gesetzgebers prägten den Charakter des K W G . Zum einen kennzeichnete das Gesetz, daß seine Vorschriften über die Geschäftsführung der Kreditinstitute diesen nur allgemeine Vorgaben für ihre Geschäftspolitik machten, nie aber direkt in die einzelne Geschäftsbeziehung zwischen Kreditinstitut und Kunde eingriffen. Das K W G enthielt somit keine Möglichkeit, einzelne Kreditinstitute zum Abschluß bestimmter Geschäfts zu zwingen oder sie davon abzuhalten. Von derartigen Eingriffen wurde mit Rücksicht auf die Eigeninitiative und Eigenverantwortung der Kreditinstitute bewußt abgesehen. 174 Zum anderen war das K W G ein Rahmengesetz. Das Gesetz verzichtete i m Hinblick auf die Komplexität des deutschen Kreditwesens und das sich stets ändernde wirtschaftliche Umfeld darauf, die in ihm vorgesehenen bankgeschäftlichen Parameter - etwa die Eigenkapital- oder Liquiditätsquote - selbst zu bestimmen. Insoweit gab es nur einen Rahmen vor, der von den Aufsichtsorganen auszufüllen war. Überdies enthielt das K W G eine Fülle von Ausnahmevorschriften, die es erlaubten, die Anwendung von Vorschriften für bestimmte Gruppen von Kreditinstituten auszuschließen. Mindestens ebenso bedeutend für das Kreditwesen war somit neben dem K W G selbst seine praktische Umsetzung durch das Aufsichtsamt für das Kreditwesen und den Reichskommissar.
174
Vgl. die allgemeine Begründung zum KWG (abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 35 ff.), S. 37.
Teil 3
Die Lösung grundsätzlicher Probleme im Zusammenhang mit der Schaffung des K W G Das K W G stellte erstmals eine umfassende Regelung der Aufsicht über sämtliche Kreditinstitute dar. I m Vorfeld seiner Verabschiedung hatte es zahlreiche Diskussionen über die grundsätzliche zukünftige Ordnung des Kreditwesens gegeben, in deren Verlauf vielfach eine völlige oder weitgehende Abkehr von der überkommenen Struktur der deutschen Kreditwirtschaft gefordert wurde. Diesen Diskussionen konnte sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des K W G nicht verschließen. Es waren somit vor der Verabschiedung des K W G eine Reihe grundsätzlicher Fragen zu klären, über die das Gesetz schweigt, deren Lösungen aber ebenso prägend für das Bankwesen waren, wie das K W G selbst. Die wichtigsten Fragen, die vor der eigentlichen Ausarbeitung des K W G der Klärung bedurften, waren die nach der Verstaatlichung des Bankwesens, der Schaffung von Regionalbanken und dem Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen.
A. Verstaatlichung des Bankwesens Trotz der mächtigen Sparkassenorganisation und einem sich stetig ausweitenden öffentlichen Bankwesen war das Kreditwesen angesichts des privaten Bankwesens und der weit verbreiteten Kreditgenossenschaften nach wie vor überwiegend privatwirtschaftlich geprägt. Insbesondere die Großbanken hatten einen starken Einfluß auf die deutsche Industrie und damit auf die Gesamt Wirtschaft. Die vielfach geforderte Verstaatlichung des Kreditwesens hätte somit den radikalsten Eingriff des Staates in das Kreditwesen bedeutet, der die Kreditwirtschaft auf eine völlig neue Grundlage gestellt hätte. 1 Aufgrund dieser Auswirkungen und vor dem Hintergrund der erhobenen Forderungen stand die Debatte um die Verstaatlichung der Banken am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens.
• Tambert, S. 57.
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145
I. Die Diskussion um die Verstaatlichung bis zur Bankenenquete 1933 Bereits vor der Bankenenquete von 1933 wurde eine zeitweise intensive Debatte um die Verstaatlichung des Bankwesens geführt. Dabei war der Begriff „Verstaatlichung" keineswegs fest umrissen, sondern wurde in verschiedenem Sinne verwandt. So war unklar, ob die Verstaatlichung sich auch auf die Rechtsform der Institute zu beziehen hatte und alle privaten Banken somit in öffentlich-rechtliche Kreditinstitute umzugestalten waren oder ob in einem verstaatlichten Bankwesen auch private Banken denkbar waren, soweit sie unter dem beherrschenden Einfluß des Staates standen. Auch das Ziel einer Verstaatlichung war nicht eindeutig bestimmt. Sollte sich der Staat bloß darauf beschränken, die verstaatlichten Banken nach den gleichen Prinzipien zu führen wie zuvor die privaten Bankleiter oder sollte sich die staatliche Bankpolitik an volkswirtschaftlichen Zielen ausrichten? Schließlich bestand auch Uneinigkeit in der Frage, wie weit die Verstaatlichung zu gehen hatte. Teilweise wurde die Verstaatlichung des gesamten Kreditwesens gefordert, während andere danach trachteten, lediglich die Großbanken in die Hände des Staates zu überführen. 2 Unabhängig von der Rechtsform, den Zielen und der Reichweite der Verstaatlichung bestand jedoch i m allgemeinen eine Übereinstimmung dahingehend, was ein verstaatlichtes Bankwesen i m Kern ausmachte: die Garantie des Staates für die Einlagen der Kundschaft und der uneingeschränkte Einfluß des Staates auf die personelle Besetzung und die Geschäftsführung der einzelnen Institute. 3 Von diesen Elementen wird bei der folgenden Darstellung ausgegangen.
1. Die Forderungen Deumers Bis zur Bankenkrise des Jahres 1931 wurde eine Debatte um die Verstaatlichung des Bankwesens i m allgemeinen nicht geführt. Eine Ausnahme bildete das Buch von Robert Deumer „Die Verstaatlichung des Kredits" aus dem Jahr 1926. Deumer, Direktor bei der Reichsbank, forderte in seiner umfassenden, detailliert durchdachten Schrift die Übernahme des Bankwesens in den Staatsbetrieb. 4 Er erhoffte sich von der Verstaatlichung eine Reihe von Vorteilen. So ging er davon aus, ein verstaatlichtes und weitgehend monopolisiertes Kreditwesen werde eine absolute Sicherheit der Kundengelder gewährleisten, da eine zentralisierte Kreditorganisation eine optimale Risikostreuung aufweise. 5 Darüber hinaus schaffe die Verstaat2
Zu der Begriffsverwirrung vgl. Prion, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 330. So die Definition Schachts bei der Bankenenquete. Er verstand unter Verstaatlichung „die absolute Haftung des Staates für die Bankeinlagen, die Einsetzung der Bankleitung durch den Staat und ihr Arbeiten unter staatlicher Direktive". Nachmittagssitzung der Bankenenquete vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 310. Ahnlich Herrmann, Sparkasse 1934, S. 62 f. 4 Deumer, Die Verstaatlichung des Kredits, S. 8. 5 Deumer, Die Verstaatlichung des Kredits, S. 8, 170. 3
10 Müller
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
lichung eine vereinfachte Organisation der Kreditwirtschaft, die zu Kosteneinsparungen führen werde. 6 Dadurch werde das allgemeine Zinsniveau sinken, die Produktion verbilligt und die Kaufkraft der Bevölkerung erhöht. 7 Auch erlaube eine Verstaatlichung der Banken eine volkswirtschaftlich günstigere Kreditverteilung 8 und bedeute schließlich eine Einnahmenerhöhung für den Staat, da diesem die Gewinne aus der verstaatlichten Kreditwirtschaft zuflössen. 9 Die Thesen Deumers stießen in der Fachwelt ganz überwiegend auf Ablehnung und lösten darüber hinaus keine allgemeine Debatte über die Banken Verstaatlichung aus. Auch seitens des Staates wurde eine Umsetzung der Forderungen i m Sinne des Verfassers nie erwogen. 1 0 Gleichwohl stellten die Überlegungen Deumers, die in keiner Weise politisch motiviert waren und nicht unter dem Eindruck des aktuellen Tagesgeschehens formuliert wurden, bis zum Ende der Debatte um die Banken Verstaatlichung den ernsthaftesten Versuch dar, eine Verstaatlichung des Bankwesens aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus sachlich zu begründen. 11
2. Die Entwicklung der Debatte nach 1931 War bislang das Buch Deumers der einzig nennenswerte Beitrag in der Diskussion um die Bankenverstaatlichung, so entwickelte sich nach der Bankenkrise von 1931 über diese Frage eine lebhafte Debatte. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren das augenfällige Versagen insbesondere der Großbanken sowie die Tatsache, daß das Reich erhebliche Beträge zur Stützung der Banken aufwenden mußte und sich erheblich am Aktienkapital der Großbanken beteiligte. 1 2 Daher wurde angesichts der faktischen Garantie des Staates für die Kundengelder der Großbanken und seiner erheblichen Kapitalbeteiligungen bereits von der „Entprivatisierung des Passivgeschäfts" der Großbanken gesprochen. 13 Vor diesem Hintergrund mehrten sich ab Anfang 1932 die Stimmen, die eine Verstaatlichung des gesamten Kreditwesens oder zumindest der Großbanken forderten. Dabei wurden diese Forderungen aus sozialistischen, vor allem aber aus nationalsozialistischen Kreisen erhoben, 14 wobei die Forderungen der Nationalsozialisten angesichts ihres fortwährenden Erstarkens gegen Ende der Weimarer Republik besondere Beachtung fanden. 6
Deumer, Die Verstaatlichung des Kredits, S. 131. Deumer, Die Verstaatlichung des Kredits, S. 186. 8 Deumer, Die Verstaatlichung des Kredits, S. 179 ff. 9 Deumer, Die Verstaatlichung des Kredits, S. 187. 10 Vgl. Tambert, S. 58. π Tambert, S. 58. 12 s.o.,Teil l,B.,II.,3.,a). 13 Augur, Der Deutsche Volkswirt 1932, S. 379. 14 Vgl. Kalveram, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 373. 7
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So wurde vor dem Hintergrund der Krise argumentiert, es sei mißbräuchlich, wenn die Privatbanken die in guten Jahren erzielten Gewinne für sich behielten, während in Krisenzeiten der Staat und damit die Gesamtheit für die Verluste aufkommen müßte. 1 5 Dieser Mißbrauch sei nur durch die volle Verstaatlichung aller Banken abzustellen. 16 Darüber hinaus wurde insbesondere den Großbanken vorgeworfen, am Ausbruch der Krise schuld gewesen zu sein 1 7 und während der Krise versagt zu haben, da sie eine volkswirtschaftliche Aufgabe zu tragen hatten, die sie nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu lösen versucht hätten. U m aber in der Bankpolitik volkswirtschaftlichen Erwägungen zum Durchbruch zu verhelfen, müsse das Bankwesen verstaatlicht werden. 1 8 Neben diesen Argumenten, die unmittelbar an die Geschehnisse der Bankenkrise anknüpften, wurde die Forderung nach Verstaatlichung der Banken vor allem aus der NS-Ideologie heraus begründet. Die Verstaatlichung der Banken stand i m M i t telpunkt des Wirtschaftsprogramms der Nationalsozialisten 19 und leitete sich neben den grundsätzlichen Ressentiments, die den Großbanken entgegen gebracht wurden, 2 0 aus der nationalsozialistischen Zins- und Geldtheorie ab. Eine wichtige Rolle spielte dabei die nationalsozialistische Lehre von der „Brechung der Zinsknechtschaft", die Feder 1919 formulierte 2 1 und die zum Kern des Parteiprogramms der NSDAP gehörte. Diese antikapitalistische und pseudowissenschaftliche Lehre 2 2 sah in den Zinsforderungen des „Großleihkapitals" die Ursache für die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten und forderte, das „arbeits- und mühelose Einkommen" durch „Brechung der Zinsknechtschaft" abzuschaffen. Angesichts der sehr polemisch formulierten und politisch motivierten Thesen Feders blieben der eigentliche Inhalt dieser Lehre und die Wege zu ihrer Umsetzung stets diffus. 2 3 I m Kern trachtete sie danach, den Leihzins entweder ganz abzuschaffen oder zumindest das System der marktwirtschaftlichen Bildung der Zinshöhe nach 15 Diese Erwägung hatte bereits beim Erlaß der Notverordnung vom 19. September 1931 eine Rolle gespielt (s. o., Teil 1, C., I V , 1.), wenngleich die Reichsregierung daraus nicht das Bedürfnis nach einer Verstaatlichung ableitete. 16 Pfaff, Wege zur Brechung der Zinsknechtschaft, S. 31. Verf. bezeichnete die Verstaatlichung allerdings als Fernziel, die angesichts der zu befürchtenden wirtschaftlichen Störungen nicht sofort umgesetzt werden könne. Daher müßten die Banken während einer Übergangszeit einer scharfen staatlichen Überwachung unterstellt werden. 17 Hunke, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 5.
is Die Deutsche Volkswirtschaft 1932, S. 37. 19 Vgl. Wirtschaftliches Sofortprogramm der NSDAP, S. 22 sowie Feder, Die Deutsche Volkswirtschaft 1932, S. 52. 20 Vgl. o., Teil 2, B. 21 Feder, Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft. 22 Lampe, Sparkasse 1931, S. 13, sah in der Lehre eine Theorie, „die mit der Kraft zwingender wissenschaftlicher Beweisführung als unhaltbar zu erkennen ist". 23 Vgl. Leßmann, Der Deutsche Oekonomist 1932, S. 414; Lampe, Sparkasse 1931, S. 7 und Möschel, S. 219. 10*
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
Angebot und Nachfrage durch ein staatliches System zu ersetzen, das die Zinshöhe in Abhängigkeit von dem volkswirtschaftlichen Nutzen der gewährten Kredite regeln und die Gewährung günstiger oder sogar zinsloser Kredite ermöglichen sollte. 2 4 'Ausgehend von dieser Lehre wurde die Verstaatlichung des Geld- und Kreditwesens gefordert, die als unerläßliche Voraussetzung zur „Brechung der Zinsknechtschaft" galt. 2 5 Daneben forderten die Nationalsozialisten aus geldpolitischen Gründen die Verstaatlichung des Bankwesens. M i t der fortwährenden Ausdehnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs war es den Kreditinstituten zunehmend möglich geworden, Buchgeld 2 6 zu schöpfen und damit die Geldmenge zu vergrößern, ohne daß die Reichsbank Einfluß auf den Umfang dieser Geldschöpfung hatte. 2 7 Der damit einher gehenden Gefahr, daß der Staat die Kontrolle über die Geldmenge verliert, sollte durch die Verstaatlichung aller Banken begegnet werden. 2 8 So wurde argumentiert, daß der Staat auch die Freiheit der Notenausgabe durch allmähliche Abschaffung der Privatnotenbanken aufgehoben hatte, um nicht die Herrschaft über das Geldwesen zu verlieren. Aus dem gleichen Grund müsse der Staat nunmehr die Möglichkeit der privaten Giralgeldschöpfung durch Verstaatlichung der Banken ausschließen. 29 Schließlich forderten die Nationalsozialisten ein verstaatlichtes Kreditwesen, um auf diesem Weg zu einer planwirtschaftlichen Kreditverteilung zu gelangen. Nicht mehr die einzelne Bank sollte über die Vergabe eines Kredits entscheiden, vielmehr war die Kreditverteilung durch den Staat nach übergeordneten, volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. 3 0 Ein verstaatlichtes Bankwesen mit der Möglichkeit, die Kreditvergabe zentral zu steuern, sollte sich demnach positiv auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Zusammenfassend betrachtet ist festzustellen, daß die Forderungen nach der Verstaatlichung des Bankwesens überwiegend von nationalsozialistischen Kreisen gestellt wurde. 3 1 Neben den Auswirkungen, die die Bankenkrise gerade bei den Großbanken gezeitigt hatte, stützten sich die Forderungen nach Verstaatlichung auf die nationalsozialistische Programmatik. Dabei waren jedoch die wirtschaftswissenschaftlichen Argumente, die ihren Forderungen zugrunde lagen, überwiegend politisch motiviert und nur wenig wissenschaftlich durchdacht. 32 Sie reichten nicht 24 Vgl. Feder, Die Deutsche Volkswirtschaft 1932, S. 52; Leßmann, Der Deutsche Oekonomist 1932, S. 414. S. a. Büschgen/Steinbrink, S. 78 ff. 25 Feder, Die Deutsche Volkswirtschaft 1932, S. 52. 26
Neben dem Begriff „Buchgeld" war auch die Bezeichnung „Giralgeld" weit verbreitet. 27 Näheres zu diesem Problemfeld s. u., Teil 4,1. 28 Feder, Die Deutsche Volkswirtschaft 1932, S. 145. 29 Herrmann, Verstaatlichung des Giralgeldes, S. 45 f. 30 Hunke, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 5; vgl. auch Prion, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 332. 31 Vgl. auch Seidenzahl, S. 348.
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bei weitem an die Tiefe der Überlegungen von Deumer aus dem Jahr 1926 heran. Die Forderung nach der Verstaatlichung der Banken beruhte demnach offenbar eher auf politischen Gesichtspunkten, indem die Nationalsozialisten sich die weit verbreiteten Ressentiments gegen die Großbanken als die vermeintlich allein Schuldigen der Bankenkrise von 1931 nutzbar machten. Trotz der Bankenkrise hielten dagegen viele Autoren an der überkommenen Struktur des Kreditwesens fest und lehnten die Verstaatlichung der Banken ab. Dabei kam die Kritik an den Forderungen nach Banken Verstaatlichung nicht aus Kreisen der Banken Vertreter, sondern wurde in erster Linie von Wirtschaftswissenschaftlern formuliert. Diese machten eine Reihe von Gründen gegen eine Verstaatlichung der Banken geltend. So wurde auf die große Bedeutung der privaten Initiative der Bankiers und verantwortlichen Bankleiter für ein funktionierendes Kreditwesen hingewiesen und die Befürchtung geäußert, durch ein verstaatlichtes Bankwesen werde die unternehmerische Eigeninitiative zum Erliegen kommen. 3 3 Zudem wurde in diesem Zusammenhang argumentiert, daß Kreditinstitute stets flexibel reagieren und sich sehr rasch wandelnden Markteinflüssen anpassen können müßten. Die Verstaatlichung der Banken werde jedoch zu einer Bürokratisierung des Kreditwesens führen und die Kreditgewährung zu langsam und zu schwerfällig machen. 3 4 Darüber hinaus wurde i m Hinblick auf die Bankenkrise von 1931 in Abrede gestellt, daß sich die öffentlichen Banken in der damaligen Situation widerstandsfähiger gezeigt hätten und ein verstaatlichtes Bankwesen einem privatwirtschaftlichen damit überlegen sei. 3 5 Vielmehr wurde argumentiert, daß der Staat eine untragbare Verantwortung auf sich nehme, wenn er für die Sicherheit sämtlicher den Banken zugeführten Gelder garantieren müsse. 36 Schließlich wandten sich die Gegner der Bankenverstaatlichung gegen das Argument, daß ein verstaatlichtes Bankwesen zu einer volkswirtschaftlich günstigeren Kreditverteilung führe und warnten ausdrücklich vor den Gefahren einer zentral gesteuerten Kreditbewirtschaftung. So wurde befürchtet, bei einer staatlichen Zuteilung der Kredite würde die Wirtschaft angesichts ihrer Abhängigkeit 32
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam ein Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 15. Juli 1933. Darin hieß es, „die nationalsozialistische Forderung einer Verstaatlichung der Banken [beruht] auf Gedankenreihen, die sich aus einer gefühlsmäßigen Einstellung logisch ergeben; eine sachliche Begründung der erhobenen Forderung ist vielfach vergeblich zu suchen" (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 403). 33 Fischer, Währung und Wirtschaft 1933, S. 63; Kalveram, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 374. 34 Kalveram, Bankwissenschaft 1931/31, Jg. 8, S. 376; ders., Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S.41. 35 Kalveram, Bankwissenschaft 1931/31, Jg. 8, S. 375; Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 354. 3 6 Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 33.
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von den verstaatlichten Banken zu eng mit politischen Interessen verflochten werden. Zudem werde es zu protektionistischen Kreditgewährungen kommen, um Stillegungen zu vermeiden und unrationelle Betriebe aufrecht zu erhalten. Dadurch aber würden die Auswirkungen der Wirtschaftskrise vertieft und der natürliche wirtschaftliche Ausleseprozeß verhindert. 3 7 Darüber hinaus bestünde die erhöhte Wahrscheinlichkeit, daß bei einer zentrale Kreditverteilung die bewährten bankgeschäftlichen Grundsätze - Sicherheit, Liquidität und Rentabilität - mißachtet würden, was zu wirtschaftlichen und den Kreditverkehr beeinträchtigenden Störungen führen könnte. 3 8 Auch werde es zur Gewährung unrentabler Kredite kommen, die dem Staat so große Verluste bescheren könnten, daß der Bankrott des Staates oder eine Inflation die Folge wäre. 3 9 Insgesamt gesehen hatte sich bis zur Bankenenquete von 1933 herauskristallisiert, daß die Verstaatlichung des Bankwesens in erster Linie eine Forderung der Nationalsozialisten war, die oftmals einer fundierten Begründung entbehrte. I m Übrigen wurden vor allem seitens der Wissenschaft alle Verstaatlichungspläne strikt abgelehnt. Neben grundsätzlichen Argumenten, die sich auch gegen die geforderte Verstaatlichung anderer Wirtschaftszweige hätten anführen lassen - mangelnde Eigeninitiative, Bürokratisierung - wurde dabei vor allem auf die gesamtwirtschaftlichen Gefahren hingewiesen, die durch zentral gesteuerte, planwirtschaftliche Kreditverteilung drohten.
II. Die Frage der Bankenverstaatlichung in der Bankenenquete 1933 Angesichts der einschneidenden Bedeutung, die eine Verstaatlichung des Bankwesens bedeutet hätte, und vor dem Hintergrund der Debatte, die sich zu diesem Thema entwickelt hatte, stellte die Bankenenquete i m Herbst 1933 die Frage der Banken Verstaatlichung an den Anfang ihrer Erörterungen. Die erste Anhörung der Sachverständigen am 21. November 1933 war diesem Thema gewidmet. Da die Sachverständigen sich mehrheitlich aus Vertretern des privaten Bankgewerbes rekrutierten, überrascht es nicht, daß sie sich ganz überwiegend gegen die Bankenverstaatlichung aussprachen. So forderte keiner der anwesenden Sachverständigen eine Total Verstaatlichung des gesamten Bankwesens. 40 Vielmehr bestand die Auffassung, daß die flexiblen kleinen und mittleren Privatbankgeschäfte in jedem Fall erhalten bleiben müß37 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 40f. 38 Prion, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 332. 39 Augur, Der Deutsche Volkswirt 1932, S. 380; ähnlich Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 40. 40 Vgl. Prot, der Nachmittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S.314.
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ten. 4 1 Uneinigkeit bestand jedoch hinsichtlich der Frage der Verstaatlichung der Großbanken, so daß sich die Debatte auf dieses Problem konzentrierte. Hier war es praktisch nur Prof. Benfe, der für eine Verstaatlichung der Großbanken eintrat. 4 2 Zwar vermochte er in einem verstaatlichten Bankwesen keine erhöhte Krisenfestigkeit und keine gesamtwirtschaftlichen Vorteile durch die Möglichkeit der planwirtschaftlichen Kreditverteilung sehen. Jedoch sei das Vertrauen der Kundschaft zu öffentlichen Banken größer und die Einlagen der Kunden bei diesen sicherer als bei Privatbanken 4 3 Überdies sei ein verstaatlichtes Bankwesen besser als ein privates geeignet, die neue Reichsregierung in deren Bestreben zum Umbau der deutschen Wirtschaft zu unterstützen, da verstaatlichte Banken besser strukturpolitischen Einfluß nehmen könnten. 4 4 Die i m Vorfeld von den Gegnern der Verstaatlichung geäußerte Befürchtung, daß ein verstaatlichtes Bankwesen zu politischen Zwecken mißbraucht werden könnte, wies Bente mit der Begründung zurück, dem könne durch einschränkende Bestimmungen begegnet werden, wie sie bereits für die Sparkassen und die Reichsbank bestünden. Auch bleibe das Bankgeheimnis in einem verstaatlichten Bankwesen ebenso gewahrt wie in einem privatwirtschaftlichen. 45 Schließlich wandte sich Bente gegen das Argument, daß die Verstaatlichung zwangsläufig zu größerer Bürokratie führe. Vielmehr seien auch i m Bereich des öffentlichen Bankwesens modern organisierte Unternehmen vorstellbar. Auch eine größere Privatinitiative der privaten Bankiers und Bankleiter vermochte er nicht zu erkennen. Er bezweifelte sogar, daß unter den gegenwärtigen Umständen der Direktor einer Großbank mehr Initiative zeige als der einer öffentlichen B a n k . 4 6 Die Ausführungen Benfes ließen somit erkennen, daß er in dem bestehenden System der privaten Großbanken keine Vorteile gegenüber einem staatlichen System sah. Dagegen versprach er sich von einer Verstaatlichung der Großbanken ein größeres Vertrauen der Kundschaft, eine erhöhte Sicherheit der Kundenein41 So etwa Helferich und Bente, Prot, der Vormittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 306, 309. 42 Neben Bente forderte auch der Präsident des sächsischen Sparkassen- und Giroverbandes Eberle die Verstaatlichung der Großbanken unter Hinweis auf ihren „außerordentlichen Einfluß". Eine nähere Begründung blieb Eberle schuldig. Offenbar war seine Äußerung ein Versuch, im Streit zwischen Banken und Sparkassen (s. u., Teil 3, C., I.) Druck auf die Großbanken auszuüben (Prot, der Vormittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 307). 43 Prot, der Vormittagssitzung 25.01/6915, S. 305. 44 Prot, der Vormittagssitzung 25.01/6915,S. 305. 45 Prot, der Vormittagssitzung 25.01/6915,S. 306. 46 Prot, der Vormittagssitzung 25.01/6915,S. 309.
vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
lagen sowie Vorteile bei der Umgestaltung der Wirtschaft i m Sinne der nationalsozialistischen Regierung. Anders als Beute wandten sich fast alle übrigen Sachverständigen der Bankenenquete gegen die Verstaatlichung der Großbanken. Dabei griffen sie im wesentlichen auf die Argumente zurück, die bereits in der der Enquete vorangegangenen öffentlichen Debatte vorgebracht worden waren. Bankier v. Moller kritisierte, daß die Verstaatlichung der Banken die Privatinitiative i m Kreditwesen ruinieren würde, obgleich die Regierung diese Initiative stark in den Vordergrund stelle. 4 7 Daneben vertrat Staatsrat Reinhart von der Commerz und Privatbank die Ansicht, daß eine Verstaatlichung zwangsläufig zu einer Bürokratisierung des Bankwesens führen würde 4 8 Auch die Vorteile, die sich Prof. Bente von einem verstaatlichten Bankwesen versprach, wurden von den Gegnern der Verstaatlichung in Abrede gestellt. So wies v. Schoen, Vorstandsmitglied der Leipziger A D C A , darauf hin, daß sich gerade die kleineren und mittleren Banken das Vertrauen ihrer Anleger erhalten hatten. Zudem sei es angesichts der praktischen vorhandenen Staatsgarantie zweifelhaft, ob verstaatlichte Banken tatsächlich sicherer seien. 49 Als Vertreter der Großbanken führte Urbig aus, daß ein verstaatlichtes Bankwesen die Wirtschaft nicht besser als ein privates fördern könne. 5 0 Moller argumentierte, daß die deutsche Großindustrie der Großbanken bedürfe und der Industrie kein Gefallen getan werde, wenn sie sich plötzlich einem staatlichen Bankwesen gegenüber sehe. Zudem sei die Verantwortung, die der Staat mit der Verstaatlichung auf sich nehme, angesichts der Verlustrisiken so groß, daß von einer Verstaatlichung dringend abzuraten sei. 5 1 Schließlich machten die Sachverständigen als wichtigsten Einwand geltend, daß ein verstaatlichtes Bankwesen zu stark in politische Abhängigkeiten geraten könne. 5 2 Urbig hegte die Befürchtung, daß Führungspositionen nicht nach fachlichen, sondern nach politischen Gesichtspunkten besetzt würden. 5 3 Zusätzlich wies v. Moller darauf hin, daß die verstaatlichten Institute unter dem Druck des
47 Prot, der Nachmittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 311. 48 Ähnlich auch v. Moller. Prot, der Nachmittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 312, 313. 49 Prot, der Vormittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 307. 50 Prot, der Vormittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 306. 51 Prot, der Nachmittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 312. 52 So etwa v. Schoen, Prot, der Vormittagssitzung vom 21. November 1933, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 307. Prot, der mittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde,Akte R25
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Staates zu Gewährung von verlustbringenden Krediten gezwungen sein könnten. 5 4 Auch Direktor Götz von der Dresdner Bank argumentierte, daß eine staatliche Einflußnahme auf die Kreditverteilung zur Gewährung volkswirtschaftlich nicht zu vertretender Kredite führen würde. 5 5 Insgesamt gesehen trat bei der Anhörung der Sachverständigen am 21. November 1933 in der Frage der Banken Verstaatlichung ein klares Meinungsbild zutage. Eine komplette Verstaatlichung des gesamten Kreditwesens wurde von allen Sachverständigen abgelehnt, vielmehr stand nur die Verstaatlichung der Großbanken zur Debatte. Insoweit traten nur Bente und Eberle für eine Verstaatlichung ein, wobei Eberle eine sachliche Begründung für seine Position vermissen ließ. Die übrigen Teilnehmer der Debatte lehnen dagegen eine Verstaatlichung der Großbanken durchweg ab. I m Vergleich zu der Debatte i m Vorfeld der Bankenenquete tauchten dabei in der Anhörung i m wesentlichen keine neuen Gesichtspunkte auf, die für oder gegen ein verstaatlichtes Bankwesen hätten angeführt werden können.
I I I . Die Entscheidung des Untersuchungsausschusses Nachdem dem Untersuchungsausschuß i m Rahmen der Bankenenquete noch einmal die wichtigsten Argumente für und gegen die Verstaatlichung des Bankwesens vorgetragen worden waren, lag es an ihm, der Reichsregierung einen Vorschlag für die künftige Gestaltung des Kreditwesens zu unterbreiten. Dabei machte sich der Ausschuß die Ansicht der Mehrheit der Sachverständigen zu eigen und sah von Empfehlungen ab, die auf eine Verstaatlichung der Banken hinausgelaufen wären. Dazu hätte es jedoch der Bankenenquete nicht bedurft. Denn der Ausschuß stand mit Ausnahme von Feder, der stets die Verstaatlichung zumindest der Großbanken gefordert hatte, von jeher der Banken Verstaatlichung äußerst kritisch gegenüber. Namentlich Schacht, der vor seiner Zeit als Reichsbankpräsident selbst Leiter einer privaten Großbank gewesen war und der nationalsozialistischen Ideologie eher ablehnend gegenüber stand, 5 6 war ein Gegner der Verstaatlichungspläne. Diese ablehnende Haltung des Ausschusses zeichnete sich bereits sehr früh ab. So ging Schacht auf die Frage der Banken Verstaatlichung öffentlich erstmals in seiner Eröffnungsrede vor dem Untersuchungsausschuß am 6. September 1933 ein. Obwohl er ausdrücklich betonte, kein abschließendes Urteil abgeben zu wollen, stellte er fest, daß „der materielle Fortschritt eines Volkes ( . . . ) auf Arbeiten und Sparen [beruht], also auf zwei sittlichen Faktoren, die in ihrem Erfolg letzten Endes vom freien Willen eines jeden Menschen bestimmt sind. Wir können diesen 54 Prot, der Nachmittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 312. 55 Prot, der Nachmittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 311. 56 s. o., Teil 2, C , II.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
freien Willen durch eine nationalsozialistische Erziehungsarbeit wohl beeinflussen, ihn aber ( . . . ) nicht durch die Staatsmaschinerie erzwingen." 5 7 Demnach maß Schacht der Privatinitiative entscheidende Bedeutung bei und ließ die Befürchtung anklingen, daß ein verstaatlichtes Bankwesen nicht in der Lage sein werde, diese Initiative aufzubringen. Offenbar versuchte Schacht schon i m Vorfeld der Bankenenquete, die Befürworter der Verstaatlichung zurückzudrängen und die Tendenz der Arbeit des Untersuchungsausschusses festzulegen. Auch Feder erkannte, daß er sich mit seinen Plänen zur Verstaatlichung der Banken nicht würde durchsetzen können. In seiner Eröffnungsansprache vor dem Untersuchungsausschuß schlug er i m Vergleich zu seinen vorangegangenen Publikationen deutlich leisere Töne an. Er sprach nicht mehr von der Verstaatlichung der Banken, sondern nur noch von der des Geldwesens, womit er lediglich die Bereiche der Geldschöpfung und des bargeldlosen Zahlungsverkehrs meinte. Feder deutete an, daß zwar die Verstaatlichung des Realkredits möglich, daß aber in jedem Fall von der Verstaatlichung des Personalkredits abzusehen und der Privatbankier zu erhalten sei. Noch deutlicher wurde Schacht in seiner kurzen Eröffnungsansprache vor der Bankenenquete am 21. November 1933. Er wies darauf hin, daß das Wirtschaftssystem in Deutschland historisch entstanden sei und viele Faktoren hervorgebracht habe, „die nicht einfach von heute auf morgen über den Haufen geworfen werden können, ohne daß man Schaden anrichtet". Daher müsse die Reform aufbauen „auf dem, was gewachsen, auf dem, was gewesen i s t . " 5 8 Diese Äußerungen ließen recht früh deutlich werden, daß der Untersuchungsausschuß an eine Verstaatlichung nicht ernsthaft dachte. Und tatsächlich fiel die Entscheidung gegen die Banken Verstaatlichung bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt und noch vor der entsprechenden Anhörung in der Bankenenquete. So wurden in einem internen Schreiben des Ausschusses vom 15. November 1933 alle Argumente für und gegen die Verstaatlichung aufgezählt. Der Verfasser des Schreibens kam dabei zu dem Ergebnis, daß „die Gründe gegen eine Verstaatlichung des Bankwesens an Zahl und Gewicht überwiegen" und lehnte daher die Verstaatlichung ab. Vielmehr könnten die Mängel des Bankwesens auch durch eine entsprechende Gesetzgebung und eine staatliche Bankaufsicht beseitigt werden. 5 9 Seitens der Ausschußmitglieder erhob sich kein Widerspruch, so daß das Schreiben offenbar die Meinung des Untersuchungsausschusses widerspiegelte. Dementsprechend fand auch innerhalb des Ausschusses keine Debatte über diese Frage mehr statt. Die Ausschußmitglieder hatten entschieden, an der überkommenen Struktur des Kreditwesens festzuhalten und die privaten Banken zu erhalten. 60 57
Eröffnungsansprache Schachts, Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 10. Prot, der Vormittagssitzung vom 21. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 306. 59 Internes Schreiben des Untersuchungsausschusses vom 15. November 1933, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6914, S. 62 f. Der Verfasser des Schreibens ist nicht ersichtlich. 58
Α. Verstaatlichung des Bankwesens
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Die Öffentlichkeit wurde von der Entscheidung, die Privatbanken nicht zu verstaatlichen, durch die Kieler Rede Schachts vom 26. Januar 1934 indirekt in Kenntnis gesetzt. Schacht führte aus, daß die in der Vergangenheit begangenen Fehler nicht in erster Linie auf einer falschen Organisation des Bankwesens beruht hätten. Er bedauerte, daß sich die öffentliche Diskussion vielfach in Organisationsfragen erschöpft habe, statt sich den Kernpunkten des Bankenproblems zu widmen. Es läge sogar eine große Gefahr darin, so Schacht, wenn man glaube, durch eine bloße Systemänderung würden die anstehenden Probleme gelöst. Die Frage der Verstaatlichung sei daher für die Genesung des Kreditwesens nicht von aktuellem Interesse. 61 Damit war offensichtlich geworden, daß der Untersuchungsausschuß keine Verstaatlichung der Banken empfehlen würde. Die offizielle Bekanntgabe dieser Entscheidung erfolgte mit dem Schlußbericht des Untersuchungsausschusses. Darin hieß es: „Der Ausschuß hat von einer generellen Empfehlung der Verstaatlichung des Kreditwesens abgesehen. Er ist vielmehr der Ansicht, daß unbeschadet der Stellung der Sparkassen die private Initiative mit eigener Verantwortlichkeit die zweckmäßigste Organisation der Kreditinstitute darstellt, wenn zugleich durch eine entsprechende Gestaltung der Aufsicht dem Gesamtinteresse rücksichtslos Geltung verschafft w i r d . " 6 2 Damit fand die Diskussion um die Bankenverstaatlichung ihr Ende, die Grundstruktur des deutschen Kreditwesens blieb unangetastet. Die nationalsozialistische Presse zeigte sich nach der Entscheidung des Ausschusses enttäuscht. Bereits nach der Kieler Rede Schachts wurde es „ m i t ernstem Bedenken" zur Kenntnis genommen, daß von einer Verstaatlichung der Banken abgesehen werden sollte. 6 3 Gleichwohl wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, auch ohne Verstaatlichung die Privatbanken unter die totale Kontrolle des Staates zu bringen. So wurde vorgeschlagen, durch gesetzliche Ausgestaltung ihrer Satzungen die Banken an die Richtlinien des Staates zu binden, etwaige Überschüsse an das Reich abzuführen und die Bankleitungen durch das Reich zu ernennen. 64 Auch diese Hoffnung hatte sich jedoch als trügerisch erwiesen. Denn spätestens mit der Verabschiedung des K W G und der Veröffentlichung des Schlußberichtes war der Gedanke der Banken Verstaatlichung endgültig fallengelassen worden. Wiederum fiel die Reaktion der nationalsozialistischen Presse verhalten aus, die es freilich nicht wagte, offene Kritik an dem von der Reichsregierung eingesetzten Untersuchungsausschuß zu üben. So wurde die mit dem K W G geschaffene weitgehende Aufsicht über die Kreditinstitute zwar als „gewaltiger Fortschritt" gegenüber dem Kreditwesen in der „liberalen Epoche" der Weimarer Republik gepriesen. Zugleich 60 Auf seiner ersten Sitzung nach der Enquete vom 27. Februar 1934 befaßte sich der Ausschuß bereits mit dem KWG-E 1, der von einem nicht verstaatlichten Bankwesen ausging. 61 Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 5 f. 62 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 29. 63 Baurmeister, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 432. 64 Baurmeister, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 432 ff.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
wurde aber auch festgestellt, daß der Schlußbericht sich nur den gegenwärtigen Zuständen widmete und daß es i m Hinblick auf den Verzicht der Verstaatlichung gar nicht der Sinn der Reform gewesen sei, „Grundsätze des nationalsozialistischen Programms zu verwirklichen 4 '. 6 5
IV. Zusammenfassung M i t der Verabschiedung des K W G und der damit einher gehenden Entscheidung gegen die Verstaatlichung der Banken wurde eine Diskussion beendet, die sich nach der Bankenkrise von 1931 entwickelt hatte. Insbesondere die Nationalsozialisten hatten die Verstaatlichung der Banken gefordert, so daß es angesichts ihrer „Machtergreifung" i m Januar 1933 durchaus wahrscheinlich war, daß zumindest die Großbanken verstaatlicht werden würden. Jedoch war der zur Entscheidung dieser Frage berufene Untersuchungsausschuß überwiegend mit Persönlichkeiten besetzt, die als langjährige Kenner und Experten der Kreditwirtschaft an einer praxisgerechten Lösung der Probleme des Kreditwesens interessiert waren und nicht das Ziel hatten, die NS-Ideologie auf dem Gebiet des Kreditwesens zu verwirklichen. Daher setzte sich der Ausschuß über die Forderungen nach Verstaatlichung der Banken hinweg und hielt an der überkommenen und grundsätzlich bewährten Struktur des deutschen Kreditwesens fest. Damit zog er die Kritik nationalsozialistischer Programmatiker auf sich, die ihre Enttäuschung darüber, daß ihre Pläne durchkreuzt worden waren, kaum verhehlten. Da sich jedoch die Reichsregierung die Auffassung des Untersuchungsausschusses zu eigen machte, war die Anerkennung eines privatwirtschaftlichen Bankwesens zum offiziellen Standpunkt der Regierung geworden, so daß sich die Kritik in engen Grenzen hielt und die Verstaatlichungsdiskussion ihr endgültiges Ende fand.
B. Schaffung von Regionalbanken Sehr bald nach der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten wurden Stimmen laut, die eine Reduzierung des Einflusses der privaten Großbanken und die Schaffung eines regional geprägten Bankwesens forderten. Den Vertretern dieser Forderungen schwebte dabei vor, das System der das ganze Reich umspannenden Filialgroßbanken durch ein System vieler kleinerer Banken mit einem regional begrenzten Aktionsradius - den sogenannten Regionalbanken - zu ersetzen. 66 Die Verwirklichung dieser Pläne verlangte einen schwerwiegenden Eingriff in die Struktur des privaten Bankgewerbes, so daß die Frage der Schaffung von Regionalbanken 65 Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 1067. 66 Vgl. Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 37.
Β. Schaffung von Regionalbanken
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in der Fachwelt kontrovers diskutiert wurde und auch i m Rahmen der Bankenenquete Beachtung fand.
I. Die Konzentration im deutschen Kreditwesen und ihre Folgen Die Diskussion über die Regionalbanken war eine Reaktion auf den tiefgreifenden Strukturwandel des deutschen Kreditwesens in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Bereits um die Jahrhundertwende setzte ein Konzentrationsprozeß ein, in dessen Verlauf die Großbanken eine große Anzahl von Provinzbanken übernahmen. Dieser Prozeß setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg und insbesondere nach der Inflation mit einer besonderen Dynamik fort. U m ihre in der Inflation erlittenen Verluste auszugleichen, übernahmen die Großbanken in großem Stil Provinzbanken und fusionierten auch untereinander. 67 Dies führte dazu, daß die Zahl der Provinzbanken mit eigenem Filialnetz zwischen 1913 und 1932 von 110 auf 43 sank und i m gleichen Zeitraum ihr Anteil am Aktiv- bzw. Passivgeschäft des gesamten Kreditmarktes von 28,3% bzw. 31,8% auf 5,3% bzw. 6,7% schrumpfte. 68 Bis 1932 war somit das private Bankwesen praktisch ausschließlich von den Großbanken und hier insbesondere von den drei Filialgroßbanken - Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft, Commerz- und Privatbank und Dresdner Bank - beherrscht. Als Folge dieses gewaltigen Konzentrationsprozesses litt vor allem die mittelständische Wirtschaft in zunehmendem Ausmaß unter einer mangelhaften Kreditversorgung und geriet dadurch vielfach in Bedrängnis. Für diese Entwicklung waren zwei Gründe maßgeblich. Zum einen war die mittelständische Wirtschaft in besonderer Weise auf die Zusammenarbeit mit den Provinzbanken angewiesen, da diese Institute vor allem das kleine und mittlere Kreditgeschäft mit dem gewerblichen Mittelstand pflegten. Dagegen war die traditionelle Domäne der Großbanken das Großkreditgeschäft mit den großen Industriekonzernen. Dieses Geschäft pflegten sie auch nach der Übernahme der Provinzbanken, während sie das Kreditgeschäft mit dem Mittelstand vernachlässigten 6 9 Der kleineren und mittleren Wirtschaft gingen daher die wichtigsten Kreditgeber verloren. 67 s. o., Teil 1, Β., I., 1., b). Als weitere wesentliche Gründe für den Konzentrationsprozeß nennt Stucken, Die Konzentrationsbewegung im deutschen Bankgewerbe, S. 19 ff., den parallel verlaufenden Konzentrationsprozeß in der Industrie sowie die Überlegenheit der Großbank gegenüber der Provinzbank aufgrund der besseren Risikostreuung ersterer und ihres günstigeren Verhältnisses zwischen Aufwand und Ertrag bei den einzelnen Bankgeschäften. 68
Stucken, Die Konzentrationsbewegung im deutschen Bankgewerbe, S. 12. s. o., Teil 1, Β., I., 2., a) sowie u., Teil 3, C , 1. Die Bevorzugung des Großkredits durch die Großbanken läßt sich mit wenigen Zahlen verdeutlichen: So betrug der durchschnittliche Kreditbetrag der Berliner Großbanken zum 31. Oktober 1931 RM 34.101, während der entsprechende Betrag sich bei den größeren Provinzbanken auf RM 15.795 und bei den mittleren Provinzbanken auf nur RM 6.400 belief {Leitner, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 373). 69
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
Zum anderen eignete sich die Organisationsstruktur der Großbanken nicht für die Fortführung des kleineren und mittleren Kreditgeschäftes der übernommenen Provinzbanken. Denn die streng hierarchisch gegliederten Großbanken wurden durch die Übernahme immer neuer Provinzbanken zunehmend unübersichtlich und bürokratisch. 70 Der vormals selbständige Leiter einer Provinzbank stand stets in engem persönlichen Kontakt mit seinen Kunden und konnte über deren Kreditanträge schnell und flexibel entscheiden. Nach der Übernahme seines Instituts durch eine Großbank war er jedoch häufig nur noch ein Filialleiter mit stark eingeschränkter Entscheidungsbefugnis. Er entschied nicht mehr selbst über die beantragten Kredite, sondern reichte die Anträge der Kunden weiter in die Berliner Zentrale, in der ein vielköpfiger Kreditausschuß über die Kreditgewährung entschied. Dieser Ausschuß machte die Kreditgewährung, da er den Kunden nicht persönlich kannte, nicht von dessen Persönlichkeit, sondern von den zu bietenden Sicherheiten abhängig, was zu einer Schematisierung und Bürokratisierung des Kreditgeschäfts führte. 7 1 Da jedoch gerade die mittelständische Wirtschaft häufig keine Sicherheiten zu bieten hatte und auf die Gewährung ungesicherten Kredites angewiesen war, der auf dem Vertrauen in die Person des Kunden basierte, wurden die Kreditanträge der kleineren und mittleren Unternehmen sehr häufig abgelehnt. 7 2 Dem Mittelstand war es somit in vielen Fällen unmöglich, den dringend benötigten Kredit zu erhalten, wodurch seine wirtschaftliche Notlage weiter verschärft wurde. Der Konzentrationsprozeß in der Weimarer Republik führte somit dazu, daß einerseits das Großkreditgeschäft zu Lasten des Kreditgeschäftes mit dem Mittelstand ausgebaut wurde. Andererseits führte die Eingliederung der Provinzbanken in die Großbanken zu einer Bürokratisierung und Anonymisierung des Kreditgeschäfts mit den kleineren und mittleren Industriebetrieben. Beides führte zu einer mangelhaften Kreditversorgung des Mittelstandes, der dadurch in wirtschaftliche Not geriet. Diese negativen Folgen des Konzentrationsprozesses standen außer Streit und wurden allgemein beklagt. Ebenso bestand Übereinstimmung dahingehend, daß das Kreditgeschäft mit dem Mittelstand wieder stärker zu fördern und dem Kreditwesen zu flexibleren und effizienteren Organisationsstrukturen zu verhelfen sei. Umstritten war jedoch der Weg, auf dem diese Ziele erreicht werden sollten. A u f der einen Seiten wurde gefordert, die Probleme des Mittelstandes durch die Errichtung eines Systems von Regionalbanken zu lösen. A u f der anderen Seite wurden diese Regionalbankenpläne abgelehnt. Die Gegner dieser Pläne traten vielmehr dafür ein, unter Anerkennung der gewandelten Struktur der privaten Bankenlandschaft auf eine Verbesserung der Stellung des Mittelstandes hinzuarbeiten. 70 v. Bissing, Die Schrumpfung des Kapitals und seine Surrogate, S. 60; Eröffnungsansprache Kepplers, Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 14f.; Stucken, RheinMainische Wirtschaftszeitung 1934, S. 86. 71 Stucken, Rhein-Mainische Wirtschaftszeitung 1934, S. 86. 72 Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 31; Wittke, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 191.
Β. Schaffung von Regionalbanken
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II. Der Regionalbankenplan v. Schröders Der wichtigste Vertreter der Idee zur Schaffung eines Systems von Regionalbanken war Kurt Freiherr v. Schröder. 73 Er war es, der als erster der Öffentlichkeit einen detaillierten Plan zur Verwirklichung der Regionalbankenidee präsentierte. 74 Dieser Plan sah vor, zwei der drei deutschen Filialgroßbanken, die Dresdner Bank und die Commerz- und Privatbank, in Regionalbanken umzubilden. Dazu sollten die Filialen beider Institute, soweit sie in an einem Platz nebeneinander bestanden, zusammengelegt werden. Sodann sollte innerhalb eines möglichst geschlossenen Wirtschaftsgebietes die an dem wichtigsten Platz dieses Gebietes bestehende Großbankfiliale zur Zentrale der neu zu bildenden Regionalbank werden, während die Filialen an den anderen Plätzen zu Filialen dieser neuen Regionalbank umzugestalten waren. 7 5 Zur Gründung dieser Regionalbanken sollte das Reich in der Anfangsphase 500 Mio. R M zur notwendigen Eigenkapitalausstattung aufbringen. Dieses Geld war später zurückzuzahlen, da die Regionalbanken als privatwirtschaftliche Institute gedacht waren. 7 6 Die übrigen Großbanken, also die Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft als Filialgroßbank sowie die Berliner Handelsgesellschaft und die öffentliche Reichs-Kredit-Gesellschaft als filiallose Großbanken, sollten erhalten bleiben. 7 7 Der Plan v. Schröders lief damit auf eine komplette Zerschlagung von zwei der drei Filialgroßbanken hinaus 7 8 und hätte damit die Struktur der privaten Kreditwirtschaft auf eine völlig neue Grundlage gestellt. v. Schröder erhoffte sich von seinem Plan, daß die neu zu errichtenden Regionalbanken die Kreditversorgung des Mittelstandes und damit dessen wirtschaftliche Situation verbessern würden. 7 9 Zudem erwartete er eine Stärkung der Stellung der Privatbankiers, die nach dem Ersten Weltkrieg und der Inflation ebenso wie die Provinzbanken in starke Bedrängnis geraten waren. 8 0 v. Schröder argumentierte, 73 v. Schröder, Jahrgang 1889, war Mitinhaber des Bankhauses I. H. Stein in Köln und zugleich Präsident der Industrie- und Handelskammer Köln. Er war einer der Initiatoren des Keppler-Kreises und trat seit 1932 für eine Kanzlerschaft Hitlers ein. Am 1. Februar 1933 trat er der NSDAP bei (Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 879; Das Deutsche Führerlexikon, S. 437). ™ v. Schröder, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 185 ff. 75 v. Schröder, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 187. Die Frage, ob die Zentralen der Commerz- und Privatbank und der Dresdner Bank nach der Umgestaltung zu erhalten oder komplett aufzulösen waren, ließ v. Schröder ausdrücklich offen (v. Schröder, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 186 f.). 7 6 v. Schröder, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 188 f. 77
v. Schröder, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 186. Eine andere Möglichkeit zur Verwirklichung der Regionalbankenidee bestand in der Neuerrichtung von Regionalbanken neben den bereits bestehenden Großbanken. Diese Alternative wurde aber angesichts der Übersetzung des Kreditwesens allgemein abgelehnt. 78
Lansburgh, Die Bank 1933, S. 1645. v. Schröder, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 187. so s.o., Teil Ι , Β . , Ι . , l.,b).
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die Regionalbanken wären „stets die natürlichen Verbündeten der Privatbankiers" gewesen, so daß die Schaffung neuer Regionalbanken dazu beitragen würden, „einen für die Kreditbetreuung der Wirtschaft wichtigen Stand zu erhalten und zu fördern". 8 1 Angesichts der feindlichen Haltung des Nationalsozialismus' gegenüber den Großbetrieben i m allgemeinen 8 2 und den Großbanken i m besonderen 83 stieß v. Schröder vor allem in nationalsozialistischen Kreisen mit seinem Plan auf Zustimmung. So verwundert es nicht, daß das Fachblatt für nationalsozialistische Wirtschaftspolitik, „Die Deutsche Volkswirtschaft", ebenfalls für die Errichtung von Regionalbanken unter Auflösung der Großbanken eintrat. 8 4 Darüber hinaus wurden die Forderungen v. Schröders seitens der wirtschaftlichen Fachpresse jedoch durchweg abgelehnt.
I I I . Die Gegner des Regionalbankenplans Spätestens seit v. Schröder mit seinen Forderungen der Regionalbankenidee erstmals eine konkrete Gestalt verliehen hatte, mehrten sich die Stimmen, die die Errichtung eines Systems von Regionalbanken in Deutschland ablehnten. Die Gegner der Regionalbankenidee führten eine Vielzahl von Argumenten an, um zu belegen, daß der Plan der Zerschlagung der Großbanken zugunsten einer Vielzahl von Regionalbanken zum Scheitern verurteilt war. So wurde argumentiert, daß die Großbanken für ein funktionierendes Kreditwesen unentbehrlich seien. Jede hoch entwickelte Volkswirtschaft bedürfe einer gesunden Mischung aus Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben, und gerade die großen, exportorientierten Industrieunternehmen bräuchten einem ihren Finanzbedarf angepaßten Kreditgeber. 85 Auch seien nur die das ganze Reich umspannenden Großbanken in der Lage, die zwischen den einzelnen Wirtschaftsgebieten bestehenden Unterschiede hinsichtlich Kreditangebot und -nachfrage auszugleichen und damit für eine gleichmäßige Kapital Verteilung zu sorgen. 86
si v. Schröder, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 187. Nach Kopper, S. 95, verfolgte v. Schröder mit seinem Regionalbankenplan darüber hinaus auch persönliche Ziele, indem er sich „von der Kontrolle einer monopolähnlichen Regionalbank eine größere unternehmerische Bedeutung [erhoffte], die seinem geschäftlichen wie politischen Ehrgeiz entsprochen hätte". Angesichts der beruflichen Stellung v. Schröders ist diese Vermutung zumindest naheliegend. 82 Vgl. Feder, Das Programm der NSDAP, S. 50 f. 83 s. o., Teil 3,1., 2. 84 Baurmeister, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 434 ff. 85 Kimmich, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 1507; Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 38. 86 Mellingen Die Bank 1933, S. 1001; Der Deutsche Oekonomist 1933, S. 1636.
Β. Schaffung von Regionalbanken
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Darüber hinaus wurde die Überlegenheit der Großbanken gegenüber den Regionalbanken als Argument gegen die Regionalbankenidee angeführt. So sei die Risikoverteilung bei einer das ganze Reich umspannenden Großbank günstiger als bei einer Regionalbank, bei der eher die Wahrscheinlichkeit bestünde, von dem Niedergang des in ihrem Bezirk vorherrschenden Gewerbezweiges in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Eine Regionalbank sei daher weniger sicher als eine Großbank. 8 7 Darüber hinaus seien die Großbanken den Regionalbanken in der Liquiditätsvorsorge überlegen. Denn die einzelnen Regionalbanken benötigten nach ihrer Verselbständigung zusammen größere Liquiditätsreserven als die bisherige Großbank, da sich deren Beanspruchung durch die Kundschaft aufgrund ihres großen Aktionsradius 4 besser verteile als bei den einzelnen Regionalbanken. 88 Schließlich verwiesen die Gegner der Regionalbankenidee auf die günstigere Kostensituation der Großbanken gegenüber den Regionalbanken 89 und argumentierten, daß die Großbanken rentabler seien als die Regionalbanken. 90 Die Überlegenheit der Großbanken gegenüber den Regionalbanken hinsichtlich Sicherheit, Liquidität und Rentabilität sollte somit gegen die Umsetzung der Pläne v. Schröders sprechen. Das wichtigste Argument gegen die Errichtung von Regionalbanken beruhte jedoch auf der Erwägung, daß der Konzentrationsprozeß nach dem Ersten Weltkrieg unumkehrbar war. Der Aufstieg der Großbanken zu Lasten der Provinzbanken sei nicht auf das Machtstreben der Großbanken zurückzuführen. Vielmehr habe gerade die Überlegenheit der Großbanken gegenüber den kleineren Banken dazu geführt, daß letztere vielfach nicht mehr konkurrenzfähig waren und um Übernahme durch die Großbanken b a t e n 9 1 Das Aufstreben der Großbanken sei demnach eine zwangsläufige Entwicklung gewesen, die auch in allen anderen kapitalistischen Ländern zu beobachten gewesen sei. 9 2 Die gewaltsame Rückgängigmachung dieser Entwicklung durch die Umwandlung von Großbanken in Regionalbanken müsse somit zu extremen Störungen in der Gesamtwirtschaft und zu schädlichen Krediteinschränkungen führen. 9 3 Schließlich wurden erhebliche Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung des Regionalbankenplans geltend gemacht. So sei unklar, wie die Kreditoren und Debitoren der aufzulösenden Großbanken auf die neu zu errichtenden Regionalbanken aufzuteilen waren. Vor allem aber sei die Kapitalausstattung der Regional87 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 38; Lansburgh, Die Bank 1933, S. 1646; Meilinger, Die Bank 1933, S. 1001. 88 Stucken, Die Konzentrationsbewegung im deutschen Bankgewerbe, S. 26. 89 Diese sollte sich daraus ergeben, daß sich bei einer Großbank die fixen Kosten für bestimmte Stabsabteilungen (ζ. B. Rechtsabteilung, volkswirtschaftliche Abteilung) besser verteilten als bei einer kleineren Regionalbank. 90 Lansburgh, Die Bank 1933, S. 1649. 91 Meilinger, Die Bank 1933, S. 1001; Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 31. 92 Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 31; Der Deutsche Oekonomist 1933, 1636. 93 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 38; Lansburgh, Die Bank 1933, S. 1646; Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1933, S. 1162. 11 Müller
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banken ein unlösbares Problem, da keine Aktionäre bereit seien, in die neuen Insti94
tute zu investieren. Zusammenfassend betrachtet, wurde gegen die Errichtung eines Regionalbankensystems die Unentbehrlichkeit der Großbanken sowie vor allem ihre Überlegenheit gegenüber den Regionalbanken angeführt, die zwangsläufig zu dem Konzentrationsprozeß i m Kreditwesen geführt hatte. Zudem wurde die Umsetzung der Regionalbankenidee für praktisch unmöglich gehalten. Gleichwohl verkannten die Kritiker nicht die Probleme, in die der Konzentrationsprozeß die mittelständische Wirtschaft gestürzt hatte. Sie schlugen jedoch andere Mittel zu ihrer Behebung vor. Ihr Vorschlag für eine bessere Kreditversorgung des Mittelstandes setzte vor allem bei der Organisationsstruktur der Großbanken an. A n die Stelle des schwerfälligen Aufbaus der Großbanken, der alle wesentlichen Entscheidungen in die Berliner Zentralen verlegte und den Mitarbeitern vor Ort kaum Handlungsspielraum ließ, sollte eine flexiblere Organisation treten. Dazu wurde angeregt, die Vollmachten der Filialleiter wesentlich zu erweitern, so daß diese i m direkten Kontakt mit dem Kunden selbständig über die Vergabe kleinerer und mittlerer Kredite entscheiden konnten. A u f diesem Wege sei eine erhebliche Förderung des Kreditgeschäfts mit dem Mittelstand zu erwarten. 95 Die Großbankzentralen sollten sich dagegen auf das Großkreditgeschäft, allgemeine Aufgaben und auf die Beaufsichtigung der organisatorisch verselbständigten Filialen konzentrieren. 96 Darüber hinaus sollten die noch vorhandenen Regionalbanken i m Einklang mit der natürlichen Wirtschaftsentwicklung durch eine Reihe einzelner Maßnahmen eine Stärkung erfahren. Dazu wurde unter anderem vorgeschlagen, daß die Großbanken in übersetzten mittleren und kleineren Städten einzelne Filialen schließen und besser mit den Regionalbanken zusammenarbeiten sollten. 9 7 Insgesamt gesehen verfolgten die Befürworter und die Gegner der Regionalbankenidee das gleiche Ziel. Es ging ihnen darum, den lähmenden Bürokratismus der Großbanken zurückzudrängen und die mangelhafte Kreditversorgung des Mittelstandes zu verbessern. Während erstere dieses Ziel i m Sinne des Plans v. Schröders auf dem Weg der Zerschlagung zweier Großbanken und deren Umbildung in Regionalbanken zu lösen versuchten, schlugen letztere eine Lösung unter Anerkennung der bestehenden Struktur der privaten Kreditwirtschaft vor. Sie erwarteten in erster Linie von einer flexibleren Organisation der Großbanken eine Verbesserung der Situation des Mittelstandes. 94 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 38; Lansburgh, Die Bank 1933, S. 1651; Meilinger, Die Bank 1933, S. 1001 f.; Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 31. 95 Meilinger, Die Bank 1933, S. 1002. 96 Der deutsche Volkswirt 1933, S. 1080. Entsprechende organisatorische Maßnahmen hatten die Großbanken etwa seit 1933 teilweise bereits vorgenommen. Da sie noch am Anfang ihrer Bemühungen standen, wurde eine weitere Flexibilisierung ihrer Organisation gefordert, vgl. Kimmich, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 1506. 97 Stucken, Rhein-Mainische Wirtschaftszeitung 1934, S. 86.
Β. Schaffung von Regionalbanken
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IV. Die Regionalbankenfrage in der Bankenenquete 1933 Angesichts der vorangegangenen Debatten stand das Thema „Großbankfilialoder Regionalbanken-System" auf der Tagesordnung der Sitzung der Bankenenquete vom 28. November 1933. A u f dieser Sitzung erhielt v. Schröder noch einmal Gelegenheit, seinen Regionalbankenplan gegen die überwiegende Kritik aus den Kreisen der Kreditwirtschaft und der Wirtschaftswissenschaft zu verteidigen. Angesichts dieser Kritik hatte v. Schröder offenbar erkannt, daß sich allein mit wirtschaftlichen Argumenten sein Plan nicht verwirklichen lassen würde. Denn i m Rahmen der Enquete führte er erstmals auch politische Argumente an, aufgrund derer die Umbildung der Großbanken in Regionalbanken erforderlich sein sollte. So führte v. Schröder aus, daß die Neuregelung des Kreditwesens die nationalsozialistische Wirtschaftsauffassung verwirklichen müsse. Der neue Staat könne es nicht dulden, daß die von den drei Großbanken nach dem Krieg angehäufte Macht weitgehend die gesamte Wirtschaft beherrsche. Das Fehlen bodenständiger Banken in vielen Gemeinden sei ein unmöglicher Zustand für die nationalsozialistische Wirtschaftsführung. 98 Darüber hinaus wies v. Schröder die von seinen Kritikern gegen die Errichtung von Regionalbanken vorgebrachten Argumente zurück. Ohne dies näher zu begründen, führte er aus, die Konzentrationsbewegung nach dem Ersten Weltkrieg sei kein natürlicher Vorgang gewesen, sondern habe „auf einer völligen Desorganisation der wirtschaftspolitischen Führung des liberalistischen Staates" beruht. 9 9 Zudem gewährten die angestrebten Änderungen in der Organisationsstruktur der Großbanken nicht die erforderliche Verbesserung der Kreditversorgung des Mittelstandes, da eine bodenständige Bank einen Kreditantrag naturgemäß ganz anders beurteile als eine fernstehende Zentrale. 1 0 0 Es gelang v. Schröder nicht, die übrigen Sachverständigen von seiner Position zu überzeugen. Dabei verwundert es nicht, daß sich die Vertreter der Großbanken für die Beibehaltung der bestehenden Bankenstruktur aussprachen. Reinhart (Commerzbank) argumentierte, daß von einer erdrückenden Stellung der Großbanken nicht gesprochen werden könne, da der Kreditorenbestand der drei Großbanken 7, 1 Mrd. R M betrage, der der Provinzbanken einschließlich der Kreditgenossenschaften und der öffentlich-rechtlichen Banken dagegen 8, 4 Mrd. R M . 1 0 1 Zudem sei in der Kreditgewährung bereits eine starke Wandlung zum Kleinkredit einge98 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, 25.01/6915, S. 350. 99 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, 25.01/6915, S. 350. 100 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, 25.01/6915,S. 350. 101 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, 25.01/6915, S. 351.
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Akte R Akte R Akte R Akte R
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treten. 1 0 2 Auch sei für die Gründung von Regionalbanken nicht genügend Kapital vorhanden. 1 0 3 Mosler (Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft) bezeichnete die Umwandlung von Großbankfilialen in Regionalbanken als „ v ö l l i g abwegig", da es unmöglich sei, aus einem Zentralbankkörper Teile heraus zu schneiden. 1 0 4 Dem schloß sich Götz (Dresdner Bank) mit der Erwägung an, daß eine Zerschlagung der Großbanken Unruhe in die ganze Wirtschaft bringen w ü r d e . 1 0 5 Aber nicht nur die Großbankenvertreter, sondern auch die Repräsentanten der Provinzbanken wandten sich gegen den Plan v. Schröders, obwohl an sich zu vermuten war, daß gerade die kleineren Institute eine Beschneidung des Einflusses der Großbanken begrüßt hätten. Frahm (Schleswig-Holsteinische Bank) lehnte die Gründung neuer Regionalbanken ab, da es noch eine Reihe gut situierter Provinzbanken gäbe, die das Kreditgeschäft mit dem Mittelstand betrieben. Er stellte ausdrücklich fest, daß weder er noch die anderen Leiter der Provinzbanken die Zerschlagung der Großbanken wünschten. Anzustreben sei vielmehr „eine organische Entwicklung auf dem Wege einer allmählichen Auflockerung des Filialsystems". 1 0 6 Stürken (Hamburger Vereinsbank) hielt die Zerschlagung der Filialgroßbanken weder für möglich noch für wünschenswert. Das Verschwinden der Großbanken sei hinsichtlich der Außenhandelsfinanzierung bedenklich. 1 0 7 Schließlich sprach sich auch Rasche (Westfalenbank) als Vertreter der Provinzbanken gegen den Plan v. Schröders aus. Er bemängelte, daß die Ideen zur Neuerrichtung von Regionalbanken „eine gewisse Blutleere" enthielten. Demgegenüber schlug er eine Dekonzentration des Kreditwesens durch eine Reihe einzelner Maßnahmen vor, wie etwa dem Ausbau der bestehenden lokalen und regionalen Banken oder der „Rückführung der Großbanken ( . . . ) durch Einzelabkommen auf privatwirtschaftlicher B a s i s " . 1 0 8 Die Privatbankiers, die nach dem Willen v. Schröders durch die Aufteilung der Großbanken in Regionalbanken eine Stärkung erfahren sollten, wandten sich ebenfalls gegen dessen Bestrebungen. Bankier v. Moller hielt den gegenwärtigen Zeitpunkt für die Lösung der Frage der Dezentralisation der Großbanken für 102 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 351. Ό3 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915,S. 352. 104 p r o t . der Nachmittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 358. 105 Prot, der Nachmittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915,S. 360. 106 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915.S. 349. 107
Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 352. 0 Prot, der Nachmittagssitzung vom 2 . November 1933, BABerlin-Lichterfeld
Β. Schaffung von Regionalbanken
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äußerst ungeeignet, obgleich er feststellte, daß die Bankkunden lieber mit dem selbständigen Leiter einer Provinzbank als mit dem Filialleiter einer Großbank zusammenarbeiteten. Jedoch würde die Bereitstellung staatlichen Kapitals zur Errichtung von Regionalbanken - wie es v. Schröder vorschwebte - „das Ende des Privatbankiers bedeuten, da dann das Publikum zur staatlich garantierten Regionalbank gehen w ü r d e " . 1 0 9 Schließlich lehnte mit Prof. Stucken auch ein Vertreter der Wissenschaft die erzwungene Gründung von Regionalbanken ab. Er gab zu bedenken, daß die Aufnahme der vielen Provinzbanken nach dem Ersten Weltkrieg offenbar in der Überlegenheit der Großbanken ihren Grund hatte. Dieser Prozeß würde bei der Schaffung neuer Regionalbanken erneut beginnen bzw. es würden andere Schädigungen auftreten, wenn den Großbanken die erneute Übernahme von Regionalbanken verboten w ü r d e . 1 1 0 Wenngleich die Sachverständigen in der Bankenenquete den Plan v. Schröders praktisch einmütig ablehnten, so machten sie dennoch Vorschläge, wie den Problemen zu begegnen sei, die die Konzentration des Kreditwesens hervorgebracht hatte. Lenzer (Vertreter der Arbeitsfront) hielt es für das Beste, die Filialleiter der Großbanken mit größeren Vollmachten auszustatten und damit das starre System der Großbanken aufzulockern. 1 1 1 Bankier v. Moller regte an, die Dekonzentration dadurch zu fördern, indem sich die Großbanken in stärkerem Umfang als bisher von einigen ihrer Filialen trennten. Sodann könnte sich nach einer allmählichen Verkleinerung der Großbanken die Möglichkeit ergeben, Regionalbanken mit privatem Kapital zu errichten. 1 1 2 In eine ähnliche Richtung ging der Vorschlag von Wirtschaftsprüfer Voss. Er schlug vor, bewährte Regionalbanken, die sich als bodenständige Institute erwiesen hatten, auszubauen. Wo derartige Banken nicht beständen, sollten sie i m Einklang mit den Großbanken geschaffen werden. In jedem Fall aber müßten diese Gründungen unter Berücksichtigung der Verhältnisse in den jeweiligen Wirtschaftsgebieten vorgenommen werden und dürften nicht nach einem festen Schema erfolgen. 1 1 3 A l l diese Vorschläge waren von dem gemeinsamen Grundgedanken geprägt, daß die erforderliche Dekonzentration des Kreditwesens, sofern überhaupt möglich, nur i m Einklang mit den Kräften des Marktes und unter freiwilliger Beteiligung der betroffenen Institute durchgeführt werden könne. 109 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 353f. 110 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915.S. 352. 111 Prot, der Nachmittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915.S. 359. 112 Prot, der Vormittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 354. 113 Prot, der Nachmittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 359.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
Die Bankenenquete vermittelte somit in der Frage der Schaffung von Regionalbanken ein eindeutiges B i l d von der Haltung der Sachverständigen. Lediglich v. Schröder trat für die Bildung von Regionalbanken unter Auflösung zweier Großbanken ein. Dagegen sprachen sich alle anderen Sachverständigen in der Enquete gegen die Regionalbankenidee aus, forderten aber ebenso wie v. Schröder, daß die Dekonzentration des Kreditwesens gefördert werden müsse. Insoweit suchten sie nach weniger einschneidenden Mitteln, um die unzureichende Kreditversorgung des Mittelstandes zu beheben. Ihre gemeinsame Grundhaltung schilderte Bankier Martin in wenigen treffenden Worten. Er führte aus, solange noch kein wirklich überzeugender Vorschlag zur Bildung von Regionalbanken vorhanden sei, „solle man die Lösung nicht mit einem chirurgischen Messer, sondern besser mit homöopathischen Mitteln zu erreichen suchen". 1 1 4
V. Die Entscheidung des Untersuchungsausschusses Nach Abschluß der Bankenenquete war es Sache des Untersuchungsausschusses, eine Entscheidung zur Umsetzung der Regionalbankenidee zu treffen. Die Reichsbank, die die Arbeit des Ausschusses in besonderer Weise prägte, stand den Plänen zur Errichtung von Regionalbanken von jeher ablehnend gegenüber, 115 so daß es nicht überrascht, daß der Ausschuß von einer Umsetzung der Pläne i m Sinne v. Schröders absah. Bereits in einem Memorandum vom 5. Juni 1933 sprach sich die Reichsbank gegen eine Aufteilung der Großbanken in Regionalbanken aus und griff dabei die Argumente auf, die bereits in der vorangegangenen Debatte gegen die Regionalbankenidee vorgebracht worden waren. 1 1 6 Die Reichsbank stellte fest, daß die Errichtung von Regionalbanken auf größte praktische Schwierigkeiten stoßen müßte und angesichts der schwachen Kapitalausstattung vieler dieser Institute die örtliche Kreditversorgung gefährden würde. Zudem seien die Großbanken für die Kreditversorgung der Großunternehmen unentbehrlich und eine „Verbilligung des Bankbetriebes durch die Neugliederung sehr problematisch". Schließlich sei die Risikostreuung der Regionalbanken ungünstiger als die der Großbanken. 1 1 7 Anstelle der gewaltsamen Schaffung von Regionalbanken schlug die Reichsbank vor, die Dezentralisation des Kreditwesens durch Zusammenlegung 114
Prot, der Nachmittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 360. 115 Bereits die nach 1931 eingerichtete Bankenaufsicht hatte in dem Bestreben, die Kreditversorung des Mittelstandes zu verbessern, die Errichtung eines Regionalbankensystems geprüft, kam dabei aber zu einem negativen Ergebnis, s. Paersch, S. 46 f. 116 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6910, S. 352ff., 361 f. 117 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 361 f.
Β. Schaffung von Regionalbanken
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von Großbankfilialen und der Erweiterung der Befugnisse der Filialleiter zu fördem.118 In einem späteren Memorandum vom 27. November 1 9 3 3 1 1 9 - dem Tag vor der Erörterung der Regionalbankenfrage in der Bankenenquete - stellte die Reichsbank zwar fest, daß der Grundgedanke der Regionalbankenidee, „die individuelle Kreditversorgung, insbesondere kleinerer und mittlerer Betriebe, durch bodenständige Provinzbanken ( . . . ) der wirtschaftspolitischen Maxime des Nationalsozialismus und den Bestrebungen der Reichsregierung" entspreche. 120 A n ihrer ablehnenden Haltung gegenüber den Regionalbankenplänen i m Sinne v. Schröders 121 hielt die Bank jedoch fest, wobei sie in erster Linie die bereits i m Juni vorgebrachten Bedenken noch einmal geltend machte. 1 2 2 Erneut schlug die Reichsbank daher vor, „eine organische Entwicklung des Regionalbankengedankens" durch organisatorische Maßnahmen 1 2 3 und Änderungen in der Geschäftspolitik der Großbank e n 1 2 4 zu fördern. 1 2 5 Angesichts der ablehnenden Haltung der Reichsbank und der weit überwiegenden Mehrzahl der Sachverständigen in der Bankenenquete sah der Untersuchungsausschuß schließlich von Empfehlungen ab, die auf eine Umbildung der Großbanken in Regionalbanken hinausliefen. Eine Diskussion innerhalb des Ausschusses speziell über die Regionalbankenidee fand allerdings nie statt, da sich offenbar kein Ausschußmitglied mit den Plänen v. Schröders identifizierte. Die Haltung des Ausschusses ließ Schacht in seiner Kieler Rede vom 26. Januar 1934 durchblicken. Er führte aus, daß es sich in der gegenwärtigen Situation darum handeln müsse, „die bestehenden regionalen Kreditträger zu erhalten und zu stärken. Eine Neubil118 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6910, S. 352ff., 362. 119 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 352 ff., 583 ff. 120 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 352ff., 583. 121 Anders als im Memorandum vom Juni erhob die Reichsbank auch Einwände speziell gegen den Schröder-Plan. Hier kritisierte die Reichsbank insbesondere, daß der Plan in der Anfangsphase eine staatliche Beteiligung an der Gründung der Regionalbanken in Höhe von 500 Mio. RM vorsah und befürchtete, daß die spätere Privatisierung dieser Gelder kaum möglich sein werde und daher eine Verstaatlichung der Regionalbanken drohe, s. Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 352ff., 587 f. 122
Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 352 ff., 585 ff. 123 Dazu zählte die Bank: Freiwillige Errichtung von Regionalbanken mit privatem Kapital, Austausch und Zusammenlegung von Großbankfilialen, Erweiterung der Vollmachten der Filialleiter. 124 Hierunter sollte eine stärkere Pflege des kleinen und mittleren Kredits und eine erweiterte Publizität der Großbankfilialen fallen. 125 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6910, S. 352ff., 589ff.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
dung solcher Institute wäre überall da zu fördern, wo damit nicht von neuem eine Ubersetzung des gesamten Kreditapparates herbeigeführt oder verschärft w i r d . " 1 2 6 Damit erteilte Schacht dem Plan zur Zerschlagung der Großbanken und ihrer Umwandlung in Regionalbanken eine klare Absage. Ihr endgültiges Ende fand die Debatte um die Regionalbanken mit der Veröffentlichung des Schlußberichts des Untersuchungsausschusses. Der Bericht erwähnte die Regionalbankenidee nur in wenigen Zeilen und widmeten den Plänen zur Zerschlagung der Großbanken nicht ein einziges Wort. Es hieß lediglich, der Ausschuß glaube, „daß dem Gedanken einer Dezentralisierung i m Kreditgewerbe eine erhebliche Bedeutung zukommt. Infolgedessen sollten die vorhandenen Regionalinstitute gefördert und Neugründungen, wenn ihre Lebensfähigkeit gewährleistet erscheint, unterstützt w e r d e n . " 1 2 7
VI. Resümee Der Untersuchungsausschuß sah von einer Umsetzung der Pläne v. Schröders ab und empfahl eine allmähliche Förderung der Dekonzentration des Kreditwesens i m Einklang mit dem wirtschaftlichen Umfeld. Er machte sich damit die Auffassung der Reichsbank und der meisten Teilnehmer an der Bankenenquete 1933 zu eigen. Angesichts der Tatsache, daß v. Schröder praktisch der einzige Vertreter des Kreditwesens war, der die Bildung von Regionalbanken durch Zerschlagung der Großbanken forderte, verwundert es, daß sich in der Frage der Regionalbanken überhaupt eine derartig breite Debatte entwickelte. Jedoch stieß v. Schröder vor allem in nationalsozialistischen Kreisen mit seinen Forderungen auf Zustimmung, so daß der Untersuchungsausschuß offenbar nicht umhin konnte, die Regionalbankenfrage auf die Tagesordnung der Bankenenquete zu setzen. Aufgrund der von vornherein ablehnenden Haltung der Reichsbank und des Untersuchungsausschusses gegen den Plan v. Schröders stellte die Behandlung dieser Frage i m Rahmen der Enquete jedoch eine Scheindebatte dar, die in erster Linie wohl dazu diente, die endgültige Entscheidung des Untersuchungsausschusses zu legitimieren. Die Entscheidung des Ausschusses, von der Umsetzung der Pläne v. Schröders abzusehen und die gewandelte Struktur der privaten Bankenlandschaft anzuerkennen, dürfte für die weitere Entwicklung des Kreditwesens nur vorteilhaft gewesen sein. Denn der Plan zur Schaffung der Regionalbanken bedeutete letztlich nichts anderes, als das bis zum Ersten Weltkrieg bestehende Gefüge des Kreditwesens wiederherzustellen und zu zementieren. 1 2 8 Angesichts des komplett gewandelten 126
Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 22. Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 29. 128 Daß dies das Ziel seiner Bemühungen war, stellte v. Schröder im Rahmen der Enquete ausdrücklich fest. S. Prot, der Nachmittagssitzung vom 28. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 361. 127
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
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wirtschaftlichen Umfeldes hätte dies aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu schweren wirtschaftlichen Störungen geführt.
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen Während der Debatten um die Verstaatlichung des Bankwesens und der Bildung von Regionalbanken hatten sich die Privatbanken, insbesondere die Großbanken, stets in der Defensive gesehen und trachteten danach, Forderungen zurückzuweisen, deren Erfüllung ihre weitere Existenz in Frage gestellt hätte. Anders verhielt es sich in der Debatte um das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen. Hier gingen die Privatbanken in die Offensive und versuchten, den wachsenden Einfluß der Sparkassen auf das gesamte Kreditwesen zurückzudrängen. Demgegenüber rangen die Sparkassen darum, ihre Position innerhalb der Kreditwirtschaft zu verteidigen.
I. Die Entwicklung der Sparkassenorganisation und der Konflikt mit den Privatbanken Ursprünglich waren die Sparkassen auf das langfristige Aktiv- und Passivgeschäft mit den ärmeren Bevölkerungsschichten beschränkt, während das private Bankwesen in erster Linie die Industriefinanzierung und das Geschäft mit der vermögenden Privatkundschaft pflegte. 1 2 9 Berührungspunkte gab es somit zwischen den beiden Institutsgruppen nicht, sie nahmen vielmehr innerhalb der Kreditwirtschaft völlig voneinander getrennte Aufgaben war. Insoweit wurde auch von einer „Arbeitsteilung i m Bankwesen" gesprochen, 1 3 0 wenngleich dieser Begriff mißverständlich war. Denn die „Arbeitsteilung" zwischen Privatbanken und Sparkassen beruhte nicht auf einer planmäßigen Abgrenzung der Geschäftsbereiche beider Institutsgruppen, sondern war das Ergebnis ihrer historischen Entstehung und Entwicklung. Vor allem seit dem Ende des Ersten Weltkrieges beschränkten sich die Sparkassen jedoch nicht mehr auf ihre traditionellen Geschäftsfelder, sondern begannen mit der Abwicklung von Geschäften, die bis dahin ausschließlich von den Privatbanken bzw. Kreditgenossenschaften gepflegt wurden. Die Sparkassen entwickelten sich nach dem Ersten Weltkrieg und insbesondere nach der Inflation mehr und mehr zu Universalbanken, wobei insbesondere das kurzfristige Kreditgeschäft der 129 s.o., Teil 1, Α., II., 2.; III., l.,a). 130 Vgl. etwa Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 207.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
Sparkassen mit der kleineren und mittelständischen Industrie eine zunehmend wichtige Rolle spielte. 1 3 1 M i t der Aufnahme dieser Tätigkeiten, für die sich das Schlagwort der „bankmäßigen Betätigung" 1 3 2 eingebürgert hatte, drangen die Sparkassen in die traditionellen Geschäftsfelder der Privatbanken und Kreditgenossenschaften ein. Diese suchten sich gegen die neue und unerwartete Konkurrenz zu wehren, indem sie den Sparkassen die Befugnis zur „bankmäßigen Betätigung" absprachen. Infolgedessen setzte zwischen den Privatbanken und Sparkassen Anfang der 20er Jahre ein Konflikt ein, in dessen Zuge die Privatbanken versuchten, die Sparkassen auf ihre ursprünglichen Geschäftsfelder zurückzuführen, um die „Arbeitsteilung" i m Kreditwesen wieder herzustellen. I m Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand dabei das kurzfristige Kreditgeschäft der Sparkassen, 1 3 3 während die übrigen „bankmäßigen" Geschäfte der Sparkassen 134 zwar ebenfalls kritisiert wurden, jedoch ein untergeordnete Rolle spielten. 1 3 5 So sandte der Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes seit Anfang der 20er Jahre immer wieder Schreiben an das Wirtschafts-, Finanz- und Innenministerium des Reiches. In diesen Schreiben prangerte er vermeintliche oder tatsächliche Mängel innerhalb der Sparkassenorganisation an und forderte ein staatliches Eingreifen, um die geschäftsmäßige Ausdehnung der Sparkassen rückgängig zu machen. 1 3 6 Als sich nach der Währungsstabilisierung herauskristallisierte, daß die Sparkassen nicht daran dachten, ihre unter dem Druck der Inflation neu erschlossenen Geschäftsfelder wieder aufzugeben, nahm ab 1925 der Konflikt zwischen Banken und Sparkassen an Schärfe zu. Neben dem erfolglosen Versuch, staatliche Stellen zum Einschreiten gegen das Geschäftsgebaren der Sparkassen zu bewegen, ging der Centraiverband dazu über, Listen von Sparkassen zu veröffentlichen, in deren Geschäftsbereich es zu Mißständen wie etwa Verlustgeschäften, Kreditausfällen oder Versagen von Geschäftsleitern gekommen war. Damit sollten Zweifel an der Kompetenz der Sparkassen in ihren neuen Geschäftsfeldern genährt und die Sparkassenkundschaft verunsichert werden. 1 3 7 Die Sparkassen verteidigten sich gegen dieses Vorgehen des privaten Bankgewerbes, indem sie argumentierten, daß ihr gewandeltes Auftreten am Markt durch die Strukturwandlung des deutschen Kreditwesen erforderlich geworden sei und ein Gegengewicht gegen die Konzentrationstendenzen innerhalb der Kreditwirtschaft 1 3 8 bilde. Darüber hinaus machten sie auf ihre wichtige Rolle aufmerksam, die die Sparkassen bei der Kre131 s.o., Teil l,B.,I.,2.,a). 132 Vgl. etwa Neumann, Die deutschen Sparkassen, S. 349. 133 Walb, Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat, S. 168; Born, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 91. 134 Hierzu zählte in erster Linie das Devisen- und Effektenkommissionsgeschäft der Sparkassen. 135 Neumann, Die deutschen Sparkassen, S. 349. 136 Piorkowski, S. 46. 137 Piorkowski, S.48ff. 138 s.o., Teil l,B.,I.,4.,a)
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
171
ditversorgung des Mittelstandes spielten, während sich die privaten Banken vorwiegend auf die Großindustrie konzentrierten. 1 3 9 I m Jahr 1927 stiegen die Privatbanken als Antwort auf die „bankmäßige Betätigung" der Sparkassen erstmals ihrerseits in das Spargeschäft ein, wobei sie die Spareinlagen ebenso hoch verzinsten, wie es die Sparkassen taten. Diese Strategie blieb jedoch weitgehend erfolglos, da es den Privatbanken kaum gelang, Spareinlagen an sich zu ziehen. 1 4 0 Die Aufnahme des Spargeschäftes führte zu einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen zwischen Banken und Sparkassen. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband beschloß, sich aus den bis zu diesem Zeitpunkt ohnehin nur halbherzig geführten Verhandlungen mit dem Centraiverband zurückzuziehen, mit denen eine Verständigung über eine Zusammenarbeit zwischen Privatbanken und Sparkassen erreicht werden sollte. 1 4 1 Schließlich wurde erkannt, daß der Konfrontationskurs von Privatbanken und Sparkassen erfolglos blieb, so daß die Beteiligten eine Entschärfung des Konflikts anstrebten. Dies führte dazu, daß die Spitzen verbände der Privatbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften i m M a i 1928 ein Wettbewerbsabkommen schlossen, mit dem der Konkurrenzkampf zwischen den verschiedenen Institutsgruppen beigelegt oder zumindest gemildert werden sollte. Das Abkommen sah die Einsetzung von lokalen und paritätisch besetzten Schiedsstellen vor, die bei Streitigkeiten eingreifen sollten und zur allgemeinen Zufriedenheit der Beteiligten arbeiteten. Der Abschluß dieses Abkommens stellte zudem in gewissem Umfang eine Anerkennung der gewandelten Stellung der Sparkassen durch die Privatbanken dar. Trotzdem wiesen letztere auch in den folgenden Jahren immer wieder darauf hin, daß die „bankmäßige Betätigung" der Sparkassen mit ihrer Zweckbestimmung unvereinbar sei. Alles in allem beruhigte sich der Konflikt zwischen Banken und Sparkassen nach 1928 j e d o c h . 1 4 2 Insgesamt gesehen führte die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit der Sparkassen in der Weimarer Republik zu harten Auseinandersetzungen zwischen Sparkassen und Privatbanken. I m Mittelpunkt stand dabei das kurzfristige Kreditgeschäft, gerade dieser Geschäftszweig sollte den Sparkassen wieder genommen werden. Zwar kam es mit dem Abschluß des Wettbewerbsabkommens von 1928 zu einer gewissen Entspannung des Konflikts, er schwelte jedoch weiter. 1 4 3 Bis zur Bankenreform hatte das angespannte Verhältnis zwischen Sparkassen und Privatbanken somit keine endgültige Klärung erfahren.
139 Piorkowski, 140 Piorkowski,
S.49ff. S. 56 f.; Born, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 91.
141 Piorkowski, 142 Piorkowski, 143 Piorkowski,
S. 57. S. 59 f. S. 60 f. Vgl. auch Wysocki,
S. 41 ff.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
II. Die Sparkassenfrage in der Bankenenquete 1933 Nachdem der Untersuchungsausschuß Mitte 1933 die Arbeiten an der Bankenreform aufgenommen hatte, war zu erwarten, daß nach Abschluß dieser Reform die Stellung der Banken und Sparkassen i m Rahmen der Kreditwirtschaft langfristig festgelegt sein würde. Die Reform stellte somit aus Sicht der Privatbanken auf absehbare Zeit die letzte Chance dar, den Einfluß der Sparkassen zurückzudrängen. Somit nutzten sie die Bankenenquete 1933, um ihre Forderungen nach einer Wiederherstellung der „Arbeitsteilung" i m Kreditwesen noch einmal nachdrücklich zu erneuern, während die Sparkassen sich gegen die Angriffe ihrer Konkurrenten zur Wehr setzten.
1. Auseinandersetzungen im Vorfeld der Enquete Die Auseinandersetzungen zwischen Banken um Sparkassen um die „bankmäßige Betätigung" und vor allem um das kurzfristige Kreditgeschäft letzterer beschränkte sich nicht auf die Sachverständigenanhörungen der Bankenenquete i m November /Dezember 1933. Bereits i m Vorfeld trugen die beiden Institutsgruppen ihren Konflikt aus, der an Schärfe zunahm, je näher die eigentliche Enquete rückte. Den Forderungen der Privatbanken, den Sparkassen ihre „bankmäßige Betätigung" zu untersagen, gab i m Zusammenhang mit der Bankenenquete erstmals der Privatbankier v. Moller in seinem Referat 1 4 4 Ausdruck, daß er für die Enquete anfertigte und daß sich in erster Linie der Situation der Privatbankiers in Deutschland widmete. Gerade die Bankiers und die kleineren Provinzbanken hatten unter dem Strukturwandel der 20er und frühen 30er Jahre besonders zu leiden. 1 4 5 Hinzu kam, daß die Sparkassen sich in ihrem kurzfristigen Kreditgeschäft überwiegend auf die kleineren und mittleren Kredite beschränkten, die traditionell die Domäne der Bankiers und Provinzbanken gewesen waren. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß v. Moller die Sparkassen in seinem Referat heftig angriff und weitreichende Forderungen stellte. So verurteilte v. Moller die steuerliche Bevorzugung der Sparkassen 146 und die staatliche Garantie ihrer Gewährträger für die Kundeneinlagen. 1 4 7 Er warf den Sparkassen vor, sie hätten „eine erhebliche Ausdehnung ihres Verteilungsapparates vorgenommen und gleichzeitig ( . . . ) eine geschlossene Organisation geschaffen, die mit schärfsten Mitteln der Konkurrenz in das Arbeitsgebiet der Privatbankiers 144
v. Moller, Der deutsche Privatbankierstand, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 197 ff. i « s.o., Teil Ι , Β . , Ι . , l.,b). i 4 * s.o., Teil 1, Α., III., l.,a). 1 47 v. Moller, Der deutsche Privatbankierstand, S. 224, 226.
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
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eingedrungen i s t . " 1 4 8 Das Argument der Sparkassen, sie würden die unbefriedigte Kreditnachfrage des Mittelstandes bedienen, ließ v. Moller nicht gelten. Dieses Kreditbedürfnis könne vielmehr i m vollen Umfang von den Bankiers, Privatbanken und Kreditgenossenschaften befriedigt werden, die von jeher das Mittelstandskreditgeschäft gepflegt hätten. 1 4 9 Vor diesem Hintergrund forderte er, daß die Sparkassen i m Einzelfall ungesicherte Kredite nur bis zur Höhe von 2.000 R M gewähren dürften. Die Gewährung darüber hinaus gehende Kredite sollte nur beim Vorliegen einwandfreier Sicherheiten erlaubt s e i n . 1 5 0 Schließlich verlangte v. Moller, abgesehen von den Beschränkungen i m Kreditgeschäft, den Sparkassen jede „rein bankgeschäftliche Betätigung" zu untersagen. 151 Unterstützung erhielten die Forderungen v. Mollers von einem Vertreter der Reichsbank. In seinem Referat für die Bankenenquete über „Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen" 152 äußerte sich Reichsbankdirektor Deumer 153 ebenfalls kritisch zu der Entwicklung der Sparkassen zu Universalbanken nach dem Ersten Weltkrieg. Er war der Auffassung, „daß jede bankmäßige Organisation der Sparkassen, insbesondere die Pflege des Kontokorrent- und Scheckverkehrs, dem eigentlichen Wesen des Sparkassenbetriebes widerspricht." 1 5 4 Auch das umfangreiche kurzfristige Kreditgeschäft der Sparkassen hielt er mit ihren Aufgaben für unvereinbar. Dies sei das Geschäft der Privatbanken und Kreditgenossenschaften, während die historisch gewachsene, vorrangige Aufgabe der Sparkassen sei, die Spargelder der Bevölkerung einzusammeln und anzulegen. 1 5 5 Gleichwohl forderte Deumer nicht ausdrücklich, den Sparkassen die „bankmäßige Betätigung" zu verbieten oder ihr Kreditgeschäft einzuschränken. Schließlich gelangte auch das Fachreferat zu den Sparkassen von Neumann 156 zu einer kritischen Bewertung insbesondere des kurzfristigen Kreditgeschäfts der Sparkassen. Neumann führte die Gründe auf, die zu der Expansion der Sparkassen i m kurzfristigen Kreditgeschäft geführt hatten 1 5 7 und war der Auffassung, daß die148
v. Moller, Der deutsche Privatbankierstand, S. 224. v. Moller, Der deutsche Privatbankierstand, S. 225. 150 v. Moller, Der deutsche Privatbankierstand, S. 225. 151 v. Moller, Der deutsche Privatbankierstand, S. 228. 149
1 52 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 245 ff. 153 Von Deumer stammte auch die Schrift über „Die Verstaatlichung des Kredits" von 1926. 154 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 249. 155 Deumer, Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, S. 249 f. 156 Neumann, Die deutschen Sparkassen, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 333 ff. Neumann war preußischer Staatsrat und Ministerialdirektor beim Preußischen Staatsministerium. Ihm unterstand die Aufsicht über die Sparkassen in Preußen, s. Kopper, S. 103. 157 Neumann nannte als Gründe den erhöhten kurzfristigen Geldbedarf der Kommunen infolge von Krieg und Inflation, die Erzielung hoher Einnahmen für die Gewährträger, poli-
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
ses Geschäft den Sparkassen nur belassen werden dürfe, wenn diese Gründe weiterhin Geltung beanspruchen könnten. Insoweit kam Neumann zu dem Schluß, daß allenfalls die mangelhafte Kreditversorgung des Mittelstandes auch zukünftig das Engagement der Sparkassen in diesem Geschäftszweig rechtfertigen könne. Angesichts der allmählichen Gesundung des Kapitalmarktes werde sich die Kreditversorgung des Mittelstandes jedoch allmählich verbessern. Zudem könne das Mittelstandskreditgeschäft wieder auf die Privatbanken und Bankiers übertragen werden, so daß das kurzfristige Kreditgeschäft der Sparkassen entbehrlich s e i . 1 5 8 Infolgedessen forderte Neumann, das kurzfristige Passivgeschäft und das kurzfristige Kreditgeschäft der Sparkassen zu beschränken und statt dessen das langfristige Geschäft der Sparkassen wieder stärker zu Geltung zu bringen. 1 5 9 Zur Umsetzung dieser Beschränkung schwebte ihm vor, das kurzfristige Sparkassengeschäft nur bis zu einem bestimmten Anteil am Spareinlagenbestand der einzelnen Sparkasse zuzulassen. 160 Insgesamt gesehen forderte Neumann somit kein vollständiges Verbot der „bankmäßigen Betätigung" der Sparkassen. Jedoch trachtete er danach, die traditionellen Geschäftsfelder der Sparkassen wieder stärker in den Vordergrund zu rücken und unterstützte damit die Pläne der Privatbanken, die eine Wiederherstellung der „Arbeitsteilung" i m Kreditwesen anstrebten. Die Sparkassen zeigten sich gegenüber diesen Forderungen unnachgiebig. Zwar stellten sie auf dem Sparkassentag von 1933 fest, „daß auch in Zukunft das Schwergewicht ihrer Tätigkeit auf der intensiven Förderung der Aufgabe, Spargelder zu sammeln, liegen w i r d . " 1 6 1 Zugleich machten sie aber unmißverständlich deutlich, auch zukünftig das kurzfristige Kreditgeschäft in unveränderter Weise pflegen zu w o l l e n . 1 6 2 Damit zeichnete sich bereits ab, daß es i m Rahmen der Enquete zu harten Auseinandersetzungen zwischen den Privatbanken und den Sparkassen kommen würde. I m Übrigen reagierten die Sparkassen auf die i m Rahmen der Referate gegen sie erhobenen Vorwürfe und Forderungen zurückhaltend. Nur auf das Referat von Neumann schrieb der Vorsitzende des Deutschen Sparkassen- und Giro Verbandes Kleiner eine öffentliche Erwiderung. Darin bestritt er, daß es hinsichtlich des kurzfristigen Kreditgeschäfts zwischen Sparkassen und Privatbanken, insbesondere den Großbanken, eine nennenswerte Konkurrenz gäbe. Vielmehr konzentrierten sich die Sparkassen auf das Kleinkreditgeschäft, dem seitens der Privatbanken nur wenig Interesse entgegen gebracht werde. Kleiner war somit anders als Neumann der Auffassung, daß sich die Sparkassen auch in Zukunft i m kurzfristigen Kreditgeschäft neben den Privatbanken engagieren könnten. 1 6 3 Dartische Erwägungen, erhöhte Unkosten der Sparkassen und Lücken in der Kreditversorgung des Mittelstandes. Neumann, Die deutschen Sparkassen, S. 345 ff. 158 Neumann, Die deutschen Sparkassen, S. 348 f. 159 Neumann, Die deutschen Sparkassen, S. 349. 160 Neumann, Die deutschen Sparkassen, S. 350. 161 Kleiner, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 97. 162 Kleiner, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 97. 163 Vgl. Die Deutsche Volkswirtschaft 1933, S. 559.
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über hinaus legte Kleiner in einem Aufsatz i m „Deutschen Volkswirt" vom 20. Oktober 1933 i m Hinblick auf die bevorstehende Enquete noch einmal den Standpunkt der Sparkassen ausführlich dar und stellte sich den Forderungen nach einer Beschränkung des kurzfristigen Kreditgeschäftes entgegen. 1 6 4 Kleiner wies den Vorwurf zurück, die Sparkassen würden ihr kurzfristiges Kreditgeschäft auf Kosten der Privatbanken fortwährend ausdehnen. Er legte demgegenüber dar, daß der Anteil des kurzfristigen Kreditgeschäfts an der Gesamtanlage der Sparkassen seit 1924 stark rückläufig sei. Habe dieser Anteil 1924 noch 58,4% der gesamten Bilanzsumme betragen, so belief er sich i m Jahr 1932 nur noch auf 13,4%. 1 6 5 Weiterhin argumentierte Kleiner, daß nach den Ergebnissen der Bankenenquete von 1928/30 von den kurzfristigen Krediten der Sparkassen 97% der Zahl nach und 57% dem Betrag nach auf Kleinkredite bis 10.000 R M entfielen. In diesem Segment seien die Sparkassen somit mittlerweile zu der wichtigsten Gruppe innerhalb des Kreditwesens geworden. 1 6 6 Dabei stellte er fest, daß der von den Sparkassen gepflegte Kleinkredit ausgesprochen unrentabel sei und eine große Kostenbelastung für das Sparkassengeschäft darstelle. Unter diesen Umständen aber sei die gemeinnützige Geschäftspolitik der Sparkassen zur Gewährung kleiner und kleinster Kredite besonders geeignet. Kleiner kam somit zu dem Schluß, daß „der kurzfristige Sparkassenkredit ( . . . ) aus der Wirtschaft nicht mehr wegzudenken" s e i . 1 6 7 Bis zu diesem Zeitpunkt wurde der Konflikt zwischen Privatbanken und Sparkassen noch überwiegend sachlich ausgetragen. Er beschränkte sich darauf, die Vorwürfe und Forderungen erneut zu erheben bzw. zurückzuweisen, die bereits in den 20er Jahren die Auseinandersetzung geprägt hatten. Eine wesentliche Verschärfung erfuhr der Streit jedoch durch ein Gutachten, das der Central verband des deutschen Bank- und Bankiergewerbes i m Rahmen seiner „Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1 9 3 3 " 1 6 8 i m Oktober 1933 dem Untersuchungsausschuß überreichte. In dem Gutachten, 1 6 9 das von einem anonymen Verfasser 170 stammte, erhob der Centraiverband Forderungen nach einer drastischen Einschränkung des Aktiv- und 164 Kleiner, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 97 ff. 165 Kleiner, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 98. 166 Kleiner, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 97. 167 Kleiner, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 98 f. 168 Diese Materialien waren eine umfangreiche Zusammenstellung verschiedener Statistiken und Gutachten, mit der der Centraiverband auf die Bankenreform Einfluß zu nehmen versuchte. 169 „Die Wiederherstellung gesunder Konkurrenzverhältnisse im deutschen Kreditgewerbe durch eine örtliche und sachliche Einschränkung des Geschäftsbereichs der Sparkassen und sonstiger öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten", in: Materialien zur Vorbereitung der Bankenenquete 1933, S. 207 ff. 170 Ausweislich der Materialien zur Vorbereitung der Bankenenquete 1933, S. 207, wurde das Gutachten „von einem Mitglied des Ausschusses des Centraiverbands des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes" angefertigt.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
Passivgeschäftes der Sparkassen, die über alle bislang erhobenen Forderungen hinausgingen. So schlug der Centraiverband vor, i m Passivgeschäft den Sparkassen die Annahme von Spareinlagen nur noch bis zu einer Höhe von 10.000 R M zu gestatten. Darüber hinaus gehende Beträge sollten nicht als Spareinlagen gelten, sondern in erstklassigen Rentenwerten angelegt werden. Die Pflege des kurzfristigen Passivgeschäftes, also die Führung des Depositen-, Giro- und Kontokorrentgeschäftes, sollte den Sparkassen nur gestattet sein, „wenn seitens der staatlichen Aufsichtsbehörde mit Zustimmung der Reichsbank ein dahingehendes Bedürfnis bejaht wird". Sollte dieses Bedürfnis nicht vorliegen, so war das kurzfristige Passivgeschäft auf 10% des gesamten Spareinlagenbestandes zu begrenzen. 171 Bei seinen Forderungen zur Regelung des Aktivgeschäftes der Sparkassen erkannte der Centraiverband zwar an, „daß die Sparkassen auf dem Gebiete der mittelständischen Personalkreditversorgung ein wesentlicher Faktor geworden sind." Gleichwohl verlangte er erhebliche Einschnitte in diesen Geschäftsbereich. Er forderte, daß die Ausleihungen der Sparkassen i m kurzfristigen Kreditgeschäft im Regelfall einen bestimmten Anteil des Bestandes der Spareinlagen und der kurzfristigen Einlagen nicht überschreiten dürfe. Eine Überschreitung dieses Anteiles sollte den Sparkassen nur dann gestattet werden, wenn die Aufsichtsbehörde dafür ein entsprechendes Bedürfnis festgestellt hatte. Dabei war bei der Bedürfnisprüfung „auf den Umfang des kurzfristigen Personalkreditbedarfs und die bestehenden Möglichkeiten seiner Befriedigung durch Genossenschaften und private Mittelstandsbanken ( . . . ) Rücksicht zu n e h m e n . " 1 7 2 In erster Linie sollte das kurzfristige Kreditgeschäft also den Privatbanken und Kreditgenossenschaften vorbehalten bleiben. Aber nicht nur dem gesamten Umfang, auch der Höhe der einzelnen Kredite nach versuchte der Centraiverband, eine Beschränkung des Kreditgeschäfts der Sparkassen durchzusetzen. Er verlangte, den Gesamtbetrag aller kurzfristigen Kredite über je 30.000 R M auf 10% des Gesamtbestandes der kurzfristigen Kredite zu begrenzen. 1 7 3 Schließlich forderte der Centraiverband ein weitgehendes Verbot der sonstigen „bankmäßigen Betätigung" der Sparkassen. Das Effekten- und Devisenkommissionsgeschäft sollte ihnen grundsätzlich untersagt, das Zahlungsverkehrsnetz der Sparkassen 174 sollte mit dem der Reichsbank bzw. der Reichspost verschmolzen werden. 1 7 5 Insgesamt trachtete der Verband somit nach einer Beschränkung der Sparkassen in zweifacher Hinsicht. Zum einen sollten sie auf ihr langfristiges Geschäft beschränkt und aus dem kurzfristigen Geschäft so weit wie möglich verdrängt werden. Zum anderen versuchte der Verband, die Sparkassen auf den Verkehr mit den unteren und mittleren Bevölkerungsschichten zu beschränken, 171 172 173 174 175
Materialien zur Vorbereitung der Bankenenquete Materialien zur Vorbereitung der Bankenenquete Materialien zur Vorbereitung der Bankenenquete Näheres dazu s. u., Teil 4,1., I. Materialien zur Vorbereitung der Bankenenquete
1933, S. 207 f. 1933, S. 208. 1933, S. 208. 1933, S. 208 f.
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während das lukrativere Geschäft mit der vermögenderen Privat- und Geschäftskundschaft den Privatbanken und Kreditgenossenschaften vorbehalten bleiben sollte. Der Centraiverband begründete sein Forderungen weniger mit sachlichen Argumenten, sondern vielmehr mit einem sehr einseitig geführten Generalangriff gegen das gesamte Sparkassenwesen. Er behauptete, die Ausdehnung des Geschäftskreises der Sparkassen habe nicht der Linderung der Kreditnot des Mittelstandes, sondern in erster Linie der Abhilfe der eigenen Notlage der Sparkassen gedient, die aus ihrem Unvermögen zu einer effektiven Betriebsführung entstanden sei. Die Ausdehnung der Sparkassen sei daher aus eigennützigen Motiven erfolgt und habe sich „besonders in der Herausdrängung der Mitbewerber aus geschäftlichen Beziehungen durch vorübergehende Unterbietung seiner Bedingungen sowie in der künstlichen Erzeugung von Kreditnachfrage [geäußert], auch wo ein Bedürfnis nach Kredit vom Kunden zunächst nicht empfunden worden w a r . 4 ' 1 7 6 Zudem hätten die Sparkassen, um ihr Ausdehnungsbedürfnis zu befriedigen, den von ihnen eingeführten Begriff des „Mittelstandskredits" immer weiter ausgedehnt, um unter dem Vorwand, das Kreditgeschäft mit dem Mittelstand zu pflegen, auch Großkredite gewähren zu können. 1 7 7 Auch sei die Ausdehnung der Sparkassen nur durch die Unterstützung der „marxistischen Politiker" der Weimarer Republik möglich gewesen, die bewußt die Verdrängung der Privatwirtschaft und die Sozialisierung des Bankwesens angestrebt und sich dazu der Sparkassen bedient hätten. 1 7 8 Insgesamt gesehen erweckte der Central verband in seinem Gutachten somit den Eindruck, als sei die Ausdehnung der Sparkassen nicht in erster Linie die natürliche Reaktion auf die Inflationszeit und die wachsende Kreditnot des Mittelstandes gewesen, sondern habe nur dazu gedient, aus eigennützigen Motiven in einem „Verdrängungskampf' das kleinere und mittlere Bankgewerbe zu schädigen. 1 7 9 Diese harten und weitgehend überzogenen Angriffe des Centraiverbandes gegen die Sparkassen mußten deren Widerstand herausfordern. Und tatsächlich ging der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, sobald er von dem Inhalt des Gutachtens Kenntnis genommen hatte, seinerseits in die Offensive. M i t einer scharf formulierten Gegendarstellung vom 1. Dezember 1933 - unmittelbar vor der Behandlung der Sparkassenfrage in der Bankenenquete - wandte sich der Verband an den Untersuchungsausschuß. 180 Darin bezichtigte er den Centraiverband, in einer Art und Weise gegen die Sparkassen Stellung bezogen zu haben, „die man nicht mehr als sachlichen Kampf bezeichnen kann". Er warf dem Verfasser des Gutachtens, der selbst wisse, „daß seine Begründungen unrichtig sind", eine „geradezu gro176
Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 216 f. Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 217. 178 Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 217 f. 179 Vgl. Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 221. 180 Gegendarstellung des Deutschen Sparkassen- und Giro Verbandes, in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6919, S. 275 ff. 177
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
teske Einseitigkeit" und „Zweckfärbung" seiner Darstellungen vor. Überdies dienten die in dem Gutachten behaupteten „angeblichen Beziehungen der Sparkassen zu marxistischen Gedankengängen" nur dazu, die Sparkassen zu diskreditieren. Die Gegendarstellung endete mit der Feststellung, die Forderungen des Centraiverbandes seien „ein aus Konkurrenzinteressen aufgestelltes Programm der Verdrängung der Sparkassen, das egoistischen Tendenzen und nicht den Interessen der allgemeinen Volkswirtschaft dienen soll." Angesichts dieser Auseinandersetzung zwischen den Spitzenverbänden der Privatbanken und der Sparkassen waren die Fronten zwischen den beiden Institutsgruppen bis zum Beginn der Bankenenquete völlig verhärtet. Eine sachliche Auseinandersetzung i m Rahmen der Enquete, die zu einer einvernehmlichen Lösung des Problems der Zusammenarbeit von Banken und Sparkassen hätte führen können, war daher kaum zu erwarten.
2. Die Sitzungen der Bankenenquete In einer Reihe von sieben Sitzungen zwischen dem 7. und 13. Dezember 1933 widmete sich die Bankenenquete ausführlich dem Sparkassenwesen. Die Debatten der Sachverständigen beschränkten sich dabei in erster Linie auf die Frage, ob den Sparkassen das kurzfristige Kreditgeschäft zu belassen sei oder ob sie auf das reine Spargeschäft beschränkt werden müßten. 1 8 1 Anders als die Sachverständigenanhörungen zum privaten Bankwesen fanden die Sitzungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. 1 8 2 Die Debatte um die Stellung der Sparkassen wurde durch längere Ausführungen Kleiners eröffnet, in denen er nochmals das Engagement der Sparkassen i m kurzfristigen Kreditgeschäft verteidigte. Er führte aus, eine Einschränkung dieses Geschäftszweiges werde die schwierige Lage der Privatbanken nicht verbessern, da diese nicht auf der Geschäftspolitik der Sparkassen, sondern auf der allgemeine Wirtschaftskrise beruhe. 1 8 3 Ein gezieltes Eindringen der Sparkassen in das kurz181 So Reichsbankvizepräsident Dreyse, Prot, der Vormittagssitzung vom 13. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 425. Daneben wurden im Verlauf der Sitzungen noch eine Reihe von Einzelaspekte des Sparkassenwesens erörtert. Hierzu zählten die Fragen nach der Berechtigung der Sparkassenverbände und der Girozentralen sowie des ZahlungsVerkehrssystems und des Steuerprivilegs der Sparkassen. Auch Fragen der Werbetätigkeit und der Zins- und Kostengestaltung wurden erörtert.
182 Die Entscheidung, unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu verhandeln, fiel auf Wunsch Schachts auf der internen Sitzung des Untersuchungsausschusses am 27. November 1933. Die Entscheidung war umstritten, wobei insbesondere Bankenkommissar Ernst für eine öffentliche Behandlung der Sparkassenfragen plädierte. S. Prot, der internen Nachmittagssitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6914,S. 645 ff. Prot, der mittagssitzung vom . e m b e r 1933, BA Berlin-Lichterfelde,Akte R25.01/6915,S.
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fristige Kreditgeschäft sei nie beabsichtigt gewesen, sie hätten vielmehr stets nur Lücken in der Kreditversorgung füllen wollen, und diese Aufgabe sei ihnen „ i n der Praxis durch die Bedürfnisse der Kunden aufgedrängt" w o r d e n . 1 8 4 Schon bei der Neuregelung des Sparkassenwesens i m Jahr 1931 1 8 5 sei versucht worden, den Sparkassen das Kontokorrentgeschäft zu nehmen. Dies sei jedoch nicht gelungen, weil die mittelständischen Wirtschaftskreise von sich aus und ohne Zutun der Sparkassen bei den maßgeblichen Stellen dagegen protestiert hätten. 1 8 6 Auch für die Zukunft kam nach Auffassung Kleiners eine Rückführung des Sparkassengeschäfts nicht in Betracht. Denn i m Zuge des Arbeitsbeschaffungsprogrammes der Reichsregierung werde die Nachfrage nach kurzfristigem Kleinkredit eher wachsen und könne durch die übrigen Institute nicht voll befriedigt werden. 1 8 7 Die Vertreter der Privatbanken zeigten sich von diesen Ausführungen erwartungsgemäß unbeeindruckt. Frahm (Schleswig-Holsteinische Bank) wollte den Sparkassen das Kreditgeschäft mit der kleineren Kundschaft zwar nicht grundsätzlich nehmen, verlangte aber, daß die Sparkassen dort zurücktreten müßten, „ w o das Bankgewerbe seit Jahrzehnten Fuß gefaßt" habe. Dementsprechend forderte er eine „Aufteilung zwischen den Befugnissen der einzelnen Geldinstitute." 1 8 8 Energischer fiel die Stellungnahme des Bankiers v. Moller aus. Eine weitere Ausdehnung der Sparkassen, so v. Moller, bedeute in naher Zukunft das endgültige Aus für die Privatbankiers und führe zu einer Verstaatlichung des Bankwesens, die niemand wolle. Daher sei eine klare Trennung zwischen Spararbeit, Genossenschaftsarbeit und Bankarbeit erforderlich. U m dies zu erreichen, „müsse man [bei den Sparkassen] in alles eingreifen, was mit dem kurzfristigen Geld- und Kreditgeschäft in Verbindung stehe". Er forderte dementsprechend eine Einschränkung des kurzfristigen Kreditgeschäftes der Sparkassen. 189 Dies werde auch zu einer Kostensenkung bei den Sparkassen führen und damit zur Stützung des Kapitalmarktes beitragen. 1 9 0 Der Vorsitzendes des Central Verbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes Tewaag knüpfte mit seinen Vorwürfen und Forderungen an die Ausführungen Frahms und v. Mollers an. Die Sparkassen hätten ihr kurzfristiges Geschäft haupt184 Prot, der Vormittagssitzung vom 7. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, 25.01 /6915.S. 402. iss s.o., Teil 1,C.,IV.,2. 186 Prot, der Nachmittagssitzung v. 13. Dezember 1933; BA Berlin-Lichterfelde, 25.01 /6915,S. 432. 187 Prot, der Vormittagssitzung vom 7. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, 25.01/6915,S. 402. 188 Prot, der Nachmittagssitzung vom 7. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, 25.01/6915, S. 405.
Akte R
Akte R Akte R Akte R
189 Prot, der Nachmittagssitzung vom 7. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 407 f. 190 Prot, der Vormittagssitzung vom 13. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 427 f. 12*
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
sächlich in der Nachkriegs- und Inflationszeit aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hätte aber kein Anlaß bestanden, eine Lücke i m deutschen Kreditgeschäft auszufüllen. Überdies pflegten die Sparkassen keineswegs nur das Mittelstandskreditgeschäft. 1 9 1 Bei einem Gesamtsumme der kurzfristigen Kredite der Sparkassen von 1, 8 Mrd. R M entfielen 1, 4 Mrd. R M auf Kredite über 2.000 RM. Derartige Kredite könnten aber ebenso gut von den Privatbanken und Kreditgenossenschaften gewährt werden. Bereits kurzfristige Kredite ab 500 R M gehörten in den Geschäftsbereich der Privatbanken. 1 9 2 Den Sparkassenvertretern fiel einmal mehr die Aufgabe zu, diesen Ausführungen entgegenzutreten. Kleiner führte an, daß das kurzfristige Kreditgeschäft eng mit der Pflege des Spargeschäfts zusammenhänge und den Sparkassen schon durch das Sparkassenreglement von 183 8 1 9 3 gestattet gewesen sei. Dem Vortrag v. Mollers hielt er entgegen, daß eine Beschränkung auf das langfristige Geschäft nicht zur Kostensenkung beitragen würde, da das eigentliche Spargeschäft durch die kurzfristigen Sparkassengeschäfte in keiner Weise belastet s e i . 1 9 4 Auch der Direktor der Deutschen Girozentrale Weltzien betonte den engen Zusammenhang zwischen Spargeschäft und Kreditgeschäft. Er stellte die Überlegenheit des Sparkassensystems in der Einsammlung der Spargelder der Bevölkerung heraus. Überdies seien die Sparkassen „eine Organisation der kleinen Leute" und daher auch die berufenen Institute für das kurzfristige Kreditgeschäft mit dieser Bevölkerungsschicht. 1 9 5 Unterstützung erhielten die Sachverständigen der Sparkassen mit Professor Eisfeld von einem neutralen Vertreter der Wissenschaft. Er wandte sich gegen die Forderungen der Privatbanken nach einer Beschränkung der Höhe der einzelnen Spareinlage 1 9 6 indem er ausführte, daß die kleineren Sparbücher Verlustgeschäfte seien und daher des Ausgleichs durch größere Bücher bedürften. Überdies nahm er das kurzfristige Kreditgeschäft der Sparkassen in Schutz. Diese Kredite seien in der Krise von 1931 außerordentlich liquide gewesen. Schließlich erklärte Eisfeld, daß in Preußen die Hälfte des kurzfristigen Kreditgeschäftes der Sparkassen auf Orte unter 10.000 Einwohner entfalle, wodurch das Privatbankgewerbe nicht wesentlich beeinflußt werde. Die eigentlichen Konkurrenten der Sparkassen seien daher nicht die Privatbanken, sondern die Kreditgenossenschaften. 197
191 Prot, der Vormittagssitzung vom 12. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S.4I2. 192 Prot, der Nachmittagssitzung vom 13. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 435. 1 93 s.o.,Teil l,C.,II.,2.,a). 194 p r o t . der Nachmittagssitzung vom 13. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 433. 195 Prot, der Vormittagssitzung vom 13. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 426. 196 s. o., Teil 3, C., II., 1. 197 Prot, der Nachmittagssitzung vom 7. Dezember 1933 und der Vormittagssitzung vom 12. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 408, 420.
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Und tatsächlich sahen sich die Sparkassen in der Enquete nicht nur den Angriffen der Privatbanken ausgesetzt. Auch von den Vertretern der Kreditgenossenschaften wurde das Geschäftsgebaren der Sparkassen heftig kritisiert. So beklagte Dr. Lang198 vom Deutschen Genossenschafts verband den starken Konkurrenzkampf zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften. Die Werbetätigkeit der Sparkassen habe zu einem starken Einlagenverlust bei den Kreditgenossenschaften geführt. Letztere seien angesichts ihrer Erfahrung besser für die Pflege des kurzfristigen Kreditgeschäftes geeignet. Zudem seien die Kreditgenossenschaften, in denen Vorstand und Aufsichtsrat die volle Verantwortung für die Verwendung der Mittel trügen, mehr als die Sparkassen in der Lage, größere Kapitalfehlleitungen zu vermeiden. 1 9 9 In ähnlicher Weise wie Lang äußerte sich auch der Präsident der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse Helferich. Die Gewährung von Mittelstandskredit sei hauptsächlich Sache der Kreditgenossenschaften. Es müsse daher eine „vernünftige Arbeitsteilung" zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften gefunden werden. 2 0 0 Zwar schwebte Helferich nicht vor, den Sparkassen das kurzfristige Kreditgeschäft vollständig zu nehmen. Da aber die Kreditgenossenschaften in der Lage seien, die Kreditversorgung des gesamten Mittelstandes zu übernehmen, müßte dieser Geschäftszweig bei den Sparkassen stark beschränkt werden. 2 0 1 Insoweit forderte Helferich, daß das kurzfristige Kreditgeschäft der Sparkassen in ein bestimmtes Verhältnis zu den kurzfristigen Einlagen zu bringen sei, die ihrerseits nur eine bestimmte Höhe erreichen dürften. 2 0 2 Kleiner wies auch die seitens der Kreditgenossenschaften vorgebrachten Forderungen zurück. Anhand von Statistiken der Reichsbank argumentierte er, daß die Sparkassen im Gegensatz zu den Kreditgenossenschaften weniger fremde Mittel verwalteten als 1913, so daß die Sparkassen von dem verschärften Wettbewerb i m Kreditwesen nicht profitiert hätten. 2 0 3 Überdies wies er nochmals darauf hin, daß 198 Dr. jur. Lang, geb. 1889, war von 1922 bis 1926 Referent im Reichswirtschaftsministerium (Mittelstandsreferat). 1926 trat er in die Anwaltschaft des Deutschen Genossenschaftsverbands e. V. (s. ο., Teil 1, Α., IV., 4.) ein und wurde im August 1932 zum Anwalt des Verbandes gewählt. Er leistete nach 1933 die wesentliche Verbandsarbeit. Dabei bemühte er sich, die genossenschaftlichen Grundsätze der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung auch im Nationalsozialismus aufrecht zu erhalten und setzte sich besonders für die Beibehaltung der Einkaufsgenossenschaften ein. Nach dem Krieg war Lang am Wiederaufbau des gewerblichen Genossenschaftswesens führend beteiligt. Er starb 1961. Vgl. Faust, S. 310; Schubert, Akademie für Deutsches Recht (Genossenschaftsrecht), S. 57. 199 Prot, der Nachmittagssitzung vom 7. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 409. 200 Prot, der Vormittagssitzung vom 11. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 412. 201
Prot, der Nachmittagssitzung vom 11. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 417. 202 Prot, der Vormittagssitzung vom 11. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 412. 203 Prot, der Vormittagssitzung vom 11. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 413.
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die Nachfrage nach kurzfristigem Kredit in den kommenden Jahren steigen werde und von den Kreditgenossenschaften nicht befriedigt werden könne, so daß die Sparkassen in diesem Geschäftszweig unentbehrlich seien. 2 0 4 Insgesamt konnten die sieben Sitzungen der Bankenenquete zu den Fragen des Sparkassenwesens nichts zu der Klärung des Verhältnisses zwischen Sparkassen und Privatbanken beitragen. Beide Seiten beharrten auf ihren Standpunkten und zeigten sich in keiner Weise kompromißbereit. Die Privatbanken warfen den Sparkassen vor, in der Vergangenheit durch einen gezielten Verdrängungswettbewerb eine Vielzahl von Banken und Bankiers in Bedrängnis gebracht zu haben. Sie forderten den Rückzug der Sparkassen auf ihr ursprüngliches, langfristig geprägtes Spargeschäft, der allein die Gewähr für eine „vernünftige Arbeitsteilung" i m Kreditwesen biete. Die Sparkassen wiederum führten ihr Engagement i m kurzfristigen Kreditgeschäft auf die mangelhafte Kreditversorgung des Mittelstandes in den 20er Jahren zurück und waren in keiner Weise bereit, zukünftig auf ihre neu erschlossenen Geschäftsfelder zu verzichten. Letztlich waren die i m Rahmen der Enquete vorgebrachten Forderungen der Privatbanken und Kreditgenossenschaften somit nichts weiteres als der Versuch, an die Sparkassen verlorene Marktanteile i m Kreditgeschäft zurückzuerobern, dem sich die Sparkassen mit aller Macht entgegen stellten. 2 0 5
III. Die Haltung der Reichsbank und die Entscheidung des Untersuchungsausschusses Nachdem es den Privatbanken und Sparkassen nicht gelungen war, zu einer einvernehmlichen Lösung ihres Konfliktes zu kommen, lag die Entscheidung bei der Reichsbank bzw. beim Untersuchungsausschuß. I m Laufe der Verhandlungen der Bankenenquete hatte sich kein Kompromißvorschlag abgezeichnet. Somit stand der Untersuchungsausschuß entweder vor der Wahl, die Entwicklung der Sparkassen zu Universalbanken anzuerkennen und ihre „bankmäßige Betätigung" unangetastet zu lassen oder ihnen i m Sinne der Forderungen der Privatbanken das kurzfristige Aktiv- und Passivgeschäft zu nehmen bzw. zu beschränken und damit wieder eine „Arbeitsteilung" i m Kreditwesen herbeizuführen.
204 Prot, der Nachmittagssitzung vom 11. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 419. 2 °5 Gleichwohl stellte Schacht am Ende der Sitzungen beschönigend fest, in den harten Auseinandersetzungen zwischen Privatbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen „habe sich nicht etwa ein einseitiges Eintreten für einzelne Wirtschaftsorganisationen gezeigt, sondern das gemeinsame Ringen um eine Lösung, die der Regierung die Handhaben für eine Neuordnung geben solle". S. Prot, der Nachmittagssitzung vom 13. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 440.
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1. Die Haltung der Reichsbank und ihre Entwürfe eines Reichssparkassengesetzes In einem frühen Memorandum vom 5. Juni 1933 der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank beschäftigte sich dessen Verfasser unter anderem auch mit der zukünftigen Stellung der Sparkassen in der Kreditwirtschaft. 2 0 6 Dabei trat eine tendenziell ablehnende Haltung gegen die Pläne zur Beschränkung des kurzfristigen Kreditgeschäftes der Sparkassen zutage. In dem Memorandum hieß es, daß „die Sparkassen und Kreditgenossenschaften ( . . . ) auch weiterhin die Hauptträger des Mittelstandskredites 2 0 7 bleiben müssen." Demnach fand zumindest das kleinere Mittelstandskreditgeschäft die Anerkennung der Reichsbank, während die Industriefinanzierung jedoch überwiegend den privaten „Groß- und Mittelbanken" vorbehalten bleiben sollte. 2 0 8 Eine andere Linie zeichnete sich demgegenüber i m Oktober 1933 i m Referat des Reichsbankdirektors Deumers ab, der die Ausdehnung der Sparkassen kritisiert hatte. 2 0 9 Dieses Referat ließ vermuten, daß die Reichsbank den Forderungen der Privatbanken offenbar nicht ablehnend gegenüber stand und einer Beschränkung der Geschäftstätigkeit der Sparkassen zugeneigt war. Ihre Bestätigung fand diese Linie in der internen Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933. Die Besprechung widmete sich ausführlich dem zukünftigen Aufgabenkreis der Sparkassen. Dabei befürworteten die Teilnehmer eine Trennung der Geschäftsbereiche von Banken und Sparkassen sowie eine drastische Einschränkung der Sparkassengeschäfte. Bereits die Umschreibung des Aufgabenkreises der Sparkassen ließ erkennen, in welcher Weise die Reichsbank eine Klärung des Verhältnisses zwischen Sparkassen und Privatbanken herbeizuführen gedachte. So sah die Reichsbank die Aufgabe der Sparkassen „ i n der Ersparnisbildung der Bevölkerung und der Nutzbarmachung des Sparkapitals durch Anlage in sicheren langfristigen W e r t e n . " 2 1 0 Die Reichsbank stellte somit nur auf das langfristige Geschäft der Sparkassen ab und erwähnte deren Engagement i m kurzfristigen Kreditgeschäft nicht. Ausgehend von dieser konservativen Auffassung vom Aufgabenkreis der Sparkassen entwickelten die Besprechungsteilnehmer einen Plan zur zukünftigen Gestaltung des Sparkassen wesens. So sollten die Sparkassen in ihrem Passivgeschäft verpflichtet werden, „die Hereinnahme von Spareinlagen auf wenige Tausend R M 206 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 384. 207 Unter „Mittelstand" verstand der Verfasser „Handwerker und Einzelhändler in Kleinund Mittelbetrieben bis zu etwa 50 Arbeitnehmern". 208 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 384. 2 09 s. o., Teil 3, C., II., 1. 210 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 374.
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zu beschränken". 211 I m Aktivgeschäft sollten die Sparkassen ihre Kundengelder „vor allem in Hypotheken und lombardfähigen Wertpapieren" anlegen, während gleichzeitig starke Beschränkungen i m sonstigen Kreditgeschäft geplant w a r e n . 2 1 2 Hier war vorgesehen, daß Mittelstandskreditgeschäft der Sparkassen „nicht nur i m Einzelbetrage, sondern auch ausschließlich auf die Gewährung von längerfristigen Darlehen gegen Schuldschein 2 1 3 zu beschränken". Diese Darlehen sollten pro Kreditnehmer einen Betrag von 10.000 R M nicht überschreiten. 214 Darüber hinaus sollte auch die sonstige „bankmäßige Betätigung" der Sparkassen abgestellt werden. Die Reichsbank plante, „die bankmäßige Betriebsausdehnung der Sparkassen, die besonders in der Führung von Scheckkonten, der Gewährung von Kontokorrentkrediten, dem Effekten- und Devisengeschäft und der intensiven Pflege des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zum Ausdruck kommt, ( . . . ) abzubauen." Dazu war das „Bankgeschäft" von den Sparkassen abzuspalten und auf andere Kreditinstitute wie Kreditgenossenschaften und Privatbankiers überzuleit e n . 2 1 5 Für diese extremen Eingriffe, mit denen die Reichsbank anstrebte, die Sparkassentätigkeit auf das „eigentliche Spargeschäft" zu reduzieren, 2 1 6 sollte ein Ausgleich für die Sparkassen geschaffen werden. Insoweit war vorgesehen, den übrigen Kreditinstituten grundsätzlich die Annahme von Spargeldern zu untersagen. 217 Die Pläne der Reichsbank liefen somit auf die Wiederherstellung einer „Arbeitsteilung" i m Kreditwesen hinaus. Die Sparkassen sollten ausschließlich ihr ursprüngliches, langfristiges Spargeschäft mit den einkommensschwächeren Bevölkerungskreisen pflegen, die „bankmäßige Betätigung" und insbesondere das kurzfristige Kreditgeschäft sollten demgegenüber den Privatbanken und Kreditgenossenschaften vorbehalten bleiben. Diese Pläne kamen den sehr weitgehenden Forderungen des Centraiverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewer211 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6912.S. 374. 212 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 375. 213 Schuldscheindarlehen waren über einen festen Betrag lautende, mittel- bis längerfristige Darlehensverträge, in denen Darlehenshöhe, Laufzeit und Rückzahlungsmodalitäten genau geregelt waren. Sie wurden häufig ohne Bereitstellung von Sicherheiten gewährt. Zum Beweis der Darlehensforderung wurde ein Schuldschein ausgestellt. Aufgrund der festen Vereinbarung der Darlehensbestimmungen unterschieden sich die Schuldscheindarlehen vor allem von den kurzfristigen und flexiblen Kontokorrentkrediten. 214 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 375. 215 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 376. 216 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 377. 217 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912, S. 377f. Ausnahmen sollten nur für die Banken gelten, die - wie z. B. im Raum Oldenburg - traditionell im größeren Umfang das Spargeschäft pflegten.
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
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b e s 2 1 8 erstaunlich nahe, so daß die Reichsbank ihre Beschlüsse möglicherweise unter dem Eindruck dieser Forderungen gefaßt hat. Auffallend ist jedoch, daß die Reichsbank aus einem anderen Blickwinkel argumentierte als der Centraiverband. Letzterer hatte seine Forderungen aus reinen Wettbewerbsgründen aufgestellt und erhoffte sich von der Zurückdrängung der Sparkassen einen Belebung des Kreditgeschäfts der Privatbanken. Dagegen strebte die Reichsbank mit ihrem Vorhaben eine Stärkung des extrem geschwächten Kapitalmarktes an, der seine Funktionsfähigkeit in der Weimarer Republik weitgehend eingebüßt hatte. 2 1 9 So wurde erwartet, daß eine Beschränkung der Sparkassen auf das Spargeschäft zu einer Kostensenkung führen und damit zu einer Verringerung der Hypothekenzinsen beitragen w ü r d e . 2 2 0 Vor allem aber sollte verhindert werden, daß zukünftig die langfristigen Spareinlagen in kurzfristigen Krediten angelegt und damit dem Kapitalmarkt entzogen würden, der dringend der Zuführung langfristiger Gelder bedurfte. Der Anlaß für diese Überlegung war die Tatsache, daß dem kurzfristigen Kreditgeschäft der Sparkassen mit einem Volumen von 1, 8 Mrd. R M nur kurzfristige Einlagen in Höhe von 1, 1 Mrd. R M gegenüber standen. Das Kreditgeschäft der Sparkassen beruhte somit zu 700 Mio. R M auf langfristigen Spareinlagen, 221 die an sich dringend am Kapitalmarkt benötigt wurden. Die Rückführung der Sparkassen auf das Spargeschäft sollte daher eine scharfe Trennung von Geld- und Kapitalmarkt bewirken und die Sparkassen zwingen, anders als bisher „die Spareinlagen möglichst restlos dem Kapitalmarkt ( . . . ) zuzuführen". Die Reichsbank ging davon aus, daß durch diese Maßnahme „die Gesundung des Kapitalmarktes wesentlich gefördert" w ü r d e . 2 2 2 Ihre Vorstellungen über das künftige Sparkassenwesen hatte die Reichsbank nicht nur in ihrer Besprechung umrissen, sondern zudem in einem „Entwurf eines Reichssparkassengesetzes" der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung vom 18. Oktober 1933 niedergelegt. 2 2 3 Der Entwurf wies einleitend darauf hin, daß ein neues Sparkassengesetz „vor allem dazu führen [muß], die frühere Arbeitsteilung zwischen Banken und Sparkassen wiederherzustellen". 2 2 4 Dementspre218 s. o., Teil 3, C , II., 1. 219 Näheres dazu s. u., Teil 4, Η., I. 220 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912, S. 377. Die Reichsbank erwartete eine Kostensenkung, da sie vermutete, daß das Spargeschäft die Kosten der „bankmäßigen Betätigung" der Sparkassen mittragen müßte. 221 Diese Zahlen gab das Mitglied des Reichsbankdirektoriums Friedrich im Rahmen der Bankenenquete bekannt, s. Prot, der Nachmittagssitzung vom 18. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 444. 222 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6912,S. 375. 223 Entwurf eines Sparkassengesetzes vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6914, S. 383 ff. 224 Entwurf eines Sparkassengesetzes vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6914,S. 384.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
chend wurden die in der Reichsbankbesprechung beschlossenen Beschränkungen umgesetzt. So war den Sparkassen gem. § 6 des Entwurfs „die Hereinnahme von Spareinlagen ( . . . ) für jedes Sparbuch auf einen Betrag von R M 5.000,- beschränkt". Die Annahme von kurzfristigen Einlagen in Form von „Depositen- und Girogeldern" war den Sparkassen gem. § 7 des Entwurfs nur bis zu einem Betrag in Höhe von 10% der gesamten Spareinlagen gestattet. Damit wurde das Passivgeschäft der Sparkassen ganz überwiegend auf das langfristige Geschäft beschränkt. Auch das Aktivgeschäft der Sparkassen wurde durch den Entwurf stark beschnitten. Gem. § 8 des Entwurfs hatten die Sparkassen ihre Bestände überwiegend langfristig anzulegen, wobei die Anlage in Realkrediten die wichtigste Rolle spielte. Mittelstandskredite durften nur noch gegen Faustpfand, Schuldschein, Bürgschaft oder Wechsel gewährt werden, wobei die Darlehen auf einen Höchstbetrag von 10.000 R M für jeden einzelnen Kreditnehmer beschränkt waren. Das Wertpapiergeschäft der Sparkassen hatte sich gem. § 9 des Entwurfs auf den Handel mit mündelsicheren Papieren zu beschränken, während ihnen § 10 des Entwurfs die Übernahme von Bürgschaften, Devisengeschäfte und die Vermietung von Schrankfächern sowie die Führung verschlossener Depots vollständig untersagte. Die Ergebnisse der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933 und der Entwurf eines Sparkassengesetzes vom gleichen Tag zeigen somit, daß die Reichsbank bereits vor der Bankenenquete eine feste Vorstellung von der zukünftigen Rolle der Sparkassen und ihres Verhältnisses zu den Privatbanken hatte. 2 2 5 Die Entwicklung der Sparkassen zu Universalbanken sollte zurückgenommen werden, indem vor allem für das kurzfristige Kreditgeschäft der Sparkassen starke Beschränkungen vorgesehen waren. Gleichzeitig sollten die Sparkassen sich verstärkt dem langfristigen Spargeschäft mit der einkommensschwachen Bevölkerung widmen und damit zur Stärkung des Kapitalmarktes beitragen. Diese Ziele hielt die Reichsbank auch in der folgenden Zeit aufrecht. A m 11. November 1933 hatte sie einen weiteren „Vorentwurf eines Sparkassengesetzes" ers t e l l t . 2 2 6 Er baute auf dem Entwurf vom 18. Oktober 1933 auf und enthielt darüber hinaus detailliertere Vorschriften zur Regelung des Sparkassengeschäftes. Die grundsätzliche Tendenz, die Sparkassen auf das langfristige Spargeschäft mit den mittleren und unteren Bevölkerungsschichten zu beschränken, wurde aufrecht erhalten und teilweise sogar verschärft. Durften die Sparkassen nach dem Entwurf vom 18. Oktober noch kurzfristige „Depositen- und Girogelder" in beschränkten Umfang entgegennehmen, so sollte ihnen mit dem neuen Entwurf das gesamte kurzfristige Depositen- und Kontokorrentgeschäft genommen werden. 2 2 7
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Die Reichsbank verstand es freilich, ihre Ziele geheim zu halten und im Rahmen der Bankenenquete offiziell eine neutrale Stellung einzunehmen. 226 Entwurf eines Sparkassengesetzes vom 11. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6914, S. Iff. 227 Begründung zu § 16 des Entwurfs eines Sparkassengesetzes vom 11. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6914, S. 6.
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
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2. Der Kieler Vortrag Schachts vom 26. Januar 1934 Die Politik der Reichsbank ging somit dahin, den Forderungen der Privatbanken entsprechend, den Geschäftsbereich der Sparkassen einzuschränken und die „ A r beitsteilung" i m Kreditwesen wieder herbeizuführen. Angesichts des beherrschenden Einflusses der Reichsbank auf die Arbeit des Untersuchungsausschusses 228 war es somit sehr wahrscheinlich, daß der Ausschuß der Reichsregierung empfehlen würde, den Sparkassen das kurzfristige Kreditgeschäft zu nehmen und ihre Aufgaben gesetzlich auf das reine Spargeschäft zu fixieren. Vor diesem Hintergrund stellte der Kieler Vortrag Schachts vom 26. Januar 1934, in dem er die Öffentlichkeit von den Grundzügen der Bankenreform des Untersuchungsausschusses in Kenntnis setzte, eine große Überraschung dar. In der entscheidenden Passage seiner Rede über die zukünftige Gestaltung des deutschen Sparkassenwesens führte Schacht aus: „ M a n hat so oft die Befürchtung ausgesprochen, die Bankenenquete der Reichsregierung werde dazu führen, die Sparkassen aus dem kurzfristigen Geschäft herauszulösen. Ich sehe keinen sachlichen Grund für diese Befürchtung, sondern sehe in ihr lediglich eine Verwechslung von Form und Inhalt. Nicht darauf kommt es an, ob eine Sparkasse beide Arten von Geschäften betreibt, sondern darauf, ob sie die ihr anvertrauten langfristigen Spargelder langfristig und die kurzfristigen Kassengelder kurzfristig anlegt. Es wird meines Erachtens nicht nötig sein, für diese beiden Tätigkeitsgebiete getrennte Organisationen zu schaffen, sondern es wird nur nötig sein, denjenigen Sparkassen, die beide Geschäfte betreiben, die sachliche Trennung beider Geschäftsarten aufzuerlegen. Was für die Sparkassen gilt, wird in gleicher Weise für alle sonstigen Institute Platz greifen müssen." 2 2 9 Nachdem die Reichsbank über Monate hinweg an Plänen und Gesetzentwürfen gearbeitet hatte, mit denen den Sparkassen das kurzfristige Geschäft genommen und sie auf das Spargeschäft beschränkt werden sollten, behauptete ihr Präsident Schacht plötzlich öffentlich, der Untersuchungsausschuß denke nicht daran, das Geschäft der Sparkassen zu beschneiden. Schacht trat damit der Position der Sparkassen bei, die diese in den vorangegangen Auseinandersetzungen mit den Privatbanken eingenommen hatten, indem er ihre Entwicklung zu Universalbanken grundsätzlich anerkannte. Dies stellte eine komplette Kehrtwende in der Politik der Reichsbank und Schachts gegenüber den Sparkassen da. Wie konnte es zu diesem Sinneswandel kommen? Die Gründe dafür lassen sich nur vermuten. Die Reichsbank und Schacht verfolgten mit ihren ursprünglichen Plänen das Ziel, den Kapitalmarkt zu stärken. U m dieses Ziel zu erreichen, hielten sie die Trennung der Geschäftsbereiche von Banken und Sparkassen und die Beschränkung der Sparkassen auf das langfristige Geschäft für erforderlich. 2 3 0 Die Ausfüh228 s. o., Teil 2, D., II., 1. 229 Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 15 f. 230 s. o., Teil 3, C., III., 1.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
rungen Schachts in seinem Kieler Vortrag, in denen von einer derartigen Trennung keine Rede mehr war, legen dagegen nahe, daß er bis Januar 1934 zu einer anderen Auffassung gelangt war. Somit läßt sich annehmen, daß Schacht nunmehr eine Umstrukturierung der Sparkassen, die sicherlich große Unruhe in das Kreditwesen gebracht hätte, vermeiden und statt dessen den Kapitalmarkt mit dem milderen Mittel einer scharfen gesetzlichen Trennung von Geld- und Kapitalmarkt stärken wollte. Gegen diese Annahme spricht jedoch, daß das Verhältnis zwischen Banken und Sparkassen seit Jahren eine zentrale und heftig diskutierte Frage des Kreditwesens war, mit der sich auch Schacht in seiner Eigenschaft als Reichsbankpräsident intensiv beschäftigt hatte. Es ist daher unwahrscheinlich, daß Schacht, nachdem er noch 1933 i m Rahmen der Arbeiten an der Bankenreform stets für eine Beschränkung des Geschäftsbereiches der Sparkassen eingetreten war, Anfang 1934 plötzlich seine Meinung vollständig geändert hatte. Wahrscheinlicher ist somit, daß die Gründe dafür, daß die Pläne zur Beschränkung der „bankmäßigen Betätigung" der Sparkassen seit 1934 nicht mehr weiter verfolgt wurden, i m politischen Bereich zu suchen sind. Angesichts ihres staatlichen Charakters und ihrer Geschäftspolitik, die auf Gemeinnützigkeit und nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet war, genossen die Sparkassen - anders als die Privatbanken - bei den Nationalsozialisten ein hohes Ansehen. 2 3 1 Vereinzelt wurde den Sparkassen sogar „eine bevorzugte Stellung (Vorbild) gegenüber dem neuen Staat" zuerkannt. 2 3 2 Gleichzeitig wurde in der nationalsozialistischen Fachpresse mit großem Mißtrauen zur Kenntnis genommen, daß die Sparkassenfragen in nichtöffentlichen Sitzungen behandelt wurden, und es wurde befürchtet, daß die Bankenreform „ i n der Zurückdrängung der Sparkassen ihr Schwergewicht haben s o l l " . 2 3 3 Eine Realisierung der ursprünglichen Pläne der Reichsbank mußte daher auf starken Widerstand der Nationalsozialisten stoßen, zumal bereits die Entscheidungen, von der Verstaatlichung des Bankwesens und der Schaffung eines Regionalbankensystems abzusehen, nicht i m Sinne der nationalsozialistischen Ideologie gewesen waren. Tatsächlich wandten sich, nachdem offenbar die internen Pläne der Reichsbank nach außen gedrungen w a r e n , 2 3 4 verschiedene Funktionäre der NSDAP gegen die von der Reichsbank beabsichtigten Beschränkungen der Sparkassen. So beschwerte sich der anhaltinische Staatsminister in einem Schreiben an Feder vom 17. Januar 1934 über die geplanten Beschränkungen der Sparkassengeschäfte. Ähnliche Befürchtungen äußerte der Reichsstatthalter von Anhalt und Braunschweig Loeper gegenüber Reichs wirtschaftsminister Schmitt und gegenüber Heß. 235 Zudem dürf231 Vgl. etwa Die Deutsche Volkswirtschaft 1933, S. 558 ff. 232 Prion, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 331. 233 Die Deutsche Volkswirtschaft 1933, S. 558, 560. 234 Möglicherweise hatte Feder als Mitglied des Untersuchungsausschusses dafür gesorgt, daß die Pläne der Reichsbank publik wurden. Dafür spricht, daß er im März 1934 wegen einer Indiskretion von Schacht aus dem Untersuchungsausschuß entlassen wurde.
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
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ten sich auch die nationalsozialistischen Mitglieder des Untersuchungsausschusses, insbesondere Feder und Keppler, gegen die Pläne der Reichsbank gewandt haben, an deren Ausarbeitung sie nicht beteiligt wurden. Vor allem aber stellte sich der Sparkassenausschuß der Akademie für Deutsches R e c h t 2 3 6 den Plänen zur Beschränkung des Geschäftsbereiches der Sparkassen entgegen. A u f seiner konstituierenden Sitzung vom 6. Januar 1934 stellte der Ausschußvorsitzende Kleiner 237 zunächst in aller Deutlichkeit die Übereinstimmung der Geschäftspolitik der Sparkassen mit den Grundsätzen des Nationalsozialismus fest. Gerade die Sparkassen hätten seit jeher „von vornherein die Begriffe sozial und national in sich vereinigt, national insbesondere insofern, als sie niemals etwas anderes gewesen sind als die Verwalter nationalen Kapitals und niemals andere Ziele verfolgt haben als die Förderung der nationalen Wirtschaft, so daß sie also das Epitheton nationalsozialistisch jetzt für sich in Anspruch nehmen d ü r f e n . " 2 3 8 Sodann kündigte Kleiner in kaum verhohlener Weise an, einer beabsichtigten Beschneidung der Sparkassentätigkeit energischen Widerstand zu leisten. Es müsse, so Kleiner, „vermieden werden, daß durch unsere Arbeit in den Kreisen unserer Konkurrenz nun etwa der Gedanke entsteht, als ob wir hier durch das, was wir vorhaben, die Absicht verfolgten, das Geschäftsgebiet der Sparkassen zu Lasten der anderen i m Wettbewerb mit uns stehenden Geldinstitute zu erweitern. Davon kann natürlich gar keine Rede sein. Für uns handelt es sich lediglich darum, den Schlußstrich unter eine bereits bestehende Regelung zu ziehen, d. h. die bestehenden landesrechtlichen Regelungen in eine reichsrechtliche einheitliche Regelung umzuformen." 2 3 9 Kleiner forderte somit die endgültige Anerkennung der gewandelten Stellung der Sparkassen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Zwar beabsichtige der Ausschuß in keiner Weise, „dem hohen Untersuchungsausschuß für das Bankwesen irgendwie vorgreifen" zu wollen. Gleichwohl werde es aber für die Reichsregierung „unter Umständen von größter Bedeutung sein, daß sie auf der
235 Kopper, S. 105 f. Diese Befürchtungen erwähnte Loeper gegenüber Heß offenbar mit Schreiben vom 15. Dezember 1933. Vgl. den Hinweis auf dieses Schreiben im Brief Loepers an Heß vom 13. März 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 74. 236 Die Akademie für Deutsches Recht wurde durch Gesetz des Freistaates Bayern vom 22. September 1933 als eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes errichtet. Gem. § 2 dieses Gesetzes war es Aufgabe der Akademie, „die Neugestaltung des deutschen Rechtslebens zu fördern und in enger dauernder Verbindung mit den für die Gesetzgebung zuständigen Stellen das nationalsozialistische Programm auf dem gesamten Gebiete des Rechtes und der Wirtschaft zu verwirklichen". Durch Reichsgesetz vom 11. Juli 1934 (RGBl. I, S. 605) wurde die Akademie zu einer öffentlichen Körperschaft des Reichs unter der Aufsicht der Reichsminister der Justiz und des Innern. Näheres zu den Aufgaben der Akademie für Deutsches Recht bei Schubert, Akademie für Deutsches Recht [Aktienrecht], S. VIII ff. 237 Kleiner war zugleich Vorsitzender des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und war in dieser Eigenschaft maßgeblich in die Auseinandersetzungen zwischen Privatbanken und Sparkassen eingeschaltet. 238 Protokoll der Ausschußsitzung, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 61 /406, S. 6. 239 Protokoll der Ausschußsitzung, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 61 /406, S. 15.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
einen Seite die Vorschläge des Enqueteausschusses hat und auf der anderen Seite auch unsere Vorschläge bekommt, wobei wir selbstverständlich bemüht sein werden, das zu berücksichtigen, was wir als berücksichtigenswert anerkennen müssen." 2 4 0 M i t diesen Ausführungen, die von den anderen Ausschußmitgliedern getragen wurden, brachte Kleiner somit den Sparkassenausschuß und damit die Akademie für Deutsches Recht gegen die Pläne der Reichsbank zur Beschränkung der Sparkassen in Stellung. Vor diesem Hintergrund wagte Schacht offenbar nicht, es in der Sparkassenfrage auf einen offenen Konflikt mit der mit staatlicher Autorität ausgestatteten Akademie für Deutsches Recht ankommen zu lassen. Die plötzliche Abkehr Schachts von seiner ursprünglichen Haltung und seine öffentliche Aussage, der Untersuchungsausschuß beabsichtige keine Einschränkung des Geschäftsbereiches der Sparkassen, sind somit offensichtlich nicht auf einen Sinneswandel Schachts zurückzuführen. Sie beruhten vielmehr auf politischem Druck der Nationalsozialisten sowie der Offensive Kleiners i m Sparkassenausschuß der Akademie für Deutsches Recht, die Schacht bekannt gewesen sein dürfte. Für diese Deutung spricht auch, daß die Entscheidung, die Sparkassen unangetastet zu lassen, offenbar sehr kurzfristig gefällt worden war. Denn während Schacht in seinem Kieler Vortrag bereits beteuerte, an eine Beschränkung des Geschäftsbereichs der Sparkassen sei nicht gedacht, arbeitete die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank noch einen weiteren Entwurf eines Reichssparkasssengesetzes aus, der auf den vorangegangenen Entwürfen vom Oktober und November 1933 aufbaute. Dieser Entwurf, der erst i m März 1934 fertiggestellt wurde, 2 4 1 sah weiterhin erhebliche Beschränkungen der bankmäßigen Betätigung der Sparkassen vor und stand damit eindeutig i m Widerspruch zu der Rede Schachts. Zusammenfassend betrachtet, stand die Ankündigung Schachts in seinem Kieler Vortrag, daß der Untersuchungsausschuß keine Beschneidungen der Sparkassengeschäfte beabsichtige, in krassem Widerspruch zu den bis dahin verfolgten Plänen der Reichsbank und Schachts. Dies überrascht um so mehr, als sich der Untersuchungsausschuß in den anderen grundsätzlichen Fragen zur Gestaltung des Kreditwesens - bezüglich der Verstaatlichung der Banken und der Schaffung von Regionalbanken - stets den Empfehlungen der Reichsbank angeschlossen hatte. Jedoch genossen die Sparkassen das besondere Vertrauen der Nationalsozialisten und besaßen in der Akademie für Deutsches Recht einen wichtigen Fürsprecher. Daher war die Beschränkung ihres Geschäftsbereiches zu Gunsten der Privatbanken, denen die Nationalsozialisten eher feindlich gesonnen waren, offenbar politisch nicht durchsetzbar. Schacht konnte sich folglich mit seiner Haltung nicht durchsetzen und kündigte somit am 26. Januar 1934 an, daß der Untersuchungs240 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 61/406, S. 15 f. 241 „Vorläufiger Entwurf eines Reichsgesetzes über das Sparkassenwesen" vom März 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /699, S. 49ff.
C. Das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen
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ausschuß der Reichsregierung vorschlagen werde, das Sparkassenwesen grundsätzlich unangetastet zu lassen.
3. Die endgültige Entscheidung des Untersuchungsausschusses Nach der Kieler Rede Schachts hatte sich bereits eindeutig abgezeichnet, daß die Privatbanken mit ihrem Vorhaben gescheitert waren, die Sparkassen aus der „bankmäßigen Betätigung" und vor allem aus dem kurzfristigen Kreditgeschäft zu verdrängen. Gleichwohl unternahmen sie einem letzten Versuch, um ihre Forderungen durchzusetzen. A u f der Sitzung des Großen Ausschusses des Centraiverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes am 22. Februar 1934 erstattete Staatsrat Reinhart (Commerz- und Privatbank) ein grundsätzliches Referat über „Das Bankgewerbe i m heutigen Staat". 2 4 2 Darin verurteilte er noch einmal das Eindringen der Sparkassen in die traditionellen Geschäftsfelder der Privatbanken und forderte „eine reinliche Scheidung der verschiedenen Aufgabenkreise der einzelnen Zweige der Geldinstitute". 2 4 3 Dieser letzte Vorstoß des Central Verbandes blieb jedoch erfolglos. A u f der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 zur Besprechung des K W G - E 1 bestätigte sich, daß der Ausschuß, wie bereits von Schacht angekündigt, nicht mehr an eine Trennung der Geschäftsbereiche von Banken und Sparkassen dachte. Zwar stand zu diesem Zeitpunkt noch der Entwurf eines Reichssparkassengesetzes vom März 1934 aus, so daß dementsprechend der K W G - E 1 keine Geltung für die Sparkassen beanspruchte. 244 Diese getrennte Behandlung von Banken und Sparkassen in zwei verschiedenen Entwürfen sollte aber, so Schacht, lediglich „taktischen Erwägungen" dienen. Später sei es möglich, beide Entwürfe in einem einzigen Gesetz über das Kreditwesen zu vereinigen. 2 4 5 I m weiteren Verlauf der Debatte bekräftigte Schacht noch einmal, daß eine Beschränkung des Kreditgeschäfts der Sparkassen nicht beabsichtigt s e i . 2 4 6 In der Sitzung vom 27. Februar 1934 wurde somit endgültig über die zukünftige Stellung der Banken und Sparkassen i m Rahmen des Kreditwesens entschieden. Der Untersuchungsausschuß beschloß, von einer Trennung der Geschäftsbereiche zwischen Banken und Sparkassen Abstand zu nehmen. Er nahm damit von den Plänen Abstand, die eine Wiederherstellung der „Arbeitsteilung" i m Kreditwesen 242 Abgedruckt in: Bank 1933/34, S. 238 ff. 243 Reinhart, Das Bankgewerbe im heutigen Staat, S. 244. 244 Dementsprechend trug der KWG-E 1, anders als die späteren Entwürfe, den Titel „Entwurf eines Bankge setzes". 245 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 274. Diese Vereinigung war bereits im KWG-E 2 vollzogen. 246 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 284.
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Teil 3: Die Lösung grundsätzlicher Probleme
zum Ziel hatten und erkannte die Entwicklung der Sparkassen zu Universalbanken an, die sie seit dem Ende des Ersten Weltkrieges durchlaufen hatten. 2 4 7
IV. Resümee Die Entscheidung des Untersuchungsausschusses setzte den Schlußpunkt unter einen Konflikt, den die Sparkassen und die Privatbanken seit dem Ende des Ersten Weltkrieges praktisch ununterbrochen ausgetragen hatten. M i t der Anerkennung der gewandelten Stellung der Sparkassen und der Zurückweisung der Forderungen der Privatbanken gingen die Sparkassen als Sieger aus diesem Konflikt hervor. Das Zustandekommen der Entscheidung des Untersuchungsausschusses zeigt in besonders deutlicher Weise, wie mitunter i m Rahmen der Bankenreform die Interessen der Reichsbank und der Nationalsozialisten aufeinander prallten. So plante die Reichsbank, die Entwicklung der Sparkassen zu Universalbanken umzukehren und sie wieder auf ihr ursprüngliches Spargeschäft zu beschränken. Die Nationalsozialisten dagegen, die in der Sparkassenorganisation am ehesten ihre Wirtschaftsideologie verwirklicht sahen, waren nicht bereit, diesen Bedeutungsverlust der Sparkassen hinzunehmen. Sie wandten sich gegen die Pläne der Reichsbank und schafften es, ihre Auffassung innerhalb des Untersuchungsausschusses durchzusetzen. Die Entscheidung des Ausschusses zur Sparkassenfrage mußte daher die nationalsozialistischen Ideologen mit Genugtuung erfüllen, nachdem sie in der Frage der Verstaatlichung des Bankwesens und der Schaffung von Regionalbanken enttäuscht worden waren. Mag die Entscheidung, den Sparkassen ihre „bankmäßige Betätigung" zu belassen, somit eher auf politische als auf gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte zurückzuführen sein, so hat sie sich rückblickend betrachtet dennoch als richtig erwiesen. Denn die Entwicklung der Sparkassen zu Universalbanken war in erster Linie nicht auf ihren Ausdehnungsdrang, sondern auf den Strukturwandel des Kreditwesens nach dem Ersten Weltkrieg zurückzuführen. Die gesetzlich erzwungene Reduzierung der Sparkassen auf ihren historischen Aufgabenbereich hätte demnach die geänderten Verhältnisse i m deutschen Kreditwesen ignoriert und damit wahrscheinlich zu weitreichenden volkswirtschaftlichen Störungen geführt.
247 Das ursprüngliche Ziel der Reichsbank, durch eine Trennung der Geschäftsbereiche zwischen Banken und Sparkassen Geld- und Kapitalmarkt voneinander zu trennen und damit zur Stärkung des Kapitalmarktes beizutragen, verlor der Untersuchungsausschuß dabei nicht aus den Augen. Diesem Ziel trug er mit den Vorschriften über den Sparverkehr gem. §§22 ff. KWG Rechnung. Im Einzelnen dazu s. u., Teil 4, H.
D. Zusammenfassung
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D. Zusammenfassung Bevor der Untersuchungsausschuß die Arbeiten an der detaillierten Ausarbeitung des K W G aufnahm, hatte er mit den Entscheidungen zur Verstaatlichung des Bankwesens, zur Schaffung von Regionalbanken und zum Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen die wichtigsten grundsätzlichen Fragen des deutschen Kreditwesens zu beantworten. Erst mit der Beantwortung dieser Fragen hatte er das Fundament geschaffen, auf dem das spätere K W G aufbauen konnte. Letztlich setzte der Untersuchungsausschuß keine der verschiedenen Forderungen um, die auf einen grundlegenden Umbau der Bankenlandschaft hinausliefen. Weder schloß er sich den Plänen zur Verstaatlichung des Bankwesens, noch der Regionalbankenidee noch den Forderungen nach einer Trennung der Geschäftsbereiche von Banken und Sparkassen an. Damit stellte er sich vor allem den Plänen vieler Nationalsozialisten entgegen, die die Verstaatlichung zumindest der Großbanken sowie ihre Zerschlagung und Aufteilung in Regionalbanken anstrebten. Der Untersuchungsausschuß ließ somit die grundlegende Struktur des deutschen Kreditwesens unangetastet 248 und erkannte damit zugleich die historischen Leistungen der Kreditinstitute an. In seinem Schlußbericht stellte er ausdrücklich fest, „daß in der Struktur des deutschen Kreditwesens organische Fehler nicht vorhanden s i n d " . 2 4 9 Der Ausschuß folgte damit einem Trend, der auch in den anderen Ländern zu beobachten war, die sich etwa zur gleichen Zeit zur Einführung einer Bankenaufsicht entschlossen hatten. 2 5 0 Es ging ihm nicht darum, die Mißstände der Vergangenheit durch einen kompletten Neubau des Kreditsystems zu beheben. Vielmehr sollte die Stabilität und Leistungsfähigkeit der Kreditinstitute durch die Etablierung einer staatlichen Aufsicht erhöht werden, die sich möglichst harmonisch in die hergebrachte Struktur des Kreditwesens einfügte.
248 So auch James, in: Die Deutsche Bank 1870- 1995, S. 324. 249 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 12. 250 Vgl. Meilinger, Die Bank 1934, S. 311. 13 Müller
Teil 4
Die Entstehung der einzelnen Vorschriften des K W G A. Geltungsbereich, §§ 1,2 KWG Die §§ 1, 2 K W G schufen die Basis, auf der die einzelnen Regelungen des Gesetzes aufbauten. § 1 K W G bestimmte, welche Geschäfte eine bankgeschäftliche Tätigkeit ausmachten und legte damit fest, welche Unternehmen überhaupt unter den Geltungsbereich des K W G fielen, während § 2 K W G die Ausnahmen von diesem Geltungsbereich enthielt.
I. Kreis der erfaßten Institute, § 1 KWG 1. Das Erfordernis einer umfassenden Regelung Die bis 1931 in Deutschland bestehende Aufsicht über das Kreditwesen war lückenhaft und sparte die wichtigsten Zweige der Kreditwirtschaft komplett aus. Erst 1931 wurde mit dem Erlaß der Notverordnung vom 19. September 1931 eine allgemeine Bankenaufsicht eingeführt, die auch die Privatbanken erfaßte. 1 Aber auch diese Verordnung begründete keine umfassende Aufsicht, denn sie beanspruchte für bedeutende Zweige des Kreditwesens keine Geltung. Sowohl die Sparkassen als auch die Hypothekenbanken waren dem Kuratorium und dem Reichskommissar für das Bankgewerbe nicht unterworfen. 2 Damit war eine einheitliche Beaufsichtigung aller Kreditinstitute von einer zentralen Stelle aus nicht möglich. Das Kuratorium und der Reichskommissar für das Bankgewerbe konnten keine gesamtwirtschaftlich wirksamen Maßnahmen ergreifen, da ihre Befugnisse sich auf weite Teile des Kreditwesens nicht erstreckten. Diesem Mangel sollte das K W G abhelfen. Es war das erklärte Ziel des Gesetzgebers, eine für das gesamte Kreditwesen geltende Aufsicht zu schaffen, um die Möglichkeit zu erhalten, dieses in seiner Gesamtheit zu erfassen und nach einheit1 s.o., Teil 1,C.,IV., 1. 2 s.o., Teil 1,C.,IV., 1., b), (3).
Α. Geltungsbereich, §§1,2 KWG
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liehen, volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beaufsichtigen. 3 Ein derart umfassender Geltungsbereich der mit dem K W G zu schaffenden Aufsicht war angesichts der vielfältigen und weitgehenden Vorgaben, die das Gesetz den Kreditinstituten für ihre Geschäftsführung machte, 4 unumgänglich, um zwischen den Kreditinstituten einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Der Gesetzgeber stand somit vor der Aufgabe, einerseits den Kreis der vom K W G erfaßten Institute so weit wie möglich zu ziehen, andererseits jedoch Unsicherheiten bei der Klärung der Frage, welche Unternehmen i m Einzelfall vom K W G erfaßt wurden, weitgehend zu vermeiden. Gerade der letztgenannte Aspekt war problematisch, da eine exakte Definition des Begriffs „Bank" oder ähnlicher Begriffe nicht existierte. Denn die Tätigkeiten einer Bank i m Sinne der Verkehrsanschauung waren zu komplex und zu raschen Wandlungen unterworfen, um den Begriff der „Bank" in einer exakten und abschließenden Definition erfassen zu können, ohne Gefahr zu laufen, einen allzu weiten und inhaltsleeren Bankbegriff zu prägen. Es mußte also eine Regelung gefunden werden, mit der einerseits das gesamte Kreditwesen erfaßt, andererseits aber eine Rechtslage geschaffen wurde, die präzise genug war, um i m Einzelfall nachvollziehbar bestimmen zu können, welche Unternehmen dem K W G unterfielen.
2. Die Entstehung des § 1 KWG § 1 K W G - E 1 suchte das Problem zu lösen, den Kreis der erfaßten Institute möglichst weit zu ziehen und gleichzeitig eine zu allgemeine und unklare Umschreibung der Bezeichnung „Bank" zu vermeiden. Zu diesem Zweck sah § 1 K W G - E 1 davon ab, einen allgemeingültigen Bankbegriff abstrakt zu formulieren, sondern führte die Arten von Geschäften auf, die Unternehmen zu einer Bank i m Sinne des Gesetzes machten. Gemäß § 1 Abs. 1 K W G - E 1 waren „Banken i m Sinne dieses Gesetzes ( . . . ) alle Unternehmen ( . . . ) , die gewerbsmäßig oder in Ausführung der ihnen gestellten Aufgaben eines der Geschäfte folgender Art betreiben: a) die Annahme von verzinslichen oder unverzinslichen fremden Geldern, insbesondere von Depositen oder von Spargeldern; b) das Kontokorrentgeschäft sowie die Empfangnahme und Leistung von Zahlungen für Dritte einschließlich des Giro- und Scheckverkehrs; c) die Hergabe des Akzeptes sowie die Übernahme von Garantien für Dritte; d) die Einräumung von Krediten jeder Art einschließlich der Diskontierung von Wechseln und Schecks; 3 Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 145. Müller war als Vertreter der Reichsbank bei den Besprechungen im RWM anwesend und begleitete somit das gesamte Gesetzgebungsverfahren. 4 Dazu zählen insbesondere die §§ 11 ff. KWG, s. u., Teil 4, F.
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e) den An- und Verkauf von Devisen; f) den kommissionsweisen An- und Verkauf von Wertpapieren, die Übernahme des Einzuges von solchen sowie von Wechseln, Schecks und anderen Geldurkunden; g) die Annahme und Verwaltung offener und verschlossener Depots und die Vermietung von Schrankfächern. Darüber hinaus beinhaltete § 1 Abs. 3 K W G - E 1 die Ermächtigung des Reichskommissars, i m Zweifelsfall und für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend darüber zu entscheiden, „ob ein Unternehmen als Bank i m Sinne diese Gesetzes zu gelten hat". 5 Diese Fassung des § 1 K W G - E 1 enthielt mit dem Verzicht auf eine abstrakte Definition des Bankbegriffs und der Aufzählung der Geschäfte, durch deren Betrieb ein Unternehmen zu einer Bank i m Sinne des K W G wurde, bereits die Grundstruktur der späteren Endfassung in § 1 K W G . Neben einigen Verfeinerungen und redaktionellen Neufassungen 6 wurde § 1 K W G - E 1 daher i m wesentlichen in nur zwei Punkten geändert. 7 Zum einen zog die Endfassung der Vorschrift den Kreis der typischen Bankgeschäfte enger und erhöhte damit ihre Übersichtlichkeit. So beschränkte sich § 1 Abs. 1 a) K W G nicht auf die bloße Annahme von fremden Geldern, sondern zählte zu den typischen Bankgeschäften auch die „Abgabe von Geldbeträgen". Da mit der Aufnahme des Begriffs der „Abgabe" das Aktivgeschäft der Banken umschrieben war, wurde die Aufnahme der „Einräumung von Krediten jeder Art", die in § 1 Abs. 1 d) K W G - E 1 enthalten war, hinfällig und entfiel in der Endfassung des § 1 K W G . 8 Entsprechendes galt für die Führung des Kontokorrentgeschäftes, 5
Aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 war diese Befugnis dem Kuratorium für das Bankgewerbe vorbehalten. Der Gesetzgeber entschloß sich jedoch, diese Aufgabe dem Reichskommissar aufgrund dessen gößerer Nähe zur Praxis zu übertragen, s. Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 89. In der Endfassung des § 1 KWG wurde diese Bestimmung um die Befugnis des Reichskommissars erweitert, „mit Zustimmung der Reichsregierung Ausnahmen für Einzelfälle oder für bestimmte Arten von Geschäften" zuzulassen. 6 So bestimmte § 1 Abs. 2 KWG anders als § 1 KWG-E 1, daß das Gesetz auch für „Girokassen, Giroverbände, Girozentralen und sonstige Einrichtungen, welche dem Abrechnungsverkehr dienen", galt. Diese Erweiterung wurde angesichts der „Schwierigkeiten, im Wege einer präzisen und gesetzestechnisch haltbaren Definition alle Kreditinstitute zu erfassen", vorgenommen, s. Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 297. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 KWG-E 1, wonach „die Postscheckämter, Postämter und Pfandleihanstalten (Lombardhäuser) ( . . . ) nicht als Banken im Sinne dieses Gesetzes" galten, entfiel in der Endfassung des § 1 KWG und fand sich in der Ausnahmebestimmung des § 2 KWG wieder. 7 Da die endgültige Formulierung der Vorschrift viel Detailarbeit erforderte und keine grundsätzlichen Fragen berührte, widmete sich ihr der Untersuchungsausschuß nicht. Die Ausgestaltung lag daher in den Händen der Teilnehmer der Besprechungen im Reichswirtschaftsministerium.
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das § 1 Abs. 1 b) K W G - E 1 noch ausdrücklich erwähnt hatte. Schließlich entfiel auch der „ A n - und Verkauf von Devisen", den § 1 Abs. 1 e) K W G - E 1 noch ausdrücklich aufführte. Diese Änderungen führten dazu, daß § 1 Abs. 1 K W G einen deutlich reduzierten Kreis von Geschäften aufführte. Gemäß § 1 Abs. 1 K W G waren „Bank- und Sparkassengeschäfte ( . . . ) insbesondere solche der nachstehend bezeichneten Art: a) die Annahme und Abgabe von Geldbeträgen ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden oder nicht; b) die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren für andere; c) die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft); d) die Uebernahme von Haftungen und Garantien für Dritte, soweit diese Geschäfte nicht von Versicherungsunternehmen betrieben werden." Zum anderen erfuhr § 1 K W G - E 1 noch eine grundsätzliche Änderung, die dazu führte, daß die Anwendung des K W G auf bestimmte Unternehmen flexibler gehandhabt werden konnte. § 1 K W G - E 1 enthielt eine abschließende Aufzählung aller Geschäfte, durch deren Betrieb ein Unternehmen zu einer Bank i m Sinne des Gesetzes wurde. M i t dieser starren Aufzählung war gerade i m Hinblick auf zukünftige Entwicklungen i m Kreditwesen die Möglichkeit verwehrt, auch solche Unternehmen zu erfassen, die nach der Verkehrsanschauung als Bank anzusehen waren und der Unterstellung unter das K W G bedurften, aber ausnahmsweise keines der aufgeführten Geschäfte betrieben. Eine Anpassung der Bankenaufsicht an ein gewandeltes wirtschaftliches Umfeld wurde damit erschwert. Dieses Problem wurde in der Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 6. März 1934 erkannt. Die Besprechungsteilnehmer kritisierten die abschließende Aufzählung der üblichen Bankgeschäfte in § 1 Abs. 1 K W G - E 1 und schlugen statt dessen vor, „nur die wichtigsten Gruppen, nämlich das Depositen-, das Depotgeschäft und das Effektenkommissionsgeschäft aufzustellen und i m übrigen eine Bestimmung vorzusehen, die es gestattet, weitere i m Bankgewerbe übliche Geschäfte dem § 1 zu unterstellen." 9 Dementsprechend war die Endfassung des § 1 K W G flexibler gefaßt. Als Grundregel galt gem. § 1 Abs. 1 S. 1 K W G , daß „den Vorschriften dieses Gesetzes ( . . . ) alle Unternehmungen [unterliegen], die Bank- oder Sparkassengeschäfte i m Inland betreiben (Kreditinstitute)". Die Aufzählung dieser Geschäfte unter § 1 Abs. 1 S. 2 a) bis d) K W G war - wie der Begriff „insbesondere" deutlich machte - anders als noch in § 1 Abs. 1 K W G - E 1 nicht mehr abschließend zu verstehen, sondern stellte eine beispielhafte Aufzählung der wichtigsten Geschäfte dar. Zugleich sah § 1 Abs. 3 K W G die Befugnis der Reichsregierung vor, „andere Arten von Geschäften [zu] bezeichnen, durch 8 Vgl. Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941,S. 114. 9 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S. 240 f.
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deren Betrieb eine Unternehmung Kreditinstitut i m Sinne dieses Gesetzes wird". Damit war die erforderliche Anpassungsfähigkeit des K W G an künftige Entwicklungen i m Kreditwesen sicher gestellt. 1 0
II. Ausnahmen, § 2 KWG Obwohl der Gesetzgeber das Ziel verfolgte, das Kreditwesen in seiner Gesamtheit zu erfassen, sah er in § 2 K W G eine Reihe von Ausnahmen für Kreditinstitute vor, die nicht dem Geltungsbereich des K W G unterfielen. Auffallend an der Entstehung des § 2 K W G ist, daß die Anzahl der Unternehmen, die nicht durch das Gesetz erfaßt wurden, i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens immer kleiner wurde. So stellte § 2 K W G - E 1 eine Ausnahmevorschrift dar, die sich noch eng an den Geltungsbereich der Notverordnung vom 19. September 1931 11 anlehnte und eine Reihe von Ausnahmen vorsah. Demnach sollte das K W G keine Geltung für die Reichsbank, die Deutsche Golddiskontbank und die Privatnotenbanken 12 entfalten. Auch die Hypothekenbanken, die Bausparkassen, die „Wohnungsunternehmungen gemäß Kapitel I I I des Siebenten Teils der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I, S. 5 1 7 ) " 1 3 und die Zwecksparkassen waren ausgenommen. Schließlich sah § 2 K W G - E 1 keine Geltung des K W G für die Sparkassen vor. Diese sollten vielmehr der Aufsicht eines eigenen Sparkassengesetzes unterstehen. Diese Vielzahl von Ausnahmen führte dazu, daß der Anwendungsbereich des Gesetzentwurfes mit der Notverordnung vom 19. September 1931 übereinstimmte. M i t dem Ziel des Gesetzgebers, ein möglichst umfassendes Aufsichtsgesetz zu schaffen, war dies nicht zu vereinbaren. Infolgedessen wurde i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine Reihe der Ausnahmen nicht aufrecht erhalten. Lediglich die vollständige Freistellung der Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank von der Geltung des K W G wurde aufrecht erhalten. Entsprechendes galt für „die deutsche Reichspost und ihre Anstalten", für die die Vorschriften des K W G eben-
10 Vgl. Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 297. 11 s.o., Teil 1,C.,IV, l.,b),(3). ι 2 Zu diesen Instituten s. o., Teil 1, Fn. 4. 13 Diese Unternehmen werden im folgenden als „Wohnungsunternehmungen" bezeichnet. Dabei handelte es sich um Unternehmen, deren Gegenstand gem. § 6, Kap. III, 7. Teil der VO vom 1. Dezember 1930 in dem „Bau und der Verwaltung von Kleinwohnungen im eigenen Namen" zu gemeinnützigen Zwecken bestand. Ihnen war gem. Art. 8 der DVO zu dieser VO vom 20. März 1931 (RGBl. I, S. 73) „die Hereinnahme von Geldern von Mitgliedern, Gesellschaftern und Genossen ( . . . ) " sowie „die Hereinnahme fremder Gelder von Personen, die nicht zu den Unternehmen gehören", gestattet, so daß sie an sich der Geltung des KWG unterfielen.
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falls in keiner Hinsicht galten. 1 4 Alle übrigen Institute unterstanden dagegen jedenfalls teilweise der Geltung des K W G . Die Ausnahme der Reichsbank von der Geltung des K W G beruhte neben ihrer einzigartigen Stellung als Zentralbank auf der Tatsache, daß sie einer eigenen Aufsicht durch das Bankgesetz 15 unterstand. Überdies war sie an der Umsetzung des K W G selbst beteiligt, da das Aufsichtsamt gemäß § 30 Abs. 1 K W G 1 6 bei der Reichsbank errichtet wurde. Da die Deutsche Golddiskontbank eine 100%ige Tochter der Reichsbank war, 1 7 schied auch für sie eine Geltung des K W G aus. 1 8 Die Deutsche Reichspost und ihre Anstalten 1 9 wollte der Gesetzgeber ebenfalls nicht dem K W G unterstellt wissen, „ w e i l sie die Funktionen eines Kreditinstituts i m Sinne dieses Gesetzes nicht haben." 2 0 Maßgebend dafür war offenbar der Gedanke, daß die Reichspost in erster Linie i m bargeldlosen Zahlungsverkehr eine wichtige Rolle spielte, 21 darüber hinaus jedoch keine Bankgeschäfte tätigte. 2 2 Eine besondere Stellung bei der Bestimmung des Geltungsbereiches des K W G nahmen die Wohnungsunternehmen und die Pfandleihhäuser e i n . 2 3 Diese Unternehmen hatten i m allgemeinen kein ausgeprägtes Passivgeschäft aufzuweisen, so daß sie nicht als Kreditinstitute i m eigentlichen Sinne galten. 2 4 Anders als die Reichsbank und die Reichspost wurden die Wohnungsunternehmen und die Pfandleihhäuser jedoch nicht vorbehaltlos von der Geltung des K W G ausgenommen. Vielmehr galten für sie gemäß § 2 Abs. 2 K W G „die Vorschriften dieses Gesetzes insoweit, als sie neben dem ihnen eigentümlichen Geschäftsbetrieb Geschäfte der i m § 1 bezeichneten Art betreiben". 2 5 Damit war gewährleistet, daß auch die Wohnungsunternehmen und Pfandleihhäuser unter der Aufsicht des K W G standen, sobald sie wie Kreditinstitute am Markt auftraten. 14
Die Ausnahme der Reichspost von der Geltung des KWG war im KWG-E 1 noch § 1 Abs. 2 vorgesehen. Später wurde sie in gesetzessystematisch korrekter Weise in § 2 KWG eingefügt. 15 s. o., Teil 1, C., II., 1; Teil 2, Α., I., 2. 16 s. u., Teil 4, J., I., 2. 17 s.o., Teil l,B.,I.,2.,b). is Fischen KWG-Kommentar, S. 52. ι 9 Gemeint waren die Postämter und Postscheckämter. 20 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 90. 21 s. u., Teil 4,1., 1. 22 Vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 52. Erst mit der Gründung der Postsparkasse im Jahr 1938 (Erlaß vom 26. August 1938, RGBl. I, S. 1961) begann die Reichspost, sich auf dem Gebiet des Kreditwesens zu betätigen. Vgl. Schlegelberger-Hoche, S. 371. 23 Auch für die „Pfandleihanstalten" war die Ausnahme von der Geltung des KWG ursprünglich in § 1 Abs. 2 KWG-E 1 vorgesehen, wurde später jedoch in § 2 KWG eingefügt. 24 Fischer, KWG-Kommentar, S. 52. 25 Diese Einschränkung galt gem. § 2 Abs. 2 KWG-E 2 zunächst auch für die Reichspost, wurde aber bereits im § 2 Abs. 2 KWG-E 3 aufgegeben. Sie beruhte offenbar auf einem Redaktionsversehen.
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Insgesamt gesehen nahm § 2 K W G somit nur die Reichsbank, die Deutsche Golddiskontbank und die Reichspost vorbehaltlos von der Geltung des K W G aus, während die Wohnungsunternehmen und Pfandleihhäuser zwar grundsätzlich von den Regelungen des K W G ausgeschlossen waren, ihnen aber unterfielen, sobald sie Bank- oder Sparkassengeschäfte i m Sinne des § 1 K W G betrieben. Darüber hinaus wurden sämtliche Ausnahmen, die § 2 K W G - E 1 für einzelne Institutsgruppen noch vorgesehen hatte, in der Endfassung des § 2 K W G fallengelassen. So wurden die Hypothekenbanken, für die bereits eine Aufsicht durch das Hypothekenbankgesetz gegeben war, 2 6 zusätzlich der Aufsicht durch das K W G unterstellt. Dies entsprach der Grundtendenz des Gesetzes, das für das gesamte Kreditwesen gelten sollte, 2 7 zumal sich die Hypothekenbanken in der Vergangenheit bereits freiwillig unter die Aufsicht des Reichskommissars gestellt hatten. 2 8 Auch die Sonderstellung der Privatnotenbanken, auf die gemäß § 2 K W G - E 1 das Gesetz keine Anwendung finden sollte, wurde in § 2 K W G nicht länger aufrecht erhalten. Ihre Recht zur Notenemission hatte ihnen bisher eine Ausnahmestellung innerhalb des Kreditwesens zugewiesen. Dieses Notenprivileg, das in der Vergangenheit immer weiter beschränkt wurde, sollte ihnen Ende 1935 schließlich ganz genommen werden, so daß sie sich nach diesem Zeitpunkt von anderen Kreditinstituten nicht mehr grundsätzlich unterschieden. Wie alle anderen Kreditinstitute wurden auch sie daher dem K W G unterstellt. 29 Die wichtigste Änderung des § 2 K W G gegenüber § 2 K W G - E 1 bestand schließlich darin, daß die Sparkassen von der Geltung des Gesetzes nicht mehr ausgenommen wurden. Ihre Unterstellung unter das K W G war die Konsequenz aus der Entscheidung des Untersuchungsausschusses, ihren Geschäftsbereich unangetastet zu lassen und damit zu akzeptieren, daß sie in grundsätzlich gleicher Weise wie die anderen Kreditinstitute am Markt auftraten. 30 Da mit dieser Entscheidung zugleich der Plan fallengelassen wurde, ein eigenes Sparkassengesetz zu schaffen, ergab sich ihre Einbeziehung in den Geltungsbereich des K W G „aus dem umfassenden Charakter des ( . . . ) Gesetzes, das für das gesamte Kreditwesen Geltung erlangen" sollte. 3 1 A l l diese Änderungen bewirkten eine erheblich andere Rechtslage, als sie noch aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 bestanden hatte und gemäß § 2 K W G - E 1 vorgesehen war. Anders als früher wurden nunmehr auch die Privatnotenbanken, die Hypothekenbanken und vor allem die wichtige Gruppe der Sparkassen von der Geltung des K W G erfaßt. Die entsprechenden Änderungen des § 2 K W G - E 1 wurden in einem sehr frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens 26 s.o., Teil 1, C., II., 3. 27 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 90. 28 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 298. 29 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 90. 30 s. o., Teil 3, C., III., 3. 31 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 298.
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beschlossen und fanden bereits in § 2 K W G - E 2 ihren Niederschlag. Insoweit wurde § 2 K W G - E 2 bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr grundsätzlich geändert. 32 Schwierigkeiten bereitete jedoch die Frage, ob auch die Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen 33 der Geltung des K W G unterfallen sollten. § 2 K W G E 1 sah vor, diese Unternehmungen von der Geltung des K W G auszunehmen. Auch die späteren Entwürfe unterstellten sie der Geltung des K W G grundsätzlich nicht, sahen aber - ebenso wie bei den Wohnungsunternehmen und Pfandleihanstalten - vor, daß das K W G für solche Geschäfte galt, die dem § 1 K W G entsprachen. Widerstand gegen die für diese Institute vorgesehene Aufnahme regte sich jedoch in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 4. Oktober 1934. Hier regte Keppler an, anders als in § 2 Abs. 1 d) und f) K W G - E 4 vorgesehen, auch die Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen der Aufsicht durch das K W G zu unterstellen. 34 Schacht begründete ihre Herausnahme aus dem Geltungsbereich des K W G damit, daß „sie hinsichtlich ihrer Anlage von vornherein unter einem bestimmten Anlagezwang ständen und daher die Tendenz des Gesetzes bei ihnen schon verwirklicht sei." Überdies argumentierte er, daß diese Unternehmen bereits einer gesetzlichen Aufsicht 3 5 unterlägen. 36 Schacht hatte daher Bedenken, die bestehenden Aufsichtsinstanzen abzuschaffen und ihre Aufgaben dem Reichskommissar zu übertragen. 37 Gleichwohl beharrte Keppler auf seinem Standpunkt. Er wies auf die früher aufgetretenen Mißstände bei den Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen hin und regte die Einschaltung des Aufsichtsamtes für alle Fragen an, die nicht lediglich versicherungstechnischer Art seien. 38 Schließlich schlug Reichskommissar Ernst vermittelnd vor, die Aufsicht zwischen den bestehenden Instanzen aufzuteilen. So sollten versicherungstechnische Angelegenheiten nicht der Bankenaufsicht unterstellt werden. Er konnte sich aber vorstellen, 32
Die erfolgten Änderungen waren redaktioneller Art. So wurden etwa die Begriffe „Postscheckämter" und „Postämter" gem. § 2 f.) KWG-E 2 durch die Formulierung „die Deutsche Reichspost und ihre Anstalten" ersetzt. Diese Änderung wurde auf der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 beschlossen. S. die Auflistung der beschlossenen Änderungen in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 229. 33 s. o., Teil 2, Α., I., 1. 34 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 145. 35 Für die Bausparkassen galt das „Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931" (RGBl. I, S. 315), während die Zwecksparunternehmungen dem „Gesetz über Zwecksparunternehmungen vom 17. Mai 1933" (RGBl. I, S. 269) unterlagen. Zu letzterem Teil 2, Α., I., 1. 36 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 145. 37 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 146. 38 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 146.
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„für gewisse Geschäfte, z. B. Neuzulassung und vorübergehende Anlage von Beträgen 4 ' 3 9 den Reichskommissar einzuschalten. Andererseits wollte er andere Vorschriften des K W G , etwa über die Liquidität und die Publizität, in keinem Fall auf die Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen angewandt wissen. 4 0 Eine Einigung in der Frage der Behandlung dieser Unternehmen kam in der Sitzung vom 4. Oktober 1934 nicht mehr zustande. Das Problem wurde jedoch schließlich mit § 52 K W G durch die Einführung einer Sondervorschrift i m Sinne des Vorschlages von Ernst gelöst. § 52 K W G sah vor, daß das Aufsichtsamt i m Hinblick auf die Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen „die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes ausschließen" konnte. I m Gegenzug wurde die entsprechende Ausnahmebestimmung in § 2 K W G - E 4 fallengelassen, so daß diese Unternehmen damit grundsätzlich dem K W G unterstanden. 41 Letztendlich nahm § 2 K W G somit nur noch sehr wenige Institute von der Geltung des K W G aus. Lediglich die Reichsbank, die Deutsche Golddiskontbank und die Reichspost und ihre Anstalten waren in keiner Hinsicht den Vorschriften des K W G unterworfen. Darüber hinaus waren auch die Wohnungsbauunternehmen und die Pfandleihhäuser grundsätzlich nicht den Vorschriften des K W G unterworfen, unterlagen der Aufsicht aber insoweit, als sie neben ihren Kerngeschäften auch Geschäfte i m Sinne des § 1 K W G betrieben. Für die Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen schließlich galt eine genau umgekehrte Regelung. Sie unterstanden grundsätzlich der Geltung des K W G , jedoch konnten sie von der Beachtung einzelner Vorschriften des Gesetzes freigestellt werden.
I I I . Resümee M i t der Umschreibung des Geltungsbereiches des K W G in §§ 1 , 2 K W G hatte der Gesetzgeber die von ihm angestrebten Ziele in optimaler Weise verwirklicht. Einerseits war in § 1 K W G der Kreis der vom Gesetz erfaßten Kreditinstitute weit gespannt und die Anzahl der von der Geltung des Gesetzes ausgenommenen Institute in § 2 K W G gering gehalten. Damit war eine einheitliche Beeinflussung und Beaufsichtigung des gesamten Kreditwesens nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten von einer zentralen Stelle aus möglich. Andererseits hatte er es vermieden, einen allzu abstrakten und wenig aussagefähigen allgemeinen Bankbegriff zu definieren. Vielmehr erlaubte es die beispielhafte Aufzählung der wichtigsten Bank39 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 146. 40 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 146. 41 Diese Lösung wurde während der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 erarbeitet. S. die Auflistung der beschlossenen Änderungen in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/ 13683, S. 229,235.
Β. Einführung eines Konzessionssystems, §§ 3 bis 7 KWG
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und Sparkassengeschäfte in § 1 Abs. 1 K W G , i m Einzelfall relativ einfach festzustellen, ob ein Unternehmen dem K W G unterfiel. Gleichzeitig war durch die Möglichkeit der Reichsregierung, weitere Bank- und Sparkassengeschäfte i m Sinne des § 1 Abs. 1 K W G zu bestimmen, die erforderliche Flexibilität des Gesetzes gewährleistet.
B. Einführung eines Konzessionssystems, §§ 3 bis 7 KWG Bis 1920 bestand für das Bankwesen in Deutschland grundsätzlich Gewerbefreiheit, d. h. jedermann konnte ein Bankgeschäft eröffnen oder führen, ohne bestimmte Voraussetzungen erfüllen zu müssen. Erst ab 1920 wurde diese sogenannte Bankfreiheit durch die Kapitalfluchtgesetzgebung eingeschränkt. M i t Erlaß des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte vom 26. Juni 1925 wurde schließlich ein allgemeines Konzessionssystem i m Kreditwesen eingeführt, so daß jedermann, der Bankgeschäfte führen wollte, dafür eine staatliche Erlaubnis brauchte. Diese Erlaubnis war von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig und konnte dem Inhaber wieder entzogen werden. 4 2 Sinn dieses Konzessionssystems war es in erster Linie, die Bankenkundschaft vor unseriösen und unerfahrenen Bankleitern zu schützen. Daneben sollte die Konzessionspflicht auch der Übersetzung i m Kreditwesen entgegen wirken 4 3 Beide Ziele wurden durch das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte nicht erreicht, so daß es am 31. Dezember 1929 wieder auslief. 4 4 Seit diesem Zeitpunkt bestand in Deutschland grundsätzlich wieder die Bankfreiheit. Bereits Anfang der 30er Jahre wurde jedoch der Gedanke eines allgemeinen Konzessionssystems i m Kreditwesen wieder aufgenommen. Dies überrascht angesichts der Tatsache, daß das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte erst wenige Jahre zuvor außer Kraft getreten war. Innerhalb dieser Zeit hatte sich jedoch das wirtschaftliche und politische Umfeld vollkommen geändert. So hatte die Bankenkrise das Erfordernis einer umfassenden Bankenaufsicht aufgezeigt, und die „Machtergreifung" durch die Nationalsozialisten tat ein Übriges, um dem Gedanken einer stärkeren Kontrolle der Banken durch den Staat durch die Einführung eines Konzessionssystems neuen Nachdruck zu verleihen. Vor diesem Hintergrund wurde erneut die Einführung einer Konzessionspflicht i m Kreditwesen gefordert. Gerade i m Hinblick auf die Kapitalarmut der deutschen Wirtschaft wurde verlangt, bei Neugründungen von Kreditinstituten oder Filialen i m Einzelfall „das Bedürfnis zur Neugründung auf Grund der besonderen Wirt42 s.o., Teil l,C.,II.,4.,b). « s.o., Teil l,C.,II.,4.,b). 44 s.o., Teil l,C.,II.,4.,b).
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
schaftslage des Wirkungsbezirks nachzuprüfen" um „wilde Neubildungen" zu vermeiden, durch die größere wirtschaftliche Verluste entstünden. 45 Überdies bestand in allen Ländern, die in der Vergangenheit bereits eine Bankenaufsicht eingeführt hatten, ein Konzessionssystem, 46 was die Forderungen nach dem Erlaß entsprechender Bestimmungen auch in Deutschland gefördert haben mag. Beim Gesetzgeber selbst fielen diese Forderungen auf fruchtbaren Boden. In einem Memorandum vom 5. Juni 1933 stellte die Reichsbank fest, daß „durch die Einführung des Konzessionszwanges für die Errichtung inländischer Kreditinstitute aller Art ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Form sowie für die Gründung von Filialen bestehender inländischer und ausländischer Kreditinstitute ( . . . ) die Zunahme der Übersetzung des Bankgewerbes abgebremst werden" kann. Sie kam daher zu dem Schluß, daß „die Einführung des Konzessionszwanges für die Errichtung neuer Kreditinstitute ( . . . ) notwendig" sei. 4 7 In ähnlicher Weise äußerte sich Schacht auf seinem Kieler Vortrag vom 26. Januar 1934. Zu den Aufgaben der Bankenaufsicht zählte er „ i n erster Linie die Zulassung zur Eröffnung eines Bankunternehmens überhaupt. Die Eröffnung eines Privatbankgeschäftes, die Errichtung einer neuen Bank in Gesellschaftsform setzen gewisse Mindestforderungen voraus, auf deren Erfüllung staatlicherseits geachtet werden sollte." Schacht begründete seine Ausführungen, indem er darauf hinwies, daß die „Übersetzung i m deutschen Bankwesen ( . . . ) durch die bisherige völlige Ungebundenheit auf dem genannten Gebiet so bedenklich geworden [ist], daß eine Einflußnahme des Staates hier kaum entbehrt werden k a n n . " 4 8 Der Gesetzgeber war somit fest zur Einführung eines Konzessionssystems entschlossen. Da er dabei bereits bestehende Regeln zum Vorbild nehmen konnte und bei der Einführung keine ausgesprochen banktechnischen Probleme zu berücksichtigen waren, verzichtete der Untersuchungsausschuß darauf, die Schaffung entsprechender Vorschriften i m Rahmen der Bankenenquete zur Debatte zu stellen. Auffällig ist, daß bei der Diskussion um die Bankenkonzession ein anderer Blickwinkel eingenommen wurde als in den 20er Jahren. Stand seinerzeit der Schutz des Publikums vor unseriösen Anbietern von Bankdienstleistungen i m Vordergrund, so wurde nunmehr in der Einführung einer Genehmigungspflicht für Kreditinstitute in erster Linie ein Mittel zur Verringerung der Übersetzung i m Kreditwesen gesehen. Dementsprechend diente auch die Verordnung über eine Gründungssperre für Kreditinstitute vom 4. September 1934, die i m Hinblick auf die bevorstehende Einführung eines Konzessionssystems i m K W G erlassen wurde, dazu, dieser Übersetzung entgegen zu steuern. 49 Diese Verordnung stellte jedoch nur 45 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 42. 46 Riderer, Sparkasse 1933, S. 186. 47
Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6910, S. 379. 48 Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 29. 49 Hain, Der deutsche Volkswirt 1934, S. 2232.
Β. Einführung eines Konzessionssystems, §§ 3 bis 7 KWG
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eine Überbrückungsmaßnahme dar. Die endgültige Regelung der Bankenkonzession erfolgte erst durch die §§ 3 ff. K W G . Sie führten dazu, daß zum Betrieb von Bank- oder Sparkassengeschäften eine entsprechende Erlaubnis des Reichskommissars erforderlich war.
I. Erteilung der Erlaubnis, §§ 3,4 KWG § 3 K W G regelte, für welche Fälle der bankgeschäftlichen Betätigung eine Erlaubnis erforderlich war, während § 4 K W G die Voraussetzungen nannte, bei deren Vorliegen die Erteilung der Erlaubnis zu versagen war.
1. Die Entstehung des § 3 KWG § 3 Abs. 1 K W G - E 1 stellte als Grundregel fest, daß Banken „zum Betriebe ihres Geschäfts der Zulassung durch den Reichskommissar für das Bankgewerbe" bedurften. Diese Zulassung war gem. § 3 Abs. 2 K W G - E 1 „auch erforderlich für den Betrieb von in- und ausländischen Zweigniederlassungen jeder Art einschließlich der Agenturen". § 3 Abs. 3 K W G - E 1 ordnete an, daß neben Neugründungen auch Bankenfusionen der „Genehmigung durch den Reichskommissar" bedurften. Schließlich stellte § 3 Abs. 6 K W G - E l 5 0 fest, daß die Banken, die beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestanden, als zugelassen galten. Allerdings war vorgesehen, daß diese fingierte Zulassung innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten seit dem Inkrafttreten ohne die Bindung an bestimmte Voraussetzungen widerrufen werden konnte. Die Teilnehmer der Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium 51 waren übereinstimmend der Auffassung, daß die Einführung eines Konzessionssystems erforderlich sei. 5 2 Dementsprechend erfuhr der Grundsatz des § 3 K W G - E 1, daß die Aufnahme von Bankgeschäften der staatlichen Erlaubnis bedurfte, i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nur in Details Änderungen. So wurde der Begriff der „Zulassung" in § 3 Abs. 1 K W G - E 1 durch den Begriff der „Erlaubnis" in § 3 Abs. 1 K W G ersetzt. Darüber hinaus erfuhr die Bestimmung des § 3 Abs. 2 K W G E 1 in der Endfassung eine detailliertere und klarere Regelung. Sie ordnete an, daß 50 § 3 Abs. 4 und 5 KWG enthielt vergleichsweise unbedeutende Verfahrensvorschriften, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens entfielen. So verlangte § 3 Abs. 4 KWG-E 1, daß die zuständige Industrie- und Handelskammer vor einer Genehmigung im Sinne des Abs. 3 gutachterlich zu hören war. § 3 Abs. 5 verlangte von den Banken, vor jeder Eröffnung, Erweiterung oder Fusion ihres Betriebes den entsprechenden Zulassungs- oder Genehmigungsbescheid der Industrie- und Handelskammer im Original vorzulegen. Der Untersuchungsausschuß widmete sich den §§ 3 ff. KWG in seinen Sitzungen nicht. 52 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S. 241.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
inländische Kreditinstitute für die Eröffnung aller Arten von Zweigstellen 5 3 i m Inoder Ausland eine Erlaubnis benötigten und unterwarf überdies auch ausländische Kreditinstitute, die den Betrieb einer Zweigstelle i m Inland beabsichtigten, dem Konzessionszwang. 54 Die übrigen Vorschriften des § 3 K W G - E 1 entfielen i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens oder wurden in andere Abschnitte des Gesetzes eingefügt. Eine Erlaubnis des Reichskommissars für Bankenfusionen war i m späteren K W G nicht mehr vorgesehen, derartige Fusionen waren ihm jedoch gem. § 8 Abs. 1 c) i m Vorfeld anzuzeigen. 55 Die Vorschrift des § 3 Abs. 6 K W G - E 1, betreffend die beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestehen Banken sowie die Befugnis zum Widerruf der Erlaubnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums, fand sich i m K W G bei den Übergangs- und Schlußvorschriften in den § § 5 3 Abs. 1 und 54 Abs. 1 K W G wieder. 5 6 Insgesamt gesehen stellte § 3 damit eine ebenso klare wie umfassende Regelung dar. Aufgrund dieser Vorschrift bedurfte der Betrieb jeglicher „Geschäfte von Kreditinstituten i m Inland" der Erlaubnis des Reichskommissars, unabhängig davon, ob es sich um eine Neugründung oder um die Errichtung von Zweigstellen bereits bestehender Kreditinstitute handelte.
2. Die Entstehung des § 4 KWG § 4 Abs. 1 K W G zählte die Gründe auf, bei deren Vorliegen die Erlaubnis zum Betrieb von Bank- oder Sparkassengeschäften zu versagen war. Darüber hinaus hatte die Vorschrift für das gesamte K W G Bedeutung, da § 4 Abs. 2 K W G den Begriff der „Geschäftsleiter" definierte, an den eine Vielzahl von Vorschriften des K W G anknüpfte. 57 I m ersten KWG-Entwurf führte § 4 Abs. 1 K W G - E 1 in sehr ausführlicher Form die Voraussetzungen auf, unter denen die Erlaubnis zum Betrieb eines Kreditinsti53 § 3 Abs. 2 a) KWG definierte „Zweigstellen" als „Zweigniederlassungen, Depositenkassen, Agenturen, Annahme- und Zahlstellen jeder Art". 54 Angesichts der Umgehungsmöglichkeiten einigte sich die Besprechungsrunde im RWM zunächst darauf, von einer Konzessionspflicht für die Errichtung von Zweigstellen im Ausland abzusehen (Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 241). Später setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, daß es notwendig sei, „diese Pflicht auch für die ausländischen Zweigniederlassungen der heimischen Kreditinstitute ( . . . ) festzulegen" (Begründung zu KWG- E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6946, S. 298), wofür die Kapitalarmut in Deutschland und devisenpolitische Erwägungen maßgeblich gewesen sein dürften (vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 57). Die Konzessionspflicht für die Gründung von Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute im Inland entsprach der geltenden Rechtslage ausländischer Staaten (Fischer, KWG-Kommentar, S. 57). 55 s. u., Teil 4, C. 56 s. u., Teil 4, M. 57 §§ 4 Abs. 1, 6, 8, 12, 14, 15 und 46 verwendeten den Begriff „Geschäftsleiter".
Β. Einführung eines Konzessionssystems, §§ 3 bis 7 KWG
207
tuts oder einer Zweigstelle zu erteilen war. § 4 K W G - E 1 bestimmte, daß „die Zulassung ( . . . ) nur erfolgen" durfte, „ 1 ) wenn die zur verantwortlichen Leitung der Bankunternehmung berufenen ehrbar und fachlich genügend vorgebildet sind und die für das Unternehmen auch sonst erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen besitzen. Diese Voraussetzungen gelten als nicht gegeben, wenn die in Rede stehenden Personen nicht mindestens fünf Jahre, in Ausnahmefällen mindestens drei Jahre, als Inhaber, Mitinhaber, Vorstandsmitglieder oder kaufmännische Angestellte im Bankbetrieb tätig gewesen sind. Vor der Entscheidung soll die Standesvertretung des Bankgewerbes gehört werden. Der Reichskommissar für das Bankgewerbe erläßt die näheren Ausführungsbestimmungen, für die Kreditgenossenschaften kann der Reichskommissar für das Bankgewerbe abweichende Bestimmungen treffen; 2) wenn die Zulassung unter Berücksichtigung der örtlichen und gesamtwirtschaftlichen Bedürfnisse gerechtfertigt erscheint, 3) wenn dem Unternehmen die zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel im Inlande zur Verfügung stehen. Als Mindesthöhe der erforderlichen Mittel, die in voller Höhe eingezahlt sein müssen, gelten: a) Im Falle der Errichtung in der Form der Aktiengesellschaft RM 500.000, b) Im Falle der Errichtung in der Form der Kommanditgesellschaft auf Aktien RM 250.000 c) Im Falle der Errichtung in der Form der Gesellschaft mit beschränkten Haftung RM 500.000 d) Im Falle der Errichtung in der Form der Einzelfirma, offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft RM 50.000. Im Falle der Errichtung in der Form einer eingetragenen Genossenschaft kommen die Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes zur Anwendung; Im Falle der Errichtung in anderer Form bestimmt der Reichskommissar für das Bankgewerbe die Mindesthöhe des einzuzahlenden Eigenkapitals. 4) Wenn die eingereichten Gesellschaftsverträge und Satzungen keinen Grund zur Beanstandung bieten." Damit entsprach § 4 K W G - E 1 weitgehend der entsprechenden Vorschrift des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte, dessen § 5 die Zulassung zum Betrieb von Depot- und Depositengeschäften von der erforderlichen Zuverlässigkeit und fachlichen Vorbildung der Vorstandsmitglieder, dem Vorliegen eines volkswirtschaftlichen Bedürfnisses und dem Vorhandensein der erforderlichen Mittel i m Inland abhängig machte. 5 8 Anders als diese Vorschrift war § 4 K W G - E 1 jedoch viel ausführlicher gefaßt, indem er unter 1) und 3) detailliert und ausführlich beschrieb, unter welchen Bedingungen die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt waren. Diese ausführliche und umständliche Fassung des § 4 K W G - E 1 war es auch, die in der Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium auf Kritik stieß. Die Teil58 s.o., Teil 1, C , II., 4., b).
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
nehmer entschlossen sich, zu Nr. 1) nur den ersten Satz in das K W G zu übernehmen und zu Nr. 3) die detaillierte Bestimmung der jeweiligen Kapitalhöhe sowie die Sonderbestimmungen für Kreditgenossenschaften fallen zu lassen. Die damit obsolet gewordenen Vorschriften sollten in die Durchführungsbestimmungen übernommen werden. 5 9 Darüber hinaus machte Bankenkommissar Ernst angesichts der ihm damit auferlegten Verantwortung Bedenken gegen das Erfordernis der Vorlage der Gesellschaftsverträge und Satzungen gem. § 4 Nr. 4) K W G - E 1 geltend. M i t Rücksicht darauf, daß dem Bankenkommissar diese Unterlagen schon nach der Bestimmung zu 3) zur Kenntnis gelangen würden, beschlossen die Besprechungsteilnehmer, auch dieses Erfordernis zu streichen. 60 Die beschlossenen Änderungen wurden in § 4 Abs. 1 K W G - E 2 eingearbeitet, der damit nur noch drei knapp formulierte Voraussetzungen für die Konzession erhielt und der Endfassung des § 4 Abs. 1 K W G bereits sehr nahe kam. Diese Voraussetzungen - Ehrbarkeit und fachliche Vorbildung, Vorliegen eines örtlichen und gesamtwirtschaftlichen Bedürfnisses, Vorhandensein der erforderlichen Mittel wurden bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr geändert und fanden ihren Niederschlag in § 4 Abs. 1 a) bis c) K W G . Darüber hinaus wurde die Vorschrift vor der Verabschiedung des K W G in einem wesentlichen Punkt neu formuliert. § 4 K W G - E 1 und § 4 Abs. 1 K W G - E 2 machten die Erteilung der Konzession noch vom positiven Vorliegen der aufgezählten Voraussetzungen abhängig. Demgegenüber führte die endgültige Fassung in § 4 Abs. 1 K W G diese Voraussetzungen - negativ formuliert - als Versagenstatbestände auf und bestimmte, daß nur beim Vorliegen dieser Versagenstatbestände „die Erlaubnis ( . . . ) versagt werden" durfte. Diese Neufassung bedingte eine Verbesserung der Rechtsstellung der Bewerber um eine Erlaubnis. Denn während die Erlaubnis nach der Fassung der früheren Entwürfe auch aus anderen Gründen versagt werden konnte, 6 1 durfte die Versagung der Erlaubnis gem. § 4 Abs. 1 K W G lediglich auf einen der ausdrücklich ausgeführten Gründe gestützt werden. Damit sollte die mit der Einführung des Konzessionssystems verknüpfte Einschränkung der Gewerbefreiheit auf das „gegebene Maß" beschränkt werden. 6 2 Schließlich wurde in § 4 Abs. 2 K W G - E 2 der Begriff des „Geschäftsleiters" definiert. Die Vorschrift verstand darunter „die Inhaber, die persönlich haftenden Gesellschafter, die Geschäftsführer oder die Vorstandsmitglieder eines Kreditinsti59 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 242. 60 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 242. 61 So besagte die Begründung zu § 4 Abs. 1 KWG-E 3 ausdrücklich, daß in dem Entwurf „nur die wichtigsten Gründe, die eine Erlaubnis ausschließen, ( . . . ) erwähnt" werden. Damit sollte dem Reichskommissar bei der Erlaubniserteilung „ein gewisser Spielraum offenbleiben" (Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 298). 62 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 91.
Β. Einführung eines Konzessionssystems, §§ 3 bis 7 KWG
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tuts sowie die Leiter von Zweigstellen". In der endgültigen Fassung wurde dieser Personenkreis um „die Sparkassenleiter sowie die Rendanten und Rechner bei Genossenschaften" 63 und um die „Verwaltungsratsmitglieder eines Kreditinstituts, sofern sie die Befugnisse von Vorstandsmitgliedern haben" erweitert. Dagegen zählte das K W G die Zweigstellenleiter nicht mehr zu den Geschäftsleitern i m Sinne des § 4 Abs. 2 K W G , sie wurden jedoch in § 4 Abs. 1 a) K W G ausdrücklich neben diesen genannt.
II. Rücknahme der Erlaubnis und Untersagung des Geschäftsbetriebes, Verfahrensvorschriften, §§ 5 ff. KWG Die §§ 5 ff. K W G enthielten Vorschriften über die Rücknahme der Erlaubnis (§ 5 K W G ) , die Untersagung der Fortführung des Geschäftsbetriebes (§ 6 K W G ) sowie Verfahrens Vorschriften ( § 7 K W G ) . Die Vorschriften entsprachen weitgehend allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen 64 und vervollständigten das mit §§ 3, 4 K W G eingeführte Konzessionssystem. § 5 K W G sah die Rücknahme der Erlaubnis zum Betrieb eines Kreditinstitutes oder einer Zweigstelle durch den Reichskommissar vor, ,,a) wenn der Geschäftsbetrieb, auf den sich die Erlaubnis bezieht, nicht innerhalb eines Jahres seit der Erteilung der Erlaubnis eröffnet wird; b) wenn der Geschäftsbetrieb ein Jahr lang nicht mehr ausgeübt worden ist." Die Vorschrift sollte der „Verkehrssicherheit" dienen und „die Bedeutung der Erlaubnis als einer keineswegs nur formalen Handlung" unterstreichen. 65 Sie stellte darüber hinaus sicher, „daß zu Kreditinstituten keine Unternehmungen gehören, die lediglich ein Scheindasein führen, sondern nur solche Betriebe, die eine wirtschaftliche Aktivität entfalten". 6 6 § 6 K W G führte eine Reihe weiterer Gründe auf, bei deren Vorliegen einem Kreditinstitut die Fortführung des Geschäftsbetriebes untersagt werden konnte. § 6 Abs. 1 K W G - E 1 erlaubte es dem Reichskommissar, „die Zulassung [zu] widerrufen, 1) wenn es sich ergibt, daß die Voraussetzungen des § 4 Ziffer 1 nicht oder nicht mehr vorhanden sind, 2) wenn die zur verantwortlichen Leitung eines Unternehmens berufenen Personen sich schwerwiegender Verstöße gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes sowie anderer im Geschäftsverkehr zu beachtender Gesetze schuldig machen, 63 Diese Erweiterung ging auf eine Anregung von Ministerialrat Speri zurück und wurde während der Abschlußbesprechung im RWM vom 24. Mai 1934 beschlossen, s. das Prot, dieser Besprechung, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 114f. 64 Müller-Freienfels, S. 59. 65 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 92. 66 Fischer, KWG-Kommentar, S. 62.
14 Müller
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3) wenn die gemäß § 41 getroffenen Vereinbarungen oder erlassenen Bestimmungen nicht innegehalten werden, 67 4) wenn die Zulassung aufgrund unrichtiger Angaben oder sonstiger täuschender Handlungen erwirkt war, 5) wenn das Unternehmen keine Gewähr für die Sicherheit der ihm anvertrauten Gelder bietet." Gemäß § 6 Abs. 2 K W G - E 1 konnte sich der Widerruf „auch auf einen Teil des Geschäftsbetriebes sowie auf einzelne Niederlassungen erstrecken". 68 § 6 Abs. 3 und 4 K W G - E 1 schließlich enthielten Vorschriften für das Widerrufsverfahren, die später in § 7 K W G übernommen wurden. M i t der Aufführung von fünf Widerrufsgründen war § 6 Abs. 1 K W G - E 1 sehr ausführlich gefaßt und wurde i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vereinfacht. So wurde es während der ersten Besprechungsrunde i m Reichswirtschaftsministerium für unzweckmäßig gehalten, an die schwerwiegenden Verstöße i m Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2) K W G - E 1 unmittelbar den Widerruf der Erlaubnis zu knüpfen. Es sei besser, in derartigen Fällen eine Frist zu setzen und die Erlaubnis erst dann zu widerrufen, wenn die beanstandeten Verstöße innerhalb dieser Frist nicht beseitigt würden. A u f Vorschlag Emsts wurde die Bestimmung daher aus dem Entwurf entfernt und sollte in eine Durchführungsverordnung übernommen werden. 6 9 Entsprechend wurde mit § 6 Abs. 1 Nr. 1) K W G - E 1 verfahren. Eine bedenkliche Ausweitung erfuhr § 6 Abs. 1 Nr. 5) K W G - E 1, der sich in der Endfassung in § 6 Abs. 1 c) K W G wiederfand. Demnach konnte der Widerruf nicht nur an die mangelnde Sicherheit der einem Kreditinstitut anvertrauten Gelder und Wertpapiere, sondern auch daran geknüpft werden, daß das Institut „wichtige allgemeine Interessen verletzt". Diese Erweiterung wurde jedoch offenbar nicht aus politischen Gründen vorgenommen, da sie auf Wunsch von Emst Eingang in das Gesetz fand, 7 0 der sich i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in keiner Weise politisch oder ideologisch betätigt hatte. Gleichwohl dürfte es diese Generalklausel erheblich erleichtert haben, politisch mißliebigen Bankleitern die Fortführung ihres Geschäftes unmöglich zu machen. 71 Die beschlossenen Änderungen fanden sich in § 6 Abs. 1 K W G - E 2 wieder. Die Vorschrift sprach, der späteren Endfassung entsprechend, nicht mehr vom „Wider67
§ 41 KWG-E 1 entsprach § 38 KWG. Er ermächtigte den Reichskommissar, die Mehrheitsbeschlüsse der Spitzen verbände über die Geschäftsbedingungen und über den Wettbewerb für allgemein verbindlich zu erklären oder entsprechende Bestimmungen selbst zu erlassen. Zu Bedeutung und Entstehung dieser Vorschrift s. u., Teil 4, J., II., 5. 68 Diese Bestimmung blieb bis zur Verabschiedung des KWG unverändert, lediglich der Begriff „Niederlassung" wurde durch „Zweigstelle" ersetzt. 69 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S. 242 f. 70 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 243. Vgl. Bahre, S. 27.
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ruf der Zulassung", sondern erlaubte es dem Reichskommissar, „die Fortführung des Geschäftsbetriebes zu untersagen". Diese Neuformulierung hatte dogmatische Gründe. Da die beim Erlaß des K W G bereits bestehenden Kreditinstitute keiner Erteilung einer Konzession bedurften, war es auch nicht möglich, ihnen diese zu entziehen. M i t der Formulierung, „der Reichskommissar kann die Fortführung des Geschäftsbetriebes untersagen", wurden jedoch auch diese Kreditinstitute erfaßt. Als Voraussetzung für diese Untersagung nannte § 6 Abs. 1 K W G - E 2 die folgenden Gründe: Erwirkung der Zulassung aufgrund unrichtiger Angaben oder täuschender Handlungen, mangelnde Sicherheit der anvertrauten Gelder oder Wertpapiere bzw. Verletzung wichtiger allgemeiner Interessen und Verstoß gegen die Vereinbarungen oder Anordnungen gem. § 42 K W G - E 2 . 7 2 In den Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. M a i 1934 wurde, gleichsam als Ersatz für den verworfenen § 6 Abs. 1 Nr. 1) K W G - E 1, ein weiterer Untersagungsgrund eingefühlt. Er war einschlägig, „wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß Geschäftsleiter der Unternehmung ( § 4 Abs. 2) nicht die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit besitzen". Schließlich wurde auf der Abschlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 24. M a i 1934 die Bestimmung, wonach der Verstoß gegen die Vereinbarungen oder Anordnungen gem. § 42 K W G - E 2 zur Untersagung berechtigten, auf Vorschlag von Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) gestrichen, der der Auffassung war, daß dieser Verstoß von den übrigen Gründen gedeckt sei. 7 3 Damit war die endgültige Fassung des § 6 Abs. 1 K W G gefunden. Er entsprach - abgesehen von dem Untersagungsgrund der Verletzung wichtiger allgemeiner Interessen - weitgehend dem § 7 des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte und stellte damit gemeinsam mit den §§ 3, 4 und 5 K W G praktisch den Rechtszustand wieder her, der bis zum 31. Dezember 1929 bestanden hatte. Schließlich enthielt § 7 K W G Vorschriften über das Verfahren bei einem Vorgehen des Reichskommissars gemäß § § 5 und 6 K W G . § 7 Abs. 1 K W G sah vor, daß der Reichskommissar vor der Rücknahme der Erlaubnis oder der Untersagung der Fortführung des Geschäftsbetriebes „dem Kreditinstitut Gelegenheit zur Äußerung geben" mußte. Zudem konnte er „ i n geeigneten Fällen ( . . . ) Fristen zur Beseitigung von Mängeln setzen" und damit dem betroffenen Kreditinstitut die Gelegenheit geben, die Rücknahme oder Untersagung zu vermeiden. Gemäß § 7 Abs. 2 K W G konnte der Reichskommissar i m Falle der Rücknahme der Erlaubnis oder der Untersagung der Fortführung des Geschäftsbetriebes bestimmen, „daß seine Entscheidung wie eine Auflösungsbeschluß w i r k t " und war berechtigt, „für die Abwicklung der Geschäfte ( . . . ) grundsätzliche Anordnungen" zu treffen. Diese Bestimmungen fanden sich bereits in § 6 Abs. 3 und 4 K W G - E 1 und spielten nur eine untergeordnete Rolle i m Gesetzgebungsverfahren.
72 Dem späteren § 38 KWG. 73 Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941,S. 115. 14*
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I I I . Resümee M i t der Verabschiedung der §§ 3 bis 7 K W G wurde ein das gesamte Kreditwesen erfassendes Konzessionssystem eingeführt. Damit war die Bankfreiheit endgültig abgeschafft worden, die nach dem Ablauf des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte zum 31. Dezember 1929 wieder in Deutschland bestanden hatte. Dabei stellten die §§ 3 bis 7 K W G kein Neuland dar, vielmehr lehnten sich besonders § § 4 und 6 K W G sehr stark an die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes a n . 7 4 Anders als noch mit dem Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte, das in erster Linie dem Schutz der Bankenkundschaft vor ungeeigneten Bankleitern diente, 7 5 stellte der Gesetzgeber mit der Einführung eines Konzessionssystems i m K W G die Verhinderung einer weiteren Übersetzung i m Kreditwesen in den Vordergrund. Der Schlußbericht des Untersuchungsausschusses begründete die Einführung der Konzessionspflicht ausdrücklich damit, daß „einer planlosen Ausdehnung und Übersetzung i m deutschen Kreditwesen mit ihren schädlichen Folgen auf dem Gebiete der Einlagensammlung und der Verteilung der Kredite ( . . . ) vorzubeugen [ist]. Es ist daher nicht möglich, das bisherige liberalistische Prinzip der Gewerbefreiheit auf dem Gebiete des Kreditwesens weiter bestehen zu lassen." 7 6 Aus diesem Grunde gestattete § 4 Abs. 1 K W G die Versagung der Erlaubnis, wenn sie „unter Berücksichtigung der örtlichen und gesamtwirtschaftlichen Bedürfnisse nicht gerechtfertigt erscheint", während das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte lediglich darauf abstellte, ob die „Zulassung volkswirtschaftlich gerechtfertigt erscheint". Damit war ein genaues Eingehen auf die jeweiligen Verhältnisse vor Ort und somit eine wirksame Verhinderung einer weiteren Übersetzung i m Kreditwesen möglich. Gleichzeitig führte § 4 Abs. 1 K W G dazu, daß der Wettbewerb i m Kreditwesen weitgehend ausgeschaltet wurde, da die Entscheidung über die Niederlassung eines Kreditinstituts nicht von diesem allein getroffen werden konnte, sondern in der Hand des Staates lag. Schließlich unterschied sich das neue Konzessionssystem in einem unscheinbaren, aber entscheidenden Detail von dem aufgrund des Gesetzes über Depotund Depositengeschäfte. Letzteres hatte die Erteilung der Konzession an die „Zuverlässigkeit" der Bewerber geknüpft und entsprach damit allgemeinen gewerberechtlichen Grundsätzen. Dagegen machte § 4 Abs. 1 K W G die Erteilung der Erlaubnis nicht von der „Zuverlässigkeit" sondern von der „Ehrbarkeit" der Geschäftsleiter abhängig. Diese Änderung beruhte offensichtlich auf der politischen Vorgabe, nur linientreuen Personen Zugang zum Kreditwesen zu verschaffen. 74 Fischer, KWG-Kommentar, S. 59, 63. 75 s.o., Teil l,C.,II.,4.,b). 76 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 24.
C. Anzeigepflicht, § 8 KWG
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Denn während der gesamten Bankenreform wurde immer wieder darauf hingewiesen, daß es zu ihren wichtigsten Aufgaben gehöre, die „Standesehre" i m Kreditwesen zu erhöhen und dafür zu sorgen, daß bei den Bankleitern die „richtige Gesinnung" vorherrsche. Schacht persönlich wies darauf hin, daß „das Eindringen ( . . . ) charakterlich ungeeigneter Elemente in das Bankwesen ( . . . ) verhindert werd e n " 7 7 müsse. A n der Spitze der Forderungen im Rahmen der Bankenreform stehe „die Reformierung der Gesinnung" der Bankleiter, da es entscheidend sei, „daß wir ein nationalsozialistisches Bankwesen haben". 7 8 Insgesamt gesehen stellten die §§ 3 bis 7 K W G somit ein geeignetes Mittel dar, der Übersetzung i m Kreditwesen mit ihren fatalen Auswirkungen entgegen zu steuern, hoben jedoch zugleich den freien Wettbewerb i m Kreditwesen weitgehend auf. Daneben gewährten die Vorschriften einen verbesserten Schutz der Bankenkundschaft, indem sie die Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb eines Kreditinstituts von den erforderlichen Kenntnissen der Geschäftsleiter abhängig machten. 7 9 Zugleich bot das Gesetz mit der Aufnahme des neuen Kriteriums der „Ehrbarkeit" anstelle des bewährten und üblichen Kriteriums der „Zuverlässigkeit" die Möglichkeit, politisch mißliebige Personen aus dem Kreditwesen fernzuhalten und nur überzeugten Nationalsozialisten den Betrieb eines Kreditinstituts zu erlauben. Insoweit war das neu eingeführte Konzessionssystem ideologisch geprägt.
C. Anzeigepflicht, § 8 KWG § 8 K W G legte den Kreditinstituten eine Reihe von Anzeigenpflichten gegenüber dem Reichskommissar auf. 8 0 Gemäß § 8 Abs. 1 K W G hatten die Kreditinstitute ,,a) jeden Wechsel in der Person der Geschäftsleiter (§ 4 Abs. 2), b) Kapitalveränderungen, soweit sie in einem öffentlichen Register eingetragen werden müssen, c) die Absicht der Vereinigung mit einem anderen Kreditinstitut sowie die erfolgte Übernahme von dauernden Beteiligungen an solchen, d) die Einstellung des Geschäftsbetriebes sowie die Schließung von Zweigstellen dem Reichskommissar oder der von ihm bestimmten Stelle unverzüglich anzuzeigen."
77 78 79
Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 28. Vgl. Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 7. Vgl. Müller-Freienfels, S. 50.
80 Eine ähnliche Vorschrift hatte bereits § 6 Abs. 3 des Gesetzes über Depot- und Depositengeschäfte enthalten. Demnach hatten die Depositenbanken „Aenderungen in der Person der Inhaber, persönlich haftenden Gesellschafter oder Vorstandsmitglieder sowie die Einstellung des geschäftsmäßigen Betriebes von Depot- und Depositengeschäften der von der obersten Landesbehörde bestimmten Stelle unverzüglich anzuzeigen".
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Gemäß § 8 Abs. 2 K W G konnte der Reichskommissar „anordnen, daß ihm auch ein Wechsel in der Person der Leiter von Zweigstellen anzuzeigen ist." Bereits der erste KWG-Entwurf war dieser Fassung weitgehend angenähert, indem er in § 9 K W G - E 1 bestimmte, daß die Banken „Änderungen in der Person der Inhaber und Vorstandsmitglieder sowie der sonstigen zur verantwortlichen Leitung berufenen Personen, 81 Kapital Veränderungen und Liquidationen dem Reichskommissar für das Bankgewerbe unverzüglich anzuzeigen" hatten. Dementsprechend galten die Gesetzesberatungen lediglich der Verfeinerung dieses Entwurfs. So wurde beschlossen, nur solche Kapitalveränderungen der Anzeigepflicht zu unterwerfen, die in das Handelsregister bzw. in ein anderes öffentliches Register einzutragen waren, da sich alle anderen Kapitalveränderungen aus den Bilanzen ergäben. 8 2 In § 8 K W G - E 3 war erstmals vorgesehen, daß auch „die Vereinigung mit einem anderen Kreditinstitut sowie die Übernahme von dauernden Beteiligungen an solchen" dem Reichskommissar angezeigt werden mußten. 8 3 Insoweit hatte der erste KWG-Entwurf gemäß § 3 Abs. 3 K W G - E 1 noch die „Genehmigung durch den Reichskommissar für das Bankgewerbe" vorgesehen. Durch § 8 K W G - E 3 wurde diese Genehmigungspflicht somit in eine bloße Anzeigepflicht umgewandelt. Schließlich wurde dem Entwurf zwischen der Schlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium am 24. M a i 1934 und der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 4. Oktober 1934 ein zweiter Absatz mit der Anzeigepflicht bezüglich des Wechsels der Zweigstellenleiter hinzugefügt, so daß der K W G - E 4 bereits mit dem späteren § 8 K W G identisch war. 8 4 § 8 K W G hatte den Zweck, dem Reichskommissar die Wahrnehmung seiner Aufgaben zu erleichtern. Die Anzeigepflichten sollten ihn „über die wichtigsten Änderungen i m Kreditapparat informieren und ihm ermöglichen, eine Nachprüfung der Eignung der leitenden Persönlichkeiten und der Zulässigkeit der Weiterführung des Geschäftsbetriebes vorzunehmen". 8 5 Die Vorschrift diente damit vor allem der Ergänzung des § 6 K W G . 8 6
81
Dieser Personenkreis wurde später mit dem Begriff „Geschäftsleiter" erfaßt. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S. 244. 83 Aus Gründen der Klarstellung wurde auf der Abschlußbesprechung vom 24. Mai 1934 beschlossen, in § 8 c) KWG-E 3 „die Vereinigung ( . . . )" durch „die Absicht der Vereinigung" und „die Übernahme ( . . . ) " durch „die erfolgte Übernahme ( . . . ) " zu ersetzen. Diese Änderung entsprach der endgültigen Fassung in § 8 Abs. 1 c) KWG. S. Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 116. 84 Es wurde lediglich die Ergänzung vorgenommen, daß die Anzeigepflichten gegenüber dem Reichskommissar „oder der von ihm bestimmten Stelle" zu erfüllen waren. Diese Ergänzung ging „zur Vermeidung von Schreibwerk bei landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften" auf einen Wunsch des Reichsernährungsministeriums zurück (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 31.01/15482, S. 3). S5 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 93. 82
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Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 44.
D. Evidenzzentrale, § 9 KWG
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D. Evidenzzentrale, § 9 K W G § 9 K W G war die erste Vorschrift des Gesetzes, die sich einem ausgesprochen bankspezifischen Problem widmete. Sie verlangte von den Kreditinstituten, dem Reichskommissar alle Kreditnehmer zu melden, deren Gesamtverschuldung bei einem einzelnen Kreditinstitut 1 Mio. R M überstieg. Sofern ein Kreditnehmer bei mehreren Kreditinstituten verschuldet war, war der Reichskommissar berechtigt, den beteiligten Kreditinstituten ,diese Tatsache mitzuteilen. Dabei durfte er jedoch nur die Gesamtverschuldung und die Anzahl der Kreditinstitute melden, die mit dem Kreditnehmer in Geschäftsverbindung standen. M i t dieser Regelung sollte vermieden werden, daß sich ein Kreditnehmer - sei es in betrügerischer Absicht oder in Verkennung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - bei mehreren Kreditinstituten in überhöhtem Maße verschuldete, ohne daß die einzelnen Institute etwas von der Verschuldung ihres Kunden bei den anderen Mitbewerbern ahnten. 87 In der Vergangenheit war es durch derartige Mehrfachverschuldungen wiederholt zu großen Verlusten gekommen, die die Stabilität des Kreditwesens beeinträchtigten. 88
I. Die Forderungen nach Errichtung einer Evidenzzentrale Angesichts der schlechten Erfahrungen, die die Banken immer wieder mit der ihnen unbekannten Mehrfachverschuldung ihrer Kunden gemacht hatten, wurden bereits seit der Jahrhundertwende Forderungen nach Einrichtung einer zentralen Stelle erhoben, die derartige Praktiken unterbinden sollte. Für diese Stelle hatte sich der Begriff „Evidenzzentrale" eingebürgert. Schon 1909 wurden Pläne zur Errichtung einer Evidenzzentrale veröffentlicht. Ende der 20er Jahre, nachdem einige Großbanken durch betrügerisches Verhalten ihrer Kreditnehmer erhebliche Einbußen erlitten hatten, wurden diese Pläne erneut aufgegriffen. 89 Gleichwohl war es bisher zur Errichtung einer Evidenzzentrale nicht gekommen. Überraschenderweise waren es die Kreditinstitute selbst, die sich ihr entgegen stellten. Sie argumentierten, durch eine Evidenzzentrale drohe eine Verletzung des Bankgeheimnisses, zumindest aber werde das Vertrauensverhältnis zum Kunden gestört. 9 0 Diese Erwägungen erklären den Widerstand der Kreditinstitute jedoch nur teilweise. Der wahre Grund für ihre ablehnende Haltungen gegenüber einer Evidenzzentrale lag in den scharfen Wettbewerbsverhältnissen der 20er und 87 88 89 9
Mellerowicz, Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 534. Mellerowicz, Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 534. Klebba, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 147.
° Klebba, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 147; Schwartz, Wirtschaftsdienst 1931, S. 1499.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
frühen 30er Jahre. 91 Die Kreditinstitute fürchteten aus Konkurrenzgründen, ihre Geschäftsbeziehungen zu einzelnen Kunden offenzulegen und lehnten eine Evidenzzentrale daher a b . 9 2 In der Bankenkrise von 1931 zeigte sich einmal mehr, wie verhängnisvoll sich das Fehlen einer derartigen Einrichtung auswirken konnte. Besonders spektakulär war der Fall des Nordwolle-Konzerns. 9 3 Dieser war völlig überschuldet und hatte sowohl bei der Danat-Bank als auch bei der Dresdner Bank große Kredite aufgenommen. Als er schließlich zusammenbrach, erschütterte er beide Institute. 9 4 Dementsprechend erhielten die Forderungen nach einer Evidenzzentrale in den Jahren nach der Krise neuen A u f w i n d . 9 5 I m Detail war jedoch umstritten, welche Kredite die Kreditinstitute der Evidenzzentrale zu melden hatten und wie diese zu organisieren sei. Teilweise wurde verlangt, schon die Gewährung von Krediten ab einer Summe von 20.000 R M mitzuteilen, um auch die Sparkassen und Kreditgenossenschaften zu erfassen. 96 Andere dagegen verlangten die Meldepflicht i m Hinblick auf den immensen verwaltungstechnischen Aufwand bei der Meldung kleinerer Kredite erst bei deutlich größeren Kreditbeträgen. Hier wurden 100.000 R M 9 7 oder sogar 250.000 9 8 R M als Untergrenze genannt. Daneben war die Frage der grundsätzlichen Organisation einer Evidenzzentrale ungeklärt. Während einige Autoren ihre Errichtung beim Reichskommissar oder bei der Reichsbank forderten, 99 lehnten andere die Beteiligung staatlicher Stellen ab. Sie bevorzugten eine freiwillige, private Selbsthilfeorganisation der Kreditwirtschaft. 1 0 0 Insgesamt gesehen aber wurde, trotz diverser Meinungsverschiedenheiten im Detail, spätestens seit der Bankenkrise in der öffentlichen Debatte die Errichtung einer Evidenzzentrale allgemein gefordert. 1 0 1 Dabei 91 s.o., Teil 1,B., I.,4.,c) 92 Klebba, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 147; Mellerowicz, Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 534. 93 Bauer, S. 70. 94 s.o., Teil Ι,Β.,ΙΙ., 1. 95 Kalveram, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 377; Klebba, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 147; Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 574; ders. Mellerowicz, Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 534. 96 Mellerowicz, Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 535. 97 Vgl. Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 146. 98 Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 575. Mellerowicz hatte somit seine Vorstellungen vom Wirkungsbereich einer Evidenzzentrale zwischen 1931 und 1934 erheblich erweitert. 99 Kalveram, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 377; Klebba, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 147; Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 575. 100
Mellerowicz, Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 535. Mellerowicz hatte somit auch in der Frage der Organisation einer Evidenzzentrale seine Ansicht zwischen 1931 und 1934 geändert. Vgl. auch Schwartz, Wirtschaftsdienst 1931, S. 1499. 101 Lediglich Schwartz, Wirtschaftsdienst 1932, S. 644 f., trat in der Debatte als Gegner einer Evidenzzentrale auf. Er sah die Gefahr, daß eine derartige Stelle, sollte sie staatlich
D. Evidenzzentrale, § 9 KWG
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bestand Einigkeit darüber, daß eine derartige Stelle keinen absoluten Schutz gegen die Mehrfachverschuldung einzelner Kunden und den damit verbundenen Risiken bieten würde. In einer Evidenzzentrale wurde jedoch ein wichtiges Hilfsmittel gesehen, das den Banken einen tieferen Einblick in die Verhältnisse des Kunden erlaubte und damit die Sicherheit ihrer Kreditgewährung erhöhte. 1 0 2 Die Rufe nach der Einführung einer Evidenzzentrale, die nach der Bankenkrise zunehmend lauter wurden, führte schließlich auch zu entsprechenden Überlegungen seitens der neu errichteten Bankenaufsicht. Der Reichskommissar griff die Forderungen auf und versuchte, gemeinsam mit dem Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes eine Evidenzzentrale zu errichten. Ihm schwebte dabei vor, diese Stelle unabhängig von der Bankenaufsicht zu organisieren. Zur Umsetzung dieser Pläne kam es jedoch n i c h t . 1 0 3 Auch die Reichsbank sprach sich bereits in einem sehr frühen Stadium der Bankenreform dafür aus, daß „die großen Kredite, die über eine bestimmte Höhe (ζ. Β . 1 M i l l i o n R M ) hinausgehen, regelmäßig kontrolliert werden. Gegebenenfalls ist einzuschreiten, z. B. bei überhöhter Inanspruchnahme mehrerer Banken durch denselben Kreditnehmer." 1 0 4 Nachdem es somit trotz der allgemeinen Forderungen nach Errichtung einer Evidenzzentrale nicht einmal der Bankenaufsicht gelungen war, eine derartige Organisation auf freiwilliger Basis zu schaffen, entschloß sich schließlich der Gesetzgeber des K W G , eine Evidenzzentrale auf gesetzlichem Wege zu errichten.
II. Die Entstehung des § 9 KWG Bereits der erste KWG-Entwurf sah die Einrichtung einer Evidenzzentrale vor. K W G - E 1 ordnete die entsprechenden Bestimmungen den Vorschriften über die Organisation und Befugnisse der Bankenaufsicht zu, so daß i m K W G - E 1 die Errichtung einer Evidenzzentrale in § 40 geregelt wurde. § 40 Abs. 1 K W G - E 1 ordnete an, daß die Kreditinstitute „Namen oder Firma derjenigen ihrer Kreditnehmer, deren Gesamtverschuldung während des Monats 1 M i l l i o n R M übersteigt, unter Aufgabe der am Monatsende in Anspruch genommenen Kredite bis zum 10. des folgenden Monats dem Reichskommissar für das Bankgewerbe anzuzeigen" hatten. Gemäß § 40 Abs. 2 und 3 konnte der Reichskommissar, „sofern ihm eine zu seiner Kenntnis gelangte Verschuldung eines Kreorganisiert sein, „zum Instrument obrigkeitlicher Beeinflussung der heute noch nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen geregelten Kreditverteilung ausgestaltet wird". Darüber hinaus befürchtete er eine enorme und kostenintensive Arbeitsbelastung der Kreditinstitute, die zum Nutzen einer Evidenzzentrale, den er stark anzweifelte, in keinem Verhältnis stünde. 102 Mellerowicz, Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 536. 103 Paersch, S. 59. 104 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 386.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
ditnehmers bei mehreren Banken unangemessen hoch erscheint, die beteiligten Kreditunternehmungen von der Verschuldung des Kreditnehmers bei anderen Stellen benachrichtigen". Dabei durfte sich diese Benachrichtigung „nur auf die Höhe der Gesamtverschuldung des Kreditnehmers und die Anzahl der Banken erstrecken, von deren Inanspruchnahme durch den Kreditnehmer der Reichskommissar für das Bankgewerbe Kenntnis erhalten h a t " . 1 0 5
1. Die Besprechung des § 40 KWG-E 1 im Reichswirtschaftsministerium § 40 K W G - E 1 wurde erstmals in der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 19. März 1934 besprochen. Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) wies einleitend auf das grundsätzliche Erfordernis einer Evidenzzentrale hin. Er stellte fest, daß andere Länder sich entschlossen hätten, ihre Evidenzzentralen nicht als staatliche, sondern als private Stellen zu organisieren. Diese hätten aber immer dann versagt, wenn sie am nötigsten gewesen wären. Da jedoch andererseits das Fehlen einer Evidenzzentrale in Deutschland in den letzten Jahren zu großen Schäden geführt habe, sei ihre Errichtung als staatliche Einrichtung unverzichtbar.106 Seine Ausführungen fanden offenbar die Zustimmung der anderen Besprechungsteilnehmer, da an der Fassung des § 40 K W G - E 1, der dem Original schon sehr nahe kam, keine wesentlichen Änderungen beschlossen wurden. 1 0 7 Lediglich der Passus in § 40 Abs. 2 K W G - E 1 „sofern ihm ( . . . ) erscheint" wurde für entbehrlich gehalten und gestrichen. 108 Eine kontroverse Debatte entwickelte sich dagegen bezüglich der Frage, was unter „Gesamtverschuldung" i m Sinne des § 40 Abs. 1 K W G - E 1 zu verstehen sei. In Anpassung an die nach § 12 K W G - E l 1 0 9 bestehende Rechtslage vertrat Reichsbankdirektor Müller die Ansicht, daß in die Gesamtverschuldung eines Kreditnehmers die von ihm in Anspruch genommenen Kredite und die Beteiligungen einzu105
Damit sollte die Vertraulichkeit der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Kunden und dem jeweiligen Kreditinstitut gewahrt bleiben. >06 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 304. 107 So blieb insbesondere § 40 Abs. 1 KWG-E 1, von wenigen unbeachtlichen Formulierungen abgesehen, bis zum Inkrafttreten des KWG unverändert. 108 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 307. Die endgültige Formulierung in § 9 Abs. 2 S. 1 KWG lautete: „Ergibt sich, daß ein Kreditnehmer bei mehreren Kreditinstituten Kredite in Anspruch genommen hat, so kann der Reichskommissar die beteiligten Kreditinstitute davon benachrichtigen." 109 § 12 KWG-E 1 regelte die Gewährung von Großkrediten. Er bestimmte in Abs. 2, daß bei der Feststellung des Kredites „Beteiligungen und Garantien der Bank für den betreffenden Kreditnehmer ( . . . ) einzurechnen" waren. Näheres dazu s. u., Teil 4, F., II., 3.
D. Evidenzzentrale, § 9 KWG
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beziehen seien, die Dritte an dem Kreditnehmer hielten. 1 1 0 Gegen diese Auffassung wandte sich Reichskommissar Ernst. Er führte aus, es sei besser, nur auf die kreditmäßige Verschuldung abzustellen, da die Situation hier eine andere sei als bei § 12 K W G - E l . 1 1 1 Dem trat Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) bei. Er argumentierte, die Evidenzzentrale wolle die Verschuldung des Kreditnehmers bei den verschiedenen Stellen sehen, diese lasse sich aber nur am Eigenkapital messen. 1 1 2 Kohler und Ernst bekräftigten dies, indem sie darauf hinwiesen, daß allein die kreditmäßige Verschuldung maßgeblich sei, in wessen Händen sich dagegen das Eigenkapital befände, sei letzten Endes gleichgültig. 1 1 3 Wenn Müllen so Ernst, trotzdem an seiner Auffassung festhalten wolle, dann müßte die Gesamtverschuldung zumindest unter Aufgliederung nach Beteiligungen und Krediten mitgeteilt werden. Er stimmte der Auffassung von Ministerialdirigent Berger (Reichsfinanzministerium) zu, wonach § 40 K W G - E 1 lediglich eine Warnung an die Banken beabsichtige. Er, Ernst, würde sich von mehrfach verschuldeten Unternehmen ohnehin zunächst einmal Aufschluß über die Zusammensetzung der Eigenmittel geben lassen. Erst wenn er dabei Gefahren sähe, würde er an die Banken herantreten. 114 Trotz dieser Ausführungen gelang es nicht, den auf seinem Standpunkt beharrenden Müller zu überzeugen. Daneben waren sich die Besprechungsteilnehmer nicht einig, wie der Kreis der „Kreditnehmer" i m Sinne des § 40 K W G - E 1 zu bestimmen war. Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) kritisierte, daß § 40 K W G - E 1 anders als § 1 2 K W G - E 1 nicht auf den Konzern, 1 1 5 sondern auf das einzelne Unternehmen abstelle und forderte eine entsprechende Erweiterung des § 40 K W G - E l . 1 1 6 Hiergegen wandte sich wiederum Müller. Die Reichsbank habe bei der Formulierung des Entwurfs bewußt die abhängigen Firmen nicht berücksichtigt, da die Banken lediglich über die von einem einzelnen Unternehmen beanspruchten Kredite benachrichtigt werden sollten. Wenn es sich dabei um abhängige Unternehmen handele, wüßte die kreditgebende Bank ohnehin Bescheid. 1 1 7 "o Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.305. 111 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.305. 112 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 305. H3 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 305. 114 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S.305. 115 § 12 ordnete im Abs. 2 an, daß bei der Feststellung des Gesamtkredits neben dem Kreditnehmer selbst auch die „Kredite, Beteiligungen und Garantien für die von ihm abhängigen oder mit ihm eng verbundenen Unternehmen" zu berücksichtigen waren. S. u., Teil 4, F., II., 3. 116 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 306.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Diese Auseinandersetzungen zeigen, mit welcher Unsicherheit und Vorsicht der Gesetzgeber, dem es auf diesem Gebiet an jeglicher Erfahrung fehlte, bei der Regelung der Evidenzzentrale vorging. 1 1 8 Dementsprechend blieben die in der Sitzung vom 19. März 1934 aufgeworfenen Fragen ungelöst. Es setzte sich vielmehr die Auffassung durch, daß § 40 K W G - E 1 als allgemeine Regel noch der Konkretisierung durch die Ausführungsbestimmungen bedürfe. Insoweit müsse jedoch die praktische Bewährung der Vorschrift abgewartet werden. 1 1 9 Ernst schlug daher zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten vor, § 40 K W G - E 1 um einen Absatz 4 mit folgendem Inhalt zu erweitern: „Die Reichsregierung ist ermächtigt, die Bestimmungen der Absätze 1 - 3 auch auf die Beteiligungen und die Konzernfirmen auszudehnen."
2. Die weitere Entstehung des § 9 KWG Die Anregung Emsts fand i m § 41 K W G - E 2 nur teilweise Berücksichtigung. I m Hinblick auf die Frage der Gesamtverschuldung, die während der ersten Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium am meisten umstritten war, ordnete § 41 Abs. 3 K W G - E 2 nunmehr an, daß „das Bankenaufsichtsamt bestimmt, was als Gesamtverschuldung i m Sinne des Abs. 1 zu gelten h a t " . 1 2 0 Somit war die Möglichkeit gegeben, die Vorschrift den praktischen Erfordernissen, die beim Erlaß des K W G noch nicht abzusehen waren, flexibel anzupassen. Eine letzte Ergänzung fand die Vorschrift i m § 38 Abs. 3 K W G - E 3. Hier war neben der Möglichkeit der näheren Bestimmung der Gesamtverschuldung durch das Aufsichtsamt zusätzlich vorgesehen, daß das A m t „Ausnahmen von den Vorschriften des Abs. 1 zulassen" konnte. Damit entsprach der Wortlaut des § 38 K W G - E 3 bereits dem der späteren Endfassung in § 9 K W G . In K W G - E 4 schließlich wurde die Vorschrift, da sie für die Kreditinstitute eine Meldepflicht an den Reichskommissar beinhaltete, aus dem Gesetzesabschnitt über die Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden herausgenommen und bildete als § 9 K W G - E 4 gemeinsam mit § 8 K W G - E 4 einen eigenen Gesetzesabschnitt mit der Bezeichnung „Anzeigepflicht".
117 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 306. 118 Ernst stellte ausdrücklich fest, es müsse bei der Regelung der Evidenzzentrale vorsichtig vorgegangen werden, da „ja alles Neuland" sei. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6943, S. 307. 119 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943,S. 306. 120 Die Bestimmungen der Abs. 2 und 3 des § 40 KWG-E 1 wurden im § 41 Abs. 2 KWGE 2 zusammengefaßt.
D. Evidenzzentrale, § 9 KWG
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III. Resümee M i t der Verabschiedung des § 9 K W G wurden seit langem erhobene Forderungen zumindest teilweise verwirklicht. 1 2 1 Zwar kam es endlich zur Errichtung einer Evidenzzentrale. Da diese jedoch nur Großkredite ab 1 Mio. R M erfaßte, während ihr Eingreifen i m allgemeinen schon bei weit geringen Kreditbeträgen gefordert wurde, mußte § 9 K W G für viele derjenigen, die nach der Errichtung einer Evidenzzentrale verlangt hatten, eine Enttäuschung darstellen. 1 2 2 Denn in der Praxis hatte § 9 K W G nur für die Großbanken Bedeutung, während Bankiers, Sparkassen und Kreditgenossenschaften von ihr unberührt blieben. Der Gesetzgeber war sich dieses Mangels offenbar, 1 2 3 er traf jedoch ganz bewußt die Entscheidung, nur die Großkredite einer Evidenzzentrale zu unterwerfen. Zum einen ließ er sich dabei von der Erwägung leiten, daß mit der Beschränkung auf die Großkredite sowohl die Anlaufschwierigkeiten als auch die verwaltungsmäßige Belastung der Evidenzzentrale gering gehalten werden konnten. 1 2 4 Z u m anderen sah er neben der Möglichkeit, die Mehrfachverschuldung von Kreditnehmern zu erschweren, in § 9 K W G ein Mittel der allgemeinen Kreditpolitik. Die Beschränkung auf die Großkredite in § 9 K W G sollte „vor allen Dingen in der Richtung einer gesunden Beschränkung des Großkreditgeschäfts wirken und damit eine volkswirtschaftlich gesunde Kreditverteilung fördern' 4 . 1 2 5 Auffällig an § 9 K W G war überdies, daß er es in das Ermessen des Reichskommissars stellte, ob dieser den Kreditinstituten von der Mehrfachverschuldung eines Kreditunternehmers Mitteilung machte. Damit war dem Reichskommissar eine große Verantwortung auferlegt. 1 2 6 Denn es bestand die Gefahr, daß er, sofern er von diesem Ermessen keinen Gebrauch machte, „ i n späterer Zukunft einmal zum Prügelknaben für eingefrorene Kredite gemacht" werden w ü r d e . 1 2 7 Insgesamt gesehen stellte § 9 K W G jedoch trotz seiner Unzulänglichkeiten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Kreditwesens bei. Gerade die Großkredite hatten sich in der Vergangenheit als kritisch erwiesen und vielfach zu 121 Vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 68. 122 Vgl .Müllen Bank-Archiv 1934/35, S. 146. 123 Ernst, Sparkasse 1935, S. 214. 124 Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 146; Ernst, Sparkasse 1935, S. 214. 125 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 94. Diesem Ziel diente auch und in erster Linie § 12 KWG, s. u., Teil 4, F., II. 126 Dies hatte Reichskommissar Ernst selbst erkannt. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 306. 127 Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1934, S. 1200. Insoweit ist es nicht nachvollziehbar, wenn die Begründung zu § 9 KWG-E 5 davon spricht, eine Verpflichtung des Reichskommissars, die Mehrfachverschuldung zu melden, sei nicht zweckmäßig, „weil ihm dadurch eine Verantwortung auferlegt wird, die er in einer solchen Form nicht übernehmen kann". Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 94.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
immensen Verlusten geführt. 1 2 8 Aufgrund des § 9 K W G konnten die Kreditinstitute nunmehr über die anderweitige Verschuldung ihres Kreditnehmers in Kenntnis gesetzt werden. Damit wurde ihnen ein wichtiges Hilfsmittel an die Hand gegeben, das als Kriterium bei der Entscheidung über die Kreditgewährung dienen und die Sicherheit der Großkredite nur fördern konnte. Schließlich zeigt sich die Berechtigung und Bewährung dieser Vorschrift auch daran, daß sie sich i m Grundsatz bis zum heutigen Tag erhalten h a t . 1 2 9
E. Schutz der Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse", § 10 KWG Bis zum Erlaß des K W G fehlte es sowohl an einer allgemeingültigen, gesetzlichen Definition der Begriffe „Bank" und „ B a n k i e r " , 1 3 0 als auch an einem besonderen gesetzlichen Schutz dieser Bezeichnungen. Was eine „Bank" oder einen „Bankier" ausmachte, wurde vielmehr anhand der Verkehrsauffassung bestimmt. Die entsprechenden Bezeichnungen genossen lediglich den Schutz aufgrund der allgemeinen handels- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, der eine gewisse Ausgestaltung durch die Rechtsprechung erhalten hatte. 1 3 1 Dieser Schutz war jedoch unvollkommen. Dies lag zum einen daran, daß sich eine einheitliche Rechtsprechung zum Begriff „Bank" oder „Bankier" nicht herausgebildet hatte. 1 3 2 Vor allem aber ließ die Konkretisierung, die diese Begriffe i m Geschäftsverkehr und in der Rechtsprechung erfahren hatten, immer noch genügend Raum für Zweifelsfälle. So war es insbesondere schwierig, die Bankiers von den kleineren Maklergeschäften abzugrenzen, da der Übergang von der einen zur anderen Betätigung fließend w a r . 1 3 3 Dementsprechend nannten sich eine Vielzahl von Maklerfirmen „Bankgeschäft" oder führten eine ähnliche Bezeichnung, obwohl die Inhaber dieser Firmen weder über die erforderliche Kenntnis noch über das erforderliche Kapital zur Führung von Bankgeschäften i m eigentlichen Sinne 128 Näheres s. u., Teil 4, F., II. 129 Aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage sind die Kreditinstitute nach § 14 Abs. 1 S. 1 KWG verpflichtet, „der Deutschen Bundesbank bis zum 15. der Monate Januar, April, Juli und Oktober diejenigen Kreditnehmer anzuzeigen, deren Verschuldung bei ihnen zu irgendeinem Zeitpunkt der dem Meldetermin vorhergehenden drei Kalendermonate 3 Millionen Deutsche Mark oder mehr betragen hat". Die Bundesbank ihrerseits ist gem. § 14 Abs. 2 S. 1 KWG verpflichtet, „die beteiligten Kreditinstitute zu benachrichtigen", sofern sich ergibt, „daß einem Kreditnehmer von mehreren Kreditinstituten ( . . . ) Kredite der in Absatz 1 bezeichneten Art gewährt worden sind". 130 s. o., Teil 4, Α., I., 1. 131 Vgl. Fischen KWG-Kommentar, S. 72 f. 132 Bauer, S. 59. 133 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 456, vgl. auch Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 1347.
E. Schutz der Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse", § 10 KWG
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verfügten. 1 3 4 Damit bestand für die Kundschaft die Gefahr, ihre Gelder unseriösen oder betrügerischen Firmen anzuvertrauen. Und tatsächlich wurden die Bezeichnungen „Bank", „Bankier" oder gleichartige Wortbildungen vielfach mißbräuchlich verwendet. 1 3 5 Dies führte nicht nur zu finanziellen Verlusten der getäuschten Kundschaft, sondern schädigte zugleich das Ansehen des gesamten Kreditgewerbes. 1 3 6 Vor diesem Hintergrund wurde bereits seit Jahrzehnten ein besonderer gesetzlicher Schutz der Begriffe „Bank" und „Bankier" gefordert. 1 3 7 Zur Umsetzung dieser Forderungen kam es jedoch nicht. Lediglich der Begriff „Sparkasse" wurde i m Zuge der Sparkassenreform aufgrund der Notverordnung vom 6. Oktober 1931 1 3 8 gesetzlich geschützt, obgleich hierfür ein dringendes Bedürfnis seitens der beteiligten Kreise nicht genannt worden war. In der Verordnung hieß es i m Fünften Teil, Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 § 1 Abs. 2, daß die Bezeichnung „Sparkasse" nur „die öffentlichen oder dem öffentlichen Verkehr dienenden Spar- und Girokassen" sowie die „überwiegend den Sparverkehr pflegenden Unternehmungen ( . . . ) , denen dieses Recht von der obersten Landesbehörde verliehen worden ist," führen durften. Demgegenüber blieben die Bezeichnungen „Bank" und „Bankier" ungeschützt, zumal es dem Gesetzgeber bisher nicht gelungen war, diese Begriffe zu definieren. Selbst die Einführung der Bankenaufsicht von 1931 brachte in dieser Hinsicht keine Fortschritte. Sie bestimmte zwar, daß das Kuratorium für das Bankgewerbe darüber zu entscheiden hatte, „ob ein Unternehmen als Bank i m Sinne dieses Artikels zu gelten h a t " , 1 3 9 verzichtete aber darauf, insoweit Kriterien aufzustellen. Eine Änderung dieses Zustandes, der allseits als unbefriedigend empfunden wurde, bewirkte erst das Inkrafttreten des K W G . Der Untersuchungsausschuß war von vornherein fest entschlossen, die Bezeichnungen „Bank", „Bankier" und „Sparkasse" gesetzlich zu schützen. Er sah darin neben der Möglichkeit, die Sicherheit des Kreditverkehrs zu erhöhen, vor allem einen Ausgleich für die Kreditinstitute, die eine Vielzahl von Verpflichtungen durch das neue K W G zu erfüllen hatten. Der Ausschuß hielt es angesichts dieser Verpflichtungen für „berechtigt und notwendig, sie [die Kreditinstitute] vor der Konkurrenz solcher Betriebe zu schützen, die, ohne Kreditinstitute zu sein, sich als solche bezeichnen. Der Ausschuß hält es daher für angezeigt, die Führung der Bezeichnung ,Bank\ Bankier 4 , Sparkasse' oder einer Bezeichnung, in der diese Worte enthalten sind, unter einen gesetzlichen Schutz zu stellen." 1 4 0 134
135 136 137 138 139
Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 457. Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 95. Vgl. v. Moller, S. 239. Obst, Die Betriebswirtschaft 1935, S. 2; v. Moller, S. 239. S.o., Teil 1,C.,IV.,2. Zweiter Teil, Artikel 1, § 2 Abs. 1 S. 1 der Notverordnung vom 19. September 1931.
1 40 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 24.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Dementsprechend wurde mit § 10 K W G der Schutz der Bezeichnungen „Bank", „Bankier" und „Sparkasse" sowie der Begriffe, in denen diese Bezeichnungen vorkamen, eingeführt. So durften gemäß § 10 Abs. 1 K W G neben den beim Inkrafttreten des K W G bereits bestehenden Kreditinstituten nur solche Unternehmen die Bezeichnung „Bank" oder „Bankier" „ i n der Firma, als Zusatz zur Firma, zur Bezeichnung des Geschäftszweckes oder zu Werbezwecken" führen, „denen eine Erlaubnis gem. § 3 Abs. I 1 4 1 erteilt" oder „denen die Befugnis zur Führung einer der obigen Bezeichnungen [„Bank" oder „Bankier"] vom Reichskommissar erteilt" worden war. § 10 Abs. 3 K W G lehnte sich eng an die Notverordnung vom 6. Oktober 1931 an und erlaubte die Führung der Bezeichnung „Sparkasse" nur den „öffentlichen oder dem öffentlichen Verkehr dienenden Spar- und Girokassen". Somit durften sich nur die Unternehmen „Bank", „Bankier" oder „Sparkasse" nennen, die dem Anwendungsbereich des K W G unterfielen. 1 4 2 Diese Regelung sah bereits der erste KWG-Entwurf vor. § 10 Abs. 1 K W G - E 1 bestimmte, daß „die Bezeichnung „Bankier", „Bank", „Bankgeschäft" oder dergleichen in der Firma, als Zusatz zur Firma oder ins sonstiger Weise ( . . . ) nur Unternehmungen führen [dürfen ], die den Vorschriften dieses Gesetzes genügen". 1 4 3 Der Reichskommissar war gemäß § 10 Abs. 3 K W G - E 1 befugt, „die unberechtigte Führung einer Bezeichnung nach Abs. 1 [zu] untersagen". Dennoch wurde § 1 0 K W G - E 1 i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens immer wieder überarbeitet und erweitert. Dabei handelte es sich jedoch durchweg um Verbesserungen i m Detail und um redaktionelle Neufassungen. So wurde, nachdem § 10 Abs. 3 K W G - E 2 auch den Schutz der Bezeichnung „Sparkasse" aufgenommen hatte, dafür Sorge getragen, daß die Sparkassen tatsächlich nur diese Bezeichnung führen durften, nicht dagegen aber die Bezeichnung „ B a n k " . 1 4 4 Dementsprechend bestimmte § 10 Abs. 3 S. 2 K W G , daß die Sparkassen „eine Bezeichnung der in Abs. 1 genannten Art [„Bank" oder „Bankier"] ohne Zustimmung des Reichskommissars nicht neu aufnehmen" durften. 1 4 5 Darüber hinaus schalteten § 10 Abs. 5 und Abs. 6 K W G bei Unternehmen, die in einem öffentlichen Register eingetragen waren, zur Umsetzung der Bestimmungen des § 10 K W G das Registergericht ein. Gemäß § 10 Abs. 5 K W G war das Register141 s. o., Teil 4, Β., I. 142 Eine Ausnahme bestand gem. § 10 Abs. 2 KWG lediglich für die Reichsbank und die Deutsche Golddiskontbank. 143 Der Schutz der Bezeichnung „Sparkasse" war in entsprechender Weise in § 13 des zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden Entwurfs eines Reichssparkassengesetzes vom März 1934 vorgesehen. Nach der Vereinigung dieses Entwurfs mit KWG-E 1 (s. o., Teil 3, C., III., 3.) sahen KWG-E 2 und die folgenden Entwürfe stets auch den Schutz der Bezeichnung „Sparkasse" vor. 144 Vgl p r o t . der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943,S. 244. 145 Vgl. Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6941,S. 117.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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gericht verpflichtet, Unternehmen, die die Bezeichnung „Bank", „Bankier" oder „Sparkasse" in unzulässiger Weise in ihrer Firma oder als Zusatz zur Firma führten, „zur Unterlassung des Gebrauchs der Firma oder des Zusatzes durch Ordnungsstrafen bis zu 1.000 Reichsmark anzuhalten". Gemäß § 10 Abs. 6 K W G konnte das Registergericht i m Falle der unzulässigen Führung einer Firma oder eines Zusatzes zu dieser „die Firma von Amts wegen löschen". In Ergänzung dazu war der Reichskommissar gemäß § 10 Abs. 7 2. HS K W G berechtigt, „Anträge zum Zwecke des Einschreitens bei den Registergerichten zu stellen und gegen Verfügungen, durch die über solche Anträge entschieden wird, das Rechtsmittel der Beschwerde zu erheben". 1 4 6 Somit wurden die Bezeichnungen „Bank", „Bankier" und „Sparkasse" mit dem Inkrafttreten des K W G unter umfassenden Schutz gestellt. In sieben Absätzen regelte § 10 K W G die Befugnis zur Führung dieser Bezeichnungen und die Sanktionen im Falle des Verstoßes gegen die einschlägigen Bestimmungen. Dabei war der Schutz in doppelter Hinsicht ausgestaltet. Zum einen oblag es dem Reichskommissar gemäß § 10 Abs. 7 1. HS K W G , darüber zu entschieden, „ob der Gebrauch einer Firma nach Abs. 1 oder Abs. 3 zulässig ist". Zum anderen waren die Registergerichte berechtigt, Ordnungsstrafen zu verhängen und unzulässige Firmen zu löschen. 1 4 7 M i t der Verabschiedung des § 10 K W G wurden somit die seit vielen Jahren erhobenen Forderungen endlich erfüllt, was insbesondere von der Fachpresse mit Befriedigung zur Kenntnis genommen w u r d e . 1 4 8 Damit wurde der Schutz des Publikums vor zweifelhaften Anbietern von Bank- oder Sparkassenleistungen erhöht, was sowohl der Sicherheit als auch dem Ansehen des gesamten Kreditwesens zugute k a m . 1 4 9
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG Der fünfte Abschnitt des K W G war von zentraler Bedeutung für das deutsche Kreditwesen und kann als der wichtigste Teil des Gesetzes angesehen werden. 1 5 0 Er enthielt ein System von Normativbestimmungen, das bestimmte Regeln für die 146 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943,S. 245. 147 Unternehmen, die in keinem öffentlichen Register eingetragen waren, unterlagen insoweit der allgemeinen Ordnungsstrafgewalt des Reichskommissars gemäß §§ 45 ff. KWG (s. u., Teil 4, K.). Vgl. Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 118. >48 Obst, Die Betriebswirtschaft 1935, S. 2. •49 Fischer, KWG-Kommentar, S. 72; Obst, Die Betriebswirtschaft 1935, S. 2. 150 Ernst, Sparkasse 1935, S. 213. 15 Müller
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Geschäftsführung der Kreditinstitute aufstellte. So wurde von den Instituten die Einhaltung einer Eigenkapitalquote (§ 11 K W G ) sowie die Sicherstellung ausreichender Liquidität (§ 16 K W G ) verlangt und ihnen Beschränkungen in der Kreditpolitik auferlegt (§§ 12 ff. K W G ) . Wie kein anderer Abschnitt des Gesetzes dienten die §§ 11 bis 19 K W G dazu, die Liquidität und Sicherheit des deutschen Kreditwesens zu erhalten bzw. wiederherzustellen. 151 Bei der Ausarbeitung dieses Gesetzesabschnitts konnte der Gesetzgeber nicht auf bereits bestehende Regeln zurückgreifen, vielmehr stellten seine Vorschriften für die große Masse der Kreditinstitute völliges Neuland dar. Dementsprechend intensiv wurde die Diskussion um die Einführung dieser Regelungen geführt, so daß der fünfte Abschnitt eine zentrale Stellung innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens einnahm.
I . Eigenkapitalquote, § 11 K W G § 11 K W G sah zum ersten M a l in der Geschichte des Kreditwesens vor, daß die Gesamtheit der deutschen Kreditinstitute 1 5 2 dazu verpflichtet werden konnte, ihre Eigenmittel in einem bestimmten Verhältnis zu ihren fremden Mitteln zu halten.
1. Funktion und Entwicklung des Eigenkapitals im deutschen Kreditwesen Jedes Kreditinstitut war und ist für seine Geschäftstätigkeit auf ein angemessenes Eigenkapital angewiesen, es stellt die Grundlage jeder bankgeschäftlichen Tätigkeit überhaupt d a r . 1 5 3 Dabei erfüllt das Eigenkapital i m wesentlichen eine doppelte Funktion. Es erhöht die Sicherheit eines Kreditinstitutes, indem es der Deckung von Verlusten dient und bildet damit zugunsten der Kunden eine Garantie für die Sicherheit der der Bank anvertrauten Gelder. Damit einher gehend ist es die Grundlage des Vertrauens, das die Kundschaft in eine Bank setzt. 1 5 4 Sicherheit und Vertrauen sind das Fundament, auf denen jede Bank aufbaut. Eine angemessene Eigenkapitalausstattung bildet somit die Grundlage für ein funktionierendes und stabiles Kreditwesen. Vor diesem Hintergrund bildete die Entwicklung der Eigenkapitalausstattung der deutschen Banken seit dem Ersten Weltkrieg Anlaß zu großer Sorge. So betrug noch 1913 die Eigenkapitalquote der Filialgroßbanken 23,6%. Aber bereits 1930 151 Vgl Bauer, S. 60 f. 152 Bisher bestanden Regelungen der Eigenkapitalquote nur für bestimmte Gruppen des deutschen Kreditwesens. So war z. B. gemäß § 7 Hypothekenbankgesetz der Pfandbriefumlauf der privaten Hypothekenbanken auf das 15fache ihrer Eigenmittel begrenzt. 153 Bauer, S.61. 154 Vgl. Somary, Bankpolitik, S. 7; Tambert, S. 71.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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war die Quote auf 7,1% gesunken. 1 5 5 Deutlich günstiger waren die Verhältnisse dagegen bei den Provinzbanken. Dort betrug die Quote 1929 immerhin 19% gegenüber rund 40% i m Jahr 1 9 1 3 . 1 5 6 Dafür mußten sie aber auch einen Rückgang ihres Geschäfts hinnehmen. Obwohl die Zahl der Provinzbanken zwischen 1913 und 1929 nur um ein knappes Drittel zurückging, sank ihre Bilanzsumme u m mehr als die H ä l f t e . 1 5 7 Diese Entwicklung zeigt, daß die Privatbanken angesichts des erheblichen Konkurrenzdrucks in der Weimarer R e p u b l i k 1 5 8 nur dann lebensfähig waren, wenn sie ihre Geschäfte auf Kosten ihrer Eigenkapitalausstattung und damit auf Kosten der Stabilität des gesamten Kreditwesens betrieben. Auch nach der Bankenkrise von 1931 setzte sich der Rückgang des Eigenkapitals der deutschen Kreditinstitute fort. Ende 1930 betrug das gesamte Eigenkapital der deutschen Aktienbanken noch 1.338 M i o . R M , infolge der Krise gingen die Eigenmittel bis Ende 1932 jedoch auf 813 M i o . R M z u r ü c k . 1 5 9 Dementsprechend sank die Eigenkapitalquote der deutschen Banken weiterhin, obwohl sie in der Krise auch einen erheblichen Verlust ihrer fremden Mittel einnehmen mußten. Zwischen Ende 1930 und Ende 1932 verschlechterte sich die Eigenkapitalquote der deutschen Privatbanken nochmals von 9,3% auf 8 , 5 % . 1 6 0 Ohne Berücksichtigung des illiquiden Immobiliarvermögens und der Reserven betrug das Verhältnis zwischen eigenen und fremden Mitteln bei einzelnen Banken 1933 sogar nur noch 1:50.161 Aufgrund dieses nur noch verschwindend geringen Anteils der Eigenmittel in den Bankbilanzen hatte bis 1933 das Eigenkapital der Banken seine Funktion praktisch vollständig verloren. Demzufolge war das deutsche Kreditwesen extrem instabil und hatte das Vertrauen seiner Kunden weitgehend eingebüßt. 1 6 2
155 V. Bissing, S. 86. 156 Vgl. v. Bissing, S. 86 f. 157 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 464. 158 S.o., Teil l,B.,I.,4.,c). 159 v. Bissing, S. 59. 160
v. Bissing, S. 87. Diese Minderung erschient im Vergleich mit der Entwicklung der Eigenkapitalquoten vor der Bankenkrise wenig dramatisch. Zu bedenken ist jedoch, daß in dem Eigenkapital der deutschen Banken von Ende 1932 bereits die Sanierungsbeträge des Reiches enthalten waren, die allein bei den Filialgroßbanken 403 Mio. RM ausmachten. Ohne Berücksichtigung dieser Zuwendung verloren die Filialgroßbanken infolge der Krise 95% ihres Eigenkapitals, so daß ohne die staatlichen Hilfen die Eigenkapitalquoten nach der Krise erheblich niedriger ausgefallen wären. S. v. Bissing, S. 61. 161 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 43. So belief sich etwa der Anteil der illiquiden dauernden Beteiligungen und Immobilien am Eigenkapital der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft 1932 auf 92,3%, S. Fischer, Die fehlerhafte Kreditpolitik, S. 507. 162 Vgl. o., Teil 1, B., III.
15*
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
2. Die Diskussion um die Einführung einer Eigenkapitalquote Angesichts der sich stetig verringernden Eigenmittel i m deutschen Kreditwesen entwickelte sich insbesondere seit der Bankenkrise von 1931 eine öffentliche Diskussion über die gesetzliche Bestimmung einer bestimmten Eigenkapitalquote für die deutschen Kreditinstitute. Dabei wurde insbesondere von Vertretern der Wissenschaft die Verbesserung der Mittelausstattung i m Wege der Gesetzgebung gefordert. 1 6 3 Sie verlangten die gesetzliche Einführung einer Eigenkapitalquote für die deutschen Kreditinstitute, so wie dies eine ganze Reihe anderer Staaten in den zwanziger Jahren bereits getan hatte. 1 6 4 Ihnen schwebte dabei überwiegend eine Relation zwischen eigenen und fremden Mitteln von 1:10 vor, die nach einer gewissen Übergangszeit von den Banken erreicht werden sollte. 1 6 5 Vor dem Hintergrund der erheblichen Bedeutung einer angemessenen Eigenkapitalquote und der bereits entstandenen Diskussion stand ihre gesetzliche Einführung auch auf der Tagesordnung der Bankenenquete 1 9 3 3 . 1 6 6 Anders als von den Vertretern der Wissenschaft wurden hier aber von den Vertretern der Banken Vorbehalte gegen eine gesetzliche Regelung der Mittelausstattung geltend gemacht. Denn so vorteilhaft eine hohe Eigenkapitalquote für das gesamte Kreditwesen war, für das einzelne Institut bedeutete es eine wesentliche Einschränkung. Eine fest vorgegebene Relation zwischen eigenen und fremden Mitteln erlaubte es der einzelnen Bank nämlich nicht mehr, unbegrenzt fremde Mittel an sich zu ziehen, ohne parallel dazu das Eigenkapital zu erhöhen. Vielmehr begrenzte die Höhe des Eigenkapitals das Gesamtvolumen einer Bank, die gesetzliche Einführung einer Eigenkapitalquote beschränkte somit das Wachstum der einzelnen B a n k . 1 6 7 Aus Sicht der Banken, insbesondere der Großbanken, stellte sich die Einführung einer gesetzlichen Eigenkapitalquote somit als erhebliche Beschränkung ihrer Geschäftstätigkeit dar. Freilich führten die Vertreter der Großbanken während der Bankenenquete ihre begrenzten Wachstumsmöglichkeiten nicht als Argument gegen die Einführung einer Eigenkapitalquote an. Es bestand die Gefahr, sich mit diesem Einwand in Mißkredit zu bringen, da den Großbanken gerade ihr ungezügeltes Wachstum vorgeworfen und vor diesem Hintergrund die Debatte um die Einführung eines Regionalbankensystems 168 geführt wurde. Statt dessen machten 163 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 43 f.; Lombardus, Der Deutsche Volkswirt 1931, S. 1614; Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 575; Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 28. 164 Vgl. Meilinger, Die Bank 1930, S. 589. 165 Vgl. Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 43; Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 575. Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 28, forderte noch weitergehend eine Relation von 1:8.
166 Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6915, S. 341 ff. 167 Vgl. Müller-Freienfels, S. 19. 168 s. o., Teil 3, B.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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die Banken Vertreter andere Gründe gegen die gesetzliche Regelung der Mittelausstattung geltend. So wandte sich der Vertreter der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft, Mosler, gegen eine Eigenkapitalquote. Er wies darauf hin, daß es Fälle gebe, in denen das Uberschreiten einer bestimmten Relation zwischen eigenen und fremden Mitteln wirtschaftlich vertretbar sei. Wenn dies aber aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht möglich sei, entstünden Gefahren für die Volkswirtschaft. Zudem werde eine Verbesserung der Eigenkapitalquote bei anziehender Konjunktur von selbst eintreten. 1 6 9 Ebenfalls sehr zurückhaltend und zudem wenig konkret äußerte sich der Direktor der Hamburger Vereinsbank Stürken. Er vertrat den Standpunkt, daß die Reichsbank verschiedene Richtlinien hinsichtlich des Verhältnisses von eigenen und fremden Mitteln und Engagements geben könne. Dazu sei die Erweiterung der Publizität der Banken gegenüber der Reichsbank zweckmäßig. Sodann könne die Reichsbank unter gewissen Umständen eingreifen und Konsequenzen ziehen. 1 7 0 Offenbar schwebte Stürken eine flexible Kontrolle der Eigenkapitalausstattung der Banken durch die Reichsbank vor, während er eine gesetzliche Regelung der Eigenkapitalquote ablehnte. In eine ähnliche Richtung ging schließlich auch der Vorschlag von Geheimrat Remshard, 171 Er lehnte ebenfalls eine generelle Regelung der Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital ab. Statt dessen sollte die Reichsbank auf Grund der Informationen, die die Banken ihr zur Verfügung zu stellen hätten, von sich aus bestimmte Regeln aufstellen und deren Innehaltung durch die Kreditinstitute kontrollieren. 1 7 2 Die Diskussion in der Fachliteratur und der Bankenenquete von 1933 vermittelte dem Gesetzgeber somit ein klares B i l d von der Haltung der beteiligten Kreise gegenüber der gesetzlichen Einführung einer Eigenkapitalquote. Während die Vertreter der Wissenschaft praktisch durchweg eine gesetzlich festgelegtes Verhältnis zwischen eigenen und fremden Mitteln forderten, standen die Banken Vertreter dieser Forderung äußerst reserviert gegenüber. Letztere lehnten eine generell gültige Eigenkapitalquote ab, konnten sich aber in dieser Frage eine elastische Kontrolle durch die Reichsbank vorstellen, ohne jedoch konkrete Vorschläge für die Ausgestaltung dieser Kontrolle vorzubringen.
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Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 344. 170 Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 346. 171 Remshard war Vertreter einer Provinzbank. 172 Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 345.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
3. § 11 KWG-E 1 Bereits der erste KWG-Entwurf, den die Reichsbank für den Untersuchungsausschuß ausgearbeitet hatte, sah in § 11 die gesetzliche Einführung einer Eigenkapitalquote vor. a) Der Inhalt des Entwurfs § 11 Abs. 1 K W G - E 1 bestimmte: „Die Gesamtverpflichtungen einer Bank aus a) Depositengeldern, b) Spargeldern, c) Kontokorrentguthaben ihrer Kunden, d) aus der Übernahme von Zahlungen, e) aus eigenen Akzepten, f) aus der Übernahme von Garantien irgendwelcher Art ausschließlich der Indossamentsverpflichtungen sollen abzüglich der liquiden Mittel i m Sinne des § 16 Abs. 1 und 2 1 7 3 den zehnfachen Betrag ihres haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten." Der Entwurf sah somit eine generelle Eigenkapitalquote von 10% vor. Er griff damit die Forderungen der Vertreter aus der Wissenschaft auf und nahm keine Rücksicht auf die Einwände der Bankenvertreter, die eine fixe Eigenkapitalquote durchweg abgelehnt hatten. Andererseits hatte die Reichsbank bei der Formulierung des § 11 K W G - E 1 die Bestimmung der Eigenkapitalquote an das bei der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft bereits bestehende Verhältnis zwischen eigenen und fremden Mitteln angelehnt 1 7 4 und sich somit bemüht, eine tragbare Regelung für die Großbanken zu finden. § 11 Abs. 2 K W G - E 1 definierte den Begriff „haftendes Eigenkapital" für die verschiedenen Gruppen des deutschen Kreditwesens, den Privatbanken, den Kreditgenossenschaften und den öffentlichen Banken. Bei Einzelkaufleuten und Personengesellschaften bildete sich das haftende Eigenkapital aus dem i m Geschäft arbeitenden Kapital nach Abzug eingetretener Verluste und der Entnahmen der Inhaber (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 K W G - E 1). Bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften stellten das eingezahlte Kapital und die ausgewiesenen Reserven das haftende Eigenkapital dar, wovon jedoch ggf. eingetretene Verluste abzuziehen waren (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 K W G - E 1). Bei öffentlichen Banken schließlich wurde das haftende Eigenkapital durch ihr Dotationskapital zuzüglich der ausgewiesenen Reserven gebildet (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 K W G - E 1).
b) Die Beratung des Entwurfs
im Untersuchungsausschuß
In der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 wurde der Grundgedanke des § 11 K W G - E 1, die Banken zu einer angemessenen Eigenkapitalausstattung zu zwingen, allgemein gebilligt. Kritik entzündete sich in erster 173 § 16 KWG-E 1 regelte die Liquiditätsvorsorge der Kreditinstitute, s. u., Teil 4, F., VI., 3. 174 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 279.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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Linie an der starren Fixierung der Eigenkapitalquote, die auf 10% der Gesamtverbindlichkeiten festgesetzt wurde. Anstelle einer derartigen starren Regelung schlug Keppler vor, § 11 des Entwurfes flexibel zu formulieren und anstelle eines festen Satzes nur einen Rahmen für die Eigenkapitalquote vorzugeben, der vom Bankenaufsichtsamt durch die Festsetzung der jeweils maßgeblichen Quote ausgefüllt werden sollte. 1 7 5 Diesem Vorschlag stimmte Schacht mit der Erwägung zu, daß eine derartige elastischere Regelung dazu geeignet sei, eine allmähliche Verbesserung des Verhältnisses zwischen eigenen und fremden Mitteln herbeizuführen. 1 7 6 Der Ausschuß einigte sich somit auf eine flexible Fassung des § 11 K W G - E 1 und kam damit den Wünschen der Banken Vertreter nach einer elastischen Regelung entgegen. Nachdem die grundsätzliche Fassung des § 11 K W G - E 1 außer Frage stand, erörterte der Ausschuß einige Detailfragen des Entwurfs. So regte Bankier Martin an, i m Gegensatz zu § 11 Abs. 1 f.) K W G - E 1 die Indossamentsverpflichtungen in die Gesamtverpflichtungen einzubeziehen, 1 7 7 während Ernst vorschlug, bei der Definition des haftenden Eigenkapitals gem. § 11 Abs. 2 K W G - E 1 Rückstellungen und Delkrederereserven nicht zu berücksichtigen. 1 7 8 Schacht sagte zu, beide Anregungen zu prüfen, so daß in dieser Sitzung keine Beschlüsse über diese Punkte gefaßt wurden.
c) Die Beratung des Entwurfs
im Reichswirtschaftsministerium
Ebenso wie i m Untersuchungsausschuß entwickelte sich auch in der ersten Besprechungsrunde im Reichswirtschaftsministerium eine lebhafte Diskussion über die Fassung des §§ 11 K W G - E 1, der in der Sitzung vom 8. März 1934 beraten wurde. Anders als der Untersuchungsausschuß brachten insbesondere die Regierungsvertreter dem Grundgedanken und der Fassung des § 11 K W G - E 1 teilweise große Skepsis entgegen. So hielt es Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) ähnlich wie die Banken Vertreter in der Enquete für bedenklich, eine für alle Bankengruppen gleichmäßige Regelung der Eigenkapitalquote zu schaffen. Ihm schwebte offenbar als Alternative die schweizerische Regelung vor, die nur ganz allgemeine Richtlinien für das Verhältnis zwischen eigenen und fremden Mitteln vorsah. 1 7 9 175 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 279. 17 6 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 279. 177
Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6939, S. 279. 178 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 279. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S . 2 5 .
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Darüber hinaus befürchtete Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium) eine Beunruhigung der Kreditwirtschaft, wenn diese mit zu weitgehenden Einschränkungen rechnen müsse. 1 8 0 Schließlich bezweifelte Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) sogar die Wichtigkeit der Vorschrift überhaupt. 1 8 1 Demgegenüber verteidigten Ministerialdirigent Berger (Reichsfinanzministerium) und Reichsbankdirektor Müller den in § 11 K W G - E 1 enthaltenen Grundsatz und hielten daran fest, eine zahlenmäßig bestimmte Eigenkapitalquote in das Gesetz aufzunehmen. Besonders Müller verdeutlichte noch einmal den Sinn einer gesetzlichen Eigenkapitalquote, die verhindere, daß sich Verluste eines Kreditinstitutes sogleich in einer Gefährdung der Kundengelder äußerten. Eine feste Relation zwischen eigenen und fremden Mitteln sei geeignet, die Bankleiter zu einer verantwortungsvollen Geschäftsführung zu z w i n g e n . 1 8 2 Eine vermittelnde Haltung nahm Bankenkommissar Ernst ein. Ausgehend von dem Standpunkt, den der Untersuchungsausschuß auf seiner Sitzung vom 27. Februar 1934 eingenommen hatte, trat er dafür ein, die Eigenkapitalquote in Form einer Rahmenvorschrift zu regeln. Dabei sollte die Festsetzung des Verhältnisses zwischen Eigen- und Fremdkapital einerseits im Einzelfall seinem Ermessen überlassen bleiben. Andererseits sollte die Vorschrift aber auch durch die Verpflichtung der Bankenaufsicht, die Eigenkapitalquote nicht höher als 20% festsetzen zu dürfen, einen festen Richtwert für die Banken enthalten. Ernst argumentierte, eine derartige Regelung gewährleiste eine für die verschiedenen Bankengruppen jeweils zweckmäßige individuelle Behandlung. 1 8 3 Nachdem die verschiedenen grundsätzlichen Ansichten zur Frage der Eigenkapitalregelung vorgebracht waren, wandte sich die Diskussion Detailfragen bezüglich der zu berücksichtigenden Verpflichtungen der Banken i m Sinne des § 11 Abs. 1 K W G - E 1 und der Legaldefinition des haftenden Eigenkapitals gem. § 11 Abs. 2 K W G - E 1 zu. Der Vorschlag von Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium), in § 11 Abs. 1 e) K W G - E 1 neben den eigenen Akzepten auch die eigenen Ziehungen einer Bank in die Gesamtverpflichtungen einzubeziehen, fand allgemeine Bill i g u n g . 1 8 4 Weiterhin regte Ernst an, über § 11 Abs. 2 Nr. 1 K W G - E 1 hinaus auch 180 p r ot. der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.245. 181 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.245. 182 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S. 245. 183 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 246. 184 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 246 f.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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das nicht i m Geschäft arbeitende haftende Kapital der Einzelunternehmer und Personengesellschaften in das haftende Eigenkapital einzubeziehen. 1 8 5 Schließlich sah der erste Entwurf nicht vor, auf welchen Zeitraum bei der Berechnung des haftenden Eigenkapitals abzustellen sei. Insoweit trat Schwandt für eine Stichtagsregelung ein, wobei die allgemeine Meinung dahin ging, den letzten Jahresabschluß als maßgeblichen Berechnungszeitpunkt zu w ä h l e n . 1 8 6 Ein Beschluß über die geänderte Fassung des Entwurfs wurde in der Sitzung vom 8. März 1934 nicht gefaßt, jedoch bildeten die in der Debatte vorgebrachten Gesichtspunkte die Grundlage für die Überarbeitung des § 11 K W G - E 1.
4. § 10 KWG-E 2 Aufgrund der Besprechungen i m Untersuchungsausschuß vom 27. Februar 1934 und i m Reichswirtschaftsministerium am 8. März 1934 wurde der § 11 K W G - E 1 neu gefaßt und fand sich nunmehr in § 10 K W G - E 2 wieder. Dabei wurden die vorgebrachten Anderungsvorschläge überwiegend berücksichtigt. Die wichtigste Neuerung fand sich in § 10 Abs. 1 K W G - E 2. Sie bestand darin, daß eine feste und unveränderliche Eigenkapitalquote von 10% nicht mehr vorgesehen war. Vielmehr war gem. § 10 Abs. 1 K W G - E 2 das Bankenaufsichtsamt 187 ermächtigt, das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital der Kreditinstitute festzulegen. Dabei war es befugt, die Eigenkapitalquote für einzelne Gruppen von Kreditinstituten verschieden zu bemessen, in jedem Fall durfte das Verhältnis aber nicht weniger als 1:8 betragen. Überdies konnte gem. § 10 Abs. 2 K W G - E 2 das Aufsichtsamt in besonderen Fällen Abweichungen von den Vorschriften des Abs. 1 zulassen. Die weiteren Änderungen des § 10 Abs. 1 K W G - E 2 betrafen Detailfragen. So wurden nunmehr neben den eigenen Akzepten auch die Solawechsel und eigenen Ziehungen einer Bank, die Verpflichtungen aus Bürgschaften und Indossamenten und die Nostroverpflichtungen in die Gesamtverpflichtungen eines Kreditinstituts einbezogen. Auch die Vorschriften über die Bestimmung des haftenden Eigenkapitals wurden detaillierter und ausführlicher geregelt, als dies noch i m § 11 K W G - E 1 der Fall war. Ausgehend von dem Vorschlag Emsts war es gem. § 10 Abs. 3 Nr. 1 K W G - E 2 nunmehr möglich, bei Einzelunternehmen und Personalgesellschaften nicht im Geschäft arbeitendes Vermögen der unbeschränkt haftenden Inhaber bei der Berechnung des Eigenkapitals zu berücksichtigen. Die Kreditgenossenschaften erfuhren eine Verbesserung ihrer Stellung, da nunmehr über ihr 185 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 247. 18 6 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 247. 187
Im KWG wurde daraus das „Aufsichtsamt für das Kreditwesen".
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Geschäftsguthaben und die ausgewiesenen Reserven hinaus auch ein „angemessener Zuschlag, welcher der Haftsummenverpflichtung der Genossen Rechnung trägt" (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 K W G - E 2) bei der Bestimmung ihres haftenden Eigenkapitals berücksichtigt werden konnte. Die Vorschrift über die Berechnung des haftenden Eigenkapitals der öffentlichen Kreditinstitute wurde den entsprechenden Vorschriften für die Privatbanken und Kreditgenossenschaften angeglichen, indem nunmehr auch bei den öffentlichen Instituten entstandene Verluste das haftende Eigenkapital schmälerten (§ 10 Abs. 3 Nr. 4 K W G - E 2). Dem weiteren Vorschlag Emsts entsprechend, ließ § 10 Abs. 4 K W G - E 2 die Einbeziehung sämtlicher Reserven in die Eigenmittelberechnung nicht mehr zu. Berücksichtigt werden konnten vielmehr nur die gesetzlichen Reserven, nicht dagegen die „außerordentlichen Reserven, stillen Reserven, Delkrederereserven und Rückstellungen jeder Art' 4 (§ 10 Abs. 4 K W G - E 2). Schließlich wurde festgelegt, daß für die Feststellung des haftenden Eigenkapitals i m Sinne des § 10 Abs. 2 K W G - E 2 „die letzte für den Schluß eines Geschäftsjahres ordnungsmäßig aufgestellte Bilanz" maßgeblich war (§ 10 Abs. 5 K W G E 2). Die Neufassung des § 11 Abs. 1 K W G - E 1 durch § 10 Abs. 1 K W G - E 2 trug dem Wunsch des Untersuchungsausschusses und der Besprechungsrunde i m Reichswirtschaftsministerium nach einer elastischeren Fassung der Eigenkapitalvorschrift Rechnung. Damit war es möglich, die Eigenkapitalquote unter Berücksichtigung der verschiedenen Verhältnisse bei den einzelnen Institutsgruppen festzusetzen und die Mittelausstattung der Kreditinstitute allmählich zu verbessern, ohne das deutsche Kreditwesen dabei zu überfordern. Die weiteren Änderungen stellten eine Verfeinerung des ersten Entwurfes dar, ohne daß dadurch der Charakter und die Bedeutung der Vorschrift geändert wurden.
5. § 10 KWG-E 3 und die weitere Entstehung des § 11 KWG Bei den Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. M a i 1934 wurde auch § 10 K W G - E 2 beraten und in § 10 K W G - E 3 neu gefaßt. Die Protokolle dieser Sitzungen sind nicht überliefert. Anhand der späteren Entwürfe ist jedoch zu erkennen, daß in diesen Gesprächen keine grundlegenden Änderungen mehr beschlossen wurden. Gegenüber § 10 K W G - E 2 stellte § 10 K W G - E 3 in erster Linie eine weitere Verfeinerung dar. § 10 K W G - E 3 behielt die elastische Fassung des § 10 K W G - E 2 bei, indem er die Festsetzung der Eigenkapitalquote dem Aufsichtsamt überließ. Neu war jedoch, daß der Rahmen für diese Festsetzung anders bestimmt wurde. Erlaubte § 10 Abs. 1 K W G - E 2 dem Aufsichtsamt, den Banken höchstens eine Eigenkapitalquote von 1:8 abzuverlangen, so war das A m t aufgrund § 10 Abs. 5 b) K W G - E 3 ermächtigt, eine höhere Quote von maximal 1:5 anzuordnen.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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Darüber hinaus bestanden die Änderungen des § 10 K W G - E 3 gegenüber § 10 K W G - E 2 in einer weiteren Flexibilisierung der Vorschrift. § 10 Abs. 2 K W G E 2, der Abweichungen von den Vorschriften des Abs. 1 zuließ, entfiel. 1 8 8 Die Einbeziehung von Garantien und Bürgschaften jeder Art sowie von Indossamentsverpflichtungen in die Gesamtverbindlichkeiten eines Kreditinstitutes, die in § 10 Abs. 1 f.) K W G - E 2 noch zwingend vorgesehen war, oblag nunmehr der Entscheidung des Aufsichtsamtes (§ 10 Abs. 5 a) K W G - E 3). Weiterhin erfuhren die öffentlichen Kreditinstitute eine Besserstellung. Das Aufsichtsamt war gem. § 10 Abs. 5 c) K W G - E 3 ermächtigt, das haftende Eigenkapital für öffentliche Kreditinstitute, für die ein öffentlich-rechtlicher Gewährträger haftete, abweichend von § 10 Abs. 2 Nr. 4 K W G - E 3 1 8 9 zu bestimmen. Damit war es möglich, der staatlichen Garantie für diese Institute bei der Berechnung des Eigenkapitals Rechnung zu tragen. 1 9 0 Dieser Änderung gingen Interventionen der öffentlichen Kreditinstitute voraus. So wandte sich i m A p r i l 1934 der Braunschweigische Finanzminister i m Interesse der Braunschweigischen Staatsbank an den Reichs wirtschaftsminister. 191 In dem Schreiben wurden, nachdem die Entwurfsfassung der Eigenkapitalvorschrift bekannt geworden war, die fehlende Berücksichtigung der Staatsgarantie kritisiert und entsprechende Ausnahmevorschriften gefordert. Auch die Bayerische Staatsbank versuchte i m gleichen Monat Änderungen am gesamten Gesetzesentwurf durchzusetzen und bemängelte dabei, daß die Haftung des Staates für die öffentlichen Kreditinstitute nicht berücksichtigt w ü r d e . 1 9 2 Die Aufnahme des § 10 Abs. 5 c) K W G - E 3 war somit offensichtlich das Ergebnis erfolgreicher Interessenpolitik der öffentlichen Kreditinstitute. Ferner beschränkte § 10 Abs. 3 K W G - E 3 anders als § 10 Abs. 4 K W G - E 2 die bei der Eigenkapitalberechnung zu berücksichtigenden Reserven nicht mehr allein auf die gesetzlichen Reserven, schloß aber die Berücksichtigung von außerordentlichen Reserven, stillen Reserven, Delkrederereserven und Rückstellungen jeder Art weiterhin aus. 1 9 3 Schließlich erfuhr § 10 K W G - E 3 eine redaktionelle Neufas-
188 Die Regelung des § 10 Abs. 2 KWG-E 2 tauchte in § 53 KWG-E 3 wieder auf. § 53 KWG-E 3 war eine Übergangsvorschrift, die den Reichskommissar ermächtigte, Abweichungen von verschiedenen Vorschriften des Entwurfs zuzulassen. S. u., Teil 4, M., II. 189 § 10 Abs. 2 Nr. 4 KWG-E 3 blieb gegenüber § 10 Abs. 3 Nr. 4 KWG-E 2 unverändert. 190 Diesen Zweck der Änderung stellte die Endfassung des § 11 KWG deutlicher heraus, indem § 11 Abs. 5 c) KWG die Ermächtigung zugunsten des Aufsichtsamtes enthielt, „Bestimmungen zu treffen, inwieweit diese Haftung [der Gewährträger für die öffentlich-rechtlichen Institute] an die Stelle des haftenden Eigenkapitals treten kann". 19 1 Schreiben an den Reichswirtschaftsminister vom 13. April 1934. Abschrift des Schreibens in BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2 /13683, S. 147 f. 192 Schreiben vom 10. April 1934 an den Reichsfinanzminister, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 150ff. 193
Damit sollte offenbar klargestellt werden, daß auch Bankiers oder Banken, die aufgrund ihrer Rechtsform nicht gesetzlich zur Bildung von Reserven verpflichtet waren, allgemeine Reserven zur Eigenkapitalerhöhung bilden konnten. Dagegen sollten wohl durch § 10
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
sung, indem die Befugnisse des Aufsichtsamtes in dem neu geschaffenen § 10 Abs. 5 K W G - E 3 zusammengefaßt waren. Darüber hinaus wurden keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen. M i t § 10 K W G - E 3 war bereits Ende M a i 1934 eine Fassung der Vorschrift über die Eigenmittelausstattung der deutschen Kreditinstitute gefunden worden, die mit der endgültigen Fassung des § 11 K W G praktisch identisch war. Dementsprechend war die Vorschrift auch nicht mehr Gegenstand der abschließenden Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium am 24. Mai 1934. Auch der Untersuchungsausschuß widmete sich ihr in seiner Sitzung vom 4. Oktober 1934 nicht. Somit erfuhr § 10 K W G - E 3 gegenüber der Endfassung in § 11 K W G - abgesehen von wenigen der Klarstellung dienenden Neuformulierungen 1 9 4 - nur noch eine Änderung in einer Detailfrage. Abweichend von den vorhergehenden Entwürfen war das Aufsichtsamt gem. § 11 Abs. 5 a) K W G ermächtigt, die Nostroverpflichtungen bei der Berechnung der Gesamtverpflichtungen eines Kreditinstitutes auszuschließen. 195 Damit war eine weitere Möglichkeit geschaffen, bei der Festsetzung einer Eigenkapitalquote den unter Umständen verschieden gelagerten Verhältnissen bei einzelnen Kreditinstituten oder Institutsgruppen Rechnung zu tragen. 1 9 6
6. Resümee M i t der Verabschiedung des § 11 K W G war erstmals in Deutschland die gesetzliche Grundlage für eine angemessene Eigenkapitalausstattung der deutschen Kreditinstitute geschaffen worden. Dabei muß die gefundene Lösung - Formulierung des § 11 K W G als Rahmenvorschrift, Festsetzung der konkreten Eigenkapitalquote durch das Aufsichtsamt - als gelungener Kompromiß zwischen den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen des deutschen Kreditwesens und den Belangen der einzelnen Kreditinstitute angesehen werden. So erlaubte es § 11 K W G der Bankenaufsicht einerseits, den Kreditinstituten eine Eigenkapitalquote von maximal 20% abzuverlangen und kam damit insbesondere den Vertretern der Wissenschaft entgegen, die eine strenge und eindeutige Eigenkapitalausstattung der deutschen Kreditinstitute gefordert hatten. Überdies war § 11 K W G , indem er einen Wert von 20% als Richtgröße aufstellte, geeignet, die eigenen Anstrengungen der deutschen Banken zu einer Verbesserung ihrer Abs. 3 KWG-E 3 für bestimmte Sonderzwecke gebildete Reserven oder Rückstellungen bei der Eigenkapitalberechnung außer Ansatz bleiben. Vgl. die Kommentierung zum gleichlautenden § 11 Abs. 3 KWG von Fischer, KWG-Kommentar, S. 91 f. 194 So wurde § 11 Abs. 5 c) KWG deutlicher gefaßt, s.o., Teil 4, Fn. 190. 1 95 Diese Änderung wurde auf der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 beschlossen. s. die Auflistung der beschlossenen Änderungen in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/ 13683, S. 229. 196 Fischer, KWG-Kommentar, S. 90.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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Eigenkapitalausstattung zu erhöhen. Die Vorschrift kam damit auch denen entgegen, die sich von der Nennung einer bestimmten Quote i m Gesetz offenbar eine gewisse Orientierungs- und Erziehungsfunktion versprachen. 197 Andererseits berücksichtigte § 11 K W G den Wunsch der Banken nach einer flexiblen Regelung. Die vielfältigen Ausnahme- und Sonderregeln des § 11 K W G erlaubten es, nicht nur die Eigenkapitalquote selbst, sondern auch die sie bildenden Parameter - die Gesamtverpflichtungen und das haftende Eigenkapital - exakt auf die jeweiligen Bedürfnisse des einzelnen Kreditinstituts oder der einzelnen Institutsgruppen zuzuschneiden. Überdies gewährleistete die weite Fassung des § 11 K W G eine allmähliche Erhöhung der Eigenkapitalquoten der deutschen Kreditinstitute und beugte damit einer zu starken Belastung des Kreditwesens vor. Bei der Betrachtung der Entstehung des § 11 K W G fällt auf, daß die Vorschrift i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zum einen an ihrem Ziel festhielt, die Eigenkapitalausstattung des deutschen Kreditwesens zu erhöhen, zum anderen jedoch ihre Rechtsnatur grundlegend änderte. § 11 K W G - E 1 war noch eine strenge und starre Vorschrift gewesen, die ohne Ausnahme für alle Kreditinstitute eine Eigenkapitalquote von 10% zwingend vorschrieb. Der Umsetzung der Vorschrift durch das Aufsichtsamt bedurfte es nicht. Ganz anders stellte sich dagegen der endgültige § 11 K W G dar. Die Vorschrift selbst stellte keine Eigenkapitalquote auf, sondern gab insoweit nur einen Rahmen vor, der durch das Aufsichtsamt auszufüllen war. Aus einer Norm, die eine bestimmte Frage selbst regelte, war somit eine sehr weit formulierte Ermächtigungsgrundlage geworden, die die Lösung des ihr zugrunde liegenden Problems einer staatlichen Behörde übertrug. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob diese Änderung des Charakters des § 11 K W G nicht zu einer Aushöhlung und Verwässerung seiner Grundidee führte. Wenngleich diese Gefahr nicht von der Hand zu weisen ist, muß jedoch bedacht werden, daß der Gesetzgeber zu der immer offeneren Formulierung des § 11 K W G praktisch gezwungen war. Denn der Komplexität und Vielgestaltigkeit des deutschen Kreditwesens wäre eine derartig starre Regelung, wie sie § 11 K W G E 1 noch vorsah, nicht gerecht geworden und hätte unter Umständen mehr geschadet als genutzt. 1 9 8 Insgesamt gesehen stellte § 11 K W G somit eine ausgewogene 197 Vgl. o., Teil 4, F., I., 3., c). 198 Im Laufe der Zeit zeigte sich, daß sogar die sehr offene Fassung des § 11 KWG angesichts der komplizierten Struktur des Kreditwesens offenbar immer noch zu starr war. Denn auch nach dem Inkrafttreten des KWG kam es nie zu einer Umsetzung des § 11 KWG (vgl. Rehmann, S. 41). Bei der Neufassung des KWG im Jahre 1961 (KWG v. 10. Juli 1961, BGBl. I S. 881) wurde die dem § 11 KWG 1934 entsprechende Regelung des § 10 KWG 1961 daher noch weiter gefaßt, indem von den Kreditinstituten lediglich verlangt wurde, daß sie „ein angemessenes haftendes Eigenkapital haben". Die nähere Ausgestaltung dieses Erfordernisses hatte durch die Grundsätze des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BÄK) zu erfolgen, die erstmals 1962 veröffentlicht wurden. Dabei war dem BÄK nicht nur die Bestimmung der Eigenkapitalquote selbst vorbehalten, sondern auch, welche Arten von Krediten in welcher Höhe bei ihrer Berechnung zu berücksichtigen waren.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Regelung dar und war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem stabilen Kreditwesen.
I I . Regelung der Höchstkredite, § 12 K W G § 12 K W G legte den Kreditinstituten Beschränkungen bei der Kreditgewährung auf, indem er die Gewährung besonders hoher Kredite an einzelne Kreditnehmer an bestimmte Vorgaben knüpfte.
1. Die Problematik überhöhter Einzeikredite Seit den zwanziger Jahren hatten die Kreditinstitute in zunehmendem Maße vielfach zu hohe Kredite an einzelne Kunden vergeben. Diese überhöhten Kredite bedeuteten einen Verstoß gegen den Grundsatz der Risikostreuung 1 9 9 und bargen große Gefahren für die kreditgebenden Banken in sich. Denn sobald der Kreditnehmer, der einen derartigen Großkredit erhalten hatte, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und seinen Kredit nicht mehr zurückzahlte, konnte dies auch das kreditgebende Institut in Bedrängnis bringen. 2 0 0 Insbesondere nach der Bankenkrise von 1931 zeigte sich, wohin die Gewährung zu hoher Einzelkredite führte. Es stellte sich heraus, daß diese Kredite zu den wichtigsten Gründen zählten, die die Kreditinstitute in Schwierigkeiten gebracht hatten. So hatte eine Vielzahl von Instituten einen zu großen Teil ihrer Eigenmittel oder sogar ihre gesamten Eigenmittel sowie eine Teil ihrer fremden Mittel häufig in nur einem einzigen oder in sehr wenigen Engagements angelegt. Sobald eines dieser Engagements einfror, bedeutete das häufig auch das Aus für die kreditgebende B a n k . 2 0 1 Der spektakulärste Fall dieser Art war der der Danat-Bank. Diese Bank hatte einen sehr hohen Kredit an den Nord wolle-Konzern gegeben. Nachdem der Nord wolle-Konzern extreme Verluste erlitten hatte, geriet auch die Danat-Bank in arge Bedrängnis und mußte schließlich auf dem Höhepunkt der Bankenkrise am 13. Juli 1931 ihre Schalter schließen. 2 0 2 Die Gewährung zu hoher Einzeikredite stellte somit eine ernsthafte Bedrohung der Stabilität des Kreditwesens dar. Darüber hinaus beinhaltete die Bevorzugung der Großkredite durch die Kreditinstitute ein gesamtwirtschaftliches Problem. Indem insbesondere die Großbanken ihre fremden Mittel vorzugsweise an verhältnismäßig wenige Großkunden aus199 Vgl. Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1933, S. 1162. 200 Vgl. Paersch, S. 56. 201 Ernst, Sparkasse 1935, S. 214. 202 Die Danat-Bank hatte durch das Nordwolle-Engagement 50 Mio. RM verloren, bei einem haftenden Kapital von nur 25 Mio. RM, s. Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 492. Die Bank konnte auch nach der Überwindung der Krise nicht als eigenes Institut weiterbestehen und wurde mit der Dresdner Bank fusioniert.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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liehen, entstand eine Lücke in der Kreditversorgung der mittelständischen Industrie und des kleineren Gewerbes. 2 0 3 Die Bevorzugung der Großkredite führte schließlich dazu, daß die kleinen und mittleren Kredite bei den Großbanken praktisch keine Rolle mehr spielten. So betrug zwar der Anteil der Klein- und Mittelkredite unter 100.000 R M bei den Berliner Filialgroßbanken zum 31. Oktober 1931 gemessen an der Gesamtzahl der gewährten Kredite 95,5%, ihr wertmäßiger Anteil am gesamten Kreditvolumen der Banken betrug jedoch nur 2 2 , 1 % , 2 0 4 so daß die Großbanken ihr Kreditgeschäft zu beinahe 80% auf die Großkredite stützten. 2 0 5 Die wachsende Bevorzugung des Großkredits war zum großen Teil Folge der Entwicklung des Kreditwesens in der Weimarer Zeit. Damals wurden insbesondere die Großbanken und die Provinzbanken angesichts der dramatischen Konkurrenzverhältnisse zunehmend unrentabel. 2 0 6 Dem konnte durch die Gewährung von Großkrediten teilweise entgegen gewirkt werden. Denn mit Großkrediten war ein vielfach höherer Profit als mit kleineren Darlehen zu erzielen, zumal der Bearbeitungsaufwand bei beiden Arten von Krediten ungefähr gleich w a r . 2 0 7 U m nicht in die Verlustzone zu geraten, verlegten sich die Banken daher vermehrt auf das Großkreditgeschäft 2 0 8 Spätestens seit der Krise von 1931 hatte sich diese Geschäftspolitik jedoch als verhängnisvoll erwiesen.
2. Die Diskussion über die Einführung einer Höchstkreditgrenze Sobald die Bankenkrise von 1931 die Gefahren der überhöhten Großkredite für die einzelnen Banken und für das gesamte Kreditwesen offenbart hatte, setzte eine Diskussion über den zukünftigen Umgang mit Großkrediten ein. Dabei stand insbesondere die Frage i m Vordergrund, ob die Gewährung von Großkrediten gesetzlich zu beschränken sei. Ahnlich wie bei der Diskussion um die Einführung einer gesetzlichen Eigenkapitalquote waren es wiederum die Vertreter der Wissenschaft, die eine gesetzliche Begrenzung der Großkredite befürworteten. So wurde gefordert, in Anlehnung an die bereits bestehenden Bestimmungen anderer Länder den Kreditinstituten eine Höchstgrenze zu setzen, bis zu der Kredite an einzelne Kreditnehmer ge203 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 14; Wittke, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 190. 204 Materialien zur Vorbereitung der Bankenenquete 1933, S. 139. 205 Bei den Sparkassen sah die Kreditverteilung freilich ganz anders aus. Hier machten die Kredite bis 30.000 RM 99,5% aller gewährten Kredite aus und ihr wertmäßiger Anteil am gesamten Kreditvolumen belief sich auf 79,7%. S. Leitner, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 373. 2 06 Vgl. o., Teil Ι , Β . , Ι . , l.,b). 2 07 Ernst, Sparkasse 1935, S. 214. 208 Vgl. Fischer, Die fehlerhafte Kreditpolitik, S. 526.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
währt werden dürften. Dabei sollte sich diese Höchstgrenze nach dem Eigenkapital der kreditgebenden Bank richten. 2 0 9 Konkret wurde vorgeschlagen, daß die Höhe des Kredits an einen einzelnen Kunden ca. 10% der Eigenmittel des Kreditinstituts nicht übersteigen d ü r f e . 2 1 0 Neben den Vertretern der Wissenschaft war auch die nach 1931 eingerichtete Bankenaufsicht einer Regelung der Höchstkredite offenbar nicht abgeneigt. Denn der Reichskommissar und das Kuratorium für das Bankgewerbe hatten nach der Krise von 1931 bereits erste positive Erfahrungen mit entsprechenden Vorschriften sammeln können. So wurden i m Zuge der Sanierung einiger Kreditgenossenschaften und Provinzbanken Höchstgrenzen für die Gewährung von Einzelkrediten aufgestellt. Dabei wurde den sanierungsbedürftigen Instituten zur Auflage gemacht, keine Kredite zu gewähren, die 5% ihrer Eigenmittel überschritten. Die Überschreitung dieser Quote war nur zulässig, wenn alle Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates zugestimmt hatten. 2 1 1 I m Rahmen der Bankenenquete erhielten schließlich auch die Banken Vertreter Gelegenheit, zur gesetzlichen Einführung einer Höchstkreditgrenze Stellung zu nehmen. 2 1 2 Da eine derartige Bestimmung eine weitere Einschränkung in ihrer Geschäftsführung bedeutete, überrascht es nicht, daß sie sich gegen eine gesetzliche Beschränkung ihres Kreditgeschäftes wandten. Mosler (Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft) argumentierte, daß die Großkredite häufig nicht auf einmal und in einer Summe gewährt würden. Vielmehr hätten die Großkredite oft als kleine Kredite angefangen und wären i m Laufe der Zeit immer größer geworden. In dieser Situation sei es schwierig für eine Bank, eine weitere Krediterhöhung abzulehnen, da die Gefahr bestünde, daß dies große Nachteile für den Kunden hätte. Denn wenn er wegen der Erreichung der Höchstkreditgrenze keinen Kredit mehr bei seiner Hausbank bekäme, würden auch andere Institute keinen Kredit mehr gewähren und der Kunde geriete in Zahlungsschwierigkeiten.213 Somit sei vom Standpunkt der Wirtschaft aus die gesetzliche Fixierung einer Höchstkreditgrenze abzulehnen, wenngleich Mosler einräumte, daß vom Standpunkt der Banken aus gewisse Gesichtspunkte für eine gesetzliche Regelung sprächen. 2 1 4 209 Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 27. 210 Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931 / 32, Jg. 8, S. 574. Für eine gesetzliche Regelung der Höchstkredite sprachen sich auch Prion, Der Deutsche Volkswirt 1033, S. 333 und Ziegler, Bankensanierung und Bankenaufsicht, S. 66, aus. 211 Paersch, S. 58. Dort ist auch der Wortlaut der entsprechenden Bestimmung abgedruckt. 212 Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 344ff. 213 Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 344f., 348. 214 Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 348.
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Unterstützung erhielt Mosler von Dr. Teewag (Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes e.V.). Er verwies auf die entsprechenden Regeln des Auslandes. So durften in der Tschechoslowakei und in Polen Einzeikredite 10% der Eigenmittel nicht übersteigen, während in Italien die Grenze bei 20%, in Norwegen bei 25% und in Dänemark bei 35% lag. Aus diesen großen Unterschieden zog Teewag den Schluß, daß eine sachgerechte Normierung der Höchstkredite nicht möglich s e i . 2 1 5 Zudem führte er die Notwendigkeit von Ausnahmebestimmungen etwa für Bürgschafts- und Wechselkredite gegen eine gesetzliche Höchstkreditgrenze a n . 2 1 6 Ferner argumentierte Teewag, daß es bei der Gewährung von Großkrediten weniger auf die Höhe des Kredites i m Verhältnis zu den Eigenmitteln, sondern in erster Linie auf die Bonität des Kreditnehmers ank o m m e . 2 1 7 Schließlich war Teewag in einem Punkt bereit, Zugeständnisse zu machen. Für reine Investitionskredite 2 1 8 hielt er eine Obergrenze für denkbar, die entweder kraft Gesetzes oder durch den Centraiverband selbst gezogen werden könnte.219 Die Äußerungen von Mosler und Teewag sowie die Ausführungen i m Referat von Fischer 220 ließen erkennen, daß sich die Banken Vertreter der Risiken der überhöhten Einzeikredite durchaus bewußt waren. Jedoch scheuten sie eine gesetzliche Regelung, die sie für zu unflexibel hielten, um dem Problem der Großkredite gerecht zu werden. Offenbar glaubten die Banken Vertreter, aus eigener Kraft zu einer geeigneten Lösung zu kommen. Insgesamt gesehen wurde somit seitens der Wissenschaft auf die gesetzliche Einführung einer Höchstkreditgrenze gedrungen, der auch die bereits bestehende Bankenaufsicht zugeneigt war. Die Vertreter der Banken lehnten eine gesetzliche Regelung ihres Großkreditgeschäfts dagegen ab.
3. §§ 12,13 KWG-E 1 Ungeachtet der seitens der Banken in der Enquete vorgebrachten Kritik enthielt der erste KWG-Entwurf in §§ 12, 13 eine Regelung über Höchstkredite.
215
Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 347. 216 Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 347. 21 ? Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 347. 218 Als Investitions- oder Anlagekredite wurden Kredite zur Finanzierung des betrieblichen Anlagekapitals - Maschinen, Gebäude etc. - bezeichnet, vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 326. 219 Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 347. 22
° Fischer, Die fehlerhafte Kreditpolitik, S. 505.
16 Müller
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften a) Der Inhalt des Entwurfs
§ 12 Abs. 1 K W G - E 1 sah vor, daß „die von einer Bank einem und demselben Kreditnehmer gewährten Kredite ( . . . ) 20% ihres haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten" sollen. Für Kreditgenossenschaften galt gem. § 12 Abs. 3 K W G - E 1 ein geringerer Satz von 10%, wovon der Bankenkommissar jedoch Ausnahmen vorsehen konnte. § 12 Abs. 2 K W G - E 1 bestimmte, daß bei der Feststellung des einem Kreditnehmer gewährten Kredits „Beteiligungen und Garantien der Bank für den betreffenden Kreditnehmer und Kredite, Beteiligungen und Garantien für die von ihm abhängigen oder mit ihm eng verbundenen Unternehmen einzurechnen" waren. § 12 Abs. 4 K W G - E 1 regelte, wie Kredite zu handhaben waren, die die in Abs. 1 festgelegte Grenze überschritten. Derartige Kredite bedurften des einstimmigen Beschlusses des Vorstandes sowie der Zustimmung des Aufsichtsrates mit Dreiviertelmehrheit. Darüber hinaus mußten diese Kredite dem Bankenkommissar angezeigt werden. § 12 K W G - E 1 normierte somit kein absolutes Verbot von Großkrediten, sondern verlangte lediglich ein besonderes Verfahren bei ihrer Gewährung. § 13 K W G - E 1 enthielt die gesetzlichen Ausnahmen von der Grundregel des § 1 2 K W G - E 1. Demnach fand die Höchstkreditgrenze „auf Kredite an das Reich oder die Länder und auf durch das Reich oder die Länder garantierte Kredite" sowie auf Kredite und Garantieleistungen, „die in voller Höhe durch jederzeit realisierbare Werte gedeckt" waren, keine Anwendung. Gerade die letzte Bestimmung war ein erhebliches Zugeständnis an die Banken, da demnach die Gewährung gesicherter Kredite keinerlei Beschränkungen unterworfen war.
b) Die Beratung des Entwurfs
im Untersuchungsausschuß
Bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 waren sich die Ausschußmitglieder über das Erfordernis einer Regelung der Höchstkredite einig und billigten somit den Grundgedanken des § 12 K W G - E 1. I m Detail war die Fassung der §§ 12, 13 K W G - E 1 jedoch umstritten. Ahnlich wie schon bei § 11 K W G - E 1 wurde die starre Fassung der § 12 Abs. 1, 3 K W G - E 1 kritisiert, die eine strikte Begrenzung der Höchstkredite auf 20% bzw. 10% des haftenden Eigenkapitals vorsahen. Statt dessen schlug Bankenkommissar Ernst vor, die Vorschrift ebenso elastisch zu fassen wie § 11 K W G - E 1 und somit die Festsetzung der jeweils maßgeblichen Kredithöchstgrenze dem Bankenaufsichtsamt zu überlassen. Dies hätte den Vorteil, daß die Höchstgrenze elastisch festgesetzt werden könne. Damit würden die von Keppler geäußerten Bedenken ausgeräumt, daß es durch die starre Fixierung einer Höchstgrenze in der Anpassungsphase an das neue Gesetz zu konjunkturschädlichen Krediteinschränkungen der Banken komme. Zudem erlaube eine derartige elastische Fassung der Vorschrift, die für wünschenswert gehaltenen Höchstgrenze für Einzelkredite weiter
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herabzusetzen, als es der Entwurf derzeit vorsehe. Ernst hielt die in dem Entwurf vorgesehenen Höchstgrenzen von 20% bzw. 10% des haftenden Eigenkapitals für zu hoch, vielmehr befürwortete er langfristig einen Satz von 10% bzw. 5%. Aus diesem Grund wandte er sich dagegen, eine gesetzliche Höchstgrenze, die die Bankenaufsicht bei ihrer Festsetzung nicht überschreiten dürfe, in das Gesetz aufzunehmen. 2 21 Unterstützung erhielt Ernst von Reinhardt, der den Satz von 20% ebenfalls für zu hoch hielt und eine elastische Fassung der Vorschrift befürwortete. 2 2 2 Nachdem diese Argumente die Zustimmung des Ausschusses gefunden hatten, schlug der Vorsitzende Schacht eine elastische Fassung des § 12 Abs. 1 K W G - E 1 vor, mit der den Bedenken Emsts, Kepplers und Reinhardts weitgehend Rechnung getragen wurde. Anders als Ernst hielt Schacht aber daran fest, eine absolute, die Bankenaufsicht bindende Obergrenze in das Gesetz aufzunehmen. In einer derartigen Grenze sah Schacht eine Schutzbestimmung für die Banken, auf die er offenbar nicht verzichten w o l l t e . 2 2 3 Schacht schlug folgende Fassung des § 12 Abs. 1 K W G - E 1 vor: „Die Höhe der von einer Bank an ein und denselben Kreditnehmer gewährten Kredite wird vom Bankenaufsichtsamt von Zeit zu Zeit festgesetzt, jedoch soll sie 10% des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten." Nachdem sich der Ausschuß auf die neue Fassung des § 12 Abs. 1 K W G - E 1 geeinigt hatte, wandte sich die Debatte der Frage zu, unter welchen Voraussetzungen die Höchstgrenze überschritten werden dürfe. Keppler schlug vor, das in § 12 Abs. 4 K W G - E 1 vorgesehene Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrates fallenzulassen. Damit werde einer erhöhte Verantwortlichkeit des Vorstandes für die Kreditgewährung sichergestellt. 224 Dieser Vorschlag fand die Zustimmung Schachts, der den einstimmigen Vorstandsbeschluß und die Anzeige an den Reichskommissar für das Bankgewerbe als hinreichende Voraussetzungen für die Überschreitung der Höchstgrenze erachtete, zumal es dem Vorstand freistünde, zu bestimmen, daß der Kreditausschuß oder der Aufsichtsrat bei derartigen Krediten seine Zustimmung erteilen müsse. In jedem Fall würde der Verzicht auf die Zustimmung des Aufsichtsrates die Verantwortung des Vorstandes stärken und es ihm nicht erlauben, sich hinter dem Aufsichtsrat zu verkriechen. 2 2 5 221 Prot, Lichterfelde, 222 Prot, Lichterfelde, 223 Prot, Lichterfelde, 224 Prot, Lichterfelde, 225 Prot, Lichterfelde,
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der Sitzung des Untersuchungsausschussesvom Akte R 25.01/6939, S. 277. der Sitzung des Untersuchungsausschussesvom Akte R 25.01/6939, S. 278. der Sitzung des Untersuchungsausschussesvom Akte R 25.01/6939, S. 279. der Sitzung des Untersuchungsausschussesvom Akte R 25.01/6939, S. 279. der Sitzung des Untersuchungsausschussesvom Akte R 25.01/6939, S. 279.
27. Februar 1934, BA Berlin27. Februar 1934, BA Berlin27. Februar 1934, BA Berlin27. Februar 1934, BA Berlin27. Februar 1934, BA Berlin-
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Schließlich kritisierte Ernst die Ausnahmebestimmung des § 13 K W G - E 1, wonach die Vorschrift des § 12 Abs. 1 K W G - E 1 auf in voller Höhe gesicherte Kredite keine Anwendung fand. Da Emst die Ansicht vertrat, daß eine derartige Feststellung kaum möglich sei, beantragte er, die Bestimmung zu streichen. Schacht sagte eine entsprechende Prüfung z u . 2 2 6
c) Die Beratung des Entwurfs
im Reichswirtschaftsministerium
Ähnlich wie der Untersuchungsausschuß billigten auch die Mitglieder der Besprechung im Reichswirtschaftsministerium am 8. März 1934 die Grundtendenz des § 12 K W G - E 1, das Großkreditgeschäft durch die Bestimmung einer Relation zwischen Kredithöhe und haftendem Eigenkapital der Banken zu beschränken. 227 In vielen Detailfragen erklärten sich die Besprechungsteilnehmer mit der Fassung des Entwurfs dagegen nicht einverstanden. Ernst brachte erneut seinen Vorschlag vor, anstelle einer festen Höchstkreditgrenze die Festlegung eines bestimmten Satzes der Bankenaufsicht zu überlassen. Bei diesem Vorschlag könnten dann die übrigen Bestimmungen des § 12 K W G - E 1 mit Ausnahme des Abs. 4 in Fortfall kommen. Wiederum wandte er sich gegen die Aufnahme einer von der Bankenaufsicht zu berücksichtigenden Höchstgrenze i m Gesetz. 2 2 8 Desweiteren kritisierte Schwandt die Fassung des § 12 Abs. 2 K W G - E 1. Die Begriffe „Beteiligungen" und „abhängige bzw. eng verbundene Unternehmen" erschienen ihm zu unklar. 2 2 9 Dazu führte Reichsbankdirektor Müller aus, daß die Reichsbank diese Frage der Einbeziehung der verbundenen Unternehmen rein wirtschaftlich gesehen habe. Er trat dafür ein, an dem Grundgedanken des § 12 Abs. 2 K W G - E 1 festzuhalten, war aber für andere Formulierungen offen. Allerdings billigte er die Anregung von Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) nicht, statt „eng verbundene Unternehmungen" „Konzernunternehmungen" zu sagen, da diese Formulierung zu eng s e i . 2 3 0 Darüber hinaus setzten sich Ernst und Direktor Paersch 231 226 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 279. 227 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 249. 228 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 247 f. 229 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 248. 230 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 249 f. 23 · Paersch war Referent beim Bankenkommissar und nahm am 8. März 1934 erstmals an den Besprechungen im RWM teil.
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dafür ein, daß die Anrechnung von Guthaben der Schuldner keine Berücksichtigung finden solle, da sonst der Grundgedanke des Gesetzes verfälscht werde. 2 3 2 Zu § 12 Abs. 4 K W G - E 1 entwickelte sich eine Diskussion zu der Frage, inwieweit Ausnahmebestimmungen zu den vorgesehenen Zustimmungserfordernissen geschaffen werden könnten. So wies Ministerialrat Prause (Reichsfinanzministerium) auf Eilfälle hin, in denen Kredite gewährt werden müßten, die die Grenze des § 12 K W G - E 1 überstiegen. In diesen Fällen sei es schwierig, die Formalien des § 12 Abs. 4 K W G - E 1 zu erfüllen. Er schlug eine Ergänzung dahingehend vor, daß die Zustimmung eines Kreditausschusses genüge. 2 3 3 Auch Direktor Paersch wollte für etwaige Ausnahmefälle eine Regelung vorsehen. 2 3 4 Gegen diese Anregungen wandte sich Reichsbankdirektor Müller. Er argumentierte, daß das Gesetz die unerfreulichen Ausnahmefälle der Gegenwart beseitigen und das normale Geschäft der Zukunft regeln s o l l e . 2 3 5 Weiterhin kristallisierte sich i m Laufe der Debatte zu § 12 Abs. 4 K W G - E 1 heraus, daß die Einbindung des Aufsichtsrates bei der Kreditgewährung als zu weitgehend angesehen wurde. So bemerkte Ernst, daß ihm die Mitwirkung des gesamten Aufsichtsrats schwierig erscheine, er hielt die Einbindung eines Ausschusses für ausreichend. 236 Noch weitergehend war der Vorschlag von Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium). Er lehnte die Beteiligung des Aufsichtsrates bei der Kreditgewährung gänzlich ab. Denn ansonsten würden dem Aufsichtsrat Verwaltungsbefugnisse eingeräumt, in der künftigen Aktienrechtsreform werde er nach dem Führerprinzip aber nur reine Aufsichtsfunktionen haben. 2 3 7 Schließlich widmete sich die Besprechung der Ausnahmevorschrift des § 13 K W G - E 1. Erneut trat Ernst dafür ein, die vorgesehe Ausnahme für gesicherte Kredite zu streichen und erwog überdies auch die Streichung der Ausnahme für Kredite an das Reich oder die Länder oder an Kredite, die von diesen gesichert wurden. 2 3 8 Ernst überzeugte die anderen Besprechungsteilnehmer. Es bestand ein allgemeines Einverständnis dahingehend, die Ausnahme für gesicherte Kredite zu 232
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 250. 233 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 248. 234 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.248. 235 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 248. 236 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 250. 237 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 250. Tatsächlich wurde das Führerprinzip in der Aktienrechtsreform (s. dazu u.) jedoch nicht durchgehalten. 238 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 250.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
streichen und die Behandlung von Reichs- und Länderkrediten in den Durchführungsbestimmungen zu regeln. 2 3 9 Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Tendenz der Debatten i m Untersuchungsausschuß und i m Reichswirtschaftsministerium die gleiche war. Beide Gremien traten für eine elastische Formulierung des § 12 K W G - E 1 ein, wandten sich gegen die vorgesehene Beteiligung des Aufsichtsrates und kritisierten die vorgesehene Ausnahme für gesicherte Kredite.
4. § 11 KWG-E 2 und die weitere Entstehung des § 12 KWG Die Beschlüsse, die i m Untersuchungsausschuß und i m Reichswirtschaftsministerium zur Änderung der §§ 12, 13 K W G - E 1 gefaßt wurden, fanden i m zweiten KWG-Entwurf ihren Niederschlag. Die Regelungen über Höchstkredite wurden nunmehr in einer einzigen Vorschrift zusammengefaßt und waren in § 11 K W G - E 2 enthalten. § 11 Abs. 1 K W G - E 2 erhielt die gewünschte elastische Fassung. Er ordnete an, daß „die von einem Kreditinstitut an ein und denselben Kreditnehmer gewährten Kredite ( . . . ) einen vom Bankenaufsichtsamt zu bestimmenden Hundertsatz des haftenden Eigenkapitals ( . . . ) nicht überschreiten" sollen. Damit wurde auch die i m § 12 Abs. 3 K W G - E 1 enthaltene Sonderbestimmung für die Kreditgenossenschaften hinfällig. § 11 Abs. 2 K W G - E 2 regelte das Verfahren der Kreditgewährung bei Überschreiten der Höchstgrenze. Wie in den vorangegangen Debatten beschlossen, war die Mitwirkung des Aufsichtsrates nicht mehr vorgesehen. Darüber hinaus wurde die Vorschrift, die in § 12 Abs. 4 K W G - E 1 nur die Zustimmung des Vorstandes vorsah, i m Hinblick auf die verschiedenen Gesellschaftsformen der Kreditinstitute verfeinert. § 12 Abs. 2 K W G - E 2 bestimmte, daß ein Überschreiten der Höchstkreditgrenze „des einstimmigen Beschlusses des Vorstandes, der Geschäftsführer, der persönlich haftenden Gesellschafter oder der Geschäftsinhaber" bedurfte. Dieses Zustimmungserfordernis galt ausnahmslos, so daß sich Prause und Paersch mit ihrer Forderung nach Sonderbestimmungen für bestimmte Fälle nicht durchsetzen konnten. Die Pflicht, die Höchstgrenze übersteigende Kredite dem Reichskommissar anzuzeigen, wurde beibehalten. § 11 Abs. 3 K W G - E 2 enthielt eine genauere Bestimmung der zu berücksichtigenden Kredite, die dem Kreditnehmer gewährt wurden sowie der Personen, die dem Kreditnehmer gleichgestellt waren. So waren bei der Feststellung der Kredithöhe i m Sinne des Abs. 1 „die Kreditsummen, das Wechselobligo, die Beteiligungen, Garantien und Bürgschaften des Kreditinstituts zugunsten des Kreditnehmers Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 2 .
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und der von ihm abhängigen oder mit ihm i m Konzernverhältnis stehenden Unternehmen zusammenzurechnen". Darüber hinaus wurde der Vorschlag von Ernst und Paersch umgesetzt, indem § 11 Abs. 3 klarstellte, daß „etwaige Guthaben des Kreditnehmers bei dem Kreditinstitut ( . . . ) bei der Feststellung der Höhe des Kredits nicht in Abzug gebracht werden" dürfen. Der § 11 Abs. 4 K W G - E 2 enthielt schließlich die Ausnahmen von der Bestimmung des Abs. 1, die zuvor in einem eigenen Paragraphen niedergelegt waren. Dem Wunsch Emsts entsprechend, war nunmehr für gesicherte Kredite keine Ausnahme von der Bestimmung des Abs. 1 vorgesehen. Dagegen unterlagen auch weiterhin Kredite an das Reich oder die Länder oder von diesen garantierte Kredite nicht der Höchstgrenze des § 11 Abs. 1 K W G - E 2. Auffallend an der Neufassung des § 11 K W G - E 2 war, daß er in Abs. 1 keine Obergrenze enthielt, die das Bankenaufsichtsamt bei der Festsetzung der Höchstkreditgrenze zu berücksichtigen hatte, obwohl Schacht dies als Schutzbestimmung für die Kreditinstitute für erforderlich gehalten hatte. Vielmehr konnte sich Bankenkommissar Ernst durchsetzen, der eine derartige Obergrenze stets abgelehnt und völlig freie Hand für das Bankenaufsichtsamt gefordert hatte. Auch i m Übrigen war die Vorschrift stark durch den Einfluß Emsts geprägt. So hielt er die i m ersten Entwurf vorgesehene Beteiligung des Aufsichtsrats für bedenklich und wandte sich energisch gegen die Ausnahmevorschrift für gesicherte Kredite. Auch die Nichtberücksichtigung von Guthaben des Kreditnehmers ging auf seine Initiative zurück. Der starke Einfluß Emsts auf die Vorschrift dürfte darauf zurückzuführen sein, daß er in seiner Funktion als Bankenkommissar bereits erste praktische Erfahrungen mit Regelungen über Höchstkredite bei einzelnen Instituten gesammelt h a t t e 2 4 0 und seinen Vorschlägen daher besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Die ausführlichen Debatten i m Untersuchungsausschuß und i m Reichswirtschaftsministerium führten dazu, daß § 11 K W G - E 2 der Endfassung des § 12 K W G bereits extrem nahe kam. Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. M a i 1934 brachten daher keine wesentlichen Änderungen und führte nur zu einer redaktionellen Überarbeitung und weiteren Verfeinerung der Vorschrift. So stellte § 11 Abs. 2 K W G - E 3 klar, daß die Überschreitung der Höchstgrenze keinen Einfluß auf die Rechtswirksamkeit des Kreditgeschäftes i m Verhältnis zwischen Kreditinstitut und Kreditnehmer hatte. Ferner wurden die gem. § 11 Abs. 3 K W G - E 2 zu berücksichtigenden Kreditarten und der Kreis der Personen, die dem Kreditnehmer gleichgestellt waren, nochmals ausführlicher gefaßt. 2 4 1 Dar240 s. o., Teil 4, F., II., 2. 241 § 11 Abs. 3 KWG-E 3 lautete: „Als Kredite sind anzusehen alle Arten von Krediten mit Einschluß von Wechselkrediten, Bürgschaften und sonstigen Sicherheiten zu Lasten des Kreditinstituts; maßgebend sind die Kreditbeträge. Als Kredite gelten ferner Beteiligungen
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über hinaus fanden keine inhaltlichen Änderungen des § 11 K W G - E 2 statt. Der § 11 K W G - E 3 wurde schließlich i m weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht mehr geändert, 2 4 2 so daß mit diesem Entwurf bereits die Endfassung für den späteren § 12 K W G gefunden war.
5. Resümee § 12 K W G machte i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens einen ähnlichen Wandel durch wie § 11 K W G . Aus der starren Vorschrift des ersten Entwurfs, der eine Höchstkreditgrenze von 20% bzw. 10% des haftenden Eigenkapitals vorsah, wurde ein flexible Rahmenregelung, die der Umsetzung durch das Aufsichtsamt bedurfte. Diese elastische Fassung erlaubte es, zu verschiedenen Zeiten und für die verschiedenen Institutsgruppen jeweils eigene Höchstkreditgrenzen festzulegen und damit der komplizierten Struktur des deutschen Kreditwesens Rechnung zu tragen. Aus diesem Grunde wurde auch bewußt auf die Festlegung eines festen Verhältnisses zwischen Kredit und Eigenkapital verzichtet, wie es eine Reihe ausländischer Staaten getan hatte. 2 4 3 Insgesamt gesehen war § 12 K W G ein angemessener Ausgleich zwischen den Forderungen der Wissenschaft und den Bedürfnissen der Praxis. Einerseits wurde eine Regelung über Großkredite getroffen, wie es die Vertreter der Wissenschaft verlangt hatten. Andererseits verbot § 12 K W G nicht das Gewähren von Krediten über eine bestimmte Höhe hinaus, sondern verlangte lediglich die Zustimmung sämtlicher Geschäftsleiter. Von einem Verbot der Großkreditgewährung durch einzelne Institute wurde bewußt abgesehen, da trotz der mit den Großkrediten verbundenen Probleme ihre dringende volkswirtschaftliche Notwendigkeit anerkannt wurd e . 2 4 4 Vor diesem Hintergrund stellte die Regelung des § 12 K W G für die Kreditinstitute eine durchaus zumutbare Einschränkung dar, zumal es ohnehin bereits der Geschäftspraxis der meisten Banken entsprach, hohe Kredite nur auf Grund kolledes Kreditinstituts an dem Unternehmen des Kreditnehmers; maßgebend sind die Bilanzwerte der Beteiligungen. ( . . . ) Als ein und derselbe Kreditnehmer gelten außer dem Kreditnehmer selbst die von ihm abhängigen Unternehmungen, die Unternehmungen, von denen der Kreditnehmer abhängt, sämtliche demselben Konzern angehörenden Unternehmungen und bei Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit die Gesellschaft und ihre Gesellschafter." 242 Es wurde lediglich eine gesetzessystematische Anpassung vorgenommen. Die „ordentlichen Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, persönlich haftenden Gesellschafter oder Geschäftsinhaber" (§ 11 Abs. 2 KWG-E 3), die die Zustimmung beim Überschreiten der Höchstkreditgrenze zu erteilen hatten, wurden durch den Begriff der „Geschäftsleiter" gem. § 4 Abs. 2 KWG mit umfaßt, so daß § 12 KWG lediglich von „der Zustimmung sämtlicher Geschäftsleiter (§ 4 Abs. 2)" sprach. 243 Begründung zu § 11 KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 300. 244 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 31.
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gialer Vorstandsbeschlüsse zu gewähren. 2 4 5 Die gesetzliche Festschreibung des Grundsatzes, Höchstkredite nur nach Zustimmung der Führungsgremien zu vergeben, dürfte damit in erster Linie zu einer Stärkung des Verantwortungsgefühl der Geschäftsleiter beigetragen und zu größerer Vorsicht beim Umgang mit Großkrediten angeregt haben. Dieser Umstand sowie die Tatsache, daß der Bankenkommissar über Großkredite informiert wurde und dementsprechend in kritischen Fällen eingreifen k o n n t e , 2 4 6 waren ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Kreditwesens. A u f eine günstigere Kreditverteilung zugunsten des Mittelstandes und des kleineren Gewerbes, die der Gesetzgeber als weiteren Zweck verfolgte, 2 4 7 dürfte die Vorschrift dagegen nur gering eingewirkt haben. Denn einerseits konnten die Kreditinstitute die Höchstkreditgrenze überschreiten und dadurch weiterhin Großkredite gewähren, andererseits wurde durch § 12 K W G die Nachfrage nach Großkrediten insgesamt nicht geringer und mußte nunmehr, sollte die Höchstkreditgrenze nicht überschritten werden, vermehrt durch Konsortialkredite befriedigt werden. Trotzdem war § 12 K W G aufgrund seiner Tendenz, das Großkreditgeschäft der Kreditinstitute zurückzudrängen, auch ein Schritt auf dem Weg zur besseren Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft. Schließlich zeigte § 12 K W G in einer Detailfrage einmal mehr den überwiegend unpolitischen und pragmatischen Charakter der gesetzgebenden Gremien, indem er die Zustimmung sämtlicher Geschäftsleiter erforderte. Diese Lösung war ein Verstoß gegen das nationalsozialistische Führerprinzip und wurde dementsprechend vom nationalsozialistischen Schrifttum entschieden abgelehnt. 2 4 8
I I I . Gewährung von Personalkrediten, § 13 K W G M i t § 13 K W G wurde die Aufsicht über das Kreditwesen um eine Regelung ergänzt, die bis dahin vollkommen unbekannt war. Erstmals wurde von den Kreditinstituten gesetzlich verlangt, bei der Gewährung von Personalkrediten Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kunden zu nehmen.
1. Bedeutung und Entwicklung des Personalkredits Das Kreditgeschäft insbesondere der privaten Banken und Bankiers war traditionell besonders stark durch die Gewährung von sogenannten Personalkrediten ge245 Prot, der Vormittagssitzung vom 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 347. 246 Allgemein zu den Befugnissen des Reichskommissars s. u., Teil 4, J., 3. 247
Vgl. den Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 14. 24 8 Strohmayer, Die Deutsche Volkswirtschaft 1933, S. 531.
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prägt. Diese Kredite waren überwiegend kurzfristige Darlehen, die ohne Deckung, d. h. ohne Stellung von Sicherheiten gewährt w u r d e n . 2 4 9 Sie beruhten daher allein auf dem Vertrauen in die Person des Kreditnehmers. Sofern dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt war und der Kreditnehmer den Kredit nicht zurückzahlte, stellte dies in jedem Fall aufgrund der fehlenden Sicherheiten einen Verlust des Kreditgebers dar, so daß den Personalkrediten ein besonderes Risiko inne wohnte. U m dieses Risiko zu begrenzen, war es bis in die zwanziger Jahre hinein allgemein üblich, die Kreditgewährung von einer Einsicht in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers abhängig zu machen, 2 5 0 um anhand seiner Vermögenslage und seiner Erwerbsaussichten abschätzen zu können, ob er den beantragten Kredit ordnungsgemäß würde bedienen können. Dadurch stand das Personalkreditgeschäft auf einer soliden Basis und bildete eine wichtige Säule für die Rentabilität der Kreditinstitute. A b den zwanziger Jahren setzte jedoch eine Entwicklung ein, die das Personalkreditgeschäft für die Kreditinstitute zunehmend problematisch erschienen ließ. Der Grund für diese Entwicklung lag in der Übersetzung des deutschen Kreditwesens und des damit einher gehenden Konkurrenzkampfes zwischen den einzelnen Instituten 2 5 1 U m sich die Kunden zu erhalten oder neue Kunden zu gewinnen, gingen die Kreditinstitute bei der Kreditgewährung immer großzügiger vor. Sie fürchteten, durch das Verlangen nach Einsichtnahme in die wirtschaftlichen Verhältnisse wertvolle Geschäftsverbindungen zu verlieren, da ihre Mitbewerber gerne bereit waren, Kredit auch ohne entsprechende Nachprüfungen zu geben. 2 5 2 Auch die Kundschaft zeigte sich in dieser Situation immer weniger bereit, die Banken Einsicht in ihre geschäftlichen Unterlagen nehmen zu lassen. Die Banken gewährten daher immer häufiger Personalkredite, ohne Kenntnis von der wirtschaftlichen Situation des Kreditnehmers zu haben. 2 5 3 Die Folge war, daß die Kreditinstitute steigende Verluste aus dem Kreditgeschäft zu verbuchen hatten, was sich nicht zuletzt auch in der Bankenkrise von 1931 niederschlug. 2 5 4 Das Personalkreditgeschäft wurde somit in steigendem Maße unsolide und wuchs sich zu einer Bedrohung für die Stabilität des Kreditwesens aus. Daneben hatte der wachsende Konkurrenzdruck noch einen weiteren Effekt auf das Personalkreditgeschäft, der zu einem gesamtwirtschaftlichen Problem führte. Die Personalkredite stellten das wichtigste Finanzierungsinstrument für den gewerblichen Mittelstand und die kleinere Industrie dar. Diese Unternehmen hatten 249
Diese Kredite wurden auch als „Blankokredite" bezeichnet. Bisweilen wurde der Begriff „Personalkredit" auch als Gegenstück zum langfristigen, dinglich gesicherten „Realkredit" verwendet, der besonders von den Sparkassen und Hypothekenbanken gepflegt wurde. 2 50 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 301. 2 51 s.o., Teil l,B.,I.,4.,c). 2 2 5 Ernst, Sparkasse 1935, S. 214. 2 53 Vgl Bauer, S. 71. 2 4 5 Vgl. Ernst, Sparkasse 1935, S. 214.
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einerseits kaum Sicherheiten zu bieten und konnten andererseits - anders als die Großunternehmen - ihren Kapitalbedarf nicht durch Emissionen auf dem Kapitalmarkt decken. 2 5 5 Sie waren daher in besonderer Weise auf die Versorgung mit Personalkredit angewiesen. I m Zuge der Verschärfung des Konkurrenzdrucks in der Weimarer Zeit gingen die Banken jedoch dazu über, immer mehr Großkredite zu gewähren und vernachlässigten das Personalkreditgeschäft mit dem Mittelstand. 2 5 6 Dadurch geriet dieser Wirtschaftszweig zunehmend in Not, was zur Verschärfung der allgemeinen Wirtschaftskrise beitrug. Das Personalkreditgeschäft stand somit vor zwei Problemen. Einerseits wurde die Kreditgewährung immer unsolider und gefährdete die Stabilität des Kreditwesens. Andererseits verlagerte sich das Kreditgeschäft auf die Gewährung von Großkrediten und brachte damit den Mittelstand in wirtschaftliche Bedrängnis. Der Gesetzgeber stand vor der Aufgabe, eine Regelung zu finden, die einerseits die Personalkreditgewährung wieder sicherer machte, und andererseits die Kreditversorgung des Mittelstandes verbesserte.
2. § 14 KWG-E 1 I m ersten KWG-Entwurf sah § 14 K W G - E 1 eine Reglementierung des Personalkreditgeschäftes der Banken vor, mit dem die beschriebenen Probleme einer Lösung zugeführt werden sollten.
a) Der Inhalt des Entwurfs § 14 Abs. 1 S. 1 K W G - E 1 bestimmte, daß „bei Einräumung von ungedeckten Krediten die Bank verpflichtet [ist], von dem Kreditnehmer eine eingehende Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse zu verlangen". Bei einem Verstoß gegen diese Bestimmung wurde die Haftung der verantwortlichen Bankleiter gegenüber der Bank „für sämtliche aus dem Kreditverhältnis entstehende Schäden" angeordnet (§ 14 Abs. 1 S. 2 K W G - E 1). Daneben war der Reichskommissar befugt, „die Bank zur Wahrnehmung ihrer Rechte anzuhalten" (§ 14 Abs. 1 S. 3 K W G - E 1). § 14 Abs. 2 K W G - E 1 bevollmächtigte den ,Bankenkommissar, „für gewisse Banken und Bankengruppen Beträge festzusetzen, bis zu welchen ungedeckte Kredite von der Vorschrift des Abs. 1 ausgenommen sind" (§ 14 Abs. 2 K W G - E 1). § 14 K W G - E 1 stellte damit eine sehr strenge Regelung des Personalkreditgeschäfts dar, indem einerseits selbst kleinste Kredite grundsätzlich der Offenlegungspflicht unterlagen und andererseits die Haftung der Bankleiter für sämtliche der Bank entstehende Schäden festgelegt wurde. 255 Wittke, 256 Wittke,
Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 190. Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 190.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften b) Die Beratung des Entwurfs
im Untersuchungsausschuß
In der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 entwickelte sich eine lebhafte Debatte um die in § 14 K W G - E 1 vorgesehene Offenlegungspflicht. Schacht begründete die Regelung des § 14 K W G - E 1, indem er darauf hinwies, daß sich ein großer Teil der Mißbräuche und Verluste i m Bankwesen darauf zurückführen ließen, daß die Banken keinen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Kreditnehmer hatten. 2 5 7 Er erhoffte sich eine erhebliche Verbesserung dieser Situation, wenn die Kreditnehmer gezwungen wären, ihre wirtschaftliche Lage offenzulegen. 2 5 8 Daneben erhoffte er sich von der neuen Regelung offenbar einen Erziehungseffekt bei den Kreditnehmern. Schacht argumentierte, aufgrund der bisherigen Praxis hätten viele Gewerbetreibende bei verschiedene Banken Kredite aufgenommen und dabei den Überblick über ihre Vermögensverhältnisse verloren. Wäre sie dagegen gezwungen, bei Beantragung eines Kredites ihre Verhältnisse offenzulegen, so würde die oft vorhandene Selbstüberschätzung der Kreditnehmer verhindert. 2 5 9 Die günstige Wirkung des § 14 K W G - E 1 auf die Wiederherstellung der Solidität in der Personalkreditgewährung, auf die Schacht in seinen Ausführungen anspielte, wurde von den anderen Ausschußmitgliedern nicht bezweifelt. Meinungsverschiedenheiten bestanden jedoch hinsichtlich der Frage, ob die vorgesehene Offenlegungspflicht auch zur beabsichtigten Stärkung des Kreditgeschäfts mit dem Mittelstand beitragen würde. In dieser Hinsicht machten Feder und Keppler Bedenken geltend. Sie wandten sich zwar nicht grundsätzlich gegen die Offenlegungspflicht, kritisierten jedoch, daß der Entwurf keine Ausnahme für kleinere Kredite vorsah. Sie befürchteten, daß durch die strikte Offenlegungspflicht eine Belebung des Personalkreditgeschäfts mit dem Mittelstand beeinträchtigt und somit die Wirtschaftsbelebung behindert werden k ö n n t e . 2 6 0 Besonders Feder vertrat die Ansicht, der Entwurf laufe der Tendenz zuwider, das Mittelstandsgeschäft zu fördern. 2 6 1 Dagegen war Ernst genau der entgegengesetzten Meinung. Er sah durch die vorgesehene Regelung das Mittelstandsgeschäft gerade gestärkt. 2 6 2 Offenbar ging er davon aus, daß
257 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 279, 281. 258 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 279. 259 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 281. 260 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 279 f. 1 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 2 .
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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durch die Offenlegungspflicht das Personalkreditgeschäft wieder sicherer werde und die Kreditinstitute daher veranlasse, vermehrt Kredite an den Mittelstand zu gewähren. Wenngleich die übrigen Ausschußteilnehmer die Bedenken Feders und Kepplers nicht teilten, zeigten sie sich dennoch kompromißbereit. Dreyse schlug vor, die in § 14 Abs. 1 S. 2 K W G - E 1 vorgesehene Haftung der Bankleiter bei Krediten unter R M 10.000 oder R M 5.000 nicht eintreten zu lassen, während Ernst erwog, die Genossenschaftsbanken von der Vorschrift auszunehmen. 263 Als günstigste Lösung wurde es jedoch angesehen, eine Grenze für die Höhe der Kredite festzusetzen, die ohne Offenlegung erteilt werden könnten, wofür sich Ernst und Schacht aussprachen. 2 6 4 Da auch Keppler und Feder die Offenlegungspflicht nicht vollständig ablehnten, einigte sich der Ausschuß schließlich darauf, die grundsätzliche Fassung des § 14 Entwurf 1 beizubehalten, die Gewährung kleinerer Kredite unter R M 5.000 von der Offenlegungspflicht jedoch auszunehmen. 265 Die Debatte um § 14 K W G - E 1 zeigte recht deutlich, daß innerhalb des Ausschusses die Vertreter der Reichsbank sowie der Bankenkommissar einerseits und die Vertreter der Reichsregierung - insbesondere Keppler und Feder - andererseits den Gesetzentwurf von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachteten. Während die Vertreter der Reichsbank und Bankenkommissar Ernst in erster Linie darauf achteten, daß die vorgesehenen Regelungen zur Stabilisierung des Kreditwesens beitrugen, fühlten sich Keppler und Feder eher allgemeinwirtschaftlichen Interessen verpflichtet. So stellte Schacht die günstige Wirkung des § 14 K W G - E 1 auf die Stabilität des Kreditwesens in den Vordergrund, während Keppler und Feder durch die strenge Fassung des Entwurfs ungünstige Wirkungen auf den gesamten Konjunkturverlauf befürchteten. Die gefundene Lösung, Kredite unter R M 5.000 von der Offenlegungspflicht auszunehmen, stellte einen gelungenen Kompromiß zwischen den beiden Standpunkten dar.
c) Die Beratung des Entwurfs
im Reichswirtschaftsministerium
Anders als innerhalb des Untersuchungsausschusses entwickelte sich während der Besprechung des § 14 K W G - E 1 am 8. März 1934 i m Reichswirtschaftsministerium keine Debatte über die grundsätzliche Fassung der Vorschrift, die Diskussion beschränkte sich vielmehr auf Detailfragen. 262 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 280. 263
Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6939, S. 280. 264 p r o t . der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 280 f. 2 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom . er 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 2 5 . 0 1 / 6 9 , S. .
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
So schlug Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) vor, statt „eingehende Offenlegung' 4 die Fassung „ausreichende Offenlegung' 4 zu wählen. Nach längerer Diskussion wurde jedoch beschlossen, beide Möglichkeiten fallen zu lassen und statt dessen einfach „Offenlegung" zu verlangen. 2 6 6 Darüber hinaus wandte sich Schwandt gegen die Haftungsbestimmung des § 14 Abs. 1 S. 2, 3 K W G - E 1, so daß das Gremium beschloß, die Bestimmung ersatzlos zu streichen 2 6 7 M i t der Klärung dieser Fragen endete die Beratung des § 14 K W G - E 1.
3. Die weitere Entstehung des § 13 KWG Nachdem die Änderungen des § 14 K W G - E 1, die in der Sitzung des Untersuchungsausschusses und der Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium beschlossen worden waren, ihren Niederschlag i m zweiten KWG-Entwurf gefunden hatten, war die Vorschrift bis zu ihrer endgültigen Fassung in § 13 K W G nur noch geringen Änderungen unterworfen.
a) Änderungen bis zur Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 Wie innerhalb des Untersuchungsausschusses festgelegt, sah die in § 12 K W G E 2 geregelte Offenlegungspflicht vor, daß das kreditgebende Institut nur bei Einräumung von ungedeckten Krediten, „die einen Betrag von R M 5.000 überschreiten", gegenüber seinem Kunden verpflichtet war, „die Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und die Einsicht in die Geschäftsbilanzen, soweit solche nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches aufzustellen sind 44 , zu verlangen. Die Pflicht, auch die Bilanzen des Kunden einzusehen, war eine neue Regelung, die § 14 K W G - E 1 noch nicht vorgesehen hatte. Die Ausnahme für Kredite bis R M 5.000 sollte unnötige Beeinträchtigungen des Kreditgeschäfts vermeid e n 2 6 8 und trug damit den Bedenken Kepplers und Feders Rechnung. Weiterhin entfiel die Haftungsbestimmung des § 14 Abs. 1 S. 2, 3 K W G - E 1. Die Ausnahmebestimmung des § 14 Abs. 2 K W G - E 1 fand sich in § 12 K W G - E 2 unmittelbar hinter der Offenlegungspflicht wieder, so daß die Vorschrift nur noch einen Absatz umfaßte.
266 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 252. 267 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 252. Das KWG enthielt in § 15 eine allgemeine Haftungsbestimmung (s. u., Teil 4, F., V.), die auch im Falle von Verstößen gegen § 13 KWG zur Anwendung kommen konnte. 268 s. die Begründung zum dem insoweit gleichlautenden § 12 KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 301.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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§ 12 K W G - E 2 war mit der Endfassung des § 13 K W G schon fast identisch. Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. M a i 1934 führten nur zu einer Änderung i m Detail. § 12 K W G - E 3 sah nunmehr vor, daß nicht nur Einsicht in die Bilanzen genommen werden mußte, die nach dem HGB aufzustellen waren, sondern forderte die Einsicht in die Bilanzen, „soweit solche nach den gesetzlichen Bestimmungen aufzustellen sind".
b) Die Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 Bis zur Sitzung des Untersuchungsausschuß am 4. Oktober 1934 wurden an § 12 K W G - E 3 keine inhaltlichen Abwandlungen mehr vorgenommen, 2 6 9 so daß der Ausschuß auf der Grundlage dieses Entwurfs in seine abschließende Beratung eintrat. Hier war es wiederum Keppler, der sich noch einmal gegen die Vorschrift wandte, die sich nunmehr in § 13 K W G - E 4 wiederfand. Er bemängelte, daß der Kreditnehmer nach dem Entwurf verpflichtet sein sollte, seine wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen und Einsicht in seine Bilanzen zu gewähren. Überdies kritisierte er, daß die Vorschrift auf den Fall zugeschnitten sei, daß der Kreditnehmer in betrügerischer Absicht handele und der Kreditgeber seiner Aufgabe nicht gewachsen sei. Der ehrliche Kaufmann hätte aber unter der Vorschrift zu leiden, wenn er ohne äußeren Anlaß bei einem größeren Kreditgesuch seine Verhältnisse offenlegen müsse. Keppler plädierte daher dafür, die Vorschrift komplett zu streichen oder zumindest eine Milderung in der Art vorzunehmen, daß statt und ein oder eingesetzt w e r d e . 2 7 0 Schacht begegnete den Einwänden, indem er noch einmal auf die Mißstände der Vergangenheit bei der Personalkreditgewährung hinwies. Er verteidigte den Entwurf mit dem Hinweis, daß die Gewährung von Personalkredit und das Vertrauen in den Kreditnehmer erst dann gerechtfertigt seien, wenn in die persönlichen Verhältnisse des Kunden Einsicht genommen wurde. Überdies seien angesichts des immer stärkeren Vordringens des öffentlichen Bankwesens Vorschriften über die Sicherheit des Kreditverkehrs äußerst wichtig. Schließlich argumentierte er, die Vorschrift sei geeignet, politische und soziale Einflußnahmen bei der Kreditvergabe auszuschalten und der Vetternwirtschaft i m Kreditverkehr entgegenzuwirken, wenn die Kreditinstitute verpflichtet seien, die Verhältnisse des Kreditnehmers zu prüfen. Aus diesen Gründen hatte Schacht gegen die Streichung der Vorschrift erhebliche Bedenken. 2 7 1 269 Es wurde lediglich eine andere Formulierung des S. 1 gewählt. Statt der „Einräumung von ungedeckten Krediten, die einen Betrag von RM 5.000 überschreiten ( . . . ) " war nunmehr von der „Einräumung von ungedeckten Krediten, die in der Gesamtsumme einen Betrag von RM 5.000 bei einem Kreditnehmer überschreiten ( . . . ) " die Rede. 270 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 149f.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Dennoch zeigte er sich bereit, Keppler entgegenzukommen, indem er der von ihm vorgeschlagenen Änderung zustimmte, von dem Kreditnehmer die Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Einsicht in seine Bilanzen zu verlangen. 2 7 2 Nachdem diese Änderung beschlossen und § 13 K W G - E 4 damit etwas flexibler gefaßt wurde, entschloß sich der Ausschluß, den Passus „soweit solche nach den gesetzlichen Vorschriften aufzustellen sind" auf Vorschlag von Jessen zu streichen, da er durch die Änderung überflüssig geworden w a r . 2 7 3 Bis auf die Umsetzung der von Keppler durchgesetzten Änderung i m § 13 K W G E 5 wurde die Vorschrift bis zu ihrer endgültigen Verabschiedung nicht mehr geändert. Nach der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 stand somit die Fassung des § 13 K W G endgültig fest.
4. Resümee M i t der Offenlegungspflicht gem. § 13 K W G wurde einem bankgeschäftlicher Grundsatz, der aufgrund der besonderen Verhältnisse seit den zwanziger Jahren zunehmend vernachlässigt wurde, auf gesetzlichem Wege wieder Geltung verschafft. 2 7 4 § 13 K W G beendete die aus Konkurrenzgründen entstandene Praxis der unsoliden Kreditgewährung und leistete damit einen wertvollen Beitrag zur Stabilisierung des Kreditwesens. 2 7 5 Darüber hinaus verknüpfte der Gesetzgeber mit § 13 K W G die Erwartung, daß er zur Stärkung des Kreditgeschäfts mit dem Mittelstand beitragen w ü r d e . 2 7 6 Obwohl es innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens umstritten war, ob die Offenlegungspflicht tatsächlich diesen Effekt haben würde, dürften die Hoffnungen des Gesetzgebers berechtigt gewesen sein. Denn die Offenlegungspflicht bewirkte, daß die Gewährung von Personalkredit wieder sicherer und damit attraktiver für die Kreditinstitute wurde. Darüber hinaus gewährleistete die Ausnahmebestimmung für Kredite bis R M 5.000, daß bei der Vergabe von Kleinkrediten eine übermäßige Bürokratisierung und damit Behinderung der Kreditgewährung vermieden wurde.
271 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 149f. 272 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 150. 273 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 150. 274 Obst, Die Betriebswirtschaft 1935, S. 4. 275 Vgl. den Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 31 f. 276 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 31.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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IV. Kredite an Unternehmensangehörige und nahestehende Unternehmen, § 14 K W G § 14 K W G enthielt eine weitere Einschränkung des Kreditgeschäfts der Kreditinstitute. Er ordnete an, daß bei der Kreditgewährung an die Angehörigen eines Kreditinstitutes sowie an Unternehmen, die mit dem jeweiligen Kreditinstitut personell verflochten waren, ein besonderes Verfahren zu beachten war. Auch diese Vorschrift ging auf die während der allgemeinen Wirtschaftskrise und insbesondere während der Bankenkrise von 1931 gemachten Erfahrungen zurück. Sie sollte Mißständen vorbeugen, die sich in den vorangegangenen Jahren vor allem bei Unternehmenszusammenbrüchen gezeigt hatten. 2 7 7 Dabei hatte sich häufig herausgestellt, daß die Vorstandsmitglieder bei der eigenen Gesellschaft Kredite aufgenommen hatten, die nicht die erforderliche Sicherheit und Liquidität besaßen und damit die Verluste der Gesellschaft weiter erhöhten. 2 7 8 Zudem gerieten die Vorstandsmitglieder durch diese Kredite in eine bedenkliche Abhängigkeit zu ihrem Unternehmen, die die Objektivität ihrer Geschäftsführung beeinträcht i g t e . 2 7 9 Diese Mißstände traten naturgemäß besonders bei den Kreditinstituten a u f , 2 8 0 waren jedoch nicht auf diese beschränkt.
1. Die Vorläufer Vorschrift des § 14 KWG Angesichts dieser schlechten Erfahrungen wurde aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931, die neben der Einführung der ersten allgemeinen ΛΟ1
ΛΠΛ
Bankenaufsicht auch eine Reform des Aktienrechts mit sich brachte, in das Handelsgesetzbuch ein neuer § 240 a HGB eingefügt. Diese Vorschrift sollte den beschriebenen Mißständen bei den Aktiengesellschaften und damit auch bei den Aktienbanken entgegenwirken. § 240 a Abs. 1 S. 1 HGB bestimmte, daß „Mitgliedern des Vorstandes ( . . . ) Kredit nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats gewährt werden" durfte. Entsprechendes galt gemäß S. 2 für Kredite an gesetzliche Vertreter eines abhängigen oder herrschenden Unternehmens der Gesellschaft. S. 3 ordnete an, daß „die Zustimmung für gewisse Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften im voraus, jedoch nicht für länger als drei Monate erteilt werden" konnte. § 240 a Abs. 2 und 3 HGB enthielten eine nähere Ausgestaltung der Grundregel des § 240 a Abs. 1 HGB. So hatte der Aufsichtsrat gemäß § 240 a Abs. 2 HGB 277 278 279 280
Staub, S. 42. Müller-Freienfels, S. 22. Vgl. Ernst, Sparkasse 1935, S. 215. Müller-Freienfels, S. 22.
281 s.o., Teil 1,C.,IV., l.,b). 282 s. u., Teil 4, Fn. 294, 297. 17 Müller
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
„Bestimmungen über die Verzinsung und Rückzahlung des Darlehens" zu treffen. Der Darlehensgewährung waren Entnahmen gleichgestellt, die über die den betreffenden Personen zustehenden Vergütungen hinausgingen, wobei „Vorschüsse auf Vergütungen" ausdrücklich mit erfaßt wurden. § 240 a Abs. 3 HGB verhinderte Umgehungen, indem er die Geltung der vorstehenden Bestimmungen „auch für Kredite zugunsten des Ehegatten oder eines minderjährigen Kindes des Vorstandsmitglieds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder zugunsten eines Dritten, der für dessen Rechnung handelt," anordnete. § 240 a Abs. 4 und 5 HGB begründeten i m Falle der Kreditgewährung entgegen den Vorschriften der Absätze 1 bis 3 eine Ersatzpflicht des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Während die Ersatzpflicht der Mitglieder des Vorstandes an die rechtswidrige Kreditgewährung selbst geknüpft war, kam sie bei den Aufsichtsratsmitgliedern zum Tragen, „wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten eine der im Abs. 1 bis 3 bezeichneten Handlungen vorgenommen wird". § 240 a Abs. 6 HGB schließlich ließ auf die Geltendmachung dieser Ersatzansprüche „die Vorschriften des § 241 Abs. 4, 5 entsprechende Anwendung f i n d e n " . 2 8 3 § 240 a HGB verbot somit nicht schlechthin die Gewährung von Krediten an Vorstandsmitglieder, sondern stellte insoweit nur Verfahrensregeln auf, um eine transparente Kreditgewährung nach objektiven Kriterien zu ermöglichen. Die Verhinderung von Umgehungsmöglichkeiten und weitgehende Sanktionen sicherten die Einhaltung der Vorschrift. M i t § 240 a HGB konnten somit die Mißstände zumindest zurückgedrängt werden, die mit der Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder verknüpft waren. Gleichwohl wurde die Vorschrift für den Bereich des Kreditwesens für nicht weitgehend genug gehalten. Dies lag zum einen daran, daß § 240 a HGB nur für Aktiengesellschaften galt und damit nur einen - wenngleich sehr wesentlichen Bruchteil der Kreditinstitute erfaßte. Zum anderen wurde, da gerade bei den Kreditinstituten die mißbräuchliche Kreditgewährung an Unternehmensangehörige zu Verlusten geführt hatte, eine strengere Regelung als die des § 240 a HGB gefordert.284 2. § 15 K W G - E 1 Der Gesetzgeber verschloß sich den Forderungen nach einer über § 240 a HGB hinausgehenden, strengeren Reglementierung der Kreditgewährung an bestimmte 283 § 241 HGB ordnete eine allgemeine Schadensersatzpflicht für die Vorstandsmitglieder an, „die ihre Obliegenheiten verletzen". Gem. § 241 Abs. 4 konnte dieser Ersatzanspruch „auch von den Gläubigern der Gesellschaft, soweit sie von dieser ihre Befriedigung nicht erlangen können, geltend gemacht [werden]. Die Ersatzpflicht wird ihnen gegenüber weder durch einen Verzicht der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschlüsse der Generalversammlung beruht." § 241 Abs. 5 HGB ordnete für den Ersatzanspruch eine fünfjährige Verjährungsfrist an. 284 Mellerowicz, Wirtschaftskontrolle und Bankenaufsicht, S. 576.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
259
Personenkreise für die Kreditinstitute nicht. Bereits § 15 K W G - E 1 sah entsprechende Regelungen vor.
a) Der Inhalt des Entwurfs und seine Bedeutung im Vergleich zu § 240 a HGB § 15 Abs. 1 K W G - E 1 bestimmte, daß „Kredite an Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrats sowie an Beamte und Angestellte der Bank einschließlich der Familienangehörigen der genannten Personen ( . . . ) der Zustimmung des Aufsichtsrates der Bank mit 3 / 4 Stimmenmehrheit" bedurften, wobei gesicherte Kredite von dieser Bestimmung ausgenommen waren. Für „Vorschüsse und sonstige Kredite, die den doppelten Betrag eines Monatsgehalts nicht übersteigen", galt diese Regelung nicht. § 15 Abs. 2 K W G - E 1 sah ein besonderes Verfahren bei der Kreditvergabe „an Unternehmungen, deren Organen Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der Bank angehören" vor. Derartige Kredite bedurften „des einstimmigen Beschlusses des Vorstandes". § 15 Abs. 3 K W G - E 1 schließlich verbot „den Bankleitern und dem Personal" schlechthin - sowohl bei der eigenen wie auch bei fremden Banken - die Aufnahme von Krediten „zwecks Durchführung von Effektengeschäften für eigene Rechnung". § 15 Abs. 1 K W G - E 1 stellte eine wesentliche Erweiterung gegenüber § 240 a HGB dar, indem die Vorschrift nicht nur die Vorstandsmitglieder, sondern auch die Mitglieder des Aufsichtsrates sowie alle Mitarbeiter einer Bank erfaßte. Eine weit bedeutendere Neuerung stellte jedoch § 15 Abs. 2 K W G - E 1 dar. Diese Regelung unterschied sich grundlegend von der allgemeinen aktienrechtlichen Regelung in § 240 a HGB. Letztere Vorschrift betraf allein das Innen Verhältnis einer Aktiengesellschaft, indem sie lediglich die Vorstandsmitglieder erfaßte. § 14 Abs. 2 K W G - E 1 ging über diese Beschränkung hinaus und erfaßte auch die Kreditgewährung an außerhalb einer Bank stehende Unternehmen, soweit zwischen den Organen dieser Unternehmen und denen der kreditgewährenden Bank eine personelle Verflechtung gegeben war. Diese Regelung ging auf die besondere Stellung der Banken i m Rahmen der Gesamtwirtschaft zurück. Die Banken waren traditionell besonders mit den großen Industrieunternehmen stark verflochten, indem sie vielfach Vertreter in deren Aufsichtsräte entsandten. So befanden sich 1932/33 19% aller Aufsichtsratsmandate in den Händen von Banken Vertretern. 285 Diese enge Verbindung von Industrie- und Banken Vertretern wurde sowohl von Seiten der Industrie als auch von Seiten der Banken allgemein begrüßt. 2 8 6 Die 285
Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 167. 286 Vgl. Prot, der Vormittags- und Nachmittagssitzung vom 24. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 329 ff. 17*
260
Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Industrieunternehmen schätzten die Anwesenheit eines Banken Vertreters i m Aufsichtsrat, dessen Kenntnisse und Erfahrungen in Finanzfragen sie sich zunutze machen konnten. 2 8 7 Die Banken wiederum gewannen durch ihre Präsenz i m Aufsichtsrat einen besonders engen Kontakt zu ihren Kunden sowie wertvolle Einblicke in das jeweilige Unternehmen. 2 8 8 Die enge Zusammenarbeit zwischen Industrieunternehmen und Banken hatte jedoch nicht nur Vorteile. Denn die Interessen der kreditgewährenden Bank und des kreditnehmenden Unternehmens waren vielfach gegenläufig und konnten die Banken Vertreter, die gleichzeitig i m Aufsichtsrat ihres Kreditnehmers saßen, in Interessenkonflikte stürzen. 2 8 9 Und tatsächlich war es in der Vergangenheit aufgrund derartiger Interessenkollisionen vielfach zu Mißständen i m Kreditwesen gekommen. 2 9 0 Dieser Nachteil hatte gegenüber den Vorteilen, die die Entsendung von Banken Vertretern in die Aufsichtsräte ihre Kreditnehmer mit sich brachte, jedoch nur geringes G e w i c h t , 2 9 1 so daß der Gesetzgeber davon absah, insoweit ein Verbot auszusprechen. 292 Vielmehr sah § 15 Abs. 2 K W G - E 1 lediglich ein besonderes Verfahren bei der Gewährung von Krediten an Unternehmen vor, mit denen ein Kreditinstitut personell verflochten war. Schließlich stellte auch § 15 Abs. 3 K W G - E 1 eine Sonderregelung für das Kreditwesen dar, die über das allgemeine Aktienrecht hinausging. Die Durchführung von Effektengeschäften auf Kredit hatten in vielen Fällen zu Verlusten der betreffenden Personen geführt und überdies den Ruf des entsprechenden Kreditinstitutes beeinträchtigt, so daß § 15 Abs. 3 K W G - E 1 derartige Geschäfte untersagte. 293 Insgesamt gesehen knüpfte § 15 K W G - E 1 somit an § 240 a H G B an, indem er ein besonderes Verfahren für die Kreditgewährung an bankangehörige Personen vorsah. Er ging jedoch über § 240 a HGB hinaus, indem er nicht nur die Führungsetage einer Bank, sondern alle Angestellten erfaßte. Darüber hinaus regelte er auch die Kreditgewährung an Unternehmen, deren Organen Vertreter der kreditgewährenden Bank angehörten. Schließlich verbot er das kreditfinanzierte Effektengeschäft. Damit enthielt § 15 K W G - E 1 bereits - bei vielen Abweichungen i m 287
Prot, der Nachmittagssitzung vom 24. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 331. 288 Vgl. etwa Prot, der Nachmittagssitzung vom 24. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 335. 289 Prot, der Nachmittagssitzung vom 24. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 335. 29 ° Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 147. 291 Prot, der Nachmittagssitzung vom 24. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915,S. 332. 292 Die Tatsache, daß viele Banken Vertreter in zu vielen Aufsichtsräten vertreten waren und sich somit den Belangen des einzelnen Unternehmens gar nicht mehr widmen konnten, führte lediglich dazu, daß Art. VIII Abs. 4, Erster Teil der Notverordnung vom 19. September 1931 die Zahl der Aufsichtsratsmandate, die eine Person inne haben durfte, auf 20 begrenzte. 293 So die Begründung zum gleichlautenden § 13 Abs. 8 KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946,S. 301.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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Detail - die wichtigsten Grundsätze des späteren § 14 K W G und kam den Forderungen nach einer stärkeren Beschränkung der Kreditinstitute in diesem Bereich nach. Gleichwohl wies der Entwurf deutliche Schwächen auf. Nach seinem Wortlaut erfaßte er nicht alle Kreditinstitute, sondern nur die in Form einer Aktiengesellschaft betriebenen Banken. Darüber hinaus war er oberflächlich und unsorgfältig formuliert, indem er etwa keine Sanktionen für den Fall des Verstoßes gegen die einschlägigen Bestimmungen anordnete. Die Reichsbank wollte jedoch mit der Formulierung des § 15 K W G - E 1 offenbar nur die Ziele und Grundsätze der Regelung vorgeben. Dagegen sollte die detaillierte Ausgestaltung der Bestimmung angesichts ihres engen Bezugs zum Aktienrecht wohl den damit vertrauten Fachleuten aus dem Reichsjustizministerium überlassen werden.
b) Die Besprechung des Entwurfs
im Reichswirtschaftsministerium
§ 15 K W G - E 1 wurde erstmals während der Sitzungen i m Reichswirtschaftsministerium besprochen. Hier rügte vor allem Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) im Hinblick auf die bevorstehende Reform des Aktienrechts 2 9 4 die Fassung des Entwurfs. Quassowski, der auch als Mitglied des Ausschusses für Aktienrecht der Akademie für Deutsches R e c h t 2 9 5 maßgeblich an dieser Reform beteiligt w a r , 2 9 6 machte auf die erheblichen Abweichungen des § 15 K W G - E 1 von den entsprechenden, i m Rahmen der Aktienrechtsreform geplanten Bestimmungen aufmerksam. 2 9 7 Daraufhin einigten sich die Besprechungsteilnehmer, 294 An dieser Reform wurde bereits in der Weimarer Republik gearbeitet. Sie stand seinerzeit unter der Federführung des vorläufigen Reichswirtschaftsrates, einem 1920 geschaffenen Sachverständigengremium, das der Reichsregierung in wirtschaftlichen Fragen ständig beratend zur Seite stand (Näheres s. Schubert/Hommelhojf, S. 9 ff.). Bereits 1930 war ein kompletter Entwurf eines Aktiengesetzes fertig gestellt worden, der 1931 neu gefaßt wurde. Zur Verabschiedung gelangte dieser Entwurf (abgedruckt bei: Schubert/Hommelhojf, S. 849 ff.) jedoch nicht. Lediglich einzelne seiner Vorschriften wurden durch die Notverordnung vom 19. September 1931 in Kraft gesetzt. So wurde durch die Verordnung der § 72 des Entwurfes als § 240 a HGB - der Vorläufervorschrift des § 14 KWG - in das Handelsgesetzbuch eingefügt (Näheres s. Schubert/Hommelhojf, S. 25 ff.). Nach der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten wurde der vorläufige Reichswirtschaftsrat durch Gesetz vom 13. März 1934 aufgelöst (Schubert/Hommelhojf, S. 25). Die Arbeiten an der Aktienrechtsreform gingen in die Hände des Aktienrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht über (vgl. Schubert, Akademie für Deutsches Recht [Aktienrecht], S. XXV ff.). Die Reform war mit der Verabschiedung des Aktiengesetzes am 30. Januar 1937 (RGBl. I, S. 107) abgeschlossen. Zugleich wurden die Bestimmungen des HGB über die Aktiengesellschaft durch § 18 Abs. 1, Dritter Abschnitt des EG zum AktG (RGBl. I, S. 166) aufgehoben. Zur Entstehung des Aktiengesetzes s. Schubert, Akademie für Deutsches Recht (Aktienrecht), S. XL ff. 295
Zu Stellung und Aufgaben der Akademie für Deutsches Recht s. o., Teil 3, Fn. 236. Vgl. Schubert, Akademie für Deutsches Recht (Aktienrecht), S. LX. 297 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 261. Offenbar spielte Quassowski auf den Aktiengesetzentwurf von 1931 an. Der Entwurf verwies in § 72 auf den durch die Notverordnung vom 19. September 1931 erlasse296
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
§ 15 K W G - E 1 den entsprechenden Bestimmungen des Aktienrechts anzupassen. 2 9 8 Darüber hinaus wurde beschlossen, die Formulierung des § 15 K W G - E 1 so zu ändern, daß die Vorschrift für sämtliche Kreditinstitute Geltung beanspruchte und nicht nur auf die Aktiengesellschaft Anwendung fand 2 9 9 Diese Änderungen wurden als selbstverständlich empfunden, so daß sich insoweit keine ausgeprägte Diskussion entwickelte. Auch die neuartige Bestimmung des § 15 Abs. 3 K W G E 1, die Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) zur Diskussion stellte, wurde allgemein g e b i l l i g t . 3 0 0 Eine kontroverse Debatte wurde dagegen hinsichtlich der Frage geführt, wie weit der Personenkreis i m Sinne des § 15 Abs. 1 K W G - E 1 zu ziehen sei. Hier wandte sich Quassowski (Reichsjustizministerium) dagegen, daß § 15 Abs. 1 K W G E 1 vorsah, nicht nur die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder, sondern auch an die Mitglieder des Aufsichtsrates sowie an sämtliche Beamte und Angestellte besonderen Regeln zu unterwerfen. Er verlangte auch in diesem Punkt eine Anpassung der Vorschrift an das geplante neue Aktienrecht, daß nur für die Vorstandsmitglieder und die leitenden Angestellten besondere Regeln vorsähe. 3 0 1 Quassowski (Reichsjustizministerium) argumentierte, die ganze Bestimmung habe nur für einflußreiche Angestellte Sinn und müsse daher auf diese beschränkt werden. 3 0 2 Demgegenüber sprachen sich die übrigen Besprechungsteilnehmer für die Beibenen § 240 a HGB. Dessen Bestimmungen und ihre Neufassung in einem späteren Aktiengesetz wurden vor dem Erlaß des KWG letztmalig auf der Sitzung des vorläufigen Reichswirtschaftsrates vom 22. September 1932 erörtert, an der auch Quassowski teilnahm (Schubert/ Hommelhoff, S. 161 ff.). Wesentliche Änderungen der bestehenden Regelung wurden dabei nicht beschlossen. Insbesondere wurde eine Ausdehnung der Regelung des § 240 a HGB auf Kredite an nahestehende Unternehmen, wie sie § 15 Abs. 2 KWG-E 1 vorsah, abgelehnt (Schubert/Hommelhoff, S. 254). Erst am 6. Januar 1934 nahm der Aktienrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht in seiner ersten Sitzung die Reformarbeiten am Aktienrecht wieder auf, die in den Erlaß des Aktiengesetzes vom 30. Januar 1937 mündeten. Die den §§ 240 a, 241 HGB entsprechenden Bestimmungen fanden sich in §§ 80 (Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder), 84 Abs. 3, 5, 6 (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder) und § 99 (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder) AktG wieder und entsprachen weitgehend den §§ 240 a, 241 HGB. Der wesentliche Unterschied des AktG gegenüber dem HGB bestand lediglich darin, daß das AktG neben den Vorstandsmitgliedern auch die leitenden Angestellten erfaßte. 298 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 261 ff. 299 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 262. 300
Insbesondere Reichsbankdirektor Müller sprach sich für diese Bestimmung aus. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 262. 301 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 263. § 240 a HGB hatte nur die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig gemacht. Erst § 80 Abs. 1 des späteren AktG dehnte diese Regelung auf leitende Angestellte aus. 0 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 2 .
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haltung des weiten Personenkreises in § 15 Abs. 1 K W G - E 1 aus. Müller legte ausdrücklich auf die Einbeziehung der Angestellten und Beamten wert, da die Spekulation dieser Kreise auf Kredit unter allen Umständen ausgeschaltet werden müßte. 3 0 3 Auch Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) und Ministerialdirigent Berger (Reichsfinanzministerium) billigten die gegenüber dem geplanten Aktienrecht verschärfte Bestimmung des Entwurfs. 3 0 4 Schließlich verteidigte Paersch die Fassung des Entwurfes. Gerade bei den Banken bestünde ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Kunden, so daß entsprechend scharfe Bestimmungen erforderlich seien. 3 0 5 Quassowski (Reichsjustizministerium) konnte sich somit mit seiner Auffassung nicht durchsetzen. Auch in einem anderen Punkt erklärte sich Quassowski (Reichsjustizministerium) mit dem Entwurf nicht einverstanden. Ähnlich wie in der Debatte zu § 12 Abs. 4 K W G - E l 3 0 6 kritisierte er, daß § 15 K W G - E 1 dem Aufsichtsrat Verwaltungsbefugnisse einräume, was jedoch mit dem Führerprinzip unvereinbar s e i . 3 0 7 Demgegenüber sprach sich Berger für die Mitwirkung des Aufsichtsrates aus, da sich der Vorstand anderenfalls durch eine zu lasche Handhabung der Bestimmung e n 3 0 8 das Wohlwollen der Aufsichtsratsmitglieder erkaufen k ö n n e . 3 0 9 Schließlich schlug Paersch vor, § 15 K W G - E 1 durch eine Anzeigepflicht an den Reichskommissar zu ergänzen. Dieser Pflicht sollte alle Kredite an Vorstandsmitglieder, die die Höchstgrenze gem. § 12 K W G - E 1 erreichten, sowie die Angestelltenkredite unterliegen, soweit sie ein Jahresgehalt überstiegen. Gerade i m Hinblick auf die Kreditgenossenschaften sei eine derartige Bestimmung wicht i g . 3 1 0 Die Meldepflicht bezüglich der Angestelltenkredite würde dazu führen, daß insoweit die Ansprüche der leitenden Angestellten wirksam gedämpft würden. 3 1 1 303 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 262. 3 04 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 263 f. 3 °5 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 264. 3 06 s. o., Teil 4, F., II., 3., c). 3 07 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 252, 264. 308
Offenbar dachte Berger dabei an Kreditgewährungen an Aufsichtsratsmitglieder. 309 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 252, 264. 310
Diese Erwägung beruhte wohl auf der Tatsache, daß die Kreditgenossenschaften häufig sehr klein waren und mit geringem Kapital arbeiteten, so daß die Höchstgrenze gem. § 12 KWG-E 1 schnell erreicht war. Überdies erschien eine Kopplung der Meldepflicht an die Bezüge der Vorstände nicht sinnvoll, da die Vorstände der Kreditgenossenschaften häufig ehrenamtlich ohne Bezüge arbeiteten (vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 104). 311 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 252, 262.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Insgesamt gesehen führte die Besprechung des § 15 K W G - E 1 i m Reichswirtschaftsministerium dazu, daß in erster Linie eine Anpassung der Bestimmung an das Aktienrecht sowie eine Ausdehnung ihres Geltungsbereichs auf alle Arten von Kreditinstituten beschlossen wurde. Dabei sollte es sich aber nicht um eine grundsätzliche Änderung der Vorschrift handeln. Die Tendenz des Entwurfs, daß Kreditgeschäft mit Unternehmensangehörigen sowie mit Unternehmen, mit denen eine personelle Verflechtung bestand, stärker zu beschränken und transparenter zu gestalten, wurde vielmehr allgemein gebilligt. Lediglich Quassowski (Reichsjustizministerium) machte Bedenken gegen den weiten Personenkreis i m § 15 Abs. 1 K W G - E 1 geltend und kritisierte die vorgesehene Beteiligung des Aufsichtsrates.
3. § 13 KWG-E 2 Die im Reichswirtschaftsministerium beschlossenen Änderungen fanden sich i m § 13 K W G - E 2 wieder. § 13 Abs. 1 K W G - E 2 erfaßte nunmehr die „verantwortlichen Geschäftsleiter ( . . . ) , Mitglieder des Aufsichtsrates oder des Verwaltungsrates sowie Beamte und Angestellte eines Kreditinstituts" und galt damit für alle Arten von Kreditinstitut e n . 3 1 2 Die i m § 15 Abs. 1 K W G - E 1 vorgesehene Ausnahme für gesicherte Kredite wurde fallengelassen. Darüber hinaus war - in Anpassung an das geltende und zukünftige Aktienrecht - der entsprechende Personenkreis bei herrschenden und abhängigen Unternehmen ebenfalls erfaßt. 3 1 3 Zudem übernahm § 13 Abs. 1 K W G E 2 aus dem allgemeinen Aktienrecht die Bestimmungen gemäß § 240 a Abs. 1 S. 3, Abs. 2 H G B . 3 1 4 Abgesehen von diesen Anpassungen an das allgemeine Aktienrecht, die zu einer erheblichen Ausdehnung der Vorschrift führten, wurden zwei grundsätzliche Änderungen vorgenommen. So stellte § 13 Abs. 1 K W G - E 2 lediglich eine Soll-Vorschrift dar, während § 15 Abs. 1 K W G - E 1 die Zustimmung des Aufsichtsrates zur Kreditgewährung zwingend vorgesehen hatte. 3 1 5 Zudem war, im Sinne Quassowskis (Reichsjustizministerium), die Beteiligung des Aufsichtsrates nicht mehr vorgesehen. Vielmehr war die Kreditgewährung an die genannten Personenkreise „nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des Vorstandes, der Geschäftsführer, der persönlich haftenden Gesellschafter oder der Geschäftsi n h a b e r " 3 1 6 zulässig. 312 Diese Formulierung erhielt im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine redaktionelle Neufassung, entsprach jedoch im Übrigen bereits der Endfassung gem. § 14 Abs. 1 KWG. 313 Diese Bestimmung entsprach § 240 a Abs. 1 S. 2 HGB und dem späteren § 80 Abs. 1 S. 3 AktG. 314 s. o., Teil 4, F., IV. Diese Bestimmungen fanden sich später in § 80 Abs. 1 S. 3 - 6 AktG wieder. 315 Welche Erwägungen zu dieser Änderung führten, ist nicht ersichtlich, zumal auch das allgemeine Aktienrecht insoweit zwingend war.
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§ 13 Abs. 2 K W G - E 2 enthielt eine Sondervorschrift für Beamte und Angestellte. Demnach fielen Kredite an diese Personengruppen, „die ein Monatsgehalt nicht übersteigen, ( . . . ) nicht unter die Bestimmungen des Abs. I " . 3 1 7 Dies stellte ein Entgegenkommen gegenüber Quassowski (Reichsjustizministerium) dar, der sich gegen die Einbeziehung der Beamten und Angestellten ausgesprochen hatte. Diese Personen fielen somit nur noch in Ausnahmefällen unter § 13 Abs. 1 K W G E 2. § 13 Abs. 3 und 4 K W G - E 2 stellten wiederum Anpassungen an das Aktienrecht dar. § 13 Abs. 3 K W G - E 2 übernahm die Bestimmung des § 240 a Abs. 3 H G B 3 1 8 und erschwerte damit die Umgehung der Bestimmungen gemäß § 13 Abs. 1 K W G E 2. § 13 Abs. 4 K W G - E 2 bestimmte, daß i m Falle der Kreditgewährung entgegen den vorstehenden Bestimmungen „der Kredit oder Vorschuß ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen zurückzuzahlen ist, es sei denn, daß der gemäß Abs. 1 erforderliche Beschluß nachträglich gefaßt w i r d " . 3 1 9 Diese Bestimmung fand sich in § 240 a HGB nicht, entsprach jedoch dem späteren § 80 Abs. 4 AktG. § 13 Abs. 5 K W G - E 2 übernahm die Bestimmung des § 15 Abs. 2 K W G - E 1 bezüglich der Kreditgewährung an Unternehmen, mit denen eine personelle Verflechtung bestand. Den i m Reichswirtschaftsministerium gefaßten Beschlüssen entsprechend wurde sie so formuliert, daß sie nicht nur auf Aktiengesellschaften, sondern Kreditinstitute aller Rechtsformen erfaßte. § 13 Abs. 6 K W G - E 2 bestimmte, daß die Mitwirkung eines persönlich haftenden Gesellschafters, soweit er von der Geschäftsführung ausgeschlossen war, bei den aufgrund des § 13 K W G - E 2 zu fassenden Beschlüssen nicht erforderlich war. Welche Umstände zu der Aufnahme dieser Vorschrift führten, ist nicht ersichtlich. In den entsprechenden Vorschriften des allgemeinen Aktienrechts fand sie sich nicht und wurde dementsprechend i m weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wieder ersatzlos fallengelassen. § 13 Abs. 7 K W G - E 2 ging auf den Vorschlag Paerschs während der Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium zurück. Er enthielt eine Anzeigepflicht gegenüber dem Reichskommissar, „sofern die Kredite oder Vorschüsse an verantwortliche Geschäftsleiter die Höchstgrenze gemäß § I I 3 2 0 sowie die Kredite der übrigen in Abs. 1 und 3 genannten Personen die Höhe eines Jahresgehalts übersteigen". 316 Diese umständliche Formulierung wurde später im Hinblick auf § 4 Abs. 2 KWG durch den Begriff „sämtliche Geschäftsleiter" ersetzt. 317 Diese Vorschrift blieb bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens unverändert. 318 s. o., Teil 4, F., IV., 1. Die Formulierung des § 13 Abs. 3 KWG-E 2 blieb bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens praktisch unverändert und entsprach § 80 Abs. 3 des späteren AktG. 319 In der Endfassung gem. § 14 Abs. 5 KWG war nur von „Kredit", nicht dagegen von „Vorschüssen" die Rede. Im Übrigen entsprach § 13 Abs. 4 KWG-E 2 bereits der späteren Endfassung. 3 20 Zu § 11 KWG-E 2 s. o., Teil 4, F., II., 4.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Das Aufsichtsamt wurde überdies ermächtigt, „für Kreditinstitute bzw. Gruppen von Kreditinstituten Sonderabmachungen zu treffen". 3 2 1 § 13 Abs. 8 K W G - E 2 übernahm schließlich das Verbot des § 15 Abs. 3 K W G E 1 zur Kreditaufnahme zur Durchführung von Effektengeschäften auf eigene Rechnung. Vor allem die Anpassung des § 13 K W G - E 2 an die aktienrechtlichen Bestimmungen hatte zu einer erheblichen Ausdehnung der Vorschrift i m Vergleich zu § 15 K W G - E 1 geführt. Darüber hinaus bestanden die wesentlichen Änderungen gegenüber § 15 K W G - E 1 in der Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf alle Arten von Kreditinstituten, der Formulierung des § 13 Abs. 1 K W G - E 2 als SollVorschrift, der nicht mehr vorgesehenen Beteiligung des Aufsichtsrates und der Aufnahme der Anzeigepflicht in § 13 Abs. 7 K W G - E 2.
4. § 13 KWG-E 3 und die weitere Entstehung des § 14 KWG Die Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. Mai 1934 führte zu einer abermaligen Überarbeitung des § 13 K W G - E 2. Dabei wurde eine Reihe von Änderungen, die in § 13 K W G - E 2 Eingang gefunden hatten, wieder rückgängig gemacht. So führte § 13 Abs. 1 K W G - E 2 trotz der Bedenken Quassowskis (Reichsjustizministerium) wieder die Mitwirkung des Aufsichtsrates ein. Dementsprechend durften Kredite an Unternehmensangehörige „nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats gewährt w e r d e n " . 3 2 2 Dieser Lösung folgte das spätere Aktiengesetz, indem § 80 A k t G die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder ebenfalls „nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats" erlaubte. Anders als § 80 A k t G forderte § 13 Abs. 1 K W G - E 3 jedoch darüber hinaus - wie bereits die vorangegangenen Entwürfe - auch einen einstimmigen Beschluß sämtlicher Geschäftsleiter. 323 Diese i m Vergleich zum Aktiengesetz weitere Fassung der Bestimmung war zwingend, da angesichts der vielfältigen Organisationsformen der Kreditinstitute längst nicht jedes über einen Aufsichts- oder Verwaltungsrat verfügte. 3 2 4 In erster Linie entscheidend für die Kreditgewährung war somit der einstimmige Beschluß der Geschäftsleiter, zu dem ggf. die Zustimmung des Aufsichts- oder Verwaltungsrates hinzutreten mußte. Überdies war § 13 321
Hier war vor allem an die Kreditgenossenschaften gedacht, da „die Konstruktion der Genossenschaft als einer Selbsthilfeeinrichtung" dazu führte, „daß hier besonders häufig verantwortliche Geschäftsleiter gleichzeitig Kreditnehmer der Genossenschaft" waren (Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 301). 322 Sah § 15 Abs. 1 KWG-E 1 noch die Zustimmung des Aufsichtsrates mit 3 / 4 -Mehrheit vor, so war nunmehr die Zustimmung des gesamten Gremiums erforderlich. 323 § 13 Abs. 1 KWG-E 3 sprach freilich noch von einem Beschluß „des Vorstandes, der Geschäftsführer, der persönlich haftenden Gesellschafter oder der Geschäftsinhaber". 324 Dies galt insbesondere für den Verwaltungsrat als fakultativem Gesellschaftsorgan.
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Abs. 1 K W G - E 3, anders als § 13 Abs. 1 K W G - E 2, nicht mehr als Soll-Vorschrift formuliert, sondern sah den einstimmigen Beschluß der Geschäftsleiter und die ausdrückliche Zustimmung des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrates als zwingende Voraussetzung für die Kreditgewährung vor. In dieser Fassung entsprach die Vorschrift bereits der Endfassung gemäß § 15 Abs. 1 K W G und blieb bis zur Verabschiedung des K W G - von wenigen redaktionellen Änderungen abgesehen - unverändert. Darüber hinaus fand sich § 13 Abs. 5 K W G - E 2 in § 13 Abs. 4 K W G - E 3 wieder. 3 2 5 Der Änderung in § 13 Abs. 1 K W G - E 3 entsprechend, bedurfte es nunmehr auch für die Kreditgewährung an Unternehmen, mit denen eine personelle Verflechtung bestand, neben einem einstimmigen Beschluß der Geschäftsleiter „der ausdrücklichen Zustimmung des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats". Schließlich wurde die Vorschrift des § 13 Abs. 6 K W G - E 2 fallengelassen. A n ihre Stelle trat eine detailliert geregelte Ersatzpflicht der Geschäftsleiter und des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrates für den Fall der Kreditgewährung entgegen den einschlägigen Bestimmungen. Die Bestimmungen des § 13 Abs. 6 K W G - E 3 entsprachen ebenfalls dem allgemeinen Aktienrecht und wurden § 240 a Abs. 4, 5, 6 i. V. m. § 241 Abs. 4, 5 H G B 3 2 6 nachgebildet. Im Übrigen übernahm § 13 K W G - E 3 die Bestimmungen des § 13 K W G - E 2 praktisch unverändert. 3 2 7 Damit war § 13 K W G - E 3 dem späteren § 14 K W G schon sehr weit angenähert, so daß auch in der Abschlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 24. M a i 1934 keine weiteren Änderungen beschlossen wurden. In den folgenden Monaten bis zur Sitzung des Untersuchungsausschusses am 4. Oktober 1934 wurde der Entwurf nur in nebensächlichen Details geändert. So erhielt § 13 Abs. 1 K W G - E 3 eine redaktionelle Neufassung. Zudem wurde in § 13 Abs. 7 K W G - E 3 die Meldepflicht für Kredite an Geschäftsleiter, die die Höchstgrenze gemäß § 11 K W G - E 3 3 2 8 überstiegen, fallengelassen. Für letztere Änderung dürfte die Erwägung ausschlaggebend gewesen sein, daß derartige Kredite bereits gem. § 11 Abs. 2 K W G - E 3 3 2 9 der Meldepflicht an den Reichskommissar unterfielen. Als der Untersuchungsausschuß am 4. Oktober 1934 zu seiner letzten Sitzung zusammentraf, lag ihm der neu gefaßte § 13 K W G - E 3 als § 14 K W G - E 4 vor. Hier widmete sich der Ausschuß vor allem dem Verbot der Kreditaufnahme für Effektengeschäfte gemäß § 14 Abs. 8 K W G - E 4 . 3 3 0 So hielt Prof. Jessen die Be325 Dementsprechend wurde aus § 13 Abs. 4 KWG-E 2 § 13 Abs. 5 KWG-E 3. 326 s. o., Teil 4, F., IV., 1. Gleichlautende Bestimmungen enthielt das spätere AktG in § 84 Abs. 3 Nr. 7 i. V. m. Abs. 5, 6 i. V. m. § 99. 327 § 13 Abs. 8 KWG-E 3 enthielt die zusätzliche Klarstellung, daß entgegen dieser Bestimmung getätigte Kreditgeschäfte gleichwohl wirksam waren. 328 s. o., Teil 4, F., II., 4. 329 Dem späteren § 12 Abs. 2 KWG. 330 Darüber hinaus machte Ministerialdirektor Klien noch einmal grundsätzliche Bedenken gegen § 14 Abs. 1 und Abs. 4 KWG-E 4 - den Kernvorschriften der gesamten Bestimmung -
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Stimmung nur im Hinblick auf die Aufnahme von Krediten beim eigenen Institut für berechtigt, während Reichskommissar Ernst den Angehörigen der Kreditinstitute kreditfinanzierte Effektengeschäfte generell verbieten wollte. Der Ausschuß einigte sich schließlich auf Vorschlag Emsts dahingehend, in § 14 Abs. 8 K W G - E 4 einen Ermächtigung des Aufsichtsamtes aufzunehmen, nähere Vorschriften für die Effektengeschäfte der Geschäftsleiter und Angestellten zu erlassen. 331 Die letzten Änderungen erfuhr § 14 K W G - E 4 schließlich in der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934. Den Vorgaben des Untersuchungsausschusses entsprechend, wurde das strikte Verbot der Aufnahme von Krediten für Effektengeschäfte in § 14 Abs. 8 K W G - E 4 fallengelassen. Statt dessen wurde das Aufsichtsamt ermächtigt, „Vorschriften zu erlassen, welche die Aufnahme von Krediten für Effektengeschäfte durch die Geschäftsleiter sowie Beamte und Angestellte von Kreditinstituten regeln 4 '. Daneben wurde festgestellt, daß diese Vorschriften „die Rechtswirksamkeit des Kreditgeschäfts 4 ' nicht berührten. 3 3 2 Zudem erhielt § 14 Abs. 4 K W G - E 4 aus redaktionellen Gründen eine ausführlichere und klarere Fassung, ohne daß der Regelungsgehalt der Vorschrift damit verändert w u r d e . 3 3 3 M i t diesen Änderungen lag schließlich die endgültige Fassung des § 14 K W G vor.
5. Resümee M i t § 14 K W G wurden Bestimmungen, die gemäß § 240 a HGB bisher nur für Aktiengesellschaften galten, auf sämtliche Kreditinstitute unbeschadet ihrer Rechtsform übertragen. Die Anpassungen des § 14 K W G an das Aktienrecht, die dafür erforderlich waren, führten dazu, daß § 14 K W G zur umfangreichsten Vorschrift des gesamten Gesetzes wurde. § 14 K W G beschränkte sich jedoch nicht allein darauf, die Grundsätze des Aktienrechts für das Kreditwesen zur Anwendung zu bringen. Vielmehr berücksichtigte der Gesetzgeber, daß die Mißstände, die zum Erlaß des § 240 a HGB geführt hatten, in besonderem Maße bei den Kreditinstitugeltend, konnte sich jedoch nicht durchsetzen (Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 151). 331 Vgl. Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 152. 332 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 231. 333 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 228, 231. Die Vorschrift lautete nunmehr: „Gehört einer kreditnehmenden Unternehmung ein Geschäftsleiter des kreditgewährenden Kreditinstituts als Geschäftsleiter oder Mitglied eines Organs an, so bedarf die Gewährung von Krediten des einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter unter ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats. Entsprechendes gilt, wenn der kreditgewährenden Unternehmung ein Geschäftsleiter der kreditnehmenden Unternehmung als Geschäftsleiter oder Mitglied des Organs angehört."
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ten aufgetreten waren. Somit ging § 14 K W G in vielerlei Hinsicht über § 240 a HGB hinaus. 3 3 4 So war der Personenkreis, der gemäß § 14 Abs. 1 K W G einem besonderen Verfahren bei der Kreditgewährung unterlag, i m K W G weiter als i m allgemeinen Aktienrecht gespannt. Auch das der Kreditgewährung vorgeschaltete Verfahren war komplizierter, indem neben der Zustimmung des Aufsichts- oder Verwaltungsrates auch ein einstimmiger Beschluß sämtlicher Geschäftsleiter erforderlich war. Die Meldepflicht gemäß § 14 Abs. 7 K W G und die Regelungen zum kreditfinanzierten Effektengeschäft gemäß § 14 Abs. 8 K W G waren dem Aktienrecht ebenfalls fremd. Die wichtigste Erweiterung gegenüber § 240 a HGB enthielt jedoch § 14 Abs. 4 K W G . Damit unterlag erstmals auch die Gewährung von Krediten an Unternehmen, die mit dem entsprechenden Kreditinstitut personell verflochten waren, bestimmten Regeln. Diese sollten die mit dieser Verflechtung verbundenen Mißstände bekämpfen. Angesichts der großen Vorteile, die die enge Zusammenarbeit zwischen Kreditinstituten und Kreditnehmern hatte, ließ § 14 Abs. 4 K W G die Zulässigkeit dieser Zusammenarbeit jedoch grundsätzlich unangetastet. Dabei war sich der Gesetzgeber bewußt, daß eine völlige Beseitigung der aufgetretenen Mißstände „durch gesetzliche Bestimmungen nicht erwartet werden" konnte. Er knüpfte jedoch an § 14 Abs. 4 K W G die berechtigte Hoffnung, daß „eine schärfere Betonung der Verantwortlichkeiten, wie sie der vorliegende Paragraph bringt, ( . . . ) klarere Verhältnisse und eine gesunde Begrenzung dieser Kredite brin-
V. Einbehaltung von Anteilen am Geschäftsergebnis, § 15 K W G § 15 Abs. 1 K W G bestimmte, daß „Anteile am Geschäftsergebnis, die Geschäftsleitern ( . . . ) sowie Leitern von Zweigstellen zustehen, ( . . . ) dem Berechtigten jeweils nicht voll ausgezahlt werden" durften. Vielmehr war „ein vom Aufsichtsamt festgesetzter Hundertsatz des Anteils eines jeden Berechtigten ( . . . ) einzubehalten". Die einbehaltenen Beträge hafteten gemäß § 15 Abs. 2 K W G „dem Kreditinstitut für alle Ersatzansprüche gegen den Berechtigten; sie dürfen den Berechtigten erst nach ihrem Ausscheiden und erst, nachdem ihnen Entlastung erteilt worden ist, frühestens jedoch nach Ablauf eines Jahres nach dem Ausscheiden, freigegeben werden". Die Vorschrift ging auf die Initiative der Reichsbank zurück. In ihrem Memorandum vom 5. Juni 1933 beklagte sie, daß das „Verantwortungsbewußtsein der Bank334 Fischer, KWG-Kommentar, S. 102 f. 335 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 100.
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leiter ( . . . ) in den letzten Jahren zum Teil bedenklich gelitten" habe. 3 3 6 U m dem entgegen zu wirken, wurde die „Einbehaltung eines Teils der Tantiemen zur Bildung eines Garantiefonds" vorgeschlagen. Dieses System habe sich bei der Reichsbank bewährt 3 3 7 und solle auf sämtliche Kreditinstitute übertragen werden. Dabei schwebte der Reichsbank vor, daß der Fonds dem Kreditinstitut „für sämtliche Verluste aus Kreditgeschäften des betreffenden Bankleiters so lange haftet, bis diesem nach seinem Ausscheiden Entlastung erteilt worden ist. Der Fonds wäre rücksichtslos heranzuziehen, soweit nach Feststellung des Aufsichtsrates ein schuldhaftes Verhalten des Bankleiters v o r l i e g t . " 3 3 8
1. § 47 K W G - E 1 Die Überlegungen der Reichsbank fanden in § 47 K W G - E 1 ihren Niederschlag. § 47 Abs. 1 K W G - E 1 ordnete an, daß „die den verantwortlichen Leitern von Banken und deren Zweigstellen gewährten Anteile am Gewinn der Bank ( . . . ) den Berechtigten jeweils nur zur Hälfte ausgezahlt werden [dürfen]. Die andere Hälfte ist einem für den Berechtigten gesondert zu führenden Garantiefonds gutzubringen, welcher für alle Verluste der Bank, für die der Berechtigte verantwortlich oder mitverantwortlich ist, haftet." § 47 Abs. 2 K W G - E 1 regelte die Modalitäten der Auszahlung der Garantiefonds. Sie durften „erst nach Ausscheiden der Berechtigten diesen ausgeliefert werden und erst, nachdem festgestellt ist, daß mit einer Inanspruchnahme nicht zu rechnen ist, frühestens jedoch nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Ausscheiden". Die Vorschrift wurde erstmals in der Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 22. März 1934 ausführlich beraten. Hier bezweifelte Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium), ob eine derartige Bestimmung überhaupt erforderlich s e i . 3 3 9 Reichskommissar Ernst verteidigte den Entwurf. Er erinnerte an die Bankenkrise von 1931 und wies darauf hin, daß eine Bestimmung wie die des § 47 K W G - E 1 sich damals „doch recht wohltuend hätte bemerkbar machen könn e n " . 3 4 0 Auch Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) billigte die Vorschrift im Grundsatz, machte jedoch eine Reihe von Änderungsvorschlägen. So 336 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 386. 337 Bei der Reichsbank bestanden entsprechende Vorschriften über die Haftung der Vorstandsbeamten, s. Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 54. 338 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6910, S. 387. 339 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 331. 40 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. .
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wollte er § 47 K W G - E 1 nur auf solche Kreditinstitute angewandt wissen, die als juristische Person organisiert waren. 3 4 1 Überdies erschien ihm anstatt der Formulierung „Anteil am Gewinn" die offenere Fassung „Anteil am Geschäftsergebnis" zweckmäßiger. 3 4 2 Schließlich übte er Kritik an der starren Fassung des § 47 Abs. 1 K W G - E 1, die vorsah, daß in jedem Fall die Hälfte der Gewinnanteile einzubehalten war. Schwandt bezweifelte, daß diese Fassung den vielen verschieden gelagerten Fällen der Praxis gerecht werden könne, zumal die Gewinnanteile manchmal den Hauptteil des Einkommens ausmachten. 343 U m den Gefahren einer zu weitgehenden Schematisierung zu begegnen, wurde daher eine flexiblere Fassung des § 47 Abs. 1 K W G - E 1 beschlossen. Danach sollte die Festlegung des einzubehaltenden Gewinnanteils dem Aufsichtsamt überlassen sein, das dabei jedoch an eine Obergrenze gebunden war. Bei der Besprechung des § 47 Abs. 2 K W G - E 1 war es ebenfalls Schwandt, der Änderungen anregte. So verlangte er eine gesetzliche Klärung der Frage, wer die dort vorgesehenen Feststellungen zu treffen habe. Überdies hielt er die vorgesehene Auszahlungsfrist von zwei Jahren für zu lang und forderte eine Verkürzung auf ein Jahr. 3 4 4 Schließlich bemängelte Ernst die Stellung der Vorschrift i m Rahmen des Entwurfes und forderte ihre Einfügung hinter § 15 K W G - E l . 3 4 5
2. § 14 KWG-E 2 und die weitere Entstehung des § 15 KWG Die i m Reichswirtschaftsministerium angeregten Änderungen des Entwurfs wurden i m K W G - E 2 überwiegend berücksichtigt. So wurde die Vorschrift aus dem Abschnitt über die Organisation und Befugnisse der Bankenaufsicht herausgelöst und als § 14 K W G - E 2 den Vorschriften über die Kreditgewährung hinzugefügt. Auch die meisten Vorschläge Schwandts waren umgesetzt worden. Statt der Einbehaltung von „Anteilen am Gewinn" sprach § 14 Abs. 1 K W G - E 2 nunmehr von „Anteilen am Geschäftsergebnis". Überdies hatte die Bestimmung die gewünschte 341 Offenbar erschien ihm die Einbeziehung der in der Form der Personengesellschaft oder der Einzelfirma betriebenen Kreditinstitute als zu weitgehend, da deren Gesellschafter bzw. Inhaber ohnehin mit ihren gesamten Privatvermögen hafteten und somit das volle Unternehmensrisiko trugen. 342
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 332. 343 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 332. 344 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 332. 345
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 331. Die gleiche Forderung hatte auch Reinhardt in der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 erhoben. Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 285 f.
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flexible Fassung erhalten, indem sie anordnete, daß „ein vom Bankenaufsichtsamt festgesetzter Hundertsatz des Anteils ( . . . ) einem für jeden Berechtigten gesondert zu führenden Garantiefonds gutzubringen [ist]. Der dem Garantiefonds zuzuführende Hundertsatz soll nicht mehr als die Hälfte des dem Berechtigten zufallenden Anteils betragen." Schließlich war die in § 47 Abs. 2 K W G - E 1 geregelte zweijährige Auszahlungsfrist in § 14 Abs. 2 K W G - E 2 auf ein Jahr verkürzt. In zwei Punkten konnte sich Schwandt mit seinen Forderungen dagegen nicht durchsetzen. So war auch § 14 Abs. 1 K W G - E 2 nicht auf juristische Personen beschränkt, sondern erfaßte alle Arten von Kreditinstituten. Zudem ließ § 14 Abs. 2 K W G - E 2 weiterhin unklar, wer die dort vorgesehene Entlastung zu erteilen hatte. Offenbar erschien eine derartige Regelung i m Hinblick auf die vielgestaltigen Organisationsformen der Kreditinstitute unzweckmäßig. Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. M a i 1934 führten zu weiteren Änderungen des Entwurfs. § 14 Abs. 1 K W G - E 3 enthielt eine Verfeinerung des § 14 Abs. 1 K W G - E 2, indem er bestimmte, daß der einbehaltene Anteil des Geschäftsergebnisses „auf Wunsch des Berechtigten in mündelsicheren Werten angelegt werden" konnte. Außerdem war der Zweck des Garantiefonds Haftung der Geschäfts- und Zweigstellenleiter für dem Kreditinstitut entstandene Verluste - nunmehr nicht in Abs. 1, sondern in § 14 Abs. 2 K W G - E 3 erwähnt. § 14 K W G - E 3 entsprach damit bereits weitgehend dem späteren § 15 K W G und wurde auf der Abschlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 24. M a i 1934 nicht mehr erwähnt. Bis zur Sitzung des Untersuchungsausschusses am 4. Oktober erfuhr er somit nur redaktionelle Änderungen und lag den Ausschußmitgliedern als § 15 K W G - E 4 vor. In dieser Sitzung forderte Bankier Martin, wie zuvor bereits Schwandt, § 15 Abs. 1 K W G - E 4 so zu formulieren, „daß die Inhaber und persönlich haftenden Gesellschafter herausgenommen w e r d e n " . 3 4 6 Gegen diese Forderung erhoben sich keine Einwände. Ministerialdirektor Klien war der Auffassung, daß die Festlegung der Verantwortlichkeit der Geschäfts- und Zweigstellenleiter in § 15 Abs. 2 K W G - E 4 zu unbestimmt formuliert s e i . 3 4 7 A u f Vorschlag Emsts wurde daher beschlossen, nicht von der „Haftung für Verluste", sondern von der „Haftung für Ersatzansprüche" zu sprechen. 3 4 8 Darüber hinaus machte Klien auch grundsätzliche Bedenken gegen die Vorschrift geltend. Er hielt § 15 K W G - E 4 i m allgemeinen für zu streng. 3 4 9 346 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 152. 347 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 153. 348 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 153. 4 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom . b r 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 2 5 . 0 1 / 6 9 , S. .
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In die gleiche Richtung ging die Kritik von Reinhardt, der der Auffassung war, daß lediglich die allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätze maßgebend sein müßten. 3 5 0 Schacht wies diese Einwände zurück. Die Vorschrift sei nicht zu streng, da eine Haftung nur für durch Fahrlässigkeit entstandene Verluste in Betracht käme. Überdies sei es gerade beabsichtigt, daß § 15 K W G - E 4 schärfer sei als die Bestimmungen des Aktienrechts. 3 5 1 Dementsprechend blieb die grundsätzliche Fassung der Vorschrift unangetastet. In der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 wurden schließlich die vom Untersuchungsausschuß beschlossenen Änderungen in § 15 K W G - E 5 eingearbeit e t . 3 5 2 § 15 Abs. 1 K W G - E 5 nahm nunmehr die „Inhaber, Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft" von der Geltung der Vorschrift aus. § 15 Abs. 2 K W G - E 5 stellte ausdrücklich fest, daß „die einbehaltenen Beträge sowie die Werte, in denen sie angelegt sind, ( . . . ) dem Kreditinstitut für alle Ersatzansprüche gegen den Berechtigten" hafteten. M i t diesen Änderungen war die Endfassung des § 15 K W G gefunden.
3. Resümee M i t der vielfach üblichen Gewährung von Tantiemen wurden die Bankleiter i m erheblichen Maße am Unternehmenserfolg beteiligt. Erwirtschafteten sie jedoch Verluste, so hatten sie i m Regelfall kein persönliches Risiko zu tragen. Vor diesem Hintergrund wurde eine Regelung verlangt, die die Bankleiter nicht nur an den unternehmerischen Chancen, sondern auch an den unternehmerischen Risiken beteiligte. 3 5 3 Der Gesetzgeber selbst stellte fest, „daß in den verflossenen Jahren leitende Personen von Kreditinstituten zum Teil erhebliche Gewinnanteile erhielten, auf Grund gesetzlicher Bestimmungen aber nur in wenigen Fällen zur Wiedergutmachung eines von ihnen zu verantwortenden Schadens herangezogen werden k o n n t e n " . 3 5 4 Diesem Mißstand sollte § 15 K W G entgegen wirken. § 15 K W G als solcher begründete jedoch keine Schadensersatzansprüche, sondern setzte diese vielmehr in § 15 Abs. 2 K W G voraus. Der eigentliche Wert der Vorschrift bestand somit darin, die einbehaltenen Anteile am Geschäftsergebnis zur Befriedigung von Ersatzansprüchen einsetzen zu können und damit die Durch350
Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 153. Reinhardt meinte offenbar die allgemeine Ersatzpflicht des Vorstandes gem. § 241 HGB. Eine dem § 15 KWG-E 4 vergleichbare Bestimmung kannte das Aktienrecht jedenfalls nicht. 351 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 153. 352 s. die Auflistung der beschlossenen Änderungen in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/ 13683, S. 231. 353 Vgl. Ziegler, Bankensanierung und Bankenaufsicht, S. 62 f. 3 54 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 101. 18 Müller
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Setzung dieser Ansprüche erheblich zu erleichtern. 3 5 5 Vor diesem Hintergrund hatte § 15 K W G vor allem präventiven Charakter. Denn die Geschäfts- und Zweigstellenleiter mußten stets damit rechnen, daß ein u. U. erheblicher Teil ihrer Einkünfte ihnen jederzeit wieder verlustig gehen konnte, sofern ihnen ein Fehl verhalten nachzuweisen war. § 15 K W G erhöhte damit den Anreiz zu einer sorgfältigen und verantwortungsbewußten Geschäftsführung 356 und trug auf diesem Wege zur Stabilisierung des Kreditwesens bei.
V I . Vorschriften über die Liquidität, § 16 K W G § 16 K W G befaßte sich mit der Liquidität der Kreditinstitute, d. h. mit ihrer Fähigkeit, jederzeit fristgerecht ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. 3 5 7 Eine ausreichende Liquidität gewährleistete bei der Funktion der Kreditinstitute als Stellen zur Kapitalsammlung und -Verteilung den geordneten Ablauf der gesamten Wirtschaft 3 5 8 und war von überragender Bedeutung für ein funktionsfähiges Kreditwesen. 3 5 9 Die Liquidität der deutschen Kreditinstitute hatte sich in der Vergangenheit jedoch als völlig unzureichend erwiesen und damit die Stabilität und die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Die Frage, wie eine Verbesserung der Liquidität der Kreditinstitute zu erreichen sei, war daher von größter Bedeutung und wurde von Schacht als die Hauptfrage des gesamten Gesetzgebungsverfahrens angesehen. 360 Vor diesem Hintergrund kann § 16 K W G , der auf gesetzlichem Wege eine Verbesserung der Liquidität herbeizuführen versuchte, als die wichtigste Einzelvorschrift des K W G angesehen werden.
1. Die Liquiditätsentwicklung der Kreditinstitute Bei der Liquidität der Kreditinstitute wurden i m allgemeinen zwei Liquiditätsgrade unterschieden, die Barliquidität oder Barreserve und die Liquidität ersten Grades. Die Barliquidität bezeichnete den Anteil des Kassenbestandes und der Guthaben bei Noten- und Abrechnungsbanken eines Kreditinstitutes an seinem ge-
355 Insofern wurde in § 15 KWG auch eine sinnvolle Ergänzung zu den in § 14 Abs. 6 KWG angeordneten Ersatzansprüchen gesehen, s. Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 54. 356 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 101. 357 Vgl. Nordhoff, Über die Liquiditätsfrage, S. 477. 358 Müller-Freienfels, S. 35. 359 Vgl. Mellerowicz, Rhein-Mainische Wirtschaftszeitung 1934, S. 97. 360 Prot, der Vormittagssitzung vom 23. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 316. Vgl. auch Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 146.
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samten Kreditorenbestand. 361 Sie gab somit Auskunft darüber, über wieviel Bargeld eine Bank verfügte, das sie jederzeit und ohne Einhaltung einer Frist zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen einsetzen konnte. Die Barreserve repräsentierte damit die flüssigsten Mittel eines Kreditinstituts überhaupt. Die Liquidität ersten Grades bezog weitere Aktiva in die Liquiditätsberechnung ein, indem sie den Anteil des Kassenbestandes, der Guthaben bei Noten- und Abrechnungsbanken, der Wechsel, Schecks und der unverzinslichen Schatzanweisungen an dem gesamten Kreditorenbestand eines Kreditinstituts bezeichnete. 3 6 2 Sie bezog mit den Wechseln, Schecks und unverzinslichen Schatzanweisungen Anlagen der Kreditinstitute ein, mit denen zwar nicht jederzeit Zahlungen geleistet werden konnten, die sich aber kurzfristig - in erster Linie durch Diskontierung von Wechseln oder Lombardierung von Schatzanweisungen bei der Reichsbank - in Bar- oder Buchgeld umwandeln ließen und sodann als Zahlungsmittel zur Verfügung standen. Die Barliquidität und die Liquidität ersten Grades waren seit den zwanziger Jahren rückläufig. 3 6 3 Die Liquidität ersten Grades betrug bei den Berliner Großbanken 1 9 1 3 3 6 4 50,3% und bei den übrigen Privatbanken 48,9%. Bis 1932 waren diese Quoten bei den Großbanken um fast die Hälfte auf 28% gesunken, während die übrigen Banken nur einen leichten Rückgang auf 42,7% hinnehmen mußten. 3 6 5 Weit dramatischer war demgegenüber der Rückgang der Barliquidität. Sie sank bei den Berliner Großbanken von 7,4% i m Jahr 1913 bis auf 2,0% i m Jahr 1930 und erholte sich bis 1932 nur leicht auf 2,7%. Der Stand der Barliquidität bei diesen Instituten betrug 1932 somit nur noch rund ein Drittel des Vorkriegsstandes. Bei den übrigen Privatbanken erreichte die Barliquidität, die 1913 noch 5,8% betragen hatten, mit 2,3% i m Jahr 1930 ihren Tiefstand und belief sich 1932 auf 2 , 6 % . 3 6 6 Wie stark dieser Rückgang der Liquidität in Deutschland war, zeigt ein Vergleich mit den entsprechenden Zahlen des Auslandes. So betrug Anfang der dreißiger Jahre die Barreserve der US-amerikanischen Depositenbanken ca. 10%, die der englischen Aktienbanken durchschnittlich 10 bis 12% und die französischen Großbanken hielten sogar eine Barreserve von 20 bis 25 % . 3 6 7 Die Banksysteme dieser Länder waren damit um ein vielfaches liquider als das deutsche Kreditwesen. 361 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 15. 362 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 15. 363 Zu den Ursachen dieser Entwicklung s. o., Teil 1, Β., I., 1., b) sowie Nordhoff, Uber die Liquiditätsfrage, S. 481 f. 364 Die folgenden Zahlen bezeichnen jeweils den Stand vom 31. Dezember. 365 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 15. 366 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 15. 3 67 Reinhart, Die Bank 1935, S. 13.
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Der drastische Rückgang der Liquidität trug schließlich zu der dramatischen Entwicklung der Bankenkrise von 1931 b e i . 3 6 8 Die Banken waren den Zahlungsverpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern nicht mehr gewachsen, was dazu führte, daß sie ihre Schalter auf Anordnung der Regierung am 14. und 15. Juli 1931 schließen mußten. 3 6 9 Die schädlichen Auswirkungen, die die geringe Liquidität auf das Kreditwesen hatte, beschränkten sich jedoch nicht auf dieses allein. Vielmehr waren die Banken in der Krise von 1931 gezwungen, Kredite bei ihren Kunden zu kündigen, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Dadurch brach eine Reihe rentabler Unternehmen zusammen, die anderenfalls die Krise überstanden hätten. 3 7 0 Die geringe Liquidität der Banken beeinträchtigte somit nicht nur die Funktionsfähigkeit des Kreditwesens, sondern führte darüber hinaus auch zu konjunkturellen Schäden und stellte daher ein kredit- und gesamtwirtschaftliches Problem ersten Ranges dar. Die Zahlungsbereitschaft der Kreditinstitute, insbesondere ihre Barreserven, mußten nachhaltig erhöht werden. Bei diesen Bemühungen stellten sich jedoch weitere Probleme. So konnten die Gelder, die die Banken ihren Barreserven zuführten, nicht gewinnbringend angelegt oder der Kreditgewährung zugefügt werden, sondern mußten dem Kassenbestand und den unverzinslichen Konten der Reichsbank oder anderer Banken zugeführt werden. Die Erhöhung der Barreserven belastete somit die Rentabilität der Kreditinstitute, die jedoch ihrerseits ebenfalls stark eingebrochen w a r . 3 7 1 Gerade dieser Zusammenhang zwischen Rentabilität und Liquidität hatte erst den Rückgang der Barliquidität verursacht, da die Banken zur Steigerung ihrer Erträge dazu übergingen, immer weniger Geld der Barreserve zuzuführen, sondern statt dessen zinsbringende Kredite zu gewähren. 3 7 2 Darüber hinaus wurde erkannt, daß bei einer erhöhten Barreservehaltung der Kreditinstitute das gesamte Kreditvolumen zurückging und der Wirtschaft daher weniger dringend benötige Kredite zur Verfügung stehen würden. Somit war bei einer plötzlichen Erhöhung der Barliquidität ein Konjunkturrückgang zu befürchten. 3 7 3 Die mangelhafte Liquidität und Rentabilität des Kreditwesens sowie die schwache Konjunktur führten daher zu einem besonderen Dilemma. Die Liquidität, ins368 Emst, Sparkasse 1935, S. 215. Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/31, Jg. 8, S. 344 sprach sogar von einer „Liquiditätskrise". Ahnlich Möschel, S. 205. s. a. Blatz, „Die Bankenliquidität im Run 1931". 369 s.o., Teil Ι , Β . , Ι Ι . , 1. 370 Ernst, Sparkasse 1935, S. 215. 371 s. o., Teil 1, Β., I., 1., b). Die Auswirkungen einer erhöhten Barliquidität auf die Rentabilität stellte die Bayerische Staatsbank in einem Schreiben vom 10. April 1934 an den Reichsfinanzminister (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 150 ff.) eindrucksvoll dar. Ausgehend von ihrer derzeitigen Liquiditätslage berechnete die Bank, daß eine Erhöhung der Barliquidität auf 10% ihr einen jährlichen Zinsausfall von 1 Mio. RM bescheren würde. 372 Reinhart, Die Bank 1935, S. 11. Vgl. auch Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, S. 459; Nordhoff, Liquidität, S. 482. 373 Ernst, Sparkasse 1935, S. 215; Vgl. auch Halm, S. 119.
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besondere die Barliquidität der Kreditinstitute mußte i m Interesse eines stabilen und funktionsfähigen Kreditwesens dringend erhöht werden. Andererseits bedeutete die Erhöhung der Barliquidität eine Minderung der ohnehin viel zu schwachen Rentabilität der Banken und steigerte die Gefahr eines weiteren Konjunkturrückgangs. In diesem Spannungsfeld zwischen Liquidität, Rentabilität und Konjunkturpolitik mußte eine Regelung gefunden werden, um die Zahlungsbereitschaft der Kreditinstitute zu verbessern, ohne dabei ihre Ertragskraft über Gebühr zu schmälern und die Konjunktur zu schädigen.
2. Die Diskussion über die Verbesserung der Bankenliquidität Sehr bald nach der Bankenkrise von 1931 setzte eine intensive Debatte über die Frage ein, wie die Liquidität der Kreditinstitute erhöht werden konnte. Dabei beschränkte sich die Diskussion in erster Linie auf die Erhöhung der besonders stark zurückgegangenen Barliquidität, während die Liquidität ersten Grades keine wesentliche Rolle spielte. Daß eine erhöhte Barliquidität erforderlich war, wurde von keiner Seite bezweifelt, sondern vielmehr allgemein gefordert. 3 7 4 Dabei wurde eine Barliquidität von 8 bis 10% für wünschenswert angesehen. 375 Umstritten war jedoch, wie die Liquiditätsquoten der Kreditinstitute zu erhöhen seien, wobei insbesondere eine Liquiditätserhöhung auf gesetzlichem Wege diskutiert wurde. Hier standen sich Gegner und Befürworter einer gesetzlichen Regelung gegenüber. Gegen eine starre gesetzliche Festlegung bestimmter Liquiditätsquoten wurde eingewandt, es bestehe die Gefahr, daß eine derartige Relation die Bankengläubiger in Sicherheit wiege, ohne daß sie die Gewähr dafür biete, daß eine unsolide Kreditpolitik vermieden w e r d e . 3 7 6 Überdies wurde i m Hinblick auf die Kreditbedürfnisse der Wirtschaft von einer gesetzlichen Fixierung der Liquidität abgeraten, da anderenfalls konjunkturhemmende und deflationsfördernde Effekte zu befürchten seien. 3 7 7 Schließlich wurde argumentiert, daß feste Liquiditätsquoten der Dynamik des Wirtschaftslebens nicht ausreichend Rechnung tragen könnten. 3 7 8 Die Befürworter einer gesetzlichen Regelung warfen dagegen den Kreditinstituten vor, in der Vergangenheit ihre Liquiditätspolitik vernachlässigt zu haben. Sie müßten daher notfalls gesetzlich verpflichtet werden, Barreserven in einer be374 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 44; Lansburgh, Die Bank 1931, S. 1100; Mellerowicz, Bankwissenschaft, Jg. 8, 1931/32, S. 574f.; Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 34. 375 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 44; Mellerowicz, Bankwissenschaft, Jg. 8, 1931/32, S. 357; Nordhoff, Liquidität, S. 482. 376 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 44. 377 Kalveram, Bankwissenschaft 1933, Jg. 10, S. 44. 378 Mellerowicz, Rhein-Mainische Wirtschaftszeitung 1934, S. 99. Ähnlich Walb, Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung 1932, S. 24.
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stimmten Höhe zu halten. 3 7 9 Daneben wurde argumentiert, daß eine gesetzliche Regelung der Barliquidität nicht nur zu einer verbesserten Zahlungsbereitschaft der Kreditinstitute führe, sondern darüber hinaus ein wirksames Mittel der Geldpolitik in den Händen der Reichsbank darstellen könne. Aufgrund des Zusammenhangs zwischen Barreservehaltung und Kreditvolumen 3 8 0 könne die Reichsbank durch die Festlegung der Barliquiditätsquoten das Kreditvolumen und damit die gesamte Geldmenge steuern. 3 8 1 Damit sei es der Reichsbank möglich, auf die allgemeine Konjunktur einzuwirken 3 8 2 und sie erhalte überdies eine stärkere Stellung auf dem Geldmarkt. 3 8 3 Dabei schwebten den Befürwortern einer derartigen Regelung keine auf Dauer fixierten Liquiditätsquoten vor, vielmehr sollte es möglich sein, die Sätze in Anpassung an die jeweiligen Verhältnisse von Zeit zu Zeit wechselnd zu bestimmen. 3 8 4 Von einer gesetzlichen Regelung der Liquidität erhofften sich deren Befürworter somit einen doppelten Vorteil. Zum einen sollte auf diesem Weg die Liquidität und damit die Stabilität des Kreditwesens erhöht werden. Zum anderen sollte der Reichsbank damit ein weiteres geldpolitisches Mittel an die Hand gegeben werden, um das gesamte Kreditvolumen besser steuern und Einfluß auf den Konjunkturverlauf nehmen zu können. Angesichts der zentralen Bedeutung der Liquiditätsfrage wurde sie auch i m Rahmen der Bankenenquete auf der Vormittagssitzung vom 27. November 1933 intensiv erörtert. Auch hier wurde die Notwendigkeit einer Erhöhung der Bankenliquidität grundsätzlich nicht bestritten, 3 8 5 gegen eine gesetzliche Regelung jedoch starke Vorbehalte geltend gemacht. So wandten sich Mosler (Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft) und der Vertreter der Provinzbanken Remshard gegen eine starre gesetzliche Fixierung der Liquiditätsquoten. Mosler führte aus, diese könnten die Kreditbereitschaft der Banken nachteilig beeinflussen. 3 8 6 Skeptisch äußerte sich auch Teewag (Vorsitzender des Centraiverbandes des Bank- und Bankiersgewerbes). Er argumentierte, ein „Krisenpuffer" in Form einer erhöhten Barliquidität könne nur über mehrere Jahre hinweg geschaffen werden. Er zog eine erhöhte Publizität der Kreditinstitute gegenüber der Reichsbank einer gesetzlichen Reglementierung v o r . 3 8 7 Anders als bei 379
Obst, Die Betriebswirtschaft 1934, S. 28. Für eine gesetzliche Regelung traten auch Mellerowicz, Bankwissenschaft, Jg. 8, 1931/32, S. 358 und Schwartz, Wirtschaftsdienst 1931, S. 1499 ein. 580 s. o., Teil 4, F., VI., 1. 381 Donner, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 514. 3
82 Donner, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 514 f. 83 Schwartz, Wirtschaftsdienst 1931, S. 1499. 3 «4 Donner, Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 515. 385 Stucken, Bank-Archiv 1934/35, S. 152. 386 Prot, der Vormittagssitzung v. 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 344 f. Prot, der mittagssitzung v 2 . November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte 3
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den Debatten um die Einführung einer Eigenkapitalquote 3 8 8 und einer Höchstkreditgrenze 3 8 9 standen die Banken Vertreter in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber gesetzlichen Liquiditätsbestimmungen nicht alleine dar. Unterstützung erhielten sie mit Prof. Stucken auch von einem Vertreter der Wissenschaft. Er hielt den Zeitpunkt für staatliche Maßnahmen zur Liquiditätsverbesserung für falsch gewählt und wies auf die gesamtwirtschaftlichen Gefahren hin, die eine erzwungene Erhöhung der Bankenliquidität mit sich brächte. Stucken führte aus, bei einer Liquiditätserhöhung sei zu befürchten, daß die Banken in absehbarer Zeit Krediteinschränkungen vornähmen und damit die Anfänge der Konjunkturbelebung zunichte machten. Allein die Erörterung dieser Frage könnte negative psychologische Auswirkungen haben. Er vertrat die Ansicht, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine größere Liquiditätsvorsorge den Maßnahmen der Reichsregierung zur Wirtschaftsbelebung zuwiderlaufe. 3 9 0 Standen die Sachverständigen der Bankenenquete somit gesetzlichen Eingriffen eher ablehnend gegenüber, so wandten sich die Banken Vertreter gleichwohl nicht gegen staatliche Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität schlechthin. Es ging ihnen vielmehr in erster Linie darum, starre und unflexible Anlagevorschriften zu vermeiden. Dagegen signalisierten sie ihr Einverständnis mit einer flexiblen gesetzlichen Regelung, die eine wechselnde Festlegung der Liquiditätsquoten und die vorsichtige, allmähliche Erhöhung der Bankenliquidität erlaubte. 3 9 1 Insgesamt gesehen vermittelte die Debatte um die Erhöhung der Liquidität der Kreditinstitute das folgende Bild: Angesichts der fatalen Auswirkungen, die die zu geringe Liquidität der Banken in der Krise von 1931 nach sich gezogen hatte, wurden erhöhte Liquiditätsquoten allgemein für erforderlich gehalten. Uneinigkeit bestand jedoch über den Weg, auf dem dieses Ziel erreicht werden sollte. Die Gegner einer staatlichen Regelung der Bankenliquidität lehnten diese mit dem Argument ab, daß eine gesetzliche Reglementierung zu unflexibel sei und überdies zu konjunkturellen Schäden führen könne. Demgegenüber wurde von anderer Seite eine gesetzliche Regelung der Liquiditätspolitik der Banken befürwortet. Dabei sollten jedoch nicht starre Liquiditätsquoten festgeschrieben werden, vielmehr schwebte den Verfechtern einer staatlichen Lösung des Liquiditätsproblems eine flexible Regelung vor, die eine wechselnde Festsetzung der Liquiditätsquoten erlaubte. In einer derartigen Regelung wurde ein doppelter Vorteil gesehen. Sie sollte i m Interesse eines stabileren Kreditwesens eine allmähliche und flexible Erhöhung der Bankenliquidität ermöglichen und durch ihre elastische Handhabung die befürchteten Konjunkturschäden vermeiden. Darüber hinaus wurde in ihr ein wirksames
388 s. o., Teil 4, F., I., 2. 389 s. o., Teil 4, F., II., 2. 390 Prot, der Vormittagssitzung v. 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 346. 391 Prot, der Vormittagssitzung v. 27. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 344f.
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Mittel der Geldpolitik gesehen, mit dem das gesamte Kreditvolumen und damit der Konjunkturverlauf gesteuert werden konnte.
3. § 16 KWG-E 1 Die negativen Erfahrungen mit der zu geringen Bankenliquidität sowie die umfangreiche Debatte über die Verbesserung der Zahlungsbereitschaft der Kreditinstitute führte schließlich i m ersten KWG-Entwurf in § 16 K W G - E 1 zu einer gesetzlichen Regelung der Liquiditätsvorsorge.
a) Der Inhalt des Entwurfs § 16 Abs. 1 K W G - E 1 regelte die Barliquidität der Kreditinstitute. Er bestimmte, daß „die Banken ( . . . ) eine aus dem Kassenbestand (kursfähiges deutsches Geld zuzüglich ausländischer Banknoten und Münzen sowie Gold in Barren und Münzen) sowie den Guthaben bei der Reichsbank bestehende Barreserve zu halten" hatten. Diese Barreserve bezeichnete den Anteil des Kassenbestandes und der Reichsbankguthaben an den Verpflichtungen eines Kreditinstituts aus Depositengeldern, Kontokorrentguthaben der Kunden, Zahlungsübernahmen und eigenen Akzepten. Die Barreserve war i m Gesetz selbst nicht normiert, sondern sie wurde „ v o m Bankenaufsichtsamt von Zeit zu Zeit festgesetzt" (§ 16 Abs. 1 S. 2 K W G E 1). Dabei war vorgesehen, daß das Aufsichtsamt bei der Festsetzung der Barliquidität maximal einen Satz von 10% vorsehen durfte, der von den Kreditinstituten i m Monatsdurchschnitt erreicht werden mußte. § 16 Abs. 2 K W G - E 1 befaßte sich mit der Liquidität ersten Grades. Er verpflichtete die Banken, über ihre Barliquidität hinaus mindestens 30% ihrer Gesamtverpflichtungen aus Depositengeldern, Kontokorrentguthaben der Kunden, Zahlungsübernahmen, eigenen Akzepten und der Übernahme von Garantien „ i n ordentlichen Handelswechseln und in Wertpapieren zu halten, welche nach dem Bankgesetz vom 30. August 1924 von der Reichsbank zum Lombardverkehr zugelassen werden können und mindestens zu zwei Dritteln von der Reichsbank bereits zugelassen sind". Anders als in § 16 Abs. 1 K W G - E 1 war hier der Satz der Liquidität ersten Grades nicht flexibel zu bestimmen, sondern starr auf 30% festgesetzt. 392 § 16 Abs. 3 K W G - E 1 verpflichtete die Banken, die Bestände ihrer Liquiditätsreserven „für jeden Monatsschluß in den Monatsausweisen, nach den Tageskursen 392
Der Grund für diese fixe Normierung dürfte darin liegen, daß die Liquidität ersten Grades keinen so sensiblen Bereich wie die Barliquidität darstellte. Denn die Mittel, die der Liquiditätsreserve ersten Grades zugeführt werden mußten, konnten gewinnbringend in Wechseln und Wertpapieren angelegt werden und belasteten daher nicht die Rentabilität der Banken. Zudem spielte die Liquidität ersten Grades bei der Steuerung des Kreditvolumens keine Rolle.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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berechnet, anzugeben'4. § 16 Abs. 4 K W G - E 1 sah schließlich vor, daß der Reichskommissar für das Bankgewerbe die Anwendung der Vorschriften des Abs. 2 über die Liquidität ersten Grades auf die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften ausschließen konnte. Die wichtigste Regelung enthielt § 16 Abs. 1 K W G - E 1, der die Festsetzung der Barreservequoten dem Bankenaufsichtsamt übertrug. Somit war entgegen der weit verbreiteten Kritik eine gesetzliche Regelung der Barliquidität vorgesehen. Dabei wurde jedoch den Bedenken der Kritiker sowie den Vorschlägen der Befürworter einer staatlichen Reglementierung Rechnung getragen, indem auf die Festlegung einer starren Liquiditätsquote verzichtet wurde. Auffallend ist, daß die Vorschrift einen Barreservesatz von 10% vorsah, über den die Bankenaufsicht bei der Festsetzung der Liquiditätsquoten nicht hinausgehen durfte, obgleich die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank in einem Memorandum vom 14. Dezember 1 9 3 3 3 9 3 davon abgeraten hatte, einen bestimmten Liquiditätssatz in das Gesetz aufzunehmen. Die Abteilung befürchtete, daß davon ungünstige psychologische Wirkungen auf die Kreditbereitschaft der Banken ausgehen könnt e n . 3 9 4 Offenbar war die Fassung des § 16 Abs. 1 K W G - E 1 auf das Betreiben Schachts hin zustande gekommen, der während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens dafür eintrat, daß die Bankenaufsicht bei der Regelung der Barliquidität höchstens eine Quote von 10% vorschreiben durfte. Darüber hinaus wurde die Liquidität ersten Grades geregelt, obgleich diese Frage in der vorangegangenen öffentlichen Diskussion keine Rolle gespielt hatte. Auch hier fand i m Vorfeld der Gesetzesberatungen innerhalb der Reichsbank ein Richtungswechsel statt. Noch i m Dezember 1933 war die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank der Auffassung, eine gesetzliche Regelung der Liquidität ersten Grades würde nur eine erhebliche Erschwerung des Geschäftsbetriebs der Kreditinstitute und unnötige Konflikte mit den Aufsichtsinstanzen nach sich ziehen. Überdies habe die Liquidität ersten Grades nur formellen Charakter, da die Qualität der Anlagen, die in ihre Berechnung einzubeziehen wären, aus der Bilanz nicht ersichtlich seien. 3 9 5 Gleichwohl sah der KWG-Entwurf vom Februar 1934 in § 16 Abs. 2 K W G - E 1 eine Liquidität ersten Grades von 30% vor. Offenbar hatte sich innerhalb der Reichsbank die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Haltung von Barreserven allein nicht genügte, um eine ständige Zahlungsbereitschaft der Kreditinstitute zu gewährleisten, sondern daß dafür die gesamte Anlagepolitik entscheidend w a r . 3 9 6 Auch Schacht befürwortete die Regelung der Liquidität ersten Grades. 393 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6919, S. 107 ff. 394 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6919, S. 127. 395 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6919, S. 127. 39 6 So die Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 303.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften b) Die Beratung des Entwurfs
im Untersuchungsausschuß
In der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 entwickelte sich nur eine kurze Debatte über § 16 K W G - E 1. Allgemein bestand Einigkeit hinsichtlich des Erfordernisses einer gesetzlichen Regelung der Liquidität und dessen konkreter Umsetzung in § 16 K W G - E 1. Lediglich Keppler machte Einwände geltend. Er war der Meinung, daß der Entwurf zu streng sei und befürchtete, daß die Banken in dem Bemühen, die Anforderungen der Vorschrift zu erfüllen, konjunkturschädliche Krediteinschränkungen vornehmen könnten. 3 9 7 Schacht begegnete dem Einwand, indem er darauf hinwies, daß Ubergangsbestimmungen vorhanden seien, die in Ubereinstimmung mit dem jeweiligen Kenntnisstand des Bankenkommissars vernünftig gehandhabt würden. Überdies sei der Entwurf in Anlehnung an die Bilanz der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft erarbeitet worden, so daß § 16 K W G - E 1 i m großen und ganzen durchaus tragbar sei. Insbesondere sei bei diesem Institut schon gegenwärtig die 30%ige Liquidität ersten Grades erreicht. Schacht war der Auffassung, gerade die Regelung der Liquidität ersten Grades sei für die Banken sehr nützlich, da sie die vorgesehenen Anlagen - Handelswechsel und lombardfähige Wertpapiere - bei der Reichsbank in Bargeld einlösen könnten. 3 9 8 Es gelang Schacht, mit seinen Ausführungen die Bedenken Kepplers zu zerstreuen. Dieser regte in der Folge sogar an, § 16 Abs. 1 K W G - E 1 zu verschärfen, indem er keine Höchst-, sondern Mindestquoten für die Liquidität vorschlug. 3 9 9 Er zog seine Anregung jedoch zurück, nachdem Schacht darauf hingewiesen hatte, daß die 10%-Grenze des § 16 Abs. 1 K W G - E 1 einen Schutz zugunsten der Banken darstellte, die sie davor bewahre, daß das Aufsichtsamt zu hohe Quoten festsetze. 4 0 0 Schließlich äußerte Bankenkommissar Ernst Bedenken hinsichtlich der starren Regelung der Liquidität ersten Grades und schlug vor, die elastische Fassung des § 16 Abs. 1 K W G - E 1 auch auf § 16 Abs. 2 K W G - E 1 anzuwenden. 4 0 1 Insgesamt fand § 16 K W G - E 1 innerhalb des Untersuchungsausschusses breite Zustimmung, so daß keine Änderungen des Entwurfs beschlossen wurde. Die Ausschußmitglieder begrüßten vor allem die flexible Fassung des § 16 Abs. 1 K W G 397 Prot, Lichterfelde, 398 Prot, Lichterfelde, 399 Prot, Lichterfelde, 400 Prot, Lichterfelde, 401 Prot, Lichterfelde,
der Sitzung des Untersuchungsausschusses Akte R 25.01/6939, S. 276. der Sitzung des Untersuchungsausschusses Akte R 25.01/6939, S. 276 f. der Sitzung des Untersuchungsausschusses Akte R 25.01/6939, S. 277. der Sitzung des Untersuchungsausschusses Akte R 25.01/6939, S. 277. der Sitzung des Untersuchungsausschusses Akte R 25.01/6939, S. 277.
vom 27. Februar 1934, BA Berlinvom 27. Februar 1934, BA Berlinvom 27. Februar 1934, BA Berlinvom 27. Februar 1934, BA Berlinvom 27. Februar 1934, BA Berlin-
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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E 1, was sich darin zeigte, daß diese Regelung wiederholt als Vorbild für die Vorschriften über die Eigenkapitalquote gem. § 11 K W G - E 1 und die Höchstkreditgrenze gem. § 12 K W G - E 1 angesehen w u r d e . 4 0 2
c) Die Beratung des Entwurfs
im Reichswirtschaftsministerium
Anders als i m Untersuchungsausschuß entwickelte sich i m Reichswirtschaftsministerium eine kontroverse Debatte um § 16 K W G - E 1. Hier wurde neben grundsätzlichen Vorbehalten gegen die Vorschrift kritisiert, daß § 16 Abs. 1 K W G - E 1 einen Barreservesatz von 10% vorsah, über den die Bankenaufsicht bei der Bestimmung der Liquiditätsquoten nicht hinausgehen durfte. So vertrat Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) die Auffassung, daß der gegenwärtige Zeitpunkt für die Lösung eines derart grundsätzlichen Problems wie die Bankenliquidität wenig geeignet s e i . 4 0 3 Es sei zu befürchten, daß unter der Geltung des § 16 K W G - E 1 die Rentabilität der Banken leide 4 0 4 In absehbarer Zeit sei aber das Hauptproblem der Banken die Rentabilität und nicht die L i q u i d i t ä t 4 0 5 Wenngleich sich Kohler trotz seiner starken Bedenken nicht grundsätzlich gegen eine gesetzliche Regelung sperrte, so hielt er doch den i m Entwurf genannten Barreservesatz von 10% für weit überzogen. Wenn das Gesetz überhaupt eine Zahl nennen müsse, so sei eine Quote von 6% als Obergrenze ausreichend. 4 0 6 Auch Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) hielt es für kaum zweckmäßig, das Aufsichtsamt zur Festsetzung eines Satzes zu zwingen, da dieser doch nur weit unter dem Wert von 10% liegen k ö n n e . 4 0 7 In eine ähnliche Richtung ging die Kritik von Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium), der vom Standpunkt seines Ressorts aus argumentierte. Er störte sich ebenfalls an der Nennung einer bestimmten Liquiditätsquote und vertrat die Auffassung, der Satz von 10% gehöre in die Durchführungsbestimmungen und nicht in das Gesetz 4 0 8 Überdies hielt er § 16 K W G - E 1 aus Sicht der 402 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 277, 279. 403 Ahnliche Befürchtungen hatte bereits Prof. Stucken während der Bankenenquete geäußert.
* * Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 253. 4 05 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 254. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 254. 407 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.253. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 2 5 .
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Kreditgenossenschaften für untragbar. Er führte aus, bei vertikal aufgebauten Organisationen wie dem Kreditgenossenschaftswesen mit seinen Zentralkassen sei es nicht nötig, daß alle Glieder dieser Organisationen eine hohe Barliquidität hielten. Es genüge daher, nur bei den Zentralkassen entsprechende Liquiditätsbestimmungen zu treffen und i m übrigen Abstufungen zwischen den einzelnen Gliedern einer Organisation vorzusehen. 4 0 9 Gegenüber dieser Kritik verteidigten Reichsbankdirektor Müller, Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium) und Ministerialdirigent Berger (Reichsfinanzministerium) den Entwurf. Müller führte aus, § 16 Abs. 1 K W G - E 1 sei aus dem Bestreben heraus entstanden, der Reichsbank eine stärkere Führung des Kreditgewerbes zu ermöglichen. Er räumte ein, daß der Satz von 10% gegenwärtig ein Wunschbild sei, zumal i m Gesamtschnitt die Barliquidität derzeit nicht einmal 2% betrüge. 4 1 0 M i t der Aufnahme der Quote in das Gesetz solle jedoch verhütet werden, daß die Banken zuviel Kredit schöpften 4 1 1 Waldeck hielt die Fassung des § 16 Abs. 1 K W G - E 1 ebenfalls für gelungen. Er begegnete dem Einwand Schwandts, indem er darauf hinwies, daß das Aufsichtsamt nach dem Wortlaut des Entwurfes nicht gezwungen sei, sofort Liquiditätsquoten festzusetzen. 412 Zudem machte er deutlich, daß nach § 16 Abs. 1 K W G - E 1 die Möglichkeit bestand, für die einzelnen Bankengruppen verschiedene Sätze festzulegen 4 1 3 Waldeck verlangte die Aufnahme eines die Befugnisse der Bankenaufsicht begrenzenden Liquiditätssatzes in das Gesetz, da dieser Satz das Ziel der Bemühungen um eine höhere Liquidität repräsentiere. 414 Auch Ministerialdirigent Berger (Reichsfinanzministerium) hielt die Formulierung des Entwurfs und insbesondere die Aufstellung eines Barreservesatzes von 10% als Richtwert aus erzieherischen Gründen für gelungen 4 1 5 Die Debatte um die grundsätzliche Fassung § 16 Abs. 1 K W G - E 1 endete ohne greifbares Ergebnis. Obgleich Kohler den Zeitpunkt für die Einführung von Liquiditätsbestimmungen kritisiert und auf die Gefahren für die Rentabilität der Banken hingewiesen hatte, waren die Besprechungsteilnehmer im allgemeinen nicht bereit, auf gesetzliche Liquiditätsnormen zu verzichten. Daneben machten sich in der 409 Prot, der ersten 6943, S. 254, 257. 410 Prot, der ersten 6943, S. 253. 411 Prot, der ersten 6943, S. 254. 412 Prot, der ersten 6943, S. 253. 413 Prot, der ersten 6943, S. 253. 414 Prot, der ersten 6943, S. 255. 415 Prot, der ersten 6943, S. 255.
Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG Frage, ob durch die Aufnahme einer Barreservequote von 10% Befugnisse der Bankenaufsicht begrenzt und damit zugleich ein Banken aufgestellt werden solle, mehrere Teilnehmer gegen die Abs. 1 K W G - E 1 stark, konnten sich aber letztlich mit ihrer durchsetzen.
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in das Gesetz die Richtwert für die Fassung des § 16 Auffassung nicht
Nachdem die Regelung der Barliquidität gem. § 16 Abs. 1 K W G - E 1 erörtert war, widmete sich die Besprechung der Bestimmung über die Liquidität ersten Grades gem. § 16 Abs. 2 K W G - E 1. Müller legte auf Nachfrage von Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) den Begriff „ordentliche Handelswechsel' 4 dahingehend aus, daß der Entwurf klarstellen wolle, daß auch solche auf Handelsumsätzen beruhenden Wechsel in die Liquidität ersten Grades einbezogen werden könnten, die an sich nicht reichsbankfähig seien. Wesentlich für die Liquidität eines Kreditinstituts sei der selbstliquidierende Effekt dieser Wechsel. 4 1 6 Darüber hinaus beschloß das Gremium einstimmig, die elastische Fassung des § 16 Abs. 1 K W G E 1 auch auf die Liquidität ersten Grades gem. § 16 Abs. 2 K W G - E 1 anzuwenden und der Bankenaufsicht die Festlegung einer Quote für die Liquidität ersten Grades von maximal 30% zu erlauben. 4 1 7 Schließlich kritisierte Köhler, daß gem. § 16 Abs. 2 K W G - E 1 2 / 3 der in die Liquiditätsberechnung einzubeziehenden Wertpapiere bereits zum Lombardverkehr zugelassen sein mußten und schlug vor, daß die Reichsbank statt dessen mehr Papiere zum Lombardverkehr zulasse. 4 1 8 Dem widersprach Müller. Er wies darauf hin, die entsprechende Formulierung des § 16 Abs. 2 K W G - E 1 solle die Liquiditätsvorsorge der Banken erleichtern, indem sie auch solche Papiere einbeziehen könnten, die den lombardfähigen Wertpapieren gleichwertig seien. Demgegenüber sei es der Reichsbank nicht möglich, binnen kurzem große Mengen an Wertpapieren für lombardfähig zu erklären. 4 1 9 Neben der grundsätzlichen Fassung der Vorschriften über die Barliquidität und die Liquidität ersten Grades widmete sich die Besprechungsrunde i m Reichswirtschaftsministerium einer Reihe von Detailfragen des § 16 K W G - E 1. So schlug Kohler vor, anders als in § 16 Abs. 1 K W G - E 1 bei der Berechnung der Barliquidität nicht auf den Monatsdurchschnitt abzustellen, da dadurch der Geschäftsbetrieb der Banken erschwert w ü r d e . 4 2 0 Der Referent beim Bankenkommissar Paersch verteidigte jedoch die Regelung. Die vorgesehene Fassung solle gerade verhindern, 416 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.016943, S. 255 f. 417 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 256. Einen gleichlautenden Vorschlag hatte Ernst bereits in der Besprechung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 gemacht. 418 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 257. 419 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 257 f. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 2 5 .
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
daß die Kreditinstitute nur zu bestimmten Stichtagen die erforderliche Liquidität aufwiesen, zumal die praktische Umsetzung der Bestimmung keine Schwierigkeiten bereite. 4 2 1 Des weiteren regte Kohler an, in die von den Kreditinstituten zu haltende Barliquidität auch Nostroguthaben einzubeziehen. 4 2 2 Diese Forderung war vor dem Hintergrund verständlich, daß bei den bisherigen Liquiditätsberechnungen die Einbeziehung dieser Guthaben allgemein üblich war. Auch hiergegen wandte sich Paersch mit dem Argument, daß sich nach seinen Erfahrungen in der Vergangenheit öfter gezeigt hatte, daß die Nostroguthaben nicht die erforderliche Liquidität aufwiesen 4 2 3 Weiterhin regt Schwandt an, die Verpflichtungen eines Kreditinstituts aus der Übernahme von Garantien bei der Bestimmung der Gesamtverpflichtungen i m Sinne des § 16 Abs. 2 K W G - E 1 nicht zu berücksichtigen. 4 2 4 Dagegen argumentierte Müller, daß gerade diese Verpflichtungen bei den Bankzusammenbrüchen eine erhebliche Rolle gespielt hätten und daher in die Berechnung einzubeziehen seien. 4 2 5 Quassowski (Reichsjustizministerium) trat trotz dieser Begründung der Auffassung Schwandts bei. Er verwies darauf, daß den Garantieverpflichtungen auch Regreßansprüche gegenüberständen und die Fassung des Entwurfs daher zu scharf sei. Müller zeigte sich daraufhin bereit, diese Frage in den Durchführungsbestimmungen zu regeln. 4 2 6 Schließlich entwickelte sich eine kurze Debatte über die Ausnahmevorschrift des § 16 Abs. 4 K W G - E 1. Quassowski (Reichsernährungsministerium) schlug vor, die Ausnahme von der Anwendung des § 16 Abs. 2 K W G - E 1 auch auf landwirtschaftliche Banken auszudehnen. Der Vorschlag wurde jedoch mit der Begründung abgelehnt, daß der Bankenkommissar die entsprechenden Ausnahmen selbst bestimmen könne. Auch die Anregung Kohlers, § 16 K W G - E 1 hinsichtlich der gewerblichen Kreditgenossenschaften flexibler zu gestalten, wurde nicht angenommen, da die Besprechungsteilnehmer dadurch eine zu starke Aushöhlung des Gesetzes befürchteten. 427 Zusammenfassend betrachtet, spiegelte die Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium die Komplexität der Liquiditätsproblematik ebenso wie die kontro421 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 255. 422 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 256. 423 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 256. 424 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 257. 425 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 257. 426 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 257. 4 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 2 8 .
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verse Debatte i m Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens wider. So waren neben der grundsätzlichen Frage, ob das Gesetz bestimmte Liquiditätsquoten zahlenmäßig benennen sollte, auch eine Reihe von Details des Entwurfs umstritten. Insgesamt wurde jedoch seitens der Besprechungsteilnehmer das Erfordernis einer Liquiditätsnorm anerkannt und die grundsätzliche Fassung des § 16 K W G - E 1 mehrheitlich akzeptiert. Dies zeigt sich darin, daß abgesehen von dem Beschluß, § 16 Abs. 2 K W G - E 1 elastischer zu fassen, keine Änderungen des Entwurfs beschlossen wurden.
4. § 15 KWG-E 2 Die Regelungen über die Barliquidität blieben in § 15 Abs. 1 K W G - E 2 gegenüber der entsprechenden Vorschrift des ersten Entwurfs i m Grundsatz unverändert und wurden nur in Details modifiziert. Nunmehr waren bei der Berechnung der Verpflichtungen eines Kreditinstituts auch die Nostroguthaben einzubeziehen, sie konnten jedoch auch weiterhin nicht in die Barreserve selbst eingestellt werden. Weiterhin sah § 15 Abs. 1 K W G - E 2 vor, daß das Bankenaufsichtsamt die Barreserve „für die einzelnen Gruppen von Kreditinstituten verschieden bemessen" konnte. Diese Erweiterung bedeutete weniger eine materielle Änderung der Vorschrift als vielmehr eine Klarstellung, da schon nach dem ersten Entwurf die Möglichkeit eröffnet sein sollte, für einzelne Institutsgruppen verschiedene Sätze festzulegen. 4 2 8 Schließlich fiel in § 15 Abs. 1 K W G - E 2 die Bestimmung weg, wonach die Barreserve nach dem Monatsdurchschnitt zu berechnen war 4 2 9 § 15 Abs. 2 K W G - E 2, der die Liquidität ersten Grades regelte, erhielt die von Ernst und den Besprechungsteilnehmern i m Reichswirtschaftsministerium gewünschte flexible Fassung. Die Vorschrift bestimmte, daß die Quote der Liquidität ersten Grades vom Aufsichtsamt festgesetzt wurde, welches jedoch in keinem Fall einen höheren Satz als 30% vorschreiben durfte. Darüber hinaus waren, dem Vorschlag Schwandts entsprechend, die Verpflichtungen aus der Übernahme von Garantien bei der Berechnung der Gesamtverbindlichkeiten nicht mehr zu berücksichtigen, obwohl sich Müller für deren Beibehaltung eingesetzt hatte. Der Begriff „ordentliche Handelswechsel" wurde durch die Formulierung „Handelswechsel, die innerhalb von 90 Tagen fällig sind" ersetzt. Somit konnten auch weiterhin nicht reichsbankfähige Wechsel in die Liquidität ersten Grades einbezogen werden. Schließlich wurde in § 15 Abs. 2 K W G - E 2 eine weitere Ermächtigung zugunsten des Aufsichtsamtes eingearbeitet. So war das A m t befugt zu bestimmen, daß in die Liquidität ersten Grades neben den Handelswechseln und den lombardfähigen Wertpapieren 4 3 0 „auch andere Anlagen ( . . . ) einbezogen werden können." 428 s. o., Teil 4, F., VI., 3., b). In dieser Frage hatte es Differenzen zwischen Kohler und Paersch gegeben (s. o., Teil 4, F., VI., 3., c)). Möglicherweise wurde zur Beilegung dieser Differenzen beschlossen, das genaue Verfahren zur Berechnung der Barreserve den Durchführungsbestimmungen vorzubehalten. 429
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Die Publizitätsvorschrift des § 16 Abs. 3 K W G - E 1, wonach die jeweiligen Liquiditätsbestände in den Monatsausweisen anzugeben waren, entfiel i m neuen Entwurf. Offenbar hatte sich die Reichsbank entschlossen, aus systematischen Gründen dieses Vorschrift nicht dem Gesetzesabschnitt über die Normativbestimmungen einzugliedern, sondern insoweit eine Regelung i m Abschnitt über die Publizität der Kreditinstitute 4 3 1 zu treffen. § 15 Abs. 3 K W G - E 2 enthielt nun eine Ausnahmevorschrift, die weiter gefaßt war als die entsprechende Bestimmung des ersten Entwurfs. § 15 Abs. 3 K W G - E 2 ermächtigte das Aufsichtsamt, zu verfügen, „daß die Vorschriften des Abs. 1 und 2 auf einzelne Gruppen von Kreditinstituten keine Anwendung finden". Damit wurde die Beschränkung der Ausnahmemöglichkeiten auf die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften aufgegeben. Insgesamt blieb § 15 K W G - E 2 gegenüber der Vorschrift des ersten Entwurfs i m Grundsatz unverändert. Insbesondere in der umstrittenen Frage, ob das Gesetz die Befugnisse der Bankenaufsicht begrenzen und insoweit Höchstsätze für die Liquidität enthalten solle, konnten sich die Gegner einer derartigen Regelung nicht durchsetzen. Die Änderungen des Entwurfs führten dazu, daß die Liquiditätspolitik in vielen Punkten flexibler wurde und ein genaueres Eingehen auf die Besonderheiten der einzelnen Institutsgruppen ermöglichte. Damit wurde dem Wunsch Quassowskis (Reichsernährungsministerium) und Kohlers Rechnung getragen, die die Möglichkeit der differenzierten Ausgestaltung der Liquiditätssätze und weitreichende Ausnahmevorschriften gefordert hatten. Aber auch gegenüber den betroffenen Kreditinstituten stellte § 15 K W G - E 2 ein Entgegenkommen dar, die sich nunmehr einer offeneren und weniger starren Regelung gegenüber sahen.
5. § 15 KWG-E 3 Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. M a i 1934 brachten wenig Neues, so daß § 15 K W G - E 3 gegenüber § 15 K W G - E 2 kaum Änderungen aufzuweisen hatte. § 15 Abs. 1 K W G - E 1 erhielt eine redaktionelle Neufassung und es entfiel die Legaldefinition des Begriffs „Kassenbestand 4 '. Offenbar sollten derartige Detailfragen den Durchführungsbestimmungen vorbehalten bleiben. § 15 Abs. 2 K W G E 2 sah nicht mehr vor, daß die Wertpapiere, die in die Liquidität ersten Grades einzubeziehen waren, bereits zu 2 / 3 von der Reichsbank zum Lombardverkehr zugelassen sein mußten. Es reichte gem. § 15 Abs. 2 S. 1 K W G - E 2 aus, daß das betreffende Kreditinstitut Wertpapiere hielt, die „von der Reichsbank zum Lombardverkehr zugelassen werden können". Dies stellte eine weitere Erleichterung für die Liquiditätsvorsorge der Kreditinstitute dar und entsprach der Anregung 430 Die Bestimmung, wonach 2/3 dieser Wertpapiere bereits zum Lombardverkehr zugelassen sein mußten, blieb erhalten. 43 1 §§ 20f. KWG, s. u., Teil 4, G.
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Kohlers aus der ersten Besprechungsrunde im Reichswirtschaftsministerium. 432 Schließlich enthielt die Ausnahme Vorschrift des § 15 Abs. 3 K W G - E 3 eine Erweiterung gegenüber dem zweiten Entwurf. Die Bestimmung ordnete an, daß das Bankenaufsichtsamt für Institutsgruppen, auf die § 15 Abs. 1, 2 K W G - E 3 keine Anwendung finden sollte, „Sondervorschriften erlassen" konnte. Diese Möglichkeit sollte vor allem für die Masse der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften eine Erleichterung darstellen, bei denen^die Einhaltung der Liquiditätsvorschriften aufgrund ihrer besonderen Einleger- und Anlagestruktur große Schwierigkeiten bereitet hätte 4 3 3
6. Die weitere Entstehung des § 16 KWG A u f der Schlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 24. Mai 1934 erhielt § 15 Abs. 1 K W G - E 3 eine redaktionelle Neufassung, die bereits der Endfassung des § 16 K W G entsprach, jedoch keine rechtlichen Änderungen bewirkte 4 3 4 I m übrigen blieb der § 15 K W G - E 3 in dieser Besprechung unverändert. A u f dieser Basis trat der Untersuchungsausschuß in seine abschließende Besprechung am 4. Oktober 1934. Dem Ausschuß lag der K W G - E 4 vor, dessen Liquiditätsbestimmungen sich in § 16 K W G - E 4 fanden. 4 3 5 In der Sitzung regte sich noch einmal Widerstand gegen die Aufnahme eines Satzes von 10% für die Barliquidität in das Gesetz. Prof. Jessen kritisierte, daß dieser Satz in absehbarer Zeit ohnehin nicht erreicht werden dürfte. Anstatt einer gesetzlich festgelegten Quote, über die die Bankenaufsicht bei der Regelung der Liquidität nicht hinausgehen dürfe, solle die Bestimmung der jeweiligen Liquiditätssätze den Richtlinien des Aufsichtsamtes überlassen bleiben 4 3 6 Schacht und Ernst setzten sich für die Fassung des Entwurfs ein, wobei insbesondere Schacht die vorgesehene Regelung noch einmal ausführlich begründete und verteidigte. Er argumentierte, daß die Aufnahme des 10%-Satzes in das Gesetz zum einen ein gewisses Ziel der Liquiditätspolitik markiere und zum anderen den Kreditinstituten einen Schutz vor überspannten Liquiditätsanforderungen biete 4 3 7 Die vorgesehene Regelung würde den Instituten damit trotz der gegenwärtig unbe432 s. o., Teil 4, F., VI., 3., c). 433 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 303. 434 Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6941,S. 119. 435 Zwischen Mai und Oktober wurden keine weiteren Überarbeitungen vorgenommen, so daß § 16 KWG-E 5 inhaltlich § 15 KWG-E 3 entsprach. 436 Prot, der Besprechung vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6941, S. 148. 437 Prot, der Besprechung vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6941, S. 148. 19 Müller
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
friedigenden Liquidität auch eine größere Ruhe gewähren, als eine ständig neue Festlegung immer höherer Liquiditätsquoten durch das Aufsichtsamt. Zudem würde die Sparkassenorganisation dem Gesetz großes Mißtrauen entgegenbringen. Die vorgesehene Fassung würde ihr dagegen die Akzeptanz des Gesetzes erleichtern, da die Girozentralen und Sparkassen bereits jetzt 20% der Giroeinlagen als Liquiditätsreserve halten müßten. 4 3 8 Prof. Jessen zeigte sich von den Ausführungen Schachts nicht überzeugt, machte jedoch deutlich, daß er dem Gesetz auch ohne die von ihm gewünschte Änderung zustimmen werde 4 3 9 § 16 Abs. 1 K W G - E 4 blieb daraufhin unverändert. Schließlich schlug Bankier Martin vor, die in § 16 Abs. 1 K W G - E 4 vorgesehene Ermächtigung des Aufsichtsamtes, differenzierte Liquiditätsquoten für die einzelnen Institutsgruppen zu bestimmen, auch auf § 16 Abs. 2 K W G - E 4 anzuwenden. 4 4 0 Seine Anregung wurde in den K W G - E 5 eingearbeitet. Neben dieser Änderung wurde § 16 K W G - E 4 auf der Referentenbesprechung am 8. Oktober 1934 noch in zwei weiteren Punkten modifiziert. § 16 Abs. 1 K W G E 5 erlaubte es nunmehr, in die Barreserve neben dem Kassenbestand und den Guthaben bei der Reichsbank auch die Guthaben bei den deutschen Postscheckämtern einzubeziehen und erleichterte den Kreditinstituten damit die Haltung der Barreserve. 4 4 1 Welche Gesichtspunkte zu dieser Erweiterung des § 16 Abs. 1 K W G - E 5 führten, ist nicht ersichtlich. 4 4 2 Offenbar waren die Besprechungsteilnehmer aber der Auffassung, daß die Guthaben bei den staatlich garantierten Postscheckämtern ebenso sicher und liquide waren wie die Guthaben bei der Reichsbank und daher in die Barliquidität einbezogen werden konnten. Darüber hinaus wurde noch eine Änderung des § 16 Abs. 2 K W G - E 4 vorgenommen. § 16 Abs. 2 K W G - E 5 ermächtigte das Aufsichtsamt, zu bestimmen, daß die Nostroverpflichtungen bei der Berechnung der Gesamtverbindlichkeiten außer Absatz bleiben konnten. 4 4 3 Trotz der diversen Änderungen, die an § 16 K W G - E 4 in der Endphase des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommen wurden, war in § 16 K W G - E 5 immer noch 438 Prot, der Besprechung vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6941, S. 148. Diese Verpflichtung der Sparkassen und Girozentralen war in Teil 5, Kap. 1, Art. 1, § 5 Abs. 2 der NotVO v. 6. Oktober 1931 (RGBl. I, S. 534) niedergelegt, vgl. o., Teil 1,C.,IV., 2. 439 Prot, der Besprechung vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6941, S. 148 f. 440 Prot, der Besprechung vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6941, S. 152. 441 s. die Auflistung der in der Sitzung vom 8. Oktober 1934 beschlossenen Änderungen in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/ 13683, S. 231. 442 Das Prot, der Referentenbesprechung enthält nur die allgemeine Bemerkung, daß die beschlossenen Änderungen „als redaktionelle oder sachliche Verbesserungen aufgefaßt worden sind" (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 227). 443 s. die Auflistung der in der Sitzung vom 8. Oktober 1934 beschlossenen Änderungen in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/ 13683, S. 232.
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nicht die endgültige Fassung der Vorschrift gefunden. Bis zur endgültigen Verabschiedung des K W G durch das Reichskabinett wurde § 16 K W G - E 5 noch in einem letzten Punkt abgewandelt. Ebenso wie § 16 Abs. 2 K W G - E 5 war nunmehr auch in § 16 Abs. 1 K W G die Ermächtigung des Aufsichtsamtes vorgesehen, die Nostroverpflichtungen bei der Berechnung der Verbindlichkeiten außer Ansatz zu lassen. Dadurch wurden die Bestimmungen über die Barliquidität und die Liquidität ersten Grades besser aufeinander abgestimmt. 4 4 4 M i t dieser Änderung war die Endfassung des § 16 K W G gefunden. Zum ersten M a l bestand in Deutschland eine das gesamte Kreditwesen erfassende Vorschrift zur Regelung der Liquidität der Kreditinstitute.
7. Resümee M i t § 16 K W G fand die seit der Bankenkrise von 1931 andauernde Debatte über die Frage, wie die Bankenliquidität zu erhöhen sei, ihr vorläufiges Ende. Der Gesetzgeber war sich der Komplexität der Materie bewußt und ging dementsprechend umsichtig bei der Formulierung der Vorschrift vor. Bei allen Bemühungen zur Verbesserung der Liquidität achtete er streng darauf, die Rentabilität der Banken und die allgemeine Konjunktur nicht zu schwächen. Heraus kam schließlich eine Vorschrift, die noch keine verbindlichen Liquiditätssätze enthielt, sondern es dem Aufsichtsamt überließ, durch allmähliches Agieren langsam die Liquidität zu erhöhen. Diese elastische Ausgestaltung des § 16 K W G sowie die Möglichkeit, differenzierte Sätze zu bestimmen und Ausnahmen und Sondervorschriften zu erlassen, gewährleisteten soweit wie möglich, die Liquidität der Kreditinstitute zu erhöhen, ohne ihrer Rentabilität und der konjunkturellen Entwicklung Schaden zuzufüg e n . 4 4 5 Darüber hinaus stellte § 16 K W G für die Kreditinstitute keine untragbare Belastung dar. Denn zum einen bot die gesetzliche Begrenzung der Befugnisse der Bankenaufsicht, durch die die Sätze für die Barliquidität und die Liquidität ersten Grades auf maximal 10% bzw. 30% festgesetzt werden konnten, einen wirksamen Schutz vor überhöhten Liquiditätsanforderungen. Z u m anderen betrug die Liquidität ersten Grades bei den Kreditinstituten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des K W G i m allgemeinen ohnehin bereits 3 0 % , 4 4 6 so daß § 16 Abs. 2 K W G insoweit von den Banken keine erhöhten Anstrengungen verlangte. § 16 K W G wurde jedoch nicht nur als eine Vorschrift zur Erhöhung der Bankenliquidität gesehen, wenngleich dieser Aspekt i m Rahmen des Gesetzgebungs444 Wann diese Änderung beschlossen wurde, ist nicht ersichtlich. Wahrscheinlich fiel die Entscheidung auf der Chefbesprechung der beteiligten Ressorts vom 30. November 1934, wenngleich in dem Bericht Wagners über die Besprechung insoweit nichts erwähnt ist. Allerdings hatte Wagner nicht alle während der Besprechung beschlossenen Änderungen protokolliert. Vgl. Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 147. ue Reinhart, Die Bank 1935, S. 13.
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Verfahrens immer i m Vordergrund gestanden hatte. 4 4 7 Daneben betrachtete vor allem die Wissenschaft 4 4 8 § 16 K W G auch als geldpolitisches Instrument, das es dem Aufsichtsamt gemeinsam mit der Reichsbank ermöglichen sollte, durch die Regelung der Barreservesätze die Geldmenge zu steuern und damit die Währungsstabilität zu sichern. § 16 K W G wurde zu einem Mittel der Geldpolitik erhoben, das den gleichen Stellenwert wie die Diskont- und die Offenmarktpolitik der Reichsbank einnehmen sollte. 4 4 9 Die Vorschrift sollte somit eine hohe Bankenliquidität gewährleisten und zugleich zur Erhaltung der Geldwertstabilität beitragen. Dementsprechend hohe Erwartungen wurde mit der Verabschiedung des K W G an § 16 K W G geknüpft. Vor diesem Hintergrund mußte die praktische Bewährung von § 16 K W G enttäuschen. Denn bis zur Währungsreform von 1948 erlangte die Vorschrift keine praktische Bedeutung, da die Bankenaufsicht weder Sätze für die Barliquidität noch für die Liquidität ersten Grades festsetzte. 450 Für diese mangelnde Umsetzung des § 16 K W G werden verschiedene Gründe angeführt. So wird angenommen, daß die Festsetzung von Liquiditätsquoten entbehrlich war, da die Kreditinstitute aufgrund der besonderen Verhältnisse nach 1934 i m allgemeinen eine auffallend hohe Liquidität zu verzeichnen hatten. 4 5 1 Auch wird darauf hingewiesen, daß die Barliquidität aufgrund der staatlichen Rüstungsfinanzierung ihre Bedeutung als Mittel der Geldpolitik verloren hatte und von der Festsetzung von Liquiditätsquoten angesichts der damit einhergehenden Kostenbelastung für die Kreditinstitute abgesehen wurde 4 5 2 Daneben mag noch ein weiterer Aspekt dazu geführt haben, daß § 16 K W G nicht praktisch umgesetzt wurde. Die hohen Anforderungen, die an § 16 K W G gestellt wurden - Verbesserung der Liquidität und zugleich Steuerung der Geldmenge - mußten die Bankenaufsicht bei der Umsetzung der Vorschrift überfordern, da das Instrumentarium des § 16 K W G die gleichzeitige Erreichung beider Ziele nicht gewährleisten konnte. I m Interesse einer hohen L i quidität mußten die Quoten des § 16 K W G möglichst hoch gesetzt werden. Dies mußte gerade in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs gelten, in denen die Banken erhöhten RückZahlungsansprüchen ausgesetzt waren und daher einer erhöhten Liquidität bedurften 4 5 3 Andererseits hätte eine Depression unter geldpolitischen
447
So betrachtete der Schlußbericht des Untersuchungsausschusses die Möglichkeit des Aufsichtsamtes, die Liquiditätsquoten zu bestimmen, in erster Linie als ein Mittel zur Stärkung der Zahlungsbereitschaft der Kreditinstitute, s. Schlußbericht, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 25 f. Vgl. auch Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 146 ff. 448 Auch seitens der Bankenaufsicht wurden die geldpolitischen Möglichkeiten, die § 16 KWG eröffnete, geschätzt, vgl. Ernst, Sparkasse 1935, S. 216. 449 Stucken, Bank-Archiv 1934/35, S. 152. 4 50 Stucken, Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914- 1963, S. 111. 4
51 Bauer, S. 66. 52 Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 144. 4 53 Vgl. Herrmann, Der Deutsche Oekonomist, 1933, S. 1026. 4
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Gesichtspunkten gerade eine Herabsetzung der Barliquiditätssätze erfordert, um den Kreditspielraum der Kreditinstitute zu erweitern und damit die Wirtschaft anzukurbeln. 4 5 4 Bei der konkreten Umsetzung des § 16 K W G drohte somit ein Konflikt zwischen dem liquiditäts- und dem geldpolitischen Zweck der Vorschrift. Möglicherweise war sich das Aufsichtsamt dieses Zielkonflikts bewußt und sah daher von einer praktischen Umsetzung des § 16 K W G ab. Konnte § 16 K W G in der Praxis die an ihn gestellten Erwartungen somit nicht erfüllen, so kann er dennoch nicht als mißlungene Vorschrift angesehen werden. Denn die Vorschrift dürfte durch ihre bloße Existenz einen psychologischen Effekt auf die Kreditinstitute ausgeübt und damit zu einer Steigerung der Bankenliquidität beigetragen haben. Vor allem aber stellte § 16 K W G ein Vorbild für die Gesetzgebung des Geldund Kreditwesens der Nachkriegszeit dar. Eine dem § 16 Abs. 1 K W G weitgehend entsprechende Vorschrift fand sich in § 16 des Bundesbankgesetzes von 1957 455 wieder, der die Mindestreservepolitik der Bundesbank begründete. Anders als § 16 K W G diente § 16 BBankG somit nicht der Erhöhung der Bankenliquidität, sondern ausschließlich geldpolitischen Zielen. Zudem wurde der Grundsatz, auf gesetzlichem Wege eine ausreichende Liquidität der Kreditinstitute zu gewährleisten, für richtig gehalten. Denn § 11 des K W G von 1961 verlangte von den Kreditinstituten, daß sie „ihre Mittel so anlegen, daß jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist 4 '. Freilich hatte der Gesetzgeber aus den Erfahrungen mit § 16 K W G gelernt. So verzichtete er darauf, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen zur Festsetzung allgemeingültiger Liquiditätssätze zu verpflichten. Vielmehr wurden die Anforderungen an die Liquidität in den sog. Grundsätzen des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen geregelt. Der Gesetzgeber der Nachkriegszeit hielt damit an dem Ziel fest, auf gesetzlichem Wege eine ausreichende Bankenliquidität zu gewährleisten, beschritt aber zur Erreichung dieses Zieles einen anderen Weg als der Gesetzgeber des K W G von 1934. Zudem wurden die liquiditäts- und geldpolitischen Aspekte, die § 16 K W G 1934 noch in einer Vorschrift vereinte, nach dem Krieg mit § 16 BBankG und § 11 K W G 1961 in zwei getrennten Bestimmungen geregelt, so daß dem § 16 K W G 1934 vergleichbare Zielkonflikte in der praktischen Umsetzung vermieden wurden. Zusammenfassend betrachtet, war die praktische Bedeutung von § 16 K W G aufgrund seiner mangelnden Umsetzung nur gering. Indem er jedoch Sätze für die Barliquidität und die Liquidität ersten Grades von 10% bzw. 30% als Ziel der Bemühungen um eine erhöhte Liquidität benannte, rückte er das Erfordernis einer erhöhten Bankenliquidität stärker in das öffentliche Bewußtsein und mag auf diesem Wege zu einer verbesserten Liquidität der Kreditinstitute und damit einem stabileren Kreditwesen beigetragen haben. Zudem spielte § 16 K W G eine Vorreiterrolle
454 Vgl. Stucken,, Bank-Archiv 1934/35, S. 154. 455 BGBl. I, S. 745.
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für die Gesetzgebung des Geld- und Kreditwesens der Nachkriegszeit, deren entsprechende Grundsätze bis heute gültig sind. Die Grundideen des § 16 K W G , auf gesetzlichem Wege eine Verbesserung der Liquidität anzustreben und durch die Steuerung der Barreserven geldpolitische Wirkung zu erzielen, hatten sich somit als vorausschauend und richtig erwiesen. 4 5 6
V I I . Wertpapier-, Immobiliar- und Beteiligungsbesitz, § 17 K W G Während § 16 K W G die zentrale Vorschrift zur Verbesserung der Liquidität der Kreditinstitute war, stellte § 17 K W G eine Ergänzung der Bemühungen um eine erhöhte Liquidität des Kreditwesens dar, indem er die Anlagen der Kreditinstitute in weniger liquiden Vermögenswerten einschränkte 4 5 7
1. Zweck und Inhalt des § 17 KWG Die Regelung des § 17 K W G war durch eine bestimmte Anlagepolitik der Kreditinstitute erforderlich geworden, die zu der Verschärfung der Bankenkrise von 1931 erheblich beigetragen hatte. So waren während der Weimarer Zeit eine Vielzahl von Kreditinstituten bei dem Erwerb von Dividendenpapieren und nicht börsengängigen Schuldverschreibungen auf eigene Rechnung ein zu großes Risiko für die Sicherheit der ihnen anvertrauten Gelder eingegangen. 4 5 8 Insbesondere die Großbanken erwarben in den 20er Jahren - häufig bedingt durch ihre Beteiligung an Konzerngründungen - umfangreiche Aktienpakete, die einen großen Posten auf der Aktivseite ihrer Bilanz ausmachten. Diese Aktienpakete stellten in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs keine Gefahr für die Kreditinstitute dar, zumal die Dividendenerträge die Rentabilität der Banken verbesserten. M i t dem Einsetzen der Wirtschaftskrise wurde der umfangreiche Wertpapierbesitz jedoch zu einer Bedrohung für die Kreditinstitute. Neben den ausbleibenden Dividenden setzten vor allem die fallenden Aktienkurse die Banken unter Druck, da sich dadurch ihre A k tivposten verringerten 4 5 9 Damit einher ging ein Liquiditätsverlust der Kreditinstitute. Der Wertpapierbesitz der Banken konnte gar nicht oder nur mit Verlust abgestoßen werden, so daß entsprechend weniger Geld zur Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen zur Verfügung stand. Der teilweise sehr große Wertpapierbesitz führte daher zu großen Verlusten der Kreditinstitute und bedrohte ihre L i q u i d i t ä t 4 6 0 456
Ähnlich Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 144. 57 Vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 114. 4 58 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 303. 459 Born, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert. 460 Vgl. Ziegler, Bankensanierung und Bankenaufsicht, S. 20. 4
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Daneben führte der umfangreiche Immobiliar- und Beteiligungsbesitz zu einer Immobilisierung vieler Kreditinstitute. Bei vielen Instituten machte das Grundstücks· und Beteiligungskonto eine erhebliche Höhe aus. 4 6 1 Die in diesen Anlagen gebundenen Mittel konnten nur schwer flüssig gemacht werden und stellten damit ebenfalls eine Bedrohung der Zahlungsbereitschaft des Kreditwesens dar 4 6 2 U m diesen Mißständen abzuhelfen, beschränkte § 17 K W G den Wertpapier-, Immobiliar- und Beteiligungsbesitz eines Kreditinstituts. § 17 Abs. 1 S. 1 K W G ordnete an, daß „der Besitz eines Kreditinstituts an Aktien, K u x e n 4 6 3 und Bergwerksanteilen, mit Ausnahme der dauernden Beteiligungen, sowie an nicht zum Handel an deutschen Börsen zugelassenen Schuldverschreibungen" einen bestimmten Prozentsatz seiner Gesamtverpflichtungen mit Ausnahme der Spareinlagen nicht übersteigen durfte. Der Prozentsatz wurde vom Aufsichtsamt festgesetzt. Er konnte „für die einzelnen Arten oder Gruppen von Kreditinstituten verschieden bemessen" (§ 17 Abs. 1 S. 2 K W G ) werden, sollte aber in keinem Fall unter 5% liegen. Darüber hinaus war das Aufsichtsamt gem. § 17 Abs. 1 S. 3 K W G berechtigt, festzulegen, daß die genannten Beschränkungen auf bestimmte Arten nicht börsengängiger Wertpapiere keine Anwendung fanden. Schließlich bestimmte § 17 Abs. 1 S. 1 K W G , daß die Vorschrift alle anderen Regelungen, „die den Erwerb der genannten Werte untersagen oder weiter einschränken" unberührt ließ 4 6 4 § 17 Abs. 2 K W G widmete sich dem Beteiligungs- und Immobiliarbesitz der Kreditinstitute und bestimmte, daß „die Anlagen eines Kreditinstituts in Grundstücken, Gebäuden und dauernden Beteiligungen" den Betrag ihres Eigenkapitals nicht überschreiten sollten, wobei die Bilanzwerte dieser Anlagen maßgeblich waren. Damit wurde einem bewährten bankgeschäftlichen Grundsatz gesetzliche Geltung verschafft. 4 6 5
2. Die Entstehung des § 17 KWG Bereits der erste Entwurf des § 17 K W G kam der Endfassung sehr nahe. § 17 Abs. 1 K W G - E 1 bestimmte, daß „der Besitz einer Bank an Aktien und Bergwerksanteilen sowie an nicht börsengängigen Schuldverschreibungen ( . . . ) je 5% 461 Ernst, Sparkasse 1935, S. 216. 462 Müller-Freienfels, S. 32. 463 Kuxe waren börsenmäßig gehandelte Bergwerksanteile. 464 Hierzu gehörten in erster Linie die Vorschriften der Sparkassenmustersatzungen und der Sparkassenverordnung vom 6. Oktober 1931 (s. o., Teil 1, C., IV., 2.) sowie die allgemeinen aktienrechtlichen Vorschriften über den Erwerb eigener Aktien. Besonders der Erwerb eigener Aktien stellte ein von § 17 KWG unabhängiges aktienrechtliches Problem dar. Dieses Problem wurde erstmals im Ersten Teil der Notverordnung vom 19. September 1931 geregelt, die daneben auch die Bankenaufsicht in Deutschland einführte. Eine endgültige Regelung wurde mit § 65 AktienG vom 30. Januar 1937 (RGBl. I, S. 107) gefunden. 6 Begründung zu KWG-E , BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 1 / , S. 03.
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der Gesamtverpflichtungen (§ 16 Abs. 2) nicht überschreiten" sollte. § 17 Abs. 2 K W G - E 1 ordnete an, daß „der Besitz einer Bank an Grundstücken, Gebäuden und dauernden Beteiligungen ( . . . ) den Betrag des Eigenkapitals der Bank (§ 11 Abs. 2) nicht überschreiten" sollte. Innerhalb des Untersuchungsausschusses wurden hinsichtlich dieser Fassung keine Einwände erhoben, so daß die Vorschrift bei der Sitzung des Ausschusses am 27. Februar 1934 nicht zur Sprache kam. Bei der Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium am 12. März 1933 stieß der Entwurf ebenfalls auf keine grundsätzlichen Bedenken. Wie bereits bei den anderen Normativbestimmungen wünschten die Besprechungsteilnehmer jedoch auch bei § 17 K W G - E 1 eine elastischere Fassung der Bestimmung. So wies Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) darauf hin, daß gerade die landwirtschaftlichen Kreditinstitute in so großer Zahl bestimmte Wertpapiere 4 6 6 halten müßten, daß sie die Bestimmung nicht einhalten könnten 4 6 7 Daraufhin sprach sich der Referent beim Bankenkommissar Paersch dafür aus, § 17 Abs. 1 K W G - E 1 eine elastische Fassung zu geben, indem die Maximalquote für den Wertpapierbesitz durch das Aufsichtsamt festgelegt werden solle, jedoch mindestens 5% betragen dürfe. 4 6 8 Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium) kritisierte, daß § 17 Abs. 1 K W G - E 1 die nicht börsengängigen Wertpapiere benachteilige, obgleich unter ihnen so wichtige Papiere wie die Kommunalschuldverschreibungen seien. 4 6 9 Aufgrund dieses Einwandes zeigte sich Reichsbankdirektor Müller bereit, für spezielle Papiere in den Durchführungsbestimmungen Ausnahmen vorzusehen. Waldeck war mit dem Vorschlag einverstanden und trat dafür ein, daß das Aufsichtsamt den Kreis dieser Papiere festlegen s o l l e . 4 7 0 Darüber hinaus wurde keine Änderungsvorschläge vorgebracht, § 17 Abs. 2 K W G - E 1 wurde in der Besprechung nicht erwähnt. § 16 K W G - E 2 setzte die Forderungen um, die in der Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium erhoben worden waren. Die Vorschrift war nunmehr in drei Absätze unterteilt. § 16 Abs. 1 K W G - E 2 war elastisch gefaßt, indem die Festsetzung der Obergrenze für den Wertpapierbesitz dem Aufsichtsamt unterlag, das an die Mindestquote von 5% gebunden war. Der neu eingefügte § 16 Abs. 2 K W G griff die Forderung Waldecks und den Vorschlag Müllers auf und sah vor, daß das 466 Quassowski nannte die Osthilfe-Schuldverschreibungen, Ablösungsbriefe und Erbhilfeentschuldungsbriefe. 467 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 258. 4 68 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 258. 469 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 258. 470 Prot, der ersten Besprechungsrunde im Reichswirtschaftsministerium, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6943, S. 258f.
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Aufsichtsamt bestimmen konnte, „daß die Vorschrift des Abs. 1 auf bestimmte Arten nicht börsengängiger Wertpapiere keine Anwendung findet". Weitere Änderungen des § 17 K W G - E 1 dienten nur der redaktionellen Neufassung oder der Klarstellung, ohne inhaltliche Änderungen der Vorschrift zu bewirken. Der dritte KWG-Entwurf führte zu einer weiteren Verfeinerung der Vorschrift. So stellte § 17 Abs. 1 K W G - E 3 klar, daß die Regelung „unbeschadet der für einzelne Arten von Kreditinstituten geltenden besonderen Vorschriften, die den Erwerb der genannten Werte untersagen oder weiter einschränken", galt. Der § 16 Abs. 2 des K W G - E 2 wurde in § 16 Abs. 1 K W G - E 3 integriert. Daneben wurde § 16 Abs. 2 K W G - E 3 sprachlich neu formuliert und erhielt damit die spätere Endfassung des § 17 Abs. 2 K W G . Die Fassung des § 16 K W G - E 3 blieb bis kurz vor Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens unverändert. Sie lag dem Untersuchungsausschuß auf der Sitzung vom 4. Oktober 1934 als § 17 K W G - E 4 vor, seitens der Ausschußmitglieder wurde jedoch keine Änderungen beschlossen. Eine letzte Änderung des § 17 Abs. 1 K W G E 4 wurde schließlich erst auf der Referentenbesprechung am 8. Oktober 1934 beschlossen und führte zu einer weiteren Flexibilisierung der Vorschrift. In Anpassung an § 16 K W G konnte die Obergrenze für den Wertpapierbesitz gem. § 17 Abs. 1 S. 2 K W G - E 5 nunmehr „für die einzelnen Arten oder Gruppen von Kreditinstituten verschieden bemessen" werden. Damit lag die Endfassung des § 17 K W G vor.
3. Resümee Die Entstehungsgeschichte des § 17 K W G zeigt, daß dieser Bestimmung bei weitem nicht die gleiche Bedeutung zukam wie der zentralen Liquiditätsvorschrift des § 16 K W G . Eine dem § 17 K W G vergleichbare Bestimmung wurde i m Vorfeld der Bankenreform nicht diskutiert und auch innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens spielte die Vorschrift nur eine untergeordnete Rolle. Der Grund dafür dürfte darin liegen, daß die verhängnisvolle Anlagepolitik der Kreditinstitute vor der Krise von 1931 von diesen selbst erkannt worden war und nicht weiter verfolgt wurde. Gleichwohl trug § 17 K W G dazu bei, daß die Anlage von Kundengeldern in leicht von Entwertung betroffenen oder besonders illiquiden Aktiva vermieden w u r d e 4 7 1 und gewährleistet zudem, daß der Großteil der den Banken zufließenden Mitteln der Kreditgewährung zugeführt wurde 4 7 2 Damit war § 17 K W G ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem liquideren und leistungsfähigeren Kreditwesen.
471 Vgl. Müller-Freienfels, S. 30. 472 Vgl. Ernst, Sparkasse 1935, S. 216.
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VIII. Ausschüttung von Gewinnanteilen, § 18 KWG § 18 K W G sollte die Einhaltung der Anforderungen gewährleisten, die die Normativbestimmungen des fünften Abschnitts des K W G an die Geschäftsführung der Kreditinstitute stellten. Die Einhaltung der Vorschriften über das Eigenkapital (§ 11 K W G ) , die Großkreditgewährung (§ 12 K W G ) und die LiquiditätsVorsorge (§§ 16, 17 K W G ) war einer Reihe von Kreditinstitute jedoch aufgrund der nach wie vor kritischen Situation des Kreditwesens auf absehbare Zeit nicht möglich. Ihnen fehlte es vor allem an Eigenkapital, um der neuen Rechtslage gerecht zu werden, und sie bedurften daher so schnell wie möglich einer Stärkung ihrer Eigenmittel. Der Gesetzgeber mußte somit Vorkehrungen treffen, damit die zukünftig von den Kreditinstituten zu erwirtschaftenden Überschüsse in erster Linie bei diesen zu Erhöhung ihrer eigenen Mittel verblieben und nicht als Gewinne ausgeschüttet wurden. Dementsprechend sah § 18 S. 1 K W G vor, „daß von Kreditinstituten, bei denen die auf Grund der §§ 11, 12, 16 und 17 festgesetzten Grenzen nicht innegehalten sind, Ausschüttungen von Gewinnanteilen ( . . . ) über einen von ihm [dem Reichskommissar, Verf.] festzusetzenden Satz nicht vorgenommen werden dürfen". § 18 S. 2 stellte klar, daß „einer solchen Anordnung widersprechende Beschlüsse ( . . . ) nichtig" waren. § 18 K W G nahm damit praktisch den Gesellschaftern eines Kreditinstituts die Möglichkeit, über dessen Gewinne frei zu verfügen und stellte einen erheblichen Eingriff in die Vermögensrechte der Gesellschafter d a r . 4 7 3 Dieser Eingriff kann jedoch nicht als unverhältnismäßig bezeichnet werden, sondern war i m Interesse der Herstellung eines stabilen und leistungsfähigen Kreditwesens und angesichts der kritischen Lage vieler Kreditinstitute dringend erforderlich. 4 7 4
IX. Übergangs- und Ausnahmevorschriften Bei der Formulierung des K W G war sich der Gesetzgeber bewußt, daß es den meisten Kreditinstituten in der Anfangsphase des Gesetzes kaum möglich war, die Anforderungen zu erfüllen, die insbesondere aufgrund der Normativbestimmungen des fünften Gesetzesabschnitts an ihre Geschäftspolitik gestellt werden konnten. Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit gesehen, daß es einzelnen Kreditinstituten i m Einzelfall gestattet sein mußte, von der bestehenden Rechtslage abzuweichen. Aus diesem Grund wurden zwei Vorschriften geschaffen, die während einer Übergangszeit eine reibungslose Anpassung der Kreditinstituten an das K W G ermöglichten und darüber hinaus in Ausnahmefällen ein Abweichen von den gesetzlichen Vorgaben erlaubten. 473 So Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium), Prot, der ersten Besprechungsrunde im Reichswirtschaftsministerium, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 259. 474 Vgl. Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 104.
F. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität, §§ 11 bis 19 KWG
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1. Übergangsvorschrift, § 55 S. 1 KWG § 55 S. 1 K W G war die Übergangsvorschrift zu den wichtigsten Normativbestimmungen des K W G . Die Regelung ermächtigte den Reichskommissar, „bis zu einem von der Reichsregierung zu bestimmenden Zeitpunkt einzelnen Kreditinstituten oder Arten oder Gruppen von Kreditinstituten Abweichungen von den Vorschriften der §§ 11, 12, 16 und 17 zu gestatten". Dadurch sollten Schwierigkeiten beim Inkrafttreten des Gesetzes vermieden und den Kreditinstituten die Anpassung an die neue Rechtslage erleichtert werden. 4 7 5
2. Ausnahmevorschrift, § 19 KWG § 55 S. 1 K W G war in der Anwendung auf eine bestimmte Übergangsphase beschränkt. Daneben bestand mit § 19 K W G eine Ausnahme Vorschrift, wonach der Reichskommissar auch außerhalb dieser Übergangszeit 4 7 6 auf Antrag zulassen konnte, „daß Kreditinstitute vorübergehend von den Vorschriften der §§ 11, 12, 16 und 17 abweichen". Die Vorschrift war ursprünglich nur auf § 16 und 17 K W G zugeschnitten. 4 7 7 Ihr Sinn war es, einzelne Kreditinstitute vorübergehend von der Haltung der Liquiditätsreserven gem. § 16 K W G befreien zu können, um den Instituten in Krisenzeiten den Einsatz dieser Reserven zu ermöglichen, ohne dabei gegen das K W G zu verstoßen. 4 7 8 Darüber hinaus wurde i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auch für die weiteren Normativbestimmungen die Notwendigkeit erkannt, Ausnahmemöglichkeiten vorzusehen und § 19 K W G dementsprechend auf § § 1 1 und 12 ausgedehnt 4 7 9 Der erforderliche Antrag konnte in Eilfällen auch nachträglich gestellt werden. Diese Möglichkeit war nach dem Gesetzes Wortlaut zwar nicht vorgesehen, 480 sie sollte sich aber aus der Natur der Sache ergeben 4 8 1
X . Zusammenfassung Die Normativbestimmungen des fünften Gesetzesabschnitts waren das Ergebnis der Erfahrungen, die während der Bankenkrise von 1931 gemacht w u r d e n . 4 8 2 475 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 122. 476 So noch ausdrücklich in § 19 KWG-E 1. 477 So § 19 KWG-E 1. 478 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 104. 479 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6943,S. 265. 480 Dagegen sah § 19 KWG-E 1 die Möglichkeit der nachträglichen Antragstellung noch ausdrücklich vor. 481 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 304. 482 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 95.
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Diese wurde in erster Linie durch die völlig unzureichende Liquidität, die schlechte Eigenkapitalausstattung und die mangelhafte Risikostreuung vieler Kreditinstitute verursacht bzw. verschärft. Die Vorschriften über die Eigenkapitalausstattung, die Kreditpolitik und die Liquidität ermöglichten es, krisenhaften Entwicklungen wie denen der Jahre 1930/31 zukünftig vorzubeugen. Zugleich aber wurde durch die §§ 11 bis 19 K W G erstmals das gesamte Kreditwesen einem einheitlichen Regelwerk unterworfen, mit dem die Kreditinstitute verpflichtet werden konnten, ihre Geschäftspolitik einem Rahmen anzupassen, der von der Bankenaufsicht vorgegeben wurde. Derartige staatliche Vorgaben für die Geschäftsführung waren zumindest dem privaten Bankgewerbe bis dahin fremd. Dementsprechend kritisch standen sie den neuen Regelungen gegenüber und versuchten i m Gesetzgebungsverfahren, Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung, zur Kreditgewährung und zur Liquidität abzuwehren oder zumindest in einer Form durchzusetzen, die sie so wenig wie möglich beengte. Da auch der Gesetzgeber die Gefahren erkannte, die von einer zu starren Reglementierung des Kreditwesens ausgingen, schuf er schließlich mit den §§ 11 bis 19 K W G Regelungen, deren konsequente Umsetzung einerseits eine Stärkung der Stabilität des Kreditwesens gewährleistete, andererseits jedoch für die Banken keine unzumutbare Belastung darstellten. Denn die Vorschriften des fünften Gesetzesabschnitts stellte keinen Bruch mit den aus der Erfahrung vieler Geschäftsjahre entstandenen Geschäftspraktiken der Kreditinstitute dar, sondern schrieben vielmehr mit der Verpflichtung zu einer angemessenen Eigenkapitalausstattung, einer gesunden Risikostreuung, einer gewissen Vorsicht in der Kreditvergabe und einer ausreichenden Liquidität althergebrachte und bewährte bankgeschäftliche Grundsätze gesetzlich fest. Überdies gewährleisteten die Übergangs- und Ausnahmevorschriften, daß mit Hilfe des K W G auf ein stabileres und leistungsfähigeres Kreditwesen hingearbeitet werden konnte, ohne dabei einzelne Kreditinstitute über Gebühr zu belasten.
G. Publizitätspflichten, §§ 20,21 K W G §§ 20 f. K W G regelten die Publizitätspflichten der Kreditinstitute. § 20 K W G verpflichtete die Institute, dem Reichsbankdirektorium Monats- und Jahresbilanzen einzureichen und darüber hinaus gehende Auskünfte zu erteilen. Eine umfassende Bankenpublizität wurde seit jeher als eines der wichtigsten Mittel der Aufsicht über das Kreditwesen angesehen. Dabei wurde unter dem Begriff „Bankenpublizität" i m engeren Sinn die regelmäßige Veröffentlichung von Bilanzen der Kreditinstitute verstanden, die nach einem bestimmten Schema aufzustellen waren. Diese Veröffentlichungen sollten dazu dienen, „ein einwandfreies B i l d der Entwicklung der Kreditinstitute und eine geeignete Grundlage für die Beurteilung des gesamten Kreditwesens zu erhalten". 4 8 3 I m weiteren Sinn fiel unter den Begriff 483 Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 147.
G. Publizitätspflichten, §§ 20, 21 KWG
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„Bankenpublizität" die Verpflichtung der Kreditinstitute, gegenüber der Bankenaufsicht i m Zusammenhang mit der Bilanzeinreichung Auskünfte zu erteilen, die für die Beurteilung der Lage eines Kreditinstitutes erforderlich waren. Die Bankenpublizität war damit eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine wirksame Beaufsichtigung des Kreditwesens überhaupt. 4 8 4 Zugleich sollte sie das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit der Kreditinstitute stärken. 4 8 5
I. Publizitätsregeln bis zum Erlaß des KWG Die Regelungen des K W G zur Publizität der Kreditinstitute waren nicht grundsätzlich neu. Vielmehr konnte der Gesetzgeber bei der Schaffung der §§ 20 f. K W G an eine jahrzehntelange Tradition anknüpfen, wonach Bankbilanzen der Reichsbank eingereicht und durch diese veröffentlicht wurden. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts existierten keine speziell auf die Kreditinstitute zugeschnittenen Publizitätsvorschriften. Verpflichtungen zur Erstellung und Veröffentlichung von Bilanzen oder Gewinn- und Verlustrechnungen bestanden lediglich aufgrund der allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften und erfaßten praktisch nur die Aktienbanken. 4 8 6 Zwar wurde bereits i m Jahr 1896 i m Reichstag ein Gesetzentwurf eingebracht, der Bestimmungen über eine häufigere Veröffentlichung von Rohbilanzen durch die Banken vorsah. Zur Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes kam es jedoch n i c h t 4 8 7 Dieser Zustand änderte sich i m Zusammenhang mit der Bankenenquete von 1908/09 4 8 8 in deren Rahmen über eine gesetzliche Einführung erweiterter Publizitätsvorschriften beraten wurde. Vor dem Hintergrund einer drohenden gesetzlichen Regelung erklärten sich die Berliner Großbanken gegenüber der Reichsbank bereit, ab 1909 in zweimonatlichen Zwischenräumen 4 8 9 nach einem bestimmten Schema 4 9 0 erstellte Bilanzübersichten zu veröffentlichen und legten damit den Grundstein für die Bankenpublizität. 4 9 1 Diese Veröffentlichungen sollten neben der Unterrichtung der Öffentlichkeit auch dazu dienen, der Reichsbank einen erleichterten Einblick in den Geschäftsumfang und die Verpflichtungen der Groß-
484 Bauer, S. 75. 485 Vgl. Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 26. 486 Tambert, S. 77. Vgl. etwa §§ 265, 320, 325 Ziff. 3 HGB vom 10. Mai 1897, die die AG und die KGaA zur Veröffentlichung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung in den Gesellschaftsblättern verpflichteten. 487 Nordhoff, Publizität, S. 245. 488 s.o., Teil 1, C., III., 3. 489 Für Ende Februar, Ende April, Ende Juni, Ende August und Ende Oktober. 490 Abgedruckt bei: Nordhoff, Publizität, S. 261. 491 Nordhoff,
Publizität, S. 246.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
banken zu geben. Überdies bot sie den Kreditinstituten die Möglichkeit, ihre Position mit der ihrer Mitbewerber vergleichen zu können und sollte aufgrund der kritischen Bewertung der Bilanzübersichten durch die Fachpresse erzieherisch auf die Bankleiter w i r k e n . 4 9 2 Hatten sich aufgrund dieser freiwilligen Vereinbarung nur die Berliner Großbanken zur Veröffentlichung ihrer Bilanzen verpflichtet, so erweiterte die Reichsbank in der Folgezeit den Kreis der publizierenden Banken durch mittelbaren Zwang. Sie erreichte den Erlaß einer Bestimmung, wonach nur noch die Aktien solcher Banken für den Börsenhandel zugelassen waren, die die Verpflichtung übernommen hatten, neben der Jahresbilanz regelmäßig Bilanzübersichten zu veröffentlichen 4 9 3 Für die Art und Weise dieser Veröffentlichungen waren die Bestimmungen der freiwilligen Vereinbarung der Berliner Großbanken maßgeblich. Somit wurde eine Erweiterung der Publizität ohne direkten gesetzlichen Zwang erreicht. Allerdings wurde mit diesen Bestimmungen nach wie vor nur ein beschränkter Teil des Kreditwesens - die Aktienbanken - erreicht, wenn auch dieser Sektor besonders wichtig war 4 9 4 Schon bald nach der Aufnahme der Bilanz Veröffentlichungen i m Jahr 1909 zeigte sich jedoch, daß das diesen Veröffentlichungen zugrunde liegende Bilanzschema aufgrund seiner sehr groben Gliederung für die Bewertung der Liquidität und Bonität der Banken völlig ungeeignet w a r 4 9 5 Daher einigten sich die beteiligten Banken nach Verhandlungen mit der Reichsbank auf ein verbessertes Bilanzschema, 4 9 6 das mit dem 30. Juli 1911 für verbindlich erklärt wurde. Es brachte gegenüber der bisherigen Fassung eine detailliertere Aufteilung der Aktiv- und Passivpositionen, um die Liquidität einer Bank besser beurteilen zu können. Die daraufhin eingereichten Zwischenbilanzen wurden von der Reichsbank weiterhin in tabellarischer Form zusammengestellt und i m Reichsanzeiger veröffentlicht. 4 9 7 Diese Form der Bankenpublizität blieb bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges erhalten. I m Krieg selbst dagegen kam die Einreichung und Veröffentlichung der Bilanzen fast vollständig zum Erliegen 4 9 8 Während der ersten Nachkriegszeit und während der Inflation scheiterten die Bemühungen der Reichsbank, die Banken zur Wiederaufnahme der Zwischenbilanzpublikationen zu bewegen, an der fortschreitenden Verschlechterung der Verhältnisse 4 9 9 492 Nordhoff, Publizität, S. 246. 493 Bekanntmachung des Reichskanzlers betreffend die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel vom 4. Juli 1910 (RGBl. S. 917). 494 Vgl. Tambert, S. 78. 495 Tambert, S. 78. 496 Abgedruckt bei: Nordhoff, Publizität, S. 263. 497 Nordhoff, Publizität, S. 247. 498 Tambert, S. 79. Vgl. Nordhoff, Publizität, S. 247 f. 499 Nordhoff, Publizität, S. 248.
G. Publizitätspflichten, §§ 20, 21 KWG
303
Erst i m Jahr 1925 erfolgte die Wiederaufnahme der Zwischenbilanzveröffentlichungen aufgrund einer Anregung der Reichsbank und einer Anordnung vom Reichs wirtschaftsminister vom 19. Februar 1925. 5 0 0 Dabei erfolgte die Veröffentlichung nach dem 1911 festgelegten Bilanzschema. Darüber hinaus ließ sich die Reichsbank von Frühjahr 1927 an die Auslandsverschuldung und -guthaben der Banken gesondert mitteilen, ein Verfahren, das durch die stark einsetzende Hereinnahme kurzfristiger Auslandsgelder erforderlich w u r d e . 5 0 1 I m Laufe der Jahre 1926 und 1927 zeigte sich, daß die Zweimonatsbilanzen in ihrer 1911 festgelegten Form kein vollständiges und klares Bild der tatsächlichen Lage der Banken mehr gaben, da die Verhältnisse sich gegenüber der Vorkriegszeit erheblich geändert hatten. 5 0 2 Daher wurde 1928 nach eingehenden Verhandlungen zwischen Reichsbank und Großbanken durch die „Bekanntmachung des Reichswirtschaftsministers über die Veröffentlichung von Zwischenbilanzen der Kreditbanken vom 10. März 1 9 2 8 " 5 0 3 ein abermals verbessertes Bilanzschema 5 0 4 eingeführt. Gleichzeitig wurden nicht mehr fünf Zweimonatsbilanzen, sondern zehn Monatsbilanzen veröffentlicht, deren Stichtag der letzte Werktag eines jeden Monats sein sollte. Die Monate Dezember und Januar waren ausgenommen, weil für den 31. Dezember ohnehin die Jahresbilanz veröffentlicht wurde und die Z w i schenbilanz für Januar sonst zumeist vor der Jahresabschlußbilanz vorgelegen hätte. 5 0 5 Das neue Bilanzschema brachte eine Reihe weiterer Verfeinerungen, die eine bessere Übersicht über die Lage der Banken gewährleisten sollten. Darüber hinaus war es den inzwischen i m deutschen Kreditwesen eingetretenen Veränderungen angepaßt. In der Form dieses Bilanzschemas blieb die Bankenpublizität bis zum Erlaß des K W G i m Wesentlichen unverändert. 5 0 6 Insgesamt gesehen hatten die Bemühungen der Reichsbank somit zu einer recht weit fortgeschrittenen Publizität i m deutschen Kreditwesen geführt. Dabei beruhte diese Publizität teilweise auf mittelbarem gesetzlichem Zwang, in erster Linie jedoch auf der freiwilligen Mitarbeit der Banken. So wurden etwa die für die Veröffentlichungen zu verwendenden Bilanzschemata stets i m engen Einvernehmen zwischen der Reichsbank und den betroffenen Instituten erarbeitet. 5 0 7 Allerdings erstreckte sich diese Publizität nur auf die privaten Aktienbanken, während die in anderen Rechtsformen betriebenen Privatbanken - insbesondere die Bankiers sowie die Sparkassen und Kreditgenossenschaften nicht erfaßt w u r d e n . 5 0 8 Wenn500 RA vom 20. Februar 1925. sol Tambert, S. 81. Zu den Auslandsgeldern s. o., Teil 1, Β., I., 1., b). 502 Nordhoff, Publizität, S. 248. 503 RA Nr. 64 vom 15. März 1928. 504 Abgedruckt bei: Nordhoff, Publizität, S. 265. 505 Tambert, S. 81. 506 Nordhoff, Publizität, S. 249 f. 507 Vgl. Bank-Archiv 1934/35, S. 259. 508 Benning, Bank-Archiv 1934/35, S. 199.
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gleich mit den Aktienbanken somit ein besonders wichtiger Zweig des Kreditwesens der Publizität verpflichtet war, so galt diese Verpflichtung dennoch nur für einen Bruchteil der Kreditinstitute.
II. Die Diskussion um eine Verbesserung der Bankenpublizität Die Form, die die Bankenpublizität durch das neue Bilanzschema von 1928 erfahren hatte, ließ einen genaueren Einblick in die wirtschaftliche Lage der publizierenden Kreditinstitute erwarten. Diese Erwartungen wurden jedoch durch die Bankenkrise von 1931 zunichte gemacht. Hier zeigte sich die vollkommene Unzulänglichkeit der Publizitätsregeln. 5 0 9 So wiesen die veröffentlichten Zwischenbilanzen noch kurz vor dem Höhepunkt der Bankenkrise am 13. Juli 1931 einen Liquiditätsgrad der berichtenden Banken von 50% a u s , 5 1 0 während die Kreditinstitute tatsächlich bereits wenige Tage später ihre Zahlungen einstellen mußten. 5 1 1 Vor diesem Hintergrund setzte nach 1931 eine Diskussion um die zukünftige Form der Bankenpublizität ein. So wurden zum einen qualitativ verbesserte Publizitätsvorschriften gefordert. 5 1 2 Das bisher bestehende Bilanzschema sollte durch eine stärkere Gliederung der einzelnen Bilanzposten weiter verbessert werden. 5 1 3 Zum anderen wurde eine Ausdehnung der Publizitätspflichten auf alle Arten von Kreditinstituten unabhängig von ihrer Rechtsform verlangt, 5 1 4 wobei jedoch keine Einigkeit bestand, ob auch die Bilanzen der Privatbankiers einzeln veröffentlicht werden sollten 5 1 5 oder ob insoweit die Publizität - gerade bei kleineren Kreditinstituten - nur gegenüber der Bankenaufsicht bestehen s o l l t e . 5 1 6 Insgesamt gesehen wurde somit allgemein ein Ausbau der Bankenpublizität gefordert. Stimmen, die vor dem Hintergrund des Versagens der Bilanzveröffentlichungen in der Krise von 1931 deren Abschaffung forderten, erhoben sich nicht. Der Gesetzgeber griff die Forderungen nach einer erhöhten Bankenpublizität bereitwillig auf. In ihrem Memorandum vom 5. Juni 1933 stellte die Reichsbank fest, daß „eine gut organisierte Publizität ( . . . ) Vertrauen [schafft] und ( . . . ) , verbunden mit einer wirksamen Kontrolle, die Ausdehnung von Mißständen rechtzeitig be509 Vgl. Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6910, S. 384 ff. 510 Kalveram, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 370.
su s.o., Teil Ι , Β . , Ι Ι . , 1. 512 Kalveram, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 369. 513 Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 575. 514 Kalveram, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 369 f.; Mellerowicz, 1931/32, Jg. 8, S. 575; Monjé, Deutsches Recht 1934, S. 257. 515 So Monjé, Deutsches Recht 1934, S. 257. 516 Vgl. Mellerowicz, Bankwissenschaft 1931/32, Jg. 8, S. 575.
Bankwissenschaft
G. Publizitätspflichten, §§ 20, 21 KWG
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kämpfen [kann]." Angesichts der vorhandenen Mängel sei daher „vor allem eine Reform der Jahresbilanzen und des Zwischenbilanzschemas" erforderlich. Auch i m Hinblick auf die Zahl der der Publizität unterliegenden Kreditinstitute regte die Reichsbank eine Neuregelung der Publizitätsbestimmungen an. Sie stellte fest, daß „eine Erweiterung des Kreises der Zwischenbilanzbanken auf alle Banken und Bankfirmen, die eine Mindestkreditorensumme, z. B. eine Mio. R M , aufweisen, ( . . . ) dringend erforderlich" sei. Zugleich betonte die Reichsbank aber auch die Grenzen der Bankenpublizität. Diese seien „durch den Unkostenetat der einzelnen Bank, und durch die aus privat- und volkswirtschaftlichen Gründen erforderliche vertrauliche Behandlung gewisser Geschäfte und Bilanzpositionen" gezogen. Dementsprechend befürwortete sie keine Offenlegung der Bilanzen einzelner Privatbankiers, sondern deren Veröffentlichung in zusammengefaßter F o r m . 5 1 7 Die Reichsbank schloß sich damit den nach der Bankenkrise erhobenen Forderungen nach einer verbesserten Bankenpublizität weitgehend an. Schließlich widmete sich auch die Bankenenquete in ihrer Vormittagssitzung vom 29. November 1933 der Publizität der Kreditinstitute. Dabei standen zwei Fragen zur Debatte. Zum einen war zu klären, ob auch die Privatbankiers zu einer erweiterten Publizität - wenn nicht gegenüber der Öffentlichkeit, so zumindest gegenüber dem Reichskommissar oder der Reichsbank - verpflichtet werden sollten. Zum anderen wurde diskutiert, ob die zu veröffentlichenden Bilanzen noch eingehender nach Art der Debitoren und Kreditoren zu gliedern seien. 5 1 8 Bankier v. Moller begrüßte eine weitgehende Publizität der Privatbankiers gegenüber der Reichsbank oder dem Reichskommissar. Zugleich sprach er sich gegen eine Veröffentlichung der Bilanzen der Bankiers aus. Er schlug vor, daß die Bankiers nicht nur jährlich über die Entwicklung ihres Geschäfts berichten, sondern ihre Bilanzen vierteljährlich bei der Reichsbank einreichen sollten. Darüber hinaus sprach er sich für eine detailliertere Gliederung der Bilanzen nach Größenklassen und Fälligkeiten der Kreditoren und Debitoren aus. A u f diesem Weg könnten sich die Stellen, die die Bilanzen erhielten, ein B i l d über die Liquiditätslage des jeweiligen Kreditinstitutes machen. Gleichwohl betonte er nochmals, daß diese Publizitätspflichten nur gegenüber der Reichsbank und dem Reichskommissar und keinesfalls gegenüber der Öffentlichkeit bestehen dürften. 5 1 9 Er stieß dabei auf das Verständnis des Enquete-Vorsitzenden Schacht, der eine Veröffentlichung der Bilanzen der Privatbankiers von vornherein ausschloß. 5 2 0 Den Ausführungen v. Mollers schlossen sich die Bankiers Albert und Joerger an. Letzterer erklärte aus517 Memorandum der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 5. Juni 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6910, S. 384ff. 518 Prot, der Vormittagssitzung vom 29. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 362. 519 Prot, der Vormittagssitzung vom 29. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 362. 520 Prot, der Vormittagssitzung vom 29. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915,S. 363.
20 Müller
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
drücklich die „Bereitwilligkeit der Privatbankiers, der Reichsbank und dem Bankenkommissar alle verlangten Aufschlüsse zu geben' 4 . 5 2 1 Neben den Privatbankiers erklärte sich auch Mosler (Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft) mit einer erweiterten Publizität grundsätzlich einverstanden. Die Kreditinstitute seien „wie bisher bereit, Reichsbank und Bankenkommissar jedwede Aufklärung zu gewähren". Vorsichtiger äußerte er sich jedoch bezüglich des Umfangs der regelmäßigen öffentlichen Berichterstattung. Die Veröffentlichung zu detaillierter Angaben könne zu einer gewissen Abstumpfung der Öffentlichkeit führen, zudem könnten dabei hervortretende monatliche Verschiebungen zufälligen Charakter haben. Vor diesem Hintergrund sei eine Erweiterung der Publizität, soweit sie die Veröffentlichungen betreffe, „nur in dem Rahmen zulässig ( . . . ), in dem die geschäftlichen Erfordernisse durch die Veröffentlichung nicht tangiert w ü r d e n " . 5 2 2 Schließlich sprachen sich mit Stucken ein Vertreter der Wissenschaft und mit Remshard ein Vertreter der Provinzbanken ebenfalls für eine Erweiterung der bestehenden Bestimmungen aus. 5 2 3 Schacht konnte daher am Ende der Nachmittagssitzung vom 29. November 1933 befriedigt feststellen, daß „die Forderungen ( . . . ) nach erhöhter Publizität ( . . . )von allen Seiten anerkannt worden" seien. 5 2 4 Zusammenfassend betrachtet, wurde in der Zeit nach der Bankenkrise von 1931 somit von Seiten der Wissenschaft, des Gesetzgebers und der Banken selbst ein Ausbau der Publizitätsbestimmungen verlangt.
III. Publizitätspflichten der Kreditinstitute, § 20 KWG Vor dem Hintergrund der allseits erhobenen Forderungen nach einer verbesserten Publizität der Kreditinstitute stellte § 20 K W G , der an die bisherigen Publizitätsbestimmungen anknüpfte und über sie hinausging, keine Überraschung dar.
1. §§ 20,21,22,23 KWG-E 1 I m ersten KWG-Entwurf fanden sich die Bestimmungen des späteren § 20 K W G über vier Paragraphen verteilt in den §§ 20, 21, 22, 23 K W G - E 1. 521 Prot, der Vormittagssitzung vom 29. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 363 f. 522 Prot, der Vormittagssitzung vom 29. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 364. 523 Prot, der Vormittagssitzung vom 29. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 363f. 524 Prot, der Nachmittagssitzung vom 29. November 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915,S. 373.
G. Publizitätspflichten, §§ 20, 21 KWG
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a) Der Inhalt des Entwurfs § 20 K W G - E 1 verpflichtete „alle Banken, mit Ausnahme der i m § 21 genannten", dem Reichsbankdirektorium nach dessen näherer Vorschrift „1) ihre Jahresbilanzen samt Gewinn- und Verlustrechnungen spätestens drei Monate nach deren Abschlußtermin, 2) für die Monate Januar bis einschließlich November Monatsausweise 5 2 5 bis spätestens zum 10. des auf den Bilanztermin folgenden Monats einzureichen". 5 2 6 § 21 K W G - E 1 schränkte diesen Grundsatz ein, indem er bestimmte, daß „die in der Form der Einzelfirma, offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft betriebenen sowie alle i m § 20 bezeichneten Banken, deren Bilanzsumme weniger als eine M i l l i o n Reichsmark beträgt, ( . . . ) dem Reichsbankdirektorium nach dessen näherer Vorschrift ihre Rohbilanz nach dem Stande vom 30. Juni spätestens einen Monat und ihre Jahresbilanz spätestens drei Monate nach dem Abschlußtermin einzureichen" hatten. Die Bankiers und die kleineren Banken wurden damit von der Pflicht der monatlichen Berichterstattung ausgenommen. § 22 K W G - E 1 regelte die Frage des Bilanzschemas und der Bilanz Veröffentlichungen. Gemäß § 22 Abs. 1 K W G - E 1 waren für die Aufstellung der Bilanzen „Formblätter zu verwenden, die vom Reichsbankdirektorium aufgestellt und durch die Reichsbankanstalten ausgegeben werden". Gemäß § 22 Abs. 2 K W G - E 1 traf das Reichsbankdirektorium „Anordnungen über die Veröffentlichung der gemäß § § 2 0 und 21 einzureichenden Bilanzen". Zudem war ausdrücklich festgelegt, daß „eine Veröffentlichung von Einzelbilanzen der in der Form der Einzelfirma, offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft betriebenen Banken" nicht stattfand. § 23 K W G - E 1 regelte weitere Publizitätspflichten. Danach hatten die Banken „jeweils mit den Monats- und Jahresbilanzen eingehende Erläuterungen auf vom Reichsbankdirektorium aufgestellten Formblättern einzureichen und jede vom Reichsbankdirektorium gewünschte Auskunft zu geben". Diese über die Einreichung der Monats- und Jahresbilanzen hinausgehende Pflicht war in dem Umstand begründet, daß „der Inhalt der einzelnen Bilanzposten und die Art der Verwendung der Kredite ( . . . ) infolge der formalen Gliederung auch bei einem noch so eingehenden Bilanzschema oft nicht ausreichend erkannt werden" k o n n t e . 5 2 7 525
Die Begriffe „Monatsausweise", „Zwischenbilanzen" und „Monatsbilanzen" wurden synonym verwandt. 526 Die Einreichung der Bilanzen an das Reichsbankdirektorium stellte eine Besonderheit dar, denn nach der gesetzlichen Systematik stand der Reichskommissar bei der Beaufsichtigung der Kreditinstitute im Vordergrund. Danach wären die Bilanzen bei diesem einzureichen gewesen. Zu den Gründen für die im § 20 KWG-E 1 gefundenen Lösung vgl. u., Teil 4, G., V. Den Aufgaben und der gesetzlichen Stellung des Reichskommissars entsprechend, konnte sich dieser die dem Reichsbankdirektorium eingereichten Bilanzen gem. § 20 Abs. 5 KWG jederzeit zur Verfügung stellen lassen (s. u., Teil 4, G., III., 3.). 527 So die Begründung zum weitgehend gleichlautendem § 19 Abs. 4 KWG-E 3, s. die Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 305. 20*
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Insgesamt gesehen knüpften somit die §§ 20, 21 K W G - E 1 eng an die bisher bestehenden Regelungen an, so daß sich die Rechtslage für die bereits publizierenden Aktienbanken nicht änderte. Neu war jedoch die allseits geforderte Ausdehnung der Publizitätspflichten auf alle Banken, unabhängig von ihrer Rechtsform. Lediglich für die Bankiers und die kleineren Banken galten mildere Bestimmungen, indem sie keine monatlichen Zwischenbilanzen einreichen mußten. Eine Änderung der bisherigen Rechtslage stellte darüber hinaus § 22 Abs. 1 K W G - E 1 dar. Nunmehr waren die Banken von Mitwirkung bei der Gestaltung der Bilanzschemata ausgeschlossen. Damit konnte den Forderungen nach einer noch detaillierteren und aussagekräftigeren Gestaltung der Bilanzen wirksam Rechnung getragen werden. § 23 K W G - E 1 stellte schließlich eine weitere inhaltliche Erweiterung der Bankenpublizität dar. Eine Verpflichtung der Banken, i m Zusammenhang mit der Bilanzeinreichung der Reichsbank uneingeschränkt Auskünfte zu erteilen, hatte es bisher nicht gegeben.
b) Die Beratung des Entwurfs Während der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 wurden die § § 2 0 ff. K W G - E 1 nur beiläufig erwähnt. Schacht stellte lediglich eingangs der Besprechung fest, daß „die Publizitätsvorschriften ( . . . ) hinsichtlich der Unterrichtung der Öffentlichkeit gegenüber den bisherigen Bestimmungen nicht übermäßig erweitert worden [seien], weil man aus geschäftlichen Gründen die internen Daten nicht allgemein veröffentlichen könne. Hingegen müßten Staat und Aufsichtsinstanzen auf das genaueste informiert w e r d e n . " 5 2 8 Eine ausführliche Beratung erfuhren die Bestimmungen somit erst während der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 13. März 1934. Hier stellte Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) einleitend fest, daß der Entwurf bezüglich der bisherigen Bilanzveröffentlichungen die geltende Rechtslage festschreiben w ü r d e . 5 2 9 Die Besprechungsteilnehmer erklärten sich daher mit den Vorschriften grundsätzlich einverstanden. Meinungsverschiedenheiten traten jedoch bezüglich der Frage hervor, wer für die Gestaltung der Bilanzschemata i m Sinne des § 22 Abs. 1 K W G - E 1 verantwortlich sein solle. Hier argumentierte Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium), daß die Festlegung der Bilanzschemata Sache des privaten Handelsrechts sei und daher nicht der Reichsbank, sondern der Reichsregierung zugestanden werden müsse. Das Reichsjustizministerium werde dabei den Wünschen der Reichsbank jederzeit Gehör schenken. 5 3 0 Demgegenüber verteidigte Reichsbank528
Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 275. 5 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 2 .
G. Publizitätspflichten, §§ 20, 21 KWG
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direktor Müller den Entwurf. Er wies auf die Notwendigkeit hin, die Bilanzschemata geänderten Verhältnissen i m Kreditwesen von Fall zu Fall anzupassen. Daher solle die Reichsbank das Recht haben, die entsprechenden Formulare jederzeit kurzfristig ändern zu können. 5 3 1 Nach längerer Erörterung dieser Frage präsentierte Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) einen Kompromißvorschlag. Er führte aus, es müßten zweierlei Dinge unterschieden werden, einerseits die Jahresabschlußbilanzen und andererseits die Monatsbilanzen der Banken. Die Jahresabschlußbilanzen seien eine Angelegenheit des bürgerlichen Rechts, so daß insoweit das Recht zur Aufstellung der Bilanzschemata dem Reich zustehen müsse. Hinsichtlich der Monatsbilanzen sei es dagegen möglich, der Reichsbank „gewisse Ermächtigungen" zuzugestehen, „die mit den Belangen des Reiches sich vereinigen ließen". Dabei müsse Vorsorge getroffen werden, daß die Zwischenbilanzen nicht den Jahresbilanzen zuwider l i e f e n . 5 3 2 Diesem Vorschlag stimmte Quassowski (Reichsjustizministerium) zu. Er regte daher an, „ i n dem vorliegenden Entwurf die Frage der Jahresbilanzen überhaupt herauszulassen und nur von Monatsbilanzen zu sprechen". 5 3 3 Gleichwohl beharrte er darauf, die Gestaltung der Monatsbilanzen, wenn schon nicht der Reichsregierung, so doch immerhin dem Aufsichtsamt anstelle der Reichsbank zu überlassen. 534 Auch Müller erhob gegen den Vorschlag Schwandts keine Einwände. Nach Erörterung dieses Problems wandte sich die Debatte den Fristen für die Einreichung der Jahresbilanzen zu. Hier kritisierte Quassowski (Reichsjustizministerium) die Bestimmung, wonach die Jahresbilanzen bis spätestens drei Monate nach dem Bilanzstichtag einzureichen waren. Diese Vorschrift stände i m Widerspruch zum Handelsrecht, daß insoweit eine Sechs-Monats-Frist vorsehe. Gleichwohl wurde nach ausführlicher Diskussion beschlossen, es für die Banken bei der i m Entwurf vorgesehen Frist von drei Monaten zu belassen. 535 Einen Vorschlag zur Erweiterung der Vorschriften des Entwurfs machte darüber hinaus der Referent beim Reichskommissar Paersch. Er verlangte eine Bestimmung zugunsten des Reichskommissars, wonach diesem i m Falle der bedenklichen Entwicklung der Lage einer B a n k 5 3 6 deren Bilanzen zur Kenntnis zugeleitet wür530
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte 6943, S. 266. 531 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte 6943, S. 266. 532 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte 6943, S. 266. 533 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte 6943, S. 266. 534 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte 6943, S. 268. 535 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte 6943, S.267. 536 Wer diese „bedenkliche Entwicklung" feststellen sollte, sagte Paersch nicht.
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den. M i t seiner Forderung konnte er sich jedoch gegen die anderen Besprechungsteilnehmer, die allesamt Bedenken geltend machten, nicht durchsetzen. 537 Schließlich verlangte Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) Ausnahmebestimmungen für die Kreditgenossenschaften. Gegen diese Forderung wandte sich Müller. Er wies darauf hin, daß die Revisionsverbände der Kreditgenossenschaften von diesen ohnehin „sehr viel weitergehende Aufschlüsse" verlangten. Überdies sei das von der Reichsbank gewünschte umfassende Auskunftsrecht gemäß § 23 K W G - E 1 i m wesentlichen auf die Offenlegung von Auslandsverpflichtungen zugeschnitten. 5 3 8 Eine Änderung des Entwurfs wurde daher nicht beschlossen. Insgesamt gesehen blieb der grundsätzliche Gehalt der § § 2 0 ff. K W G - E 1 in der Sitzung vom 13. März 1934 unangetastet. Lediglich in der Frage, wer für die Gestaltung der Bilanzschemata verantwortlich sein sollte, wurden Änderungen des Entwurfes angekündigt. In der Besprechung vom 19. März 1934 wurden die Publizitätsvorschriften erneut beraten, nachdem die Reichsbank die entsprechenden Bestimmungen des K W G - E 1 teilweise neu formuliert hatte. Hier wandte sich Quassowski (Reichsjustizministerium) gegen die weiterhin in dem Entwurf vorgesehene dreimonatige Frist für die Einreichung der Jahresbilanzen, obgleich in der ersten Sitzung insoweit nach ausführlicher Diskussion keine Änderungen beschlossen worden waren. Nunmehr erschien ihm die Frist nicht mehr tragbar, vielmehr sei doch nach seiner Erinnerung beschlossen worden, „es bei der i m Handelsgesetzbuch vorgesehenen Sechs-Monats-Frist zu belassen". 5 3 9 Reichskommissar Ernst, der der Sitzung vom 13. März 1934 nicht beigewohnt hatte, pflichtete Quassowski (Reichsjustizministerium) bei. Für die Banken ergäben sich oft große Schwierigkeiten, ihre Bilanzen bis Ende März fertig zu stellen. Es bestünde vielfach die Notwendigkeit, die Jahresabschlüsse großer Industrieunternehmen abzuwarten, um die gewährten Kredite richtig bewerten zu können. Wenn die Reichsbank so großen Wert auf die Kontinuität der Bilanzzahlen läge, so Ernst, sei zu empfehlen, auf die Einreichung der Jahresabschlüsse ganz zu verzichten und statt dessen auch für Dezember die Aufstellung einer Zwischenbilanz zu verlangen. 5 4 0 Gegenüber diesen Ausführungen verteidigte Müller die vorgesehene Regelung. Wenn die Reichsbank die Jahresabschlüsse erst i m Juni bekäme, wären sie für sie weitgehend wertlos.
537 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 268. 538 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 268. Offenbar wollte Müller damit andeuten, daß § 23 KWG-E 1 insoweit für die Kreditgenossenschaften gar nicht zum Tragen kam. 539 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 298. 540 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 298.
G. Publizitätspflichten, §§ 20, 21 KWG
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Denn gerade die in der Jahresbilanz enthaltenen Wertberichtigungen etc. erlaubten i m Hinblick auf die unberichtigten Posten in den jeweiligen Monatsbilanzen „recht gute Rückschlüsse auf die Art der Geschäfte des betreffenden Bankinstituts". Aus diesem Grund seien die berichtigten Jahresabschlüsse immer sehr interessant gewesen. 5 4 1 Gleichwohl hielt Ernst seine Kritik aufrecht. Es sei unerwünscht, „einem ohnehin schon schwer zu kämpfenden Institut neue Schwierigkeiten dadurch zu machen, daß man es in Zeitnöte bringe". Denn anders als andere Unternehmen könne eine Bank nicht um eine Verlängerung der Einreichungsfrist bitten, ohne dabei seinen Ruf zu schädigen. 5 4 2 Daraufhin zeigte sich Müller kompromißbereit. Er behielt sich vor, die Frage der Einreichungsfrist noch einmal in der Reichsbank zu besprechen und stellte entsprechende Änderungen des Entwurfs in Aussicht. 5 4 3 Zum Abschluß der Debatte faßte Quassowski (Reichsjustizministerium) schließlich die gewonnenen Ergebnisse zusammen. I m Rückgriff auf den am 13. März 1934 beratenen § 22 Abs. 1 K W G - E 1, der die Frage der Gestaltung der Bilanzschemata regelte, stellte er fest, daß dort der Passus „ m i t Ausnahme der Jahresbilanzen" einzufügen sei. Daneben würden die in dem Entwurf vorgesehenen dreimonatigen Fristen für die Einreichung der Jahresbilanzen entfallen. Statt dessen könne vielleicht die Formulierung „unverzüglich nach deren Fertigstellung" gewählt werden. 5 4 4
2. §§ 19,20,21,22,23 KWG-E 2 Die in den Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium beschlossenen Änderungen der §§ 20 ff. K W G - E 1 fanden Eingang in den zweiten KWG-Entwurf. So war von einer dreimonatigen Frist für die Einreichung der Jahresbilanzen keine Rede mehr. Vielmehr verzichtete der neue Entwurf darauf, feste Fristen zu benennen. So hatten gemäß § 19 Nr. 1 K W G - E 2 „alle Kreditinstitute mit Ausnahme der i m § 20 genannten" ihre Jahresbilanz und ihre Gewinn- und Verlustrechnung „spätestens eine Woche nach der Generalversammlung, die darüber beschlossen hat," beim Reichsbankdirektorium einzureichen. Die entsprechende Regelung für die als Einzelfirma oder Personengesellschaft betriebenen Kreditinstitute sowie für solche Institute, deren Bilanzsumme weniger als eine M i l l i o n R M betrug, entsprach genau dem Vorschlag Quassowskis (Reichsjustizministerium). Gemäß 541 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 298 f. 542 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 299. 543 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S. 299. 544 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 299.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
§ 20 K W G - E 2 hatten diese Institute „ihre Jahresbilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung unverzüglich nach deren Fertigstellung einzureichen". § 21 Abs. 1 K W G - E 2 trug den Auseinandersetzungen um die Gestaltung der Bilanzschemata Rechnung und verwirklichte den Kompromißvorschlag Schwandts. Danach waren „die gemäß §§ 19 und 20 K W G - E 2 einzureichenden Bilanzen ( . . . ) mit Ausnahme der Jahresbilanzen nach näherer Vorschrift des Bankenaufsichtsamts aufzugliedern". Damit war die Aufstellung des Schemas für den Jahresabschluß weiterhin der Reichsregierung vorbehalten. Zudem verwirklichte § 21 Abs. 1 K W G - E 2 eine weitere Forderung Quassowskis (Reichsjustizministerium), indem nicht mehr die Reichsbank selbst, sondern das Aufsichtsamt für die Aufstellung des Zwischenbilanzschemas zuständig war. § 21 Abs. 2 K W G - E 2 blieb gegenüber der entsprechenden Vorschrift in § 22 Abs. 2 K W G - E 1, von redaktionellen Änderungen abgesehen, unverändert. 5 4 5 § 22 K W G - E 2 übernahm weitgehend die Bestimmung des § 23 K W G - E 1 bezüglich der Erläuterung der eingereichten Jahresabschlüsse und Monatsbilanzen. Bei genauem Hinsehen enthielt die Reichweite der Vorschrift gegenüber dem ersten KWG-Entwurf eine Einschränkung. Verpflichtete § 23 K W G - E 1 die Kreditinstitute noch uneingeschränkt, „jede vom Reichsbankdirektorium gewünschte Auskunft zu geben", so hatten die Kreditinstitute gemäß § 22 K W G - E 2 lediglich „jede vom Reichsbankdirektorium hierzu [zu den „Monatsausweisen und Jahresbilanzen"] gewünschte Auskunft zu geben". 5 4 6 Schließlich enthielt der neue Entwurf in § 23 K W G - E 2 die bisher unbekannte Bestimmung, wonach der Reichskommissar befugt war, „die gemäß §§ 19, 20 und 22 anfallenden Materialien vom Reichsbankdirektorium zur Auswertung anzufordern". Diese Bestimmung stellte eine Überraschung dar, nachdem Paersch mit seiner Forderung nach einer ähnlichen Vorschrift i m Reichswirtschaftsministerium nicht durchgedrungen war. Möglicherweise hatte jedoch Ernst persönlich nach den Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium bei der Reichsbank Einfluß genommen und die Aufnahme des § 23 K W G - E 2 in den Entwurf durchgesetzt. Insgesamt gesehen war der erste KWG-Entwurf in erster Linie hinsichtlich der Einreichungsfrist für die Jahresabschlüsse und der Zuständigkeiten bei der Aufstellung der Bilanzschemata geändert worden. Darüber hinaus enthielt der zweite KWG-Entwurf das Recht des Reichskommissars, alle bei der Reichsbank 545 Darüber hinaus sah § 21 Abs. 3 KWG-E 2 eine neuartige Vorschrift vor, wonach in den einzureichenden Gewinn- und Verlustrechnungen „sämtliche durch den Geschäftsbetrieb entstandene Unkosten zu übernehmen und dort auszuweisen" waren. Dies stellte an sich eine Selbstverständlichkeit dar, so daß die Bestimmung im weiteren Gesetzgebungsverfahren wieder ersatzlos gestrichen wurde. 546 Ob damit tatsächlich eine Änderung der Rechtslage bezweckt war, ist unwahrscheinlich. Denkbar ist eher, daß die uneingeschränkte Auskunftspflicht in § 22 KWG-E 1 auf einer nachlässigen Formulierung des Entwurfs beruhte.
G. Publizitätspflichten, §§ 20, 21 KWG
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eingereichten Unterlagen anzufordern und sich damit den gleichen Einblick wie diese in die Lage der Kreditinstitute zu verschaffen.
3. Die weitere Entstehung des § 20 KWG Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. Mai 1934 führten neben einigen Verfeinerungen vor allem zu einer kompletten redaktionellen Neufassung der bisherigen Publizitätsvorschriften. Nunmehr waren die Publizitätsvorschriften für die Kreditinstitute mit § 19 K W G - E 3 in einer einzigen Vorschrift zusammengefaßt. So wurde der bisherige § 20 K W G - E 2 in § 19 Abs. 1 a) und b) K W G - E 3 in zwei Abschnitte unterteilt. § 19 Abs. 1 a) K W G - E 3 galt für die als Einzelunternehmen oder Personengesellschaften geführten Kreditinstitute. Er verpflichtete diese Institute, wie schon § 20 K W G - E 2, „die Jahresbilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung unverzüglich nach ihrer Fertigstellung" sowie „eine Rohbilanz nach dem Stande vom 30. Juni spätestens am letzten Tage des auf den Abschlußtag folgenden Monats" beim Reichsbankdirektorium einzureichen. Die entsprechende Verpflichtung enthielt § 19 Abs. 1 b) K W G - E 3 für die kleineren „Kreditinstitute, die in der Form von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Genossenschaften betrieben werd e n 5 4 7 und deren Bilanzsumme R M 1 M i l l i o n nicht überschreitet". 5 4 8 § 19 Abs. 1 c) K W G - E 3 enthielt nunmehr die in § 19 K W G - E 2 enthaltene Grundregel und bestimmte, daß „alle übrigen Kreditinstitute" zur Einreichung ihrer Jahresbilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung sowie von „Monatsausweisen für die Monate Januar bis November bis zum 10. Tage des auf den Abschlußtag folgenden Monats" verpflichtet waren. Gemäß § 19 Abs. 1 K W G - E 3 waren somit die Bankiers und die kleineren Kreditinstitute zur Einreichung ihres Jahresabschlusses sowie einer halbjährlichen Rohbilanz, alle übrigen Kreditinstitute zur Einreichung ihres Jahresabschlusses sowie von Monatsbilanzen verpflichtet. § 19 Abs. 2 und Abs. 3 K W G - E 3 bezüglich der Aufstellung der Bilanzschemata und der Veröffentlichung der eingereichten Bilanzen übernahmen die Regelungen der § 21 Abs. 1 und Abs. 2 K W G - E 2 praktisch unverändert. Ebenso verhielt es sich mit § 19 Abs. 4 S. 1 K W G - E 3, der dem bisherigen § 23 K W G - E 2 entsprach. Darüber hinaus enthielt § 19 Abs. 4 K W G - E 3 eine Verfeinerung der bisherigen 547
Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde diese Aufzählung um die „in der Form von öffentlich-rechtlichen Instituten" betriebenen Kreditinstitute ergänzt, um auch die kleineren Sparkassen zu erfassen. 548 Mit Rücksicht auf die verschiedenen Gesellschaftsformen sprach § 19 Abs. 1 b) KWGE 3 jedoch bezüglich der Jahresbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung nicht mehr von deren Einreichen „unverzüglich nach ihrer Fertigstellung" sondern wählte die Fassung „innerhalb einer Woche nach ihrer Genehmigung durch die dazu berufenen Stellen". Die gleiche Formulierung fand sich auch in § 19 Abs. 1 c) KWG-E 3.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Regelung, indem § 19 Abs. 4 S. 2 K W G - E 3 bestimmte, daß „die den Sparkassen und den Kreditgenossenschaften obliegende Verpflichtung zur Auskunftserteilung ( . . . ) auf Anfordern des Reichsbankdirektoriums auch für den Revisionsverband [besteht], dem die zur Auskunft verpflichtete Sparkasse oder Kreditgenossenschaft angehört". Schließlich übernahm § 19 Abs. 5 K W G - E 3 in redaktionell geänderter Form die Bestimmung des § 23 K W G - E 2, indem er anordnete, „dem Reichskommissar ( . . . ) auf Ersuchen die Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die Erläuterungen und Auskünfte zur Verfügung zu stellen". Die Form, die die Publizitätsvorschriften in § 19 K W G - E 3 gefunden hatten, waren mit der späteren Endfassung in § 20 K W G bereits praktisch identisch. Dementsprechend war die Vorschrift weder Gegenstand der Abschlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 24. M a i 1934 noch der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934. Eine letzte Änderung wurde erst auf der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 beschlossen. Dabei wurde die Frist für die Einreichung der Monatsbilanzen vom 10. auf den „15. Tage des auf den Abschlußtag folgenden Monats" verlängert. 5 4 9 M i t dieser Änderung lag die endgültige Fassung des § 20 K W G vor.
IV. Teilweise oder vollständige Befreiung von den Publizitätspflichten, § 21 KWG Angesichts einer Anzahl von rund 25.500 Kreditinstituten in Deutschland 5 5 0 wäre die Reichsbank mit der Auswertung der eingereichten Bilanzen und Gewinnund Verlustrechnungen all dieser Institute bei weitem überfordert gewesen. Daher enthielt das K W G in § 21 eine Ausnahmevorschrift. Sie ermächtigte den Reichskommissar, „ i m Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium Kreditinstitute von den Vorschriften des § 20 ganz oder teilweise zu befreien". Diese Bestimmung war i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach erweitert worden. I m ersten KWG-Entwurf sah § 24 K W G - E 1 lediglich für die „Kreditgenossenschaften, welche einem von ihm [dem Reichskommissar] zugelassenen Revisionsverbande angehören," eine Befreiung von den Publizitätsvorschriften vor. Der dritte Gesetzentwurf dehnte mit § 20 K W G - E 3 diese Befreiung bereits über die Kreditgenossenschaften hinaus auch auf die Sparkassen aus. A u f der Referentenbesprechung am 8. Oktober 1934 wurde schließlich beschlossen, § 21 K W G - E 4 so zu fassen, daß sämtliche Arten von Kreditinstituten von der Beachtung der Publizi-
549 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 232. 550 Bank-Archiv 1934/35, S. 259. Bei dieser Zahl handelte es sich zum größten Teil um die vielen kleinen landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften.
G. Publizitätspflichten, §§ 20, 21 KWG
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tätsbestimmungen freigestellt werden konnten. 5 5 1 Damit war gewährleistet, daß der „besonderen Artung der Sparkassen, Kreditgenossenschaften, Verbrauchergenossenschaften, Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen" Rechnung getragen werden konnte. 5 5 2 Nach dem Inkrafttreten des K W G machte der Reichskommissar von seiner Befugnis gemäß § 21 K W G ausgiebig Gebrauch. 5 5 3 So wurden bezüglich der Kreditinstitute, die zur Einreichung von Monatsbilanzen verpflichtet waren, die Bau- und Zwecksparkassen sowie die reinen Hypothekenbanken von den Publizitätsbestimmungen befreit. Ebenso mußten sich alle Kreditinstitute, die weniger als eine Mio. R M kurzfristige Verpflichtungen i m Sinne des § 16 K W G hatten, 5 5 4 nicht an § 20 K W G halten. 5 5 5 Aufgrund dieser Befreiungen verminderte sich die Anzahl der Kreditinstitute, die gemäß § 20 Abs. 1 c) K W G zur monatlichen Berichterstattung verpflichtet waren, von rund 2.500 auf etwa 900 Kreditinstitute. 5 5 6 Auch die Kreditinstitute, denen gemäß § 20 Abs. 1 a) und b) K W G die Einreichung einer halbjährlichen Rohbilanz oblag, wurden von dieser Verpflichtung überwiegend befreit, indem der Reichskommissar für alle Institute Ausnahmen vorsah, deren Bilanzsumme weniger als 500.000 R M betrug. Diese Befreiung kam in erster Linie der großen Masse der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften zugute. Diese wurden zumeist von ehrenamtlichen Kräften geleitet, so daß für sie mit der Aufstellung von Rohbilanzen erhebliche Schwierigkeiten und Kosten verbunden gewesen wären. 5 5 7 § 21 K W G gewährleistete somit, daß sich die Zahl der eingereichten Bilanzen und Jahresabschlüsse in überschaubaren Grenzen hielt, die eine sachgemäße Auswertung durch die Reichsbank ermöglichten. Zugleich wurde vermieden, daß § 20 K W G mit seinen umfangreichen Bestimmungen die kleinen Kreditinstitute, deren Zahlen für die gesamte Entwicklung des Kreditwesens ohnehin von untergeordneter Bedeutung waren, übermäßig belastete.
551
Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 232. 552 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 106. 553 Bekanntmachung des Reichskommissars für das Kreditwesen vom 26. Februar 1935 (RA Nr. 49 v. 27. Februar 1935). 554 s. o., Teil 4, F., VI., 3. 555 Lediglich für die größeren Sparkassen, die nur über geringe kurzfristige Einlagen verfügten, galt diese Grenze nicht. Sie waren nur dann nicht an § 20 KWG gebunden, wenn die Summe ihrer kurzfristigen Verpflichtungen und ihrer Spareinlagen 10 Mio. RM nicht erreichte. 556 Bank-Archiv 1934/35, S. 259. Darunter befanden sich rund 175 Privatbanken, 45 öffentliche Banken, 600 Sparkassen und 100 bis 150 Kreditgenossenschaften. 557 Bank-Archiv 1934/35, S. 259 f. Insgesamt erstreckte sich die Befreiung von der Einreichung von Rohbilanzen auf etwa 95% der ländlichen, 40% der gewerblichen Kreditgenossenschaften, 60% der Privatbankiers und je 12% der Aktienbanken und Sparkassen.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
V. Resümee M i t den §§ 20 f. K W G wurde die bisher auf dem Gebiet der Bankenpublizität bestehende Rechtslage gesetzlich verankert und die Reichweite der Publizität erheblich ausgedehnt. Waren bisher nur die in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien betriebenen Banken zur Einreichung von Monatsbilanzen an die Reichsbank verpflichtet, so wurden nunmehr grundsätzlich alle Kreditinstitute unabhängig von ihrer Rechtsform einheitlichen Publizitätsbestimmungen unterworfen. 5 5 8 Überdies war die Gestaltung des Bilanzschemas nunmehr allein dem Aufsichtsamt vorbehalten und damit der Einflußnahme durch die betroffenen Kreditinstitute entzogen. M i t § 20 K W G waren die Reichsbank und das Aufsichtsamt in der Lage, sich laufend Einblick in die Verhältnisse der Kreditinstitute zu verschaffen. Damit war zugleich die Grundvoraussetzung für eine wirksame Beaufsichtigung der Kreditinstitute geschaffen, insbesondere i m Hinblick auf die Normativbestimmungen gemäß §§ 11 bis 17 K W G , die der praktischen Umsetzung durch das Aufsichtsamt bedurften. 5 5 9 Überdies war die Publizität, zu der die Kreditinstitute durch § 20 K W G gezwungen wurden, geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Stabilität des Kreditwesens zu erhöhen. Gerade der letzte Aspekt wurde i m Schlußbericht des Untersuchungsausschusses besonders betont. Dort hieß es, daß „eine häufige und regelmäßige Berichterstattung der Kreditinstitute an die Öffentlichkeit und die Bereitstellung aller von der Aufsicht und der Reichsbank zusätzlich verlangten Aufschlüsse ( . . . ) in Verbindung mit einer ständigen Kontrolle wesentlich die Sicherheit der Institute [erhöhen] und ( . . . ) das Vertrauen der Einleger und der ganzen Bevölkerung zum Kreditwesen [fördern]". 5 6 0 Auffällig an den §§ 20, 21 K W G war die ungewöhnliche Zersplitterung der in ihnen enthaltenen Befugnisse. So waren die Monats-, Halbjahres- und Jahresbilanzen bei der Reichsbank einzureichen, der auch die Veröffentlichung der Bilanzen oblag. Damit war § 20 K W G die einzige Bestimmung des gesamten Gesetzes, die der Reichsbank als solcher Aufsichtsbefugnisse zugestand. 561 Die Gestaltung der entsprechenden Bilanzschemata war jedoch - mit Ausnahme der Jahresbilanz Sache des Aufsichtsamtes, während schließlich der Reichskommissar Kreditinstitute von den Bestimmungen des § 20 K W G ausschließen konnte. Diese Zersplitterung läßt sich vor dem Hintergrund der Entstehung der Bankenpublizität und des 55 8 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 32. 559 Vgl. die Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 105. 560 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 32.
561 Darüber hinaus war lediglich im § 38 KWG in bestimmten Fällen die Mitwirkung des Reichsbankdirektoriums bei der Zins- und Provisionsgestaltung der Kreditinstitute vorgesehen, s. u., Teil 4, J., II., 5.
Η. Sparverkehr, §§ 22 bis 27 KWG
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Verlaufs des GesetzgebungsVerfahrens erklären. So lag bis zum Erlaß des K W G die Bankenpublizität traditionell in den Händen der Reichsbank, zumal die Bilanzeinreichung nicht nur ein Aufsichtsmittel, sondern zugleich ein wichtiges Instrument der allgemeinen Notenbankpolitik w a r . 5 6 2 Dementsprechend sah auch das K W G die Einreichung der Bilanzen an die Reichsbank vor. Die Gestaltung der Bilanzschemata durch das Aufsichtsamt war dagegen Ausdruck eines Kompromisses zwischen Reichsbank und Reichsjustizministerium. Denn die Reichsbank beharrte ursprünglich darauf, die Bilanzschemata selbst zu bestimmen, während M i nisterialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) dieses Recht für die Reichsregierung reklamierte. 5 6 3 Die Betrauung des Aufsichtsamt mit der Formulierung der Bilanzschemata, in dem Reichsbank und Reichsregierung vertreten waren, war eine Lösung, die beiden Seiten entgegenkam. Insgesamt gesehen versetzte § 20 K W G die Reichsbank und die Bankenaufsicht somit in die Lage, sich jederzeit auf das Genaueste über den Stand des Kreditwesens zu informieren und die Ausübung ihrer Aufsicht an die dabei gewonnen Erkenntnisse anzupassen. Überdies war die Bestimmung geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Kreditinstitute zu stärken. Gleichzeitig wurde die Solidität des Kreditwesens durch den Zwang der Institute, „auf manche Geschäfte zu verzichten, die nicht möglich sind, wenn sie der Öffentlichkeit, den Aufsichtsstellen oder der Reichsbank bekannt werden," gestärkt. 5 6 4 Die Ausnahmevorschrift des § 21 K W G gewährleistete schließlich, daß die kleinen und kleinsten Institute nicht überfordert wurden und daß die Arbeitsfähigkeit der Reichsbank und des Aufsichtsamts erhalten blieb.
H. Sparverkehr, §§ 22 bis 27 K W G Die Bestimmungen über den Sparverkehr gemäß § § 2 2 bis 27 K W G bildeten nach den Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität gemäß §§ 11 bis 19 K W G den wichtigsten Abschnitt des Gesetzes. Sie sollten der Wiederherstellung eines leistungsfähigen Kapitalmarktes in Deutschland dienen und damit eines der wichtigsten Anliegen der Bankenreform überhaupt verwirklichen. 5 6 5
562 Vgl. die Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 105. 563 s. o., Teil 4, G., III., l.,b). 564 Vgl. Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 32. 565 Vgl. Meilinger, Die Bank 1934, S. 1817; Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 147.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
I. Der Zustand des deutschen Kapitalmarktes Vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich aufgrund einer jahrzehntelangen stabilen Konjunktur in erheblichem Umfang langfristiges Leihkapital angesammelt, so daß der Kapitalmarkt in der Lage war, die an ihn heran getragenen Kreditwünsche zu erfüllen. Deutschland verfügte damit über einen leistungsfähigen Kapitalmarkt, der den weiteren Aufschwung der Wirtschaft unterstützte und förderte und zugleich die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes und stabiles Kreditwesen bildete. 5 6 6 Diese Lage änderte sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges grundlegend. Der Krieg selbst und die nachfolgende Inflation hatten ungeheure Mengen an Kapital vernichtet und den Kapitalmarkt damit seiner Leistungsfähigkeit weitgehend beraubt. 5 6 7 Auch in der Zeit nach der Inflation gelang es nicht, die einstige Leistungsfähigkeit des Kapitalmarktes wieder herzustellen. Eine wesentliche Ursache für dieses Unvermögen lag in der Veränderung des Charakters der Spareinlagen, da der Kapitalmarkt sich in bedeutendem Umfang aus den kleinen Beträgen speiste, die die Bevölkerung millionenfach in Form von Spareinlagen angesammelt hatte. Die Spareinlagen hatten somit wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung des Kapitalmarktes. 5 6 8 Vor dem Ersten Weltkrieg waren die Spareinlagen ganz überwiegend langfristiger Natur. Sie dienten der Vermögensbildung und blieben, einmal auf dem Sparbuch eingezahlt, im Regelfall für lange Zeit unangetastet. Die Institute, die Spareinlagen annahmen - in erster Linie die Sparkassen - , konnten sich somit sicher sein, daß diese Gelder ihnen langfristig zur Verfügung stünden. Abgesehen von einer geringen Liquiditätsreserve für die üblichen Auszahlungen führten sie die Spareinlagen daher praktisch vollständig dem Kapitalmarkt zu, in erster Linie in Form von Hypotheken und der Anlage der Spareinlagen in langfristigen, mündelsicheren Wertpapieren. 5 6 9 In der Weimarer Republik änderte sich der Charakter der Spareinlagen jedoch. Die Sparer, deren Vertrauen in langfristige Anlagen durch die Inflation weitgehend zerstört war, gingen mehr und mehr dazu über, ihre Spareinlagen nur kurzzeitig auf dem Sparkonto zu belassen und schnell wieder zu Konsumzwecken abzuheben. Ein langfristiges Sparziel wurde dagegen kaum noch verfolgt. 5 7 0 Die das Spargeschäft in erster Linie pflegenden Sparkassen setzten dieser Entwicklung nichts entgegen. Vielmehr gab es viele Sparkonten, über die durch Scheck und Überweisung genauso verfügt werden konnte wie i m Giro- und Kontokorrentverkehr. Über566 Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 12; Tewaag, Die Zerrüttung des Geldund Kapitalmarktes, S. 545. 567 Tewaag, Die Zerrüttung des Geld- und Kapitalmarktes, S. 545 ff. 568 Nichtöffentliche Vormittagssitzung v. 19. 12. 1933 (1.Kommission, Arbeitsgebiet: Rentabilität, Unkosten und Steuern); R 25.01/6915, S. 450. 569 Vgl. o., Teil 1, Α., III., l.,a). 570 Vgl. Piorkowski, S. 20.
Η. Sparverkehr, §§ 22 bis 27 KWG
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dies waren die Inhaber dieser Konten in der täglichen Praxis nicht an Kündigungsfristen für Spareinlagen gebunden. 5 7 1 Dies führte schließlich dazu, daß sich ein großer Teil der Spareinlagen in der Praxis nicht mehr von den Giroeinlagen unterschied. Dadurch wurde die Abgrenzung zwischen Giro- und Spareinlagen äußerst schwierig und der Charakter der Spareinlagen als langfristiger, der Vermögensbildung dienender Gelder verwässerte. 572 Diese Verwässerung der Spareinlagen blieb nicht ohne Rückwirkung auf den Kapitalmarkt. Da diese Gelder ihren langfristigen Charakter zu einem nur sehr schwer zu bestimmenden Teil verloren hatten, wußten die Sparkassen nicht, wie lange ihnen die zugeflossenen Spareinlagen zur Verfügung stehen würden. Sie konnten diese Einlagen daher anders als früher nicht mehr in vollem Umfang dem Kapitalmarkt zur Verfügung stellen. Vielmehr waren sie gezwungen, einen wachsenden Anteil ihrer Spareinlagen als Liquiditätsreserve kurzfristig auf dem Geldmarkt anzulegen. 5 7 3 Überdies gingen die Sparkassen - nicht zuletzt auch aus Konkurrenzgründen - dazu über, einen Teil ihrer Spareinlagen direkt in kurzfristigen Personalkrediten anzulegen, so daß 1933 daß Personalkreditgeschäft der Sparkassen mit ca. 700 Mio. R M aus Spareinlagen finanziert w a r . 5 7 4 Auch aus diesem Grund wurden daher Mittel, die ursprünglich dem Kapitalmarkt zuzurechnen waren, dem Geldmarkt zugeleitet. 5 7 5 Diese veränderte Anlagepolitik führte schließlich dazu, daß die ehemals scharfe Trennlinie zwischen Geld- und Kapitalmarkt zusehends aufgeweicht wurde und die Märkte sich zu Lasten des Kapitalmarktes vermischten. I m gleichen Maße, wie die Spareinlagen mehr und mehr den Charakter von Giroeinlagen einnahmen, flössen sie dem Geldmarkt zu und gingen dem Kapitalmarkt verloren. Der Kapitalmarkt war damit - trotz eines nominell wachsenden Spareinlagenbestandes 576 nicht in der Lage, die stetig wachsenden Nachfrage nach langfristigem Geld zu befriedigen. 5 7 7 Schließlich brachte der veränderte Charakter der Spareinlagen ein zinspolitisches Problem mit sich. Obwohl die Spareinlagen mehr und mehr den Charakter svi Born, Bankenkrise, S. 91. 572 Piorkowski, S. 20. 573 Tewaag, Die Zerrüttung des Geld- und Kapitalmarktes, S. 549 f. 574 s. o., Teil 3, C., III., 1. Angesichts des Gesamtbestandes der Spareinlagen in Deutschland von 12.950 Mio. RM zum 31.12. 1932 (wovon allein 9.871 Mio. RM auf die Sparkassen entfielen, Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 62) wurden somit allein auf diesem Weg dem Kapitalmarkt immerhin rd. 5,5% des Spareinlagenbestandes entzogen. 575 Tewaag, Die Zerrüttung des Geld- und Kapitalmarktes, S. 567. 576 Zwischen Ende 1925 und Ende 1932 erhöhte sich der nominelle Spareinlagenbestand von 2.401 Mio. RM auf 12.950 Mio. RM (Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 62, 70). 577 Tewaag, Die Zerrüttung des Geld- und Kapitalmarktes, S. 559, 570. Diese Nachfragelücke wurde schließlich zu einem wesentlichen Teil durch die kurzfristigen, aus dem Ausland einströmenden Gelder gefüllt, was sich in der Bankenkrise von 1931 besonders fatal auswirkte. s. o., Teil 1, B., II., 1
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kurzfristiger Giroeinlagen annahmen, wurden sie zu dem traditionellen Spareinlagenzinssatz verzinst, der beträchtlich höher war als der für Giro- oder Kontokorrentkonten. 5 7 8 Angesichts der Tatsache, daß die Spareinlagen überwiegend nicht mehr langfristig zur Verfügung standen, war dies an sich nicht gerechtfertigt, wurde jedoch trotzdem praktiziert. Folglich wurden aus Wettbewerbsgründen auch die Zinssätze auf Giroeinlagen angehoben, was zur allgemeinen Erhöhung des Zinsniveaus b e i t r u g 5 7 9 und die Volkswirtschaft zusätzlich belastete. 5 8 0 Zusammenfassend betrachtet, ging bis 1933 der Charakter der Spareinlagen als langfristiger, der Vermögensbildung dienender Einlagen mehr und mehr verloren, während gleichzeitig die relativ hohe Verzinsung der Spareinlagen beibehalten wurde. Die Annäherung des Charakters der Spareinlagen an den der kurzfristigen Giroeinlagen führte dazu, daß immer mehr Spareinlagen dem Kapitalmarkt entzogen und dem Geldmarkt zugeführt wurden. Dies führte einerseits zu einer Vermischung von Geld- und Kapitalmarkt und andererseits zu einem unangemessen hohen Zinsniveau. Das Ergebnis war eine schleichende Zerrüttung des Kapitalmarktes. Er war nicht mehr in der Lage, die langfristigen Kreditbedürfnisse der Wirtschaft und des Staates in vollem Umfang zu erfüllen und belastete die Schuldner überdies mit hohen Zinssätzen. Damit war der Zustand des Kapitalmarktes zu einem wesentlichen Hemmnis des wirtschaftlichen Aufschwungs geworden.
II. Das Ziel der gesetzlichen Regelung des Sparverkehrs Die Vorschriften zur Regelung des Sparverkehrs gemäß § § 2 2 ff. K W G hatten in dem desolaten Zustand des Kapitalmarktes in Deutschland ihre Ursache. Dabei war sich der Gesetzgeber bewußt, daß gerade die Aufweichung der Grenze zwischen Geld- und Kapitalmarkt zu der Unterversorgung des letzteren geführt hatte. Er setzte daher mit seinen Regelungen genau an diesem Punkt an. Schon auf seinem Kieler Vortrag vom 26. Januar 1934 führte Schacht aus, daß „Geld- und Kapitalmarkt für ihre beiden, voneinander völlig verschiedenen Aufgaben getrennt gehalten werden müssen. Weder dürfen die kurzfristigen Gelder der Banken in langfristige Anlagen hineingehen, sonst führen sie zum Einfrieren der Gelder, 5 8 1 ( . . . ) , noch dürfen die langfristigen Kapitalien dem kurzfristigen Geldmarkt auf die Dauer zugeführt werden, da sonst der Kapitalmarkt seinerseits Not leiden ( . . . ) würd e . " 5 8 2 Diese Trennung von Geld- und Kapitalmarkt war die Richtschnur für die gesamten Regelungen des Sparverkehrs i m K W G . Sie sollte „dazu beitragen, daß 578 Born, Bankenkrise, S. 91. 579 Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 147. 580 Eine Senkung des Zinsniveaus ließ sich schließlich erst durch staatlichen Eingriff aufgrund der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 herbeiführen (s. o., Teil 1, C , IV., 3.). 581 Vgl. dazu den Verlauf der Bankenkrise, o. Teil 1, B., II., 1. 582 Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 15.
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das gesamte in Deutschland anfallende Sparkapital, welches seiner Natur nach langfristig ist, für den Wiederaufbau des Kapitalmarktes zur Verfügung steht." 5 8 3 Dabei sollte diese Trennung i m wesentlichen durch zwei Maßnahmen bewirkt werden. I m ersten Schritt war vorgesehen, den ursprünglichen Charakter der Spareinlagen als langfristiger Anlagen wieder in den Vordergrund zu stellen und die Spareinlagen damit von den kurzfristigen Giroeinlagen klar abzugrenzen. 584 Sodann war dafür zu sorgen, diese Spareinlagen, da sie nunmehr wieder eindeutig langfristigen Charakter hatten, praktisch ausschließlich dem Kapitalmarkt zuzuführen. 5 8 5 Die deutliche Abgrenzung der Spareinlagen von den Giroeinlagen und die Zuführung der Spargelder zum Kapitalmarkt sollte somit zur einer Wiederbelebung des Kapitalmarktes führen. Dabei verfolgte der Gesetzgeber nicht nur das Ziel, mit der Wiederbelebung des Kapitalmarktes die allgemeine Wirtschaftslage zu verbessern. Vielmehr knüpften die Regelungen des Sparverkehrs i m K W G auch an Motive an, die mit der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten i m Januar 1933 zusammenhingen. Die Nationalsozialisten hatten es sich zur Aufgabe gemacht, weit mehr als die Regierungen der Weimarer Republik in das Wirtschaftsleben einzugreifen. Der Staat bedurfte daher - etwa zur Finanzierung der Arbeitsbeschaffung - entsprechend umfangreicher finanzieller Mittel. Dabei war dem Gesetzgeber klar, daß der zusätzliche Finanzbedarf der neuen Regierung „nicht durch Steuererhöhung aufgebracht werden kann, sondern daß er aus Anleihen finanziert werden m u ß " . 5 8 6 Der Staat selbst hatte somit ein unmittelbar eigenes Interesse, einen funktionsfähigen Kapitalmarkt aufzubauen, um ihn für seine Zwecke in Anspruch nehmen zu können. Dementsprechend stelle Schacht klar, daß der Wiederaufbau des Kapitalmarktes „ i m Interesse unserer Wirtschaft und ganz besonders im Interesse der Finanzgebarung des Staates unser stärkstes Bestreben sein" müsse. 5 8 7 Zusammenfassend betrachtet, beabsichtigte der Gesetzgeber, Geld- und Kapitalmarkt wieder vollständig voneinander zu trennen. Dadurch sollte zum einen der Kapitalmarkt i m Interesse der Gesamtwirtschaft gestärkt werden, zum anderen sollte er unter die Kontrolle des Staates gestellt werden, um seine „weitgehende Inanspruchnahme durch den Staat zu ermöglichen." 5 8 8 Der Umsetzung dieser Ziele dienten die § § 2 2 bis 27 K W G .
583 Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 16. 584 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 374. 585 Vgl. Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6912, S. 375. 586 Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 13. 587 Schacht, Nationalsozialistische Bankreform, S. 12. 588 Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 1067. 21 Müller
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
III. Definition und Rechtsnatur der Spareinlagen, § 22 KWG Bis zum Erlaß des K W G existierte keine gesetzliche Definition des Begriffs „Spareinlage". U m das Ziel zu erreichen, die Spareinlagen schärfer als bisher von den übrigen Einlagen abzugrenzen, war es somit erforderlich, eine Legaldefinition zu schaffen, die den ursprünglich langfristigen Charakter der Spareinlagen wieder in den Vordergrund stellte. Diesem Ziel diente § 22 K W G , der den Begriff und die Rechtsnatur der Spareinlagen definierte. § 22 K W G stellte kein völliges Neuland dar. Vielmehr fanden sich bereits i m § 2 Abs. 2 5 8 9 des Habenzinsabkommens vom 9. Januar 1 9 3 2 5 9 0 Regelungen, an die § 22 K W G anknüpfte. Die Parteien dieses Abkommens hatten seinerzeit einen Zinssatz für Spareinlagen vereinbart, der über dem der täglich fälligen Einlagen lag. Dabei war zu vermeiden, daß die Kunden ihre Gelder von den Giro- auf die Sparkonten verlagerten, um in den Genuß des höheren Zinses zu k o m m e n . 5 9 1 Daher wurde festgelegt, daß „normale Spareinlagen ( . . . ) Einlagen auf Konten [sind], die unter Ausfertigung eines Sparbuchs angelegt werden, der Geldanlage, aber nicht dem Zweck des Zahlungsverkehrs dienen, und über die deshalb nur unter Vorlage des Sparbuchs verfügt werden kann". Der Gesetzgeber konnte bei der Formulierung des K W G auf diese Regelungen zurückgreifen.
1. § 25 KWG-E 1 § 25 K W G - E 1, der den Begriff und die Rechtsnatur der Spareinlagen umriß, lehnte sich zumindest teilweise an die bestehenden Regelungen des Zinsabkommens an. a) Der Inhalt des Entwurfs § 25 Abs. 1 K W G - E 1 definierte „Spareinlagen i m Sinne dieses Gesetzes" als „Geldeinlagen, über die als Empfangsbestätigung ein Sparbuch ausgefertigt wird, das bei der Rückzahlung von Teilbeträgen oder der gesamten Einlage vorgelegt werden muß". Er nahm damit die Bestimmung des Habenzinsabkommens auf, wonach die Ausfertigung eines Sparbuchs ein entscheidendes Kriterium zur Bestimmung von Spareinlagen war. § 25 Abs. 2 K W G - E 1 erhielt die ergänzende Bestimmung, daß i m Sparbuch „der jeweilige Bestand der Spareinlagen (Saldo) jederzeit ausgewiesen werden" mußte. Überdies waren „ i n gleicher Weise ( . . . ) alle Bestandsänderungen in ihrer Höhe ersichtlich zu machen". 589 Hinzugefügt durch Beschluß des Zentralen Kreditausschusses vom 2. Mai 1932, RA 1932 Nr. 103, S. 1. 590 RA Nr. 8 vom 11. Januar 1932, S. 1 f.
591 Paersch, S. 61.
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§ 25 Abs. 3 K W G - E 1 unterstrich den Charakter der Spareinlagen als langfristiger Einlagen, indem er verfügte, daß „über Sparguthaben ( . . . ) durch Scheck oder Überweisung nicht verfügt werden" durfte. Angesichts der Tatsache, daß das Habenzinsabkommen Verfügungen nur unter Vorlage des Sparbuchs zuließ, stellte diese Vorschrift keine grundsätzlich neue Rechtslage her, präzisierte jedoch die Bestimmungen dieses A b k o m m e n s . 5 9 2 § 25 Abs. 4 K W G - E 1 verbot „die Ausgabe von Sparbüchern ohne tatsächliche Einlage oder i m Kreditwege", da dem Gesetzgeber derartige Praktiken ebenfalls mit dem Charakter der Spareinlagen unvereinbar erschienen. 593 § 25 Abs. 6 K W G - E l 5 9 4 schließlich diente der Verdeutlichung des für die Spareinlagen jeweils geltenden Zinssatzes. Er bestimmte, daß „ i n dem Sparbuch ( . . . ) auf der ersten Seite der Zinsfuß, zum dem die Spareinlage verzinst wird, deutlich ersichtlich gemacht werden [muß]; Änderungen des Zinsfußes müssen an dieser Stelle bei der nächsten Vorlage des Sparbuches unter Angabe des Tages, von dem an sie gelten, vermerkt werden".
b) Die Besprechung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium am 14. März 1934 § 25 K W G - E 1 wurde, wie alle Regelungen über den Sparverkehr, erstmals während der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. März 1934 ausführlich beraten. 5 9 5 Der Entwurf fand weitgehend die Zustimmung der Besprechungsteilnehmer, lediglich an § 25 Abs. 3 K W G - E 1 wurde Kritik geübt. Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) vertrat die Auffassung, daß man einen Scheck nicht zurückgehen lassen dürfe, wenn auf dem Sparkonto noch Deckung vorhanden sei. Ein derartiger Scheck könne nicht als nichtig angesehen werden, da ansonsten die Möglichkeit der Geltendmachung von Regreßansprüchen entfalle. 5 9 6 Demgegenüber verteidigte Reichskommissar Ernst die Vorschrift. Ähnliche Bestimmungen hätten bei den Sparkassen dafür gesorgt, daß dort nach der Ver592 Vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 128 f. 593 Vgl. die Begründung zu der entsprechenden Regelung in § 21 Abs. 4 KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 306. 594 § 25 Abs. 5 KWG-E 1 entsprach dem späteren § 23 KWG und wird daher an dieser Stelle nicht behandelt. 595 Zuvor hatte sich auch der Untersuchungsausschuß in seiner Sitzung vom 27. Februar 1934 den Vorschriften gewidmet, die Diskussion aber ergebnislos abgebrochen, da der Entwurf des Reichssparkassengesetzes vom März 1934 (s. o., Teil 3, C., III., 1.) noch nicht vorlag. s. Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 285. 596 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 276 f. Quassowski ließ offen, welche Regreßansprüche er im Einzelnen meinte. Offenbar wollte er aber vermeiden, daß die Nichteinlösung eines Schecks trotz vorhandener Deckung auf dem Sparkonto zur Nichtigkeit des Schecks führte, um dem Scheckinhaber nicht den Regreß gegen etwaige Indossanten zu nehmen. 21*
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mischung von Giro- und Spargeldern wieder eine straffe Trennung der entsprechenden Konten durchgesetzt s e i . 5 9 7 U m die Bedenken Quassowskis (Reichsjustizministerium) auszuräumen, schlug Ernst daher vor, den § 25 Abs. 3 K W G - E 1 um folgenden Satz zu erweitern: „Eine Einlösung von Schecks zu Lasten von Sparguthaben ist unzulässig". 5 9 8 Damit war klargestellt, daß die Vorschrift keine scheckrechtlichen Auswirkungen hatte. Der Vorschlag Emsts fand die allgemeine Zustimmung der anderen Sitzungsteilnehmer. Weitere Änderungen des § 25 K W G - E 1 wurden nicht beschlossen.
c) Die Besprechung der überarbeiteten Fassung des § 25 KWG-E 1 im Reichswirtschaftsministerium am 27. März 1934 Die Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 27. März 1934 widmete sich ein weiteres M a l ausführlich den Vorschriften über den Sparverkehr. A m 14. März 1934 war die Debatte abgebrochen worden, da der ausstehende Entwurf des Reichssparkassengesetzes noch nicht vorlag, auf den einige Vorschriften des K W G E 1 verwiesen. Mittlerweile war dieser Entwurf in der Reichsbank fertiggestellt worden, wobei jedoch klar war, daß er mit den späteren KWG-Entwürfen vereinigt werden w ü r d e . 5 9 9 Dementsprechend hatte die Reichsbank für die Zwecke der Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium eine Neuformulierung der Sparvorschriften vorgenommen, die in der Sitzung vom 27. März 1934 vorlag. Diese Neuformulierung hatte die beabsichtigte Vereinigung des Sparkassengesetzes mit dem K W G bereits berücksichtigt, so daß sie den Sparverkehr abschließend und ohne Verweisungen auf andere Gesetze regelte. Zugleich waren die Ergebnisse der ersten Besprechung vom 14. März 1934 berücksichtigt und in die Neufassung der Vorschriften eingearbeitet worden. Die Bestimmung des § 25 K W G - E 1 fand sich in der überarbeiteten Fassung der Sparvorschriften in § 24 wieder (im folgenden: § 24 K W G - E 1-a) und hatte mehrere Veränderungen erfahren. § 25 Abs. 1 K W G - E 1 war in § 24 Abs. 1 K W G - E 1a um die Bestimmung erweitert worden, daß das Sparbuch „bei voller Rückzahlung der Einlage zurückgegeben werden muß". § 25 Abs. 3 K W G - E 1 fand sich in § 24 Abs. 2 K W G - E 1-a wieder. Dem Vorschlag Emsts entsprechend war hier geregelt, daß „eine Einlösung von Schecks zu Lasten von Spareinlagen ( . . . ) unzulässig" war. 597 Die preußische Sparkassenmustersatzung vom 15. Oktober 1932 bestimmte vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 2 des Habenzinsabkommens vom 9. Januar 1932 (s. o., Teil 1, C., IV., 3., c)), daß Verfügungen unter Vorlage des Sparbuches Giro- oder Scheckverfügungen ausschlossen, s. Fischer, KWG-Kommentar, S. 128. 598 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 277. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Formulierung des § 25 Abs. 3 S. 1 KWGE 1 so zu ändern, daß diese Bestimmung nur noch auf Überweisungen Anwendung fand. Die Worte „Scheck oder" im § 25 Abs. 3 S. 1 KWG-E 1 wurden daher gestrichen.
5" Vgl. o., Teil 3, C , III., 3.
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§ 24 Abs. 3 K W G - E 1-a stellte fest, daß Sparbücher Legitimationspapiere i m Sinne des § 808 BGB waren, während § 24 Abs. 4 K W G - E 1-a die Vorschrift aus § 25 Abs. 4 K W G - E 1 unverändert übernahm. Die Vorschrift des § 25 Abs. 2 K W G - E 1 war i m § 24 Abs. 5 K W G - E 1-a enthalten und hatte eine Neuformulierung erfahren. Danach mußte das Sparbuch „alle Bestandsänderungen nach Datum und Höhe ausweisen; der jeweilige Bestand der Spareinlage (Saldo) muß jederzeit ersichtlich sein". § 24 Abs. 6 K W G - E 1-a war schließlich wortgleich mit § 25 Abs. 6 K W G - E 1. § 24 K W G - E 1-a erfuhr in der Sitzung von 27. März 1934 eine ausführlichere Beratung als der § 25 K W G - E 1 in der Sitzung vom 14. März 1934. Die Teilnehmer einigten sich auf eine Neuformulierung des § 24 Abs. 1 K W G - E 1-a, der die folgende Fassung erhielt: „Spareinlagen sind Geldeinlagen, über die ein Sparbuch ausgefertigt wird. Auszahlungen über die Einlagen dürfen nur bei Vorlage des Sparbuches erfolgen". 600 A u f Anregung Emsts sollte die Bestimmung über die Rückgabe des Sparbuches in einem eigenen Absatz geregelt werden, während die Worte „als Empfangsbestätigung" auf Vorschlag Geheimrat Kohlers (Reichswirtschaftsministerium) gestrichen wurden. 6 0 1 Darüber hinaus wurde § 24 Abs. 3 K W G - E 1-a für entbehrlich gehalten und gestrichen. Ebenso wurde mit § 24 Abs. 5 K W G - E 1-a verfahren und die Übernahme seiner Regelungen in die Durchführungsbestimmungen beschlossen. § 24 Abs. 4 K W G - E 1-a erhielt nach längerer Erörterung eine Neufassung folgenden Inhalts: 6 0 2 „Die Ausgabe von Sparbüchern ohne entsprechende Einlage ist nicht zulässig; das Kreditinstitut darf Beträge, die es im Wege der Kreditgewährung zur Verfügung stellt, nicht im Sparbuch gutbringen." Schließlich plädierte Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) dafür, § 24 Abs. 6 K W G - E 1-a, der die Ausweisung des jeweils geltenden Zinses i m Sparbuch regelte, ebenfalls zu streichen und in die Durchführungsbestimmungen zu übernehmen. 6 0 3 Gegen dieses Vorschlag wandte sich Reichsbankdirektor Müller. Er hielt es für dringend erforderlich, „gerade auf der ersten Seite und nicht etwa erst am Schluß der vorweg abgedruckten Geschäftsbedingungen den genauen Zinssatz anzugeben". 6 0 4 Zustimmung erhielt er von Ernst. Er wies dar600 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.335. 601 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 336. 602 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 336. 603 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 336. 0 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 3 .
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auf hin, daß die Eintragung des jeweiligen Zinssatzes keine Mehrbelastung für die Sparkassen bedeute, zumal angestrebt sei, den Zinssatz für die Spareinlagen über lange Zeiträume hinweg unverändert zu lassen. 6 0 5 I m Anschluß an diese Ausführungen schlug Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium) daher vor, zu bestimmen, daß „ i n dem Sparbuch ( . . . ) an auffallender Stelle der Zinsfuß ersichtlich zu machen" ist. Dem Vorschlag wurde allgemein zugestimmt.606 Insgesamt gesehen führten die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium somit zu einer Vielzahl von Änderungen des § 25 K W G - E 1. Bei diesen Änderungen handelte es sich aber durchweg um Detailfragen, während die grundsätzliche Tendenz des § 25 K W G - E 1, den langfristigen Charakter der Spareinlagen wieder stärker zur Geltung zu bringen, unangetastet blieb.
2. § 25 KWG-E 2 und die weitere Entstehung des § 22 KWG Die in den Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium beschlossenen Änderungen fanden in den § 25 K W G - E 2 Eingang. § 25 Abs. 1 K W G - E 1 regelte in aller Kürze, daß „Spareinlagen ( . . . ) Geldeinlage [sind], über die ein Sparbuch ausgefertigt wird". Etwas ausführlicher bestimmte § 25 Abs. 2 K W G - E 2, daß „Auszahlungen auf Spareinlagen ( . . . ) nur bei Vorlage des Sparbuches erfolgen [dürfen]; bei voller Rückzahlung der Einlage ist das Sparbuch zurückzufordern." § 25 Abs. 2 K W G - E 2 entsprach damit dem späteren § 22 Abs. 2 K W G und wurde daher bis zur Verabschiedung des Gesetzes nicht mehr geändert. § 25 Abs. 3 K W G - E 2 enthielt das Verbot, über Spareinlagen per Scheck oder Überweisung zu verfügen und erhielt die Fassung, auf die sich die Besprechungsteilnehmer i m Reichswirtschaftsministerium geeinigt hatten. § 25 Abs. 4 und Abs. 5 K W G - E 2 übernahmen § 24 Abs. 4 und Abs. 6 K W G E 1-a in den i m Reichswirtschaftsministerium beschlossenen geänderten Fassungen. Auch diese Vorschriften entsprachen bereits den späteren § 22 Abs. 4 und Abs. 5 K W G und blieben i m weiteren Verlauf des GesetzgebungsVerfahrens unverändert. Die ausführlichen Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium hatten somit dazu geführt, daß § 25 K W G - E 2 der Endfassung des § 22 K W G schon sehr nahe kam, so daß der Entwurf in der Folgezeit nur noch geringfügige Veränderungen und Klarstellungen erfuhr. 605 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 336. 6 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, AkteR25.01
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So führten die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. Mai 1934 zu einer weiteren Verfeinerung des § 25 Abs. 3 K W G - E 2. Die Neufassung in § 21 Abs. 3 K W G - E 3 enthielt nunmehr die klarstellende Bestimmung, daß die Einlösung von Schecks zu Lasten von Spareinlagen „unbeschadet der Rechtswirksamkeit des Schecks und des Einlösungsgeschäfts unzulässig" war. Damit war vollends den Bedenken Quassowskis (Reichsjustizministerium) Rechnung getragen worden, der gegen die ursprüngliche Fassung in § 25 Abs. 3 K W G - E 1 scheckrechtliche Einwände geltend gemacht hatte. 6 0 7 Gleichzeitig hatte mit dieser Erweiterung auch § 25 Abs. 3 K W G - E 3 seine endgültige Fassung erhalten, so daß § 25 K W G - E 3 nur noch i m Abs. 1 vom späteren § 22 K W G abwich. Die Änderungen, die schließlich noch am § 22 Abs. 1 K W G - E 3 vorgenommen wurden, gingen auf Vorschläge Schachts zurück, die er in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 4. Oktober 1934 unterbreitete. 608 Schacht beanstandete, daß die Formulierung des § § 2 2 Abs. 1 K W G - E 4 zu Mißbräuchen Anlaß geben könne. Es sei größter Wert darauf zu legen, daß durch eine verbesserte Formulierung alle „echten Spargelder" 6 0 9 erfaßt „und so die Anlagemöglichkeiten für das Reich verstärkt w e r d e n " . 6 1 0 In Anlehnung an das Habenzinsabkommen schlug er daher folgende Formulierung vor: „Spareinlagen sind Geldeinlagen, die dem Kapitalmarkt zugeführt werden und durch Ausgabe eines Sparbuches oder sonstige Vereinbarungen als Spareinlagen gekennzeichnet sind." 611 Schacht machte damit deutlich, daß es ihm bei der Bestimmung der Spareinlagen weniger auf das formale Kriterium der Ausgabe eines Sparbuches sondern vielmehr darauf ankam, daß es sich bei den Spareinlagen um langfristige Gelder handelte. Sein Vorschlag fand die Zustimmung Emsts. Schließlich stieß die Vorschrift des § 22 Abs. 3 K W G - E 4 auf Widerspruch. Reinhardt verlangte die Streichung der Bestimmung, „ w e i l davon eine wesentliche Beeinträchtigung des Geschäftes der Sparkassen zu befürchten s e i " . 6 1 2 Gerade diese Bestimmung war jedoch von besonderer Bedeutung, verhinderte sie doch, daß Spareinlagen nach Art von kurzfristigen Giroeinlagen zu Zwecken des Zahlungsverkehrs verwendet werden konnte. M i t seiner Forderung stieß Reinhardt dementsprechend auf den massiven Widerstand von Schacht und Ernst. 613 Sie 607 S. o., Teil 4, H., III., l . , b ) .
608 Die Vorschrift lag den Ausschußmitgliedern als § 22 KWG-E 4 vor. 609 Gemeint waren solche Gelder, die langfristig zur Verfügung standen. 610
Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 154. 611 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 154. 612 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 141.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
wiesen darauf hin, daß die Regelung der derzeit geltenden Rechtslage entspräc h e . 6 1 4 Darüber hinaus erklärte Schacht, daß § 22 Abs. 3 K W G - E 4 die „Grundtendenz des gesamten Gesetzes berühre". Er werde, sollte der Absatz gestrichen werden, den gesamten Gesetzentwurf zurückziehen, da sich gerade die mißbräuchliche Verwendung der Spargelder 6 1 5 in der Vergangenheit so negativ ausgewirkt h a b e . 6 1 6 Unterstützung erhielt Schacht von Jessen und Krogmann. Daraufhin zog Reinhardt, der sich möglicherweise der Bedeutung des § 22 Abs. 3 K W G - E 4 nicht bewußt gewesen war, seine Forderung z u r ü c k . 6 1 7 Der Vorschlag Schachts zur Neuformulierung des § 22 Abs. 1 K W G - E 4 wurde mit gewissen Änderungen in der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 umgesetzt. Enger als noch von Schacht gefordert, lehnte sich § 22 Abs. 1 K W G - E 5 an § 2 Abs. 2 des Habenzinsabkommens vom 9. Januar 1 9 3 2 6 1 8 an, indem er bestimmte, daß „Spareinlagen ( . . . ) Geldeinlagen auf Konten [sind], die der Anlage, aber nicht dem Zweck des Zahlungsverkehrs dienen und als solche, insbesondere durch Ausfertigung von Sparbüchern, gekennzeichnet s i n d " . 6 1 9 Zugleich war die Ausfertigung eines Sparbuches gemäß § 22 Abs. 1 K W G - E 5 keine zwingende Voraussetzung mehr, wenngleich § 22 Abs. 2 K W G - E 5 freilich die Ausstellung eines Sparbuches erforderlich machte. 6 2 0 M i t dieser Änderung lag schließlich die endgültige Fassung des § § 2 2 K W G v o r . 6 2 1
3. Resümee § 22 K W G führte zu keiner entscheidenden Änderung gegenüber der Rechtslage, wie sie aufgrund des Habenzinsabkommens vom 9. Januar 1932 bestand. Sein Verdienst bestand jedoch darin, den Vorschriften dieses Abkommens durch ihre gesetzliche Ausgestaltung größere Autorität zu verleihen und die bisherige Rechtslage zu präzisieren. Zugleich unterstützte er den Gesetzgeber in dem Be613 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 141 f.
614 Vgl. o., Teil 4, H., III.
615 Vgl. o., Teil 4, Η., I. 616 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 / 6941, S. 142. 617 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 142. 618 s.o., Teil 1, C., IV., 3. c). 619 s. die Auflistung der in der Sitzung vom 8. Oktober 1934 beschlossenen Änderungen in: BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 232. 620 Vgl. Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 60. 621 Diese Fassung unterschied sich von § 22 KWG-E 5 lediglich dadurch, daß statt der Formulierung „die der Anlage, aber nicht dem Zweck des Zahlungsverkehrs dienen" in § 22 Abs. 1 KWG-E 5 in § 22 Abs. 1 KWG die umgekehrte Fassung „die nicht den Zwecken des Zahlungsverkehrs, sondern der Anlage dienen" gewählt wurde.
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mühen, eine für das gesamte Kreditwesen geltende Regelung zu schaffen, indem er „eine möglichst einheitliche Behandlung der Spargelder bei allen Arten von Kreditinstituten" herbeiführte. 6 2 2 § 22 Abs. 1 K W G stellte nunmehr ausdrücklich klar, daß Spareinlagen nur solche Gelder waren, die der Vermögensbildung dienten und damit dem Kapitalmarkt nutzbar gemacht werden konnten. § 22 Abs. 3 K W G verschärfte die Trennung zwischen den Spar- und den Giroeinlagen und auch § 22 Abs. 4 K W G diente dazu, die Spargelder dem kurzfristigen Bankgeschäft zu entziehen. Neu war die Vorschrift des § 22 Abs. 5 K W G , die jedoch i m Vergleich zu den anderen Bestimmungen nur untergeordnete Bedeutung hatte. Insgesamt rückte § 22 K W G somit den langfristigen Charakter der Spareinlagen wieder deutlich in den Vordergrund. Er war damit ein wichtiger Schritt i m Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel, Geld- und Kapitalmarkt wieder vollständig voneinander zu trennen und damit eine Stärkung des Kapitalmarktes herbeizuführen.
IV. Verzinsung und Kündigungsfristen, § 23 KWG § 23 K W G enthielt Bestimmungen zur Höhe und Berechnung der Verzinsung der Spareinlagen und regelte die Bedingungen für deren Rückzahlung. Ebenso wie § 22 K W G bezweckte er, eine deutliche Trennung zwischen Spar- und Giroeinlagen zu erzielen.
1. § 25 KWG-E 1-a Der erste KWG-Entwurf enthielt noch keine dem späteren § 23 K W G entsprechende Bestimmung. Lediglich § 25 Abs. 5 K W G - E 1 enthielt insoweit einen Verweis auf die Bestimmungen des Reichssparkassengesetzes, dessen Entwurf zu Beginn der Gesetzesberatungen jedoch noch nicht v o r l a g . 6 2 3 Dementsprechend wurde § 25 Abs. 5 K W G - E 1 während der Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. März 1934 nicht behandelt. Erst die Neuformulierung der Vorschriften über den Sparverkehr durch die Reichsbank führte mit § 25 (im folgenden: § 25 K W G E 1-a) zu einer abschließenden Vorschrift, aus der sich der spätere § 23 K W G entwickelte. a) Der Inhalt des Entwurfs § 25 Abs. 1 K W G - E 1-a griff eine seit langem erhobene Forderung der Privatbanken auf, indem er „die Hereinnahme von Spareinlagen ( . . . ) für jedes Sparbuch auf einen Betrag von 5.000 R M " beschränkte. 6 2 4 622 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 107. 623 s. o., Teil 4, H., III., 1., a).
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
§ 25 Abs. 2 K W G - E 1-a regelte die Höhe der Verzinsung der Spareinlagen. Demnach unterlag „die Festsetzung des Zinsfußes für Spareinlagen ( . . . ) den Bestimmungen des § 4 1 6 2 5 dieses Gesetzes. I m Spargeschäft dürfen Gelder zu einem anderen als den für Spareinlagen festgesetzten Zinsfuß nicht angenommen werden." § 41 K W G - E 1 übernahm die Bestimmungen der Notverordnung vom 8. Dezember 1931, 6 2 6 aufgrund derer die Zinssätze i m Kreditwesen nicht mehr frei bestimmt werden konnten, sondern durch die Spitzen verbände des Kreditwesens mit Zustimmung des Reichskommissars festgelegt wurden. 6 2 7 § 25 Abs. 2 K W G - E 1-a entzog somit auch den Zinssatz für die Spareinlagen dem freien Wettbewerb und ordnete statt dessen die staatliche Festlegung des Zinses an. § 25 Abs. 3 K W G - E 1-a enthielt Vorschriften für die Berechnung des Zinses. Er ordnete an, daß „die Verzinsung von Spareinlagen ( . . . ) bei Einzahlung bis zum 15. eines jeden Monats am Ende des Monats, bei Einzahlung in der zweiten Hälfte eines Monats mit dem 15. des nächsten Monats [beginnt]. Die Verzinsung läuft bis zum Tage der Rückzahlung." Derartige Bestimmungen waren vor dem Ersten Weltkrieg in den Satzungen der Sparkassen weit verbreitet. Allerdings war es nach dem Krieg allgemein üblich, daß die Verzinsung der Spareinlagen mit dem auf die Einzahlung der Gelder folgenden Werktag begann. 6 2 8 § 25 Abs. 3 K W G - E 1-a stellte somit die ursprünglich bestehende Rechtslage wieder her. § 25 Abs. 4 K W G - E 1-a regelte die Rückzahlung der Spareinlagen. durften Rückzahlungen „ohne Kündigung nur bis zum Betrage von R M jedes Sparbuch i m Monat geleistet werden". Die „Rückzahlung höherer innerhalb des Zeitraums von einem Monat" erforderte eine entsprechende ge Kündigung.
Danach 300 für Beträge vorheri-
§ 25 Abs. 5 K W G - E 1-a regelte die Fristen für die in § 25 Abs. 4 K W G - E 1-a angeordnete Kündigung. Demnach betrug die Kündigung „für Beträge bis zu R M 1.000 einen Monat, für Beträge über R M 1.000 drei Monate. M i t Monatsfrist dürfen innerhalb eines Monats nicht mehr als R M 1.000 für jedes Sparbuch gekündigt werden." Schließlich regelte § 25 Abs. 6 K W G - E 1-a die Auszahlung gekündigter Beträge vor Ablauf der Kündigungsfrist. A u f solche Beträge konnten „Vorschüsse erteilt 624 Sparbücher mit einem Bestand von mehr als 5.000 RM waren danach unzulässig. Mit der Forderung nach einer derartigen Bestimmung trachteten die Privatbanken danach, die Sparkassen auf den Geschäftsverkehr mit den mittleren und unteren Bevölkerungsschichten zu beschränken. Auf diese Weise sollte das lukrativere Geschäft mit der vermögenden Privatkundschaft in erster Linie den Privatbanken selbst vorbehalten bleiben, s. o., Teil 3, C , II., 1. 625 Dem späteren § 38 KWG, s. u., Teil 4, J., II., 5. 626 s.o., Teil 1,C.,IV.,3. 627 Für die Spareinlagen hatte der zentrale Kreditausschuß aufgrund des Habenzinsabkommens vom 9. Januar 1932 einen Zinssatz von 4% festgesetzt (RA Nr. 103 v. 3. Mai 1932, S. 1). 628 Fischer, KWG-Kommentar, S. 131.
Η. Sparverkehr, §§ 22 bis 27 KWG
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werden, für welche Zinsen in Höhe von mindestens 1 % über dem Einlagezinssatz zu berechnen" w a r e n . 6 2 9
b) Die Besprechung des Entwurfs
im Reichswirtschaftsministerium
§ 25 K W G - E 1-a wurde während der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium am 27. März 1934 behandelt. Fand § 24 K W G - E 1-a noch die grundsätzliche Zustimmung der Besprechungsteilnehmer, so war § 25 K W G - E 1-a Gegenstand einer ausführlichen und ungewohnt kontroversen Debatte. So wandte sich Reichskommissar Ernst gegen die i m § 25 Abs. 1 K W G - E 1-a vorgesehene Begrenzung der Spareinlagen auf 5.000 R M je Sparbuch, da diese dauernd umgangen werden w ü r d e . 6 3 0 Reichsbankdirektor Müller erklärte sich daraufhin ohne Umschweife bereit, die Vorschrift fallenzulassen. Sie sei ohnehin nur in den Entwurf hereingenommen worden, weil sie „ein alter Wunsch der Privatbankiers s e i " . 6 3 1 Eine lebhafte Diskussion entwickelte sich dagegen bei der Besprechung des § 25 Abs. 2 K W G - E 1-a, der bestimmte, daß Spargelder „zu einem anderen als den für Spareinlagen festgesetzten Zinsfuß nicht angenommen werden" durften. Diese Bestimmung erschien auf den ersten Blick als eine Selbstverständlichkeit. Dementsprechend stellte Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) fest, daß die Bestimmung des Zinses anerkanntes Recht des Reichskommissars und die Vorschrift daher zu entbehren sei 6 3 2 Müller und Ernst widersprachen dieser Ansicht. Müller führte aus, die Bestimmung sei absichtlich an dieser Stelle des Entwurfes eingefügt worden, da hervorgehoben werden sollte, daß Spargelder überhaupt nicht zu anderen Sätzen verzinst werden dürften. 6 3 3 Ernst argumentierte mit dem Zweck der Vorschrift, mit der eine stärkere Abgrenzung der Spareinlagen von den Kündigungsgeldern 6 3 4 erreicht werden sollte. Er führte aus, daß die Spargelder stark mit 629
Eine Verpflichtung zur Erteilung von Vorschüssen bestand grundsätzlich nicht. Wenn sie jedoch gewährt wurden, so war die Berechnung von Zinsen auf diese Vorschüsse obligatorisch. Bereits § 3 Abs. 2 des Habenzinsabkommens vom 9. Januar 1932 enthielt eine dem § 25 Abs. 6 KWG-E 1-a entsprechende Bestimmung, wonach bei Rückzahlung von Spareinlagen vor Ablauf der Kündigungsfrist „der zurückgezahlte Betrag als Vorschuß bis zu diesem Termin zu behandeln und zu dem üblichen Sollsatz zu verzinsen" war. 630 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 336 f. 631 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 337. 632 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 337. 633 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 337. 634 Kündigungsgelder waren Gelder, „für die ausdrücklich eine Kündigungsfrist oder eine feste Laufzeit von mindestens einem Monat vereinbart worden ist". Sie durften mit bis zu einem Prozent höher als die Spareinlagen verzinst werden (§ 3 des Habenzinsabkommens
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
dem Kapitalmarkt verwandt seien, während die Kündigungsgelder eher kurzfristigen Charakter hätten. Anders als für diese sei für die Spareinlagen ein kaum schwankender, fester Zinssatz erforderlich, und er, Ernst, sei bezüglich des § 25 Abs. 2 K W G - E 1-a nicht kompromißbereit. Er bestätigte die Ausführungen Kohlers, wonach es in Preußen vielfach üblich sei, Kündigungsgelder in die Sparbücher einzutragen, hielt diese Entwicklung jedoch für falsch. Die Kündigungsgelder müßten vielmehr aus den Sparbüchern verschwinden, darauf habe i m Laufe der Bankenenquete auch Kleiner 635 immer wieder hingewiesen. 6 3 6 Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) ließ sich von diesen Ausführungen nicht überzeugen. Er forderte i m Interessen der landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften eine weniger strenge Regelung, „ w e i l man sonst die Leute j a vom Sparverkehr forttriebe". 6 3 7 Nunmehr war es Müller, der § 25 Abs. 2 K W G E 1-a verteidigte. Er führte aus, daß die Reichsbank bei der Formulierung der Sparvorschriften einen besonderen Schutz der Spareinlagen bezweckt habe. 6 3 8 Wenn dieser Schutz gewährt würde, so müsse i m Gegenzug der Zinssatz für die Spareinlagen niedriger sein als der für Kündigungsgelder. Wer mehr Zinsen haben wolle, müsse dann eben auf diesen Schutz verzichten. Darüber hinaus machte er die unverändert hohen Zinssätze der Kündigungsgelder für das allgemein hohe Zinsniveau verantwortlich. Eben aus diesem Grund sehe der Entwurf ausdrücklich vor, „daß i m Spargeschäft Gelder nur zu dem für Spareinlagen festgesetzten Zinsfuß angenommen werden dürften". 6 3 9 Müller fand die Zustimmung von Ernst und Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium), während Quassowski (Reichsernährungsministerium) sich seine abschließende Stellungnahme vorbehielt. Noch einmal versuchte letzterer, seine Position durchzusetzen, indem er anregte, die Frage der Verzinsung nicht i m Gesetz, sondern in den Durchführungsbestimmungen zu regeln. 6 4 0 Erneut scheiterte er jedoch an der harten Linie Emsts. Die Frage der Verzinsung müsse geregelt werden, notfalls würde er es von sich aus auf Grund seiner Befugnisse gemäß § 41 K W G - E 1 tun. Noch einmal verdeutlichte er den Zweck des § 25 vom 9. Januar 1932). Sie dienten im Gegensatz zu den Spareinlagen weniger der langfristigen Anlage. Gleichwohl wurden sie häufig wie Spareinlagen in Sparbücher eingetragen und waren daher von den langfristigen Spareinlagen nur schwer zu unterscheiden. 635 Kleiner war der Vorsitzende des Deutschen Sparkassen- und Giro Verbandes. 636 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 337. 637 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 337 f. 638 Hier nannte Müller das geplante Konkursprivileg für die Spareinlagen, s. u., Teil 4, Η., VIII. 639 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 338. 6 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, AkteR25.01
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Abs. 2 K W G - E 1-a, indem er ausführte, „die Leute sollten Kündigungsgelder hereinnehmen so viel wie sie wollen, aber nicht als Spareinlagen". Die Bestimmung solle daher unangetastet bleiben. 6 4 1 Nachdem Waldeck sich den Ausführungen Emsts angeschlossen hatte, wandte sich die Debatte § 25 Abs. 3 K W G - E 1-a zu, der bestimmte, daß die Verzinsung von Spareinlagen erst eine gewisse Zeit nach deren Einzahlung begann. Wiederum war es Quassowski (Reichsernährungsministerium), der sich gegen die Bestimmung wandte. Auch Waldeck zweifelte an der Notwendigkeit der Bestimmung. 6 4 2 Erneut waren es Emst und Müller, die sich für die Vorschrift einsetzten. 6 4 3 Vor allem Ernst hielt ein ausführliches Plädoyer zugunsten des § 25 Abs. 3 K W G - E 1-a. Er machte darauf aufmerksam, daß diese Bestimmung „neu und uralt" sei. Gegenwärtig bestände sie zwar nicht, wäre aber vor dem Krieg allgemein üblich gewesen. Der Grund für ihre Wiederaufnahme läge darin, daß die Sparkonten immer mehr als Kontokorrentkonten genützt w ü r d e n 6 4 4 und diese Fälle außerordentlich schwer zu erfassen seien. Wenn jedoch für 14 Tage nach der Einzahlung keine Zinsen berechnet würden, dann verliere die Verwendung von Sparkonten für kurzfristige Zwecke ihren Reiz, da dann der hohe Spareinlagenzins nicht mehr lohnend sei. Für den langfristig orientierten Sparer habe dieser Zins Verlust dagegen keine Bedeutung. Aus diesem Grund lege er, Ernst, entscheidendes Gewicht auf die Aufnahme der Bestimmung in das Gesetz. Wenn es nicht gelinge, eine scharfe Trennung zwischen Spar- und Girogeldern herbeizuführen, dann würde der Zinssatz für kurzfristige Gelder durch die Spareinlagen „immer wieder erneut heraufgetrieben werden". Dann sei es auch zu befürchten, daß die Kreditzinsen weiter stiegen. Schließlich führte Ernst aus, es sei ihm bewußt, daß gegen diese Vorschrift „gehörig Sturm gelaufen" werden würde. Gleichwohl handele es sich um eine der wichtigsten Bestimmungen. 6 4 5 Müller stimmte den Ausführungen Emsts zu. M i t der allgemeinen Bemerkung Kohlers, daß gewährleistet sein müsse, alle Kreditinstitute in diesem Punkt einheitlich zu behandeln, wandten sich die Besprechungsteilnehmer den weiteren Bestimmungen des § 25 K W G - E 1-a zu, ohne Änderungen an dessen Abs. 3 beschlossen zu haben. Wie bereits alle vorangegangenen Bestimmungen des § 25 K W G - E 1-a, wurden auch die Vorschriften über die Kündigung und Rückzahlung der Spareinlagen ge641 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 338. 642 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 339. 643 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 339. 644 s. o., Teil 4, Η., I. 5 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 3 .
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
mäß § 25 Abs. 4, 5 K W G - E 1-a kritisiert. Waldeck bezweifelte, ob diese Bestimmungen i m Gesetz aufgenommen werden müßten und stellte fest, daß bereits nach der gegenwärtigen Rechtslage sich die Sparkassen „strafbar machten", 6 4 6 wenn sie Spareinlagen vorzeitig zurückzahlten. 6 4 7 Ernst erklärte, mit der Bestimmung sollten in erster Linie die Privatbanken und die bayerischen Sparkassen schärferen Bestimmungen unterworfen werden, zumal letztere überhaupt keine Kündigungsfristen für die Spareinlagen geregelt hätten. 6 4 8 Weiterhin wandte sich Kohler gegen die Formulierung in § 25 Abs. 4 K W G E 1-a, indem es hieß, daß ungekündigte Spareinlagen nur bis zum Betrag von 300 R M zurückgezahlt werden „dürfen". Es sei doch lediglich eine Bestimmung zum Schutz der Sparkassen vor allzu plötzlichen RückZahlungsansprüchen erforderlich, so daß in Bezug auf die Rückzahlung 300 R M übersteigender Beträge die Formulierung „brauchen nicht geleistet zu werden" gewählt werden müsse. 6 4 9 Demgegenüber wies Müller darauf hin, daß die Kündigungsfristen bei den Banken und Sparkassen in der Praxis „beinahe nur auf dem Papier ständen" und es sich ein Kreditinstitut gegenüber seinem Kunden nicht leisten könne, sich auf diese Fristen zu berufen. U m den Kündigungsfristen wieder Geltung zu verschaffen, sei daher ein gesetzliches Verbot der Rückzahlung ungekündigter Beträge erforderlich. Für legitime Ausnahmefälle sei § 25 Abs. 6 K W G - E 1-a vorgesehen. 650 Trotz dieser Ausführungen hielt Waldeck an seiner Kritik an dem Entwurf fest. Er befürchtete, daß ein Sparer, der in absehbarer Zeit eine Anschaffung in Aussicht habe, sein Geld dann nicht mehr zur Sparkasse bringe. Dagegen sprach sich Ernst für die i m Entwurf vorgesehenen Kündigungsfristen und deren strenge Einhaltung aus. Wenn man hier lockerlasse, so argumentierte er, werde man überhaupt keine täglich fälligen Gelder mehr haben, da alle Einlagen als längerfristige Gelder deklariert seien. 6 5 1 „Wer den guten Tropfen genieße", so Ernst, „müsse auch den schlechten n e h m e n " . 6 5 2 Er spielte damit darauf an, daß derjenige, der in den Genuß der relativ hohen Spareinlagenverzinsung kommen wolle, auch die Kündigungs646 Offenbar spielte Waldeck auf § 16 der preußischen Sparkassenmustersatzung vom 26. August 1932 an (abgedr. bei Perdelwitz, S. 162 ff.), wonach die Sparkassen zur Rückzahlung von 300 RM übersteigenden Beträgen nur verpflichtet waren, „wenn eine rechtzeitige Kündigung erfolgt ist". 647
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 339 f. 648 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 340. g 49 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 340. 650
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 340. 651 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R25.01/6943, S. 340f. 652 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R25.01 /6943, S. 340.
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fristen in Kauf nehmen müsse. Er zeigte sich jedoch hinsichtlich der in dem Entwurf genannten Kündigungsbeträge kompromißbereit. Diesen Ausführungen trat Waldeck schließlich bei, so daß auch in diesen Punkten keine Änderungen beschlossen wurden und die Beratung des § 25 K W G - E 1-a ihr Ende fand. Insgesamt gesehen waren somit fast alle Bestimmungen des § 25 K W G - E 1-a umstritten. Sie mußten von Ernst und Müller ausführlich erläutert und verteidigt werden, die mit den Problemen des Sparverkehrs von allen Besprechungsteilnehmern offensichtlich am besten vertraut waren. Letztlich gelang es ihnen jedoch, die anderen Teilnehmer von ihrer Position zu überzeugen, so daß - abgesehen von der Streichung des § 25 Abs. 1 K W G - E 1-a - die Vorschrift unangetastet blieb.
2. Die weitere Entstehung des § 23 KWG § 25 K W G - E 1-a fand sich i m zweiten KWG-Entwurf in § 26 K W G - E 2 wieder. Entsprechend der vorangegangenen Beratungen war § 25 Abs. 1 K W G - E 1-a, der die Hereinnahme von Spareinlagen je Sparbuch auf 5.000 R M begrenzte, ersatzlos gestrichen worden. I m übrigen stimmte § 26 K W G - E 2, der aufgrund der Streichung nur noch fünf Absätze umfaßte, exakt mit § 25 K W G - E 1- a überein. 6 5 3 Blieb der wesentliche Gehalt des § 25 K W G - E 1-a in § 26 K W G - E 2 unangetastet, so führten die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. Mai 1934 zu auffallenden Änderungen, die sich i m § 22 K W G - E 3 widerspiegelten. Die Absätze 4 und 5 des § 26 K W G - E 2, die die Kündigungsfristen und die Behandlung von Vorschüssen auf gekündigte Beträge regelten, wurden gestrichen. A n ihre Stelle trat als § 22 Abs. 3 S. 3 K W G - E 3 die Regelung, daß „die Bestimmungen über die Kündigungsfristen und über die Leistung von Vorschüssen auf gekündigte Beträge ( . . . ) das Bankenaufsichtsamt [erläßt]". Welche Gesichtspunkte zu dieser Änderung geführt hatten, ist nicht ersichtlich. Möglicherweise kam, obwohl sich Ernst in der Frage der Regelung der Kündigungsfristen verhandlungsbereit gezeigt hatte, in den Besprechungen i m M a i 1934 keine Einigung zustande, so daß beschlossen wurde, diese Angelegenheiten durch das Aufsichtsamt regeln zu lassen. Darüber hinaus entsprach diese Neuformulierung der allgemeinen Tendenz des Gesetzgebers, die Bestimmungen des K W G möglichst flexibel zu gestalten und der Bankenaufsicht bei der Umsetzung des Gesetzes einen weiten Spielraum zu lassen. Die Fassung des § 22 K W G - E 3 war jedenfalls mit dem späteren § 23 K W G schon praktisch identisch und wurde bis unmittelbar vor Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr geändert. 653 Lediglich § 25 Abs. 2 S. 1 KWG-E 1-a, wonach „die Festsetzung des Zinsfußes für Spareinlagen ( . . . ) den Bestimmungen des § 41 dieses Gesetzes" unterlag, wurde gestrichen. Ausschlaggebend dürfte dabei gewesen sein, daß es sich hierbei um eine überflüssige Vorschrift handelte. Der Kern der Bestimmung, der die Annahme von Spareinlagen zu einem anderen als den für Spareinlagen geltenden Zinssatz untersagte, blieb dagegen bestehen.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Dementsprechend führte auch die Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, in der § 22 K W G - E 3 als § 23 K W G - E 4 vorlag, zu keinen Änderungen der Vorschrift. Zwar versuchten Reinhardt und Jessen, eine Änderung des § 23 Abs. 3 K W G - E 4 zu erreichen. So verlangte Reinhardt, den Betrag des ohne Kündigung abhebbaren Betrages von 300 R M auf 500 R M zu erhöhen, während Jessen vorschlug, diesen Betrag in Abhängigkeit von der Höhe der Spareinlage zu bestimmen. 6 5 4 Beide konnten sich jedoch nicht gegen Ernst und Schacht durchsetzen, die auf der Fassung des § 23 Abs. 3 K W G - E 4 beharrten. 6 5 5 Insbesondere Schacht argumentierte, wenn es möglich sei, Beträge bis zu 500 R M ohne vorherige Kündigung abzuheben, könne vielfach nicht verhindert werden, daß Spareinlagen als kurzfristige „Kassenmitter verwendet würden. Der ganze Gesetzentwurf beruhe jedoch „auf der strengen Unterscheidung zwischen Spargeldern und Kassegeldern". 6 5 6 Da somit in der Sitzung vom 4. Oktober 1934 keine Änderungen des § 23 K W G E 4 beschlossen wurden, führte die Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 nur zu einer geringfügigen Änderung des Entwurfs. § 23 Abs. 2 K W G - E 4 hatte vorgesehen, daß die Verzinsung von Spareinlagen bei Einzahlung in der ersten Monatshälfte „am Ende des Monats" begann. § 23 Abs. 2 K W G - E 5 ordnete nunmehr den Beginn der Verzinsung „ m i t dem 1. des nächsten Monats" an. § 23 K W G - E 5 stellte immer noch nicht die Endfassung des § 23 K W G dar. Vielmehr wurde eine letzte Ergänzung an § 23 Abs. 3 K W G - E 5 vorgenommen, indem die Bestimmungen über die Kündigungsfristen und die Gewährung von Vorschüssen ausführlicher gefaßt wurden. Der neu gefaßte § 23 Abs. 3 S. 3 K W G - E 5 widmete sich ausschließlich der Rückzahlung von Spareinlagen vor deren Fälligkeit, indem er bestimmte, daß „etwa vor Fälligkeit geleistete Zahlungen ( . . . ) als Vorschüsse zu behandeln und als solche zu verzinsen [sind]". Der neu hinzugefügte § 23 Abs. 3 S. 4 K W G - E 5 regelte die Frage der Kündigungsfristen. Demnach erließ „das Aufsichtsamt ( . . . ) nähere Bestimmungen über die Kündigungsfristen; bis zu ihrem Erlaß verbleibt es bei den bisherigen Kündigungsfristen". Damit war die endgültige Fassung des § 23 K W G gefunden. Wann diese letzten Änderungen vorgenommen wurden, ist nicht eindeutig zu bestimmen. Wahrscheinlich wurden sie während der letzten Chefbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium 654 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 142. 655 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 142f. 656 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 143. In der Kabinettssitzung zur Verabschiedung des KWG vom 5. Dezember 1934 wandte sich Reichsinnenminister Frick ebenfalls gegen diese Bestimmung, die im § 23 Abs. 3 KWG-E 5 enthalten war. Er verlangte, die 300 RMGrenze zu streichen, da zu befürchten sei, daß die Spargelder anderenfalls „in der Verwahrung des Sparers verblieben". Er konnte sich jedoch nicht gegen Schacht durchsetzen, der die Vorschrift als „das Rückgrat des ganzen Gesetzes" bezeichnete (Protokoll der Kabinettssitzung, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 174).
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vom 30. November 1934 beschlossen, auf der aufgrund der detaillierten Kritik des Staatssekretärs des Innenministeriums Grauert der Entwurf in einigen Punkten eine letzte Änderung erfuhr. 6 5 7
3. Resümee § 23 K W G war - mehr noch als § 22 K W G - geeignet, das Ziel des Gesetzgebers zu verwirklichen, eine scharfe Trennung der Spareinlagen von den kurzfristigen Giroeinlagen zu bewirken. Anders als § 22 K W G beschränkte er sich nicht darauf, der bisherigen Rechtslage gesetzliche Geltung zu verschaffen, sondern führte neue Regelungen ein. Dabei waren besonders § 23 Abs. 1 und Abs. 2 K W G von Bedeutung. Diese Bestimmungen verboten es, den Sparern auf ihre Einlagen den höheren, für Kündigungsgelder geltenden Zinssatz zu gewähren und ließen nur kurzfristig auf einem Sparbuch eingezahlte Beträge zinslos. In Verbindung mit § 22 Abs. 3 K W G , der die Sparkonten dem Scheck- und Überweisungsverkehr entzog, 6 5 8 wurde es damit reizlos, kurzfristige Gelder auf Sparkonten einzuzahlen. Damit war die Voraussetzung geschaffen, daß die Spareinlagen wieder ihren ursprünglichen langfristigen Charakter annahmen und die kurzfristigen Gelder dem Giro- und Kontokorrentverkehr zugeführt w u r d e n . 6 5 9 Aber auch § 23 Abs. 3 K W G hatte in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, obgleich er sich weitgehend darauf beschränkte, die für die Sparkassen geltenden Regelungen über die Rückzahlung der Spareinlagen zu übernehmen. Denn die Sparkassen nahmen es mit der Einhaltung der Kündigungsfristen nicht sehr genau, so daß die Sparer faktisch gesehen täglich über ihre Einlagen verfügen konnt e n . 6 6 0 M i t der gesetzlichen Ausgestaltung der bisherigen satzungsmäßigen oder vertraglichen Bestimmungen wurde jedoch die Einhaltung der Kündigungsfristen gewährleistet. Insgesamt gesehen brachte § 23 K W G somit den Gesetzgeber seinem Ziel deutlich näher, eine klare Trennung zwischen Spar- und Giroeinlagen zu erreichen. Vor diesem Hintergrund verwundert es, daß sich die Vertreter der Reichsministerien bei den Beratungen immer wieder gegen die einzelnen Bestimmungen des § 23 K W G wandten. 6 6 1 Zu bedenken ist jedoch, daß sich mit dem Erlaß der §§ 22, 23 K W G die Position des einzelnen Sparers verschlechterte. Er konnte nun nicht mehr den vergleichsweise hohen Zinssatz für Spareinlagen in Anspruch nehmen und gleichzeitig täglich über sein Guthaben - sei es in bar oder sei es i m Rahmen 657 Vgl. den Bericht des bayerischen Innenministers Wagner über die Chefbesprechung, BA Berlin-Lichterfelde, NS 6, Nr. 395, S. 13. Wagner teilte in diesem Bericht nicht alle beschlossenen Änderung des Entwurfs mit. 658 s. o., Teil 4, H., III., 2. 659 Vgl. Ernst, Sparkasse 1935, S. 217; Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 147. 660 Piorkowski, S. 21.
661 Vgl. o. Teil 4, Η., IV., l.,b). 22 Müller
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des bargeldlosen Zahlungsverkehrs - verfügen. Möglicherweise befürchteten die Vertreter der Reichsministerien daher einen Ansehensverlust der nationalsozialistischen Regierung und kritisierten deshalb die entsprechenden Bestimmungen. Letztlich ließen sie sich aber von Ernst und Müller von der Notwendigkeit der Bestimmungen des § 23 K W G überzeugen und ließen die von der Reichsbank formulierten Entwürfe daher grundsätzlich unangetastet.
V. Anlage der Spareinlagen, § 24 KWG M i t dem Erlaß der §§ 22, 23 K W G hatte der Gesetzgeber sein erstes wichtiges Ziel auf dem Weg zu einem stärkeren Kapitalmarkt erreicht. Die Bestimmungen gewährleisteten, daß die Spareinlagen wieder ganz überwiegend langfristigen Charakter annahmen und somit dem Kapitalmarkt zu Verfügung gestellt werden konnten. Indessen konnten die §§ 22, 23 K W G die Kreditinstitute nicht dazu zwingen, die Spareinlagen auch tatsächlich dem Kapitalmarkt zuzuführen. Diesem Ziel diente vielmehr § 24 K W G , der die Kreditinstitute verpflichtete, „die Spareinlagen ( . . . ) besonders anzulegen" und das Aufsichtsamt ermächtigte, insoweit die entsprechenden Anordnungen zu erlassen.
1. § 27 a) KWG-E 1 i. V. m. § 19 RSpkG-E Bereits der erste KWG-Entwurf sah eine Regelung zur Anlage der Spareinlagen vor. § 27 a) K W G - E 1 verpflichtete die „Banken, welche Spareinlagen annehmen und Sparbücher ausgeben" die ihnen zufließenden Spargelder nach den entsprechenden Bestimmungen des Reichssparkassengesetzes anzulegen. Dabei galt die „Maßgabe, daß an die Stelle der Gewährung von Realkrediten und Darlehen an öffentlich-rechtliche Körperschaften der Erwerb von bei der Reichsbank lombardfähigen Wertpapieren treten kann". Für die Kreditgenossenschaften konnte der Reichskommissar gemäß § 26 K W G - E 1 Sondervorschriften erlassen. Die entsprechenden Anlagevorschriften des Entwurfes für ein Reichssparkassengesetz (im folgenden: RSpkG-E) verlangten in § 19 RSpkG-E die Anlage der Spareinlagen in Realkrediten (höchstens 50%), Kommunalkrediten (höchstens 10%), reichsbanklombardfähigen Kommunalobligationen (höchstens 10%), sonstigen reichsbanklombardfähigen Wertpapieren (mindestens 20%) sowie die Haltung einer Liquiditätsreserve in Form von Kassenbeständen, Handelswechseln und Reichsbankund Reichspostguthaben (mindestens 2, 5%) bzw. von Nostro-Guthaben (höchstens 5%). § 27 a) K W G - E 1 i. V. m. § 19 RSpkG-E sah somit recht detaillierte Anlagevorschriften für die Spargelder vor. Sie mußten überwiegend entweder in Realkrediten oder in langfristige Wertpapieren angelegt und damit dem Kapitalmarkt zugeführt werden. U m den Verhältnissen bei den Privatbanken und Kreditgenossenschaften
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gerecht zu werden, die weder das Real- noch das Kommunalkreditgeschäft pflegten, stand bei ihnen die Anlage in lombardfähigen Wertpapieren i m Vordergrund. Die Anlage der Spargelder i m kurzfristigen Kreditgeschäft der Kreditinstitute war hingegen untersagt.
a) Die Beratungen im Reichswirtschaftsministerium
vom 14. März 1934
Das Problem der Anlage der Spareinlagen wurde bereits auf der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. März 1934 behandelt, obgleich zu diesem Zeitpunkt der Entwurf des Reichssparkassengesetzes noch nicht vorlag und die Teilnehmer somit nicht wissen konnten, welche Anlagevorschriften K W G - E 1 i m einzelnen vorsehen würde. Die grundsätzliche Tendenz des Entwurfes war jedoch bekannt, zumal Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) einleitend feststellte, daß für die Anlage der Spareinlagen bei allen Kreditinstituten ähnliche Grundsätze vorgesehen seien wie bei den Sparkassen. 662 Die Sitzung widmete sich daher den grundsätzlichen Fragen, ob eine besondere Anlage der Spareinlagen zu befürworten sei und ob insoweit die entsprechenden Vorschriften der Sparkassen allgemeingültig sein sollten. 6 6 3 Kohler stand speziellen Vorschriften für die Anlage von Spareinlagen kritisch gegenüber. Er bezweifelte, daß die Gesamtwirtschaft davon profitiere, wenn für die Spargelder der Banken bestimmte Anlageformen vorgeschrieben werden würden. Er vermutete, daß die Banken unter diesen Umständen kein Interesse mehr an den Spargeldern hätten, da „ein bankmäßiges Betreiben des Geschäfts ( . . . ) dann kaum möglich" sei. Denn die Banken würden in Anlagen gezwungen, die dem Charakter ihres Geschäftsbetriebes fern lägen. 6 6 4 Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) stimmte den Bedenken Kohlers z u . 6 6 5 Demgegenüber vertrat Reichskommissar Ernst die Auffassung, daß für Privatbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen grundsätzlich die gleichen Anlagevorschriften bezüglich der Spareinlagen gelten müßten. Was man der einen Gruppe von Kreditinstituten zumute, könne bei den anderen Gruppen nicht abgelehnt werden. 6 6 6 Zugleich war ihm allerdings bewußt, daß bei den verschiedenen Institutsgruppen die Ausgangssituation verschieden sei. So brauche beim Erlaß 662 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 270. 663 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 270. 664 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 271 f., 274. 665 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 272. 666 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 274.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
von Anlagevorschriften bei den Sparkassen nicht viel geändert zu werden, bei den Privatbanken und Kreditgenossenschaften sei dagegen eine Umschichtung ihrer Anlagen erforderlich. Wenn „man sich politisch stark genug fühle", sei daher zu erwägen, zu Gunsten der Banken Ausnahmen und Übergangsvorschriften zu erlassen667 Auch Reichsbankdirektor Müller befürwortete die Tendenz des Entwurfes. Wenn die in § 27 a) K W G - E 1 vorgesehenen Anlagevorschriften tatsächlich erlassen würden, profitiere davon die Offenmarkt-Politik der Reichsbank, 6 6 8 da dann dem Kapitalmarkt laufend Mittel zuflössen. 6 6 9 Gleichwohl blieb Kohler bei seiner skeptischen Haltung. Zwar wandte er sich nicht mehr grundsätzlich gegen besonderen Anlagevorschriften bezüglich der Spareinlagen für die Privatbanken, bezweifelte jedoch, ob insoweit für die Banken die gleichen Vorschriften wie für die Sparkassen gelten sollten. Besser sei es, für die Banken passendere Anlagen zu finden. 670 In die gleiche Richtung ging die Kritik von Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium). Die Erfüllung der in Rede stehenden Anlagevorschriften sei für die Kreditgenossenschaften schwierig, da ihnen die Anlagemöglichkeiten fehlten, die den Sparkassen zur Verfügung ständen. Somit seien für die Kreditgenossenschaften sehr flexible Vorschriften erforderlich, da das kurzfristige Personalkreditgeschäft der Träger des Genossenschaftsgeschäfts s e i . 6 7 1 Ernst kam den Bedenken Quassowskis (Reichsernährungsministerium) entgegen, indem er die Schwierigkeiten anerkannte, die die Erfüllung der Anlagevorschriften den Kreditgenossenschaften bereiten würde. Gleichwohl war er nicht bereit, gänzlich auf besonderen Bestimmungen für die Anlage der Spareinlagen zu verzichten. Vielmehr forderte er eine sehr weite und flexible Fassung des § 27 a) K W G - E 1. Die Anlagevorschriften sollten nicht mehr i m Gesetz selbst vorgegeben werden, vielmehr sollte insoweit nur eine Ermächtigung für das Aufsichtsamt vorgesehen s e i n . 6 7 2 Auch Müller erkannte an, daß es für die Kreditgenossenschaften Ausnahmevorschriften geben müsse. Darüber hinaus trat er den Bedenken Kohlers entgegen. Er argumentierte, daß in den Anlagevorschriften des § 27 a) K W G - E 1 in erster Linie 667 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 274 f. 668 s. o., Teil 2, Α., I., 2. 669 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.275. 670 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 275. 671 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.275. 6 2 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, AkteR25.01
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nicht an Hypotheken, sondern an lombardfähige Wertpapiere gedacht sei. Damit seien nach Auffassung der Reichsbank die Belange der Privatbanken gewahrt. Die Vorschriften würden für die Banken keine Belastung bedeuten. 6 7 3 Insgesamt gesehen traten somit Ernst und Müller dafür ein, Anlagevorschriften für die Spareinlagen zu erlassen, die das gesamte Kreditwesen gleichmäßig erfaßten. Insbesondere Ernst vertrat dabei die Auffassung, daß diese Bestimmungen nicht i m K W G selbst vorgesehen sein dürften, sondern vom Aufsichtsamt erlassen werden müßten, um die erforderliche Flexibilität der Bestimmungen zu gewährleisten. Die übrigen Besprechungsteilnehmer, vor allem Kohler und Quassowski (Reichsernährungsministerium), brachten dagegen dem Erlaß derartiger Vorschriften für die Privatbanken und Kreditgenossenschaften, die in diesem Bereich bisher keinerlei Beschränkungen unterworfen waren, großes Unbehagen entgegen. Dementsprechend mußte Müller am Ende der Debatte feststellen, daß hinsichtlich der Anlage der Spareinlagen, vor allem so weit es um die Anpassung an die entsprechenden Bestimmungen der Sparkassen ging, keine Einigung erzielt worden s e i . 6 7 4
b) Die Beratungen im Reichswirtschaftsministerium
vom 27. März 1934
Die Beratungen über die Anlage der Spareinlagen wurden am 27. März 1934 fortgesetzt. Dabei lag den Sitzungsteilnehmern die zwischenzeitlich von der Reichsbank vorgenommene Neuformulierung der Sparvorschriften vor. Die Anlage der Spargelder regelte nunmehr § 26 K W G - E 1-a. Er war komplett neu formuliert und setzte die Anregung Emsts um, indem er das Aufsichtsamt ermächtigte, „ A n ordnungen hinsichtlich der Anlage der Spareinlagen zu erlassen". Der Entwurf selbst enthielt somit keine detaillierten Vorschriften für die Anlage der Spareinlagen mehr. A u f die Frage Kohlers, was der Reichsbank mit dieser Bestimmung vorschwebe, führte Ernst aus, daß man sich schließlich auf eine flexible Formulierung geeinigt habe. Dadurch sei die Vorschrift „jetzt vollkommen biegsam und lasse ihm jede Möglichkeit". Zugleich sei es möglich, auf Grund dieser Bestimmung auch die Anlage der bei den Sparkassen vorhandenen Spargelder zu regeln. 6 7 5 Diese elastische Fassung des § 26 K W G - E 1-a war offenbar auch für die Kritiker tragbar, die sich in der Sitzung vom 14. März 1934 noch gegen besondere Anlagevorschriften für die Spareinlagen gewandt oder zumindest deren Anpassung an die Verhältnisse der verschiedenen Arten von Kreditinstituten gefordert hatten. Denn 673
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.275. 674 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 277. 75 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 3 .
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grundsätzliche Vorbehalte wurden gegen § 26 K W G - E 1-a nicht mehr geltend gemacht, vielmehr beschränkte sich die Debatte auf Verbesserungen i m Detail. So bemängelte Quassowski (Reichsjustizministerium), daß der Entwurf das Aufsichtsamt nur zum Erlaß von Anordnungen ermächtige, aber nicht verpflichte. Dies sei problematisch, da das geplante Konkursvorrecht für Spareinlagen 6 7 6 auf zwingenden Vorschriften beruhe. Daher müsse die Verpflichtung für die Kreditinstitute geschaffen werden, die Spareinlagen besonders anzulegen, während das Aufsichtsamt zu ermächtigen sei, i m einzelnen Anordnungen zu erlassen. 677 Dieser Vorschlag fand die Zustimmung Emsts. Dessen Anregung, der Ermächtigung des Aufsichtsamtes die Bestimmung hinzuzufügen, wonach es „bis zum Erlaß derartiger Anordnungen ( . . . ) bei den bisherigen Bestimmungen" verbleibe, fand jedoch keine Billigung. Darüber hinaus forderte Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) eine weitere Ergänzung, wonach die mit den Spargeldern erworbenen Anlagen zu deren Deckung bestimmt sein müßten. 6 7 8 Zudem kritisierte Quassowski (Reichsernährungsministerium), daß der Entwurf keine Sondervorschriften für die Kreditgenossenschaften vorsähe. Insoweit wurden jedoch keine Änderungen vorgenommen, da Emst darauf hinwies, daß für den Reichskommissar in § 29 K W G - E 1-a eine Ermächtigung zum Erlaß von Ausnahmebestimmungen vorgesehen s e i . 6 7 9 Schließlich trug Kohler die Neuformulierung des § 26 K W G - E 1-a vor, wie sie sich auf Grund der Beratungen ergeben hatte. Die Vorschrift erhielt demnach die folgende Fassung: „(1) Die Spareinlagen sind gesondert anzulegen. Die Einlagen sind zur Deckung der Spareinlagen bestimmt. (2) Das Bankenaufsichtsamt ist ermächtigt, Anordnungen über die Anlage der Spareinlagen zu erlassen."
2. Die weitere Entstehung des § 24 KWG § 27 K W G - E 2 setzte die in den vorangegangenen Sitzungen beschlossenen Änderungen um und hatte weitgehend die Fassung, die Kohler am Schluß der Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium vorgetragen hatte. 6 8 0 Eine weitere 676
Dieses Konkursvorrecht wurde nicht verwirklicht, s. u., Teil 4, Η., VIII. 6 77 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 341. 67« Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 341. 679 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 341. 680 Statt „Einlagen" wurde der treffendere Begriff „Anlagen" gewählt. § 27 Abs. 2 KWGE 2 lautete: „Das Bankenaufsichtsamt erläßt Anordnungen über die Anlage der Spareinlagen."
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Ergänzung erhielt der Entwurf aufgrund der Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. M a i 1934. § 23 Abs. 2 K W G - E 3 enthielt nunmehr den Zusatz, daß das Aufsichtsamt beim Erlaß der Anordnungen über die Anlage der Spareinlagen „Vorsorge für die Sicherheit und Liquidität in dem erforderlichen Umfange zu treffen" hatte. Damit sollte offenbar die Sicherheit des Sparverkehrs erhöht und die besondere Verantwortung des Aufsichtsamtes beim Erlaß der Anlagevorschriften unterstrichen werden. § 23 K W G - E 3 entsprach schon weitgehend der Endfassung und war i m weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr Gegenstand der Debatten. Gleichwohl führte die Referentenbesprechung am 8. Oktober 1934 zu einer letzten Änderung der Vorschrift, die sich mittlerweile in § 24 K W G - E 4 wiederfand. In dieser Sitzung wurde Abs. 1 S. 2 der Bestimmung, wonach die aus den Spareinlagen getätigten Anlagen zu deren Deckung bestimmt waren, mit der ausdrücklichen Zustimmung Schachts gestrichen. 6 8 1 Diese Streichung sollte jedoch nichts an der Rechtslage bezüglich der Anlage der Spareinlagen ändern, sondern hing mit dem in § 26 K W G - E 4 geregelten Konkursprivileg 6 8 2 zusammen. Danach waren die „zur Deckung der Spareinlagen bestimmten Vermögenswerte" i m Falle des Konkurses eines Kreditinstitutes zugunsten der Gläubiger der Spareinlagen privilegiert. M i t der Streichung des § 26 K W G - E 4 6 8 3 wurde § 24 Abs. 1 S. 2 K W G - E 4 hinfällig, so daß diese Bestimmung ebenfalls entfiel. M i t dieser letzten Änderung lag schließlich die Fassung des späteren § 24 K W G vor.
3. Resümee M i t der Verabschiedung des § 24 K W G hatte der Gesetzgeber das zweite wichtige Ziel erreicht, daß er mit den Vorschriften über den Sparverkehr verfolgte. Denn nunmehr konnte das Aufsichtsamt durch den Erlaß entsprechender Bestimmungen dafür Sorge tragen, daß die Spareinlagen tatsächlich dem Kapitalmarkt zugeführt wurden und damit langfristige Verwendung fanden. Dabei hatte die elastische Ausgestaltung des § 24 K W G den Vorteil, daß die Anlage der Spareinlagen an die jeweilige Lage des Kapitalmarktes oder der Gesamt Wirtschaft angepaßt werden k o n n t e . 6 8 4 Zugleich jedoch erlaubte es eben diese weite Formulierung dem Staat, sich den Kapitalmarkt für eigene Mittel nutzbar zu machen. So war es ihm möglich, die Anlage der Spareinlagen in Staatspapiere vorzuschreiben und sich damit erweiterte Anlagemöglichkeiten zu verschaffen. 685 Zwar war die weite Fassung des § 24 K W G i m Rahmen der Gesetzesberatungen stets mit der unpoli681 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 227. 682 s. u., Teil 4, Η., VIII. 683 s. u., Teil 4, Η., VIII., 2. 684 Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1934, S. 1200. 685 Wirtschaftsdienst 1934, S. 1674.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
tischen Tatsache begründet worden war, daß die verschiedenen Verhältnisse bei den einzelnen Institutsgruppen ein flexible Handhabung der Anlagevorschriften erforderten. Gleichwohl ermöglichte es § 24 K W G , beherrschenden Einfluß auf den Kapitalmarkt zu nehmen und das aufkommende Sparkapital sich zu unmittelbar eigenen Zwecken nutzbar zu machen. In § 24 K W G spiegelte sich damit auch die nationalsozialistische Ideologie wider, wonach „die Verteilung des anfallenden Leihkapitals ( . . . ) in Zukunft nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen bleiben [kann], sondern ( . . . ) nach den jeweils vom Führer festgelegten nationalpolitisch notwendigen Richtlinien erfolgen" sollte. 6 8 6 § 24 K W G stellte somit ein wichtiges Instrument dar, mit dessen Hilfe der Staat den Kapitalmarkt stärken und in seinem Sinne beeinflussen konnte. U m so mehr verwundert es, daß der Staat von diesem Instrument keinen Gebrauch machte. § 24 K W G wurde nie durch den Erlaß der entsprechenden Anlagevorschriften durch das Aufsichtsamt ausgefüllt. Für diese fehlende Umsetzung lassen sich in erster Linie zwei Gründe vermuten. Zum einen unterlagen die Sparkassen bei der Anlage ihrer fremden Mittel bereits detaillierten Bestimmungen, die sich in erster Linie aus ihren Satzungen ergaben. Dabei stand der Grundsatz der sicheren, langfristigen Anlage stets i m Vorderg r u n d . 6 8 7 Zwar waren diese Anlagevorschriften nicht speziell auf die Spareinlagen zugeschnittenen, sondern erfaßten alle fremden Gelder der Sparkassen. Jedoch bestanden Ende 1933 die Einlagen der Sparkassen in Höhe von rd. 12, 5 Mrd. R M zu 86% aus Spareinlagen. Dieser gesamte Einlagenbestand war wiederum zu 71% langfristig in Hypotheken, Wertpapieren und Kommunaldarlehen angelegt. 6 8 8 Somit standen den Spareinlagen bei den Sparkassen in Höhe von rd. 10, 8 Mrd. R M langfristige Anlagen in Höhe von rd. 8, 9 Mrd. R M gegenüber, so daß der Zweck des § 24 K W G , die Spareinlagen dem langfristigen Kapitalmarkt zuzuführen, bei den Sparkassen bereits weitgehend verwirklicht war. Darüber hinaus vereinigten die Sparkassen den weitaus größten Teil des gesamten deutschen Spareinlagenbestandes auf sich. Ende 1932 verwalteten sie 76% aller Spareinlagen, während auf die Kreditgenossenschaften 20, 7% und auf die Privatbanken ganze 0,75% entf i e l e n . 6 8 9 Angesichts der Tatsache, daß für die Kreditgenossenschaften ohnehin Ausnahmebestimmungen bei der Anlage der Spareinlagen vorgesehen w a r e n , 6 9 0 war der Erlaß von Anordnungen i m Sinne des § 24 K W G somit kaum erforderlich, um eine Stärkung des Kapitalmarktes zu erreichen. Zum anderen hatte sich nach dem Erlaß des K W G offenbar kein Anlaß für den Staat ergeben, sich den Kapitalmarkt mit Hilfe des § 24 K W G in seinem Sinne 686
Baurmeister, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 338. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 529. 688 Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 62. 689 Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 62. Die übrigen 2,55% entfielen auf die öffentlichen Banken. 690 Vgl. o., Teil 4, Η., V., 1. 687
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nutzbar zu machen. Denn sowohl die Arbeitsbeschaffung als auch die Aufrüstung, die die kapitalintensivsten Projekte der Reichsregierung darstellten, waren mit Hilfe von Wechseln kurzfristig finanziert, so daß es insoweit der staatlichen Inanspruchnahme des Kapitalmarktes nicht bedurfte. 6 9 1 Insgesamt gesehen konnte somit mit Hilfe des § 24 K W G gewährleistet werden, daß die langfristigen Ersparnisse der Bevölkerung auch dem langfristigen Kapitalmarkt zu Verfügung gestellt wurden. Überdies bildete er die Voraussetzung für eine weitgehende Kontrolle des Kapitalmarktes durch den Staat. Aufgrund seiner fehlenden Umsetzung hat § 24 K W G jedoch nie praktische Bedeutung erlangt. Darin dürfte auch der Grund liegen, warum bei der Neufassung des K W G im Jahr 1 9 6 1 6 9 2 eine dem § 24 K W G entsprechende Bestimmung nicht mehr in das Gesetz aufgenommen w u r d e . 6 9 3
VI. Getrennte Buchführung und Bilanzierung der Spareinlagen, § 25 KWG § 25 K W G verpflichtete die „Kreditinstitute, welche Spareinlagen annehmen, ( . . . ) das Spargeschäft (Spareinlagen und die zu ihrer Deckung bestimmten Anlagen) in der Buchführung von dem übrigen Geschäft getrennt zu führen sowie in den Monatsausweisen, in den Jahresbilanzen und in den Gewinn- und Verlustrechnungen gesondert auszuweisen". Überdies mußten „ i n den Jahresabschlüssen ( . . . ) sämtliche Kosten des Spargeschäfts ersichtlich gemacht werden". Eine ähnliche Vorschrift bestand für die Sparkassen bereits aufgrund der Notverordnung vom 6. Oktober 1931. 6 9 4 Danach waren die Sparkassen „verpflichtet, in ihren Bilanzen die Spareinlagen getrennt von den sonstigen Einlagen auszuweisen". 6 9 5 M i t dieser Bestimmung sollte die bisherige Praxis der Sparkassen, Spareinlagen i m kurzfristigen Geschäft zu verwenden, 6 9 6 unterbunden und eine schärfere Trennung von Spar- und Giroeinlagen erreicht werden. 6 9 7 § 25 K W G griff diese Regelung für alle Kreditinstitute auf und verfeinerte sie. Damit diente auch § 25 K W G dazu, den langfristigen Charakter der Spareinlagen wieder herzustellen und ergänzte in dieser Funktion die §§ 22, 23 K W G . M i t der Verpflichtung, die Kosten des Spargeschäfts gesondert auszuweisen, sollte darüber hinaus die Voraussetzung für eine Senkung des Zinsniveaus am Kapitalmarkt geschaffen werden. 691 Zur Arbeitsbeschaffung vgl. Waller, Der deutsche Volkswirt 1934, S. 146. Wichtigstes Finanzierungsinstrument der Aufrüstung waren in den ersten Jahren des Nationalsozialismus die sogenannten Mefo-Wechsel, s. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 380, 580. 692 BGBl. I,S. 881. 693 Vgl. Consbruch/Möller, S. 163. 694 s.o., Teil 1, C., IV., 2. 695 Fünfter Teil, Art. 1, § 5 Abs. 1 der Verordnung vom 6. Oktober 1931. 696 Vgl. o., Teil 4, Η., I. 697 Vgl. Piorkowski, S. 102.
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1. § 27 b) KWG-E 1 Eine dem § 25 K W G entsprechende Bestimmung fand sich bereits i m ersten KWG-Entwurf. § 27 b) K W G - E 1 verlangte von den „Banken, welche Spareinlagen annehmen und Sparbücher ausgeben ( . . . ) das Spargeschäft in Buchhaltung, Bilanzierung und Gewinn- und Verlustrechnung sowie in den jeweiligen Monatsausweisen vollständig getrennt zu führen". Während der Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. März 1934 kritisierte Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium), daß ihm die vorgesehene Sonderbilanzierung der Spareinlagen nicht möglich erscheine. 6 9 8 Er befürchtete offenbar, daß die Vorschrift die Kreditinstitute zu Erstellung von zwei Bilanzen verpflichtete, nämlich einer Sonderbilanz nur für das Spargeschäft und einer weiteren Bilanz für das übrige Geschäft. Daraufhin verteidigte Reichskommissar Ernst den Entwurf und erläuterte den Sinn des § 27 b) K W G - E 1, der ihm „ganz besonders wertvoll" erschien. Er führte aus, daß die Zinsspanne der Sparkassen i m Spargeschäft 2% betrüge, während sie bei den Privatbanken nur zwischen 0,5 und 0,75% läge. Andererseits belaufe sich die Zinsspanne i m Personalkreditgeschäft bei den Sparkassen auf unter 2% und bei den Privatbanken auf 2,5 bis 2,75%. Demnach würden die Sparkassen, da auch sie i m Personalkreditgeschäft an sich mit einer Zinsspanne von 2% nicht auskommen könnten, mit den Überschüssen aus ihrem Spargeschäft das kurzfristige Kreditgeschäft subventionieren. 6 9 9 Dieser Zustand müsse beendet werden, und daher müßten die Spareinlagen getrennt bilanziert werden. Gleichwohl müsse natürlich die Bilanz des jeweiligen Kreditinstitutes als Gesamtbilanz erscheinen. 7 0 0 Reichsbankdirektor Müller unterstützte die Ausführungen Emsts. Die Untersuchungen der Reichsbank hätten dessen vorgetragene Zahlen bestätigt. Die Sparkassen sollten gezwungen werden, ihr Spargeschäft getrennt zu behandeln, damit deutlich werde, welche Gewinne sie aus diesem Geschäftszweig zögen und inwieweit ihr kurzfristiges Geschäft sich negativ auf ihre Rentabilität auswirke. Nur auf diesem Wege „könne man den Klagen der Banken über die Konkurrenz der Sparkassen 7 0 1 begegnen". 7 0 2 Daraufhin erklärte sich Quassowski (Reichsjustizministerium) mit der grundsätzlichen Regelung § 27 b) K W G - E 1 einverstanden, sofern aus der Formulierung 698 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 272. 699 Ganz ähnlich hatte bereits Rummel (Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft) während der Bankenenquete argumentiert. Prot, der Nachmittagssitzung vom 18. Dezember 1933; BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 444. 700 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 272. 701 Vgl. o., Teil 3, C., II., 1. 2 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, AkteR25.01
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des Gesetzes deutlich werde, daß die Kreditinstitute auch weiterhin nur eine alle Geschäftsfelder umfassende Gesamtbilanz erstellen müßten. 7 0 3 Dem Einwand Ministerialrat Quassowskis (Reichsernährungsministerium), daß die Durchführung der getrennten Bilanzierung für die Kreditgenossenschaften schwierig und daher Ausnahmebestimmungen erforderlich seien, begegnete Ernst schließlich mit dem Hinweis auf die in § 26 K W G - E l 7 0 4 vorgesehene Ausnahmeregelung. 7 0 5 Damit war die Beratung des § 27 b) K W G - E 1 abgeschlossen, eine weitere Erörterung der neu gefaßten Bestimmung in der Sitzung am 27. März 1934 fand nicht statt.
2. Die weitere Entstehung des § 25 KWG Die Neufassung der Bestimmung in § 28 K W G - E 2 unterschied sich nicht grundsätzlich von § 27 b) K W G - E 1, trug jedoch den Forderungen Quassowskis (Reichsjustizministerium) nach einer deutlicheren Formulierung Rechnung. Nunmehr wurden die Kreditinstitute „verpflichtet, das Spargeschäft in der Buchhaltung und in der Kostenrechnung von dem übrigen Geschäft getrennt zu führen sowie in den Monatsausweisen, in der Jahresbilanz und den Gewinn- und Verlustrechnungen gesondert auszuweisen". M i t dieser Fassung war deutlich gemacht, daß die Kreditinstitute nach wie vor nur zur Erstellung einer ihr gesamtes Geschäft umfassenden Bilanz verpflichtet waren, in der jedoch das Spargeschäft eine Sonderstellung einnehmen mußte. Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. Mai führten schließlich zu einer redaktionellen Neufassung der Bestimmung. So wurde das Spargeschäft in § 24 K W G - E 3 als „Spareinlagen und die zu ihrer Deckung bestimmten Anlagen" definiert. Damit wurde deutlich, welche Anlagen auf der A k tivseite der Sonderbilanzierung des Spargeschäfts unterlagen. Darüber hinaus wurde die Verpflichtung, die Kosten des Spargeschäftes auszuweisen, in einem eigenen Halbsatz geregelt und damit besonders betont. Bereits mit § 24 K W G - E 3 war die Fassung des späteren § 25 K W G gefunden, so daß die Vorschrift bis zur Verabschiedung des K W G nicht mehr beraten oder geändert wurde.
3. Resümee Ursache für die Verabschiedung des § 25 K W G war ein ganzes Motivbündel des Gesetzgebers, wenngleich dies in den Gesetzesberatungen kaum deutlich wurde. 703 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943,S. 273. 7 04 s. u., Teil 4, Η., IX., 1. 705 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 273 f.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Dabei lassen sich diese Motive den zwei grundsätzlich verschiedenen Regelungen des § 25 K W G zuordnen: einerseits der Verpflichtung zur bilanz- und buchmäßigen Trennung des Spargeschäfts und andererseits der Verpflichtung zum Ausweis sämtlicher Kosten des Spargeschäfts. Zunächst einmal stellte die getrennte Behandlung der Spareinlagen in Buchführung und Bilanzierung ein weiteres Mittel dar, um eine Trennung der langfristigen Spareinlagen von den kurzfristigen Giroeinlagen erreichen, so daß § 25 K W G in dieser Funktion die §§ 22, 23 K W G ergänzte. 7 0 6 Daneben sollte die Zuordnung der Spareinlagen zu den „zu ihrer Deckung bestimmten Anlagen" in Buchhaltung und Bilanzierung die Sicherheit der Spareinlagen erhöhen. 7 0 7 Ähnlich wie bei den Pfandbriefen der Hypothekenbanken, die durch Hypotheken gedeckt waren, 7 0 8 war § 25 K W G geeignet, durch „die getrennte Erfassung der den Spareinlagen gegenüberstehenden erstklassigen Anlagewerten dem Spareinleger die hohe Sicherheit seiner Kapitalanlage zur Gewißheit [zu] machen." 7 0 9 Nicht zuletzt sollte die getrennte Bilanzierung der Spareinlagen „zur Beurteilung struktureller Verschiebungen i m Kreditsystem, die rechtzeitig erkannt werden müssen, wertvolles Material l i e f e r n " . 7 1 0 § 25 K W G ermöglichte der Bankenaufsicht damit einen fortwährenden Einblick in die Verhältnisse am Kapitalmarkt und erleichterte ihr die Wahrnehmung ihrer Aufgaben. M i t der Verpflichtung zum gesonderten Ausweis der i m Spargeschäft anfallenden Kosten gemäß § 25 2. HS K W G verfolgte der Gesetzgeber dagegen zinspolitische Zwecke. Diese Verpflichtung sollte die Subventionierung defizitärer Geschäftsbereiche aus den Erträgen des Spargeschäftes verhindern, der vor allem den Sparkassen vorgeworfen wurde. 7 1 1 Zugleich konnte damit festgestellt werden, welche Zinsspanne für eine kostendeckende Führung des eigentlichen Spargeschäfts erforderlich war. Ausgehend von dieser Erkenntnis war eine Verringerung der Zinsspanne und damit eine Senkung der Kreditzinsen am Kapitalmarkt angestrebt. § 25 2. HS K W G diente somit den Bestrebungen der Reichsregierung, das allgemeine Zinsniveau am Kapitalmarkt zu ermäßigen. 7 1 2 Schließlich war § 25 2. HS K W G zumindest indirekt dazu geeignet, den Konflikt zwischen den Privatbanken und den Sparkassen um deren „bankmäßige Betät i g u n g " 7 1 3 zu entschärfen. Denn das kurzfristige Kreditgeschäft der Sparkassen, um das sich dieser Streit im Kern drehte, wurde bei einem Gesamtvolumen von 706 Vgl. Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 147; Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 27. 707 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 108. 708 s.o., Teil 1, A.,I.,3. 709 Fischer, KWG-Kommentar, S. 135. 710 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 108. 711 s. o., Teil 4, H., VI. 712 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 108: 713 s. o., Teil 3, C , I.
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1,8 Mrd. R M zu 700 Mio. R M aus den Spareinlagen bestritten. 7 1 4 Dieser als Wettbewerbsverzerrung empfundenen Praxis wurde durch § 25 K W G ein Riegel vorgeschoben. Damit wurde den Forderungen der Privatbanken zumindest teilweise Rechnung getragen, den Sparkassen zugleich aber ihr kurzfristiges Kreditgeschäft belassen.
V I I . Auflösung der Werksparkassen, § 27 K W G Das Spargeschäft wurde in erster Linie von den Sparkassen, daneben aber auch von den Kreditgenossenschaften und - i m geringen Umfang - von den privaten und öffentlichen Banken betrieben. Darüber hinaus bestand eine weitere Gruppe von Unternehmen, die sich der Pflege des Sparverkehrs widmeten: die sogenannten Werksparkassen. Dabei handelte es sich um Einrichtungen einzelner Betriebe, die von den Betriebsangehörigen Spareinlagen annahmen und verwalteten. Die Gläubiger der Werksparkassen waren somit die Betriebsangehörigen selbst, denen als einziger Schuldner ihr Betrieb gegenüberstand. Diese Einrichtungen waren ursprünglich aus dem Gedanken der Betriebsverbundenheit und der sozialen Hilfeleistung entstanden. 715 Gemessen am Gesamtvolumen aller Spareinlagen waren sie von verschwindend geringer Bedeutung. So belief sich der deutsche Spareinlagenbestand Ende 1930 auf ca. 14.800 Mio. R M , 7 1 6 wovon lediglich 200 Mio. R M auf die Werksparkassen entfielen. 7 1 7 Die Werksparkassen offenbarten sehr bald Schwächen und Risiken, mit denen sie ihre Einleger, die Arbeitnehmer, belasteten. Denn die Spareinlagen, die diese Unternehmen verwalteten, wurden häufig nicht am Kapitalmarkt oder in anderer Weise angelegt, sondern arbeiteten i m Betrieb m i t . 7 1 8 Geriet ein Betrieb in wirtschaftliche Schwierigkeiten, bestand somit die Gefahr, daß die Arbeitnehmer neben ihrem Arbeitsplatz auch ihre Ersparnisse verloren. Überdies war bei vielen Werksparkassen die Höhe der Einlagen auf ein Maß angeschwollen, die eine Zurückzahlung der Gelder unmöglich machte, ohne dabei den Betrieb selbst zu gefährden. Die Werksparkassen waren damit ebenso unsichere wie seitens der Bankenaufsicht unerwünschte Einrichtungen. 7 1 9 Vor diesem Hintergrund hatte Reichskommissar Ernst bereits kurz nach der Errichtung der Bankenaufsicht i m Jahr 1931 ein Gesetz angeregt, mit dem Neugrün714 s. o., Teil 3, C., III., 1. 715 Fischer, KWG-Kommentar, S. 136. 716 Davon entfielen allein 10.800 Mio. RM auf die Sparkassen, s. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 529. 717 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 529. 718 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 277 f. 719 Paersch, S. 54.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
düngen von Werksparkassen verboten und die bestehenden Werksparkassen durch Umgestaltungen sicherer gemacht werden sollten. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde ausgearbeitet, kam jedoch vor der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten nicht mehr zur Verabschiedung. 720 Es lag somit am Gesetzgeber des K W G , sich erneut dem Problem der Werksparkassen anzunehmen.
1. § 29 KWG-E 1 Der erste KWG-Entwurf widmete sich in § 29 den Werksparkassen. Sah der von Ernst angeregte Gesetzentwurf noch einen Fortbestand der bestehenden Werksparkassen in abgewandelter Form vor, so enthielt § 29 K W G - E 1 eine radikalere Lösung. Danach waren „Werksparkassen ( . . . ) bis zum 31. Dezember 1935 zu liquidieren oder auf öffentlich-rechtliche Sparkassen oder Spar- und Girokassen zu überführen". Die gleiche Regelung galt darüber hinaus für die sogenannten Beamtensparkassen. In der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. März 1934 wurde die vorgesehene Auflösung der Werksparkassen allgemein begrüßt. Ernst sprach sich für ein scharfes Vorgehen gegen diese Institute aus, allerdings erschien ihm die Liquidationsfrist bis zum 31. Dezember 1935 zu kurz. Er forderte eine Verlängerung dieser Frist bis 1940. Denn bei der Abwicklung der Werksparkassen sei Vorsicht geboten, um die mit deren Geldern arbeitenden Betriebe nicht selbst in Schwierigkeiten zu bringen. 7 2 1 Kritik wurde dagegen an der ebenfalls i m § 29 K W G - E 1 vorgesehenen Auflösung der Beamtensparkassen geübt. Dabei handelte es sich um Einrichtungen in der Rechtsform der Genossenschaft oder des eingetragenen Vereins, die die Spargelder bestimmter Beamtengruppen - etwa Beamte der Reichsbahn oder der Reichspost - verwalteten. 7 2 2 Negative Erfahrung wie bei den Werksparkassen waren bei den Beamtensparkassen nicht zu beklagen, so daß Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) sich gegen ihre Auflösung aussprach. 723 Ernst pflichtete ihm bei. Bei der Reichspost und der Reichsbahn gäbe es noch viele Beamtensparkassen, gegen deren Auflösung er Bedenken habe. Diese Institute seien vollkommen gemeinnützig und reine Wohlfahrtseinrichtungen und er habe „kein Interesse daran, diese Banken zu t ö t e n " . 7 2 4 Schließlich erklärte Reichsbankdirektor 720 Paersch, S. 54. 721 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, 6943, S. 278 f. 722 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, 6943, S. 277 f. 723 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, 6943, S. 278. 2 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde,
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Müller, daß die Beamtensparkassen nur auf Wunsch der Privatbankiers in § 29 K W G - E 1 aufgenommen worden seien, er persönlich habe gegen ihre Streichung aus dem Entwurf keine Bedenken. 7 2 5 Dementsprechend kamen die Besprechungsteilnehmer überein, eine Auflösung der Beamtensparkassen zukünftig nicht mehr vorzusehen.
2. Die weitere Entstehung des § 27 KWG In der überarbeiteten Fassung der Sparvorschriften, die bei der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium am 27. März 1934 vorlag, war in § 30 K W G - E 1-a den Ergebnissen der Beratung vom 14. März 1934 Rechnung getragen worden. Von einer Auflösung der Beamtensparkassen war keine Rede mehr. Überdies war die Frist zur Liquidation der Werksparkassen bis zum 31. Dezember 1940 verlängert worden. I m weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde § 30 K W G - E 1 -a noch mehrfach überarbeitet und verfeinert, ohne dabei jedoch seine grundsätzliche Aussage zu berühren. So wurde auf Anregung von Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) der Begriff „liquidieren" durch „aufzulösen" ersetzt. 7 2 6 Die Bestimmung, daß die Werksparkassen „auf öffentlich-rechtliche Sparkassen oder Spar- und Girokassen zu überführen" seien, wurde für unnötig gehalten und daher gestrichen. 7 2 7 Überdies enthielt die Endfassung der Vorschrift in § 27 Abs. 1 S. 1 K W G auf Anregung Kohlers eine Definition des Begriffs der Werksparkasse, um diese deutlich von den öffentlichen Sparkassen abzugrenzen. 728 Danach waren Werksparkassen „besondere von dem Unternehmer eines wirtschaftlichen Betriebs getroffene Spareinrichtungen, von denen auf Grund einer allgemeinen Regelung (Geschäftsplan) Spareinlagen der Arbeitnehmer des Betriebes aufgenommen werden und aus denen der Betriebsunternehmer als solcher verpflichtet ist". Angesichts der Tatsache, daß der Begriff der Werksparkasse nicht fest umrissen war, erleichterte diese Bestimmung die Anwendung des § 27 K W G . Schließlich enthielt § 27 K W G zwei Bestimmungen, die die Vorschrift abrundeten. Gemäß § 27 Abs. 1 S. 2 K W G war die Auflösung der Werksparkassen dem Reichskommissar anzuzeigen. In Anlehnung an § 1 Abs. 4 K W G 7 2 9 entschied der Reichskommissar daneben gemäß § 27 Abs. 2 K W G „ i n Zweifelsfällen, ob eine Spareinrichtung als 725 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 280. 726 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 344. 727 Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941,S. 120. 728 Vgl. p r o t . der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 344. 72 9 s. o., Teil 4, Α., I.
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Werksparkasse zu gelten hat". Diese Entscheidung war für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend. Zusammenfassend betrachtet, hatte der Zusammenbruch von Betrieben, die Werksparkassen unterhielten, in der Vergangenheit wiederholt zu Verlusten der Einleger dieser Einrichtungen geführt. 7 3 0 Gleichzeitig war der Einfluß der Werksparkassen auf das Kreditwesen so gering, daß bei ihrer Auflösung keine nennenswerten Beeinträchtigungen der Kreditwirtschaft zu befürchten waren. M i t der Verabschiedung des § 27 K W G entschloß sich der Gesetzgeber somit, die Werksparkassen aufzulösen und damit die Interessen der Einleger dieser Einrichtungen zu wahren. Denn die Gelder der Werksparer gingen keineswegs verloren, vielmehr wurden die Einlagen der Werksparkassen auf sicherere Institute, in erster Linie die Sparkassen, überführt. 7 3 1 Dabei gewährleistete die recht lange Auflösungsfrist von sechs Jahren, daß die Auflösung dieser Institute in Ruhe und ohne Gefährdung der jeweiligen Betriebe erfolgen k o n n t e . 7 3 2
V I I I . Das ursprünglich vorgesehene Konkursvorrecht Die §§ 22 ff. K W G zwangen sämtliche Kreditinstitute unter einheitliche Bestimmungen für den Sparverkehr. Die Allgemeingültigkeit dieser Vorschriften war die Konsequenz aus der Entscheidung des Untersuchungsausschusses in der Auseinandersetzung zwischen Sparkassen und Privatbanken. Anstatt die Sparkassen ganz überwiegend auf ihr Spargeschäft zu beschränken und dieses i m Gegenzug den Privatbanken zu verbieten, hatte der Ausschuß entschlossen, sowohl den Sparkassen ihre „bankmäßige Betätigung" als auch den Privatbanken das Spargeschäft zu belassen. 7 3 3 Somit waren grundsätzlich allen Gruppen von Kreditinstituten sämtliche Arten von Bank- oder Sparkassengeschäften erlaubt. Vor diesem Hintergrund war insbesondere die Reichsbank bestrebt, für gleiche Wettbewerbsbedingungen i m Sparverkehr zu sorgen. Indessen war nicht von der Hand zu weisen, daß die Sparkassen angesichts der staatlichen Garantie ihrer Gewährträger für die Kundenein730 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 109. 731 Die Wirtschaftsgruppe Sparkassen - Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV) - und die Bank für Deutsche Industrie-Obligationen schlossen am 27. März 1939 ein „Abkommen ( . . . ) über die Ueberführung der Werksparkassen auf öffentliche Sparkassen" (abgedr. bei Hofmann, S. 129 ff.). Das Abkommen bestimmte, daß die den Werksparern „zustehenden Einlagen auf Sparbüchern der öffentlichen Sparkasse gutgeschrieben werden" und regelte die weiteren Details der Überführung. Darüber hinaus konnten die Werksparkassen in Einzelfällen auch auf andere Arten von Kreditinstituten überführt werden (s. Hofmann, S. 129). Zuvor hatte eine Durchführungsverordnung zum KWG vom 31. Mai 1937 (RGBl. I, S. 608) bestimmt, daß die Einlagen der Werksparkassen schrittweise zu reduzieren waren. 732 Soweit ersichtlich, war die Auflösung der Werksparkassen innerhalb der vom KWG bestimmten Frist abgeschlossen. Die Frist des § 27 KWG wurde jedenfalls nicht mehr verlängert. 733 s. o., Teil 3, C., III., 3.
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l a g e n 7 3 4 einen größeren Reiz auf die sparwillige Bevölkerung ausübten. Damit hatten die Sparkassen gerade i m Sparverkehr, bei dem vor allem auf größtmögliche Sicherheit Wert gelegt wurde, einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Privatbanken und Kreditgenossenschaften. U m diesen Wettbewerbsvorteil der Sparkassen auszugleichen, schwebte der Reichsbank vor, die Attraktivität der Privatbanken für den Sparverkehr zu erhöhen. U m dies zu erreichen, sah der erste KWG-Entwurf in § 28 K W G - E 1 ein Konkursprivileg für die Spareinleger vor. Danach gingen i m Falle des Konkurses einer Bank, die das Spargeschäft betrieb, „hinsichtlich der Befriedigung aus den zur Deckung der Spareinlagen bestimmten Vermögenswerten die Forderungen der Spareinleger den Forderungen aller anderen Konkursgläubiger und der Massegläubiger voraus". A u f diesem Weg war gewährleistet, daß die den Spareinlagen gegenüber stehenden Anlagen i m Konkursfall ausschließlich den Sparern zur Befriedigung zur Verfügung standen.
1. Die Beratung des Konkursprivilegs im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens Das in § 28 K W G - E 1 vorgesehene Konkursprivileg wurde erstmals am 14. März 1934 i m Reichswirtschaftsministerium beraten. Hier befürwortete Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) die Bestimmung. Er war der Auffassung, daß die Sparer bei den Banken ähnliche Sicherheiten wie bei den Sparkassen genießen müßten. Anderenfalls flössen alle Spargelder zu den Sparkassen. 735 Ähnlich argumentierte Reichsbankdirektor Müller, der den Zweck des § 28 K W G - E 1 erläuterte. Da eine Trennung der Geschäftsbereiche zwischen Banken und Sparkassen nicht möglich sei, „müsse man den Banken für ihre Spareinlagen einen Schutz geben, der etwa der öffentlichen Garantie für die Sparkassen entspreche". 7 3 6 Auch Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium) und der Referent beim Reichskommissar Paersch billigten die grundsätzliche Tendenz der Bestimmung. Andere Besprechungsteilnehmer hegten dagegen Bedenken gegenüber dem Konkursprivileg, wenngleich sich niemand ausdrücklich dagegen aussprach. So war Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) der Meinung, daß mit dieser Vorschrift die Privilegierung der Sparer zu weit ginge. Es habe den Anschein, als solle der Sparverkehr nunmehr zu den Banken geleitet werden. 7 3 7 Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) war ebenfalls kritisch. Es sei zu bedenken, 734 s.o., Teil 1, Α., III., l.,a). 7 35 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 270. 736 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 271. 737 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 270. 23 Müller
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daß die Privilegierung eines Gläubigers immer auf Kosten eines anderen Gläubigers gehe. I m Justizministerium bestehe jedenfalls die Tendenz, keine neuen Konkursvorrechte zu schaffen. 7 3 8 U m hier einen Ausweg zu finden, schlug Ministerialrat Prause (Reichsfinanzministerium) schließlich vor, eine Höchstgrenze für die Privilegierung vorzusehen, um i m Falle eines Konkurses die anderen Gläubiger nicht zu sehr zu benachteiligen. 7 3 9 Gleichwohl wurden Änderungen des § 28 K W G E 1 nicht beschlossen. Die Anregung Prauses wurde erst in der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 27. März 1934 wieder aufgegriffen. Hier sprach sich Kohler dafür aus, Spareinlagen i m Konkursfalle nur bis zur Höhe von 5.000 R M pro Gläubiger zu privilegieren. Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, so daß eine entsprechende Änderung des Entwurfs beschlossen w u r d e . 7 4 0 Dementsprechend sah § 29 K W G - E 2 kein unbeschränktes Konkursprivileg mehr vor. Vielmehr gingen i m Konkursfall zwar „die Forderungen der Spareinleger den Forderungen aller anderen Konkursgläubiger voraus, jedoch nur soweit, als bei der Konkurseröffnung die Einlage auf ein Sparbuch oder die Forderung eines einzelnen Spareinlegers den Betrag von R M 5.000 nicht übersteigt". Diese Regelung wurde i m weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr grundsätzlich geändert und lag den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses auf ihrer Sitzung vom 4. Oktober 1934 als § 26 K W G - E 4 vor. I m Gegensatz zu den Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium hielt Reinhardt hier gerade die Begrenzung des Konkursprivilegs auf 5.000 R M für bedenklich. Ernst verteidigte die Begrenzung und wies darauf hin, daß § 26 K W G - E 4 gerade den kleinen Sparer schützen wolle. Überdies müsse eine derartige Begrenzung vorgenommen werden, „ u m dem Konkursprivileg überhaupt praktische Bedeutung zu geben". 7 4 1 Reinhardt blieb trotzdem skeptisch. Er befürchtete von der 5.000 R M Grenze ungünstige psychologische Wirkungen auf die Sparer. Auch Jessen kritisierte die Bestimmung. Er rechnete bei der Beibehaltung der Begrenzung, daß sich unmittelbar nach dem Erlaß des Gesetzes „Verschiebungen bei den einzelnen Kreditinstituten einstellen und Störungen des Geld- und Kapitalmarktes ergeben würden".742 Beiden Einwänden trat Schacht entgegen. Er argumentierte, daß Sparer, die über mehr als 5.000 R M verfügten, i m allgemeinen mit dem Kauf von Wertpapieren 738 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 270. 739 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 271. 740 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943,S. 343. 741 Prot, Lichterfelde, 742 Prot, Lichterfelde,
der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinAkte R 25.01/6941, S. 143. der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinAkte R 25.01/6941, S. 144.
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begännen, so daß mit keinen negativen psychologischen Auswirkungen zu rechnen sei. Die von Jessen befürchteten Störungen hielt er für unbedeutend. 7 4 3 Darüber hinaus verteidigte Schacht das vorgesehene Konkursprivileg mit grundsätzlichen Erwägungen unter Hinweis auf den Zweck der Bestimmung. Er argumentierte, es gäbe eine Reihe von kleinen Banken, die traditionell in großem Umfang das Spargeschäft betrieben. 7 4 4 Diese Banken würden ignoriert werden, wenn ihnen das Spargeschäft genommen würde. Daher müsse der Grundsatz vertreten werden, daß Banken und Sparkassen alle Arten von Geschäften betreiben dürften, „jedoch unter der Voraussetzung der getrennten Verwaltung von Spar- und Bankeinlagen". Vor diesem Hintergrund habe „das geradezu umwälzende Konkursvorrecht" nicht das Ziel, die Spargelder zu den Banken zu lenken, sondern solle den kleinen Sparer schützen. 7 4 5 Diesen Ausführungen wurde nicht weiter widersprochen, so daß keine Änderungen des § 26 K W G - E 4 beschlossen wurden.
2. Die Streichung des Konkursprivilegs aus dem Gesetzentwurf Die Aufnahme eines Konkursprivileges für Spareinlagen ins K W G war spätestens nach dessen Begrenzung auf 5.000 R M j e Spareinleger i m Laufe des GesetzgebungsVerfahrens nicht mehr grundsätzlich umstritten. Zudem hatte sich Schacht auf der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 noch einmal ausdrücklich für diese Regelung eingesetzt. Vor diesem Hintergrund war an sich zu erwarten, daß die Sparvorschriften des K W G bei dessen Inkrafttreten ein begrenztes Konkursprivileg enthalten würden. Es sollte jedoch anders kommen. A u f der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 wurde § 26 K W G - E 4 ersatzlos gestrichen. 7 4 6 Die Streichung erfolgte mit der ausdrücklichen Zustimmung Schachts, obgleich dieser sich noch vier Tage zuvor für das Konkursprivileg eingesetzt hatte. Da das Protokoll der Besprechung vom 8. Oktober eine Begründung für dieses Vorgehen nicht nannte, läßt sich nur vermuten, welche Umstände zur Absetzung des Konkursprivilegs geführt hatten. Wahrscheinlich ist, daß die Gründe i m politischen Bereich zu suchen sind. Bereits in der Entscheidung über das zukünftige Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen waren es offensichtlich politische Einflüsse gewesen, die dazu ge743
Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 144. 744 Schacht verwies auf die ländlichen Bezirke Oldenburgs, Schleswig-Holsteins und Mecklenburgs. 745 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 143 f. 746 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 227. Zugleich wurde § 24 Abs. 1 S. 2 KWG-E 4 gestrichen, dessen Regelung auf § 26 KWG-E 4 Bezug nahm. s. o., Teil 4, Η., V., 2. 2*
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führt hatten, daß den Sparkassen das kurzfristige Geschäft erhalten b l i e b . 7 4 7 Das vorgesehene Konkursprivileg berührte ebenfalls das Verhältnis zwischen Privatbanken und Sparkassen. Denn angesichts der Tatsache, daß die Sicherheit der Gelder bei den Sparkassen ohnehin staatlich garantiert war, bedeutete die Bestimmung in erster Linie für die Privatbanken und Kreditgenossenschaften eine Besserstellung. § 26 K W G - E 4 verbesserte damit die Ausgangsposition der privaten Banken und Kreditgenossenschaften i m Wettbewerb um die Spareinlagen. Somit war zu erwarten, daß in vermehrten Umfang Spargelder zu den Privatbanken und Kreditgenossenschaften geflossen und der Einfluß der Sparkassen damit geringer geworden wäre. Gerade die angeblich bevorzugte Behandlung der Privatbanken und die Beschränkung der Sparkassen i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens war aus nationalsozialistischen Kreisen jedoch wiederholt kritisiert w o r d e n . 7 4 8 Daher ist zu vermuten, daß die Streichung des § 26 K W G - E 4 auf dem Druck nationalsozialistischer Funktionäre beruht, die eine Beschneidung des Einflusses der Sparkassen zugunsten der Privatbanken und Kreditgenossenschaften zu verhindern suchten. Die Streichung des Konkursprivilegs zeigt somit einmal mehr, daß die Arbeiten des Untersuchungsausschusses am K W G offenbar von einflußreichen nationalsozialistischen Kreisen aufmerksam verfolgt wurden, zumindest soweit sie die Behandlung der Sparkassen betrafen. In diesem Umfeld war ein Konkursprivileg, mit dessen Hilfe die Privatbanken und Kreditgenossenschaften den Sparkassen ernsthafte Konkurrenz i m Sparverkehr hätten machen können, politisch nicht durchsetzbar.
I X . Ausnahme- und Übergangsvorschriften Ahnlich wie bei den Vorschriften über das Kreditgeschäft und die L i q u i d i t ä t 7 4 9 berücksichtigte der Gesetzgeber, daß die Anpassung an die mit den § § 2 2 ff. K W G geschaffene neue Rechtslage einer Reihe von Kreditinstituten Schwierigkeiten bereiten würde. Aus diesem Grund sah er in §§ 26, 55 S. 2 K W G Ausnahme- und Übergangsvorschriften vor.
1. Ausnahmebestimmungen, § 26 KWG Der erste KWG-Entwurf enthielt zwei Vorschriften, die Kreditinstituten die Abweichung von den Regelungen des Sparverkehrs gestatteten. § 26 K W G - E 1 war auf die Kreditgenossenschaften beschränkt und ermächtigte den Reichskommissar, für diese Institute „hinsichtlich der Annahme von Spareinlagen und Ausgabe von 747 s. o., Teil 3, C., III., 2. 748 Vgl. o., Teil 3, C., III., 2. 749 Vgl. o., Teil 4, F., IX.
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Sparbüchern unter Abweichung von den Bestimmungen der § § 2 7 und 28 Sondervorschriften [zu] erlassen' 4. Aufgrund dieser Vorschrift konnten die Kreditgenossenschaften zwar nicht von der Beachtung aller Vorschriften des Sparverkehrs freigestellt werden. Jedoch war der Reichskommissar befugt, für die Anlage der Spargelder, die getrennte Buchführung und Bilanzierung sowie für das ursprünglich geplante Konkursprivileg Ausnahmen vorzusehen. Eine ähnliche Bestimmung sah § 30 S. 2 K W G - E l 7 5 0 vor. Danach konnte der Reichskommissar „einer Bank auf Antrag eine vorübergehende Abweichung von den Vorschriften des § 27 bewilligen". I m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurden beide Vorschriften mehrfach redaktionell überarbeitet und aufgrund einer Anregung von Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) 7 5 1 in einer einzelnen Bestimmung vereinigt, die sich i m K W G in § 26 wiederfand. § 26 1. HS K W G ermächtigte das Aufsichtsamt, „ i n Abweichung von den Vorschriften der § § 2 4 und 25 Sondervorschriften für einzelne Gruppen von Kreditinstituten [zu] erlassen". Gegenüber der ursprünglichen Fassung dieser Bestimmung in § 26 K W G - E 1 war damit die Befugnis zum Erlaß von Ausnahmevorschriften nicht mehr allein auf die Kreditgenossenschaften beschränkt. Gleichwohl sollte bei der Schaffung des § 26 1. HS K W G in erster Linie deren Belangen Rechnung getragen werden. 7 5 2 Denn diese Institute pflegten traditionell einen ausgeprägten Sparverkehr mit ihrer Kundschaft, 7 5 3 verfügten jedoch nicht über die Möglichkeiten, die Spareinlagen langfristig anzulegen. 7 5 4 § 26 1. HS K W G gewährleistete somit, daß die § § 2 2 ff. K W G auch für die Kreditgenossenschaften eine tragbare Regelung darstellten. Gemäß § 26 2. HS K W G konnte das Aufsichtsamt schließlich „auf Antrag zulassen, daß ein Kreditinstitut vorübergehend von den auf Grund des § 24 erlassenen Anordnungen abweicht". Damit wurde es der Aufsicht möglich gemacht, „bei Vorliegen besonderer Verhältnisse" angemessen reagieren zu können. 7 5 5
750 § 30 S. 1 KWG-E 1 enthielt die später in § 55 S. 2 KWG geregelte Übergangsvorschrift. 751 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 274. 752 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 108f. 753 Vgl. o., Teil 4, Η., V., 3. 754 s. o., Teil 4, Η., V., 1. Insbesondere die Anlage der Spareinlagen in langfristigen Wertpapieren kam kaum in Betracht, da angesichts des Selbsthilfeprinzips der Kreditgenossenschaften ihre Aufgabe darin bestand, die ihnen zufließenden Mittel ihren Mitgliedern im Kreditwege zur Verfügung zu stellen. Diese Schwierigkeiten bei der Anlage der Spargelder kennzeichnete Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) mit den treffenden Worten, „man müsse ( . . . ) das Geld im Dorfe lassen" (Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6943, S. 276). 755 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 109.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
2. Übergangsvorschrift, § 55 S. 2 KWG Bei der Formulierung der §§ 22 ff. K W G war sich der Gesetzgeber der Tatsache bewußt, daß die Spareinlagen bei einzelnen Kreditinstituten Größenordnungen erreicht hatten, die jahrelange Umschichtungen ihrer Anlagen erforderlich machten, um sich der neuen Rechtslage anzupassen. 756 Aus diesem Grund sah § 55 S. 2 K W G vor, daß der Reichskommissar „ m i t Zustimmung des Aufsichtsamts in Abweichung von den Vorschriften der § § 2 2 bis 25 und zur Vorbereitung ihrer Durchführung für eine angemessene Zeit Übergangsvorschriften erlassen" k o n n t e . 7 5 7 Damit sollten Unruhen i m Kreditwesen bei den erforderlichen Umschichtungen vermieden und den Kreditinstituten die Anpassung an die neue Rechtslage erleichtert werden. 7 5 8
X . Zusammenfassung Der desolate Zustand des Kapitalmarkts in Deutschland veranlaßte den Gesetzgeber, i m K W G in einem eigenen Abschnitt den Sparverkehr ausdrücklich zu regeln, um damit auf eine Stärkung des Kapitalmarktes hinzuwirken. M i t den Vorschriften des K W G über den Sparverkehr wurden erstmals alle Kreditinstitute einheitlichen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen, die sie bei der Pflege des Spargeschäftes zu beachten hatten. Auffallend ist, daß die wichtigsten Vorschriften der §§ 22 ff. K W G vielfach keine neuen Regelungen beinhalteten, sondern bestehende Vorschriften aufgriffen, verbesserten und verallgemeinerten. So wurden die Regelungen des Begriffs und der Rechtsnatur der Spareinlagen gemäß § 22 K W G weitgehend dem Habenzinsabkommen vom 9. Januar 1932 entnommen. 7 5 9 § 23 K W G , der u. a. die Berechnung der Spareinlagenverzinsung und die Rückzahlung der Spareinlagen regelte, ging auf vor dem Ersten Weltkrieg bestehende Regelungen bzw. auf Bestimmungen der Sparkassenmustersatzungen z u r ü c k . 7 6 0 Der Verpflichtung gemäß § 24 K W G , Spareinlagen besonders anzulegen, wurde beim Erlaß des K W G zumindest für die Sparkassen durch das Satzungsrecht Rechnung getragen. Schließlich hatte § 25 K W G , der die getrennte Buchführung und Bilanzierung der Spareinlagen sowie den Ausweis der Kosten des Spargeschäftes forderte, in § 5 der Notverordnung vom 6. Oktober 1931 einen Vorläufer. 7 6 1 756
Vgl. Ernst, Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 274. 757 Eine entsprechende Regelung enthielt der erste KWG-Entwurf in § 30 S. 1 KWG-E 1. 758 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 274; Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 122. 7 59 s.o.,Teil l,C.,IV.,3.,c). 7 60 s. o., Teil 4, Η., IV., l.,a). ™ s. o., Teil 4, H., VI.
Η. Sparverkehr, §§ 22 bis 27 KWG
359
Obwohl die §§ 22 ff. K W G somit weniger grundlegend neue Bestimmungen schufen, sondern vielmehr an die bestehende Rechtslage anknüpften, ist ihre Bedeutung nicht zu unterschätzen. Denn die bisherigen Vorschriften beruhten lediglich auf Satzungen, Verordnungen oder vertraglichen Vereinbarungen. M i t ihrer gesetzlichen Ausgestaltung wurden diese Bestimmungen aufgewertet, zumal die weitreichenden Befugnisse des Reichskommissars - etwa seine Befugnis zur Verhängung von Ordnungsstrafen gemäß § 46 K W G 7 6 2 - besser als früher ihre tatsächliche Befolgung gewährleisteten. Vor allem aber wurde die zersplitterte Rechtslage auf dem Gebiet des Sparverkehrs beseitigt, indem die §§ 22 ff. K W G für alle Arten von Kreditinstituten Geltung beanspruchten. M i t der umfassenden und allgemeingültigen Regelung des Sparverkehrs waren somit wesentliche Voraussetzungen für eine Gesundung des Kapitalmarktes in Deutschland verwirklicht. Besondere Bedeutung kam hier den §§ 22, 23 K W G zu. Sie stellten den ursprünglich langfristigen Charakter der Spareinlagen wieder her und förderten damit die vom Gesetzgeber beabsichtigte Trennung von Geld- und Kapitalmarkt. Die praktische Bewährung dieser Vorschriften zeigt sich darin, daß sie bei der Neufassung des K W G i m Jahr 1961 i m wesentlichen übernommen worden s i n d . 7 6 3 Dagegen konnte § 24 K W G mangels praktischer Umsetzung die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen, sein Ziel war jedoch durch die für die Sparkassen geltenden Vorschriften bereits weitgehend verwirklicht. Zugleich betonte die Vorschrift den in der Vergangenheit vernachlässigten Grundsatz, daß die langfristigen Spareinlagen dem Kapitalmarkt als langfristige Anlagen zuzuführen waren. Nicht zuletzt stellte § 25 K W G mit dem Gebot zum Ausweis der Kosten i m Spargeschäft eine wichtige Voraussetzung dar, um das Zinsniveau am Kapitalmarkt senken zu können und verwirklichte damit ein weiteres zentrales Anliegen des Gesetzgebers. Insgesamt gesehen leisteten die §§ 22 ff. K W G somit einen wertvollen Beitrag zur Stabilisierung des deutschen Kapitalmarktes. Schließlich war die gesetzliche Regelung des Sparverkehrs i m Hinblick auf die Streitigkeiten zwischen Privatbanken und Sparkassen von großer Bedeutung. 7 6 4 Denn die §§ 22 ff. K W G stellten einen gelungenen Kompromiß in dem Konflikt zwischen den beiden Institutsgruppen dar. A u f den ersten Blick waren die Sparkassen als uneingeschränkte Sieger aus diesem Konflikt hervorgegangen, indem ihr Geschäftsbereich i m Gegensatz zu den Forderungen der Privatbanken unangetastet blieb. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich jedoch, daß auch den Forderungen der Banken durch die §§ 22 ff. K W G weitgehend Rechnung getragen wurde. So stellten die §§ 22 ff. K W G den langfristigen Charakter des Sparverkehrs wieder verstärkt in den Vordergrund. Insbesondere § 25 K W G verbot die bisherige Praxis der Sparkassen, Spareinlagen i m kurzfristigen Kreditgeschäft zu verwenden. 7 6 5 Da 762 763 764 765
s. u., Teil 4, K. §§ 21, 22 KWG 1961 (BGBl. I, S. 881, 888). s. o., Teil 3, C. Vgl. o., Teil 3, C , III., 1.
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die fremden Gelder der Sparkassen jedoch ganz überwiegend aus Spareinlagen bestanden, 7 6 6 wurden sie wieder stärker auf ihr ursprüngliches, langfristig geprägtes Geschäft beschränkt. § 25 K W G mußte sogar zu einem Rückzug der Sparkassen aus dem kurzfristigen Kreditgeschäft führen, soweit es sich aus Spareinlagen finanzierte. Damit wurde eine zentrale Forderung der Privatbanken zumindest teilweise verwirklicht. Aber auch den Sparkassen kam die mit §§ 22 ff. K W G gefundene Lösung entgegen. Der Umfang ihrer Geschäftstätigkeit blieb grundsätzlich unangetastet. Zwar mußte ihnen das Verbot, Spareinlagen kurzfristig anzulegen, zunächst Einbußen im Umfang ihres kurzfristigen Kreditgeschäfts bescheren. Jedoch konnten sie sich nicht ernsthaft benachteiligt fühlen, da ihnen das K W G i m kurzfristigen Kreditgeschäft die gleichen Chancen wie ihren Mitbewerbern einräumte. Damit stellten die Regelungen des Sparverkehrs eine gerechte Lösung i m Streit zwischen Banken und Sparkassen dar, die die Interessen der Privatbanken unterstützte, ohne dabei die Sparkassen unangemessen einzuschränken. Zusammenfassend betrachtet, waren die § § 2 2 ff. K W G somit in doppelter Hinsicht bedeutsam. Zum einen stabilisierten sie den Kapitalmarkt, indem sie die Trennung von Geld- und Kapitalmarkt sowie die Bemühungen zur Zinssenkung förderten. Zum anderen betonten sie das ursprüngliche, langfristige Geschäft der Sparkassen, nachdem der Gesetzgeber beschlossen hatten, deren Geschäftstätigkeit grundsätzlich nicht zu beschränken. Die Bestimmungen führten damit auch zu einer Normalisierung des Verhältnisses zwischen Privatbanken und Sparkassen.
I . Bargeldloser Zahlungsverkehr, §§ 2 8 , 2 9 K W G M i t den §§ 28, 29 K W G schuf der Gesetzgeber die Voraussetzungen zur Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, einer bis zum Erlaß des K W G völlig ungeregelten Materie des Kreditwesens.
I . Die Entwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und die damit verbundenen Probleme Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein wurden Zahlungen zwischen verschiedenen Privatpersonen oder Unternehmen praktisch ausschließlich mit Bargeld bewirkt. Erst im Jahr 1869 gründeten die gewerblichen Kreditgenossenschaften mit ihrem Zentralinstitut, der Deutschen Genossenschaftsbank, den genossenschaftlichen Giroverband, der das erste bargeldlose Zahlungsverkehrsnetz in 7 s . o., Teil ,
., ., 3.
I. Bargeldloser Zahlungsverkehr, §§ 28, 29 KWG
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Deutschland darstellte. 7 6 7 Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Gironetzes blieb jedoch gering. Das erste bedeutsame Gironetz war das der Reichsbank. 7 6 8 In dem Bemühen, den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu fördern, baute diese seit 1876 ein eigenes Zahlungsverkehrsnetz a u f . 7 6 9 Entstanden aus kleinen Anfängen, umspannte der Reichsbankgiroverkehr bald das gesamte Reich. Er wurde kostenfrei vermittelt und stand grundsätzlich allen natürlichen und juristischen Personen offen. Da die Reichsbank jedoch in erster Linie nur mit anderen Banken und großen Unternehmen in Geschäftsverbindung stand, blieb naturgemäß die Zahl der dem Reichsbankgiroverkehr angeschlossenen Konten relativ k l e i n , 7 7 0 während die einzelnen Zahlungen jedoch eine beträchtliche Höhe erreichten. 7 7 1 Der Reichsbankgiroverkehr diente damit in erster Linie der Abwicklung des Großverkehrs zwischen Banken und großen Wirtschaftsunternehmen. 772 Angesichts des zügigen Aufbaus ihres Gironetzes hatte die Reichsbank bis in das 20. Jahrhundert hinein auf dem Gebiet des bargeldlosen Zahlungsverkehrs eine Monopolstellung i n n e . 7 7 3 Dies änderte sich jedoch mit dem Erlaß des Scheckgesetzes i m Jahr 1 9 0 8 . 7 7 4 In dessen Folge bildeten sich eine Reihe neuer Gironetze, so daß der bargeldlose Zahlungsverkehr einen enormen Aufschwung nahm.775 So gingen unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Scheckgesetzes die Sparkassen daran, ein eigenes Gironetz aufzubauen. 7 7 6 Zu diesem Zweck wurden die Giroverbände gegründet, die ihrerseits als Zentralbanken die Girozentralen gründeten. Diese wiederum schufen mit der Deutschen Girozentrale ihr Spitzeninstitut. A u f diesem Wege hatten die Sparkassen bis 1918 ihr eigenes, das gesamte Reich umfassende Gironetz gebildet. 7 7 7 M i t 5.000 Zahlstellen war der Spargiroverkehr sehr
767 S.o., Teil 1, Α., IV., 3. 768 Für dieses hatte sich allgemein die Bezeichnung „Reichsbankgiroverkehr" eingebürgert, vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 80. 769 Vgl. Döring, S. 142. 770 1933 waren 50.000 Konten dem Giroverkehr der Reichsbank angeschlossen, s. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 80. 771 Diese betrugen 1933 durchschnittlich rd. 12.300 RM, vgl. Untersuchung des Bankwesens, II. Teil, S. 459. 772 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 80. 773 Vgl. Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 130. Die übrigen Einrichtungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, insbesondere der genossenschaftliche Giroverband, waren insoweit nur von geringer Bedeutung, s. Döring, S. 144. 774 Vgl. o., Teil l,B.,I.,2.,a). 775 Bauer, S. 81. 776 Das Gironetz der Sparkassen wurden allgemein als „Spargiroverkehr" bezeichnet, vgl. Sparkasse 1933, S. 372. 777 s.o., Teil l,B.,I.,2.,a).
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
eng geknüpft. 7 7 8 Anders als das Gironetz der Reichsbank stand er, der Geschäftspolitik der Sparkassen entsprechend, in erster Linie den einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten zur Verfügung. Uber den Spargiroverkehr wurde somit überwiegend der Kleinverkehr abgewickelt. 7 7 9 Er sorgte dafür, daß praktisch jedermann in den Genuß der Vorteile des bargeldlosen Zahlungsverkehrs kommen konnte.780 Zeitgleich mit den Sparkassen gründete auch die Reichspost ein eigenes Gironetz. 7 8 1 Über dieses Gironetz wurde ebenfalls überwiegend der Kleinverkehr abgew i c k e l t . 7 8 2 Da sich der Postscheckverkehr über die rund 30.000 Postämter in Deutschland abwickelte, reichte er bis in die entlegensten Orte des Reiches. 7 8 3 Er galt hinsichtlich seiner einfachen Technik und strengen Rationalisierung als kostengünstig und vorbildlich für die anderen Gironetze. 7 8 4 Reichsbankgiroverkehr, Spargiroverkehr und Postscheckverkehr waren die wichtigsten Träger des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Deutschland. 7 8 5 Gleichwohl bestanden neben diesen noch weitere Gironetze, die von den Kreditgenossenschaften und dem privaten Bankwesen getragen wurden. So unterhielten allein die Kreditgenossenschaften zwei Gironetze. Für die gewerblichen Kreditgenossenschaften existierte bereits seit 1869 der genossenschaftliche Giro verband. Diesem Gironetz war zugleich die Dresdner Bank angeschlossen, nachdem diese i m Jahr 1904 das Zentralinstitut der gewerblichen Kreditgenossenschaften, die Deutsche Genossenschaftsbank, übernommen hatte. 7 8 6 Die landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften gründeten nach dem Erlaß des Scheckgesetzes ihr eigenes Gironetz, als dessen Zentralinstitut die Preußische Zentralgenossenschaftskasse fungierte. 7 8 7 Der Genossenschaftsringverkehr sollte dem Spargiroverkehr nachgebildet werden. Er verfügte über ca. 3.000 Zahlstellen 7 8 8
778 Zum Vergleich: Der Reichsbankgiroverkehr wurde über nur 456 Reichsbankstellen (1934) abgewickelt. 77 9 Schoele, Der Deutsche Oekonomist 1935, S. 898. 780 1935 waren 2,5 Mio. Konten dem Spargiroverkehr angeschlossen, s. Schoele, Der Deutsche Oekonomist 1935, S. 898. 781 Das Gironetz der Reichspost wurden allgemein als „Postscheckverkehr" bezeichnet, vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 80. 782 Schoele, Der Deutsche Oekonomist 1935, S. 898. 783
Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 80. Vgl. Schoele, Der Deutsche Oekonomist 1935, S. 898. 78 5 Schoele, Der Deutsche Oekonomist 1935, S. 899. 786 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 81. 784
787 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 81. Dieses Gironetz wurde allgemein als „Genossenschaftsringverkehr" bezeichnet. 788 Diese Zahl erscheint angesichts von 18.882 landwirtschaftlichen Kreditgenossenschaften (1932, s. Untersuchung des Bankwesens, Teil II, S. 160) relativ klein. Jedoch war die Mehrheit dieser Kreditgenossenschaften sehr klein und wurde ehrenamtlich geleitet, so daß
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und diente, wie auch der Spargiroverkehr, überwiegend der Abwicklung des Kleinverkehrs. 7 8 9 Schließlich bildeten auch die Privatbanken, vor allem die Großbanken, ihre eigenen Gironetze. Diese waren uneinheitlich organisiert 7 9 0 und blieben in ihrer technischen Entwicklung hinter dem Spargiro- und dem Postscheckverkehr zur ü c k . 7 9 1 Gleichwohl gewährleisteten sie, daß die Kunden der Privatbanken wie auch diejenigen der Sparkassen und der Kreditgenossenschaften sämtliche Dienstleistungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs 7 9 2 in Anspruch nehmen konnten. Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges war Deutschland somit mit einer Vielzahl flächendeckender Zahlungsverkehrsnetze überzogen, die es sowohl den großen Wirtschaftskonzernen als auch den einzelnen Kleinsparern ermöglichten, ihre Zahlungen bequem und sicher auf bargeldlosem Weg zu begleichen. Infolgedessen stiegen die Umsätze i m bargeldlosen Zahlungsverkehr rasant an. So erhöhten sich allein die Umsätze i m Reichsbankgiroverkehr zwischen 1900 und 1913 von 163, 6 auf 379, 2 Mrd. M . 7 9 3 Dieser Trend setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg fort. I m Jahr 1925 bewältigte die Reichsbank Zahlungen i m Volumen von 472, 4 Mrd. R M , 1930 waren es bereits 704, 6 Mrd. R M . 7 9 4 Daneben bewegten auch der Spargiround der Postscheckverkehr gewaltige Summen. So setzte der Postscheckverkehr i m Jahr 1913 41, 6 Mrd. R M u m . 7 9 5 1 925 vermittelten die Sparkassen und die Post bereits bargeldlose Zahlungen in Höhe von ca. 145 Mrd. R M , und 1930 beliefen sich die Umsätze beider Gironetze auf ca. 228 Mrd. R M . 7 9 6 Insgesamt gesehen hatte sich somit bis 1933 der bargeldlose Zahlungsverkehr in Deutschland innerhalb von rund 50 Jahren „aus einem primitiven Stadium zu einer beachtlichen Höhe e n t w i c k e l t . " 7 9 7 Er stellte einen unbestrittenen volkswirtschaftlichen Vorteil dar und förderte die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. 7 9 8 Gleichwohl hatte seine fortwährende Ausdehnung auch ihre Schattenseiten.
sie dem Genossenschaftsring verkehr nicht angeschlossen waren, s. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 81. 789 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 81. 790 Erst im Jahr 1933 gelang es den Großbanken, sich auf einheitliche Formulare zu einigen und damit ihre Gironetze effektiver zu gestalten. 791 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 81. 792 Dazu zählten vor allem der Scheckeinzugs- und der Überweisungsverkehr. Der Lastschriftverkehr war Anfang der 30er Jahre erst in Ansätzen vorhanden. 793 Döring , S. 142. 794 Untersuchung des Bankwesens, Bd. II, S. 459. Infolge der Bankenkrise von 1931 sanken die Umsätze im Jahr 1933 wieder auf 503, 5 Mrd. RM. 795 Für den Spargiroverkehr liegen für diese Zeit keine Daten vor. 796 Vgl. Untersuchung des Bankwesens, Bd. II, S. 459. 1933 waren die Umsätze wieder auf rd. 156 Mrd. RM gesunken. 797 Schoele , Der Deutsche Oekonomist 1935, S. 897. 798 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 75; Döring, S. 143.
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So hatte die Entstehung der vielen verschiedenen Gironetze dazu geführt, daß der bargeldlose Zahlungsverkehr stark zersplittert und uneinheitlich war. Insbesondere die Verknüpfung der Gironetze untereinander war mangelhaft. Denn es gab keine einheitlichen Uberweisungs- oder Scheckformulare, wodurch eine Zahlung, die über verschiedene Gironetze zu laufen hatte, 7 9 9 sehr erschwert und in die Länge gezogen w u r d e . 8 0 0 Der bargeldlose Zahlungsverkehr war damit keinesfalls optimal organisiert. Zudem belastete er die Kreditinstitute teilweise mit erheblichen Kosten. Da den Kunden insoweit jedoch aus Konkurrenzgründen keine Gebühren in Rechnung gestellt wurden, mußten diese Kosten aus den übrigen Sparten des Kreditgeschäfts gedeckt werden. Der bargeldlose Zahlungsverkehr belastete somit die ohnehin unzureichende Rentabilität der Kreditinstitute und stand damit auch einer Senkung des allgemeinen Zinsniveaus entgegen. 8 0 1 Die Zersplitterung und teilweise sehr kostenintensive Organisation des bargeldlosen Zahlungsverkehrs stellte jedoch nicht dessen Hauptproblem dar. Dieses lag vielmehr auf geldpolitischem Gebiet. Gemäß § 1 des Bankgesetzes von 1 9 2 4 8 0 2 war es die Aufgabe der Reichsbank, „den Geldumlauf i m gesamten Reichsgebiete zu regeln". Dazu hatte sie „das ausschließliche Recht, Banknoten in Deutschland auszugeben". 8 0 3 Neben dem Bargeld spielte jedoch vor dem Hintergrund des sich ausdehnenden bargeldlosen Zahlungsverkehrs das B u c h g e l d 8 0 4 eine immer wichtigere R o l l e . 8 0 5 Befugnisse zur Regelung des Buchgeldumlaufes waren der Reichsbank jedoch nicht gegeben. 8 0 6 Diese Entwicklung war unbedenklich, solange sich der bargeldlose Zahlungsverkehr praktisch ausschließlich über das Gironetz der Reichsbank vollzog. Jedoch ging die ursprüngliche Monopolstellung der Reichsbank auf dem Gebiet des bargeldlosen Zahlungsverkehrs allmählich verloren. 8 0 7 So entfielen i m Jahr 1913 90% der gesamten Umsätze der Gironetze der Reichsbank, der Sparkassen und der Reichspost auf den Reichsbankgiroverkehr. Bis 1933 war dieser Anteil auf 75% gesunken. 8 0 8 Die zusätzliche Ausdehnung der Gironetze 799
Dies war beispielsweise der Fall, wenn ein Kunde einer Sparkasse Geld an den Kunden einer Kreditgenossenschaft überwies. 800 Vgl. Handwörterbuch des Bankwesens, S. 78. 801 Vgl. Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 148. 802 s.o., Teil 1, C., II., 1. 803 § 2 Bankgesetz. 804 Dieses wurde auch als „Giralgeld" bezeichnet. 805 Zwar blieb das Bargeld - bis auf den heutigen Tag - das alleinige gesetzliche Zahlungsmittel (vgl. § 3 Bankgesetz 1924), das Buchgeld war als Zahlungsmittel aber allgemein ebenso akzeptiert wie das Bargeld. 806 Vgl. Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 131. 807 Der Grund für diese Entwicklung lag darin, daß die übrigen Institute, anders als die Reichsbank, Zinsen auf die Giroeinlagen gewährten und ihren Giroverkehr damit attraktiver als den der Reichsbank machten. Vgl. Döring, S. 144. 808 Zu den der Berechnung zugrunde liegenden Zahlen vgl. Untersuchung des Bankwesens, II. Teil, S. 459.
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der Privatbanken und der Kreditgenossenschaften führten zu einem weiteren Rückgang des Einflusses der Reichsbank auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr. 8 0 9 Als Folge dieser Entwicklung vollzog sich der Geldumlauf nicht mehr unter der alleinigen Kontrolle der Reichsbank, da die Kreditinstitute mit der Ausdehnung ihrer Gironetze i m zunehmenden Maße von der Reichsbank unabhängig wurden. Die Reichsbank hatte somit nicht mehr die ausschließliche Hoheit über die Zahlungsmittelversorgung, vielmehr lag letztere in zunehmendem Maße auch in den Händen des übrigen privaten und öffentlichen Kreditwesens. 8 1 0 Erschwerend kam hinzu, daß die Kreditinstitute den bargeldlosen Zahlungsverkehr nicht nur zur reinen Zahlungsabwicklung nutzten. Vielmehr erlaubten es die Gironetze den Kreditinstituten, bis zu einem gewissen Grad Kredite zu gewähren, ohne dabei auf ihren Bargeldbestand Rücksicht nehmen zu müssen. Diese Kreditgewährung erfolgte auf der Basis der Giroeinlagen, über die die Kunden nicht in bar verfügten. 8 1 1 A u f diese Weise bauten die Kreditinstitute einen vom Bargeldumlauf weitgehend unabhängigen Kreditverkehr auf. Dieser Prozeß, der allgemein als „Giralgeldschöpfung" bezeichnet w u r d e , 8 1 2 führte damit zu einer Ausdehnung des Geldumlaufes, ohne daß die Reichsbank darauf Einfluß hatte. 8 1 3 Insgesamt gesehen bedeutete die starke Ausdehnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs einerseits einen großen wirtschaftlichen Vorteil, stürzte jedoch andererseits die Reichsbank in ein Dilemma. Sie hatte die Aufgabe, den Geldumlauf i m Deutschen Reich zu regeln. Jedoch konnte sie nur auf den Bargeldumlauf unmittelbar Einfluß nehmen, während sie der Giralgeldschöpfung der Kreditinstitute machtlos gegenüber stand. Dies führte zu dem „merkwürdigen Zustand, daß zwar die Reichsbank die Verantwortung trägt für eine gesunde Entfaltung des Zahlungsund Kredit Verkehrs, daß ihre Machtmittel aber nicht ausreichen, Zahlungs- und Kreditverkehr stets fest in der Hand zu behalten." 8 1 4
809 8
Insoweit sind keine Zahlen überliefert, die eine genaue Berechnung zulassen. ·ο Vgl. Döring, S. 144.
su Vgl. Deutsche Wirtschaftszeitung 1934, S. 1152; Donner, S. 514. 812 Die Tatsache der Giralgeldschöpfung war bei der Schaffung des KWG praktisch unbestritten. Zu den wenigen Autoren, die die Möglichkeit der Giralgeldschöpfung leugneten, zählte etwa Lansburgh (Die Bank 1933, S. 921). 813 Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 130f. Besonders augenfällig war dieser Prozeß bei den sogenannten Verrechnungskassen, die einen vom Bargeldumlauf völlig unabhängigen Kreditverkehr pflegten. Sie wurden daher durch das „Gesetz gegen Mißbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs" vom 3. Juli 1934 verboten, s.o. Teil 2, Α., I., 1. 814 Donner, S. 514. Ähnlich Herrmann, Sparkasse 1933, S. 461.
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I I . Forderungen nach einer Reglementierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs Die mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr verknüpften Probleme führten zu Forderungen, die darauf abzielten, die Gironetze effektiver zu gestalten und vor allem der Reichsbank die Kontrolle der Giralgeldschöpfung zu ermöglichen. So wurde vor dem Hintergrund der vielen nebeneinander bestehenden Gironetze deren Vereinheitlichung bzw. Rationalisierung gefordert. Dabei wurde verlangt, „daß alle deutschen Gironetze nach dem gleichen System sowie mit den gleichen Formularen arbeiten und daß Einrichtungen geschaffen werden, die einer restlosen Vereinheitlichung des Netzes gleichkommen". 8 1 5 Noch weitergehend wurde teilweise sogar „ein Zusammenschluß der in Deutschland bestehenden Giralnetze ( . . . ) für notwendig erachtet." Dadurch sollten die Kosten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs verringert und die einzelnen Zahlungen beschleunigt werden. 8 1 6 Das Hauptaugenmerk in der Diskussion um die Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wurde jedoch darauf gerichtet, der Reichsbank eine effektive Kontrolle der Giralgeldschöpfung zu ermöglichen. Dabei wurde wiederholt auf eine historische Parallele hingewiesen. So wie i m 19. Jahrhundert die Freiheit der Notenausgabe beschränkt wurde, „da der Staat andernfalls die Herrschaft über das Geldwesen verloren hätte", müsse nunmehr „die Freiheit der Giralgeldausgabe aufzuheben" s e i n . 8 1 7 Dazu sei es erforderlich, „das effektive Giralgeld unter die Kontrolle der Reichsbank zu b r i n g e n . " 8 1 8 M i t einer derartigen staatlichen Kontrolle sollte die den Kreditinstituten mögliche Giralgeldschöpfung begrenzt werden. 8 1 9 Konkrete Vorschläge, wie diesem Problem mit einer gesetzlichen Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs beizukommen sei, wurden jedoch kaum gemacht. Statt dessen wurde vereinzelt gefordert, nicht in den Zahlungsverkehr selbst einzugreifen, sondern es den Banken zur Pflicht zu machen, Mindestreserven bei der Reichsbank zu unterhalten, deren Höhe von dieser variabel festgesetzt werden könnten. Damit sei es den Kreditinstituten unmöglich, unabhängig von der Reichsbank Kredite und damit Giralgeld zu schöpfen. Somit könne die Reichsbank auf diesem Wege neben dem Bargeld- auch den Buchgeldumlauf kontrollieren. 8 2 0 81
5 Handwörterbuch des Bankwesens, S. 82. 816 Obst, Betriebswirtschaft 1934, S. 26. 817 Herrmann, Verstaatlichung des Giralgeldes, S. 45 f.; ders., Sparkasse 1933, S. 460. 818 Herrmann, Sparkasse 1933, S. 459. 819 Obst, Betriebswirtschaft 1934, S. 26. 820 Vgl. Donner, Der deutsche Volkswirt 1933, S. 514; Herrmann, Sparkasse 1933, S. 461. Diese Forderungen, die auf den geldpolitischen Aspekt einer staatlichen Liquiditätspolitik anspielten, wurden in Gestalt der Mindestreservepolitik im § 16 KWG verwirklicht, s. o.Teil 4, F., VI., 7. Auf den engen geldpolitischen Zusammenhang zwischen der Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und der Regelung der Mindestreserven weist insbesondere Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 146, hin.
I. Bargeldloser Zahlungsverkehr, §§ 28, 29 KWG
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I I I . Die Haltung der Reichsbank Die Reichsbank selbst, die von dem Problem der Giralgeldschöpfung in erster Linie betroffen war, griff die Forderungen nach einer staatlichen Reglementierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bereitwillig auf. A u f der internen Reichsbanksitzung vom 18. Oktober 1933 umrissen die Sitzungsteilnehmer in groben Zügen, wie sie sich die zukünftige Gestalt des bargeldlosen Zahlungsverkehrs vorstellten. Sie gingen davon aus, daß „sich die Erkenntnis allgemein durchgesetzt [hat], daß Giralgeld und Stückgeld nicht wesensverschieden sind, sondern unter den gleichen Geldbegriff f a l l e n " . 8 2 1 Vor diesem Hintergrund forderte die Reichsbank, „daß auch das Schreibgeld unter die Ägide der Notenbank kommen" müsse, zumal bisher von jedermann Buchgeld geschaffen werden k ö n n e . 8 2 2 Für den bargeldlosen Zahlungsverkehr stellte die Reichsbank daher folgenden Grundsatz auf: „Es darf kein Buchgeld erlaubt sein, daß nicht unter der Kontrolle des Währungshoheitsinstituts steht. Denn das Giralgeld ist Geld und fällt damit unter den § 1 des Bankgesetzes, nach dem die Reichsbank den Geldumlauf zu regeln hat." 8 2 3 Gerade das starke Anwachsen des Überweisungsverkehrs, der sich außerhalb der Reichsbank abwickle, sowie zutage getretene Mißbräuche zeigten „die Notwendigkeit, das gesamte deutsche Giralgeldwesen mehr und mehr unter die absolute Kontrolle der Reichsbank zu b r i n g e n . " 8 2 4 Zu diesem Zweck plante die Reichsbank, gesetzlich vorzuschreiben, daß sämtliche bargeldlose Zahlungen 8 2 5 nur noch über die Reichsbank abgewickelt werden dürften. 8 2 6 Wenn dies gewährleistet sei, könne die Giralgeldschöpfung nicht zu einer Gefahr für die Währungsstabilität werden. 8 2 7 Darüber hinaus beschäftigte sich die Reichsbank mit der Frage, ob der bargeldlose Zahlungsverkehr auch in Zukunft kostenfrei vermittelt werden könne. Wenngleich sich hier eine klare Position nicht herausbildete, stand die Reichsbank einer zwangsweisen Einführung von Gebühren i m bargeldlosen Zahlungsverkehr wohl821 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 379. 822 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 380. 823 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 380. 824 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912, S. 381. 82 5 Lediglich der Platzverkehr - Zahlungen innerhalb eines Ortes - sollte ausgenommen bleiben, vgl. Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 380. 826 Vgl. Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912, S. 381 f. 827 Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912,S. 380.
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wollend gegenüber. Denn mit Hilfe dieser Gebühren könnten „die Kosten des Giroverkehrs nicht mehr die Zinsspanne beeinflussen, so daß eine Ermäßigung der Debetzinsen eintreten k ö n n t e . " 8 2 8 Die Pläne der Reichsbank zur Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs hatten in einem „Entwurf eines Gesetzes über den Zahlungsverkehr mit Schreibgeld" vom Oktober 1 9 3 3 8 2 9 bereits sehr konkrete Formen angenommen. Der Entwurf sah in § 1 die Gründung eines „Schreibgeldamtes" vor, das „unter Aufsicht und Leitung der Reichsbank" stehen und die Aufgabe haben sollte, „den Zahlungsverkehr mit Schreibgeld zu regeln". M i t diesem Schreibgeldamt sollte der bargeldlose Zahlungsverkehr unter die alleinige Kontrolle der Reichsbank gebracht werden. So hatte gemäß § 12 des Entwurfs das Schreibgeldamt „das ausschließliche Recht, Zahlungen ohne Verwendung von Stückgeld (bargeldlose Zahlungen) zu bewirken, soweit der Zahlungsempfänger und der Zahlende Personen sind, die an verschiedenen Orten ihren Wohnsitz oder den Sitz ihrer gewerblichen Niederlassung h a b e n " . 8 3 0 § 14 des Entwurfs stellte klar, daß „Zahlungen durch Verwendung von Schreibgeld ( . . . ) i m Rahmen des § 12 auf andere Weise als durch Vermittlung von Girostellen 8 3 1 oder Postscheckämtern 832 verboten" waren. 8 3 3 Die §§ 17 ff. des Entwurfs enthielten weitere massive Eingriffe in den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Bisher konnten die Kunden der Kreditinstitute ihre bargeldlosen Zahlungen direkt von ihren bei den Kreditinstituten geführten Konten aus bewirken. Der Gesetzentwurf ließ diese Möglichkeit jedoch nicht mehr zu. Vielmehr mußte gemäß § 17 jeder, der am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen wollte, ein spezielles Girokonto bei einer Girostelle eröffnen. 8 3 4 Nur von diesen Konten aus durften bargeldlose Zahlungen ausgeführt werden. 8 3 5 A u f diese Weise konnte das Schreibgeldamt auf jeden einzelnen Teilnehmer des bargeldlosen 828
Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912, S. 382. S29 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6505, S. 236 ff. Der Entwurf wurde von der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank formuliert. 830 Der Platzverkehr blieb von der Bestimmung also ausgenommen. 831
„Girostellen" waren nach dem Entwurf „Zweiganstalten" des Schreibgeldamtes. S32 Die Postscheckämter blieben zwar erhalten, sie wurden aber gem. § 4 des Entwurfes „von der Reichsbank für das Schreibgeldamt übernommen". Auch insoweit fand also eine Zentralisierung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bei der Reichsbank statt. 833 Gem. § 14 blieb jedoch im Übrigen die Befugnis, „Zahlungen durch Hingabe von Wechseln, Schecks und sonstigen Wertpapieren sowie durch Aufrechnung zu bewirken", unberührt. § 12 betraf damit in erster Linie den Überweisungsverkehr. Der Scheckverkehr war jedoch insoweit beschränkt, als die Kreditinstitute gem. § 15 Nr. 1 Schecks nur „auf die Reichsbank, die Girostellen oder die Postscheckämter" ausstellen durften. 834 Die Inhaber eines Postscheckkontos waren von dieser Verpflichtung ausgeschlossen, da die Postscheckämter ohnehin dem Schreibgeldamt angeschlossen waren. 835 Dementsprechend durften die Kreditinstitute gem. § 15 Nr. 3 Überweisungen zu Lasten der bei ihnen geführten Kundenkonten nur durchführen, wenn die Zahlung für das spezielle Girokonto des Kunden bei einer Girostelle oder einem Postscheckamt bestimmt war.
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Zahlungsverkehrs unmittelbar Einfluß nehmen. So mußte auf jedem Giro- oder Postscheckkonto gemäß § 18 des Entwurfs „auf Verlangen des Schreibgeldamtes eine Stammeinlage gehalten werden", deren Höhe das Reichsbankdirektorium festsetzte. Diese Einlage wurde nicht verzinst. A u f diese Weise sollten offenbar die die Giralgeldschöpfung fördernden Zahlungen aus debitorischen Konten heraus vermieden werden. Denn die Inhaber der Giro- oder Postscheckkonten durften über ihre Guthaben gemäß § 20 nur verfügen, „soweit es die Stammeinlage übers t e i g t " . 8 3 6 Zugleich wurden mit der Pflicht zur Unterhaltung einer Stammeinlage die Forderungen nach Haltung einer Mindestreserve bei der Reichsbank aufgegriffen. 8 3 7 Schließlich regelte der Gesetzentwurf auch die Gebührenfrage. Gemäß § 22 des Entwurfs konnte das Reichsbankdirektorium „für den Verkehr mit den Girostellen und den Postscheckämtern allgemein oder für einzelne Formen Gebühren festsetzen". Insgesamt gesehen zeigt insbesondere der Gesetzentwurf, daß die Reichsbank in der Frage der Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs eine sehr restriktive Haltung einnahm. M i t Ausnahme des Platzverkehrs strebte sie an, den gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehr nur noch über das bei ihr zu errichtende Schreibgeldamt abzuwickeln. Die bisher bestehenden Gironetze der Sparkassen, der Privatbanken und der Kreditgenossenschaften wurden damit praktisch überflüssig und waren nur noch für den Platzverkehr von Bedeutung. Die dem Zahlungsverkehr dienenden Gelder wurden nicht verzinst, Zahlungen von Konten, die keine entsprechende Deckung aufwiesen, wurden unmöglich gemacht. Die Reichsbank sah somit äußert tiefgreifende Eingriffe in den Zahlungsverkehr vor. Dieser sollte offenbar nur noch der reinen Zahlungsabwicklung dienen und jedwede Giralgeldschöpfung bereits im Ansatz unterdrücken. Auffallend an dem Gesetzentwurf war schließlich, daß er ganz überwiegend zwingende Regelungen vorsah und damit nur wenig Spielraum bei seiner Umsetzung ließ.
IV. Der bargeldlose Zahlungsverkehr in der Bankenenquete Angesichts der Tatsache, daß der bargeldlose Zahlungsverkehr in der Debatte um die Reform des Kreditwesens breiten Raum einnahm, widmete sich ihm auch die Bankenenquete in einer eigenen Sitzung vom 20. Dezember 193 3 . 8 3 8 836 Überdies bestimmte § 20, daß Überweisungen nur „auf ein anderes Girokonto oder auf ein Postscheckkonto" erfolgen durften. Schecks konnten gem. § 21 „nur auf diejenige Girostelle gezogen werden, bei welcher das Girokonto geführt wird". 837 s. o., Teil 4,1., II. Eine ähnliche Regelung fand sich später in § 16 KWG, s. o., Teil 4, H., VI., 7. 838 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 461 ff. Diese Sitzung war nicht öffentlich.
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Diese Sitzung leitete Reichsbankdirektor Lübcke 839 mit umfangreichen Ausführungen ein. Er wies darauf hin, daß der bargeldlose Zahlungsverkehr mit seinen zahlreichen Gironetzen „heute völlig zersplittert" s e i . 8 4 0 Diese Entwicklung habe zu hohen Kosten geführt, die die Wirtschaft in Form von „Gebühren, geringeren Habenzinsen, ungünstigen Valutierungen oder erhöhten Debetzinsen" zu tragen hätte. 8 4 1 Überdies sei die Möglichkeit der Schöpfung von Giralgeld um so größer, je größer die einzelnen Gironetze seien. Die Ausdehnung des Buchgeldes mit ihrer inflationistischen Tendenz könne die Reichsbank jedoch nicht zulassen. Lübcke forderte daher, daß „der bargeldlose Zahlungsverkehr ( . . . ) in Zukunft nur noch der reinen Zahlungsabwicklung und nicht mehr der Geldschöpfung dienen" dürfe. Daher müsse sich „der Zahlungsverkehr von Institut zu Institut und von Ort zu Ort ( . . . ) über die Reichsbank abspielen". 8 4 2 Der Einführung von besonderen Überweisungsgebühren stand Lübcke jedoch in einer Zeit, „ w o alles Entlastung verlange", skeptisch gegenüber. Besser sei es, ein für alle Gironetze einheitliches Überweisungsformular zu finden. 8 4 3 I m Anschluß an diese Ausführungen äußerten die außerhalb der Reichsbank stehenden Sachverständigen ihre Ansichten zur Vereinheitlichung der verschiedenen Gironetze und zum Problem der Giralgeldschöpfung. 8 4 4
839 Lübcke war Spezialdezernent für den bargeldlosen Zahlungsverkehr bei der Reichsbank. 840 Prot, der Vormittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915,S. 461. 841 Prot, der Vormittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 461. 842 Prot, der Vormittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915,S. 461. 843 Prot, der Vormittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6915, S. 461 f. 844 Zuvor wandten sich die Sachverständigen speziellen Fragen des Spargiroverkehrs zu. Gerade der Spargiroverkehr stand in der Kritik, da er neben dem Reichsbank- und dem Postgiroverkehr die größte Einrichtung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs war. Vor diesem Hintergrund standen sowohl die Reichsbank als auch die Privatbanken dem Gironetz der Sparkassen kritisch gegenüber. Erstere, „weil der Spargiroverkehr durch den langen Überweisungsweg über die Girozentralen in der Praxis größere Kreditschöpfungsmöglichkeiten bietet als die übrigen deutschen Überweisungssysteme" (Prot, der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6912, S. 381). Letztere, weil sie der Ansicht waren, „daß der kommunale Giroverkehr sich zu einem bevorzugten Kampfmittel der Sparkassen in ihrem Verdrängungsstreben gegenüber anderen Kreditinstituten entwickelt hatte" (Materialien zur Vorbereitung der Banken-Enquete 1933, S. 237). Die Debatte über den Spargiroverkehr endete jedoch, ohne daß sich die Sachverständigen und die Vertreter der Reichsbank eindeutig für dessen Abschaffung ausgesprochen hätten. Vielmehr stellte Friedrich (Mitglied des Untersuchungsausschusses und des Reichsbankdirektoriums) ausdrücklich „als Ergebnis der bisherigen Diskussion fest, daß die Giroorganisation der Sparkassen durchaus tüchtig und ordentlich gearbeitet habe" (Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 466).
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So forderte Direktor Schoele (Vertreter der Sparkassen) - ebenso wie Liibcke ein einheitliches Zahlungsverkehrsformular, um den Wechsel einer Überweisung zwischen verschiedenen Gironetzen zu erleichtern. A u f diesem Wege ließen sich Unkosten vermeiden. 8 4 5 Rummel (Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft) kam den Forderungen Lübckes in einem Punkt sogar noch weiter entgegen. Er forderte ein „einheitliches Gironetz ( . . . ) , an dem alle Bankorganisationen mit gleichen Rechten teilnehmen könnten." Anders als Liibcke forderte Rummel darüber hinaus auch die Einführung von Überweisungsgebühren. 846 Auch Bankier v. Moller sprach sich für eine Vereinfachung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs aus. Daneben plädierte er für eine Vereinheitlichung des Zahlungsverkehrs und für eine stärkere Stellung der Reichsbank bei der Zahlungsabwicklung. Vom Standpunkt der Banken aus müsse „der Wunsch geäußert werden, daß der gesamte Giroverkehr bei der Reichsbank zentralisiert würde und nebenbei nur die Postscheckämter bestehen bleiben". Es sei das Ideal, „wenn jede Überweisung von Institut zu Institut, also auch von Sparkasse zu Sparkasse, über die Reichsbank laufe". A u f diese Weise würde sie „die beste Übersicht über die Umsätze i m deutschen Überweisungsverkehr erhalten" und könnten die Kosten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs „wesentlich verbilligt w e r d e n " . 8 4 7 Indessen war der Standpunkt der Privatbanken keineswegs so einheitlich, wie es die Ausführungen v. Mollers vermuten ließen. So verlangte Richter (Dresdner Bank) zwar ebenfalls, daß die Reichsbank „ein viel stärkeres Bindeglied für sämtliche Überweisungsnetze ( . . . ) als bisher" bilden müsse. Gleichzeitig forderte er jedoch, „daß die bestehenden Gironetz in ihrer jetzigen Form erhalten w ü r d e n " . 8 4 8 Auch Reinhart (Commerz- und Privatbank) vertrat den Standpunkt, daß zumindest der hausinterne Zahlungsverkehr unangetastet bleiben müsse, zumal hierbei „von einer Girogeldschöpfung nicht die Rede sein k ö n n e " . 8 4 9 Der Vertreter der Kreditgenossenschaften, Helferich, äußerte sich ebenfalls kritisch bezüglich einer Abwicklung des gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehrs allein über die Reichsbank und die Postscheckämter. Diese Lösung bereite in Orten Schwierigkeiten, „an denen sich weder ein Postscheckamt noch eine Reichsbankanstalt befänden". In derartigen Fällen würde die Laufzeit der einzelnen Zahlungen erhöht werden, da die Kreditgenossenschaften in ländlichen Bereichen erst mit 845 Prot, der Vormittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 465. 846 Prot, der Vormittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 465. 847 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915.S. 469. 848 Prot, der Vormittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 465. 849 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 468. 24*
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einem Tag Verzögerung von der Reichsbank oder den Postscheckämtern über eingehende Zahlungen informiert w ü r d e n . 8 5 0 Schließlich plädierte auch Weltzien (Deutsche Girozentrale) für die Beibehaltung der bisherigen Struktur des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Das Nebeneinander der verschiedenen Zahlungsverkehrsnetze habe seine wirtschaftliche Berechtigung, da jedes einzelne System bestimmte Aufgaben erfülle. So leiste etwa der Spargiroverkehr, indem er auch kleine und kleinste Zahlungen ausführe, einen „volkswirtschaftlichen Dienst, wie ihn keine andere Bankorganisation in Deutschland bisher leiste". Daher müsse der bargeldlose Zahlungsverkehr kostenfrei bleiben, denkbar sei eher, bestimmte Mindestguthaben auf den Girokonten zu verlang e n . 8 5 1 Überdies werde durch die Vielzahl der Gironetze die Giralgeldschöpfung in engeren Grenzen gehalten als bei einem vereinheitlichen Zahlungsverkehrsnetz. Denn je mehr Gironetze bestünden, desto öfter würden die Gelder zwischen ihnen hin- und herwechseln und desto größere Liquiditätsreserven müßten gehalten werden.852 Die Aussprache über das Problem der Giralgeldschöpfung leitete mit Prof. Eisfeld ein Vertreter der Wissenschaft ein. Er äußerte Verständnis für den Wunsch der Reichsbank nach einer Kontrolle der Giralgeldschöpfung. Das könne aber nur in der Weise geschehen, daß sich die Reichsbank „durch entsprechend häufige Nachweisungen ein B i l d darüber verschaffe". 8 5 3 Falsch sei dagegen die Schlußfolgerung, den gesamten Zahlungsverkehr in die Hände der Reichsbank überzuleiten. Denn über den Umfang des Giroverkehrs könne sie sich durch entsprechende kurzfristige Berichterstattung einen vollständigen Überblick verschaffen, ohne daß es einer derartigen Zentralisierung des Zahlungsverkehrs bedürfe. 8 5 4 Der Vertreter der Reichsbank, Geheimrat Friedrich, hielt demgegenüber die bloße Einsichtnahme in die Zahlungsvorgänge für unzureichend. Vielmehr müsse die Reichsbank auch Einflußmöglichkeiten erhalten. Von besonderem Interesse sei dabei die Verwendung der i m bargeldlosen Zahlungsverkehr anfallenden Gelder. Die Reichsbank habe „an der Verteilung dieser Gelder ein sehr lebhaftes Interesse". Es sei daher wünschenswert, daß „ein nicht geringer Teil" dieser Gelder der Reichsbank zufließe. 8 5 5 Gleichwohl gestand er zu, „daß das Problem der Giral850 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 467. 851 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S.470f. 852 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 470. 853 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 466. 854 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 466. 855 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915, S. 467.
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geldschöpfung sehr schwer zu beurteilen sei". Jedoch sei unverkennbar, daß in den einzelnen Zahlungsverkehrsnetzen „ i m Wege der Kreditgewährung Giralgeld" geschaffen w ü r d e . 8 5 6 Besondere Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Geldschöpfung bereite jedoch die Tatsache, daß „man sich nicht einmal über die Begriffe des Giralgeldes oder Buchgeldes klar s e i " . 8 5 7 Die Schwierigkeiten, von denen Friedrich sprach, traten in den Äußerungen der Sachverständigen der verschiedenen Institutsgruppen deutlich zutage. Wenngleich das Phänomen der Giralgeldschöpfung allgemein anerkannt w a r , 8 5 8 wurde von den Sachverständigen dennoch jedenfalls für die jeweils eigene Institutsgruppe die Schaffung von Giralgeld bezweifelt. So war Weltzien der Ansicht, daß es „für die Sparkassen eine Giralgeldfrage nicht gebe". Das ganze Problem sei nur auf die Vernachlässigung der Liquiditätsgrundsätze zurückzuführen. 8 5 9 Rummel hielt es nicht für möglich, daß die Banken in unkontrollierter Weise Kredit schöpfen könnt e n . 8 6 0 Schließlich bestritt auch Reinhart, „daß die Kreditbanken Giralgeld schöpften". Nur in Ausnahmefällen, wie während der Bankenkrise von 1931, könne dies der Fall sein. 8 6 1 M i t der Äußerung Reinharts endete die Sitzung. Weder in der Frage der Vereinheitlichung des Zahlungsverkehrs und der Einführung von Überweisungsgebühren, noch in der Frage der Giralgeldschöpfung führte sie zu greifbaren Ergebnissen. Die Debatte machte vielmehr deutlich, daß die Möglichkeit der Schöpfung von Buchgeld durch den bargeldlosen Zahlungsverkehrs zwar grundsätzlich anerkannt war, das Ausmaß dieser Geldschöpfung und die Wege zu ihrer Vermeidung aber noch weitgehend i m Dunkeln lagen. 8 6 2 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, daß kein festes Meinungsbild der Sachverständigen zustande kam. Lediglich eine gewisse grundsätzliche Abneigung gegen staatliche Eingriffe in den i m allgemein gut funktionierenden bargeldlosen Zahlungsverkehr wurde spürbar.
856 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 468. 857 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 468 f. 858 s. O., Teil 4,1., I. 859
Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 470. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt der Bankenenquete hatte der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Kleiner darauf hingewiesen, daß das Problem der Giralgeldschöpfung „bei den Sparkassen weniger akut sei als bei den Banken" (Prot, der Vormittagssitzung vom 7. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915, S. 401). 860 Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6915,S. 472. 861
Prot, der Nachmittagssitzung vom 20. Dezember 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6915,S. 472. 862 Bereits in dem Referat des Reichsbankdirektors Döring zu Bankenenquete führte dieser aus, daß sich das Ausmaß der Giralgeldschöpfung objektiv nicht feststellen lasse. Es werde „wohl häufig stark überschätzt" (S. 143).
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V. Die Ausarbeitung der §§ 28,29 KWG Hatte die Reichsbank i m Oktober 1933 noch ein eigenes Gesetz zur Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs geplant, so beschränkte sich das spätere K W G mit den §§ 28, 29 auf lediglich zwei Vorschriften.
1. § 31 KWG-E 1 Der erste KWG-Entwurf faßte i m § 31 sämtliche i m Zusammenhang mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr zu regelnden Fragen in einer einzigen Vorschrift zusammen. a) Der Inhalt des Entwurfs „Zur Durchführung der gem. § 1 des Bankgesetzes vom 30. August 1924 8 6 3 der Reichsbank übertragenen Aufgaben" ermächtigte § 31 Abs. 1 S. 1 K W G - E 1 „das Bankenaufsichtsamt i m Benehmen mit dem Reichsbankdirektorium, Vorschriften über die Regelung des unbaren Zahlungs- und Überweisungsverkehrs zu erlassen." § 3 1 Abs. 1 S. 2 K W G - E 1 füllte diesen Grundsatz näher aus. Dort hieß es, daß „ i n diesen Vorschriften ( . . . ) der unbare Zahlungs- und Überweisungsverkehr zwischen den Gliedern eines Verbandes (z. B. Girozentralen, genossenschaftlichen Zentralkassen) oder derselben Rechtspersönlichkeit (z. B. Bankfilialen) sowie zwischen den einzelnen Geldinstituten und deren Niederlassungen zu regeln" war. § 31 Abs. 2 S. 1 K W G - E 1 verwirklichte den Wunsch der Reichsbank nach einer stärkeren Kontrolle des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Dieser hatte sich „zwischen verschiedenen Geldinstituten und in einem von dem Bankenaufsichtsamt näher zu bestimmenden Umfang zwischen verschiedenen Bankbezirken ( . . . ) nur über die Reichsbank, die bei der Reichsbank errichteten Abrechnungsstellen und über die Postscheckämter zu vollziehen". Die Bankbezirke waren gemäß § 31 Abs. 2 S. 2 K W G - E 1 vom Aufsichtsamt zu bilden. § 31 Abs. 3 und 4 K W G - E 1 dehnten das Konzessionssystem der §§ 3 ff. K W G 8 6 4 auf die verschiedenen Gironetze aus. Gemäß § 31 Abs. 3 K W G - E 1 bedurfte „die Neubildung von Einrichtungen, welche Zahlungen durch unbare Überweisungsoder Verrechnungsmethoden vornehmen, ( . . . ) der vorgängigen Genehmigung durch das Bankenaufsichtsamt". 865 § 31 Abs. 4 K W G - E 1 ermöglichte „die Auflösung von Einrichtungen der in Abs. 1 bis 3 genannten Art ( . . . ) , sofern die 863 s.o., Teil 1, C., II., 1. 864 s. o., Teil 4, B. 865 Gem. § 35 Abs. 3 S. 2 KWG-E 1 war die Genehmigung „nur nach Zustimmung des Reichsbankdirektoriums zu erteilen".
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Durchführung der gem. § 1 des Bankgesetzes vom 30. August 1924 der Reichsbank gestellten Aufgaben gefährdet i s t " . 8 6 6 § 31 Abs. 5 K W G - E 1 regelte schließlich die Gebührenfrage. Danach konnte das Aufsichtsamt „Vorschriften über die Erhebung von Gebühren i m unbaren Zahlungs- und Uberweisungsverkehr erlassen". Dabei waren die Gebühren für alle Arten von Kreditinstituten „einheitlich festzusetzen". Für die Reichsbank und die Postscheckämter galten diesen Vorschriften nicht. § 31 K W G - E 1 zeigt, daß die Reichsbank von ihren ursprünglichen Plänen zur Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sehr weit abgerückt war. Von der Errichtung eines „Schreibgeldamtes", der Führung spezieller dem Zahlungsverkehr dienenden Girokonten und weiteren massiven Eingriffen in den Zahlungsverkehr, wie es noch der „Entwurf eines Gesetzes über den Zahlungsverkehr mit Schreibgeld" vorgesehen hatte, 8 6 7 war keine Rede mehr. Statt dessen ließ der Entwurf die grundsätzliche Struktur des bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit seinen vielen verschiedenen Gironetzen unangetastet. Überdies enthielt er nur wenige zwingende Regelungen sondern beschränkte sich darauf - der Grundtendenz des K W G entsprechend - , der Bankenaufsicht Ermächtigungen zur Regelung des Zahlungsverkehrs an die Hand zu geben. Einen echten Einschnitt bedeutete lediglich § 31 Abs. 2 K W G - E 1, der zwingend vorsah, daß sich der Zahlungsverkehr i m bestimmten Umfang nur über die Reichsbank und die Postscheckämter abzuwickeln hatte. Offenbar war die Reichsbank somit unter dem Eindruck der Bankenenquete, die sich gegenüber Eingriffen in den Zahlungsverkehr sehr skeptisch gezeigt hatte, zu der Überzeugung gelangt, daß die von ihr ursprünglich geplanten, einschneidenden Regelungen nicht angezeigt waren.
b) Die Besprechung des Entwurfs
im Reichswirtschaftsministerium
Die Regelungen des § 31 K W G - E 1 wurden während der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 16. März 1 9 3 4 8 6 8 sehr ausführlich besprochen. Dabei widmeten sich die Besprechungsteilnehmer jedoch weniger den Details des § 31 K W G - E 1. Vielmehr fand eine grundsätzliche Aussprache über die Probleme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und der Möglichkeiten zu deren Behebung statt.
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Die Auflösung wurde vom Aufsichtsamt „nach Zustimmung oder auf Antrag des Reichsbankdirektoriums unter Setzung von Fristen angeordnet". 8 67 s. o., Teil 4,1., III. 868 Der Untersuchungsausschuß hatte sich in seiner Sitzung vom 27. Februar 1934 dem § 31 KWG-E 1 nicht gewidmet. Schacht hatte lediglich einleitend festgestellt, die Vorschrift trage „dem Gedanken Rechnung, den Zahlungsverkehr unter die Kontrolle des Staates zu nehmen" (Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 275).
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So zeigte sich Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) gegenüber den i m Entwurf enthaltenen Beschränkungen des Zahlungsverkehrs skeptisch. Der Überweisungsverkehr werde erst dann problematisch, wenn er sich nicht auf Bargeld, sondern auf Kreditschöpfung aufbaue. Soweit dies nicht der Fall sei, „neige er der Auffassung zu, daß eine gesetzliche Regelung nicht erforderlich sei". Er zeigte sich daher „überrascht, daß die Reichsbank hier eine generelle Regelung wünsche". 8 6 9 Demgegenüber verteidigte Reichsbankdirektor Müller den Entwurf, indem er ausführlich den Standpunkt der Reichsbank darlegte. Er führte aus, daß es der Reichsbank mit der Zunahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs immer schwieriger geworden sei, die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben wahrzunehmen. Sie habe „die ihr zukommende Übersicht und eine gewisse Aufsicht über die gesamten vorhandenen Kreditmengen ( . . . ) nicht mehr, obwohl sie zur Steuerung des ganzen Kreditapparates dessen bedürfe". 8 7 0 M i t § 31 K W G - E 1 bezwecke die Reichsbank, die geldschöpfenden Gironetze „wieder unter eine gewisse Aufsicht zu bringen, damit sie ihre Kreditpolitik schneller und mit größerem Erfolge wirksam durchsetzen k ö n n e " . 8 7 1 Auch die im § 31 Abs. 5 K W G - E 1 vorgesehene Möglichkeit der Einführung von Gebühren sei zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen und zur Senkung des Zinsniveaus erforderlich. 8 7 2 Zusammenfassend stellte Müller fest, „daß die Regelung des Zahlungsverkehrs durch größeren Einfluß auf den unbaren Zahlungsverkehr unbedingt sichergestellt werden müsse". Dieser Grundsatz sei i m § 31 K W G - E 1 enthalten. Müller bat die anderen Besprechungsteilnehmer daher ausdrücklich, die Bestimmung zu akzeptieren. 8 7 3 Kohler ließ sich jedoch von diesen Ausführungen nicht überzeugen. Anders als Müller hielt er an seiner Auffassung fest, daß der bargeldlose Zahlungsverkehr nicht die Belange der Reichsbank störe. Entscheidend sei die i m Gesetzentwurf enthaltene Verpflichtung der Kreditinstitute zur Haltung von Liquiditätsreserv e n . 8 7 4 Würden dieser Vorschriften eingehalten, „könne er sich Schwierigkeiten durch den Überweisungsverkehr schwerlich vorstellen. Der Hebel müsse also hier angesetzt werden; dem Überweisungsverkehr könne man dann ganz oder fast ganz freies Spiel lassen". Daher sah er keine Veranlassung, „den bestehenden Zustand 869 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 281. 870 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 281. 871 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 282. 872 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 283 f. 873 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 284 f. 874 Kohler spielte auf die Liquiditätsvorschriften an, die im späteren § 16 KWG enthalten waren, s. o.Teil 4, F., VI.
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zu ändern, wenn nur die Liquiditätsbestimmungen beachtet würden' 4 . 8 7 5 Soweit § 3 1 K W G - E 1 die Erhebung von Gebühren regelte, zeigte er sich mit dem Entwurf jedoch einverstanden. 876 Auch Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) zeigte sich gegenüber dem Entwurf skeptisch. Wenngleich er eine weniger ablehnende Haltung als Kohler einnahm, gab er zu bedenken, daß der Umfang der Giralgeldschöpfung und die Folgen eines Mißbrauches nur sehr schwierig abzuschätzen seien. Er stellte die Frage, ob es nicht ausreiche - die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung unterstellt - , „wenn die Reichsbank oder das Bankenaufsichtsamt Vorschriften treffen könnten, die geeignet seien, diese Mißbräuche abzustellen?" 8 7 7 Offensichtlich konnte er sich mit der zwingenden Regelung des § 31 Abs. 2 K W G - E 1 nicht abfinden und gab einer flexibleren Lösung den Vorzug. Insgesamt, so Schwandt, sei bei der gesamten Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs „alle Vorsicht geboten". 8 7 8 Ausdrückliche Unterstützung erhielt Müller dagegen von Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium) und dem Referenten beim Reichskommissar Paersch, die sich beide ohne Vorbehalte für den Entwurf aussprachen. 879 Vor allem aber stellte sich Reichskommissar Ernst hinter die Reichsbank. Er begrüßte „die Vorschrift des § 31 in jeder Beziehung" und stellte darüber hinaus klar, „daß sie ihm eher nicht weit genug zu gehen scheine". 8 8 0 Der Entwurf könne die Gefahr der Giralgeldschöpfung stark eindämmen. Auch habe die Reichsbank „das größte Interesse" daran, Einblick in die Umsätze i m bargeldlosen Zahlungsverkehr zu gewinnen. Ganz entschieden sprach sich Ernst darüber hinaus für die Möglichkeit aus, zwangsweise Gebühren einführen zu können. In der Gebührenfrage müsse man „sehr scharf drücken und man werde nur weiterkommen, wenn man eine einheitliche Erhebung der Gebühren erzwinge". Dies sei eine der wenigen Möglichkeiten, um die Sollzinsen zu senken. Schließlich werde die vorgesehene Regelung die Schnelligkeit des Uberweisungsverkehrs erhöhen und liege damit i m Interesse der gesamten Bankenkundschaft. Ernst faßte seine Meinung dahingehend zusammen, „daß man den § 31 schlucken solle, wie er ist". Er sei daher dafür, dem Vorschlag der Reichsbank zu folgen. 8 8 1 875 Prot, der 6943, S. 287 f. 876 Prot, der 6943, S. 287. 877 Prot, der 6943, S. 289. 878 Prot, der 6943, S. 289 f. 879 Prot, der 6943, S. 285 f. 880 Prot, der 6943, S. 290.
ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /
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Waldeck schloß sich diesen Ausführungen an. Anders als Kohler könne er nicht einsehen, „daß durch diese Vorschriften irgendwelcher Schaden angerichtet werde". Auch Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) erklärte sich grundsätzlich mit dem Entwurf einverstanden. 882 Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) erklärte sich mit den materiellen Regelungen des § 3 1 K W G - E 1 ebenfalls einverstanden, äußerte aber Zweifel, ob die Reichsbank und das Aufsichtsamt die richtigen Stellen für die Umsetzung der Vorschrift seien. Es sei zu bedenken, daß insoweit nicht nur „bankmäßige, sondern allgemein volkswirtschaftliche Gesichtspunkte in Frage" kämen, die über die Zuständigkeit dieser Stellen hinausgehen könnten. Auch erschien ihm eine Beteiligung des Innenministeriums „außerordentlich erwünscht". 8 8 3 Demgegenüber verteidigte Ernst die Kompetenzen der Reichsbank und des Aufsichtsamtes. Das Bankgesetz sähe vor, daß die Regelung des Geldumlaufes Aufgabe der Reichsbank sei. Zudem sei der Sachverstand, der für die teilweise schwierige Umsetzung des § 31 K W G - E 1 erforderlich sei, i m Aufsichtsamt gebündelt vorhanden. 8 8 4 Zusammenfassend betrachtet hatte nur Kohler Einwände gegen § 31 K W G - E 1, soweit er die Regelung des Überweisungsverkehrs in § 31 Abs. 2 K W G - E 1 betraf. Auch Schwandt war insoweit skeptisch, schien jedoch kompromißbereiter zu sein als Kohler. Die übrigen Besprechungsteilnehmer billigten den Entwurf dagegen praktisch ohne Vorbehalte. Dementsprechend wurden keine ausdrücklichen Änderungen des § 31 K W G - E 1 beschlossen.
2. Die weitere Entstehung der §§ 28,29 KWG Wenngleich die Teilnehmer der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 16. März 1934 § 31 K W G - E 1 unangetastet ließen, erfuhr er gleichwohl in der Folgezeit eine Überarbeitung durch die Reichsbank und fand sich i m zweiten K W G Entwurf als § 32 K W G - E 2 wieder. Während § 32 Abs. 1 K W G - E 2 gegenüber § 31 Abs. 1 K W G - E 1 nur redaktionelle Änderungen aufwies, erhielt § 32 Abs. 2 K W G - E 2 eine klarere Fassung. Danach hatte sich gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 K W G - E 2 „ein unbarer Zahlungs- und Überweisungsverkehr zwischen
«si Prot, der ersten 6943, S. 290 ff. 882 Prot, der ersten 6943, S. 294 f. 883 Prot, der ersten 6943, S. 295 f. 884 Prot, der ersten 6943, S. 296 f.
Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /
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a) verschiedenen Kreditinstituten, b) verschiedenen vom Bankenaufsichtsamt festgelegten Bankbezirken ( . . . ) nur über die Reichsbank, die bei der Reichsbank errichteten Abrechnungsstellen und über die Postscheckämter zu vollziehen." Anders als i m § 31 Abs. 2 K W G - E 1 wurden nunmehr gemäß § 32 Abs. 2 S. 3 K W G - E 2 „die entsprechenden Anordnungen ( . . . ) vom Reichsbankdirektorium i m Einvernehmen mit dem Bankenaufsichtsamt erlassen". 8 8 5 Die Vorschriften über die Zulassung und die Auflösung von Giroeinrichtungen gemäß § 31 Abs. 3 und 4 K W G - E 1 fanden sich in § 32 Abs. 3 und 4 K W G - E 2 in unveränderter Fassung wieder. Schließlich regelte § 32 Abs. 5 K W G - E 2 die Gebührenfrage. Neben einer redaktionellen Neufassung enthielt die Bestimmung die neue Regelung, daß die Vorschriften zur Erhebung von Gebühren nur „ i m Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium" erlassen werden konnten. Insgesamt gesehen wies § 32 K W G - E 2 gegenüber § 31 K W G - E 1 in erster Linie nur redaktionelle Änderungen auf. Daneben wurde der Einfluß der Reichsbank erweitert, indem die Bildung von Bankbezirken und die Erhebung von Gebühren nur durch das Aufsichtsamt und das Reichsbankdirektorium gemeinsam erfolgen konnten. I m Zuge der Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. M a i 1934 erfuhr § 32 K W G - E 2 eine weitere Überarbeitung und wurde dabei in einigen wichtigen Punkten neu gefaßt. I m § 28 Abs. 1 K W G - E 3 entfiel der Hinweis, daß die Vorschrift der Durchführung der Aufgaben der Reichsbank dienen sollte. Nunmehr ermächtigte die Bestimmung „das Bankenaufsichtsamt ( . . . ) , Vorschriften zur Regelung des unbaren Zahlungsverkehrs zu erlassen, insbesondere a) zwischen den Mitgliedern der dem unbaren Zahlungsverkehr dienenden Verbände und sonstigen Einrichtungen, z. B. Girozentralen, genossenschaftliche Zentralkassen und die ihnen angeschlossenen Kreditinstitute u. dgl., b) zwischen verschiedenen Kreditinstituten und zwischen den Hauptniederlassungen und Zweigstellen derselben Kreditinstitute untereinander". § 28 Abs. 2 K W G - E 3 regelte die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über die Reichsbank, die in der Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 16. März 1934 den Hauptkritikpunkt dargestellt hatte. War § 31 Abs. 2 K W G - E 1 noch eine zwingende Regelung, so enthielt § 28 Abs. 2 K W G - E 3 nunmehr eine flexiblere Kann-Vorschrift. Danach konnte in den gemäß § 28 Abs. 1 K W G - E 3 885 Überdies definierte § 32 Abs. 2 S. 4 KWG-E 2 ausführlich, welche Unternehmen „als Kreditinstitute im Sinne der Ziffer a)" galten. Welche Gründe zur Aufnahme dieser Definition führten, ist ungewiß. Sie war vor dem Hintergrund der §§ 1 f. KWG (s. o., Teil 4, A.) entbehrlich und wurde in den späteren Entwürfen wieder fallengelassen.
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erlassenen Vorschriften „bestimmt werden, inwieweit der unbare Zahlungsverkehr nur über die Reichsbank, die bei der Reichsbank errichteten Abrechnungsstellen und über die Postscheckämter bewirkt werden darf. Für diesen Zweck können Bankbezirke gebildet werden." Die Frage der Erhebung von Gebühren war in § 28 Abs. 3 K W G - E 3 geregelt. Hier konnte das Bankenaufsichtsamt regeln, „daß im unbaren Zahlungsverkehr besondere Gebühren zu erheben sind, und die Höhe der Gebühren festsetzen." Die Gebühren sollten „für alle Kreditinstitute einheitlich festgesetzt werden". Die Neuzulassung von Gironetzen und die Auflösung bestehender Organisationen war nunmehr mit § 29 K W G - E 3 in einer eigenen Vorschrift geregelt. Gemäß § 29 Abs. 1 K W G - E 3 bedurfte „die Neuschaffung von Einrichtungen, die dem unbaren Zahlungsverkehr dienen, ( . . . ) der Erlaubnis durch den Reichskommissar". Gemäß § 29 Abs. 2 K W G - E 3 konnte dieser „Einrichtungen der in Abs. 1 bezeichneten Art, auch soweit sie bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits bestehen, die Fortführung des Geschäftsbetriebes untersagen und Anordnungen über die Abwicklung der Geschäfte treffen". Zusammenfassend betrachtet, betraf die wichtigste Änderung des § 28 K W G - E 3 gegenüber § 32 K W G - E 2 den § 28 Abs. 2 K W G - E 3. M i t der Formulierung dieser Bestimmung als Kann-Vorschrift entfiel die letzte zwingende Vorschrift über den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Somit stellten sich mit dem Erlaß des K W G auf dem Gebiet des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zunächst überhaupt keine Änderungen ein, da die gesamte i m Gesetz geregelte Materie der Umsetzung durch die Aufsichtsbehörden bedurfte. Damit kam § 28 Abs. 2 K W G - E 3 vor allem den Bedenken Schwandts entgegen, der sich insoweit für flexible Bestimmungen ausgesprochen hatte. 8 8 6 Überdies drängten §§ 28, 29 K W G - E 3 den Einfluß der Reichsbank auf die Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, der i m § 32 K W G - E 2 erst ausgedehnt worden war, wieder auf ein M i n i m u m zurück. Die Umsetzung der Bestimmungen lag allein in den Händen des Aufsichtsamtes bzw. des Reichskommissars, ohne daß ein Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium herbeigeführt werden m u ß t e . 8 8 7 Schließlich schaltete § 29 K W G - E 3 erstmals den Reichskommissar in die Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ein, indem er diesem die Zulassung und Untersagung der Gironetze übertrug. 8 8 8 Die §§ 28, 29 K W G - E 3 waren mit den §§ 28, 29 des späteren K W G bereits praktisch identisch und waren dementsprechend nicht mehr Gegenstand der Gesetzesberatungen. So erfuhr § 28 K W G - E 3 lediglich i m Abs. 3 S. 2 eine der Klarstel886 s. o., Teil 4,1., V., l.,b). 887 Zur Organisation des Aufsichtsamtes und dem Einfluß der Reichsbank auf dessen Entscheidungen s. u., Teil 4, J., I., 2. 888 Ausschlaggebend für diese Änderung dürfte die Erwägung gewesen sein, daß es sich bei der Zulassung und Untersagung dieser Einrichtungen um die Umsetzung des KWG in die tägliche Praxis handelte, die dem Reichskommissar oblag, vgl. u., Teil 4, J., II., 1.
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lung dienende redaktionelle Neufassung. Danach wurden die Gebühren des Zahlungsverkehrs nicht „einheitlich", sondern „nach einheitlichen Grundsätzen" festgesetzt. 8 8 9 § 29 Abs. 2 K W G - E 3 erhielt neben einer sprachlichen Neufassung 8 9 0 auch eine inhaltliche Änderung. Für die Umsetzung dieser Bestimmung war nicht mehr der Reichskommissar, sondern das Aufsichtsamt zuständig. 8 9 1 Diese Änderungen wurden aufgrund der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 in den Gesetzentwurf eingearbeitet. 8 9 2 Damit war die endgültige Fassung der §§ 28, 29 K W G gefunden.
VI. Resümee Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hatte der bargeldlose Zahlungsverkehr zunehmend an Bedeutung gewonnen. Bis 1934 hatte er einen derart großen Umfang erreicht, daß insbesondere die Reichsbank Gefahren für die Währungsstabilität befürchtete und danach trachtete, wieder den beherrschenden Einfluß auf die bargeldlosen Zahlungsströme zu gewinnen. Dabei wurde die Diskussion um die Ausdehnung des Buchgeldes und die damit einher gehende Giralgeldschöpfung durch die Tatsache belastet, daß der Umfang dieser Geldschöpfung und seine Auswirkungen auf die Währungsstabilität noch weitgehend unerforscht waren. Nicht zuletzt aus diesem Grund trat die Reichsbank von ihren ursprünglichen Plänen zurück, die auf eine radikale Umstellung und Beschränkung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs hinausliefen. Statt dessen legten sich die Reichsbank und die übrigen am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Stellen bei der Formulierung der §§ 28, 29 K W G große Zurückhaltung auf. Bereits § 31 K W G - E 1 hatte nur eine zwingende Vorschrift vorgesehen, indem er die Abwicklung des Zahlungsverkehrs über die Reichsbank und die Postscheckämter anordnete, i m Übrigen dagegen die Struktur der verschiedenen Gironetze unberührt ließ. Selbst dieser Eingriff in den Zahlungsverkehr war jedoch schließlich in § 28 K W G nicht mehr zwingend vorgesehen, sondern wurde in das Ermessen des Aufsichtsamtes gestellt. Insoweit war der Gesetzgeber zu der Einsicht gelangt, daß „eine Leitung des gesamten unbaren Zahlungsverkehrs über die Reichsbank ( . . . ) weder erwünscht noch notwendig" erschien. Vielmehr sollte erst die weitere Entwicklung des Zah889 Daneben wurde im § 28 KWG-E 3 das Wort „Bankenaufsichtsamt" durch „Aufsichtsamt" ersetzt. 890 So sprach die Bestimmung nicht mehr von der Untersagung der „Fortführung des Geschäftsbetriebs", sondern von der Untersagung der „Aufrechterhaltung von Einrichtungen der in Abs. 1 bezeichneten Art". 891 Diese Änderung ging auf eine Anregung Reinhardts in der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 zurück, s. Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 141. 892 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 233.
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lungsverkehrs unter der Geltung des K W G abgewartet werden, um dann ggf. regelnd eingreifen zu können. 8 9 3 Auch der Untersuchungsausschuß stellte in seinem Schlußbericht ausdrücklich fest, daß es verfehlt sei, „eine radikale Umstellung des unbaren Zahlungsverkehrs in Angriff zu nehmen. Der Ausschuß wünscht keine Maßnahmen, die lediglich Ausfluß überspitzter theoretischer Überlegungen sind, sondern wünscht Fehler abzustellen." Er trat ebenfalls dafür ein, mit großer Vorsicht an die Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs heranzugehen. Zwar sei „die Abwicklung des gesamten unbaren Zahlungsverkehrs ( . . . ) in den Einfluß der Reichsbank einzubeziehen". Dabei müsse jedoch darauf geachtet werden, „daß eine Rückentwicklung der bargeldlosen Zahlungsmethoden der vorhandenen Girokreise oder eine Beeinträchtigung ihrer Vorteile für das Publikum" vermieden w e r d e . 8 9 4 Insgesamt gesehen hatte sich die zurückhaltende Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durch die §§ 28, 29 K W G als richtig erwiesen. Anstatt auf der Grundlage ungesicherter Erkenntnisse in den Zahlungsverkehr einzugreifen und damit unter Umständen mehr zu schaden als zu nützen, entschied sich der Gesetzgeber, lediglich Rahmenvorschriften zu schaffen. Damit war er in der Lage, in Ruhe die weitere Entwicklung zu beobachten und, soweit erforderlich, schnell und zügig reagieren zu können. Tatsächlich zeigte sich in der Folgezeit, daß die in der Giralgeldschöpfung liegenden Gefahren offenbar erheblich überschätzt wurden bzw. mit den Mitteln der §§ 28, 29 K W G nicht zu beheben waren. 8 9 5 Denn das Aufsichtsamt stellte keinen Handlungsbedarf fest, so daß von den Ermächtigungen der §§ 28, 29 K W G niemals Gebrauch gemacht w u r d e . 8 9 6 Dementsprechend wurden die Bestimmungen bei der Neufassung des K W G i m Jahre 1961 ersatzlos fallengelassen.
J. Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, §§ 30 bis 44 K W G Die Vorschriften des K W G bedurften überwiegend der konkreten Umsetzung durch die Bankenaufsicht i m Verhältnis zu den einzelnen Kreditinstituten 8 9 7 oder gaben lediglich einen Rahmen v o r , 8 9 8 der von den Aufsichtsbehörden allgemein-
893 Vgl. Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 110. 894 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 28. 895 Insoweit stand § 16 KWG im Vordergrund. Vgl. auch Lindenlaub, Bankhistorisches Archiv 2000, S. 146 f. 896 Stucken, Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914- 1963, S. 114. 897 So etwa die Vorschriften des Konzessionssystems gemäß §§ 3 bis 7 KWG, s. o., Teil 4, B. 898 So etwa die Normativbestimmungen gemäß §§ 11 bis 17 KWG, s.o. Teil 4, F.
J. Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, §§30 bis 44 KWG
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gültig auszufüllen war. Das K W G als solches begründete daher noch keine wirksame Aufsicht, vielmehr bedurfte es der konkreten Anwendung und Ausgestaltung seiner Normen durch eigens dafür geschaffene Behörden. Angesichts der Grundentscheidung des Gesetzgebers, das K W G als sehr elastisches Rahmengesetz auszugestalten, 8 9 9 kam diesen Behörden entscheidende Bedeutung zu, da sie in der Praxis der Aufsicht über die Kreditinstitute erst die eigentliche Gestalt verliehen. M i t der Einrichtung und Organisation dieser Behörden sowie mit ihren Aufgaben und Befugnissen befaßten sich die § § 3 0 bis 44 K W G . Dabei konnte der Gesetzgeber an die entsprechenden Bestimmungen der Notverordnung vom 19. September 1931 anknüpfen, die zur Errichtung des Kuratoriums für das Bankgewerbe und des Reichskommissars für das Bankgewerbe geführt hatte. 9 0 0 Die Notverordnung hatte dem Kuratorium die Aufgabe zugewiesen, die Bankenaufsicht in grundsätzlichen Fragen zu prägen, während die praktische Durchführung der Aufsicht i m Verhältnis zu den einzelnen Banken dem Reichskommissar als ausführender Behörde zugewiesen war. Gleichzeitig arbeiteten der Reichskommissar und das Kuratorium eng zusammen, zumal letzteres auch die Richtlinien für die Tätigkeit des Reichskommissars aufstellte. Diese Grundstruktur der Bankenaufsicht hatte sich nach allgemeiner Auffassung bewährt 9 0 1 und wurde daher i m K W G grundsätzlich beibehalten. 9 0 2 So trat an die Stelle des bisherigen Kuratoriums für das Bankgewerbe das neue Aufsichtsamt für das Kreditwesen, 903 während der bisherige Reichskommissar für das Bankgewerbe nunmehr die Bezeichnung Reichskommissar für das Kreditwesen erhielt. 9 0 4 Diese grundsätzliche Struktur der mit dem K W G zu schaffenden Aufsicht war bei Aufnahme der Gesetzgebungsarbeiten nicht umstritten. Gleichwohl kam es zwischen den Vertretern der Reichsbank und denen der Reichsregierung während der Ausarbeitung der § § 3 0 ff. K W G zu härteren Auseinandersetzungen als i m gesamten übrigen Gesetzgebungsverfahren. Dies hing damit zusammen, daß die Vorschriften über die Aufsichtsbehörden mehr als alle anderen politische Bedeutung hatten. 9 0 5 Denn das K W G mit seinen weit reichenden Befugnissen räumte diesen Behörden eine erhebliche Machtstellung über die Kreditinstitute ein. Es erlaubte dem Träger der Aufsicht damit, das gesamte Kreditwesen dessen wirtschafts- oder allgemeinpolitischen Zielen weitgehend unterzuordnen. 899 s. o., Teil 2, E. 900 s.o.,Teil 1,C.,IV., l.,b). 901 Vgl. Paersch, S. 64 ff.; Zusammenfassung der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank über die Ergebnisse der Bankenenquete, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6919,S. 118f. 902 Ernst, Sparkasse 1935, S. 210f.; Fischer, KWG-Kommentar, S. 141. 903 Im folgenden: Aufsichtsamt. 904 im folgenden: Reichskommissar. Die ausführliche Bezeichnung war lediglich § 1 Abs. 4 KWG enthalten. Danach sprach das Gesetz stets vom „Reichskommissar". 905 Vgl. das Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.0176943, S. 299.
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Damit stellte sich die Frage, bei wem die Führung der Aufsicht über das Kreditwesen liegen sollte: bei der Reichsregierung oder bei der von dieser zunächst noch unabhängigen 9 0 6 Reichsbank? Die Reichsbank beanspruchte die führende Rolle bei der Beaufsichtigung der Kreditinstitute für sich selbst. Sie war der Auffassung, daß ihr „angesichts ihrer zentralen und verantwortungsvollen Stellung innerhalb des deutschen Bankwesens und der deutschen Wirtschaft die Führung bei der Ausübung der Bankenaufsicht" gebühre. Daher habe das neu zu errichtende Bankenaufsichtsamt „unter Führung des Reichsbankpräsidenten" zu stehen. Den Interessen der Reichsregierung könne dagegen, so die Reichsbank, „durch die Mitgliedschaft der beiden Staatssekret ä r e 9 0 7 beim Bankenaufsichtsamt" Rechnung getragen werden. 9 0 8 Dementsprechend wiesen auch die Vorschriften des ersten KWG-Entwurfs über das Aufsichtsamt und den Reichskommissar der Reichsbank eine Vorrangstellung zu, die es ihr erlauben sollte, ihre Auffassungen i m Zweifelsfall auch gegen den Willen der Reichsregierung durchsetzen zu können. Demgegenüber waren die Vertreter der Reichsregierung nicht bereit, die von der Reichsbank angestrebte VorreiterTolle bei der Führung der Bankenaufsicht anzuerkennen. Nachdem es bereits beim Erlaß der Notverordnung vom 19. September 1931 Auseinandersetzungen um die Rolle von Reichsbank und Reichsregierung i m Rahmen der Bankenaufsicht gegeben hatte, 9 0 9 kam diesem Aspekt gerade nach der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten gesteigerte Bedeutung zu. Denn diese erhoben den absoluten Führungsanspruch des Staates zu ihrer Maxime und strebten danach, ihn auf sämtlichen Gebieten - und damit auch für den Bereich des Kreditwesens - umzusetzen. Vor diesem Hintergrund trachtete die Reichsregierung ihrerseits danach, die Federführung bei der Aufsicht an sich zu ziehen. So verlangte Feder in der ersten Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 3. März 1 9 3 4 9 1 0 einen starken Einfluß der Reichsregierung auf die Bankenaufsicht. Auch Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) befürchtete, daß das Reich anderenfalls Hoheitsrechte preisgäbe, „zumal da der Reichsbankpräsident keine politische Verantwortung trage". 9 1 1 Die allgemeine Meinung ging in der Sitzung dahin, daß in Zweifelsfragen nicht die Reichsbank, sondern die Reichsregierung die letzte Entscheidungsbefugnis haben müsse. Zudem müsse der Reichskommissar von der
906 s. o., Teil 2, Α., I., 2. 907 Gemeint waren die Staatssekretäre des Reichsfinanz- und des Reichswirtschaftsministeriums. 908 Begründung zum Vorentwurf der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom August 1933, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 172. 909 S.o., Teil 1,C.,IV., l.,a). 910 An dieser Sitzung nahmen neben Reichskommissar Ernst nur Vertreter der verschiedenen Reichsministerien, nicht aber Vertreter der Reichsbank teil. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 2 .
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Reichsregierung bestellt werden. 9 1 2 Auch in der Folgezeit unterstrichen Vertreter der Reichsregierung 913 wiederholt, daß letztere die entscheidende Rolle in der Aufsicht über das Kreditwesen spielen müsse. So begründete das Reichsernährungsministerium seinen Rückzug aus den Gesetzesberatungen 914 mit der Erwägung, daß der Reichsregierung „eine starke Einflußnahme des die Wirtschaft leitenden Staates auf die Gestaltung der Kreditverhältnisse" nicht gewährt werde. Vielmehr mache der derzeit vorliegende Gesetzentwurf „die Reichsbank zu der für die Willensbildung entscheidenden Stelle". 9 1 5 I m Reichswirtschaftsministerium wurde die Auffassung vertreten, „daß die Stellung der Reichsregierung in der Bankaufsicht verstärkt werden m u ß . " 9 1 6 Schließlich stand auch die Reichskanzlei der vorgesehenen Errichtung des Aufsichtsamtes bei der Reichsbank 9 1 7 kritisch gegenüber, „da die Reichsbank keine politische Behörde" sei. Daher müsse „die Zweckmäßigkeit dieser Regelung besonders geprüft w e r d e n " . 9 1 8 Demnach trachteten sowohl die Reichsbank als auch die Reichsregierung danach, sich die Vorherrschaft bei der Ausübung der Bankenaufsicht zu sichern, so daß insoweit Konflikte vorprogrammiert waren. Die Entstehung der § § 3 0 ff. K W G war damit vor allem durch die Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der Reichsbank und der Reichsregierung in der Frage geprägt, in wessen Händen das Schwergewicht der Aufsicht liegen sollte.
I. Das Aufsichtsamt für das Kreditwesen, §§30 bis 32 KWG Der Zusammensetzung und Arbeitsweise des Aufsichtsamtes sowie seiner Aufgaben und Befugnisse widmeten sich die §§30 bis 32 K W G .
912 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 239. 913 Auch Funktionäre der NSDAP drangen auf einen starken Einfluß der Reichsregierung auf die Bankenaufsicht. So kritisierte der Reichsstatthalter in Braunschweig und Anhalt und Gauleiter in Magdeburg-Anhalt Loeper in einem Schreiben an Heß, daß „die Reichsbank unter Ausschaltung des Reichskanzlers und der Reichsregierung die alleinige und unantastbare Aufsicht über das Geld- und Kreditwesen ( . . . ) erhält". Schreiben vom 13. März 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 74. 9 14 s. o., Teil 2, D., I. 915 Stellungnahme des Reichsernährungsministers Darré zum Rückzug seines Ministerium aus den Gesetzesberatungen (s. o., Teil 2, D., I.) vom 27. April 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/243, S. 78. 9 16 Aktenvermerk des RWM vom 18. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 31.01/ 15480, S. 285. 917 s. u., Teil 4, J., I., 2., a), (1). 918 Vermerk der Reichskanzlei zum Schlußbericht des Untersuchungsausschusses vom 7. November 1934 (BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 126).
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1. Die grundsätzliche Bedeutung und Stellung des Aufsichtsamtes Dem Aufsichtsamt kam bei der Ausgestaltung der Aufsicht über die Kreditinstitute eine überragende Rolle zu, die sich an den § § 3 0 ff. K W G nur unvollkommen ablesen ließ. Denn seine Aufgaben und Befugnisse waren nicht nur in den § § 3 0 bis 32 K W G enthalten, sie verteilten sich vielmehr über das gesamte Gesetz. Das Schwergewicht seiner Tätigkeit lag darin, den durch das K W G für die Tätigkeit der Kreditinstitute gezogenen Rahmen auszufüllen. 9 1 9 So waren die Bestimmung der Eigenkapitalquote (§ 11 K W G ) , der Höchstkreditgrenze (§ 12 K W G ) und der Liquiditätsquoten (§§ 16, 17 K W G ) Sache des Aufsichtsamtes. Die Gestaltung der Bilanzschemata ( § 2 0 Abs. 2 K W G ) lag ebenso in seinen Händen wie der Erlaß von Bestimmungen über die Kündigung und die Anlage der Spareinlagen (§§ 23 Abs. 3, 24 Abs. 2 K W G ) . Auch die Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs war dem Aufsichtsamt zugewiesen (§§ 28, 29 K W G ) . 9 2 0 Aufgrund dieser Befugnisse oblag es dem Aufsichtsamt, der durch das K W G begründeten Aufsicht über die Kreditinstitute überhaupt erst einen konkreten Inhalt zu verleihen. Daraus erklärt sich die herausragende Stellung der Behörde, die „ i m Zentralpunkt der gesamten Neuordnung" stand. 9 2 1 Hatte das K W G somit die Befugnisse des Aufsichtsamtes i m Vergleich zu denen des Kuratoriums für das Bankgewerbe erheblich erweitert, so blieb gleichzeitig die Stellung des Amtes gegenüber den beaufsichtigten Kreditinstituten unverändert. Nach wie vor oblag dem Aufsichtsamt ausschließlich die grundsätzliche Ausgestaltung der Aufsicht. Dagegen trat es gegenüber den beaufsichtigten Kreditinstitute grundsätzlich nicht unmittelbar in Erscheinung 9 2 2 und hielt sich aus der laufenden Aufsichtsführung 9 2 3 fern. Auch das Verhältnis zwischen Aufsichtsamt und Reichskommissar nach dem K W G war grundsätzlich das gleiche wie aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931. Denn ebenso wie das Kuratorium für das Bankgewerbe war es Aufgabe des Aufsichtsamtes, die Richtlinien für die Amtsführung des Reichskommissars aufzustellen. Insgesamt gesehen war es somit die Aufgabe des Aufsichtsamtes, durch grundsätzliche, allgemeingültige Anordnungen den vom K W G gesteckten Rahmen auszufüllen und der Bankenaufsicht damit konkreten Inhalt zu verliehen. Damit stellte es das wichtigste Organ der Aufsicht über das Kreditwesen dar. In die laufende Durchführung des K W G war das Aufsichtsamt dagegen nicht eingeschaltet. 924 919 Bauer, S. 48. 920 Weitere, im allgemeinen weniger weitreichende Befugnisse zugunsten des Aufsichtsamtes enthielten die §§ 9 Abs. 3, 14 Abs. 7 und 8, 15, 26 und 36 KWG sowie die Übergangsund Schlußvorschriften gemäß §§ 51, 52, 54 und 55 KWG. 921 Fischer, KWG-Kommentar, S. 23. 922 Ausnahmen stellten die Funktion des Aufsichtsamtes als Beschwerdeinstanz gem. § 43 KWG sowie seine Befugnisse gemäß § 32 Abs. 1 S. 2 KWG dar. 923 Diese oblag dem Reichskommissar, s. u., Teil 4, J., II., 1. 924 Ernst, Sparkasse 1935, S. 210.
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2. Errichtung und Zusammensetzung des Aufsichtsamtes, § 30 KWG § 30 K W G regelte die Errichtung des Aufsichtsamt und seine Zusammensetzung. Die Vorschrift knüpfte grundsätzlich an die entsprechenden Bestimmungen der Notverordnung vom 19. September 1931 an, wich jedoch in bedeutenden Details von ihr ab.
a) §§ 32, 33 KWG-E 1 I m ersten KWG-Entwurf waren die dem späteren § 30 K W G entsprechenden Bestimmungen in den §§ 32, 33 K W G - E 1 enthalten.
(1) Der Inhalt des Entwurfs § 32 S. 1 K W G - E 1 ordnete als Grundregel an, daß „sämtliche inländische Banken und ihre Zweiganstalten ( . . . ) sowie die Niederlassungen ausländischer Banken in Deutschland ( . . . ) der Beaufsichtigung durch das bei der Reichsbank errichtete Bankenaufsichtsamt" unterlagen. § 32 S. 2 K W G - E 1 regelte die Zusammensetzung dieses Amtes. Demnach gehörten ihm ,,a) der jeweilige Präsident des Reichsbankdirektoriums als Vorsitzender; b) der jeweilige Vizepräsident des Reichsbankdirektoriums als stellvertretender Vorsitzender; c) ein Mitglied, welches der Reichskanzler besonders ernennt; c) ein Staatssekretär des Reichsfinanzministeriums; d) ein Staatssekretär des Reichswirtschaftsministeriums; e) ein vom Präsidenten des Reichsbankdirektoriums ernanntes weiteres Mitglied des Reichsbankdirektoriums; g) der Reichskommissar für das Bankgewerbe" an. § 33 K W G E 1 stellte fest, daß „der Vorsitzende und die Mitglieder des Bankenaufsichtsamts ( . . . ) für ihre Tätigkeit keine Vergütung" bezogen. M i t dieser Fassung der §§ 32, 33 K W G - E 1 übernahm die Reichsbank die entsprechenden Regelungen der Notverordnung vom 19. September 1931 praktisch unverändert. 9 2 5 Hier wie dort war die Errichtung des Kuratoriums bzw. des Aufsichtsamtes bei der Reichsbank vorgesehen. 926 Auch die vorgesehene Zusammensetzung des Aufsichtsamtes entsprach weitgehend der des Kuratoriums. Zwar war das Aufsichtsamt mit dem Vizepräsidenten des Reichsbankdirektoriums und dem vom Reichskanzler besonders ernannten Mitglied personell erweitert worden. Nach wie vor setzte sich das Aufsichtsamt neben dem Reichskommissar jedoch aus einer gleichen Anzahl von Vertretern der Reichsbank und der Reichsregierung zusammen. Schließlich hatte auch die Notverordnung vom 19. Septem925 Vgl. § ι Abs. 1, 2 der Notverordnung. 926 Weder das Kuratorium noch das Aufsichtsamt verfügten über einen eigenen Beamtenapparat. Vielmehr konnten sie, da sie bei der Reichsbank errichtet wurden, deren Personal für die Erfüllung ihrer Aufgaben in Anspruch nehmen. 25 s
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ber 1931 die unentgeltliche Tätigkeit der Mitglieder des Kuratoriums vorgesehen. 9 2 7
(2) Die Besprechung des Entwurfs i m Untersuchungsausschuß In der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934 widmeten sich dessen Mitglieder ausführlich dem § 32 K W G - E 1. Hier kam Schacht dem Wunsch des Vertreters des Reichsernährungsministeriums Backe entgegen, der die Entsendung eines Angehörigen seines Ministeriums in das Aufsichtsamt verlangte. 9 2 8 Darüber hinaus kam es bei der Erörterung des § 32 K W G - E 1 zu Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der Reichsbank und des die Reichsregierung repräsentierenden Reichswirtschaftsministeriums. So richteten die Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums i m Untersuchungsausschuß, Posse und Feder, massive Kritik gegen die vorgesehene Errichtung des Aufsichtsamtes bei der Reichsbank. Sie forderten, daß Aufsichtsamt dem Reichswirtschaftsministerium zu unterstellen, dem nach Auffassung Feders die Oberaufsicht über das Bankwesen o b l a g . 9 2 9 Posse fügte hinzu, dem Reichswirtschaftsministerium als federführendem Ministerium in den Fragen des Bankwesens dürften seine Aufsichtsbefugnisse nicht genommen werden. Dies sei aber der Fall, wenn das Ministerium lediglich einen Staatssekretär in das Aufsichtsamt entsende. 9 3 0 Demgegenüber wies Schacht die Forderungen von Posse und Feder entschieden zurück. Das Aufsichtsamt sei als völlig selbständige Behörde gedacht, die lediglich dem Reichskanzler unterstehe. 931 Neben Schacht verteidigte auch Keppler die in dem Entwurf vorgesehene Errichtung des Aufsichtsamtes bei der Reichsbank. Er argumentierte, daß die Reichsbank mit dem Bankwesen und dem Geldmarkt in engerer Verbindung stünde als das Reichswirtschaftsministerium. Zudem stellte er den Führungsanspruch des Reichswirtschaftsministeriums gegenüber dem Bankwesen in Abrede, indem er darauf verwies, das auch die Reichsbank nicht dem Reichswirtschaftsministerium unterstellt s e i . 9 3 2 Daneben versuchte vor allem Schacht, die Bedenken Feders und Posses auszuräumen. Er wies darauf hin, daß den Einflußnahmemöglichkeiten des Finanz- und 927
Vgl. § 1 Abs. 5 der Notverordnung. Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses Lichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 282. 929 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses Lichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 282. 930 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6939, S. 282 f. 931 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses Lichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 282, 283. 932 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses Lichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 283. 928
vom 27. Februar 1934, BA Berlinvom 27. Februar 1934, BA Berlinvom 27. Februar 1934, BA Berlinvom 27. Februar 1934, BA Berlinvom 27. Februar 1934, BA Berlin-
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Wirtschaftsministeriums dadurch Rechnung getragen worden sei, daß diese Ministerien je einen Staatssekretär in das Aufsichtsamt entsendeten, der die Ansicht der Ministerien vertreten könne. Er könne sich keinen Leiter des Bankenaufsichtsamtes vorstellen, der über die Bedenken eines der Staatssekretäre hinweggehe, ohne mit dem zuständigen Minister Kontakt aufzunehmen. 9 3 3 Schacht hielt damit die Interessen der Reichsregierung für ausreichend gewahrt. Auch Reinhardt war der Ansicht, daß das Bankenaufsichtsamt nichts beschließen könne, was gegen den Willen eines Ministeriums w ä r e . 9 3 4 Nichtsdestotrotz hielten Feder und Posse an ihrer Kritik fest. Feder behielt sich vor, die Stellung des Aufsichtsamtes noch einmal mit dem Reichswirtschaftsminister zu besprechen, 935 während Posse beabsichtigte, einen Gegenentwurf zu § 32 K W G - E 1 zu erstellen, der als Alternativvorschlag dem Kabinett vorgelegt werden sollte. 9 3 6 Somit wurde in dieser Sitzung über die Stellung des Aufsichtsamtes keine Einigung erzielt.
(3) Die Besprechung des Entwurfs i m Reichswirtschaftsministerium Die Besprechungsrunde i m Reichswirtschaftsministerium widmete sich den §§ 32, 33 K W G - E 1 in der Sitzung vom 21. März 1934. Offenbar hatte der i m Untersuchungsausschuß geführte Streit um die grundsätzliche Stellung des Aufsichtsamtes - Errichtung als selbständige Behörde bei der Reichsbank oder Unterstellung unter das Reichswirtschaftsministerium - zwischenzeitlich eine Klärung erfahren. Denn die in § 32 S. 1 K W G - E 1 vorgesehene Bildung des Bankenaufsichtsamtes bei der Reichsbank wurde nicht mehr bestritten. Vielmehr widmete sich die Besprechung Detailfragen des § 32 K W G - E 1 . 9 3 7 So wurde neben einigen redaktionellen Änderungen des § 32 S. 2 K W G - E 1 endgültig die Aufnahme eines Staatssekretärs des Reichsernährungsministeriums in das Aufsichtsamt beschlossen, wie Schacht es bereits in der Sitzung des Untersuchungsausschusses in Aussicht gestellt hatte. 9 3 8 Darüber hinaus wurden Regelungen zur Frage der Stellvertretung der Mitglieder des Aufsichtsamtes erörtert, da 933
Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 283. 934 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 284. 935 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 284. 936 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6939, S. 284. 937 Zu § 33 KWG-E 1 wurden keine Änderungswünsche vorgebracht, s. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 310. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 3 .
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§ 32 K W G - E 1 insoweit keine Bestimmungen enthielt. Dem Vorschlag Ministerialdirigent Waldecks (Reichswirtschaftsministerium), daß sich die Staatssekretäre der verschiedenen Reichsministerien sowie der Reichskommissar „ i m Falle der Verhinderung durch einen Beamten ihrer Behörde vertreten lassen" könnten, wurde allgemein zugestimmt. 9 3 9 Bezüglich der Frage der Stellvertretung der Mitglieder des Reichsbankdirektoriums behielt sich Reichsbankdirektor Müller Rücksprache in seinem Hause vor 9 4 0 Über diese Fragen hinaus wurden keine Änderungen der §§ 32, 33 K W G - E 1 vorgenommen, so daß die Bestimmungen weitgehend unverändert blieben.
b) §§ 33, 34 KWG-E 2 Der zweite KWG-Entwurf setzte mit § 33 K W G - E 2 die in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses und des Reichswirtschaftsministeriums beschlossenen Änderungen des § 32 K W G - E 1 um. Da an der Errichtung des Aufsichtsamtes bei der Reichsbank festgehalten wurde, blieb § 33 S. 1 K W G - E 2 gegenüber § 32 S. 1 K W G - E 1 unverändert. 941 Der Kreis der Mitglieder des Aufsichtsamt war nunmehr gemäß § 33 S. 2 f.) K W G - E 2 um den Staatssekretär des Reichsernährungsministeriums erweitert worden. Darüber hinaus regelte der neu geschaffene § 33 Abs. 2 K W G - E 2 die Stellvertretung der Mitglieder des Aufsichtsamtes. Dem Vorschlag Waldecks entsprechend, konnten sich die Staatssekretäre der Reichsministerien sowie der Reichskommissar „ i m Falle der Behinderung durch einen Beamten ihrer Behörde vertreten lassen". Auch die Frage der Vertretung der Angehörigen der Reichsbank war nunmehr weitgehend geregelt. § 33 Abs. 2 K W G - E 2 sah insoweit vor, daß sich der Präsident und der Vizepräsident des Reichsbankdirektoriums durch das i m Aufsichtsamt vorgesehene „weitere Mitglied des Reichsbankdirektoriums" vertreten lassen konnten. Ungeklärt blieb hingegen die Stellvertretung dieses Mitgliedes sowie die des vom Reichskanzler besonders ernannten Mitgliedes. Schließlich übernahm § 34 K W G E 2 die Fassung des § 33 K W G - E 1 in unveränderter Form.
c) Die weitere Entstehung des § 30 KWG Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. M a i führten zu keinen inhaltlichen Änderungen des Entwurfs. Lediglich die Frage der 939
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 309. 940 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 309 f. 941 Lediglich der Begriff „Banken" wurde durch „Kreditinstitute" ersetzt.
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Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsamtes wurde nicht mehr in einem eigenem Paragraphen geregelt. Nunmehr übernahm der neu geschaffene § 30 Abs. 3 K W G E 3 die Regelung des § 34 K W G - E 2 . 9 4 2 A u f der Schlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 24. M a i 1934 wurde erneut die Frage der Stellvertretung der Mitglieder des Aufsichtsamtes aufgegriffen. Dabei fand die in § 33 Abs. 2 K W G - E 2 vorgesehene Stellvertretung des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Reichsbankdirektoriums durch das „weitere Mitglied des Reichsbankdirektoriums" keine Billigung. Daher wurde festgestellt, daß diese Frage „ein ,strittiger Punkt' sei, der in einer Chefbesprechung geklärt werden müsse". 9 4 3 Obgleich somit in der Schlußbesprechung keine Änderungen beschlossen wurden, erfuhr § 30 K W G - E 3 bis zur Sitzung des Untersuchungsausschusses am 4. Oktober 1934 eine weitere Überarbeitung. Neben einigen redaktionellen Änder u n g e n 9 4 4 wurde nunmehr eine weitere Regelung zur Stellvertretung des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Reichsbankdirektoriums, die gleichzeitig als Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsamtes fungierten, gefunden. Danach war vorgesehen, daß „ i m Falle gleichzeitiger Verhinderung des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden ( . . . ) derjenige Staatssekretär [den Vorsitz führt], der dem Dienstalter nach und bei gleichem Dienstalter der Geburt nach der älteste ist". Anders als in den vorherigen Entwürfen lag somit die Stellvertretung der Leiter des Aufsichtsamtes nicht mehr in den Händen der Reichsbank, sondern wurde von einem Vertreter der Reichsregierung wahrgenommen. Diese Regelung war offenbar für alle beteiligten Stellen tragbar, da sie bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens nicht mehr geändert wurde. Die überarbeitete Fassung des § 30 K W G - E 3 lag den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses auf der Sitzung vom 4. Oktober 1934 als § 31 K W G - E 4 vor. Hier wurde ein weiteres M a l eine Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsamtes beschlossen. So schlug der Vertreter des Reichsfinanzministeriums Reinhardt vor, künftig kein „weiteres Mitglied des Reichsbankdirektoriums" mehr i m Aufsichtsamt vorzusehen und auch den Reichskommissar aus diesem Gremium auszuschließen. 945 Die Anregung zum Ausschluß des Reichskommissars aus dem Aufsichtsamt hatte Reinhardt offenbar von seinem Mitarbeiter Ministerialrat Schwandt erhalten, der das Finanzministerium während der Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vertreten hatte. Dabei hatte Schwandt kritisiert, daß 942
Damit war bereits die Endfassung des späteren § 30 Abs. 5 KWG gefunden. Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6941.S. 120. 944 So wurde etwa im § 30 Abs. 1 S. 1 KWG-E 3 die Bezeichnung „Bankenaufsichtsamt" durch die Bezeichnung „Aufsichtsamt für das Kreditwesen" ersetzt. Damit lag die Fassung des späteren § 30 Abs. 1 KWG vor. 945 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 140. 943
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der Reichskommissar in seiner Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsamtes auch Mitglied der Instanz sei, die über Beschwerden gegen Entscheidungen und Anordnungen des Reichskommissars zu entscheiden hatte. 9 4 6 Dies, so Schwandt, „widerspreche jeder sonstigen prozessualen Regelung." 9 4 7 Schacht erklärte sich mit dem Vorschlag Reinhardts einverstanden. 948 Allerdings bestand er darauf, daß dem Reichskommissar das Recht zugestanden wurde, auch künftig an den Sitzungen des Aufsichtsamtes teilzunehmen, und verlangte nach einem entsprechenden Zusatz in § 31 K W G - E 4 . 9 4 9 Diese Lösung gewährleistete, daß sich das Aufsichtsamt bei seiner Arbeit die praktischen Erfahrungen des Reichskommissars nutzbar machen k o n n t e . 9 5 0 Darüber hinaus wurden keine weiteren Änderungen des § 31 K W G - E 4 beschlossen. Die Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 setzte den Vorschlag Reinhardts und Schachts um. Demnach waren i m § 30 Abs. 2 9 5 1 K W G - E 5 ein „weiteres Mitglied des Reichsbankdirektoriums" und der Reichskommissar nicht mehr als Mitglieder des Aufsichtsamtes vorgesehen. Dafür gestand der neu eingefügte § 30 Abs. 3 K W G - E 3 dem Reichskommissar das Recht zu, „an allen Sitzungen und Beschlußfassungen des Aufsichtsamts mit beratender Stimme teilzunehmen". Schließlich erhielt auch die Frage der Stellvertretung ihre endgültige Regelung. Konnten sich gemäß § 30 Abs. 2 S. 1 K W G - E 4 neben dem Reichskommissar nur die Staatssekretäre „durch einen Beamten ihrer Behörde vertreten lassen", so galt dies nunmehr für sämtliche Mitglieder des Aufsichtsamtes. 9 5 2 Die Fassung, die die Referentenbesprechung dem § 30 K W G - E 5 gegeben hatte, entsprach weitgehend der späteren gesetzlichen Regelung. Gleichwohl wurde noch ein letztes Mal eine Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsamtes vorgenommen. Die Entscheidung zu dieser letzten Änderung ging auf das Ergebnis der abschließenden Chefbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium am 30. November 1934 zurück. Hier rügte der Staatssekretär des Reichsinnenministeriums 946 Die Funktion des Aufsichtsamtes als Beschwerdeinstanz war in § 43 KWG geregelt, s. u., Teil 4, J., III. 947 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 303. 948 Unklar ist, warum Schacht in seiner Eigenschaft als Reichsbankpräsident den mit dem Vorschlag einher gehenden Bedeutungsverlust der Reichsbank im Rahmen des Aufsichtsamtes widerspruchslos hinnahm. Möglicherweise hielt Schacht diese Verlust für hinnehmbar, da er mittlerweile zum Reichswirtschaftsminister ernannt worden war, vgl. o., Teil 2, C., II. 949 p r ot. der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 140. 9
50 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 111.
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Die Aufzählung der Mitglieder des Aufsichtsamtes war mittlerweile in einem eigenen Absatz enthalten. 952 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 233. Die Regelung der Stellvertretung bei gleichzeitiger Verhinderung des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsamt blieb davon unberührt.
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Grauert, daß sein Ministerium nicht an den Gesetzesberatungen beteiligt gewesen s e i , 9 5 3 obwohl es als oberste Aufsichtsbehörde über die Gemeinden und damit über die Gewährträger der Sparkassen ebenfalls von dem Gesetz betroffen war 9 5 4 Auch der bayerische Innenminister Wagner, der gleichzeitig Mitarbeiter i m Stab von Heß war, kritisierte in dieser Eigenschaft den § 30 K W G - E 5. Wie bereits Feder und Posse zu Beginn des Gesetzgebungsverfahren forderte er, das Aufsichtsamt nicht dem Reichsbankpräsidenten, sondern dem Reichswirtschaftsminister zu unterstellen. Denn der Reichsbankpräsident unterstehe „nicht unmittelbar der Reichsregierung, da er auf Grund der heute noch bestehenden Rechtslage unabhängig" sei, während der Reichswirtschaftsminister „der Reichsregierung und damit dem Staatsoberhaupt unmittelbar verantwortlich" sei. Überdies forderte Wagner, neben den übrigen Mitgliedern einen Mitarbeiter des „Stellvertreters des Führers" in das Aufsichtsamt zu entsenden. 955 Es gelang Schacht, die Forderungen Wagners zurückzuweisen, so daß der § 30 K W G - E 5 insoweit unverändert blieb. Indessen kam er der Kritik Grauerts entgegen, indem die Endfassung in § 30 K W G schließlich vorsah, daß auch „ein Staatssekretär des Reichsministerium des Innern" dem Aufsichtsamt angehörte. Damit schwoll das Gremium auf sieben Mitglieder an. Die endgültige Fassung des § 30 K W G war somit erst nach der Chefbesprechung vom 30. November 1934 - unmittelbar vor der Verabschiedung des Gesetzes am 5. Dezember 1934 - gefunden worden. d) Resümee Das Aufsichtsamt löste das bisher bestehende Kuratorium für das Bankgewerbe a b . 9 5 6 Beide Gremien unterschieden sich nicht grundlegend in ihrer Stellung i m Staatsaufbau. Ebenso wie das Kuratorium wurde auch das Aufsichtsamt bei der Reichsbank errichtet. Die Vertreter der Reichsregierung, insbesondere Feder, Posse und Wagner, konnten sich daher nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, das Aufsichtsamt unmittelbar dem Reichswirtschaftsministerium und damit der Reichs953 Bericht des bayerischen Innenministers Wagner über die Chefbesprechung, BA BerlinLichterfelde, NS 6, Nr. 395, S. 12. 954 Vgl. den Bericht des bayerischen Innenministers Wagner über die Chefbesprechung, BA Berlin-Lichterfelde, NS 6, Nr. 395, S. 12. 955 Vgl. den Bericht des bayerischen Innenministers Wagner über die Chefbesprechung, BA Berlin-Lichterfelde, NS 6, Nr. 395, S. 13 f. Diese Forderung entsprach offensichtlich reinem Selbstzweck, da Wagner sich selbst gegenüber Heß als Mitglied des Aufsichtsamtes vorschlug. 956 Mit der Verabschiedung des § 30 KWG war die Errichtung des Aufsichtsamtes abgeschlossen. Soweit ersichtlich, nahm das Amt nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1935 seine Arbeit auf, ohne daß dem ein weiterer staatlicher Gründungsakt vorausging. Auch die „Erste Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen" vom 9. Februar 1935 (RGBl. I, S. 205) enthielt keine Bestimmungen, die sich mit der Einrichtung oder Organisation des Aufsichtsamtes befaßten.
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regierung zu unterstellen. Die Errichtung des Aufsichtsamtes bei der Reichsbank hatte vor allem den Vorteil, daß die Reichsbank das A m t bei der Erfüllung seiner Aufgaben mit ihren zahlreichen Zweigstellen und ihrer umfangreichen volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung wirksam unterstützen konnte. 9 5 7 Überdies genoß die Reichsbank das Vertrauen der mit ihr zusammen arbeitenden Kreditinstitute, so daß die Angliederung des Aufsichtsamtes an die Reichsbank sicherlich dazu beitrug, die Akzeptanz des K W G zu erhöhen. Blieb somit die grundsätzliche Stellung des Aufsichtsamtes i m Vergleich mit dem Kuratorium für das Bankgewerbe unangetastet, so unterschied sich die Zusammensetzung der beiden Gremien erheblich. Das Kuratorium hatte aus fünf Mitgliedern bestanden, wobei die Vertreter der Reichsbank und der Reichsregierung gleich stark vertreten waren, da der Reichskommissar insoweit eine neutrale Stellung inne hatte. 9 5 8 Dagegen umfaßte das Aufsichtsamt, obwohl der Reichskommissar aus ihm ausschied, sieben Mitglieder. Davon waren zwei Personen Repräsentanten der Reichsbank, die übrigen fünf Mitglieder vertraten die Reichsregierung. Obgleich der Vorsitz i m Aufsichtsamt bei Reichsbankpräsidenten verblieb, hatte sich damit der Einfluß der Regierung auf die Bankenaufsicht erheblich ausgedehnt, während der Einfluß der Reichsbank zurückging. Diese Entwicklung prägte die gesamte Entstehungsgeschichte des § 30 K W G . Hatte § 32 K W G - E 1 noch eine paritätische Besetzung des Aufsichtsamtes mit Vertretern der Reichsbank und der Reichsregierung vorgesehen, so gelang es den Repräsentanten der Reichsregierung, deren Einfluß auf das Aufsichtsamt bis unmittelbar vor Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens immer weiter auszudehnen. Die Entstehung des § 30 K W G spiegelt damit die Auseinandersetzungen zwischen Reichsbank und Reichsregierung in der Frage der Führung der Bankenaufsicht deutlich wieder.
3. Geschäftsführung des Aufsichtsamtes, § 31 KWG § 31 K W G enthielt Vorschriften über die Geschäftsführung des Aufsichtsamtes und regelte vor allem, nach welchem Verfahren die „Entscheidungen und sonstigen Verfügungen" des Amtes zustande kamen.
a) § 34 KWG-E 1 Fragen der Geschäftsführung des Aufsichtsamtes waren i m ersten KWG-Entwurf i m § 34 geregelt. 957 Begründung zum Vorentwurf der Reichsbank vom August 1933, S. 173. Tatsächlich fungierte als „Büro des Aufsichtsamts für das Kreditwesen" die volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank (Döring, Die Bank 1935, S. 1787). 9 58 s.o., Teil 1,C.,IV., l.,c).
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(1) Der Inhalt des Entwurfes § 34 Abs. 1, l.HS K W G - E 1 sah vor, daß „der Vorsitzende des Bankenaufsichtsamts ( . . . ) die Geschäfte innerhalb der nachstehenden Bestimmungen" leitete. Gemäß § 34 Abs. 1 2. HS K W G - E 1 setzte er „die Richtlinien für die Tätigkeit des Bankenaufsichtsamts und des Reichskommissars für das Bankgewerbe nach Beratung mit den Mitgliedern des Bankenaufsichtsamts und auf Grund der Vorschriften dieses Gesetzes fest". § 34 Abs. 2 K W G - E 1 enthielt die Bestimmung, daß das Bankenaufsichtsamt mindestens einmal monatlich zur Beratungen zusammenzutreten hatte, wobei die Verhandlungen „protokollarisch niederzuschreiben" waren. Die Formulierung des § 34 K W G - E 1 sicherte der Reichsbank den beherrschenden Einfluß auf die Ausübung der Bankenaufsicht. Das Kuratorium für das Bankgewerbe war ein Kollegialorgan gewesen, daß seine Beschlüsse nach dem Mehrheitsprinzip gefaßt hatte. 9 5 9 Überdies sah § 2 Abs. 1 der Notverordnung vom 19. September 1931 bezüglich der Befugnis des Kuratoriums, die Richtlinien für die Amtsführung des Reichskommissars aufzustellen, in Zweifelsfällen die Entscheidung der Reichsregierung vor. Grundsätzlich hatten somit Reichsbank und Reichsregierung i m Kuratorium das gleiche Gewicht, in bestimmten Fällen war sogar die Reichsregierung ausschlaggebend. I m § 34 K W G - E 1 war von einer derartig ausgewogenen Verteilung der Befugnisse keine Rede mehr. Vielmehr hatte der Reichsbankpräsident die alleinige Entscheidungsbefugnis bei der Festlegung der Richtlinien für die Tätigkeit des Aufsichtsamtes und des Reichskommissars, während die übrigen Mitglieder nur eine beratende Funktion hatten. Auch eine Zweifelsfallregelung war nicht vorgesehen. Die Führung der Bankenaufsicht lag damit weitgehend in den Händen der Reichsbank. Zugleich setzte die Reichsbank mit der Formulierung des § 34 K W G - E 1 das nationalsozialistische Führerprinzip um, indem sie dem Reichsbankpräsidenten derart umfassende Vollmachten gab. Möglicherweise hoffte die Reichsbank, mit dieser ideologischen Formulierung auf Akzeptanz bei den Vertretern der Reichsregierung zu stoßen. In jedem Fall aber verdeutlicht § 34 K W G - E 1 das Bestreben der Reichsbank, die Führung der Bankenaufsicht allein an sich zu ziehen.
(2) Die Besprechung des Entwurfs i m Reichswirtschaftsministerium A u f der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 21. März 1934 wurde § 34 K W G - E 1 sehr ausführlich besprochen. Dabei drehte sich die Debatte i m Kern um die Frage, nach welchem Verfahren die Entscheidungen des Aufsichtsamtes zustanden kommen sollten und ob dabei der Reichsregierung oder der Reichsbank der Vorrang zu gewähren sei.
959 Vgl. das Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.0176943, S. 317.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
So wies Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium) einleitend darauf hin, daß sich bezüglich der Formulierung des § 34 K W G - E 1 „Schwierigkeiten" zwischen dem Reichswirtschaftsministerium und der Reichsbank ergeben hatten. Offenbar war das Reichswirtschaftsministerium nicht bereit, der Reichsbank die alleinige Führung der Bankenaufsicht zu überlassen, wie es § 34 K W G E 1 vorsah. Dementsprechend hatte Waldeck bereits i m Vorfeld der Sitzung vorgeschlagen, hinter § 34 Abs. 1, 2. HS K W G - E 1 den Zusatz „vorbehaltlich der Zustimmung der Reichsregierung in Zweifelsfällen" einzufügen. Dieser Vorschlag hatte die Zustimmung Posses gefunden, der das Reichswirtschaftsministerium i m Untersuchungsausschuß vertrat, und auch Schacht hatte sich mit dieser Regelung abgefunden. 9 6 0 Nachdem Waldeck diese Entwicklung geschildert hatte, wurde diskutiert, ob i m Gesetz zu regeln sei, wann ein „Zweifelsfall" i m Sinne seines Vorschlages vorliege. Waldeck und Reichsbankdirektor Müller stimmten der Ansicht Ministerialrat Quassowskis (Reichsernährungsministerium) zu, wonach ein Zweifelsfall immer dann vorläge, wenn ein Minister in einer Angelegenheit, die sein Ressort betreffe, mit den Vorschlägen des Aufsichtsamtes nicht einverstanden s e i . 9 6 1 Diese Auslegung entspreche auch der Auffassung von Reichsbankpräsident Schacht. Dieser habe bereits ausdrücklich erklärt, daß ein Staatssekretär, der seine Interessen nicht geschützt sehe, sich jederzeit an seinen Minister wenden und damit eine Entscheidung der Reichsregierung herbeiführen könne. Eine genauere Definition des Begriffs „Zweifelsfall" i m Gesetz sei daher nicht erforderlieh.962 Demgegenüber wollten sich Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) und Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) nicht mit dem Vorschlag Waldecks zufrieden geben. Schwandt hielt es für zweckmäßiger, die Formulierung „vorbehaltlich der Zustimmung der Reichsregierung, sofern es ein Staatssekretär beantragt" zu wählen. Auch Quassowski (Reichsjustizministerium) war der Ansicht, daß die bloße Aufnahme des Begriffs „Zweifelsfall" ohne nähere Definition nicht erschöpfend s e i . 9 6 3 Offenbar mißtrauten beide der Zusage Schachts, auf Verlangen eines Staatssekretärs werde das Aufsichtsamt seine Entscheidungen der Reichsregierung überlassen. Sie trachteten danach, den erheblichen Einfluß, den die Zweifelsfallregelung der Reichsregierung auf das Aufsichtsamt einräumte, durch eine genaue gesetzliche Regelung abzusichern.
960 Prot, der 6943, S. 308. 961 Prot, der 6943, S. 308. 962 Prot, der 6943, S. 308. Prot, der 6943, S. .
ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /
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Gleichwohl sprach sich Waldeck „ m i t Rücksicht auf die Schwierigkeiten dieser Frage" dafür aus, es bei seinem Vorschlag zu belassen. Vielmehr solle die Definition des Begriffs „Zweifelsfall" in einem Vermerk zum Protokoll der Kabinettssitzung vermerkt werden, auf der das K W G verabschiedet werde. Eine gesetzliche Regelung sei kaum erforderlich. 9 6 4 Nach der Erörterung der Zweifelsfallregelung wandten sich die Besprechungsteilnehmer der Frage zu, inwieweit neben dieser Bestimmung daß in § 34 K W G E 1 vorgesehene Führerprinzip gelten solle. In diesem Zusammenhang war vor allem fraglich, welche Funktionen den i m § 34 K W G - E 1 vorgesehenen „Richtlinien für die Tätigkeit des Bankenaufsichtsamts" zukommen solle. So war Quassowski (Reichsernährungsministerium) der Auffassung, daß erst diese Richtlinien dem Gesetz seinen eigentlichen Inhalt gäben, da dieses i m Laufe der Beratungen immer mehr zu einem Rahmengesetz geworden sei. Beim Erlaß dieser Richtlinien dürfe daher nicht das Führerprinzip gelten, vielmehr müßten die Mitglieder des Aufsichtsamtes insoweit kollegial entscheiden. Die übrigen Entscheidungen solle dagegen der Vorsitzende des Aufsichtsamtes nach dem Führerprinzip allein fäll e n . 9 6 5 Demgegenüber vertrat Ernst die Ansicht, daß i m § 34 K W G - E 1 in Verbindung mit der Zweifelsfallregelung der Einfluß der Reichsregierung bereits i m ausreichendem Maße sicher gestellt sei. Differenzierterer gesetzlicher Regelungen über die Beschlußfassung des Amtes bedürfe es daher n i c h t . 9 6 6 Wieder einen anderen Vorschlag machte Ministerialdirigent Berger (Reichsfinanzministerium). Die Frage, nach welchem Verfahren die Entscheidungen des Aufsichtsamtes zustande kämen, könne in einer eigener Richtlinie, die das A m t selbst erlasse, geregelt werden. Bei der Aufstellung dieser Richtlinie wären die Reichsressorts dann in der Lage, ihre Wünsche durchsetzen. 967 Waldeck stimmt diesem Vorschlag z u . 9 6 8 Diese Äußerungen zeigen, welche Unklarheit über Inhalt und Funktion der Richtlinien i m Sinne des § 34 K W G - E 1 bestand. So war Quassowski (Reichsernährungsministerium) der Meinung, die Richtlinien dienten dazu, den i m K W G vorgegebenen gesetzlichen Rahmen mit materiellen Bestimmungen auszufüllen. Berger und Waldeck sahen dagegen in ihnen das geeignete Mittel, um das Verfahren der Entschlußfassung innerhalb des Aufsichtsamtes zu regeln. Zur Beseitigung
964 Prot, der 6943, S. 308 f. 965 Prot, der 6943, S. 313. 966 Prot, der 6943, S. 313. 967 Prot, der 6943, S. 313. Prot, der 6943, S. 3 3 .
ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /
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dieser Unsicherheiten bat Waldeck darum, praktische Beispiele zu geben, „was eigentlich die Richtlinien enthalten sollten". 9 6 9 Daraufhin unterbreitete Emst einen Vorschlag, der an die Ausführungen Bergers anknüpfte. Er könne sich den Inhalt der Richtlinien nur so vorstellen, daß in ihnen festgelegt sei, in welchen Fällen das Aufsichtsamt nach dem Kollegialprinzip und in welchen nach dem Führerprinzip zu entscheiden habe. Die Richtlinien, auf deren Inhalt j a die Reichsregierung Einfluß nehmen könne, müßten somit die Geschäftsordnung des Amtes enthalten. Die Zweifelsfallregelung würde demnach nur noch i m Verfahren zum Erlaß der Richtlinien Platz greifen. 9 7 0 Quassowski (Reichsernährungsministerium) äußerte Kritik an diesem Vorschlag. Die Richtlinien würden, wenn sie das Verfahren zur Beschlußfassung regelten, das Aufsichtsamt zu sehr einengen, die Schlagkraft des Gesetzes würde dadurch geschwächt. 9 7 1 Daraufhin unterbreitete Ernst einen neuen Vorschlag. Es sei möglicherweise besser, die Richtlinien für das Aufsichtsamt gar nicht i m Gesetz zu erwähnen und die Frage der Entscheidungsfindung der praktischen Entwicklung zu überlassen. Notfalls könne dies immer noch in späteren Durchführungsbestimmungen geregelt werden. Damit habe das Gesetz die erforderliche Elastizität bei der Durchführung der Bankenaufsicht. 9 7 2 M i t diesem Vorschlag machte Ernst zudem deutlich, daß er der ideologischen Frage, inwieweit i m § 34 K W G - E 1 das Führerprinzip zu verwirklichen sei, keine Bedeutung beimaß. Letztlich, so Ernst, sei die Frage, ob i m Aufsichtsamt nach Kollegial- oder Führerprinzip entschieden werden, doch „krasse Theorie", denn „wenn man nicht einig sei, ginge es so und so nicht".973 Schließlich stellte Waldeck, um die Debatte zum Anschluß zu bringen, die Frage, ob eine Einigung auf den ersten von Ernst unterbreiteten Vorschlag möglich s e i . 9 7 4 Dazu bemerkte Ernst nochmals, daß es der Erwähnung der Richtlinien überhaupt nicht bedürfe, dringend erforderlich sei aber die Zweifelsfallregelung. 9 7 5 Offenbar zog er daraus die Konsequenz, daß zwischen den Besprechungsteilnehmern über Inhalt und Funktion der Richtlinien weitgehend Unklarheit bestand. 969 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 313 f. 9 ™ Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 314. 971 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 316. 972 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 317. 973 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.317. 974 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 318. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. .
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Zugleich gab er damit der Debatte die entscheidende Wende. Denn nunmehr hielt auch Schwandt diese Auffassung für „das einzig Wahre". Die Richtlinien für das Aufsichtsamt müßten ganz aus dem Entwurf verschwinden, vielmehr sollte das Gesetz nur für die Tätigkeit des Reichskommissars den Erlaß von Richtlinien vorsehen. 9 7 6 Ernst entwickelte diesen Vorschlag weiter und schlug eine Fassung des § 34 K W G - E 1 folgenden Inhalts vor: „Der Vorsitzende leitet die Geschäfte. Das Aufsichtsamt wird geführt von seinem Vorsitzenden nach Beratung mit den Mitgliedern. In Zweifelsfällen haben die Staatssekretäre das Recht, die Reichsregierung zu befragen." Die Frage der Richtlinien für den Reichskommissar, so Ernst, könne anderer Stelle geregelt werden, dies gehöre zu den i m § 35 K W G - E 1 geregelten Aufgaben des Aufsichtsamtes. 9 7 7 Diese grundsätzliche Fassung fand die allgemeine Zustimmung der anderen Besprechungsteilnehmer. Erneut wurde jedoch die Frage diskutiert, ob das Vorliegen eines Zweifelsfalles gesetzlich zu definieren sei. Berger sprach sich dagegen aus, weil ansonsten „die Führereigenschaft diskreditiert w e r d e " . 9 7 8 Nach längeren Erörterungen einigten sich die Besprechungsteilnehmer schließlich auf die folgende Fassung: „(1) Der Vorsitzende des Bankenaufsichtsamts faßt seine Entschließungen unbeschadet der Vorschrift des § 4 8 9 7 9 nach Beratung mit den übrigen Mitgliedern des Bankenaufsichtsamts und vorbehaltlich der Entscheidung der Reichsregierung in Zweifelsfällen. (2) Die Leitung der Geschäfte des Bankenaufsichtsamts liegt dem Vorsitzenden ob." Alle weiteren Bestimmungen des § 34 K W G - E 1 wurden gestrichen. 9 8 0 Damit fand die Erörterung des § 34 K W G - E 1 ihr Ende. Zusammenfassend betrachtet war die Debatte i m Reichswirtschaftsministerium durch zwei Merkmale geprägt. Zum einen war fraglich, nach welchen Verfahren die Entscheidungen des Aufsichtsamtes zustande kamen. Diese Frage wurde dahingehend gelöst, die Entscheidungen grundsätzlich allein durch den Vorsitzenden des 976
Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 318. 977 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 318. 978 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 319. 979 Des späteren § 43 KWG, s. u., Teil 4, J., III. § 43 KWG regelte die Funktion des Aufsichtsamt als Beschwerdeinstanz gegen Entscheidungen des Reichskommissars. Hier sollte „analog der auch heute noch bei Gerichten üblichen Praxis das Kollegialprinzip Anwendung finden" (Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 308). 98 0 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/ 6943, S. 319 f. Die Bestimmung des § 34 Abs. 2 KWG-E 1 sollte in die Durchführungsbestimmungen übernommen werden.
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Aufsichtsamtes treffen zu lassen und damit das Führerprinzip formal zu verwirklichen. Tatsächlich jedoch konnte der Vorsitzende trotz seiner „Führereigenschaft" angesichts der Zweifelsfallregelung 9 8 1 nichts gegen den Willen der Reichsregierung entscheiden. Zum anderen tauchte das Problem auf, welcher Inhalt den Richtlinien i m Sinne des § 34 K W G - E 1 zu geben sei. Dieses Problem stellte sich jedoch nicht mehr, nachdem beschlossen wurde, die Erwähnung der Richtlinien einfach fallen zu lassen. Der Anwendungsbereich des § 34 K W G - E 1 war damit nicht mehr auf diese beschränkt. Vielmehr regelte der neu gefaßte Entwurf allgemein das Zustandekommen sämtlicher Entscheidungen des Aufsichtsamtes.
b) Die weitere Entstehung des §31 KWG Der § 35 K W G - E 2 enthielt genau die Fassung, wie sie am 21. März 1934 i m Reichswirtschaftsministerium beschlossen worden war. Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. M a i 1934 führten zu keinen inhaltlichen Änderungen des Entwurfs, sondern nur zu einer redaktionellen Überarbeitung. So wurden gemäß § 31 Abs. 1 K W G - E 3 „die Entscheidungen und sonstigen Verfügungen des Bankenaufsichtsamts ( . . . ) vom Vorsitzenden nach Beratung mit den übrigen Mitgliedern des Bankenaufsichtsamts getroffen, vorbehaltlich der Entscheidung der Reichsregierung in Zweifelsfällen. Die Vorschriften des § 44 Abs. 3 bleiben unberührt". Noch deutlicher als in § 35 Abs. 1 K W G - E 2 stellte somit § 31 Abs. 1 K W G - E 3 fest, daß die Vorschrift das Verfahren zur Fassung sämtlicher Beschlüsse des Aufsichtsamtes abschließend regelte. Die Schlußbesprechung i m Reichs wirtschaftsministerium vom 24. Mai 1934 führte zu keinen weiteren Änderungen des § 31 K W G - E 3, so daß die Vorschrift den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses in der Sitzung vom 4. Oktober 1934 als § 32 K W G - E 4 vorl a g . 9 8 2 Auch diese Sitzung ließ § 32 K W G - E 4 unberührt, 9 8 3 ebenso wie die Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934. Gleichwohl stimmte § 32 K W G - E 4 noch nicht mit dem späteren § 31 K W G überein. Vielmehr führte die Chefbesprechung vom 30. November noch zu zwei beachtlichen Änderungen des Entwurfs, der in der Besprechung als § 31 K W G - E 5 vorlag. So wurde der Vorschrift ein dritter Absatz hinzugefügt, wonach „die M i t glieder des Aufsichtsamtes ( . . . ) Anträge stellen" konnten. Das Aufsichtsamt war 981 Die Besprechungsteilnehmer, die eine genaue gesetzliche Definition des Begriffs „Zweifelsfall" gefordert hatten, konnten sich letztlich nicht durchsetzen. 982 Lediglich die Bezeichnung „Bankenaufsichtsamt" wurde durch „Aufsichtsamt" ersetzt. 983 Allerdings wurde von Reinhardt erneut der Versuch unternommen, eine gesetzliche Definition des Begriffs „Zweifelsfall" durchzusetzen. Er verzichtete jedoch auf die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung, nachdem Schacht erklärt hatte, daß durch den Widerspruch eines Staatssekretärs ein „Zweifelsfall" im Sinne des § 32 KWG-4 vorläge. Ferner wurde klargestellt, daß unter „Reichsregierung" stets das ganze Reichskabinett zu verstehen sei (Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 145).
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in diesem Fall verpflichtet, sich mit diesen Anträgen zu befassen. 984 Dies verstärkte den Einfluß der Reichsregierung auf das Aufsichtsamt, konnten doch nunmehr die Regierungsvertreter das Amt zwingen, sich mit einer bestimmten Materie zu befassen. Eine noch gravierendere Änderung betraf indes die Zweifelsfallregelung des § 31 Abs. 1 K W G - E 5. Hier gelang es den in der Besprechung anwesenden Partei- und Regierungsvertretern gleichsam in letzter Minute, doch noch eine gesetzliche Definition des Begriffs „Zweifelsfall" durchzusetzen. 985 Demnach war ein Zweifelsfall „insbesondere dann gegeben, wenn ein Mitglied des Aufsichtsamts einer beabsichtigten Entscheidung widerspricht". M i t dieser Änderung war es der Reichsregierung jederzeit möglich, jedwede Entscheidung des Aufsichtsamtes an sich zu ziehen und in ihrem Sinne zu entscheiden. Den Hintergrund dieser Ergänzung sprach Wagner in seinem Bericht über die Chefbesprechung an Heß offen aus. Sie sollte die Gewähr geben, „daß das Aufsichtsamt nichts unternehmen kann, was gegen die Gesetze der nat.soz. Weltanschauung verstößt". 9 8 6 Zugleich verdeutlichte diese Änderung, welch tiefes Mißtrauen seitens der Reichsregierung offenbar gegenüber der Reichsbank gehegt wurde, die den Vorsitzenden des Aufsichtsamtes stellte. Denn obgleich Schacht und Müller wiederholt betont hatten, daß ein Widerspruch eines Staatssekretärs einen „Zweifelsfall" auslöse, ließen es die Teilnehmer der Chefbesprechung nicht dabei bewenden, sondern setzten eine gesetzliche Fixierung dieser Zusicherung durch. Uber die Aufnahme des Antragsrechtes und der Legaldefinition des „Zweifelsfalls" in § 31 K W G - E 5 hinaus ließen die Teilnehmer der Chefbesprechung vom 30. November 1934 den Entwurf unverändert. M i t diesen beiden Änderungen lag somit die Endfassung des § 31 K W G vor.
c) Resümee § 31 K W G regelte, nach welchem Verfahren sämtliche „Entscheidungen und sonstigen Verfügungen", die das Aufsichtsamt zu treffen hatte, zustande k a m e n . 9 8 7 Dabei durchliefen die Inhalte der verschiedenen Entwürfe, die schließlich zu § 31 K W G führten, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine tiefgreifende Wandlung. So sah § 34 K W G - E 1 noch den uneingeschränkten Vorrang der Reichsbank bei der Führung der Bankenaufsicht vor, indem deren Präsident als Vorsitzender des Aufsichtsamtes über die alleinige Entscheidungsbefugnis in diesem Gremium verfügte. Den übrigen Mitgliedern des Amtes wurde insoweit nur eine beratende Funktion zugewiesen. Im Zuge der Gesetzesberatungen wurde der 984 Fischer, KWG-Kommentar, S. 144. 985 Vgl. den Bericht des bayerischen Innenministers Wagner über die Chefbesprechung, BA Berlin-Lichterfelde, NS 6, Nr. 395, S. 14. 986 Bericht des bayerischen Innenministers Wagner über die Chefbesprechung, BA BerlinLichterfelde, NS 6, Nr. 395, S. 14. 987 Mit Ausnahme der Entscheidungen gem. § 43 KWG, s. u., Teil 4, J., III. 26 Müller
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Einfluß der Reichsbank auf die Entscheidungen des Aufsichtsamtes jedoch immer geringer. Zwar blieb i m § 31 K W G der Reichsbankpräsident der Vorsitzende des Aufsichtsamtes und zeichnete grundsätzlich alleine für dessen Entscheidungen verantwortlich. Indessen war das damit verwirklichte nationalsozialistische Führerp r i n z i p 9 8 8 bloße Fassade. Denn das Antragsrecht der Mitglieder des Aufsichtsamtes gemäß § 31 Abs. 3 K W G - und damit auch der Regierungsvertreter - , verbunden mit der detaillierten Zweifelsfallregelung gemäß § 31 Abs. 1 S. 2 K W G erlaubte es der Reichsregierung letztlich, das Aufsichtsamt jederzeit in ihrem Sinne zu beherrschen. Die Führung des Aufsichtsamtes lag damit faktisch in den Händen der Reichsregierung. Die Entstehung des § 31 K W G verdeutlicht somit ebenso wie die des § 30 K W G das Ringen zwischen Reichsbank und Reichsregierung um die Vorherrschaft bei der Führung der Aufsicht über das Kreditwesen.
4. Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsamtes, § 32 KWG Die Befugnisse des Aufsichtsamtes zu Regelung besonderer Materien des Kreditwesens - etwa der Eigenkapitalausstattung oder der Liquiditätsvorsorge der Kreditinstitute - waren über das ganze K W G verteilt. 9 8 9 Neben diesen speziell geregelten Befugnissen enthielt § 32 K W G die allgemeinen Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsamtes.
a)§ 35 KWG-E 1 Der erste KWG-Entwurf führte die Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsamtes in § 35 K W G - E 1 auf.
( 1 ) Der Inhalt des Entwurfs § 35 Abs. 1 S. 1 K W G - E 1 umschrieb die allgemeinen Aufgaben des Aufsichtsamtes. Danach hatte das A m t „die Aufgabe, sich über die Lage des deutschen Bankgewerbes und der deutschen Kreditwirtschaft fortlaufend zu unterrichten, die Befolgung der gesetzlichen Vorschriften durch die Banken zu überwachen, für die Beachtung gemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte in der allgemeinen Bankpolitik und für die Beseitigung i m Bankwesen auftretender Mißstände zu sorgen 4'. Es hatte gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 K W G - E 1 „sobald eine Bank in Schwierigkeiten gerät oder zu geraten droht, die geeigneten Maßnahmen zu deren Beseitigung einzuleiten, 988
Die Begründung zu KWG-E 3 sprach ausdrücklich davon, daß die alleinige Entscheidungsbefugnis des Vorsitzenden „dem im neuen deutschen Staate geltenden Grundsatz der Herausstellung des Führers und seiner persönlichen Verantwortung" entspreche (BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 308). 989 s. o., Teil 4, J., I., 1.
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einen Kommissar mit der Prüfung der Bank zu beauftragen und auf Grund des Prüfungsergebnisses ungesäumt Maßnahmen zur Reorganisation der Bank zu treffen bezw. die Durchführung der Liquidation zu überwachen". § 35 Abs. 2 K W G - E 1 befugte das Aufsichtsamt, „Richtlinien für die Aufstellung von Satzungen und nach Anhörung der Spitzenverbände der Banken Grundsätze über die Geschäftsführung der Banken zu erlassen". Darüber hinaus erließ das Amt „Bestimmungen über die Eingehung von Verbindlichkeiten der Banken durch das A u s l a n d " . 9 9 0 § 35 K W G - E 1 knüpfte an die Bestimmungen der Notverordnung vom 19. September 1931 an. Auch dort zählte es zu den Aufgaben der Bankenaufsicht, „sich über die Lage des deutschen Bankgewerbes und der deutschen Kreditwirtschaft, insbesondere ihrer Beziehungen zum Ausland, fortlaufend zu unterrichten und die allgemeine Bankenpolitik vom Standpunkt der deutschen Gesamtwirtschaft aus zu beeinflussen". Die Notverordnung ordnete diese Aufgaben jedoch dem Reichskommissar zu, während § 35 K W G - E 1 insoweit das Aufsichtsamt in die Pflicht nahm. Offenbar war die Reichsbank bei der Formulierung des Entwurfs zu der Erkenntnis gelangt, daß die i m § 35 K W G - E 1 beschriebenen Aufgaben grundsätzlicher Natur waren. Sie standen daher dem Aufsichtsamt näher als dem Reichskommissar, dem weniger die Klärung grundsätzlicher Fragen, sondern vielmehr die Umsetzung des K W G in der täglichen Praxis oblag. Das Recht des Aufsichtsamtes, Grundsätze über die Geschäftsführung der Banken zu erlassen, war ebenfalls in ähnlicher Form bereits in der Notverordnung vom 19. September 1931 enthalten. Dort konnte der Reichskommissar diese Grundsätze nach den Weisungen des Kuratoriums für das Bankgewerbe aufstellen. 9 9 1
(2) Die Besprechung des Entwurfs i m Reichswirtschaftsministerium Die umfassende Erörterung des § 35 K W G - E 1 wurde in der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 21. März 1934 vorgenommen. Der Wortlaut des § 35 K W G - E 1 ließ unklar, nach welchem Verfahren das Aufsichtsamt die in der Bestimmung vorgesehen Entschlüsse - etwa bei der Aufstellung von Grundsätzen für die Geschäftsführung - zu fällen hatte. Auch der § 34 K W G - E 1 war insoweit keine Hilfe, da dieser nur von den „Richtlinien für die Tätigkeit des Bankenaufsichtsamts und des Reichskommissars für das Bankgewerbe" sprach. 9 9 2 Die Fassung des § 34 K W G - E 1 regelte also nur die Entstehung der internen Richtlinien innerhalb der Bankenaufsicht, während § 35 K W G - E 1 Maßnahmen des Aufsichtsamtes mit Außenwirkung gegenüber den beaufsichtigten Kreditinstituten vorsah. 990
Diese Bestimmung war offensichtlich die Reaktion auf die Ursachen der Bankenkrise von 1931, vgl. o., Teil Ι,Β., II., 1. " 1 s.o., Teil 1,C.,IV., l.,b), (2). "2 s. o., Teil 4, J., I., 3. a), (1). 2
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Vor diesem Hintergrund entwickelte sich wiederum - ähnlich wie zu § 34 K W G E 1 - eine Debatte, ob die Entscheidungen des Aufsichtsamtes i m Sinne des § 35 K W G - E 1 nach dem Kollegial- oder dem Führerprinzip zustande kommen sollten. Reichsbankdirektor Müller führte aus, daß § 35 K W G - E 1 gar keine Aussage über das Zustandekommen von Entscheidungen treffe, sondern vielmehr nur die Aufgaben des Aufsichtsamtes umreißen solle. 9 9 3 Er ging damit offenbar davon aus, daß die Entscheidungen i m Sinne des § 35 K W G - E 1 nach dem gleichen Verfahren wie im § 34 K W G - E 1 zustande zu kommen hatten. Nach dieser Auffassung galt demnach auch für § 35 K W G - E 1 grundsätzlich das Führerprinzip, das jedoch durch die Zweifelsfallregelung eingeschränkt war. Auch Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) legte § 35 K W G - E 1 in diesem Sinne a u s . 9 9 4 Demgegenüber ließ Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) das Führerprinzip nur für § 34 K W G - E 1 gelten, nicht dagegen für § 35 K W G - E 1. Anderenfalls würden die im Aufsichtsamt vertretenen Staatssekretäre „nur zur Gefolgschaft des Reichsbankpräsidenten" degradiert, dies entspreche jedoch nicht der Bedeutung der vertretenen Ministerien. 9 9 5 Auch Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) schlug vor, in § 35 K W G - E 1 das „Einvernehmen" der Mitglieder des Aufsichtsamtes vorzusehen und das Führerprinzip nur i m § 34 K W G - E 1 zur Anwendung kommen zu lassen. 9 9 6 Ministerialdirigent Waldeck (Reichswirtschaftsministerium) suchte der Debatte ein Ende zu setzen. Er hielt es „nicht für möglich, in dem gegenwärtigen Kreise darüber zu entscheiden, ob hier [im § 35 K W G - E 1] das Führerprinzip oder das Kollegialsystem herrschen s o l l e " . 9 9 7 Er war offenbar der Auffassung, daß diese Frage zu sehr in politische Erwägungen hineinspielte und daher durch die Minister und die Reichsbankleitung selbst entschieden werden mußte. Die Debatte über diesen Punkt endete schließlich ohne greifbares Ergebnis. Daneben widmete sich die Besprechung verschiedener Details des § 35 K W G E 1. So wurde bezüglich des § 35 Abs. 1 S. 1 K W G - E 1 beschlossen, den Passus der Bestimmung zu streichen, der das Aufsichtsamt verpflichtete „die Befolgung der gesetzlichen Vorschriften durch die Banken zu überwachen" 9 9 8 Ebenso wurde 993 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 312. 994 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 311. 995 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 311. 996 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 312. 997 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S.311. 8 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 2 .
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auf die umfangreiche Aufzählung aller Maßnahmen verzichtet, die das Aufsichtsamt gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 K W G - E 1 einzuleiten hatte, „sobald eine Bank in Schwierigkeiten gerät oder zu geraten d r o h t " . 9 9 9 § 35 Abs. 2 K W G - E 1 stieß bei Geheimrat Kohler (Reichswirtschaftsministerium) und Waldeck auf grundsätzliche A b l e h n u n g . 1 0 0 0 Sie kritisierten insbesondere die in dem Entwurf vorgesehene Befugnis des Aufsichtsamtes, „Richtlinien für die Aufstellung von Satzungen ( . . . ) der Banken" zu erlassen. Nach der „neuen Organisation der W i r t s c h a f t " 1 0 0 1 habe sich bereits der Central verband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes mit den Satzungen der Banken zu befassen. 1 0 0 2 Demgegenüber verteidigten Ernst und Müller die B e s t i m m u n g . 1 0 0 3 Gleichwohl wurde nach längerer Erörterung ihre Streichung beschlossen. 1 0 0 4 I m gleichen Zug entfiel auch die Anhörungspflicht der Spitzenverbände vor dem Erlaß von „Grundsätzen über die Geschäftsführung der Banken." Ebenso wurde die Möglichkeit des Aufsichtsamtes, „Bestimmungen über die Eingehung von Verbindlichkeiten durch die Banken gegenüber dem Ausland" aufzustellen, fallengelassen, da sie in der Befugnis zum Erlaß von Grundsätzen über die Geschäftsführung enthalten s e i . 1 0 0 5 Schließlich wurde die Aufnahme eines neuen § 35 Abs. 3 K W G - E 1 beschlossen. Der Anregung Emsts entsprechend, das Recht zur Festlegung von Richtlinien für die Tätigkeit des Reichskommissars aus § 34 K W G - E 1 zu entfernen und in § 35 K W G - E 1 einzufügen, 1 0 0 6 konnte das Aufsichtsamt gemäß § 35 Abs. 3 K W G - E 1 „Richtlinien für die Tätigkeit des Reichskommissars erlassen". 1 0 0 7 Damit endete die Beratung des § 35 K W G - E 1.
999 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 320. 1000 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 320. 1001
Gemeint war offensichtlich die Umgestaltung der Wirtschaft nach dem „Gesetz zum organischen Aufbau der deutschen Wirtschaft vom 27. Februar 1934", s.o. Teil 2, Α., III., 2. 1002 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 320. 1003 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 320 f. 1004 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 321. >005 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 321. •006 s. o., Teil 4, J., I., 3., a), (2). •oo7 Diese Bestimmung sollte es zugleich ermöglichen, auf den Reichskommissar einzuwirken, „um die Aufstellung der Satzungen in dem eben behandelten Sinne sicherzustellen". Dies war die ausschlaggebende Erwägung für die Streichung der entsprechenden Bestimmung in § 35 Abs. 2 KWG-E 1 (vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 321 f.).
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften b)§36
KWG-E 2
§ 36 K W G - E 2 setzte die in den Beratungen i m Reichswirtschaftsministerium beschlossenen Änderungen des Entwurfs um. § 36 Abs. 1 S. 1 und 2 K W G - E 2 erhielten die kürzere Fassung, auf die sich die Teilnehmer der Sitzung vom 21. März 1934 geeinigt h a t t e n . 1 0 0 8 Neu waren die Bestimmungen gemäß § 36 Abs. 1 S. 3 und 4 K W G - E 2. Danach hatte „das Bankenaufsichtsamt zu veranlassen, daß i m gesamten Kreditgewerbe die Jahresbilanzen der Kreditinstitute sowie die Depots durch geeignete unabhängige Stellen nachgeprüft werden. Soweit solche Nachprüfungen bereits gesetzlich angeordnet sind, kann es das Bankenaufsichtsamt hierbei bewenden lassen." Derartige Vorschriften hatte § 35 K W G - E 1 noch nicht vorgesehen. Sie gingen auf die Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 19. März 1934 zurück. Dort war angeregt worden, gesetzliche Bestimmungen über die Depot- und Bilanzprüfung in das K W G aufzunehmen, wobei der § 35 K W G - E 1 als der geeignete Paragraph zur Regelung dieser Materie erschien. 1 0 0 9 Die Vorschriften sollten der Sicherung der Kundeneinlagen und der Stärkung des Vertrauens in das Kreditwesen d i e n e n . 1 0 1 0 § 36 Abs. 2 K W G - E 2 ergänzte die neu aufgenommenen Vorschriften über die Depot- und Bilanzprüfung, indem das Aufsichtsamt ermächtigt wurde, „Grundsätze für die Revisionen und Richtlinien für den Inhalt der Revisionsberichte" aufzustellen. § 36 Abs. 3 K W G - E 2 enthielt den neu gefaßten § 35 Abs. 2 K W G - E 1. Entsprechend den an dieser Bestimmung vorgenommenen Streichungen sah § 36 Abs. 3 K W G - E 2 nunmehr nur noch die Befugnis für das Aufsichtsamt vor, „Grundsätze über die Geschäftsführung der Kreditinstitute" zu erlassen. § 36 Abs. 4 K W G - E 2 übernahm schließlich die bisher i m § 34 K W G - E 1 enthaltene Vorschrift, wonach das Aufsichtsamt „Richtlinien für die Tätigkeit des Reichskommissars aufstellen" konnte. Insgesamt gesehen führte die ersten Überarbeitung des § 35 K W G - E 1 zu erheblichen Änderungen. Die i m ersten Entwurf vorgesehenen Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsamtes wurden kürzer gefaßt und die Vorschrift damit erheblich gestrafft. Gleichzeitig führten die neu aufgenommenen Vorschriften über die Bilanz- und Depotprüfung sowie über die Aufstellung der Richtlinien für den Reichskommissar zu einer Erweiterung des Entwurfs, so daß § 36 K W G - E 2 auf vier Absätze anschwoll. Zugleich war er damit der Endfassung i m § 32 K W G bereits recht weit angenähert.
1008 überdies war § 36 Abs. 1 S. 2 KWG-E 2 nicht mehr als Muß- sondern als Kann-Vorschrift gefaßt. 1009 Vgl. Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 300 ff. S. auch u., S. 386 ff. 1010 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 308 f.
J. Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, §§30 bis 44 KWG
407
c) Die weitere Entstehung des § 32 KWG Die Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. Mai 1934 führten in erster Linie zu redaktionellen Änderungen des § 36 K W G - E 2. So stellte § 32 Abs. 1 S. 1 K W G - E 3 klar, daß die in der Vorschrift vorgesehenen Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsamtes neben „die ihm in diesem Gesetz besonders zugewiesenen Geschäfte" trat. Die Bestimmungen über die Bilanz- und Depotprüfung wurden in § 32 Abs. 1 S. 3 und 4 neu formuliert. Hinzu trat die Bestimmung gemäß § 32 Abs. 1 S. 5 K W G - E 3. Sie ermächtigte das Aufsichtsamt für den Fall, daß die Bilanz- und Depotprüfung bereits aufgrund anderer reichsgesetzlicher Bestimmungen angeordnet war, „eine weitergehende Verpflichtung zur Prüfung anzuordnen". § 32 Abs. 2 K W G - E 3 entsprach weitgehend dem bisherigen § 36 Abs. 2 K W G E 2. Klargestellt wurde lediglich, daß die in der Bestimmung vorgesehenen Befugnisse „unbeschadet allgemeiner reichsgesetzlicher Vorschriften" zur Anwendung kamen. § 32 Abs. 3 K W G - E 3 blieb im Vergleich zu § 36 Abs. 3 K W G - E 2 unverändert, während § 32 Abs. 4 K W G - E 3 eine neue Formulierung erhielt, wonach das Aufsichtsamt „Richtlinien aufstellen [kann], nach denen der Reichskommissar seine Geschäfte zu führen hat". Diese Neufassung der Vorschrift führte dazu, daß § 32 K W G - E 3 mit dem späteren § 32 K W G bereits fast identisch war. Insbesondere die Absätze 2 bis 4 blieben bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens unverändert. 1 0 1 1 In der Folgezeit wurden somit nur noch an § 32 Abs. 1 K W G - E 3 zwei Korrekturen vorgenommen. Die erste dieser Korrekturen ging auf die Schlußbesprechung i m Reichs wirtschaftsministerium vom 24. Mai 1934 zurück. Hier wurde eine Änderung des § 32 Abs. 1 S. 3 K W G - E 3 beschlossen, der Bestimmungen über die Bilanz- und Depotprüfung der Kreditinstitute enthielt. So wurden die Worte „sowie die Depots" gestrichen, so daß § 32 Abs. 1 S. 3 K W G - E 3 das Aufsichtsamt nur noch berechtigte, die Bilanzprüfungen der Kreditinstitute zu r e g e l n . 1 0 1 2 Diese Streichung wurde mit Rücksicht auf § 35 K W G - E 3 1 0 1 3 vorgenommen, der Fragen der Depotprüfung dem Reichskommissar zuwies. Die Aufgabe, die Prüfung der Jahresabschlüsse der Kreditinstitute sicherzustellen, fiel damit in die Zuständigkeit des Aufsichtsamtes, während die Organisation der Depotprüfung dem Reichskommissar oblag. Nachdem diese Streichung in den vierten Gesetzentwurf übernommen worden war, lag die Vorschrift in der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 als § 33 K W G - E 4 vor. Hier störte sich Schacht, der „die Aufnahme von Zweckbestimmungen in programmatischer Form in ein Gesetz" grundsätzlich für falsch hielt, an der allgemeinen Umschreibung der Aufgaben des Aufsichtsamtes 1011
Lediglich der Begriff „Bankenaufsichtsamt" wurde durch „Aufsichtsamt" ersetzt. Ό12 Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941, S. 120. 1013 D e m späteren § 35 K W G , s. u., T e i l 4 , J., I I . , 4.
408
Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
in § 33 Abs. 1 S. 1 K W G - E 4. Daraufhin wurde beschlossen, diese gesamte Bestimmung fallen zu lassen. 1 0 1 4 Die Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934 setzte diesen Beschluß um, eine allgemeine Beschreibung des Aufgabenkreises des Aufsichtsamtes kannte der Gesetzentwurf somit nicht m e h r . 1 0 1 5 Indessen wurde der völlige Verzicht auf eine grundsätzliche gesetzliche Festlegung der Obliegenheiten des Aufsichtsamtes schließlich doch als zu weitgehend angesehen. Dementsprechend wurde die Streichung des § 33 Abs. 1 S. 1 K W G - E 4 bis zur Absendung des Gesetzentwurfs an Hitler am 23. Oktober 1 9 3 4 1 0 1 6 wieder fast vollständig rückgängig gemacht. § 32 Abs. 1 S. 1 K W G - E 5 war daher mit der entsprechenden Bestimmung in § 33 K W G - E 4 praktisch identisch. Lediglich von der Aufgabe des Aufsichtsamtes, „sich über die Lage des deutschen Kreditgewerbes und der deutschen Kreditwirtschaft fortlaufend zu unterrichten' 4 , war in § 32 K W G - E 5 keine Rede mehr. Offenbar hatte sich insoweit die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Beobachtung der Lage der Kreditinstitute bereits durch die Publizitätsvorschriften gemäß §§ 20, 21 K W G 1 0 1 7 in ausreichendem Maße gewährleistet war, so daß es einer entsprechendem Formulierung im § 32 K W G - E 5 nicht mehr bedurfte. 1 0 1 8 Weitere Änderungen wurden schließlich nicht mehr vorgenommen, so daß mit § 32 K W G - E 5 die Fassung des späteren § 32 K W G gefunden war.
5. Resümee § 32 K W G unterstrich die Führungsrolle des Aufsichtsamtes, die es bei der Beaufsichtigung der Kreditinstitute inne hatte. Der im § 32 Abs. 1 S. 1 K W G sehr weit gezogene Aufgabenkreis des Amtes führte dazu, „daß jede in Zukunft zu treffende Maßnahme bezüglich des Kreditwesens innerhalb der Kompetenzen des Aufsichtsamtes l i e g t . " 1 0 1 9 I m Verein mit der großen Zahl von Befugnissen, die dem Aufsichtsamt an allen Stellen des Gesetzes zugewiesen w u r d e n , 1 0 2 0 hatte es damit eine enorm wichtige Stellung innerhalb des Kreditwesens. Uber diese Befugnisse hinaus war dem Aufsichtsamt in § 32 Abs. 3 K W G das Recht verliehen, „Grundsätze über die Geschäftsführung der Kreditinstitute aufzustellen", ohne da1014 Prot, der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934, BA BerlinLichterfelde, Akte R 25.01 /6941, S. 153. 1015 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/ 13683, S. 233. Dementsprechend begann der neu gefaßte § 33 Abs. 1 KWG-E 4 mit der Bestimmung, daß „das Aufsichtsamt ( . . . ) , sobald ein Kreditinstitut in Schwierigkeiten gerät oder zu geraten droht, geeignete Maßnahmen einleiten" konnte. 1016 s. o., Teil 2, D.,I. 1017 S. o., Teil 4, G. ιοί» Zwar waren die Bilanzen der Kreditinstitute gem. § 20 KWG beim Reichsbankdirektorium einzureichen, dieses arbeitete aber sehr eng mit dem Aufsichtsamt zusammen. 1019 Tambert, S. 86. 1020 s. o., Teil 4, J., I., 1.
J. Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, §§30 bis 44 KWG
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bei an besondere Voraussetzungen gebunden zu sein. Damit konnte das Amt praktisch in beliebiger Weise Einfluß auf die Kreditinstitute nehmen. 1 0 2 1 Zudem gab das Aufsichtsamt der Arbeit des Reichskommissars das Gepräge, indem es gemäß § 32 Abs. 4 K W G die Richtlinien für dessen Tätigkeit aufstellte. § 32 K W G verlieh dem Aufsichtsamt somit eine praktisch unbeschränkte Machtfülle gegenüber den Kreditinstituten. Auffallend ist, daß das Aufsichtsamt bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse nicht allein darauf beschränkt war, stabile und sichere Verhältnisse im deutschen Kreditwesen zu gewährleisten. Vielmehr wurde es darüber hinaus mit der Aufgabe, „für die Beachtung allgemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte in der allgemeinen Kredit- und Bankpolitik" zu sorgen, in die allgemeine Wirtschaftspolitik der Reichsregierung eingeschaltet. So stellte der Schlußbericht des Untersuchungsausschusses ausdrücklich fest, daß das Aufsichtsamt „für die Übereinstimmung der Kreditgebarung der Institute mit der Währungs- und Kreditpolitik des Reichs sowie mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik Sorge tragen" müsse. Damit sollten „entsprechend dem in Form und Inhalt der Reichsführung eingetretenen Wandel ( . . . ) verstärkte Einwirkungsmöglichkeiten i m Sinne einer Konzentrierung aller Wirtschaftskreise auf die nationale Wiederaufbauarbeit" geschaffen w e r d e n . 1 0 2 2 Völlig neu war diese zusätzliche Zielsetzung nicht. Bereits die Aufsichtsorgane aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 sollten die Reichsregierung in ihrer Wirtschaftspolitik unterstützen. 1 0 2 3 M i t der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten wurde dieser Aspekt jedoch zusätzlich betont, zumal §§ 30 und 31 K W G den beherrschenden Einfluß der Reichsregierung auf das Aufsichtsamt sicher stellten. Insgesamt gesehen enthielt § 32 K W G derart umfassende Befugnisse, daß eine „weitestgehende Kontrolle der Kreditwirtschaft durch das Aufsichtsamt" möglich w a r . 1 0 2 4 Damit hatte das Aufsichtsamt eine weitaus mächtigere Stellung als das bis zur Verabschiedung des K W G bestehende Kuratorium für das Bankgewerbe. 1 0 2 5 Zudem verpflichtete § 32 K W G das Aufsichtsamt nicht nur zum Aufbau eines stabileren und sicheren Kreditwesens, sondern schaltete es überdies in die allgemeine Wirtschaftspolitik des Reiches ein.
1021 Das Aufsichtsamt machte jedoch von seinem Recht gem. § 32 Abs. 3 KWG nie Gebrauch. 1022 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 23 f. 1023 s.o., Teil 1,C., IV., 1., b) (2). 1024 Obst, Die Betriebswirtschaft 1935, S. 3. 1025 Dies lag nicht zuletzt auch daran, daß das Kuratorium nur einen Teil der Kreditinstitute erfaßte (s. o., Teil 1, C., IV., 1., b), (3)) während dem Aufsichtsamt das gesamte deutsche Kreditwesen untergeordnet war.
Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
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I I . Der Reichskommissar für das Kreditwesen, §§ 33 bis 35,38 K W G Der Reichskommissar war neben dem Aufsichtsamt die zweite Behörde, die das K W G mit der Aufsicht über die Kreditinstitute betraute. M i t seiner Ernennung und Stellung im Staatsaufbau sowie mit seinen Befugnissen gegenüber den beaufsichtigten Kreditinstituten befaßten sich die §§33 bis 35 und 38 K W G .
1. Die grundsätzliche Bedeutung des Reichskommissars Ahnlich wie beim Aufsichtsamt waren auch die Befugnisse des Reichskommissars über das ganze K W G verteilt, so daß die §§ 33 ff. K W G seine Bedeutung nur unvollkommen beschrieben. Dem Reichskommissar oblag die Umsetzung und Anwendung einer Reihe von Einzelvorschriften des Gesetzes. So hatte er etwa gemäß § 1 Abs. 4 K W G darüber zu entscheiden, ob ein Unternehmen als Kreditinstitut i m Sinne des K W G zu gelten h a t t e . 1 0 2 6 Auch das gesamte Konzessions verfahren gemäß §§ 3 bis 7 K W G lag in seinen H ä n d e n . 1 0 2 7 Daneben waren alle Anzeigepflichten, die das K W G den Kreditinstitute auferlegte, 1 0 2 8 gegenüber dem Reichskommissar zu erfüllen. Die ausnahmsweise Befreiung einzelner Kreditinstitute oder Gruppen von Kreditinstituten von bestimmten Vorschriften des K W G war ebenso überwiegend Sache des Reichskommissars. 1 0 2 9 Schließlich wurden die Erzwingungs- und Ordnungsstrafen gemäß §§ 45, 46 K W G durch den Reichskommissar verhängt. 1 0 3 0 Bei einem Vergleich der Befugnisse des Reichskommissars mit denen des Aufsichtsamtes 1 0 3 1 fällt auf, daß ersterer bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben in aller Regel gegenüber einem einzelnen Kreditinstitut in Erscheinung t r a t . 1 0 3 2 Demgegenüber beschränkte sich das Aufsichtsamt auf grundsätzliche Anordnungen von allgemeingültiger Wirkung, so daß dessen Maßnahmen regelmäßig nicht auf 102
6 Die gleiche Befugnis stand ihm gem. § 27 Abs. 2 KWG bezüglich der Werksparkassen
zu. 1027
In diesem Zusammenhang entschied der Reichskommissar gem. § 10 Abs. 7 KWG auch, ob die Führung der Bezeichnung „Bank" oder „Sparkasse" zulässig war. Die Neuschaffung von Zahlungsverkehrseinrichtungen bedurften gem. § 29 Abs. 1 KWG ebenso der „Erlaubnis durch den Reichskommissar". 1028 Anzeigepflichten bestanden gem. §§ 8, 9 Abs. 1, 14 Abs. 7, 27 Abs. 1 KWG. 1029 Vgl. §§ 13, 19, 21, 55 KWG. 1030 Darüber hinaus trat die Strafverfolgung aufgrund der §§ 48, 49 KWG nur auf Antrag des Reichskommissars ein. 1031 s. o., Teil 4, J., I., l.;4. 1032 Deutsche Wirtschafts-Zeitung 1934, S. 1199. Lediglich die §§ 13, 21 und 55 KWG befugten den Reichskommissar, ganze Gruppen von Kreditinstituten von bestimmten Vorschriften des Gesetzes zu befreien.
J. Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, §§30 bis 44 KWG
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einzelne Kreditinstitute zugeschnitten waren. Eine ganz ähnliche Aufgabenverteilung hatte bereits zwischen dem Reichskommissar und dem Kuratorium für das Bankgewerbe aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 bestand e n . 1 0 3 3 Dementsprechend änderte sich die grundsätzliche Stellung des Reichskommissars mit dem Erlaß des K W G - abgesehen von seinen erweiterten Befugnissen - nicht. Nach wie vor war der Reichskommissar in seiner Amtsführung an die entsprechenden Richtlinien des Aufsichtsamtes gebunden. Vor allem aber oblag dem Reichskommissar nach wie vor die Durchführung der Aufsicht über die Kreditinstitute in der täglichen Praxis. Er war die ausführende Behörde der Bankenaufsicht. 1 0 3 4 Infolgedessen verfügte der Reichskommissar wie keine zweite Persönlichkeit der Bankenaufsicht über praktische Erfahrungen in der Anwendung der verschiedenen Aufsichtsmittel. Somit war er über die Handhabung seiner Befugnisse hinaus von großer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Aufsicht über das Kreditwesen. 1 0 3 5 Insgesamt gesehen waren die Befugnisse des Reichskommissars weniger umfassend und weitreichend als die des Aufsichtsamtes, zumal er an dessen Richtlinien gebunden war. Gleichwohl war das A m t des Reichskommissars von großer Bedeutung. Sie lag darin, daß es der Reichskommissar war, der das K W G i m Einzelfall auf die dem Gesetz unterliegenden Kreditinstitute anwandte. Das Aufsichtsamt gab der Bankenaufsicht den Inhalt, der Reichskommissar das Gesicht.
2. Ernennung und Aufgaben des Reichskommissars, § 33 KWG § 33 K W G regelte das Verfahren zur Ernennung des Reichskommissars, seine Aufgaben sowie seine Stellung i m Staatsaufbau und gegenüber dem Aufsichtsamt.
a) § 36 KWG-E 1 M i t der grundsätzlichen Stellung des Reichskommissars und seinen Aufgaben befaßte sich i m ersten KWG-Entwurf § 36 K W G - E 1.
(1) Der Inhalt des Entwurfs § 36 Abs. 1 K W G - E 1 charakterisierte die Rolle des Reichskommissars im Rahmen der Aufsicht über die Kreditinstitute, indem er bestimmte, daß „der Reichskommissar für das Bankgewerbe ( . . . ) die verwaltende und ausführende Reichs1033 Vgl. o., Teil 1,C.,IV., l . , b ) ( l ) . 1034 Ernst, Sparkasse 1935, S. 2\0\ Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 148. 1035 Dementsprechend machte sich das Aufsichtsamt die Erfahrungen des Reichskommissars gem. § 30 Abs. 3 KWG zunutze.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
behörde" der Bankenaufsicht war. Er hatte „seine Verwaltung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und den ihm vom Vorsitzenden des Bankenaufsichtsamts gegebenen Richtlinien zu führen". Gemäß § 36 Abs. 2 K W G - E 1 wurde der Reichskommissar „ v o m Reichspräsidenten auf Vorschlag des Reichsbankpräsidenten ernannt". Daneben verlieh ihm § 36 Abs. 2 K W G - E 1 die dienstrechtliche Stellung eines Reichsbeamten, der „unbeschadet der Bestimmungen dieses Gesetzes dem Reichswirtschaftsministerium" unterstand. Als Sitz des Reichskommissars war Berlin vorgesehen. § 36 Abs. 3 und 4 K W G - E 1 regelten schließlich die Besoldung des Reichskommissars. § 36 K W G - E 1 knüpfte teilweise an die entsprechenden Bestimmungen der Notverordnung vom 19. September 1931 an. So wurden die dienstrechtliche Stellung des Reichskommissars und der Ort seines Sitzes ebenso unverändert übernommen wie die Vorschriften über seine Besoldung. Neu war dagegen seine ausdrückliche Bezeichnung als „verwaltende und ausführende Reichsbehörde". Vor allem aber ist auffällig, daß das Verfahren zur Ernennung des Reichskommissars und zum Erlaß der seine Tätigkeit regelnden Richtlinien in § 36 K W G - E 1 von der bisher bestehenden Rechtslage deutlich abwich. So bestimmte die September-Notverordnung, daß der Reichskommissar „ v o m Reichspräsidenten auf Vorschlag der Reichsregierung ernannt" wurde, wobei der Vorschlag „ i m Benehmen mit dem Reichsbankpräsidenten" zu erfolgen hatte. Damit hatten Reichsbank und Reichsregierung den gleichen Einfluß auf die Bestimmung der Person des Reichskommissars. Entsprechend verhielt es mit den Richtlinien für die Tätigkeit des Reichskommissars, die vom Kuratorium für das Bankgewerbe, in dem Reichsbank und Reichsregierung gleichermaßen vertreten waren, aufzustellen waren. § 36 K W G E 1 verschob dieses ausgewogene Kräfteverhältnis zu Gunsten der Reichsbank. Nunmehr sollte der Reichskommissar auf Vorschlag des Reichsbankpräsidenten ernannt werden, die Reichsregierung war in dem Ernennungsverfahren nicht mehr vorgesehen. Auch über die Richtlinien für die Amtsführung des Reichskommissars sollte der Präsident der Reichsbank alleine entscheiden. § 36 K W G - E 1 unterstellte die Bestimmung der Person des Reichskommissars sowie die Art seiner Amtsführung also dem alleinigen Einfluß der Reichsbank. Die Vorschrift ermöglichte es dieser somit, die praktische Umsetzung des K W G erheblich zu beeinflussen. Ahnlich wie § 34 K W G - E l 1 0 3 6 verdeutlicht damit auch § 36 K W G - E 1 das Bestreben der Reichsbank, die Führung der Bankenaufsicht allein an sich zu ziehen.
(2) Die Beratung des Entwurfs im Reichswirtschaftsministerium Bereits in der ersten Sitzung im Reichswirtschaftsministerium vom 3. März 1934, die sich nur allgemeinen Fragen und nicht der Beratung einzelner Vorschriften des Gesetzentwurfs widmete, kam die Frage der Ernennung des Reichskommissars zur Sprache. Dabei waren die anwesenden Vertreter der Reichsregierung 1036 s. o.,Teil4,J., I., 3.,a), (1).
J. Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden, §§ 30 bis 44 KWG
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nicht bereit, der Reichsbank das Recht zur Bestimmung des Reichskommissars zuzugestehen. Vielmehr ging die allgemeine Meinung dahin, daß die Bestellung des Reichskommissars in Abweichung von § 36 Abs. 2 K W G - E 1 der Reichsregierung allein vorbehalten bleiben müsse. Dazu wurde festgestellt, daß sich Reichsbankpräsident Schacht mit einer entsprechenden Regelung bereits mündlich einverstanden erklärt h a b e . 1 0 3 7 Die ausführliche Beratung des § 36 K W G - E 1 fand schließlich während der Sitzung im Reichswirtschaftsministerium am 22. März 1934 s t a t t . 1 0 3 8 Hier machte Ministerialrat Quassowski (Reichsernährungsministerium) darauf aufmerksam, daß aufgrund der bisher bestehenden Rechtslage die Richtlinien für den Reichskommissar nicht vom Vorsitzenden des Kuratoriums, sondern von letzterem selbst festgelegt würden. § 36 Abs. 1 K W G - E 1 sei entsprechend zu ä n d e r n . 1 0 3 9 Darüber hinaus entspann sich eine längere Diskussion über den Begriff der „verwaltenden und ausführenden Reichsbehörde", der von den Besprechungsteilnehmern offenbar als zu unbestimmt angesehen wurde. So hielt es Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) für erforderlich, im Gesetz deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß der Reichskommissar nur an die Richtlinien, nicht aber an Einzelfallweisungen des Aufsichtsamtes gebunden s e i . 1 0 4 0 Nach ausführlichen Beratungen kam schließlich die folgende Fassung des § 36 K W G - E 1 zustande: „(1) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe hat für die Durchführung dieses Gesetzes im Rahmen der ihm vom Bankenaufsichtsamt gegebenen Richtlinien Sorge zu tragen. (2) Der Reichskommissar ist eine Reichsbehörde; er hat seinen Sitz in Berlin. (3) Der Reichskommissar wird vom Reichspräsidenten auf Vorschlag von der Reichsregierung ernannt; der Vorschlag erfolgt ihm Benehmen mit dem Reichsbankpräsidenten. (4) Der Reichskommissar untersteht unbeschadet der Bestimmungen dieses Gesetzes dem Reichswirtschaftsministerium." Die Beratungen im Reichswirtschaftsministerium führten somit dazu, daß der unklare Ausdruck der „verwaltenden und ausführenden Reichsbehörde" vermieden und statt dessen die Aufgaben des Reichskommissars im Absatz 1 des neu formulierten § 36 K W G - E 1 klar umrissen wurden. Überdies wurde der Anspruch der Reichsbank zurückgewiesen, den Reichskommissar ohne Beteiligung der Reichs•037 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 239. 1038 Zuvor war bereits in der Sitzung vom 19. März 1934 die Streichung der Besoldungsvorschriften gem. § 36 Abs. 3, 4 KWG-E 1 beschlossen worden (Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 302). •039 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 323. 1040 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 323.
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regierung selbst bestimmen zu können. Vielmehr stellte der in den Beratungen neu formulierte Absatz 3 exakt die Rechtslage her, wie sie gemäß § 1 Abs. 4 der Notverordnung vom 19. September 1931 bestand.
b) § 37 KWG-E 2 und die weitere Entstehung des § 33 KWG § 37 K W G - E 2 erhielt die Fassung, auf die sich die Teilnehmer der Besprechung i m Reichswirtschaftsministerium am 22. März 1934 geeinigt hatten. 1 0 4 1 Damit war § 37 K W G - E 2 dem späteren § 33 K W G bereits sehr stark angenähert. Lediglich die Vorschrift über die Ernennung des Reichskommissars gemäß § 37 Abs. 3 K W G E 2 wurde i m weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch einmal neu gefaßt. I m übrigen blieben die Vorschriften der Bestimmung bis zum Erlaß des K W G unverändert. 1 0 4 2 So wurde, nachdem weder die Beratungen vom Mai 1934 noch die Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 zu inhaltlichen Änderungen des Entwurfs geführt h a t t e n , 1 0 4 3 auf der Referentenbesprechung vom 8. Oktober die Vorgehensweise bei der Bestellung des Reichskommissars abermals geändert. Diese Änderung ging auf den Druck des Reichsfinanzministeriums z u r ü c k . 1 0 4 4 Nunmehr erfolgte die Ernennung des Reichskommissars nicht mehr „ i m Benehmen mit dem Präsidenten des Reichsbankdirektoriums". Vielmehr wurde der Reichskommissar gemäß § 33 Abs. 2 K W G - E 5 „von dem Führer und Reichskanzl e r 1 0 4 5 nach Anhörung des Präsidenten des Reichsbankdirektoriums e r n a n n t " . 1 0 4 6 Damit lag die Endfassung des § 33 K W G vor.
1041 Lediglich die Absätze 1 und 2 waren vertauscht. 1042 Die Begriffe „Reichskommissar für das Bankgewerbe" und „Bankenaufsichtsamt" wurden im § 33 KWG durch „Reichskommissar" bzw. „Aufsichtsamt" ersetzt. 1043 Lediglich die Reihenfolge der Absätze wurde ein weiteres Mal geändert. So fand sich § 37 Abs. 2 KWG-E 2 im § 33 Abs. 3 KWG- E 3 wieder, während § 37 Abs. 3 KWG-E 2 zu § 33 Abs. 2 KWG-E 3 wurde. Der spätere § 33 KWG behielt diese Reihenfolge der Absätze bei. 1044 Vgl. das Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 228. 1045 Mit dem Tod von Reichspräsident v. Hindenburg am 2. August 1934 vereinigte Hitler durch das „Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches vom 1. August 1934" (RGBl. I, S. 747) das Amt des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers und nannte sich fortan „Führer und Reichskanzler" (Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 688). Dementsprechend wählte auch das KWG diese Formulierung. 1046 Prot, der Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 2/13683, S. 233.
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c) Resümee § 33 K W G ließ die Stellung des Reichskommissars i m Gefüge der Bankenaufsicht unverändert. Angesichts der Tatsache, daß er sich bei seiner Amtsführung an die Richtlinien des Aufsichtsamtes zu halten hatte, war er diesem in sachlicher Hinsicht ebenso unterstellt wie dem Kuratorium für das Bankgewerbe aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1 9 3 1 . 1 0 4 7 Daneben war es nach wie vor der Reichskommissar, dem die Umsetzung der Bestimmungen der Bankenaufsicht in der täglichen Praxis oblag. § 33 Abs. 3 K W G unterstrich diese Bedeutung des Reichskommissars als der ausführenden Behörde der Bankenaufsicht, 1 0 4 8 indem er ihm aufgab, „für die Durchführung dieses Gesetzes i m Rahmen der ihm vom Aufsichtsamt gegebenen Richtlinien Sorge zu tragen". Abgesehen von den speziellen i m K W G enthaltenen Aufgaben oblag es dem Reichskommissar somit vor allem, die Befolgung der Vorschriften des K W G bzw. der Anordnungen des Aufsichtsamtes durch die einzelnen Kreditinstitute zu überwachen und eventuelle Verstöße mit Hilfe seiner vielfältigen Befugnisse zu a h n d e n . 1 0 4 9 Auch die Stellung des Reichskommissars im allgemeinen Staatsaufbau blieb unangetastet. Wie bereits aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 war er eine Reichsbehörde mit Sitz in Berlin. Die Unterstellung des Reichskommissars unter das Reichswirtschaftsministerium gemäß § 33 Abs. 4 K W G hatte nur beamtenrechtliche Bedeutung und entsprach ebenfalls der bisherigen Rechtslage. 1 0 5 0 Das kennzeichnende Merkmal der Entstehung des § 33 K W G ist damit einmal mehr das Ringen zwischen Reichsbank und Reichsregierung um die Führungsrolle bei der Aufsicht über die Kreditinstitute. Dabei gelang es der Reichsregierung abermals, den Einfluß der Reichsbank zu schmälern. So sah § 36 K W G - E 1 noch die alleinige Befugnis des Reichsbankpräsidenten zur Bestellung des Reichskommissars vor. Die folgenden Entwürfe machten dessen Ernennung dagegen von einer Übereinstimmung zwischen Reichsbank und Reichsregierung über die Person des Reichskommissars abhängig. § 33 Abs. 2 K W G - E 5 schließlich gestand dem Reichsbankpräsidenten nur noch ein Anhörungsrecht zu. Die Reichsbank konnte somit nur noch mit beratender Stimme auf die Person des Reichskommissars Einfluß nehmen, so daß es der Reichsregierung stets möglich war, einen Kandidaten ihrer Wahl im Alleingang durchzusetzen. Damit hatte das A m t des Reichskommissars zumindest in rechtlicher Hinsicht seine politisch unabhängige Stellung weit•047 Vgl. Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 113. 1048 Vgl. Müller, Bank-Archiv 1934/35, S. 148. 1049 Fischer, KWG-Kommentar, S. 148. So konnte der Reichskommissar etwa auf Verstöße gegen die Einhaltung der §§ 11, 12, 16, 17 KWG bzw. der dazu ergangenen Anordnungen des Aufsichtsamtes mit einem Verbot der Ausschüttung von Gewinnanteilen gem. § 18 KWG reagieren. Im übrigen stand dem Reichskommissar die sehr weitgehende Ordnungsstrafgewalt gem. § 46 KWG (s. u., Teil 4, K.) zur Verfügung. •oso Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 113.
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gehend eingebüßt, die bisher als Vorzug der Bankenaufsicht gepriesen worden w a r . 1 0 5 1 Zwar unterstand der Reichskommissar in sachlicher Hinsicht nicht direkt der Reichsregierung. Jedoch wurde er vom „Führer und Reichskanzler" persönlich ernannt und erhielt die Richtlinien für seine Tätigkeit vom Aufsichtsamt, dem die Reichsregierung jederzeit ihren Willen aufzwingen k o n n t e . 1 0 5 2 Die Reichsregierung hielt damit den beherrschenden Einfluß auf die Person und die Tätigkeit des Reichskommissars in ihren Händen.
3. Allgemeine Befugnisse des Reichskommissars, § 34 KWG Zu den wichtigsten Aufgaben des Reichskommissars zählte es gemäß § 33 Abs. 3 K W G , die Befolgung der Vorschriften des Gesetzes und der Anordnungen des Aufsichtsamtes zu überwachen. Dazu mußte er jedoch imstande sein, sich einen Einblick in den Status einzelner Kreditinstitute verschaffen zu können. Insoweit sah § 33 K W G jedoch keine Befugnisse vor. Diese waren vielmehr in § 34 K W G vorgesehen, der dem Reichskommissar äußerst weitgehende Informationsrechte verlieh, mit deren Hilfe er sich auf das Genaueste über die internen Verhältnisse eines bestimmten Kreditinstitutes informieren konnte. I m Einzelnen befugte § 34 K W G den Reichskommissar ,,a) von den der Beaufsichtigung unterliegenden Kreditinstituten jederzeit die Einreichung von Bilanzen sowie von Gewinn- und Verlustrechnungen auch für zurückliegende Stichtage zu verlangen, ferner von ihnen, ihren Inhabern und Organen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu fordern, die Bücher und Schriften der Kreditinstitute einzusehen, überhaupt alle Prüfungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben für erforderlich hält; über seine Wahrnehmungen kann er den Organen der Kreditinstitute wie auch deren einzelnen Mitgliedern und, falls die Kreditinstitute der besonderen Aufsicht einer Behörde unterstehen, 1053 den Aufsichtsbehörden Mitteilung zu machen; 1054 b) an den Generalversammlungen, den sonstigen Mitgliederversammlungen und den Sitzungen der Organe der Kreditinstitute teilzunehmen und in ihnen das Wort zu ergreifen; er kann sich bei der Wahrnehmung dieser Befugnisse vertreten lassen; 1055 c) die Einberufung von Generalversammlungen und sonstigen Mitgliederversammlungen, die Anberaumung von Sitzungen der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane sowie die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung zu verlangen; 1056 d) von allen Unternehmungen und Personen, die ihren Wohnsitz, Sitz oder den Ort der Leitung im Inland haben, auch wenn diese Unternehmungen und Personen nicht das 1051
1052 1053 1054 1055
s. o., Teil 1, C., IV., 1., c). Insoweit mißverständlich Bauer, S. 46. s. o., Teil 4, J., I., 3., c). Vgl. dazuu., §51 KWG. Vgl. dazu § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Notverordnung vom 19. September 1931. Vgl. dazu § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Notverordnung vom 19. September 1931.
1056 Vgl. dazu § 3 Abs. 2 Nr. 3 der Notverordnung vom 19. September 1931.
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Kreditgewerbe betreiben, Angaben über den Stand ihrer Zahlungsverpflichtungen und Zahlungsansprüche gegen Unternehmungen und Personen, die ihren Wohnsitz, Sitz oder den Ort der Leitung im Sinne der Devisengesetzgebung im Ausland haben, zu fordern; 1057 e) im Falle dringender Gefahr zur Erfüllung der Zwecke der Beaufsichtigung einstweilige Anordnungen zu treffen". Die i m § 34 K W G enthaltenen Befugnisse lehnten sich sehr eng an die an, die dem Reichskommissar bereits aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 zustanden. 1 0 5 8 So wurden die in der Notverordnung vorgesehenen Rechte ohne Einschränkungen in das K W G übernommen. Darüber hinaus enthielt § 34 K W G an drei Stellen zusätzliche Befugnisse des Reichskommissars. So sah § 34 a) K W G anders als § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Notverordnung vor, daß der Reichskommissar die „Einreichung von Bilanzen sowie von Gewinn- und Verlustrechnungen auch für zurückliegende Stichtage" verlangen konnte. Diese Bestimmung stand i m Zusammenhang mit den PublizitätsVorschriften gemäß §§ 20 f. K W G . 1 0 5 9 Sie sollte es dem Reichskommissar ermöglichen, „die notwendige Klarheit in allen Fällen herbeizuführen, wo die Vermutung besteht, daß die terminmäßig eingereichte Bilanz ,verschönert' worden ist und kein wahres B i l d der Verhältnisse wiedergibt". Zugleich sollte von vornherein auf die Kreditinstitute eingewirkt werden, Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen zu erstellen, die mit ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Lage in Einklang standen. 1 0 6 0 Bereits § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Notverordnung berechtigte den Reichskommissar, an den „Generalversammlungen, den sonstigen Mitgliederversammlungen und den Sitzungen der Verwaltungsorgane 1 0 6 1 der Banken" persönlich teilzunehmen. § 34 b) K W G erweiterte diese Bestimmung, indem er es dem Reichskommissar erlaubte, Vertreter in diese Versammlungen und Sitzungen zu entsenden. Damit sollte die persönliche Arbeitsbelastung des Reichskommissars gemildert und zu-
1057 Vgl. dazu § 4 der Notverordnung vom 19. September 1931. Diese Bestimmung diente weniger der Beaufsichtigung der Kreditinstitute, sondern sollte den Reichskommissar in die Lage versetzen, „die deutsche Auslandsverschuldung, die sich in der Krise 1931 als so verhängnisvoll erwiesen hatte, zu kontrollieren und rechtzeitig die zuständigen Stellen auf eine wirtschaftsgefährdende Entwicklung aufmerksam zu machen" (Milden, S. 28 f.). Indessen machte der Reichskommissar von ihr keinen Gebrauch, da die entsprechenden Angaben bereits von der 1931 bei der Reichsbank eingerichteten „Anmeldestelle für Auslandsschulden" erhoben wurden (Müller-Freienfels, S. 34). loss Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 309.. 1059 s. o., Teil 4, G. 1060 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6946, S. 309. 1061 Bei den Besprechungen im Reichswirtschaftsministerium wurde beschlossen, in § 34 b) KWG nicht von „Verwaltungsorganen" sondern lediglich von „Organen" zu sprechen. Damit war dem Reichskommissar das Recht gegeben, auch den Aufsichtsratssitzungen beizuwohnen (Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943,S. 325). 27 Müller
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gleich die Möglichkeit geschaffen werden, von den Befugnissen des § 34 b) K W G stärkeren Gebrauch zu m a c h e n . 1 0 6 2 Schließlich war § 34 e) K W G ohne Vorbild in der Notverordnung. Er wurde erst nach den Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium von 14. und 19. M a i 1934 in den Gesetzentwurf aufgenommen. Diese Bestimmung entsprach „der Grundidee des Gesetzes, größtmögliche Sicherheit i m Kreditwesen zu schaff e n " . 1 0 6 3 Zugleich verzichtete § 34 K W G ebenso wie schon die Notverordnung darauf, dem Reichskommissar ein allgemeines Anordnungsrecht gegenüber den Kreditinstituten zu gewähren. Angesichts der Tatsache, daß der Reichskommissar neben dem § 34 K W G über eine Vielzahl von Befugnissen verfügte, mit deren Hilfe er auf das Verhalten der Kreditinstitute einwirken k o n n t e , 1 0 6 4 war ein derartiges Recht jedoch nicht erforderlich. Insgesamt gesehen beschränkte sich § 34 K W G somit in erster Linie darauf, die entsprechenden Bestimmungen der Notverordnung vom 19. September 1931 zu übernehmen. Besondere Probleme oder Konflikte waren bei seiner Ausarbeitung daher nicht zu bewältigen. 1 0 6 5 Aus diesem Grund spielt die Vorschrift i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nur eine untergeordnete Rolle.
4. Depotprüfung, § 35 KWG § 35 Abs. 1 K W G ordnete an, daß „Unternehmungen, die den An- und Verkauf von Wertpapieren für andere (§ 1 Abs. 1 Buchstabe b) oder das Depotgeschäft (§ 1 Abs. 1 Buchstabe c) betreiben, ( . . . ) einer regelmäßigen Prüfung des Depotgeschäfts" unterlagen. Gemäß § 35 Abs. 2 K W G bestimmte der Reichskommissar „ A r t und Umfang der Prüfung". Dabei nahm er die Prüfungen nicht selbst vor, vielmehr wurde der Depotprüfer „ v o m Reichskommissar oder in seinem Auftrag von anderen Stellen bestimmt". Eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zu Prüfung des Depotgeschäfts hatte es bisher nicht gegeben. Dennoch stellte § 35 K W G kein völliges Neuland dar, vielmehr konnte der Gesetzgeber an bestehende Regelungen zu Depotprüfung anknüpfen. Denn bereits Mitte 1932 hatte der Centraiverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes angesichts von Unregelmäßigkeiten i m Depotgeschäft einzelner Privatbankiers den privaten Verein für Depotprüfung gegründet. Er sollte das zuletzt verloren gegangene Vertrauen der Kundschaft in die Zuverlässigkeit des 1062 Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 309 f. 1063 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 114. 1064 Vgl. o., Teil 4, J., II., 1. 1065 So wurde zwar § 37 KWG-E 1, der dem späteren § 34 KWG bereits weitgehend entsprach, in der Sitzung im Reichswirtschaftsministerium vom 22. März 1934 eingehend besprochen, blieb dabei aber praktisch unverändert (Vgl. das Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 324ff.).
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Depotgeschäfts zurückgewinnen. 1 0 6 6 Alle Mitglieder dieses Vereins unterlagen einer jährlichen Prüfung des Depotgeschäfts, bei der festgestellt werden sollte, „ob i m Zeitpunkt der Depotprüfung die gesetzlichen Vorschriften und die bankgewerbliche Berufsauffassung hinsichtlich der Wertpapierverwahrung ( . . . ) beachtet werden". Etwaige bei der Prüfung hervorgetretene Mängel waren zu beseitigen. 1 0 6 7 Da es sich bei dem Verein für Depotprüfung um eine privatrechtliche Organisation handelte, konnten die Banken rechtlich nicht gezwungen werden, sich der Depotprüfung zu unterziehen. 1 0 6 8 Jedoch wurde insofern Druck auf die Banken ausgeübt, als die Mitgliedschaft i m Verein für Depotprüfung zur Voraussetzung für die Mitgliedschaft beim Central verband gemacht w u r d e . 1 0 6 9 I m Ergebnis unterlagen somit alle Banken und Bankiers, die dem Centraiverband angehörten - und damit praktisch das gesamte private Bankwesen - seit 1932 einer regelmäßigen Prüfung des Depotgeschäftes. Für die übrigen Institutsgruppen bestanden entsprechende Regeln dagegen nicht. Lediglich vereinzelt beauftragte der Reichskommissar den Verein für Depotprüfung, auch außerhalb des Centraiverbandes stehende Kreditinstitute zu p r ü f e n . 1 0 7 0 Die mit dem Verein für Depotprüfung in der kurzen Zeit seines Bestehens gemachten Erfahrungen waren durchweg p o s i t i v . 1 0 7 1 Es gelang, die Geschäftspraktiken unzuverlässiger Banken und Bankiers i m Depotgeschäft zu unterbinden und damit das Vertrauen der Kundschaft weitgehend wieder zurück zu erlangen. 1 0 7 2 Vor diesem Hintergrund entstand der Wunsch des Gesetzgebers, eine regelmäßige Depotprüfung sämtlichen Kreditinstituten zur gesetzlichen Pflicht zu m a c h e n . 1 0 7 3 Gleichwohl sah der erste KWG-Entwurf keine Vorschrift zur Regelung der Prüfung des Depotgeschäfts der Kreditinstitute v o r . 1 0 7 4 Erst auf der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 19. März 1934 wurde der Wunsch geäußert, die Depotprüfung i m K W G gesetzlich zu verankern. 1 0 7 5 Dabei schlug Reichskommissar Ernst eine Regelung vor, die die entsprechenden Befugnisse dem Aufsichtsamt übertrug. Dieses sollte dafür Sorge tragen, „daß in den Fällen, in denen eine Depotprüfung gesetzlich noch nicht angeordnet war, diese von dem Bankenkommissar 1066 Fischer, KWG-Kommentar, S. 152. 1067 § ι der Richtlinien für die Depotprüfung, abgedruckt bei: Fischer, KWG-Kommentar, S. 154. 1068 Vgl. Schulze, S. 75. 1069 Ernst, Sparkasse 1935, S. 212. 1070 Paersch, S. 64. 1071 Fischer, KWG-Kommentar, S. 153. 1072 Ernst, Sparkasse 1935, S. 212; Fischer, KWG-Kommentar, S. 153. 1073 Vgl. Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 309. 1074 Zu diesem Zeitpunkt waren Regelungen über die Depotprüfung noch in dem Entwurf einer Novelle des Depotgesetzes vom 5. Juli 1896 enthalten (Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6943, S. 299). 1075 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 299 f. 27
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veranlaßt werden könne". Denkbar erschien ihm auch eine Bestimmung, die dem Reichskommissar die Veranlassung der Depotprüfungen allein zuwies. Dieser könne, so Ernst, sämtliche Depotprüfungen durchaus in seinem Namen vornehmen lassen. In jedem Fall müsse aber vermieden werden, daß der Reichskommissar die Prüfungen selbst durchzuführen h a b e n . 1 0 7 6 Angesichts der allgemeinen Befürwortung einer gesetzlichen Regelung der Depotprüfung während der Besprechung vom 19. März 1934 sah der zweite Gesetzentwurf eine entsprechende Vorschrift vor. Dem ursprünglichen Vorschlag Emsts entsprechend, war dabei gemäß § 36 K W G - E 2 die Veranlassung der Depotprüfung dem Aufsichtsamt zugewiesen. 1 0 7 7 Eine eigene Bestimmung über die Depotprüfung zugunsten des Reichskommissars sah der Entwurf dagegen nicht vor. Dies änderte sich i m Zuge der Besprechungen i m Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. Mai 1934. Der in den dritten Gesetzentwurf neu aufgenommene § 35 Abs. 1 K W G - E 3 enthielt erstmals die ausdrückliche Bestimmung, daß „Unternehmungen, die den An- und Verkauf von Wertpapieren für andere (§ 1 Abs. 1 Buchstabe b) oder das Depotgeschäft (§ 1 Abs. 1 Buchstabe c) betreiben, ( . . . ) einer regelmäßigen Prüfung des Depotgeschäfts" unterlagen. Diese Formulierung entsprach bereits dem § 35 Abs. 1 K W G , sie wurde daher nicht mehr geändert. Überdies ordnete § 35 Abs. 2 S. 1 und 2 K W G - E 3 die Durchführung der Depotprüfung dem Reichskommissar zu, indem dieser „ A r t und Umfang der Prüfung" bestimmte und den Depotprüfer bestellte. 1 0 7 8 Zugleich wurde in der Schlußbesprechung i m Reichswirtschaftsministerium vom 24. M a i 1934 die dem Aufsichtsamt i m § 36 K W G - E 2 zugewiesene Befugnis zur Depotprüfung wieder entzogen. 1 0 7 9 Schließlich wurde bis zur Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934 der § 35 Abs. 2 S. 2 K W G - E 3 redaktionell neu gefaßt. Danach wurde der Depotprüfer „ v o m Reichskommissar oder in seinem Auftrage von anderen Stellen bestellt". Damit lag bereits die Endfassung des § 35 K W G vor, so daß die Vorschrift i m weiteren Gesetzgebungsverfahren keine Rolle mehr spielte. Zusammenfassend betrachtet führte § 35 K W G dazu, daß die bisher auf überwiegend freiwilliger Basis durchgeführten Depotprüfungen gesetzlich verankert und auf alle Arten von Kreditinstituten ausgedehnt wurden. Zugleich war der Reichskommissar, in dessen Auftrag und Namen die Prüfungen erfolgten, in der Lage, auf dabei auftretende Mißstände mit Hilfe seiner vielfältigen Befugnisse an•076 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 300f. ιόν? s. o., Teil 4, J., I., 4., b). 1078 Darüber hinaus bestimmte § 35 Abs. 2 S. 3 KWG-E 3, daß der vom Reichskommissar bestellte Depotprüfer auch dann als dessen Beauftragter galt, „wenn der Reichskommissar das Recht der Bestellung auf eine andere Stelle überträgt". Damit sollte „die Stellung des Depotprüfers als gesetzliches Organ des Reichskommissars in jedem Fall" erkennbar bleiben (Begründung zu KWG-E 3, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6946, S. 309). 1079 Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941,S. 120.
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gemessen reagieren zu können. § 35 K W G stellte damit einen wirksamen Schutz der Depotinhaber vor unzuverlässigen oder unseriösen Kreditinstituten d a r . 1 0 8 0
5. Regelung der Geschäfts- und Wettbewerbsbedingungen, § 38 KWG § 38 K W G überließ dem Reichskommissar die Regelung der Geschäfts- und Wettbewerbsbedingungen der Kreditinstitute. Die Vorschrift knüpfte eng an die Rechtslage an, die bereits Ende 1931 geschaffen wurde. Seinerzeit erließ die Reichsregierung am 8. Dezember 1931 eine Notverordnung, mit der der stetige Zinsanstieg auf dem deutschen Geldmarkt gestoppt werden s o l l t e . 1 0 8 1 Danach hatte der Reichskommissar „durch Verhandlungen mit den Spitzenverbänden der Kreditinstitute sicherzustellen, daß bis zum 31. Dezember 1931 zwischen den Spitzenverbänden Vereinbarungen über die Höhe der für die hereingenommenen Gelder zu gewährenden Zinsen und über die Berechnung der bei der Weitergabe der Gelder an Dritten maßgebenden Zinssätze und Provisionen getroffen werden". Diese Vereinbarungen konnte der Reichskommissar für allgemein verbindlich erklären und damit auf sämtliche Kreditinstitute ausdehnen. Sofern sie nicht zustande kamen, erließ der Reichskommissar selbst „nach Anhörung der Spitzenverbände der Kreditinstitute i m Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium die entsprechenden Bestimmungen." Entsprechendes galt, „wenn ohne seine Zustimmung die getroffenen Vereinbarungen entfallen oder durch andere ersetzt" wurden. Die Umsetzung dieser Verordnung erfolgte durch das Zinsabkommen vom 9. Januar 1932, in dem sich die Spitzen verbände der Kreditinstitute auf bestimmte Höchstzinssätze für hereingenommene Gelder sowie auf Normalzinssätze i m Kreditgeschäft einigten und das vom Reichskommissar für allgemein verbindlich erklärt wurde.1082 Das mit der Verordnung vom 8. Dezember 1931 und dem Zinsabkommen vom 9. Januar 1932 angestrebte Ziel der Zinssenkung wurde in den folgenden Jahren erreicht. So gelang es tatsächlich, die durchschnittlichen Zinssätze am deutschen Geldmarkt deutlich von 7,48% i m Jahr 1931 auf 4,67% i m ersten Halbjahr 1933 zu senken. 1 0 8 3 Vor diesem Hintergrund sowie angesichts der Grundtendenz des K W G , das Kreditwesen einer verstärkten staatlichen Einflußnahme zu unterwerfen, 1 0 8 4 entschloß sich der Gesetzgeber des K W G zur Übernahme der entsprechenden Regelungen der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 in das Gesetz. Diese Übernahme erfolgte i m § 38 K W G . Danach konnte der Reichskommissar „Mehrheitsbeschlüsse •oso •osi •082 •083 •084
Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 114. s.o., Teil 1,C.,IV.,3. s.o., Teil l,C.,IV.,3.,c). s.o., Teil l,C.,IV.,3.,d). Vgl. o., Teil 4, J., I., 5.
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der Spitzenverbände der Kreditinstitute über die Geschäftsbedingungen - insbesondere über die Zins- und Provisionssätze - und über den Wettbewerb für allgemein verbindlich erklären" und diese Erklärung jederzeit widerrufen. Falls ein derartiger Mehrheitsbeschluß „innerhalb einer von Reichskommissar zu setzenden Frist nicht zustande kommt, wegfällt oder nicht die Zustimmung des Reichskommissars findet, kann der Reichskommissar i m Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium entsprechende Bestimmungen für die Kreditinstitute und deren Spitzenverbände selbst erlassen". Damit blieb § 38 K W G bei dem 1931 geschaffenen Rechtszustand, soweit er es dem Reichskommissar gestattete, auf die Höhe der Zinssätze Einfluß zu n e h m e n . 1 0 8 5 Darüber hinaus sah § 38 K W G noch stärkere Eingriffsmöglichkeiten als die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 vor. Letztere erlaubte es dem Reichskommissar lediglich, auf die Soll- und Habenzinsen des Geldmarktes Einfluß zu nehmen. § 38 K W G enthielt diese Beschränkung nicht, sondern sprach umfassender von Beschlüssen „über die Geschäftsbedingungen - insbesondere über die Zins- und Provisionssätze - und über den Wettbewerb". Dabei ließ der Wortlaut der Bestimmung keinen Zweifel daran, daß die „Zins- und Provisionssätze" nur einen Teil der Geschäftsbedingungen darstellten. Weit mehr noch als zuvor konnte nunmehr in die Geschäftspolitik der Kreditinstitute eingegriffen werden - so war es etwa möglich, über die Höhe der Zinsen hinaus die Gebühren i m Wertpapiergeschäft, Depotgebühren, Kontoführungsgebühren und dergleichen staatlich festzuschreiben. 1 0 8 6 Zudem war es mit Hilfe des § 38 K W G erstmals möglich, Wettbewerbsangelegenheiten allgemeinverbindlich zu r e g e l n . 1 0 8 7 Der Gesetzgeber hielt diese Erweiterung „angesichts der in den letzten Jahren hervorgetretenen Auswüchse i m Wettbewerb zwischen den verschiedenen Gruppen von Kreditinstituten [für] erforderlich".1088 Da § 38 K W G an die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 anknüpfte, war seine Bedeutung i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gering. So war der materielle Inhalt des § 38 K W G nicht umstritten und stand bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt f e s t . 1 0 8 9 Gleichwohl kam auch bei der Formulierung dieser Vorschrift der Konflikt zwischen Reichsbank und Reichsregierung um die Führung der Bankenaufsicht wieder zum Tragen. So wandte sich Ministerialrat Prause (Reichsfinanzministerium) dagegen, daß gemäß § 39 K W G - E 3 der Reichskommissar, falls die „Mehrheitsbeschlüsse der Spitzenverbände" nicht zustande kamen, die entsprechenden Bestimmungen i m Einvernehmen mit dem Reichsbankdirek-
•085 Tambert, S. 89. •086 Ernst, Sparkasse 1935, S. 217. •087 Fischer, KWG-Kommentar, S. 159. •088 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 116. 1089 § 39 KWG-E 3, der nach den Besprechungen im Reichswirtschaftsministerium vom 14. und 19. Mai 1934 formuliert wurde, wich nur noch in wenigen Formulierungen vom späterem § 38 KWG ab.
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torium erließ. Die Zinspolitik, so Prause, sei von großer politischer Bedeutung, so daß an die Stelle des Reichsbankdirektoriums das Aufsichtsamt treten m ü s s e . 1 0 9 0 Prause konnte sich mit seiner Auffassung jedoch nicht durchsetzen, so daß § 39 K W G - E 3 und die folgenden Entwürfe insoweit unverändert blieben. Damit waren die i m § 38 K W G geregelten Geschäfts- und Wettbewerbsbedingungen die einzige Materie des ganzen Gesetzes, auf die die Reichsregierung keinen unmittelbaren Einfluß nehmen k o n n t e . 1 0 9 1 Insgesamt gesehen gestand § 38 K W G dem Reichskommissar äußerst weitreichende Befugnisse zu. Dieser war in der Lage, die von den Spitzen verbänden festgelegten Geschäfts- und Wettbewerbsbedingungen für allgemein verbindlich zu erklären oder entsprechende Bestimmungen selbst zu erlassen. Eine erhebliche Erweiterung seiner Machtstellung ging damit aber nicht einher. Denn § 38 K W G beschränkte sich in erster Linie darauf, einen seit Ende 1931 bestehenden und bewährten Rechtszustand fortzuführen. Daneben ergänzte § 38 K W G die bisher bestehende Rechtslage, indem sich sein Anwendungsbereich nicht allein auf die Festschreibung der Zinssätze am Geldmarkt beschränkte, sondern sämtliche Geschäfts· und Wettbewerbsbedingungen der Kreditinstitute erfaßte. Der als unerwünscht empfundene freie Wettbewerb zwischen den Kreditinstituten, der bereits aufgrund der bisherigen Bestimmungen sehr stark eingeschränkt w a r , 1 0 9 2 konnte damit praktisch auf Null reduziert und durch staatliche Zwangswirtschaft ersetzt werden. Damit schien sich i m § 38 K W G auf den ersten Blick die nationalsozialistische Lehre von den „Brechung der Zinsknechtschaft" 1 0 9 3 zu manifestieren. Da die Regelungen des § 38 K W G jedoch bis in das Jahr 1931 zurück reichten, stand die Vorschrift mit dieser Lehre in keinem Zusammenhang. 1 0 9 4 Gleichwohl entsprach § 38 K W G , indem er den bisherigen Rechtszustand festschrieb und noch darüber hinaus gehende Eingriffsmöglichkeiten vorsah, dem Bestreben der Nationalsozialisten, das Wirtschaftsleben soweit wie möglich der staatlichen Kontrolle zu unterwerfen.
1090 Prot, der Schlußbesprechung im RWM am 24. Mai 1934, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01/6941,S. 121. 1091 Freilich war auch der Einfluß des Reichsbankdirektoriums insoweit sehr gering. Denn seine Befugnisse kamen erst zum Tragen, wenn sich die Spitzenverbände der Kreditinstitute nicht von sich aus auf einheitliche Geschäfts- und Wettbewerbsbedingungen einigen konnten. Dieser Fall kam jedoch jedenfalls bis zum Erlaß des KWG nie vor. 1092 s.o., Teil 1,C.,IV.,4. 1093 s. o., Teil 3, Α., I., 2. 1094 Tatsächlich wurde die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 von der nationalsozialistischen Presse seinerzeit als unzureichend kritisiert (s. o., Teil 1, C., IV., 3., d)). Im übrigen spielte die Lehre von der „Brechung der Zinsknechtschaft" nach der Entmachtung ihres Begründers Feder im Frühjahr 1934 (s. o., Teil 2, C., II.) in der nationalsozialistischen Ideologie ohnehin keine Rolle mehr.
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III. Sonstige Aufsichtsbestimmungen Neben den bereits dargestellten Vorschriften über die Organisation der Aufsichtsbehörden und ihren Befugnissen gegenüber den Kreditinstituten enthielt das K W G in den §§ 36, 37 und 39 ff. eine Reihe weiterer Bestimmungen, die Teilaspekte der Aufsicht regelten. Dabei handelte es sich ganz überwiegend um Vorschriften, die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechtes aufgriffen oder an Vorschriften der Notverordnung vom 19. September 1931 anknüpften. Sie fanden daher bei der Ausarbeitung des K W G nur wenig Beachtung. § 36 Abs. 1 K W G regelte die Zusammenarbeit des Reichskommissars mit anderen Stellen sowie mit der Reichsbank. Beim Reichskommissar handelte es sich um eine relativ kleine Behörde, der es aus eigener Kraft unmöglich war, die rund 25.500 Kreditinstitute i m gesamten Deutschen Reich zu beaufsichtigen. U m trotzdem ein effektives Arbeiten des Reichskommissars zu gewährleisten, konnte er sich daher „zur Durchführung seiner Aufgaben geeigneter Prüfungsorgane 1 0 9 5 bedienen, i m Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium und durch dessen Vermittlung auch der Dienststellen der Reichsbank' 4 . Daneben konnte der Reichskommissar gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 K W G „die ihm nach diesem Gesetz zustehenden Befugnisse mit Zustimmung des Aufsichtsamts ganz oder teilweise auf andere Stellen übertragen." Diese Bestimmung war bereits in § 3 Abs. 3 der Notverordnung vom 19. September 1931 enthalten. Darüber hinaus wurde deutlicher als bisher in § 36 Abs. 2 S. 2 K W G die Stellung und die Verantwortlichkeit dieser Stellen geregelt. Sie hatten sich „nach den ihnen vom Reichskommissar erteilten Weisungen zu richten" und waren ihm „für die ordnungsgemäße Ausübung der übertragenen Befugnisse verantwortlich". § 36 K W G , der die Arbeit des Reichskommissars erleichtern sollte, wurde durch § 39 K W G ergänzt. Dieser ordnete an, daß „alle Behörden ( . . . ) dem Reichskommissar und seinen Organen zur Erfüllung seiner Obliegenheiten Hilfe zu leisten" h a t t e n . 1 0 9 6 Die Verteilung der Kosten, die durch die Umsetzung des K W G entstanden, regelten die §§ 37, 42 K W G . Gemäß § 34 a) K W G konnte der Reichskommissar eine umfassende Prüfung einzelner Kreditinstitute vornehmen. 1 0 9 7 Insoweit bestimmte § 37 K W G , daß „die Kosten, die durch die Prüfung eines Kreditinstitutes erwachsen, ( . . . ) von diesem dem Reich zu erstatten und auf Verlangen dem Reichskommissar vorzuschießen" waren. Abgesehen von der Vorschußpflicht war diese Regelung bereits in der „Verordnung zur Durchführung der Bankenaufsicht vom 21. April 1 9 3 3 " 1 0 9 8 enthalten. 1 0 9 9 Die Verteilung der allgemeinen Kosten, die 1095 Dabei war u. a. etwa an die Revisionsverbände der Kreditgenossenschaften gedacht, vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 155. 1096 § 39 KWG übernahm die Regelung des § 5 der Notverordnung vom 19. September 1931. 1097 s. o., Teil 4, J., II., 3. 1098 s. o., Teil 2, Fn. 1.
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durch die Errichtung und die Arbeit des Aufsichtsamtes und des Reichskommissars entstanden, ordnete § 42 K W G an. Diese Kosten waren „dem Reich von den Kreditinstituten zu erstatten 4 '. 1 1 0 0 Auch § 42 K W G knüpfte an die bisher bestehende Rechtslage an, er entsprach dem § 9 der Notverordnung vom 19. September 1931. § 41 K W G regelte die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Aufsichtsamtes und des Reichskommissars. Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 K W G waren „die M i t glieder des Aufsichtsamts sowie sämtliche Personen und Organe, deren sich das Aufsichtsamt zur Erfüllung seiner Obliegenheiten bedient, ( . . . ) zur Verschwiegenheit verpflichtet". 1 1 0 1 Nach § 41 Abs. 2 K W G traf die gleich Verpflichtung „den Reichskommissar sowie sämtliche Personen und Organe, deren er sich zur Erfüllung seiner Obliegenheiten bedient". § 41 K W G ging auf § 7 der Notverordnung vom 19. September 1931 zurück, der den Reichskommissar, nicht aber das Kuratorium für das Bankgewerbe zur Verschwiegenheit verpflichtete. § 41 K W G ging über diese Regelung hinaus, indem er neben dem Reichskommissar auch die M i t glieder des Aufsichtsamt der Verschwiegenheitspflicht unterwarf. Damit sollte dem Ziel eines „möglichst weitgehenden Schutzes des Bankgeheimnisses" Rechnung getragen w e r d e n . 1 1 0 2 Die bedeutendste Vorschrift der §§ 36 ff. K W G stellte § 43 K W G dar, der den Kreditinstituten ein Beschwerderecht gegenüber bestimmten Maßnahmen des Reichskommissars zugestand. Gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 K W G war „gegen die Entscheidungen und Anordnungen des Reichskommissars aus § 1 Abs. 4 [Geltung eines Unternehmens als Kreditinstitut], §§ 4, 5, 6 [Konzessionsverfahren], 10 [Führung der Bezeichnung „Bank" oder „Sparkasse"], 27 Abs. 2 [Geltung eines Unternehmens als Zwecksparkasse], 29 Abs. 1 [Zulassung von Zahlungsverkehrseinrichtungen], §§45 und 46 [Erzwingungs- und Ordnungsstrafgewalt] ( . . . ) Beschwerde an das Aufsichtsamt zulässig". 1 1 0 3 Gemäß § 43 Abs. 3 K W G entschied das Aufsichtsamt über die „Beschwerden mit einfacher Stimmenmehrheit endgültig; bei 1099 Anders als in dieser Verordnung, wonach „die Kosten ebenso wie Gemeindeabgaben beigetrieben" wurden, sah § 37 KWG vor, daß die Kosten „wie Reichssteuern von den Finanzämtern zu Gunsten der Reichskasse eingezogen" wurden. 1100 Gemäß § 42 S. 2 KWG stellte „der Reichswirtschaftsminister ( . . . ) im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen und dem im Einzelfall außerdem zuständigen Reichsminister die für die Durchführung der Erstattung erforderlichen Grundsätze auf und regelt das Verfahren". 1101 § 41 Abs. 1 S. 2 KWG konkretisierte diese Regelung dahingehend, daß diese Personen und Organe „Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten erfahren, nicht unbefugt verwerten" durften. § 41 Abs. 1 S. 3 KWG stellte fest, daß „diese Pflicht ( . . . ) durch Ausscheiden aus dem Dienst oder Beendigung der Tätigkeit nicht berührt" wurde. 1102 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 116. 1103 Für die „mit der Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen und sonstigen Verfügungen des Reichskommissars" stellte § 40 KWG besondere Formvorschriften auf. Sie waren „mit Gründen zu versehen und zuzustellen" und wurden „mit der Zustellung wirksam".
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Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden". 1 1 0 4 Hier wurde somit von dem i m § 31 K W G geregelten Führerprinzip 1 1 0 5 abgewichen und die kollegiale Entscheidung der Mitglieder des Aufsichtsamtes angeordnet. 1 1 0 6 Angesichts der Tatsache, daß es sich bei den der Beschwerde unterliegenden „Entscheidungen und Anordnungen" um solche von besonderer Tragweite für die betreffenden Kreditinstitute handelte, 1 1 0 7 schien § 43 K W G diesen einen ausreichender Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Reichskommissars zu gewähren. Indessen war das genaue Gegenteil der Fall. Denn über die Beschwerden entschied kein unabhängiges Gericht, sondern mit dem Aufsichtsamt die dem Reichskommissar sachlich übergeordnete Behörde. Das A m t dürfte demnach kaum unabhängig geurteilt haben, zumal sich der Reichskommissar bei seiner Tätigkeit i m Rahmen der ihm vom Aufsichtsamt gegebenen Richtlinien zu halten h a t t e . 1 1 0 8 Überdies waren gegen die Entscheidung des Aufsichtsamts keine weiteren Rechtsmittel gegeben, da das Aufsichtsamt „endgültig" entschied. Entsprechendes galt für die sonstigen Entscheidungen und Anordnungen des Reichskommissars, die nicht i m § 43 Abs. 1 K W G erwähnt waren. Auch diese Entscheidungen waren gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 K W G „endgültig", so daß insoweit nicht einmal die Möglichkeit einer Beschwerde an das Aufsichtsamt bestand. Schließlich sah das K W G gegen Maßnahmen des Aufsichtsamtes überhaupt keinen Rechtsschutz zugunsten der Kreditinstitute vor. M i t § 43 K W G wurde somit „die in der liberalen Lehre durchgeführte scharfe Trennung von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ( . . . ) aufgegeben, um diese drei Gewalten in der obersten deutschen Aufsichtsbehörde zusammenzuschließen". 1 1 0 9 Die beaufsichtigten Kreditinstitute wurden daher durch § 43 K W G praktisch jeden Rechtsschutzes gegen Entscheidungen und Anordnungen des Reichskommissars und des Aufsichtsamtes beraubt. Angesichts der Tatsache, daß die Kreditinstitute den Maßnahmen der Aufsichtsbehörden so gut wie schutzlos ausgeliefert waren, war es nur konsequent, daß das Gesetz auch jegliche Entschädigungsansprüche ausschloß. Gemäß § 44 K W G wurde „wegen eines Schadens, der durch i m Rahmen dieses Gesetzes von der Reichsregierung, dem Aufsichtsamt oder dem Reichskommissar getroffenen Maßnahmen 1104 § 43 Abs. 2 KWG regelte das Verfahren bei der Einreichung der Beschwerde. Diese war „innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung oder Anordnung an den Reichskommissar oder an das Aufsichtsamt einzureichen". 1105 s. o., Teil 4, J., I., 3., c).
1106 Überdies mußten gemäß § 43 Abs. 3 S. 2 KWG „bei der Verhandlung und Beschlußfassung über eine Beschwerde ( . . . ) mindestens fünf Mitglieder des Aufsichtsamtes anwesend sein". 1107 Vgl. Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 117. no« Tatsächlich fand sich in den Akten des Reichsfinanzministeriums, in denen diverse Besch werdeverfahren dokumentiert waren, jedenfalls bis Ende 1939 nicht ein einziger Fall, in denen ein Beschwerdeführer Erfolg gehabt hätte (BA Berlin-Lichterfelde, Akten R 2/ 13687, 13688, 13889). 1109 Müller-Freienfels, S. 67.
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entsteht, ( . . . ) eine Entschädigung nicht gewährt". Die Begründung zu § 44 K W G mutet aus heutiger Sicht zynisch an. Danach war „der Ausschluß von Ersatzansprüchen ( . . . ) notwendig, damit die Tätigkeit der Aufsichtsstellen nicht beeinträchtigt w i r d " . 1 1 1 0 Zugleich entsprach § 44 K W G der allgemeinen Tendenz der Nationalsozialisten, Ersatzansprüche gegen den Staat so weit wie möglich auszuschließen. 1 1 1 1 Insgesamt gesehen waren die §§ 36, 37 und 39 ff. K W G - gemessen an den übrigen Bestimmungen über die Organisation und Befugnisse der Aufsichtsbehörden von geringer Bedeutung, zumal sie in erster Linie bereits bestehende Regeln übernahmen. Eine Ausnahme stellten lediglich die Vorschriften gemäß §§ 43, 44 K W G dar, die den bisherigen Aufsichtsbestimmungen fremd waren. Sie führten dazu, daß die Kreditinstitute praktisch keinerlei rechtliche Möglichkeit hatten, sich gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden zu wehren und gezwungen waren, etwaige durch die Aufsichtsführung entstandene Schäden selbst zu tragen.
IV. Zusammenfassung Die § § 3 0 ff. K W G regelten in erster Linie die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden. Sie bestimmten, in welcher Weise die einzelnen Vorschriften des K W G , die oftmals nur den Rahmen für eine spätere Regelung vorgaben, praktisch anzuwenden waren. Die § § 3 0 ff. K W G waren damit von entscheidender Bedeutung für die Umsetzung des K W G in die tägliche Praxis. Ihre Entstehung war vor allem durch drei Merkmale geprägt. So ist zunächst festzustellen, daß der Gesetzgeber an der bewährten Grundstruktur der i m Jahre 1931 eingeführten Bankenaufsicht festhielt. Nach wie vor gab es mit dem Aufsichtsamt und dem Reichskommissar zwei Aufsichtsbehörden, die sich ihre Aufgaben in gleicher Weise teilten wie das Kuratorium für das Bankgewerbe und der Reichskommissar auf Grund der Notverordnung vom 19. September 1931. Ebenso wie dem Kuratorium oblag es auch dem Aufsichtsamt, die grundsätzlichen, das ganze Kreditwesen betreffenden Entscheidungen i m Rahmen der Aufsichtsführung zu f ä l l e n . 1 1 1 2 Dem Reichskommissar verblieb die Aufgabe, das K W G in der täglichen Praxis gegenüber den einzelnen Kreditinstituten anzuw e n d e n . 1 1 1 3 Er war es somit weiterhin, der gegenüber den beaufsichtigten Kreditinstituten in erster Linie in Erscheinung trat und als Ansprechpartner zur Verfügung stand. Auch die Stellung von Aufsichtsamt und Reichskommissar zueinander knüpfte an die bisherige Rechtslage an. Wie zuvor dem Kuratorium unterstand der mo Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 117. im Vgl. Fischer, KWG-Kommentar, S. 163. 1112 s. o., Teil 4, J., I., 1. 1113 s. o., Teil 4, J., II., 1.
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Reichskommissar in sachlicher Hinsicht dem Aufsichtsamt und erhielt von diesem die Richtlinien für seine T ä t i g k e i t . 1 1 1 4 Ungeachtet dieser grundsätzlich unveränderten Grundstruktur wiesen die § § 3 0 ff. K W G i m Verein mit den vielen, über das ganze K W G verteilten Befugnissen den Aufsichtsbehörden eine weitaus größere Machtstellung zu, als es bis zum Erlaß des Gesetzes der Fall war. Dies galt vor allem für das Aufsichtsamt. Dieses hatte vom Reichskommissar die Aufgabe übernommen, „für die Beachtung allgemein wirtschaftlicher Gesichtspunkte in der allgemeinen Kredit- und Bankpolitik ( . . . ) zu s o r g e n " 1 1 1 5 und war überdies dazu berufen, „ i m Kreditwesen auftretende Mißstände" zu beseitigen. Sämtliche das Kreditwesen betreffende Materien fielen demnach in die Zuständigkeit des Aufsichtsamtes. Die weit reichenden Befugnisse, die das K W G dem Aufsichtsamt an vielen Stellen zugestand, 1 1 1 6 sowie die äußerst weit gefaßten Ermächtigungen des § 32 K W G 1 1 1 7 versetzten es in die Lage, seiner gestiegenen Bedeutung gerecht zu werden. Aber auch die Rolle des Reichskommissars wurde aufgewertet. So bedurften viele der mit dem K W G eingeführten Bestimmungen seiner Umsetzung. Darüber hinaus betonten die § § 3 0 ff. K W G seine mächtiger gewordene Stellung, indem die dem Reichskommissar gemäß §§ 34, 35 K W G zugewiesenen Befugnisse umfassender waren als die aufgrund der bisherigen Rechtslage. 1 1 1 8 Von einer lediglich beobachtenden Stellung, wie sie der Bankenaufsicht aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 zugewiesen w a r , 1 1 1 9 konnte somit keine Rede mehr sein. Vielmehr versetzten die § § 3 0 ff. K W G sowie die übrigen Bestimmungen des Gesetzes das Aufsichtsamt und den Reichskommissar nunmehr in die Lage, in fast unbeschränkter Weise regulierend in das Kreditwesen einzugreifen. Das entstehungsgeschichtlich auffälligste Merkmal der § § 3 0 ff. K W G liegt schließlich in den Auseinandersetzungen zwischen Reichsbank und Reichsregierung bei der Ausarbeitung der Aufsichtsbestimmungen. Noch der erste, von der Reichsbank formulierte KWG-Entwurf hatte die Führung der Aufsicht über die Kreditinstitute praktisch unter die alleinige Kontrolle der Reichsbank gestellt. Zwar sah § 32 K W G - E 1 die paritätische Besetzung des Aufsichtsamtes mit Vertretern der Reichsbank und der Reichsregierung vor. Indessen waren die Entscheidun1114
Eine Änderung der bisherigen Rechtslage stellte lediglich das durch § 43 KWG bedingte Ausscheiden des Reichskommissars aus dem Aufsichtsamt dar. Da er jedoch nach wie vor das Recht hatte, an den Sitzungen des Aufsichtsamtes mit beratender Stimme teilzunehmen, dürfte diese Änderung nur von geringer praktischer Relevanz gewesen sein. ms Vgl. o., Teil 4, J., I., 4., a), (1). 1116
Hier standen vor allem die Normativbestimmungen gemäß §§ 11 ff. KWG im Mittelpunkt, mit deren Hilfe das Aufsichtsamt in die Geschäftsführung der Kreditinstitute eingreifen konnte. 1117 s. o., Teil 4, J., I., 5. i n 8 Hier sind vor allem das dem Reichskommissar gem. § 34 e) KWG zugestandene Anordnungsrecht sowie die Regelung der Depotprüfung gem. § 35 KWG zu nennen. 1119 s . o . , T e i l 1 , C . , I V . , l . , d ) .
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gen des Aufsichtsamtes allein vom Reichsbankpräsidenten zu fällen, der auch den Reichskommissar zu ernennen und die Richtlinien für dessen Tätigkeit zu erlassen hatte. Die Reichsregierung hatte demnach i m Rahmen der Aufsicht lediglich eine beratende Funktion. Indessen waren deren Vertreter nicht gewillt, der Reichsbank die Vorherrschaft in der Aufsichtsführung zu überlassen. Vom Beginn der Gesetzesberatungen an bis hin zur Chefbesprechung wenige Tage vor der Verabschiedung des K W G gelang es Regierungs- und Parteivertretern immer wieder, den Einfluß der Reichsbank zurückzudrängen, um i m Gegenzug die Stellung der Reichsregierung in den Aufsichtsorganen zu verstärken. Diese Entwicklung führte dazu, daß sich i m Laufe des Gesetzgebungsverfahrens die Rollen von Reichsbank und Reichsregierung i m Rahmen der Aufsichtsführung vertauschten. Denn i m K W G war es schließlich die Reichsbank, der letztlich nur noch eine beratende Funktion zufiel. Zwar wurde das Aufsichtsamt bei der Reichsbank errichtet und stand unter der Führung des Reichsbankpräsidenten. Indessen war das A m t mehrheitlich von Vertretern der Reichsregierung beherrscht. Zudem wurde das zugunsten des Reichsbankpräsidenten in § 32 K W G angeordnete Führerprinzip durch eine Zweifelsfallregelung ausgehöhlt, die es der Reichsregierung stets ermöglichte, Entscheidungen in ihrem Sinne herbeizuführen. Schließlich wurde auch der Reichskommissar nicht von der Reichsbank, sondern vom Führer und Reichskanzler persönlich ernannt. I m Ergebnis stand damit die Aufsicht über die Kreditinstitute unter der alleinigen Kontrolle der Reichsregierung, 1 1 2 0 obgleich der Schlußbericht des Untersuchungsausschusses auffallend deutlich die hervorgehobene Stellung der Reichsbank i m Rahmen der Aufsicht betonte. 1 1 2 1 Dies sollte möglicherweise dazu dienen, die Akzeptanz des Gesetzes bei den Kreditinstituten zu erhöhen. Denn diese standen grundsätzlich jeder Beaufsichtigung mißtrauisch gegenüber, waren jedoch am ehesten bereit, mit der Reichsbank zusammenzuarbeiten. Mehr als alle anderen Abschnitte des K W G spiegelten die §§ 30 ff. K W G damit die knapp zwei Jahre vor der Verabschiedung des Gesetzes erfolgte „Machtergreifung" der Nationalsozialisten wieder. Denn die „unmittelbare Einflußnahme des Führers und Reichskanzlers auf die Arbeiten des Aufsichtsamts" sowie auf die Person des Reichskanzlers entsprach ausdrücklich „den Grundsätzen der neuen Staatsf ü h r u n g " . 1 1 2 2 Gerade die §§ 30 ff. K W G waren damit politisch geprägt und führten 1120 Unzutreffend daher Hansmeyer/Caesar in: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876- 1975, S. 373, die von einer „entscheidenden Stellung" der Reichsbank sprechen, sowie Alsheimer, S. 28, der die Bankenaufsicht für „formal von der Reichsregierung unabhängig" hält, und Möschel, S. 217, der davon ausgeht, daß der Reichsbankpräsident das Aufsichtsamt dominierte. 1121
Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 33 f. Auch Guichard, S. 173, stellte fest, daß durch das Aufsichtsamt „die Stellung der Reichsbank bis zu einem denkbar hohen Grad gestärkt" werde. Demgegenüber stellte Reichsbankdirektor Müller bereits in einem Artikel vom 1. Januar 1935 fest, daß die Reichsbank im Aufsichtsamt lediglich ihre „Wünsche vorbringen" und ihre „Erfahrungen nutzbar machen" könne (Bank-Archiv 1934/35, S. 148). " 2 2 Vgl. Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 111.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
dazu, daß „die vom Führer und Reichskanzler ( . . . ) geforderte Herstellung des Primates der Politik auch auf dem Gebiete des Kreditwesens" verwirklicht w u r d e . 1 1 2 3
K. Zwangsmittel und Strafen, §§ 45 ff. K W G Die materiellen Bestimmungen des K W G wurden in den § § 4 5 ff. K W G durch eine Reihe von Vorschriften flankiert, mit deren Hilfe der Reichskommissar die Befolgung seiner Anordnungen sowie der einzelnen Bestimmungen des Gesetzes durchsetzen konnte. Darüber hinaus stellte das Gesetz in den § § 4 8 bis 50 K W G auf das Kreditwesen zugeschnittenen Straftatbestände auf. § 45 Abs. 1 K W G gab dem Reichskommissar die Befugnis, „die Befolgung der Verfügungen, die er innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse trifft, durch Zwangsmittel (Erzwingungsstrafen in Geld und unmittelbarer Zwang)" durchzusetzen. Die Zwangsmittel „konnten wiederholt festgesetzt werden, bis der Verfügung entsprochen" wurde. Die Erzwingungsstrafe in Geld, die bei den Zwangsmitteln naturgemäß die Hauptrolle s p i e l t e , 1 1 2 4 konnte bis zu 100.000 Reichsmark betragen und „gegen natürliche Personen und gegen juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts sowie gegen Personenvereinigungen verhängt w e r d e n " . 1 1 2 5 § 46 K W G sollte die Einhaltung der einzelnen Vorschriften des K W G und der dazu erlassenen Bestimmungen durch die Kreditinstitute gewährleisten. So berechtigte § 46 Abs. 1 K W G den Reichskommissar „bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen die Vorschriften dieses Gesetzes, die Durchführungsbestimmungen, die gemäß § 38 getroffenen Vereinbarungen oder erlassenen Bestimmungen sowie die i m § 57 aufrecht erhaltenen A b k o m m e n 1 1 2 6 ( . . . ) Ordnungsstrafen in Gelde bis zu 100.000 Reichsmark für jeden Einzelfall des Verstoßes" festzusetzen, soweit diese Verstöße nicht strafrechtlich relevant w a r e n . 1 1 2 7 Die Ordnungsstrafen konnten „gegen die Geschäftsleiter (§ 4 Abs. 2) oder deren gesetzliche Vertreter, gegen Verwaltungs- und Aufsichtsorgane einer Unternehmung sowie gegen juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts oder gegen die Leiter nicht rechtsfähiger Vereinigungen verhängt werden". Bezüglich der Verwendung der Erzwingungs- und Ordnungsstrafen bestimmte § 47 Abs. 1 K W G , daß diese „wie Reichssteuern von den Finanzämtern zugunsten 1123 Vgl. Schulze, S. 44. 1124 Gemäß § 45 Abs. 1 S. 6 KWG durfte unmittelbarer Zwang nur angewendet werden, „wenn die Verfügung sonst nicht durchsetzbar erscheint oder Gefahr im Verzuge ist". 1125 Die Absätze 2 bis 4 des § 45 KWG enthielten in erster Linie Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsvollstreckungsrechts. 1126 s. u., Teil 4, M., II. ι · 2 7 In diesen Fällen war § 46 KWG gegenüber den einschlägigen Strafvorschriften subsidiär.
Κ. Zwangsmittel und Strafen, §§ 45 ff. KWG
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der Reichskasse beigetrieben" wurden. § 47 Abs. 2 K W G berechtigte die Reichsregierung, „festgesetzte Erzwingungs- und Ordnungsstrafen ganz oder teilweise zu erlassen", wobei diese Befugnis auf das Aufsichtsamt oder den Reichskommissar übertragen werden konnte. § 48 Abs. 1 K W G stellte die Einhaltung der Konzessionsvorschriften gemäß §§ 3 ff. K W G unter besonderen Schutz. Er ahndete den Betrieb eines Kreditinstitutes ohne die erforderliche Erlaubnis, das Fortführen des Geschäftsbetriebes eines Kreditinstitutes trotz Untersagung sowie die Wiedereröffnung eines eingestellten Geschäftsbetriebes ohne Erlaubnis „ m i t Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen". 1 1 2 8 § 49 Abs. 1 K W G enthielt weitere Straftatbestände. So stellte § 49 Abs. 1 a) K W G die falsche Auskunftserteilung „gegenüber dem Aufsichtsamt, dem Reichskommissar oder Organen und Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten bedienen, " unter Strafe. 1 1 2 9 § 49 Abs. 1 b) K W G war auf die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 41 K W G zugeschnitten, 1 1 3 0 indem er denjenigen bestrafte, der „seine Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die er bei der Wahrnehmung seiner Obliegenheiten erfahren hat, unbefugt verwertet". 1 1 3 1 § 49 Abs. 1 c) K W G schützte die Reputation der Kreditinstitute. Er bestrafte das Aufstellen oder Verbreiten von unwahren Behauptungen wider besseres Wissen, „die geeignet sind, den Kredit eines Kreditinstituts zu schädigen oder zu gefährden". 1 1 3 2 Alle i m § 49 K W G genannten Straftaten konnten nur vorsätzlich verwirklicht werden. Sie wurden „ m i t Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen" geahndet, „soweit nach anderen Gesetzen nicht schwerere Strafen verwirkt s i n d " . 1 1 3 3 § 50 K W G enthielt schließlich die Vorläufervorschrift des heutigen Kreditbetrugs gemäß § 265 b Abs. 1 StGB. Danach wurde, „ m i t Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen ( . . . ) , soweit nach anderen Gesetzen nicht schwerere Strafen verwirkt sind, bestraft, wer vorsätzlich zur Erlangung oder Erweiterung eines Kredits oder Erzielung günstigerer Kreditbedingungen unwahre Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen oder Vermögensübersichten einem Kreditinstitut einreicht oder einem solchen gegenüber wissentlich falsche Erklärungen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse abgibt, auch wenn es nicht zur Kredit1128
Gemäß § 48 Abs. 2 KWG trat die Verfolgung „nur auf Antrag des Reichskommissars
ein". 1129 Eine entsprechende Bestimmung war bereits in § 8 Abs. 2 der Notverordnung vom 19. September 1931 enthalten. 1130 Fischer, KWG-Kommentar, S. 170.
1131 Die Bestimmung entsprach § 8 Abs. 3 der Notverordnung vom 19. September 1931. 1132 Eine entsprechende Bestimmung findet sich heute in § 187 StGB. 1133 Gemäß § 49 Abs. 2 KWG trat die Verfolgung in den Fällen gem. § 49 Abs. 1 a), c) KWG auf Antrag des Reichskommissars, in den Fällen gem. § 49 Abs. 1 b) KWG nur auf Antrag der Reichsregierung ein.
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
gewährung kommt". Die Vorschrift wurde mit Rücksicht darauf, daß sich in den genannten Fällen „die bestehenden gesetzlichen Strafbestimmungen ( . . . ) als ( . . . ) nicht ausreichend erwiesen" hatten, in das Gesetz aufgenommen. 1 1 3 4 Denn die i m § 50 K W G beschriebenen Verhaltensweisen ließen häufig in Ermangelung einer hinreichend begründeten Kausalität zwischen den unwahren Angaben und der Kreditgewährung eine Verurteilung wegen Betruges nicht z u . 1 1 3 5 In den Beratungen der verschiedenen Gesetzentwürfe spielten die Vorschriften über Zwangsmittel und Strafen praktisch keine R o l l e . 1 1 3 6 Der erste KWG-Entwurf ließ deutlich erkennen, daß diese Materie den mit der Ausarbeitung des Entwurfs betrauten Experten der Reichsbank fremd w a r . 1 1 3 7 Dementsprechend wurde auf der Sitzung i m Reichswirtschaftsministerium vom 22. März 1934 beschlossen, die detaillierte Ausarbeitung der Erzwingungs- und StrafvorSchriften in die Hände von Ministerialrat Schwandt (Reichsfinanzministerium) und Ministerialrat Quassowski (Reichsjustizministerium) zu l e g e n . 1 1 3 8 Diese legten die neu formulierten Bestimmungen in der Sitzung vom 27. März 1934 vor. Ihre Vorschläge waren den späteren § 45 ff. K W G schon sehr weit angenähert und fanden die allgemeine Zustimmung der übrigen Besprechungsteilnehmer. 1139 Somit entsprachen die Erzwingungs- und Strafvorschriften des zweiten KWG-Entwurfes bereits weitgehend den späteren § 45 ff. K W G . Sie erfuhren daher bis zur Verabschiedung des K W G praktisch nur noch redaktionelle Änderungen und waren nicht mehr Gegenstand der Gesetzesberatungen.
L. Sondervorschriften, §§ 51,52 K W G Die in einem eigenen Gesetzesabschnitt über „Sondervorschriften" enthaltenen §§ 51, 52 K W G regelten das Zusammenspiel des Aufsichtsamtes und des Reichskommissars mit anderen Aufsichtsbehörden sowie die Geltung des K W G für die Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen.
Π34 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 120. 1135 Fischer, KWG-Kommentar, S. 172. 1136 So widmete sich etwa der Untersuchungsausschuß in keiner seiner Sitzungen diesen Vorschriften. 1137 So lösten etwa „Verstöße gegen die Vorschriften des Gesetzes" (§ 44 KWG-E 1) bzw. ein Verstoß „gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes" (§ 49 KWG-E 1) in unsystematischer Weise sowohl eine Ordnungs- als auch eine Kriminalstrafe aus. Auch zwischen Zwangsmitteln und Ordnungsstrafen wurde in § 44 KWG-E 1, anders als in den §§ 45, 46 KWG, nicht hinreichend deutlich unterschieden. 1138 Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 / 6943, S. 329. H39 Es wurde nur geringfügige Änderungen beschlossen (Prot, der ersten Besprechungsrunde im RWM, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 25.01 /6943, S. 334 f.).
L. Sondervorschriften, §§ 51, 52 KWG
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Ungeachtet des umfassenden Charakters des K W G , das praktisch sämtliche Kreditinstitute erfaßte, 1 1 4 0 stellten das Aufsichtsamt und der Reichskommissar nicht die einzigen Aufsichtsbehörden des Kreditwesens dar. Vielmehr bestanden bereits vor dem Erlaß des K W G für bestimmte Gruppen von Kreditinstituten eigene Aufsichtsinstanzen, die auch nach der Verabschiedung des Gesetzes erhalten blieben. So unterlagen etwa die privaten Hypothekenbanken der Aufsicht durch das Hypothekenbankgesetz, 1141 die seit dem 1. Oktober 1934 vom Reichs wirtschaftsminister ausgeübt w u r d e . 1 1 4 2 Die Aufsicht über die Sparkassen wurden dagegen von den Kommunalaufsichtsbehörden ausgeübt, 1 1 4 3 während die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute der Aufsicht ihrer jeweiligen Träger unterlagen. 1 1 4 4 § 51 K W G koordinierte die Zusammenarbeit zwischen all diesen verschiedenen Aufsichtsinstanzen einerseits sowie dem Aufsichtsamt und dem Reichskommissar andererseits. So ordnete § 51 Abs. 1 K W G an, daß „gegenüber Kreditinstituten, die einer besonderen Reichs- oder Staatsaufsicht unterliegen, ( . . . ) die in den §§ 3, 6, 45 und 46 dem Reichskommissar eingeräumten Befugnisse der Aufsichtsbehörde" zustanden. Die Anwendung des Konzessionssystems sowie die Verhängung von Erzwingungs- und Ordnungsstrafen war damit in die Hände der jeweiligen speziellen Aufsichtsbehörden g e l e g t . 1 1 4 5 In der Wahrnehmung dieser Befugnisse waren die Aufsichtsbehörden jedoch nicht frei. Vielmehr hatten sie „ i m Interesse der einheitlichen Handhabung der Vorschriften dieses Gesetzes" 1 1 4 6 gemäß § 51 Abs. 1 S. 2 K W G „einem Ersuchen des Aufsichtsamts Folge zu l e i s t e n " . 1 1 4 7 Darüber hinaus durfte die Erlaubnis zum Betrieb eines Kreditinstitutes gemäß § 3 K W G „von der Aufsichtsbehörde nur i m Einvernehmen mit dem Reichskommissar erteilt werden". § 51 Abs. 2 K W G erleichterte den Aufsichtsbehörden die Ausübung der ihnen durch § 51 Abs. 1 K W G übertragenen Befugnisse. Er bestimmte, daß „gegenüber den i m Abs. 1 bezeichneten Kreditinstituten ( . . . ) die i m § 3 4 1 1 4 8 dem Reichskommissar eingeräumten Befugnisse in jedem Falle auch der Aufsichtsbehörde"
• 140 Zu den Ausnahmen s. o., Teil 1, Α., II. 1141 Zum Inhalt dieser Aufsicht s. o., Teil 1, C., II., 3. ••42 Zuvor wurde die Aufsicht von den einzelnen Ländern wahrgenommen, in denen die Hypothekenbanken jeweils ihren Sitz hatten, s. o., Teil 1, C., II., 3. Die Übertragung der Aufsicht auf den Reichswirtschaftsminister erfolgte durch die „Verordnung über die Börsen-, Hypothekenbank- und Schiffspfandbriefbankaufsicht vom 28. September 1934" (RGBl. I, S. 863). •143 s.o., Teil l,C.,II.,2.,a). •144 s.o., Teil l,C.,II.,2.,b). 1145 Letzteres galt jedoch nicht, soweit es sich „um Verstöße gegen nach § 38 geschlossene Vereinbarungen oder erlassene Bestimmungen handelt". ••46 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 120. ••47 Insoweit war der Reichskommissar „berechtigt, an das Aufsichtsamt Anträge zu stellen".
•148 s. o., Teil 4, J., II., 3. 28 Müller
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Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
zustanden. Die Aufsichtsbehörden konnten sich damit zur Vorbereitung ihrer Entscheidungen ein eigenes B i l d von der Verfassung eines Kreditinstitutes machen. § 52 K W G regelte, inwieweit die Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen dem K W G unterlagen. Demnach galt das Gesetz grundsätzlich auch für diese Institute. Jedoch konnte das Aufsichtsamt „für Bausparkassen ( . . . ) und Zwecksparunternehmungen ( . . . ) die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes ausschließen". 1 1 4 9
M. Übergangs- und Schlußvorschriften, §§ 53 bis 59 KWG Der letzte Gesetzesabschnitt enthielt in den § § 5 3 bis 59 K W G Übergangs- und Schlußvorschriften. Sie dienten dazu, die Einführung der überwiegend völlig neuen Aufsichtsbestimmungen in das Kreditwesen zu erleichtern und das Verhältnis der Vorschriften des K W G zu den bereits bestehenden aufsichtsrechtlichen Normen festzulegen. Die Bestimmungen normierten überwiegend Selbstverständlichkeiten und spielten daher in den Gesetzesberatungen praktisch keine Rolle.
1. Fortbestehen der Erlaubnis und Untersagung des Geschäftsbetriebes, §§ 53,54 KWG Die §§ 3 ff. K W G führten für das Kreditwesen ein allgemeines Konzessionssystem e i n . 1 1 5 0 Dementsprechend wären nach dem Inkrafttreten des K W G an sich sämtliche Kreditinstitute gemäß § 3 K W G verpflichtet gewesen, sich vom Reichskommissar eine Erlaubnis zur Führung ihrer Geschäfte erteilen zu lassen, was von diesem nicht zu bewältigen gewesen wäre. Daher ordnete § 53 Abs. 1 S. 1 K W G an, daß „die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Kreditinstitute ( . . . ) keiner Erlaubnis ( § 3 ) [bedürfen], soweit sie ihr Geschäft noch betreiben". Das gleiche galt gemäß § 53 Abs. 1 S. 2 K W G für Kreditinstitute, die sich in Liquidation oder in Konkurs befanden, „soweit deren Geschäftsbetrieb sich auf die Durchführung der Liquidation oder des Konkurses" beschränkte. I m Ergebnis bedurften daher nur solche Kreditinstitute einer Erlaubnis, die ihren Geschältsbetrieb nach dem Inkratttreten des K W G aufnahmen. 1 1 5 1 Damit sollte eine Verunsicherung des Kreditwesens vermieden w e r d e n . 1 1 5 2
•149 Näheres zu Entstehung des § 52 KWG s. o., Teil 1, Α., II. uso s. o., Teil 4, J., II., 3. 1151 Eine Ausnahme galt vor dem Hintergrund der „Verordnung über eine Gründungssperre für Kreditinstitute vom 4. September 1934" (s. o., Teil 2, Α., I., 1.) gemäß § 53 Abs. 2 KWG für Kreditinstitute, „die nach dem 30. Juni 1934 errichtet worden sind". Auch diese
Μ. Übergangs- und Schlußvorschriften, §§53 bis 59 KWG
435
§ 54 K W G stellte unter den Übergangs- und Schlußvorschriften des Gesetzes die bedeutendste Vorschrift dar. § 54 Abs. 1 S. 1 K W G befugte das Aufsichtsamt, „zur Herbeiführung einer zweckmäßigeren Gestaltung des Kreditwesens ( . . . ) bis zum 31. Dezember 1935 Kreditinstituten, die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen, die Fortführung ihres Geschäftsbetriebes auch dann zu untersagen, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 nicht vorliegen". Die Untersagung konnte sich gemäß § 54 Abs. 2 K W G „auch auf einen Teil des Geschäftsbetriebes sowie auf einzelne Zweigstellen beschränken". 1 1 5 3 § 6 Abs. 1 K W G erlaubte die Untersagung des Geschäftsbetriebes nur aufgrund von Umständen, die in der Person der jeweiligen Geschäftsleiter bzw. des jeweiligen Kreditinstitutes begründet w a r e n . 1 1 5 4 Er gewährte damit Schutz vor einem willkürlichen staatlichen Verbot bereits bestehender Kreditinstitute. Dieser Schutz wurde durch § 54 K W G komplett ausgehöhlt, zumal die ursprünglich bis zum 31. Dezember 1935 laufende Frist in der Folgezeit bis zum 31. Dezember 1940 verlängert w u r d e . 1 1 5 5 Ohne Bindung an besondere Voraussetzung - die „Herbeiführung einer zweckmäßigeren Gestaltung des Kreditwesens" war eine bloße Leerformel - war das Aufsichtsamt befugt, jederzeit einzelnen Kreditinstituten ihren Geschäftsbetrieb zu untersagen, ohne daß den betroffenen Instituten dagegen irgend eine Form von Rechtsschutz zustand. Trotz seines willkürlichen Charakters war § 54 K W G jedoch nicht in erster Linie Ausdruck der nationalsozialistischen Diktatur. Er beruhte vielmehr auf den negativen Erfahrungen, die mit dem übersetzten Kreditwesen in der Weimarer Republik gemacht wurd e n 1 1 5 6 und sollte einer weiteren Übersetzung entgegen w i r k e n . 1 1 5 7 Gleichwohl gestattete es die Vorschrift dem Aufsichtsamt, nach eigenem Gutdünken einzelnen Kreditinstituten die Existenzgrundlage zu entziehen. § 54 K W G war demnach geeignet, die der Aufsicht unterliegenden Kreditinstitute gefügig zu machen, konnten doch mißliebige Institute jederzeit beseitigt w e r d e n . 1 1 5 8 Dementsprechend sprach die Begründung zu § 54 K W G - E 5 nicht mehr davon, daß mit der Bestimmung die Kreditinstitute bedurften einer Erlaubnis, es sei denn, ihr Betrieb war ausnahmsweise bereits aufgrund der genannten Verordnung zugelassen. Π52 Begründung zu KWG-E 5 BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 121. 1153 Überdies war gem. § 54 Abs. 1 S. 2 KWG bei einer Untersagung von Kreditinstituten, „die einer besonderen Staatsaufsicht unterliegen, ( . . . ) die Aufsichtsbehörde vorher zu hören". Dies betraf in erster Linie die Sparkassen, die öffentlichen Banken und die Hypothekenbanken. Gem. § 54 Abs. 1 S. 3 KWG war „der Reichskommissar ( . . . ) berechtigt, Anträge zu stellen". 1154 s.o., Teil Ι , Β . , Ι . , 1. 1155 Änderungsgesetze vom 13. Dezember 1935 (RGBl. 1, S. 1456) sowie vom 4. September 1938 (RGBl. 1151). Weitere Verlängerungen erfolgten nicht. 1156 Vgl. o., Teil l,B.,I.,4.,c).;D. 1157 Auf diesen Zweck der Bestimmung stellte die Begründung zu KWG-E 3 noch ausdrücklich ab. Vgl. auch Wandel, Deutsche Bankengeschichte, Bd. 3, S. 151. 1158 Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die im § 54 KWG vorgesehene Frist immer wieder verlängert worden. 28=
436
Teil 4: Die Entstehung der einzelnen Vorschriften
Übersetzung des Kreditwesens gesteuert werden solle. Vielmehr hieß es lapidar, daß mit Hilfe des § 54 K W G „einer sich ergebenden Notwendigkeit, das eine oder andere Kreditinstitut zu beseitigen, ( . . . ) Rechnung getragen werden" könne.
II. Übergangsbestimmungen und Anpassung an die bisherige Rechtslage, §§55 bis 57 KWG § 55 K W G sollte den Kreditinstituten die Anpassung an die mit dem K W G neu geschaffene Rechtslage erleichtern. 1 1 5 9 Die Vorschrift ermächtigte den Reichskommissar daher, den Kreditinstituten für eine Übergangszeit Abweichungen von den Normativbestimmungen der §§ 11, 12, 16 und 17 K W G zu gestatten. 1 1 6 0 Überdies konnte der Reichskommissar in Bezug auf die Regelung des Sparverkehrs mit Zustimmung des Aufsichtsamtes „ i n Abweichung von den Vorschriften der § § 2 2 bis 25 K W G und zur Vorbereitung ihrer Durchführung für eine angemessene Zeit Übergangsbestimmungen erlassen". 1 1 6 1 § 56 K W G regelte das Verhältnis des K W G zu den bereits bestehenden aufsichtsrechtlichen Bestimmungen, soweit diese nicht durch § 58 Abs. 2 K W G außer Kraft gesetzt w u r d e n . 1 1 6 2 Danach blieben „die auf dem Gebiet des Kreditwesens ( . . . ) bestehenden Vorschriften des Reichs- oder Landesrechts ( . . . ) aufrechterhalten, soweit ihnen nicht die Vorschriften dieses Gesetzes entgegenstehen". Soweit die Anwendung einzelner Vorschriften des K W G von der Umsetzung durch die Aufsichtsbehörden abhängig w a r , 1 1 6 3 blieben „die hierauf bezüglichen Vorschriften des Reichs- oder Landesrechts bis zum Inkrafttreten der entsprechenden Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetze unbeschränkt aufrechterhalten". § 57 K W G regelte das Fortgelten der bisher bestehenden Zinsabkommen, die aufgrund der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 geschlossen worden w a r e n . 1 1 6 4 Die Vorschrift bestimmte, daß „Vereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden der Kreditinstitute" weiterhin galten, soweit sie „auf Grund der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen ( . . . ) durch die Zustimmung des Reichskommissars Allgemeinverbindlichkeit erlangt haben". Für die Zukunft konnten Änderungen dieser Vereinbarungen gemäß § 57 S. 2 K W G nur „nach Maßgabe des § 38 erfolgen". 1 1 6 5 "59 Vgl. Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 122. 1160 s. o., Teil 4, F., IX., 1. Die Dauer der Übergangszeit wurde von der Reichsregierung festgelegt. 1161 s. o., Teil 4, Η., IX., 2.
1 1 6 2 s. sogleich. 1163 Dies galt vor allem für die Normativbestimmungen gem. §§ 11 ff. KWG. 1164 s.o., Teil 1,C.,IV., 3.,a). 1165 s. o., Teil 4, J., II., 5.
Μ. Übergangs- und Schlußvorschriften, §§ 53 bis 59 KWG
437
Die §§ 56, 57 K W G ließen somit auch nach Inkrafttreten des Gesetzes die bisher bestehenden Vorschriften jedenfalls bis zur weiteren Umsetzung des K W G weitgehend unberührt. Damit sollte verhindert werden, „daß bis zum Erlaß der erforderlichen Ausführungsbestimmungen und Durchführungsverordnungen eine Rechtsunsicherheit oder eine Lücke e i n t r i t t " . 1 1 6 6
III. Inkrafttreten des Gesetzes und Erlaß von Durchführungsbestimmungen, §§ 58, 59 KWG § 58 Abs. 1 K W G ordnete das Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Januar 1935 an. Gleichzeitig setzte § 58 Abs. 2 K W G all jene Regelungen außer Kraft, die in den einzelnen Bestimmungen des K W G aufgegangen w a r e n . 1 1 6 7 § 59 K W G enthielt schließlich die seinerzeit übliche Ermächtigung zugunsten des Reichswirtschaftsministers, „ i m Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen und dem i m Einzelfall außerdem zuständigen Reichsminister Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Ergänzung und Durchführung dieses Gesetzes zu erlassen". Diese überaus weite und an keine Einschränkungen gebundene Ermächtigung sollte durch den „Charakter des Gesetzes als eines Rahmengesetzes" erforderlich s e i n . 1 1 6 8
1166 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Licherfelde, Akte R 43 11/237, S. 122. 1167 Dazu gehörten: Die Notverordnung vom 19. September 1931, soweit sie die Bankenaufsicht regelte (aufgegangen in den § 30 ff. KWG), die Notverordnung vom 8. Dezember 1931, soweit sie die Zinssenkung auf dem Geldmarkt regelte sowie die ent. Durchführungsverordnung vom 9. Januar 1932 (aufgegangen in § 38 KWG), die Verordnung zur Durchführung der Bankenaufsicht vom 21. April 1933 (aufgegangen in § 37 KWG), das Gesetz über die Befugnisse des Reichskommissars für das Bankgewerbe vom 7. August 1933 (aufgegangen in § 46 KWG), die Notverordnung vom 6. Oktober 1931, soweit sie den Schutz der Bezeichnung „Sparkasse" regelte sowie die dazu ergangene Änderung in der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 (aufgegangen in § 10 KWG) und die Verordnung über eine Gründungssperre für Kreditinstitute vom 4. September 1934 (überflüssig geworden durch die § 3 ff. KWG). 1168 Begründung zu KWG-E 5, BA Berlin-Lichterfelde, Akte R 43 11/237, S. 123.
Teil 5
Schlußbetrachtung M i t dem Inkrafttreten des K W G zum 1. Januar 1935 fand die seit der Jahrhundertwende intensiv geführte Debatte um die Einführung einer allgemeinen Bankenaufsicht in Deutschland ihr Ende. Erstmals unterlagen alle Kreditinstitute in Deutschland einer einheitlichen Aufsicht, die von einer zentralen Stelle ausgeübt wurde und die mit umfassenden Befugnissen ausgestattet war. Dabei war das erste Jahr des Bestehens des K W G von besonderer Bedeutung, bedurften doch eine Reihe gesetzlicher Rahmenvorschriften der Ausfüllung durch das Aufsichtsamt oder den Reichskommissar. Darüber hinaus stellt sich insbesondere aus heutiger Sicht die Frage, inwieweit das K W G , in der Frühphase des Nationalsozialismus geschaffen, von dessen Ideologie geprägt ist. Diese Frage stellte sich auch nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes, so daß auch die Weitergeltung des K W G nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die neue Verabschiedung des Gesetzes i m Jahr 1961 Rückschlüsse auf den ideologischen Charakter des K W G von 1934 zuläßt. Eine umfassende Würdigung und Bewertung des Gesetzes wäre schließlich unvollständig, wenn nicht auf die Frage eingegangen würde, inwieweit das K W G von 1934 auch heute noch die Aufsicht über das Kreditwesen prägt.
A. Die Bewährung des KWG im ersten Jahr seines Bestehens In den ersten Monaten nach dem Inkrafttreten des K W G am 1. Januar 1935 zählte es zu den wichtigsten Aufgaben des Aufsichtsamtes und des Reichskommissars, die vielfältigen Rahmenvorschriften des K W G auszufüllen. Dabei lag das Schwergewicht der Tätigkeit der Aufsichtsbehörden auf der Umsetzung der Publizitätsvorschriften gemäß §§ 20, 21 K W G . A m 15. März setzte das Aufsichtsamt § 20 K W G mit der Veröffentlichung des fortan geltenden Bilanzschemas um. 1 Dieses Schema lehnte sich, um überflüssige Mehrarbeit bei den betroffenen Kreditinstituten zu vermeiden, an das bereits be1
2. Bekanntmachung des Aufsichtsamts für das Kreditwesen vom 13. März 1935 (RA Nr. 63 v. 15. März 1935).
Α. Die Bewährung des KWG im ersten Jahr seines Bestehens
439
stehende Schema 2 an. Zugleich war es auf die Besonderheiten des neuen K W G zugeschnitten, um die Liquiditätslage und die Eigenkapitalausstattung der Institute besser beurteilen und das Spargeschäft vom sonstigen Geschäft schärfer trennen zu können. 3 Vor allem jedoch wurde Wert darauf gelegt, das Bilanzschema so zu gestalten, daß „die wünschenswerte Einheitlichkeit der Bilanzierung innerhalb aller Gruppen von Kreditinstituten gewährleistet 4 ' war. 4 Darüber hinaus machte der Reichskommissar von seiner Befugnis gemäß § 21 K W G , „Kreditinstitute von den Vorschriften des § 20 ganz oder teilweise zu befreien", regen Gebrauch. 5 U m nicht Gefahr zu laufen, „ i n Papier und Zahlen zu ersticken oder einen Apparat aufbauen zu müssen, dessen Kosten wohl außer Verhältnis zu dem erreichbaren Nutzen gestanden hätten," 6 wurde die große Mehrheit der Kreditinstitute - insbesondere praktisch alle ländlichen Kreditgenossenschaften - von der Verpflichtung zur Einreichung von Rohbilanzen oder Monatsausweisen befreit. 7 M i t diesen Maßnahmen waren die Vorschriften über die Publizität der Kreditinstitute und damit ein kompletter Gesetzesabschnitt in die Praxis umgesetzt worden. Darüber hinaus hielten sich die Aufsichtsbehörden mit der Ausfüllung der Rahmenvorschriften des K W G sehr zurück und setzten nur vereinzelte Bestimmungen um. So erließ der Reichskommissar gemäß § 35 K W G Bestimmungen über die Depotprüfung der Kreditinstitute. 8 Danach wurde die Prüfung von den Selbstverwaltungsorganen des Kreditgewerbes vorgenommen und vom Reichskommissar lediglich beaufsichtigt. Darüber hinaus erließ das Aufsichtsamt die „näheren Bestimmungen" über die Kündigungsfristen gemäß § 23 Abs. 3 K W G . 9 Die Umsetzung der §§ 20, 21, 23 Abs. 3, 35 K W G stellte die Aufsichtsbehörden vor keine besonderen Schwierigkeiten. Publizitätsvorschriften, Regelungen über die Depotprüfungen sowie über die Kündigung der Spareinlagen hatte es bereits vor dem Erlaß des K W G gegeben, so daß das Aufsichtsamt und der Reichskommissar insoweit auf die bisher gemachten Erfahrungen zurückgreifen konnten. Anders verhielt es sich dagegen mit den Normativbestimmungen gemäß §§ 11 ff. K W G über die Eigenkapitalausstattung, die Kreditgewährung und die Liquiditätslage der Kreditinstitute sowie mit der Bestimmung zur Anlage der Spareinlagen gemäß § 24 K W G und zur Regelung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs gemäß § § 2 8 ,
2 s. o., Teil 4, G., I. 3 Vgl. Bank-Archiv 1934/35, S. 147. 4 Döring, Die Bank 1935, S. 1786. 5 1. Bekanntmachung des Reichskommissars für das Kreditwesen vom 26. Februar 1935 (RA Nr. 49 v. 27. Februar 1935). 6 Döring, Die Bank 1935, S. 1786. 7 s. o., Teil 4, G., IV. 8 5. Bekanntmachung des Reichskommissars für das Kreditwesen vom 1. August 1935 (RA Nr. 179 v. 3. August 1935). 9 2. Bekanntmachung des Aufsichtsamts für das Kreditwesen vom 13. März 1935 (RA Nr. 63 v. 15. März 1935).
440
Teil 5: Schlußbetrachtung
29 K W G . Diese Vorschriften wurden weder i m Jahr 1935 noch in den folgenden Jahren umgesetzt. Die Tatsache, daß das Aufsichtsamt von der Umsetzung dieser Normen i m Laufe des Jahres 1935 absah, läßt sich leicht erklären. Dem Aufsichtsamt fehlte der genaue Einblick in die internen Verhältnisse der Kreditinstitute, der erforderlich war, um die Rahmenvorschriften des Gesetzes in einer Weise auszufüllen, die das nach wie vor geschwächte Kreditwesen nicht überforderte. Denn die bisherigen Publizitätsvorschriften erfaßten nur einen Bruchteil der Kreditinstitute 1 0 und waren nicht auf die speziellen Regelungen des K W G zugeschnitten. Dementsprechend beabsichtigte das Aufsichtsamt, sich zunächst mit Hilfe der neuen Publizitätsvorschriften die Grundlage für seine künftigen Entscheidungen zu schaffen, 11 ehe es von seinen zahlreichen gesetzlichen Ermächtigungen Gebrauch machte. 1 2 Die mangelnde Umsetzung des Gesetzes überrascht gerade i m Hinblick auf die Liquiditätsvorschriften gemäß §§ 16, 17 K W G , da diese i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens am meisten Beachtung fanden und sich mit ihrem Erlaß die größten Hoffnungen verbanden. 13 Hier wurde das Absehen von der Festsetzung bestimmter Liquiditätsquoten mit dem Hinweis auf die noch schwache Rentabilität der Kreditinstitute begründet. Denn da eine erhöhte Liquidität zu einer Belastung der Rentabilität der Kreditinstitute geführt hätte, „die man zunächst noch i m Interesse einer Besserung der Ertragslage und der inneren Stärkung der Banken vermeiden möchte," 1 4 machte das Aufsichtsamt von seinen Möglichkeiten gemäß § § 1 6 , 17 K W G vorerst keinen Gebrauch. 15 Daneben erschien die Umsetzung der Normativbestimmungen gemäß §§ 11 ff. K W G entbehrlich, da die Kreditinstitute die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Kennziffern nach dem Inkrafttreten des K W G allmählich aus eigener Kraft verbesserten. So erhöhte sich die Barliquidität der Großbanken alleine i m Zeitraum von Ende Februar bis Ende Oktober 1935 von 1,6% auf 2,1% und die Liquidität ersten Grades im gleichen Zeitraum 34,6% auf 36,5%. 1 6 Auch die schlechte Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute verbesserte sich langsam. 10 s. o., Teil 4, G., I. 11 Döring, Die Bank 1935, S. 1785. ι 2 Diese Erwägung galt insbesondere für die fehlende Umsetzung des § 24 KWG. Die entsprechenden Anlagevorschriften wurden nicht erlassen, „weil bisher das Spareinlagengeschäft, insbesondere die Anlegung der Spareinlagen bei manchen Gruppen von Kreditinstituten, viel zu verschieden gehandhabt worden ist, als daß man schon bald zu einer für alle Kreditinstitute einheitlichen Regelung hätte kommen können, die den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung trug und verwirklicht werden konnte" (Döring, Die Bank 1935, S. 1788). 13 s. o., Teil 4, F., VI., 7. 14 Bank-Archiv 1934/35, S. 148. 15 Dieser Aspekt hatte bereits in der Diskussion über die gesetzliche Regelung der Bankenliquidität eine wichtige Rolle gespielt (s. o., Teil 4, F., VI., 2.). 16 Bank-Archiv 1934/35, S. 148.
Α. Die Bewährung des KWG im ersten Jahr seines Bestehens
441
Von Ende Februar bis Ende Oktober 1935 stieg die Eigenkapitalquote von 11,4% auf 12,1%. 1 7 Nicht zuletzt diese Verbesserung der Liquiditäts- und Eigenkapitalquoten dürfte einer der Gründe gewesen sein, warum - mit Ausnahme des § 12 K W G 1 8 - die wichtigsten Rahmenvorschriften des K W G auch nach 1935 nicht umgesetzt wurden. 1 9 Blieben somit die Vorschriften des Gesetzes unausgefüllt, mit denen sich die größten Erwartungen verbanden, so ist daraus gleichwohl nicht zu schließen, daß diese Bestimmungen überflüssig waren oder auf einem Fehlgriff des Gesetzgebers beruhten. Vielmehr dürfte bereits die bloße Existenz der Rahmenvorschriften ihre Umsetzung vielfach entbehrlich gemacht haben. Denn von den Normativbestimmungen des K W G , die jederzeit in die Praxis umgesetzt werden konnten, ging „sichtlich eine erzieherische Wirkung aus, weil jede Bank sich in ihrer Geschäftspolitik darauf einrichten muß, ihren Status allmählich so in Ordnung zu bringen, daß er nicht zu sehr von den i m Gesetz erstrebten Normen abweicht." 2 0 Neben der Ausfüllung der Rahmen Vorschriften, die in erster Linie dem Aufsichtsamt oblag, machte auch der Reichskommissar von den neuen Befugnissen, die das K W G ihm verlieh, ausgiebig Gebrauch. Hier stand die Umsetzung des Konzessionssystems gemäß §§ 3 ff. K W G i m Vordergrund. So wurden i m Jahr 1935 vier Fälle öffentlich bekannt gemacht, in denen der Reichskommissar die Fortführung des Geschäftsbetriebes gemäß § 6 K W G untersagte. 21 Die tatsächliche Zahl der Untersagungen dürfte noch weit darüber gelegen haben. 2 2 Schließlich erließ die Reichsregierung i m Jahr 1935 zwei Durchführungsverordnungen zum K W G . Die erste Verordnung vom 9. Februar 1935 2 3 führte i m wesentlichen zu einer erheblichen Ausdehnung des Konzessionssystems gemäß §§ 3 ff. K W G . Sie machte die räumliche Verlegung eines Kreditinstitutes oder 17 Bank-Archiv 1934/35, S. 148. Der Quelle läßt sich nicht entnehmen, ob diese Zahlen die Entwicklung des gesamten Kreditwesens oder nur die Entwicklung einer bestimmten Institutsgruppe widerspiegeln. Im Übrigen wurde von der Festlegung einer Eigenkapitalquote abgesehen, da die bei den Aktienbanken dazu erforderlichen Kapitalerhöhungen „nicht vorgenommen werden können, weil oft die Ertragskraft gering ist oder der Kapitalmarkt noch wichtigeren Zwecken vorbehalten bleiben muß" (Döring, Die Bank 1935, S. 1789). 18 § 12 KWG über die Gewährung von Höchstkrediten (s. o., Teil 4, F., II.) wurde 1936 ausgefüllt, indem das Aufsichtsamt die Höchstkreditgrenze auf grundsätzlich 10% festsetzte (3. Bekanntmachung des Aufsichtsamts für das Kreditwesen vom 24. Juni 1936, RA Nr. 149 v. 30. Juni 1936). 19 Zu den weiteren speziellen Umständen, aufgrund derer von einer Umsetzung der §§ 11, 16, 17, 24, 28, 29 KWG Abstand genommen wurde, s. o., Teil 4, F., I., 6; VI., 7.; VII., 3.; Η., V., 3.; I., VI. 20 Döring, Die Bank 1935, S. 1789. Ähnlich Sparkasse 1935, S. 468. 21 Die Möglichkeit der Bekanntmachung war dem Reichskommissar durch Art. 4 der ersten Durchführungsverordnung vom 9. Februar 1935 (RGBl. I, S. 205) gegeben. 22 Bank-Archiv 1934/35, S. 146. 23 RGBl. I, S. 205. Diese Verordnung trat rückwirkend zum 1. Januar 1935 gemeinsam mit dem KWG in Kraft.
442
Teil 5: Schlußbetrachtung
einer inländischen Zweigstelle, die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf die Annahme von Geldbeträgen, die Erweiterung der sachlichen Zuständigkeit einer Zweigstelle, die Übernahme eines Kreditinstitutes oder einer Zweigstelle durch ein anderes Kreditinstitut, 2 4 die Annahme von Spareinlagen, die Änderung der Rechtsform, j a sogar die Ausdehnung der Geschäftszeiten von der vorherigen Erteilung einer Erlaubnis abhängig. Damit wurde das Konzessionssystem auf praktisch jedes nur denkbare geänderte Auftreten eines Kreditinstitutes am Markt ausgedehnt. Die zweite Verordnung vom 27. Juli 1935 2 5 regelte Detailfragen der Kostenerstattung gemäß § 42 K W G . Das K W G selbst wurde nach einem Jahr seines Bestehens durchweg positiv beurteilt. So wurde auf die vertrauensfördernde Wirkung des Gesetzes und insbesondere der Publizitätsbestimmungen 26 hingewiesen. M i t den i m K W G vorgesehenen Maßnahmen würden „die Voraussetzungen für eine größere Krisenfestigkeit des Kreditapparates und ( . . . ) damit eine neue Vertrauensbasis zwischen Einlegern und Banken" geschaffen. 27 Darüber hinaus wurden dem Aufsichtsamt und dem Reichskommissar eine gute Amtsführung bescheinigt. Die Aufsichtsbehörden hätten i m Jahr 1935 „von den ihnen gesetzlich verliehenen außerordentlich bedeutsamen und mannigfaltigen Eingriffsmöglichkeiten zielbewußt Gebrauch gemacht, ohne die Elastizität der Bankeninitiative unnötig zu beeinträchtigen, in der Erkenntnis, daß die Funktionsfähigkeit des deutschen Kreditapparates so am besten gefördert werden k a n n . " 2 8 Insgesamt betrachtet beschränkten sich das Aufsichtsamt und der Reichskommissar i m Jahr 1935 in erster Linie auf die Umsetzung der Publizitätsvorschriften des K W G sowie auf die praktische Anwendung des Gesetzes, soweit dessen Bestimmungen keiner weiteren Umsetzung durch das Aufsichtsamt bedurften. Für die große Mehrheit der Kreditinstitute blieb das K W G somit zunächst ohne nennenswerte praktische Auswirkungen. Denn die meisten Kreditinstitute wurden von den Publizitätsbestimmungen gemäß § 21 K W G befreit, und für die Aktienbanken bestanden ohnehin bereits Publizitätspflichten. Gleichwohl hatte sich für das Kreditwesen die Situation mit dem Inkrafttreten des K W G grundlegend geändert. Nunmehr konnte das Aufsichtsamt durch die Ausfüllung der Normativbestimmungen des K W G jederzeit empfindlich in die Geschäftsführung der Kreditinstitute eingreifen. Diese mußten daher bemüht sein, den i m Gesetz vorgezeichneten An24
Insoweit setzte sich die Verordnung deutlich in Widerspruch zum KWG. Dort bedurfte die beabsichtigte oder erfolgte Fusion mit einem anderen Kreditinstitut gem. § 8 Abs. 1 c) KWG lediglich der Anzeige an den Reichskommissar. Dies stellte eine bewußte Entscheidung des Gesetzgebers dar, da der erste KWG-Entwurf für Bankenfusionen noch eine „Genehmigung durch den Reichskommissar für das Bankgewerbe" vorgesehen hatte (s. o., Teil 1, Β., I., 1.). 25 RGBl. I, S. 1050. 26 Döring, Die Bank 1935, S. 1787; Bank-Archiv 1934/35, S. 148. 27 Bank-Archiv 1934/35, S. 146. Bank-Archiv 1934/35, S. 1 4 .
Β. KWG und nationalsozialistische Ideologie
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forderungen so weit wie möglich entgegen zu kommen, um staatliche Eingriffe möglichst entbehrlich zu machen.
B. KWG und nationalsozialistische Ideologie A m 30. Januar 1933 erfolgte die „Machtergreifung" der Nationalsozialisten. Damit war auch die Wirtschaft vor eine neue Lage gestellt, wollten doch die Nationalsozialisten das Wirtschaftsleben von Grund auf neu gestalten. Dabei machten die Reformpläne vor dem Kreditwesen nicht Halt, zumal die Kreditinstitute als Kapitalverteilungsstellen eine wirtschaftliche Schlüsselstellung inne hatten. 2 9 Nur wenige Monate nach der „Machtergreifung" wurde die Öffentlichkeit am 30. Juni 1933 in einer Pressenotiz von der Einsetzung des Untersuchungsausschusses für das Bankwesen unterrichtet. Dieser nahm unverzüglich seine Arbeit auf und erstellte in enger Zusammenarbeit mit der Reichsbank und mit Vertretern der Reichsregierung einen Gesetzentwurf zum K W G , der am 4. Dezember 1934 vom Reichskabinett verabschiedet wurde. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, inwieweit das K W G von der nationalsozialistischen Ideologie geprägt ist. Diese Frage läßt sich nur in Kenntnis der nationalsozialistischen Wirtschaftsideologie i m allgemeinen und der nationalsozialistischen Pläne zur Umgestaltung des Kreditwesens i m besonderen treffen. Tragende Gesichtspunkte der allgemeinen NS-Wirtschaftsideologie waren die Anerkennung des Privateigentums und der unternehmerischen Initiative sowie die Durchsetzung des Führungsanspruches der Politik gegenüber der Wirtschaft. 3 0 Vor allem dem letztgenannten Punkt kam besondere Bedeutung zu. Die Wirtschaft hatte dem Staat zu dienen und sich dessen Zielen unterzuordnen. Denn „die Grundlage nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik wird gebildet durch die Erkenntnis, daß es eine ,Wirtschaft an sich 4 nicht gibt, ( . . . ) und daß daher die politische Führung die Möglichkeit besitzt, sowohl die Wirtschaft zu führen und zu gestalten". Daher habe die Politik „auch über Wohl und Wehe der Wirtschaft [zu entscheiden], weil sie über das Bestehen und die Entwicklung des Volkes schlechthin entscheidet". Eine freie, vom Staat weitgehend unbeeinflußte Wirtschaft lehnten die Nationalsozialisten somit ab. 3 1 Neben diesen allgemeinen Grundsätzen hatten sich besondere Vorstellungen der Nationalsozialisten über die künftige Gestalt des Kreditwesens herausgebildet. Eine in sich geschlossene Theorie war insoweit nicht vorhanden. Das System der Großbanken, daß in der Weimarer Republik entstanden war, wurde jedoch entschieden abgelehnt. Statt dessen forderten die Nationalsozialisten die Verstaat29 Stucken, Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914-1963, S. 104. 30
Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 108 f. 31 Hunke, Die Deutsche Volkswirtschaft 1935, S. 15.
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Teil 5: Schlußbetrachtung
lichung zumindest der Großbanken oder wenigstens ihre Zerschlagung und Aufteilung in Regionalbanken. 32 Darüber hinaus stand das Schlagwort von der „Brechung der Zinsknechtschaft" i m Mittelpunkt des Parteiprogrammes der NSDAP. Danach sollte das marktwirtschaftliche System der Zinsbildung durch ein staatlich gesteuertes, plan wirtschaftliches System ersetzt werden. 3 3 Durchsetzung des Führungsanspruches des Staates gegenüber der Wirtschaft, Zurückdrängung der Großbanken und „Brechung der Zinsknechtschaft" waren somit die wichtigsten Forderungen der nationalsozialistischen Ideologie auf dem Gebiet des Kreditwesens. Hat das K W G von 1934 diese Forderungen verwirklicht? Der Untersuchungsausschuß pries nach dem Erlaß des K W G naturgemäß dessen Übereinstimmung mit den nationalsozialistischen Grundsätzen. So glaubte der Untersuchungsausschuß „ i n einer elastischen Staatsaufsicht ( . . . ) insbesondere den programmatischen Forderungen des Nationalsozialismus auf dem Gebiete des Kreditwesens den gegenwärtig vollkommensten Ausdruck zu geben." 3 4 Zu ähnlichen Feststellungen kam die zeitgenössische Literatur. So seien für die Schaffung des K W G „grundsätzliche Überlegungen, die sich aus der neuen Staatsgestaltung und aus der veränderten Auffassung über das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft ergaben" 3 5 , maßgebend gewesen. Aus diesem Grund zeige das K W G „nun deutlich seinen nationalsozialistischen Geist". 3 6 Es könne nicht in Zweifel gezogen werden, daß der nationalsozialistische Staat „von diesem Gesetz in Zukunft den Gebrauch macht, der erforderlich ist, um ein Kreditsystem zu schaffen, das nationalsozialistische Wirtschaftsauffassung zum Motive seines Wirtschaftens macht". 3 7 Neben diesen allgemeinen Ausführungen wurde insbesondere betont, daß das K W G den Vorrang der Politik vor der Wirtschaft verwirkliche und damit ein zentrales Anliegen des Nationalsozialismus umsetze. Denn das Kreditwesen werde durch das K W G und „durch Unterstellung unter die Einflüsse eines zentralen Aufsichtsorgans zu einer großen Einheit zusammengefaßt und befähigt, seinen Funktionen in Übereinstimmung mit dem Wollen der Staatsführung zu erfüllen". 3 8 Diese Unterstellung entspreche dem „Leitgedanken einer Unterordnung des Kreditapparates unter den Staat und seine Aufgaben". 3 9 Insgesamt betrachtet wurde das K W G seinerzeit somit als große nationalsozialistische Errungenschaft auf dem Gebiet des Kreditwesens gewertet, was angesichts 32 s. o., Teil 3, Α., I., 2.; Β., II. 33 s. ο., Teil 3, Α., I., 2. 34 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 21. 35 Vgl. Schulze, S. 32. 36 Vgl .Schulze, S. 32 f. 37 Tambert, S. 89. 38 Der Deutsche Oekonomist 1934, S. 1605. 39 Sommer, S. 178.
Β. KWG und nationalsozialistische Ideologie
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der erst zwei Jahre zurückliegenden „Machtergreifung" nicht verwundert. Tatsächlich war das K W G i m Ganzen gesehen jedoch i m wesentlichen nicht ideologisch geprägt, wenngleich es gewisse nationalsozialistische Vorstellungen umsetzte. Dies ergibt sich zunächst daraus, daß i m Gegensatz zu den Forderungen der Nationalsozialisten das System der Großbanken in Deutschland mit dem Erlaß des K W G unangetastet blieb. Weder wurden die Großbanken verstaatlicht, noch wurden sie in Regionalbanken aufgeteilt. Vielmehr wurden die Großbanken in ihrer Stellung durch den Erlaß des Gesetzes eher gestärkt. Denn insbesondere die Normativbestimmungen gemäß §§ 11 ff. K W G waren auf die Großbanken zugeschnitten, da gerade bei diesen in der Bankenkrise von 1931 eine völlig unzureichende Eigenkapitalausstattung, eine mangelhafte Liquidität und eine sehr schlechte Risikostreuung zutage getreten waren. M i t seinen Vorschriften, die diese Mängel zukünftig beheben sollten, stellte das K W G zugleich ein Bekenntnis zu den Großbanken dar. Der Gesetzgeber hatte erkannt, daß sich diese Institute trotz all ihrer Schwächen als unentbehrlich erwiesen hatten. Von der Verwirklichung ideologischer Pläne, die die Großbanken beseitigt hätte, sah er daher ab. Auch die Lehre von der „Brechung der Zinsknechtschaft" wurde mit dem K W G nicht weiter verfolgt, zumal ihr Verfechter, Gottfried Feder, beim Inkrafttreten des K W G bereits entmachtet war. § 38 K W G , der eine staatliche Festschreibung der Zinssätze vorsah, ging nicht auf diese Lehre zurück, sondern knüpfte an Bestimmungen an, die bereits in der Weimarer Republik bestanden hatten. 4 0 Somit wurden keine der speziell auf das Kreditwesen zugeschnittenen nationalsozialistischen Forderungen durch das K W G umgesetzt. Abgesehen davon ergibt auch eine genaue Betrachtung der Arbeitsweise des Untersuchungsausschusses und der Entstehung der einzelnen Vorschriften des K W G , daß jedenfalls die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes nicht ideologisch geprägt waren. So waren die Grundsätze, die sich der Untersuchungsausschuß für seine Arbeit gab, 4 1 durchweg liberal und ließen nichts von der grundsätzlichen Abneigung und dem grundsätzlichen Mißtrauen erkennen, das die Nationalsozialisten gegenüber dem Bankwesen hegten. 4 2 Insbesondere griffen sie keine spezifisch nationalsozialistischen Wirtschaftsgrundsätze auf. Entsprechendes gilt für die wichtigsten i m Untersuchungsausschuß vertretenen Persönlichkeiten. Hier waren es vor allem Reichsbankpräsident Schacht und Reichskommissar Ernst, die der Arbeit des Ausschusses und damit dem K W G ihr Gepräge gaben. 4 3 Beide waren keine Nationalsozialisten. Ihnen ging es nicht darum, ein „nationalsozialistisches Bankwesen" zu schaffen, sondern sie waren schlichtweg bemüht, unter Beibehaltung der gewach40 s. o., Teil 4, J., II., 5. 41 s. o., Teil 2, C., III. 42 s. o., Teil 2, B. 43 Bezeichnend ist zudem, daß Feder, der exponierteste im Ausschuß vertretene Ideologe der NSDAP, bereits im Frühjahr 1934 auf Betreiben von Schacht aus dem Gesetzgebungsverfahren ausgeschlossen wurde.
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Teil 5: Schlußbetrachtung
senen Struktur des Kreditwesens dessen Probleme zu lösen, die mit der Bankenkrise von 1931 so offensichtlich geworden waren. Dementsprechend kamen in den Beratungen der einzelnen materiell-rechtlichen Bestimmungen des K W G ideologische Erwägungen praktisch nie zur Sprache. Vielmehr wurden bei der Formulierung des K W G die Erfahrungen mit der krisenhaften Entwicklung des Kreditwesens in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und vor allem die Lehren der Bankenkrise von 1931 verarbeitet. Insbesondere die Normati vbestimmungen gemäß §§ 11 ff. K W G sowie die Einführung einer Evidenzzentrale gemäß § 9 K W G zielten darauf ab, eine Stärkung des Kreditwesens herbeizuführen und eine Krise wie die von 1931 für alle Zukunft zu vermeiden. Für ideologische Erwägungen war dabei kein Raum. Aber auch die übrigen Regelungskomplexe des K W G griffen Forderungen auf oder gingen auf Entwicklungen zurück, die bereits in der Zeit weit vor der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten begründet lagen. So war die Einführung eines Konzessionssystems gemäß §§ 3 ff. K W G eine Reaktion auf die zunehmende Übersetzung des Kreditwesens und knüpfte i m Übrigen an einen Rechtszustand an, der schon einmal bis Ende 1929 in der Weimarer Republik bestanden hatte. 4 4 Die Publizitätsbestimmungen gemäß §§ 20, 21 K W G gingen ebenfalls auf eine jahrzehntelange Tradition zurück und führten lediglich dazu, daß die bisherigen Regelungen auf das gesamte Kreditwesen ausgedehnt wurden. Auch die Bestimmungen über den Sparverkehr waren in erster Linie eine Reaktion auf die Tatsache, daß sich in der Weimarer Republik die Grenzen zwischen Geld- und Kapitalmarkt zunehmend aufgelöst und damit den Kapitalmarkt seiner Leistungsfähigkeit beraubt hatten. Die Trennung von Geld- und Kapitalmarkt, der die §§ 22 ff. K W G dienten, beruhte daher überwiegend nicht auf ideologischen Erwägungen, sondern war eine Grundvoraussetzung für den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands. 45 Entsprechendes galt auch für die Vorschriften über den bargeldlosen Zahlungsverkehr gemäß §§ 28, 29 K W G . Diese sollten eine Gefährdung der Geldwertstabilität durch die fortwährende Ausdehnung des Giralgeldes verhindern und griffen damit ein Problem auf, daß mit der nationalsozialistischen „Machtergreifung" in keinem Zusammenhang stand. Schließlich zeigt ein Blick über die Grenzen des Deutschen Reiches, daß die materiell-rechtlichen Vorschriften des K W G kein Ausdruck der Ideologie des neuen Regimes darstellten. Sie sollten vielmehr der Lösung von Problemen dienen, mit denen eine Vielzahl von Staaten in Europa und in der ganzen Welt zu kämpfen 44 Lediglich die Aufnahme des Kriteriums der „Ehrbarkeit" in § 4 Abs. la) KWG als Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Kreditinstitutes ließ eine gewisse nationalsozialistische Färbung erkennen (s. o., Teil 4, B., III.). 45 Gleichwohl zeigten die §§ 22 ff. KWG von allen materiell-rechtlichen Bestimmungen noch am ehesten eine politische Prägung, da das Aufsichtsamt gem. § 24 KWG Vorschriften über die Anlage der Spargelder erlassen konnte. Damit trachtete der Staat offenbar danach, sich den beherrschenden Einfluß auf den Kapitalmarkt zu sichern, wenngleich dieser Gesichtspunkt bei den Gesetzesberatungen nie offen zur Sprache kam (vgl. o., Teil 4, Η., V., 3.).
Β. KWG und nationalsozialistische Ideologie
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hatten. Denn insbesondere i m Zuge der Weltwirtschaftskrise, die vielfach zu Zahlungsschwierigkeiten i m Bankgewerbe führte, wurde in vielen Ländern erstmals eine Aufsicht über die Kreditinstitute eingeführt. Aber auch bereits vor der weltumspannenden Rezession bestanden in vielen Staaten mit umfassenden Befugnissen ausgestattete Aufsichtssysteme. 46 Die Aufsichtsmittel glichen dabei vielfach denen, die das K W G dem Aufsichtsamt und dem Reichskommissar zu Verfügung stellte. So bestand in den meisten Ländern, die eine Bankenaufsicht eingeführt hatten, ein Konzessionssystem, wie es das K W G in den §§ 3 ff. vorsah. 4 7 Auch Normativbestimmungen, wie sie in §§ 11 ff. K W G enthalten waren, Publizitätspflichten, die das K W G in §§ 20, 21 normierte, sowie flankierende Ordnungs- und Strafbestimmungen entsprechend §§ 45 ff. K W G waren allgemein üblich 4 8 Insgesamt gesehen waren zu dem Zeitpunkt, zu dem das K W G erlassen wurde, diese Aufsichtssysteme bereits so weit verbreitet, daß „Bankaufsicht in der Welt Regel und Bankfreiheit Ausnahme" war. 4 9 Die materiellen Aufsichtsbestimmungen des K W G waren daher keine besondere Errungenschaft des Nationalsozialismus. Vielmehr folgte der Gesetzgeber insoweit einem internationalen Trend zu einer schärferen Aufsicht über das Kreditwesen und schuf dabei Instrumentarien, die bereits in vielen Ländern eingeführt waren. Insgesamt gesehen kann somit nicht davon gesprochen werden, daß die materiell-rechtlichen Bestimmungen des K W G ideologisch geprägt waren. Sie waren i m Gegenteil Ausdruck eines gesetzgeberischen Pragmatismus, der darauf abzielte, unabhängig von irgend einer Ideologie ein stabiles und vertrauenswürdiges Kreditwesen zu schaffen und für die Zukunft Krisen wie die des Jahres 1931 zu vermeiden. 5 0 Ein anderes B i l d ergibt sich jedoch bei der Betrachtung der Vorschriften, die der Umsetzung des als Rahmengesetz konzipierten K W G dienten, in erster Linie also der Bestimmungen über die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden gemäß § § 3 0 ff. K W G . Diese Vorschriften zeigten deutlich Züge der nationalsozialistischen Staatsauffassung. Sie zielten konsequent darauf ab, den ideologisch begründeten Führungsanspruch des Staates gegenüber der Wirtschaft durchzusetzen und das Kreditwesen soweit wie möglich unter die Kontrolle des Staates zu bringen. Dies zeigt sich bereits bei der Organisation der Aufsichtsbehörden. Die Aufsicht aufgrund der Notverordnung vom 19. September 1931 war von der Staatsführung 46 Zu den Aufsichtssystemen der verschiedenen Länder s. Riderer, Währung und Wirtschaft 1933, S. 7 ff. sowie ders. in Sparkasse 1933, S. 185-190. Besonders ausführlich auch Müller-Freienfels, Die Bankaufsicht. 47 Riderer, Sparkasse 1933, S. 186. 48 Mellingen Die Bank 1934, S. 308; Riderer, Währung und Wirtschaft 1933, S. 7. 49 Schulze, S. 16. 50 Ähnlich Möschel, S. 218.
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Teil 5: Schlußbetrachtung
noch weitgehend unabhängig gewesen. I m Kuratorium für das Bankgewerbe hatten Vertreter der Reichsregierung und der Reichsbank das gleiche Gewicht, der Reichskommissar für das Bankgewerbe wurde vom Reichspräsidenten auf Vorschlag der Reichsregierung und i m Benehmen mit dem Reichsbankpräsidenten bestellt. 5 1 Von dieser Unabhängigkeit war i m K W G nichts mehr geblieben. Zwar wurde das Aufsichtsamt bei der Reichsbank eingerichtet, mit dem Reichsbankpräsidenten als Vorsitzendem, der alleine - getreu dem nationalsozialistischen Führerprinzip - die Entscheidungen und Verfügungen des Aufsichtsamtes traf. Die damit suggerierte Eigenständigkeit des Aufsichtsamtes gegenüber der Reichsregierung war indessen bloße Fassade. Denn innerhalb des Amtes stellten RegierungsVertreter die große Mehrheit. Überdies konnte jedes Mitglied des Aufsichtsamtes einer beabsichtigten Entscheidung des Vorsitzenden widersprechen und damit eine Entscheidung des Reichskabinetts herbeiführen. Letztlich konnte damit die Reichsregierung stets ihre Ansichten i m Aufsichtsamt durchsetzen und beherrschte dieses somit. Entsprechendes galt für die Person des Reichskommissars. Dieser wurde von Hitler persönlich ernannt, dem Reichsbankpräsidenten stand ein bloßes Anhörungsrecht zu. Somit war gewährleistet, daß nur der Reichsregierung loyal gegenüber stehende Personen in das A m t des Reichskommissars berufen wurden. 5 2 Damit war die Aufsicht über das Kreditwesen keineswegs unabhängig, sondern lag fest in den Händen der Reichsregierung. Dies war eine Voraussetzung dafür, daß die Nationalsozialisten den von ihnen propagierten Führungsanspruch gegenüber dem Kreditwesen durchsetzen konnten. Aber nicht nur die Organisation der Aufsichtsbehörden zeigte nationalsozialistische Züge. Getreu der Devise, daß der Staat die Wirtschaft zu leiten habe, beschränkte sich das K W G nicht auf die bloße Beaufsichtigung der Kreditinstitute um der Stabilität und Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft willen. Vielmehr machte § 32 Abs. 1 K W G das Gesetz zu einem Instrument der allgemeinen Wirtschaftspolitik des Staates. Denn das Aufsichtsamt hatte über die bloße Beaufsichtigung der Kreditinstitute hinaus „die Aufgabe, für die Beachtung allgemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte in der allgemeinen Kredit- und Bankpolitik" zu sorgen. Damit sollte gewährleistet werden, daß sich das Kreditwesen den Zielen der Staatsführung unterordnete und sich in die von der Reichsregierung gewünschte Richtung entwickelte. Der Schlußbericht des Untersuchungsausschusses stellte ausdrücklich fest, daß auf diese Weise „entsprechend dem in Form und Inhalt der Reichsführung eingetretenen Wandel ( . . . ) verstärkte Einwirkungsmöglichkeiten i m Sinne einer Konzentrierung aller Wirtschaftskreise auf die nationale Wiederaufbauarbeit" geschaffen würden. 5 3
51 s.o., Teil 1 , C . , I V . , l . , b ) , (1).
52 Freilich ist Reichskommissar Ernst, der nie Mitglied der NSDAP wurde, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nicht wegen besonderer Loyalität gegenüber der Reichsregierung oder den Zielen des Nationalsozialismus aufgefallen. Er füllte das Amt des Reichskommissars bereits seit 1931 aus und hatte sich während dieser Zeit den Respekt aller beteiligten Kreise erworben.
Β. KWG und nationalsozialistische Ideologie
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U m dieses Ziel verwirklichen zu können, beschränkte sich das K W G nicht auf die bloße Beschreibung des Aufgabenkreises des Aufsichtsamtes in § 32 Abs. 1 K W G . Das Gesetz enthielt an verschiedenen Stellen praktisch unbeschränkte Eingriffsbefugnisse, die einem staatlichen Dirigismus auf dem Gebiet des Kreditwesens Tür und Tor öffneten und mit deren Hilfe sich die Kreditinstitute praktisch beliebig nach dem Willen der Staatsführung steuern ließen. Zu diesen Vorschriften zählte etwa § 32 Abs. 3 K W G , der es dem Aufsichtsamt erlaubte, „Grundsätze über die Geschäftsführung der Kreditinstitute" aufzustellen, ohne daß das A m t dabei an die Beachtung irgendwelcher Voraussetzungen gebunden war. Weiterhin gehört § 24 K W G zu den Vorschriften, mit deren Hilfe sich das Kreditwesen der Reichsregierung unterordnen sollte. Die Bestimmung ermächtigte das Aufsichtsamt, den Kreditinstituten vorzuschreiben, in welchen Werten sie ihre Spargelder anzulegen hatten. A u f diese Weise konnte der Staat massiven Einfluß auf den Kapitalmarkt nehmen und gewährleisten, daß die Verwendung der Spargelder „nach den jeweils vom Führer festgelegten nationalpolitisch notwendigen Richtlinien" erfolgte. 5 4 Auch § 38 K W G entsprach der Tendenz des Gesetzgebers, den freien Wettbewerb i m Kreditwesen soweit wie möglich auszuschließen und durch eine staatlich beherrschte Zwangswirtschaft zu ersetzen. 55 Zwar ging diese Vorschrift auf die Notverordnung vom 8. Dezember 1931 zurück, die nicht ideologisch motiviert war. 5 6 Jedoch reichte der Anwendungsbereich des § 38 K W G erheblich über den der Notverordnung hinaus. Während letztere nur die Höhe der Zinssätze regelte, erfaßte § 38 K W G darüber hinaus auch alle sonstigen i m Kreditwesen üblichen Gebühren und Provisionen sowie die Wettbewerbsbedingungen der Kreditinstitute. Schließlich zeigte die Schlußbestimmung des § 54 K W G sehr deutlich das Bestreben des Gesetzgebers, das Kreditwesen nach seinen Vorstellungen zu gestalten und zu leiten. Die Vorschrift ermächtigte den Reichskommissar „zur Herbeiführung einer zweckmäßigeren Gestaltung des Kreditwesens", nach Belieben und ohne Beachtung besonderer Voraussetzungen einzelne Kreditinstitute zu schließen. Wenngleich diese Vorschrift zunächst auf die Dauer eines Jahres beschränkt war, wurde sie doch in der Folgezeit bis zum 31. Dezember 1940 verlängert. 5 7 Die Vorschriften über die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden gemäß § § 3 0 ff. K W G sowie die Bestimmung des § 24 K W G waren damit stark ideologisch geprägt. 58 Sie legten die Aufsichtsführung fest in die Hände der 53
Schlußbericht des Untersuchungsausschusses, abgedruckt bei: Jessen, Reichsgesetz über das Kreditwesen, S. 23 f. 54 Vgl. Baurmeister, Die Deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 338. 55 Vgl. Bahre, S. 24. 56 s. o., Teil 4, J., II., 5. 57 s. o., Teil 4, Μ., I. 58 Darüber hinaus spiegelten auch die §§ 43, 44 KWG, die praktisch jedweden Rechtsschutz und sämtliche Ersatzansprüche gegen den Staat ausschlossen, Züge der nationalsozialistischen Diktatur wieder. 29 Müller
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Teil 5: Schlußbetrachtung
Reichsregierung und ließen der Reichsbank praktisch nur noch eine beratende Funktion zukommen. Zugleich machten sie das K W G zu einem Instrument der allgemeinen Wirtschaftspolitik des Staates. Darüber hinaus stattete das Gesetz die Aufsichtsbehörden mit praktisch unbegrenzten Befugnissen aus, die jedwede Eingriffe in das Kreditwesen mit dem Ziel zuließen, die Kreditinstitute dem Willen der Staatsführung zu unterwerfen. 59 Wenngleich das K W G somit keine nationalsozialistischen Pläne zur Neugestaltung speziell des Kreditwesens umsetzte, so waren die § § 3 0 ff. K W G und § 24 K W G dennoch Ausdruck der allgemeinen Wirtschaftsideologie der Nationalsozialisten. Sie setzten den von den Nationalsozialisten geforderten unbedingten Führungsanspruch des Staates gegenüber der Wirtschaft um, indem sie dem Kreditwesen praktisch jede Möglichkeit nahmen, sich unabhängig von staatlicher Beeinflussung zu entwickeln. Insgesamt betrachtet zeigt sich somit bei der Beantwortung der Frage, inwieweit das K W G nationalsozialistische Züge aufweist, ein geteiltes Bild. Die materiellen Bestimmungen des Gesetzes, die den Rahmen der künftigen Bankenaufsicht vorgaben, waren - mit Ausnahme des § 24 K W G - nicht ideologisch geprägt. 6 0 Dies gilt insbesondere für die Normativbestimmungen gemäß §§ 11 ff. K W G , die den Kern des Gesetzes ausmachten und die eigentliche Neuerung auf dem Gebiet des Kreditwesens darstellten. Diese Vorschriften, die die Eigenkapitalausstattung, die Liquiditätslage und das Kreditgeschäft der Kreditinstitute regeln sollten, knüpften an althergebrachte bankgeschäftliche Grundsätze an und bestanden überdies bereits in vielen anderen Staaten. Demgegenüber wiesen die Normen des K W G , die die Umsetzung der materiellen Bestimmungen sowie die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden regelten, deutlich nationalsozialistische Züge auf. Sie gewährleisteten, daß das Kreditwesen dem Willen der neuen Staatsführung untergeordnet und nach deren Vorstellungen geleitet werden konnte. 6 1 In diesem Befund spiegelt sich auf eindrucksvolle Weise die Verteilung der Einflußbereiche von Reichsbank und Reichsregierung i m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wieder. Die Reichsbank, die zu Beginn der nationalsozialistischen Dik59 Inwieweit die Reichsregierung, die die Aufsichtsbehörden beherrschte, nach dem Erlaß des Gesetzes von diesen Befugnissen tatsächlich Gebrauch machte, um das KWG zu politischen Zwecken einzusetzen bzw. zu mißbrauchen, war nicht Thema dieser Arbeit und wurde daher nicht untersucht. Ebensowenig wurde untersucht, inwieweit die Nationalsozialisten unter Außerachtlassung der Möglichkeiten des KWG durch untergesetzliche Eingriffe - Anordnungen, formlose Weisungen etc. - Einfluß auf das Kreditwesen nahmen. Zu diesen Fragen s. Kopper, Zwischen Marktwirtschaft und Dirigismus, Bankenpolitik im „Dritten Reich" 1933-1939, Bonn 1995. 60 In der Frühphase der Bundesrepublik wurde das KWG 1934 teilweise freilich ganz anders bewertet. So hielt Linhardt, Wirtschaft und Wettbewerb 1957, S. 13, das KWG 1934 für „ein schlechtes Gesetz, ein aus nationalsozialistischem Geist geborenes Gesetz". Vgl. auch ders., Bankbetriebslehre, S. 92. 61 Insoweit zutreffend Linhardt, Bankbetriebslehre, S. 92, wonach das KWG 1934 „ein bequemes Hilfsmittel zur Unterwerfung der Geschäftsbanken unter die staatliche Aufsicht und die Botmäßigkeit der Reichsbank" war.
C. Die Entwicklung des KWG bis 1945
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tatur noch weitgehend unabhängig von der Reichsregierung war und nicht unter nationalsozialistischer Leitung stand, prägte die Entstehung der materiellen Bestimmungen des K W G . Demgegenüber zog die Reichsregierung - insbesondere das Reichswirtschaftsministerium - gegen den Widerstand der Reichsbank die Ausgestaltung der Organisation und der Befugnisse der Aufsichtsbehörden an sich. 6 2 Dementsprechend wies das K W G , soweit es von der Reichsbank geprägt war, keine ideologischen Züge auf. Dort jedoch, wo die Ausarbeitung des K W G in den Händen der Reichsregierung lag, verwirklichte es konsequent die Grundsätze und Ziele der nationalsozialistischen Machthaber.
C. Die Entwicklung des KWG bis 1945 Das K W G war bis zum Zusammenbruch des Dritten Reiches kaum Änderungen unterworfen. 63 Seine materiell-rechtlichen Bestimmungen blieben praktisch unangetastet und wurden nur in nebensächlichen Details geändert. 64 Entscheidende Änderungen wurden dagegen an den Bestimmungen über die Organisation der Aufsichtsbehörden gemäß §§ 30 ff. K W G vorgenommen. 62 s. o., Teil 4, J., IV. 63
Das KWG wurde geändert durch: Gesetz zur Änderung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen vom 13. Dezember 1935 (RGBl. I, S. 1456); Zweites Gesetz zur Änderung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen vom 4. September 1938 (RGBl. I, S. 1151); Verordnung zur Änderung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen vom 15. September 1939 (RGBl. I, S. 1953); Verordnung zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 23. Juli 1940 (RGBl. I, S. 1047) und Verordnung zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 15. September 1944 (RGBl. I, S. 211). Daneben ergingen folgende „Verordnungen zur Durchführung und Ergänzung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen", die die Bestimmungen des Gesetzes jedoch unberührt ließen: 1. DVO vom 9. Februar 1935 (RGBl. I, S. 205); 2. DVO vom 27. Juli 1935 (RGBl. I, S. 1050); 3. DVO vom 30. Juni 1936 (RGBl. I, S. 540); 4. DVO vom 31. Mai 1937 (RGBl. I, S. 608); 5. DVO vom 9. Mai 1940 (RGBl. I, S. 768). Zu den wichtigeren Änderungen der materiellen Bestimmungen des KWG zählen die aufgrund des 2. Änderungsgesetzes vom 4. September 1938 (RGBl. I, S. 1151). Danach wurde die Sonderregelung des § 52 KWG für Bausparkassen und Zwecksparunternehmungen gestrichen und die Bausparkassen gemäß dem neu eingefügten § 2 Abs. 1 f.) KWG grundsätzlich von der Geltung des KWG ausgenommen, es sei denn, sie betrieben gem. § 2 Abs. 2 KWG „neben dem ihnen eigentümlichen Geschäftsbetrieb Geschäfte der im § 1 bezeichneten Art" (Die Neugründung von Zwecksparunternehmungen war bereits durch das Gesetz über die Auflösung von Zwecksparunternehmungen vom 13. Dezember 1935 [RGBl. I, S. 1457] untersagt worden, die bestehenden Institute wurden aufgelöst, s. o., Teil 2, Α., I., 1.). Daneben führte das Gesetz in § 20 Abs. 1 KWG eine eigene Publizitätsbestimmung für die Sparkassen ein (diese waren nunmehr grundsätzlich zur Einreichung ihres Jahresabschlusses und von Monatsausweisen bei der Reichsbank verpflichtet), erhöhte den ohne Kündigung abhebbaren Betrag von Spareinlagen von 300 RM auf 1.000 RM und schrieb die Kündigungsfrist für Spareinlagen auf drei Monate fest. Die weiteren Änderungen betrafen nur Nebensächlichkeiten. 29*
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Teil 5: Schlußbetrachtung
Hier spielte die Verordnung zur Änderung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen vom 15. September 1939 die wichtigste Rolle. M i t dieser Verordnung wurden das Aufsichtsamt für das Kreditwesen aufgelöst und seine Befugnisse auf den Reichswirtschaftsminister überführt. Zugleich erhielt der Reichskommissar für das Kreditwesen die Bezeichnung „Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen". Dementsprechend entfielen die §§ 30, 31 K W G , die die Zusammensetzung und die Geschäftsführung des Aufsichtsamtes regelten. 65 § 32 K W G , der die Aufgaben des Aufsichtsamtes umschrieben hatte, wies diese nunmehr dem Reichswirtschaftsminister zu und erhielt darüber hinaus eine inhaltliche Erweiterung. Neben der bereits aufgrund der alten Rechtslage bestehenden Aufgabe, „für die Beachtung allgemein wirtschaftlicher Gesichtspunkte in der allgemeinen Kredit- und Bankpolitik" zu sorgen, hatte der Reichswirtschaftsminister nunmehr auch „die Anpassung der Geschäfte der Kreditinstitute an die Bedürfnisse der Gesamtwirtschaft" zu gewährleisten. I m Zuge dieser Gesetzesänderung wurde das K W G schließlich neu bekannt gemacht und als Gesetz über das Kreditwesen i m Reichsgesetzblatt veröffentlicht. 6 6 Diese Gesetzesänderung stand i m Zusammenhang mit der Gleichschaltungspolitik der Nationalsozialisten. Die Reichsbank hatte bereits zuvor aufgrund des Bankgesetzes vom 15. Juni 193967 den letzten Rest ihrer Unabhängigkeit vollständig verloren. 6 8 Damit war die Auflösung des Aufsichtsamtes und die Zentralisierung der Bankenaufsicht beim Reichswirtschaftsminister - dem auch das Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen unterstand - nur konsequent. 69 Stand somit die Bankenaufsicht schon nach dem K W G von 1934 zumindest mittelbar unter der Kontrolle der Reichsregierung, so lag sie nunmehr unmittelbar beim Reichswirtschaftsminister. Die Aufgabe des Reichswirtschaftsministers, für „die Anpassung der Geschäfte der Kreditinstitute an die Bedürfnisse der Gesamtwirtschaft zu sorgen", dürfte schließlich aufgrund des kurz zuvor begonnenen Zweiten Weltkrieges in das K W G 1939 aufgenommen worden sein. Damit war es möglich, das Kreditwesen an die Erfordernisse der Kriegswirtschaft anzupassen und die Kreditinstitute insbesondere in die Rüstungsfinanzierung einzuspannen. Eine weitere Änderung der Organisation der Bankenaufsicht erfolgte schließlich in den letzten Kriegsmonaten aufgrund der Verordnung zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 15. September 1944.70 M i t dieser Verordnung wurde das Reichsaufsichtsamt für das Kreditwesen aufgelöst. Seine Befugnisse gingen 65 s. o., Teil 4, J., I., 2. 66 RGBl. I, S. 1955. Im folgenden: KWG 1939. Die übrigen Gesetzesänderungen dienten überwiegend der Anpassung der einzelnen Bestimmungen an die neuen Rechtslage. 67 RGBl. I,S. 1915. 68 s. o., Teil 2, Fn. 26. 69 Vgl. Consbruch/Möllen S. 34 f. 70 Diese Verordnung war die letzte Rechtsänderung bis zum Zusammenbruch des Dritten Reiches.
D. Die Weitergeltung des KWG nach dem Krieg und die Neufassung von 1961
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auf den Reichswirtschaftsminister bzw. - in enumerativ aufgezählten Angelegenheiten - auf das Reichsbankdirektorium über, dessen Vorsitzender wiederum der Reichswirtschaftsminister war. Anlaß für diese Änderung dürften weniger Überlegungen über eine Neugestaltung der Bankenaufsicht, sondern vielmehr der Personalmangel kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges gewesen sein. Insgesamt gesehen erwiesen sich die materiell-rechtlichen Bestimmungen des K W G 1934 zwischen 1934 und 1945 als sehr beständig. Die entscheidenden Änderungen des K W G betrafen ausschließlich die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden. Noch enger als nach dem K W G 1934 wurde die Aufsicht über die Kreditinstitute nach dem K W G 1939 an die Staatsführung gebunden. Sie wurde unmittelbar dem Reichswirtschaftsminister unterstellt, der das Kreditwesen an die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft anzupassen hatte.
D. Die Weitergeltung des KWG nach dem Krieg und die Neufassung von 1961 M i t der Kapitulation der Wehrmacht am 8. M a i 1945 war der Zusammenbruch des Dritten Reiches endgültig besiegelt. In der Folgezeit stellte sich damit die Frage, ob das K W G aufgrund der Gesetze der Besatzungsmächte zur Aufhebung des nationalsozialistischen Rechts weiterhin Geltung beanspruchen konnte. 7 1 Insoweit kam es darauf an, ob das Gesetz Vorschriften enthielt, die schlechthin nationalsozialistisches Gedankengut enthielten. 7 2 Dabei setzte sich die Auffassung durch, daß dies bei den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes nicht der Fall war. 7 3 So hob das Kontrollratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung nationalsozialistischer Gesetze das K W G in der Fassung von 1944 nicht auf. 7 4 Gleichwohl war zu klären, durch wen zukünftig die Aufsicht über die Kreditinstitute auszuüben war. Denn zum einen existierten das Reichswirtschaftsministerium und das Reichsbankdirektorium nicht mehr. Z u m anderen waren gerade die Vorschriften über die Organisation und die Befugnisse der Bankenaufsicht ideologisch geprägt gewesen und konnten damit keine weitere Geltung mehr beanspruchen. Dementsprechend galten die materiellen Vorschriften des K W G 1939 auch nach dem Ende des zweiten Weltkrieges unverändert fort. Die Aufsicht wurde aber in den neu geschaffenen Ländern der Besatzungszonen der drei Westmächte durch die jeweilige fachlich und örtlich zuständige oberste Landesbehörde und 71 Gesetz Nr. 1 der Militärregierung über die Aufhebung des nationalsozialistischen Rechts (MRA Bl. Nr. 3), Gesetz Nr. 1 des Kontrollrats vom 20. 9. 1945 betr. die Aufhebung von Nazi-Gesetzen (KR A Bl. Nr. 6). Vgl. Bauer, S. 84. 72 Bauer, S. 84. 73 Bauer, S. 84. 74 Alsheimer, Die Bank 97, S. 28.
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Teil 5: Schlußbetrachtung
Landeszentralbank ausgeübt. A n die Stelle einer zentralen Bankenaufsicht, wie sie nach dem K W G 1934 und dem K W G 1939 bestanden hatte, trat somit eine dezentrale Aufsicht, die auf die einzelnen Länder aufgeteilt war. Die erforderliche Zusammenarbeit der verschiedenen Aufsichtsbehörden wurde dabei durch den 1948 gegründeten Sonderausschuß Bankenaufsicht vermittelt. Dieser war ein von den Landesregierungen geschaffenes Koordinierungsorgan, dessen Beschlüsse aber nur den Charakter unverbindlicher Empfehlungen hatten. 7 5 Dieser Zustand dauerte nach der Verkündung des Grundgesetzes am 23. M a i 1949 an. Die materiell-rechtlichen Bestimmungen des K W G 1934 galten gemäß Art. 123 Abs. 1 GG weiterhin. Anders verhielt es sich jedoch mit den Vorschriften über die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden. Denn gemäß Art. 123 Abs. 1, 125 GG galt das K W G zwar als Bundesrecht fort, mußte aber gemäß Art. 83 GG durch die Länder ausgeführt werden. Folglich lag auch nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes die Zuständigkeit für die Ausübung der Bankenaufsicht weiterhin bei den Ländern. Diese übten die Aufsicht durch ihre Wirtschaftsminister und die jeweiligen Landeszentralbanken aus. 7 6 Insgesamt gesehen basierte die Aufsicht über die Kreditinstitute somit während der Besatzungszeit und nach der Gründung der Bundesrepublik weiter auf den Bestimmungen des K W G 1934. Während das K W G 1934 die Aufsichtsführung jedoch beim Aufsichtsamt und dem diesen unterstehenden Reichskommissar zentralisierte, war sie nach dem Zweiten Weltkrieg auf zwanzig verschiedene Stellen 7 7 aufgeteilt und damit stark zersplittert. 78 Diese Zersplitterung stellte einen unbefriedigenden Zustand dar, der eine gleichmäßige Rechtsanwendung erschwerte und die Schlagkraft der Aufsicht schwächte. 79 Wenngleich die Länder an der föderalen Struktur der Bankenaufsicht mit dem Argument festhielten, sie stünden auf Grund ihrer örtlichen Nähe in enger Verbindung zu den beaufsichtigten Kreditinstituten, so erwies sich die Organisation der Aufsicht in der Nachkriegszeit als wenig sachgemäß. 8 0 Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde daher beschlossen, daß K W G komplett neu zu fassen und neu zu verabschieden. 81 Das Bundes wirtschaftsministerium stellte i m Frühjahr 1958 erstmals einen Referentenentwurf zur Diskussion, der i m wesentlichen das K W G 1939 den veränderten staatlichen Verhältnissen und Ver75 76 77 78 79 80
Consbruch/Möller, S. 35; Rehmann, S. 20. Rehmann, S. 19. Die zehn Wirtschaftsminister der Länder sowie die zehn Landeszentralbanken. Rehmann, S. 20. Vgl. Rehmann, S. 21 f. Rehmann, S. 22.
81 Darüber hinaus führten die Tatsache, daß die Rahmenvorschriften gemäß §§ 11, 16 und 17 KWG 1934 nie angewendet wurden, Zweifel an der Anwendbarkeit gewisser Bestimmungen sowie rechtsstaatliche Bedenken gegen eine Reihe von Vorschriften zu Überlegungen, das KWG neu zu fassen (Consbruch/Möller, S. 36.).
D. Die Weitergeltung des KWG nach dem Krieg und die Neufassung von 1961
455
waltungsgrundsätzen anpaßte. 82 Nach entsprechender Diskussion zwischen Bund und Ländern, der Bundesbank und den Spitzenverbänden der Kreditinstitute beschloß das Bundeskabinett i m Februar 1959 einen Gesetzentwurf, der als Regierungsvorlage dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet wurde. Ende Mai 1959 brachte die Bundesregierung den Entwurf i m Bundestag ein, nachdem der Bundesrat eine Vielzahl von Bedenken geltend gemacht hatte. Nach der ersten Lesung wurde der Entwurf an den Wirtschaftsausschuß und zur Mitberatung an den Finanzausschuß überwiesen. Die Beratungen begannen i m Frühjahr 1960 und dauerten etwa ein Jahr. Mitte März 1961 verabschiedete der Bundestag ohne weitere Aussprache nahezu einstimmig den Gesetzentwurf, den die Ausschußberatungen hervorgebracht hatten. Der Bundesrat verlangte daraufhin die Einberufung des Vermittlungsausschusses. 83 Dessen VermittlungsVorschlag - Errichtung einer dezentralen Aufsicht und Bildung eines Beirates für das Kreditwesen beim Bundeswirtschaftsministerium - lehnte der Bundestag Mitte Juni 1961 ab. Der danach vom Bundesrat eingelegten Einspruch wurde vom Bundestag Ende Juni 1961 zurückgewiesen. M i t der Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten und der Verkündung i m Bundesgesetzblatt 84 war das Gesetzgebungsverfahren schließlich abgeschlossen. Damit trat das neue Gesetz über das Kreditwesen vom 10. Juli 196185 am 1. Januar 1962 in Kraft. Die wichtigste Neuerung des K W G 1961 gegenüber der bisherigen Rechtslage stellte die Errichtung des zentralen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen als selbständige Bundesoberbehörde in Berlin gemäß § 5 K W G 1961 dar. Gleichzeitig erloschen gemäß § 63 K W G 1961 die bisherigen Aufsichtsbefugnisse der Länder. Darüber hinaus zog der Gesetzgeber die Konsequenz aus der Erfahrung, daß die Vorschriften über die Eigenkapitalausstattung und die Liquiditätsvorsorge der Kreditinstitute gemäß §§ 11, 16, 17 K W G 1934 nie umgesetzt worden waren. Obgleich bereits diese Vorschriften sehr weit formuliert gewesen waren, hatten sie sich angesichts der komplexen Struktur des deutschen Kreditwesen offenbar im82
Frühere Versuche zur Reform des Bankenaufsichtsrechts waren nicht zum Abschluß gekommen. So wurden erste Gesetzentwürfe der Bank deutscher Länder, des hessischen Finanzministeriums und der Arbeitsgemeinschaft der Verbände des privaten Bankgewerbes bereits 1949/50 vorgelegt und diskutiert. Die Arbeiten an einem neuen KWG wurden aber zurückgestellt, da die Bundesregierung den Erlaß des Bundesbankgesetzes für vordringlich hielt. Trotzdem leitete sie Ende 1957 den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen dem Bundesrat zur Stellungnahme zu. Dieser Entwurf regelte jedoch nur eine Änderung der Organisation der Bankenaufsicht und wurde nie verabschiedet. Ein weiterer Entwurf des Bundesrates eines Gesetzes über Zinsen, sonstige Entgelte und Werbung der Kreditinstitute gelangte ebenfalls nicht zu Verabschiedung (Consbruch/Möller, S. 36 f.). 83 Die Länder hielten nach wie vor an der föderalen Struktur der Bankenaufsicht fest und wollten ihre Kompetenzen nicht an das im Entwurf vorgesehene Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen abgeben. Ähnliche Auseinandersetzungen hatte es bereits beim Erlaß des Hypothekenbankgesetzes vom 13. Juni 1899 gegeben (s. o., Teil 1, C., II., 3.). S4 BGBl. I, S. 881. ss Imfolgenden: KWG 1961.
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Teil 5: Schlußbetrachtung
mer noch als zu starr erwiesen. Dementsprechend waren die §§ 10, 11 K W G 1961 noch offener gehalten. Gemäß § 10 K W G 1961 mußten die Kreditinstitute „ i m Interesse der Erfüllung der Verpflichtung gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere zur Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte ein angemessenes haftendes Eigenkapital haben". § 11 K W G 1961 verpflichtete die Kreditinstitute, ihre Mittel so anzulegen, „daß jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist". Beide Vorschriften wurden durch die sogenannten Grundsätze des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen näher ausgefüllt. 86 Auch die übrigen Bestimmungen des K W G 1934 wurden i m Detail gründlich überarbeitet. Wenngleich also die materiellen Bestimmungen des K W G 1934 in vielerlei Hinsicht geändert wurden, so wurden sie doch i m Grundsatz in das K W G 1961 übernommen. Insbesondere fanden sich alle Regelungskomplexe des K W G 1934 i m K W G 1961 wieder. 8 7 Insgesamt hatten somit die i m K W G 1934 für die Geschäftsführung der Kreditinstitute aufgestellten Grundsätze den Nationalsozialismus, die Besatzungszeit und die Frühphase der Bundesrepublik überdauert und sind durch das K W G 1961 übernommen worden. 8 8 Dieser Befund zeigt einmal mehr die Weitsicht und Umsicht des Untersuchungsausschusses, zumal dieser bei der Ausarbeitung des K W G 1934 praktisch auf sich allein gestellt war. Denn eine Beteiligung der Öffentlichkeit an den Gesetzgebungsarbeiten fand - an heutigen Maßstäben gemessen - praktisch nicht statt. So fanden sich unter den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses keine Repräsentanten der verschiedenen Bankengruppen. Der Einfluß der Bankenenquete auf das Gesetzgebungsverfahren war gering. 8 9 Diejenigen, die von dem Gesetz in erster Linie betroffen waren, konnten auf dieses somit praktisch keinen Einfluß nehmen und ihre vielfältigen Erfahrungen kaum nutzbar machen. Gleichwohl gelang es dem Untersuchungsausschuß, mit dem K W G 1934 eine ausgewogene Gesamtregelung zu schaffen, an deren materiellen Teil der Gesetzgeber des K W G 1961 fast nahtlos anknüpfen konnte.
E. Das KWG 1934 im Hinblick auf die gegenwärtige Rechtslage Ein Maßstab für die Qualität eines Gesetzes ist die Beständigkeit seiner Regelungen. Insoweit ist es interessant festzustellen, inwieweit die Regelungen des K W G 1934 bis in die Gegenwart erhalten geblieben sind. 86 Vgl. o., Teil 4, F., I., 6.; VI., 7. 87 Lediglich Vorschriften zu Regelungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, die das KWG 1934 in §§ 28, 29 enthielt, kannte das KWG 1961 nicht (vgl. o., Teil 4,1., VI.). 88 Consbruch/Möller, S. 34; Möschel, S. 223. 89 s. o., Teil 2, C , IV., 2.
E. Das KWG 1934 im Hinblick auf die gegenwärtige Rechtslage
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Angesichts der tiefgreifenden Wandlungen, die das Kreditwesen seit dem Erlaß des K W G 1934 erfahren hat, verwundert es nicht, daß einzelne Abschnitte des Gesetzes i m Laufe der Zeit ersatzlos fallen gelassen worden sind. So hat der Sparverkehr heutzutage bei weitem nicht mehr die Bedeutung wie Anfang der 30er Jahre, als die Eröffnung von Sparbüchern für die breite Masse der Bevölkerung praktisch die einzige Möglichkeit der Geldanlage war. Dementsprechend kennt das gegenwärtige K W G 9 0 keine spezielle Regelung des Sparverkehrs mehr, wie sie in §§ 22 ff. K W G 1934 noch enthalten waren. Darüber hinaus sind die Regelungen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs gemäß §§ 28, 29 K W G 1934 dem K W G 1998 fremd. Diese Bestimmungen wurden nie umgesetzt, da die von der Giralgeldschöpfung ausgehenden Inflationsgefahren seinerzeit überschätzt wurden bzw. nicht durch Eingriffe in den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu beheben waren. Aus diesem Grund nahm bereits das K W G 1961 von entsprechenden Regelungen Abstand. Auch eine staatliche Regulierung der Zinshöhe und der sonstigen Geschäftsbedingungen, wie sie in § 38 K W G 1934 geregelt war, läßt die heutige Rechtslage nicht mehr zu. Diese Bestimmungen waren 1931 zur Behebung einer akuten Krisensituation geschaffen und von dem totalitären Regime des Nationalsozialismus zementiert und ausgeweitet worden. Für sie ist in unserer heutigen stabilen und freien Marktwirtschaft kein Raum mehr. 9 1 Schließlich hat sich in der Bundesrepublik i m Vergleich zum Dritten Reich auch das grundsätzliche Verständnis von den Aufgaben einer Bankenaufsicht gewandelt. I m Nationalsozialismus diente die Bankenaufsicht nicht nur der Gewährleistung stabiler Verhältnisse i m Kreditwesen. Darüber hinaus war das K W G 1934 auch ein Instrument zur Durchsetzung der allgemeinen Wirtschaftspolitik des Staates und diente dazu, das Kreditwesen in dem von der Staatsführung gewünschten Sinne zu beeinflussen und zu leiten. Diese allgemeinpolitische Ausrichtung ist der heutigen Bankenaufsicht fremd. § 6 K W G 1998 reduziert die Aufgaben des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen darauf, „Mißständen i m Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können". Die Zielsetzung der Bankenaufsicht beschränkt sich heute damit auf die Erhaltung eines funktionsfähigen Kreditwesens und dem Schutz der Gläubiger der Kreditinstitute vor Verlusten. 92 Die Ban90 Gesetz über das Kreditwesen vom 8. September 1998 (BGBl. I, S. 2777), zuletzt geändert durch Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. April 2002 (BGBl. I, S. 1310), im Folgenden: KWG 1998. 91 Immerhin übernahm das KWG 1961 im § 23 die Regelung des § 38 KWG 1934, beschränkte sie aber auf die „Bedingungen ( . . . ) , zu denen Kredite gewährt und Einlagen entgegengenommen werden dürfen". Dieser Rechtszustand, der im wesentlichen an die Rechtslage aufgrund der Notverordnung vom 8. Dezember 1931 anknüpfte (s. o., Teil 1, C., IV., 3.), bestand bis 1967. 92 Bankrechtshandbuch, Bd. III, S. 3716; Szagunn/Haug/Ergenzinger, S. 67. Vgl. auch Kolbeck, S. 994 ff.
Teil 5: Schlußbetrachtung
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kenaufsicht hat keinen allgemeinen wirtschaftspolitischen Auftrag mehr, sondern ist auf die Gefahrenabwehr i m Bereich des Kreditwesens beschränkt. 93 Sind somit einerseits verschiedene Materien des K W G 1934 i m Laufe der Zeit überholt worden und hat sich mit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches das Grundverständnis von den Aufgaben und Zielen einer Bankenaufsicht gewandelt, so ist andererseits erstaunlich, wie viel von dem K W G 1934 bis heute erhalten geblieben ist. Dies gilt zunächst für jene Materien, die bereits vor dem Erlaß des K W G - zumindest bruchstückhaft - bestanden hatten. So ist ein Konzessionssystem, wie es in den 20er Jahren bereits bestand und in den §§ 3 ff. K W G 1934 wieder aufgenommen wurde, gegenwärtig in den §§ 32 ff. K W G 1998 enthalten. Auch die Publizitätspflichten der Kreditinstitute gemäß §§ 20, 21 K W G 1934, die bis in das Jahr 1909 zurückreichen, bestehen in § 25 K W G 1998 fort. Darüber hinaus gelten aber auch die große Mehrheit der Vorschriften, die das K W G 1934 erstmals einführte, in ihren Grundsätzen bis heute. Der Schutz der Bezeichnungen „Bank" und „Bankier" etwa ist heute eine Selbstverständlichkeit. 94 Erstmals eingeführt wurde er durch § 10 K W G 1934. Vor allem machen jedoch die Grundsätze, die den seinerzeit heftig umstrittenen Normativbestimmungen des K W G 1934 zugrunde lagen, bis heute den Kernbestand der Bankenaufsicht aus. Die angemessene Eigenkapitalausstattung, die § 11 K W G 1934 den Kreditinstituten abverlangte, ist in § 10 K W G 1998 bis heute vorgeschrieben. 95 Gesetzliche Bestimmungen zur Liquiditätsvorsorge, in §§ 16, 17 K W G 1934 enthalten, sind von den Kreditinstituten heutzutage gemäß §§ 11, 12 K W G 1998 zu beachten. 9 6 Schließlich beschränkte das K W G 1934 erstmals das Kreditgeschäft der Institute, die bis dahin an keinerlei staatliche Vorgaben gebunden waren. I m Interesse einer angemessenen Risikostreuung durften Kredite an einen einzelnen Kreditnehmer einen bestimmten Anteil des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten (§ 12 K W G 1934). Vor der Gewährung ungedeckter Kredite hatte sich das Kreditinstitut einen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden zu verschaffen ( § 1 3 K W G 1934). Die Gewährung von Krediten an Institutsangehörige sowie an nahestehende Unternehmen wurde beschränkt (§ 14 K W G ) . Auch eine Evidenzzentrale, die seit Jahren gefordert wurde, deren Errichtung aber am Widerstand der Banken selbst gescheitert war, wurde erstmals durch § 9 K W G 1934 eingerichtet. A l l diese Bestimmungen, die die Sicherheit des Kreditgeschäfts wesentlich erhöhten, sind bis heute Teil der Aufsicht über die Kreditinstitute: §§ 13, 13a K W G 93
Szagunn/Haug/Ergenzinger,
S. 68. Dies galt bereits für das KWG 1961, vgl. Rehmann,
S. 65. 94 95
Vgl. § 39 KWG 1998.
Freilich sind die heutigen Bestimmungen um ein Vielfaches komplizierter. So umfaßt etwa § 10 KWG 1998 ganze 19 Absätze. 96 Die Technik der Normierung hat sich dabei aber grundlegend gewandelt, vgl. o., Teil 4, F., VI., 7.
F. Resümee
459
1998 enthalten eine Höchstkreditgrenze, 97 § 14 K W G 1998 regelt die Arbeitsweise der Evidenzzentrale, § 15 K W G 1998 beschränkt die Kreditgewährung an Mitglieder und nahestehende Unternehmen eines Kreditinstitutes und § 18 K W G 1998 regelt die Offenlegungspflicht bei der Gewährung von Krediten, die 500.000 D M überschreiten. 98 Insgesamt gesehen zeigen die Regelungen, die erstmals i m K W G 1934 getroffen wurden, somit eine überaus große Beständigkeit. Von wenigen Regelungsmaterien abgesehen sind lediglich die Bestimmungen über die Organisation und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden - vom nationalsozialistischen Zeitgeist geprägt nicht bis heute erhalten geblieben. 9 9 Die weitaus meisten Grundsätze des K W G 1934 jedoch, die das Gesetz erstmalig für die Geschäftsführung der Kreditinstitute und für deren Beaufsichtigung aufstellte, können auch gegenwärtig noch Geltung beanspruchen. 100 Der Kerngehalt des Reichsgesetzes über das Kreditwesen von 1934 prägt somit die Aufsicht über die Kreditinstitute bis heute.
F. Resümee Die Bankenkrise von 1931 offenbarte in erschreckend deutlicher Weise, daß das deutsche Kreditwesen seine ehemals vorhandene Leistungsfähigkeit weitgehend eingebüßt hatte. Die „Machtergreifung" vom 30. Januar 1933 bedeutete das Ende der Weimarer Republik und führte zur Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur. In den folgenden Monaten machten sich die Nationalsozialisten daran, das gesamte politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland umzuwälzen. In dieser Situation stand das Kreditwesen an einem Scheideweg. Sollte das bisherige Bankensystem in seinen Grundsätzen aufrecht erhalten oder von Grund auf revolutioniert werden? Angesichts der Abneigung der Nationalsozialisten insbesondere gegenüber den Großbanken erschien es nicht unwahrscheinlich, daß das traditionelle Kreditwesen weitgehend zerschlagen werden würde. In dieser Situation erwies es sich für die deutschen Kreditinstitute als Glücksfall, daß Schacht persönlich die Arbeiten an einer Bankenreform an sich zog, nachdem er auf besonderen Wunsch Hitlers am 30. März 1933 zum zweiten M a l Präsident der Reichsbank wurde. Schacht, ein 97
Die Überschreitung dieser Grenze ist - wie im KWG 1934 - „nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter" zulässig. 98 Gegenüber § 13 KWG 1934 ist die Rechtslage nach § 18 KWG 1998 sogar noch verschärft worden, da letztere Bestimmung grundsätzlich nicht zwischen gesicherten und ungesicherten Krediten unterscheidet. 99 Die Grundentscheidung des KWG 1934 freilich, die Bankenaufsicht nicht föderal zu strukturieren sondern einer zentralen Stelle zu übertragen, hat sich dagegen bis heute als richtig erwiesen. 100 Ähnlich Bank-Lexikon, S. 175.
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Teil 5: Schlußbetrachtung
ebenso erfahrener und begabter Bankier wie Finanzpolitiker, war durch das traditionelle, seit vielen Jahrzehnten gewachsene Bankwesen geprägt und hielt nichts von den Umsturzplänen der Nationalsozialisten. Da er das persönliche Vertrauen Hitlers genoß, konnte er seine Vorstellungen von der zukünftigen Gestalt des Kreditwesens umsetzen, ohne auf Funktionäre und Ideologen der NSDAP besondere Rücksicht nehmen zu müssen. Dementsprechend hatte die Bankenreform und damit das K W G eine ausgesprochen konservative Tendenz. Dazu trug auch bei, daß der mit der Ausarbeitung des K W G betraute Untersuchungsausschuß für das Bankwesen bei der Reichsbank errichtet und maßgeblich von dieser beeinflußt wurde. Denn die Reichsbank fühlte sich zumindest in den ersten Jahren des Dritten Reiches nicht den ideologischen Plänen der neuen Machthaber verpflichtet. Ihr ging es vielmehr darum, auf möglichst pragmatische Weise das Kreditwesen unter Anerkennung seiner gewachsenen Strukturen wieder zu seiner alten Leistungsfähigkeit zurückzuführen. Dabei achtete sie stets darauf, die einzelnen Kreditinstitute nicht übermäßig zu belasten und die empfindliche Kreditwirtschaft insgesamt nicht über Gebühr zu stören. Schließlich garantierte auch Reichskommissar Ernst, daß die Arbeiten am K W G von sachlichen Auseinandersetzungen und nicht von ideologischer Argumentation geprägt waren. Gerade die Mitarbeit Emsts war für das K W G besonders wertvoll. Er genoß das Vertrauen der Kreditwirtschaft und verfügte über einen großen Erfahrungsschatz, da die Aufsicht über die Kreditinstitute bereits seit 1931 i m Wesentlichen in seinen Händen lag. Vor diesem Hintergrund beschloß der Untersuchungsausschuß, bevor er an die eigentliche Ausarbeitung des K W G ging, die grundsätzliche Struktur des Kreditwesens unangetastet zu lassen. Weder wurde das Kreditwesen verstaatlicht, noch wurden die Großbanken zerschlagen und in Regionalbanken aufgeteilt. Die traditionelle Gliederung der deutschen Kreditwirtschaft in Privatbanken - vor allem Großbanken - , öffentliche Banken - vor allem Sparkassen - und Kreditgenossenschaften blieb uneingeschränkt erhalten. Auch die Arbeiten am K W G selbst orientierten sich streng an den realen Gegebenheiten des Kreditwesens. Denn das K W G verlangte von den Kreditinstituten keineswegs Unmögliches. Vielmehr beschränkte sich das Gesetz i m Kern darauf, die wichtigsten Grundsätze des Bankwesens, die während der Weimarer Republik vernachlässigt worden waren, gesetzlich festzuschreiben. Die Beachtung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung, einer ausreichenden Liquidität und einer gesunden Risikostreuung, geregelt in den §§ 9, 11 ff. K W G , gehören seit jeher zu den Grundvoraussetzungen jeder bankgeschäftlichen Tätigkeit. Auch die deutliche Trennung von Geld- und Kapitalmarkt, angestrebt durch die Vorschriften über den Sparverkehr gemäß §§ 22 ff. K W G , ist die Basis für eine funktionierende Kreditwirtschaft. Angesichts dieser Tatsache zeigten die materiell-rechtlichen Bestimmungen des K W G keine ideologische Prägung. 1 0 1 Das Gesetz hätte insoweit in gleicher 101
Eine Ausnahme stellt insoweit nur § 24 KWG dar, s. o., Teil 5, Fn. 45.
F. Resümee
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oder ähnlicher Form auch in der Weimarer Republik entstanden sein können. Indessen war das Weimarer System Anfang der dreißiger Jahre bereits extrem geschwächt. Das Parlament war weitgehend machtlos, die Reichsregierung regierte praktisch nur noch mit Notverordnungen, die überwiegend vorläufigen Charakter trugen. In diesem Umfeld war an den Erlaß eines derart anspruchsvollen Gesetzes, wie es das K W G darstellte, nicht mehr zu denken. Dies änderte sich jedoch mit der „Machtergreifung" der Nationalsozialisten. Die dadurch ausgelöste Aufbruchstimmung ermöglichte erst die Aufnahme der Arbeiten an einer umfassenden Bankenreform, an deren Ende der Erlaß des K W G stand. Festzustellen ist somit, daß die „Machtergreifung" den Erlaß des K W G an sich zwar begünstigte, die Nationalsozialisten aber in keiner nennenswerten Weise auf den materiellen Inhalt des K W G Einfluß genommen haben. Dieser Befund gilt jedoch nicht für die Bestimmungen, die die Umsetzung des K W G und dessen Grundverständnis betrafen. Insoweit setzten i m Gesetzgebungsverfahren die Vertreter der Reichsregierung, insbesondere des Reichswirtschaftsministeriums, ihre Vorstellungen durch. Dies führte dazu, daß die Vorschriften über die Aufsichtsbehörden und deren Befugnisse ideologisch geprägt waren: Kontrolle der Aufsichtsorgane durch die Reichsregierung, dirigistische Eingriffsbefugnisse und Einschaltung der Bankenaufsicht in die allgemeine Wirtschaftspolitik des Staates verwirklichten die nationalsozialistische Forderung vom Führungsanspruch des Staates gegenüber der Wirtschaft. Die Aufteilung des K W G in einen ideologisch neutralen und einen ideologisch geprägten Bereich spiegelte sich in der Weitergeltung des Gesetzes nach dem Krieg wieder. Die materiellen Bestimmungen des K W G 1934 waren weiterhin die Grundlage für die Beaufsichtigung der Kreditinstitute, während die Vorschriften über die Umsetzung des Gesetzes hinfällig waren. Soweit das K W G 1934 nach dem Zweiten Weltkrieg fortgalt, wurden seine Grundsätze in das K W G 1961 übernommen und prägen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - die Aufsicht über das Kreditwesen bis in die Gegenwart. Abschließend betrachtet ist dem Gesetzgeber des Reichsgesetzes über das Kreditwesen von 1934 großer Respekt zu zollen, soweit es die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes betrifft. In einem von radikalen Forderungen geprägten Umfeld hat er sich mit viel Augenmaß und Sachverstand an den seit Jahrzehnten bewährten, wichtigsten Grundsätzen des Kreditwesens orientiert. Damit schuf er ein Gesetz, mit dem die Stabilität des Kreditwesens und das Vertrauen in die Kreditinstitute erheblich gefördert wurde. Die Güte dieses Gesetzes zeigt sich darin, daß sich seine wichtigsten Grundsätze über Jahrzehnte hinweg bis in die Gegenwart erhalten haben. Sie trugen dazu bei, daß sich eine Bankenkrise wie die des Jahres 1931 bis heute nicht wiederholt hat.
Anhang Anhang 1: Übersicht über die Referate und die Sitzungen der Bankenenquete I. Die Referate der Enquete, abgedruckt in: Untersuchung des Bankwesens 1933,1. Teil, Bd. 1 und 2, Berlin 19331 1. Abschnitt: „Der derzeitige Krisenzustand des deutschen Bankwesens und seine Ursachen " - „Die Wirkungen des Krieges und der Kriegsfolgen auf das deutsche Bankwesen mit einem Rückblick auf die Vorkriegszeit", Referent: Franz Grüger - „Die Schrumpfung des Kapitals und seine Surrogate", Referent: W. M. Frhr. v. Bissing - „Übersetzung und Konkurrenz im deutschen Kreditapparat", Referent: Ernst Walb - „Der deutsche Privatbankierstand", Referent: Hans v. Moller - „Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen", Referent: Robert Deumer - „Die deutschen Sparkassen", Referent: Erich Neumann - „Das Eindringen des Staates und der Kommunen in das Bankwesen", Referent: Hermann Bente - „Die Rentabilitätsfrage der Banken, ihre Unkosten und die Kalkulation", Referent: Hans Rummel - „Über die Liquiditätsfrage", Referent: Karl Nordhoff - „Die fehlerhafte Kreditpolitik", Referent: Otto Chr. Fischer - „Die Zerrüttung des Geld- und Kapitalmarktes", Referent: Carl Tewaag
2. Abschnitt: „ Die bisherigen Sanierungsversuche " - „Die Konzentrationsbewegung im deutschen Bankgewerbe und deren Gegenkräfte und die Tendenzen zur Dekonzentration und Spezialisierung", Referent: Rudolf Stucken - „Die Versuche zur Rentabilitätsverbesserung, Unkostenersparnis und Ertragssteigerung", Referent: Hans Rummel 1
Im Quellenverzeichnis findet sich die Auflistung der Referate in der alphabetischen Reihenfolge der Verfasser.
Anhang
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- „Maßnahmen des Staates hinsichtlich einer Reglementierung und Beaufsichtigung des Bankwesens", Referent: Fritz Paersch - „Die Krisenmaßnahmen des Jahres 1931", Referent: Ernst Hasse - „Private Geldschöpfungsversuche", Referent: Eberhard Witte - „Versuche zur Beeinflussung des Kapitalmarktes", Referent: Carl Tewaag
3. Abschnitt: „Die Politik der Reichsbank gegenüber dem Bankwesen " - „Rückblick auf die Zeit vor dem Kriege und im Kriege", Referent: Franz Döring - „Die Inflationszeit", Referent: Alfred Speer - „Stabilisierung und Sicherung der Währung (einschl. Kontingentierung)", Referent: Friedrich Müller - „Wiederaufbau des Geld- und Kapitalmarktes", Referent: Emil Puhl - „Die Maßnahmen der Reichsbank zur Verbesserung der Publizität, Liquidität und Solidarität der Banken", Referent: Karl Nordhoff
4. Abschnitt: „Anlagen " - „Die Gesetzgebung des Auslandes auf dem Gebiete der Kreditbanken", von Robert Deumer - „Die Bankenkrisen in England, Frankreich, Italien und den Vereinigten Staaten von Amerika", bearbeitet in der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank - „Literaturübersicht zu den gegenwärtigen Problemen des Bankwesens", von Dr. Carl Krämer II. Die Sitzungen der Enquete 7. Abschnitt: Die Privatbanken 1. Sitzung vom 21. November 1933, vormittags, Thema: Die Banken Verstaatlichung 2. Sitzung vom 21. November 1933, nachmittags, Thema: Die Bankenverstaatlichung, das Versagen der Banken in der Krise von 1931 3. Sitzung vom 23. November 1933, vormittags, Thema: Das Versagen der Banken in der Krise von 1931, Erfahrungen aus der Bankenkrise 4. Sitzung vom 23. November 1933, nachmittags, Thema: wie Vormittagssitzung 5. Sitzung vom 24. November 1933, vormittags, Thema: Dollar-Notes, der Optimismus der Banken vor 1931, die Beteiligung der Banken an der Industrie und deren Folgen, Banken im Aufsichtsrat 6. Sitzung vom 24. November 1933, nachmittags, Thema: Banken im Aufsichtsrat, Lücken in der Kreditversorgung, Mittelstandskredite, Bankobligationen
464
Anhang
7. Sitzung vom 27. November 1933, vormittags, Thema: Kostenkalkulation, Liquiditätsfragen 8. Sitzung vom 27. November 1933, nachmittags, Thema: Interne Sitzung des Untersuchungsausschusses über Verfahrensfragen 9. Sitzung vom 28. November 1933, vormittags, Thema: Großbanken- oder Regionalbankensystem 10. Sitzung vom 28. November 1933, nachmittags, Thema: wie Vormittagssitzung 11. Sitzung vom 29. November 1933, vormittags, Thema: Erweiterung der Publizität, berufsständische Neuordnung im Bankwesen 12. Sitzung vom 21. November 1933, nachmittags, Thema: Die Privatbankiers 2. Abschnitt: Die Staatsbanken 1. Sitzung vom 4. Dezember 1933, vormittags, Thema: Generaldebatte über die Staatsbanken 2. Sitzung vom 4. Dezember 1933, nachmittags, Thema: wie Vormittagssitzung
3. Abschnitt: Die Kreditgenossenschaften 1. Sitzung vom 6. Dezember 1933, vormittags, Thema: Generaldebatte über die Kreditgenossenschaften 2. Sitzung vom 6. Dezember 1933, nachmittags, Thema: wie Vormittagssitzung 4. Abschnitt: Die Sparkassen 1. Sitzung vom 7. Dezember 1933, vormittags, Thema: Generaldebatte über das Referat Neumanns, Stellungnahme des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes 2. Sitzung vom 7. Dezember 1933, nachmittags, Thema: Fortsetzung der Generaldebatte, bankmäßige Betätigung der Sparkassen, Gesichtspunkte der Gemeinnützigkeit 3. Sitzung vom 11. Dezember 1933, vormittags, Thema: wie vorangegangene Sitzung 4. Sitzung vom 11. Dezember 1933, nachmittags, Thema: Leistungsfähigkeit der Sparkassen im kurz- und langfristigen Geschäft, Wirtschaftlichkeit, Zinspannen und Zinshöhe 5. Sitzung vom 12. Dezember 1933, vormittags, Thema: Verluste im Sparkassenwesen, Zinsspannen, die Unkosten und deren Steigerung 6. Sitzung vom 13. Dezember 1933, vormittags, Thema: Beschränkung der Sparkassen auf das reine Spargeschäft, Berechtigung des Personalkreditgeschäfts der Sparkassen, Wettbewerbsfragen, Fragen der Werbung 7. Sitzung vom 13. Dezember 1933, nachmittags, Thema: Besonderheiten der sächsischen Girokassen, Haftungsgenossenschaften, Personalkredit, Entbehrlichkeit der Girozentralen
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5. Abschnitt: Einzelprobleme 1. Sitzung vom 18. Dezember 1933, vormittags, Thema: Verhandlung der 1. Kommission der Enquete über Zinsspannenvergleich, Zinshöhe und Rentabilitätsrechnung der Sparkassen 2. Sitzung vom 18. Dezember 1933, nachmittags, Thema: wie Vormittagssitzung 3. Sitzung vom 19. Dezember 1933, vormittags, Thema: Verhandlung der 2. Kommission der Enquete über Kapitalmarktfragen, insb. Zinssenkung, Konversion, Möglichkeiten und Aufgaben der Kapitalmarktpolitik 4. Sitzung vom 18. Dezember 1933, nachmittags, Thema: wie Vormittagssitzung 5. Sitzung vom 20. Dezember 1933, vormittags, Thema: Verhandlung der 3. Kommission über den bargeldlosen Zahlungsverkehr, insb. Berechtigung des Spargiroverkehrs, dessen Funktionen, Kosten und volkswirtschaftliche Bedeutung, Möglichkeiten einer Konzentration des Giroverkehrs auf die Reichsbank
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Müller
Anhang 2: Erster dem Untersuchungsausschuß vorgelegter Gesetzentwurf (KWG-E 1) I. Kreis der dem Gesetz unterliegenden Banken §1 (1) Banken im Sinne dieses Gesetzes sind alle Unternehmen einschließlich der Kreditgenossenschaften und der zur Weiterleitung von Krediten errichteten Haftungsgenossenschaften und Haftungsbanken, die gewerbsmäßig oder in Ausführung der ihnen gestellten Aufgaben eines der Geschäfte folgender Art betreiben: a) Die Annahme von verzinslichen oder unverzinslichen fremden Geldern, insbesondere von Depositen oder von Spargeldern; b) das Kontokorrentgeschäft sowie die Empfangnahme und Leistungen von Zahlungen für Dritte einschließlich des Giro- und Scheckverkehrs; b) die Hergabe des Akzeptes sowie die Übernahme von Garantien für Dritte; c) die Einräumung von Krediten jeder Art einschließlich der Diskontierung von Wechseln und Schecks; d) den An- und Verkauf von Devisen; e) den kommissionsweisen An- und Verkauf von Wertpapieren, die Übernahme des Einzuges von solchen sowie von Wechseln, und anderen Geldurkunden; f) die Annahme und Verwaltung offener und geschlossener Depots und die Vermietung von Schrankfächern. (2) Die Postscheckämter, Postämter und Pfandleihanstalten (Lombardhäuser) gelten nicht als Banken im Sinne dieses Gesetzes. Der Reichskommissar für das Bankgewerbe entscheidet im Zweifelsfall, ob ein Unternehmen als Bank im Sinne dieses Gesetzes zu gelten hat. Die Entscheidung bindet die Gerichte und Verwaltungsbehörden.
§2 (1) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf: a) die Reichsbank; b) die Deutsche Golddiskontbank; c) die Privatnotenbanken;
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d) alle Institute des öffentlichen oder privaten Rechts, deren Geschäftszweck lediglich darauf gerichtet ist, auf Grund der Ausgabe von Pfandbriefen, Schiffspfandbriefen, Rentenbriefen oder sonstigen Schuldverschreibungen, Hypotheken-, Renten- oder Kommunalkredite nach Maßgabe der hierfür erlassenen besonderen Vorschriften zu gewähren; e) die Bausparkassen und solche Geschäftsbetriebe, die diesen gemäß § 112 Abs. 2 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen vom 6. Juni 1931 (RGBl. I, S. 315) gleichgestellt sind oder gleichgestellt werden; f) die Wohnungsunternehmungen gemäß Kapitel III des Siebten Teiles der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I, S. 512); g) die Zwecksparunternehmungen im Sinne des Gesetzes vom 17. Mai 1933 (RGBl. I, S. 269); h) die öffentlich-rechtlichen und die auf privatem Recht beruhenden Sparkassen, die hinsichtlich der Beaufsichtigung gleichartigen Vorschriften wie die öffentlich-rechtlichen Sparkassen unterstellt sind. Diese unterliegen der Aufsicht des Bankenaufsichtsamts nach Maßgabe des Sparkassengesetzes vom ( . . . ) (RGBl. I, S. [ . . . ]).
II. Zulassung und Widerruf der Zulassung §3 ( 1 ) Banken bedürfen zum Betriebe ihres Geschäfts der Zulassung durch den Reichskommissar für das Bankgewerbe. (2) Die Zulassung ist auch erforderlich für den Betrieb von in- und ausländischen Zweigniederlassungen jeder Art einschließlich der Agenturen. (3) Die Vereinigung mit anderen Bankunternehmungen bedarf der Genehmigung durch den Reichskommissar für das Bankgewerbe. (4) Vor der Entscheidung ist die zuständige Industrie- und Handelskammer gutachtlich zu hören. (5) Jede Bank hat vor Eröffnung oder Erweiterung ihres Geschäftsbetriebes oder vor der Vereinigung mit einer anderen Bank den Zulassungs- oder Genehmigungsbescheid der zuständigen Industrie- und Handelskammer im Original vorzulegen. (6) Die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits bestehenden Banken gelten als zugelassen. Die Zulassung kann, auch für einzelne Zweigniederlassungen, bis zum Ablauf von achtzehn Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes widerrufen werden, selbst wenn die Voraussetzungen des § 6 nicht vorliegen. §4 Die Zulassung darf nur erfolgen, 1) wenn die zur verantwortlichen Leitung der Bankunternehmungen Berufenen ehrbar und fachlich genügend vorgebildet sind und die für das Unternehmen auch sonst erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen besitzen. Diese Voraussetzungen gelten als nicht gegeben, 30*
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wenn die in Rede stehenden Personen nicht mindestens fünf Jahre, in Ausnahmefällen mindestens drei Jahre, als Inhaber, Mitinhaber, Vorstandsmitglieder oder kaufmännische Angestellte im Bankbetrieb tätig gewesen sind. Vor der Entscheidung soll die Standesvertretung des Bankgewerbes gehört werden. Der Reichskommissar für das Bankgewerbe erläßt die näheren Ausführungsbestimmungen; für die Kreditgenossenschaften kann der Reichskommissar für das Bankgewerbe abweichende Bestimmungen treffen; 2) wenn die Zulassung unter Berücksichtigung der örtlichen und gesamtwirtschaftlichen Bedürfnisse gerechtfertigt erscheint; 3) wenn dem Unternehmen die zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel im Inlande zur Verfügung stehen. Als Mindesthöhe der erforderlichen Mittel, die in voller Höhe eingezahlt sein müssen, gelten: a) im Falle der Errichtung in der Form der Aktiengesellschaft RM 500.000, b) im Falle der Errichtung in der Form der Kommanditgesellschaft auf Aktien RM 250.000, c) im Falle der Errichtung in der Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung RM 500.000, c) im Falle der Errichtung in der Form der Einzelfirma, offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft RM 50.000. Im Falle der Errichtung in der Form einer eingetragene Genossenschaft kommen die Vorschriften des Genossenschaftsgesetzes zur Anwendung; im Falle der Errichtung in anderer Form bestimmt der Reichskommissar für das Bankgewerbe die Höhe des einzuzahlenden Eigenkapitals; 4) wenn die eingereichten Gesellschaftsverträge und Satzungen keinen Grund zur Beanstandung bieten. §5 Wird von einer Zulassung innerhalb eines Jahres, vom Tage der Erteilung an gerechnet, kein Gebrauch gemacht, so erlischt sie.
§6 (1) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann die Zulassung widerrufen, 1) wenn es sich ergibt, daß die Voraussetzungen des § 4 Ziffer 1 nicht oder nicht mehr vorhanden sind, 2) wenn die zur verantwortlichen Leitung eines Unternehmens berufenen Personen sich schwerwiegender Verstöße gegen die Bestimmungen dieses sowie anderer im Geschäftsverkehr zu beachtender Gesetze schuldig machen, 3) wenn die gemäß § 41 getroffenen Vereinbarungen oder erlassenen Bestimmungen nicht innegehalten werden, 4) wenn die Zulassung auf Grund unrichtiger Angaben oder sonstiger täuschender Handlungen erwirkt war, 5) wenn das Unternehmen keine Gewähr für die Sicherheit der ihm anvertrauten Gelder bietet.
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(2) Der Widerruf kann sich auch auf ein Teil des Geschäftsbetriebes sowie auf einzelne Niederlassungen erstrecken. (3) Vor der Entscheidung soll der Bank Gelegenheit zur Äußerung und zu Vorschlägen zur Beseitigung der Mängel gegeben werden. (4) Macht der Reichskommissar für das Bankgewerbe von der Befugnis gemäß Abs. 1 Gebrauch, so hat er die für die Abwicklung der Geschäfte erforderlichen Anordnungen zu treffen und die Liquidation zu überwachen.
§7 Über einen erfolgten Widerruf hat der Reichskommissar für das Bankgewerbe der Reichsregierung, dem Vorsitzenden des Bankenaufsichtsamts und dem Reichsbankdirektorium sofort unter Darlegung der Gründe eingehend schriftlich zu berichten. Die Vorschriften des § 42 werden hiervon nicht berührt.
§8 (1) Die Zulassung sowie ihr Widerruf sind vom Reichskommissar für das Bankgewerbe im Reichsanzeiger und in einem örtlichen Amtsblatt öffentlich bekanntzugeben. (2) Die durch die Zulassung und den Widerruf entstehenden Kosten gehen zu Lasten des betreffenden Unternehmens, im Falle der Ablehnung der Zulassung zu Lasten der Antragsteller. §9 Die Banken haben Änderungen in der Person der Inhaber und Vorstandsmitglieder sowie der sonstigen zur verantwortlichen Leitung berufenen Personen, Kapitalveränderungen und Liquidationen dem Reichskommissar für das Bankgewerbe unverzüglich anzuzeigen. § 4 Abs. 1 Ziffer 1 und § 6 Abs. 1 Ziffer 1 finden Anwendung.
I I I . Schutz der Bezeichnung „Bank" § 10 (1) Die Bezeichnung „Bankier", „Bank", „Bankgeschäft" oder dergleichen in der Firma, als Zusatz zur Firma oder in sonstiger Weise dürfen, ausgenommen die im § 2 a - d genannten, nur Unternehmungen führen, die den Vorschriften dieses Gesetzes genügen. (2) Kreditgenossenschaften dürfen eine der im Abs. 1 genannten Bezeichnungen nur führen, wenn sie einem vom Reichskommissar für das Bankgewerbe anerkannten Revisionsverband angehören. (3) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann die unberechtigte Führung einer Bezeichnung nach Abs. 1 untersagen.
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Anhang IV. Vorschriften für das Kreditgeschäft §11
(1) Die Gesamtverpflichtungen einer Bank aus a) Depositengeldern, b) Spargeldern, c) Kontokorrentguthaben ihrer Kunden, d) aus der Übernahme von Zahlungen, e) aus eigenen Akzepten, f) aus der Übernahme von Garantien irgendwelcher Art einschließlich der Indossamentsverpflichtungen sollen abzüglich der liquiden Mittel im Sinne des § 16 Abs. 1 und 2 den zehnfachen Betrag ihres haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten. (2) Als haftendes Eigenkapital der Bank ist anzusehen 1) bei Einzelkaufleuten und Personalgesellschaften (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaften) das im Geschäft arbeitende haftende Kapital nach Abzug eingetretener Verluste und der Entnahmen der Inhaber; 2) bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und eingetragenen Genossenschaften das eingezahlte Kapital zuzüglich der ausgewiesenen Reserven und abzüglich etwa eingetretener Verluste; 3) bei Bankinstituten öffentlichen Rechtes das Dotationskapital zuzüglich der ausgewiesenen Reserven.
§ 12 (1) Die von einer Bank einem und demselben Kreditnehmer gewährten Kredite dürfen 20% ihres haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten. (2) Bei der Feststellung des Gesamtkredits sind Beteiligungen und Garantien der Bank für den betreffenden Kreditnehmer und Kredite, Beteiligungen und Garantien für die von ihm abhängigen oder mit ihm ein verbundenen Unternehmen einzurechnen. (3) Bei Kreditgenossenschaften ermäßigt sich dieser Satz auf 10%, sofern nicht der Reichskommissar für das Bankgewerbe Ausnahmen zuläßt. (4) Kredite, Beteiligungen und Garantien über die nach Abs. 1 - 3 zulässigen Beträge hinaus bedürfen neben dem einstimmigen Beschluß des Vorstandes der Zustimmung des Aufsichtsrats mit dreiviertel Stimmenmehrheit. Derartige Ausnahmefälle sind dem Reichskommissar für das Bankgewerbe anzuzeigen.
§ 13 Die Bestimmungen des § 12 finden, falls die Gesellschaftsverträge und Satzungen nichts anderes bestimmen, keine Anwendung a) auf Kredite an das Reich oder die Länder und auf durch das Reich oder die Länder garantierte Kredite, b) auf Kredite und Garantieleistungen, die in voller Höhe durch jederzeit realisierbare Werte gedeckt sind; in Zweifelsfällen entscheidet der Reichskommissar für das Bankgewerbe, ob die Deckung als jederzeit realisierbar anzusehen ist.
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§ 14 (1) Bei Einräumung von ungedeckten Krediten ist die Bank verpflichtet, von dem Kreditnehmer eine eingehende Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse zu verlangen. Verantwortliche Bankleiter, die von dieser Forderung absehen, haften der Bank für sämtliche aus dem Kreditverhältnis entstehenden Schäden. Der Reichskommissar für das Bankgewerbe ist befugt, die Bank zur Wahrnehmung ihrer Rechte anzuhalten. (2) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann für gewisse Banken und Bankengruppen Beträge festsetzen, bis zu welchen ungedeckte Kredite von der Vorschrift des Abs. 1 ausgenommen sind. §15 (1) Kredite an Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrats sowie an Beamte und Angestellte der Bank einschließlich der Familienangehörigen der genannten Personen bedürfen, wenn sie nicht im Sinne des § 13, b voll gedeckt sind, der Zustimmung des Aufsichtsrates der Bank mit 3 / 4 Stimmenmehrheit. An der Abstimmung des Aufsichtsrats über den Kreditantrag eines Mitgliedes darf dieses nicht teilnehmen. Vorschüsse und sonstige Kredite, die den doppelten Betrag eines Monatsgehalts nicht überschreiten, unterliegen nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats. (2) Die Erteilung von Krediten an Unternehmungen, deren Organe Mitglieder des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der Bank Angehörigen angehören, bedarf des einstimmigen Beschlusses des Vorstandes. (3) Kreditaufnahmen sowohl bei der eigenen wie bei einer anderen Bank zwecks Durchführung von Effektengeschäften für eigene Rechnung sind den Bankleitern und dem Personal untersagt.
V. Liquiditätsvorschriften
§ 16 (1) Die Banken haben eine aus dem Kassenbestand (kursfähiges deutsches Geld zuzüglich ausländischer Banknoten und Münzen sowie Gold in Barren und Münzen) sowie den Guthaben bei der Reichsbank bestehende Barreserve zu halten. Sie wird vom Bankenaufsichtsamt von Zeit zu Zeit festgesetzt, braucht jedoch im Monatsdurchschnitt in keinem Falle mehr als 10% der Verpflichtungen gemäß § 11, Abs. 1 a, c, d und e zu betragen. (2) Ferner haben die Banken mindestens 30% ihrer Gesamtverpflichtungen gemäß §11, Abs. 1 a, c, d, e und f in ordentlichen Handelswechseln und in Wertpapieren zu unterhalten, welche nach dem Bankgesetz vom 30. August 1924 von der Reichsbank zum Lombardverkehr zugelassen werden können und mindestens zu zwei Dritteln von der Reichsbank bereits zugelassen sind. (3) Die Bestände sind für jeden Monatsschluß in den Monatsausweisen, nach den Tageskursen berechnet, anzugeben. (4) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann bestimmen, daß die Vorschriften des Abs. 2 auf landwirtschaftliche Kreditgenossenschaften keine Anwendung finden.
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Anhang § 17
(1) Der Besitz einer Bank an Aktien und Bergwerksanteilen sowie an nicht börsengängigen Schuldverschreibungen soll je 5% der Gesamtverpflichtungen (§ 16, Abs. 2) nicht überschreiten. (2) Der Besitz einer Bank an Grundstücken, Gebäuden und dauernden Beteiligungen soll den Betrag des Eigenkapitals der Bank (§11, Abs. 2) nicht überschreiten.
§ 18 (1) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe ist befugt, für eine gewisse Übergangszeit einzelnen Banken oder Bankengruppen Abweichungen von den Vorschriften der §§ 11, 16 und 17 zu gestatten. (2) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann, solange die Vorschriften der §§ 11, 16 und 17 nicht erfüllt sind, anordnen, daß Ausschüttungen aus dem Reingewinn über einen bestimmten Satz hinaus nicht vorgenommen werden dürfen.
§ 19 Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann auch außerhalb der Übergangszeit einer Bank auf Antrag eine vorübergehende Abweichung von den Vorschriften der §§ 16 und 17 bewilligen. Im Falle dringenden Bedürfnisses kann nachträgliche Genehmigung eingeholt werden.
VI. Publizitätsvorschriften §20 Alle Banken mit Ausnahme der im § 21 genannten, haben dem Reichsbankdirektorium nach dessen näherer Vorschrift 1 ) ihre Jahresbilanzen samt Gewinn- und Verlustrechnungen spätestens drei Monate nach deren Abschlußtermin, 2) für die Monate Januar bis einschließlich November Monatsausweise bis spätestens zum 10. des auf den Bilanztermin folgenden Monats einzureichen.
§21 Die in der Form der Einzelfirma, offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft betriebenen sowie alle im § 20 bezeichnete Banken, deren Bilanzsumme weniger als eine Million Reichsmark beträgt, haben dem Reichsbankdirektorium nach dessen näherer Vorschrift ihre Rohbilanz nach dem Stande vom 30. Juni spätestens einen Monat und ihre Jahresbilanz spätestens drei Monate nach dem Abschlußtermin einzureichen.
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§22 (1) Für die Aufstellung der Bilanzen gemäß §§ 20 bis 21 sind Formblätter zu verwenden, die vom Reichsbankdirektorium aufgestellt und durch die Reichsbankanstalten ausgegeben werden. (2) Anordnungen über die Veröffentlichung der gemäß §§20 und 21 einzureichenden Bilanzen trifft das Reichsbankdirektorium; eine Veröffentlichung von Einzelbilanzen der in der Form der Einzelfirma, offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft betriebenen Banken findet nicht statt. §23 Die gemäß §§ 20 und 21 zur Einreichung von Bilanzen verpflichteten Banken haben jeweils mit den Monats- und Jahresbilanzen eingehende Erläuterungen auf vom Reichsbankdirektorium aufgestellten Formblättern einzureichen und jede vom Reichsbankdirektorium gewünschte Auskunft zu geben. §24 Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann im Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium die Kreditgenossenschaften, welche einem von ihm zugelassenen Revisionsverbande angehören, von den Vorschriften der §§ 20 bis 21 ganz oder teilweise befreien.
VII. Sparverkehr §25 (1) Spareinlagen im Sinne dieses Gesetzes sind Geldeinlagen, über die als Empfangsbestätigung ein Sparbuch ausgefertigt wird, das bei der Rückzahlung von Teilbeträgen oder der gesamten Einlage vorgelegt werden muß. (2) In dem Sparbuch muß der jeweilige Bestand der Spareinlage (Saldo) jederzeit ausgewiesen werden. In gleicher Weise sind alle Bestandsänderungen in ihrer Höhe ersichtlich zu machen. (3) Über Sparguthaben darf durch Scheck oder Überweisung nicht verfügt werden. (4) Die Ausgabe von Sparbüchern ohne tatsächliche Einlage oder im Kreditwege ist verboten. (5) Hinsichtlich der rechtlichen Natur des Sparbuches, der Kündigungsfrist der Spareinlage, ihrer Verzinsung und der Vorschüsse auf gekündigte Spareinlagen gelten sinngemäß die Bestimmungen des Sparkassengesetzes vom ( . . . ) . (6) In dem Sparbuch muß auf der ersten Seite der Zinsfuß, zu dem die Spareinlage verzinst wird, deutlich ersichtlich gemacht werden; Änderungen des Zinsfusses müssen an dieser Stelle bei der nächsten Vorlage des Sparbuches unter Angabe des Tages, von dem an sie gelten, vermerkt werden. §26 Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann für die ländlichen und gewerblichen Kreditgenossenschaften, soweit sie den vom Reichskommissar für das Bankgewerbe zugelassenen
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Revisionsverbänden angehören, hinsichtlich der Annahme von Spareinlagen und Ausgabe von Sparbüchern unter Abweichung von den Bestimmungen der §§27 und 28 Sondervorschriften erlassen. §27 Banken, welche Spareinlagen annehmen und Sparbücher ausgeben, sind verpflichtet: a) die ihnen im Rahmen des Spargeschäfts zufließenden Gelder gemäß § ( . . . ) des Sparkassengesetzes vom ( . . . ) anzulegen, mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Gewährung von Realkrediten und Darlehen an öffentlich-rechtliche Körperschaften der Erwerb von bei der Reichsbank lombardfähigen Wertpapieren treten kann, b) das Spargeschäft in Buchhaltung, Bilanzierung und Gewinn- und Verlustrechnung sowie in dem jeweiligen Monatsausweis vollständig getrennt zu führen. §28 (1) Ist über das Vermögen einer Bank, die Spareinlagen annimmt und Sparbücher ausgibt, der Konkurs eröffnet, so gehen hinsichtlich der Befriedigung aus den zur Deckung der Spareinlagen bestimmten Vermögenswerten die Forderungen der Spareinleger den Forderungen aller anderen Konkursgläubiger und der Massegläubiger voraus. Die Spareinleger haben untereinander gleichen Rang. (2) In betreff des Anspruchs der Spareinleger auf Befriedigung aus dem sonstigen Vermögen der in Konkurs befindlichen Bank finden die für die Absonderungsberechtigten geltenden Vorschriften der §§ 64, 153, 155, 156 und dessen § 168 Nr. 3 der Konkursordnung (RGBl. 1898, S. 612) entsprechende Anwendung. §29 Werksparkassen und Beamtensparkassen sind bis zum 31. Dezember 1935 zu liquidieren oder auf öffentliche bzw. öffentlich-rechtliche Sparkassen oder Spar- und Girokassen zu überführen. §30 Das Bankenaufsichtsamt ist befugt, in Abweichung von den Vorschriften der §§ 25-29 für eine angemessene Zeit Übergangsbestimmungen zu erlassen. Es kann auch ausserhalb der Übergangszeit einer Bank auf Antrag eine vorübergehende Abweichung von den Vorschriften des § 27 bewilligen. Im Falle dringenden Bedürfnisses kann nachträgliche Genehmigung eingeholt werden. V I I I . Zahlungsverkehr §31 (1) Zur Durchführung der gem. § 1 des Bankgesetzes vom 30. August 1924 der Reichsbank übertragenen Aufgaben kann das Bankenaufsichtsamt im Benehmen mit dem Reichsbankdirektorium Vorschriften über die Regelung des unbaren Zahlungs- und Überweisungsverkehrs erlassen. In diesen Vorschriften ist der unbare Zahlungs- und Überweisungsverkehr
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zwischen den Mitgliedern eines Verbandes (z. B. Girozentralen, genossenschaftliche Zentralkassen) oder derselben Rechtspersönlichkeit (z. B. Bankfilialen) sowie zwischen den einzelnen Geldinstituten und deren Niederlassungen zu regeln. (2) Ein unbarer Zahlungs- und Überweisungsverkehr zwischen verschiedenen Geldinstituten und in einem von dem Bankenaufsichtsamt näher zu bestimmenden Umfange zwischen verschiedenen Bankbezirken hat sich nur über die Reichsbank, die bei der Reichsbank errichteten Abrechnungsstellen und über die Postscheckämter zu vollziehen. Die in Frage kommenden Bankbezirke sind vom Bankenaufsichtsamt zu bezeichnen. (3) Die Neubildung von Einrichtungen, welche Zahlungen durch unbare Überweisungs- oder Verrechnungsmethoden vornehmen, unterliegen der vorgängigen Genehmigung durch das Bankenaufsichtsamt. Die Genehmigung ist nur nach Zustimmung des Reichsbankdirektoriums zu erteilen. (4) Die Auflösung von Einrichtungen der in Abs. 1 bis 3 genannten Art kann von dem Bankenaufsichtsamt nach Zustimmung oder auf Antrag des Reichsbankdirektoriums unter Setzung von Fristen angeordnet werden, sofern die Durchführung der gemäß § 1 des Bankgesetzes vom 30. August 1924 der Reichsbank gestellten Aufgaben gefährdet ist. (5) Das Bankenaufsichtsamt kann Vorschriften über die Erhebung von Gebühren im unbaren Zahlungs- und Überweisungsverkehr erlassen. Bei Erlaß solcher Vorschriften sind die Gebührensätze für alle Geldinstitute einschließlich der dem Sparkassengesetz vom ( . . . ) unterworfenen, einheitlich festzusetzen. Auf die Reichsbank, die von ihr eingerichteten Abrechnungsstellen und die Postscheckämter finden solche Vorschriften keine Anwendung; ebensowenig bedürfen diese Stellen einer Genehmigung des Bankenaufsichtsamtes, sofern sie Gebühren im unbaren Zahlungs- und Überweisungsverkehr erheben, ermäßigen, erhöhen oder beseitigen wollen.
IX. Die Bankenaufsicht §32 (1) Sämtliche inländische Banken und ihre Zweiganstalten (Filialen, Depositenkassen, Kassenstellen, Agenturen und sonstige ähnliche Einrichtungen) sowie die Niederlassungen ausländischer Banken in Deutschland unterliegen der Beaufsichtigung durch das bei der Reichsbank errichtete Bankenaufsichtsamt. (2) Ihm gehören an: a) der jeweilige Präsident des Reichsbankdirektoriums als Vorsitzender; b) der jeweilige Vizepräsident des Reichsbankdirektoriums als stellvertretender Vorsitzender; c) ein Mitglied, welches der Reichskanzler besonders ernennt; d) ein Staatssekretär des Reichsfinanzministeriums; e) ein Staatssekretär des Reichswirtschaftsministeriums; f) ein vom Präsidenten des Reichsbankdirektoriums ernanntes weiteres Mitglied des Reichsbankdirektoriums; g) der Reichskommissar für Bankgewerbe.
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Anhang §33
Der Vorsitzende und die Mitglieder des Bankenaufsichtsamts beziehen für ihre Tätigkeit keine Vergütung. §34 (1) Der Vorsitzende des Bankenaufsichtsamts leitet die Geschäfte innerhalb der nachstehende Bestimmungen; er setzt die Richtlinien für die Tätigkeit des Bankenaufsichtsamts und des Reichskommissars für das Bankgewerbe nach Beratung mit den Mitgliedern des Bankenaufsichtsamts und auf Grund der Vorschriften dieses Gesetzes fest. (2) Das Bankenaufsichtsamt hält jeweils auf Berufung durch den Vorsitzenden, jedoch mindestens einmal im Monat seine Beratungen ab. Die Verhandlungen sind protokollarisch niederzuschreiben. §35 (1) Das Bankenaufsichtsamt hat die Aufgabe, sich über die Lage des deutschen Bankgewerbes und der deutschen Kreditwirtschaft fortlaufend zu unterrichten, die Verfolgung der gesetzlichen Vorschriften durch die Banken zu überwachen, für die Beachtung gemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte in der allgemeinen Bankpolitik und für die Beseitigung im Bankwesen auftretender Mißstände zu sorgen. Es hat, sobald eine Bank in Schwierigkeiten gerät oder zu geraten droht, die geeigneten Maßnahmen zu deren Beseitigung einzuleiten, einen Kommissar mit der Prüfung der Bank zu beauftragen und auf Grund des Prüfungsergebnisses ungesäumt Maßnahmen zur Reorganisation der Bank zu treffen bzw. die Durchführung der Liquidation zu überwachen. (2) Das Bankenaufsichtsamt kann Richtlinien für die Aufstellung von Satzungen und nach Anhörung der Spitzen verbände der Banken Grundsätze über die Geschäftsführung der Banken erlassen. Es erläßt Bestimmungen über die Eingehung von Verbindlichkeiten durch die Banken gegenüber dem Ausland. §36 (1) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe ist die verwaltende und ausführende Reichsbehörde; er hat seine Verwaltung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und den ihm vom Vorsitzenden des Bankenaufsichtsamts gegebenen Richtlinien zu führen. (2) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe wird vom Reichspräsidenten auf Vorschlag des Reichsbankpräsidenten ernannt; er ist Reichsbeamter und untersteht unbeschadet der Bestimmungen dieses Gesetzes dem Reichswirtschaftsministerium; er hat seinen Sitz in Berlin. (3) Die dem Besoldungsgesetz vom 16. Dezember 1927 (RGBl. I, S. 349) als Anlage 2 beigefügte Besoldungsordnung B, Feste Gehälter, wird wie folgt ergänzt: In der Besoldungsgruppe 5 ist vor Reichsjustizministerium einzufügen: „Reichswirtschaftsministerium: Reichskommissar für das Bankgewerbe". (4) Für die Planstelle des Reichskommissars für das Bankgewerbe sind die erforderlichen Ausgabemittel in dem Einzelplan VI, Haushalt des Reichswirtschaftsministeriums, für das
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Rechnungsjahr 1934/35 unter Kapitel I der fortdauernden Ausgaben des ordentlichen Haushalts, Titel 1 Besoldungen, Feste Gehälter, Β 5 zur Verfügung zu stellen.
§37 Der Reichskommissar für das Bankgewerbe ist jederzeit befugt: a) von den gemäß § 32 der Aufsicht unterliegenden Banken jederzeit die Einreichung von Bilanzen, auch für zurückliegende Bilanzstichtage zu verlangen, ferner von ihnen und ihren Verwaltungsorganen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu fordern, die Bücher und Schriften der Banken einsehen, überhaupt alle Prüfungen vornehmen zu lassen, die er für erforderlich hält, ferner den Organen der Banken wie auch deren einzelnen Mitgliedern und, falls die Banken einer Behördenaufsicht unterstehen, den Aufsichtsbehörden Mitteilungen über seine Feststellungen zu machen; b) Vertreter, die das Wort zu ergreifen berechtigt sind, in die Generalversammlungen, die sonstigen Mitgliederversammlungen und in die Sitzungen der Verwaltungsorgane der Banken zu entsenden; c) die Berufung von Generalversammlungen, die Berufung von sonstigen Mitgliederversammlungen, die Anberaumung von Sitzungen der Verwaltungsorgane sowie die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung zu verlangen; d) von allen Unternehmungen und Einzelpersonen, die ihren Wohnsitz, Sitz oder den Ort der Leitung im Deutschen Reich haben, auch wenn diese Unternehmungen und Personen nicht das Bankgewerbe betreiben, Angaben über den Stand ihre Zahlungsverpflichtungen und Zahlungsansprüche gegenüber Personen, die ihren Wohnsitz, Sitz oder den Ort der Leitung devisenpolitisch im Ausland haben, zu fordern.
§38 Die Kosten, die durch Nachprüfung einer Bank erwachsen, sind von der Bank zu erstatten.
§39 (1) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann sich zur Durchführung seiner Aufgaben geeigneter Kontrollorgane bedienen, im Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium und durch dessen Vermittlung auch der Dienststellen der Reichsbank. (2) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann die ihm nach diesem Gesetz zustehenden Befugnisse, soweit Kreditgenossenschaften in Betracht kommen, ganz oder teilweise auf andere Stellen übertragen. §40 (1) Sämtliche gemäß § 1 diesem Gesetz unterliegen Banken haben Namen oder Firma derjenigen ihrer Kreditnehmer, deren Gesamtverschuldung während des Monats 1 Million RM übersteigt, unter Aufgabe der am Monatsende in Anspruch genommenen Kredite bis zum 10. des folgenden Monats dem Reichskommissar für das Bankgewerbe anzuzeigen.
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(2) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann, sofern ihm eine zu seiner Kenntnis gelangte Verschuldung eines Kreditnehmers bei mehreren Banken unangemessen hoch erscheint, die beteiligten Kreditunternehmungen von der Verschuldung des Kreditnehmers bei anderen Stellen benachrichtigen. (3) Diese Benachrichtigung darf sich nur auf die Höhe der Gesamtverschuldung des Kreditnehmers und die Anzahl der Banken erstrecken, von deren Inanspruchnahme durch den Kreditnehmer der Reichskommissar für das Bankgewerbe Kenntnis erhalten hat.
§41 (1) Der Reichskommissar für das Bankgewerbe kann einfache Mehrheitsentschließungen der Spitzenverbände der Banken und Sparkassen über die Geschäftsbedingungen, insbesondere die Zins- und Provisionssätze und über den Wettbewerb für verbindlich erklären, auch für die Banken, die der Entschließung nicht zugestimmt haben, und für solche, die einem Spitzenverband nicht angehören. (2) Er kann, falls sich die Spitzenverbände untereinander nicht einigen können, nach Anhörung der Verbände über solche Geschäftsbedingungen und Wettbewerbsgrundsätze selbst Bestimmungen treffen, falls er dies für notwendig hält, um das gesunde Weiterarbeiten aller Bankengruppen zu ermöglichen. §42 Der Reichskommissar für das Bankgewerbe hat der Reichsregierung, dem Vorsitzenden des Bankenaufsichtsamtes und dem Reichsbank-Direktorium spätestens innerhalb eines Vierteljahres nach Ablauf des Kalenderjahres einen Jahresbericht über seine Tätigkeit zu erstatten und diesen Stellen auch sonst auf Verlangen über seine Wahrnehmungen zu berichten.
§43 Alle Behörden haben dem Reichskommissar für das Bankgewerbe und seinen Organen zur Erfüllung seiner Obliegenheiten Hilfe zu leisten.
§44 Der Reichskommissar für das Bankgewerbe ist befugt, den Organen und Geschäftsleitern der Banken bei Verstössen gegen die Vorschriften des Gesetzes und bei Nichtbefolgung der Anordnungen des Bankenaufsichtsamts und des Reichskommissars für das Bankgewerbe Verwarnungen zu erteilen; anstelle der Verwarnung können in ernsteren Fällen Ordnungsstrafen bis zu RM 10.000 treten. Die Ordnungsstrafen werden wie Gemeindeabgaben zugunsten der Reichskasse beigetrieben. Erweist sich die Verhängung von Ordnungsstrafen als nicht ausreichend, um künftige Verstösse und künftige Nichtbefolgungen zu verhindern, so kann er - unbeschadet der weitergehenden Bestimmungen des § 6 - für die Bank auf ihre Kosten einen Kommissar für die Führung der Geschäfte bestellen.
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§45 Die Mitglieder des Bankenaufsichtsamts sowie sämtliche Personen und Organe, deren sich das Bankenaufsichtsamt und der Reichskommissar für das Bankgewerbe zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten bedienen, sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie dürfen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe erfahren, nicht ohne Genehmigung des Vorsitzenden des Bankenaufsichtsamts verwerten. Diese Pflicht wird durch Ausscheiden aus dem Dienst oder Beendigung der Tätigkeit nicht berührt.
§46 Die Kosten des Bankenaufsichtsamts werden, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, auf die im § 1 bezeichneten Banken jährlich umgelegt, und zwar, soweit die Banken zur Einreichung von Monatsausweisen verpflichtet sind, nach dem Monatsdurchschnitt ihrer Bilanzsumme, auf die übrigen nach der Höhe der Bilanzsumme am Jahresschluss.
§47 (1) Die den verantwortlichen Leitern von Banken und deren Zweigstellen gewährten Anteile am Gewinn der Bank dürfen den Berechtigten jeweils nur zur Hälfte ausgezahlt werden. Die andere Hälfte ist einem für den Berechtigten gesondert zu führenden Garantiefonds gutzubringen, welcher für alle Verluste der Bank, für die der Berechtigte verantwortlich oder mitverantwortlich ist, haftet. (2) Die Fonds dürfen erst nach Ausscheiden der Berechtigten diesen ausgeliefert werden und erst, nachdem festgestellt ist, daß mit einer Inanspruchnahme nicht zu rechnen ist, frühestens jedoch nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Ausscheiden.
§48 ( 1 ) Gegen die Entscheidungen und Anordnungen des Reichskommissars für das Bankgewerbe aus den §§ 1 Abs. 3, 3, 6, 10 Abs. 3, 16 Abs. 4, 26 und 44 ist Beschwerde beim Bankenaufsichtsamt zulässig; alle übrigen Entscheidungen und Anordnungen des Reichskommissars für das Bankgewerbe sind endgültig und binden die Gerichte und Verwaltungsbehörden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung oder Anordnung an den Reichskommissar für das Bankgewerbe einzureichen, der sie mit seiner Stellungnahme in der nächsten ordentlichen Sitzung, in eiligen Fällen unverzüglich, dem Bankenaufsichtsamt zu unterbreiten hat. (3) Das Bankenaufsichtsamt entscheidet über Beschwerden mit einfacher Stimmenmehrheit endgültig; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die Entscheidungen des Bankenaufsichtsamtes binden die Gerichte und Verwaltungsbehörden.
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X. Strafvorschriften §49 (1) Wer vorsätzlich gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes verstößt oder die Anordnungen des Bankenaufsichtsamts oder seiner Organe nicht befolgt, wird unbeschadet der Vorschriften des § 44 mit Gefängnis bestraft. (2) Wer auf die Aufforderung zur Auskunftseiteilung gegenüber den Bankenaufsichtsamt oder Organen und Personen, deren sich das Bankenaufsichtsamt zur Erfüllung seiner Obliegenheiten bedient, einschließlich der Stellen, auf die es seine Befugnisse übertragen hat, falsche Angaben macht, wird mit Gefängnis bestraft. (3) Wer zur Erlangung, Erweiterung oder Erleichterung eines Kredits unwahre (verfälschte oder verschleierte) Bilanzen oder Vermögensübersichten einer Bank einreicht oder einer solchen gegenüber wissentlich falsche Erklärungen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse abgibt, wird, soweit nach anderen Gesetzen nicht schwerere Strafen verwirkt sind, mit Gefängnis bestraft, auch wenn es nicht zur Kreditgewährung kommt. (4) Wer entgegen § 45 seine Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die er bei der Wahrnehmung seiner Obliegenheiten erfahren hat, unbefugt verwertet, wird mit Geldstrafe, in schwereren Fällen mit Gefängnis bestraft. (5) Wer den Kredit einer Bank böswillig und wider besseres Wissen durch Verbreitung unwahrer Behauptungen schädigt, wird auf Antrag des Bankenaufsichtsamts mit Gefängnis bestraft. XL Schlußvorschriften §50 Dieses Gesetz tritt am ( . . . ) in Kraft. Gleichzeitig treten außer Kraft: der zweite Teil der Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie (vom 19. September 1931, RGBl. I, S. 493), Kapitel III zweiter Abschnitt des ersten Teils der Vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens (vom 8. Dezember 1931, RGBl. I, S. 699), die Durchführungsverordnung über Zinssenkung auf dem Geldmarkt (vom 9. Januar 1932, RGBl. I, S. 29), die Verordnung zur Durchführung der Bankenaufsicht (vom 21. April 1933, RGBl. I, S. 228) und das Gesetz über Befugnisse des Reichskommissar für das Bankgewerbe (vom 7. August 1933, RGBl. I, S. 577).
Anhang 3: Das Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934 I. Allgemeine Vorschriften §1 (1) Den Vorschriften dieses Gesetzes unterliegen alle Unternehmungen, die Bank- oder Sparkassengeschäfte im Inland betreiben (Kreditinstitute). Bank- oder Sparkassengeschäfte sind insbesondere solche der nachstehend bezeichneten Art: a) die Annahme und Abgabe von Geldbeträgen ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden oder nicht; b) die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren für andere; c) die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere (Depotgeschäft); d) die Übernahme von Haftungen und Garantien für Dritte, soweit diese Geschäfte nicht von Versicherungsunternehmungen betrieben werden. (2) Zu den Kreditinstituten gehören auch Girokassen, Giroverbände, Girozentralen und sonstige Einrichtungen, welche dem Abrechnungsverkehr dienen. (3) Die Reichsregierung kann andere Arten von Geschäften bezeichnen, durch deren Betrieb eine Unternehmung Kreditinstitut im Sinne dieses Gesetzes wird. (4) Der Reichskommissar für das Kreditwesen (Reichskommissar) entscheidet in Zweifelsfällen, ob eine Unternehmung als Kreditinstitut zu gelten hat. Er kann mit Zustimmung der Reichsregierung Ausnahmen für Einzelfälle oder für bestimmte Arten von Geschäften zulassen. Seine Entscheidung bindet die Gerichte und Verwaltungsbehörden.
§2 (1) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden keine Anwendung auf a) die Reichsbank, b) die Deutsche Golddiskontbank, c) die Deutsche Reichspost und ihre Anstalten, d) die Wohnungsunternehmungen gemäß Kapitel III des Siebenten Teiles der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (Reichsgesetzbl. I S. 517), e) die Unternehmungen, die das Pfandleihgewerbe betreiben. 31 Müller
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(2) Für Unternehmungen der im Abs. 1 Buchstaben d und e bezeichneten Art gelten jedoch die Vorschriften dieses Gesetzes insoweit, als sie neben dem ihnen eigentümlichen Geschäftsbetrieb Geschäfte der im § 1 bezeichneten Art betreiben. In Zweifelsfällen entscheidet der Reichswirtschaftsminister, ob für solche Unternehmungen die Vorschriften dieses Gesetzes zu gelten haben. II. Erlaubnis und Untersagung §3 (1) Unternehmungen, welche Geschäfte von Kreditinstituten im Inland betreiben wollen, bedürfen dazu der Erlaubnis. Für die Erteilung der Erlaubnis ist der Reichskommissar zuständig. (2) die Erlaubnis ist auch erforderlich a) bei inländischen Kreditinstituten zum Betrieb von Zweigniederlassungen, Depositenkassen, Agenturen, Annahme- und Zahlstellen jeder Art (Zweigstellen) im Inland oder Ausland, b) bei ausländischen Kreditinstituten zum Betrieb von Zweigstellen im Inland. §4 (1) Die Erlaubnis darf nur versagt werden, a) wenn die Geschäftsleitung des Kreditinstituts oder die Leiter von Zweigstellen nicht ehrbar oder fachlich nicht genügend vorgebildet sind oder die für den Betrieb der Unternehmung oder des Betriebsteiles, den sie zu leiten haben, sonst noch erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen nicht besitzen; b) wenn die Erlaubnis unter Berücksichtigung der örtlichen und gesamtwirtschaftlichen Bedürfnisse nicht gerechtfertigt erscheint; c) wenn der Unternehmung die zum Geschäftsbetrieb erforderlichen Mittel im Inland nicht zur Verfügung stehen. (2) Zu den Geschäftsleitern im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a gehören insbesondere die Inhaber, die persönlich haftenden Gesellschafter, die Geschäftsführer und die Vorstandsmitglieder eines Kreditinstitut, die Sparkassenleiter sowie die Rendanten und Rechner bei Genossenschaften. Zu den Geschäftsleitern rechnen auch die Verwaltungsratsmitglieder eines Kreditinstituts, sofern sie die Befugnisse von Vorstandsmitglieder haben. §5 (1) Der Reichskommissar kann die Erlaubnis zurücknehmen, a) wenn der Geschäftsbetrieb, auf den sich die Erlaubnis bezieht, nicht innerhalb eines Jahres seit der Erteilung der Erlaubnis eröffnet wird; b) wenn der Geschäftsbetrieb ein Jahr lang nicht mehr ausgeübt worden ist. (2) Die Vorschrift des Absatzes 1 Buchstabe b findet sinngemäß Anwendung auf die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Kreditinstitute (§ 53).
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§6 (1) Der Reichskommissar kann die Fortführung des Geschäftsbetriebes untersagen, a) wenn die Erlaubnis durch unrichtige Angaben oder durch täuschende Handlungen erwirkt worden ist; b) wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß Geschäftsleiter der Unternehmung (§ 4 Abs. 2) nicht die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit besitzen; c) wenn das Kreditinstitut keine Gewähr für die Sicherheit der ihm anvertrauten Gelder oder Wertpapiere bietet oder wenn es wichtige allgemeine Interessen verletzt. (2) Eine Untersagung gemäß Abs. 1 kann sich auch auf einen Teil des Geschäftsbetriebes sowie auf einzelne Zweigstellen beschränken.
§7 ( 1 ) In dem Verfahren, das die Zurücknahme der Erlaubnis oder die Untersagung des Geschäftsbetriebes zum Gegenstand hat, muß der Reichskommissar dem Kreditinstitut Gelegenheit zur Äußerung geben; in geeigneten Fällen kann er Fristen zur Beseitigung von Mängeln setzen. (2) Wenn der Reichskommissar die Erlaubnis zurücknimmt oder den Geschäftsbetrieb untersagt, so kann er bestimmen, daß seine Entscheidung wie eine Auflösungsbeschluß wirkt. Für die Abwicklung der Geschäfte kann er grundsätzliche Anordnungen treffen.
III. Anzeigepflicht
§8 (1) Die Kreditinstitute haben a) jeden Wechsel in der Person der Geschäftsleiter (§ 4 Abs. 2), b) Kapital Veränderungen, soweit sie in einem öffentlichen Register eingetragen werden müssen, c) die Absicht der Vereinigung mit einem anderen Kreditinstitut sowie die erfolgte Übernahme von dauernden Beteiligungen an solchen, d) die Einstellung des Geschäftsbetriebes sowie die Schließung von Zweigstellen dem Reichskommissar oder der von ihm bestimmten Stelle unverzüglich anzuzeigen. (2) Der Reichskommissar kann anordnen, daß ihm auch ein Wechsel in der Person der Leiter von Zweigstellen anzuzeigen ist. §9 ( 1 ) Die Kreditinstitute haben Namen oder Firma derjenigen ihrer Kreditnehmer, deren Gesamtverschuldung bei dem einzelnen Kreditinstitut im Laufe des Monats eine Million Reichsmark übersteigt, unter Aufgabe der am Monatsende in Anspruch genommenen Kredite bis zum 10. des folgenden Monats dem Reichskommissar anzuzeigen.
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(2) Ergibt sich, daß ein Kreditnehmer bei mehreren Kreditinstituten Kredite in Anspruch genommen hat, so kann der Reichskommissar die beteiligten Kreditinstitute davon benachrichtigen. Diese Benachrichtigung darf sich nur auf die Höhe der Gesamtverschuldung des Kreditnehmers und auf die Anzahl der Kreditinstitute erstrecken, von deren Inanspruchnahme durch den Kreditnehmer der Reichskommissar Kenntnis erhalten hat. (3) Das Aufsichtsamt für das Kreditwesen (Aufsichtsamt) kann Ausnahmen von den Vorschriften des Absatzes 1 zulassen. Es bestimmt, was als Gesamtverschuldung im Sinne des Absatzes 1 zu gelten hat.
IV. Schutz der Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse" § 10 ( 1 ) Die Bezeichnungen „Bank", „Bankier" oder eine Bezeichnung, in der das Wort „Bank" oder „Bankier" vorkommt, dürfen in der Firma, als Zusatz zur Firma, zur Bezeichnung des Geschäftszweckes oder zu Werbezwecken nur führen: a) die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Kreditinstitute, b) diejenigen Unternehmungen, denen eine Erlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 erteilt ist, c) diejenigen Unternehmungen, denen die Befugnis zur Führung einer der obigen Bezeichnungen vom Reichskommissar erteilt worden ist. Die Befugnis erlischt, sobald infolge einer Zurücknahme der Erlaubnis, einer Untersagung des Geschäftsbetriebes oder aus einem anderen Grunde der Betrieb von Bankgeschäften eingestellt ist. (2) Die Beschränkungen des Absatzes 1 finden keine Anwendung auf die Reichsbank und die Deutsche Golddiskontbank. (3) Die Bezeichnung „Sparkasse" oder eine Bezeichnung, in der das Wort „Sparkasse" enthalten ist, dürfen nur die öffentlichen oder dem öffentlichen Verkehr dienen Spar- und Girokassen führen. Sie dürfen eine Bezeichnung der im Abs. 1 genannten Art ohne Zustimmung des Reichskommissars nicht neu aufnehmen. (4) Die Vorschrift des Absatzes 3 findet, soweit sie die Führung eine Bezeichnung betrifft, in der das Wort „Sparkasse" enthalten ist, keine Anwendung auf öffentlich-rechtliche und solche private Bausparkassen, die dem Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 (Reichsgesetzbl. IS. 315) unterliegen, sowie auf eingetragene Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die einem Prüfungsverband gemäß § 54 des Genossenschaftsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 30. Oktober 1934 (Reichsgesetzbl. IS. 1077) angehören. Sie dürfen aber eine Bezeichnung der im Abs. 3 Satz 1 genannten Art mit Zustimmung des Reichskommissars führen. (5) Führt eine in einem öffentlichen Register eingetragene Unternehmung eine Firma oder einen Zusatz zur Firma, deren Gebrauch nach Abs. 1 oder 3 unzulässig ist, so ist sie von dem Registergericht zur Unterlassung des Gebrauchs der Firma oder des Zusatzes durch Ordnungsstrafen bis zu 1000 Reichsmark anzuhalten. (6) Wird eine Firma oder ein Zusatz zur Firma geführt, deren Gebrauch nach Abs. 1 oder 3 unzulässig ist, so kann das Registergericht die Firma von Amts wegen löschen. § 142 Abs. 1
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Satz 2, Abs. 2, § 143 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden entsprechend Anwendung. (7) Der Reichskommissar entscheidet, ob der Gebrauch einer Firma oder eines Zusatzes zur Firma nach Abs. 1 oder 3 zulässig ist; er ist berechtigt, Anträge zum Zwecke des Einschreitens bei den Registergerichten zu stellen und gegen Verfügungen, durch die über solche Anträge entschieden wird, das Rechtsmittel der Beschwerde zu erheben.
V. Vorschriften für das Kreditgeschäft und die Liquidität §11 (1) Die Gesamtverpflichtung eines Kreditinstituts aus a) Depositengeldern, b) Spareinlagen, c) Kontokorrentguthaben der Kundschaft, d) seitens der Kundschaft bei Dritten benutzten Krediten, e) Nostroverpflichtungen, f) der Annahme gezogener Wechsel und der Ausstellung eigener und gezogener Wechsel (soweit diese Wechsel sich im Verkehr befinden) sollen abzüglich der liquiden Mittel im Sinne des § 16 Absätze 1 und 2 ein vom Aufsichtsamt zu bestimmendes Mehrfaches des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten. (2) Als haftendes Eigenkapital eines Kreditinstituts ist anzusehen a) bei Einzelkaufleuten oder Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit (insbesondere offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) das Geschäftskapital nach Abzug der entstandenen Verluste oder Wertminderungen sowie der Entnahmen der Inhaber und der diesen gewährten Kredite. Nachgewiesenes freies Vermögen des oder der unbeschränkt haftenden Inhaber kann berücksichtigt werden; b) bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Gesellschaften mit beschränkter Haftung das eingezahlte Kapital zuzüglich der ausgewiesenen Reserven, jedoch abzüglich entstandener Verluste; c) bei eingetragenen Genossenschaften die Geschäftsguthaben und ausgewiesenen Reserven zuzüglich eines Zuschlages, welcher der Haftsummenverpflichtung der Genossen Rechnung trägt, jedoch abzüglich entstandener Verluste; d) bei Kreditinstituten des öffentlichen Rechts das Dotationskapital und die ausgewiesenen Reserven, jedoch abzüglich entstandener Verluste. (3) Als Reserven im Sinne des Absatzes 2 gelten nicht außerordentliche Reserven, stille Reserven, Delkrederereserven und Rückstellungen jeder Art. (4) Maßgebend für die Bemessung des haftenden Eigenkapitals im Sinne des Absatzes 2 ist die letzte für den Schluß eines Geschäftsjahres festgestellte Bilanz.
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486 (5) Das Aufsichtsamt ist ermächtigt,
a) die Einbeziehung von unter Abs. 1 Buchstabe e fallenden Verbindlichkeiten auszuschließen sowie die Einbeziehung von Verbindlichkeiten aus der Übernahme von Bürgschaften oder anderen Haftungen mit Einschluß der Indossamentsverpflichtungen in die Gesamtverpflichtungen (Abs. 1) zu bestimmen, b) das Verhältnis der Gesamtverpflichtungen (Abs. 1) zu dem haftenden Eigenkapital (Abs. 2) für einzelne Kreditinstitute oder Arten oder Gruppen von Kreditinstituten verschieden zu bemessen; die Gesamtverpflichtungen (Abs. 1) abzüglich der liquiden Mittel im Sinne des § 16 Absätze 1 und 2 dürfen jedoch bei allen Kreditinstituten das fünffache des haftenden Eigenkapitals erreichen, c) bei Kreditinstituten des öffentlichen Rechts, für welche öffentlich-rechtliche Gewährträger haften, Bestimmungen zu treffen, inwieweit diese Haftung an die Stelle des haftenden Eigenkapitals treten kann. §12 (1) Die von einem Kreditinstitut an denselben Kreditnehmer gewährten Kredite sollen einen vom Aufsichtsamt zu bestimmenden Hundertsatz des haftenden Eigenkapitals (§11 Abs. 2) nicht überschreiten. (2) Kredite, welche die festgesetzte Grenze übersteigen, bedürfen unbeschadet der Rechtswirksamkeit des Kreditgeschäfts der Zustimmung sämtlicher Geschäftsleiter (§4 Abs. 2). Solche Kredite sind dem Reichskommissar anzuzeigen. (3) Als Kredite sind anzusehen alle Arten von Krediten mit Einschluß von Wechselkrediten, Bürgschaften und sonstigen Haftungen zu Lasten des Kreditinstituts; maßgebend sind die Kreditbeträge. Als Kredite gelten ferner Beteiligungen des Kreditinstituts an der Unternehmung des Kreditnehmers; maßgebend sind die Bilanzwerte der Beteiligungen. Zugunsten des Kreditinstituts bestehende Sicherheiten sowie Guthaben des Kreditnehmers bei dem Kreditinstitut bleiben außer Betracht. Als ein und derselbe Kreditnehmer gelten außer dem Kreditnehmer selbst die von ihm abhängigen Unternehmungen, die Unternehmungen, von denen der Kreditnehmer abhängt, sämtliche demselben Konzern angehörenden Unternehmungen und bei Personengesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit die Gesellschaft und ihre Gesellschafter. (4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 finden keine Anwendung auf Kredite, die an das Reich und die Länder gewährt oder von diesen verbürgt oder von diesen sonst gesichert sind.
§ 13 Bei Einräumung von ungedeckten Krediten, die in der Gesamtsumme einen Betrag von 5000 Reichsmark bei einem Kreditnehmer überschreiten, ist das Kreditinstitut verpflichtet, von dem Kreditnehmer die Offenlegung seine wirtschaftliche Verhältnisse oder die Einsicht in seine Bilanzen zu verlangen. Der Reichskommissar kann allgemein oder im Einzelfall eine von dem im Satz 1 genannten Betrag abweichende Grenze festsetzen.
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§ 14 (1) Geschäftsleitern (§ 4 Abs. 2), Mitgliedern des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats eines Kreditinstituts sowie allen bei einem Kreditinstitut tätigen Beamten und Angestellten dürfen Kredite nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter und nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats gewährt werden. Ebenso dürfen Kredite an Geschäftsleiter, Mitglieder des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats sowie Beamte und Angestellte einer abhängigen oder herrschenden Unternehmung nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter und nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats der herrschenden Unternehmung gewährt werden. Die Zustimmung kann für gewisse Kreditgeschäfte oder Arten von Kreditgeschäften im voraus, jedoch nicht für länger als drei Monate erteilt werden. Der Beschluß, durch den die Zustimmung erteilt wird, hat auch Bestimmungen über die Verzinsung und Rückzahlung der Kredite zu enthalten. Der Gewährung eines Kredits steht die Gestattung aller Entnahmen gleich, die über die einem Geschäftsleiter oder einem Mitglied des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats zustehenden Vergütungen hinausgehen, insbesondere auch die Gestattung von Vorschüssen auf Vergütungen. (2) Kredite und Vorschüsse an Beamte und Angestellte, die ein Monatsgehalt nicht übersteigen, fallen nicht unter die Vorschriften des Absatzes 1. (3) Die Vorschriften des Absatzes 1 gelten auch für Kredite an den Ehegatten oder an ein minderjähriges Kind eines Geschäftsleiters, eines Mitgliedes des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats sowie eines Beamten oder Angestellten; sie gelten ferner für Kredite an einen Dritten, der für Rechnung einer dieser Personen handelt. (4) Gehört einer kreditnehmenden Unternehmung ein Geschäftsleiter des kreditgewährenden Kreditinstituts als Geschäftsleiter oder Mitglied eines Organs an, so bedarf die Gewährung von Krediten des einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter und der ausdrücklichen Zustimmung des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats. Entsprechendes gilt, wenn dem kreditgewährenden Kreditinstitut ein Geschäftsleiter der kreditnehmenden Unternehmung als Geschäftsleiter oder Mitglied eines Organs angehört. (5) Wird entgegen den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 Kredit gewährt, so ist der Kredit ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzuzahlen, es sei denn, daß die zur Gewährung des Kredits erforderlichen Beschlüsse nachträglich gefaßt werden. (6) Die Mitglieder des Vorstandes und die Geschäftsführer sind zum Ersatz verpflichtet, wenn sie entgegen den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 Kredit gewähren. Die Mitglieder des Aufsichtsrats oder des Verwaltungsrats sind zum Ersatz verpflichtet, wenn mit ihrem Wissen und ohne ihr Einschreiten entgegen den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 Kredit gewährt wird. Der Ersatzanspruch kann auch von den Gläubigern des Kreditinstituts, soweit sie von diesem ihre Befriedigung nicht erlangen können, geltend gemacht werden. Die Ersatzpflicht wird ihnen gegenüber weder durch eine Verzicht des Kreditinstitut noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschlusses des obersten Organs (Generalversammlung, Gesellschafterversammlung und dergleichen) beruht. Die Ansprüche auf Grund dieser Vorschriften verjähren in fünf Jahren. (7) Sofern die Kredite an die in den Absätzen 1 und 3 genannten Personen die Höhe eines Jahresbezugs übersteigen, ist dies unverzüglich dem Reichskommissar anzuzeigen; handelt es sich um Kredite im Sinne des Absatzes 3, so sind die Jahresbezüge des bei dem Kreditinstitut beschäftigten Ehegatten oder Elternteils maßgebend. Das Aufsichtsamt ist ermäch-
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Anhang tigt, für Kreditinstitute und Gruppen von Kreditinstituten hiervon Abweichungen zuzulassen.
(8) Das Aufsichtsamt ist ermächtigt, Vorschriften zu erlassen, welche die Aufnahme von Krediten für Effektengeschäfte durch Geschäftsleiter sowie Beamte und Angestellte von Kreditinstituten regeln. Die Vorschriften berühren die Rechts Wirksamkeit der Kreditgeschäfte nicht. §15 ( 1 ) Anteile am Geschäftsergebnis, die Geschäftsleitern eines Kreditinstituts (§ 4 Abs. 2), soweit sie nicht Inhaber, Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft sind, sowie Leitern von Zweigstellen zustehen, dürfen dem Berechtigten jeweils nicht voll ausgezahlt werden. Ein vom Aufsichtsamt festzusetzender Hundertsatz des Anteils eines jeden Berechtigten ist einzubehalten; er kann auf Wunsch des Berechtigten in mündelsicheren Weiten angelegt werden. Der einzubehaltende Hundertsatz soll nicht mehr als die Hälfte des dem Berechtigten zufallenden Anteils betragen. (2) Die einbehaltenen Beträge sowie die Werte, in denen sie angelegt sind, haften dem Kreditinstitut für alle Ersatzansprüche gegen den Berechtigten; sie dürfen den Berechtigten erst nach ihrem Ausscheiden und erst, nachdem ihnen Entlastung erteilt worden ist, frühestens jedoch nach Ablauf eines Jahres nach dem Ausscheiden, freigegeben werden.
§ 16 (1) Die Kreditinstitute haben eine Barreserve zu halten, die aus dem Kassenbestand sowie den Guthaben bei der Reichsbank und den deutschen Postscheckämtern gebildet wird. Die Barreserve muß mindestens einen vom Aufsichtsamt festzusetzenden Hundertsatz der Verpflichtungen gemäß § 11 Abs. 1 a, c, d, e und f ausmachen. Der Hundertsatz kann für die einzelnen Arten oder Gruppen von Kreditinstituten verschiedenen bemessen, darf jedoch in keinem Falle auf mehr als 10 vom Hundert festgesetzt werden. Das Aufsichtsamt kann zulassen, daß unter § 11 Abs. 1 Buchstabe e fallende Verpflichtungen bei der Berechnung außer Ansatz gelassen werden. (2) Ferner haben die Kreditinstitute einen vom Aufsichtsamt festzusetzenden Hundertsatz ihrer Verpflichtungen gemäß § 11 Abs. 1 a, c, d, e und f in Handelswechseln, die innerhalb von 90 Tagen fällig sind, und in Wertpapieren zu unterhalten, welche nach dem Bankgesetz von der Reichsbank zum Lombardverkehr zugelassen sind oder zugelassen werden können. Der Hundertsatz kann für die einzelnen Arten oder Gruppen von Kreditinstituten verschieden bemessen werden, darf jedoch in keinem Falle auf mehr als 30 vom Hundert festgesetzt werden. Das Aufsichtsamt kann zulassen, daß unter § 11 Abs. 1 Buchstabe e fallende Verpflichtungen bei der Berechnung außer Ansatz gelassen und das auch andere als im Satz 1 genannte Anlagen in den Hundertsatz einbezogen werden. (3) Das Aufsichtsamt kann bestimmen, daß die Vorschriften der Absätze 1 und 2 auf einzelne Arten von Kreditinstituten ganz oder teilweise keine Anwendung finden; es kann für diese Fälle Sondervorschriften erlassen.
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§ 17 (1) Der Besitz eines Kreditinstituts an Aktien, Kuxen und Berg Werksanteilen, mit Ausnahme der dauernden Beteiligungen, sowie an nicht zum Handel an deutschen Börsen zugelassenen Schuldverschreibungen soll einen vom Aufsichtsamt festzusetzenden Hundertsatz der Verpflichtungen gemäß § 11 Abs. 1 a, c, d, e und f nicht überschreiten, unbeschadet der für einzelne Arten von Kreditinstituten geltenden besonderen Vorschriften, die den Erwerb der genannten Werte untersagen oder weiter einschränken. Der Hundertsatz kann für die einzelnen Arten oder Gruppen von Kreditinstituten verschieden bemessen, soll jedoch in keinem Falle auf weniger als 5 vom Hundert festgesetzt werden. Das Aufsichtsamt kann bestimmen, daß die Vorschrift des Satzes 1 auf bestimmte Arten von zum Handel an deutschen Börsen nicht zugelassenen Schuldverschreibungen keine Anwendung findet. (2) Die Anlagen eines Kreditinstituts in Grundstücken, Gebäuden und dauernden Beteiligungen sollen, nach den in die Bilanz eingesetzten Beträge berechnet, insgesamt den Betrag des Eigenkapitals des Kreditinstituts (§ 11 Abs. 2) nicht überschreiten.
§ 18 Der Reichskommissar kann anordnen, daß von Kreditinstituten, bei denen die auf Grund der §§ 11, 12, 16 und 17 festgesetzten Grenzen nicht eingehalten sind, Ausschüttungen von Gewinnanteilen auf das Grund- oder Stammkapital, die Geschäftsguthaben und dergleichen über einen von ihm festzusetzenden Satz hinaus nicht vorgenommen werden dürfen. Einer solchen Anordnung widerspreche Beschlüsse sind insoweit nichtig.
§ 19 Der Reichskommissar kann auf Antrag zulassen, daß Kreditinstitute vorübergehend von den Vorschriften der §§ 11, 12, 16 und 17 abweichen.
VI. Einreichung von Bilanzen §20 (1) Dem Reichsbankdirektorium haben einzureichen: a) die als Einzelfirmen, offene Handelsgesellschaften oder Kommanditgesellschaften betriebenen Kreditinstitute: 1. die Jahresbilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung unverzüglich nach ihrer Fertigstellung, 2. eine Rohbilanz nach dem Stande vom 30. Juni spätestens am letzten Tage des auf den Abschlußtag folgenden Monats; b) Kreditinstitute, die in der Form von Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder Genossenschaften oder in der Form von öffentlich-rechtlichen Instituten betrieben werden und deren Bilanzsumme eine Million Reichsmark nicht überschreitet:
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1. ihre Jahresbilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung innerhalb einer Woche nach ihrer Genehmigung durch die dazu berufenen Stellen, 2. ihre Rohbilanz nach dem Stande vom 30. Juni spätestens am letzten Tage des auf den Abschlußtag folgenden Monats; c) alle übrigen Kreditinstitute: 1. die Jahresbilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung innerhalb einer Woche nach ihrer Genehmigung durch die dazu berufenen Stellen, 2. Monatsausweise für die Monate Januar bis November bis zum 15. Tage des auf den Abschlußtag folgenden Monats. (2) Die gemäß Abs. 1 einzureichenden Bilanzen und Monatsausweise sind mit Ausnahme der Jahresbilanz nach näherer Vorschrift des Aufsichtsamts aufzugliedern. (3) Das Reichsbankdirektorium ist berechtigt, Anordnungen über die statistischen Veröffentlichungen der gemäß Abs. 1 einzureichenden Bilanzen und Monatsausweise zu treffen. Die Bilanzen der als Einzelfirmen, offene Handelsgesellschaften oder Kommanditgesellschaften betriebenen Kreditinstitute dürfen einzeln nicht veröffentlicht werden. (4) Die Kreditinstitute haben ferner die Bilanzen und Monatsausweise nach näheren Vorschriften des Reichsbankdirektoriums zu erläutern und ihm die dazu weiter geforderten Auskünfte zu geben. Die den Sparkassen und den Kreditgenossenschaften obliegende Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht auf Anfordern des Reichsbankdirektoriums auch für den Revisionsverband, dem die zur Auskunft verpflichtete Sparkasse oder Kreditgenossenschaft angehört. (5) Dem Reichskommissar sind auf Ersuchen die Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die Erläuterungen und Auskünfte vom Reichsbankdirektorium zur Verfügung zu stellen. §21 Der Reichskommissar kann im Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium Kreditinstitute von den Vorschriften des § 20 ganz oder teilweise befreien.
VII. Sparverkehr §22 ( 1 ) Spareinlagen sind Geldeinlagen auf Konten, die nicht den Zwecken des Zahlungsverkehrs, sondern der Anlage dienen und als solche, insbesondere durch Ausfertigung von Sparbüchern, gekennzeichnet sind. (2) Auszahlungen auf Spareinlagen dürfen nur gegen Vorlegung des Sparbuches bewirkt werden; bei voller Rückzahlung der Einlage ist das Sparbuch zurückzufordern. (3) Uber Spareinlagen darf durch Uberweisung nicht verfügt werden; eine Einlösung von Schecks zu Lasten von Spareinlagen ist unbeschadet der Rechtswirksamkeit des Schecks und des Einlösungsgeschäfts unzulässig.
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(4) Die Ausgabe von Sparbüchern ohne entsprechende Einlage ist unzulässig. Ein Kreditinstitut darf Beträge, die es erst im Kreditwege zur Verfügung stellt, nicht auf Sparbuch gutbringen. (5) In dem Sparbuch ist an auffallender Stelle der Zinssatz, zu dem die Spareinlage verzinst wird, ersichtlich zu machen; Änderungen des Zinssatzes sind an dieser Stelle bei der nächsten Vorlegung des Sparbuches unter Angabe des Tages, von dem an sie gelten, zu vermerken. §23 ( 1 ) Im Spargeschäft dürfen Gelder zu anderen als den für Spareinlagen festgesetzten Zinssätzen (§ 38) nicht angenommen werden. (2) Die Verzinsung von Spareinlagen beginnt bei Einzahlung bis zum 15. eines Monats mit dem 1. des nächsten Monats, bei Einzahlung in der zweiten Hälfte eines Monats mit dem 15. des nächsten Monats. Die Verzinsung läuft bis zum Tage der Rückzahlung. (3) Rückzahlungen von Spareinlagen dürfen ohne Kündigung nur bis zum Betrage von 300 Reichsmark für jedes Sparbuch im Monat geleistet werden. Zur Rückzahlung höherer Beträge bedarf es der Kündigung. Etwa vor Fälligkeit geleistete Zahlungen sind als Vorschüsse zu behandeln und als solche zu verzinsen. Das Aufsichtsamt erläßt nähere Bestimmungen über die Kündigungsfristen; bis zu ihrem Erlaß verbleibt es bei den bisherigen Kündigungsfristen. §24 (1) Die Spareinlagen sind besonders anzulegen. (2) Das Aufsichtsamt erläßt Anordnungen über die Anlage der Spareinlagen; dabei ist Vorsorge für die Sicherheit und Liquidität in dem erforderlichen Umfange zu treffen.
§25 Kreditinstitute, welche Spareinlagen annehmen, sind verpflichtet, das Spargeschäft (Spareinlagen und die zu ihrer Deckung bestimmten Anlagen) in der Buchführung von dem übrigen Geschäft getrennt zu führen sowie in den Monatsausweisen, in den Jahresbilanzen und in den Gewinn- und Verlustrechnungen gesondert auszuweisen; in den Jahresabschlüssen müssen sämtliche Kosten des Spargeschäfts ersichtlich gemacht werden.
§26 Das Aufsichtsamt kann in Abweichung von den Vorschriften der §§24 und 25 Sondervorschriften für einzelne Gruppen von Kreditinstituten erlassen; es kann auf Antrag zulassen, daß ein Kreditinstitut vorübergehend von den auf Grund des § 24 erlassenen Anordnungen abweicht. §27 (1) Werksparkassen, d. h. besondere von dem Unternehmer eines wirtschaftlichen Betriebs getroffene Spareinrichtungen, von denen auf Grund einer allgemeinen Regelung (Ge-
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schäftsplan) Spareinlagen der Arbeitnehmer des Betriebes aufgenommen werden und aus denen der Betriebsunternehmer als solcher verpflichtet ist, sind bis zum 31. Dezember 1940 aufzulösen. Die Auflösung ist dem Reichskommissar anzuzeigen. (2) Der Reichskommissar entscheidet in Zweifelsfällen, ob eine Spareinrichtung als Werksparkasse zu gelten hat; seine Entscheidung bindet die Gerichte und Verwaltungsbehörden.
V I I I . Unbarer Zahlungsverkehr §28 ( 1 ) Das Aufsichtsamt ist ermächtigt, Vorschriften zur Regelung des unbaren Zahlungsverkehrs zu erlassen, insbesondere a) zwischen den Mitgliedern der dem unbaren Zahlungsverkehr dienenden Verbände und sonstigen Einrichtungen (z. B. Girozentralen, genossenschaftliche Zentralkassen und die ihnen angeschlossenen Kreditinstitute und dergleichen), b) zwischen verschiedenen Kreditinstituten und zwischen den Hauptniederlassungen und Zweigstellen derselben Kreditinstitute untereinander. (2) In den Vorschriften kann bestimmt werden, inwieweit der unbare Zahlungsverkehr nur über die Reichsbank, die bei der Reichsbank errichteten Abrechnungsstellen oder die Postscheckämter bewirkt werden darf. Für diesen Zweck können Bankbezirke gebildet werden. (3) Das Aufsichtsamt kann bestimmen, daß im unbaren Zahlungsverkehr besondere Gebühren zu erheben sind, und die Höhe der Gebühren festsetzen. Die Gebühren sollen für alle Kreditinstitute nach einheitlichen Grundsätzen festgesetzt werden.
§29 ( 1 ) Die Neuschaffung von Einrichtungen, die dem unbaren Zahlungsverkehr dienen, bedarf der Erlaubnis durch den Reichskommissar. (2) Das Aufsichtsamt kann die Aufrechterhaltung von Einrichtungen der im Abs. 1 bezeichneten Art untersagen, auch soweit die Einrichtungen bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits gestehen, und Anordnungen über die Abwicklung treffen.
IX. Die Aufsicht §30 ( 1 ) Sämtliche inländische Kreditinstitute und ihre Zweigstellen sowie die Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute im Inland unterliegen der Beaufsichtigung durch das bei der Reichsbank errichtete Aufsichtsamt für das Kreditwesen. (2) Dem Aufsichtsamt gehören an: a) der Präsident des Reichsbankdirektoriums, als Vorsitzender, b) der Vizepräsident des Reichsbankdirektorium, als stellvertretender Vorsitzender,
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c) ein von dem Führer und Reichskanzler ernanntes Mitglied, d) der Staatssekretär des Reichsfinanzministeriums, e) der Staatssekretär des Reichswirtschaftsministeriums, f) ein Staatssekretär des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, g) ein Staatssekretär des Reichsministeriums des Innern. (3) Der Reichskommissar ist berechtigt, an allen Sitzungen und Beschlußfassungen des Aufsichtsamts mit beratender Stimme teilzunehmen. (4) Die Mitglieder des Aufsichtsamts und der Reichskommissar können sich im Falle der Behinderung durch einen Beamten ihre Behörde vertreten lassen. Im Falle gleichzeitiger Verhinderung des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden führt den Vorsitz derjenige Staatssekretär, der dem Dienstalter nach und bei gleichem Dienstalter der Geburt nach der älteste ist. (5) Die Mitglieder des Aufsichtsamt beziehen für ihre Tätigkeit keine Vergütung.
§31 ( 1 ) Die Entscheidungen und sonstigen Verfügungen des Aufsichtsamts werden vom Vorsitzenden nach Beratung mit den übrigen Mitgliedern des Aufsichtsamts getroffen, vorbehaltlich der Entscheidung der Reichsregierung in Zweifelsfällen. Ein Zweifelsfall ist insbesondere dann gegeben, wenn ein Mitglied des Aufsichtsamts einer beabsichtigten Entscheidung widerspricht. Die Vorschriften des § 43 Abs. 3 bleiben unberührt. (2) Die Leitung der Geschäfte des Aufsichtsamts liegt dem Vorsitzenden ob. (3) Die Mitglieder des Aufsichtsamts können Anträge stellen.
§32 (1) Das Aufsichtsamt hat außer den ihm in diesem Gesetz besonders zugewiesen Geschäften die Aufgabe, für die Beachtung allgemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte in der allgemeinen Kredit- und Bankpolitik und für die Beseitigung im Kreditwesen auftretender Mißstände zu sorgen. Es kann, sobald ein Kreditinstitut in Schwierigkeiten gerät oder zu geraten droht, geeignete Maßnahmen einleiten. Weiter hat das Aufsichtsamt dafür Sorge zu tragen, daß sämtlichen Kreditinstituten die Verpflichtung auferlegt wird, die Jahresabschlüsse durch unabhängige Stellen nachprüfen zu lassen. Soweit solche Nachprüfungen reichsgesetzlich angeordnet sind, behält es dabei sein Bewenden. Das Aufsichtsamt kann in diesen Fällen eine weitergehende Verpflichtung zur Prüfung anordnen. (2) Das Aufsichtsamt kann unbeschadet der allgemeinen reichsgesetzlichen Vorschriften Grundsätze für die Revision und Richtlinien für den Inhalt der Revisionsberichte aufstellen. (3) Das Aufsichtsamt kann Grundsätze über die Geschäftsführung der Kreditinstitute aufstellen. (4) Das Aufsichtsamt kann Richtlinien aufstellen, nach denen der Reichskommissar seine Geschäfte zu führen hat.
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Anhang §33
(1) Der Reichskommissar ist eine Reichsbehörde; er hat seinen Sitz in Berlin. (2) Der Reichskommissar wird von dem Führer und Reichskanzler nach Anhörung des Präsidenten des Reichsbankdirektoriums ernannt. (3) Der Reichskommissar hat für die Durchführung dieses Gesetzes im Rahmen der ihm vom Aufsichtsamt gegebenen Richtlinien Sorge zu tragen. (4) Der Reichskommissar untersteht unbeschadet der Bestimmungen dieses Gesetzes dem Reichswirtschaftsminister. §34 Der Reichskommissar ist befugt: a) von den der Beaufsichtigung unterliegenden Kreditinstituten jederzeit die Einreichung von Bilanzen sowie von Gewinn- und Verlustrechnungen auch für zurückliegende Stichtage zu verlangen, ferner von ihnen, ihren Inhabern und ihren Organen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten zu fordern, die Bücher und Schriften der Kreditinstitute einzusehen, überhaupt alle Prüfungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben für erforderlich hält; über seine Wahrnehmungen kann er den Organen der Kreditinstitute wie auch deren einzelnen Mitgliedern und, falls die Kreditinstitute der besonderen Aufsicht einer Behörde unterstehen, den Aufsichtsbehörden Mitteilungen machen; b) an den Generalversammlungen, den sonstigen Mitgliederversammlungen und den Sitzungen der Organe der Kreditinstitute teilzunehmen und in ihnen das Wort zu ergreifen; er kann sich bei der Wahrnehmung dieser Befugnisse vertreten lassen; c) die Einberufung von Generalversammlungen und sonstigen Mitgliederversammlungen, die Anberaumung von Sitzungen der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane sowie die Ankündigung von Gegenständen zur Beschlußfassung zu verlangen; d) von allen Unternehmungen und Personen, die ihren Wohnsitz, Sitz oder den Ort der Leitung im Inland haben, auch wenn diese Unternehmungen und Personen nicht das Kreditgewerbe betreiben, Angaben über den Stand ihre Zahlungsverpflichtungen und Zahlungsansprüche gegen Unternehmungen und Personen, die Ihren Wohnsitz, Sitz oder den Ort der Leitung im Sinne der Devisengesetzgebung im Ausland haben, zu fordern; e) im Falle dringender Gefahr zur Erfüllung der Zwecke der Beaufsichtigung einstweilige Anordnungen zu treffen. §35 (1) Unternehmungen, die den An- und Verkauf von Wertpapieren für andere (§ 1 Abs. 1 Buchstabe b) oder das Depotgeschäft (§ 1 Abs. 1 Buchstabe c) betreiben, unterliegen einer regelmäßigen Prüfung des Depotgeschäfts. (2) Der Reichskommissar bestimmt Art und Umfang der Prüfung. Der Depotprüfer wird vom Reichskommissar oder in seinem Auftrage von anderen Stellen bestellt.
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§36 (1) Der Reichskommissar kann sich zur Durchführung seiner Aufgaben geeigneter Prüfungsorgane bedienen, im Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium und durch dessen Vermittlung auch der Dienststellen der Reichsbank. (2) Der Reichskommissar kann die ihm nach diesem Gesetz zustehenden Befugnisse mit Zustimmung des Aufsichtsamts ganz oder teilweise auf andere Stellen übertragen. Diese haben sich nach den ihnen vom Reichskommissar erteilten Weisungen zu richten und sind ihm für die ordnungsmäßige Ausübung der übertragenen Befugnisse verantwortlich.
§37 Die Kosten, die durch die Prüfung eines Kreditinstitutes erwachsen, sind von diesem dem Reich zu erstatten und auf Verlangen des Reichskommissars vorzuschießen. Sie werden wie Reichssteuern von den Finanzämtern zugunsten der Reichskasse eingezogen.
§38 Der Reichskommissar kann Mehrheitsbeschlüsse der Spitzenverbände der Kreditinstitute über die Geschäftsbedingungen - insbesondere über die Zins- und Provisionssätze - und über den Wettbewerb für allgemein verbindlich erklären. Der Reichskommissar kann seine Erklärung widerrufen. Falls ein Mehrheitsbeschluß unter den Spitzenverbänden der Kreditinstitute innerhalb einer vom Reichskommissar zu setzenden Frist nicht zustande kommt, wegfällt oder nicht die Zustimmung des Reichskommissars findet, kann der Reichskommissar im Einvernehmen mit dem Reichsbankdirektorium entsprechende Bestimmungen für die Kreditinstitute und deren Spitzen verbände selbst erlassen. §39 Alle Behörden haben dem Reichskommissar und seinen Organen zur Erfüllung seiner Obliegenheiten Hilfe zu leisten. §40 Die mit der Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen und sonstigen Verfügungen des Reichskommissars sind mit Gründen zu versehen und zuzustellen. Sie werden mit der Zustellung wirksam. §41 (1) Die Mitglieder des Aufsichtsamts sowie sämtliche Personen und Organe, deren sich das Aufsichtsamt zur Erfüllung seiner Obliegenheiten bedient, sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie dürfen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die sie bei der Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten erfahren, nicht unbefugt verwerten. Diese Pflicht wird durch Ausscheiden aus den Dienst oder Beendigung der Tätigkeit nicht berührt. (2) Die gleiche Verpflichtung trifft den Reichskommissar sowie sämtliche Personen und Organe, deren er sich zur Erfüllung seiner Obliegenheiten bedient.
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Anhang §42
Die Kosten des Aufsichtsamts und des Reichskommissars sind dem Reich von den Kreditinstituten zu erstatten. Der Reichswirtschaftsminister stellt im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen und dem im Einzelfall außerdem zuständigen Reichsminister die für die Durchführung der Erstattung erforderlichen Grundsätze auf und regelt das Verfahren.
§43 ( 1 ) Gegen die Entscheidungen und Anordnungen des Reichskommissars aus § 1 Abs. 4, §§ 4,5, 6,10,27 Abs. 2, § 29 Abs. 1, §§ 45 und 46 ist Beschwerde an das Aufsichtsamt zulässig. Alle übrigen Entscheidungen und Anordnungen des Reichskommissars sind endgültig. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung oder Anordnung an den Reichskommissar oder an das Aufsichtsamt einzureichen. (3) Das Aufsichtsamt entscheidet über Beschwerden mit einfacher Stimmenmehrheit endgültig; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Bei der Verhandlung und Beschlußfassung über eine Beschwerde müssen mindestens fünf Mitglieder des Aufsichtsamts anwesend sein. §44 Wegen eines Schadens, der durch im Rahmen dieses Gesetzes von der Reichsregierung, dem Aufsichtsamt oder dem Reichskommissar getroffene Maßnahmen entsteht, wird eine Entschädigung nicht gewährt.
X. Zwangsmittel und Strafen §45 (1) Der Reichskommissar kann die Befolgung der Verfügungen, die er innerhalb seine gesetzlichen Befugnisse trifft, durch Zwangsmittel (Erzwingungsstrafen in Geld und unmittelbaren Zwang) durchsetzen. Die Zwangsmittel können gegen natürliche Personen und gegen juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts sowie gegen Personenvereinigungen verhängt werden. Sie können wiederholt festgesetzt werden, bis der Verfügung entsprochen ist. Die einzelne Erzwingungsstrafe darf 100 000 Reichsmark nicht übersteigen. Der Unternehmer haftet als Gesamtschuldner für Erzwingungsstrafen, die gegen seiner Unternehmung angehörende Personen festgesetzt sind, wenn die Haftung in der Strafverfügung ausgesprochen ist. Unmittelbarer Zwang darf nur angewendet werden, wenn die Verfügung sonst nicht durchsetzbar erscheint oder Gefahr im Verzuge ist. (2) Bevor das Zwangsmittel verfügt wird, muß es dem Verpflichteten mit Setzung einer angemessenen Frist angedroht werden. Die Androhung soll schriftlich geschehen und eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Die Androhung ist nicht erforderlich, wenn Gefahr im Verzuge ist. (3) Gegen die Androhung des Zwangsmittel ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an das Aufsichtsamt zulässig. Das gleiche gilt für die Festsetzung des Zwangsmittels, sofern nicht
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bereits gegen die Androhung Beschwerde eingelegt ist. Die Beschwerde gegen die Androhung erstreckt sich auf die Festsetzung des Zwangsmittels. Sie hat aufschiebende Wirkung, es sei denn, daß nach pflichtmäßigem Ermessen des Reichskommissars Gefahr im Verzuge ist. (4) Wird nach der Festsetzung des Zwangsmittel der Verfügung entsprochen, so ist die Beitreibung nicht mehr zulässig. §46 ( 1 ) Der Reichskommissar kann gegen die Geschäftsleiter (§ 4 Absatz 2) oder deren gesetzliche Vertreter, gegen Verwaltungs- oder Aufsichtsorgane einer Unternehmung sowie gegen juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts oder gegen die Leiter nicht rechtsfähiger Vereinigungen bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen die Vorschriften dieses Gesetzes, die Durchführungsbestimmungen, die gemäß § 38 getroffenen Vereinbarungen oder erlassenen Bestimmungen sowie die im § 57 aufrechterhalten Abkommen in anderen als den nach §§48 bis 50 oder sonstigen Strafvorschriften mit Strafe bedrohten Fällen Ordnungsstrafen in Geld bis zu 100 000 Reichsmark für jeden Einzelfall des Verstoßes festsetzen. Der Unternehmer haftet als Gesamtschuldner für Ordnungsstrafen, die gegen seiner Unternehmung angehörende Personen festgesetzt sind, wenn die Haftung in der Strafverfügung ausgesprochen ist. Soweit nach § 45 eine Erzwingungsstrafe in Geld angedroht ist, darf wegen der Nichtbefolgung der Verfügung nicht eine Ordnungsstrafe in Geld verhängt, sondern nur die Erzwingungsstrafe festgesetzt werden. Die Strafverfügung soll eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. (2) Gegen die Festsetzung der Ordnungsstrafe ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an das Aufsichtsamt zulässig. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
§47 (1) Die festgesetzten Erzwingungs- und Ordnungsstrafen werden wie Reichssteuern von den Finanzämtern zugunsten der Reichskasse beigetrieben. (2) Die Reichsregierung ist befugt, festgesetzte Erzwingungs- und Ordnungsstrafen ganz oder teilweise zu erlassen. Sie kann diese Befugnis auf das Aufsichtsamt oder den Reichskommissar übertragen. §48 (1) Wer die Geschäfte eines Kreditinstituts ohne die erforderliche Erlaubnis betreibt, den Geschäftsbetrieb eines Kreditinstituts trotz Untersagung fortführt oder einen eingestellten Geschäftsbetrieb ohne Erlaubnis wieder eröffnet, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Reichskommissars ein.
§49 ( 1 ) Mit Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser der Strafe wird, soweit nach anderen Gesetzen nicht schwerere Strafe verwirkt sind, bestraft, wer vorsätzlich 32 Müller
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Anhang a) auf die Aufforderung zur Auskunftserteilung gegenüber dem Aufsichtsamt, dem Reichskommissar oder Organen und Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten bedienen, falsche Angaben macht; b) seine Pflicht zur Verschwiegenheit verletzt oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die er bei der Wahrnehmung seiner Obliegenheiten erfahren hat, unbefugt verwertet; c) wider besseres Wissen unwahre Behauptungen aufstellt oder verbreitet, die geeignet sind, den Kredit eines Kreditinstituts zu schädigen oder zu gefährden.
(2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Reichskommissars, im Falle des Absatzes 1 Buchstabe b nur auf Antrag der Reichsregierung ein.
§50 Mit Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird, soweit nach anderen Gesetzen nicht schwerere Strafe verwirkt sind, bestraft, wer vorsätzlich zur Erlangung oder Erweiterung eines Kredits oder Erzielung günstigerer Kreditbedingungen unwahre Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen oder Vermögensübersichten einem Kreditinstitut einreicht oder einem solchen gegenüber wissentlich falsche Erklärungen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse abgibt, auch wenn es nicht zur Kreditgewährung kommt.
XI. Sondervorschriften §51 (1) Gegenüber Kreditinstituten, die einer besonderen Reichs- oder Staatsaufsicht unterliegen, stehen die in den §§ 3, 6, 45 und 46 dem Reichskommissar eingeräumten Befugnisse der Aufsichtsbehörde zu, es sei denn, daß es sich in den Fällen der §§45 und 46 um Verstöße gegen nach § 38 geschlossene Vereinbarungen oder erlassene Bestimmungen handelt. Hinsichtlich der Handhabung dieser Befugnisse hat jedoch die Aufsichtsbehörde einem Ersuchen des Aufsichtsamts Folge zu leisten. Der Reichskommissar ist berechtigt, an das Aufsichtsamt Anträge zu stellen. Die Erlaubnis gemäß § 3 darf von der Aufsichtsbehörde nur im Einvernehmen mit dem Reichskommissar erteilt werden. (2) Gegenüber den im Absatz 1 bezeichneten Kreditinstituten stehen die im § 34 dem Reichskommissar eingeräumten Befugnisse in jedem Falle auch der Aufsichtsbehörde zu.
§52 Das Aufsichtsamt kann für Bausparkassen und solche Geschäftsbetriebe, die diesen gemäß § 112 Absatz 2 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 315) gleichgestellt sind oder gleichgestellt werden, und für Zwecksparunternehmungen im Sinne des Gesetzes vom 17. Mai 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 269) und solche Unternehmungen, die gemäß § 1 Absatz 2 dieses Gesetzes den Vorschriften für Zwecksparunternehmungen unterstellt sind oder unterstellt werden, die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes ausschließen.
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XII. Übergangs- und Schlußvorschriften §53 (1) Die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden Kreditinstitute bedürfen keiner Erlaubnis (§ 3), soweit sie ihr Geschäft noch betreiben. Das gleiche gilt für im Zustand der Liquidation oder des Konkurses befindlichen Kreditinstitute, soweit deren Geschäftsbetrieb sich auf die Durchführung der Liquidation oder des Konkurses beschränkt. (2) Kreditinstitute oder Zweigstellen von Kreditinstituten, die nach dem 30. Juni 1934 errichtet worden sind, bedürfen jedoch der Erlaubnis, soweit sich nicht die Reichsregierung bis zu dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gemäß § 4 der Verordnung über eine Gründungssperre für Kreditinstitute vom 4. September 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 815) mit der Fortführung des Geschäftsbetriebes über den 1. Oktober 1934 hinaus einverstanden erklärt hat oder gemäß § 2 der genannten Verordnung die Errichtung zugelassen hat.
§54 (1) Zur Herbeiführung einer zweckmäßigeren Gestaltung des Kreditwesens ist das Aufsichtsamt befugt, bis zum 31. Dezember 1935 Kreditinstituten, die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen, die Fortführung ihres Geschäftsbetriebes auch dann zu untersagen, wenn die Voraussetzungen des § 6 Absatz 1 nicht vorliegen. Sofern durch die Untersagung Kreditinstitute betroffen werden, die einer besonderen Reichs- oder Staatsaufsicht unterstehen, ist die Aufsichtsbehörde vorher zu hören. Der Reichskommissar ist berechtigt, Anträge zu stellen. (2) Eine Untersagung gemäß Absatz 1 kann sich auch auf einen Teil des Geschäftsbetriebes sowie auf einzelne Zweigstellen beschränken.
§55 Der Reichskommissar ist befugt, bis zu einem von der Reichsregierung zu bestimmenden Zeitpunkt einzelnen Kreditinstituten oder Arten oder Gruppen von Kreditinstituten Abweichungen von den Vorschriften der §§ 11,12,16 und 17 zu gestatten. Er kann ferner mit Zustimmung des Aufsichtsamts in Abweichung von den Vorschriften der §§22 bis 25 und zur Vorbereitung ihrer Durchführung für eine angemessene Zeit Übergangsbestimmungen erlassen.
§56 Die auf dem Gebiet des Kreditwesens, insbesondere für einzelne Kreditinstitute oder Arten oder Gruppen von Kreditinstituten bestehenden Vorschriften des Reichs- oder Landesrechts bleiben aufrechterhalten, soweit nicht die Vorschriften dieses Gesetzes ihnen entgegenstehen. Soweit Vorschriften dieses Gesetzes erst nach Erlaß von Durchführungsbestimmungen anwendbar sind, bleiben die hierauf bezüglichen bisherigen Vorschriften des Reichs- oder Landesrechts bis zum Inkrafttreten der entsprechenden Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetze unbeschränkt aufrechterhalten.
32=
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§57 Soweit aufgrund der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen Vereinbarungen zwischen den Spitzen verbänden der Kreditinstitute durch die Zustimmung des Reichskommissars Allgemeinverbindlichkeit erlangt haben, hat es hierbei sein Bewenden. Die Zustimmung kann widerrufen werden. Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes können Änderungen der bestehenden Vereinbarungen nach Maßgabe des § 38 erfolgen. §58 (1) Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1935 in Kraft. (2) Gleichzeitig treten außer Kraft: a) der Zweite Teil der Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. September 1931 (Reichsgesetzbl. IS. 493), b) Kapitel III Zweiter Abschnitt des Ersten Teils der Vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 699), c) die Durchführungsverordnung über Zinssenkung auf dem Geldmarkt vom 19. Januar 1932 (Reichsgesetzbl. I S. 29), d) die Verordnung zur Durchführung der Bankenaufsicht vom 21. April 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 228), e) das Gesetz über Befugnisse des Reichskommissars für das Bankgewerbe vom 7. August 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 577), f) Artikel 4 des I. Kapitels im Fünften Teil der Dritten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. Oktober 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 537) und die dazu ergangene Änderung im Artikel 1 des VIII. Kapitels im Vierten Teil der Vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens vom 8. Dezember 1931 (Reichsgesetzbl. I S. 699), g) die Verordnung über eine Gründungssperre für Kreditinstitute vom 4. September 1934 (Reichsgesetzbl. I S. 815). §59 Der Reichswirtschaftsminister ist ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen und dem im Einzelfall außerdem zuständigen Reichsminister Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes zu erlassen. Berlin, den 5. Dezember 1934 Der Führer und Reichskanzler
Der Reichsminister des Innern
Adolf Hitler
Frick
Der Reichswirtschaftsminister
Der Reichsminister der Finanzen
Mit der Führung der Geschäfte beauftragt:
Graf Schwerin von Krosigk
Hjalmar Schacht Präsident des Reichsbankdirektoriums
uerzeichnis Α. Ungedruckte Quellen Die Quellen sind dem Bundesarchiv, Abteilung Berlin (Lichterfelde) entnommen. I. Akten der Reichsbank (R 25.01) Nr. 6505:
Entwurf eines Gesetzes über den Zahlungsverkehr mit Schreibgeld.
Nr. 6910:
Vorarbeiten zur Bankenreform und zur Durchführung der Bankenenquete.
Nr. 6912:
Protokoll der Reichsbankbesprechung vom 18. Oktober 1933.
Nr. 6913:
Vorentwurf eines Aufsichtsgesetzes der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom 10. November 1933.
Nr. 6914:
Internes Schreiben des Untersuchungsausschusses vom 15. November 1933 über die Frage der Bankenverstaatlichung. Protokoll der internen Nachmittagssitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. November 1933.
Nr. 6915:
Kurzprotokolle der Sitzungen der Bankenenquete.
Nr. 6916:
Protokoll der 2. Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 14. 11. 1933.
Nr. 6919:
Arbeiten der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank zur Unterstützung des Untersuchungsausschusses. Gutachten des Untersuchungsausschusses zu den Ausgleichskassen.
Nr. 6920:
Ubersicht der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank über die Staatsaufsicht über die Sparkassen und privaten und öffentlichen Hypothekenbanken.
Nr. 6927:
Wortlautprotokoll der Vormittagssitzung der Bankenenquete vom 21. November 1933.
Nr. 6939:
Vorentwurf zu einem Aufsichtsgesetz der volkswirtschaftlichen und statistischen Abteilung der Reichsbank vom August 1933 nebst Begründung. Protokoll der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. Februar 1934.
Nr. 6941:
Protokoll der Abschlußbesprechung im Reichswirtschaftsministerium vom 24. Mai 1934. Protokoll der Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 4. Oktober 1934.
Nr. 6943:
Protokoll der Besprechungen im Reichswirtschaftsministerium vom 3. bis 27. März 1934.
Nr. 6946:
Erster dem Untersuchungsausschuß vorgelegter Gesetzentwurf (KWG-E 1). Entwurf aufgrund der ersten Besprechungsrunde im Reichswirtschaftsministe-
Quellenverzeichnis rium (KWG-E 2). Entwurf aufgrund der zweiten Besprechungsrunde im Reichswirtschaftsministerium (KWG-E 3) nebst Begründung. Dem Untersuchungsausschuß in der Sitzung vom 4. Oktober 1934 vorliegender Entwurf (KWG-E 4).
II. Akten des Reichswirtschaftsministeriums (R 31.01) Nr. 15480 : Teilnehmerliste der Besprechung im Reichswirtschaftsministerium 3. März 1934.
vom
Nr. 15481: Einladungsschreiben zu den Besprechungen im Reichswirtschaftsministerium am 14. und 19. Mai 1934. Nr. 15482 : Vermerk über die Chefbesprechung vom 28. November 1934.
I I I . Akten des Reichsfinanzministeriums (R 2) Nr. 13683: Diverse Schriftwechsel zum Verlauf des GesetzgebungsVerfahrens. Vermerk über die Referentenbesprechung vom 8. Oktober 1934. Nr. 13687: Beschwerdeverfahren gemäß § 43 KWG. Nr. 13688: Beschwerdeverfahren gemäß § 43 KWG. Nr. 13689: Beschwerdeverfahren gemäß § 43 KWG.
IV. Akten der Reichskanzlei (R 43 II) Nr. 237:
Am 23. Oktober 1934 Hitler zugeleiteter Gesetzentwurf (KWG-E 5) nebst Begründung. Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Reichskabinetts vom 4. Dezember 1934.
Nr. 243:
Diverse Schriftwechsel und Vermerke zum Verlauf des Gesetzgebungs Verfahrens.
Nr. 245:
Offizielle Begründung zum Gesetz gegen Mißbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs vom 3. Juli 1934.
V. Akten der Partei-Kanzlei der NSDAP (NS 6) Nr. 395:
Bericht des bayerischen Innenministers Wagner über die Chefbesprechung am 30. November 1934.
VI. Akten der Akademie für Deutsches Recht (R 61) Nr. 406:
Protokoll der konstituierenden Sitzung des Sparkassenausschusses der Akademie für Deutsches Recht vom 9. Januar 1934.
uerzeichnis
G. Gedruckte Quellen I. Referate der Bankenenquete Bente, Hermann: Das Eindringen des Staates und der Kommunen in das Bankwesen, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 360-420, Berlin 1933. Bissing, W. M. Frhr. v.: Die Schrumpfung des Kapitals und seine Surrogate, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 57-112, Berlin 1933. Deumer, Robert: Das deutsche Kreditgenossenschaftswesen, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 245-332, Berlin 1933. - Die Gesetzgebung des Auslandes auf dem Gebiete der Kreditbanken, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 271-310, Berlin 1933. Döring, Franz: Rückblick auf die Zeit vor dem Kriege und im Kriege, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 137-158, Berlin 1933. Fischer, Otto Christian: Die fehlerhafte Kreditpolitik, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 493-532, Berlin 1933 (zit: Fischer, Die fehlerhafte Kreditpolitik, S.). Griiger, Franz: Die Wirkungen des Krieges und der Kriegsfolgen auf das deutsche Bankwesen mit einem Rückblick auf die Vorkriegszeit, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil 1,1. Band, S. 23-55, Berlin 1933. Hasse, Ernst: Die Krisenmaßnahmen des Jahres 1931, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 67-88, Berlin 1933. Krämer, Carl: Literaturübersicht zu den gegenwärtigen Problemen des Bankwesens, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 351-382, Berlin 1933. Moller, Hans v.: Der deutsche Privatbankierstand, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 197-244, Berlin 1933. Müller, Friedrich: Stabilisierung und Sicherung der Währung (einschl. Kontingentierung), in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 187-214, Berlin 1933. Neumann, Erich: Die deutschen Sparkassen, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil 1,1. Band, S. 333-360, Berlin 1933. Nordhoff, Karl: Über die Liquiditätsfrage, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 1. Band, S. 475-491, Berlin 1933 (zit.: Nordhoff, Liquidität, S.). - Die Maßnahmen der Reichsbank zur Verbesserung der Publizität, Liquidität und Solidarität der Banken, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 243-268, Berlin 1933 (zit.: Nordhoff, Publizität, S.). Paersch, Fritz: Maßnahmen des Staates hinsichtlich einer Beaufsichtigung und Reglementierung des Bankwesens, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 31-66, Berlin 1933. Puhl, Emil: Wiederaufbau des Geld- und Kapitalmarktes, in: Untersuchung des Bankwesens, Teil I, 2. Band, S. 215-242, Berlin 1933.
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Wandel, Eckhard: Die deutsche Bankengesetzgebung vom Beginn der Industrialisierung bis zur Weltwirtschaftskrise in ihren zeitgeschichtlichen Zusammenhängen, in: Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Bankengesetzgebung, S. 13 - 20, Achtes Beiheft zu Bankhistorisches Archiv, Frankfurt/M. 1982, (zit.: Wandel, Die deutsche Bankengesetzgebung, S.). - Das deutsche Bankwesen im Dritten Reich, in: Deutsche Bankengeschichte, Band 3, Frankfurt/M. 1983, S. 147-203. - Banken und Versicherungen im 19. und 20. Jahrhundert, München 1998. Wegner: Die Bankkritik des Enquete-Ausschusses, in: Der Deutsche Oekonomist 1930, S. 1745-1747. Weitz, John: Hitlers Bankier - Hjalmar Schacht, München, Wien 1998. Wittke,
Wilhelm: Industrie und Banken, in: Der Deutsche Volkswirt 1933, S. 189-191.
Wysocki, Josef: Die ,bankmäßige' Entwicklung der Sparkassen, in: Die Entwicklung der Sparkassen zu Universalkreditinstituten, Sparkassenhistorisches Symposium 1986, S. 36-44. Zachau, Erich: Kredit, Formen und Arten, in: Handwörterbuch des Bankwesens, S. 325-329, Berlin 1933. Ziegler, Julius: Bankensanierung und Bankenaufsicht, Berlin/Wien 1933.
arverzeichnis Akademie für Deutsches Recht 189, 261 Aktienrechtsreform 257, 261 f. Ansehen des Bankwesens 111 ff. Anteile am Geschäftsergebnis 269 ff. Anzeigepflichten 213 f., 242 „Arbeitsteilung" im Kreditwesen 55, 169 ff., 184 „Arisierung" der Banken 109 f. Auflösungsbeschluß 211 Aufsicht - Begriff 65 f. - Rechtslage bis 1931 66 ff. - private Hypothekenbanken 72 f. - Reichsbank 67 f. - Sparkassen 69 ff. Aufsichtsamt für das Kreditwesen 383, 385 ff. - Aufgaben und Befugnisse 402 ff. - Bedeutung und Stellung 386, 408 - Errichtung und Zusammensetzung 387 ff. - Geschäftsführung 394 ff. Aufsichtsbehörden 382 ff., 442, 447 ff. Aufsichtsrat, Beteiligung bei Großkrediten 242 ff. Ausnahmevorschriften 299, 356 f. Ausschüttung von Gewinnanteilen 298 Autonomiegesetz von 1922 67
- Ursachen und Verlauf 57 ff. Bankgeschäfte 195 ff. Bankgesetz von 1875 67 f. Bankgesetz von 1924 68, 108 Bankgesetz von 1939 452 „bankmäßige Betätigung" der Sparkassen
Bankbegriff 195 ff. Bankenenquete 1908/09 82 f. Bankenenquete 1928/30 83 f. Bankenenquete 1933 124 ff. - Aufgaben und Arbeitsweise 125 f. - Beteiligungen 242, 244, 246 - Reaktionen der Fachpresse 128 f. - Stellenwert im Gesetzgebungsverfahren 12. ff. Bankenkrise von 1931 - Auswirkungen 61 ff. - Maßnahmen zur Behebung 59 ff.
Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen 455
48 ff., 55, 170 ff., 348 bargeldloser Zahlungsverkehr 322, 328, 360 ff., 446, 457 - Entwicklung und Problematik 360 ff. - Forderungen nach Reglementierung 366, 369 ff. - Haltung der Reichsbank 367 ff. - Regelung im KWG 374 ff. Barliquidität 274 f., 440 Barreserve 274 f. Bausparkassen 105, 198, 200, 315,432,434 Beamtensparkassen 350 f. Beschwerderecht 425 f. Beteiligungsbesitz 294 ff. Bewährung des KWG 438 ff. Bezeichnungsschutz 222 ff. Bilanzschema 301 ff. Bilanzveröffentlichungen 302 „Brechung der Zinsknechtschaft" 147, 423, 444
Central verband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes 32 f., 170 Depotprüfung 407 418 ff., 439 Deutscher Sparkassen- und Giroverband 36, 171 Durchführungsbestimmungen 437 Durchführungsverordnungen 441 f.
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arverzeichnis
Ehrbarkeit 207 f., 212 Eigenkapital - Bestimmung 230 ff. - Funktion 226 f. - Versorgung der Kreditinstitute 46, 226 f., 440 f., 458 Eigenkapitalquote 226 ff. - Diskussion zur gesetzlichen Regelung 228 f. - Regelung im KWG 230 ff. Einbehaltung von Ergebnisanteilen 269 ff. Entwicklung bis 1945 451 ff. Entwurf eines Gesetzes über den Zahlungsverkehr mit Schreibgeld von 1933 368 f. Entwurf eines Reichssparkassengesetzes vom 18. Oktober 1933 185 Erlaubnis zur Führung von Bankgeschäften 203 ff., 209 Ernst, Friedrich 88, 117, 119, 445 Evidenzzentrale 215 ff., 446, 458 - Begriff 215 - Debatte um die Einführung 215 ff. - Regelung im KWG 217 ff. fachliche Vorbildung 208 Feder, Gottfried 116, 120 f., 132 f., 147 Führerprinzip 395, 400, 402,404, 429 Garantiefonds 270, 272 f. Gefahrenabwehr 458 Geldmarktzinsen 97 ff., 101 Geldmengensteuerung 278, 292 f. Geltungsbereich des KWG 194 ff. - Ausnahmen 198 ff. genossenschaftlicher Giroverband 40, 360 Genossenschaftsringverkehr 362 Gesamtverpflichtungen, Begriff 230 ff. Gesamtverschuldung, Begriff 218 f. gesamtwirtschaftliches Bedürfnis 207 f., 212 Geschäftsbedingungen 421 ff. Geschäftsergebnis, Einbehaltung von Anteilen 269 ff. Geschäftsleiter 206, 208 f., 213, 248 Gesetzgebungsverfahren 129 ff. - Ausarbeitung des KWG 130 ff. - Einfluß der Reichsbank 136 f., 450 f.
- Einfluß des Reichswirtschaftsministeriums 137 ff., 450 f. - Inhalt und Charakter des KWG 141 ff. Gesetz gegen Mißbrauch des bargeldlosen Zahlungsverkehrs von 1934 106 Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte von 1925 76 ff., 203, 207,211 f. Gesetz über Zwecksparunternehmungen von 1933 105 Gesetz zum organischen Aufbau der deutschen Wirtschaft von 1934 111 Gesetz zur Änderung des Bankgesetzes von 1933 108 Gewährung von Personalkrediten 249 Gewerbefreiheit 75, 79, 203, 212 Gewinnanteile, Ausschüttung 298 Gewinn- und Verlustrechnung 301, 307, 311 ff., 345, 416 f. Giralgeld 364 Giralgeldschöpfung 365 ff., 381 f. Golddiskontbank 52, 60, 198 Habenzinsabkommen 98 ff., 322, 358 Höchstkredite 238 ff. - Problematik 238 f. Höchstkreditgrenze 239 ff., 459 - Beteiligung des Aufsichtsrates 242 ff. - Forderungen nach einer Einführung 239 ff. - Obergrenze 243 f., 247 - Regelung im KWG 241 ff. - Zustimmung der Geschäftsleiter 248 Hypothekenbankgesetz von 1899 72 f., 433 Immobiliarbesitz 294 ff. Inkrafttreten des KWG 437 Juden im Bankwesen 109 f. Kapitalfluchtgesetzgebung 74 ff., 78, 203 Kapitalmarkt - Aufgabe 321 - Entwicklung nach 1918 318 ff. Kapitalmarktzinsen 96 f. Kassenbestand 280, 288, 290 Keppler, Wilhelm 116, 121 Kieler Vortrag 155, 167, 187 ff., 204, 320
S ach wort Verzeichnis Konflikt zwischen Privatbanken und Sparkassen 169 ff. - Auseinandersetzungen in der Bankenenquete 1933 172 ff. - Haltung der Reichsbank 182 ff. - historische Entwicklung 169 ff. - Lösung 191 f., 348 f., 359 f. Kontrollratsgesetz Nr. 1 453 Konzentration im Kreditwesen 45, 47, 157 ff. Konzessionssystem 77, 107, 203 ff., 431, 433 f., 441, 446 f., 458 Kosten der Aufsicht 424 f. Kreditbetrug 431 Kreditgenossenschaften, Struktur und Aufgaben - Entstehung und Aufgaben 38 ff. - gewerbliche Kreditgenossenschaften 39 - landwirtschaftliche Kreditgenossenschaften 39 f. - Verbandswesen 42 f. - Zentralinstitute 40 ff. Kreditnehmer i.S d. § 9 KWG 219 f. Kreditschöpfung 284 Kreditvolumen, Steuerung 276, 278 Kreditwesen - Struktur 26 ff. - wirtschaftliche Entwicklung nach 1918 43 ff. - Aktienbanken 45 ff. - Großbanken 45 ff., 55, 64 - Hypothekenbanken 47 f. - Kreditgenossenschaften 53 f. - Privatbankiers 44 - Sparkassen und Girozentralen 48 ff. Kündigungsgelder 331 ff., 337 Kuratorium für das Bankgewerbe 87 f., 383, 386, 395,415 - Aufgaben und Befugnisse 89 f. KWG 1961 453, 455 f. KWG 1998 457 Liquidität ersten Grades 274 f., 440 Liquiditätsentwicklung 46 f., 274 ff. Liquiditätsgrade 274 f. Liquiditätsvorschriften 82, 274 ff., 458 - Diskussion um die Einführung 277 ff. - praktische Bewährung 292 f.
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- Regelung im KWG 280 ff. Lombardverkehr 280, 285, 288 „Machtergreifung" 104,443,461 mittelständische Kreditversorgung 50, 157, 174, 176, 250 f. nahestehende Unternehmen, Kredite an 257 ff. - Beteiligung des Aufsichtsrates 259 ff. Nostroguthaben 286 f. Nostroverpflichtungen 290 f. Notverordnung vom 6. Oktober 1931 60, 93 f., 223, 345, 358 Notverordnung vom 8. Dezember 1931 94 ff., 330, 421 f., 436, 449 Notverordnung vom 19. September 1931 60, 84 ff., 257, 383 f., 387, 395, 403, 409, 412, 414 f., 424, 427 f., 447 - Bewährung 91 ff. - Entstehung 85 f. - Geltungsbereich 90 - Inhalt 87 ff. Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse 251 ff. Offenmarkt-Politik 108, 340 Öffentliches Bankwesen, Struktur und Aufgaben - Girozentralen 36 - öffentliche Banken 37 - Sparkassen 33 ff. örtliches Bedürfnis 207 f., 212 Personalkredite - Begriff 249 f. - Problematik 250 f. - Reglementierung 251 ff. Pfandleihhäuser 199 f. Postscheckverkehr 362 Preußische Mustersatzung von 1927 70 Privates Bankwesen, Struktur und Aufgaben - Aktienbanken 29 ff. - Centraiverband 32 f. - Großbanken 31 - Hypothekenbanken 31 f. - Privatbankiers 28 f. - Provinzbanken 30 f.
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arverzeichnis
Privatnotenbanken 27, 198, 200 Publizität 278 Publizitätspflichten 300 ff., 458 - Ausnahmen 310, 314 ff. - Diskussion um die Verbesserung der Publizität 304 ff. - historische Entwicklung 301 ff. - Position der Bankenenquete 1933 305 f. - Regelung im KWG 306 ff. Regionalbanken 156 ff., 444 f., 460 - Bankenenquete 1933 163 ff. - Begriff 156 - Entscheidung des Untersuchungsausschusses 166 ff. - Gegner der Regionalbankenidee 160 ff. - Plan zur Schaffung eines Regionalbankensystems 159 ff. Registergericht 224 Reichsbank - Aufgaben 27 f. - Gründung 27 Reichsbankgiroverkehr 361 Reichsbankguthaben 280 Reichsernährungsministerium 131 Reichskommissar für das Bankgewerbe 87 f., 383 - Aufgaben und Befugnisse 88 f. Reichskommissar für das Kreditwesen 383, 410 ff. - allgemeine Befugnisse 416 ff. - Ernennung und Aufgaben 411 ff. - grundsätzliche Bedeutung 410 f. Reichspost 198 Reichsscheckgesetz von 1908 48, 301, 361 Rentabilität der Kreditinstitute 47, 276, 283, 291,440 Rücknahme der Erlaubnis 209 ff. Rüstungsfinanzierung 452 Schacht, Hjalmar 114, 116, 117 ff., 126, 132, 445 Schlußbericht des Untersuchungsausschusses 140 f. Schlußvorschriften 434 ff. Schutz der Bezeichnungen „Bank" und „Sparkasse,, 222 ff., 458
Sollzinsabkommen 98 ff. Sonderausschuß Bankenaufsicht 454 Sondervorschriften 432 ff. Sparbuch 322 ff. Spareinlagen - Anlage 338 ff., 358, 449 - Begriff und Rechtsnatur 318, 322 ff., 358 - Buchführung und Bilanzierung 345 ff., 358 - Charakter 318 ff., 326, 329 - Konkursprivileg 342 f., 352 ff. - Kündigungsfristen 329 ff. - Rückzahlung 329 ff., 358 - Verfügung über Spareinlagen 323, 326 - Verzinsung 329 ff., 358 - Vorschüsse 330, 335 Spargiroverkehr 361 f., 370 Sparkassenreglement von 1838 69 Sparverkehr 317 ff., 446, 457 - Kosten 345 ff. Übergangsvorschriften 299, 358, 434 ff. Übersetzung im Kreditwesen 56, 60, 77, 95, 204 Unternehmensangehörige, Kredite an 257 ff. - Begriff 259, 262 ff. - Beteiligung des Aufsichtsrates 259 ff. Untersagung des Geschäftsbetriebes 209 ff., 435, 441 Untersuchungsausschuß 1933 113 ff. - Einsetzung und Aufgaben 114 f. - Grundsätze 122 f. - Mitglieder 116 f. - politische Ausrichtung 121 ff. Verein für Depotprüfung 418 f. Verordnung über die Börsen-, Hypothekenbank- und Schiffspfandbriefbankaufsicht von 1934 107 Verordnung über eine Gründungssperre für Kreditinstitute von 1934 107, 204 Verschwiegenheitspflicht 425 Verstaatlichung des Bankwesens 144 ff., 443 ff., 460 - Bankenenquete 1933 150 ff. - Entscheidung des Untersuchungsausschusses 153 ff.
arverzeichnis - Forderungen der Nationalsozialisten 146 ff. Volkswirtschaftliche und statistische Abteilung der Reichsbank 136 Vorentwurf eines Sparkassengesetzes vom 11. November 1933 186 Werkssparkassen 349 ff. Wertpapierbesitz 294 ff. Wettbewerbsbedingungen 421 ff. wirtschaftliche Verhältnisse, Einsicht 250 ff. Wirtschaftsideologie 443 f., 450 Wirtschaftspolitik 448, 450, 457 Wohnungsunternehmungen 198
in
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Zentraler Kreditausschuß 98 Zinsabkommen vom 9. Januar 1932 98 ff., 322, 421 Zinsfuß 323, 326, 330 f. Zinsniveau 46, 94 ff., 102, 332, 345 Zinssenkung 96 ff. Zulassung zum Geschäftsbetrieb 75, 77, 205 ff., 210 - Erfordernis 205 f. - Voraussetzungen 206 ff. Zuverlässigkeit 207, 212 Zwangsmittel und Strafen 430 ff. Zwecksparunternehmungen 105 f., 201 f., 315,432, 434 Zweifelsfallregelung 396 ff., 404,429 Zwischenbilanzen 302 ff.